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N
8000249188
„ve
Die Mythologie
Aſiatiſchen Völker,
der
Aegypter, Griechen, Nömer, German
und Slaven,
herausgegeben von
Konrad Schwend.
Dritter Band.
Die Mythologie der Vegypter.
Mit 13 Lithographirten Tafeln.
IIND OCCEe»n-
Frankfurt am Main.
J. D Sauerlänvder’s Berlag.
18A6.
221. 2. Sb,
Die
Mythologie der Aegypter
für
Gebildete und die ftudirende Jugend,
dargeftelft von
Konrad Schwenk,
Mit 18 lithographirten Tafeln.
re
Frankfurt am Main.
3. D Sauerländer’s Verlag.
1846.
Ill.
E inleitung
Die Aegypter zeigen fih in Sprache und Ausdrucksweiſe mit den
Semitiichen Stämmen Aflend verwandt und die Denkmäler verfelben reichen
in ein hohes Alterthum hinauf, wenn man fle mit denen anderer Völker
vergleiht. Nie wurde dieſes Volk aus feinem Sige an dem Nil ver-
trieben, doch es erfuhr Fremdherrſchaft, indem längere Zeit ein Aftatifches
Hirtenvolf, die Hykſos genannt, die Hauptgewalt im Lande hatte, bis es
nad Aften zurüdging oder vertrieben ward. Später eroberten bie Perſer
Aegyopten, ohne jedoch des Volkes Sitten, Gebräuche und Religion anzu-
taften, und dann warb es ein Theil der Eroberungen Alexanders des
Großen, ald welcher e8 dem Ptolemäud zufiel, bis e8 unter die Botmaͤßig⸗
feit der Römer kam. Aegyptens Gefchichte beginnt mit der Vereinigung
yon Ober» und Unter = Uegypten, welche Theilungen des Landes aber ven
beiden Konigreichen, die unter Menes vereinigt wurben, vorhergegangen
fern mögen, vermögen wir nicht zu wißen. An ven Namen des Königes
Seſoſtris fnüpfte Aegypten ven Glanz feiner Geſchichte, einen Eroberungs-
zug durh Aften, außer diefem aber wird nur von Kämpfen mit den Afri-
caniihen Nachbarn Oberägyptens gemeldet. Die Befchaffenheit des Bodens
und des Klima ließ es zu, daß eine zahlreiche Bevölferung auf einem
verhältnigmäßig kleinen Raum gedeihen konnte, wodurch die Aegypter
vorzugsweiſe ein ackerbauendes Volk ſchon in früher Zeit wurden. Die
alljährliche Ueberſchwemmung des Nil, welcher einen fruchtbaren Schlamm
zurüdläßt, gewährte meift gute Erndten, welche von NRegengüßen und
Hagel verjchont blieben, weil Aegypten Feine Gewitter Fennt und, nur
felten Regen im unteren Theile des Landes hat. Die Ueberſchwemmung
folgt auf ven Aufgang des Hundsſterns, welcher daher beobachtet ward, *)
da fi ver Seegen des Jahres an venfelben Enüpfte, und fo famen die
Aegnpter frühe zur Zeitrechnung und der genauen Kenntniß des Jahres,
io wie fie auch auf die Meßkunſt geführt wurden, weil die Ueberſchwem⸗
mung ed nöthig machte, das Land richtig zu vermepen unter die Eigen-
ıhümer. Jederzeit war die Herrfchaft Aegyptens eine königliche, doch war
rieielbe nicht auf die Männer befchränft, ſondern auch Frauen werden ale
Herrſcherinnen des Landes genannt, die Könige aber wurden, wenn es an
einem Erben gebrach, entweder aus ber Zahl ver Priefter, over der Krieger
*=) Auch andere Bölfer beobachteten diefes wichtige Geflirn. So meldet Mani⸗
lius (1. 387) von den Eiliciern, daß fie den Hundsflern vom Taurus beob⸗
achten, und von ihm auf das Jahr fchließen.
1*
A Einleitung.
gewählt, *) und in dem alle, daß letzteres gefchah, ward der König zum
Priefter geweiht. Er ward fogleidh von den Prieftern, fagt Clemens ver
Alerandriner (©. 242) in die Weisheit eingeführt, welche in ven Mythen
veriteckt if. In Theben und Memphis, ven. Hauptitädten von Ober= und
Unter- Aegypten, warb der König gefrönt und jo ald Herrfcher ded ganzen
Landes, welcher die weiße Krone des oberen und die rothe des unteren
Landes vereint trug, eingeweiht. Die Infchrift des Steind von Roſette
beweißt, daß die Krönung zu Memphis noch zur Zeit der Ptolemäer
beftand, doch der Krönung zu Theben gevenft fie nit. Die Denkmäler
zeigen Krbnungsfeierlichkeiten, welche Wilkinfon (Tafel 76) nah vem
Denkmal zu Medinet-Habu (Theben) hat abbilden lagen. Botentauben
werben in den Denfmalinfchriften geheißen, nach den vier Puncten, nämlich
nah den vier Weltgegenden, zu fliegen, und zu melden, daß der Künig
die Krone angenommen habe. Wir fehen da den König ſechs Aehren
mit goloner Sichel abfchneiden und ein weißer Stier fteht vor ihm, jo
wie auch das Bild des phallifhen Ammon fich in der Darſtellung befinvet.
Der Scholiaft zu Germanicuß nennt den Ifistempel zu Memphis als ven
Ort, wo der König den Thron beftieg, indem er fagt: in dem Tempel
der Iſis **) war e8 Brauch, die Könige auf den Thron zu erheben, wo fie
in die Heiligtümer zuerft eingeweiht wurden. ***) Auch durfte dem
Stier Apis dad Joch bei dieſer Beier aufgelegt werden. Der König aber
ward von dem Priefter der Iſis in das unbetrettbare Heiligtum geführt
und mußte fchmören, weder einen Monat noch einen Tag einzufchalten,
fonvdern e8 nach ven alten Herfommen bei ven 365 Tagen des Jahres
bewenden zu laſſen. Wie ed mit der Thronbefteigung ver Königinnen,
welche übrigens in den Kiften von Karnaf und Abydos gar nicht aufge-
führt werben, gehalten ward, ift und unbefannt geblieben.
Die Könige, welche priefterlihe Macht mit der weltlichen vereinigten
(denn ſie fanden an der Spige des Cultus, brachten bei großer Feier das
Opfer dar, hatten vie Oberleitung der Feſte und waren Herren der Pane—
gyrien), wurden wie Wefen höherer Art angefehen, und Söhne von Göttern
genannt, Sonnen, Söhne der Sonne. Ihr Geburtstag ward ald ein
heiliger Tag gefeiert, wie der Stein von Roſette und belehrt. Weil viele
Vergötterung der Könige und was in diefer Beziehung über fie ausgefagt
wird, zur Erkenntniß Aegyptiſcher Denkmeije nicht ohne Bedeutung iſt,
*) Syneſius ſagt zwar, die Aegyptiſchen Könige ſeyen gewählt worden, doch
darf dies nur mit Cinfchränfung verftanden werden.
**) Zwar heißt es, in dem Tempel bes Apis, der Zufammenhang aber zeigt,
daß ſtatt Apis Iſis gelefen werden muß.
***) Diodor (Bruchſtucke des 33. Buchs) nennt den Pallaft zu Memphis als
Einweihungsort eines Ptolemäus, was aber nicht glaubwurdig if.
@inleitung. 5)
jo mögen bier einige Züge dieſer Verherrlichung erwähnt werben. In
dem Rameſſeion zu Theben ftellt ver Gott Atmu den König Ramfes dem
Gotte Muntu vor, welcher ihn an der Hand nimmt und fpridt: „komme
zu den Himmlifhen Wohnungen, deinen Vater, den Herrn
ver Ödtter zu fhauen, der dir eine lange Reihe von Tagen
serleiben wird, die Welt zu regieren und auf dem Throne
des Horus zu herrſchen.“ Der Gott Ammon-Ra fpridt: „Ammon⸗
Ra, der König der Götter, ver im Rameſſeion von Theben
wohnt, ſpricht: Mein vielgeliebter Sohn und aus meinem
Stamme, Herr der Welt, Ramſes, mein Herz freut ſich,
indem ich deine guten Werke ſchaue; du haſt mir dies
Gebäude geweiht, ich ſchenke dir ein reines Leben zu leben
auf dem Throne des Seb.“ Ferner iſt daſelbſt zu leſen: „der
gnädige Gott (nämlich der König) hat dieſes große Bauwerk
geihaffen, er hat e8 errichtet durch feinen Arm, er der
König Sonne, Schirmer der Geredhtigfeit, der von Ra
gebilligt ift, ver Sohn der Sonne, der Freund des (Gottes)
Ammon, Ramſes, der Vielgeliebte des Ammon-Ra, der
Vielgeliebte ver Gdttin Mut (Mutter). In dem Panegyrienſaal,
melder vem Amnıon geweiht ift, wird der König genannt: der mächtige
Arueris, der glänzende Horuß, der Befiger ver Jahre. Die
Bötter fprechen gegen ihn aus: ich gewähre, daß dein Bau fo
dauerhaft fen, als der Himmel. Die lömenföpfige Goͤttin bebt
die reche Hand gegen ven Kopf des Königs und fpridht: ich yabe dir
dad Tiavem der Sonne bereitet, daß dieſer Selm auf
deiner Ztirne bleibe, wohin ih ihn gefegt habe Sie ftelt
den K'nig dem tbrenenden Ammon vor, welcher das Götterfrepter gegen
ihn alt . u einer andern Durftellung giebt Ammon, begleitet von Mut,
dem Ramſes vie Sichel der Schlucht, die Beitfche (daS Zeichen der Herr—
(haft und ven Krummſtab mit den Werten: Empfange die Sicdel
der Shladt, um die fremden VBölfer zu bändigen und ven
Unlauteren daS Haupt abzufchneiden, nimm die Peitſche
und den Krummftab, um Kyemi (Aegypten) zu beherrſchen.
Im Innern des Rameffeion in einem Zimmer find vier Barfen abgebilvet,
in einer jeden befindet fich ein verhüulltes Gättercapelldhen, auf ven Schul⸗
tern getragen von vier und zwanzig, Die geringeren von achtzeyn Prieftern.
Die beiden erflen gehören ver Göttin Mutter (Mut) und dem Gotte
Khunfu, Die beiden geringeren vem Rameſſes und feiner Gattin, vie alfo
ih unter den Göttern befinden. Mut fügt: ih Eomme vem Könige
der Gödtter, dem AmmoneRa, huldigend, dem Herrfder
Aegyptens, auf daß er lange Jahre gewähre feinem Sohne,
ber ihn liebt, vem Könige Ramſes. Khunfu aber fügt: wir
8 Einleitung.
im Süden von Oph (Theben), er bat ihn machen laſſen au:
harten guten Steinen, um ein dauerhaftes Gebäude zı
errichten, daß ift e8, was der Sohnder Sonne, Amenophis
der Geliebte des Ammon-NRa gemadt hat. In den Sculpturen
dieſes Palaftes zeigt Thoth der Königin, dem Weibe des Thuthmofis, m,
daß Ammon ihr einen Sohn bewilligt habe, dann finvet fidy dieſelbe
fhwanger dargeftelt, von ven Gottheiten Chnuphis und Hathor in das
Gemach der Niederkunft geführt, und ferner erfcheint fie auf einem Bette,
den Amenophis gebährend, von Frauen unterftüßt. Göttliche Wefen unter
dem Bette erheben das Zeichen des Lebend gegen dad Kind. Der Gott
Nil in blauer und rother Abbildung ftelt ven Eleinen Amenophis, fo mie
den kleinen Gott Harkfa und andere Formen des kleinen Gottes Horus
den großen Gottheiten Thebens vor. Dann ſieht man Ammon-Ra das
Königsfind in feinen Armen halten und ihm Liebfofen. Werner wird der
junge König von Ummon-NRa eingefegt, und die Schubgdttinnen von
Ober- und Unter-Aegypten reichen ihm die Kronen diefer Reiche, Ihoth
aber giebt ihm feinen Namen: Sonne, Kerr der Gerechtigkeit.
Die Weihinſchrift des von Thuthmoſis gegründeten Tempels zu Amada
lautet: per mohlthätige Gott, ver Herr ver Welt, der König,
der Sohn der Sonne, der Lenfer der Geredhtigfeit Hat
feine Ergebenheit bewiefen feinem Vater, vem Öotte Ra,
dem Gotte der beiden Himmelsberge, und hat ihm dieſen
Tempel auß hartem Stein errichtet. Er bat ed gethan,
um für immer lebendig zu feyn. Amenophis fette ven Bau fort,
Thuthmoſis der Vierte endete ihn, und eine der Infchriften Tautete:
fiehe, waß der Gott Thoth fpridht, der Herr der göttlidhen
Worte zu den andern Gdttern, welde in Thyri ihren Sitz
haben: fommet herbei und betrachtet dieſe großen und
reinen Öaben, gemadt für die Erbauung diefes Tempels,
dburh den König Thuthmoſis feinem DBater, dem Gotte
Ra, der geoffenbaret iftinvdem Himmel.
Diefe Ausdrucksweiſe für vie Verberrlihung der Könige gieng auch
auf die Ptolemäer über und auch Aleranver, der Sohn Alexanders des
Großen, beißt in dem Pallaſt zu Luxor der Geliebte des Na,
gebilligt von Ammon, der Sohn der Sonne, der zu Eyren
feines Vaters Ammon-Ra ein SHeiligthum errichten ließ, und
Theben ald göttlihe Perfonificatien fpriht zu ihm: fiehe, was
Theben, die große Herrfherin ver Welt, fagt: wir haben
alle Gegenden in deine Gewalt gegeben, wir haben dir
Khemi (Aegypten), die Nährerin gegeben. Ammon aber fagt zu
ihm: mir bewilligen, daß die Gebäude, weldhe du errichteft,
fo dauerhaft feyen, als der Himmel. So gieng es mit der
x
@inleitung. 9
Vergötterung der Könige fort bis zur Römerzeit, und noch die berühmte
Kleovatra fehen wir zu Hermonthis in dieſer Weife verherrlicht, mo fie
einen Tempel zum Andenken an ihre Nieverfunft mit Cäfarion weihte.
Die Göttin Reto ift in der Eleinen Gella, welche in der Infchrift Ort
ver Niederkunft genannt wird, dargeftellt, ven Harpira, (Horus die Sonne)
gbährennd. Mehrere Göttinnen find un fie herum bemüht; eine holt das
Kind aus dem Schooß, eine langt nach dem Kinde, um ed zu empfangen,
von einer andern begleitet, und Ammon ift dabei, nebft ver Geburtögättin,
jo wie fi} auch SKleopatra dabei befindet. In der großen Cella ſteht
Reto vom Wochenbett auf, unterftüßt von der Geburtsgdttin.. Ammon
reiht ihr Die Hand und die übrigen Sötter find dabei. Andere Bilder
zeigen den Harpira, wie er vorgeftelt wird dem Ammon, Muntu, Ra,
Phthah, Seb, welche ihm ihre Infignien geben, und Cäfarion ift dabei.
In diefen Darftelungen wird offenbar SKleopatra mit der Göttin Reto,
Caſarion mit dem Gotte Harpira verglichen. Selbft in ven Gräbern
eriheint der König auf dem hinmlifchen Berge und wird auch im Tode
ald Sonne betrachtet, nämlich wann dieſe in der untern Hemifphäre ift.
En heißt es in einer Infchrift eines Thebiſchen Königsgrabes: fiehe,
mas Dfiris, der Herr des Amenti, fagt: ich habe dir eine
Wohnung bewilligt in dem heiligen Berge des Weiten,
wie den andern großen Gdttern (nämlid den verftorbenen
Königen), dir, vem Dfiris (fo hieß jeder Todte, König, Herr der
Belt, ver du noch lebſt. Linls des Gingangs ift immer der König
in feinem Schmude, welcher ſich dem fperberföpfigen Na varftellt und
diefer Gott Spricht: wir bewilligen dir eine lange Reibe von
Tagen, um zu berrfchen über die Welt und die königliche
Macht des Horus auf Erven zu üben. Auch in der Römerzeit
dauerte diefer Ton fort. So findet fi) im Sanctuarium eine Tempels
zu Mevinet- Habu Kaifer Hadrian ältefter Sohn des Ammon
genannt, und bietet feine Spenden dem Mluntu dar. Selbft vie Ehre
eined Gdtterfchreind feben wir tem Könige gewährt. Auf dem Stein
von Rofette heißt ed, dem Könige Ttolemäus, den Echüger Aegpptens,
iele in jevem Tempel eine Bilviuu.e errichtet werden bei der Haupt—
gettbeit, die ihm den Schild des Siegs darreidht, und die Bilpfäule fol
üglih dreimal von den Prieftern verehrt werden, und fie foll wie die
andern Götter in Allem gehalten feyn. Das Bild und der golone Edhrein
des Könige Ptolemäus fol im angefebenften Tempel im Sanctuarium
unter den andern Echreinen feyn, und in der Proreffion der Schreine fol
ver des Gottes Epiphanes mitziehen, mit den golonen Königskronen
drauf, jede mit dem Uräus verfeben, und fein Krönungspfchent in der
Mitte derfelben.
Ueber das Xeben der Könige meldet Diodor (1. 73), dag te einen
10 Ginleitung.
der drei Theile des Bodens, in welche Aegypten getheilt war, befaßen, um
ihren Aufmand und ihre Regierung daraus zu beftreiten. Die Prieftei
aber, erzählt derſelbe (70), ftehen ven Königen mit Rath bei und geben
ihnen Anleitung und Belehrung, indem fie aus der Sternfunde und Opfer:
fhau die Zukunft vorausfagen, und aus den in den heiligen Schriften
aufgezeichneten Thaten die vorlefen, welche nüglich feyn Fünnen. (Da die
Könige felbft zu Prieftern geweiht waren, fo kennte eine Bevormundung,
wie die des Priefters über ven Laien ſich geftalten muß, nicht ftattfinven. )
Die Könige leben nicht, wie andere Alleinherrfcher, fondern befolgen gefeg-
liche Borfchriften, nicht bloß in den Gefchäften, fondern auch in dem
täglichen Leben. Kein erfaufter oner im Haufe gebohrener Sclave bedient
fte, fonvdern die Söhne der edelſten Priefter, über zmanzig Jahre alt und
durch Erziehung ausgezeichnet. Die Stunden ded Tags und der Nacht
waren ihm für fein Iyun gefeglich beftinmt. Stand er bei Tagesanbruch
auf, fo empfieng er vie auf die Regierung bezüglichen Echriften zur Beſor⸗
gung, dann mwufch er fi), legte ven königlichen Schmud an und opferte
den Gättern. Wann dad Opferthier zum Altar geführt war, fo betete ver
Erzpriefter an der Seite ded Königs, indem die Menge im Kreid umber
ftand, mit lauter Stimme, die Götter möchten dem Könige, der feine
Untergebenen gerecht befchüge, Geſundheit und alled Gute fchenfen. Da
mußten auch die einzelnen Tugenden ded Königs gepriefen werden, wie er
gotteöfürdhtig und gegen die Menſchen mild, wie er enthaltfam, gerecht,
großherzig und dazu wahrhaftig, gutig im Geben und ein Herr aller feiner
Leidenfchaften jey, welcher die Fehler mit geringeren als den verbienten
Strafen ahnde und Wohlthaten mit größeren Belohnungen vergelte. Nach⸗
dem dieſes und anderes Aehnliches gefprochen war, verfluchte er die aus
Unwißenheit begangenen Behler, wandte aber die Schuld und Rache nicht
auf den König, fonvdern auf die Diener und Lehrer vefjelben. War dann
das Opfer gut vollbracht und die Eingeweideſchau vom König vollendet,
fo la8 der heilige Schreiber aus den heiligen Schriften ven Rath und die
Thaten auögezeichneter Männer vor, dem Könige zum Vorbilde. Selbft
zum Spazierengehen, zum Wachen, zum Schlafen bei feinem Weibe und
überhaupt für Alles im Leben mar der König an Vorfchriften gebunden.
Seine Nahrung mußte einfach feyn, er befam Kalb=- und Gänſe-Fleiſch
und ein beflimmtes Maaß Wein, momit er fiy nicht überlaven Eonnte.
Dafür ward er aber auch nad) feinem Tode gewaltig betrauert. Die
Tempel wurden gefchloßen, die Opfer und Feſte zwei und fiebenzig Tage
lang eingeftelt, vie Leute zerrißen ihre Kleiver, freuten Staub auf ihre
Häupter und zogen zu zmei= bis vreihundert, Männer und Weiber, unter
der Bruft mit Baummollenzeug gegürtet herum. In Trauerlievern ward
das Lob des Todten gefungen, und man enthielt fi) während der Trauer-
zeit des Pleifches und ded Brods, fo wie des Weind und aller Art von
Einleitung. nn
Aufwand, auch des Bades, ver Salbe, des Bette und ver ehelichen Vers
einigung. War dann Alles zum Begräbniß herrlich zugerüftet, fo warb bie
kihe am legten Tage an dem Eingang des Begräbnißes hingefegt und
Gericht über das, was er gethan, gehalten, indem jeder die Erlaubniß hatte,
ihn anzuflagen; die Priefter aber lobten ihn, indem fie Alles, was er Gutes
vrrichtet hatte, Durchgiengen. Die zum Leichenbegängniße verfammelten
tiefe Taufende aber riefen beifällig, wann fie hörten, daß er im Guten
gelebt hatte, mo nicht, fo lärmten fie.
Die Erzählung Diodord dürfen wir im Allgemeinen für glaubwürbig
halten, daß aber die Könige nicht immer mit der Priefterfchaft, obgleich
fie felbft Dazu gehörten, in einem ungetrübten Verhältniß fanden, giebt
die Erzählung, welche Herodot bei ihnen hörte, an. Diefer nämlich melvet
(2 124) und als eine der Mittheilungen, weldye ibm über die Aegyptiiche
Geſchichte mitgetheilt ward, der König Cheops babe die Tempel in dem
Rande gefchloßen und fein Bruder Chaephren, melcher ihm nachfolgte, habe
fe auch gejchloßen gelußen, zufummen während eines Zeitraumd von
humert und fechs Jahren. Wreilich ift dieſe Angabe nicht wahr, weil die
Iempel zu fchließen und die Verehrung der Gdtter dadurdy einzuftellen,
grabezu für einen König von Aegypten unmdglid war; aber eine folche
Etzaͤhlung wäre auch nicht in Jemandes Sinn gefommen, wenn niemald
wilden Königen und Priefterfchaften Mißhelligfeiten eingetretten wären.
Die DVergdtterung des Königs eignete ſich recht gut für das Aegyp⸗
tige Boll, da es ftreng in Kaften eingetheilt war. Diefer waren, wie
Herodot (2. 164) meldet, fteben; voran ftehen die Briefter, vanıı fommen
vie Krieger, Rinderhirten, Suuhirten, Krämer, Dolmetjcher, Schiffer.
Sonderbarerweife fehlen bier die Handwerker, und da die Saubirten ald
anrein angeſehen wurden, fo darf vie Neihenfolge, in welcher Herovot die
Kaſten aufzählt, nicht fo angeſehen werden, als hätten biefelben wirklich
einen höheren Rang gehabt, ald z. B. die Krämer. Diodor, ein Erzähler,
welcher häufig aus Herodot fchöpfte und dieſem durchaus nachfteht, melvet
(1.73): ganz Aegypten ſey in drei Theile getheilt, einen babe ver König,
den zweiten die Prieſter, aus deßen Ertrag fie die Opfer beforgen und
bie Diener halten mußten, den dritten die Krieger, und dann giebt er au,
außer dieſen gebe ed noch drei Kaften, nämlich die Hirten, Aderbauer
und Handwerker, erbli von Vater auf Sohn, von welchen die Aderbauer
Pachter Der Lanpbefiger find. Strabo (787) nennt überhaupt nur drei
Kaſten, Priefter, Krieger und Feldbauer, und theilt den letzteren alle
Künfte des Friedens und das Aufbringen der Einkünfte für den König’
wu. Der Hauptunterſchied war allerdings zwifchen Prieftern, SKriegern
und dem übrigen Volk, und diefer mochte in der fpäteren Zeit, befonvers
in den Tagen der Macenonifchen und Römifchen Herrfchaft gelten, daß
aber auch das Volk noch in beſondere Kaften getheilt war, konnte Herodot,
12 Einleitung.
welcher Sitten und Gebräuche beobachtete, nicht bemerken, wenn es nid
beftanden hätte. Auch ift die von ihm angegebene Zahl fieben ein
durchaus glaubwürdige. Die dem Könige zunächft ſtehenden Prieſter wareı
mit diefem zufammen die Beherrfcher des Volke, und alle fogenanntı:
höhere Weisheit war das Eigenthum der Priefter. Lieber die Maaper
gotteöfürchtig, fagt Herodot (2. 37), vor allen Menfchen find die Aegypter.
und üben folgende Gebräuche. Aus ehernen Bechern trinfen fie, die fie
jeven Tag ſcheuern, und nicht thut der eine Died, der andere aber nicht,
fonvdern alle. Kleider tragen fie von Linnen, ſtets frifch gewafchen, wofür
fie ganz beſonders forgen, und ſie befchneiven ſich der Reinlichfeit wegen,
indem fie lieber rein als anftänvdig feyn wollen. Die Priefter aber
fcheeren den ganzen Leib je ven dritten Tag, damit nicht eine Laus, noch
fonft etwas Beſudelndes auf ihnen, die den Göttern dienen, fidy finden
möge. Nur ein Linnenkleid tragen die Priefter und Schuhe aus Boblos,
ein anderes Kleid aber, oder andere Schuhe zu tragen, ift ihnen nicht
erlaubt. *) Sie wafchen ſich Ealt, zweimal an jedem Tage und zweimal
in jeder Nacht, und erfüllen, um es kurz zu fagen, noch taufende anderer
heiligen Gebräuche. Sie genießen aber auch nicht menig Guted, denn fie
verzehren und verbrauchen nichts ven ihrem Eigenthum, fondern es wird
ihnen heiliged Brod gebacken und jeglicher erhält täglid) eine Menge Rind:
und Günfefleifch, auch wird ibnen Traubenwein gegeben, **) von &ifchen
aber zu eßen ift ihnen nicht erlaubt. Boyhnen pflanzen die Aegypter nicht
in ihrem Lande, und die da wachlen, Fauen fie weder roh, noch eßen jie
felbige gekocht, die Priefter aber blicken fie nicht einmal an, da ſie dafür
halten, es fey eine unreine Hülſenſrucht. Geweiht aber ift nicht einer
einem jeden der Götter, fonvern viele, von denen einer Erzpriefter ift;
wenn aber einer ftirbt, fo tritt fein Soyn an feine Stelle. (Daß vie
Priefter nur linnene Kleider und Schuhe aus Bybles tragen durften,
nicht aber eine Bedeckung von Wolle und Never, gefchay, weil Haare unt
Haut des Thieres nicht dem ftrengen Begriff der höchſten Reinheit ent=
fprachen, weßhalb überyaupt nichts Wolenes in den Tempel durfte, und
feiner in wollenem Zeuge begriben ward, was unyeilig gemefen wäre,
wie Herodot (2. 51) angiebt, obmoyl die Uegypter allgemein über einem
linnenen Kleid einen weißen molienen Vtantel trugen.) Un ven Jagen
*) Biinius (19. I) fagt, die baumwollenen Kleider feyen den Aegyptiſchen
Prieftern um angenehiriten.
*2) Die Sage war, vor ver Zeit Des Königs Pſammetichos hätten fie weder
Mein getrunfen, noch den Göttern gefpendet, weil fie ihn fur das Blut
derer gehalten, weldye Krieg gegen die Götter begonnen hatten, aus deren
mit Erde vermifchten Leichen die Neben erwachſen feyen. So hätten ihm
die Priefter erzählt, fagt Eudoxus bei Plutardy (6).
Einleitung. 13
feiliger Enthaltung dürfen die Priefter Fein Fleiſch eßen, fondern genießen
ganz leichte Vögel, bemerkt Clemens der Alexandriner (S. 305) und
Plutarch (5) meldet, daß fie, die überhaupt die meiften Hülfenfrücdhte, fo
wie Schaaf= und Schweinefleifch vermieden, an ven Tagen heiliger Ent«
haltung auch fein Sal; *) an den Speifen genofen. Auch bemerkt
terfelbe (6), fle müßten fih an vielen Tagen des Weins enthalten, fo
wie (8), daß fle die Zwiebel verabfcheuen und meiden, weil dieſes Gewächs
fei abnehmendem Monde zunehme und weil es als durſterregend ber
Enthaltfamfeit nicht foörderlich und als thränenerregend ver Feſtfeier hinderlich
jed. (Daß die Priefter jedoch vie Zmiebel verabfcheuten als unrein, ift
nicht gewiß, und wir jehen in den und gebliebenen bilvlichen Darftellungen
einen Prieſter Zwiebeln opfernd, was nicht dafür fpricht. **) Die von
Plutarch angegebenen Gründe aber find nur Deutungen, und zwar folche,
die aller Wahrfcheinlichkeit entbehren.)
Die Priefter, obgleich in ihrer Gefammtheit den höchften Rang nad)
dem Könige einnehmend, waren unter fich nicht alle gleid an Würden,
indem die Oberpriefter, von den Griechen auch Propheten genannt, eine
höhere Würde hatten, als die andern. Clemens ver AUlerandriner (©. 242)
bemerft in dieſer Hinficht: Die geheime Lehre, welche die Priefter befaßen,
ward nur denen, die zur Königewürde gelangten, mitgetheilt, und denen
von den Prieftern, welche durch Gefchlecht, Unterweifung und Erziehung
die angefehenften waren. Wie weit die eigentlichen Erzpriefter an
Auszeichnung den andern vorgiengen, geht aus folgender Erzählung Hero⸗
dots (2. 143) hervor: Als ver Gefchichtfchreiber Hekataios vormals zu
heben von feiner Geſchlechtsabſtammung ſprach, und dieſe im fechözehnten
Gliede auf einen Gott zurückführte, thaten die Prieſter des Zeus, was ſie
auch bei mir, der ich nicht von Geſchlechtsabſtammung ſprach, gethan
haben. In den großen Tempel führend zeigten und zählten ſie ſo viele
Koloſſe, als ſie angaben; denn jeder Erzprieſter ſtellt dort bei ſeinem
Leben ſein Bild auf, und ſie zeigten immer Sohn auf Vater folgend,
und dem Hekataios ſagten ſie, von dieſen Koloſſen ſtammte immer ein
Piromis von einem Piromis (vdieſes bedeutet einen edeln und wackern
*) Derſelbe ſagt (32), Oſiris werde als Nil gedeutet, Typhon als das Meer,
in welchem Oſiris, als in daſſelbe fallend, gleichſam zerrißen werde und
umfomme. Deßhalb verabſcheuten die Prieſter das Meer, und nennten das Sulz
den Schaum des Typhon, und dürften Fein Salz auf den Tifch ftellen.
Auch redeten fie darum feine Sciffsleute an, und verabfcheuten die Filche.
Meiter unten wird von der Enthaltung der Fifche und des Sulzes Die
Rede feyn.
*+*) Benfmäler aus der Zeit der fechszehnten Dynaftie zeigen Zwiebeln auf
Altären, wiewohl felten. Zu Theben fieht man eınen Priefler im Leopard⸗
fell räuchernd vor einem Bundel Zwiebeln.
16 Einleitung.
gegangen, und wäre dieſes nun ald Mord oder als gejegliche Todtung de
Verbrecherd gefaßt worden, die einzigen Arten, welche ed außer ven
Mienfchenopfer geben kann, fo würde viejes Bild zu einem Prieſterſtege
nicht getaugt haben, womit dad Opfer ald ein ver Gottheit darzubringen:
des bezeichnet ward, fondern man hätte das Schlachten eined Thieres zu
diejer Bezeichnung wählen müßen. Wohl aber eignete ſich ein Menſch,
fobald der Stier nur der Stellvertretter veffelben war und an feiner Statı
den Göttern dargebracht ward.) Kein Aegypter ißt von dem Kopf irgent
eines Lebenvigen. Das Ausweiden und Verbrennen der Opfer aber ift
bei dem einen Opfer fo, bei dem andern anders.
Dad Glänzendſte bei der Beier der Aegypter waren ihre großen Auf-
züge, bei welchen vie Oötterbilder in tragbaren Capellchen einhergetragen
wurden, von welchen die Baftophoren, d. i. Capelldyenträger, ven Namen
hatten, von welchen Clemens der Alexandriner in ver obenangeführten
Stelle fagt, dag fie die ſechs Hermesſchriften über die Arzneimißenfchaft
inne haben müßten. Un den Komaflen, *) fagt derfelbe (S. 242), trägt
man im Aufzug golone Bilder, zwei Hunde, einen Sperber, und einen
Ibis, und dieſe vier Thiere nennen fie vier Buchſtaben. Daß dieſes
menigitend nicht ganz erfunden fey, beweijen vie Denkmäler, denn fo fehen
wir in der Krönungsparftellung des Ramſes zu Medinet-Habu (bei Wil:
finfon Tafel 76) die Bilder von Schafalen (und diefe nahmen die Griechen
für Hunde), Sperbern und einem Hundsaffen, fo wie von einem Stier
einhergetragen. Die Proceffton der Tragcapelle ded Gottes Phthah⸗-Sokari⸗
Oſiris ift zu Medinet-Habu dargeftelt, und es befindet fich der König
dabei, welcher das Seil und das Maaß in ver Hand hält, und wann er
der Capelle folgt, hat er die Spende in ver Hand.
Mann die Menfchen den Göttern nahen und fte anbeten, fagt Dio⸗
dor (1. 43), Halten fle das Gras Agroftid in der Hand, und diefes war
früher das hauptfächlichfte Nahrungsmittel für Menfchen und Thiere, von
angenehmem Geſchmack. Das Vieh frißt es gern und wird davon fett, in
alter Zeit aber follen die Uegypter von Kraut und Wurzeln, die in ven
Sümpfen wuchſen, gelebt haben, und jener heilige Brauch eine Erinnerung
an diefen Zuftand feyn. Die Darftellungen ver Denfmäler beftätigen viele
Nachricht in feiner Weife. Altäre aber fehen wir abgebilvet mit Früchten
darauf und Gänſen, welche zufammen ald ein gemwöhnliched Opfer galten.
Die Tempel waren bedeutend, und Strabo (805) beichreibt uns ihre
*) Syneſius (über die Borfehung, S. 94. I) giebt an, bei einer Koͤnigswahl
fey die Gottheit zugegen geweirn, und die Komaſten, die Diener der
Gottheit, und die übrigen Priefter und Propheten feyen da gewefen. Doch
der Griedhifche Namen Kumaften, wie der der Komaſien paßt nicht für
Hegypten.
Einleitung. 17
Bauart und Einrichtung alfo: An dem Eingang in das Seiligthum iſt ein
feinener Boden von der Breite eines Plethrons (hundert Griechifche Fuß)
oder auch fchmäler, umd Drei= oder viermal jo lang. Manchmal ift er auch
größer und man nennt ihn den Lauf. Längs bin aber zu beiden Seiten
find fleinene Sphingen aufgefteltt, zwanzig Ellen oder ein wenig mehr von
einander entfernt. Nach den Sphingen kommt eine große Vorhalle, dann,
mn man vorwärts gebt, noch eine und abermals eine, doch ift feine
Zahl feftgefeht, weder für vie Sphingen noch für die Vorhallen, und e8
it bei dem einen Tempel fo, bei dem andern anders, und fo ift es auch
mit der Länge und Breite des Laufs. Nah den Vorhallen folgt ver
Tempel mit einem großen und merfwürbigen Nortempel und einer ent-
ſptechenden heiligen Cella, doch ift Feine Bilvfäule da, oder doch Feine
menfchlichgeftaltete, fondern bie eines unvernünftigen Thieres. Zu beiden
Seiten des Vortempels befinden ſich die fogenannten Flügel; viefe find
mei mit dem Tempel gleich hohe Mauern, die im Anfang wenig mehr
von einander abftehen, als die Breite des Tempeljodels ift, dann aber,
wann man vormärtö geht, bis zu fünfzig over ſechszig Ellen von einander
abweichen. Diefe Mauern haben große audgemeißelte Geftalten, ähnlich
ben Tyrrheniſchen und ven jehr alten bei ven Griechen. Auch giebt es
manchmal ein vielfäuliged Haus, wie in Memphis, von barbarifcher Bau⸗
art, denn außerdem, dag die Säulen groß, viele an Zahl und vielreihig
find, Hat ed nichts Anmuthiges, noch Malerifches, fondern zeigt mehr eine
zweckloſe Macherei. Clemens der Alexandriner (S. 92) fpricht von ben
Lempeln, Propyläen, Vorhallen und Hainen der Aegypter ald etwas fehr
Slängendem. Mit vielen Säulen, fagt er, find vie Höfe geſchmückt, die
Binde aber glänzen von fremden Steinen und von Funftreicher Malerei,
ber Tempel ſelbſt aber ftrahlt von Gold, Silber, Elektron und von bunten
Steinen aus Indien und Aethiopien, und das innerfte Heiligtum ift
mit gologeftickten Zeugen verhält. Kommt man hinein, um dad Gdtters
bild zu fehen, fo ift ein Eapellchenträger oder ein anderer Priefter da mit
ernſtem Blick, ein heiliges Lied fingend, und ninmt ein wenig die Umhül⸗
lung weg, um den Gott zu zeigen, wo man dann eine Kaße oder ein
Krokodil, eine einheimifche Schlange, over fonft ein Thier erblickt, welches
fh auf Purpurdecken mwält. Dan follte demnach glauben, es habe gar
keine Bilpfäulen ver Götter gegeben, deren es jedoch viele gab, und von
welhen Marrobius (7. 13) bemerkt, daß die Propheten venfelben den Herz⸗
finger ver Iinfen Hand mit Wohlgerüchen falten. Davon fol der Grund
gewefen feyn, weil von dem Herzen ein Nerv in dieſen Finger laufe, weßhalb
er auch der Ningfinger geworben fey, und weil er außerdem, wann er
.zuſammengefaltet werde, die Zahl ſechs bezeichne, die durchaus vollkommen
und göttlich fey. Die Denkmäler zeigen viefes Salben des SHerzfingerd
nicht, wohl aber Priefter, welche mit dem Eleinen Singer der rechten Han
IL 2
18 Cinleitung.
die Götterbilver falben. Das Bild des gebrehten Rads in den Griedhifche:
Tempeln nennt Clemend der Ulerandriner (S. 243) von den Aegypterr
entlebnt.
Mir haben oben gefehen, daß ver dritte Theil des Xegyptifchen
Bodens ein priefterliches Cigenthbum genannt ward, worauß fie den Gottes:
bienft zu beftreiten hatten, daß aber die Tempeleinfünfte wenigftens in bei
Zeit ver Macedoniſchen Herrfchaft nicht unangetaftet von Seiten der welt:
lichen Macht geblieben, lehrt uns eine Infchrift (bei Letronne e. ©. 300)
auf dem Sockel eines Obelisks zu Philä. Diefe lautet: vem Könige
Ptolemäos und der Königin Kleopatra, der Frau, den mwohlthätigen Göt-
tern, Gruß; die Priefter der Iſis, der größten Göttin in dem Abaton
und auf Philä; da die nach Philä kommenden Strategen, Auffeher,
Thebarchen, Föniglichen Schreiber, Auffeher ver Wächter, und alle andern
dffentlichen Zeute und die Macht ihres Gefolged und die übrige Diener-
[haft und zwingen, ihnen unfreiwillig Xeiftungen zu machen, und da es
fo fommt, daß das Seiligthum geſchwächt wird, und wir in Gefahr
gerathen, nicht das Nöthige zu haben zu den für euch und euere Kinder
zu veranftaltenden Opfern und Spenven, fo bitten wir euch, größte Götter,
wenn es euch beliebt, vem Numenius, euerem Verwandten und Epiftolo-
grapben zu befeblen, an den Lochos, eueren Verwandten und Strategen
der Thebais zu jchreiben, und nicht der Art zu beläftigen und feinem
Andern zu geftatten, daß er es thue, und und bie gebührenden Dorumente
darüber zu geben, worin wir die Erlaubniß zu erhalten bitten, daß wir
euch eine Säule errichten dürfen, auf welche wir die und von euch bierin
bewiefene Menfchenfreundlichkeit fchreiben, damit euere Gunft ftet3 im
Andenken für alle Zeit ſey. Wann dies gefchieht, werden wir, fo wie
dad Heiligtum der Iſis, auch darin eurer Wohlthat verpflichtet feyn.
Daß ihre Bitte Gehör fand, geht aus der Errichtung der Säule hervor,
und daß die Bedrückung dieſes Tempeld die Priefter nicht veranlaßt, vie
Bedrücker anzuflagen, fondern nur von allzugroßen, das heilige Vermögen
erfchöpfenden Anforderungen zu reden, deutet darauf hin, daß derartige
Vorderungen, wenigftend zur Zeit der Macedoniſchen Herrfchaft, an Tempel
gemacht zu werben pflegten.
Ehe wir zur Mythologie übergehen, wollen wir Herodots Angaben
über die Aegypter bemerfen; denn da die Mythologie fich nad) dem Geifte
eines Volks geftaltet, fo ift e& gut, Leben und Art veffelben zu Fennen.
Außer dem bereit3 Angeführten meldet er (2. 35): die Aegypter find, fo
wie ihr Himmel anderer Art ift, und ihr Fluß von einer andern Befchaf-
fenheit al8 andere Flüße, auch in Sitten und Gebräuchen das Gegentheil
von andern Völfern. So find die Weiber auf dem Markt und treiben
Handel und Gewerbe, die Männer aber figen zu Saus und meben, und
die Aegypter weben fo, daß ſie ven Einfchlag nicht wie Antere von oben,
Einleitung. 19
iondern von unten einfchlagen. Die Männer tragen die Laften auf ven
Köpfen, vie Weiber auf den Schultern, und die Weiber ſchlagen ihr
Waßer im Stehen ab, die Männer im Sigen. Ihre Nothourft verrichten
fie in den Häufern, und eßen auf der Straße, denn fie denken, was unan=
fündig, aber nöthig ift, fol man im Verborgenen thun, wa8 aber nicht
wanftändig ift, offen vor Allen. Prieſterdienſt verrichtet Fein Weib, weder
bi einem Gotte noch bei einer Göttin, fondern nur Männer. *) Die
Söhne brauchen ihre Eltern nicht zu ernähren, vie Töchter aber müßen
8 tbun, auch wenn fie nicht wollen. Die Priefter ver Götter tragen
anderswo langes Haar, in Aegypten ſchneiden fie es ab. Anderswo ſchnei⸗
vet man bei Trauer das Haar ab, die Aegypter aber laßen, wann einer
ſtirbt, das Haar wachſen auf dem Haupt und am Kinn. Andere Menfchen
leben vom Vieh getrennt, die Aegypter aber leben mit ihrem Vieh zufans
men. Andere Ieben von Walzen und Gerfte, dem Uegypter aber gereicht
es, wenn er davon lebt, zum Vorwurf; fie bereiten ihr Brod vielmehr
aus Spelt, den Teig aber Fneten fie mit den Füßen und den Lehm mit
den Händen, fo wie fie auch den Mift mit ven Händen aufnehmen. Sie
befäjneiven fich und außer ihnen nur die, welche ed von ihnen gelernt
haben. (Horapollo 1. 14 fagt, die Priefter feyen befchnitten, und bie
Zempelleute pflegten es auch zu thun, und Ambroſtus 2. 11 nennt das vier-
iehnte Lebensjahr als das bei ven Aegyptern zur Beſchneidung beftimmte. **)
Der Mann Hat zwei Kleider, dad Weib nur eind. Die Seegelringe und
Seegeltaue binden die Andern auswendig an, die Aegypter inwendig. Die
hellenen fchreiben und rechnen von der Linken zur Rechten, die Aegypter
von der Rechten zur Linken. Buchſtaben haben fle zweierlei, Die einen
ald die heiligen, die andern für das Voll. Die geftorbenen Thiere
begraben ſie; denn fie todten Feind. (Diefes ift nicht fo zu verftehen, als
06 fie überhaupt keine Thiere getödtet hätten, denn fie opferten ja fort-
*) In dem Ammonstempel jedoch fehlief ein dem Gotte geweihtes Weib von
hoher Geburt, wie unten bemerkt werden wird, und die Denfmäler zeigen
uns auch Frauen bei dem Gottesdienft mit dem Siſtrum und dem Lotus,
Weihrauch und Libation darbringend, und zwar Königinnen, Mütter und
Töchter der Könige, fo wie der Priefter, welche alfo nicht ganz ohne Thätig-
feit bei dem @ultus geweſen jeyn Fünnen, wenn fie auch feine Priefterinnen
waren. Der Stein von Rofette aber und die Papyrus zu Paris erwähnen
der Prieflerinnen der Königinnen.
*) Daß die Beichneidung bei den Negyptern allgemein war, kann nicht bezwei-
felt werden, wohl aber, ob Jemand außer den Prieftern dazu ſtreng ver-
pflichtet war. Nach Anarandrives bei Athenäus (S. 299) follte man freilich
meinen, nur die Priefter feyen befchnitten gewefen. Das Mofaifche Gefeb
beflimmt die Befchneidung auf acht Tage nach der Geburt, doch Abraham
beſchneidet den Iſmael, als er dreizehn Jahre alt war.
2%
20 Ginleitung.
währenn derſelben und ſchlachteten welche zu ihrer Nahrung, fondern ı
muß fo gemeint feyn, daß fie Feine Thiere todt ſchlugen, fondern fie ven
fihonten, außer zu jenem Gebraude.)
Das Schwein Halten die Uegypter für ein unreines Thier, und wen
einer auch nur im Vorübergehn ein Schwein berührt hat, fo badet er ft
mit den Kleidern am Leibe im Fluß, und die Schweinhirten, obwohl fl
eingebohrene Aegypter find, find die Einzigen, die in feinen Tempel bs
ganzen Landes kommen dürfen. Auch giebt ihnen Niemand eine Tocht
zum Weibe oder heurathet eine Tochter von ihnen, ſondern fte heurathe
unter einander. Den andern Göttern dürfen ſie feine Schweine opfer
fondern nur der Selene und dem Dionyfos (Dftris) am Vollmond um
da eßen fie ihr Fleiſch. Darüber erzählen ſie eine Gefchichte, die abı
Herodot, weil fie ſich auf göttlihe Dinge bezieht, nicht mitteilt. Dy
Selene werden die Schweine auf folgende Art geopfert. Wenn das Th
gefchlachtet ift, Tegen fie die Spike des Schwanzes nebſt der Milz und di
Neghaut zufammen und beveden e8 mit dem Speck des Bauches, und ver
brennen ed, das übrige Fleiſch aber eßen fte an diefem Tage, doch a
einem andern Tage würde feiner davon een. Die Armen aber backe
Schweine von Teig und opfern fie. Dem Dionyſos ſchlachtet jeder aı
erften Feſttage, wo der Schmaus gehalten wird, ein Ferkel vor feine
Ihüre, und dann muß der Schweinhirt, von welchem es gefauft ift, e
wieder mitnehmen.
Den Herven bringen die Aegypter Feine Todtenopfer. (Dies wa
natürlich, denn fte hatten Feine Heroen, fondern ihre Könige wurden wi
Götter betrachtet.) Sie haben Feftverfammlungen, nicht einmal im Jahrı
fondern dieſe find häufig. Die Uegypter, welche in dem Ackerbaulant
wohnen, üben ihr Gedächtniß vor allen Völkern, und find daher am fur
digften in Gefchichten. Ihre Lebensweife ift fo befchaffen: ſte nehme
monatlich drei Tage hinter einander Abführungsmittel, und jorgen dur
Mittel des Speiend und durch Kiyftiere für ihre Gefundheit, in ver Me
nung, alle Krankheiten fämen von den genoßenen Speifen ber. Son
aber find die Aegypter nebft den Libyern die gefündveften Mtenfchen, wol
wegen ber Jahreszeiten, welche ſich nicht verändern. Wein bereiten fte fü
aus Gerfte, venn Neben wachen nicht bei ihnen. (In fpäterer Zeit ga
ed Weinbau in dem Arfinoitifchen Bezirk, wie Strabo (809) bemerft. ®
Die Fiſche eßen fie theild roh oder an der Sonne getrorfnet, theils gefalze:
Bon den Vögeln egen fie Wachteln, Enten und das Eleinere Geflügel vol
nachdem es eingefalzgen worben if. Die übrigen Vögel und die Fiſch
*) In den unterirdifchen Gemächern zu Beni: Haffan fand Champollion, wie ı
in dem fechsten der Aegyptiſchen Briefe bemerkt, die Weinzucht bargeftellt.
Einleitung. 21
mit Ausnahme der heiligen, eBen fie gebraten over gekocht. Bei ven
Gaftmählern der Reichen trägt, wann das Ehen zu Ende ift, ein Mann
ein bölzernes Todtenbild in einem Sarge herum, welches eine bis zwei
Glen groß und ganz natürlich gearbeitet und gemalt ift, und zeigt ea
jedem Gaft mit den Worten: ſchaue dieſen, und trinfe und ſey luſtig,
denn wenn du tobt bift, jo wirft du ſeyn wie dieſer. Sie haben ihre
volfsthümlichen Weifen und nehmen fremve nicht an. Unter andern merf-
mirdigen Stüden haben fle ein Lied, welches auch in Phönikien und auf
Kapros und andermwärtd gefungen wird, und bei jedem Volk anders heißt.
Es ift wie der Linos der Hellenen, und heißt Maneros, welchen ſie von
ihr gefungen haben. Sie fagten aber, Maneros fey des erften Königs
einiger Sohn geweſen, der, frühzeitig geftorben, durch dieſen Stlagegefang
geehrt werde, und es fey Dies ihr erfted und einziges Lied geweſen. (Dieſes
fann nicht fo verftanden werben, als hätten die Aegypter außer dem
Maneros gar keine Poeſte gehabt; denn die Lobeserhebungen der Könige
kann man dahin rechnen, und folcher giebt e8 noch; fo hat Herr Sallier
u Air zwei Papyrus mit folchen, und ein im Anfang verftümmelter ent⸗
halt dad Lob und Die Ihaten des großen Ramſes, in Form eines Dialogs
jwiihen den Göttern und dem Könige, und der Text bemerft, er ſey
geihrieben in dem neunten Jahre der Herrſchaft dieſes Ramſes im Monat
Payni, wie Champollion im erften der Aegnptifchen Briefe angiebt. Auch
mußte es heilige Sejänge für ven Bult geben, und ein Volkslied findet
fih in ven unterirdifchen Gemächern von El-Kab, der alten Eileithyiaftabt,
wo dargeſtellt iſt, wie Ochſen das Getraive außtreten, und ihr Führer
ſingt dazu: „Dreſchet für euch, dreſchet für euch, o Ochſen,
dreſchet für euch, dreſchet für euch, Scheffel für eure Herrn.)
Das haben die Aegypter gemein mit ven Lakedaͤmoniern, daß jüngere Leute,
wenn fie älteren begegnen, aus dem Wege gehen, und vor ihnen von
ihtem Sige aufftehen. Ihre Art, fih auf der Straße zu grüßen, ift die,
daß fle vor einander ſich tief bi zur Erbe verbeugen und die Hand dabei
an das Knie herabfinfen laßen. Folgendes iſt auch eine Erfindung der
Aegypter; jeder Monat und jeder Tag gehört einem Gott, und an mas
für einem Tage einer gebohren ift, was dem begegnen, wie es mit ihm
enden und wie er befchaffen ſeyn wird. Wunderzeichen finden jich bei
men mehr denn bei allen andern Menſchen; denn wenn ein Wundere
zichen gefchieht, jo fchreiben fie ven Ausgang auf, und gefchieht fpäter
etwas dem Aehnliches, fo meinen fte, es werde eben fo audgehen. Die
Echerfunft Hat bei ihnen fein Menfch, fonvern einige Götter, doch find
ihre Weißagungen nicht alle auf die nämlihe Urt, ſondern verſchieden.
(Wir wißen nur von der Weißagung durch Träume in dem Tempel und
durch Beachtung von Knabenflimmen, wovon unten die Rebe feyn wird.)
Die Heilkunſt aber ift bei ihnen fo getheilt, für jede Krankheit iſt ein
22 Ginleitung.
Arzt, und nicht einer für mehrere Krankheiten, Alles aber tft vol vo
Aerzten, denn ed giebt Aerzte für die Augen, für den Kopf, für die Zähn
für ven Bauch, für verborgene Krankheiten.
Ihre Trauer und Beflattung ift folgende: weldden ein Menſch in
Haufe ftirbt, der beachtet wird, bei denen befchmiert ſich das ganze meib
liche Geſchlecht des Haufes Kopf und Gefiht mit Koth, und dann lage
fie die Leiche im Haufe, fchweifen in der Stadt umher und fchlagen fi)
aufgefchürzt, mit bloßem Bufen. Anprerfeits fchlagen fi auch die Männer
die auch aufgefchürzt find. Wann fie dies gethan, bringen fie die Leich
zum @inbaljamiren, wozu es eigene Leute giebt. Diefe zeigen hölzern
gemalte Mufter vor, und wenn fte über ven Preis einig geworben find
ſo behalten fie die Leiche da und machen fie zurecht. Auf das vorzüglichfti
geichieht Died fo: zuerft ziehen fte mit einem gebogenen Eifen das Hirn
durch die Najenlöcher heraus, theild aber auch durch das Eingießen von
Mitteln. Dann fchneiden fie mit ſcharfem Wethiopifchem Stein in die
Meiche und nehmen vie Eingeweide heraus, und haben fie Diefed gereinigt
und mit Palmmein gefpült, dann thun fie geriebened Näucherwerk drauf.
Hierauf füllen fie ven Bauch mit reinfter Myrrhe, Kaſia und dem andern
Raͤucherwerk, Weihrauch ausgenommen, und nühen ihn wieder zu. Hernach
legen fie die Leiche in Natron, und bergen fte fiebenzig Tage lang, doch
länger dürfen fie e8 nicht thun. Nun wafchen fie viefelbe, ummideln fie
mit Byſſos und beftreichen fie mit Gummi, deſſen fich die Aegypter oft
flatt des Leims bedienen. Dann holen vie Angehörigen viefelbe, machen
ein hölzernes Bild, menfhenähnlih, und thun fie hinein, worauf fle in
dem Begräbniß aufrecht an die Wand geftellt wird.
Mer ven großen Aufwand vermeidet und die mittlere Art wählt,
läßt e3 fo machen: man füllt ven Bauch mit Gevernöl vermittelft einer
Klyftierfprige, ohne ihn aufzufchneiden und etwas herauszunehmen, und
legt die Leiche in Natron. Nach einer beftimmten Zeit Taßen fie dieſes
Del wieder heraus und es führt die aufgelößten Eingeweide mit heraus. Das
Natron aber verzehrt das Bleifh und von dem Todten bleibt nur Haut
und Knochen. So wird die Leiche zurüdgegeben, ohne daß etwas weiter
damit gemacht wird. Die dritte Art für die Armen befteht darin, daß
man den Bauch mit einer Reinigung audfpült und die Leiche ftebenzig
Tage in Natron legt. *) Die Weiber angefehener Männer aber, ober die
*) Diodor (1. 91) giebt an, die erfte Einbalfamirungsart koſte ein Silber:
talent, die zweite zwanzig Minen, die dritte aber fey fehr wohlfell. Auch
meldet er, wann die Leiche auf den Boden gelegt fey, trette der Schreiber
herzu und bezeichne an der linken Seite genau die Stelle für den Schnitt.
Hierauf fchneide der Schnittmacher, wie er genannt werde, mit einem Aethio:
pifchen Stein, fo weit in das Fleiſch, als es das Geſetz geftatte, und flüchte
@inleitung. 23
ihönen lagen fie erſt vrei bis vier Tage ftehen, ehe fie dieſelben den
Balfamirern geben, damit fie feinen Mißbrauch mit venfelben treiben,
was einmal gefchehen und von einem Gewerksgenoßen angezeigt worden
feyn fol. (Die Königögräber, die man zu Theben gefunden, find von
ausgezeichneter Art mit herrlichen Räumen und Säulen, die mit Sculptu=
ten mit Derzeit noch frifch erhaltenen Farben verziert find, und die Pyramiden
wurden von Königen auch nur zu Begräbnigen errichtet. *%) Die Leich-
fogleich in eiligem Laufe, von den Anwefenden mit Steinwürfen und Ber:
wünfchungen verfolgt, als ob fie den Frevel auf ihn wendeten. Die Gin:
balfamirer aber feyen fehr geehrt, zu den Prieftern gefellt, und gleich diefen
fünnten fie in das Heiligthum eintreiten. Bon biefen lange nun einer mit
der Hand durch den Schnitt in den Leib, und hole die Eingeweide, Herz
und Nieren ausgenommen, heraus, die balfamirt würden, fu wie der Leichnam
über dreißig Tage mit Gevernöl und andern Dingen behandelt und dann
mit Myrrhe und Kinamomon und fonfligen Sachen zurecht gemacht werde,
fo vollfommen, daß man die bisherige Geſtalt genau erhalten fehe. Weß-
halb viele Aegypter die Leichen ihrer Vorfahren in Eoftbaren Enpellchen bei
fh behielten, und fo mit ihnen verfehrten. Servius zu Virgils Aeneide
(6. 154) giebt an, es hätten die Philä benachbarten Aegypter ihre Todten
nach der andern Seite Hingefchafft, fey aber einer im Fluße umgefommen,
ohne daß man die Leiche zu finden vermocht, fo habe er nach hundert Jahren
die Todtenehren erhalten. Doc, diefes fcheint nicht der Wahrheit gemäß.
*) Strabo (808) jagt: vierzig Stadien von Memphis hinauf ift eine Anhöhe,
auf welcher viele Pyramiden, Gräber der Könige find, von denen zwei zu
den fieben Wunberwerfen gezählt werben. Sie find vieredig, und ihre Höhe,
die um Weniges die Breite übertrifft, beträgt ein Stadium, und die eine ift
ein wenig größer, als die andere. In der einen ift in der Seite nicht fehr
weit oben ein Stein, weldden man heransnehmen kann, und durch Diele
Deffnung gelangt man in einen frummen Gang, welcher zum Begräbniß
führt. Etwas höher, als diefe nahe bei einander ſtehenden, befindet fich eine
dritte weit Fleinere, deren Srrichtung aber mehr gefoftet hat, denn fie befteht
bis zur Mitte aus ſchwarzem Aethiopifchem Stein, welcher fehr ſchwer zu
bearbeiten ift. Diefe fol das Grabmal der Griechiſchen Buhlerin Rhodopis
in Naufratis feyn, eines Geliebten des Chararos, des Bruders der Sappho
(diefe nennt fie Doricha), welcher mit Wein nad) Naufratis handelte. Ueber
fie wird erzählt: einft, ala fie badete, raubte ein Adler der Dienerin einen
ihrer Schuhe, flog nah Memphis und ließ ihn auf den Schuoß des Königs
fallen, welcher im Freien Recht ſprach. Der König durchforſchte nun das
Land nad) der Beſitzerin des Schuhes, und als fie aufgefunden war, nahm
er fie zum Weibe und errichtete ihr diefe Pyramide zum Grabmal.
Diodor (1. 46) erwähnt der herrlichen Königsgräber zu Theben, deren
in den Heiligen Schriften ſieben und vierzig verzeichnet und zur Zeit bes
eritien Ptolemäus noch fiebenzehn vorhanden gewefen feyn follen, die aber
meift, als Diodor in der Hundert=achtzigften Olympiade Aegypten durch⸗
teifte, zu Grunde gegangen waren. (Doch Strabo [816] bemerkt, über
234 Ginlettung.
name, welche feine eigenen Begräbnige bejaßen, erzählt Diodor (1. 92),
erhielten in ihrer Wohnung eine Stelle, wo fie an die Wand geftellt
wurden, eben fo die, welchen beim Todtengericht das Begräbniß verfagt
ward ob ihrer Frevel oder Schulden halber, und manchmal wurben folche
noch von den Enfeln in das Begräbnig gebradht, warn fie die Schulven
bezahlt oder die Vergehungen berjelben gutgemacht haben. Auch nennt
Diodor ed einen Aegyptiſchen Brauch, vie Leichen der Eltern zu Pfand
zu geben, und wer dieſes Pfand nicht einlößte, galt für ſehr befchimpft
und erhielt bey feinem Tode Fein Begräbnif. Herodot hat und diefen Punkt
fo überliefert (2. 136): unter der Herrfchaft des Könige Mykeriuos war
fein Geld im Verkehr in Aegypten und es warb das Gefeh gegeben, des
Vaters Leiche zum Pfande zu fegen, um eine Schuld aufzunehmen, und
Hinzugefügt ward, daß der Darleiher Gewalt haben follte über des Schulo-
nerd ganzes Begräbniß. Die Strafe für den Pfandſetzer, welcher nicht
bezahlen wollte, war, daß er nach dem Tode weder in feinem noch in
einem andern Begräbniß beftattet werben durfte, noch irgend einer, ber
dem Memneion daſelbſt feyen gegen vierzig in den Felſen gehauene Gräber
der Könige, wunderbar zugerichtet, des Sehens werth. In denfelben meldeten
Anfchriften auf Obelisfen von dem Reichthum und der Herrfchaft der dama⸗
ligen Könige, die fih bis zu den Skythen, Baftrern, Indern und dem jebigen
Jonien erſtreckt Habe, fo wie von ber Menge ihrer Einkünfte und der Million
ihres Heeres.) Dort fol auch zehn Stadien von den Gräbern der Kebs⸗
weiber des Zeus das Grab des Ofymandyas gewefen feyn, mit einer Ein:
gangshalle aus buntem Stein, zwei Plethren Yang und fünf und vierzig
Ellen Hoch, wodurch man in ein fäulenumgebenes Viereck gelangte, deßen
Seiten jede vier Plethren groß waren, bie Säulen aber waren fechszehn
Ellen Hoch und ftellten Thierbilder dar, aus einem Stein, von alter Art.
Die zwei Klafter breite Dede war aus einem Stein, und mit Sternen auf
Blau verziert. Daraus fam man in eine zweite Eingangshalle, der vorigen
gleih und außerdem mit allerlei ausgemeißelten Bildern reich geſchmückt.
Am Eingang follen drei Bildfäulen, ſämmtlich aus einem einzigen Stein
von Syene gemacht, geweſen jeyn, eine figende, die größte in Aegypten, deren
Fuß über fieben Ellen maß, die zwei andern Fleineren an ihren Kuieen,
Mutter und Tochter vorftellend. An dem ungehenern Stein fol kein Flecken
zu fehen gewefen feyn, und das Bild foll die Infchrift gehabt Haben: Sch
bin Ofymandyas, der König der Könige, wer wißen will, wer ich bin und
wo ich liege, der beflege eines meiner Werke. Auch foll noch ein anveres
Bild feiner Mutter, zwanzig Ellen hoch aus einem einzigen Stein, dort
geweſen feyn, mit dreifachen Eöniglihem Hauptfchmud, anzuzeigen, daß fie
Tochter, Weib und Mutter eines Königs war. (Das fogenannte Grab des
Ofymandyas hat nur den Namen Ramſes des Großen und zweier feiner
Nachfolger, falle wir es in dem Namefleion annehmen dürfen. Wäre biefes
nicht der Fall, fo muß es ein diefem fehr ähnliches Gebäude zu Theben
geweſen feyn.)
Einleitung. 25
von ihm abflammte. Doc über die Beitattungsgebräuche Hat er uns nichts
gemeldet, Diodor aber in der angeführten Stelle beichreibt viefelben alfo:
vie Verwandten fegen für das Begräbnig einen Tag für die Richter und
vie Verwandtſchaft feft und für Die Freunde des Derftorbenen. Dann
Immen bie Nichter, über vierzig (ihre Zahl war zwei und vierzig) und
jenen ſich jenfeits des See’s ihres Gau's in einen Halbfreis, die Todten⸗
barfe ift da, um den Sarg überzuführen, ehe diefer aber hineingethan
kin, kann jeder, wer will, den Todten anflagen. Beweißt nun einer
ven Richtern , daß derſelbe fchlecht gelebt habe, fo verfagen ihm die Rich⸗
ter da8 gewöhnliche Begräbniß. Erſcheint aber einer als ungerechter
Ankläger, fo wird er ſchwer beſtraft. Wenn nun fein Anfläger auftritt
over wenn die Anklage falich befunden wird, jo legen die Verwandten
die Trauer ab, preifen den Todten, ald einen frommen, gerechten, mäßi⸗
gen Menfchen und bitten die Bötter, ihn zu den Brommen aufzunehmen.
Auch das Volt flimmt in das Lob ein und preift ihn als einen, ver ewig
wit den Frommen leben werde. Don den Königen aber fagt Diodor
(1. 72), daß ihre Leiche im Eingang ihres Begräbnißes Hingeftellt ward,
wo Gericht über fle gehalten wurde. Daß die Leichen nicht immer in die
Gräber gebracht wurden, fondern auch in den Häufern blieben, bezeugen
außer Diodor vie Papyrus. Den Todten murden ſolche Papyrus mitge-
geben, welche eine Befchreibung von den Amenti und den Wanderungen
ver Seele in vemfelben, wo fie von Dftris gerichtet wird, enthalten.
Colder Papyrus find mehrere vorhanden, und der in Turin ift befonders
vollſftändig. Wenn Lucian in feiner Schrift über die Trauer fagt, er
babe gefehen, daß die aufbewahrten Leichen manchmal in das Speijezinnmer
gebracht wurben, fo ftimmt das mit dem, was oben aus Herodot angeführt
worden ift, ziemlich überein. Zuweilen blieb eine Leiche längere Zeit im
Saufe, ohne daß es an einem Begräbniß für viefelbe fehlte, und eine
Griechiſche Infchrift eines Mumienkaſtens aus ver Zeit Hadrians giebt
an, daß gegen ein Jahr von dem Tode der darin enthaltenen Jungfrau
bis zum Begräbnig verfloßen war (Wilkinfon 2. 2. 390). Die Denk⸗
mäler zeigen und Beftattungsproceffionen und Todtenbräuche (Wilfinfon
Xafel 83 — 86), woraus man fteht, daß auch Palmzmweige dabei in ven
Sünden getragen und auf ven Weg geftreut wurden; die Palmzmeige aber
waren, wie unten nachgewieſen werben wird, Sinnbilder ver Jahre und
bed Lebens, fo daß fie dem Todten in Beziehung auf das Fortleben im
Amenti auf den Weg geftreut wurden. Auch Waßer warb in der Grab»
proceſſion gefprengt, wie noch jebt in Aegypten und im Oſten, und dem
Todten wurden Gaben von Früchten, Kuchen, Vögeln dargebracht, wie
man noch in einem Thebijchen Grabe eine Tafel mit Kuchen und Vögeln
ſieht, was auf die Goͤttlichkeit des Todten zu beziehen ift, dem man, wie
einem Gotte, Gaben bringt. In einem Boot warb das Bild des Auges
26 Einleitung.
mitgeführt, welches auch an den Einfchnitt der Leiche geſetzt wurde, oft
als Amulet diente, in den Gräbern niedergelegt ward und als ein Sinn
bild Aegyptens galt. Wahrfcheinlich bedeutete das offene Auge das Leben,
denn das Licht erbliden und leben, das Auge fchließen und fterben find
Ausprüde, welche oft gleichbedeutend find. Der bei manchen Völkern
verbreitete Brauch, den Tobten ein Stüd Geld in den Mund zu thun,
fand auch, wie Wilkinfon bemerkt, bei ven Aegyptern flat. An dem
Sarkophage fieht man dfterd den fogenannten Nilmeßer und ein anderes
Zeichen, dad Knoten nicht unähnlich if, und melche abwechjelnd zwei und
zwei bei Wilfinfon (Tafel 85) zu ſehen find. Diefe Zeichen werben
zuweilen von den Mumien in den Händen gehalten, wie in dem Brittifchen
Mufeum und anderwärtd zu fehen if. Daß diefe Zeichen auch an dem
Schreine des Chnuphis vorkommen, zeigt, daß fie nicht bloß zum Schmud
des Todtenfchreind dienten, fondern eine wejentlihde Bedeutung hatten,
wie fih wohl auch ſchon von felbft verfteht. Der fogenannte Nilmeßer
war dad Sinnbild der Beftändigfeit und gehörte vorzugsmeife dem Gotte
Phthah, in deßen Mythologie die Rede davon feyn wird, und außerdem
gehörte e3 einer Form des Oſiris. Alles bei ven Todten deutete auf
Reben, Fortdauer, und fo ward auch die Baare öfters, gleich den Betten,
mit Kopf und Fuß eined Xöwen geziert, denn der Löwe war ein Sinnbilo,
welches fich auf das Leben bezog, wie unten erörtert werden wird. In
den Gräbern hat man mit den Sarkophagen vier Gefüße gefunden,
worin die Eingeweide der Todten waren, und diefe Gefüpe zeigen bie
Köpfe der vier Todtengenien. Bei vornehmen Leuten waren biefelben
von Alabafter over aus einem andern vorzüglichen Stoffe gemacht. Geringere
nahmen einen geringeren Stoff, ald gebrannten Thon, Kalkſtein, gemaltes
Holz; bei denen aber, wo die Eingeweide wieder in den Leib gefchoben
wurden (mad bei zwei der von Herodot befchriebenen Arten des Einbal-
famirend nicht gefchehen Eonnte), wie es fiheint, um die Koſten der Gefäße
zu fparen, that man die vier Todtengenien aus Wachs over wohlriechenvdem
Stoff gebildet und in Zeug gewidelt mit hinein, und bedeckte vie Deffnung
mit einer bleiernen ‘Platte, worauf dad Auge oder zuweilen die vier Genien
dargeftellt waren. Auch ift häufig auf ver Bruft der Mumie ein Käfer
mit auögebreiteten Flügeln, und eben jo an diefer Stelle an der Mumien-
umbüllung und dem Kaften. Zumeilen aber findet fih an dem Kaften
flatt deßen der gefchwingte Sonnenfrei oder Sperber, ober ein widder⸗
fopfiger Geier ober Sperber, oder beide lebtere, oder der Geier mit dem
Kopf eines Weibes, oder dem der Göttin Nutpe, over eine von dem Käfer
getragene Sonnenfcheibe mit einem Sperber und dem Namen des Ra,
des Sonnengotted, welche Bilder ſich alle auf den Begriff des Lebens,
alfo auf die Fortdauer des Menfchen nach dem Tode beziehen. Nutpe
mit auögebreiteten Schwingen kommt auch entweder auf ver Bruſt, ober
Einleitung. 27
boch irgend am Sarge vor (zuweilen mit ausgebreiteten Armen am Boden
bed Inneren Kaftend), und manchmal unfaßt is die Füße der Mumie,
und dabei fteht die Infchrift: „ich umarme deine Füße” Auch
Dfiris, Nephthys, Anubis, Sokari und andere Öottheiten kommen häufig
ii den Mumien vor. Die Uegypter, fagt Herodot (2. 123), find die
een, welche die Behauptung aufgeftelt haben, vie Seele des Menſchen fey
untterblich, und daß fie, wann der Leib flerbe, in ein Thier, welches
gerade zu der Zeit gebohren werve, fahre, bis file nach Durchwanderung
er Thiere des Landes und des Meeres und aller Vögel wieder in
einen Menfchenleib, der gerade zu der Zeit gebohren werde, gelange,
welche ganze Wanderung breitaufend Jahre dauere. *) (Die Griechen
faßten die Lehre von der Seelenwanverung infofern nicht genau, ald nur
die vor Oſtris in dem Amenti nicht gerechtfertigten Seelen zurüdgefandt
wurden, und wären die Seelen bei dem Tode in Thierleiber übergegangen,
dann hätte das Todtengericht Feinen Sinn gehabt.)
Bon den in Unterägypten in ben Sümpfen lebenden Leuten giebt
Herodot (2. 92) nody Folgendes als ihnen eigen an. Den in der Nil-
überihwenmung wachſenden Lotus ſchneiden fie ab und trodnen ihn an
der Sonne, worauf fie feine dem Mohn ähnlichen Körner zermalmen und
Brod daraus machen, welches fie im euer röften. Die Wurzel vieles
kotus ift auch genießbar, fie ift füß, rund und von der Größe eines
Apfels. Auch wachen in dem Fluß andere Lilienarten, vofenähnliche,
deren Frucht in einem neben der Wurzel aufſchießenden Kelche figt, welcher
einer Wespenwabe gleicht. Die Körner, von der Größe des Dlivenferng,
werden ſowohl frifch als auch getrodnet genoßen. Den in den Sümpfen
wachſenden Byblos ſammeln fie, ſchneiden das Oberfte zu allerlei Gebrauch
ab, das Unterfte aber, etwa von ber Länge einer Elle, eßen oder verfaufen
fie, verfelbe aber wird, wenn man ihn recht wohlfchmedend haben will,
in einem Ofen gebörtt. Manche ver Sumpfbewohner leben bloß von
difhen, welche fie ausnehmen und an der Sonne trodnen. In dieſem
Theile de3 Landes bat man nur Del son Silifyprion (Aegyptifch Kiki),
welches in Griechenland wild wächſt. Sie füen ed an den Ufern ver Flüße
und Seen, wo e3 reichlich trägt, aber nicht gut riecht. Der Samen mirb
ausgepreßt oder geröftet und ausgekocht, und es ift dieſes Del zmar fett
und gut zum Brennen, bat aber einen läftigen Geruch. Müden find in
dieſen Gegenden in ungeheuerer Menge, vie nun oberhalb der Sümpfe
*) Plato im Phädrus giebt zehntaufend Jahre als Zeit der Seelenwanberung
an, und nur für den Philofophen, deßen Seele höher fleht, dreitauſend in
breimaliger Wanderung, jede von taufend Jahren, nach welcher diefelbe in
den Urzufland ihrer Reinheit zurüdgelangt. Theophraft aber jagt, zulegt
gelange die Seele wieder in den alten Leib.
28 Einleitung.
wohnen, fchlafen oben in Thürmen, wo fie vor ihnen geborgen find, weil
ſte wegen ver Winde nicht in die Höhe fliegen koͤnnen, die Leute aber
in den Sümpfen ftellen ihre Fiſchnetze auf und fchlafen darunter. Ihre
Laftfchiffe machen fie aus einem Gummi fchwigenden Dorn, woraus fie
Stäbe ohngefähr zwei Ellen lang hauen, die fie dann dicht an einander
um lange Pflöde befeftigen, Duerbalfen brüber legen, und die Fugen mit
Byblos verftopfen. Das Steuer geht unten durch den Kiel durch, ver
Maft ift auch von Dorn und das Seegel von Byblos. Stromauf werben
fie gezogen, wenn nicht ein fehr flarfer Wind fte aufwärts treibt, firomab
zieht fte ein vornungebundenes Flechtwerk von Tamarisfe mit Rohr zufammen-
geflochten, während ein hinten angebundener ohngefähr zwei Pfund fchwerer
Stein, der in das Wafler herab gelaffen wird, den Lauf lenkt. Diefer
Fahrzeuge, deren manche viele taufend Pfund tragen, giebt es viele.
Bisher, fagt Herodot, habe ich erzählt, was ich mit Augen gefehen,
nun will ich die Aegyptiſche Gefchichte erzählen, wie ich fte gehort, unter:
mifht mit manchem, mas ich gefehen. Menes, ver erfte König von
Aegypten, erzählten die Priefter, habe Memphis mit Dämmen vor ver
Ueberfchwemmung abgefchloßen, indem er die ſüdliche Biegung des Nil
zugefchüttet und den Fluß mitten durch die Gebirge geleitet habe. Jetzt
noch bauen die Perfer jährlih an dieſer Biegung des Flußes, der, wenn
er durchbrache, Memphis zerftören köͤnnte. Menes babe nach Ausführung
jener Arbeit Memphis gegründet, und außerhalb habe er einen See herum
ausgegraben, gegen Norden und Weften vom Fluß aus. Nach diefem
laſen mir die Priefter aus ihren Schriften die Namen von breihundert
und dreißig Königen, darunter waren achtzehn Xethiopen und ein Weib
aus Aegypten, die Nitofris, die zur Serrfchaft fam, als vie Aegypter
ihren Bruder, den König getöptet hatten. Ihn zu rächen, machte fie ein
großes unterirvifches Gemach, lud die Urheber des Morde in vaffelbe zum
Gaftmahl und erfäufte fie, indem file den Fluß durch einen verborgenen
Ganal hereinftrömen ließ. Sie felbft aber flürzte fi} in ein Gemach mit
Alche, um der Rache zu entgehen. Bon den übrigen erzählten fte nichts
Beſonderes, außer von Mörid, der eine Vorhalle des Hephäſtostempels
baute und den großen See Möris grub, in welchem er Pyramiden baute.
Nach diefen ward König Sefoftris, welcher, jo erzählten die Priefter, vom
Arabifchen Meerbufen auszog mit langen Schiffen, und die Anwohner bed
rothen Meeres beftegte, und immer meiter fuhr, bis er in ein Meer vol
Untiefen fam. Zurüdgefehrt nahm er ein großes Heer und beftegte mit
demfelben die Völker des feften Landes, und vertheivigte ſich ein Bolt
tapfer, fo errichtete er eine Säule vafelbft und fehrieb den Sieg über das
Volk darauf. Bei feigen Völkern fügte er aber zu der Infchrift eine
weibliche Schaam zur Bezeichnung ihrer Feigheit. So zog er durch Aften
bi8 nach Curopa, wo er die Skythen und Thraker übermältigte, und in
— _— - —— - — — — — —
Einleitung. 28
den Ländern viefer Völfer fieht man noch die Säulen aufgerichtet, meiter-
kin aber nicht. Nun kehrte er um, und ein Fleiner Theil feines Heeres
blieb am Phafis, von ihm entweder zurüdgelafen, ober ſich von Ihm tren-
end; denn Die Koldher find Aegypter, und als ich beide fragte, fo erin⸗
werten fich die Kolcher mehr ver Aegypter, als dieſe ver Kolcher, doch
Insten fte, fie meinten, die Koldher feyen vom Heere des Sefoftris, und id)
ſcloß es aus ihrer ſchwarzen Haut und ihrem wolligen Haar, und urfprüng-
ii find Die Kolcher, Uegypter und Aethiopen die einzigen Völker, welche
ſich beſchneiden. Die Phoͤniker und Syrer in Paläftina befennen felbft,
es von den Aegyptern gelernt zu haben, und die Syrer am Thermodon
und Parthenios und die Mafronen, ihre Nachbarn, jagen, fie hätten es
vor nicht langer Zeit von den Kolchern gelernt. Die Phönifer aber,
welhe mit den Griechen verkehren, haben vie Befchneidung nicht (Ambro⸗
fus 2. 11 nennt audy die Araber befchnitten). Die Kolcher machen auch
vie Leinwand wie die Aegypter, und ihre Lebensweiſe und Sprache find
einander ähnlih. Won den durch Sefoftrid errichteten Säulen find bie
meitten nicht mehr vorhanden, doch in dem Sprifchen Paläftina habe Ich
deren noch gefehen mit den Infchriften und jenem Bilde. Auch find zwei
Bilder beffelben in Feld gehauen auf vem Weg von Epheſos nad Phofän,
und dem von Sarded nah Smyrna, jedes fünf Spannen hoch, den Speer
in der Rechten, ven Bogen in ver Linken, mit der übrigen NRüftung, und
über die Bruft ift in beiliger Schrift eingehauen: ich habe dieſes
Land mit meinen Armen gewonnen. Manche meinen irrig, es
jmen Bilder des Memnon. Als Seſoſtris mit vielen Gefangenen heim—
fehrte und zu Daphne bei Peluflon angefommen war, lud fein Bruber,
welher Aegypten indeß verwaltet hatte, ihn und feine Söhne zum Eßen,
umgab das Haus mit Holz und zündete ed an. Da rieth ihm fein Weib,
von ihren ſechs Kindern zwei über das brennende Holz zu legen, um ſich
über fte, wie über eine Brüde zu retten. Diefes gelang, und als hierauf
Sefoftris an dem Bruder Rache genommen hatte, bediente er fich ver
Gefangenen zu Arbeiten, um ungeheuere Steine zum SHeiligthum des
Hephäftos in Memphis herbeizuführen, und das Land mit Gräben zu durch—
ſchneiden, fo daß man nicht mehr darin reiten und fahren kann. Diefer
König ſoll auch das Land unter die Aegypter vertheilt haben, fo daß jeder
ein gleichgroßes viereckiges Stück befam, wovon er aber eine Abgabe ent-
rihten mußte. Auf die Art mag die Feldmeßkunſt entflanden und von
ba nach Griechenland gekommen feyn. Sefoftris war auch ver einzige König
von Aegypten, welcher über Aethiopien geberrfcht hat, und vor dem Hephä⸗
fostempel errichtete er feine und feines Weibes Bildſäulen, dreißig Ellen
hoch, und die feiner vier Kinder, zivanzig Ellen hoch. Als Dareios feine
Bildſäule vor dieſelben ftellen wollte, Titt e8 ber Hephäftospriefter nicht,
weil er dem Sefoftris nicht gleich an Thaten wäre, denn dieſer habe hie
30 Ginleitung.
Skythen beftegt, er aber nicht, und der Perferkönig fol dies mit Nach⸗
fiht aufgenommen haben.
Auf Sefoftris folgte fein Sohn Pheron, ver bei einer hoben Nils
überſchwemmung übermüthig feinen Speer in den Fluß fchleuderte und zur
Strafe blind ward. Im eilften Jahre darauf erhielt er ein Orakel aus
Buto, feine Strafzeit jey zu Ende, und er werde fein Geficht wieber
erlangen, wenn er fi die Augen mit dem Waßer einer Frau wüſche,
die niemals die Ehe gebrochen. Sein eigenes Weib und manche andere
halfen ihm nicht, und er verbrannte fie allfammt in der Stadt Erythrebolos,
und vermählte fich der, durch welche ihm das Geftcht hergeftellt worden
war. Dann meihte er Gefchenke in alle Tempel, darunter zwei Obeliöfen
in vem Seliosheiligthum von hundert Ellen Höhe und acht Ellen Breite.
Dann Fam dad Reih an einen Memphitifchen Dann, Namens Proteud
auf Griechiſch. Diefer hat jegt ſüdlich vom SKSephäftostempel zu Memphis
ein ſchoͤnes Heiligthum, und um dieſes wohnen Phönifer aus Tyros,
wovon der ganze Ort dad Lager der Tyrier heißt. In dem Proteud-
Heiligthum ift ein Tempel ver fremden Aphrodite (in dieſer vermuthet
Herodot die Helena, fle ift aber die Phoͤnikiſche Aftarte). Als ich nad)
Helena fragte, erzählten die Priefter (welche von Selena nichts wißen
fonnten, ald was fie von den Griechen hörten): Alexandros Fam vom
Wind verfchlagen mit Helena nach Aegypten, in die Kanobifcdhe Mündung,
nad) Taricheiä, wo der Heraklestempel ein Afyl für Selaven ift. Einige
der Sclaven des Alexandros flüchteten in denſelben und entdeckten bed
Alerandrod Srevel gegen Menelaos dem Thonis, dem Wächter ver Kano⸗
biſchen Mündung, welcher glei darüber an Proteus berichtete. Der
König lieg nun ven Alexandros holen, weil er aber feinen durch Sturm
verfchlagenen Fremdling tödten wollte, hielt er vie Helena zurüd, bis fie
von Menelaos abgeholt werden würde. Diefer kam nad) der Eroberung
Trojas, da die Troer immer gejagt hatten, fie befäßen vie Helena und
ihre Schäße nicht, fondern diefe feyen in Aegypten, nach Memphis, ward
gut aufgenommen und erbielt fein Weib mit Allem unverlebt zurüd.
Doch als ihn darauf widrige Winde nicht zur See liegen, fchlachtete er
zwei einheimifche Knaben zum Opfer, worüber vie Aegypter erbitterten
und ihn verfolgten. Doch er entkam zu Schiff nach Libyen. Auf Proteus
folgte Rampftnitod, melcher fehr reich war, fo daß nach ihm feiner ihm
darin gleich Fam. Für feine Schäge ließ er an feinem Haus eine Schnaps
fammer bauen, deren Baumeifter fte fo machte, daß man einen Stein
herausnehmen Fonnte, mas er bald hernach bei feinem Tode feinen zwei
Söhnen entdeckte. Diefe beraubten des Königs Schatz auf dem ihnen
vom Vater entdeckten Wege, bid ver König Fußſchlingen legte, worin fich
das nächftemal der eine der Brüder fieng, der dann feinen Bruder, um
ihn nicht mit in das Ververben zu ziehen, bat, ihm ven Kopf abzufchneiben,
= — — ——
Einleitung. al
und fo gejchah ed. Der König, um die Räuber zu enidecken, ließ bie
Reihe an die Mauer hängen, und ftelte Wächter dazu, um zu beobachten,
wer über die Leiche weinen oder Flagen würde. Die Mutter des Umge⸗
fommenen drang in ben noch Iebenden Sohn, ihr die Leiche zu verfchaffen,
font würde fle dem Könige Anzeige machen. Diefer belud mehrere Efel
mit BWeinfchläuchen und zug zu der Leiche, dffnete einige Schläuche, und
als ver Wein herauslief, fchrie er und ſchlug fih an ven Kopf, als wiße
er fih nicht zu helfen, die Wächter aber fiengen den Wein auf, und ala
fie ihn fcheinbar beruhigt hatten, ſchenkte er ihnen noch einen Schlaud),
und lie fich bereven, da zu bleiben und mitzutrinfen. Jetzt beraufchte er
fe, fo daß fie einfchliefen, nahm die Leiche und fchor zum Spott den
Wächtern die rechte Wange und brachte der Mutter den Leichnam. Da
gab der König feine Tochter dffentlich preis, um ven Ihäter zu erwifchen;
denn dieſe follte ſich von Jedem, der ihrer begehrte, zuvor bie Liftigfte, fo
wie die ruchlofefte That erzählen lagen. Der Schatzdieb gieng nun auch
m ihre, nachdem er dem Leichnam ven Arm abgefchnitten Hatte, ven er
unter feinem Mantel mitnahm. Als er dann der Königstochter Alles
erzählt Hatte und dieſe nach ihm griff, reichte er ihr im Dunkeln ven Arm
des Todten Hin und entwifchte. Seht verfprach der König dem Dieb
Verzeifung und eine Belohnung, wenn er fich ftelle, und wirflich gab er
demfelben, al8 er ſich entvedt hatte, feine Tochter zur rau, als dem
fügften Menfchen. Hernach, fagten fie, ftieg Rampſinitos in die Unterwelt
und fpielte mit Demeter Würfel, bald gewinnen, bald verlierend, als er
aber zurückkehrte, brachte er ein goldenes Handbuch von verfelben als
Geſchenk mit Herauf, und die Zeit feines Hinabfteigend bis zu feiner
Wiederkehr wird gefeiert. Bis auf diefen König, fagten fie, war Recht
und Gerechtigkeit, fo wie Wohlſtand in Aegypten, fein Nachfolger Cheops
aber ſchloß vie Tempel, hemmte die Opfer und legte dem Volk Arbeiten
af. Es mußten melde Steine aus dem Arabifchen Gebirg an den Nil
(haften, und andere von da an das Libyſche Gebirg, je hunderttaufend
Menſchen drei Monate lang, und ſie mußten einen Weg fünf Stadien
lang, zehn Klafter breit, und wo er am höochſten ift, acht Slafter hoch
bauen von geglätteten Steinen, worin Bilder gegraben find. Hierauf
wurden die Steine fortgefchafft, und darüber, wie über ver Errichtung der
wierirdifchen Gemächer in dem Hügel, worauf die Pyramiden ftehen,
welche Gemächer er ſich zum Begräbnig machen ließ auf einer Inſel,
indem er einen Canal aus dem Nil darum leitete, verfloßen zehn Jahre.
Die Pyramide felbft erforderte zwanzig Jahre, die von geglätteten Steinen,
beren feiner unter dreißig Fuß groß ift, errichtet, vierfeitig iſt, jede Seite
acht Plethren breit und eben fo hoch. Man erzählte, fe fey wie eine
Treppe mit Stufen gebaut worden, fo daß das oberfte zuerft gebaut war,
bad unterfte zuletzt, und es ift an verfelben angegeben, was die Arbeiter
33 Einleitung.
an Rettigen, Zwiebeln und Knoblauch verbraucht haben, was taufend uni
fechshundert Silbertalente ausmacht. Cheops aber foll jo meit gegange
ſeyn, daß er, um Geld zu erwerben, feine Tochter zur feilen Dirne machte
die fih, um auch ein Denkmal zu haben, von jenem Liebhaber einen Stein
fchenfen ließ, woraud die mittlere der Pyramiden, vor der großen, errichten
ward, die an jeder Seite anderthalb Plethren breit if. Auf Cheops, ver
fünfzig Jahre herrſchte, folgte Chephren, ver es eben fo machte, und eins
Pyramide baute, nicht ganz jo groß und ohne unterirvifche Gemächer,
die erfte Abtheilung aus buntem Aethiopiſchem Stein, vierzig Fuß Fleiner,
denn die andern, dicht neben ver großen; doch ftehen beide auf dem
nämlichen, ungefähr hundert Fuß hohen Hügel. Chephren herrfchte ſechs
und fünfzig Jahre, und die Aegypter nennen beide Könige nicht gerne,
und fie benennen fogar die Pyramiden nach dem Hirten Philitis, ver
damals feine Heerde in diefer Gegend weidete. (Nah einem Hirten,
welcher in jener Gegend feine Heerden weidete, hatten die Aegypter
nimmermehr Pyramiden genannt, wohl aber mag darin ein Anflang an
die Hykſos liegen.)
Hierauf berrichte Cheop's Sohn Mykerinos, welcher die Tempel dffr
nete, und den Drud der Arbeit von dem Wolfe nahm und gerechter war
als alle andern Könige, weßhalb er vor allen im rühmlichften Andenken
ſteht. Als ihm feine einzige Tochter geftorben war, erhielt er aus Buto
das Orakel, er werde nur noch ſechs Jahre leben, und als er ſich gegen
die Göttin in Buto beſchwerte, daß er, ver fromm fen, fo balo ſterben
müße, während fein Vater und Oheim, die fo hart gehandelt, lange gelebt
hätten, befam er die Antwort, grade darum müße er früh fterben, denn
er babe nicht recht getban, weil Aegypten hundert und fünfzig Iahre lang .
hätte unglücklich feyn folen. Nun zündete Mykerinos Nachts Lampen
an, trank und war Iuftig Tag und Nacht und fchmärmte überall herum,
wo Luft zu finden war, um das Orafel ver Lüge zu überführen, indem
er die Nächte zu Tagen und fo aus fechd Jahren zwölfe machte. Die
von ihm binterlaßene Pyramide ift zwanzig Fuß kleiner als die feines
Vaters, drei Plethren breit, bis zur Hälfte aus Wethiopifhem Stein.
Manche Griechen fchreiben ſie irrig ber Buhlerin Rhodopis zu, die aber
unter Amaſis lebte *). Auf Mykerinos folgte Aſychis, ver die fchönfte
*) Strabo (808) giebt an: fie foll das von den Liebhabern ciner Buhlerin,
ber Geliebten des Chararos, eines Bruders der Sappho, welcher mit Lesbi-
fhem Wein nah Naufratis handelte, errichtete Grab gewefen feyn. Andere
nennen fie Rhodopis und fagen, als fle badete, Habe ein Adler einen ihrer
Schuhe der Dienerin geraubt und nah Memphis gebracht, wo der König
gerade unter freiem Himmel Recht ſprach, und diefem habe er den Schuh in
den Schooß fallen laßen. Der König habe alsbald nach der Beflgerin des
Schuhes forjchen laßen, fie, als fie aus Naufratis bergefchafft worden, zur
Binleitung. 33
Borballe des Hephaͤſtostempels in Memphis, die nach Oſten errichtete.
Unter feiner Herrſchaft fehlte e3 an Geld in dem Verkehr, und dies Geſetz
warb eingeführt, daß man die Leiche feined Vaters zu Pfand fegen
fonnte, und Aſychis ließ eine Pyramide aus Vackſteinen machen, worauf
die Worte fteben: Achte mich nicht gering gegen die fleinenen Pyramiden,
denn ich übertreffe fte fo weit, wie Zeus die andern Götter. Denn eine
Stange in den Sumpf ſteckend fanmelten fie was von Schlamm dran
bingen blieb, machten Ziegel daraus und errichteten mich auf viefe Art.
Hm folgte ein blinder Mann aus der Stadt Anyſis, Namens Anyfis,
unter welchem der Aethiopenkönig Sabafod mit einem ftarfen Heer in
bad Rand einfiel. Anyſis barg fih in ven Sümpfen, und ver Aethiope
herrſchte an fünfzig Jahren. Diefer ließ keinen DVerbreiher Hinrichten,
fondern fle mußten jeder die Stadt, mo er gebürtig war, durch Schutt
erhöhen, nachdem fie ſchon durch das Gräbenziehen unter Sefoftris erhöht
worden waren. Um meiften aber iſt Bubaſis erhöht worden. Endlich
räumte Sakabos, es ftehe ein Mann bey ihm, und heiße ihn die Prien
fer alle verfammeln und mitten burchfchneiden. Er hielt dies für eine
von den Shttern kommende Verfuchung zum Brevel, und verließ Aegyp⸗
ten, da Ihm auch in Aethiopien geweißagt worden war, er werde fünfzig
Sabre über Aegypten berrfchen und dieſe Zeit war jetzt um. Anyſis hatte
indeß auf einer Infel gewohnt, die er mit Afche und Erve erhöht Hatte,
von den Aegyptiern mit Nahrung verfehen, und fünfhundert Jahre lang
fonnte Niemand dieſe Injel finden, bis fle zur Zeit des Amyrtäos ent«
dedt warb.
Dem Annfes folgte der Hephäftospriefter Setho8, welcher die Krieger-
falle vernachläßigte, und ihnen ihre Weder, veren jeder zwölf worzügliche
hatte, nahm. Da zog Sanacharibos, der König der Araber und Afiyrer
mit einem flarfen Heer gegen Aegypten, aber bie Krieger weigerten nun
den Dienſt. Hephäſtos aber verfprady feinem Priefter im Traume Hülfe,
und diefer nahm von den andern Aegyptiern wer ihm folgen wollte, und
Ingerte fich bey Peluſion. Nachts kam ein Haufe Mäufe unter die Feinde,
jernagte Bogen, Köcher und die Schildhandhaben, fo daß dieſe am fole«
genden Morgen wehrlos waren und flohen. Dieſes Königs Bilnfäule von
Stein fleht bey dem Hephäftostempel mit einer Maus auf der Hand und
ver Inſchrift: fieh mich an und fey fromm. So erzählten die Priefter und
bewieſen, daß vom erften Könige bis auf Sethos vreihundert und ein und
Gattin genommen und ihr nach dem Tode diefe Pyramide zum Grabmal
gegeben. Manetho nannte dieſe Pyramide die von Nitofris erbaute, und
fügte, diefe Königin fey die edelfte und fchönfte Frau ihrer Zeit, von heller
Garbe, geweien, fo daß Zoega in ihr bie Rhodopis, die Rofenwangige,
erfennt, bie zum Griechifchen Mährchen geworden.
3
34 Ginleitung.
vierzig Menfchenalter (drei Menfchenalter zu hundert Jahren gerechne
gewefen, in welcher Zeit Fein Gott in Menfchengeftalt geweien fey, ur
weder früher noch fpäter unter den andern Königen habe fo etwas fta
gefunden. Als der Gefchichtichreiber Hekatäos den Prieftern zu Thebe
fein Geſchlecht durchgieng und e8 im ſechszehnten Gliede an einen Go
fnüpfte, zeigten fie ihm wie mir in dem Tempet vreihundert und fün
und vierzig Koloffe, die Crzpriefter bafelbfi, deren immer einer vor
andern ftammte, Feiner aber von einem Gott oder Herod. Bor diefen aber
fagten fie, hätten Götter in Aegypten geherrſcht, und von ihnen wäre fı
einer der Gewalthaber geweſen, doch hätten fie mit den Menſchen zufam:
men gelebt, zulegt aber habe Horus, der Sohn des Oſtris geherrfcht,
welcher den Typhon bezwungen und feine Herrfchaft geenvigt habe. Bon
Oftris aber bis auf König Amafls zählt man fünfzehntaufend Jahre.
Nah Sethos fetten die Aegypter, ald fie frei geworden, zwölf
Könige ein und theilten dad Land in zwölf Theile, dieſe Könige aber, die
fih unter einander durch Heurathen verbanden, machten fich zum Geſetz,
einander nicht zu vertreiben, noch daß einer mehr ald ver andere zu
haben fuche, fonvern aufs befte befreundet zu feyn. Sie hatten nämlid
einen Orafelfpruh im Anfang erhalten, daß der von ihnen über ganz
Aegypten berrfchen werde, weldjer im Sephäftosheiligthume mit einer
ehernen Schale fpenden werde. Ald gemeinfchaftliches Denkmal bauten fle
das Labyrinth, oberhalb des See's Möris, nicht weit von Krokodilopolis,
und biefes ift über alle Beichreibung, denn es hat zwölf bedeckte Höfe,
mit einander gegenüber ftehenden Thoren, ſechs gen Norden und feche
gen Süden im Zuſammenhang, und von augen umfchließt fie eine Mauer.
Gemächer hat es zweierlei, unterirvifche und oben befindliche, zufammen
dreitaufend, von jeder Art taufend und fünfhundert. Die oberen fah id),
die unterirdifchen aber wollten die Aegygtiſchen Auffeher durchaus nicht
zeigen, weil die Gräber der Könige darin feyen, welche das Labyrinth
erbaut hätten, und die der heiligen Krokodile. Die Ausgänge durch die
Gemaͤcher und die Windungen durch die Königshöfe find fehr mannig-
faltig und bieten taufend und taufend Wunder dar, wenn man aus dem
Königshof in die Zimmer, aus diefen in die ©alerieen, von bier in
andre Gemächer und aus den Zimmern in andre Königähofe gebt. Dad}
und Wand “find von Stein und die Wände voll eingemeißelter Zeichen,
und jeder Königshof ift mit Säulen umgeben, meift mit weißem Stein,
am Ende des Labyrinth aber in ver Ede fteht eine vierzig Klafter große
Pyramide, worin große Thierbilder eingemeißelt find, ver Weg aber in
diefelbe geht unter ver Erve. hin. (Strabo, 811, fagt: am See Möris ift
das Labyrinth, ein den Pyramiden ähnliches Baumerf, und daneben dad
Grabmal des Königs, feines Erbauers. Wer aber neben ver erften Ein-
fahrt in den Canal vorwärts geht, findet einen ebenen tifchfärmigen Platz,
Einleitung. 35
ver einen Flecken enthält und einen Königebau, mit jo vielen Xheilen,
ala vormald Bezirfe waren, denn foviele zufammenhängende, mit Säulen
umgebene Königshöfe find da, alle in einer Reihe und einer Wand, vor
welcher die Königähdfe liegen, und die Eingänge verfelben find ver Mauer
gegenüber. Mor verfelben find viele lange bevedte Gänge, vie Erumme
Wege durcheinander haben, fo daß feiner im Stande ift, ohne Führer
Gin- und Ausgang der Königshöfe zu finden. Das Bewundernswerthteſte
it, dap alle Deden ver Gemächer inımer nur aus einem Stein beftehen,
und eben fo ift vie Breite der bedeckten Gänge mit Platten immer nur
aus einem Stein bedeckt von gewaltiger Größe ohne irgend eine Zuthat
von Holz oder anderm Stoffe. Steigt man auf das Dach, welches, als
bei einem einftöcdigen Bau, nicht fehr hoch ift, fo fteht man eine Fläche
von dergleichen Steinen und wendet man fi) von bier wieder zu den
Königahöfen , fo Fann man fie auf Säulen, jede aus einen Stein, geftüßt
feben, und die Wände find aus nicht weniger großen Steinen gemadit.
Am Ende dieſes Gebäudes, welches über ein Stavium lang und breit
ft, findet ſich dad Grabmal des Erbauers Ismandes, *) eine vieredige
Pyramide, vier Plethren breit an jeder Seite und eben fo hoch. Sie
fagen aber, es ſeyen fo viele Königähöfe erbaut worden, weil es Braud)
geweſen, daß vafelbft die fümmtlichen Landestheile zufammen famen mit
isren eigenen Prieftern und Opferthieren, zum Opfern, Befchenfen ver
Götter und NRechtfprechen über die wichtigften Dinge. in jeder Landes⸗
theil aber gieng in den ihm beftimmten Konigshof.)
Noch größere Verwunderung, fährt Herodot (149) fort, erregt der
Ser Möris. Sein Umfang ift dreitaufend und fechshundert Stadien, und
feine Länge geht von Nord nach Süd, feine größte Tiefe aber beträgt
fünfzig Klafter. Ohngefähr in feiner Mitte ftehen zwei Pyramiven, fünfzig
*) Diodor (1. 61) erzählt: Als nad) des Aethiopifchen Königs Actifanes Tode
die Aegypter ihre Unabhängigfeit wieder gewonnen hatten, wählten fie ben
Mendes zum Könige, den manche auch Marros nennen. Diefer führte Feine
Kriegsthat aus, erbaute fih aber das Labyrinth zum Grabmal. Dann
erzählt er (1. 89): einer der alten Könige, Menes, von feinen eigenen
Hunden verfolgt, flüchtete in den See Möris, wo ein Krofobil ihn aufnahm
und auf die andere Seite trug. Zum Danke baute er Krofodilftabt und
ordnete Pflege und Verehrung der Krokodile an, und baute fich eine vier:
edige Pyramide zum Grabmal, fo wie auch das Labyrinth. (men Heißt
Aegyptifch gründen, Gebäude und Gründer, und smen gründen laßen ober
bauen Iaßen.) Bon Abydos fagt Strabo (811): über diefer Stadt Tiegt
das Memnoneion, ein herrlich gebauter Königspallaft in der Art des Laby-
rinths, jedoch nicht fo vielfach, und wenn, wie man behauptet, Memnon
bei den Aegyptern Jsmandes heißt, fo wäre auch das Labyrinth ein Mem⸗
noneion und das Werk des nämlichen Künftlers, von welchem die in Abydos
und Theben find, denn auch da werden Memnoneien erwähnt.
3%
36 Einleitung.
Klafter über dad Waßer ragend, und auf jeder ift ein fteinerner Kolo
auf einem Thron. Der See erhält fein Waßer durch einen Canal au
dem Nil, und ſechs Monate fließt er hinein, die andern ſechs Monat
aber wieder zurüd in den Nil, und während dieſer ſechs Monat
erträgt bie Bifcherei täglich ein Silbertalent für den Schatz, wenn haı
Waßer aber wieder in den See läuft, nur zwanzig Minen. Die zmöl
Könige nun herrfchten, und als fte einft im Hephäftostempel am legten Tag
des Feſtes ſpenden wollten, brachte ihnen der Erzpriefter ihre golvenen
Spentefchalen, doch aus Verſehen brachte er nur eilf. Als der binten-
ftebende Pſammetichos Feine befam, beviente er fich feine ehernen Helms,
wobei den andern gleich die Weißagung von der ehernen Schale einfiel,
weßhalb fie ihn zwar als einen, ver ohne Abficht gehandelt, nicht tödteten,
jedoch in die Sümpfe verbannten. Schon einmal hatte derfelbe vor Sabakos
flüchten müßen, ver feinen Vater töbtete, 5i8 ihn nach dem Abzug des
Aethiopen die Suiten aus Syrien zurüdholten. Pſammetichos befragte
nun das Drafel zu Buto und erhielt die Antwort, es werde ihm Rache
durch eherne, von der See herfommende Männer werden. Als nicht Lange
darauf Karifhe und Joniſche Seeräuber ſich genöthigt fahen, in Aegypten
zu landen, und eherne Rüftungen trugen, erkannte Pſammetichos, melchem
mun meldete, eherne, zur See gefommene Männer plünverten das Land,
die Männer des Orakelſpruchs in ihnen, warb fie an und vertrieb mit
ihnen die andern eilf Könige. Wie er nun König des ganzen Landes
war, baute er die ſüdliche Vorhalle des Hephäftustempeld zu Memphis,
und den mit einem Säulengang umgebenen Hof des Apis daſelbſt. Den
Jonern und Karern aber gab er Ländereien an ver Peluſiſchen Nilmün-
dung, die man dad Luger nannte, und ließ Aegyptiſche Kinder Griechiſch
von ihnen lernen, woher die jegigen Dolmetſcher in Aegypten flammen.
Später verfegte Amafis dieſe Söloner nad Memphis und machte eine
Leibwache gegen vie Uegypter daraus. Don ver Anftedelung diefer Soͤldner
an war Verkehr zwifchen Aegyptern und Griechen, und man weiß bie
Aegyptiſche Gefchichte von da an mit Zuverläßigfeit. Pſammetichos Herrichte
vier und fünfzig Jahre, wovon er neun und zwanzig mit der Belagerung
der großen Stadt Azotos in Syrien zubracdhte, bis er fie einnahm.
Ihm folgte fein Sohn Nekos, welcher ven anal vom Nil in das
rothe Meer begann, den Dareios fortfegte, fo breit, daß zwei Dreiruverer
neben einander fahren Fünnen, und von einer Ränge, die vier Tage zur
Vahrt erforderte. Hundert und zwanzig taufend Menfchen verloren unter
König Nekos bei der Arbeit an dieſem Canal das Leben, und verfelbe
fteltte fte ein, weil er einen Orafelfpruch befam, daß er zum Nuten ber
Barbaren arbeite. Dreiruderer ließ er an dem nörblichen und dem rothen
Meere machen, deren Werfte man noch flieht, und er beflegte die Syrer
zu Land, und eroberte die große Stadt Kadyſtis, dad Gewand aber, worin
Einleitung. 37
er biefen Sieg erfochten, weihte er dem Apollon in Milet, und hinterließ
bas Reich nach jechözehnjähriger Herrichaft feinem Sohne Pfammis, welcher
ſchon nach ſechs Jahren flarb, nachdem er Krieg gegen Aethiopien geführt
hatte. Ihm folgte fein Sohn Apried, welcher fünf und zwanzig Jahre
herrſchte, und ein Heer gegen Sivon führte, und mit den Tyrern zur
See kämpfte; ein Herr aber, welches er gegen Kyrene fandte, wurde
geihlagen, und weil vie Aegypter glaubten, er habe die Leute dorthin
geihidt, um fie aufzuopfern und um fo ficherer über die andern zu herrfchen,
fo empdrten ſich die Zurüdgefehrten nebft ihren Breunden. Apries ſchickte
ven Amaſis an fie ab, um fie zu beruhigen, fie machten aber dieſen zum
König, worauf Apries den Patarbemis hinfandte, ihm den Amaſis lebendig
zu bringen, und als er unverrichteter Sache zurüdfehrte, vemfelben im
Zorn Nafe und Ohren abfchneiven lief. Die Mißhandlung eines fo
angefehenen Mannes brachte die übrigen Aegypter nun auch zum Abfall,
und Apried mußte nun mit feinen breißigtaufend Sölpnern gegen Amafis
ziehen, ven er bei Momemphis traf. Obgleich die Sölpner tapfer ftritten,
erlagen He doch der Uebermacht, *) Apried warb gefangen und nach Saiß
gebracht, wo Amaſis die Königäburg bezog. Hier hielt ihn Amaſis anfangs
gut, doch als vie Aegypter darüber unmwillig wurben, gab er ihn denfelben
preis, und fie ermordeten und beftatteten ihn in dem Begräbniß feiner
Väter in dem Heiligtum der Athena, wo alle Könige aus Sais beftattet
wurden, und des Amaſis Grab ift auch daſelbſt, etwas weiter vom Tempels
gemach entfernt, und befteht in einer großen Halle mit Säulen, vie Palm⸗
Kumen gleichen, und mit andern Serrlichkeiten geſchmückt. Darin ift ein
mit zwei Ihürflügeln verfehener Verſchluß, worin der Sarg fi) befindet.
Anfangs aber verachteten die AUegypter den Amaſis, der aus Siuph in dem
Bezirk von Said gebürtig war, weil er ein Mann aus dem Volfe von
einem nicht angefehenen Haufe war, doch fpäterhin gewann ihm fein
Verſtand und feine Weisheit die Leute. Er ließ aus einem goldnen Buß
beten ein Goͤtterbild machen, und als die Aegypter viefes verehrten, führte
ee ihnen zu Gemüth, ed fey eben fo mit ihm gegangen, ver aus einem
gemeinen Manne König geworden. Morgens bis zur Zeit, wo der Markt
ſich füllt, arbeitete er tüchtig in feinen Obliegenheiten, dann aber trank
und beluftigte er fi mit Späßen und Wigen, weil der Menfch, wie er
fügte, ver Abfpannung bevürfe. Schon ald gemeiner Dann hatte er Trank
amd Scherz geliebt und nicht viel gearbeitet, ſondern geftohlen, wann es ihm
an den Mitteln gefehlt. Oft deßhalb zu Weißagungen geführt, erflärten
*) Die Kriegerfafte belief fich auf viermal Hundert und gehntaufend Mann, von
denen ber eine Theil Kalaflrier hieß, die an hundert und fechszigtuufend Mann
betrugen, die andern hießen Hermotybier. Je taufend Dann von jeder Diefer
Abtheilungen bilveten die Leibwache des Könige, welche jedes Jahr wechielte.
38 Ginleitung.
ihn manche für den Dieb, andere ſprachen ihn frei, und die Tempel dere
welche ihn fälfchlih freigefprochen hatten, vernachläßigte er ald Köni,
bewies aber denen, wo er überführt worden war, ald wahrhaftigen Weiße
gungen, große Sorgfalt. Er baute eine bewundernöwerthe Vorhalle de
Aehenetempels zu Said, weihte große Kolofje und Männerfphingen, un
ließ ein Säuschen aud einem einzigen Stein von Elephantine herbenfchaffer
ein und zwanzig Ellen lang, vierzehn breit, acht hoch, welches zweitaufen
Schiffer in einer Zeit von drei Jahren nach Said fchafften, wo ed an
Eingang des Heiligthums ſteht. Auch in andere angefehene Tempel weiht
er fehenswürbige große Werfe, 3.3. ven fünf und fiebenzig Fuß Tangen
auf dem Rüden liegenden Koloß vor dem Hephäftostempel zu Memphis
in welcher Stadt er auch den großen Iſistempel erbaute. Unter feine
Herrichaft fol Aegypten in der höchften Blüthe gewefen ſeyn und zmanzik
taufend bewohnte Städte gehabt haben, und es wird ihm das Geſetz zuge:
ſchrieben, daß ein jeder der Bezirföobrigfeit angeben mußte, wovon ei
lebte, und daß, wer feinen rechtlichen Erwerb nachweiſen Tonnte, mit dem
Tode beftraft ward. Mit den Griechen fland Amafid in freundlichem
Verhältniß, und geftattete ihnen Niederlaßung in Naufratis, melches in
alter Zeit der einzige Ort war, wo man landen durfte. Als die Amppif-
tyonen den Tempel zu Delphi bauen ließen, fchenkte ihnen Amaſis taufend
Pfund Alaun zu den Koften, und mit Kyrene ſchloß er ein Freundſchafts⸗
bündnig und nahm eines angefehenen Kyrenäers Tochter zum Weibe.
Auch Weihgeſchenke ſandte Amaſis nach Kyrene, Lindos und Samos, und
Kypros ward von ihm erobert und unterworfen. Ihm folgte nach einer
vier und vierzigjährigen Herrſchaft ſein Sohn Pſammenitos, gegen welchen
der Perferfönig Kambyfes heranzog und ihn bei Pelufion ſchlug.
So Fam Xegypten unter Perſiſche Herrſchaft, aus ver es in die
Makedoniſche übergieng, nach deren Sturz es Römifche Provinz ward; doch
blieb Religion und Cult der Aegypter unangetaftet beſtehen, wenn gleich
in Sarapid ein neuer Gott durch die Makedoniſche Herrſchaft hinzukam.
Welchen Einfluß die Hykſos auf Erweiterung oder Ausbildung der Religion
gehabt Haben Fönnten, ift und ganz verborgen geblieben, denn außerdem,
was und die Griechen von alter Aegyptiſcher Gefchichte erzählen, find nur
wenige Hülfsmittel vorhanden, die zu einer Einfiht in den Gang ihrer
Geſchichte nicht, Hinreihen. Wenn Pſammetich und feine Nachfolger fi
auf fremde Söldner ſtützten, fo zeigt dieſes ſchon ven Staat, der ald Kaften-
flaat eingerichtet war, in einem ſchlimmen Verhältnif, das ohne gründliche
Umwandlung der Einrichtungen nicht zum Guten führen konnte, fobalo
ein flarfer Stoß von außen fan. Daß die Aegypter als Kaftenvolf nie
zur Vreiheit des Geiftes gelangten, welche die Bedingung der Humanität
und der wahren Weisheit ift, zeigt Alles, was wir von denſelben wißen.
Die gepriefene Weisheit dieſes Volks beftand in der Kenntniß des Jahres,
Einleitung. 39
welche die Priefter hatten, die aber den Vierteltag nicht einfchalteten,
damit, wie es heißt, vie Götterfefte allmählig den Kreis des Jahres durch⸗
laufen follten, worin eine große Weisheit nicht Liegen Fann. Die Geheim-
haltung des Iſis-Oſirismythus in feiner Beveutung ald Myfterium, gab
den Schein tiefer Einſicht in die göttlichen Dinge, und das Großartige
ihrer Königsbauten, jo wie die Folojlalen Bilowerfe, in welchen aber, wie
in allen andern nie ein Ideal dargeftelt ward, fondern nur eine große
mechaniſche Vollendung erfcheint, trugen dazu bei, vie Aegypter den Grie=
hen ſehr bedeutend erfcheinen zu laßen, bei dem hohen Alter, welches fie
in Anfpruch nahnen. Ihre gefchichtliche Erinnerung reichte allerdings
weiter hinauf, als die der Griechen, und nimmt man ihre Zeitrechnung
nur fo, daß die Nilüberfhwenmung mit dem erften Tage des Monats
Thoth beginnt, und darin lag ja der Grund, den Thoth zum erſten Monat
des Jahres zu machen, jo gelangt man fchon damit zum Jahre 2782 vor
unferer Zeitrechnung, und wie Solinus (32) fagt, begannen vie Aegyp⸗
tifchen Priefter fogar mit dem Aufgange des Sirius die Erfchaffung der
Welt. Manethos, zur Zeit des eriten Ptolemäers, ordnete die Aegyptiſchen
chronologiſchen Nachrichten, und da fällt der Beitand ver Welt 24838 Jahre
vor ber Zeit des erften Königs Menes, welche fiebenzehn Hundsſternperioden
ausmachen, worauf noch über fünftaufend Jahre für die Zeit der Könige
folgen bis auf Alexander den Großen. In der vormenfchlichen Zeit
berrfchten die Gdtter, nach Menethos zuerſt Hephäſtos, dann fein Sohn
Helios, Agathodämon, Kronos, Oſiris und Iſis, Typhon, hierauf neun
Salbgötter, Horos, Ares, Anubis, Herakles, Apollon, Ammon, Tithoes,
Soſos, Zeus, wie bei Synkellos zu lefen ift, dann kam die dritte Götter-
dynaſtie ver Halbgötter, welche mit Bites endigte. Hierauf folgte die erfte
und die zweite Dynaftie der Halbgdtter in engerem Sinne, dann die dritte
der Memppitifchen, die vierte der Thinitifchen Halbgötter, zulegt Die der
halbgöttlichen Manen. Sehen mir auf vie Religion ver Xegypter, fo
ergiebt fich Das, was zu unjerer Kenntniß gelangt ift, als eine gewöhnliche
Naturreligion, welche fich nicht zu einer fchönen Mährchenwelt ausgebilvet
bat, und nie eine fchöne Kunft hervortrieb und von einer tiefen philo—
fophiichen Anfchauung kann eben fo wenig die Rede feyn, fondern was
irgend Davon gefabelt worden ift, find fpäte träumerifche Auslegungen.
Die darin hervortrettenden Hauptgedanfen find die des Lebens und ber
Zeitordnung. Un Leben flebt der Aegypter die Götter an, und nach dem
ode will er noch fortleben und thut es in der jenfeitigen Welt. Die
Sauptgottheit ift ihm die große Mutter Natur, die Leben gebiert und
erhält, die einen Gatten hat, welcher dieſes Leben mit ihr zeugt, und das
Erzeugnig ift ihm das Seegensfind, welches er verehrt. Weil ohne die
durch den Hundsſtern gebrachte Nilüberſchwemmung das Seegendfind nicht
erzeugt werden Fonnte, fo war der Hundsſtern ein hochverehrter Gott,
entweder felbft als Erzeuger, over ald Begleiter viefer Zeugung, und weil
30 Einleitung.
das Leben als ein Zeittheil erfcheint und als ein XTheilbaftfenn d
Keit, deßen Dauer nach den Zeittheilen gemeßen wird, fo fleht ver Aegy
ter um Jahre, wie um das Xeben, und vie Zeit mit ihrer beftimmt,
feften Ordnung ift ebenfalls göttlich verehrt. Diele wenigen Hauptidee
welche fi um Leben und Gedeihen vreben, bilden ven Kern der Aegy
tifhen Mytbologie, haben jedoch Feine volksmäßige poetiihe Entwidelu
erlangt, wie ed mit der Griechifchen Mythologie der Fall war, denn I!
das Volk ven der Priefterfchaft bevormundet war, fo hatte es nicht de
Standpunkt inne, auf welchem e8 die Götter zum Gegenftande einer fchöne
Mährchenwelt hätte machen Fünnen. So ward denn auch Fein Ideal eim
Gottheit gefchaffen, da nur ihre Naturivee in dem Cult feft gehalten warl
und wiewohl fie menſchlich gedacht waren und menſchlich gebildet wurber
fo übermog doch die Naturidee dad Menfchliche, fo daß legteres fich nid
fo in ihnen entwidelte, um fittlide Kräfte und menfchlidhe Verhältniß
und Eigenfchaften zum Ideale zu fleigern. Aber weil das Leben ik
Hauptaugenmerk war, fo bildeten fie die Verhältnige ver Fortdauet nad
dem Tode ſehr aus, und wie fte die Keiche felbft auf das forgfältigie
behanvelten, fo Hatte ihre jenjeitige Welt auch ihre genaue und in
Einzelne geordnete Eintheilung. Merkwürdig Eönnte es fcheinen, daß fid
in der Aegyptiſchen Naturreligion ein Dualismus bildete, nämlich ein
böfes Wefen, welches das gute Wefen verfolgt und verdirbt, doch iſt dieſet
nur ein Schein, und berührt nidyt daß fittlihe Gebiet, in welches jene
Dualismus eigentlidy gehört, welcher das Gute einem guten, das Böſe
einem böjen Wefen zufchreibt. Denn der wohlthätige Hundsſtern, welcher
die Nilüberfchmemmung brachte, ward im Lauf der Zeit zur Gottheit ber
vor der Ueberſchwemmung hergehenden trodenen Site, während melde
die Natur erftirbt, und fo ward dieſer Gott zum Mörver des Zeugungs⸗
gottes gevdichtet, und als 608 betrachtet, wiewohl er daneben dennoch in
einzelnen Culten allezeit verehrt blieb. Die Aegyptiſchen Culte hiengen
nämlich keineswegs fo zufammen, daß nicht jeder einzelne Cult einer Stadt
oder eines Bezirks feine Berechtigung für ſich gehabt hätte. Gerade durch
diefe Berechtigung der einzelnen Eulte erjcheint auch eine größere Mannig⸗
faltigfeit der Götter, ald wirklich in der Mythologie dem Weſen nach ent-
halten war, denn die verfchievenen Formen einer und berfelben Gottheit
und fo auch die verfchiendenenen Benennungen verfelben erhielten, wenn
diefelbe Gottheit an dem einen Orte unter diefer Form und diefem Namen,
an dem andern Orte unter anderer Form und anderem Namen verehrt
ward, um fo leichter eine Selbftfländigfeit, vie fie zu gan beſonderen
Weſen machte.
Wenn wir auch nicht wißen, welche Entwickelungen die Aegyptiſche
Mythologie durchlaufen habe, fo ſehen wir doch in dem Iſis⸗Ofiriscult
und dem Mythus davon wenigſtens eine Neuerung in demſelben, und eine
Hindeutung auf den verwandten Phinififhen Cult. Noch mehr wuͤrden
Einleitung. | al
wir in biefer Hinſicht wißen, Tünnte man meinen, wenn bie brei @btter-
freife, von welchen Herodot fpricht, befannt wären, weil uns biefe, fo
ſcheint es, drei Entwidelungen barbieten würden. Herodot fagt nämlich
(2. 145) es gebe acht erſte Goͤtter, dann die zwolf zweiten, und drittens
die von den zwölf herſtammenden. Don jeder Gattung nennt er auch
einen Gott, und von der erften noch eine Göttin, von welcher unten vie
Rede fenn wird, wir fünnen aber gar nicht beftimmen, weldye andern, als
bie von Herodot genannten, in dieſe Kreife gehörten. Weber in einem
@ult, noch auf einem Denkmal begegnen wir viefen fogenannten Bdtters
freifen in irgend einer erfenntlichen Weife, und vie Gottheiten felbft bieten
mit Ausnahme des DOfirid und der mit ihm in Verbindung ftehenven Gott⸗
heiten nichts bar, woraus fich auf ihre Abftammung von andern fhließen
ließe; denn wenn eine Gottheit Sohn ver Sonne oder Tochter der Sonne
genannt wird, fo braucht dies Feine Abftammung zu bezeichnen, fo wenig
als wenn eine foldhe geradezu Sonne genannt wird, wie es ſo häufig
geſchehen ift, weil beide Arten ver Bezeichnung nur den Föniglicdhen Glanz
bezeugen koͤnnen, indem dieſe Ausdrücke wirklich im Uegyptifchen in biefer
Geltung ſich Häufig vorfinden. Die Zahl der Gdtter des legten Kreifed
nennt uns Herodot nicht, da er aber den Oſtris als einen verjelben nennt,
fo fönnte man auf fünf fihließen, weil angegeben wird, er und noch vier
fenen an ven fünf Epactentagen, an jenem berfelben einer, gebohren
worden, indem Herodot aber fagt, bie legten feyen die, welche von ven
zwoͤlf abſtammten, fo hätten außerdem noch welche dazu gehören fünnen,
vie von andern Göttern des zweiten Kreiſes hergeleitet wurden. Warum
man die erſten Götter auf acht *) beflimmte, bie zweiten auf zwölf, läßt
fiy nicht erratben; denn für ſolche Zahlen Eünnen die Verhältniße der
Beiteintheilung, es koͤnnen auch ftaatliche Cintheilungen und felbit noch
andere Verhältniße mirfen. Die Aegypter weihten die Tage und die
Monate ven Göttern, fagt Herodot, und in dem Mährchen von den fünf
*) Seneca (Quaest. Nat. III. 16) jagt: die Aegypter nahmen vier Clemente
an, und jedes Element nahmen fie zwiefach an, als männlich und weiblich.
Die Luft galt ihnen als Wind männlich, als neblige und träge galt fle für
weibliy. Männlich nennen fie das Waßer als Meer, jedes andere aber
weiblih. Das Feuer ift ihnen männlich als Flamme, als unverlegendes
Licht weiblih. Weitere Erde (Steine und Felfen) gilt für männlich, bie
zum Anbau bearbeitbare für weiblich. Da hätten wir die acht erken Wötter,
wenn biefe Angabe etwas mehr, als eine bloße Auslegung enthielte, welche
obendrein der Auffaffung der Natur, wie wir derfelben in den Raturreligionen
begegnen, nicht entipricht. Da in Memphis die Patäfen waren und die
Phönifischen Patäfen mit Esmun auf acht angegeben werben, fo hätte man
auch hier adıt Götter, aber acht Patäken in Aegypten find nicht zu beweifen ;
denn wir erfahren ihre Zahl überhaupt nicht, und die der Phönififchen ift
doch eigentlich fieben, wozu noch einer als Hellgott tritt.
42 Einleitung.
Zuſatztagen des Jahres fehen wir dieſe fünf Gottheiten als Geburtötage
zugefchrieben.. Doch auf diefem Wege zeigt fi für die Zahl Acht Fein
- und verftännlicher Grund, denn eine adhttägige Woche ift bei ven Aegyp⸗
tern nicht zu entveden, und wenn auch zu ſieben Patäfen ein achter gefügt :
ward und den Namen des Achten führte (Esmun), fo Elärt uns viefes nicht
auf, odgleih ein Drt den Namen Smun, (Acht) in Aegypten führte,
wo Thoth als Herr von Smun verehrt ward. Eine ſtaatliche Eintheilung
Aegyptents in acht Theile, auf welche eine Eintheilung in zmölf gefolgt
wäre, ift nicht befannt, und fomit fehlt und jeder Boden, auf welchem eine
Vermuthung über dieſe Zahl mit Wahrfcheinlichkeit aufgeſtellt werben
könnte. Für die Zahl zwölf bieten fi die zwölf Monate dar, und der
in der zweiten Götterreihe genannte Herakles kommt fogar ald Namen '
geber eines derjelben vor, denn fein Aegyptifcher Name war Chon (Khuns -
fu) und der neunte Monat hieß Pachon, d. i. ver Chon= Monat, allein
aus den Monatdnamen läßt fi keineswegs eine Götterreihe aufftellen,
welche man mit einiger Wahrfcheinlichfeit als die von Herodot bezeichnete
anjehen dürfte. Der erfte Monat heißt Thoth, und ift benannt nad
dem Gotte dieſes Namens, den in die zweite Reihe zu ftellen Fein Grund
erjcheint. Der Name des zweiten lautet Phaophi, d. i. der Große, wo
wir alfo nicht wißen Fünnen, ob ein Gott und welcher etwa darunter
zu verftehben ſey. Der vritte heißt Athyr (Sat=bor), mit welchem
Namen eine Borm der Iſis bezeichnet ift, vie auch ſelbſt, ohne als
befondere Form zu ericheinen, diefen Namen führt und in die dritte
Reihe gehört. Der vierte Monat heißt Choiak oder wie die Papyrud
enthalten, Choiach, womit feiner der Götternamen in Verbindung
fteht. Der fünfte, Tybi genannt, könnte der Monat der Nilpferdgöttin
feyn, die aber nur eine fi) auf Geburt und Leben beziehenne Form
der Geburts- und Lebensgoͤttin ift, und einen befondern Cult nicht
befaß, was doch hätte feyn follen, wenn fie ald Gottheit einer Reihe von
zwölf Göttern aufgenommen war. Für den fechöten Monat Medir
zeigt fi) Feine Benennung eines Gottes, für den ftebenten aber, ven
Phamenoth, der Name der Göttin Menuthis, wie die riechen fie
nannten, fo wie für den achten, ven Pharmuthi, der der Ermut,
denn T=ser-muthig kommt ald ein Name der Iſis vor. Der neunte
heißt, wie ſchon bemerkt worden, Pachon, nah dem Chon, den die
Griechen für den Aegyptiſchen Herafles nahmen, ver zehnte aber ward
Payni genannt, der eilfte Epiphi, mas möglichermweife den zweimal-
großen, oder die Schlange, welche die Große genannt ward, bedeuten Fünnte,
ohne daß wir im Stande wären, in diefem Falle mit Gewißheit zu beftim-
men, worauf denn der Name zu beziehen wäre. Den zwölften, den
Mefori, vermögen wir ebenfalld feinem Gotte zuzufchreiben, mögen wir
diefed Wort in Me-fori over Mes-ori abtheilen, da wir in dem einen
wie in bem andern Balle nur eine gekünttelte Ntamenneutung haben
Einleitung. 43
würden, ohne daß er auf einen Gott zurüdgeführt würde. Können wir
darum nicht daran denken, mit den vorhandenen Monatönanıen einen Kreis
von zwölf Göttern berzuftellen, welcher die von Herodot angegebene zweite
Reihe enthalten würde, jo zeigt fih dagegen eine gefcdhichtliche Angabe,
welche einen Zwölfgötterverein annehmen ließe, nämlidy die oben ermähnte
Serrichaft der zwölf Könige, welche im Labyrinth zufammenfamen in ven
zwölf Königöhöfen mit den Prieſtern der zwölf Landestheile, um zu opfern
und Recht zu fprechen, wo aljo ven Göttern der zwölf Landestheile jeg-
lichem von feinen Prieflern geopfert ward. In einer ähnlichen Weife,
nämlich durch die zwölf Völferfchaften des Amphiktyonenbundes entftand
in Griechenland ver Zmölfgätterverein, welcher aber nie eine wefentliche
Beveutung hatte, und keinen Einfluß auf die Anfichten von den Gottheiten
und auf ihre Verehrung ausübte. Doch wir Eünnen nicht behaupten, daß
das angeführte Verhältnig in Aegypten den von Herodot angegebenen
Zwölfgätterfreis hervorgerufen babe, denn wir haben außer ver Möglichkeit,
daß es jo hätte feyn können, feinen Beweis dafür. Bei Manethos findet
ſich auch vor den Halbgöttern im engeren Sinne in der Urzeit eine Drei⸗
theilung in ver Gdtterherrfchaft, aber man findet darin Feine acht erften
und zwölf zmeiten Götter, wad bei der Kenntnig, welche verjelbe als
Hegyptifcher Priefter von den Dingen der Religion haben Fonnte, zu
beachten iſt. Rechnet man zu feiner eriten Reihe, welche fieben Gottheiten
enthält, noch den Horos aus der folgenden Reihe hinzu, welcher allerdings
mit Oftris, Iſis und Typhon zufammengehört, fo befommt man ziwar bie
Zahl Acht, aber vie Göttin von Buto und Mendes, welche dem Herodot
genannt wurden, ald zu ven acht Göttern gehörig, find nicht darunter,
und Oſtris, welcher ihm als der dritten Reihe angehörig bezeichnet ward,
findet fih unter den von Manethos angegebenen. Da uns aud) die Denk—⸗
mäler feinen Auffchluß darüber geben, und der hieratifche Kanon ded Turiner
Papyrus nur eine der Manethonifchen ähnliche Kifte giebt, fo dürfen
wir annehmen, jene drei dem Herodot angegebenen Götterreihen feyen für
Glauben und Cult von Feiner hohen Bedeutung und eher in etivad
Aeußerlichem begründet gewefen, ald in einem mefentlichen innern Ver—⸗
hältnig, d. h. in einer Anficht von den Gottheiten felbft und in Verän-
derungen verfelben.
So wie die Negypter nie ein Götterideal bilveten, eben fo wenig
war Schönheit ihre Aufgabe bei der Darftelung ihrer Gottheiten, fondern
fie opferten dieſe der Darftelung der Idee durch Sinnbilder; denn fehr
viele ihrer Götter find zufammengefegt aus der menſchlichen Geftalt und
dem Kopfe des Thiers, welches dem Gotte ald Sinnbild gehörte, jo wie
ih auch die Geftalten diefer Thiere mit menſchlichem Haupte finden.
Selbft die Namen ver Götter brachten fie dfterd an den Geftalten an
durch Hieroglyphen, wie 3. B. Iſis einen Thron auf dem Haupte trägt,
weil berfelbe hes heißt, welches auch ihr Aegyptiücher Name, wat wir
aa Die Verehrung der Thiere.
Nephthys ein Haus mit einem Korbe auf dem Kopfe bat, weil beide ihren
aus zwei Theilen beſtehenden Namen bezeichnen. Daffelbe findet man bei
Neith, Nutpe, Selt u. a. m. Da nun bei fo mancher Gottheit bie
Bezeichnungen derſelben durch finnbilvliche Darftelungen auf einander
gehäuft wurben, fo jehen die Götter mitunter fehr wunverlid aus. Das
Bedeutendſte aber in diefen Darftelungen bleibt immer die Mifchung ber
menschlichen und thierifchen Geftalt, jo wie im Aegyptiſchen Cult vie
Thiere ſelbſt eine hochſt beveutende Stelle einnehmen, welche fie bei einem
Volke, dad zu einer reinen menſchlichen Entwidlung gelangt, nicht behaup⸗
ten Tann, wohl aber bei einem von einer Priefterfafte bevormundeten
geiftiggefnechteten Volke, wo alles höhere Geiftige zu einem tobten Mechas
nismus erflarrt ift, den nie ein Strahl der Freiheit und ver Schönheit
befcheint. Doch betrachten wir, da bei ven einzelnen Gottheiten die eins
zelnen ihnen geweihten Thiere berührt werben follen, hier im Allgemeinen
Die Verehrung der Thiere.
Die Aegyyter erwiefen den zu Sinnbildern ihrer Gottheiten, ermähls
ten Thieren volle göttlihe Ehre. Wo ein ſolches Sinnbild heilig verehrt
warb, durfte die ganze Gattung nicht getöbtet werden, und Das heilige
Thier ward felbft nach feinem Tode einbalfamirt und herrlich beftattet,
wie denn bie Thiermumien in Aegygten zahlreich find. inige viefer
Thiere, wie die Kühe, Kaben, ver Vogel Ibis waren allgemein durch
dad ganze Land verehrt, Andere galten nur für heilig in dem Bezirk,
welcher die Gottheit verehrte, deßen Sinnbild das Thier war, fo daß ein
in dem einen Bezirfe Heilig verehrtes Thier in dem andern Bezirke
gegeßen ward, worüber es in den Zeiten der römijchen Herrfchaft über
Aegypten einigemal zu heftigen Auftritten zwijchen benachbarten verfchievene
Thiere verehrenden Bezirfen Fam. Dieſes Alles jedoch wird bei Gelegen-
heit der einzelnen Gottheiten bemerkt werden und es fol bier nur im
Allgemeinen von dieſer Thierverehrung vie Rede ſeyn. Herodot (2. 65)
meldet darüber: Aegypten iſt nicht reich an Thieren, alle aber, die Haus⸗
thiere und die wilden, die dort find, galten für heilig. (In viefer Allges
gemeinheit ausgefprochen: ift Herodots Angabe nicht mahr, wohl aber
mochte die mannigfaltige Thierverehrung,, welche fo viele Gattungen umfaßte,
dem an dergleichen nicht gewöhnten Beobachter ven Eindruck machen,
welchen Herodot in dem angeführten Ausſpruch an den Tag legt, morin
e8 übergangen ift, daß mandje Thiere nur in einzelnen Bezirken heilig
waren.) Wenn ich aber, fährt Herodot fort, fagen mollte, warum bie
heiligen geweiht find, fo würde ich göttlihe Dinge berühren, was ich
fehr ſcheue. Der Brauch mit ven Thieren aber verhält fi) alfo: es find
Beforger ihrer Pflege und Wartung da, für jedes Thier beſondere, ſowohl
männltche al8 weibliche, Aegypter, welche vielen Dient vom Water erhen.
Die Verehrung der Thiere. 45
Mm den Stäbten thut man diefen Thieren Gelübbe, und bie welche dem
Gott, dem daß Thier gehört, das Gelübde thun, fiheeren ihren Kindern
entweder den ganzen Kopf, oder den halben over auch den dritten Theil,
und mägen das Saar mit Silber auf, und diefes befommt die Wärterin
des Thieres, welches demſelben Fiſche dafür giebt, denn das ift ihre Nah⸗
mag. (Daß Fifche die einzige Nahrung ver beiligen Thiere geweſen, ift
nicht möglich, denn ed find welche darunter, die man gar nicht mit
Fiſchen füttern konnte, weßhalb wir vie Allgemeinheit dieſer Angabe
beihränfen müßen. Was aber ven Brauch betrifft, ven Kindern den Kopf
zu fcheeren und das Haar mit Silber aufzumägen, welches zur Pflege ver
heiligen Thiere verwendet wurde, fo bezeichnet derſelbe die Loſung ve
Hauptes der Kinder von dem Gotte, und gehört zu der Anficht, welche
die Menfchenopfer hervorgebracht Hat. Man glaubte ein jegliches Haupt
fen der Gottheit verfallen, und man mußte darum dad Kaupt von ihr
föfen, welches, nach dieſem Braud durch einen dem Gewicht des Haupt⸗
Haares gleichen Silberbeitrag zur Ernährung des die Gottheit darftellenden
Thieres gefchah.) Töptet einer eine viefer Thiere mit Willen, fo erleis
det er die Todesſtrafe, thut er ed aber ohne e8 zu wollen, fo beflimmen
ihm bie Priefter eine Buße. Wer jedoch einen Ibis oder einen Sperber
(flatt des legteren nennt Diodor die Kae) tödtet, jey ed nun mit Willen
oder nicht, der wird mit dem Tode beftraft. Bei Diodor (1. 84) leſen
wir: die heiligen Thiere werden in geheiligtem Verſchluße gepflegt, und
viele angefehene Männer bedienen ſie mit ver theuerften Nahrung. Sie
befommen fehr feines Weizenmehl oder Graupen in Milch gefocht, Kuchen
mancher Art mit Honig zubereitet, fo wie gefochtes und gebratenes Gänfes
fleiſch. Den fleifchfreßenden Thieren merfen fle gefangene Vögel vor,
und verwenven überhaupt viel auf vie Pflege, denn dieſe heiligen Thiere
erhalten auch warme Bäder, werben mit ven beften Salben gefalbt, und
beftändig mit Mohlgerüchen Beräuchert, befommen theuere Deden und ſchö⸗
nen Schmud und die fchönften Weibchen zu ihrem Vergnügen. Stirbt
eins, fo wird es herrlich beftattet, jo zwar, daß zur Zeit des erften Pto⸗
lemaͤus der Beforger ver Apisleiche zu dem was aufgewendet werben Eonnte,
noch fünfzig Talente von dem Könige borgte. Zu unferer Zeit, fagt Dio⸗
dor, haben manche der Wärter nicht weniger ald hundert Talente auf die
Beitattung verwendet. Bel einzelnen heiligen Thieren ermähnt Herodot
die Städte, wohin die Leiche viefer Thiergattung zum Begraben gebracht
wurden, und ed waren dies die Orte, wo biefelben befonvers heilig
verehrt waren. Uber die Mumien, melde man in Aegypten gefunven,
zeigen, daß biefer Brauch nicht immer und allgemein fireng durchgeführt
worden ift, da man Mumien folder Thiere auch anderwärtd ald an ben
von Herodot bezeichneten Orten gefunden hat. Ja zumeilen finden fich
verfchiedene Thiere in einem und demſelben Grabe, und auch Mumien
folder Spiere giebt ed, bie und als heilig gar nicht bekannt gematuen
A6 Die Verehrung der Thiere.
find, fo zu Theben die Eule und die Schwalbe, welche ſich zwar in ven
Hieroglyphen finden, jene um den Buchſtaben m zu bezeichnen, dieſe ven
Buchflaben u oder das Wort ur, groß, flarf. Auch Ratten, vie nie al
heilig erwähnt werden, oder auf den Denkmälern erfcheinen, findet man
einbalfamirt. Strabo (812) bemerkt, daß die Aegypter in der Angabe
der Urfahen, warum vie Thiere geheiligt worden ſeyen, nicht unter ein-
ander übereinftimmten. Die Griechen aus einer Zeit, in welcher man
profaifhe Erklärungen der mythologiſchen Dinge liebte, geben und im
Beſondern fowohl dieſem Streben entſprechende Urſachen der Heiligung
der einzelnen Thiere an, ald audy eine derartige allgemeine Erklärung bes
Aegyptifchen Tihiervienftes, welche bei Diodor (1. 86) alfo lautet: da bie
alten Aegypter wegen der Verwirrung des Heeres oft von den Nachbarn
beftegt wurden, fo gaben fie den einzelnen Abtheilungen Zeichen und zwar
die Thiere, welche fie jebt verehren, und vie Führer trugen dieſe Zeichen
an Speeren, fo daß ein jeder nun wußte, wohin er gehörte. Weil nun
dieſes zum Siege viel beitrug, fo erwiejen fie diefen Thieren ihren Dank,
und es durfte fortan von denjenigen, welche zu Zeichen für das Heer
gedient hatten, keines mehr getötet werben. Andere gaben die Nütlicd-
feit der Thiere ald Grund ihrer Verehrung an, und wieder Andere
nahmen an, was weniger profaifch lautet, vie Götter hätten fich im
Anfang, da ihrer zu wenige waren gegenüber der Menge gewaltthätiger
ruchlofer Menfchen, in Thiere verwandelt, um biefen zu entgehen. Aber
als fie die Herrfchaft ver Welt befommen, hätten fie zum Danfe die Thiere,
deren Geftalt fie angenommen hatten, verehren laßen.
Ungeachtet der hoben Heiligkeit der Thiere, welche die Götter felbft
vorftelen, meldet uns Plutarch (73) einen Brauch, wie er ungeläuterten
- Begriffen von der Gottheit angemeßen ift, indem er meldet, bei brüdender
Hige, welche Seuchen und fonft außerorventliches Verderben bringt, führen
die Priefter in der Stille welche von den verehrten Thieren in dad Dunkel,
drohen ihnen und fihreden fie zuerft, und läßt das Uebel nit nah, fo
opfern fie dieſelben.
Heroen, welchen man Todtenopfer hätte darbringen müßen, hatten
die Uegypter nicht, wie Herodot (2. 50) angiebt und folglich Feine von
Gottheiten mit Menfchen erzeugte halbgöttlihe Wefen. Zwar fagt Por:
phyrius: im Flecken Anabis oder Anebis (Eufebius 3. 12) verehren fie
einen Menfchen und verbrennen ihm Opferthiere auf dem Altar, vo
eine jo fpäte Nachricht kann nicht dagegen angeführt werden, denn wenn
3: B. Hadrian den Antinous göttlich verehren ließ, fo bildet das feinen
Aegyptiſchen Heroendienſt.
Erfte Abtbeilung.
Ammon.
In Oberägypten, dem älteften Theile des Landes hieß Die Haunpt⸗
Ast Thebe, wie die Griechen fie nannten, d. i. Api, groß, und mit bem
wihlihen Artikel T-api, d. i. die Große, und öfter& ward die Thebaifche
Mark das Land von Oph genannt, welcher Name verfelbe nach dem
Remphitiſchen Dialekt gefprochen iſt. In diefer Qauptfladt nun warb ein
Bott als Hauptgott verehrt, deßen Name von den Griechen Ammon
geihrieben ward, mährend Die Infchriften der Denkmäler ihn in ver Form
Ann, Amen enthalten. Der Aegyptifche Prieſter Manethos zur Zeit
des erſten Ptolemäus jagte, ver Name Amun bedeute den DVerbüllten,
die Verhüllung, wie Plutarch (9) berichtet, und nicht unähnlich Leiteten
im Andere von emenst (Umenst), der Weften, her, und erklärten
diejer Ableitung zu lieb den Gott für die untergehende Sonne, wie wir
bei Macrobius in den Saturnalien (1. 21) Iefen, wo die Anficht, Ammon
jeg die untergehende Sonne, den Kibyern zugefchrieben wird. (Jamblichus
fagt, er zeuge und bringe das Verborgene an das Licht, Theodoret aber
agt, Ammon fey der Geift, ver Alles durchdringt.) Der Abderite Heka⸗
äus aber gab an, wie ebenfalls bei Plutarch zu Iefen ift, dieſes Wort
iene zum Anreden, wann einer den andern anruft, und ed werde jo ber
tfte Gott, welcher mit dem Univerfum eins fey, angerufen, um fich zu
tigen. Beide Erklärungen Eünnen in ver Aegyptiſchen Sprache wohlbe⸗
jründet feyn, ohne daß darum eine verfelben auf ven Namen des Gotted
tichtig angewendet zu feyn braucht. Ein verhüllter, verborgener Gott, ber
eben jo, wie Die andern Götter, im Bilde dargeftelt ward, Fonnte in dem
Sinne, daß er der verborgene Gott in einem höheren Sinne gewefen, als
die übrigen Götter, nicht ftattfinden, weil eben in einer foldden Annahme
fein rechter Sinn liegt, welcher erft in fpäter Zeit ftattfinden fann, wo
man philofophirend von den gleichſam Außerlichen Gdttern der Natur:
religion, Die doch immer mehr oder minder ftarf mit den Theilen der
Natur, die ihr Wirkungskreis find, iventifch erfcheinen, zu der Ivee von
einem rein geiftigen, übernatürlichen, im Bilde nicht darftellbaren Gotte
langt. In der Negyptifchen Mythologie tritt aber nie eine Läuterung
son der Naturreligion zu einem reinen, geiftigen Gottesbegriff hervor,
un follte der Ball ftatt gefunden haben, daß einzelne Menſchen ſolch
einen Begriff hatten, fo ift dies, eben fo wenig als e8 zu unferer Kennt«
niß gelangt ift, je von irgend einem Einfluß auf die Mythologie gewefen,
fondern erft die ſpäte Griechifche Philofophie verfuchte ihre Deutungen
an den Aegyptifchen Naturgottheiten. Wir mügen nun zwar unter ſolchen
Umftänden die Bereutung des Namens Amun dahin geftellt ſeyn laßen,
IL. .4
50 Ammon.
da zu einer Feſtſtellung deſſelben ein unbezweifelbarer Wortſtamm von
einer für das Weſen des Gottes paßenden Bedeutung, vorhanden feyn
müßte. Denn unmöglidy wäre e8 3. B. nicht, daß Amun eine Bedeutung
gehabt hätte, welche mit dem Begriffe eines Vaters ftimmte; denn ein
großer Philofoph, fagt Euftathius (zu des Dionyſius Erpbefchreibung 212),
gab an, der Name Amun beveute Vater, und da Ariſtoteles über dieſe
Namenform gefprochen hatte, wie Heſychius meldet, fo dürfen wir wohl
ihm jene Auslegung zufchreiben. men mena heißt ägyptiſch fäugen,
und mena die Amme, und koptiſch maani, moni und mit einem vorges
trettenen a, amoni, *) weiden, fo daß man von diefem Wortitamm auds
gehend auf einen Gott fehließen Eönnte, welcher als ernährender Vater,
ald der Weidenve bezeichnet wäre, wie auch wahrfcheinlich der Göttername.
Menzte, (Mendes) Man⸗-⸗tu oder Mun⸗tu, Nährer, Weidenver oder
Schügender der Welt beveutet. Auch Eommt in den Thebifchen Tempeln
neben dem männlichen Amun eine weibliche Göttin Amunt oder Teamunt
d. i. die Amun genannt „Vorſteherin von Theben,‘ vor, mit ver Krone
von Unterägypten auf dem Haupt, welche zumeilen an jeder Hand bad
Zeichen des Waßers hat, wie es ſich auch bei ver Göttin Neith findet
Da nun Ammon auch ald Herr der Waßerfpenvden, ver Ueberſchwemmung
genannt wird, woher eben Aegypten die Nahrung Fam, fo märe es nicht
unmöglich, daß man mit vem Namen Amun ven nährenvden, over vielleicht
richtiger den |hügennen Gott, mit T=amun die nährende Mutter bezeichnet
hätte, denn flatt T-amun geben andere bilvliche Darftlelungen dem Amun
die Mu (Must), d. i. die Mutter, zur Tempelgenoßin. Doch das Zeichen
des Waßers an Amunt’3 Händen darf nicht auf die Nilüberſchwemmung
gebeutet werden; denn die Haltung der Hände abwärts bei diefer Göttin
jowohl, ald bei Neith, wann dieſes Zeichen fich vorfinvet, hat die Bedeu⸗
tung der Verneinung nen, nein, nicht, und das Zeichen des Waßers
bedeutet den Buchftaben n, fo dab alfo Amunt, wie Neith, in viefer
Stellung mit diefem Zeichen verfehen den Buchftaben n oder vielmehr ein
Wort, welches mit vemfelben beginnt, andeuten, und das möchte vielleicht
der Name Neith felbft feyn, hieroglyphifch nt gefchrieben, d. i. n mit dem
zugefügten weiblichen Urtifel. Wäre dies der Ball, dann wäre Amunt
eine Neith genannt, wobei zu beachten, daß beide Göttinnen die Krone
von Unterägypten tragen.
Diefer Gott wird allgemein in den Legenden zu Theben der König
der Götter genannt, und die Griechen nannten ihn Zeus, wie fie ven
böchften der Gdtter zu benennen pflegten. **) Dabei ift aber zu bemerken,
*) Daß im Altägyptifchen ein folches Verhältniß des a ſtatt finde, zeigen tef,
atef, Vater, tun aufftehen, aufrichten, aten bauen.
+%) Strabo (812) fagt, die Thebaner Hätten den Adler verehrt, und Diodor
Ammon. 51
daß von einem Aegyptiſchen Oötterftante, veßen Oberhaupt Ammon gemwejen
wäre, wie Zeus der Herrſcher auf dem Olympos war, Feine Spur zu
finden ift, und daß jener Titel alfo nur zur Auszeichnung für den Haupts
gott von Thebe dient. Sein Wejen vermögen wir fo weit zu erfenuen,
dap er Gott der Portpflanzung des Lebens war; denn der Widder war
fein Sinnbild, und dieſer als Männchen der Schaafheerve ftellt vie Idee
ver Fortpflanzung, der Befruchtung dar, wie denn in den alten Natur«
religionen Fruchtbarkeit, Seegen und Gedeihen eine Sauptangelegenheit
ausmachen. Ob aber Ammon ein Gott war, welcher als das göttliche
Weſen irgend einer Sache, 3.8. des Himmels, des Lichts, ver Erde, des
Waßers, auf die Fortpflanzung des Lebeus und auf Gedeihen wirfte, und
dadurch zum Gotte der Fortpflanzung mit dem Sinnbilvde des Widders
ward, ift aus den und gebliebenen Hulfsmitteln nicht zu erfennen. Darum
müßen wir bei der Eigenfchaft, welche der Widder an ihm uns lehrt,
ftehen bleiben. Durd) ven Widdergott waren den Bewohnern von Thebe und
der Thebifchen Mark die Schanfe in fo weit heilig, daß man diefelben nicht
tödten durfte, und natürlich fie auch dem Gotte nicht zum Opfer ſchlach—
tete, jondern ihm Ziegen darbrachte, wie Herodot (2. 42) und melbet. *)
Um zu erklären, warum der Anımon wibderföpftg fey, erzählten bie
Aegypter den Griechen eine Legende, welche fie von einem wirflichen Feſt—
gebrauch ohne große Mühe herleiteten. Herodot theilt uns viefelbe (2. 42)
alfo mit: Herakles wollte durchaus den Zeus fehen, und dieſer wollte
nicht von ihm gefehen feyn, endlich aber, als SHerafles nicht abliep
zu bitten, erfand Zeus dieſes, daß er einen Widder aushäutete, fich ven
(1. 87) bemerkt deßgleichen, in Theba ehrt man den Adler, weil er ein
föniglicher Bogel zu ſeyn feheint und würdig des Zeus. Die Denkmäler
geben diefer Angabe feine Beftättigung, und auch Mumien machen fie nicht
wahrfcheinlich. Bei der Befchreibung des Apis nennt Herodot den Aoler
als das auf dem Rücken des heiligen Stiers befindliche Zeichen, es ift aber
auch dafür Feine Beftättigung zu finden, fondern wir Fennen nur den Geier
als folches Zeichen. Auch in Theben finden ſich Mumien des Geiers,
welcher dafelbft der Göttin Mut gehört haben muß, ale Sinnbild der
Miütterlichkeit, und es wäre daher möglich, daß die Griechen, weldye in
Theben ven Adler des Zeus fuchten, weil fie nun einmal den Ammon zum
Zeus gedeutet hatten, den Geier mit dem Adler verwechſelten oder von den
Aegyptern, welche von den Griechen in ihrem Ammon ben Zeus erfannt
wißen wollten, getäufcht tunrden. Denn daß Griechifcher Einfluß eine Heili-
gung des Adlers zu Theben bewirkt hätte, ift durchaus nicht wahrfcheinlich.
2) Tortullian über das Pallium (3) nennt den Ammon reich an Schaafen,
und Athanaflus nennt den Ammon in Libyen als Orafelgoft geradezu das
Schaaf, das anderwärts gefchlachtet werde. Daß er auch wirklich als
Widder auf der Dafe gebildet war, meldet Curtins in der weiter unten
anzuführenden Stelle.
4*
83 Ymmon.
abgefihnittenen Kopf vorbielt, das Bel umhaͤngte und ſich mun jo zeigte.
Deshalb machen fle ſein Bilv widderkoͤpfig, und von ihnen haben es die
Ammonier, die »on den Aegyptern und Aethiopen ſtammen, und von bem
Gotte den Namen angenommen haben, benn auf Aegyptiſch beißt er
Ammun. Die Widder werden nun darum als heilig nicht geopfert. Jedoch
an einem Tage des Jahro, an nem Feſte des Zeus, ichlachten fie einen
MWivder und häuten Ihn aus, dann befleiven fie dad Bild des Gottes
mit nem Fell und nun bringen fie das Bild ned Herakles hinzu, und
wann dieſes geſchehen ift, beklagen alle, die um ven Tempel finn, ven
Widder und begraben ihn in einem heiligen Sarge.
Daß und Herodot nicht meldet, zu welcher Zeit dad Feſt mit viefem
beveutfamen Brauche gefeiert wird, ijt zu bedauern, denn für vie Deutung
des letzteren würde gerade die Beflimmung der Zeit erſprießlich ſeyn,
wiersohl der Sinn dieſes Feſtgebrauchs im Allgemeinen erkennbar ſcheint.
Der Aegyptiſche Bott, welchen die Griechen mit dem Namen Heraklet
bezeichneten, hieß, wie fle ebenfalld melden, Chen, und dieſer kann fein
Mnverer fenn, als der in den Aegyptiſchen Denkmälern vorfommenk
Khonfo oder Khunju, und dieſer war ein Tempelgenope bed Ammon,
den man, und zwar in menjchlidher Seftalt, mit Mut, d. i. Mutter, und
diefem Khunfu zufammen abgebilvet ſieht. Terfelbe ift ein Sonnengptt,
und mag er nun in diefem Verbältnige zum Ammon gegolten haben ale
durch die Kraft der Sonne wirfjam, over ald ein Gott der Zeit, worüber
man unten nachſehen wolle, was über dieſe Gottheit gejagt ift, fo follte
wohl der Brauch, dad Bild deſſelben vor den durch das frifche Widderfell
gleichfam erneuerten Widvergott gebracht, diefen zu dem Seegen, welchen
man von ihm erwartete und erflehte, ftärfen und antreiben, oder die Zeit
bezeichnen, weldye mit dem Begriffe des Lebens zufammenfällt, wie unten
erörtert werden wird. Zwar würde aus einer Zeitangabe weiter nichts
zu fchliegen feyn, wenn alle Aegyptiſchen Feſte das ganze Jahr hätten
durchlaufen müßen, wie e& bei dem Mangel des Schalttags gefchehen Eonnte.
Die dem Ammon als Tempelgenoßin nahe gefellte Mut, d. i. die
Mutter, zeigt ebenfalld, daß die Erzeugung die Hauptivee war, welche man
in jeinem Tempel verehrte, und Daß der Seegen, welhen Mut den
Menfchen gewähren follte, ver Gunft und Wirkſamkeit des Ammon beburfte.
Zwar wurde diefem Gotte auch ein fterbliches Weib gegeben, ob man
aber bei viefem Brauche von dem Gebanfen bed zeugenven Gotted aud«
gieng, oder ob ein anderer Gedanke zu Grunde lag, ift für und aus dem,
was überliefert wird, nicht mit Gewißheit zu folgern. Herodot (1. 182)
erzählt von dem fogenannten Thurm des Belos zu Babylon, in dent legten
Thurm (dad Ganze beitand aus acht Thürmen oder Abtheilungen überein-
ander) ift ein großer Tempel, worin ein großes, wohlbereitetes Bett und
daneben ein golvener Tifch fteht. Ein Bild ift aber nicht darin, auch
mn
—XXIA
Ammoen 68
ſchläft Niemand daſelbſt, außer manchmal eine inländiſche Frau, welche
ber Bott, wie die Chaldäer erzählen, ſich ſelbſt ausgewählt hat. Dieſe
Ehalväer erzählen auch, ver Gott komme zuweilen in ben Tempel unp
fhlafe in dem Wett, jo wie die Aegypter von Iheben erzählen, wo auch
ein Weib in dem Tempel des Thebifchen Zeus ſchläft. Diefe beiden
Weiber follen nie mit einem Manne Gemeinfchaft haben. So auch wird
zu Patara die Oberpriefterin des Gottes, wenn er da ift (denn nicht
immer ift Weißagung dbafelbft) des Nachts in den Tempel mit einges
ſchloßen. Aus dem nun, was von Babylon erzählt ift, möchte man
ihliegen , daß diefer Brauch cher zu Ehren des Gottes flattfand, und
ihn ale in dem Tempel vollftändig haufend darftellte, ald daß man dabei
an den zeugenden Gott gedacht hätte. Strabo (816) meldet varüber, dem
Zeus zu Thebä wird aus dem edelſten Gefchlecht die ſchönſte Jungfrau
jur Prieflerin gegeben, dieſelbe treibt auch Buhlerei, bis fie ihre Reinigung
bekommt, dan wird fie vermählt, zuvor aber wird Trauer um ſie gehalten
nah der Zeit der Buhlerei. Diodorus (1. 47) gevenft der Gräber der
Keböweiber des Zeus, zehn Stadien von dem Grabmal des Oſymaudyas
entfernt. Wirklich finden ſich noch dieſe Gräber, und ihre Infchriften
nennen fie die der Gattinnen des Ammon. Darin, daß diefe Gattinnen
aus den edelſten Gefchlechtern genommen wurden, hat Herodots Bericht
alle Glaubwürdigkeit, denn Die Töchter der Könige wurden zu dieſer Ehre
erwählt. Daß ein ſolches Verhältniß aber eine hohe Ehre war, Tonnen
wir auch aus folgendem erjeben: im Tempel des Thals El⸗ Aſſaſif, wo
Amenenthes ven Ammon» Ra in ver heiligen Barke anbetet, hat er Pen
Thutmoſis IN. hinter fih und ein reichgeſchmücktes weibliches Kind, und
dieſes heißt Die Tochter des Königs, welchen fie Jiebt, die göttliche Gattin
des Rasnefru, d. i. des Ra des Guten.
Der menfchlich vargeftellte Ammon erfheint in ven Abbildungen der alten
Denkmäler auch nat mit den fogenannten Ammonsfedern auf dem unteren
Theil der Krone, ala phallifcher Gott von blauer Barbe, (der widderköpfige meäft
grün) die rechte Hand an eine Peitfche haltend , welches Werkzeug dag Zeichen
ber Herrschaft, der Gewalt war. Gerade eben jo ward der Zeugungsgott Khem
zargeſtellt; fo daß beine einander ganz gleich fehen und nur durch Die ihnen
bigefegten Namen zu unterfcheiven find. Das haben beide Zeugungsgott⸗
kiten auch wit einander gemein, daß ein jeder von ihnen den Beinamen
Kae muts ef, d. i. Gemahl (Stier) feiner Mutter führt. Daß die Aeghp⸗
tiſche Mythologie an einem folchen Begriff feinen Anſtoß nahm, ergiebt fich aus
des, was unten von dem fogenannten Ares erzählt ifl. Ob aber ber Name
Samut= ef nur die angegebene und durchaus nicht eine andere Bedeutung
haben könne, muß dahin geftellt feyn, und wenn ed nur Gemahl feiner
Mutter beveuten kann, fo ift doch noch die Frage, ob es die urfprüngliche
Anficht gewefen, oder ob fie einer weiteren Ausbildung ver Mythologie
|
—— Ammon.
angehöre. Daß die Mutter, deren Gemahl Ammon geweſen jenn kann,
feine andere ten als tie Göttin, melde Mur, d. i. Mutter genannt wir
und feine Tempelgenogin war, ift natürlid. Galt viele als vie große
Mutter, vie alles bervorbringt, ſo Eonnte fie auch ald vie Mutter ver
Bötter und mithin als vie des Ammon gelten, und jollte fie fort un
fort als vie Grzeugerin des immer wiederkehrenden Gedeihens und Lebens
ericbeinen, To mußte ver Sohn ikr Gemabl werten. Tiefe Anficht if
aber nicht eine durchaus notbmentige, denn man fonnte neben dem weiß
lichen Weſen ver Natur, ala dem Sersorbringenten, auch ein männliches
zeugendes Grundmeien annehmen, melches ſowie fie die vater= und mutter
loſe Urmutter war, eben To ter vater= und mutter=loje Erzeuger war.
Jede Bötterreibe, wie weit man auch ihre Abitammung rückwärts fort⸗
fegen wollte, mußte ja doch einmal mir einem erjten Anfang aufhören,
(Daß man einen mutterloien Gott annahm, möchte bei den Aegpptern
aus tem Namen eines ihrer Götter, aus vem des Atmu hervorgehen,
denn vieler bereutet, Falls er aus At mu beitebt: Ohne Mutter ober
mutterlos, fald man nicht annehmen will, diefe in tem angegebenmn
Vale in ter Sprache vollfommen kegründete Bedeutung türfte auf ver
Gott nicht angewendet werden und man mühe denſelben zur Zeit uner-
Härt lagen. Im Rameſſeion kommt in ven Abbildungen Ramijes vor,
thronent am Fuße des Thrond von Ammon Ra- Atmu, im Schatten
des himmliſchen Lebensbaumes ver Periea, wie Champollion in feinen
Briefen aus Aegspten 277 annimmt. Abgebilvet ift dieſe Darftellung bei
Wilkinſon, Tafel 54. A. Aber daß Amun= Ra - Atmu zujammen gehöre,
und daß nicht vielmehr Atmu ver Gott jew, welcher ven Namen be
Rameſſes auf die Perfeafrucht fchreikt, ift nichts weniger ald gewiß, und
wir Föünnen ten Gott Atmu, son welchem weiter unten die Rede fern
wird, nicht für eine Form des Ammon ausgeben. Dann aber find mir
auch nicht bereditigt, den Namen in At- mu zu zerlegen, denn es findet
fh auch Tmu gejchrieben und zwiſchen tm Fann ein vofalifcher Laut
gemejen ſeyn, To daß A=tumu eine richtigere Schreibung wäre, ald
A= mu, wie denn das bieroglyphiſche Bild des Namens ven Laut Tum,
Tumu audgevrüdt baten muß.) Da nun vie Göttin Mut oder Wutter
unter dieſem Namen mit ten Göttern in Verbindung fam, mie mit
Ammon zu Tbeben, io hätte es gefchehen Fönnen, daß man aus tem
Gemahl ter Mutter ven Begriff des Gemahls jeiner Mutter entwidelt
hätte. Weil uns jedoch nichts überliefert worden ift, was und zu einer
Entiheidung über dieſen Punkt berechtigen Fönnte, jo müßen wir es bei
der bloßen Kenntnißnahme von diejer Benennung beenden lagen. Denn
ed liegt allervinge nabe, auch ven zeugenden Gott zu einem Sohn der
alle erzeugenden Mutter Natur zu machen, fo daß fie zulegt das einzige
Unerzeugte ift.
Ammon. 55
Die Denkmäler bieten und auch den Namen dieſes Gottes mit dem
Zufape Ra dar, ald Ammon- Ra, d. i. Ammon= Sonne, und bdiefe
Benennung findet fich häufig. Daraus aber folgt keineswegs eine Berech-
tigung für und, dieſen Gott für einen Sonnengott zu halten, denn es
kann auch Ammon = König bebeuten, was für ben hohen Götterfünig zu
heben ganz paßend if. Daß die Könige den Namen Sonne führten,
it oben fchon angegeben worben, und die AUnhängung des Names Na,
um ven König zu bezeichnen, fo wie fie an und für fich nicht befremden
fann, findet fih auch bei Horus in dem Namen Karphre, d. i. Har⸗
pisra, Horus die Sonne, d. h. Horus der König. Auch wenn Ammon
unter dem Namen Num erfcheint, wird manchmal die Benennung Num⸗ra
gebraucht. Sieht man die prunfoollen Titel ver Könige an, die fo oft
insbefondere Sonne und noch obendrein Söhne der Sonne genannt worden,
wad doch nur heißen fann, König, Sohn des Königs, fo erfcheint ein
Immon= Sonne oder Num- Sonne, oder Horud= Sonne eine gemäßigte
Berherrlichung des Sotted. Etwas ſchwungvoller lautet Ammons Titel
n dem Tempel des Thal von El-Aſſaſif, der unter Amenenthes und
Umenfid geweiht ward, denn hier betete man ihn an als Amun—
Raspneb=-enne=fchet=en=to, d. i. Ammon= Sonne, der Herr der
hrone und der Welt. Auch nennen ihn die Hieroglyphen: Kerr ver
rei Regionen der Welt, himmlifcher over höchfter Herr. Uebrigens finvet
H Ammon=-Ra auch fperberföpfig vargeftelt, und ba der Sperber ein
sinnbild des Sonnengotte8 war, fo beveutet dieſe Darftellung nichts
eiter ald die Benennung Ra, d. 5. Anımon=- Sonne, oder Ammon⸗
tönig. In dem Pallaft des Ramſes Meiamun giebt der fperberföpfige
Immon die Sichel ded Krieged um vie Völker zu beflegen, und vie
'egende lautet: Amun =» Ra bat gefagt: Mein Sohn, mein lieber Sproße,
herr der Welt, Sonne, Wächter ver Gerechtigkeit, Freund Amun's u. f. w.
Daß Ammon eine Weißagung zu Theben hatte, meldet Herodot
2.58) und bemerft, fte fey der zu Dobona ähnlih, ohne jedoch zu
richten, worin grade dieſe Aehnlichkeit beftand, ſondern erzählt flatt
eßen, was die Priefter in Theben vorgaben, um die Griechen glauben
u machen, ihr dodonäiſches Orakel ftamme von dem in Theben, was ein
iteles Mährchen ift, denn wenn in Dodona etwas Fremdes zu dem
tiechiichen getreten war, fo war es nichts Wegyptifches, fondern bie
Srifche Himmelsgöttin mit ihren Tauben ald Dione-Aphrodite. Jene
Briefter aber gaben vor, aus Theben feyen zwei heilige Brauen durch die
Phönifer entführt worden, und fie hätten erfahren, vie eine verfelben fey
ach Libyen verkauft worden, bie andere nach Hellad, und diefe Frauen
un hätten die Weißagungen bei ven beiden Völkern zuerft errichtet. ALS
jerovot ſie befragte, woher fie dad fo genau müßten, erwieberten fie
hm, ſie hätten dieſen Frauen forgfältig nachgeforicht und Hätten Ke Wox
56 Ammon
nit gefunden, aber das Obengemeldete uber ſte erfahren. Die Prieftes
tinnen zu Dodona, welche Herodot ebenfalls beftagte, giengen auf du
Aegyptiſche Abſtammung ein und jtellten ſie etwas märchenhaft dar. Sie
erzählten nämlich, es jenen zwei ſchwarze Tauben von Theben in Aegypien
weggeflogen, vie eine nach Libmen, die andere aber fen nach Dodom
gefommen, babe fih auf eine Eiche geſezt, und mir menidhlicher Stimme
geiprochen, ed ſolle vajelbit eine Weigagung des Zens entfliehen, un
dieſes al3 einen göttlichen Befehl anſehend, hätten fe eine geftiftet. Die
nah Libyen geflogene Taube aber, erzählten jte, habe den Libyen
befoblen, eine Meifagung des Ammon zu errihten Dieſer Erzählung
flimmten tie übrigen Dodonäer Ted Heiligrbums kei Die einzige näher
Nachricht über die Art mie im Heiligthum des Ammon geweißagt war,
giebt und Strabo (814) und Euſtathins zu der poeriihen Geographie wi
Dionvfind, (5. 211) indem er jagt: man erzählt, vie Weißagungen in
dem Heiligtdum des Ammon fänden flatt durch Zeichen, durch Zuniden
und verneinendes Nicken. Jamblichus über vie Mefterin (3) giebt u
ald Aphutis von Loſander belagert ward, ſchickte Ammon Träume,
worauf jener vie Belagerung aufbeb.
Das Orufel auf der Dale, meldhes tem Ammon gehörte, muß aber.
von Aegypten ausgegangen jeyn, wenn man nicht vermuthen mil, der
Gott Ammon und fein Orafel ſey nach Theben und auf die Dafe von
einem andern Volke gleichmäßig gelangt. Daß aber vie Ammonier, die
Bewohner jener Date aus Aegoptern und Metbiopen gemifcht gemeien
fegen, melvet Herodot (3. 26), welcher bemerkt, auf vem Wege von
Aegopten bis zu diefer Oaſe, ſey eine andere, bewohnt von Samiern
aus Aejchrionia, melde fieben Tagereifen von Theben entfernte Segen (
man Iniel der Seeligen genannt babe. Bon einem Sonnenquell bei ven
Ammoniern hat Herodot (4. 181) vie Erzählung, er ſey Morgens lau,
werde immer Fühler bis zur Mittagsftunte, wo man tie Gärten aus ihm
bewäßere, und Dann verliere fich wieder vie fühle Beichaffenheit bis zum
Abend, wo er wieder lau fer, und von ta an immer heißer werte, bis
er zur Zeit der Mitternacht foche und ſprudele. Curtius (4. 7) jagt: es
fey ein Dichter Kuin auf der Dafe, deßen Mitte mir einer dreifachen
Mauer umgeben ſey, vie erfie habe Die Königäburg verſchloßen, die zweite
die Weiber und Kinder nebſt ven Kebsweibern ver Könige, und bier jey
auch das Orakel, vie legte Mauer aber habe ven Bezirk ver Trabanten
und Waperträger verichlogen. Außerdem fen dort ein zweiter Hain des
Ammon mit dem Sonnenquell. Der Gott aber fen nicht wie vie gemöhn-
lichen Götrerbilder targeftellt, ſondern fen einem Widder ühmlih, and
Smaragd und Erelfteinen zufammengefeht. Wann man ein Orakel begehre,
19 werde dieſes Bild in einem vergolveten Schiffchen von ven Prieftern
getragen, au welchem Schtffchen zu beinen Seiten viele filberne Schalen
Ammon 87
rabhingen, Hinter demfelben aber zögen einher Matronen und Jung⸗
men nach väterlichen Brauch ein unfünftliches Lied ſingend, um ben
tt zu bewegen, daß er einen ficheren Spruch gemähre. Als Aleranber
: Große binfam, warb er vom älteften Priefter ald Sohn augeredet,
d biefer verficherte, fein Vater Zeus gebe ihm diefen Namen. Dann
igte Alexander das Orakel und der Seher ertheilte ihm die Antwort. *)
„5 Alerander für einen Sohn des Ammon erklärt ward, lag darin,
5 der Widdergott Ammon fich eignete für das Makedoniſche Königs:
chlecht, das dem Apollon Karneios, der ebenfalls ein Widdergott war,
gehörte, fo daß Alexander ſich von dieſem berleiten Eonnte, mie denn
n muthifcher Ahnherr Karanos vielleicht felbft nur ver Apollo Karneios
r. Auch bei ven Griechen hätte e8 den Glauben, Ammon ſey Zeus,
h beftärfen können, wenn es deßen beburfte, daß er Widdergott war,
in auch tem Zeus war der Widdergott nicht fremd.) Mit dem Widder⸗
fe ward Ammon befonderd in der Thebifchen Mark und der Gegend
über, bis über den zweiten SKatarraft (wo der Widderkopf als ein
aulet galt) fo mie auf den Dafen vargeftelt, **) währenn er in Theben
bft mehr in der menfchlichen Geftalt erfcheint, ohne daß dafür fih ein
zigender Erklärungsgrund zeigt, man müßte es denn etwa annehmen,
ber alten Königsftant habe man den König der Götter gerne in menfch-
er Geftalt gebildet, um ver Wehnlichkeit mit ven Königen willen. In
menfchlichen Geftalt gab man ihm die blaue Farbe, in ver Winder-
*) Strabo (814) berichtet: Kallifihenes erzählt, Alerander fey befonders durch
Ruhmliebe getrieben worden, das Drafel (des Ammon) zu befuchen, weil
er vernommen, daß einit auch Perfeus und Herafles zu denifelben gegangen
waren. Als er von Barätonion aus Hingesugen, Hätten ihn Supflürme
überfallen, dennoch fey er vorwärts gegangen, habe fi in den Saubmwirbeln
verirrt, ſey jedocdy durch einen Regen und zwei Raben, die ihn geführt,
gerettet worden. Diefes lautet fchon wie Schmeichelei, und fo auch das
Folgende: nämlich der Briefter habe dem Könige allein erlaubt, in der
gewöhnlichen Kleidung in den Tempel zu tretten, den Andern aber habe er
befohlen, ihre Kleider zu wechfeln und die Orafel außerhalb des Tempels
zu Hören; nur Alerander folle im Tempel feyn. Die Orakelſprüche aber
wurden nicht wie gu Delphi und bei ven Branchiden in Worten ertheilt,
fondern meiftens durch Winfe und Zeichen, wie bei Homer (Iliade 1. 528):
Alſo ſprach zuwinkend mit vunfelen Brawen Kronion,
indem der Weißager den Ammon nachahmte. Nur eins habe derſelbe zu
dem Könige mit Morten geſagt, nämlich, daß er der Sohn des Gottes ſey.
*) Zu Ratopolis (Esneh) erfcheint Neph als Widder mit dem Uräus zwifchen
den Hörnern, und in einigen Legenden folgt feinem Namen ber des Oſiris,
des Ra, des Mui und eines andern Gottes, mit welchem Neph bei diefer
Gelegenheit verbunden ift. Selten und nur In fpäter Zeit wird Neph mit
zwei ober vier Widberföpfen gefunden.
58 Ammon.
geftalt zumeifl die grüne, wiewohl nicht fo, daß er nicht auch in dielq
die blaue gehabt hätte. Welchen Sinn man mit viefen Barben verbank
wird und nicht gemeldet, doch da Khem fchwarz beveutet, und dieſej
Gott nicht ſchwarz, ſondern blau vargeftellt wird, fo ſcheint es faſt, als af
die blaue Farbe das Dunkele überhaupt darftelen fol. Mit dem Nameg
des Khem flimmt der von Aegypten, Khemi, felbft überein, weldel
das ſchwarze Land bezeichnet, wahrfcheinli von dem ſchwarzen ode
dunfelen fruchtbaren Boden im Gegenfaße des weißen dven Sandes, ode
eines roöthlichen verbrannten Bodens. Es möchte demnach die Bermuthung
erlaubt jeyn, daß die blaue Barbe des Ammon, fo mie die des Khem,
den Begriff ver Fruchtbarkeit, des Gedeihens ausdrücken ſollte. Was die
grüne Farbe betrifft, fo erklärt ſich viefe Leicht ebenfalls als vie be&
Gedeihens, da fie die der Gewächſe ift.
Gewöhnlich hat der mwidverföpfige Ammon den Namen Neph, ww:
nicht ausfchlieglich, denn mit der Infchrift Amun-Ra verfehen, findet er
fih audy blau, mit der Sonnenfcheibe und den Ammonsfedern, auf den
Haupte das fogenannte Kukuphaſcepter von rother Farbe in ver Linken, vab-
Zeichen des Lebens von gelber Farbe in der rechten, die eng anfchließenve
Kleidung ift ebenfalls gelb mit einem roth und weißgeftreiften engans
jchließenden Ueberzuge von den Lenden bi8 zu den Knieen, die Ammond
hörner aber find grün. Diefes Bild ift thronend dargeſtellt und abges
bildet in Champollion’8 Pantheon (1. Tafel 2). Defterd hat der Widder⸗
fopf des Gottes außer den gewundenen Hörnern an ber Seite des Kopft
noch die ausgeftredten, etwas wellenförmigen Hörner, welche in ven Hier
roglyphen als die der Schaafe erfcheinen, auf dem Stopf, und den Uräus,
das Sinnbild der Königdwürde, darüber emporfteigend. (In den Grä
erfcheint er in einem Götterboot, und hat die Schlange, die fonft fi
Kopfſchmuck ift, über fih, und bei den Katarraften fand Wilkinſon
(1. Serie 2. ©. 240) den Neph außer dem Uräus die Krone von Unter
ägypten tragend.) Auch der Widder felbft ald Darftelung des Gottes mit
goloner Sonnenfcheibe und den Ammonsfedern auf dem Kopf erfcheint
grün auf Mumienvedeln. Neph gieng über in den Namen Kneph,
woneben ſich Knuphis und zur Zeit der Römifchen Herrſchaft im
Aegypten felbft in Iateinifcher Schrift Cenubis findet. Eines Tempels ve
Knuphis *) erwähnt z. B. Strabo (817) zu Glephantine, und verfelbe
zeigt in feinen Basreliefs ven Gott mit dem Widderkopf in dem großen
*) Zu Esne ift ein Tempel des Knuphis von Ptolemäus Epiphanes mit Legenden
von Slaudins, Titus, Domitian, Trajan, Antoninus und Septimius Severus,
eine hieroglyphifche Infchrift aber zeigt, Haß das Sanctuarium aus ber Zeil
Thuthmoſis III. herflammen muß. Das Monument von Bet:Ually bei
Kalabihi war dem Ammon-Ra und dem Chnuphis geweiht.
Ammon. 30
Fraanzöſiſchen Werke über Aegypten (Antiq. I. Taf. 36. 1. 37. 2). Bei
Diefem Tempel tft aud zu bemerken, daß er Säulen hat, welche Lotus-
» fengel vorftellen, mad man nur noch an einem nunmehr von den Türfen
I zerftörten Gileithyias Tempel bemerkte, fo wie in dem Palafte zu Kurna,
welder dem Ammon geweiht ift, die Säulen des Porticud Bündel von
Y Rotuöftengeln vorftellen, das Capitäl aber, eine Lotusfnospe. Ein dafelbft
unter Alexander, dem Sohne Aleranverd des Großen, geweihter Tempel
:, gehörte dene Chnuphis, der Sate und Anufe. (In der Gegend von Syene
ps den Katarrakten zu, finden fih manche Anbetungen von Einzelnen
oder Beamten, welche dem Chnuphis, der Sate und Anufe gelten, wie
deren auch in die Felſen von Philä und in die auf der Straße von Philä
nach Syene eingehauen find. Die Philä benachbarte Infel Snem (Begbe),
welcher Name von Ombos bis Dakke in den Götterlegenden vorkommt,
befonderö denen von Chnuphis und Hathor, war fehr heilig und ein Wall-
fahrtsort Philä's. Der Tempel vieler Infel war dem Chnuphis und der
Hathor geweiht, unter Amenophis II., denn ver jebige ift nur eine Erneue—
rung des alten.) Auch die Namen Chnubis, Chnumis werben erwähnt,
und Num wird ebenfalls gefunden. Lebterer Name darf aber nicht mit
dem Namen Neph oder Kneph oder Knuphis verwechjelt werden, wenn
wir auch nicht mit Gewißheit jagen koͤnnen, was für eine Bedeutung er
babe. Horapollo (1. 21) fagt, die Aegypter hätten die Nilüberſchwem-⸗
- mung nun genannt, und Eoptifch bebeutet dieſes Wort einen tiefen Abgrund.
- Diefer Gott nun findet fich wirklich Kerr der Ueberſchwemmung genannt,
was für einen Gott der Zeugung und des Gedeihend recht gut paßt, ba
aller Seegen in Aegypten von dem Waßer der Nilüberfchwemmung abhing.
sh möchte es vielleicht etwas anftößig fcheinen, daß der Gott felbft
aßer oder Ueberſchwemmung heißen fol. (Den Beinamen Nefru, ver
R Qute, hatte Kneph gleich Ammon.)
Den Ammon ald Kneph nun benußten die Neuplatonifer bei ihren
Deutungen der Mythologie, und da er als fogenannter König der Götter,
der für die Griechen die Stelle des Zeus einnahm, natürlich der Betrach⸗
8 tung ſehr hoch fiehen mußte, fo ward er bei dem bodenlofen fogenannten
“ Bhilofophiren über die Mythologie endlich gar zu einer muftifchen Welt-
lange. Zuerft legte man fein Weſen ald das des Hauches, des Geiftes
a, wie wir bei Plutarch (36) und früher fchon bei Diodor (1. 12)
‚ Mb, und zwar unterfcheiven dieſe Grübeleien fo, wie Plutarch weiter
: (40) meldet, daß Oſiris der zeugende und nährenve, Serafles (Chon,
Khunſu) der floßenvde und trennende, Ammon ver an= oder aufnehmenve
Hauch over Geift fey. Den Neuplatonifern aber warb Kneph, welcher bei
Plutarch, weil er die Schlange unter dieſem Namen ald hohe muüftifche
Gottheit annahm, von Ammon ganz getrennt erfcheint, ver Demiurgos,
d. i. der Werfmeifter, nämlich der weltfchaffende. Eufebius (3. 11) melnet
60 Ammon.
uns über ihn aus den Schriften des Porphyrius: „der Demiurgoß K
ift menfchenähnlich, dunkelblau, er hat Gürtel und Scepter, buntes Gewa
welches bis auf die Füße berabgeht und vie Beine find zufammengebrü
auf dem Haupt aber bat er die goldne Sonnenſcheibe und die Fönigli
ever.” Da haben wir ganz und gar eine Befchreibung des Ammon,
ihn die Bilder zeigen. Dann fährt Porphyrius fort, die AUmmonsfedern, d
wohl nichts weiter ald ein auszeichnender befonderer Föniglicher Ha
ſchmuck ſeyn follten, erflärend: weil die Ueberlegung verborgen iſt und
ſchwer zu finden, und weil fie Leben gebend und König ift und ſich inte
gent bewegt, veßhalb hat er die Fever auf dem SHaupte. Diefer ®
bradıte ein Ei aus feinem Munde hervor, woraus Phtha hervorgieng
Ihm ift das Schaaf geweiht, weil die Alten Milch tranfen. Diefe Dar
ftelung des Kneph zeigt und alfo ven Widdergott Ammon fo vollftändig,
daß nichts fehlt, und dag Porphyrius auch des Schanfed erwähnt, welches
dem Ammon geheiligt war, nicht weil die Alten Milch tranfen, fonbern
weil der Widder das Sinnbild des Gottes war, und läßt feinen Zweifel übrig,
daß die philofophifchen Deutungen zuerft an dem Ammon-Kneyh ſelbſt
verfucht wurden. In dem folgenden Eapitel berichtet Eufebius von einem
Bilde in Elephantine, einem männlichen Numpfe mit dem Widderkopfe,
figend, blau von Barbe, das Königözeichen, nämlich den Uräus (Vaſilisk)
und die Sonnenfcheibe auf dem Kopfe, zur Seite des Bildes aber ftand
ein thönernes Gefäß, auf welchem ein Menfchenbilo war. (Auch bei Num
fteht ein Waßergefäß, und viefes bezeichnet dad Waßer und mithin ven
Namen Num. Jedoch das Bild des Menſchen auf dem Thongefäß bei
Neph kann dieſe Beveutung nicht allein gehabt haben, falls man nicht dad
Bild auf dem Gefüge als eine bloße beveutungslofe Ausſchmückung anfehen
will. In ven Hieroglyphen (Monumens de V’Egypte et de la Nubie XX)
ericheint dieſer widderküpfige Gott wor einer Töpferfcheibe figend um
arbeitend. Died kann nicht fo auögelegt werben, als bilde er nur dad
Gefäß, welches feine Namenhieroglyphe vorftellt, denn um biefe zu bezeichnen,
hätte man ihm das Gefäß felbit geben müßen. Auch bedeutet ein Mann,
welcher als Töpfer arbeitet, hieroglyphiſch bilden, errichten, bauen, fo daß
alſo der Gott als Tapfer ein bildender Gott ift, ein erfchaffenner. Was
er aber fchafft ift Leben und Gedeihen. Das Menfchenbiln jedoch auf
jenem Gefäße mag die Beziehung des Menfchen zu dem Seegen des Gottes
auöbrüden.) Diefes blaue Bild des Reph oder Kneph follte das Zuſam⸗
mentreffen der Sonne und des Mondes im Zeichen des Widders feyn, ed
ift aber nicht3 weiter, als ein Bild des Neph, und dieſer Gott war in
Aegypten um ein gutes Theil älter, als fi die Aufnahme oder Vildung
des Thierkreiſes daſelbſt annehmen läßt.
Bei der Deutung des Ammon Kneph, ald des Demiurgos, welcher
das Ey aus feinem Munde bervorbrachte, blieb man nicht ftehen, ſondern
Ammon. 6,
in philofophirte eine Schlange Kneph heraus, über die und Euſebius
. 10) aus Philo's Sanchuniathon, alfo einem verfälfchten fpäteren
brifate alſo berichtet: vie Schlange als beſonders geiftig, von feuriger,
neller Natur, die jih immer verjüngt, bis fie nah Erfüllung eines
timmten Zeitmaaßes ſich in fich ſelbſt auflößt, wie Taautos (Thoth) in
a beillgen Schriften gefchrieben, und melches Thier nicht durch natürs
ben Tod ſtirbt, fondern nur durch Gewalt getroffen, galt ven Phönikern
d guter Dämon, ven Aegyptern ale Kneph, dem fie einen Sperberfopf
jeben, zur Bezeichnung des Wirkfamen vefjelben, und Epeis, der größte
eropbant, der ein Sierogrammateud war, legte dad fo aus: Die
blange mit dem Sperberfopf ift das erfte Göttliche, fle war fehr Tieblich,
nn fie die Augen öffnete erfüllte fie in ihren erfigeborenen Bezirfe alles
t Licht, und wann fie Diefelben fchloß, war es dunkel. Wann die
gypter die Welt malen, fo malen fie einen runden Kreis, Luftfarbig
d feuerfarbig und in der Mitte geftredt vie fperberföpfige Schlange,
Ihe Figur zufammen vem Griechiihen © ähnlich ift, fo daß ver Kreis
e Welt, die verbindende Schlange der gute Dämon if. (Plutarch
&. 755) und Lampadius im Leben Heliogabald (28) fo wie Münzen,
zeugen die Schlange ald Agathodämon in Aegypten.) Diefer Pſeudo⸗
anchuniathoniſchen Nachricht fügt Eufebius auch noch das Lob dieſer
erberföpfigen Schlange, ald der ewigen, vie da ohne Theile und ohne
atſtehung ift u. f. w., aus dem Pfeudo = Zorgafter bei. *)
*) Bei Jamblichus (8. 3) heißt es, der Gott Emeph fey der Führer der himm⸗
lifchen Götter, und fey der fich felbit denfende und das Gedachte in fih
fehrende Geift, vor ihm aber jey der Eifton, das Ungetheilte, gewejen, in
welchem das erfte Denfende und das erfte Gedachte enthalten war. Das
Wort Emeph ift ficherlich aus dem Worte Kneph verderbt worden durch Die
Abfchreiber, denn es kann wohl Aegyptifh En-pe, Führer des Himmels,
beißen, baraus hätten aber die Griechen nicht Emeph gebildet, fondern Eneph
(fü Tießt Pierius ftatt Kneph bei Eufebins [3. 11]. Doch mit einem eta
hätten fie Eneph nicht gefchrieben), oder Emph, Emphis. Mit dem Fort:
(reiten der wilfführlichen Auslegungen mythologifcher Dinge und dem
Hineintragen feichter philofophifcher Grübeleien in dieſelben, wo dann aller:
jüngfte Bafelei für allerältefte Aegyptiſche Weisheit gelten follte, warb ben
Aegyptern auch ein Kamephis als Urweſen gegeben. Stobäus führt in den
Phyſicaliſchen Eclogen aus den falfchen Hermesfchriften an, wie Iſis gegen
den Horus des Kamephis erwähnt, als des Ahnherrn, der älter als alle
fey, und Damascius erwähnt des erften, zweiten und dritten Kamephis und
bemerft, der jüngere Heraiscus habe angegeben, Helios fey der dritte
Kamephis. Erfordert die Vollftändigfeit in der Angabe ber Meberlieferung
deßen, was zu der Negyptifchen Mythologie gehörig angefehen werden Fünnte,
wenn es auch nicht dazu gehört, dergleichen grundlofe Erfindungen einer
fehr fpäten Zeit zu erwähnen, fo ift auch mit ber Erwähnung der Sue
i
63 Ammon.
Ein Kreis mit einem Kreuz, um die vier Weltgegenden zu bezei
findet ſich allerdings bei den Aegyptern, aber nicht auf Denfmälern
Kreis mit der angeblichen wunderbaren Schlange, die ſich darin aus
Bei den Phonikern, ſagt Macrobius (1. 9), wird die Welt darg
durch eine in einen Kreid gewundene und fi) in den Schwanz bei
Schlange, um anzudeuten, daß die Welt ſich aus fich felbit erhält un
ſich zurüdzieht. In diefer Geftalt kommt fie in einem Berliner Pa
vor, und in einem andern Papyrus umgiebt fie den jungen Horus,
fie auch den Nilgott umgiebt, bei Wilkinfon Tafel 58. Die geflü
Schlange mit der Krone von Oberägypten ſowohl ald mit dem Pf
auf den Kopfe, findet ſich ebenfalld abgebilvet (bei Wilfinfon 2. ©.
aber die dabei ftehenven Hieroginphen zeigen, daß ſie mit Kneph ni
gemein haben, und ftatt der angegebenen geflügelten Schlange finvet
auch in gleicher Bedeutung und mit derfelben Hieroglyphe ver Geier, :
Bild der Mütterlichkeit, das Kufuphafrepter und das Zeichen des Le
in den Krallen haltend, fo daß alfo dieſe Darftellungen anders
gehören. Denn offenbar ift die Schlange als ein Agathodämon, d.
ſchützender Genius angefehen worben, und fo bat Ober- und Unterägupf
in der mit der Krone des Landes verfehenen Schlange feinen ſchützent
guten Geift. Dies zeigt ganz deutlich die Beflügelung derfelben, denn in %
Tlügeln koönnen wir in der Aegyptiſchen Mythologie Feine andere Bede
tung ald Die des Schußes finden. Mit ihnen fehen wir Iſis den Off
befhirnen, und Ma, die Gerechtigkeit, ift damit verfehen, weil in b
Gerechtigkeit Schuß zu finden ift. Der Begriff dieſes Schuged aber gie
von dem der fchirmenden Mütterlichfeit aus, deren Sinnbild ver Gel
war, weßhalb es auch Feine geflügelte männliche Gottheit bei den Aegy
tern gab, fondern nur die mütterlichde Göttin und die ſchützende Gerechti
feit mit diefem Sinnbild dargeftelt worben find. Die Schlange aber he
auch die Bedeutung des Schutes gehabt, mag fie ald ein Bild des König
thums zu dieſer Eigenjchaft gefommen feyn, oder mag fie wegen die
ihr zugefchriebenen Eigenſchaft ein Sinnbild des fchügenven, über bei
Lande mwachenden Königsthums gemefen feyn. Halten wir und an hi
Thatfache, wie fie aus den Ueberlieferungen der Griechen, wenn man bie|
von ihren Deutungen entfleivet, und aus dem, was ſich durch die Denl
mäler erkennen Täßt, hervor geht. Die Schlange Aspis (deren Mumie
man in Theben findet) wird von den Aegyptern verehrt und der Käft
als dunkele Bilder der göttlichen Macht, fagt Plutarch (74), und ma
Genüge gethan, denn die Aegypter wußten nichts von Kamephen. Ob d
Name Negyptens Khemi, welchen die Griechen Chemi ausſprachen, d
Kamephifchen Afterweisheit zu Grunde Tag, oder nicht, kann ung gleid
gültig jeyn.
|
|
Ä
Ammon. 63
vergleicht die Aspis dem Stern, ald die nicht altere und ſich ohne Organe
leiht bewege. Aelian (17.5) meldet nad) Phylarchos ebenfalld die große
Berehrung, und wie zahm fie feven, fo dap fie ganz ald Hausthiere gefüte
teri und gehalten wurden, und auf das Schnalzen mit ven Fingern herbei⸗
fimen. Derfelbe bemerkt (10. 31), die Aspis, welche Termuthis heiße,
fei die heilige, und man befränge mit ihr dad Haupt der Iſisbilder. Diefe
ſey auch nicht ſchlimm, und es heiße, fie verfchone die Guten und ftrafe
bie Böfen, und Iſis ſende fie gegen die Frevler, und fie fey unfterblich.
In den Tempeln, fagt er, baue man ihr an jeder Ede Gemächer und
unterirdiſche Schlupfwinfel und lege ihr in Zwifchenräumen Kalbsfett zur
Nahrung hin. Berner giebt er (6. 38) an, die Könige trügen die Aspis
auf ihrem Diadem, um damit die Lnbeflegbarkeit ihrer Herrfchaft anzu-
deuten, venn nie fey Iemand, den eine Aspis gebipen, heil davon gefom-
men. Ein Gefchichtchen, welches Aelian (11. 32) erzählt, daß ein Bauer
in einer Weinpflanzung aus Verſehen mit der Hacke eine Aspis mitten
durchhieb, und wahnfinnig ward, bis Sarapis ſich feiner erbarmte und
ihn heilte, zeigt, wie man bie Heiligkeit diefer Schlange anerfannte, doch
nahm man eine Beinpfchaft zwijchen Aspis und Ichneumon an, wie es
(3. 22) heißt, fo daß alſo die heiligen Thiere ihre Heiligkeit an einander
nit gelten Tiepen. Zu Melite (vielleicht Metelis ohnweit Kanobus)
it ein heiliger Drache in einem Thurm, und hat Pfleger und Diener,
wie Aelian (11. 17) erzählt. Ein Tiſch mit einem Kruge fleht für ihn
va, in welchem täglich Mehl mit Honigmeth gemengt wird, und wenn
man am folgenden Tage zurückkommt, findet man den Krug leer. Einſt
belaufchte ein Diener den Drachen beim Eßen, warb aber toll, bekannte
feine That, verldr die Sprache und flarb bald darauf. Diefe Vabel gehört
Ipiterer Zeit an, als die Schlange zum guten Dämon gemacht worden
war. Lampridius erzählt von SHeliogabal (28): er hatte Aegyptiſche
Shlangen zu Rom, weldde man dort die guten Dämonen nennt. Die
Böttin Ann (Nennu) erfcheint (bei Wilkinfon Taf. 58) mit dem Uräus
auf dem Kopf, aber auch mit dem Uräus als ihrem Kopf, und diefe Göttin
war die Amme oder Pflegerin ver Föniglichen Knaben (renen heißt pflegen,
warten, erziehen). Freilich koͤnnte, da fie den Uräus hat, dieſer ald das
Konigthum bezeichnend, ihr Amt bei dem Konigshauſe andeuten, denn
Mon in den älteften Tempeln erfcheint fie als eine ſolche Amme, wie
ah Mut, Hathor und die Kuh es find. Doch ver geſchwingte Genius
war auch der Uräus, fo daß allerdings diefer das ſchützende Königthum
zu bezeichnen fcheint. In den Gräbern von Theben fteht man die Schlange
als Bewacherin der Keltern und Gärten. Doch ob der Kreid mit dem
Kreuz und folhe Schlangendarftellungen jene feichte Knephsmyſtik begün-
Rigt Habe, Eönnen wir weder beftimmt bejahen, noch beftimmt verneinen.
(Bon dem Kreife muß jedoch, als diefe Myſtik einmal beitand, ver Grnante,
64 Ymmon.
ven Kneph ald Schlange darin zu jegen, hergenommen jeyn, denn ber Kreiß
mit dem Kreuze ward felbft als Kneph gedeutet, ala Weltgeift, als ver fich ſelbſt
denfende und Gedanken in fi zufammenziehende, wie wenigftens Jamb⸗
lichus in der Schrift über die Aegpptifchen Myſterien (8. 3) berichtet.)
Die Veranlagung aber, ſolche Gritbeleien an Kneph zu knüpfen, Fonnten
fie nicht wohl ſeyn. Dieled hätte erftlich wegen des Uräus geſchehen
fonnen, welhen Kneph eben jo wie andere Götter ald Zeichen der Könige
ſchaft auf dem Haupte trug, oder zweitens gefchah es, und dieſes iſt bei
weitem wahrfcheinlider wegen der heiligen Schlangen zu Iheben, wovon
Herodot (2. 74) aljo erzählt: In der Gegend von Theben giebt «
heilige Schlangen, welche den Menjchen nichts zu Leide thun. Gie find
flein und haben zwei Körner, die oben aus tem Kopfe hervorwachſen.
Wann fie fterben, beſtattet man fte in ven Heiligthun des Zeus (Ammon),
denn fie find, wie fie fügen, dieſem Gotte heilig. *) Zuerſt fcheint, da
fi} an die Schlange bei ven Griechen, und von Griechen gieng ja bir
Myſtik aus, höhere geiftige Beziehungen knüpften, die Schlange des Gottes
zu Iheben zu einer unfterblidhen gemacht worden, und ihr der Name
de3 Gottes jelbft beigelegt worden zu jeyn. Grwägt man genauer, was
und Plutarh (21) überliefert bat, fo dürfte wohl an dieſer Anficht nit
zu zweifeln jeyn. Gr meldet nämlich: die Bewohner der Ihebifchen Mark
gaben feinen Beitrag zur Ernährung ver heiligen Thiere, wad die übrigen
Griechen thaten, und der Grund, welchen fie geltend machten, fol ver
gewejen jeyn, daß ihr Gott Kneph unfterblich und ungeboren fey. Zuvoͤr⸗
derft ift zu bemerken, daß dieſes Vorgeben von dem Nichtbeitragen zur
Unterhaltung der heiligen Ihiere Feine Glaubwürdigkeit hat und daß der
Grund lächerlich feyn würde, wenn man den Ammon =Neph, ven Widder
gott, welchem nothwendig heilige Widder gepflegt werden mußten, als den
Gott betrachten wollte, der unfterblicher und ungeborener geweſen wäre,
als 3. B. Mut feine Tempelgenogin, oder als Buto, die man unter bie
acht alten Götter zählte. Sterbliche Götter hat es überhaupt nicht bei
den Aegyptern gegeben, denn dem Sterben bes Dfiris folgt immer wieder
ein Wieveraufleben, und jo ift jene Angabe, denn als in einem andern
Sinne erfunden, zu betrachten. Die heilige Schlange nämlich felbft war
zum Gotte Kneph erhoben worden, und da hatte man denn, wenn auf
nicht in der Wirklichkeit und in dem Eult, in welchen jolche philofophifche
Erfindungen nicht übergingen, ein Thier, welches ungeboren und unfterblid,
welches der erfte und höchite Gott felbft war, fo daß man, in folchem
*) Man findet die Hornfchlange einbaliamirt in der Thebifchen Nekropolis.
Darin, daß fie unſchädlich fey, irrt Herobot, welchem dieſes wahrfcheinlid
von ben Prieftern falfeh mitgetheilt ward. Diodor (1. 87) giebt fie ale
tödtlich durch ihren Biß an.
— —
i
Ammon. 65
Beftge, allerdings keinen Beitrag für flerblihe Thiere der Götter leiſten
zu müßen glauben konnte. Daß man der Schlange, ald man fie myftifch
zum Gotte deutete, den Namen bed Gottes gab, Fanıı nicht befrempen, weil
man ja eben das wahre Wefen des Gottes in der Schlange zu finden
vermeinte, und mithin die Schlangengeftalt als Knephs wahre Geftalt
amahm, fo daß fie nun der wahre Kneph war, nicht aber ver Gott mit
ven Ammonsfedern oder mit dem Widderkopfe. Wenn Aelian in ber
Naturgefchichte (10. 31) wirklich die richtige Kunde mittheilt, fo hieß auch
die Schlange, womit dad Haupt der Iſis umgeben war, und melche bei
ihr, wie bei den andern Göttern, die Bedeutung des Königthums hatte,
gleich ver Göttin Thermuthis, denn daß dieſes nicht Name einer Schlange,
fondern der der Göttin war, ift gewiß und bezeichnet wahrfcheinlich (t-er-
nu-t) die große Mutter. Da hätten wir fogar ein Beifpiel, daß ber
Name einer Gottheit auf ein mit ihr in Verbindung flehendes Tier
übertragen worden wäre, und zwar ohne daß fich ein genügender Grund
dafür zeigt. Doch muß man zugeben, daß dieſe Angabe Aelian's bezweifelt
werben Eönne, als auf einer Verwechslung beruhend, die aus der Unbe—
Tanntichaft mit dem Namen ver Göttin hervorgegangen feyn Eönnte.
Es ergiebt fi demnach, daß die mit dem Namen des Gotted Kneph
benannte Schlange nicht8 weiter als eine willführliche Erpichtung ber fpäten
Philofophie fei, (Gnoftifer- Gemmen haben die Schlange und die Infchrift
Knuphis) die fh nur darum an jenen Gott Fnüpfte, weil ihm Schlangen
beilig waren nnd er ſich zugleih als fogenannter König der Götter
eignete, zu dem Urgotte umgevichtet zu werden. Spätere Bilder zeigen
ven Kneph an einer Töpferfcheibe arbeitend, und in Philä erfcheint er an
einer der Ptolemäerzeit angehörenden Darſtellnng als den Ofiris in dieſer
Weiſe bildend mit der Inſchriſt: „Nun, welcher auf der Scheibe vie
göttlichen Glieder des Oſiris bildet, welcher in ber großen Halle des
Lebens thront.” Auch wird er dort genannt „Num⸗ra, welcder vie
Mütter bildet, die Erzeugerinnen der Götter,” und in einem Bilde aus
der Römischen Zeit heißt er ‚ver Bildner aller Menfchen.‘‘
In dem von Porphyrius befchriebenen Bilde des Kneph, wovon oben
die Rede war, hatte der Bott zufammengefchloßene Beine, und viefes
Verhaͤltniß ift nicht ohne eine Auslegung geblieben, nachdem es entweder
den Griechen, oder den Aegyptern felbft den Griechen gegenüber zu einer
feinen Legende Veranlaßung gegeben hatte. Eudoxus nämlich meldet bei
Plutarch (62), in der Götterlehre ver Aegypter heißt e8, Zeus habe,
weil ihm Die Beine zuſammengewachſen waren, fo daß er nicht gehen
fonnte, aus Schaamgefühl in der Einſamkeit gelebt, Iſis aber habe ihm
die Beine auseinander gefchnitten und ihn zum Gehen fähig gemacht. *)
*) Horapollo (2. 3) fügt, zwei zufammengefchloßene flehende Beine bezeichnen
U. 8
66 Ymmon.
Die fpäte philofophifhe Deutung nun benußte dies, um einen ihrer w
digen Sinn hineinzulegen, denn Plutarch fagt, es beveute Died, daß
göttliche im Unfichtbaren für fich ſeyende Geift durch die Bewegung 3
Zeugung fortgefehritten fey. Das mumienhafte Zufammenfchliegen
Beine fehen wir bei dem thronenden Amun, ſowohl dem ohne, als d
mit dem Widderkopf und zwar zufammengeichloßen durch eine von d
Bruft bis auf die Füße gehende gelbe enganfchließenne Umhüllung, ü
melcher von den Hüften bis zu den Knieen ein weiß und roth geftrei
Stück Zeug feft zufammengezogen iſt. (Champollion Pantheon 1. Ta
1 und 2.) Diefe mumienbafte Ginwidelung ſehen wir aber auch ke
andern Gdttern, fo daß fie bei Ammon beveutet haben muß, was fie bei
diefen beveutete, woraus ſich dad Nichtige jener Legende und die willführ
lihe Spielerei ihrer Auslegung ergiebt.
Nichts Wefentliches für Ammon Täßt fih gewinnen aus folgen
Angaben ver Griechen. Plutarch (36) erzählt, Apepis, des Helios Brude
fämpfte gegen Zeus, und Ofirid leiſtete dieſem Hülfe, wofür ihn dann |
diefer zum Sohne annahm. Darauf hin Tapt fich nicht annehmen, Oflri
habe in einem Aegyptiſchen Cult ven Ammon zum Vater gehabt, ſondern
es jcheint bier eine Vermittelung zwifchen der Griechifchen und Aegyptiſchen
Abkunft des Oſiris und Dionyfos eingetreten zu feyn. Da nämlich Dfiris |
von den Griechen durchaus als ihr Dionyſos angenommen ward, Dionyfoß |
aber ald Sohn des Zeus, wofür fie den Aegyptiſchen Ammon gelten !
liegen, feft ftand, fo half, weil nach Feiner Seite hin eine Aenderung
möglich war, die Vermittlung, daß Ammon für geleiftete Dienfte ven !
Oſiris an Sohnes Statt annahm, vortrefflich aus. Für ven geleifteten
Dienft aber hatte man an dem Dionyſos ald einem Beſieger der Giganten
ein Vorbild; denn mit den fchlangenfüßigen Giganten ließ fich die Schlange
Apopis, deren Name fte als Rieſig bezeichnet, vergleichen, und wenn biefe
freilih in der Aegyptiſchen Mythologie nicht von Dfiris, ſondern von
Horus befiegt und erlegt wird, fo war fie für eine freie Erfindung, welche
den Lauf der Sonne in der Winterwende. Da Ammon nicht der Sonnen
gott ift, fo Fann dies nicht auf ihn angewendet werben, will man jedoch
deuten, fo fünnte man die Erklärung verfuchen, e8 bezeichnete diefe Stellung
die Ruhe, fo daß der Zeugungsgott dadurch in der Zeit feiner Unthätigkeit
bezeichnet werde, Iſis aber bringe ihn wieder zur Thätigfeit, wann er
nämlich mit ihr, der großen Mutter, zeuge. Mit einer folchen Vermuthung
aber gewinnen wir nichts, weil e8 eben nur Vermuthung ift, die durch nichts
in ber Negyptifchen Diythologie wahrfcheinfich gemacht werden kann. Sagt
doch Porphyrins bei Eufebius (3. 11): die Aegypter bilden die Welt als
menfdliche Geftalt, deren Büße zufammen find, und die ein buntes Kleid
von den Schultern bis zu den Füßen herab umgethan hat, auf dem Haupt
aber eine goldene Sphäre trägt. Diefe Angabe bezeichnet die Erde, und
, mithin ein weibliches Bild.
Tr.
Ammon. 67
nur Anknüpfungspunfte fucht, ohne e8 mit ihnen allzu genau zu nehmen,
Immerhin geeignet genug. Bei Diodor (1. 18) lefen wir: Oſiris grüns
bete Thebä, und benannte file nach feiner Mutter, die Nachkommen aber
bießen ſie Zeus- fladt oder Thebä, doch find die Aegyptiſchen Priefter
niht einig Darüber, denn viele wollen, die Stadt fey ſpäter gegründet
(von dem jüngeren Buſiris, was denn freilich doch auf Oſiris hinweiſt).
Auch ſoll Oſtris feinen Eltern, dem Zeus und der Hera, einen großen
pädhtigen Tempel erbaut, und Dazu zwei goldne Tempel, ben größeren
dem Himmlifchen Zeus, den Fleineren feinem Vater, der dort herrfchte
und Ammon genannt wird, fo mie auch den andern Göttern goldne
Gapellen geweiht und Ehren eingerichtet haben. — Daß Amuns Ra in
bildlicher Darftelung vorfommt, dem ODſtris darbringend, ſtellt venjelben
nicht unter Oſtris, fondern bezeichnet nur, daß der Gott ver Zeugung
ſelbſt dem allgemein verehrten Seegendgotte zu Gunften feines anerkannten
Seegens mit einer Darbringung Ehre erweift.
Da die Griechen in dem erften Gefang ver Iliade die Dichtung
Hatten, Zeus gehe mit den Göttern zu den Xethiopen am Dfeanod zum
Schmanfe, und fehre am zwölften Tage auf den Olympos zurüd, fo
fehlt e8 in dem, was fie und von Ammon überliefern, auch nicht an
einer diefer Stelle Homers entiprechenden Angabe. Alljährlich, fo fagt
Diodor (1. 97) wird die Tragcapelle des Zeus bey ven Uegyptern über
ven Fluß nad Afrika gebracht, und fehrt nach einigen Jagen, ald ob der
Bott aus Aethiopien zurüdfehrte, wieder heim. Die Dichtung Homers,
laut welcher Zeus bie Sera auf dem Joa umarmt, in eine goldne Wolfe
gehüllt, während ver Berg Blumen fproßt, fol aber daher fommen, daß
die Tragcapellen des Zeus und der Hera bei der Feſtfeier auf einen mit
Blumen beftreuten Berg von den Prieftern gebracht werden. Euſtathius
bemerft zu Homer: Manche jagen, daß in Diospolis (d. i. Zeuds fladt,
wie die Griechen Thebaͤ auch benannten) ein großer Tempel des Zeus ift, aus
welhem vie Uethiopen das Bild des Zeus und die ber andern Götter mit
Ihm zu einer beftimmten Brift nehmen, damit auf der Seite von Libyen
ferumziehen, und zwölf Tage lang, weil die Zahl ihrer Götter fo. groß
iR, prächtige Aufzüge halten. — Ob je der Gebrauch flatt gefunden,
mit dem Bilde des Ammon einen weiteren Feſtzug außerhalb des Gebietes
f veranftalten, welcher viefen Angaben ver Griechen zu Grunde liegen
Eimte, läßt fich nicht ermitteln, da die Denkmäler nichtd davon zeigen,
,„ md wir nur auf die Griechiſchen Berichte verwiefen find. Wahrſcheinlich
IR es gerade nicht, und es fcheint das Verlangen, die Homerifche Stelle
mit Aegyptifcher Wirklichkeit in Uebereinſtimmung zu bringen, obgleich
man diefe Homerifchen Aethiopen nicht hätte in Aegypten fuchen follen,
die Feſtproceſſionen, bei welchen vie Götterbilver in Tragcapellen einher«
isgen, in bem Maaße ausgedehnt zu haben, daß fie zur Erläuterung jener
5*
68 Ammon.
Stelle paßten. (Da von den Procefflonen vie Rede ift, jo mag bier beis
fäufig die Nachricht Diodor's (1. 57) ftehen, Sefoftris babe dem Gott in
Thebä ein zweihundert und achtzig Ellen langes Schiff von Cedernhol;
zum Gejchenfe geweiht; auswendig mit Gold, inwendig mit Silber übers
zogen.) — In den Hieroglyphen hat man bemerkt, daß die des Namens
Amun häufig verkehrt fliehen im Verhältniß zu dem Reſt ver Legende,
d. h. in einer andern Richtung.
Dem Ammon ald Zeug eine Hera zur Gattin zu geben, lag zwar
den Griechen fehr nahe, doch hatten fie zur Zeit Herodots eine folde
Befimmung noch nicht getroffen, denn diefer fagt (2. 50) ganz aus⸗
drüllih, Hera fey den Aegyptern unbefannt geweien. Wie fchon oben
angegeben worden, hatte Ammon die Mu (Mut), vie Mutter zur
Tempelgenopin, auf dem Haupt über dem ald Kopfihmud angebrachten
eier, vem Sinnbild ver Mütterlichkeit, *) die Krone von Ober: und Unten:
Aegypten, und wir fehen ven Khunfu bei ihnen ſtehen, auch findet ſich
Amun, nebft der Amun (T=amun, oder Amun=t) zu Theben, genannt
die in Theben Thronende, und bei ihnen ift Har-ke zu fchauen, mit
der fogenannten. Soruslode am Haupte (melde Jugend bezeichnet) wie
auch Khunfu diefelbe Hat, ohnerachtet er zugleich den Bart trägt. Im den
Tempeln oberhalb Thebä, an den Katarrakten, wo Ammon unter bem
Namen Neph und Num, Kneph, Knuphis verehrt ward, hat er die Sate
und Anufe zu Tempelgenofinnen, und die Sate finden wir denn in
fpäter Zeit allerdings als Hera erklärt. So leſen wir in einer oben mit.
einer Bafe, zu jeder Seite mit einem Thyrſus verzierten Infchrift, (kei
Letronne II. ©. 341) welche auf der fogenannten Dionyfosinfel bei bem
erften Nilkatarraft (die eigentlich Setis hieß) gefunden worden: „Für bie
Erhaltung des Ptolemäus und der Königin Kleopatra, feiner Schwefter,
der mohlthätigen Götter und ihrer Kinder dem Chnubis, auch Ammon
genannt, der Satis, auch Hera genannt, der Anukis, auch Heſtia
genannt, dem Betempamentes, auch Dionyfos genannt, dem Peten
fetes, auch Kronos genannt, dem Petenſenes, auch Hermes genannt,
den großen Göttern und den andern Göttern, bei dem Katarrakt verehrt.
In einer Tateinifchen Infchrift in ven Granitbrüchen zwifchen Syene und
Philä ans der Zeit des Severus oder feiner nächften Nachfolger heißt ed: -
dem Jupiter Sammon Chnubid, der Königin Juno, unter
deren Schuß dieſer Berg ift. (Auch dieſe Infchrift giebt Letronne a. a. O.)
In den Weihgeſchenken finden wir dieſe Göttin als Wärterin der Kinder,
und da im Aegyptiſchen Sati Pfeil heißt, 10 erfcheint fie mit dem
Pfeil in der Hieroglyphe, als dem Sinnbild ihres Namens, an ber
*) Horapollo (1. 11) fagt: Eine Mutter darzuftellen, oder die Athena ober
Hera, malen die Aegypter einen Geier, weil es in diefer Vögelgattung feine
Maͤnnchen giebt, fondern die Weibchen yom Noruwinve heitusgter werten.
Ammon. 68
Krone aber hat fie die Kuhhörner, und ihre Farbe ift roth, während vie
Böttinnen gewöhnlich gelb find. Die Namenlegende benennt fie Tochter
des Ra, Herrin des Himmel.
Mut oder Maut, Sate und Anufe Fönnen nicht anders ſeyn als
Formen ver großen Naturgöttin, der großen Mutter, welche die Haupt⸗
Gottheit Aegyptens war, nnd als Iſis am beveutenpften hervortritt. Zu
Dakkeh in Nubien heißt es über einer ver Thüren an einer Seite des
Zempelö von dem Wethiopifhen Könige Ergamın: Sohn Neph's,
geboren von Sate, genährt und gepflegt von Anufe, an
der andern Seite aber heißt er: Sohn des Dfiris, geboren von
His, genährt und gepflegt von Nephthys. Diefes iſt nun
far nicht fo zu verftehen, als habe man bie genannten Gottheiten ganz
ind gar für diejelben genommen, aber diefe weiblichen Gottheiten Fünnen
auch nicht ald grundverfchieden betrachtet werden, fondern nur, wie
jefagt, als verfchievene Formen eines Grundgedanken. Wäre dieſes nicht
ver Val, dann würden wir wohl auch näher über fie berichtet worden
jeygn, als es gefchehen if. Da Sate Sera feyn fol, wie oben. bemerkt
worven ift, und da Sorapollo (1. 11) bemerft, die Aegypter hielten Hera
für den untern Himmel, wie Athena für den oberen, fo wüßten wir,
Fönnte man meinen, wer denn eigentlich Sate war. Allein dieſe Erklaͤ⸗
ungen beruhen ‚bloß auf Deutungen ver Griechen, welche ihre Hera und
Athena fo erklärten, ohne einmal dazu berechtigt zu feyn, geſchweige daß
te zu ihren Erklärungen der Sate und Neith berechtigt geweſen wären.
Sat aber Horapollo unter der Hera die Sate gemeint, fo erfahren wir
durch ihn, daß auch diefer ver Geier ald Bild der Mütterlichkeit gegeben
ward, wie der Mu over Mau, denn er fagt, durch denſelben würden
auh Hera und Athena bezeichnet, (was fo viel heißt, als daß jede der⸗
jelben Mut hieß), und bei Neith (Athena) findet ex ſich wirklich. Ders
jelbe fagt auch, der Himmel werde durch) das nämliche Sinnbild bezeichnet,
da die Aegypter den Himmel als weiblich betrachteten, als Erzeugerin
von Sonne, Mond und Sternen. Wirklich ift der Simmel Pe mit dem
weiblichen Artikel Tpe genannt, zuweilen ald weibliche Figur mit ausge⸗
frekten Armen dargeſtellt, in melcher Stellung fie ven Zodiak zu Esneh
wie zu Dendera umfchliegt, und Dionumente haben in ihren Abtheilungen
dieſe Göttin ald Krone. Aber weder Sate noch Neith Haben mit dieſer
digur etwas zu ſchaffen. Porphyrius in der Schrift über die Enthaltfan-
kit (2. 55) meldet nah Manethos, es feyen der Hera in Aegypten
üglich drei Menfchen geopfert worden, die man gerade fo, wie die Thiere
geprüft Habe, bis König Amofts dieſen ſchrecklichen Brauch abgefchafft.
Wenn Anufe von den Fremden in einer fpäten Zeit mit der Heſtia,
Veſta verglichen und als eine folche erklärt warb, fo ift dies als ein
beliebiger Deutungsverfuch zu betrachten, wozu irgend eine uns nicht
befannte Cigenthiimlichfeit, melde jedoch fehr gering geweſen \eyn tums,
70 Ammon.
hingereicht haben Fönnte. Was wir an ihr Beſonderes wahrnehmen, if
ihr Kopfſchmuck, welcher aus dem unteren Theil der Krone mit einer
Reihe langer und unbekannter Blätter (denn Federn fcheinen es nicht zu
feyn) befteht. Etwas Nüberes über ven Begriff, welcher mit biefer Göttin
gemeint war, Fönnte uns der Name lehren, doch wir wißen nicht, was
das Wort ank bedeutete. Daß ed aber einen Inhalt hatte, der für mehrere
Böttinnen ih eignete, fehen wir daraus, dag auch Neith den Beinamen
Anuke hatte, und Nephthys, denn dieſe beißt in einer Inſchrift (bei
Wilkinfon, Tafel 35. 2) Nebthi, die rettenve Scwefter Anuke. Um e
nun nicht an einem Erflärungdverfuche der Deutung Anuke's als Heftia
fehlen zu lagen, mag dieſe Infchrift zu einem folchen dienen. Nebthi
bedeutet Herrin des Hauſes und dieſe würde ſich zu einer Bergleichung
mit Heſtia haben gebrauchen laßen, da man diefe Griechiſche Gdttin nicht
ganz unpaßend eine Herrin des Haufe hätte nennen fünnen, und ba bie,
Griechen mit einer geringen Aehnlichkeit zwifchen ihren und den fremben
Göttern fi begnügten, um fie mit einander zn vergleichen. Freilich ſteht
aber entgegen, daß Nephthys wohl eine Anufe Heißt, daß aber darans
nicht folgt, die Anufe, welche von den Griechen für Heflia genommen
wurde, fey auch Nephthys genannt geweſen, wiewohl fie auch in der oben-
angeführten Infchrift, welche zuerft Neph, Sate, Anufe, dann Oſtris,
Is, Nephthys nennt, als dieſen gleichſtehend, auch an ber Stelle ver
Nephthys flieht. Zu Maſchakit in Nubien ift oben in einem Fels eine
Eapelle ver Anufe und der andern Befchüger Nubiens, geweiht von Pohl
dem Verwalter diefer Gegend unter Ramſes dem Großen. Cr bittet vie
Söttin, fie möge für immer die Libyer und die Nomaden unter bie
Sandalen des Eroberers geben.
Zu Latopolis (Esne) war Knuphis der Hauptgott, (benannt neb⸗
enstbo= ne, Herr des Landes Eöne, Schöpfer der Welt, Lebensgrund
der göttlihen Wefenheiten, Stütze aller Welten u. f. w.), und Neith bie
Hauptgöttin, worüber man die Mythologie der Neith nachfehen wolle.
Nur das ſey hier bemerkt, daß ihm daſelbſt Sämereien, Blumen und
Aehren dargebracht wurden, was beweift, daß Ammon Kunphis ſich auf
ben Seegen des Wachsthums bezog, wie e8 bei dem Gotte der Zeugung
zu erwarten ſteht. Ward die widderkoͤpfige Darftellung des Gottes mehr
außerhalb Theben in ver oberen Gegend verehrt, fo zeigen doch auch die
Widder zu Theben, daß man den menfchlich gebilveten Ammon vafelbft
durchaus nicht ald Widdergott vergaß oder beyde Formen für verſchiedene
Gottheiten hielt. Diefe Eoloffalen Widder, von zwanzig Buß Ränge, je
aus einem Steine gemeißelt, verbanvden große Zugänge, und zmifchen
ihnen befinden ſich die hauptfächlichften Denkmäler. Theben hieß auch
Amunei, Wohnung des Amun, und eben fo hieß Sebua in Nubien.
7ı
Der Heguptifche Wan. Mendes. Sihem.
In der Mendeſiſchen Mark verehrte man einen Gott, deßen heiliges
hier der Bod war, weßhalb ihn die Griechen mit ihrem Pan verglichen
und ihn fo benannten. Wegen dieſes Gottes opferten, fagt Herodot, (2. 46),
die Aegypter außer den Ihebäern, Feine Böde und Ziegen, die Menvefier
aber, wie verfelbe (2. 42) bemerkt, opferten Schaaf. Daß ver Bod
aͤgyptiſch Mendes heiße, berichtet Herodot ebenfalls, doch hatte er fich
darin durch eine falfhe Auffaffung täufchen laßen, denn dieſer Name
bepeutet keineswegs den Bock und kann nur den Bor, welcher den Gott
vorftellte, bezeichnet haben. Hieronymus (zu Jeſaias 46) fagt zwar, ver
Bock habe Thmuis geheißen, aber viefes ijt nicht wahrfcheinlid), fonvern
der Mendeſiſche Bod hieß auch Bock der Thmuiten, denn Thmuis war
der Name ver Stadt, weldhe auch Mendes bieß, over wenn beive Namen
verfchiedenen Städten angehören, einer Stadt verfelben Marf, und viefes
iR am wahricheinlidhiten, denn unter andern fpricht der Name dafür,
indem Thmurs nach der Mu benannt ift, mit dem Urtifel Inu, b. i. die
Mutter, welches der Name der Göttin war, die man ald Mutter bezeichnen
wollte. Die Mendefler nannten dem Herodot ihren Bodgott einen der
acht erſten Götter, aber dieſer Gefchichtfchreiber, welcher fonft die wenigen
Bötter, die er aud den drei Bdtterfreifen angiebt, ald dahin gehörig nennt,
ohne dieſes als Das Vorgeben einer befonvdern Dertlichfeit zu bezeichnen,
ſcheint faſt diefe Angabe nur in der Menvefifchen Mark vernommen zu
haben, fo daB es dahin geftelt feyn muß, ob Mendes wirflidh in ven
defagten Götterfreis gehörte. Dagegen aber ift zu bevenfen, daß die Men-
deſier, wenn ein Kreis von acht Göttern feſt ftand und befannt war, es
niht hätten wagen können, ihren Gott darunter zu rechnen, falld er nicht
dazu gehörte. Nun gab aber fpäterhin Manethos (bei Synkellos) an,
unter Kaiechos, dem König der zweiten Thinitiſchen Dynaftie feyen Apis
in Memphis, Mneuis in Heliopolis und ver Mendeſiſche Bock für Götter
geachtet worden, jo daß es faft fcheint, man habe wohl einen Kreis von
aht erften Göttern angenommen, aber ihre Namen feyen nicht beftimmt
gemefen, oder wenigftens nicht fo, daß nicht ein Theil der Aegypter es
wagen Eonnte, feinen beimifchen Hauptgott für einen derfelben auszugeben.
Die Bedeutung des Bockgottes kann Feine andere feyn, als die der
Zengung, denn ver Bor tft ein Sinnbild verfelben, gleich dem Widder,
und fomit treffen Amun und Mendes in ihrem Wefen überein. Iſt ver
Rame Amun (Amn, Amen) ald den Nährenden bezeichnend zu erklären,
wovon oben die Möglichkeit vargetban worden, und liegt dem Worte
Mendes, ägyptifch Men=te, Mun⸗tu zu Grunde, welcher Name ald Göt«
tename auf Denfmälern gefunden wird, und ein anderer ift nicht wohl
m erwarten, jo wäre auch in ber Benennung eine große Arinliäiett
72 Der Aegyptifhe Pan. Mendes Khem.
zwifchen beiden Göttern, denn Men⸗te, Mun=tu fann Nährer, Gründer ver
Welt heißen. Leider find die Denkmäler der Mendeſiſchen Mark zu
runde gegangen, fo daß wir für die mythologifche Kunde der Unter⸗
ſtützung folcher ganz entbehren, und außerdem bieten die Denkmäler anderer
Aegyptiſcher Marken nie einen Gott dar mit dem Kopfe eines Bocket,
oder einen Bor, welcher einen Gott vorflelen Fönnte. Darum aber if
an dem Mendeſiſchen Gotte nicht zu zweifeln, denn Herodot zu täufchen,
war für die Aegypter Fein Grund da, und in Betreff des Verhältnipes,
dag Schaafe geopfert wurden, die Ziegen aber nicht, hätte man ihn gar
nicht täufchen Fünnen, und dieſes Verhältniß allein reicht fchon bin, bie
Wahrheit von der Heiligkeit des Bockes und einem unter diefem Sinnbil
verehrten Gotte der Zeugung zu beweifen. Dagegen Tann man fidh ve
Zweifeld nicht wohl ermwehren, wann Herodot fagt, er werde mit einem
Ziegenkopf und mit Bocksfüßen gebilvet, ‘die Aegypter aber geben an, fle
glaubten nicht, daß er fo ausfehe, fondern wie die andern Götter, warum
fie ihn aber fo darftellten, wiße er wohl, koͤnne es aber nicht gut fagen.
Die Denkmäler zeigen Fein Beifpiel, daß eine Gotttheit in der angegebenen
Weiſe, nämlihd an Kopf und Beinen mit dem ihr geweihten Thiere
gemifcht worden wäre, fondern nur der Kopf deſſelben erfcheint auf menſch⸗
lihem Rumpfe. Zwar giebt es ſehr zufammengefehte Mifchbilvder in ver
fpäteren Zeit, aber auch diefe fegen nur verfihiedene Sinnbilver zu einer
Geftalt zufammen, um alle die zufammengehäuften Ideen in einem Bild
anſchaulich zu machen, fie geben aber nicht dad nämliche Sinnbild in zwei
verjchievenen Körpertheilen, d. h. fie bringen nicht zweimal das nämlicde
Sinnbild an, um die nämliche Idee auszudrücken. Da nun Herobot nit
ausdrücklich angiebt, daß er den bocksköpfigen und bodöfügigen Mtenves
ſelbſt gefehen habe, fo wäre es immerhin möglich, daß er durch die Ver⸗
ehrung des Bocks an ven Pan erinnert, nach dieſem und deſſen Geftalt
bei den Aegyptern gefragt babe, wo ed denn bei den Aegyptern nit
fehlen Fonnte zu antworten, ſie hätten dieſen Griechifchen Gott, denn bie
Götter ſollten ja, und auch die Benennungen, ſo wie vie heiligen Gebräude
aus Aegypten zu den Griechen gefommen feyn.
Weiter erzählt Herodot, daß die Menpefler die Ziegen verehrten, bie
Bode aber mehr ald die Weibchen, und daß die Hirten verfelben in
größeren Ehren flanden. Wann der heilige Bock, welcher ven Gott vor-
ftellte, ftarb, fo ward er von der ganzen Mendeſiſchen Mark fehr betrauert,
dieſer Bor aber fcheint für befonders zeugungsfräftig gegolten zu haben,
denn wir lefen bei Clemens dem Alexandriner (Protr. ©. 9), wo er von
den Liebesausſchweifungen des Zeus fpricht, die Bemerkung, dieſer Gott
fey gegen Frauen fo brünftig gemwefen, wie der Bod der Thmurten gegen
Ziegen, und Plutarch (Gryllus S. 989) giebt an, der Mendeſiſche Bod
in Aegypten fol mit vielen ſchönen Frauen eingefchloßen, Feine Neigung
—X
|
— *
| ne de —
— — — gr
Der Aegyptiſche Pan. Mendes. Khem. 73
zu ihnen haben, ſondern er iſt mehr für die Ziegen entbrannt. Aus Pin⸗
dars verlornen Gefängen aber meldet Strabo (S. 802) daß ſich Böͤcke zu
Mendes mit Weibern vermiſchen und Herodot (2. 46) meldet: in der
Mendeſiſchen Mark begab ſich zu meiner Zeit das Wunder: es ver⸗
wiihte fi ein Bock ganz Öffentlich mit einem Weibe, und alle Menfchen
fuhren es.
Dur dieſe Nachrichten ift der Bockgott der Mendefifchen Mark fo
fer geftellt, dag der Mangel an. Denfmälern ihn nicht zweifelhaft machen
kann, weil dieſe Nachrichten von fo bündiger Urt find, daß fle einer Unter⸗
fügung durch bilvliche Darftellungen weiter nicht bebürfen. Da wir aber
aller weiteren Nachrichten über dieſen Gott entbehren, fo ift der Unter⸗
gang der Denkmäler viefed Bezirk von Aegypten ein Verluſt für die
Mythologie, weil wir durch Bilder und Infchriften vielleicht belehrt worden
waren, mit welchen Gottheiten der Menvefifche Gott in Verbindung ftand,
und weil wir vielleicht durch fie noch manchen andern Aufichluß erhalten
hätten. So bleibt und nur ein ungewißes Nathen über vie Tempelge-
noßenſchaft des Mendes, denn eine folche ift nach dem, was man von
andern Göttern weiß, zu vermuthen, und der Name Thmuis, welcher in
Verbindung mit dieſem Gotte genannt wird, giebt eine Handhabe zu einer
an und für fi} nicht unmahrjcheinlichen Vermuthbung. Die Göttin Mu,
mit dem Artikel eben fo wohl Tmu ald Mut genannt, kann die Namen
geberin von Thmuis gemwefen feyn, wie Paſcht die von Bubaſtis war, wie
tie Stadt Chemmis nach Khem, Atarbechis nach ver Athor u. f. w. benannt
war, und wir fünnten ven Xegyptifchen Namen Tmu-ei vermuthen, wie
mh Theben und Sebua in Nubien von Amun, Umunsei benannt
waren und Ptah=ei over Tei-ptha feinen Namen von Ptah Hatte. Wie
Mu als Tempelgenogin zu Ammon gehörte und ſich gut dazu eignete,
wire ſte auch fich trefflich für den Menpeftfchen Gott geeignet haben.
Die lockend abet auch dieſe fich darbietende Spur zu einer wahrfchein-
lien Vermuthung feyn mag, wir dürfen ihr dennoch, von allem, was zu
einer Beftätigung erforberlich wäre, verlaßen, nicht vertrauen. - Eine zweite
Vermuthung drängt fi) und aus ver oben angeführten Stelle Plutarchs
auf, welche nämlich zu bemeifen fcheint, daß man dem Bockgott gleich wie
em Wiodergott Ammon zu Thebä, fterbliche Frauen zu Gemahlinnen
wihte, vie in feinem Tempel fchliefen. Läßt man diefen Sinn nidt
gelten, To ift nicht wohl einzufehen, was Plutarch denn mit den fchönen,
mit vem Bock eingefchloßenen Frauen eigentlich hat fagen wollen. Hätte
aber Diefer Brauch flattgefunden, dann wäre es auch leicht erklärlich, woher
dad entflanden wäre, was Pindar geſagt hatte, und felbft das ſchmutzige
Beihichtchen, welches Herodot, aber keineswegs ald Augenzeuge, erzählt,
könnte darauf zu beziehen feyn. Denn wie das DVerhältniß der Frauen
zu Ammon übel gebeutet ward von denen, die es nicht erforichten, fo \aq
7a Der Aegyptifhe Pan. Mendes. Khem.
es bei dem Bockgotte noch näher, ed berabzuziehen und zum fchmukigen
Mährchen zu machen. Doch auch dieſes müßen wir dahin geftellt feyn
laßen, fo mwünfchenswerth ein Aufſchluß darüber auch wäre. Hätten wir
für beide Vermuthungen die Beflätigung, dann würden beive Götter, ber
Widdergott Ammon und der Bodgott Mendes, fo genau zufammentreffen,
dag kaum ein Unterſchied zu bemerfen wäre, wie fie denn auch ihrem
Weſen nad), wenn dieſes auch von verfchiedenen Grundlagen ausgegangen
feyn follte, was und aber ganz vorborgen ift, genau übereinftimmen, dem
beide find Zeugungsgdtter, nur daß der eine ven Befruchter der Schadfs
heerde, den Wibder, der andere den DBefruchter der Ziegen, ven Bod zum
Sinnbilde hat. Dadurch, daß es in der Medefifhen Mark wenig Weber
bleibfel giebt, find wir ver Belehrung beraubt, welche Dentmäler um
gewähren Eönnten. -
Gehen wir auf diefem Gebietstheile ver Aegnptifchen Mythologie
weiter, fo begegnen wir in der Thebanifchen Mark der Stadt Chemmis, *)
(deren Weberbleibfel leider ſehr unvollfommen find), welche ihren Namen
von ihrem Hauptgotte Khem hat, welcher mit vemfelben als ver ſchwaze
bezeichnet if. Herodot befuchte dieſe Stadt und meldet bloß von ber .
Verehrung des Perſeus dafelbft, als etwas Beachtenswerthem, und dieſes
Schweigen Herodots über den Gott Khem beweiſt mwenigftens fo viel, daß
diefer forgfältige Beobachter in Chemmis Feine für ihn nene Hauptgottheit
zu finden vermeinte, wofür ihm aber die dortigen Priefter ihren Gott
ausgaben, Fönnen wir zwar nicht errathen, doch haben fie ihm ſchwerlich
etwas von einer befondern Verehrung, die nicht im Allgemeinen bei allen
Böttern ftattgefunden hätte, vorgefagt, da wir ihn fonft dergleichen
Befonverheiten treu berichten fehen. Auch ward dem Khem fo wenig wie
*) Statt von dem Gotte Khem in Chemmis zu erzählen, berichtet Herobot
(2. 91) von einem Griechiſchen Heros daſelbſt folgendermaßen : die Aegypter
nehmen weder von den Hellenen, noch von einem andern Bolfe Gebräude
an, aber im Bezirf von Thebä, nicht weit von Neapolis, liegt eine große
Stadt, Namens Chemmis, wo ein vierediges Heiligthum des Perfeus, des
Sohnes ber Danae ift, um welches herum PBalmbiume fliehen. Die fehr
große Vorhalle ift aus Stein erbaut, und es flehen zwei große fleinene
Menfchengeftalten darauf. In dem Umfange deffelben ift das Heilige Haus
und darin flieht die Bildſäule des Perfeus. Dort nun fagen fie, Perfeus
erfcheine oft Bei ihnen fowohl in dem Lande, als auch in dem Heiligthum,
und man finde einen der Schuhe, die er getragen, zwei Ellen groß, und
wann dieſer Schuh gefehen werde, fo fey ganz Negypten gefeegnet. Sie
ehren aber den Perfeus auf Griechiſche Weife mit allen Arten von Kampfs
fpielen, wobei fie Vieh, Mäntel und Häute zu Preifen feßen. Auf Herodots
Trage, warum Chemmis allein in Aegypten den Perſeus ehre, gaben fie
ihm an, derfelbe flamme aus diefer Stadt, denn Danaos und Lynkeus wären
Der Aegyptiſche Pan. Mendes Khem. 78
Mendes und dem Ammon ein allgemein Aeguptifches Feſt gefeiert
er Zeit, als die ſechs großen allgemeinen Feſte gefeiert mwurben, und
ir nicht wißen, ob etwa in früherer Zeit auch den genannten Göttern
meine Feſte galten, fo wäre es vergeblich, es zu vermuthen, es hätten
ı Göttern in älteren Zeiten eben ſolche allgemeine Feſte gefeiert
en fönnen. Nach Herobot aber finden wir Chemmis von den Griechen
polis (Stadt ded Ban) benannt, und fie müßen eine uns unbekannte
nlaßung dazu gehabt haben, denn leider äußern fie fich nicht darüber,
fie zu dieſer Benennung veranlaßte. In der Thebanifchen Mark ven
zu sermuthen, Eonnte ihnen an und für ſich nicht einfallen, und das
des Khem Fonnte fie nit auf den Gedanken bringen, da viefes
Gott nicht in der Geftalt des Griechiſchen Pan zeigt, fondern dem
ifchen Ammon fo gleih, daß auch nicht der geringfte Unterichied zu
rken if. Daß aber die Griechen dieſen Khem in ver fogenannten
opolis ald den Gott, den fie Ban nannten, im Auge hatten, zeigt
das, was Stephanud der Byzantiner da vorbringt, wo er von Pano⸗
5 meldet. Seine Worte lauten: es ift dafelbft ein großes Bild des
ted mit aufgerichtetem Zeugegliede, an fteben Singer lang, und e8
ebt mit der rechten Hand eine Geifel gegen den Mond, deßen Bil,
fie fügen, der Pan ſeyn fol. Den Mond zeigen die Bilder, melche
yanden find, keineswegs, fondern vor ihm fteht Lotus auf einem Altar,
ber das Zeichen des Erzeugtfeynd, der Geburt oder Fruchtbarkeit ift,
hinter ihm zwei Bäume auf einem Geſtell, jo daß dad Vorgeben von
ı Monde, der nirgends als ein Bild des Khem erfcheint, eitel ſeyn
nte. Nicht unmahrfcheinlich ift es, daß die Aegyptiſchen Prieſter ſich
em Gotte weihten, wovon Diodor (1. 88) alſo fpridt: ven Bod
aus Chemmis gewefen und feyen nach Hellas gefchifft, und fle zählten dann
von biefen bis auf Perfeus die Gefchlechter ber. Als er nach Libyen
gegangen, um das Gorgohaupt zu holen, fey er nach Chemmis gekommen,
babe den Namen der Stadt von feiner Mutter gewußt, feine Verwandten
erfannt, und die Kampfiviele würden ihm auf fein Gebot gefeiert. Durch
welche Berhältniße es gefchehen, daß ein Hervencult des Perfeus, oder wen
immer bie Aegypter für denfelben ausgaben, nach jener Stadt gefommen fey,
wird uns von Niemand gemeldet, Heroencult aber war nicht bei den
Aegyptern, und Herodot (2. 50) fagt ausdrücklich, daß er ihnen fremd fey.
Wenn daher die Aegypter in Chemmis wirklich) den Heros Perfeus mit
Zodtenfpielen gefeiert hätten, fo würden fie aus uns ganz unbefannten
runden eine ihrem Göttercult durchaus fremde und fogar widerfprechende
Feier veranitaltet haben. Auch von einer Warte des Berfeus nach ber
Bolbitinifchen Nilmündung, worauf die Feſtung der Milefler folgte, vers
nehmen wir durch Strabo (801), und diefe läßt fih aus der Nähe eines
Griechiſchen Ortes erflären.
76 Der Hegyptifhe Pan. Mendes. Khem.
verfegten fie wegen des Zeugegliedes unter die Götter, weil er ein
zeugungdfräftiges Thier ifl. Die Aegyptifchen Priefler aber werben biejem
Gotte zuerft geweiht. Die meiften weihen auch ihre Bilder mit aufges
richtetem Zeugeglieve in die Tempel der Gottheit, zu danken für ihren
Kinverfeegen. Uebrigens ift noch zu bemerken, daß Khem in den Hier⸗e⸗
glyphen Ka=mutsef, Gemahl feiner Mutter heißt, grade wie Amun,
woraus hervorgeht, daß Mut in gleichem Berhältniß zu ihm fland, wie
in Iheben zu Ammon, wad dem oben aus dem Namen Thmuis
Beziehung auf Mendes als wahrjcheinlich Gefolgerten gleichfalls vollkommen
entſpricht.
Sollten die Griechen dieſen Khem als Pan erkennen, (Griechiſche
Inſchriften an der Straße von Kofjuir nennen ihn den Pan von Thebä)
fo mußte etwas vorhanden feyn, was dem Amun nicht gehörte, ven ft
fonft darin hätten erblicken müßen, und wenn wir, von den gefchichtlichen
Nachrichten in dieſer Sache verlaßen, und nad einer wahrfcheinlichen
Veranlagung umſehen, fo bietet ſich und nur eine einzige dar, daß nämlid
der Bock fein heiliges Thier geweſen ſeyn müße. Werbinden wir damit
die Nachricht, daß die Verehrung des Bocks unter Kaiechos, dem Könige
aus der zmeiten Thinitifchen Herrfcherreihe eingeführt worden fey, fe
führt und Dies vielleicht zur Erklärung einer merfwürbigen, geſchichtlich
nicht aufgehellten Thatſache. ES findet fi nämlich der Name Amuns
Ra in Denfmälern fo angebracht, daß das Wort Amun an einer Stelle
fteht, wo vorher ein anderes geftanden hat, welches man weggehauen hat,
wie auf dem Obelisk des Lateran in Rom. Dazu fümmt, daß auch Denke
mäler in gleicher Weife die Namen Amenophtis und Amenophis,
der Thebanifhen Könige von der achtzehnten Dynaftie ebenfo behandelt
zeigen, indem Amen an bie Stelle eines mweggehauenen Wort3 einges
graben morben if. Eine Ausmärzung eines Götternamens muß in
Aegypten, befonders für die ältere Zeit, höchſt fonvderbar fcheinen, da es
eine Verwerfung der Gottheit, deren Namen vertilgt worven ift, voraus
fest, da wir Doch fonft die Gottheiten jenes Landes friedlich neben einander
beftehen ſehen, und feldft erft in ganz fpäter Zeit, ald Aegypten unter
fremder Serrfchaft ftand, Feindſchaft eingetreten finden zwifchen ven
Verehrern verfchievener heiligen Thiere und ſelbſt dies nur zwiſchen
einzelnen Nachbarn, wie es ſcheint mit Hinzutretung oder wohl gar nad
Boraudgehung anderer Neibereien und Gehäßigkeiten. Man Fönnte nun
freilich vermuihen, ver verhaßte Typhon fey der Gott gewefen, deßen
Name andgemärzt worden, aber erftlidh kann man ven Zufag Ra bei
biefem nicht nachweifen, und wenn dies auch als ein geringerer Zweifel
gegen eine ſolche Vermuthung betrachtet werden könnte, fo erjcheint doch
degen Name Seth keineswegs als ein verhaßter, da ihn fonft ver Ptah⸗
priefter, weldyer als König genannt wird, (Sethos bei Herodot) ficher
’
Der Aegyptiſche Pan. Mendes. Khem. 77
nicht geführt haben Fünnte, wie denn auch verfelbe in ver zweiten Dynaftie
ber Thiniten von dem fünften Könige (Sethene8) geführt ward, fo daß
weder vor noch nach der Herrichaft der Sirtenfünige ein Grund gewefen
zu ſeyn fcheint, weshalb man einen Königenamen aus Sethophthis und
Sethophid umgeändert hätte.
Bapen wir aber, von jeder fiheren Nachricht und jeder bilvlichen
Datſtellung, aus welcher ein annehmbarer Schluß gemacht werben Fünnte,
verlagen ind Auge, daß Mendes⸗Khem und Amun ihrem Wefen nad
ad Zeugungsgdtter fich gleich fiehen, dag Khems Bild von Amuns
phalliſchem Bilde nur durch die Infchrift unterfchieden werden kann und
daß der Name Khem, der Schwarze, als ein Beimort einen Unterſchied
im Wefen zu. bezeichnen nicht vermag, während es nicht ald ausgemacht
gelten Tann, Amun oder Amen und Mendes Fünnten nicht der Haupt⸗
ſache nah, den gleihen Wortſtamm und die gleiche Bedeutung haben.
Davon ausgehend, Fünnte man nun vermuthen, ed habe ein Theil ver
Verehrer des Amun, des Widdergottes, durch und unbefannte Cinflüße
bewogen, an die Stelle des Widders den Bor ald Sinnbild gefegt und
fomit eine, wenn auch immerhin Kleine, Veränderung mit ver Verehrung
dieſes Gottes vorgenommen, und fih in ver. Menveflihen Mark. des
Namens Men mit dem Zufake von Te bebient, wie in fpäterer Zeit auch
Men flatt Amen gefunden wird, in Chemmis aber einen Beinamen
(Khem) vorgezogen, wie in der Thebanifchen Marf Knuphis und Num,
Kneph vorzügliche Geltung erlangten. Bei dieſer Annahme wäre aud)
vie Angabe verftändlih, ver Bud fey unter der zweiten Thinitifchen
Dynaftie zur Verehrung gelangt, ohne daß die Mendeſier der Lüge zu
: Fihen gewejen wären mit ihrer Angabe, ed gehöre ihr Gott Mendes unter
die alten acht Götter. Denn es würde jene Nachricht, vie Manethos aus
den alten aufgezeichneten Ueberlieferungen feines Volks fchöpfte, da zu
- einer Erfindung diefer Nachricht in fpäterer Zeit durchaus Fein Grund
: gedacht werden Tann, weil diefe Sache nichts in Aegypten verherrlichen
fonnte, fich recht gut mit jener Behauptung der Menpefter vertragen. Es
wäre ja dann ihr Gott ein alter Gott gewefen, nämlich Amun feldft, die
feine Abänderung aber im Eult wäre und durch jene Nachricht gefchichtlich
näher beftimmt. Die Verehrer des Widdergottes nun Tonnten bei einem
ſolchen Verhältniß dahin kommen, in ihrem Gebiete den Namen, unter
welchem der Gott in Chemmid mit einer Abweichung, die für fle anftöpig
ſeyn mußte, nicht zu wollen, fo daß fle, um recht deutlich zu zeigen, daß fe
die vorgefommene Veränderung nicht gelten ließen, an den Bildern, wo
Khem fand, den Namen tilgten und Amun dafür hinfeßten, und eben
ſo in ven Königdnamen auf ven Denfmälern verfuhren. Dies Tann erft am
Ende der achtzehnten Dynaftie over in einer ver folgenven geſchehen feyn,
und kann nicht feinen Grund in der DVertilgung des Khem = cults gehabt
78 Der Aegyptiſche Pan. Mendes. Khem.
haben, denn berfelbe beitand ja bis in bie fpäten Zeiten herab, wohl
aber ift e8 erflärlih, vap eifrige Thebaner die Königenamen in ver
Denkmälern Änderten, um biefe Könige dem wahren Amun ganz zum J
eignen, indem fie die Verehrung dieſes Gottes unter einem andern Sins
bild ald dem des Widders nicht anerfennen wollten und daher ver
Beinamen, unter welchem er die Verehrung ale Bod erhielt, verftichen.
Uebrigens heißt der phallifche Amun aud) Amun=» Khem, und wenn anf
Amun den Beinamen ded Schwarzen hätte führen Fünnen, ohne varım
gerade mit dem Gotte zu Chemmis in einem Zufammenhange zu fliehen,
fo ift diefe Benennung do zu dem Uebrigen, was dieſen Zufammenhamg
glaubwürdig macht, hinzugenommen, nicht als beveutungslos zu überfchen.
Mie Amun Ra, Sonne genannt wird, fo auch Khem in mandıs
Legenden, und eben fo beißt er in zmei hieroglyphiſchen Legenden Sohr
der Sonne, was gerade fo viel ift, denn mit der Benennung Sonne ode
Sohn der Sonne wird einer ald König bezeichnet, da dieſe Titel bey den
Aegyptern allgemein dieſe Geltung hatten. Wenn er nun audh in eine
Legende Sohn der Iſis genannt ward, fo ift Iſis ald Mut genommen,
und allerdings hieß fie fo, und da Amun und Khem den Namen Kamul
oder Kamutef führen, Stier der Mutter oder Gemahl feiner Mutter,
ift die Angabe, er ſey Sohn der Iſis ganz übereinflimmend mit viefem
Verhältnip.
Infchriften an der Straße von Koffair enthalten Gelüßse dem Khem
geweiht, deren Griedhifche Ausvrüde ihn ven Pan von Theben nennen,
woraus man ebenfallö deutlich erfieht, daß zwifchen dem phallifchen Khem I
und dem phallifhen Amun eine Einerleiheit angenommen ward, vie
jedoch allerdings etwas zu weit gieng, da der Bodgott nicht Thebifg Fi
genannt werden darf, weil Widder und Bock beide fihieden. An ver
Straße von Koffair ift Khem auch fperberföpfig (db. 1. als König) mit
den Ammonsfedern, doch dieſe Darftelung ift Eeine gewöhnliche, und
dazu ift fie aus ungewißer Zeit.
Läßt man dieſe Erflärung der Verhältniße gelten, dann haben wir
einen Zeugungsgott, der mit der großen Mutter, die Alles gebiert, zeugt,
und welcher unter dem Sinnbilde des Widders verehrt ward, flatt deßen
aber ein Theil der Verehrer dad Sinnbild des Bockes annahm, wodurch
eine Spaltung bewirkt ward, die zwar nicht auf die zu Grunde Tiegende
Idee und die menfchliche Darftelung des Gottes einwirkte, jenoch für den
äußeren Schein zwei Gottheiten darbietet. Als ein Zeugegott ver Pflanzen
welt wird Khem dadurch bezeichnet, daß feine Bilder von Bäumen und
Pflanzen begleitet find, und ferner erfcheint ver König vor ihm und bringt
ihm Kräuter des Bodens dar, auch fleht man venfelben vor ihm abgebilvet
mit einer Senje in ver Hand, mähenn, fo wie er auch vor ihm pflügt.
Bei dem Schreine des Gottes finvet fih ebenfalls ein Baum, welcher fih
Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäſtos. 70
ch in dem hieroglyphiſchen Namen Aegyptens, der mit dem des Khem
reinfam, findet, denn Aegypten hieß, wie auch Plutarch (33) bemerkt,
emi, dad Schwarzland, wegen feined fruchtbaren ſchwarzen Bodens.
ch heißt Khem Ka-mut-utetra, Gemahl der Mutter, gezeugt von Ra.
Die Griehifhe Infchrift zu: Panopolis, welche aus ver Zeit des
fer Trajan ftammt, nennt den Pan und die Triphis die Hauptgott⸗
ten Des Ortes, und Wilkinfon (1. Serie 2. 265) nennt dieſe Göttin
5 feine Tempelgenogin in der nach ihr benannten Stadt Athribie.
je Göttin ift loͤwenkoͤpfig, und da wir die Lömenföpfige Göttin auch
i, d. i. Mutter, benannt finden, fo ändert viefes durchans nicht die
geftellte Anfiht von dem Weſen Khems und feinem Verhältniße zu
Aegyptifchen Göttin Mutter. Der Tempel der Triphis zu Athribis
r in der Ptolemäer Zeit gegründet, ober erweitert, und in der Nömers
t ift ebenfalls daran gearbeitet worden, mie fi) aus ven Infchriften ergiebt.
Ptah, Phthah, Der fogenannute Hephäſtos.
Memphis, die Hauptſtadt von Unterägypten, hatte zum Hauptgotte
en Ptah, oder nach Memphitiſchem Dialekt Phthah, welchen die Griechen
ephäftos nannten, als ob er ihrem Feuergotte gleiche, und zuletzt wurde
gar Teichtfinnig behauptet, Phtha beveute im Aegyptiſchen das Feuer,
ie man aus des Clemens geiftlihen Reden (9. 6) erſehen kann. Diefes
er ift fo wenig wahr, daß man nicht einmal fagen kann, diefer Name
y Aegyptiſchen Urfprungs, denn es findet fi} in dem, was von ber
eguptifchen Sprache erhalten ift, Fein Wort, womit er im Zufammen-
ng ftehen Fünnte. Dagegen bietet und vie Sprache der Semiten ein
ort dar, woher er ver Form nach nit unrichtig abgeleitet würde,
mlich das Zeitwort patach, welches bedeutet: „hat geöffnet.” Sehen
ir nun zuerft, was Herodot, der ältefte Berichterftatter, welchen wir über
efen Gott Eennen, melvet. Er jagt (2. 99): Mened, ver erfte Künig
n Aegypten, der Erbauer von Memphis, habe daſelbſt dad Heiligthum
8 Hephäftos erbaut, welches fehr groß und merfwürbig ſey. Sefoftrid
eißt e8 2.110) ftellte vor viefem Tempel Bilder auf, zwei verfelben, ihn und
ine Frau darftellend, die er wegen feiner Rettung bei PBeluftum weihte,
aren dreißig Ellen hoch, die aber feiner vier Kinver jedes zwanzig Ellen
ob. König Rhampfinit, fo erzählt er weiter (2. 121), baute ven meftlichen
Sorhof und ſetzte diefem zwei Säulen gegenüber, fünf und zwanzig Ellen
ob, und die eine, die im Norden fteht, nennen die Aegypter Sommer
nd beten fie an und thun ihr Gutes, Die andere, welche im Süden fteht,
eißen fie Winter und thun ihr das Gegentheil. (Um viele Erklärung
erſtehen zu fönnen, muß man, fheint ed, annehmen, daß die nörbliche
u Saden, Die fünliche nach Norden gejehen habe.) Dann baute Kinig
so Ptah, Phthah, der jogenaunte Hephäftos.
Aſychis, fagt Herodot (2. 136), wie die Priefter angeben, die dſtliche Vor⸗
halle, welche bei weitem bie fhönfte und größte iſt, Amafis aber (2. 176)
weihte ven fünf und flebenzig Fuß langen Koloß, welcher vor dem Tempel
auf dem Rücken liegt, und auf derſelben Bafls ftehen zwei Koloffe, jever
über zwanzig Buß hoch aus Aethiopiſchem Stein, der eine auf dieſer, ber
andre auf jener Seite des Tempelgemachs. Wir jehen hieraus, wie die
Aegyptiſchen Könige den Tempel dieſes Gottes die Reihe ver Zeiten hin
durch ehrten. Auch Strabo (S. 807) erzählt und von einem aus einem
einzigen Stein gearbeiteten Koloß in dem Dromod (d. i. der Lauf, bie J
Bahn) vor dem Tempel und fagt, in dem Dromos würden Stierwettfämpfe
veranftaltet und ed würden Stiere zu denfelben unterhalten, wie man fonf
Roße zu Wettkämpfen halte. Loßgelaßen flürzten fie zum Kampfe, und
der für den Sieger erklärte erhalte ven Preis. War nun Phthah ber
Gott von Memphis, wie Amun der Gott von Theben, fo fommt er doch
auch häufig in dem übrigen Aegypten in Verbindung mit andern Göttern
vor und in Nubien hatte Phthahei oder Tiphthah, d. i. Phthahwohnung
(iegt Ghirſche-huſſan) feinen Namen von diefem Gotte, der daſelbſt ein
von Ramſes dem Großen geweihtes Heiligthum hatte, welcher König
dort Sohn des Phthah und der Hathor hieß. \
Ueber die auf den Denkmälern noch erfichtliche Geftalt nes Gottes
erzählt Herodot (3. 37): Kambyfes (der und ald raſend gefchilvdert wir)
kam auch in das Heiligthum des Hephäſtos und verhöhnte ſehr deßen Bil. |
Das Hephäftosbild aber ift ven Phönikiſchen Patäfen ſehr ähnlich, welche |
die Phönifer auf den Vorbertheilen ihrer Triremen mit ſich herumführen J.
Sie ftelen einen Pygmäen vor. Er ging auch in das SHeiligthum ber
Kabeiren, wohinein zu geben feinem außer dem Prieſter erlaubt ifl, um F
die Bilder derſelben verbrannte er auch, nachdem er vielen Spott damit
getrieben hatte. Auch viefe find dem Hephäſtos ähnlich und follen Söhne I
deſſelben feyn.
Eine weitere Kunde über vie Geflalt und das Weſen des Phthah
haben und die Griechen und Römer nicht überliefert, und fo müßen wir
zu erratben fuchen, welcher Gott er gewefen ſey und warum ihn bie
Griechen mit ihrem Hephäftos verglichen und fogar für dieſen Veuer- um
Künftlergott ausgegeben haben. Weder zeigen bie auf den Denkmäler
befindlichen Abbildungen auch nur die allergeringfte Spur, welche und
bei ihm auf einen Feuergott führen Eönnte, noch bat die Meberlieferung
irgend ein Wort aufbewahrt, welches auf einen Feuergott *) oder einen _
*) Zwar fagt Synkellos, daß Manethos angegeben habe, Hephäflst
(Ptah) fcheine bei Nacht und bei Tag, und Habe darum Feine Zeit insbe
fonbere, diefes ift aber ein Deutungsverfuch aus der Zeit des erften Ptole⸗
maͤus, welcher durch nichts unterflügt wird.
\
Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäſtos. 81
zott der Künſtler ſchließen ließe. Deßhalb ſind wir nicht berechtigt, ihn
arum, weil es den Griechen paßend geſchienen hat, ihm den Namen des
ephäſtos beizulegen, für eine Gottheit des Feuers zu halten. Sie thaten
ie8 wohl darum, (und oft ſehen wir bei ihnen für ſolche Benennungen
emder Gottheiten geringe Aehnlichfeiten genügend) weil fie in ihm einen
tnbeiren erblidten, (melche fie mit ven Patäken fpäterhin für eins hielten)
md Die Kabeiren ald Hephäſtiſch erkannten. Sie hätten ihn, Eünnte man
agen, dann einen Kabeiren nennen follen, da doch Hephäſtos gar nicht die
Beftalt eines Patäfen hat. Dagegen aber ift zu bemerfen, daß es galt,
ie Griechifchen Hauptgottheiten in Aegypten zu finden, wobei die Negypter
efällig halfen, und fo mußte denn der Patäfe Hephäftos felbft feyn, und
tabeiren im innern Seiligthum, vie aber Herodot gefeben zu haben nicht
ehauptet, zu Söhnen haben, von ähnlicher Geftalt wie die des Vaters.
Bei der Aehnlichfeit des Namens und der Geftalt zwiſchen Phthah
md den Phönikifchen Patäken, kann fein Zweifel über die nahe VBerwand-
[haft dieſer Gottheiten feyn. Daß das eine Wolf viefelben von dem
andern entlehnt habe, bezeugt Niemand im Altertum, und es wäre aller-
dings nicht unmöglich, daß Aegypter und Phönifer fie gemeinjchaftlih aus
einem Duell uralter Vorzeit gehabt hätten, aber wahrſcheinlich ift es nicht,
fondern der Name und die Bedeutung, welche fie bei ven Phönifern, als
Hauptſchutzgottheiten auf ihrer Schiffahrt hatten, Tprechen dafür, daß der
Phthah von ihnen zu den Aegyptern gefommen fey. Die Verhältniße,
unter welchen dieſes gefchehen ſeyn Fönnte, errathen zu wollen, würde zu
nichts führen, da die einzige Spur, daß nämlich der mit Phthah in Ver⸗
bindung ſtehende Apis unter König Kaiechos aus der zweiten Thinitiſchen
Dynaftie in Aegypten eingeführt worden fey, *) nicht binreicht, um die
etwaige Behauptung, zu diefer Zeit fey auch jener Gott zu den Aegyptern
gebracht worven, zu begründen. Die Aegypter freilich nahmen eine Ein⸗
führung dieſes Gotted nicht an, fondern wie fie ihm gleich von ihrem
erften geſchichtlichen Könige Menes das Heiligtum zu Memphis gründen
liegen, fo festen fie ihn auch an die Spite ihrer vier und zwanzig Jahr⸗
taufende umfaßenden Götterherrfchaft mit einer Zeit von neuntaufend
Jahren. Wurum fie aber lebtered thaten, wird fich vielleicht aus ber
Erklärung des Weſens dieſer Gottheit ergeben, wenn dieſelbe nicht unwahr⸗
ſcheinlich ſeyn fellte.
Die Phönikiſchen Patäken waren, fo wird und aus dem Pfeudo-
Sanchuniathon berichtet, von Cufebius (1. 10), fteben Söhne Sydyk's
*) Bei Aelian (11. 10) heißt cs, eine nicht Allen befannte Angabe der Aegyp⸗
tifchen Bropheten ift die, daß der König Menis nad) einem Thier zur Ber:
ehrung fuchend, den Stier vorzug als das ſchönſte. Artapanus bei Eufer
bins (9. 27) fagt: Mephren fey der Einfuhrer des Stiereults geweien, |. unten.
17/4 6
82 Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäfos.
oder Zadyk's, zu denen noch Esmun als achter Fam, welcher mit vem
Arztgotte AsElepios verglichen ward. Daß bier die Zahl ver Patäfen
mit fleben als einen gefchloßenen Kreis umfaßend gelten follte, get
beftimmt au8 dem Namen Esmun hervor, denn diefer beveutet acht, mb
man würde, wenn der Kreis nicht wirklich fleben umfaßt hätte, nicht wohl
von einem achten reden Tonnen, dem man auch ein anderes Wefen alt
den fieben zufchrieb; denn außer Esmun wird Feiner feiner Brüder je wit
Asflepios verglichen, fo wenig als ihrem Vater Zadyk eine folche Eigen
Schaft zugefchrieben wird. Das hebräifhe Wort Zadik, der Geredhte, zeigt
uns, dag die Semitifchen Patäfen, die Kinder der Gerecdhtigfeit waren,
Dieſes trifft ganz genau mit Phthah überein, neben welchem in ven Abbil⸗
dungen auf den Denfmälern die Göttin Da zu fehen ift, und Ma beißt
im Negyptifchen Gerechtigkeit und Wahrheit. Daß die Patäfen aber Shhne
der Gerechtigkeit heißen, kann nichts weiter bezeichnen, als daß ihr Weſen
ein gerechtes ift, fo wie die neben Phthah ſtehende Ma daſſelbe bei ihm
bedeutet. In den Legenden heißt er Herr der ma, ver Wahrheit md
Geredhtigkeit, und eben fo nennt ihn Jamblichus (8. 3) den Herrn der
Wahrheit, welcher in ihm den mit höoͤchſter Wahrheit und Kunft alles
vollendenden Gott erkennt, welcher als Wächter ver Wahrheit und Wels
heit, der die Kraft ver verborgenen Begriffe an das Licht bringt, Amun m)
als MWohlthäter Ofiris heißt. Doch Fehren wir von biefen Träumen zum
Phthah zurück. Diefer nun wird nicht immer als nadtes Kind Dargeftellt, fi
fondern erfcheint auch in einer mumienhaften Umhüllung, aus ver ein
glocken- oder Fapfelartige8 Ding am Naden herunterhängt, was fich auch fi
bei andern in ähnlicher Umhüllung eben fo findet. Auf dem Haupte trägt
er eine enganfchliegende Kappe und hält in ver Hand ven fogenanmtn
Nilmefjer, (d. i. ein Werkzeug mit einer Reihe von gleichmäßigen in vie
Queere gehenden Abtheilungszeichen), welcher ein Bild ver Beſtaͤndigkek
war, und fih aud in einer Art der Darftelung des Oftris mit deßen
Haupt verbunden zeigt. Gerechtigkeit und Beftänvigfeit find Begriffe,
welche einander fehr nahe treten und bei dieſer Gottheit ficherlich ein
und diefelbe Hauptfeite ihres Weſens bezeichnen follen. Auch ſteht Pink
auf einer Elle. Was bedeutet aber die jogenannte Zwerggeſtalt, over dat
Pogmäenhafte? Betrachten wir die erhaltenen Abbildungen des Phthah,
welche nadt find, fo ſehen wir nichts weiter als ein mehr oder mind
dickes Kind, und dürfen in ven Patäfen fowohl, als im Ptah Kinder
erblidlen, die allerdings Leicht, wenn ihre Formen vol gehalten werden
und von ungefchidter Sand gefertigt find, wie manches Patäkenbild auf
Phönififchen Schiffen nicht gerade ein vorzügliches Kunftwerk gewefen fen
mag, zwerghaft oder pygmäenartig erfcheinen mögen.
Auf dem Haupte des Ptah finden wir ven Käfer, und diefer gehört
ihm als eines feiner Zeichen, und Tann mit Sicherheit als noch einem .
Btah, Phthah, der fogenannte Hephäſtos. 83
rn Gotte gehörig, nicht nachgewieſen werden. ) Der Käfer galt
r, daß er eine Eleine Kugel von Erde bilde und dieſe vor ſich Her
3e, welche Kugel man denn auch, aber erft in fpäterer Zeit für ein
der Welt nahm, wiewohl wir mit viefer Auslegung das Wefen des
ı nicht erklären fünnen, da und nichts denſelben ald den Schöpfer
Biloner ver Welt zeigt, wozu es auch feiner fieben Patäfen in Kinder⸗
t bedurft hätte. Diefer Auslegung, die noch obenvrein vorausfept,
das hohe Altertum die Erde als eine runde Kugel angenommen
‚ oder gar dad Weltall ald eine ſolche betrachtet habe, da fie doch
nur eine der fpäteren Auslegungen ift, laßt fich jede andere zur
e fielen, da e3 fi) darum Handelt, eine zu finden, welche zum Wefen
Ptah paße und ſich überhaupt als geeignet ergebe. Es kann der
r, welcher die Kugel vor ſich ber rollt, ein Sinnbild ſeyn des Gottes,
ber die Sonnenkugel, denn biefe ward als eine runde Kugel dargeſtellt,
yartö rollt, ver Bewegung des Himmeld entgegen; denn daß vie Sonne
der Bewegung des Himmels entgegen bewege, ift eine fehr alte Wahre
wung. **) Grklären wir daher ven Batäfen für ein Kind, weil an
*) Unter ven heiligen Booten haben Manche zu ihrer finnbildlichen Verzierung
den heiligen Käfer, überbedt von den Flügeln der beiden Ma; alfo ftellte
man biefe beiden dem Phthah gehörigen Wefen zufammen und zwar fo,
daß die Gerechtigfeit das, was der Käfer finnbildlich bedeutet, ſchützte.
*) Sorapollo (1. 10) fagt: um das Gingeborne zu bezeichnen, oder bie Ent⸗
fehung, oder den Vater, oder die Welt, oder den Mann, malen fie den
Käfer. Das Cingeborne, weil dies Gefchöpf ohne Mutter ifl; denn das
Mäunchen bildet, wann es zeugen will, aus Rinderfoth eine Kugel von der
Geſtalt der Welt, die es von Of nah Wet wälzt, felbft nach Oft blickend,
wie die Welt fih von OR nach Weſt bewegt, während die Sterne ſich von
Weſt nah Oſt bewegen. Diefe Kugel nun verfcharrt es acht und zwanzig
Tage lang in die Erde, wie lange Zeit der Mond braucht, die zwölf Himmels:
zeishen zu durchlaufen. Am neun und zwanzigften öffnet es die Kugel und
wirft fie in das Waßer; denn an diefem Tage treffen Sonne und Mond,
meint er, zufammen, und er ift der Geburtstag der Welt, und wann bie
Kugel im Waßer geöffnet ift, Fommen die Käfer draus hervor. Entſtehung
bezeichnet der Käfer eben deßhalb, den Vater aber, weil der Käfer nur einen
Bater und nicht auch eine Mutter Hat; die Welt, weil feine Entftehung
weltähnlich ift; ven Mann, weil es bei den Käfern Fein weibliches Gefchlecht
giebt. Der Käferarten aber giebt es drei. Die erfle iſt Faßengeftaltig und
Reahlenartig, weßhalb man fie der Sonne zum Sinnbild geweiht Hat, und
es hat auch jeder Käfer dreißig Zehen, wie der Monat dreißig Tage. Die
zweite Art iR zweihörnig und flierähnlich, welche dem Mond geheiligt ift,
wie auch die Aegypter das Sternbild des Stiers für die Erhöhung ber
Mondgottheitausgeben. Die dritte ift einhörnig und von befonderer Geftalt,
welche fie dem Hermes, gleich dem Vogel Ibis, geweiht haben. Werner
giebt Horapollo (1. 12) an: um ben Hephäftos (Phtha) varzutellen, malen
6*
sa Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäftos.
jedem Morgen ver Tag neugeboren wird, und nehmen an, er ift der Gott
des Tages. Plutarch (11) fagt und, daß die Aegyter die Sonne darſtellen
ald ein aus Lotus neugebohrened Kind, momit fie ven Gedanken hätten
ausdrücken wollen, es entzünde fi die Sonne aus dem Feuchten. De
der Lotus das Bild der Entſtehung war, fo beveutet die angegebene Dass
ftellung nichts weiter, als tie Sonne warb gebohren. Die Aegyptifchen
Denfmäler zeigen auch wirflid ein Kind auf dem Lotus figend, mit dem
Binger am Mund, aljo mit ber Gebärvde des Saugens, und bie bier
glyphiſche Injchrift nennt es Hau, welches Wort den Tag bedeutet, um
diefes ijt eben jene Darftellung, deren Plutarch gevenft, wobei zu bemerfex
ift, daß die Benennung Tag zwedmäßiger iſt; denn ed ift ja nicht die
ursprüngliche Erfchaffung der Sonne gemeint, fondern ihre tägliche Wieder
geburt, fo daß ver Begriff des Tages dabei beſonders hervortritt. Wie
nahe übrigens die Auffafung von der immer wieder erneuten Geburt de
Tages oder der Sonne an jevem Morgen liege, ließe ſich leicht aud dem
Gebrauch des Ausdrucks nachweiſen; ed mag aber ein einziges Beifpiel
genügen von einem Dichter, deßen Ausprudsweife befonverd vorzüglich iſt
Sophokles fagt in ven Tradjinierinnen (94): Helios, welchen vie fterbende
Nacht gebiert und dann wieder zur Ruhe bringt.
Nach dieſer Erklärung ift ver Name Patäke, Eröffner, leicht verſtaͤndlich;
fie den Käfer und den Beier; um Athena (Reith) darzuftellen, den Geier
und den Käfer, denn die Welt fcheint ihnen aus dem Männlichen un
MWeiblihen zu beftehen. Diefe beiven Götter aber find allein bei ihnen
mannweiblih. Plutarch (74) meint, der von den Aegyptern verehrte Käfer
gehöre zu den dunkeln Bildern ver göttlichen Macht, denn er Habe fein
Weibchen, fundern thue feinen Samen in ein von ihm felbft gemachte
Kugelchen, und wälze diefes, indem er es entgegen tretend fortfloße, wie
die Sonne gegen tie Bewegung des Himmels zu gehen fcheine, vom Unter:
gange nah dem Aufgange. Well nun der Käfer fein Weibchen hat, fo
haben, fagt derfelbe (10), die Krieger den Scarabäus auf ihren Ringen ald
ein Zeichen der Mannheit. Clemens der Alerandriner in den bunte
Schriften (5. S.237) giebt an: die andern Sterne ftellen fie wegen ihres
fhrägen Laufes als Schlangen dar, die Sonne aber unter dem Bilde eine
Kifers, da diefer eine runde Figur aus Rinderkoth bildet und fie mi
entgegengefegtem Geficht rollt; auch heißt es, er bleibe fechs Monate unte
ber Erde, die übrigen fechs bringe er auf derfelben zu, und er befame bie
Kugel und zeuge fo; ein Räferweibchen aber gebe es nicht. Blinius (30. 11)
fagt: der Käfer, welcher Kugeln rollt, weßwegen ein großer Theil Aegypten
ihn unter den Gottheiten verehrt, weil er nach Apions Erflärung Aehnlichkeit
in feinem Thun mit der Sonne hat. — Uebrigens fand man zu Theben
einbaljamirte Käfer, und dargeftellt fieht man fle mit Köpfen von Menfchen,
Eperbern, Widdern und Kuhen. Ev hat man auch als Sinnbild den
Löwen mit dem Menſchen-, Widder- und Sperberfupf gebildet, fo daß man
zwei Sinnbilder durch Thiere in eins verband. ä
Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäftos. 85
r eröffnet nämlih an jedem Morgen den Simmel, welchen die Nacht
erdeckt, eingehüllt oder verſchloßen hatte Daß auch diefer Begriff ſich
icht Darbiete, zeigt die Griechifche Dichtung von den Horen, welche ven
immel, over was vaffelbe ift, ven idealen Olympos, welcher mit Pforten
rfeben ift, täglih öffnen und wieder verfchließen. Die Patäfenzahl
ieben erflärt fih auf dieſe Weife ebenfalls ganz leicht, denn fie ift im
Rient und in Xegypten fchon in einem hohen Alterthum als die Zahl
ner Zeitabtheilung als eine geheiligte Zahl befannt. Da man nämlich; fah,
8 ver Mond ſich viermal in je fieben Tagen verändere, aus welchem
erhältniß fich auch die Zeiteintheilung der Woche gebildet hat, fo ward
efe Zahl eine geheiligte, und indem man die Patäfen als die täglichen
immelseröffner als fieben Brüder nannte, hatte man fie al3 die Eröffner
ler Tage bezeichnet, indem man fie damit zu Göttern aller der jiebentügigen
eitfreife gemacht hatte. Die georpnete Zeit ift eine feſt beſtimmte Sache,
we Ordnung iſt eine gefeglihe und Geftändige von einem richtigen und
nwandelbaren Maafe, woraus fidh erklärt, warum der Grieche die Horen
u Xochtern der Themis, d. i. der gefeglichen Ordnung madıte, und
warum Ptah das Bild ver Beitänpigfeit Hat und auf der richtig meßenden
Elle ſteht; venn die Ele war auch ein Sinnbild der Geredhtigfeit, und
ie welche der Stolift in ven Aegyptiſchen Feſtzügen trug, hieß grade zu
Sfle der Geredhtigfeit, fo wie audy die Geredhtigfeit ven Ptah zur Seite
teyt. Gerechtigreit aber ift mit Geſetzlichkeit in vieler Hinficht eins, denn
erecht ericheint, was richtig ift, und fo fann man alles, was bei einer
Sache ald das Richtige angenommen wird‘ ein ©erechtes heipen. So
ıennt die griechifche Infchrift des großen Sphinx die für Aegypten beite
Höhe der Nilüberfhwemmung, die gerechte, was nach Griechiſchem Spracdh-
ebrauch, die richtige beveutet, und Plutarch (43) bevient ſich des gleichen
lusdrucks von dieſer Suche *). Iſt nun der Patäke das, wofür er
rklärt werden zu müßen fcheint, fo verfteht man auch leicht eine Benennung
ed Ptah, welche er in den Injchriften der Denkmäler zu Theben und
Memphis führt, wo er nämlich der Herr der Panegyrien heißt, d. i. ver
reißigjährigen Perioden; denn er ift dann Herr der Zeit und aller ihrer
Beriopden.
Wie ver Käfer die Kugel vor ſich hermälzt, fo mwälzt Ptah die Sonne
ver fih ber, der Bewegung ded Himmels entgegen, und die Infchriften
der Denkmäler fagen von ihm: Ptah, der fein Ei in dem Himmel wälgt.
*) Dh Letronne in feinem Buche über die Infchriften in Aegypten Recht
habe, wenn er annimmt, die Elle der Gerechtigfeit, welche der Stolift trug,
fey die gefeßliche oder richtige Elle, wonach die Niluberfhwemmung gemeßen
ward, muß dahin geftellt bleiben, wenn glei Sozomenus in feiner
Kirchengefchichte (1. 8) den Nilmeßer eine Elle nennt.
86 Btah, Phthah, der fogenannte Hepbäflss.
Denielben Ausprud finden wir vom Sonnengott gebraucht, denn eine
Inichrift nennt den Ma ‚Herr der beiven Welten, der in der Sonne
fcheibe thront, der fein Ei bewegt, der geoffenbaret ift in dem Abgrunde
des Himmels. Chen fo heißt auch Ra der Herr der Panegyrien.
Por der Schöpfung der Welt war Feine geordnede Zeit, Kein Tag,
und erft mit der Orbnung von Tag und Nacht, begann die Ordnung ber
Welt. Die Mofaiihe Schöpfungdgefhichte fagt: Und Gott ſprach, &
werde Licht, und es ward Lidht. Und Gott fah, daß das Licht gut wer
Da ſchied Gott das Licht von der Finfternig. Und nannte das Licht Tag,
und die Finfternig Nacht. Da warb aus Abend und Morgen der erfe
Tag. Auch die Heſiodiſche Theogonie wußte nichts Anderes zu fagen, ald
daß die Urnacht des Chaos ven lichten Aether und den Tag zuerft hervor
brachte. Der Menſch vermag Fein Erſchaffenwerden zu denken, ohne ben
Begriff der Zeit, fo wenig als er ein Seyn ohne benfelben aufzufaßen
vermag, fo daß ihm Leben und Zeit zufammenfallen, und pas Leben fi
ihm auf das innigfte an den Begriff ver Zeit Enüpft und mit ihn
verſchmilzt. Tritt nun die Schoͤpfung mit dem Tag, d. 5. mit vem
Anfang der georoneten Zeit, in die Wirklichkeit, dann iſt es nad ver
oben verfuchten Erklärung vom Wefen ver Patäfen ganz natürlich, vaf
man den Ptah an die Spike der Zeit ftellte, als ven erften in der Reihe
der Götter, welche vor den menſchlichen Königen herrfchten. Daß man
ihm eine Zeit von neuntaufend Jahren zutheilte, flimmt nicht mit ber
gewöhnlichen Aegyptifchen Berechnung nach großen Zeiträumen, va fir ſ
hiezu die Hundfternperiode nahmen, deren fle fiebenzehn auf vie Zeit vor M
der menfchlichen Serrichaft rechneten. Es ift daher dieſe Zahl wiͤtahrucſ
angenommen, oder fie beruht auf einer Urt ver Berechnung, und wen |l
letzteres der Ball ift, fo find zwei Zahlen dabei im Spiele. Die Zahl |r
drei nämlich bedeutete dem Aegypter die Vielheit, und auf dieſem Grund
beruhen auch mohl ihre Zufammenftellungen von drei Gdttern in ber
Tempeln; venn daß mit dieſer Vereinigung nicht immer der Gott, die fi
Göttin als feine Gemahlin, und zum dritten ein Kind verfelben umfaßt
wurde, zeigt ſchon zur Genüge die Dreiheit Kneph, Sate und Anuke,
welche leßtere nicht für eine Tochter jener galt und auch nicht als Kin
oder als jugendlih zu ihnen gefügt ward. Phthah war Herr der Pane⸗
gyrien, d. i. der breißigjährigen Perioden, und nehmen mir die Vielhei
der Zahl Hundert, d. i. Dreibundert, fo erfüllt die Zeit der Hertſchaft
des Ptah von der Schöpfung an, gerade den Raum von breihunbert
Panegyrien. Doch dieſes dürfte nicht die richtige Vermuthung über bie
Zahl der Herrichaftsjahre des Phthah ſeyn, fondern cher angenommen
werben können, die Apisperiode von fünf und zwanzig Jahren fey mit ber
Zahl der Tage des Jahres breihundert und ſechzig, mit Weglaßung ber
Zufagtage, multiplieirt worden. Ein ſolches Verhaͤltniß würde wenigftend
Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäftos. 87
für den Gott, welchem der Apis gehörte, geeignet geweſen feyn, fo daß
er ein ganzes Jahr von Apisperioden regiert hätte. Wenn dies auch nicht
bie Abficht gewefen feyn follte, den: Phthah gerade neuntaufend Jahre
zuzuſchreiben, fo bliebe es dann allerdings einigermaßen auffallend, daß
viefe Zahl eine begründete Berechnung zuläßt, von allen übrigen aber,
welche den Goͤttern und Halbgöttern zugetheilt werven, Feine auf bekannte
Berechnungen zurüdgeführt werden kann. Auf Ptah folgt in ver Götter«
herrſchaft Ra, ven Andere auch geradezu an die Spige ftellten, eine
Anficht, welche mit der von Ptah als dem zuerft herrfchenden Gotte
genau genommen, auf eins herauskommt; denn e8 foll ja nichts weiter
mit beiden ausgenrüdt werden, ald daß die Schöpfung mit dem Kichte
begann, mit welchem die Zeit gefchaffen ward. Die aber, welche Phthah
zuerft herrichen ließen, nannten nur den Ra feinen Sohn *), ver nad
ihm geherrfcht Habe, welche alfo die Sonne zu einen Sohn des Tages,
des Lichtes machen, und diefe Anſicht würde ſich recht gut mit der Mofai-
ſchen Schöpfungsgefchichte vertragen, welche auch zuerft das Kicht und
vurch daſſelbe den Tag erfchaffen läßt und die Schöpfung der Sonne fpäter
fegt, mie auch der Grieche in Apollon und Ares und der Römer im
Mars Lichtgötter befaßen, die nicht eigentliche Sonnengdtter waren. Mußte
die Schöpfung mit dem Tage beginnen, weil der Menfch eben fo wenig
ein Etwas ohne geit wie ohne Raum zu denken vermag, fo Fann nichts
natürlicher feyn, als daß Phthah der Vater der Götter heißt, wie er in
Infhriften genannt wird, (auf ven Heliopolitanifchen Obelist zu Nom
nach Hermapions Erklärung) denn vor ihm, vor der Zeit konnte es nichts
geben von beftimmter Form und individuellem Leben.
Mit der Zeit verknüpft fih dem Menfchen vie Idee des Seynd und
des Lebens, denn leben ift dad Seyn in der Zeit. Daher werben in ven
Aegyptiſchen Denkmälern die Jahre eined auf den Palmzweig gejchrieben,
welcher ald Sinnbild der Panegyrien ein Sinnbild der Zeit war, und
dieſes beveutete einem gleichlam Lebensjahre zutheilen, wovon unten bei
Thoth die Rede feyn wird. Der Keim im Mutterſchooße ift an die feftbe-
Rimmte Zeit gebunden, er entwidelt fih in beftimmter Friſt, tritt zur
gefeglichen Zeit an das Licht, und lebt fefte, beſtimmte Zeitfriften ala Kind-
heit, Jugend, bis zum Manned =» und Greijenalter, und ſcheidet, wann er feine
Reit, feine Jahre erfüllt hat, aus der Zeit und dem Leben. Eben fo
dad Thier, und auch bei der Pflanzenwelt ift die Wirkung ver feftbe-
ſtimmten Zeit zu erfennen. Daher ift der Herr der Zeit auch ein Kerr
bes Lebens, und das Leben felbit erfcheint und wird angefchaut als eine
Reihe won Zeit.
*) Auch Cicero in der Schrift über die Natur der Götter nennt den
Ptah als Vater des Ra (Vulcan als Bater der Sonne).
Ss Ptah, Apis.
Mit Ptah ſehen wir in Memphis den
Apis.)
verbunden, und wir müßen denſelben in ſeiner Bedeutung, die aus den
Verhältnißen, welche wir von ihm wißen, erkannt werden muß, mit Ptah
in Einklang zu bringen ſuchen. Wie der Widder, wie der Bock, ſo iſt
der Stier ein Sinnbild der Zeugung, der Fortpflanzung des Lebens, weil
er der Befruchter der Heerde if. Wenn daher neben dem Gotte dh‘
Tages, der Zeit, fi) dad Sinnbild der Bortpflanzung findet, fo deutet
dieſes Sinnbild, der Apis, die Beziehung des Lebens zur Zeit, Ptah gegen
über ven Apis, die Beziehung ber Zeit zum Leben an. Zuerſt müßen
wir und verfihern, daß Apis wirklih ein Sinnbild der Bortpflanzung,
der Zeugung gewefen; denn wenn gleich nichts anders erwartet werben
zu koͤnnen ſcheint, fo ift er doch anders gedeutet worden. Die ficherften
Gründe zur Erfenntnig folder mythologifchen Dinge finden wir in ven
Gebräuchen, weldde in Beziehung auf fie beobachtet wurden. Hören wir
daher, was und Tiodor (1. 85) erzählt: nach der Beftattuug des tobten
Apis, fuchen die Priefter, welche dazu beftimmt find, ein Kalb, welches
die nämlicyen Zeichen bat, wie der vorige, und wann fle es gefunden
haben, fo läßt das Volk von der Trauer ab. Die Priefter aber, denen
die Beſorgung defjelben obliegt, führen das Kalb zuerft in die Nilftadt,
in welcher fie e& vierzig Tage lang füttern, dann thun fie ed in ein mit
einem Gemache verſehenes Schiff, in welchem ein vergolvetes Häuöchen
ift, und führen es wie einen Gott nad) Memphis in ven heiligen Bezirk
des Hephäſtos (Solinus 132. nennt hundert Vorfteher, welche das Apiskalb
nah Memphis bringen, doch Plinius, welchen Solinuß in dem was er
über den Apis fagt, ausgefchrieben hat, melvet diefes nicht.) Während ver
vorbenannten vierzig Tage, dürfen ed die Frauen fehen, vie fich vor dad
Kalb ſtellen, und ihre Kleiver aufhebend, ihm ihre Schaam zeigen,
hernach aber Dürfen fie nie wieder dieſem Gotte vor Augen Eommen.
Diefe Meldung Diodors ift das Entfcheidenpfte, was uns über den Apis
überliefert worven ift, abgerechnet feine Zufammenftelung und enge Vers
bindung mit Ptah. Der derbe Brauch der Frauen zeigt ihn als Sinnbild
*) Unter Kaiechos ward Apis nebſt Mneuis und dem Mendeſiſchen Bock zuerft
verehrt nach Manethos bei Synfellos. Artapanus bei Eufebius (9. 27)
fagt, Kephren, der Zeitgenoße des Moſes, habe den Apis zu göttlicher Ehre
erhoben. Auch wird Diefe Erhebung unter Afeth, den zwei und breißigften
König, der die fünf Zuſatztage zum Jahre fügte, geſetzt. In der fpäteren
Römerzeit feheint man Memphis des Apis zu berauben Luft gehabt zu haben,
denn Spartianus erzählt in dem Leben Hadriang (12), daß unter diefem
Imperator Streit gewefen fey, wo Apis fich befinden fulle.. — Mumien von
Stieren, wie von Kühen, hat man häufig zu Theben und anderwärts gefunden.
Ptah, Apis. 89
er Zeugung und Fortpflanzung, und es iſt nicht der Vermuthung Raum
u geben, dieſer Brauch ſei eine Erfindung ſpäterer Zeit; denn er hätte
uch Da nur entftehen fünnen, wenn man ben Apis ald das genannte
Sinnbild betrachtete, und falls er es nicht von Anfang an war, iſt fein
(8 genügend anzufehender Grund zu finden, welcher in fpäter Zeit eine
olhe Anficht hätte veranlagen Eonnen. Vollkommen damit übereinftim-
nend ift der Aufenthalt des Apisfalbes in ver Nilftant; Denn nirgends
onnte das Sinnbild ded Seegend und der Fruchtbarkeit befer zum vollen
Bedeiben heranwachſen und gleidyfam eingeweiht werven, ald in der Stadt
es Neilos, von welchen: Aegypten unmittelbar feinen ganzen Seegen empfteng.
Steht Apis ald Sinnbild der Bortpflanzung und des Lebens in feiner
Beziehung zu Ptah, dem mahren Einne nad), in Beziehung zur Zeit, fo
ag es nahe, das Leben vefjelben mit Der georoneten Zeit zu verbinden,
nd eine Zeitorpnung, melche ſich ungefähr mit demſelben vertrug, mit
bm zu verfnüpfen. Daher gab ed eine beſtimmte Friſt, über welche
hinaus er nicht leben durfte, wie und Plutarch meldet, welcher (56) fügt,
daß der Apis fünf mal fünf Jahre zu leben habe. Dies ift vie fünf und
zwanzigjährige Apisperiode, welche ſich als Periode der Philippifchen Aera
in ven Ptolemäiſchen Handtafeln (109) findet, fo wie im fechöten Buche
des Almageft Tafeln find zur Berechnung ver mittleren Neu- und Voll:
monde, weldye fünf und zwanzigjährige Räume umfaßen. Dieſes bezieht
fi) auf die Monpphafen, die nach ſolchen Zwifcyenräumen wiederum aufs
Neue mit den nämlichen Tagen des Uegyptifchen Jahres für längere Zeit
zufammentrafen. Daß aber viefe Periode auch fonft beachtet ward, zeigt
und vie Zahl der fogenannten KHermesfchriften bei Manethos, welcher
diefelbe auf 36,525 angiebt, d. i. die fünf und zwanzigfache Summe der
Hundäfternperiode. Die nämlihe Zahl wird den dreißig Dynaftien
Aegyptens in hundert und dreizehn Gefchlechtern zugetheilt in der angeblich
alten Ehronif bei Synfellos, und in diefer großen Zeit fol vie Bewegung
des Thierfreifed vom Anfang des Widders bis wieder zurüd zu dieſem
erfolgen. Das legtere Fann in älterer Zeit auf Zeitbeftimmungen in
Aegypten nicht gewirft haben, venn die Bewegung des Thierfreifes, oder
die Vorrückung der Nachtgleichen wird ald von Hipparch entdeckt angegeben,
un für eine frühere Entdeckung liegen Eeine Bemeife vor.
Die ältefte Nachricht über ven Apis ift die, welche und Herodot (3. 153)
geht. Er fagt von dem Könige Pfammetichos: dieſer hat zu Memphis
dem Apis einen Hof erbaut, worin dverfelbe, wann er erfcheint, ernährt
wird, und der Hof ift ganz mit einem Säulengang umgeben und vol
Bilder, doch flatt auf Säulen zu ruhen, ift derfelbe auf zwölf Ellen hohe
Kolofie geftügt. Dann (3. 28) meldet Heropot, was man ihm über den
Ayis erzählt habe, er fey nämlidy ganz der Griechifihe Epaphos, und ſey
dad Kalb einer Kuh, die noch nicht im Stande fey, eine andere Frucht
90 Ptah, Apip.
zu empfangen, ein Strahl des Himmels aber berühre fie (felten wirb er
gebohren und zwar durch himmlifches Feuer empfangen, jagt Pomponins
Mela 1. 9), und davon gebähre fie den Apis. *) Diefes Kalb Kat
folgende Zeichen: es ift ſchwarz und hat einen vieredigen (wenn es nid
etwa bat heißen follen, einen dreiedigen) weißen Fleck auf der Stirme,
auf dem Rüden aber das Bild eines Adlers, im Scweif zweifache Haar
und einen Käfer auf oder an der Zunge Plinius (8. 71) aber fagt,
der Käfer ſey unter der Zunge.
Daß man in einem Fleiſchgewächſe an oder unter der Zunge einen:
Käfer erblidte, wozu gewiß eine beveutende Nachhülfe der Einbildungs
Eraft erforderlich war, Eonnte nur daher fommen, daß der Käfer dem Ptah
gehörte, fo daß man meinte, ver Apis des Ptah müße denſelben ebenfahs
haben. Was aber das von Herodot erwähnte Bild des Adlers auf vem
Rücken des Apis betrifft, welches freilich nur von einer ftarfen Einbilnung
Eraft darauf entvecft werden Fonnte, wenn man es durchaus fehen wollte,
jo laͤßt fi) dagegen ein Zweifel ausfprechen. Im Befige der Miß Roger?
befindet fih ein Apis von Bronze mit einem dreiedigen Fleck auf ber
Stirne und der Sonnenfcheibe zwifchen den Hörnern, welcher vier Streifen
von Verzierungen hat, die von dem Rüden an beiden Seiten über ven
Leib ſich erftreden, wie man aus der Abbildung bei Wilkinfon fehen kan
(Sitten und Gebräudhe des alten Aegyptens 1. Serie 2. ©. 349 um 2.
©. 113). Auf zweien dieſer Streifen nun findet fi der Geier mit
ausgebreiteten Schwingen, keineswegs aber der Adler, ven wir bei ben
Aegyptern nicht ald Sinnbild einer Gottheit zugegeben oder verehrt finden.
Er hätte bei dem Apis nicht einmal die Hieroglyphe für den Anfang
feines Namens ſeyn Fünnen, da der Name des Aplerd mit einem a beganı,
welches er daher vorftellen Eonnte, der des Apis aber mit einem h, bem
Aegyptifch heißt er Hapi. Herodot Eonnte über dieſen Punkt fich ſelbſt
um fo eher täufchen oder getäufcht werben, ald ihm, dem Hellenen, ber
Adler ein Vogel war, den er leicht für heilig erfannte, wogegen der Geier
in diefer Hinficht ihm fremd erfchien. Diefe Sache aber iſt nicht fo geringe
fügig, dag fie etwa unferer Betrachtung nicht werth wäre; denn war
wirklich der Adler ald ein Bild auf dem Rüden des Apid angenginmen,
dann ift es für uns völlig unverflänplich, Liegt aber bei Herodot eis ‘
Täuſchung zu Grunde, und bat und das erhaltene oben erwähnte Bild in
dem Geier nicht ein fpäter untergefchobenes, ſondern ſchon zu Herodot
Zeit gültiges Apiszeihen aufbewahrt, wofür alle Wahrſcheinlichkeit ſpricht,
*) Lucian fagt in der Schrift von den Opfern profaifcher und natürlicher,
man wähle den Apis aus einer Rinderheerde, wo man einen vorzüglid
fhönen und ausgezeichneten finde. Auch nennt ihn diefer Schrifieller den
größten Gott der Aegypter.
Ptah, Apis. o1
fo ſtimmt dies vortrefflich mit dem Weſen des Apis überein, denn der
Geier bezeichnete den Aegyptern die Mütterlichkeit, und hieroglyphiſch wird
die Benennung des phalliſchen Zeugungsgottes Khem, Gemahl oder Stier
der Mutter durch das Bild eines Stiers und eines Geiers dargeſtellt,
welche ausdrücken: Ka-mut d. i. Stier der Mutter. Indem nun der
Stier Apis das Bild des Geierd auf dem Rüden trägt, tft Stier und
Mutter gleichiam vereinigt, und das Sinnbild der Zeugung in feiner
ganzen Vollkommenheit bargeftelt. (Horapollo (1. 12) wie ſchon oben
bemerft worden ift, nennt den Hephäftos (Ptah) felbft mannmweiblich und
fagt, man male ven Käfer und Geier als fein Sinnbild zur Bezeichnung
dieſes Verhältnißes. Die Denkmäler beftätigen zwar feine Darftellung des
Ptah ala Geier oder mit dem Geier, aber dieſe Angabe eined nur mit
Vorſicht zu gebrauchenden Schriftftelers darf und zur Beſtätigung des
Geiers am Apis dienen.) Jene Hieroglyphe des Stierd und Geiers, indem
fie ven Gott als mit der Mutter zeugend dbarftellt, zeigt aber auch im
Allgemeinen, daß der Stier den Aegyptern ein Sinnbild der Zeugung
und Befruchtung war. Auch die ſchwarze Barbe des Apis hat Beziehung
auf Fruchtbarkeit, denn Aegypten hieß das fchmarze Land, und fein ſchwar⸗
zer Boden war ver fruchtbare, weßhalb auch der Gott der Zeugung und
Fruchtbarkeit Khem, vd. i. der Schwarze, hieß. So wenig daher eine Kuh
in Aegypten getödtet werden durfte, meil fie ald Sinnbild des Gebährens
und Lebensſeegens geheiligt war, eben fo wenig durfte ein ſchwarzer Stier
getöptet werben, und es mußten fogar die Stiere, weldde man opfern
wollte, zuvor unterfucht werden, weil man feinen opfern durfte, der auch
nur ein ſchwarzes Haar an fi hatte. Herodot (2. 38) erzählt darüber:
Die (ſchwarzen) Stiere glauben fie dem Epaphos (Apis) heilig, weßhalb
fie viefelben prüfen, und wenn man auch nur ein wenig ſchwarzes Haar
an einem findet, fo gilt er nicht al8 rein zum Opfer. Der dazu verord-
nete Priefter unterfucht pas Thier, wobei ed aufrecht geftelt und auf ven
Rüden gelegt wird. Auch zieht er ihm die Zunge heraus, um zu fehen,
06 fie frei jey von den Zeichen, vie fle nicht haben darf (nämlich ob fi
nicht der Käfer daran finde, welchen Apis hat). Auch vie Haare des
Schweifes unterſucht er, ob fie fo gewachſen find, wie fie feyn follen
(d. h. ob fie nicht denen des Apis gleichen, denn der Stier, welcher dem
Wis in einem Merkmal glich, galt als Theilhaber feiner Heiligkeit, und
durfte nicht getöbtet werben). *)
*) Die in den Sculpturen vorfommenden Stiere zum Opfer fowohl, wie zum
Ehen, find ſchwarz und rothgeflecht, im Widerfpruch gegen Herodots Angabe.
Daß Herodot in einer folden Sache als Augenzeuge der Hegyptifchen
Gebräuche ſich getänfcht haben fullte, oder daß er in einer Sache, wobei ihn
zu Häufdjen für bie Megypfer gar Fein Grund zu denken if, betrogen worten
92 Ptah, Apis.
Stellt man den Apis als Sinnbild der Zeugung mit dem Geier, dem
Sinnbild der Mütterlichkeit, auf dem Rücken, dem Ptah zugefügt, als
Memphitiſchen Cult zur Vergleichung mit dem Thebiſchen zuſammen, fs
muß ſich einem gleich vie innere Einerleiheit verfelben aufpringen. In
Theben ift der zeugende Ammon, der ein Kı= mut, ein Stier der Mutter
heißt, mit Mut, d. i. der Mutter, zufammengeftellt. Was Stier u
Geier in Memphis bedeuten, Zeugung und Mutterfchaft, ward in The
durch zwei menfchliche Geftalten dargeftellt, und wie in Memphis Ptah
ein Zeitgott in Beziehung zu der Zeugung und Geburt fteht, weil die
Entwidelung des Keimd im Mutterfchooge und in der ganzen Natur an
eine gefegmäßige, feftbeitinnmte Zeit gebunden ift, bis er zum Leben an
das Licht und in Die Reihe der Tage, Monden und Jahre tritt, vie ihm
auch zugemeßen find, fo fteht neben Ammon und Mut Khonfo in Theben,
mit dem Zeichen der Beftändigfeit, und ganz wie ein Ptah dargeſtellt,
welche Darftelung fchon beweißt, daß er in derfelben vie Idee des Ptah
ausdrücken fol.
Nach Herodot ward befonverd ein mondförmiges Zeichen am Als
hervorgehoben, metches zu erwähnen dieſer Gefchichtfchreiber entweder nicht
der Mühe mwerth hielt, oder nicht vermochte, weil es zu feiner Zeit noch
nicht beftand. Daß uber die Zeichen des Apis in fpäterer Zeit gehäuft
wurden, läßt fich nicht bezmeifeln. Plutarch (43) giebt an, der Apis fey
dad befeelte Bild des Oſiris, und er entſtehe, wenn dad zeugenve Licht
des Mondes die brünftige Kuh treffe, und darum babe ver Apis auch viele
niondförmige Zeichen, vie ſchwarz umgeben feyen. Plinius (8. 71) nennt
an der rechten Seite einen weißen led von der Geftalt des wachſenden.
Mondes, und Ammianus Marcellinus (22. 14) fagt: dieſes fey unter den
verfchiedenen Zeichen dad hauptſächlichſte. Doc Strabo (808) melde,
lange nad SHerodot nur von einem weißen Fleck auf der GStirne und
einigen weißen Flecken an dem Körper. Jedoch Aelian in feiner Natur
geſchichte (11. 10) fagt, die Aegypter flimmten nicht mit Herodot um
Ariftogorad über die Zeichen des Apis überein, fonvdern behaupteten, e&
feyen deren neun und zwanzig, die fie auf die Sterne, die Nilüberfchwens
mung, die Geftalt ver Welt u. f. w. zu deuten verftünden. Der Scholiaf
des Ptolemäus weiß fogar von dem Wunder, daß ver Schweiß des Api
mit dem Monde wuchs und abnahm; denn nicht bloß follte der Apis mit
dem Dfiris in Verbindung ftehen, fondern man deutete ihn auch in
Beziehung zum Monde. Diodor (1 21) giebt an, vie allen Aegypten
fey, ift nicht anzunehmen, fondern wir müßen uns diefen Wiederfpruc fo
erflären, daß wir die Farbe in diefen Sculpturen nach Belieben ohne
Ruckſicht auf den heiligen Brauch für das Auge der Natur gemäß gewählt
anfehen.
Ptah, Apis. 93
heiligen Stiere Apis und Mneuis feyen dem Oſiris geweiht, denn der
Stier fey für den von Oſiris erfundenen Aderbau fehr nützlich. Bei ver
ſtönigsweihe zu Memphis heißt es fogar bei dem Scholiaften des Germa-
nicus, freilich einem fpäten Gewährdmann, werde dem Apis das Joch aufs
jelegt und er damit geführt. Etwas fonderbar muß ed und fcheinen, daß
bei den vielen Nachrichten über den Apis, dieſe fich fonft bei Feinem
Schriftfteller findet, wa® und aber nicht berechtigt, fie geradezu für eine
Erfindung zu halten.) Andere aber wollten, da der Stier Mneuis in
beliopolis, d. i. Sonnenftadt, verehrt wurde, dieſer fey der Sonne geweiht
ind Apis dem Mond, wie Theoppret in feiner dritten Rede an die Griechen
agt, womit Ammianus Marrelinus (22. 14) übereinftimmt. Bei Eufebius
3.13) beißt es, er fey dem Mond geweiht und trage Zeichen der Sonne
nd des Mondes an fi, feine ſchwarze Farbe nämlih und der Käfer
ınter der Zunge feyen die Zeichen der Sonne, der Halbmond an ihm
das Zeichen des Mondes. Es ift Daher nicht zu verwundern, daß man
bei jolchen Deutungen den Mneuid zum Vater des Apis, d. h. gemißer-
maßen die Sonne zum Vater des Mondes *) machte, wie wir bei Plutardh
(33) leſen, daß der dem Oftris heilige Mneuis (Plutarch blieb, wie man
fiebt, dem Dfiris in Hinficht auf die heiligen Stiere treu) ald Vater des
Apis galt, daß er auch ſchwarz geweſen und dem Apis zunächſt verehrt
worden ſey. Warum aber ver Sohn den Vater an Ehren überragt habe,
und das befeelte Bild des Oſiris, dem ja auch der Mneuis geweiht gewefen
ſeyn follte, in höherem Grade war, als fein Vater, weiß uns Plutardy
nicht zu fagen, und Doch ward dieſe Angabe durch das Verhältniß des
Ra und Ptah zu einander nicht begünftigt.
Auch Diodor (1. 8) giebt an, man fage, die Seele des Oſiris gebe
in ven Apis über und wandere immer von einem Apis in den andern
folgenden, und deßwegen werde er fo fehr verehrt, und dazu bemerft er,
e8 werde noch vieles Andere von ihm erzählt, was Alles anzugeben zu
weitläufig fey. Weber die Art, wie diefer Stier zu Memphis behanvelt
ward, berichtet Plinius (8. 71), verfelbe habe zu Memphis zwei SHeilig-
thümer, Gemächer genannt, vie dem Volk zu einer Weißagung dienten;
denn wenn er bei feiner Ankunft in das eine gehe, fo fen vied eine
glüdliche Vorbeveutung, gehe er aber in das andere, fo fey es ein fchlimmes
Yichen. Den Leuten, fo fährt Plinind fort, weißngt er die Zukunft
durch, daß er Sutter aus ihrer Hand annimmt, und Germanicus, **)
*) Freilich bei Macrobius (1. 21) ift Apis ein Bild der Sonne, und dem
Porphyrius bei Eufebius (3. 13) ift er wohl Sonne und Mond, wo nicht
noch mehr, da er die Zeichen von Sonne und Mond an fi trägt.
**) Auch Beipaflın befuchte den Apis, wie wir aus Suetonius’ Leben deſſelben (5)
fehen, und Wlerander der Große opferte, fagt Arrian in. der Beichreibung
9a Ptah, Apis.
deßen Sand er verfchmähte, ſtarb nicht lange nachher. (Lutatius zu dei
Statius Thebais [3. 478] giebt an, es weißage der Apis die Zufunft pure
die Bewegung feines Körperd und durch gewiße Zeichen, und Die
Laertius [8. 9] erzählt eine Gefchichte ungefähr wie vie des Germanicus:
Als nämlich Eudorus mit dem Priefter Ichnuphis zum Apis am, Tedig
ihm dieſer ven Mantel, woraus die Priefter weißagten, er werbe b 9
werden, aber fein hohes Alter erreichen. Wann er, der fonft n
öffentlich zu fehen ift, ſich öffentlich zeigt, machen ihm Diener Play, uch
es begleitet ihn eine Schaar von Knaben, die ein Lied zu feiner Ehr⸗
fingen, und wie plöglih von Begeiſterung ergriffen, weißagen fie Zukinfe
tiges. Einmal im Jahre wird ihm eine Kuh gegeben, und es beißt, Dieg
ebenfalls mit befonderen Zeichen verfehen, werde an dem nämlichen Tage
wie Apis, gefunden, und flerbe an dem nämlichen. Jaͤhrlich wirft mad
zu Memphis in die Phiale, d. i. die Schaale, wie eine Stelle im Mi
heißt, eine goldene und eine filberne Schaale bei ver Geburtätagsfeier dab
Apis, welche fieben Tage dauert, wobei das Wunber ftattfindet, daß bir
Krokodile dieſe Zeit über Niemand antaften, die aber am achten Tage
nach der fechsten Stunde ihre Wiloheit wieder befommen. Daß ver Api
übrigens die Ehren, die man ihm erwies, verachtete, bemerkt Plutarch im
Leben des Kleomened (©. 821) und wir haben feinen Grund, bares
zu zweifeln.
Ob vieler fpäte Bericht eines Romers vie Verhältniße genau des
Wahrheit gemäß enthalte, kann bezweifelt werben, doch im Allgemeinen |
darf man ihn nicht der Unwahrheit zeiben; denn daß der Apis auh a
ben Bereich der Weißagung gezogen war, ſehen wir auch von Anbers &
berichtet. Aelian fagt, daß Knaben vor feinem Hetligthum fpielend mr A
Springend begeiftert mit Rhythmus Zukünftige prophezeien. Pauſaniati
aber (7. 22) erzählt von ver Hermes» Weißagung zu Pharä in Achaia,
ver davon Weggehenve halte fih die Ohren zu, und nehme, wann eꝛ
berandgefommen und die Ohren wieder freigelaßen, die erfte Stimme, die
er höre, ald Weißagung, und fol eine Weißagung fey auch in Dem
Heiligthume des Apis bei den Aegyptern. Da es auch jonft in Aegypten
vorfam, daß man auf die zufällig geiprochenen Worte von Knaben, wenn
fte an heiliger Stätte waren, achtete und fie als Vorbeveutungen anſah,
fo mag die angegebene Weißagung durch die Knaben darauf hinauslaufen.
Strabo erzählt und: Es ift ein Hof vor dem Verſchluße des Apif,
in melden Hofe ein zweiter Verfchluß fich befindet für die Mutter dieſes
Stiered. In diefen Hof laßen fie den Apis zu gewißer Zeit, und befon-
des Zugs defielben (1. 3) zu Memphis fowohl den andern Göttern, als
auch dem Apis, und veranftaltete einen gumnifchen und muflfchen Wettkampf.
Leider aber fagt ex uns nicht, was Alexander vera Anis qenhfent Kat.
Ptah, Apis. 95
vers, um ihn den Fremden zu zeigen; denn man fleht ihn ſowohl durch
bie Thüre in dem Verfchluß, ald auch, wenn man will, außerhalb deſſelben.
Doch wann er ein wenig in den Hof herumgefprungen ift, thut man ihn
wieder in feinen Aufenthalt. Sein Heiligthum Tiegt aber bei dem bes
dephaͤſtos. Aelians Erzählung (11. 10) flimmt nicht in Allem genau
‚wet denen der Anderen überein, fie lautet nämlich alfo: Wann fich bei
kn Aegyptern der Ruf verbreitet, ver Gott Apis fey gebohren, fo geben
He von den heiligen Schreibern, bei welchen die Kenntniß feiner Zeichen
wm Bater auf den Sohn vererbt, dorthin und errichten eine nach Oſten
gefehrte Wohnung, worin fie ihn vier Monate lang mit Milch nähren.
M er nun ſoweit herangewachfen, dann lommen beim Neumond die hei«
Ngen Schreiber und Propheten, machen ein heilige Schiff und führen
in auf demfelben nach Memphis (Hundert DVorfteher begleiten ihn in
tefe Stadt, fagt Solinus 32), wo er eine angenehme Wohnung, Tiebliche
Aufenthalts- und Spielpläge hat (Eudokia befchreibt fogar feine Krippe),
md wo Wohnungen fchöner Kühe für ihn find, die er befpringt, wann
er will. Auch iſt ein Brunnen dort und ein Duell für ihn, denn er
wird wit aus dem Mil getränkt, weil deßen Waßer fett macht und er
nicht fett ſeyn fol (was auch Plutarch 4 meldet). Herrlich aber wird
mit Aufzügen, Opfern u. f. w. die Erfcheinung des neuen Gotted von ven
Hegyptern gefeiert, der aber, in deßen Heerde er gebohren ift, gilt für
Räcklich und wird bewundert. Die Aegypter vergleichen ven Apis mit
Dros, dem Urheber aller Früchte und deuten auch feine Zeichen auf die
Mannigfaltigkeit verfelben. Auch fonft noch fabeln fie Manches über ihn,
jagt Aelian, eben fo wie Diodor. Wenn fie einen Apis fanden, fagt
Ammianus Marcellinus, weißagten fie daraus Fruchtbarkeit des Feldes
und mandherlei Gutes.
Es iſt oben bemerkt worden, daß der Apis nur fünf und zwanzig
Jahre leben durfte; dieſes aber meldet und zuerſt Plutarch, und wir haben
anfer ver Apispetiode nichts, was dieſe Nachricht betätigen Ehnnte. Darum
it fie aber nicht gerade zu bezweifeln, nur find wir nicht berechtigt, viefes
Todten des Apis dem höheren Altertfum Aegyptens zuzufchreiben, fondern
mäßen es dahin gefehlt ſeyn lapen, ob es ein uralter ober ein fpäter ein«
gefährter Brauch geweſen fey. Diodor zwar erzählt (1. 84): als Ptole⸗
wind Lagi Aegypten in Beſitz genommen hatte, flarb der Apis vor Alter
m Memphis. Der, welcher die Beftattung zu beforgen hatte, verwandte
de dafür vorhandene bedeutende Summe darauf und borgte noch fünfzig
Eilbertalente dazu von Ptolemäus. Diodor hat offenbar nichts von dem
für ven Apis fefgefebten Alter gewußt, denn wenn man ihn bei ber
Erreihung des fünf und zwanzigften Jahres töbtete, fo konnte man von
dem früher fterbenven nicht jagen, er fey vor Alter geftorben. Auch Hero⸗
dot wußte nichto davon, benn das Toͤdten eines fo heiligen Thiered vote
96 Ptah, Apis.
für ihn merkwürdig genug geweſen, um es zu melden. Doch folgt natürlich
nicht daraus, daß es nicht dennoch hätte ſtattfinden können, ohne zur
Kenntniß Herodots oder Diodors zu gelangen.
Ueber die Beſtattung des Apis meldet Plutarch (35), welcher dag
Bild des Oſiris in demſelben und in dem Oſtris den Dionyſos erblickte,
und fagt, er wolle zwar das Geheime nicht enthüllen, was aber die Pr
öffentlich bei ver Beftattung des Apis thun, wann fie feinen Leichnam
einer Faͤhre bringen, fey nicht vom Bacchiſchen verfchieden, denn fie Hängk
Rehfelle um, trügen Thyrſusſtäbe und fchrieen und bewegten fi, wie
von Dionyſiſchem Orgiasmus Ergriffenen. Liegt hier nicht, wie es af
gewiß fcheint, eine Täuſchung zu Grunde, fo wäre diefer Aufzug
Griechiſchen Einfluß jo geftaltet worven; denn das Rehfell war
priefterlihe Umbüllung der Aegypter, fonvdern dad Leoparpfel.
nun fcheinen die Griechen mit ihrer Nebris verwechjelt zu Haben, weil fe
an ihren Dionyfod dachten, wozu fie dann der Vollftändigfeit wegen den P
Thyrſus fügten, flatt degen bei dem Aegyptiſchen Aufzug nur Palmzweige Wi
oder Lotus feyn konnte. Plinius giebt und die Art an, wie der Ay
getöptet worden feyn fol, indem er jagt, derſelbe dürfe eine beftimmie
Zahl von Jahren nicht überleben, fey dieſe erreicht, dann werde er getöäte
durch Untertauchen im Duell der ‘Priefter, und es werde bis zur Auffiw
dung eines neuen getrauert mit gefchorenem Haupte, doch pflege man balı
wieder einen neuen zu finden. Ammianus Marcelinus fügt hinzu, and ii
bie Kuh des Apis werde zu gleicher Zeit getüdtet. Als einen Brauch der a
Apisbeftattung berichtet Diodor (1. 96), Hermes führe nad) einer alten
Einrichtung die Leiche des Apis wohin, und übergebe fie dann einen
welcher die Maske der Karberos habe. Wenn wirklich ein ähnliches
fahren eingehalten worden ift, jo müßen wir annehmen, Anubis Habe
Leiche der T=am (Te- uom) d. i. der Berjchlingerin, denn dieſe verg
man mit den Kerberos, übergeben. Paufaniad (1. 18) jagt: bei ven
Aegyptern find viele Tempel des Serapis, den glänzenpften haben bie
Alerandriner, der ältefte ift zu Memphis, in welchen weder Fremde, noch J
felbft die Priefter gehen vürfen, bevor fie den Apis beftattet haben, um
fo ſpricht auch Clemens der Alexandriner in feinen Schriften vermifchten
Inhalts von der Beftattung des Apis, worauf er Sarapid werde, dem
darauf läuft Doch die Angabe des Paujaniad hinaus. Mebrigens meldet
Paul Lucas in feiner legten Reife (1. 345) bei dem Flecken Sacara fleige
man durch einen Brunnen hinab und komme in unterirbifche Grüfte, wo
man einbalfamirte Stiere in vergolveten und gemalten Mumienfaften finde.
Trotz dieſer Nachricht bleibt und ein Zweifel über die Beftattung des
Apis, wie ed nämlich damit gehalten wurde in vem Falle, daß er ki
Erreichung des fünfundzwanzigjährigen Alter getödtet wurde, und wie es
dann mit der Trauer um ihn beichaffen war.
Ptah, Apis. 97
Bon Kambyfes erzählten vie Aegypter dem Herodot (3. 27), als er
‚ah Memphis fam und das Breudenfeft über den gerade angefommenen
neuen Apis ſah, meinte er, dieſes gelte dem Untergange feines gegen die
: Immonier audgefandten Heered. Darüber nun fey er fo wüthend gewor⸗
vn, daß er dem Apis den Dolch in ven Bauch ftoßen wollte, jedoch nur
a Schenfel traf, woran aber das Thier in feinem Seiligthume ftarb.
VBahnfinn fey die Folge feiner Frevelthat gewefen, und fypäter habe er
ih Beim Auffteigen auf das Pferd mit feinem eigenen Dolch in ven
Echenkel verwundet, und zwar an der nämlichen Stelle, wo er ven Apis
ſjerwundet hatte und an biefer Wunde fey er geftorben. Noch übler als
Rambyfes gieng der Perfiiche König Ochus mit dem heiligen Stiere um,
sie und Plutarch (11) berichtet; denn er tödtete ihn nicht nur, fondern
peißte ihn auch, und vergütterte dagegen den bei den Aegyptern verhaßten
el, wie Aelian (10. 28) angiebt.
Am Buße der Mumiendedel findet fich zuweilen ein ſchwarzer Stier
nit dem Halbmond oder einem weißen led an Hüfte, Nafe, um die
Augen und an den Schenfeln, weldyer einen Leichnam mit einem rotben
Mantel bevedt fortfchafft, eilig nach ven Weiten. Manchmal ift viefe
Darflelung an einer in einem Grabe befindlichen Tafel zu fehen. Wilfin-
fon (1. 359) fah ein Bild an einem Denkmal an der Geite eines Bergs,
inen Stier mit der Sonnenfcheibe und Federn zwifchen ven Hörnern, und
yarüber die Injchrift „Ptah-Sokari-Oſiris,“ der Gott des Weften, von
ver entgegengelegten Seite eine vom Berg herfommenvde Kuh mit einem
ihnlichen Kopfſchmuck und den langen Hörnern, wie fie Athor gemöhnlich
yat. Ueber viefer aber findet ſich ver Name ver Iſis als Infchrift. Ptah⸗
Safari - Dfiris ift eine Vermifchung von Ptah und Ofiris, wie denn auch
Ptah in ver Stellung des Oſiris mit den fledigen Kleid des Ofiris um
die Schultern und dem Federnſchmuck mit der Sonnenfcheibe auf dem
Saupte, zwei fogenannte Kufuphafcepter in den Händen über der Bruft
haltend, abgebilnet worven iſt (bei Wilkinfon Tafel 23, wo Ma neben
vem Ptah fteht). Gerade wie auch Sarapis, jedoch ohne flediges Fell
und mit Geißel und Krummftab vargeftelt if. (Bei Wilfinfon Tafel 31)
Gleicht nun in diefer Darftelung Ptah dem Oftris, fo gleicht dieſer wiever-
um jenem, indem er auch mit dem Zeichen ver Beſtändigkeit auf dem
Saupte dargeftelt ward, wie auch Ptah im Bilde zu fehen ift, und zwar
fo, daß dieſes Zeichen ſelbſt über fein Geficht geht. Diefer Stier, welcher
den Todten trägt nad) Welten, d. i. nach dem Todtenreich, ift der Meber-
ſchrift nach zu urtheilen ver Apis des Ptah, und dieſem Gotte wird eine
Verbindung mit dem Tode zugefchrieben. Da er Herr der Zeit und bed
Lebens in der Zeit ift, fo ift es natürlich, ihn, ohne ihn gerade zu einem
Todedgotte vorzugsweife zu machen, mit den Ende des irpifchen Lebens
in Verbindung zu bringen, und weil in der Aegyptiſchen Mythologte Med
IN. 7
98 Ptah, Apis.
bei dem Tode aufer der DVerfchlingerin Tam oder Teuom auf ein neue
Leben deutet, den Stier des Ptah, ald Sinnbild der Bortpflanzung u
des Lebens den Geftorbenen zum Leben im Amenti bringen zu lafen, w
er dem Sinnbild des Gebährens, der Kuh begegnet, die der Iſis, der eig
gebährenden Mutter gehört, weldye dem Abgeftorbenen immer wieder neun
Leben folgen läßt. Solche Vermifchungen von Göttern aber, wie bie
Ptah und Oſiris, treffen nur einzelne Eigenfchaften verfelben, in
fie übereinftimmen, bemeifen aber nicht eine nähere Verwandtſchaft Ike
ganzen Welend. Was der Name des Apis bedeute und warum der Stier
des Ptah venfelben führe, läßt fih nicht mit Gewißheit fagen. Aegyptig
lautete er hapi und wir finden ‚das nämliche Wort in dem Namen '
Nil, hapi-mau, was obngefähr, da das zweite Wort Waßer beveutet,
viel heißen muß als Herr ver Waßer over ähnliches; ſodann finden wir
auch einen hapi- Osiris, mit Stierfopf und dem Sonnenfreid zwiſchen bes
Hörnern. Das Aegyptiſche hap heißt richten (koptiſch hap, hep) und d
fünnte daher wohl hapi Gericht und Richter bedeuten; wie man aber diefen
Begriff auf den Stier des Ptah, auf ven Nil und den ftierföpfigen Of
anwenden £önnte, leuchtet nicht ein. Daß dennod der Name hapi damit
zufammenhängen könne, ift möglich, falls der Begriff des Richters in einen
weiteren Sinne als ver eined Ordners, Herricherd, genommen worden
wäre *) Wir thun aber am beften viefen Namen fo lange auf 14
beruhen zu lagen, bis fich eine unzweifelhafte Erklärung veffelben entdecken
läßt. Ueber die berührte Verbindung der Idee des Todes mit Ptah fol
am Ende dieſes Artikes noch ein Wort folgen.
Kehren wir zum Ptah zurüd, fo dürfen wir der Erzählung Heron
(2. 141) nicht vergeßen, da fie den Schein haben kann, und über
weitered Sinnbild des Ptah zu belehren. Unter den Königen näm
weldye aus dem Prieſterſtande auf den Thron gefegt wurden, befand
Sethos, der MPriefter des Hephäſtos. Diefer behandelte, fo lautet de
Sage, die Krieger geringfchäßig, und nahm ihnen ihre Xänvereien. As
nun aber Sanadharib, der König der Araber und Aſſyrer heranzog und
bie Krieger nicht fechten wollten, gieng er in feiner Noth in ven Tempel
des Gottes, und Elagte demfelben feine Rage. Darüber fdhlief er ein mu
träumte, der Gott trete zu ihm heran und ermuthige ihn, gegen Wr
Beind zu ziehen, denn er werde ihm helfen. Im DBertrauen auf dieſt
Traumerfcheinung machte fi) der König mit den Uegyptern, die ihm treu
blieben, auf und zog nach Pelufium, wo ver Eingang in das Land if,
*) Reuvens (lettre 3. p.50) fand in einem Bupyrus erwähnt: Oſor⸗Apis und
Dior Mneuis, wie er fagt, was aber wohl, wie auch anderwärts das vers
meinte Oſor, Sefor heißen wird, d. i. Zührer, oder gleiche Bedeutung hat,
fu daß beide heilige Stiere den Namen des Fuhrers haben.
Ptah, Apis. 90
und lagerte ſich daſelbſt mit ſeinen Leuten, beſtehend aus Handwerkern,
Krämern und den Müßigen des Markts. In der Nacht Fam dann ein
Heer von Mäufen unter die Feinde, die ihnen Köcher, Bogen und pie
Handhaben der Schilde zernagten, fo daß viefelben, als fie fih anı andern
Morgen wehrlos fahen, die Flucht ergriffen. Herodot fah die Bilpfäule
dieſes Königs bei dem Tempel des Hephäſtos aufgeftellt, welche eine
Mans auf der Hand trug und mit folgender Injchrift verfehen war: Sieh
mich an, und ſey fromm. Diefe Erzählung mag erfunden worden fern,
am die Maus auf der Hand ded Sethos nebit der Infchrift zu erklären,
wie und denn die Griedyiihe Mythologie des Apollon eine ähnliche
Grzählung darbietet, um vie Heiligkeit der Maus zn erklären. Wiemohl
zun Mumien von Mäufen und Ratten gefunden worden find, fo fennen
wir doch nur ein Beifpiel von ver Seiligfeit der Mäufe in Aegypten,
and zwar nur der Spigmäufe, welche der Gdttin in Buto heilig waren.
Kökte Herodot eine Spigmaus in der auf der Hand des Sethos befinplichen
erkaunt, fo würde er e8 ficherlich bemerft haben, und fo fcheint es eine
ſolche nicht geweſen zu ſeyn. Sogar aber, wenn e8 eine ſolche geweſen
wäre, vürften wir fie fchwerlich dem Ptah zueignen und auf eine Verbin⸗
bung befielben mit ver Bdttin zu Buto ſchließen; denn weder fann dies
Thier fonft bei Ptah nachgewielen werden, noch läßt fi) von den, was
vas Bild des Sethos darbot, geradezu auf den Gott, deßen Prieſter er
geweien, fchliefen. Somit müßen wir die Maus auf der Hand des Sethoß
mnerflärt lagen, und können fie nicht mit Ptah als ein Sinnbild einer
feiner Gigenichaften gelten laßen, fo lange fich nicht ein beßerer Beweis
dafũr finvet, als vie von Herodot überlieferte Sage. *) Eben jo wenig
sermdgen wir es zu beftinmen, ob Aelian (12. 7) Recht habe, indem er
-angiebt, die Aegypter hätten ven Löwen dem Hephäſtos geweiht, weil er
sin feuriges Ihier fey; denn diefer Schriftfteller einer fpäteren Zeit gehört
*) In der Bibel wird uns im erftien Buche Samuels (5. 4) erzählt, daß die
Philifter, als fle den Kindern Ifraels die Bundeslade genommen, und dafür
durch Bottes Hand an heimlichen Orten gefchlagen wurden, ihre Wahrſager
befragten, wie fle das Mebel los werden follten, und daß diefe ihnen aufs
gaben, die Bundeslade zurückzuſtellen und folgendes Schuldopfer dazu zu
fügen: fünf goldene Aerfe und fünf goldene Mäufe, nach der Zahl der funf
Furſten der Philiſter; „denn es ift einerlei Plage geweſen über euch Alle,
und über eure Zürften. So müßet ihre nun machen gleiche Geſtalt euren
Aerſen und euren Mäufen, die euer Land verderbet haben, daß ihr dem
Bott Iſraels die Ehre gebet.“ In der vorhergehenden Erzählung ift fein
Wort von Mäufen, welche das Land der Philifter heimgefucht Hätten, fondern
einzig und allein von der Plage an beimlichen Orten, und es fcheint au
bier die Mans eine finnbildliche Bedeutung gehabt zu haben, wie zu Vuto
bie Spitzmaus ein Sinnbild der Göttin war.
7*
100 Ptah, Apis.
nicht zu den vorzüglichen Gewährsmännern, und außer ibm meldet Niemand,
dag der Löwe den Ptah gehört habe. Der Grund, ed fey die feurige
Natur dieſes Thiered die Urfache diefer Verbindung gewefen, ift in fe
weit wenigſtens faljch, al8 Aelian den Veuergott meint, was Ptah durch⸗ Mi
aus nicht war.
Ein anderes Sinnbild aber fommt weiter bei dieſem Gotte in Betracht ie
welches vollfonmen zu den oben erörterten Wefen des Gottes vortrefflich
paßt und durch ein anderes Sinnbild unterftügt wird. Wir finden nämlii;
auf ven Denfmälern einen frofchköpfigen Gott, welcher einen Käfer übe
fih, und das Götterfcepter, und das Zeichen des Lebend in den Händeg
hat (Wilkinfon Tafel 25). Der Käfer ift ein fichered Kennzeichen j
Ptah, und er gehört, wie ſchon oben bemerkt worden ift, feinem anverek
Gotte an, welcher als ein eigenthümlicher Gott erfcheint, denn bei va
vielen Beinamen der Götter Täpt fi) von einem bloßen Namen durchau
fein Schluß auf einen befonveren Gott ziehen, fondern wir haben öfter
nur in einem foldyen eine befondere Benennung eines Gottes, vefen
gewöhnlicher oder allgemeiner Name anders lautet. Darum find wi
berechtigt, den Ptah anzunehmen, wann uns ein Bild einen Gott mit deu
Käfer zeigt, e8 müßte denn ein foldyes durch andere Zuthaten und infchrift
lihe Angaben als entſchieden einen andern Gott darſtellend erfcheinen.
Diefer Fall Eönnte bei dem frofchföpfigen Gotte allerdings ſtattgefunden
haben, wenn der Froſch mit dem Weſen des Ptah unvereinbar wäre M,
Wir finden diefed Thier an ven Palmzmeig des wie Ptah vargeftellten
Khunfu und an dem des Thoth unten fitend, der Palmzmweig aber frei,
die Zeit dar, und hat gleihen Namen mit dem Jahr, denn beive heifen
rempa. Sn fofern nun der Brofch ſtets an dem Bilde der Jahre erfchei
ift e8 gar nicht gevenfbar, daß er nicht eine Beziehung zu venfelbe
gleichviel melche, gehabt habe, und da Ptah ver Herr der Panegyrien,
deren Sinnbild jener Palınzweig mit dem Froſche ift, heißt, und nach der
obigen Erklärung eine Gottheit der Zeit ift, fo muß der Froſch ale en
paßendes Sinnbild für ihn gelten. Horapollo fagt, dieſes Thier ftelle ven
menfdhlichen Embryo vor, *) aber dieſe Angabe feheint eine fpäte Deutung
zu enthalten und dem alten Aegypten ganz fremd zu feyn; doch Tommi
für die Sache nichts auf die Richtigkeit oder Unrichtigfeit dieſer Auslegung
an, denn die Thatſache fteht feit, daß ver Froſch ſtets am Sinnbild ve
Sabre und Perioden ift, und fich daher für den Gott der Zeit und dei
Lebens, den Seren der Perioden eignet. Wilkinfon (1. 257) giebt an,
ein Mann mit aufgehobenen Armen fey dfters ein Emblem des Ptah,
*) Horapollo (1. 25) fügt: den noch nicht ganz entwicelten Menfchen darzu⸗
ftellen, malen fie den Froſch, weil derfelbe aus dem Schlamme des Flußes
entfteht, fo daß man ihn zuweilen halb Froſch und Halb erdartig fieht.
Ptah, Apis. 101
und wenn dies wahr wäre, fo würden bie in der Hieroglyphe des frofch-
föpfigen Gotted vorkommenden aufgehobenen Arme dahin zu beziehen feyn,
jener Dann aber trefflich paßen ; denn in den Hieroglyphen bedeutet ein
Mann mit aufgehobenen Armen, den Panegyrienzweig auf ven SKopfe,
und auch ohne diefen Zweig, haa-n-rempa, d. i. Freude der Sahre, und
feine Bezeichnung koͤnnte für Ptah geeigneter feyn.
Eine Gottheit, welche die Sonnenfcheibe mit dem Uräus auf dem
Saupte, oder ohne diefe mit dem Käfer über dem Haupte erfcheint, führt
ben Namen To⸗ra, d. i. To⸗Sonne, alfo To die Sonne, wie Ammon
auch Ammon=ra heißt, nämlich als König, als Glänzender, Herrlicher,
mit der Sonne verglichen. To Fann die Welt bedeuten; aber daß viefes
Wort das nämliche fey, welches in vem Wort Tora enthalten ift, kann man
nicht behaupten. Er findet fich in den Todtenpapyrus und auf Monu—⸗
menten, und bat auch die Inſchrift To-Nute, d. i. der Gott To, fo wie
er auch Vater der Bdtter genannt wird und in einer Barke ſich
befindet. Diefelbe Benennung hat auch Ptah, und nehmen wir ven Käfer
dazu, fo fühlt man ſich veranlaßt, Tora für einen der Namen des Ptah
zu halten.
Der Patäke Phthah erfcheint gewöhnlich grün, doch auch weiß, und
Champollion im Pantheon (1. Tafel 8) giebt drei Bilder des Phthah—
Sofari, gelb, die rechte Hand an die Peitſche erhoben und mit der linfen
den Phallus haltend, während das eine dieſer Bilder neben ven Menfchen-
fopf noch den Sperberfopf hat mit den Widderhörnern, der Sonnenfdheibe
und den Federn über den Köpfen. Das Halten des Schaamglievdes erklärt
Sorapollo (2. 7) als das Bild ver Enthaltfamkeit, und es iſt nicht zu
bezweifeln, daß dieſe Deutung richtig ſey, weil die Geberve des Haltend
geeignet ift, Hemmung auözubruden. Die gelbe Farbe iſt den Göttinnen
eigen, aber durchaus nicht den Gettern, und wir finden diefelbe noch bei
einem Amun, von weldhem Champollion im Pantheon (1. Tafel 5) eine
Abbildung gegeben hat nach einem Bruchſtücke eined Manufiript3 des
Herrn Duboid. Diefer ift ein blauer Käfer, der zu feinen Flügeln noch
die Sperberflügel hat, nekit einem gelben Krokodil- und Löwenfchwanz,
gelben Menfchenbeinen, vier gelben Menfchenarmen, den einen nach der
Beitfche haltend, mit einem andern Kufufafcepter vereinigt mit dem foge-
nannten Nilmeßer und ven Zeichen des Lebens, menſchlichem gelbem
Kopf, gelben Wipverhörnern mit Sonnenfcheiben und Federn darauf, auf
welchen fich der Uräus befindet. Diefe wunverliche gelbe Mifchfigur hält
nun ebenfalld das Glied mit einer der linken Hände. So ſehen wir denn
diefe in der Zeugung gehemmte Figur mit der Farbe der Göttinnen darge—
fellt, und in jenem wunverlichen Mifchbilde Phthah und Amun zu einem
Wefen zufammengewirrt, ftatt daß Phthah gleih Khunfu neben Amun,
deßen Zeugung unter ver Obhut und dem Einfluß des Phthah ſteht, hätte
102 Ptah, Api—s
geſtellt ſeyn ſollen. Was man damit bezweckte, die Zeugung bei Ans
und Phthah gehemmt darzuſtellen, und ob es damit zufammenbänge,
fie mit der Farbe der Göttinnen, gleihfam in unmännlichem Stande
gemalt wurten, ift und unbefannt. Der Phthah⸗-Sokari, als weiße Figw,
fteht audy auf der oben angegebenen Tafel auf einem Krofopil, bat
Käfer über dem Kopfe, und hält zwei Schlangen in den beiden A
Bei ver mannigfachen Anwendung des Sinnbilvded der Schlange läßt
fih nicht mit Gewißheit angeben, was fie in den Armen des P
Sokari bedeute.
Wir haben nun zum Schluß noch Figuren zu betrachten, welche
bie Patäken erinnern durch ihre kleine zwerghafte Geſtalt. Kinder aw
Größe, mit lockigen Bärten, thieriſch abſtehenden Ohren, haͤßlich aufge⸗
ſperrtem Munde und ſchlaff herabhängendem Zeugegliede bieten ſie einen
widerlichen Anblick dar. Einige find ſogar thieriſch geſchwänzt und tragen
Meßer in den Händen, wie ſie die Teuom, die Verſchlingerin hat, und
fo erblicken wir dieſen Zwerg in ſpäter Zeit dargeſtellt, gewaffnet wmit
Schild und Schwerdt, wie einen Nömifchen Krieger. Um die Idee web
Todes audzubrüden, hatte man die Teuom gebildet, theils ganz aub
verfchlingenven Tieren zuſammengeſetzt, theils aus Menſchen⸗ und Thier⸗
geftalt gemiſcht. Es iſt daher nicht wahrfcheinlih, daß wir in vielen
Viguren der häßlichen Zwerge geradezu noch einmal bie Idee des ver
ſchlingenden Todes haben, noch viel weniger die des Kriege; Denn ein
gewaffneter, häßlicher Zwerg eignet ſich nicht zu einem Kriegsgott, zw
welchem es eines Fräftigen Manned over Jünglings bedarf, mochte max
auch etwa das Wilde und Furchtbare des Krieges durch eine verzerris,
furdhtbare Gefichtsbildung ausprüden. Daß diefe Figuren außerdem nick
verfchienene Ideen ausprüden follen, fondern fi ſämmtlich auf eine
beziehen, wie die verfchiedenen Darftellungen ver Teuon auch nur eins
und dieſelbe Idee zur Erſcheinung bringen können, ift durchaus wahr⸗
fcheinlih, und dann muß das fchlaff herabhangende Zeugungdglien ale
für die ausgedrückte Ivee nicht unmefentlich in derſelben feine genügende
Erklärung finden. Nehmen wir vie SKinvergeftalten ver Aegyptiſchen
Mythologie, fo finden wir nur den jungen Horus ald Kind und außen
ihm die Sonne ald jungen Tag bei Plutarch, fo wie ven hau, dem Aag
auch dem Namen nah, nebft ven Patäfen, ven Tagen, wie fie oben
erklärt worden find. Mit den Patäfen nun möchten wohl viefe Zwerge
in ihrem Wefen zu vergleichen feyn und fi auf bie Zeit beziehen,
nämlich fo, daß fie die alten Tage beveuten, welche das Leben zu Cube
führen. War einmal der Tag als ein Kind im bilvlihen Ausdruck feit
ſtehend, und das Bild des Hau verbürgt diefe Darftellung mit Gewiß⸗
heit, fo blieben für vie alten Tage, d. i. die Tage des Alters, in welchen
bad Lebende raſch dem Tode zueilt, ebenfalls Feine anderen Darſtellungen,
Ptah, AUpte. 103
[8 durch ſolche Kinvergeftalten, aber mit den Zeichen des Alters und
# den Sinnbilvern der Zeritörung verſehen. So erklärt ſich ver alte
art und das jchlaffhangenvde Zeugeglied ald Zeichen, daß die zeugende
venskraft erlofchen ift, vie häplichen, fragenhaften Gefichter aber bezeichnen
3 Widerliche und Drohende ver Zerfiörung durch den Top, worauf auch
ie Waffen deuten. Sie Fünnen felbft als böfe, angreifenne Feinde
iſcheinen, gegen welche Feine Abwehr gelingt, und fo liegt der Zwerg
it dent Schwerbt und Schild, welcher ganz wie ein Krieger auftritt,
dt außer dem Bereich diefer Idee. Daß eine Mythologie, melche die
we ver Zeit und des Lebens als einer georpneten Zeitreihe mit dem
age als dem eigentlihen Wejen ver Zeit und ihrem Maaße, ohne
eichen man die Zeit nicht zu haben meinte, verband, mit dem Alter
e Idee alter Tage zu verknüpfen geneigt feyn könnte, kann man nicht
‚meifeln, und da die fraglichen Geſtalten fo erklärt werden Eönnen,
beint dieſe Anficht wirklich ftatt gefunden zu haben. Eine andere Auflö«
ang wird ſchwerlich leicht zu finden fegn, weil für den Top felbft, mit
xhen Idee dieſe Biguren dann allervingd in einem naben Zufanımenhange
Reben würden, ohne gerade damit genau überein zu flimmen, eine gınz
andere Form angenommen worden war, wie denn auch die Zwerggeftalt
ar denjelben weder geeignet fcheint noch genügend geveutet werden Fönnte.
tagt man vie hier verfuchte Erklärung gelten, fo hätten wir außer ven
igentlichen Patäfen nody eine Urt von Patäken, die wie jene Xebend-
Bottheiten , fo Todeögottheiten find, bei mweldyen die Erlöfchung der Zeuge
raft angedeutet ift, um zu bezeichnen, daß es dem Ende zu geht, wie
wi den eigentlichen Patäfen, ver Stier mit dem Geier auf dem Rüden
teht, ald Sinnbild der Zeugung und ded Lebend. Nimmt man aber das
hagliche mit Bartloden verſehene Bild für eine Darftelung des Thieris
hen, und allertings fehen diefe Befichter wie eine Miichung von Men⸗
hen und Thiergeſicht aus, fo würvden fie vielleicht richtiger bezeichnet ale
vie Tage, weldye dad Leben verfchlingen, (denn ihr aufgejperrter Mund
nöchte bildlich bezeichnen, wad der Name der Verfchlingerin befagt); denn
vie die Tage das Leben geben und man die Tage durchlebt, fo nehmen
fe e8 auch, und fie brauditen daher nicht gerade die alten Tage zu feyn,
Iondern konnten ald allgemeiner gefaßt gelten. Einen verfelben ſehen wir
wit umgehängtem Lömwenfel, viefes aber zu erklären, fehlt es und an
eisen ficheren Ausgangspunfte. Zwar ließe ſich der Löwe mit ven PBatäfen
In Verbindung bringen, und eine fcheinbare Erklärung diefer Erfcheinung
geben, aber diefelbe fteht zu vereinzelt, fo daß man ſich Feine befonvere
Wahrſcheinlichkeit von einer Erklärung verfpredyen darf. Auch ift Das
Alter viefes Bilds, welches ſich auf einem Thongefäß des Herren Käftner
in Rom finpet, nicht mit Gewißheit anzugeben, und doch möchte das Alter
bei einer Deutung dieſes Bilds von einigem Gewicht feyn. Uebrigens
104 Bubaſtis.
erwähnt Clemens der Alexandriner in den bunten Schriften (5. ©. 242)
als finnbilvliche Zeichen in der Vorhalle des Amuntempels, ein Knäbe
als Bild des Entftehens, einen Greis ald Bild des Vergehens, was zw
wenigften zeigt, daß die Aegypter derartige Ideen in Bildern barftellte
Bei Wilkinfon (Tafel 43 a) fehen wir ein Bild, welches aus fpäter Zei
zu flammen das Anſehen hat, enthaltend den jugendlichen Gott mit
Horuslode, in jeder Hand zwei Schlangen und einen Scorpion, dazu
der Linken einen Köwen, in der Rechten ein Thier, das einem Reh glei
oder einem Steinbod. Diefer junge Gott fteht auf zwei Krokodilen, u
eine Reihe Eleiner Bilder, die Scorpiongdttin Serf, eine Schlange haltern
Phthah als Patäfe, die Apt, die Nilpferbgättin, haltend Scorpion wi
Schlange, Neith, Ihoth, Sebaf u. f. w. umgeben venfelben, über feine
Kopfe aber ift ein Geficht, wie die oben beſchriebenen. Es ſcheint, m
hat hier ven Horus ald das neue, junge Leben unter dad Bild ver o
Zeit geftelt, um den Gedanken auszuprüden, daß dad Alter ſtets dur
neues, junges Leben befiegt und erfegt wird, wie man grell das dl
Geficht mit der Kinderlocke verbunden ſieht bei Wilfinfon (Tafel A ed)
Diefer alte, häßliche Kopf würde fih für die fogenannten Typhonier,
die fich auf Geburt bezogen, und von welchen unten die Rede feyn win;
Schlecht geeignet haben, wenn nicht dieſe oder eine ähnliche Idee daml
hätte ausegedrückt werden follen, und doch bilvet diefe Figur die Capitäle in dei
Typhonien, 3. B. zu Tentyris und fonft. Geſchwänzt findet fich viefl
Geftalt au, in jeder Hand ein Werkzeug wie ein Meer, aber au
ohne dies Werkzeug mit einem Kopfſchmuck, wie der ver Anufe, und in
anbetender Haltung vor dem jungen Horus, und es heißt von ibm, aM
bete feinen Herrn an. Die Hieroglyphe hat den Namen bs, alfo Bey
und eined Gottes Befa gevenft Ammianus Marcellinus (19. 12), welde
fagt, am Ende der Thebais Liegt Abydus *), wo einft dad Orakel ve
brelich fogenannten Befa war. Da wir aber von diefem gar nichts weiter
wißen, jo fünnen wir ihn nidyt mit der gefchwänzten Figur, von melden
hier die Rede ift, für einen und denſelben nehmen, zumal da mir bis
Bedeutung ded Namens nicht kennen.
Bubaftis.
Zu Bubaſtis oder Bubaſtos warb die von den Griechen Bubaftid
genannte und von diefen mit der Griechifchen Artemis verglichene und
daher auch Artemis genannte Göttin verehrt, welche nach den Infchriften
*) Weil Photius den H:ladius einen Befantinoer nennt, fo meint Cafaubon
zu des Spartianus Hadrian (14), auch Antinvpolis Habe einft den Namen
Beſa gehabt.
Bubaſtis. 108
ıfcht Heißt und jener Stadt den Namen gegeben bat. Daß fte bier
mittelbar auf den Ptah folgt, gejchieht darum, weil die Infchriften fie
er⸗Ptah, die den Ptah Liebende, und die Herrin von Memphis nennen,
d da fich Feine genauere und engere Verbindung mit einer andern
guptiichen Gottheit zeigt, fo ift die ihr angewiefene Stelle Feine ganz
waſſende für fie, und vielleicht ergiebt fih aus dem Folgenden, daß ſie
sflich mythologiſch mit Ptah zufammen gehört.
Die ältefte Nachricht über dieſe Göttin lefen wir bei Herodot (2. 156),
(her erzählt: Bei dem Heiligthum ver Leto in Buto ift eine ſchwim⸗
nde Infel, Chemmis genannt. Ich fah fie aber nicht ſchwimmen over
bewegen und wunberte mich zu hören, daß es ſchwimmende Infeln
e. Auf diefer ift ein großer Tempel des Apollon (Horus) nebft drei
ären, auch find Palmbäume darauf und andere, Fruchtbäume fomohl
wilde. Ueber dieſe Infel erzählen die Aegypter, Leto befam den Apollon
Iſis, um ihn zu bewahren, und barg ihn auf der ſchwimmenden Infel,
Typhon alles durchſuchte nach dem Sohne des Oſiris. Apollon und
temis aber fagen ſie, feyen Kinder des Dionyfos und der Iſis, und
to habe fie gerettet und gepflegt. Auf dieſe Darftelung hat das Beitreben,
Aegyptiſchen und Griechiſchen Götter als dieſelben zu betrachten, ein=
sirft, und da die Verbindung von Oſiris und Iſis nur den Jahres—
jen erzeugte, fo läßt fich bezweifeln, daß Pafcht urfprüngli eine Tochter
Oſiris war, während fie allerdings zu einer Tochter ver Iſtis ſich
ren Tonnte. *)
Ihr Wefen zu beflimmen, haben wir wenige Sülfdmittel, denn nur
Beftgebrauh und das Thier, welches ihr Sinnbild war, fo wie die
rgleichung mit Artemis, find dieſe Hülfsmittel, außer welchen wir von
em Bingerzeig über diefe Göttin verlaßen find; denn ihren Namen zu
ten vermögen wir nicht aus dem, was von der Xegyptifchen Sprache
alten iſt. Ihr Feſt gehörte zu ven ſechs großen allgemeinen Veften der
gupter und wird und von Herodot alfo befchrieben: Wann fie nad
ibaſtis fahren, fchiffen Männer und Weiber zufammen eine große Menge
der Gefchleihter in jevem Bahrzeuge. Von den Weibern haben welche
*) Juvenalis hat fie, wie es fcheint, nicht als Geburtsgättin angefehen; denn
er fagt in den Satyren (15. 8): Ganze Städte verehren den Hund, Feiner
die Diana, er müßte denn etwa an die Negyptifche Artemis gerade nicht
gedacht Haben. Dagegen ſagt Nikarch in der Griechifchen Anthologie: fo
geht die Verehrung der Bubaflis unter, denn wenn Jemand fo gebähren
wird, wie diefe, wer Fümmert fi) dann noch um bie Göttin. Ovid (Liebes:
gedichte II. 13. 19) fagt, Iſis helfe den Gebährenden und fey eine Gilei-
thyia. Er fann darin Recht haben, ohne daß diefes für die Erflärung ber
Paſcht irgend etwas zu bedeuten hat.
106 Bubafte.
Klappern und Flappern bamit, und von den Männern blaſen welde
der Flöte während der ganzen Fahrt, die übrigen Frauen und Mine
aber fingen und Elatfchen in die Hände. Wann fie aber binfchiffene
eine andere Stadt kommen, fo ftoßen fie mit dem Fahrzeug an das Zi
und machen es fo: einige, Weiber tbun, wie ſchon gefagt, andere mi
neden, indem fte fchreien, die Weiber in der Stadt, andere tanzen, aucupe
ftehen auf und entblößen ſich, die Kleiver aufhebenn. So madıen fie
jeder Stadt am Fluße. Wann ſie aber nach Bubaftis kommen, feiern fie
Veft mit großen Opfern, und e8 wird mehr Iraubenwein dabei verzehrt,
im ganzen übrigen Jahr, und kommen zufammen Männer und We EI
ohne die Kinder, an fiebenmalhunderttaufend, wie die Einheimifchen fu <
Aus diefer Befchreibung gebt hervor, daß das Feſt der Paſcht
allgemeines, fehr befuchtes und fehr fröhliches war, und daß die WoblE 12
diefer Göttin eine allgemeine, große und zur Freude flimmenve feyn must
Der Brauch der Frauen, wie er oben befchrieben if, deutet in fer &
derben Natürlichkeit auf Kortpflanzung oder Geburt und ein anderer &@4
defielben ift nicht wohl möglih. Da die Griechen diefe Gottheit als
mid gelten liegen, fo mußte eine Aehnlichfeit, groß oder Elein, vorbumm
ſeyn, und wahrlich, die Vergleihung mit Artemis und jener Geftgebnem 20
flimmen vortrefflich überein: Artemis war durchaus die Göttin der Gewan
die Schügerin der Frauen, und dieſes galt allgemein in Griechenland, =
Pafcht, durch jenen Brauch als Geburtsgättin erkenntlich, konnte mit Mi
vergliden werden. Cine Göttin der Geburt eignet fich zur DVerbinde
mit Ptah, denn der Herr ver Zeit ift der Herr des Lebens. Der Keim
im Mutterfchooße entwidelt ſich und tritt an das Licht im Laufe ein
feftbeflimmten, gefeglihen Friſt. Ptah hat ald Herr der georpneten geſep
lien Zeit eine große Gewalt über die Keime, die unter ver Obhut de
Geburtögdttin ftehen, und fo ift Pafcht mit Recht eine Mer⸗VPiah, vos
Ptah-Liebende, und heißt mit Recht eine Herrin von Memphis, als eim
dem Ptah innig verbundene, welche Verbindung aber nicht von der M
ift, daß fie die Gemahlin wäre, mit melcher er einen Seegen für we
Uegypter erzeugte, denn unter feiner Herrſchaft entwidelt fi ja nur dad
werdende Leben, welches die Geburtägdttin ſchirmt und glücklich an ie
Licht fordert, welches ebenfalls dem Ptah gehört, um unter deßen Obket
die Bahn der Zeitlichkeit zu durchwandern. Paſcht ift fagenfüpfig und die
Katze war ihr heiliges Thier, und zwar allgemein ein. jehr heiliges Thier,
wie ed mohl das Thier einer fo wichtigen Oottheit jeyn mußte. Herodot
(2. 66) erzählt und von demſelben: wiewohl ed viele Handtbiere giebt,
fo würde ed doch noch mehr derſelben geben, wenn es mit den Kapen
nit alfo ſich verhielte: Wann die Weibchen geboren haben, Iaufen fie
niht mehr zu den Männchen, vie deßwegen ven Weibchen die Jungen
rauben und fie töten, worauf die Weibchen wieder zu ihnen Tommen, da
Bubaſtis. 207
Ihier gern Jungen hat. Wann aber eine Beueräbrunft entfteht,
tes ih alfo mit den Katzen auf wunderbare Weife: Die Aegypter
aufeinander und geben Acht auf die Katzen, um das Köfchen unbe-
vie Katzen aber jchlüpfen zwifchen den Menfchen bin und flürzen
ı dad Feuer. Wann dieſes gefchieht, werden die Aegypter von großer
rergriffen. Stirbt aber eine Kae von felbft in einem Haufe, fo
m fih alle Bewohner vefjelben vie Brauen. Die geftorbenen Kagen
ı in heilige Häufer gebracht und dann einbalfamirt in Bubaſtis
un. So meit Herodot. Diodor (1. 83) erzählt, wer ein heiliges
mit Willen töbtet, wird mit dem Tode beftraft, wer aber eine Kabe
einen Ibis tödtet, ſey es mit Willen, fey es gegen feinen Willen,
id son der zufammenftrömenden Menge oft ohne Urtheilsſpruch auf
raufamfte zu Tode gebracht. Darum bleiben die, welche ein ſolches
hier erbliclen, aus Burcht weit weg von ihm, und rufen laut mit
gen und DBetheuerungen, daß fie e8 todt gefunden haben. Die
eEcheu in Betreff viefer Thiere ift jo tief gewurzelt, daß, als König
Bis von den Römern noch nicht zu ihrem Sreund erklärt war, und
Bel den aus Italien Anweſenden allen Eifer bewies und bemüht
um feinen Grund zu einer Klage zu geben, eine burch einen
getoͤdtete Kae, dennoch einen wilden Ausbruch hervorrief. Wie⸗
iefer die Katze nicht mit Willen getödtet hatte, jo ftrömte doch das
der Wohnung des Thäters zufammen, und weder bie vom Könige
itten Vornehmen, noch die Furcht vor Nom, vermochten den Mann
1, was Diodor felbft bei feinem Aufenthalt in Aegypten gefehen zu
erfihert. Zur Erklärung ver Heiligkeit der Kate leſen wir bei
ı (63) folgende gefucdhte Deutung: fie ftele nämlih den Mond
jen ihrer Buntheit, ihrer Thätigkeit bei Nacht und ihrer Brucht-
denn fie gebähre erft ein Junges, dann zwei, drei, vier und fünf
n auf einmal bis zu fleben, fo daß fie im Ganzen acht und
gebähre, welches die Zahl der Tage des Mondmonats iſt. Diefes
nt Plutarch, vielleicht etwas mythiſch, dagegen ſcheine das ftatt
1, daß die Pupille der Katze vol und weit werde beim Vollmond
n wieder ſich verkleinere und an Glanz verliere bei abnehmenvdem
Terner meint Plutardy (73), die Kabe, die verehrt werde, gehöre
e dunkeln Bilder der göttlichen Macht und es werde von berfelben
t, fie empfange durch bad Ohr und gebähre durch den Mund,
Bild der Rede fei. Zu bemerken ift aber, daß man auch anberb-
ilſamirte Katzen begrub; denn man hat ſolche Mumien anderwärts
„ 3.8. bei der von Griechen Artemisgrotte benannten Grotte, wo
| ein SHeiligthum hatte. *) Defterd auch finden ſich ihre Mumien
hampollion im. fechsten feiner Aegyptiſchen Briefe fagt, dieſe fogenannte
108 Bubaſtis.
zufammen mit einbalſamirten Hunden, te ob wir dieſe Verbindung fi
zufällig oder aus einer Idee, weldhe beide Sinnbilder verband,
gangen halten dürfen, iſt ſchwer zu enticheinen, da wir in ver Mothe
einer Verbindung beider nicht begegnen.
Wir fennen den Grund nidt, *) weldyer tie Katze zu einem bei
Thiere gemacht bat, und müßen und vaber an ter Kenntniß biejer X
ſache genügen lagen. (Vermuthen aber dürfen wir, und fogar mit
hoben Grave von Wahricheinlichkeit, daß vie Kage ein Sinnbild des Lie
und feiner Strablen war, und bag fie mitkin ald Sinnbild einer Gi
diefe mit dem Licht und jeinen Strablen in Beziebung darſtellte. %
Göttin der Geburt, melde vie Keime reift und die reifgemorvenen au
Licht fördert, fteht infofern mit dem Lichte in Verbindung, und der Nimm:
nannte vie Geburtsgdttin geradezu Lucina, d. i. Lichtgöttin. Die näbe
Erörterung mag unten in der Mythologie des Sonnengotted, wo von
Ginnbilde des Löwen gehandelt wird, folgen, um die Wiederholung f
fparen.) Sehen wir in ver Göttin Paſcht durch Feſtbrauch und durch M
DVergleichung mit Artemis eine Geburtögdttin, und trifft ihre Verbiubung
mit Ptah fehr gut damit überein, fo dürfen wir annehmen, daß in Arge
ten die Kate das Sinnbild der Geburtägdttin war, und als foldyes finnes
wir fie noch einmal, zwar fern von Aegupten, was uns aber zum wenigſten p
zeigen Eönnte, daß dieſes Thier fich zu einem folchen Sinnbild eigndei
Allein wenn wir dieſelbe auch fern von Aegypten finden, fo fcheint W
doch in diefer Eigenſchaft mit der Aegyptiſchen gleichen Urfprung zu haben
In Theben, in Böotien nämlich, ehrte man die Galinthias, d. i. die Per
fonification der Rabe, ober des Wiefeld (denn im Griechifchen gaf
Artemis =» Grotte fey Beni- Haffan -el-aamar gegenüber in ven Felſa
gehauen, und diefes Heiligthum fey begonnen unter Thuthmofis IV., fors
gefegt duch Manduei. Es enthalte Bildniße der Bubaſtis und umke
Begräbniße der Kapen, theils in den Felfen gehauen; eins fey aus der Zeit
Aleranders, des Sohnes Aleranders des Großen. Bor dem Heiligthum fine
fi) eine Reihe von Kagenmumien in Matten eingefchlagen und untermißht
mit einigen Hundsmumien; weiter zwifchen dem Thal und dem Nil in eirer
den Ebene gäbe es zwei Niederlagen von Kabenmumien in Padeten md
mit Sand zwei Ruß body, übervedt. |
*) Wer Bafcht für eine nur den Aegyptern eigene und ihr Sinnbild als vor "
den Negyptern erfunden anfehen wollte, würde in der Sprache einen Zuſam⸗
menhang zwifchen diefem Thier und der Geburt finden; denn chan heiß '
gebohren werden und chau die Katze (eben fo schau). Zwar fügt Ste
phbanus der Byzantiner, die Kage heiße Aegyptiſch Bubaſtos, und
davon habe die Stadt ihren Namen, ebenfo wie die Göttin; allein biefed
beruht auf einer irrigen Annahme, wie wir auch oben gefehen haben, daß
man irrig annahm, Phthas {ey der Name des Teuere.
Bubaſtis. 100
Ihe Wort, um Kate, Wieſel, Marder zu bezeichnen) *), als welche vie
urt des Herakles befördert habe, alfo einzig und allein ald Geburtö-
n, und zwar fommt fonft in Griechenland feine Spur davon meiter
noraus man fchließen darf, daß die Kate den übrigen Griechen nicht
ein folches Sinnbild galt, und daß daſſelbe allein zu Herakles gehörte.
ſkles in Theben aber war eigentlih der Tyriſche Melkart, von den
chen Melifertes genannt, ald deßen Mutter man die Kadmostochter
betrachtete, und keineswegs ein einheimifcher Gott oder Heros, fon-
er ward auch mit dem Griechiſchen Heros verfchmolen. Diefer
fart mag auch der Mittelpunkt der Sage von der Gründung Thebens
, den Phönifer Kadmos ſeyn; denn dieſe Sage hat durch den Melis
8 wenigftend fo viel Halt, daß ein Phönififcher Cult in Theben
: abgeläugnet werben Fann, fo wenig ald auf der Infel Thaſos. War
die Verehrung der Kabenperfonification Galinthiad in Iheben auf
Torifchen Gott befchränkt, fo dürfen wir annehmen, die Kate habe zu
lEart, bei den Phönikern in dem Verhältniß geftanden, in welchem
ſcht zu Ptah bei den Xegyptern fand. Dazu kommt nun, daß die
iehen im Khunſu der Aegypter den SHerafles erfennen wollten, und
3 Herodot die Wahrheit zu erforfchen, fich nicht zu dem Herakles, dem
pen der Dorier wandte, fondern nach Tyrus und nach der Infel Thaſos,
der Tyriſche Melfart verehrt ward. Diefer Khunfu aber wird ganz
, gar wie Ptah dargeſtellt und ift mit der Jugendlocke verfehen zu
un und Mut geitellt, ven Gotte der Zeugung und der Mutter, wie
ih zu dem Stiere der Zeugung, der das Bild der Mutter an ſich trägt. _
iPtah ift hinreichender Grund zu glauben, daß er der Phönififche Patäfe
‚ und da nun der Name Paſcht ebenfalld aus dem, was wir von ber
zyptiſchen Sprache wißen, nicht erklärt werden kann, gerade fo wenig
: der des Ptah, fo möchte daraus zu folgern feyn, daß Pafcht zu Ptah
dre, und daß die Klage, die auch zu Melfart gehört, in dem Phöni-
ben Patäkencult einheimifch gewefen ſey ald Sinnbild der Geburt.
hft fonderbar aber muß es uns bei der gar nicht zu bezweifelnden
Ben Heiligkeit der Kate vorkommen, wenn Sextus Empiricus (Pyrrh.
pot. 3. 24) fagt, zu Alexandria fey die Katze dem Horus geopfert
wen. Daß Paſcht auh Mut, dv. i. die Mutter, in Infchriften ihrer
ver genannt wird, giebt einen meiteren Auffchluß über ihr Weſen nicht
*) Plutarch (74) erwähnt, und andere gebrauchen eben der Hegyptifchen Ber:
ehruug der Katze erwähnend, das Wort gale, welches Kage und Wiefel
beveutet, indem Plutarch die Kabe nebft dem Käfer und der Avis als
dunfle Bilder der göttlichen Macht nennt, Porphyrius Kage, Käfer und
Krofodil Sinnbilver der Sonne, Jamblichus Katze, Hund und Kynos⸗
tephalns Ginnbilber bes Mondes.
110 Bubaſtis.
an bie Hand. Einen andern Namen derſelben, Menhi *), vermi
wir nicht mit Gewißheit zu deuten, eben fo wenig wie ihre Bener
Tuer Heku; denn ed heißt zwar tuer, die Große, aber das letzere Wed
fann mehrere Beveutungen haben. Ihre Bilder haben entweder bloß
Uräus auf dem Katzenkopf als Zeichen ver Eöniglihen Wärbe, ober
Sonnenfheibe mit den Uräus, was dafjelbe in verflärkter Weile aubdri
Man findet fie auch mit menſchlichem Haupte, mit dem Kopfichuud
welcher bei Hathor gewöhnlich ift, nämlich der Sonnenfcheibe zwi
Kuhhörnern.
Das Heiligthum der Bubaſtis befchreibt Herodot (2. 138) alfo: *
Eingang ausgenommen, ift e8 ganz eine Infel, denn ed laufen Grk
aus dem Nil dahin, hundert Fuß breit, mit Bäumen befdhattet, fie lau
aber nicht in einander, fondern von beiden Seiten nur bi8 an ven Cu
gang. Die Vorballe ift zehn Klafter hoch und iſt geſchmückt mit fei
Ellen hohen Bildern, die der Rede werth find. Da das Heiligthum mitte
in der Stadt ift, wird es überall, wo man herumgeht, gefehen, beun WW
die Stadt dur Schutt erhöht worven ift, dad SHeiligthyum aber umkege E
rüht ftehen blieb, wie es von Anfang an gemacht war, fo ift es dem BAR
ausgefegt. Um daſſelbe geht eine Mauer, in welche Bilder eingehamm i
find, und innerhalb der Mauer ift ein Hain von fehr hohen Bäumer a
einen großen Tempel gepflanzt, worin fi das Bild der Böttin befink
Diefes Heiligthum ift aber ein Stadium breit und eben fo lang, und
dem Eingange führt ein drei Stadien langer gepflafteter Weg, ver
Often über ven Markt läuft, vier Pletheen breit mit himmelhohen Bär
zu beiden Seiten, und verfelbe Weg führt zu dem Tempel des Ser
Auch einer Weißagung der Bubaſtis gedenkt Herodot (2. 82), jedoch of
ihrer Ginrichtung, oder der Art, wie man die Zukunft hier erkundete, 8
erwähnen. Zu Bubaſtis aber war fie nicht allein verehrt, fondern We
erfcheint auch unter den Tempelgottheiten Thebens und Oberägyptens, u.
die von den Griechen fogenannte Artemisgrotte hatte von ihr viefen Name
wo ſie als Loͤwengoͤttin fich zu erweifen ſcheint. Zu Memphis aber iR ſe
mit Phthah in Verbindung. Zuweilen bat Paſcht in den Hieroginphes
hinter ihrem Namen flatt der Kape den Löwen, und da bie Aegypter uf \
eine löwenföpfige Göttin gleich wie einen löwenfäpfigen Gott hatten, f
geht aus jener Anwendung des Löwen an ber Stelle der Katze bera,
dag die finnbilvliche Beveutung beider Thiere eine und viefelbe gemein
fey. In Brongebilvern, die jedoch häufig einer jpäteren Zeit angehören,
*) Menhai (wie Wilfinfon den Namen lieft) Fönnte aus ma-n-ha (Ekoptiſch
hai, hei) entitanvden feyn, fo daß diefer Name von ber Liebe des Gatten zu
erklären wäre, eine Bezeichnung, welche für eine Geburtsgoͤttin nicht unpaßend
zu ſeyn Scheint. Doch diefe Namensform kann nicht gelten.
Bubafis. 111
iR Paſcht nicht ſelten dargeſtellt mit dem Siſtrum in ber rechten Hand,
ia ver linfen einen Lowenkopf haltend, über welchem fi) die Sonnen-
ſcheibe mit dem Uräus befindet, und zumeilen hat fie einen Korb in dem
Arm. Was fol das Siftrum in der Hand diefer Göttin? Wir Fönnen
: Neiem Klapperwerkzeug Feine andere finnbilvliche Bedeutung zufchreiben,
daß es durch feinen Ton die feindlichen Wefen vericheuchen fol, und
a in der Aegyptifchen Mythologie die feindlichen Wefen, die mit dem
Gifrum, das vorzugsweife over wohl richtiger allein dem Jſisdienſte
angehört, Leine anderen feyn fünnen, als die, weldhe das Gedeihen und
ven Seegen der Natur hemmen, fo muß fi) wohl auch in der Bubaſtis
Band dies Werkzeug auf vie Verfheudyung der den Seegen hemmenden
feindlichen Weſen beziehen, und Bubaſtis alfo eine den Seegen foͤrdernde
Böttin feyn. Nimmt man dazu, daß das Siftrun der Iſis mit einem
Rapenfopfe geihmüdt war, fo ergiebt ſich auch daraus, daß bie Kake
in Sinnbild des Naturfeegend, der Vortpflanzung war; denn an dem
ben Tinfeegen fcheuchenden Werkzeuge fann dies Sinnbild füglich nichts
vaßender bezeichnen, ald ben Seegen, zu deßen Borberung das ganze
Wertzeng dienen follte. Cine fagenfüpfige Göttin mit dem Namen Nta
findet fih in den älteften Denfmälern von Ober- und Unterägypten, befons
ders in der Nähe ver Pyramiden. Wenn diefelbe nicht bloß eine nur
umter befonderem Namen verehrte Bubaſtis war, fo iit fie doch ſchwerlich
was Anderes, ald eine Göttin, welche in viefer Katzenbildung vie gleiche
Bedeutung, wie jene hat. Die Menhi erſcheint auch, obgleich dieſer
Name auch zu dem der Bubaſtis gefügt wird, als löwenföpfige Göttin
mit der Sonnenfcheibe und dem Uräus, uud findet ſich zu Theben in ven
alten Pharaonen⸗Denkmaälern, gerade wie auch Hak, Haft fo erfcheint,
weicher Namen aber auch einer menſchlich gebilpdeten Göttin mit dem
Subhorfopfihnnd gegeben wird, fo wie auch Iſis Hak heißt, wenn ſie die
Attribute viefer Göttin trägt. Auch Mu wird löwenföpfig dargeftelt und
bat ebenfalls ven Beinamen Hak bei Wilkinfon Tafel 27) Da nun
Bubaflis die Große ver Haf heißt, fo iſt es deutlih, daß ihr Die der
Mu und der Iſis ebenfalld zukommende Eigenſchaft, welche mit dieſem
Namen bezeichnet worden ift, in einem hohen Grabe zugefchrieben warb.
Unter den Thebifhen Tempelgottheiten erjcheint auch eine loͤwen⸗
Iyige Böttin mit Sonnenfcheibe und Uräus auf dem Haupt, und führt
ven Ramen Tefnu, Tefnt Wilkinfon vermutbet, das heutige Tofnis
in der Thebais zwilchen Esneh und Gebelayn, ſei die Aphroditopolis der
Griechen, und ber Urfprung des Namens komme von Tefnu. Sie heißt
Tochter der Sonne, und findet ſich auch mit Menfchenkopf, Sonnenſcheibe,
Sörnern und ever, und auf der Dafe erfcheint fie mit Bogen und Pfeil
in der Hand und mit einem Auge auf dem Haupt, welche Bildung aber
lit und ungewoͤhnlich iſt
112 Bubafte.
Eben fo war Triphis oder Athribis eine Löwenköpfige Gbuin
Athribis, weldes feinen Namen von ihr hatte. Wilfinfon fagt auch,
Chemnis habe fte fi) gefunden, und fie fei eine Tempelgenoßin Rh
Da der Löwe ägyptifch rabu heißt, fo ift die Göttin mit dem anges
führten Namen, welder ven weiblichen Artikel t vor ſich hat, als vie
Lowin bezeichnet, und dieſe Göttin ift ebenfalls nur eine Form der |
welche ven übrigen lömenföpfigen Bormen zu Grunde liegt. Zu Athribu ſj
wurde auch, wie Strabo (813) meldet, die Spigmaus verehrt, welde
ihre Sauptverehrung zu Buto Hatte, und dieſes weißt auf einen Ideen
Zufammenhang zwifchen den Töwenföpfigen Göttinnen und der Buto hie,
Iſt nun bei Bubaftis zur Vergleichung mit der Griechifchen Art
nur die Beziehung beider zu ven Geburten annehmbar, und würde Bubafli,
wenn wir fte nicht als Geburtögdttin wollten gelten laßen, unverftänplid.
feyn, fo erkannten doch die Griechen auch noch die Beziehung zur Gebun,
in einer andern Aegyptiſchen Göttin, welde fie geradezu Eilei
nannten, ſo wie fie der Stadt, worin fie beſonders hoch verehrt wark,;
den Namen Eileithyiaftant gaben. Strabo (817) erwähnt derfelben mb
des Tempels der Göttin int oberen Aegypten, und Diodor (1. 12) neu
unter den alten Göttern, welche Städte in Aegypten gegründet, We
Eileithyia. Diefe Göttin erhielt nah Manethos' Angabe bei Plutard
(73) in alter Zeit in den Hundsſtagen Menfchenopfer, und zwar wu
ihr Typhoniſche, d. i. rothhaarige Menfchen verbrannt, deren Afche ie
die Luft geftreut ward. Daß dieſe Göttin nicht weiter war, als eine
Form der großen Mutter, um welche ſich vorzugsweiſe die Aegyptiſche
Mythologie dreht, dürfen wir vorausfegen, und finden diefe Vorau⸗—⸗
fegung durch Ueberlieferung und Bild beftätigt, denn fie ward mit dem
Geier over unter deßen Bild dargeftellt, welcher die MütterlichFeit bezeichnet
Eufebins (3. 12) fagt nach Porphyrius, das dritte Licht des Monde
wird in Eileithyiaſtadt verehrt; das Bild ift ein fliegender Geier, deßen
Vittige aus herrlichen Steinen gemacht find. Diefe Geierbilvung bedeutet
die zeugende und haucherwedende Monpfraft; denn die Geier follen alle
Weibchen feyn und vom Wind empfangen. Was nun die Auslegung
diefer Göttin ald Mond betrifft, fo gehört viefe der fpäteren Zeit au,
und ift falſch; daß aber der Geier die Göttin darſtellte, zeigen die Denk
mäler. Wir fehen fte (bei Wilkinſon Tafel 52) als Geier mit ausge
breiteten Schwingen, auf dem Kopf die obere Krone mit zwei Strauß
federn zu den Seiten, in den Krallen Siegel und die Feder auf ber.
Stange haltend, over ald Geier mit vem Siegel. Außerdem aber ift ſie
al8 Schlange mit Geierflügeln, und der Krone von Oberägypten, fo wie
mit der von Ober- und Unterägypten dargeftelt. Auch als Geier mit
Schlangenkopf an Särgen und dem Zeichen im Naden, welches wir bei
Ptah und andern jehen, over ala bloße gefrönte Schlange, das Kukupha⸗
|
|
y Bubaſtis. 113
Seepter haltend, oder als Geier mit Siegel und Kukuphaſcepter. In
nenſchlicher Geſtalt erſcheint ſie, mit dem Geier als Kopfſchmuck und ver
Krone von Oberägypten mit und ohne die Straußfedern, in der Linken
das Zeichen des Lebens, in der Rechten das Lotuß= oder Kufuphafcepter ;
und ihr Name heißt Sbn, Suben oder Sub, Seneb, welder auch ver
sen Eileithyiaſtadt (jegt El» Kab) oder der Gegend, worin dieje lag,
geweien feyn muß, da die Hieroglyphen fie die Herrin von Guben
oder Seneb nennen. Wann fie die Herrin von Sebn war, fo koͤnnen
mehrere der Darftellungen, welche fte als ſchützend oder mit den Zeichen
ver Herrfchaft darftellten, darauf bezogen werven, fo daß fie auch als
Schußgeift des Landes in dieſen Darftellungen aufgefaßt werden kann.
Daß fie auch mit dem Hathorkopfſchmuck vorfommt, darf uns nicht im
Seringften befremden, denn das Sinnbild der Kuh eignet fih für die
nütterliche Göttin deö Gebährene Bündel von Lotusftingeln ftellten vie
Säulen, und Lotus die Gapitäle eines Eileithyiatempel8 vor, welcher vor
wicht Ianger Zeit von den Türfen zerflört worvden iſt, (Champollion im
zwamigften feiner Briefe aus Aegypten bemerft dies), mad auch an einen
Pallaſt u Kurna und am Chnuphistempel zu Elephantina fi fand. Für
Cileithyia war der Lotus gut gewählt, da er ein Sinnbild der Geburt,
bes Entſtehens war. In Eileithyiaſtadt hatte Suben den Krofopilgott
Sebak zum Tempelgenogen, und in dem Tempel zu Hermonthis, welcher
yon Cleopatra zum Anvenfen an ihre Entbindung von Cäfarion gemeiht
war, erfcheint Suben in der Nieverfunftscella, wo Muntu’d Gattin Ratho
son Harphre entbunden wird. Mehrere Göttinnen find um Ratho bemüht,
eine holt das Kind aus dem Schooß, eine reicht Hin, um es zu empfan⸗
gen von einer andern begleitet, und Ammon nebft Suben find dabei. In
der großen Cella fteht Ratho vom Wochenbette auf, unterftügt von Suben,
Ammon reicht ihr die Sand, und die übrigen Götter find dabei.
Mir Eönnen bei fo vürftigen Nachrichten und dem wenig Charafteri«
ſtiſchen, was die Darflelungen ver Suben uns bieten, von diefer Form
der großen Mutter nichts Näheres wißen; es fcheint aber, dag man fie
ya ber Form zu rechnen bat, welche fie ven Griechen auch als Aphrodite
und ald Hera erfcheinen ließ, nämlich als Göttin der Liebe, ver Ehe,
vr Geburt. Wenn wir bei Porphyriud im zweiten Buch feiner Schrift
über die Enthaltung vom Fleiſche lefen, man babe in Heliopolis ver
dera an einem Tage drei Menfchen geopfert, die wie die Kälber geprüft
und mit dem Siegel verfehen worden feyen, bis Amoſis dieſes Opfer
abgefhafft und MWachsfiguren an die Stelle gefegt habe, fo dürfen wir
ſchwerlich an viefe fogenannte Hera in einem andern Sinne denken, als
dem, daß fie ſich auf die Geburten bezogen habe. Wie man das Leben
der Rinder over ihr Haupt von der Gottheit lößte, fo hat man ver Eilei-
thyia Menfchennpfer dargebracht, fie zu fühnen, daß fe nicht Unttucte
All. 8
114 Der Aegyptiſche Serakles oder Ehon (Khunfu).
barfeit kommen ober die Geburten ververben lief. Amoſis der DI
mit welchem bie achtzehnte Königepynaftie beginnt, folgte auf vie
fremde Hirtendynaftie, und ed wäre mdglih, daß die Menfchenopfer
Heliopolis fremden Urfprungs gewefen wären, die mit dem Stun
fremden Herrſchaft Befeitigt worden wären, doch durfen wir es
behaupten, weil Menſchenopfer überhaupt in den alten Maturreligi
gefunden werben, und wir demnach feinen genügenden Grund
zu behaupten, fie feyen den Aegyptern nicht eigen geweien, ſondern
der Frembe zugebracht werben.
Der Aegyptiſche Herakles oder Chon (Khunſu
Die Griechen erwähnten eines Aegyptiſchen Herafles, und fänden wi
nit in dem fogenannten großen Gtymologifum den Aegyptifchen Name
deſſelben unter der Form Chon und bei Gratofthenes in der von Synfeld
aufbewahrten Lifte Uegyptifcher Könige die Namen Sempfos, erklärt kung
Seraflive, und Semphufrates, erklärt durch Herakles Harpofratss (d
heißt nur Herafled das Kind): jo wüßten wir fürwahr nicht, welchen
Negsptifchen Gott die Griechen unter jener Benennung gemeint Hätte:
Aus diefen beiden Nachrichten erfehen wir aber, daß fle den Khun⸗ſu
meinten, wie er in ven SHieroglyphen heißt, und aus Eratoſthenes erſehen
wir, daß die Griechen dieſen Namen nicht nur Chon, fondern auch Se]
ausfprechen hoͤrten, was leicht feyn Fonnte, weil bei ven Aegyptern &
fch, f, wechſelten; denn fo heißt chau und schau die Kae, und sche
eben fo wie saau die Sau. Die Bedeutung des Namens Khunfu aber
wißen wir nicht, und Fünnten nur ungewige Vermuthungen darüber
anftellen, die uns nicht über das Wefen dieſes Gottes aufklären würpen. ®)
*) Unter den Bermuthungen, die man etwa anflellen Fönnte, würbe wie}
bie zu den weniger unwahrfcheinlichen gehören, welche den Ramen Khuar,
Chon vor chen, führen, ableiten würde; denn abgefehen davon, daß ein folder
Name zu feinem Weſen als eines Zeitgottes des Lebens ſich eignen wir,
ließe fih auch noch eine Autorität dafür, daß er wirklich Führer gehelfer
habe, beibringen. Nämlich in der Eratofthenifchen Lifte Bei Synkellos IR
wir den Königsnamen Sefortofls überfegt durch Hermes oder Herakles Mt
Starte. Run heißt aber sesor Führer, und Gratofihenes mußte wenig
flens irgend eine Beranlaßung haben, um in dem Führer einen Herallch
d. i. Chon, zu vermuthen. Dabei ift zu bemerfen, daß er ſchwauken konnt
in der Auslegung zwifchen Herafles (Rhunfu) und Hermes (Thoth), welder
ein Gott der Zeit if, der gleich Khunfu das Jahres- und Panegyrienbild,
den PRalmzweig, in der Hand hält und Jahre einzeichnet. Beide haben alle
ben Namen ber Führer gehabt, und fünnen ihn gehabt haben als Führe
ber Zettyerioden, als Herren ver Jahre. Bel Suntelios nennt Afrikam⸗
Dev Aegyptiſche Herakles oder Choun (Khunfe). 118
Serobot (2. 43) erzählt, daß die Aegypter ihm gefagt, Herakles fey
e der zwölf Götter (aljo einer aus der zweiten Götterreihe, die auf
acht alten folgte); doch von dem andern Herakles, den die Sellenen
en, Eonnte Herodot nirgendd in Aegypten etwas erfahren. Nach
7 Meinung ift der Name des Herakles aus Aegypten entlehnt, weil
[be bei den Aegyptern ein uralter Gott iſt; denn mie dieſe felber
n, bemerkt der Griechiſche Geſchichtſchreiber, find es fiebenzehntaufend
re von der zweiten Götterreihe 6i8 zu dem König Amaſis. Um fidh
m zu erkundigen, ſchiffte Herodot nach Tyrus, weil dort ein fehr
ger Tempel des Herakles war, und er fah denfelben, reich an Weih⸗
ſenken, und hörte von ven Prieſtern, diefer Tempel ſey bei ver
nung von Tyrus erbaut worden und ftehe ſchon zmeitaufend und
hundert Jahre. Auch ſah er in Tyrus noch einen Tempel des Herakles,
Ger ven Beinamen des Thaſiſchen Hatte. Werner befuchte er den
wel des Herakles auf der Infel Thaſus, den, wie er hörte, vie Phöniker,
de die Europa juchten, gegründet hatten, welche auch die Gründer ver
it Thafus feyn follten. In Tyrus hieß der Gott, welchem die Griechen
| Ramen ihres Heros gaben, Melkart, Griechifch Melikertes, ven fie
en Sohn der Kavmod=- Tochter Ino zu Theben nannten, wo Herakles
ohren ſeyn fol. Doch viefen Melifertes verehrten die Griechen als
na Heros auf dem Iſthmus mit den Iſthmiſchen Spielen, fo wie fle
als Palämon zu einem Meergotte machten, was ver Phönififche Pataͤke
fern war, als er auf ven Schiffen als Schüger mitgeführt ward,
rend er als wahrer ausländischer Gott unter dem Namen Serafles
liche göttlihe Ehren empfing Kann uns nun fein Zweifel fenn,
Khunſu dieſer Gott fey, fo fragt es ſich, was er denn nun eigentlich
ein Gott gewejen fey, und um dieſes zu errathen, venn leider kann
vom Errathen die Rede feyn, müßen wir das Wenige, was ftch und
bietet, näher betrachten In heben ſteht er neben Amun und Mut,
3 wie Ptah ausſehend, in der Mumienhülle und mit dem Zeichen der
kämdigkeit in ven Haänden. Obwohl er den Gdtterbart hat, ift er doch
ch die fogenannte Horuslocke als jugendlich vargeftelt. Als Legenve
ihlte man (wie ſchon oben in der Mythologie des Amun angeführt
wen iſt), um Herodot ven Widderkopf des Amun zu erklären, Herakles
x dieſen fehen wollen, doch ver Gott habe jih in ein Widderfell
aus deu Manethonifchen LKiften in ber zwei und zwanzigften Dynaflie einen
Oſorcho (der bei Sufebius Oſorthon heißt; das Königsfchild aber nennt ihn
Usrkna oder Uarkn, alfo Oſorkon) mit dem Zuſatz, welchen die Aegypter
Herafles nennen. Hier muß ein ähnliches Verhältniß flattfinden. Hieß
der Priefter Oſar-ſiph in Heliopolis, von welchem Sofephus ſpricht, nach
bem Gutte baſelbſt fo IR Usr als ein Name des Ra za wermuthen.
8"
118 Der Aegyptiſche Herakles oder Chon (Khunfı).
fagt: mit ver heiligfien und höchften Verehrung feiern ihn die Argyyte
und verehren ihn über alles Menſchengedenken hinaus, als einen ver a6
Anfangs entbehrt. Da man fpäter ven Herakles als Sonnengott ventelt
fo follte der Aegyptiſche Gott natürlidd auch ein Sonnengott feyn, u
als ſolchen erklärt ihn Macrobius; damit aber darf nicht die Na
Plutarchs verwechfelt werben, welcher (41) fagt: vie Aegypter geben ai
Herakles hauſe in der Sonne und bewege ſich mit verfelben herum,
Hermes aber mit dem Monde. Der Patäfe zu Memphis dat eine Baztg
wie andere Goͤtter au), und wenn wir feine Varke des Khunfu in ha
Denfmälern abgebildet finden, fo Tann viefed vie Angabe ver Aegypu
von welcher Plutarch melpet, nicht beeinträchtigen. War er ein Pati,
und war der Patäfe der jeden Morgen neugebohrene Bott des Xages, fe
fonnte er wohl als der in der Sonne hauſende und mit ihr herumwan
delnde angenommen werben, da ja, modte man aud die Begriffe Tg
und Sonne jcheiden, fie nicht fo zu fcheiden waren, daß nicht der Tag
mit der Sonne im Zufammenhang befinplich hätte gelten müßen. Die
beſagt zulegt doc) auch die Abftammung des Sonnengotted von dem Beil
fen, von welcher oben die Rede war, benn dieſe beveutet: es wire I
und dann ſcheint vie Sonne. Daß man den Khunfu als Zeitgott betradgtei,
beweißt auch der Halbmond, welchen er glei Thoth auf nem Hau
trägt, über welchem ſich ver Sonnenfreid befindet, und ferner beweißt 4
feine Darftelung mit dem Palmzweig in der Hand, auf welchen er bh
Jahre fehreibt gleich Thoth; denn diefe Handlung bezieht fi) nur auf de
Zeit und fann nur von einem Gotte der Zeit vollzogen werden. Khuufs
führt in den hieroglyphiſchen Infchriften auch den Beinamen Nefru = Atey,
welcheö beißen kann der Gute der Darbringung, oder auch der dem Gutes
dargebradhte. Sehen wir auf den Namen Imatep, welchen ver ver
ven Griechen als Asklepios aufgefaßte Patäke führt, jo ift pie Bedeutunz
der Gute der Darbringung die wahrfcheinlichere, doch ift Ihre
Deutung ſchwer und ungewiß. Vermuthen laßt fich mit einiger, wen
auh nicht vieler Wahrfcheinlicjkeit, daß vie Darbringung fi) auf be
Perioden beziehe, an meldyen Die Darbringungen ftattfanden, fo daß bie
Darbringung das Feſt der Periode bezeichnet, die Perioden aber gehoͤren
dem Gott, der die Jahre auf den Iahres= oder Panegnrienzweig einfchreit.
So fehen wir auch zwei Figuren anbetenn bargeftelt bei Wilkinfon
(1.292), bei jeder einen Stern, bei der einen über dem Haupt, bei der andern
vor derfelben, welcher nichts anders darftellen kann als vie Periode, welche zur
Anbetung, zum heiligen Feſte beftimmt iſt. Auch der Phönix, das Bild der
Hundsſternperiode iſt in anbetender Stellung gebildet worden und ein Stern
ift neben ihm als Zeichen ver Periove, ja der Mann in anbetender Stellung
ift die Hieroglyphe für den Ausdruck ha-u-renpa, Freude der Jahre.
9 Anbetung und Periode find daher innig verwandt, und fo Laßt fi} auch die
Der Aegptiſche Herakles oder Chon (Khuzfu). 219
sbringung, die ja mit ber Anbetung werbunden, ober wenn wen «8 fo
drücken wid, eine gefleigerte Anbetung if, mit ver Periode verbinden.
Bum Schluße haben wis nody der Angabe Herodots (2. 113) zu
enfen, bei der Kanobiſchen Mündung des Nil zu Taricheiä fiche ein
npel des Herakles am Dieereöufer, und wenn ein Sclave, wen er auch
dren möge, in venjelben flüchte und fich mit ven heiligen Zeichen
eichne und dem Gotte fchenfe, fo dürfe ihn Niemand anrübren. Es
int nicht, daß dieſer Herafles der Aegyptiſche Chon ſey, fonvern daß
ben in Aegypten Handel treibenden Griechen gehörte, und mithin ber
echifche Herakles geweien. *) Auch einer Weißagung des Aegyptifchen
akles gevenft Herodot (2. 84), meldet aber nicht, wie fie befchaffen
efen und vielleidht darf man dieſe Weißagung dem Tempel zu Taridyelä
hreiben und dem Khunſu abiprechen. Wenn Macrobius in ven Saturs
ien (1. 20) fagt, die Aegypter gäben durch die Mannigfaltigkeit ihrer
igen Gebräuche fund, daß Herakles ver in Allem und durch Alles
kende Sonnengott jey, fo kann dieſes der Anficht über Khunfu Feine
währ geben, ba dieſer Schriftfteler der fpäteren Zeit jo giemlich in
em Gotte einen Sonnengott erblidte. In Cicero's Schrift über vie
te der Gbiter lefen wir, Herakles ſey ein Sohn des Nil geweien und
e die Phrygiſchen Schriften verfaßt. Herodot (2. 43) glaubte ed ben
jopteen fogar, daß Amphitryon und Alkmene vie Eltern des Griechiſchen
08 Herakles aus Aegypten flamınten.
Wir wollen hier einer Aegyptiſchen Gottheit gebenfen, welcher eine
immte Stelle anzuweiſen nicht möglich iſt, weil wir ihr Weſen nicht
*) Gerade dieſe Gegend in Aegypten war den handeltreibenden Geiechen anges
wieſen. Nachdem Herodot ſchon von Paris geſagt (2. 16), er ſey mit Helena
in die Kanobifche Nilmüundung eingelaufen und nach Taricheiä gefommen,
erzählt er (2. 178): Amaſis liebte die Griechen fehr und erzeigte ihnen
Wohlthaten. Denen, die nad Aegypten famen, verſtattete er, fi in Nau⸗
kratis niederzulaßen, denen aber, welche nur Schifffahrt nach Aegypten treiben
wollten, gewährte er Land, um Altäre und Heiligthümer für ihre Götter
zu errichten, Das größte diefer Heiligthümer, fo wie das berühmtefte, if
das Hellenien, auf gemeinfchaftliche Koften errichtet von den Jonern von
Chios, Teos, Phofka und Klazumenä, dann von den Dorern von Rhodos,
Knidos, Halikarnaſſos und Bhafelis, drittens von den Aeolern aus Mitylene,
welche Staͤdte auch den Safenvorfleher von Naukratis ernennen, Die Negi-
neten haben dem Zeus, die Samier Der Hera, die Mileßer dem Apollyn
bafelbR ein Heiligthum errichtet. Außer Naufratis gab es in ber alien
Beit feinen Handelshafen Aegyptens, und wenn einer in eine andese Nil-
mündung einlief, fo mußte er fehwören, daß er nicht anders gefonnt, und
dann in die Kanobifhe Mündung fahren; fo aber dies der Wind nicht
zuließ, mußten die Waaren in Kähnen um das Delta herum nah Raus
kratis gefyafft werben.
120 . Der Aegyptifhe Asflepios oder Imatep.
fennen, nämlich des von den Griechen fogenannten Antaios, nach welchen
fle eine oſtliche Stadt Oberägnptens Antäopolis nannten. Wir vürfer
ihn bier feines Namens wegen berühren, weil Khunfu als Aegyyptiſcher
Herakles galt, und vie Griechen den Herakles zum Beſieger eined Antägf
dichteten, welcher ein Rieſe Libyens gewefen, jedoch ver Gott von Antäg
polis nidyt gewefen feyn kann. Gin Tempel dieſes Gottes in benannte
Stadt, zur Zeit der Ptolemäer mit einem Vortempel erweitert, trägt de
Infchrift: König Ptolemäud und SKleopatra u. f. w., diefen Bortempd
dem Antäos und feinen Tempelgenogen. Die Cäfaren Aurelius, Antonia
und Verus haben ven SKarnied wieverherftellen lagen. Demnach reich
feine Verehrung in vie legten Zeiten des Heidenthums herab. Diode
(1. 17) nennt den Antäus ald den, welchem Oſiris bei feinem Yu
Libyen und Aethiopien zu verwalten anvertraute, während Herakles dk
oberite Leitung des ganzen Reiches hatte; doch fpricht verfelbe erzähle
(21) von dem Antäud« Kleden, ver feinen Nımen von dem zu des Oſtril
Zeit durch Herakles gezüchtigten Untäud habe. Daß der gräcifirte Name
aus dem Beinamen einer Uegyptifchen Gottheit, welche unter demſelbes
zu Untäopolid verehrt ward, gebilvet fey, ift nicht zu bezweifeln, aber mie
diefer Beiname gelautet habe und welcher Gottheit er eigen gewefen, iſ
ſchwer zu errathen; denn wollte man Nte als ſolchen annehmen, in der Beder⸗
tung Bührer der Welt, fo bietet Feine hieroglyphiſche Infchrift dieſes Wort
dar, und doch muß jener ohngefähr fo gelautet haben, weil fonft ber
gräcifirte Name nicht auf das Aegyptifche zurüd zu führen iſt.
Der Aegyptiſche Asklepios oder Imatep
(ISmutbos).
Elemens der Ulerandriner erwähnt des Memphitifchen Asklepios un
Ammianus Marcellinus (22. 14) nennt Memphis herrlich durch die Gegen
wart der Gottheit des Aesculapius. Bei Hieronymus in dem Leben bei
Hilarion (IV. 2. ©. 80) leſen wir von einem SJüngling: er gieng nah
Memphis, um nad) Bekennung feiner Wunde, mit magifchen Künften
bewaffnet zu der Jungfrau zurüdzufehren. Daher Fam er nach einem
Jahre, von den Sehern des Aesculapius belehrt, zurüd, indem er trachtele
fein unzüchtiges Vorhaben gegen die Jungfrau auszuführen. In ben
falfhen Sermesfchriften bei Stobäuß (Eclog. Phys. S. 117) beißt e&,
Asklepiod, genannt Imuthes, der Sohn des Pan und der Hepbäftobule.
Dieje Nachrichten find fpät und geben feinen näheren Auffchluß; aber
der ebenfalls fehr fpäte Synefius in feinem Lobe der Kahlföpfigfeit (©. 73),
giebt und eine Nachricht, welche uns ſchon ver Erfennung dieſes foge-
nannten Asklepios näher führt. Ex melnet nämlich, ein Gott wird von
Mile m um
Der Aegyptiſche Asklepios oder Imatep. 131
}
ben Aegyptern gar nicht verborgen gehalten, fonvern findet ſich ganz dffent-
lich, naͤmlich Asklepios, weldden man kahler fehen Tann als eine Moͤr⸗
ſerkeule. Man bat dieſen Gott in ven Denkmälern gefunden, und Salt
beftimmte ihn zuerft zu Philä, wo ihm ein kleines Heiligthum geweiht
war mit einer Griechifchen Infchrift. Asklepios, welcher ift Imuthos,
Sohn des Hephäftos, und auch die Hieroglyphen nennen ihn Sohn des
Phthah. Zu Memphis, jo müßen wir der fohriftliden Weberlieferung
glauben, war er zwar beſonders verehrt, doch findet er fich al8 ein Tempel»
genoße an den Sculpturen von Tempeln von Philä an bis zum untern
Delta, jedoch mehr in ven Tempeln aus der Zeit der Ptolemäer ald aus
ber ver Pharaonen. Die Bilder zeigen ihn mit einer enganfchließenvden
Kappe ohne Schmuck (wie auch Ptah erjcheint) und in den Händen bat
er das Götterfcepter und das Zeichen des Lebens (was ihn nicht aus⸗
geichnet, da dieſe beiden Dinge allen Gottheiten zufommen). Genannt
wird er Imatep, oder nach Memphifchen Dialekt, Imothph, Sohn des Ptah.
Der Name Imatep heißt: „ich komme mit zur Darbringung,‘ und biefes
Wort atep over memphitiſch othph finvet ſich auch in Aegyptiſchen Namen
angehängt.
Man ließ es jenoch in der fpäten Yabelei, wie fie uns in des Hermes
Trismegiftod Dialog mit Asklepios begegnet, nicht bei dem einen Aegyp⸗
tiſchen Asklepios bewenden, fonvdern nahm zwei des Namend an, fo daß
ber erfte ald Großvater des zweiten galt, und Erfinder der Arzneikunde
war, der befondere Ehren empfing in einem Berg an der Libyichen Nils
feite ohnmweit der Krokodilſtadt, wo er begraben feyn fol. Fragen wir
nun, wer biefer Imatep, den man ald einen Seilgott in fpäterer Zeit
gelten ließ, eigentlid war, fo fann und faum ein Zweifel feyn, in ihm
einen Patäken zu erkennen, da er patäfenartig im Bilde erfcheint mit ber
dem Ptah eigenen Kappe, Sohn veffelben heißt (und bei Herodot lefen
wir von Söhnen des Ptah zu Memphis, die er Kabiren nennt, die aber
Batäfen find) und in Memphis, den Sige Ptah’3 vorzugsweife zu Haufe
war. Aus Herodots Stillſchweigen über einen Aegyptifchen Asklepios geht
bervor, daß man zur Zeit veffelben noch nicht daran gedacht hatte einen
Patäfen zu Memphis mit jenem Griechifchen Gotte zu vergleichen. Sobald
wir von Patäfen in Aegypten fprechen, müßen wir und an die Phönifi-
(hen Patäfen, mit welchen fie entweder eins, oder mwenigftend auf das
engfte verwandt waren, erinnern. Bei den -Phönififchen nun finden wir
wirklich auch einen fogenannten Asklepios, Esſsmun, d. i. der Achte genannt,
alio zu den fieben Patäfen des Zeitabfchnittö einer, welcher ald Heilgott
gedeutet ward. Damascius fagt in dem Leben des Iſidorus, (bei
Photius S. 1074) ver Asklepios von Berytus (in Syrien) ift weder Grie-
chiſch noch Aegyptifch, fondern Phönikifch; denn Sadyk hatte Söhne, geheißen
Diofuren und Kabiren, ber achte biefer war Ezmun, d. i. WNeeyxb.
123 Der Aegyptiſche Asklepiot oder Imatep.
So ſehen wir denn auch bei den Phonikiſchen Patäken einen als Heilgeu
anerkannten, wie fpät auch immerhin viele Annahme ſtatt gefunden ha
mag. Wenn wir bei Tacitus in den Geſchichten (4. 84) lefen, daß Vie
den Serapis für einen Aedculapius hielten, weil er die Kranken heile, ſe
darf und Died nicht irren, da es nur als ein falſches Nathen derer,
den Serapis nicht zu deuten wußten, anzufeben ift. Bei Paufaniad (2.2
lefen wir von Seiligthümern des Asklepies und der Iſis zu Stenchrei;
müßen und aber hüten an eine Auslegung des Serapid als Asklepios
denken, welche Baufaniad, wenn er fie auch etwa gefannt haben f
nicht angenonmen bat, wie fi) aud der Art feiner Erwähnung piefe
Gottes an andern Stellen ergiebt. Er alſo meint nicht ein Heiligthun
des Asklepios und ver Iſis als verhundener Götter. Eben fo wenig ald
aus diefen Nachrichten Serapis ald Asklepios fich ergiebt, vermag uns hi
Nachricht Aelians (16. 30), zur Zeit des Ptolemäus Euergeted fey in ven
Zempel des Asklepios eine fehr große Schlange ernährt worden, irgen
eine Gewähr zu geben. Denn wenn er auch einer Serapistempel gemeint
haben follte, fo hätte er einem Irrthume gehuldigt, welcher durch den
Beitritt eines fo unfritifchen Schriftſtellers kein Gewicht erlangen kam.
Warum aber ftellte eine fpätere Zeit einen Patälen zu Memphis mi
dem Asklepios zufammen? Damasſscius giebt die Erklärung von (sms,
als beveute dieſes Wort (schmin) heiß, was möglidh if, wonah &
denn fo wegen der Lebendswärme genaunt worden ſey; auch follte ge
Esmun, welcher ganz ſprachgemäß der Achte genannt ward, das Feuer nl
Dunkel angezündet haben, und ein Gott des Feuers, ber Wärme hai
denn allerdings zu einem SHeilgotte werden koͤnnen, da man vie Wärme
als ein Lebensprincip anſehen Fann. Dagegen ift zu bemerken, daß bie
Erklärung auf einer nicht feftfiehenden Wortveutung un» einer VBermifcyung
der Sephäftiichen Kabiren, die man ald Veuergötter betrachtete, mit Des
Patäken beruht, alfo auf ſchwachen und falfchen Gränden. Der Patike
als Tagesgott, als Gott der Zeit und des Lebens, von deßen Wirkfamtelt
alle folgenden Tage zu erwarten waren, fo wie jeder gegenwärtige Aug
unter feinem Schuß fand, mochte ſich mohl auch zu einem in ver Krank
beit, die ja auch vielfach an eine Zeitreihe gebunden ift, helfenden Got
eignen, und es märe möglidh, daß man auf diefen Grund bin einen Patb
fen wählte, um ihn mit Asklepios zu vergleichen gu einer Zeit, wo mm :
die Griechiſchen Goͤtter in noch reicherem Maaße in Aegypten finden
wollte, ald man es zu Herodots Zeit that. (
Bei Khunfu, welcher der Bute der Darbringung iſt, wie Imatep,
der zur Darbringung Kommende, ift ermähnt worden, daß er Seſor, v. I
Führer, geheißen babe, nadı des Eratoſthenes Angabe. Nun finden wir
in ber Manethonifchen Liſte der dritten Diynaftie ver Memphitiſchen
Könige bei Synkellos, den zweiten Konig Selertans EoCGUch Toſarthroc,
Der Sonnengott Ra. 133
ie ber fechste fülfchlich Tofertats angegeben ift, ſtatt Sefortafls) genannt,
r neun und zwanzig Jahre regiert habe, und von ven Aegyptern Usfles
os genannt worden fei, wegen ber Heilkunde, und auch das Bauen
it gehauenen Steinen erfunden babe. Es ift ein gewiß nicht zu über⸗
yendes Zufammentreifen, bei Khunfu ven Namen zu finden, an melden
au als Koͤnigsnamen genommen, die Arzneifunde Enüpfte und von einem
sälepios ſprach. Das ein König für Asklepios fei gehalten worden, iſt
uchaus fabelhaft, und es ift vielmehr wahricheinlih, daß wie Sefortafid
n ftarfen Herakles bei ven Auslegern bedeuten Fonnte, vderfelbe Name
ch ven flarfen Asklepios für Die Außleger zu bezeichnen geeignet war,
Daß Khunſu und Imatep beive den Namen des Führers Hatten.
Der Sonnunengott Ne.
Der Hauptſitz des Sonnengotted, den Manethos einen Sohn bes
hihah nannte, des Ma, mit dem Artikel Pi-Ra, Memphitiſch Phra,
ſenannt Herr ver beiden Welten, der in der Sonnenfcheibe thront, ber
ein Ei bewegt, der geoffenbaret ift in dem Abgrunde de Himmels, ber
Berr ver PBanegyrien (auf Denfmälern zu Iheben und Memphis), war zu
zeliopolis, wie die Griechen dieſe Stadt nannten, d. i. Sonnenftabt, in
re Bibel On genannt, welches mit dem Aegyptiſchen Worte un glänzen,
rahlen, koptiſch wein, uain, lang, Licht überein zu kommen fcheint.
och Heißt an (koptiſch uon) aud) eröffnen, und dieſes Wort dürfte eher
Infprüche machen, ver Stadt ven Namen gegeben zu haben, als jene®.
Ye Stadt muß in dem einen wie dein andern Yale, den Namen von
em Gotte erhalten haben, und ob man nun das Wort un ald Glanz
der ald Eröffnung will gelten laſſen, fo paßt e8 für den Sonnengott,
er ala Eröffner nämli ein Eröffner des Himmels an jevem Morgen ift.
Daß man aber daß letztere gelten laße, als das Nichtigere, dafuͤr fpricht
ver Beiname un, welchen Oſtris führt; denn diefer hieß un-nefru, d. i.
ver gute Sröffner; denn der gute Glänzende kann er nicht wohl geheißen
haben, während er allerdings ein guter Erdffner ver feeligen Wohnungen
im Amenti ald Todtenrichter war. Uber fonverbar erfcheint ed, Daß bie
Stadt nicht von dem Hauptnamen des Gotted Ra benannt war, fondern
bon einem Zunamen, man müßte denn glauben, wozu und aber nichts
berechtigt, der Name Na fei jünger als ver Name Un, und fei an deßen
Stelle getretten. *%) Plinius (6. 29) nennt als die Gründer diefer Stadt
9) Vielleicht laͤßt fih aus dem Namen Un vie zweifelhafte Yigur eben am
Tam oder Tetam, dem Scevter der Götter, erflären. Horapollo (1. 55)
fagt, die Danfbarfeit darzuftellen, malen fle den Kufaphavogel, ber feinen
Elteen, wann fie alt geworben, ihre Mühe vergilt, una daher vleat verieihe
124 Der Sonnengott Ra.
Araber, während Joſephus in der Gejchichte des Jüdiſchen Kriegs (7. 3%)
fie vom Sohenpriefter Oniad erbaut nennt, was wohl zulegt nichts weist
enthalten wird, als eine bloße auf den Namen gegründete Vermuthunggp
Daß das Feſt des Na zu Heliopolis eined der ſechs allgemeinen Feſte baagt
Aegypter war, meldet und Herodot (2.59), bemerft jedoch nichts bee
deres, fonvern giebt nur (2. 63) an, es giengen die Leute nach f
Stadt, um zu opfern, und die gemöhnlichen Weftgebräucdhe zu feiern. D
Plutarch (6) giebt an, die Verehrer des Gottes in Heliopolis bring
durchaus feinen Wein in feinen Tempel, va es fich nicht gezieme, W
Tag zu trinfen, vor den Augen des Herrn und Könige. Wenn Plutas
und einen Brauch, der wirklich ftatt gefunden, in ven angeführten Work
überliefert hat, fo müßen wir dieſen allerdings als etwas Eigenthümlichchp
betrachten, Fünnen aber nicht annehmen, der angegebene Grund fei wahr
denn wenn gar fein Wein in den Tempel des Ra kommen vurfte, Kl
fonnte dem Gotte feine Weinfpende vargebracht werden, und dieſes m
einen tieferen Grund gehabt haben, als jenen bloß von der vermeinieW
Scidlicykeit hergenommenen. Meldet und doch Plutarch (30) noch einen
ähnlichen Brauch, indem er fagt, wann die Aegypter der Sonne opfern
wird dad Gold entfernt und der Efel verachtet. Wie felfam auch die
Entfernung des Goldes erfcheinen mag, da man denfen follte, dieſch
feurig glänzende Metall eigne ſich vorzüglih, um der Sonne geweiht gi
werben, fo zeigt doch die hinzugefügte Nachricht von dem Efel, wei
feinen Zweifel zuläßt, daß Plutarch etwas Glaubwürdiged melnet. Das
Gold erſchien durch feine Barbe gleich dem rötblichen Eſel Typhoniſch
auch zum Schmur der Götterſcepter. Daß aber nicht ein Vogelkopf am
Bötterfcepter fey, jondern der eines vierfüßigen Thiers, lehrt der Augenſcheit,
und Wilfinfon überzeugte fich auch davon. Betrachten wir die Abbildungen
des Hafen bei den Aegyptern, dann Fann fein Zweifel feyn, daß es eis
Hafenfopf fey. Diefes Thier bedeutete, wie Horapollo (1.26) ſagt, das Oeffuen,
alfo un, und wirflich vertritt der Hafe auch den Budhflaben u in der
Hierogiyphen. War nun der Hafe ein Sınnbild des Eröffners Ra, fü
fonnte er an der Spike des Götterfcepters das Königliche bezeichnen; denR
Sonne und König find ja eins, weil man den König Sonne oder Sehr
der Sonne nannte. Die Götter konnten alfo auch diefes Zeichen erhalten,
um ihr Königthum anzudeuten, wie fie Sperber und Sonnenfcheibe zu dieſen
Zweck hatten. In Todtengegenfländen kommen, wie Wilfinfon (2. 176)
meldet, göttliche Weſen mit Hafenföpfen vor, was beweißt, daß dieſes Thier
ein Sinnbild gewefen fey, und da in die Angabe Horapollo’s Fein Mif
rauen zu feßen ift, weil fie ver Sprache und der Art, diefe durch Hieros
glyphen auszudrüden, angemeßen ift, fo dürfen wir dieſe göftlichen Weſen
als Eröffner anfehen, fey es, daß fle fih auf Eröffnung der Zeitperioden,
oder der feeligen Wohnungen für die Todten beziehen, wie Oſiris der gute
Gröffner beißt. Auch Seb führt ven Beinamen Un, der Srüfer.
{
Der Sonnengott Ra. 135
d wollte man von der Sonne ein feegenreiches Wirken erflehen, fo
ste man alles, was an den verberblihen Typhoniſchen Brand
nnerte, entfernen, weßhalb denn der Eſel überhaupt ein verachtetes
ier war, während das fchöne Metal im Allgemeinen im höchften
erthe fland, und nur in Diefem einzelnen, wegen der feiner Barbe geges
sen Bedeutung, als von übler Vorbeveutung betrachtet ward. Kine
liche Bewandniß mag ed mit vem Wein in Beziehung auf die Sonne
jabt haben, mag man nun die röthliche Farbe oder was fonft in
tracht gezogen haben. Bekanntlich ward Aegypten von Herodot der Wein
13 abgefprochen, doch bezeugt derſelbe ebenfalls, daß dort welcher
Ben ward. Plutarch aber giebt an, vor dem Könige Pſammetichus
ten die Aegyptiichen Könige feinen Wein getrunfen, *) weil er, wie man
e, aus dem DBlute derer, welche die Götter befämpft hätten, entſtan⸗
ı fei._Man leitete ihn aljo von Typhon her, doch mag dies zum Theil
nigftens erfunden feyn, um den Nichtgenug des Weins in früheren
iten zu erklären; denn hätte der Wein durchaus für Typhoniſch gegol«
a, fo hätten die Aegyptifchen Priefter zum wenigftend, wo nicht alle
egypter, ſich deſſelben enthalten müßen. Doch mag auch vie röthliche
arbe des Weins mitgewirkt haben, um ihn als ein Erzeugnig aus Blut
Betrachten, und im SHebräifchen heißt von chamar roth feyn, chemer
er Wein und chamor der Eſel, was freilich für Aegypten nichts beweißt,
och zeigt, Daß die Farbe beider Dinge nicht ald zu weit von einander
ftehend angeſehen warb.
Der Sperber, heilig gehalten und verehrt in Sierafopolis, d. i.
perberſtadt, Eileithyiaftadnt gegenüber, wie und Strabo (817) melbet,
ar ein Sinnbild des Ra, welcher mit dem Sperberfopfe, jeltner ganz
8 Sperber, doch auch mit Menfchenhaupt und Sonnenfcheibe dargeſtellt
ard. Indeßen auch die andern Götter, die durchaus Feine Götter der Sonne
aren, finden fi mit dem Sperberfopfe abgebildet, wodurch fie bildlich
8 Sonnen, als glänzende Könige dargeftelt werden. Die glänzende
sonne war nämlich in Aegypten gewählt worden, zur Bezeichnung des
tönigsglanzed, weßhalb auch der König Phra hies, d. i. Ra mit dem
tännlichen Artikel, woraus der biblifhe Name Pharao entflanven ift,
falls dies Wort nicht aus Ph⸗uro, der König, gebildet ward) und
Sohn der Sonne, welcher Titel gewöhnlich vem Namen des Königs voraus
ht. So 3. B. beißt es auf dem Obelisk des Namefjed (bei Ammianus
Rarcellinus), der mächtige Phra, der glänzende Sohn ver Sonne. Daher
eichnet der Sperberkopf, als von dem Sinnbilde des Na entlehnt, ven
—
*), Die Geneſis ſpricht freilich vom Weintrinken des Könige in Aegypten in
einer älteren Zeit, und die Denfmäler zeigen Spenden in einer folchen, bie
auch dem Ra bargebradt wurben.
2126 Der Sonnengott Ma.
welchem er gegeben wird, als einen König, ja der König findet fid |
zu Theben ald Sperber vor Ammon ſtehend, der ihm dad Zeichen
Lebens an den Schnabel hält, und hinter dem Sperber ift Die Song
fheibe mit dem Uräus abgebildet (bei Wilkinfon 1. &. 288), und mg
fo dient die Sonnenfcheibe auf dem Haupte aus gleihem Grunde m -
nämlihen Bezeichnung. Da nun auch der Uräus die Bedeutung
Koͤnigthums Hat, fo bietet die Vereinigung von Sperberfopf, Song
fcheibe und Uräus, welche fich öfters findet, die Ivee des Könige
dreimal vereint dar, und gerabe bei Ra felbft iſt dieſe Darfiellung ug
falls zu finden. Warum dem Ra der Sperber geweiht war, wie
nicht; denn als ein Sinnbild feines Namens, wie z. B. ver Siam
Thron als eine Hieroglyphe ihres Namens zugetheilt ward, kann em
nicht wohl zugewiefen worven feyn, da fein Aegyptifcher Name bak I -
Horapollo (1. 6) fagt, er gehöre der Sonne, weil er vor allen BA
fcharf gegen die Sonnenftrahlen blicke, weshalb auch vie Uerzte zur Ass
heilung Sperberfraut gebrauchten. Plutarch (51) nennt den Oſtris
ben Sperber dargeftellt, weil diefer Vogel fcharf jehe, fehnell fliege, wu
Nahrung brauche; auch folle er auf Leihen Erde werfen, und wa
aus dem Nil trinke, die ever gerade aufridhten, nach dem Trinken
niederlagen, zum Zeichen, daß nicht ein Krokodil ihn geraubt habe.
Diodor (1. 87) wird, ohne Rüdfidht auf die Sonne, feine Heiligkeit 24
erklärt, daß er Scorpionen, gebörnte Schlangen und anderes Un
vertilge, oder weil die Seher ihn als Weißagevogel gebrauchten und
feiner Beobachtung den Aegyptern die Zukunft vorherfagten (Drafel
dem Vogelflug find bei den Aegyptern nidyt befannt), oder man gab
was denn etwas mythiſcher lautet, in alter Zeit babe viefer Vogel ch
Buch mit einem Purpurfaden umwunden, ven Prieftern nad Toehe
gebracht, worin der Dienft und die Verehrung ver Götter aufgezeichn
waren. Defwegen follten auch die heiligen Schreiber eine Purpurbin
tragen und eine Sperberfever auf dem Haupte haben. Xelian (11. 3
giebt als Aegyptifchen Glauben an, wann ber Sperber fterbe und ei
bloße Sesle werde, fo weißage er und fenve Träume Doch dies fie
wahrlih nicht wie altäggptifcher Glaube, fondern wie eine fpäte Gr
dung aus. Weiter fagt verfelbe, daß die Aegypter behaupteten, zumell
ericheine bei ihnen ein breibeiniger Sperber. Dan Eünnte vermutben, |
fei wirklih eine ſolche Bildung zur Bezeichnung einer Idee gedicht
worden, da Schönheit, Natürlichkeit und Wahrfcheinlichfeit in den Aegy
tifchen Darftelungen ver Idee zu weichen pflegen, und in Beziehung a
die Sonne, lag allervingd ver Gedanke einer Dreitheilung (Morge
Mittag, Abend) nahe; doch wird Aelians Angabe vdurdy feine der vorhai
denen bilvlihen Darftelungen bewieſen. Da dieſer Schriftfteler di
Sorus für den Apollon und dieſen für sinen Sonnengatt hält, fo gie
Der Sonnengott Na. 1987
h
‚ @ (10. 14) an, ver Sperber fei dem Horus geweiht, und es fcheine dies
geſchehen zu ſeyn, weil er in die Sonnenftrahlen blickt und hoch fliegt,
k amd weil er auch ein Feind der Schlangen, Scorpionen und derartigen
Umgrieferd jei. Die Tentyriten, fo heißt es bei demſelben Schriftftefler,
(10.24) ehrten den Sperber, und um fie, die das Krofovil nicht ehrten,
Haben fingen, zu ärgern, fpießten vie Bewohner von Koptos, die Ver-
eher des Krokodils, öfters den Sperber, und er fol den Tentyriten ein
Bih des Jeuers geweſen feyn, wie das Krokodil jenen ein Bild des
Üohers war. Letzteres fcheint nur um des Gegenfages willen erfunden;
Sem allernings find Waßer und Feuer eben fo ftarfe Gegenfäge, wie vie
gegenfeitigen Befinnungen der Tentyriten und Koptiten, und da das Kro⸗
Bedil allerdings ein Sinnbild des Waßers war, fo mochte man ihm ein
Sinnbild des Feuers entgegen ftellen zu müßen vermeinen, ven Tenty⸗
felbft aber konnte es nicht verborgen feyn, welchem Gotte ver
tber gemeiht mar. Ob es wahr fei, was Xellan (12. 4) meldet, daß
Wiekt Vogel beim Herannahen ver Nilüberichwenmung das Gefieder
werke, und ob dies etwas zu feiner SHeilighaltung beigetragen habe,
wu dehin geftellt bleiben. Uebrigens bezeichnet der Sperber auch vie
Geh, und viefe feben wir auf den Denfmälern als Sperber, mit dem
Beibentopfe abgebildei. Horapollo (1. 17) fagt darüber, der Sperber
ll die Seele dar, infofern verfelbe im Aegyptiſchen Baieth heißt, welcher
Han Seele und Herz bedeutet, denn bai heißt Seele, eth Herz (het, hali
feißt Herz); das Herz aber tft bei den Aegyptern der Einfchluß der Seele,
Web der Name beveutet alfo beberzte Seele. Wegen viefer Beziehung zur
Gecle trinkt der Sperber durchaus Fein Waßer, fondern Blut, momit
uch die Seele genährt wird. Daß der Sperber Baieth geheißen, müßte,
venn es wirklich flatt gefunden hätte, in fpätere Zeit fallen, denn jein
dame war bak, aber eö wäre doch möglich, daß weil in dieſem Namen
le Sylbe ba enthalten war, welche die Seele beveutet, er ein Sinnbilv
IE Seele geworden wäre, wie in fpäterer Zeit ver Ziegenbod, welcher
s heißt, auch die Seele bezeichnete. Auf viefe Weile hätte der Sperber
u der Vogel der Sonne werden Eünnen, weil Sonnenlicht und Leben,
te im Gegentbeil Naht und Top in der Vorſtellung ſich berühren.
ebrigens ift noch zu bemerken, daß Strabo (818) zu Philä, wo Aethiopen
ad Aegypter zufammen wohnten, eined heiligen Vogels erwähnt, der ein
iperber feyn follte, jedoch größer als der gewöhnliche war, und fi
scch fein buntes Gefieder unterfchled. Er ward für einen Aethiopiſchen
jogel ausgegeben, und wenn einer farb, heißt ed, fo warb er durch
nen andern aus Xethiopien erſetzt. Wir Tonnen nicht zweifeln, daß
ieſer Vogel wirklich ein Sperber war, und in Philä dürfen wir und ihn
auf ven Horus bezogen denken.
Wis Phitbab zu Memppis ben ſchwarzen Stier Ayis Yatte, ſo Ra»
ETESENSNpeaF2E wu
138 Der Sonnengott Re.
Heliopolis den ſchwarzen Stier Mneuis (mit der Sonnenfcheibe und Feden
auf dem Kopie dargeftelt), der wie Strabo (805) angiebt, in eime
Tempelgemache des Gottes fih befand. Wiemohl viefer Stier nicht (iR
angefehen war, wie der zu Memphis, und feine fo audgebreitete Berüt
heit genoß (Ammianus Marcellinuß jagt, er ift der Sonne geweiht ml
es wird nichts Merfwürdiged über ihn erzählt), jo galt er Manchen
wie fhon oben angegeben worden ift, für den Vater des Apis. Im
tönnen wir, mie in dem Apis, nichts anderes als ein Sinnbild
Zeugung nnd Bortpflanzung erbliden, weldyes man tem lebenmwertenke
und ſeegenſpendenden Eonnengotte zugefügt hat. Aelian ı11. 11) er
und, von den Aegyptern gehürt zu haben, daß König Bokchoris um
Leute zu ärgern, einen wilden Stier gegen den Mneuis geführt hat
Als beide Stiere einander zu Gefichte befommen, hätten fie gebrüllt, w
der herzugebradhte jey auf den Mneuis lodgeftürzt, dabei aber mit
Horn in einen Perfeaflamm gerannt, worauf ihn der Mneuid von
Seite her durchftoßen habe. Wie unbedeutend dieſes Mährchen audy «a
jeben mag, fo ift doch nur vie Erzählung oberflächlich, der innere Gehak:
jedoch ift Acht mythologifh. Der Berfea- baum war ein Sinnbife 1.
Lebens, und gehörte ver Hathor, der Gebährerin und Liebeögöttin, weiße
das Leben und die Bortpflanzung verbürgt, welche Uuterbrechung ode |
Gefahr au der Zeugung drohen möge. Der Sinn jened Mährde
befagt demnach, daß der Angriff auf die Bortpflanzung und Zeugung 6
dem unvertilgbaren Leben fcheitere, denn ber Perſeabaum beveutet 1
demielben das Leben, welches fih ſtets unvertilgbar wieder erneuert. 3
Eufebius (3. 13) wird der Stier Mneuid folgendermaßen beichrieben: CE
it fehr groß und fehr ſchwarz, weil die Sonne ſchwarz madıt; die Haau
des Schweifd und des Körpers find auswärts gefträußt, anders wie I
den übrigen Stieren, weil die Sonne dem Himmel entgegen geht. G
hat große Hoden, weil die Hige Liebe weckt und die Sonne befruchtend iſ
Don einem dritten heiligen Stiere, welcher auf die Sonne zu beziehen
ift, meldet und Aelian (12. 11), Indem er fagt: Es verehren die Aegypter
auch einen ſchwarzen Stier und nennen ihn Onuphis, der Name des Ortes
aber, wo er gehalten wird, iſt rauh auszufprechen. (Diefer Drt war
Hermonthis, wo Muntu mit Ratho und Harphra vie Kauptgottheiten I
Tempeld waren, und einen Namen wie Hermonthis zu rauh zu finden
und Ihn darum ganz zu verfchweigen, gehörte zu ven lächerlichen Zierereien
der fpäten Sophiften.) Seine Haare find nad) der Gegenfeite der Haar
anderer Stiere gekehrt, und er iſt fehr groß und frißt Mediſches Krast
(Klee). Macrobius (1. 21) aber giebt an: zu Hermonthis in dem praäch⸗
tigen Tempel des Apollo (dad wäre nach der Griechifchen Anſicht Horus,
in fpäterer Zeit als Sonnengstt geltend bei Griechen und Römern) ehren
Re einen ber Sonne geweihten Stier, vem fe ven Beinamen Vakis (ober
Der Sonnengott Na. 139
Bacis) geben, audgeftattet mit Wundern, welche zu ver Befchaffenheit der
Bonne paßen. Denn man verfichert, daß feine Farbe von Stunde zu
Stunde wechfele, und daß feine Haare ſich nad) der entgegengefegten
Richtung fträuben, wie ſie bei den übrigen Ihieren ſtehen. Darum wird
= für ein Bild der Sonne gehalten, weldhe gegen die Bewegung ber
Belt fich bewegt. Hier fehen wir viefelbe Idee in der Deutung befolgt,
weile bei dem Mneuis angenommen ifl, und welche wir bei dem Käfer
bs Phthah als Inhalt dieſes Sinnbilvs angenommen haben. Daß Onuphis
md Pacis oder Bacid nur zwei Namen eines und deſſelben Stieres feyen,
# Mar, und mit Onuphis wird er, falls der Name genau überliefert ift,
zeichnet, wie Heliopolis felbft, welches On hieß (un entweber Eröffnung,
wer Glanz) und uphis Fünnte wie in andern Namen aus Othph, Atep,
.t. Darbringung, entſtanden feyn, und dieſes Wort ift als Namenendung
mb als Theil von Benennungen nicht felten. Pakis aber oder Bafis kann
Iu8 pe-ka, der Stier, entftanden feyn, und der Onuphis würde damit
werzugämweife oder ſchlechtweg der Stier genannt. Zwar fagt Wilfinfon
(2. 197), in den Hieroglyphen erfcheine diefer Name in der Form basch;
wa er aber weder die Hieroglyphe mittheilt, noch etwas Näheres darüber
fagt, fo müßen wir feine Angabe auf ſich beruhen lagen.
Wir kommen nun zu einem vielleicht zweifelhaften Sinnbild der
Gonne, zum Löwen, welcher allerdings ein Sinnbild der Sonne gewefen
gu ſeyn ſcheint. Horapollo (1. 10) fagt: zu Heliopolis findet fih eine
Bitofäule des Gottes, welche Fatengeftaltet iſt; und vorher giebt er von
ver Katze, um fie ald für die Sonne geeignet nachzuweifen, an, bie
männliche Kate ändere die Pupille gemäß dem Kauf ver Sonne; beim
Yufgang derſelben vehne fie fi) aus, Mittags werde fie rund, und wann
He Sonne untergehen molle, erfcheine die Pupille dunkler. Einen katzen⸗
Üipfigen Bott bieten die Aegyptiſchen Denkmäler nicht dar, und anzu«
sehmen, Horapollo verwechlele ein Bild ver Bubaftis mit einem Bilde
des Sonnengotted, ift minder wahrſcheinlich, ald anzunehmen, er babe
einen Löwenföpfigen Gott, und einen foldhen bieten die Denkmäler dar,
mit einem katzenkoͤpfigen verwechfelt; denn jo ift dad Bild ver Paſcht
faum von dem der löwenköpfigen Göttin zu unterfcheiven. Der Lowe
war wirklich ein heilige8 Thier in Aegypten, und ward befonderd zu
Leontopolis, d. i. Lowenſtadt, gepflegt, wie Diodor (1. 84) es ung bezeugt.
Zur Zeit, als der Ihierfreis erfunden und zu allgemeiner Kenntniß
gefommen war, beutete man dieſe Verehrung auf das Sternbiln des Löwen.
&o Iefen wir bei Plutarch (38): die Aegypter verehren den Lowen und
Ihmüden mit Köwenrachen die Tempelthüren, weil im Zeichen des Löwen
der Mil überfließt. Uebereinſtimmend damit bemerft der Scholiaft zu
Aratos (152): das Sternbild des Löwen weihten fie der Sonne; denn
Mm diefer Zeit Reigt ber MI und der Hundsſtern geht auf, weldger ver
ID. 9
130 Der Sonnengott Ka.
Ifis Heilig if. Maerobius in den Saturnalien (1. 21) giebt i
Aegypter hätten ven Löwen der Sonne geweiht und wegen feiner |
Stärke dahin im Thierkreis gefept, wo die Sonne im Jahresli
heißeften glühe. Auch hätten fie das Zeichen des Lowen dad Hi
Eonne genannt, weil dies Thier fein Wefen aus der Sonne zu
fcheine. Dürfen wir und auf Aelian verlaßen, dann fünnte freif
Zweifel darüber jeyn, daß der Löme dem Sonnengotte gehörte; den
erzählt (12. 7): zu Groß⸗Heliopolis in ven Propyläen des Gotk
man Löowen, die denen, welchen der Gott gnäpig fey, mandjes Zu
im Schlaf weißagen, und Meineidige auf ver Stelle ftrafen. (Den 4
Theil des Löwen follen vie Aegypter auf dad Beuer, ven binte
das Waßer beziehen, welche Auslegung auf die Annahme, daß das
HA des Loͤwen die Nilüberfchwemmung bringe, gegründet zu ſeyn
Empedokles meinte, auch bei ver Seelenwanverung fey e3 für den V
am beften, wenn feine Seele in einen Löwen wandere, fo wie,
in eine Pflanze wandern müße, der Lorbeer dazu am vorzüglich
fie fey. Auch Proflus fagte, manche Thiere feyen folarifch, wie di
Huf ven Denkmälern finden wir die Sonnenfcheibe mit dem Zeit
Lebens auf zwei fißende Löwen geftüßt, und ſolche Löwen als €
träger dienten au zu Amuleten und Zierrathen, und der Ring,
fie befeftigt waren, ftellte die Sonne vor; doch flatt des Kopfe
Löwen findet ſich auch einmal ein Kuhfopf. Uebrigens gab es in Q
feine Löwen, fondern fie wurden nur zur Verehrung gehalten; der {
dieſer Verehrung aber war Leontopolis, d. i. die Loͤwenſtadt. Zu
findet jich der Löwe auf dem Schrein des Ibis, welcher dem Thoth
und hat die Sonnenjcheibe zur Verberrlihung auf dem Kopfe, ein
kephalos aber, welcher ebenfalls dem Thoth gehört, betet zu ihm
Sinnbild des Zeitgottes Thoth kann nicht wohl etwas anders «
als was auf die Zeit Beziehung hat, Sonne und Mond aber, nad
die Zeit gemeßen wird, und welche gewißermaßen die Schöpfer t
find, eignen fih zu Gegenſtänden, um von dem Sinnbilde des
angebetet zu werden. (Daß Horapollo, Proflos, Macrobius den
ein Sinnbild der Sonne nennen, ift nicht beſonders in Anfchlag zu I
weil diefe gewiß vom Sternbild des Löwen ausgiengen.) *)
Gehörte der Löwe dem Ra, fo kann das Sternbild des Löwer
nichts zu thun haben; denn der Thierfreis ift ſchwerlich fo alt in A
als vie Verehrung des Loͤwen. Was die Veranlagung gewefe
koͤnnte, dieſes Thier der Sonne zn weihen, Eönnen wir nicht mit Be
heit fagen, weil Niemand es überliefert Hat; aber höchſt wahrſt
*) So viele Mumien von Thieren man auch hat, fo find doch noch fe
Löwen aufgefunden worben.
Der Sonnengott Ra 131
fette die Narbe dieſes Thiers die Veranlaßung dazu hergegeben, und daß
ger von feiner Farbe der glänzende bieß, zeigt vie Aegyptiſche Sprache;
wenn anfer dem Namen rabu hat er auch den Namen maau, koptiſch mui
send mau, und Eoptifch mue heißt glänzen. So fehen wir in der Griechifchen
Rothologie ven Wolf wegen feiner Farbe ver LKichtgottheit zugetheilt, und
R ver Negpptifchen den Schafal dem brennenden Hundsſtern. Auch bie
Denhaare Eonnten bei dem Katengefchleht zum Sinnbild der Lichtftrahlen
acht werden, und darin fände ed vieleicht feine Erklärung, daß bie
Bade der Geburtsgöttin gehörte, welche die Keime des Lebens nach erlangter
eife an das Licht bringt, mweßhalb die Geburtsgdttin bei den Römern
Eueina, d. i. Lichtgöttin, hieß. Hören wir, was Horapollo (1. 17— 21)
über den Löwen bemerkt: Wollen vie Uegypter den Mutb varftellen, fo
mealm fie einen Löwen; denn er hat ein großes Haupt, feurige Augen,
une Seficht rings mit ftrahlenartigen Haaren befegt, ähnlich ver Sonne;
Barum jegen fie auch Löwen unter den Thron des Horos, welcher vie
Come if. (In der fpäten Ptolemäer- und Nömerzeit zeigen die Denf-
ln allerdings den Harpokrates auf dem Thron von Lowen getragen
and af dem Rücken von Löwen, wie bei Rojellini Tafel 18 zu ſehen ift.)
Elirfe fiellen fie durch das Vordertheil des Löwen dar, den Wachfamen
ur des Lowen Haupt, meil er wachenn die Augen fchließt, fchlafenn fte
ponen hält, weßhalb fie auch den Schlößern ver Tempel Löwen zugefügt.
Eben fo dient der Löwe zur Darftelung des Burchtburen. Auch zur
Bezeihnung der Nilüberſchwemmung gebrauchen fie den Löwen, weil der
Nil übertritt, wann die Sonne im Zeichen des Löwen ift, und dann zuweilen
bie doppelte Höhe erreicht, weßhalb auch die alten Vorfteher der heiligen
Werke vie Rinnen und Canäle ver heiligen Quellen lümenfürmig machen
ießen. Auch in diefen Erklärungen fol in Beziehung auf die Sonne das
Sternbild des Löwen und der Eintritt der Sonne in daſſelbe das Wefent-
iche ſeyn, und die Nilüberſchwemmung, welche die Aegypter Doch ganz
md gar von dem Hundsftern abhängig dachten. Sollte wirklich die Sonne
m Zeichen des Löwen in Beziehung auf die Nilüberfchwemmung je in
Negnpten gegolten haben, fo würde viefes nur eine Neuerung in ziemlich
päter Zeit gewefen feyn. Allein auch ohne zu dem Sternbilde feine
Zuflucht zu nehmen, bietet ſich uns eine ganz dem Geiſte der Aegnptifchen
Mythologie und ihrer Verfahrungsmweife, Sinnbilder anzuwenden, gemäße
Deutung dar. ft der Löwe ein Bild des Lichts, fo läßt er fih als ein
hier des Sonnengotted und ald ein Sinnbild des Lebens erklären: Daß
r aber als ein Bild des Lichts in Aegypten gegolten habe, beweifen
Bilder, denn es findet fich ein Tömwenföpfiger Gott, der auch ven Löwen
um bierogInphifchen Zeichen bat und Mau, d. i. Glanz, heißt (bei
Wilkinſon Taf. 71). Zwar ift er in Sculpturen felten und nicht fehr alt.
(Zu Denderah aus ber Ptolemäer⸗ und Römerzeit, au zu Debod hei
9%
132 Der Sonnengott Ra, Sphinr.
Ammon, welchem Cäſar varbringt, und im füblichen Aethiopien in
Nähe des heutigen Shenty fand Wilfinfon (2. S 171) den lowenkdp
Gott, der eine Hauptitelle in den großen Tempel von Wady mali
einnahm; er ift in einer Proceifion der Götter Ra, Neph, Phthah, welch
der König darbringt, der erfte. An der Seite des Propyläums iſt ch
Schlange mit einem Löwenfopf und Menfchenarmen, ſich aus einem |
erhebend, und in dem Fleineren Tempel des nämlichen Ortes ift ein €
mit drei Löwenföpfen und zwei Paar Armen. Auch die Ueberrefte
Wady Benat zeigen den Lömengott. Diejer Mau [Mu, Mui] de
Sohn des Ra, Npe, Führer des Himmels, und hat die Straußfeder,
Zeichen der Ma, und iſt audy ein Uinterweltögott. Im Rameſſeion fin!
fi) al8 die darin wohnenden Götter, Ammon, Phthah, Ra, Atmu, M
Seb, Paſcht, Hathor, nebft Thoth und Ma und dem Wächter der Kimi
lifchen Pforten.) Berner bat ein Gott mit Menfchenkopf, worüber
die Sonnenfcheibe mit Uräud findet, den Löwen zum hieroglyph
Zeichen, und Fönnte hierher gehören. Auch Paſcht hat zuweilen flatt N
Kate den Löwen zum hieroglyphiſchen Zeichen, und Mut, Triphis, Tefal
find Löwenföpfige Göttinnen, deren Bedeutung mit dem Wefen der Pafl
in naher Verwandtſchaft ftehen muß. Nehmen wir nun an, daß Kauf
und Löwe durch Fichte Farbe, runden Kopf und die ftrahlenartigen Berl
haare, wie auch noch indbejondere der Löwe durch die Mähne um fei
Kopf, die Lichtſtrahlen, das Licht darzuftellen erwählt wurden, dann erfl
es fih, warum die Geburtögöttin Fagenföpfig war, oder löwenföpfig, w
warum die Mu, die Mutter, in verfelben Geftalt erfcheint. Licht
Keben find aber verwandt, wie Licht und Zeit und Zeit und Xeben; b
gebohren werden ift an das Licht treten, Leben ift im Lichte feyn,
Tageslicht fehen, und fterben ift das Licht verlaßen und ver Nacht U
Todes anheimfallen, fo wie die Zeitlichfeit verlaßen; denn man durchle
die Zeit und faßt das Leben als eine Reihe von Zeit, die für den Todte
nicht mehr beftebt. Fällt nun bei ven löwenfüpfigen Göttinnen die |
von Licht und Leben zufammen, fo kann auch das Sinnbild der Son
zugleich ein Sinnbild des Lebens feyn, und ein foldhes Licht und Leben
andeutended Bild eignete fih zum Schmud der Tempelthüren, und um
die Rinnen und Canäle zu verzieren, durch melche das gedeihliche, leben⸗
weckende Waßer geleitet ward. Auf dieje Weife läßt fi) denn aud alt
ein Sinnbild des jeegensreichen Lichtes der Sonne dad Miſchbild erklären,
welche8 unter dem Namen
Spbhbing
befannt iſt. Diefer Name ift von Griechen wegen ihrer Ihebanifchen
Sphinr, die aber weiblich war, auf dad Aegyptifche Sinnbild übertragen
worben; benn die Aegypter nannten es neb, d. i. Kerr. Herxodot (2. 175)
Der Sonnengott Ra, Sphinz. 133
meldet von Amaſis, daß er zu Sais die herrliche Vorhalle des Neith-
Zempels baute und Koloſſe und Münnerfphingen weihte. Wir wißen
auch fonft, daß dieſe Geftalten vor den Tempeln in ganzen Reihen aufges
Belt wurden, jo daß man durch fie hindurch in den Tempel gieng.
Bilutarch (9), welcher die Anſicht Hatte, die Sphinx bezeichne das Räthfels
hafte, fagt: durch Aufftelung der Sphingen vor den Tempeln wollte man
des Dunfle und Räthfelhafte der heiligen Weisheit bezeichnen. Clemens
Der Alexandriner in den bunten Schriften (5. S. 240) ift verfelben
‚Meinung ; ; denn auch er fagt: die Aegypter haben die Sphingen vor ven
Seiligthümern aufgeftellt, um das Näthfelhafte ihrer heiligen Lehre damit
anzudeuten; doch fügt er hinzu: vielleicht au, um damit audzubrüden,
daß man das Göttliche Lieben und fürchten müße, lieben als mild und
gnädig den Frommen, fürchten ald unerbittlich gerecht gegen die Gottlofen;
kenn vie Sphinr vereinigt dad Bild des wilden Ihiers und des Menfchen.
Paß die Aegypter an vergleichen nie dachten, verfteht fi) wahrlih von
Kit, da nur der Hinblid auf die Griehifhe Sphinx die Griechen zu
fh einer Meinung bringen konnte. Was aber Clemens ver Alerans
kriner nun gar von der Liebe und Furcht fagt, ift fchon dadurch widers
Test, daß ftatt der Löwen mit Männerföpfen auch bloße Löwen reihenweife
yor den Iempeln aufgeftelt wurden, wie zu Starnaf, woraus erhellt, daß
ber Löwe jelbft dad Sinnbild war, und daß der Menfchenfopf nur hinzus
‚sefügt ward, um ihm als ein göttliches Weſen zu bezeichnen, was, obgleich
‚ga Thier die Gottheit felbft beveuten Eonnte, doch audy durch Mifchung
Eder Geſtalt geihah, und zwar auch fo, daß die thierifche Geftalt mit einem
Menichenkopf gebildet warb, wie wir z.B. den Amun-Ra ale Sperber .
mit Menfchenfopf finden, eben fo vie Hathor. Aber nicht bloß Loͤwen
wit Menſchenkoͤpfen ftellten die Uegypter auf, fondern vie Ueberrefte ihrer
Denkmäler geben und noch Löwen mit Wipverföpfen zn ſchauen, und dazu
welche mit Sperberföpfen, und flatt der Lowen finden wir auch Widder
in Reiben vor dem Zugang zu dem Tempel aufgeftelt. Auch ven König
ſehen wir, gleich wie er als Sperber vargeftellt war, alfo als Sonne, eben fo
als Sphinx dargeftellt vor dem fperberföpfigen Gotte bei Wilkinfon
(1. ©. 288), und zwar hat er in jeder DVorvertate dad Waßergefäß;
Waßer aber bezeichnet Leben, wie denn Hathor und Nutpe den Seelen
Waßer zufchütten, damit fie eben genießen. Diefe Darftelung des Königs,
ber felbft eine Sonne, ein Sohn der Sonne ift, unter dem Bilde des
Löwen, wenn wir diefen nicht ald Sinnbild der Sonne bezweifeln, würde
ſich vann erklären, wie fich feine Darftellung unter vem Bilde ded Sperberg
erklärt. Es ſcheint auch ver Xöme felbft als finnbilvliche Bezeichnung des
Königthumd zumeilen bei den Königen abgebildet worden zu feyn, und
daher fcheinen die Mährchen zu ſtammen von Löwen, weldye den Königen
in den Schlachten helfend zur Seite flanvden. Sp erzählt Diodor (1. 48)
134 Der Sonnengott Ra, Sphinr.
von dem fogenannten Grabmal des Oſymandyas: auf der erflen Seite
der König dargeftellt, wie er eine vom Fluß umftrömte Dauer belage
und voran fämpft gegen die Feinde, mit einem Löwen, welcher entfegf
mitfämpft. Lömwenköpfige Statuen finten fih in ven Trümmern W
Memnoniumd und zwei Eoloffale Sphinre mit Menichenköpfen, den Kbu
Amenophis darftelenn. Zu Uadi Effebua find Sphinre in ver X
des von Seſoſtris dem Na geweihten Tempels, welcher zugleich
Phthah gehörte.
Der Käfer, weldher nur als ein Sinnbiln des Phthah mit Gewißhe
angejehen werven Fann, wird auch ald der Sonne eigen genannt
Porphyrios und Horapollo (1. 10), und er findet ſich abgebilvet, W
Sonnenfugel über fih mit den Vorberbeinen haltend. Möglich wäre
gewefen, daß er auch ald Sinnbild des Na betrachtet worden wäre, be
beweifen läßt es fih nicht. Zwar fehen wir eine Darftellung
Wilkinfon Tafel 29), wo die Sonnenfcheibe auf dem Sonnenberge x
und der fperberfüpfige Ra mit Kufuphafcepter und Peitſche in derſe
fißt, während darüber ein Käfer in einem Kreife fich befindet, an weldgen
fi) daS Zeichen des Lebens und dad Kufuphafcepter herabhängend befiubets
ob aber diefed Bild für einen Beweis, daß der Käfer auch dem Ra gebiet
babe, gelten Eönne, mag troß des Anfcheins dahin geftellt bleiben. Be
der Käfer durch das Nollen der Kugel die der Bewegung des Himmel
entgegengefegte Bewegung der Sonne bezeichnet, fo paßt er natürlich ebe
fo gut für den Ra, als für den Phthah, welcher als Tageögott eben wege
des Lauf der Sonne am Tage jened Sinnbild hat, und von dem ch
heißt, er bewege fein Ei im Simmel, fo wie es auch vom Na heißt, er
bewege fein Ei. Das Ei aber war bei ven Aegyptern ein Sinnbilo für
den Urfprung einer Sadje, und da das Ei, welches Ra bewegt, nid
anders jeyn Tann, als die Sonne, fo wird dieſe der Urfprung des Ra mit
jenem Ausdruck genannt. In fo fern nun die Sonne Urfprung oe
bildlich Ei des Ra, ift derſelbe nicht die Sonne felbft, wiewohl es auf
von ihm heißt: ver in der Sonnenſcheibe thront, fondern er ift der Licht
gott ded Tages, gleich dem Phthah, wenn wir recht berichtet werben, ein
Kind. Bildlich ftellten die Uegypter, fagt Plutarch (11), vie Sonne bar
ald ein aus dem Lotus neugebohrenes Kind, womit fie ausdrücken wollten,
daß die Sonne ſich aus dem Beuchten entzünde. Diefe Auslegung iR
nicht richtig, denn aus dem Lotus gebohren werben, heißt eben nichts
mehr, als gebohren werben, da dieſe Pflanze ein Sinnbild des Gebährend
war, meßhalb die Göttinnen ein Scepter trugen, woran oben Lotus war.
Mag Plutarh den Ra mit dem Hau, dem Tage, verwechfelt haben, over
nicht, jo thut das wenig zur Sache, weil Sonne uud Tag ald Begriffe
einander fehr nahe liegen. Iſt Mau mit der Straußfever auf dem Kopfe
wirklich Na unter einem feiner Beinamen, fo gleicht er auch im biefer
-
tt J
Der Gonnengott Ra, Sphinx. 135
ziebung dem Phthah, neben welchem die Ma fteht, und dieſe Feder
: Gerechtigkeit beveuret vie feite Gejetlichkeit der Zeit, die ja nach ver
anne, wie nach dem Monde, gemeßen und gewißermaßen durch fie erzeugt
rd, weßhalb auch Ra ein Herr ver Panegyrien beißt. Bei Phthah ift
on bemerkt worven, dag Munde nicht den Hephäftos zuerft und dann
sen Sohn Helios herrſchen ließen, fondern den legteren an die Spite
s Bötterberrfchaft ftellten;; denn follte die Weltfchöpfung und die beberrfchte
nung derſelben mit dem Kichte und dem Tage in feiner geregelten
iederkehr beflehen, fo Fam wenig darauf an, ob man die Sonne, oder
ı Phthah dazu wählte, die ja fo nahe mit einander verwandt find, daß
in manchen Punkten ganz und gar zufammentreffen müßen. Bei
odor (1. 11) wird Helios unter die acht alten Götter gezählt, und
agt, die Aegypter hätten zuerſt ald die zwei ewigen und älteiten Götter
mne und Mond angenomnen und Dfirid und Iſis genannt. Diefe
gabe aber enthält Feine Aegyptiſche Meythologie, fondern eine fpäte
stende Anficht von derſelben, da ja die Gättin, weldye die Griechen als
tanptiiche Selene nannten, gar nichts mit dem Monde zu fchaffen hatte,
we welchen eine Gottheit, die ihm eigen gewefen wäre, wie Ra es der
jonne war, bei ven Aegyptern nicht gefunden wird. *)
Zwei Obelisfen, erzählt Herodot (2. 111) weihte der König Pheron,
5 er nach zehnjähriger Vlindheit fein Geſicht wieder befommen hatte,
m Selioötempyel, jeden hundert Ellen hoch, acht Ellen breit, aus einem
gigen Stein einen jeden. Plinius (36. 8. 9) fagt über die Obelisfen:
us Syenitifhem Stein machten die Könige mit einem gewißen Wetteifer
r Gottheit der Sonne geweihte Säulen, welche fie Obeliöfen nannten;
: ftelen die Strahlen derfelben dar und Died wird mit dem Aegyptiſchen
amen bezeichnet. (Wir wißen dieſen Uegyptifhen Namen nicht; hat aber
erodot, welcher den Obelisk Obelos, d. i. Spieß, nennt, dieſen Griechi⸗
ven Namen gewählt, weil er einen dem Klange nach ähnlichen im Aegyp⸗
ihen hörte, dann müßte in diefer Sprache das Wort uben, Strahl, einen
heil des Namens ausgemacht haben, und uben-ra, d. i. Sonnenftrahl,
üßte ihm uben-Ia gelautet haben, wie auch die Griechen dad Aegyptifche
tantu=ra zu Manduli8 machten, weil ihnen dad r, wie es häufig im
optifchen in 1 übergegangen ift, wie I lautete.) Plinius erzählt weiter:
rt erite, welcher einen Obelisk errichtete, war der zu Heliopolis herr⸗
*) So kann es auch durchaus nicht als eine Aegyptifche Lehre gelten, was
Samblichus (8. 3) fagt: die Kraft über die Elemente der Zeugung und die
acht Kräfte, die vier männlichen und vier weiblichen, gehört dem Helios,
bie aber über die Natur im Zeugen dem Mond. Dergleichen Anfichten find
überhaupt nicht aus der Mythologie alter Völfer gewonnen worden, ſondern
von den fpäten Philoſophen erfonnen und der Mythologie aufgebürdet,
138 Der Sonnengott Ra, Sphinr.
fol flatt gefunden haben, wie Plutarch (79) angiebt, weil Harz die Lug
reinigt, Myrrhe die von der Sonne ermedten Dünfte zur Mittagägeif
vertreibt, und weil dad Kyphi der Nacht angemeßen fei, indem die Lufk
zur Nacdhtzeit gemifcht ift, wie das Kyphi auch gemilcht ift, und zwar ang
ſechszehn Beftandtheilen, aus Honig, Wein, Roſinen, Kyperos, Saul
Myrrhe, Asphaltos = vorn, Seleli, Maſtix, Asphalt, Binfe, Ampf
Eleinerem und größerem Wachholder, Kardamomum und Calmus. Diekg
Dinge nun wurden nicht fo ohne weiteres zufammengemifcht, fondern a
wurden denen, die es bereiteten, während der Miſchung die heiligz8
Schriften vorgelefen. (Es gab auch ein Kyphi, welches man trank, wei
es für ein Reinigungsmittel der Eingeweide galt.) Er
Macrobind in den Saturnalien (1. 21) melvet, die Aegypter hätten
die Sonnenbilver geflügelt gemalt, das eine dunkel, dad andere Hell, unkäk
das belle heiße das obere, das dunfele das untere, nämlich vie Son
in der oberen und in der unteren Hemiſphäre. Ra al8 Gott, findet
nit auf den Denfmälern geflügelt gebilvet, fondern ald Mann |
Sperberkopf, die Sonnenfcheibe mit Uräus auf demfelben oder mit Sperbet
kopf, Winderhörnern, Sonnenfcheibe und dem mit zwei Straußfeden
verfebenen Hauptſchmuck, wie ihn auch Kneph oder Oftris trägt, oe
bloß ald Mann mit der Sonnenfheibe und dem Uräus darauf. DU
Sonnenfcheibe felbft aber fehen wir vargeftelt auf dem Sonnenberge mk
bem Zeichen des Lebens auf dem Rüden zweier Löwen ruhend, oder auf
dem Sonnenberg mit Ra darin und einem Käfer darüber in einem Kreife,
an dem das Zeichen des Lebens und dad Scepter hängen. Als einer
bloßen Sonnenfreid, von welchem Strahlen ausgehen, vor welchem ver
König, die Königin und Ihre Kinder anbeten, fehen wir fie bei Wilkinfon
(Tafel 30). Die Strahlen find wie dünne Arme gebildet und enven is
angevdeutete Hände, von welchen eine dem Könige dad Zeichen des Lebens
nah dem Munde reidht. Der Name viefed Sonnenfreifes, welcher auf
vier Regionen oder Kreifen zu ſchauen ift, womit wohl die vier Welt
Gegenden angedeutet find, ift Atn-Ra, unter welchem die Sonne befon-
ders in den Grotten von Tel el Amarna verehrt war, wo ſich des Königs
Name weggefrast findet. (Der Name Atn=ra bedeutet aber Sonnfdeibe.)
Auch fehen wir fie untergehend (bei Wilkinfon Tafel 20) auf vem Sonner
berg, aufgenommen in den Urmen der Mutter Erve, die ohne Kopf, nur
mit Armen und Brüften erfcheint, während die grad- und blumen.
bewachfene Erde mit Streifen vol Augenpunften den Reſt bildet und ein
Weib mit dem Auge an dem Gewande anbetet. Die Sonnenfcheibe mit zwei
Vlügeln nach jever der beiden Seiten auögefpreitet (und zuweilen mit zwei
Uräus verfehen) ward über Tempelthüren und an Haudgeräthen angebradt,
und galt ald ein fihügender Genius. In dem Bilde des Himmels, (bei
Wilkinfon Tafel 55) einem Weibe, welches in unvollkommener, verzerrter
|
Der SGonnengott Ra, Sphinr. 1398
Bildung, mit ven Armen und Beinen zweimal wiederholt, eine Flaͤche
umfpannt, auf welcher Sterne angebradht find und drei Sonnenfdeiben,
mit einem Weihe ald Erde darunter, in deren Nähe zwei jener Sonnen
ſcheiben fich befinden, während die britte ganz oben ift (alfo Morgen,
Mittag, Abend) zeigt auch außer jener geflügelten Scheibe, vie ſich
viermal angebracht finvet, zwei weibliche kleine Bilder, deren jede eine
Gonnenfcheibe in einem Boot hält. Die Sonne nämlid fchifft nad.
N Aegyptiſcher Vorftellung in einem Boote, wie auch Plutardy (34) meldet,
welcher jagt, bei den Aegyptern fahren Sonne und Mond in Schiffen,
Jvwas beveutet, daß Alles aus dem Waßer entſtehe. Diefe Erklärung ift
aber nicht richtig, denn wie bei den Griechen die Gdtter Wagen haben,
worauf fie fahren, fo haben fie in Aegypten, dem Lande ded Nil und
feiner Canäle, durchweg Boote, worauf fie fahren, und es hat biefer
Brauch nicht die Entftehung aus dem Waßer zum Grunde. Den Griechen
ſank die Sonne in dad Meer, und fie glaubten, daß fie aus demfelben
auffeige; bei ven Aegyptern aber fehen wir die Sonne in die Arme ber
Erde finfen, uud nicht3 zeigt ſich, was darauf deuten koͤnnte, daß fie
Morgend aus dem Waßer emporftiege. Porphyrius bei Eufebius (3. 11)
#. fagt, bie Aegypter hätten die Sonne zuweilen unter dem Bilde eined
Menſchen dargeſtellt, welcher ein auf einem Krokodil liegendes Schiff beiteigt.
Die Priefter zu Heliopolis haben bei den Griechen einmal den Ruf
großer Weisheit gehabt, doch zu Strabo's Zeit war es damit zu Ende;
benn diejer erzählt (805), zu feiner Zeit fey diefe Stadt verdvet gewefen,
und der Tempel babe manche Spuren ver Verwüftung gehabt, die man
dem Kambyfes zufchrieb. Noch aber habe man dort die großen Käufer
gefeben, worin die Priefter wohnten, denn vor alter Zeit folle viefe
Stadt ein Wohnort der in Bhilofophie und Aftronomie erfahrenen Priefter
geweien jeyn, zu feiner Zeit aber feyen biefe Priefter und ihre Kenntniße
auögeftorben gewefen, und es hätten ſich nur noch die Beforger der Opfer
dort befunden, und diejenigen, weldye ven Fremden die Tempelfachen
erklärten. Dem von Alerandria hinauffahrenden Stadthalter Aelius Gallus
folgte ein folcher Priefter, Chäremon mit Namen, der foldherlei Kennt-
nie zu befigen vorgab, aber er wurbe meift ausgelacht, als ein Prahler
und Nichtöwißer. In Heliopolis, führt Strabo fort, waren aud) die
Säufer noch zu ſehen, worin Platon und Eudoxos gewohnt, die dort
drei oder nach Andern dreizehn Jahre (mach Diogenes Laertius 8. 87.
ſechszehn Monate) vermweilt, um von den Prieftern zu lernen; denn biefe
in der Kenntniß der bimmlifchen Dinge bemanderten, aber geheimniß-
vollen und nicht gern mittheilenden Leute, vermochten fie nur durch Zeit
und achtſame Behandlung dahin zu bringen, daß fie ihnen Einiges mit-
theilten, das meifte aber hielten diefelben geheim. So kannten fie 3. 2.
ben Ueberfhuß des Jahres über breihundert fünf und fechzig Tage, doch
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ur
140 Der Sonnengott Ra, Sphinr.
blieb e8 den Griechen unbekannt, bis die neueren Sternkundigen ed am
der Ueberfeßung der Priefterfchriften lernten.
In Eölefyrien gab es auch ein Heliopolis (Baal⸗bek, d. i. Stakt
des Baal), und wad und Marrobius in den Saturnalien (1. 23) Dave
berichtet, vervient in Beziehung auf den Aegyptiſchen Ra beachtet a,
werben. Er fagt: die Affyrier verehren vie Sonne auf das feierlichfte
Heliopolis, und dad Bild diefes Gottes iſt aus der Aegyptifchen Heliop
genommen zur Zeit, ald Senemurid oder Senepos über die Aegypter
herrfchte, und e8 ward in die Syriſche Stadt gebradht durch Opias,
Gefandten des Affyrifchen Königs Deleboris, und durch Aegyptiſche Prieſter,
an deren Spite Partemetid ftand, und lange bei den Affyriern gehalten,
wanderte er nachmald nach Seliopolid. Warum es fo gefchehen,
welche Weiſe es aus Aegypten gefommen, an die Stelle, wo es jekt
findet, gelangt, und warum ed mehr mit Affyrifchem, als Aegyptiſ
Eulte geehrt werde, fand Macrobius nicht ver Mühe werth zu berich
doch meldet er, das goldene, unbärtige Bild fey ſtehend und halte in
nach Fuhrmannsweiſe erhobenen Rechten eine Peitfche, in der Linken be
Blig und Aehren. Dieſes Bild aber wird auf einer Bahre getragen,
und die erften Männer pflegten darunter zu treten, mit gefdyorenem Haupu
und rein durch längere Enthaltfamkeit, die ed dann von göttlichen Geiſu
getrieben bintrugen nicht nach freiem Willen, fonvdern, wohin fie der Gl:
trieb. Diefen Gott ziehen auch Abweſende fchriftlih zu Rathe,
erhalten fchriftliche Antwort. Ein Sonnengott mit dem Blige ift nick
Aegyptiſch; denn die Mythologie dieſes Volkes weiß nichts von den Blige:
und Gewitter, und wieviel an dem angegebenen Zuſammenhang des Gottel
zu Vaalbek mit vem Ra in Aegypten wahr fey, fünnen wir, da näher
Angaben fehlen, nicht entfcheiven.
Da der König mit der Sonne verglichen ward, fo ſehen wir in ben
Gräbern von Theben die Sonne in ihrem Lauf in der obern und unters
Hemifphäre abgebilvet. In fo fern diefe Bilder zum wenigften in Beziehung
auf Aegyptiſche Darftelungsweije nicht ohne Belehrung find, verpienen fe
unfere Betrachtung. |
Der Lauf der Sonne alfo durch die ſämmtlichen Stunden findet fih
dargeftelt in den Gräbern ver Könige zu Theben, jedoch bezweckt biele
Darftelung in dem Lauf der Sonne ven Lebenslauf des Königs, der nad
dem bilvlichen Ausdruck eine Sonne der Welt war, darzuftellen durch ven
auf der Sonne in der oberen Hemifphäre, und feine Laufbahn nad) vem
Tode durch den Kauf der Sonne in der untern Hemiſphäre. An der Ein
gangapforte zum Grabe des Ramſes (mie Champollion in dem breizehnten
der Aegyptiſchen Briefe ausführlich es befchreibt) zeigt das Baßrelief ver
Leifte über der Thüre, einen gelben Discus mit der winderföpfigen Sonne,
‚von dem Fnieenden König angebetet, vecht? von dem Diskus ift Nephthye,
Der Sonnengott Ra, Sphinr. 1a1
links Iſis, und zur Seite der Sonne in dem Diskus ift der Käfer, das
Bild der Sonnenbewegung, der König aber kniet auf dem Sonnenberg,
auf welchen auch die Füße der beiven Gdttinnen auftreten. An der Dede
des erften Gangs find die Verfprechungen aufgezeichnet, welche dem König
für fein irpifches Leben gemacht worden und was ihm in den bimmlifchen
Regionen zu Theil werden wird. Dann fieht man den Disfus von Oft
nah Weſt gerichtet, welcher durch ein Krokodil bezeichnet if, und man lieft
bie Namen von fünf und fiebenzig göttlihen Wefen, welche ven fünf und
febenzig Unterabtheilungen ver Unterwelt vorftehen, und Anrufungen an
biefelben. In einem darauf folgenden Fleinen Saale find dieſe Gottheiten
eingehauen und gemalt, und vor und nad) ihnen find die fünf und fieben-
zig Abtheilungen der Unterwelt und ihrer Bewohner dargejtelt. Die
Wände ver folgenden Gänge und Säle (faft immer die nad) Oſten) find
wit einer langen Reihe von Gemälden bevedt, welche ven Gang der Sonne
in der obern Hemiſphäre darftellen, die entgegengefegten haben den Gang
der Sonne in der untern Hemifphäre, und die Gemälde, weldye für die
obere gemacht worden find, zerfallen in zwölf Theile, jedesmal angedeutet
durch eine Pforte, welche durch eine große Schlange bewacht wird. Diefe
find die zwölf Pforten der zwölf Tagesftunden. Die Schlangen haben
bezeichnende Namen, als Tekho, Bunfengefiht, Abento, Korn ber
Belt u. a. m. und dabei ftehen die Worte: (die Schlange) wohnt über
s diefer großen Pforte und öffnet fie dem Gotte der Sonne. An ver erften
" Pforte finden fich die vier und zwanzig Stunden des ganzen Taged menſch⸗
' fh mit einem Stern auf dem Haupte abgebildet und gegen ein Grab
wandelnd. In den Abtheilungen aber der zwölf Tagesſtunden ſchifft die
Sonnenbarke auf dem bimmlifchen Fluße, und Götter ftehen ihr nach eins
ander bei. Auch die bimmlifchen Wohnungen, welche der Gott durch⸗
wandert, find dargeftellt und die jeder ver Tagesſtunden zugehörigen Scenen.
In ver erſten Stunde fegt fi) die Barfe in Bewegung und empfängt die
Anbetung der Gottheiten des Oft. In der zweiten Stunde erfcheint bie
Schlange Apep (Apophis) Bruder und Feind der Sonne, überwacht von
Atmu. In der dritten Stunde kommt die Sonne in die Limmlifche Zone,
wo fich das Loos der Seelen enticheivet über die Körper, welche fie in
isren neuen Wanderungen bewohnen follen. Atmu ift dafeldft, auf dem
Richterftuhl, wägend auf der Wage die menfchlichen Seelen, die nach eins
ander fich darſtellen. ine fieht man verurtbeilt und dieſe wird in einer
Barfe auf die Erde zurüdgeführt in Geftalt einer großen Sau mit der
Unterfchrift Gefräßigfeit, von Hunddaffen mit Ruthen gefchlagen, und
nah einer von Anubis bewachten Pforte zufahrend. In der fünften
Stunde fommt die Sonne zu den gerechtfertigten Seelen, die von ihren
Wanderungen ausruhen. Sie haben die Straußfever, das Bild der Gerech⸗
tigkeit auf Dem Kopfe unb bieten ben Bdttern Gaben dar, yaer ylüten
142 Der Sonnengott Ra, Sphinr.
unter der Aufficht des Herrn der Freude des Herzens Früchte von
den himmlischen Bäumen, andere aber haben Sicheln in den Hänven
es ift dabei zu lefen: fie bringen Spenden var von Waßer un
Gaben von der Frucht des Feldes der Herrlidkeit, fi
halten eine Sidhel und erndten die Velder, die ihr Theil
find. Der Gott der Sonne fagt zu ihnen: nehmet eure Sicheln
erndtet euere Frucht, tragt fie in euere Wohnungen
genießet fie und bietet fie den Bdttern ald reine Gabe da
Außerdem fieht man fie baden, ſchwimmen, fpielen in einem großen
des himmlischen Waßers unter der Aufficht des Gottes des himmliſt
Waßers. In den folgenden Stunden bereiten fidy die Bötter, die Schlang
Apep, ven Feind der Sonne zu bekämpfen, fie waffnen ſich mit Speer,
Negen, denn dad Ungeheuer wohnt in ven Wapern, worauf die So
barfe fährt, fie machen Stride zurecht, dad Ungeheuer wird gefangen
in Bande gefchlagen, man zieht es aus dem Strome vermittelt
Tau’, welches ihm die Göttin Serf (die Sforpiongöttin) am Halfe befefig,
und an welchem zwölf Götter ziehen, unterflügt von einer Mafchine, welche
der Gott Seb handhabt, welchem vie Gottheiten ver vier Weltgegenbes
beiftehen. Dann kommt von unten eine gewaltige Hand, erfaßt den Str
und bändigt das Llingeheuer. In der eilften Stunde ift die Schlange
erwürgt und die Sonne befindet ſich am Horizont, Nutpe zeigt fih uf
der Oberfläche der himmlifhen Waßer, ftehend auf dem Kopfe i
Sohnes Oſiris, deßen Leib ſich in eine Windung endet, und fie empfang
die Barke des Sonnengottes, welchen der Gott des himmliſchen Waßer
bald in feinen Armen aufnimmt.
Gegenüber find die zwölf Nachtftunden. Der Gott ift ſchwarz um
durchläuft die fünf und fiebenzig Abtheilungen, denen Götter von allerid
Geftalt mit Schwerbtern bewaffnet vorftehen, und mo man ſchuldige Seelen
auf mancherlei Art beitraft ſieht. Meiſt erfcheinen viefe DBeftraften in
menſchlicher Geftalt, zumeilen auch in der Geftalt eines Kraniche oder
eined Sperberd mit Menjchenkopf. (Damit werden fie aber nur al
Seelen, nicht als Beftrafte oder Böje dargeftellt, venn das gewöhnliche
Bild der Seele ift der Sperber mit Menfchenkopf.) Ihre Farbe ift fhwan.
Einige find an Pfähle angebunden, und die Wächter ſchwingen ihre
Schwerter, Andere find aufgehängt, fo daß der Kopf unten ift, Diefe, die
Hände auf die Bruft gebunden und ten Kopf abgejchnitten, ziehen in
langen Reihen hin, Iene, vie Hände auf den Rüden gebunden, fchleifen
ihr aus der Bruſt bervortretendes Herz auf der Erde, und Andere werben
in großen Kefleln gejotten, entweder in Menfchen= oder Vogel Geftalt,
oder auch nur als Köpfe und Herzen. Mit manchen dieſer Seelen if
zugleich ver Fächer, das Bild bebaglicher Ruhe, in den Keßel geworfen,
und in jeder Abtheilung if die Verdammung und die Strafe aufgezeichnet.
u‘
—
Der Sonnengott Ra, Sphinz. 143
„Diefe feindplihen Seelen ſchauen nicht unfern Gott, wann
er die Strahlen feiner Scheibe leuchten läßt, fie wohnen
niht mehr auf der Erde, und hören nit mehr die Stimme
bes großen Gottes, wann er ihre Gegenden durchzieht. Bei
der gegenüberftehenden Darftellung der glücklichen Seelen lieft man: Sie
haben Gnade gefunden vor den Augen des großen Öotteß,
fie wohnen in den Wohnungen des Ruhms, wo man daß
Simmlifche Leben lebt, vie Leiber, welche fie verlaffen
Saben, werden fürimmerinibren Oräbernruben, währen»
fie ſelbſt der Gegenwart des höchſten Gottes genießen
werden. (Da in dieſen Darftelungen der König ald Sonne und höchfter
Gott im Leben und nad dem Tode gemeint ift, jo find die Ausprüde,
welche ſich auf ven Gott beziehen, in dieſem Sinne zu verftehen.) Außer
diefer Darftelung des Sonnenlaufd, bezogen auf Himmel und Unterwelt
im fittliden Sinne, befindet fi) auf Gang⸗ und Zimmerdecken des näm⸗
lihen Grabes die aftronomifche Darſtellung vefjelben.
Der Himmel, ald Weib gebilvet, mit Sternen überfä’t, in gevehnter
Gehalt, mit Leib, Armen und Füßen einen großen Raum umſpannend,
gebiert die Sonne, als ein Kind mit dem Finger im Munde, eingefchloßen
in eine rothe Sonnenfcheibe. Der Gott Mui in der Barke, erhebt vie
Arme, um den jungen Gott in biefelbe zu thun, und nachdem das Kind
son zwei Goͤttinnen gepflegt worden, fährt die Barfe mit ihm auf dem
bimmlifchen Waßer dahin, welches von Oft nach Weft fließt, mo es ein
weites Becken bilvet, in welches ein Arm des Flußes geht, der in der
untern Hemifphäre von Weit nah Oft fi ergießt. Jede Stunde des
Tages ift durch eine rothe Sonnenfcheibe bezeichnet auf dem Leibe des
Himmels, und in dem Gemälde durch zwölf Barfen, in welchen ver Son
nengott fährt mit einem Gefolge, melched in jeder Stunde ein anderes
fl, und ihn auf den beiden Ufern des himmliſchen Stromes begleitet. In
der erften Stunde, wo die Barfe ſich in Bewegung febt, beweilen Geifter
dem Gotte Ehre, welcher in feinem Capellchen ſteht, das fich mitten in ber
Barfe befindet. Die Göttin Sri ift am Vorvertheil, Seb mit dem Hafen-
fopf (melcher veßen Namen Un, Eröffner bezeichnet) hat eine lange
Stange, veren er fih um diefachte Stunde bevient, wann die Sonne nad
Weften zu neigt, um die Waßertiefe zu erforfchen. Horus ift der Barfen-
führer, und hat den Hf=uer (ven großen over ftarfen Hek, d. i. Herrſcher,
eine Form des Horus) bei ſich, und der fperberföpfige Hau (d. i. der Tag)
fteuert, fo wie fih auch die Neb=ua, d. i. die Herrin der Barke, dafelbft
befindet, und ver Wächter ver Wendekreiſe. An ven Ufern find die Gott⸗
heiten, welche jeder Stunde vorftehen, dargeftellt, und beten die Sonne
bei ihrem Dorüberziehen an. Bei ver zweiten Stunde erfcheinen die
Seelen der Könige, an ihrer Spite einen König Ramſes und gehen ben
ran, oder Tmu, oder Atumm.
vun
up Ja der sierten, fünften und jechöten Stunde hilft viefer
Pie: ee — welche Jagd auf den in den Waßern verborgenen
un N nr in der jiebenten und achten Stunde zieht die Bark
Kup te in ungnaen ver Seeligen vorbei, die in Gärten beftehen, w
x“ SS rsprrertigte Seelen in den Schatten der Bäume Luftwandelr
ger ar dem Weiten nähert, unterſucht Seb beſtändig ben
v Ufer aufgeſtellte Götter richten den Lauf derſelben, um kr
an m N große Becken des Weiten gewendet, erjcheint fie is p
Scaurbaͤre, und wird nun die zwölf Nachtſtunden von Weh
j Saeuruckdoczogen, wie die Nilſchiffe aufwmärts gezogen werben. Der
Ts „ar üt in feiner Gapelle verſchloßen und Ma, vie Göttin, welde
nn zum Amenti gehört, ift noch allein in der Barke, nebſt tem
mm welcher am Cingang der Kapelle fteht. Die Gottheiten, vum
Rufe gezogen wird, wechſeln mit jeder Stunde.
u a | nmielben Grabe finden ſich auch Gonftellationtstafeln für ak
on sat Monats, und die Angabe der Eonftellationdeinflüße, berm }
—RE im dreizehnten der Aegyptiſchen Briefe aus dem Monat Tybi
. —** veßte Hälfte, Orion hat Einfluß auf das linke Ohr. Grfs
de Orion hat Einfluß auf den linken Arm. Zweite Stunde,
rin Mi Ginfluß auf das Herz. Dritte Stunde, Anfang ver Conftelles
wink Nr wei Sterne, hat Einfluß auf das linfe Ohr. Fünfte Stunde,
Exerne des Flußes haben Einfluß anf dad Herz. Sechste Stunde, der
a des wöwen hat Einfluß auf das Herz. Neunte Stunde, die Diener
ya Verdertheile des Mente (die Vorverfüße des Mente) haben Einfluf
zwi den Tinfen Arm. Zehnte Stunde, der Mente bat Einfluß auf das
nee Auge. Eilfte Stunde, die Diener deö Mente haben Einfluß auf ben
sten Arm. Zwölfte Stunde, der Fuß der Sau hat Einfluß auf ben
snfen Arm. Diodor (1. 49) meldet von dem Grabmal des Oſymandyak,
surin ſey ein goloner Ring von drei hundert fünf und ſechzig Ellen, eine
ae dick, eingetheilt in die Tage des Jahres mit Anmerkung der Aufe und
Untergänge der Sterne, nebft ihrer Bedeutung. Diefer Ring aber je
durch Kambyſes und die Perfer weggenommen worden.
sw
Atmu, oder Tmu, oder Atumu.
Dieier Gott war eine widhtige Form eines ver Aegyptifchen Götter,
wir find aber, da nur die Denkmäler Aegyptens und mit ihm nothoärftig
bekannt machen, nicht im Stande, mit einiger Beftimmtheit zu jagen, welcher
Gottheit Form er gewejen fey. Ihn auf den Sonnengott folgen zu laßen,
ift daher aud Fein genügenvder Grund, doch weil ed ven, wenn auf
ſchwachen Schein haben könnte, er jey ver Gott der Nacht, over eine Form
Atmu, oder Tmu, oder Atumu. 145
bes Sonnengottd bei Naht, fo mag er diefe Stelle einnehmen. Wir
eben ihn abgebilvet mit der Krone Oberägnptens und der von Unterägyps
en daneben (auch ohne Krone, nur mit einer Kappe); auch flieht man
hn in einem Boote führend, wo eine Enieende Figur ihm das Bild ver
Ra entgegen hält, während Thoth, Hathor und Ma vorn in dem Boote
tehen, welches Horus fteuert, und ald das des Thoth, des Herrn der acht
Regionen genannt wird, oder ald das des Sohnes des Oſiris. Auf dem
bordertheile deſſelben fitt eine Schwalbe, die jedoch felten vorfommt, ſich
ber auch eben fo in dem Boote des Na findet und hieroglyphifch die
jebeutung der Stärfe bat. Die Geftalt Atmu's ift immer menfchlic und
ine Sarbe ift rot gleich ver ves Ra. An Obelisfen und in Weihinfchriften
ct man: Ra, Herrder Jahre gleih Atmu; aus einem biera-
hen Papyrus aber führt Champollion die Stelle an: Mein rechter
‚empel gehört vem Geift der Sonne am Tage, mein linfer Tempel dem
Beift Atmu's in der Nacht, und wie oben aus dem Turiner Todtenpapnrus
meeführt worden ift, findet fich in einer Unterweltsfcene der Himmel des
Ra abgebildet, ftrahlend, unter demfelben aber der von Hundsaffen ange—
betete nicht ſtrahlende Himmel Atmu’s, und dieſes möchte auf den Nacht-
Simmel deuten. Daß jenes Boot, wovon die Rede war, fih auf fein
Berhaͤltniß zum Amenti beziehe, ift Elar, fo wie die Gräber zeigen, daß
æ* daſelbſt eine wichtige Stelle einnahm. In Darftelungen aus der Zeit
ver Ptolemäer und der Römer trägt der Bootömann des Atmu den Kros
kodilſchwanz auf dem Kopf, welcher hieroglyphiſch Them, ſchwarz,
bedeutet, und fich zu dem Begriffe der Nacht oder der Unterwelt eignet.
Diefer Gott, meint Champollion, fey der Namengeber von Heroon⸗
polis, weil Infchriften Könige erzeugt von Atmu nennen und Hermapion
in der Deutung des Obelisken bei Ammianus Marcelinus von dem
Könige Rameſſes jagt, er heiße Sohn des Heron. Auch Wilkinfon (2. 28)
M der Anficht, daß Atmu der Heron fey, von weldhem jene Stadt den
Ramen habe, und glaubt darin eine Beftätigung zu finden, daß ein Denk⸗
mal in den Bergen, welches von einer alten Stadt in der Nähe von
Seroonpolis herfommt, den Atmu nebft Phthah, Ter und Rameſſes dem
Großen zeigt. Die Griechen fahen, wie der Name zeigt, in Heroonpolis
die Stadt der Heroen; doc dieſes beruht in fo weit auf einem Mißver-
ſtäͤndniß, als die Aegypter Heroen im Griechifchen Sinne nicht Fannten, einen
deroen aber, von welchem jene am Arabiſchen Meerbufen gelegene Stabt
benannt worden wäre, finden wir meiter nicht, und koͤnnen nicht wohl auf
einen Hr⸗un rathen, d. i. Horus der Erdffner, denn vie Ausfprache dieſes
Namens lautete in der Zufammenfegung bei den Griechen Har, nicht aber
Ser, fo daß für das Rathen nur das Wort Un, Gröffner, Eröffnung
übrig Hliebe mit dem vorgefegten Er, meldyes wir in dem Namen I =er-
must und von den Griechen mit dem Hauche auögefprochen in vem Namen
OL 10
146 YAımu, oter Tmu, oder Atumn.
ter Muntu⸗- ſtadt, Her=membid finden. Fiege man nun ven Atmu fie
eine Ferm des Ra gelten, io könnte er als Gröffner beachtet worder
ieen in Beziehung auf tie Zeit: denn alle Zeitrerieren bis auf Pie Stu
pen berab, werten erüitner, dech dieſes Alles wäre nur ein Ratben, welde
e3 an einem Beweiſe feblt.
Auch fAnter man Amu mit tem Beinamen Reim, d. i. der Gr
und als ſolcher beißt er Schüger rer Welt eder ter zwei Regionen v
Aegypten. (Tenn wiercbl Amu verzüglich in Unterägopten verebrt war
ſo batte er tech einen Haurtig in ven Aegoptiſchen Iempeln.) Auf
Haupte trägt dieſer Nefru tie Letusblume, un? Rufupbalcenter und
in ten Handen, over er bat zwei Federn auf tem Saupte, Die auf eine
Stange ſteben une an welder zwei giedenartige Zeichen bängen, wi
Phibab und antere eins im Naden kängen baben, und ein Scepter, deßes
Spise genau tiefem Kopfichmuck entipricht, nebit dem Zeichen des Lebe
it in ſeinen Händen, oder wınn er ten Letus auf tem Haupte bat, ib
jeine Hände herabgeſenkt und leer, und er ftebt an einem Zeichen, welchch
eine Gürtelichleife zu ſeyn scheine (Wilfinien Tafel 48). Auch fuel!
man den Nefru auf dem Rüden eines Köwen ſitebend, und in einer Ye
nung zu Karnak heißt er ter Sebn ver Barcht, was mit jeiner Stel
auf vem Löwen zuiammenkängen kann, aber nicht mug. Wilfinfon aid
an, er babe ifn in ven Thebiſchen Gräbern mir einem Sinnbilde
Tores gefunden.
In ven Thebiſchen Gräbern findet mın drei fnieenbe iperberföfe
und drei fnieende ſchakalkoöͤpfige Gottheiten, welche vie linfe Han? an WE
Bruft drücken, vie rechte aber als geballte Zauft in vie Höhe weitan-
kolend ſtrecken, ald mollten fie ſich an die Bruſt ichlagen, wie es bei we
Trauer vorfam. Dieſe jtellten vie mit Horus und Anubis verfnüpfle
Lebensidee dar, welche dem Torten die Fortvauer in einer antern Well
verbürgt, und ſind nur eine Anwendung vieler Gottheiten, vie wir bei
Wilfinion (Tafel 60) abgebilvet ſehen. Zwei ſolche iperberföpfige Götter
nebft den ichafalföpfigen une andern Göttern, führen zu Mevinet Habe
den König Rameſſes IH. ver Den Gott des Tempels, wo fie die VBepentung |
von Xebensführern haben; venn von dem Gotte des Tempeld erwartet ver
König Xeben, und dieſe Bürgen des Lebens führen ihn dahin. Nun
eriheinen auch dieſelben iperber= und jchafal- fopfigen Götter zumeifen,
wie ſie oben bejchrieben worden find, vor Atmu, und dieſes deutet auf
Atmu, als Lebensverleiher im Amenti.
Auf einer Saͤule des Vortempels zu Esneh (Latopolis) iſt unter den
am Neumond des Monats Choiak darzubringenden Opfern verzeichnet:
eine Gans ten Göttern Ra, Atmu, Ter, fo wie den übrigen Tempel⸗
Söttern. Im Rameſſeion, wo Ammon an der Spike ver Götter fleht,
findet ſich Atmu zufammen mit Phthah, Ra, Mui, Seh, Paſcht, Hathor,
Muntu. 147
ſo wie auch Thoth und Ma, nebft vem Wächter der himmlifchen Pforten
aſelbſt dargeſtellt ſind. Auch findet fi) in ven Gemälden unter andern
Refru- Atmu, Atmu und Muntu. Zu Mevinet- Habu halten fih Atmu
md Hathor an der Hand und führen den König Thuthmofid zum Lebens—
um, wo Ammon deßen Namen auf die Blätter ſchreibt, fprechend:
Bein Sohn, Befeftiger ver Welt, ich feße deinen Namen
auf den Baum Afch (vie Perſea) im Pallafte ver Sonne (d. i.
des Königs), und fünf und zwanzig Götter find dabei in zwei Reihen,
8 die großen Goͤtter Thebend. Mehr ale das Angegebene wißen wir
ww jett nicht von Atmu, und demnach müßen wir ed als ungemiß
mfeben, welcher Gott unter ven Namen und der Form deſſelben eigentlich
ſemeint fey.
Muntnu.
Kermonthis hatte feinen Namen von dem Gotte Muntu, oder einen
Wien gleichbeveutenden, denn er befteht aus ven Wörtern Er (von den
Griechen mit dem Hauch ausgefprochen) und Munt, und Muntu Fann
Hirte, Schüßer der Welt bedeuten. Die Griechen nannten dieſen Gott
Menpulis, *) welcher Name aus Muntu=ra entfland, denn das r de
Sortes Ra gieng in I über (wiewohl e8 im Koptifchen bei diefem Worte
wicht geſchehen if.) Gewöhnlich wird Muntu Sohn des Ra genannt,
‚dargeftellt mit dem Sperberkopf, worauf fi) die Sonnenfcheibe mit ven
Ammonsfedern befindet, und daß er Fein geringer Gott gewefen, gebt
ſewohl aus dieſer Bildung hervor, als auch daraus, daß in ven Hiero⸗
‚eisphen der König manchmal ein Muntu gegen die fremden Völker
‚genannt wird, was nichtö anders bedeuten Fann, als daß er ein Schüßer
gegen die Feinde fey. Im Rameſſeion heißt ed vom König: er zeigt
feinen fiegreihen Arm, wie Muntu, und in andern Denfmä-
‚len Heißt e8: feine Sand ift auf feinen Wegen, wie Mun-
itusra. Ramſes fagt: ich bin für Aegypten, was der Gott
NRuntu gemefen. Zu Huadi-Halfa, eine halbe Stunde von dem
‚ meiten Katarraft ift in dem unter Amenophis IE errichteten Ammons⸗
fempel eine Säule, welche ven Muntu vorftellt, der dem Könige Ofor-
taſen alle Völker von Nubien überliefert. Zu Kalabſchi (Talmis) in
Nubien, wo Muntu- Ra Ortögottheit war, reden vie Infchriften von
*) Die Griechifche Ausfprache Man-dulis würde eine Ableitung diefes Namens
von Ma⸗n⸗to, d.i. Gerechtigkeit der Melt, begünftigen, und daß ein Gott
in Yegypten fo benannt wäre, fünnte nicht befremden. Doch wir gewinnen
weder mit der einen, noch mit ber andern Namendeutung die Erflärung von
ben Weſen des Gottes.
10*
148 Muntu.
feinem Roß. Zu Hermonthis zeigen ihn die Denkmäler als Hauptgotth
zuſammen mit der Göttin Ratet, d. i. Sonne der Welt, *) welche d
Sonnenſcheibe und die Hörner auf dem Haupte trägt, mit und ohne d
Uräus (Wilkinſon Tafel 68), und in den Händen Lotusſcepter und Leben
oder Die eine Hand gefenft, die andere wie zur Anbetung gehoben, u
Harpire, Harphre, d. i. Horus die Sonne (naͤmlich Horus ver König
ift der jugendliche Gott dafelbft, welcher entweder ald Sohn, over Pfle
ling der Ratet galt. Daß fle Mutter ded Harpira geweien, in dem»
der berühmten Kleopatra ihr gemeihten Tempel, zeigen die Bilder deſſelben
melde in dem Niederkunftsgemache die Geburt des jungen Gottes da
ftelen, wovon oben die Rede gewesen ift.
Mer num diefer jperberföpfige Muntu zu Hermonthis und Hermonthi
gegenüber, zu Tuphium (wo Muntu Ratet und Harphre einen Tem
hatten) fo wie zu Talmis gewefen, Fönnen wir nicht mit Beftimmthe
fügen; doch zum Errathen zeigen fi} nur zwei Spuren, indem Str
(817) meldet: nach Theben kommt die Stadt Hermonthis, in weld
Upollon verehrt wird und Zeus, auch hier wird ein beiliger Stier unter
halten. Alfo ward Ammon dafelbft verehrt und Horus, denn diefer Kiel
den Griechen Apollon. Wir fünnen nun annehmen, Muntu fey Hormk
und da er zu Kalabfohi, wie Champoliion im eilften feiner Aegyptifckeg
Briefe bemerft, Gemahl feiner Mutter beißt, fo fey er Gatte der große
Mutter (unter dem Namen Ratet) und zeuge mit ihr den Harphre. Alleh
zu Kalabſchi fol er Vater des Maluli, d. i. des Mandulis feyn,
Champollion behauptet, welcher bemerkt, des Maluli Genealogie je
dafelbft in fünfzig Bareliefd enthalten, fo daß alfo Muntu, Muntum,
der Sohn der Ratet, nicht ihr Gatte wäre. Auch bemerkt verfelbe, daß
diefer Maluli ganz in der Form von Khunfu zu Kalabſchi erfcheine, um
Herr von Talmis (Kalabſchi) heiße. Der Tempel, von welchem bier vie
Rede ift, ftammt. aus der Nömifchen Zeit, als Auguftus herrfchte, uns
wir fünnen Horus nicht in der Aegyptiſchen Mythologie, weder aus fchrifte
lihen Nachrichten der Beobachter, noch aus den Denkmälern ald Gemafl
der Mutter nachweifen, und es widerſtrebt dieſes auch gänzlich dem ia
Hermonthis Dargeitellten; denn wenn Horus dafelbft der Gatte der Natel
gemefen wäre, welche ven Horus= König gebiert, fo wäre er, dem biejer :
junge Gott vorgeftellt wird, Vater und Sohn zugleich geweſen, was wit
fonft nicht finden. Die Farbe des Muntu ift roth, die des Horus aber
weiß. Strabo meint daher den jungen Horus, wenn er von Apollon zu
+) Der Name Sonne der Welt fcheint ſich vecht gut für eine Göttin zu
eignen, da aber Ra männlich war, fo Fünnte man Anſtoß nehmen an be
Vebertragung dieſes Namens auf eine Göttin. Wirflich bietet fih auf
noch eine Auslegung dar; denn Nastet ann auch heiten Thor, Vforte der Well,
= ”
- rn.
—
Muntu. 149
Hermonthis Spricht, oder börte den Namen des Muntu nicht, und glaubte
in dem fperberföpfigen Gott, den Horus zu fehen, was aber nicht wahr
ſcheinlich iſt. Daß auch Anımon zu Hermontbid verehrt ward, koͤnnen
wir glauben, denn er war wenigfitend mit der Eileithyia bei der Geburt
des Horud zugegen, und dad Kind ward fodann dem Ammon, Muntu,
Ra, Phthah und Seb vorgeitellt.
Seine rothe Barbe, wiewohl diefe allein nicht entſcheiden Fünnte,
laßt eher auf eine Form des Ra fihliegen, welcher ebenfalls fperberfüpfig
und roth ift, und eine lateinifche Inſchrift zu Kalabſchi fcheint ven Manz
dulis zur Sonne zu machen. Zu Seliopoli8 war der ſchwarze Etier
Mneuid im Heiligthum ded Ra, und zu Hermonthis verehrten, wie
Aelian (13. 11) erzählt, vie Aegypter einen fchmwarzen Stier Namens
Dnuphis. Zwar fagt er, megen der Nauhigfeit des Namens, Fonnte er
ven Ort, wo Onuphi verehrt werde, nicht außfprechen, daß aber Her⸗
monthis gemeint ſey, läßt fich nicht bezweifeln, denn gerade diejer Name
war den affectirten Sophiften zu rauh, weshalb ihn Ariftives in feiner
Derlamation über Aegypten abfürzte und Hermes fchrieb: und Pocock's
Beſchteibung von Aegypten (2. 4) weißt das Bild des Stierd auf den
Ruinen des SHorustempeld nah. Mit Horus findet fi} der Stier nicht
verbunden, fondern nur mit Phthah und Ra, und Macrobius (1. 21)
fagt: zu Hermonthis verehren fie den der Sonne geweihten Stier Bacis,
in dem prächtigen Apollotempel, und diefer Stier fol Wunder an fid
haben, welche dem Weſen der Sonne entſprechen. Stündlich ändert er
die Farbe, und feine Haare find gegen den Stridy gewachſen, ungzeigend,
ven der Welt entgegengefegten Gang der Sonne. Zu Debu in Nubien
erblickt man freilich den Mandulis neben Seb und Nutpe mit dem Oſiris—
Hauptſchmack, und er ward Herr von Philä genannt; aber dieſes Ver—
hältnig berechtigt nicht, ihn als eine Form des Oſiris anzufehen. In den
Belien von Philä ift eine Anbetung ver Neith und des Muntu einge-
hauen, fo wie eine des Ammon, der Sate nnd des Muntu. Im Namef-
feion fieht man den "König eine Darbringung veranftalten dem Ammon,
dem phallifchen Ammon, ver Mu, ven Khunfu, dem Phthah und dem
Muntu, und ferner fiehbt man dafeldft Ramſes den Großen durch Atmu
dem Muntu vorgeftelt. In dem fleinen Tempel, in einem Thal hinter
dem Amenophion, fteht man in ven Darſtellungen des Propylon Ptole-
mäus Soter II feine Darbringung, rechts der Hathor, dem Ammon, der
Mu und dem Khunfu veranftalten, Tinf3 der Mu, dem Muntu,. der
Ratet und dem Harphre, und zmar auf der Seite, welche nach Sernion-
this zu gerichtet ift, (zu Theben findet man den Muntu auch außerdem.
In dem von Euergeted II und feiner Schwefter Kleopatra dem Thoth
errichteten Tempel, ohnmeit des Namefjeions, ift im Sanctuarium Ammon
mit Mu und SKhunfu, und zmweitend Muntu mit Ratet und Hoxvhxe,
150 Der Mond.
und in dem aus der Nömerzeit ftammenvden Tempel, füblich vom Sippe
drom, bringt Kaifer Hadrian feine Gaben dem Muntu und Ammon va
Aus dem, was bier aufgezählt it, gebt hervor, daß fo wenig wi
mit Beftimmtheit den Gott angeben können, welder unter dem Name
Muntu als eine befondere Form erjcheint, er eher eine Form des Sonn
gotted war, ald des Horus, und daß leßtered anzunehmen, allzu wii
führlih if. Sat Champollion zu Kalabſchi recht gefehen und Manpulll
wirklich die Form des Khunfu gehabt, fo würden wir einigermaßen u
für berechtigt halten dürfen, ihn dieſem an Welen gleich zu fehen (meld
ebenfalls mit dem Sperberkopf erfcheint) und ihn für eine Form %
Sonnengotte8 zu halten, in dem Sinne der Patäfen, als Gottheit
Zeit und Eröffner verfelben. Er würde dann zu Ratet gefügt ſeyn,
Khunfu zu Mut und Ammon, d. i. alö der die Zeit der Geburt lenken
Gott; denn daß er Vater des Harphre fey, wird nicht gemelvet. —
Stier Onuphis Fünnte jelbft feinem Namen nah, der Eröffner feyn,
un öffnen heißt, und außer dem Phthah und Ra, hat keine Gottheit
Stier, mweldher in Hermonthid weder dem von Strabo genannten Anm
und Horus, noch der Ratet gehören kann, und daher faum einer ander
Gottheit zugejchrieben werden darf, ald dem Muntu, der nach viel
Annahme eine phthahartige Form des Ra wäre und die Zeit zur Ham
bedeutung hätte. *)
Der Mond.
Die Griechen fprechen zwar von einer Göttin Selene, d. i. Mom,
in Aegypten, dieſes gefchah aber nur aus einer irrigen Anftcht verfelben,
indem fie ihre Deutung einer Aegyptifchen Göttin als eine Tihatfache au
fprachen. Daß es eine Mondgdttin nicht wohl geben Fonnte in der Mythos
Iogie dieſes Volkes, geht daraus hervor, daß der Name des Mondes ach,
koptiſch ioh, ooh, männlichen Gefchlechtes ift. Eine eigentliche Mondgottheit
läßt fich bei den Aegyptern überhaupt nicht entdecken und nur Beziehungen
ber Zeitgottheiten Thoth und Khunfu, die die Mondſichel auf ven Kopfe
tragen, gewahren wir, Eünnen aber feinen verfelben für einen Mondgott
*) Daß der Name Muntu und der des Mendes zufammentreffen, ift hoͤchſt
wahrfcheinlih, aber daß beide als eine und diefelbe Gottheit zu betrachten
feyen, ift es nicht. Amgefehrt müßte es für eine jedes genügenden rundes
entbehrende Srflärung gelten, wenn auf die bloße Namensähnlichfeit hin
eine foldhe Zufammenftellung gewagt würde. Denn mag nun der Name
bedeuten Schuß der Welt, oder Gerechtigfeit der Welt, oder was er fonfl
bezeichnen mag, fo ift die Bedeutung von ſolch' einer Befchaffenheit, daß fe
mehr als einem Gotte zufommen kann.
Der Mon». 151
erflären, d. i. für einen Gott, der fich zu dem Monde fo verhalten hätte,
wie der Sonnengott zu ber Sonne. Xelian (2. 38) fagt, der Ibis fey
dem Mond heilig und brüte feine Eier aus in fo viel Tagen, als verfelbe
zu⸗ und abnimmt (audy gebe er nicht aus Aegypten). Der Ibi8 war
dem Thoth heilig, woran aber Aelian fchwerlich dachte, fo daß dieſe Angabe
.auf nichts weiter beruhen bürfte, als auf einem Verſuche, die große Heilig-
keit des Ibis zu erklären. Wo in den Denfmälern der Mond bei einer
Darſtellung genannt wird, ift eine männliche Geftalt, nie eine weibliche
zu fehen. Wäre daher ein Mondgott in Aegypten verehrt worden, wie
san daraud den Schluß zi@hen Fünnte, fo würde ed unbegreiflich bleiven,
“daß die Griechen, welche in Aegypten waren, und wie Herodot es ſich
angelegen ſeyn ließen, Sand und Gitten, Religion und Gebräuche zu
»
>
erforfchen und ſich nach Allem zu erfundigen, und von einer Selene
' melden, alfo in einer Göttin die Mondgöttin zu erfennen vermeinten, die
für fie aber höchſt bemerkenswerthe Thatſache einer männlichen Gottheit
dea Mondes nie fennen lernten, und daß es fpäter ven Nömern eben fo
geng. Statt zu glauben, Herodot und die andern Griechen hätten aus
Stumpfheit oder Nachläßigkeit ven Mondgott nicht bemerkt, und fein Cult
ſey ihnen verborgen geblieben, fünnen wir fie in Gegentheil als gewichtige
Beugen betrachten gegen die Annahme einer wirklichen Mondgottheit, vie
ausſchließlich dieſem Geſtirn angehört hätte, und deren materielle Wirkung
durch dieſes Geftirn Gegenfland der Verehrung in einem Mondeultus
gewejen wäre. Der Vollmond wurde gefeiert, dies Eunnte aber dem
Geftirn gelten, ohne daß ein wirflicher Mondgott dabei im Epiele war.
Herodot (2. 47) erzählt und: am Vollmond werden der Selene Schweine
geopfert, wie auch dem Dfiris; warum aber diefes unreine Thier, welches
bei diefer Gelegenheit auch gegeßen ward, zu diefem Opfer diente, hatte
einen Grund, welchen Heredot wußte, den aber anzugeben er nicht für
vet hielt. Wer das Schwein opferte, nahm die Spitze des Schwanzes,
die Milz und dad Netz zuſammen, bevecte es mit dem fänmtlichen im
Bauche befindlichen Bett, und verbrannte es dann; das Fleifch aber ward
an dem nämlichen Tage des Vollmonds, fonft aber durchaus nicht gegeßen.
Die Armen, welche zu bürftig waren, brachten an diefem Iage Schweindjen
aus Mehl gemacht zum Opfer. Daß aber diefes Opfer nicht an jedem
Vollmonde, ſondern nur einmal im Jahre ftattfand, bemerkt Aelian (10. 16),
indem er dazu fügt, die Aegypter hätten geglaubt, das Schwein fey der
Sonne und dem Monde fehr verhaßt, und wann Plutarch (8) bemerkt,
dad Schwein werde einmal am Vollmond geopfert, fo mag damit ebenfalls
einmal im Jahre gemeint feyn.
Die Selene, welcher dies Opfer galt, möchte eher die Göttin Erve
gewefen feyn, als eine andere Gottheit. Wenn aber da8 Schwein alljährlich
um Opfer gebracht ward, troßven daß ed fonft ein unreines und durchaus
1523 der Monn.
vermiedenes Thier war, fo muß dies und fonderbar erſcheinen. W
verabfcheut aber das Schwein war, fehen wir aus Herodot (2. 47), welches
erzählt, wenn einer im Vorbeigehen mit dem Kleid an ein Schwein ftreifi
geht er an den Fluß und fpült ſich darin ab, die Saubirten aber,
eingeborne Aegypter find, dürfen allein von allen in kein SHeiligtfu
und feiner giebt ihnen feine Tochter, oder heurathet eine von ihnen. A
heilige Sage über die Unreinheit dieſes Thiers überliefert und Plutarch (8
Typhon habe am Vollmond ein Schwein verfolgt, und dabei den Hl;
Sarg gefunden, worin der Leib des Oſtris lag, und habe biefen
einander geftört und umher geftreut. Diejenigen, welchen fol’ ein
Erklärung nicht genehm war, verfielen auf eine fomboliide Deutu
profaifcher Art. Sie fagten nämlich, es hätten die Alten die Scywelger
und das Wohlleben unter dieſem Bilde verworfen, wie auch zu Theba ii
dem Heiligthume eine Säule ftehe, worauf Tlüche gegen ven König Met
aufgezeichnet feyen, welcher zuerft die Aegypter von der alten einfat
Lebensweile abwendig gemacht habe. Noch Andere leiten die VBerwerfe
diefes Thieres daher, daß es fich beſonders bei untergehendem Mon
begatte, und daß, wer jeine Milch trinke, von dem Ausſatz befallen werke
welche Tegtere Anficht Aelian (10. 16) den Manethos zufchreibt,
er bemerkt, daß alle Aftaten viefes Uebel haften. Wie fehr man al
hin und her rieth, zeigt auch das Nathen des Eudoxus bei Aelian; dem
biefer meinte, die Aegypter hätten die Schweine nicht geopfert aus Schonung,
weil man fie nach der Ausfaat heerdenweiſe gebraucht habe, um die Truck
in den feuchten Boden einzutreten, während umgefehrt die Athener in vem
Myſterien die Schweine geopfert haben follen, weil fie die Saat zermühlten.
Daß aber die Aegypter die Schweine wirklich zum Cintreten ver €
und ferner auch zum Austreten der reifen Frucht gebrauchten, bemerkt
auch Herodot (2. 14). Darum nun hätten fie gefchont, aber nicht alß:
unrein betrachtet werden fünnen. Ein fo durchaus für unrein geltendes
Thier hätte gar nicht geopfert werven Fünnen, wenn nicht feine Unreinheit
einen veligidfen Grund gehabt hätte, welcher in dem einzelnen alle vor
einem andern religiöfen Grunde zurüdftand. So wie ed dem Oſtris geopfert
ward, fo wahrfcheinlich der großen Mutter, von den Griechen als Selene
angefehen, und wenn wir in einer folchen Sache einer VBermuthung Raum
geben dürfen, fo möchte die Unreinheit des Schweind in Aegypten ald
dem Iſis-Oſiriscult angehörig zu vermuthen feyn, fo daß fie erft galt,
ald dieſer ausgebildet war. Daß aber auf deßen Ausbildung Aftatifcher
Einfluß ftatt gefunden babe, ift höchſt wahrfcheinlich, und dieſem Einfluß
möchte aud) die Unreinheit des Schweins in Aegypten zuzufchreiben feyn.
Der fterbende Gatte der großen Mutter ift in der Aegyptiſchen Mytho⸗
logie nur in Oſtris befannt, der Afiatifche Gatte der großen Göttin aber,
Adonis, wird von einem Eber getddtet.
je
1858
Der il.
Da Aegypten der Nilüberfchmemmung feine Fruchtbarkeit verbanft,
Eonnte e3 nicht fehlen, daß dieſer Seegensftrom verehrt ward, und fo
n wir benn auch von den Nilprieftern bei Herodot (2. 90): Findet
n einen Aegypter oder einen Fremden, der durch ein Krokodil ober
sh ven Fluß felbft umgefommen ift, fo müßen ihn die, bei deren Stabt
an das Land gekommen ift, balfamiren und auf das befte hergerichtet
ben heiligen Gräbern beflatten. Keiner aber, weder von feinen Ver⸗
ndten, noch Freunden, darf ihn anrühren, fonvdern die Priefter des
ilos begraben ihn eigenhändig, als fey er mehr, ald ein Menfchen-
hnam. Auch Heliodor erwähnt (2. ©. 110) der Nilpriefter bei ven
tarraften. Auch hieß eine Stadt die Nilftadt, in welcher das Apiskalb
sig Tage gehalten wurde, wie oben erzählt worden ift, und in welcher
8 Stephanus der Byzantiner einen Tempel des Nil bezeugt.
In den Hieroglyphen wird er Hapi-Mau genannt. Das erfte
hert ift daffelbe, welches den Stier in Memphis benennt, und auch einer
er vier Todtengenien heißt Sapi; Mau aber heißt: Waßer; denn maaı,
ber mu, foptifh mou, may, moy, mo bedeutet Waßer. *) Seine
ksennung: „Vater der Väter ver Götter“ ftellt ihn aber keineswegs fo
x, ald ob vie Aegypter in ihm überhaupt den Urgrund aller Dinge
blickt hätten nach einer Naturphilofophie, weldde in dem Waßer das
relement ver erfchaffenen Dinge erblict, ſondern fte bezeichnet ihn nur
8 den Segensftrom Aegyptens, ohne weldyen die alljährliche Wieder-
burt des Jahresfeegens und das Leben nicht ſtattfinden würden. Das
zaßer gilt als Lebensquell in Aegypten, aber als materieller Grund der
aterielen Dinge läßt es ficdy nicht nacdhweifen. Im den heiligen Hymnen
ard er, wie Gregor von Nazianz in einer Rede (39. ©. 626) fagt, als
x an Aehren reiche Geber der Früchte angerufen, und Chryfoflomus in
ner Homilie erwähnt des Opfers, welches beim Steigen des Nils darge-
sacht ward. Der Rhetor Ariftives aber (S. 93. b) bemerkt, die Aegypter
ätten nicht höher verehrt, ald den Nil, auf welchen faft alle ihre
eierlichfeiten gegangen wären, und Xriflänet der Nhetor (wie Nonnus
*) Man Fünnte den Namen Hapi-Man überfehen: Richter der Waßer, und
biefer Begriff würde für den Gott des Nil nicht gerade ungeeignet feyn,
mag man den Ausbrud allgemein verftehen, fo daß er den Herrn der Waßer,
ber Ueberſchwemmung bedeute, oder insbefondere ihn auf die Ueberſchwem⸗
mung beziehen, ale eine, die nach einem richtigen, beftimmten Maaße ftatt-
findet, wann fie zum Seegen des Landes wirfen fol. Daß jedoch bie
Aegypter den Nilgott wirklich) mit diefem Namen als einen Richter ber
Waßer bezeichneten, koͤnnen wir nicht behaupten.
k
*
zu Gregor angiebt 2. ©. 529) meldete, an dem Sr nf
1864 Der Nil.
famen alle Männer und Weider an dffentlichen Orten
und äßen es dafelbft, verunftalteten gemeinfame Reihentän
dem Nil diefelben Hymnen, welche fie dem Zeus zu fingen p
Niketad Serronius zu Gregor von Nazianz (39. ©. 1019)
daß das Nilfeft mit der fchmugigften und abfcheulichften 9
gefeiert worden fey, wovon aber Libanius in feiner Rede fü
nichtö bemerkt, indem er erzählt: fie bewirthen ven Nil mit ı
und damit er die Felder überflute, veranftalten fie jene %
die nur zu beflimmter Friſt von denen, die dazu verordnet
richtet werden dürfen, weil fonft ver Nil nicht fteigen und ül
Da die, welche auch dieje Beier fehr gerne aufgehoben hätten, bi
fo huben fie viefelbe nicht auf, fondern litten ed, daß der 9
MWeife mit einem Mahl bewirthet wurde. Heliodor (9. ©.
vom Nilfeft fo: die Niloen, das größte Aegyptifche Welt, w
ber Sommer = Sonnenwende gefeiert, wann der Fluß zu waı
und ed wird vor allen andern mit großem Eifer gefeiert,
Nil für den größten Gott halten, indem dieſer Fluß mit ven
Wirkſamkeit wetteifert, ihr Land ftetd ohne Negen wäperı
Myſterien Kundigen halten den Nil für den Oſiris und
His. Das Nilfeft aber begehen fie mit Opfern und Weihen un
Auch Aelian (11. 10) erwähnt der Opfer, Tänze, Gaftmahle,
dem Steigen des Nil. (In der Injchrift des großen Sphinn
heißt die Meberfchwenmung des Nil das Auffteigen des Go
Abgebilvet ſehen wir ihn mit Waßerpflanzgen auf dem
jeder Hand ein Waßergefüß Haltend, bei Wilfinfon (Tafel 3
eine Schlange umgiebt ihn unter Felſen, auf melden ver @
Sperber fiten. Im Tempel zu Luxor giebt eö zwei Bilder, d
das andere roth; die rothe Geftalt trägt auf den Händen das N
den dritten, den Sohn der Königin Mautmſchoi, und ein
blaue Geftalt folgt nad), die rechte Hand wie zum Anbeten
haltend, in ver Linken ein Bündel von Zeichen des Ne
Auch ward er dargeftellt ala fetter Menjch, blau, Waßerpfla
Haupt, in den Händen Stengel und Blumen, oder man |
Königsthron binden mit Stengeln zweier Waßerpflanzen, d
Herrichaft von Oberägypten, die andere die von Unterägy
(Wilkinfon Tafel 56. 57). Thoth fteht öfterd bei ihm in ben
der Vaſis feulpirter Wände der Tempel, mo er verfiel
befonvderd Blumen und Früchte bringt. Zu Silfilis ift er
Phthah als dritte Tempelgottheit zufammen, in der in den F
Enpelle, und heißt in ver hieroglyphiſchen Inſchrift Hap
König bringt den genannten Gottheiten eine Spende bar.
Der Nil 185
Bett der König den Ammon, die Mu und den Khunfu an, welche ſich
he dort befinden.) Dieje und noch zwei Gapellen waren von Ramſes
gm Nil geweiht, welcher König in der Infchrift heißt: der mächtige
Brueris, der Sohn der Sonne, geliebt von Hapi-mau,
em Vater ver Götter, *) und diefer wird mit dem himmlischen Waßer
lichen. Eine große Grotte daſelbſt unter Horus aus der achtzehnten
maftie begonnen, follte, wie die unter viefem Könige gemachten Sculpturen
Bi nichriften zeigen, ein Tempel werden für Ammon, den Nil und
x Schal, Plinius (36. 7) erwähnt einer Nilftatue aus Bafalt mit
tzehn um ihn her fpielenden Kindern, deren Zahl vie fechszehn Ellen
Rus hochſten Steigung bezeichne. Veſpaſian hatte dieſes Bild in ven
riedendlempel geweiht, und es finvet fih jetzt im Vatican ein
pihet. Diefes Bild des Nil aber ruht auf einem Sphinx. Daß bie
Auer defielben aus fchmarzem Stein gemacht wurden, bemerkt Pauſanias
24), angeblich, weil ver Fluß aus Aethiopien herabfommt. ines
weile des Nil, um welchen vie Stnäbchen fpielen, gedenkt Philo—
il. 5). **)
de Märchen, welche uns über den Nil überliefert worden, ſind es
Per ji, und ſte find unbedeutend. Als Pheron, des Seſoſtris Sohn,
Mi Herodot (2. 111), die Herrſchaft führte, wuchs der Fluß achtzehn
en hoch und ein Sturm trieb ihn zu ftarfen Wellen. Der König in
Mnnigem Uebermuth nahm einen Speer und fchleuverte ihn mitten in
We Wirbel des Flußes, worauf er an den Augen erfranfte und blind
Kar. Im eilften Iahre erhielt er eine Weißagung aus Buto, er werde
Wi Yugenlicht wieder erlangen, wenn er fich die Augen mit dem Waßer
ner Grau wüfche, welche nie die Ehe gebrochen. Als er darauf fein
Bfiht wieder erlangt hatte, weihte er zum Danke Gefchenfe in alle
mpel, worunter die zwei Obeliöfen des SHeliostempeld zu Heliopolis
ſonders bemerfenswerth find; die Verehrung des Gottes von Heliopolis
er war ihm vom Orakel zu Buto, wie Diodor (1. 59) angiebt, aus-
üflih empfohlen. Das zweite Märchen erzählt Diodor (1. 50). Er
*) Cicero in der Schrift über die Natur der Götter nennt öfters einen Gott
Sohn des Nilus, um den Aegyptifchen von den Griechen mit dem Namen
eines ihrer damit verglichenen Gottes benannten Gott zu bezeichnen; aber
dies ſoll wohl den Gott nur als Hegyptifch angeben; denn troß des Namens:
Vater der Götter, wird Fein Gott in den Hieroglyphen Sohn des Nil
genannt, und es läßt fich nicht wohl denfen, daß Griechen und Römer
Söhne des Nil gefannt Hätten, ohne daß die Denfmäler eine Spur von
ſolchen enthielten.
++) Die Aufzählung könnte noch vergrößert werden, duch es gemügt, auf Welckers
Anmerkung zu diefer Stelle des Philoſtratus zu verweifen, fo wie auf Jakobs
zu berjelben.
186 Der Nil
fagt nämlich, Memphis habe feinen Namen von dem ber Tocht
Königs Uchores, und diefe fey von dem Nil in Gtiergeftalt
worden und habe ihm den Aegyptos gebohren. Dieſes Tautet
Aegyptiſch, ſondern Griehifh, da die Uegypter von derartigen Hero
ihrer Diythylogie nichts mußten; und daß fie den Nil als Stier geig
und in dieſer Geſtalt verehrt hätten, ift ebenfalls nicht nadızu
(Vieleicht aber ift eine falfhe Deutung des Apis, al! des Nil
Veranlaßung gewefen, ven Nil zum Stier zu machen. Bei Diovor (
heißt e3, diefer Bluß babe auch) den Namen Adler gehabt, und au
Angabe könnte fi von dem Apis berfchreiben, welcher nach Herod
Bild des Adlers auf vem Rüden hatte, was, wie oben bemerkt wnd
ift, auf einer Verwechslung des Geier mit dem Adler beruht.)
Wiewohl die Verehrung des Nil außer Zmeifel fteht, fo iſt dod
felbe nur der Perfonification des Stroms, deßen Seegen von der DI
Wichtigkeit war, erwiefen worden, und diefe kann, wie hoch fie audy
nicht al8 eine Gottheit gleicher Art mit Amun, Khem, Phthah g
haben, da diefe Perfonification nicht das Waßer ald Clement u
fondern nur den einzelnen Strom. *) Herodot (2. 72) bemerft, e
Fifchottern in dem Nil, welche für heilig gälten, und es feyen 3
Fiſchen der Lepdotos und der Aal heilig und zwar dem Nil, wie au
Fuchsgans, deren Heiligkeit bei Aelian (10. 16) daher erflärt wird,!
fte ihre Jungen liebe und ihre Aeltern ehre, was freilich gar nicht zu
Aegyptiſchen Thierverehrung paßt, als welche keine Spur von ſolchen
lichen Urſachen zur Heiligung der Thiere zeigt. Fiſchottern aber giebl
in Aegypten nicht und Ammianus Marcelinus (22. 14) nennt ven Hydt
eine Art Ichneumon, ftatt der Enhydris, der Fiſchotter des Herodot.“
Ein Arm des Nil befam den Namen des Agathopämon, ded gu
Genius, nämlich der Kanobifche, welcher ſich durch vie Herakleot
Mündung ergießt, wiewohl bei Ptolemäus (4. 5) auch der Nil felbft
Agathodämon genannt wird. Diefer Name Eonnte dem ganzen Nil ı
dem von der Stadt Kanobus genannten Nilarm gegeben werben, als al
was Schuß und Schirm gewährt, oder was Seegen und Gedeihen bringt
einem guten Genius perfonificirt werden fonnte. Don der Stadt Kanı
wurde nad) der Zeit des Herodot gedichtet, fie fei von den Spartanen
*) Da diefer Strom nicht durch Negen, welcher in Aegypten fiel, wuchs
zu der Höhe gelangte, durch welche er das Land befruchtete, fo ift es
zu verwundern, wenn wir von feiner Abftammung nichts erfahren, daß
gar fein Märchen vorhanden ift, welches den Einfluß des Hundsſterns
den Nil mythiſch angäbe, möchte weniger einem Verluſt eines fo
Märchens zugufchreiben feyn, als überhaupt dem Mangel an Mythenbil'
bei den Aegyptern.
Der Nil 187
Ahren de3 Ranobus benannt worden, welcher ald Steuermann mit Menes
8 nach Aegypten gefommen, durch einen Sturm auf der Rückfahrt von
Mroja dorthin verfchlagen, und die nächfte Nilmündung fey dem Herakles
weit, wie wir bei Tacitus in den Jahrbüchern (2. 60) lefen. Herodot
2. 116) erzählt Schon von Paris, daß er in die Kanobiſche Nilmündung
Helena eingefahren fey, welche Dichtung darauf beruht, daß dieſelbe
Menden allein in ven älteren Zeiten zugänglich war. Diefer erbichtete
Peremann Kanobus nun gelangte außer der Ehre, Namengeber ver
ht zu werden, von welcher er felbft ven Namen befommen hatte, auch
ganz fpäter Zeit zu göttlicher oder Herven = Verehrung (wir erfahren
fe Art nicht) ; denn Epiphanins (2. S. 109) fagt: Kanobus, des Mene-
a Steuermann und fein Weib Menuthis, melde in Alexandria
Rorıben find, werden am Geſtade verehrt, zehn Meilen von der Stadt.
# Eyiphanius meldet Niemand und etwas von diefer Verehrung des
Perernanns. Menuthis aber war eine Aegyptiſche Göttin, über welche
Pius (3. S. 1093) fagt: in ihrem Tempel hätten die Frauen von
Ach ergriffen, der Schnam und Sittfamfeit vergeßen. Wie man ven
und am Ende gar vergötterten Kanobus und die Menuthis
den bringen konnte, gebt daraus hervor, daß ed in ver Nähe ber
Pax Kanobus einen Bleden des Namens Menuthid gab, wie wir bei
mus dem Byzantiner Iefen. Freilich Eünnte viefer Flecken und ver-
hen in die Göttin Menutbis, von welcher nur Epiphanius melbet,
Kan Zweifel zu feben, doch die Aegyptiſche Mythologie ift fo reich an
amen, daß eine fo ſpäte Erwähnung eines foldhen ihn gerade nicht ver«
Hg machen kann. *) Wir lernen fehr viele verfelben allein aus den
Venkmälern kennen, die wir jedoch in dieſem Falle nicht zu Rathe ziehen
Banen, weil fie an dieſem Orte gänzlich fehlen. Cinen Gott Kanobus
Roach Fannten die Aegypter nicht, und jenen Nilarm zu einem Agatho-
imon zu erklären, dachte Niemand zu Herodots Zeit, und es muß ala
me fpäte Anftcht gelten. Zu glauben, es habe Kanobus feinen Namen
m Chnuphis, und viefer ſey der fpäter als Agathodämon geveutete Gott
weſen, würde nichts welter als eine willkührliche, auf eine Aehnlichkeit
d Namens, denn Gleichheit findet nicht flatt, gebaute Annahme feyn.
*) Der Berfuch, den Namen Menuthis zu deuten, würde uns zu feiner irgend
ficheren Anficht führen fünnen; denn wenn man ihn auf ma und nut zurück⸗
führte, und von der Gerechtigfeit, oder Wahrheit, oder wohl auch von der
Liebe der Gottheit deutete, fo würden wir nichts gewonnen haben. Wer
ben Namen von der Localität allein verftehen wollte, dürfte fih es am Ende
einfallen laßen, an ma, welches den Ort bedeutet, zu denken und Menuthis
Ort der Gottheit zu überfegen. Beßer aber ift es, fo ganz Unficheres auf
fich beruhen zu laßen.
Ehe wir zu dem Hundsſſtern und ber Iſis⸗Oſirismythologie über-
Ihen, haben wir zwei Göttinnen zu betrachten, welche zwar wahrfcheinlich
we befondere Formen der großen Mutter find und daher mit Iſis zufam-
geftelt werden Fünnten; weil jedoch die Nachrichten über dieſe beiden,
wu und Neith, nicht binreichen, um ihnen mit Sicherheit eine Stelle
Wanmeifen, fo ift es beßer jede für fich zu betrachten, ohne über ſie ent⸗
ferien zu wollen.
But
Zu Buto, einer großen Stadt an der Sebennytifchen Mündung des
Kl ®) verehrten Die Aegypter eine Göttin, welche für vie Griechifche
Ma anögegeben ward, und von Herodot unter die acht alten Gottheiten
aihlt wird. Derjelbe meldet uns auch (2. 59), es fey ihr Feſt eines
er ſechs allgemeinen Feſte gewefen, doch fagt er nichtd weiter darüber,
& daf die Leute nach Buto gegangen feyen, um dort ihr Opfer zu vers
ben. Auch meldet Herodot (2. 83), dag die Weißagung der Göttin zu
ıto, die von den Aegyptern am höchſten geachtete gemwefen fey, und er
hreibt das dortige Heiligthum (2. 155) alfo, nachdem er bemerft bat,
| zu Buto auch ein Heiligthum des Apollon und der Artemis fey: der
npel ver Xeto, in welchem die Weißagung fich befindet, ift groß und
einen Vorhof, zehn Klafter hoch. Was mir aber von dem dort zu
benden das größte Wunder fcheint, will ich fagen. Es tft in dieſem
iligthum ein Tempel der Leto aus einem Stein gemacht, vierzig Ellen
b und breit, die Dachbedeckung aber ift ein anderer Stein, welcher ein
e Ellen großes Geftms hat. **) Neben vem Heiligthum ift ein tiefer
d breiter See mit der Injel Chemmis, die ſchwimmend feyn fol, worauf
0 den Apollon, den Sohn der Iſis vor Typhon rettete und verbarg.
lutarch [38] giebt an: Horus ift vie alles erbaltende und nährenve
itterung und Luftmifchung der umgebenden Luft, welchen Leto in den
„mpfen um Butos erzogen haben fol.)
*) Stephanns der Byzantiner fagt: Buto, von welcher Leto Buto genannt
ward. Letoftadt, Stadt in Aegypten, im Gebiet von Memphis, wo bie
Pyramiden find und das Heiligthum der Leto,
*) Letronne bemerft, daß diefe vier Gllen, der zehnte Theil der Höhe biefes
Tempels, die Höhe des Karnies find, da in den Negyptiichen Denkmälern
das Karnies den neunten over zehnten Theil ber ganzen Höhe hoch ifl.
U, | 11
ı
163 Buto.
In dieſer Erzählung erſcheint Buto als eine Pflegerin des 9
welcher den Griechen für Apollon galt; und da Iſis die Mutter des
für Demeter ausgegeben ward, alſo nicht mit Leto verglichen vr
fo verglih man die Pflegerin des Aegyptiſchen Gottes mit der M
des ihm gleichgeftelten Griechifchen. Gerade darin aber möchte ver A
liegen, dag fie nur eine befonvdere Form der großen Mutter ſey;
ihre Beziehung zu Horus muß ald eine gewiße Thatſache gelten, weil
eine fo wenig genügende Vermittelung der Verhältniße, um fte mig
zu vergleichen, ganz unerflärlich bleiben würde. Dazu kommt ned]
uns Herodot (2. 67) meldet, ed würden bie tobten Sperber nad
gebracht und daſelbſt begraben. Der Sperber gehört Feiner Gorll
fondern dem Ra und dem Horus, fo wie auch einige andere Götte
den Sperberfopfe dargeftellt wurden. ine Göttin fann daher nım
mittelbare Beziehung zu ihm haben, indem fte nämlich in Bezichmg
einem Sperbergotte ſteht. So hat Hathor, wegen des Horus den
in einem Kaufe zum bierogInphifhen Zeichen, weil fie „das irpifch
des Horus“ heißt, und fie erfcheint fogar ald Sperber mit Menfı
(worauf fih die Kuhhörner mit der Sonnenfcheibe dazwiſchen be
bei Wilkinfon (Tafel 36). Buto aljo wird durch das Begräbn
Sperber in dem ben Griechen von den Aegyptern angegebenen De
zum Horus beftätigt, und erfcheint demnach, wie Hathor eine %o
großen Mutter neben Iſis ift, die aber auch Hathor hieß und mithin,
foldye war, ebenfalls ald die Göttin, welcher man Dank für den Seg
gott Horus ſchuldete. Daß der Name ver Göttin, der dem der Stadt gh
Buto gelautet habe ift nicht im geringften wahrfcheinlich, ſondern wi
Goͤttin Pacht von den Griechen mit dem Namen der Stadt Bul
benannt ward, und wie Bufirid aus dem Worte Bu und dem Namen
Oſiris zufammengefegt ift, fo daß Bu *) Stadt, Ort oder irgend ı
derartiges beveutet, jo iſt Faum zu zweifeln, daß Buto aus Bu un
zufammengefegt fey, und daß die Goͤttin To geheißen habe. Wir fi
dieſes Wort auch wirklich ald Götternamen; denn fo giebt es einen
To⸗-ra und eine Göttin Nato (Rate=t, wörtlich überfegt, Sonne
Melt oder au Tibor der Welt); welches aber feine Bedeutung in T
Namen fey, ift durchaus zweifelhaft. To (tu, te) heißt die Welt
Grove, das Land, welches ganz gut für die große Mutter, die als Sf
gefeiertften erfcheint, fich eignen würde, daß fie aber jo benannt wi
fey, läßt fih nicht näher begründen. **)
*) Heſychius ſagt: butoi bedeute Gräber. Ob dieſes ein Deutungsve
oder nur eine irrige Angabe fey, mag dahingeftellt feyn.
**) Doch iſt zu bemerken, daB Bu und To nicht die einzigen Beftandtheile '
Namens nothwendig gewefen feyn müßen; denn wie bie Griechen aus
Buto. 163
Außer den Sperbern, wovon oben bie Rede war, wurden bie Spitz⸗
re, wie Herodot (2. 67) angiebt, ebenfalls nach Buto gefchafft und
ſelbſt beſtattet. Diefes Thier haben wir ald das zu betrachten, welches
= Gottin heilig war, aber nicht ihr allein, wie es fcheint, fondern auch
pr löwenköpfigen Triphis oder Athribis, wie oben in der Mytbologie der
Bis bemerkt worden iſt. Plutarch (©. 670) giebt an, die Aegypter
die Spitzmaus geheiligt, weil jie blind ſey und weil die Finſterniß
BR ſeh als das Licht. Auch werde die Spigmaus von ten Mäufen in
fünften Geburt geboren am Neumond, und bei der Unfichtbarwerdung
M Mondes verfleinere fich ihre Leber. Auch bei Jamblichus (6. 5) wird
ie Spizmaus nebft dem Hund und dem Hundsaffen auf ven Mond bezogen.
Meſe Deutungdverfuche von der Heiligkeit ver Spigmaus find nicht gelun-
az nennen; da wir aber nidyt wißen, wie die Spitzmaus von den
gaptern genannt ward, ſie auch nicht in den Hieroglyphen finden und
Re ſo wenig dieſe Göttin in den Darftelungen ver Denkmäler nachzu-
Won vermögen, fo wäre es vergebliche Mühe, Vermuthungen über diefes
Milb anzuſtellen, welches man in Aegypten nicht abgebildet findet.
»in Ama aber finden fich in Theben von zwei Arten verfelben, deren eine
u feier I als die bekannte Art. Daß aber Buto die Göttin der Nacht
ein ſey, beruht auf gar nichts; für die Griechen aber berubte es auf
er falſchen Anſicht von ihrer Goͤttin Leto, mit welcher Buto zu vere
tgleihen, ein verfehlter Verſuch war.
Aelian (10. 47) giebt an, ver Ichneumon folle ver Leto und den
EEleithyien heilig feyn, und er fey von den Herafleopoliten verehrt worden.
Herodot aber fagt (2. 67) nichts weiter als: die Hunde begräbt jeder in
feiner Stadt, in heiligen Särgen, und wie die Hunde, fo werden audy die
Shneumon begraben. Daß aber die Herafleopoliten den Ichneumon vers
ehrt hätten, geben auch Strabo (812) und Clemens der Ulerandriner
(3.11) an, fo daß an feiner Heiligkeit nicht zu zweifeln if. Er galt
ld ein Feind des Krofopil; denn Diodor (1. 87) erzählt: er zerftöre die
Eier deſſelben, Erieche dem ſchlafenden in ven offenen Rachen und zerbeiße
fine Eingeweive; bei Aelian (6. 38) aber heißt e8 auch, er zerflüre bie
Gier ver Afpis, um feinen Jungen die Fünftigen Feinde wegzufchaffen. *)
Hfiri Buflris machten, fo Fonnten fie auch aus einem Worte Bu⸗ht⸗to Buto
madyen, und die Göttin hätte daher auch Hat⸗-to, Het⸗to, oder ähnlich
heißen fünnen. Doc wir mußen ung bis jegt befcheivden, es dahin geftellt
feyn zu laßen, wie fle wirflich geheißen habe.
*) Letronne meint, der Sphinx habe mit Leto in Verbindung geftinden, da
Buflris zu Letopolis gehörte, und ein Arrian hatte auf die Tage des Sphinx
geſchrieben: der Goͤttin Leto die reinfte Dienerin (alfo Sphinx weiblich
nehmend). Diefe Gründe find nicht hinreichend zu einer fo wichtigen Annahme;
11 *
164
Neith, die Aegyptiſche Athene.
Zu Said in Unterägnpten war eine Göttin als Hauptgdttin v
welche die Griechen mit ihrer Athena verglichen und ganz und gar
diefelbe gelten ließen. Ihr Name lautet bei Plato in Timäus (©.
Neith *), in den Hieroglyphen wird er Nt gefchrieben und erjcheint
Nit in vem Namen der Königin Nitofris, welchen Eratofthenes durch
‚reihe Athena überfegte, und welcher wirklich flegreihe Neith b
Plutarh (62) giebt an: es benennten die Aegypter dfterd die Iſis
dem Namen der Athena (der Neith), welcher bedeute: ‚ich Fam von
ſelbſt“ **) und allervingd heißt na im Negyptifchen Eommen, doch
angehängte t kann nicht heißen von mir felbft, ſondern iſt nur ver
liche Artikel, welcher eben fo nacdhgefegt wird, wie er am Anfange
Wortes ſteht. Darum fünnen wir an Plutarchs Angabe nicht gl
und müßen fie dahin geftellt feyn Ingen. Ihr hierogInphifches Zeiche
ein Gegenftand, welcher ohngefähr wie eine Walze geformt, an
Enden je zwei auswärts gebogene Hafen hat und ihren Namen he
fönnte, da fle dieſes Bild auch auf dem Kopfe trägt, wie Iſts ihr N
bild, den Thron, Nephthys in gleihem Sinne dad Haus, Self den
pion u. f. w. Man bat darin eine Weberlade ſehen wollen, weil mm
wirklich eine Athena in ihr zu haben meinte, welcher freilich eine fo
geziemen würde, doch ift dieſe Anficht nur als ein Einfall fo lange
betrachten, bi8 eine Weberlade von diefer Form irgenpwo in Aegyp
oder auf dem Erdkreis nachgewieſen iſt. Dazu fommt nun, daß dies n
liche Werkzeug als Hieroglyphifches Zeichen des Gottes vorkommt, wel
auch den Löwen zur Hieroglyphe Hat und felbft öfter mit dem Löwen
denn was ein Arrian von dem Sphinx ſich dachte, kann nichts beweife
Hat doch Balbillus auch die Sonne angebetet als „den Auffeher un
Netter bei uns,“ nämlich den Buflriten, und Letronne hält den doı
gefundenen Tempel für den der Sonne, fo daß alfo eine andere Gotthe
für den Sphinx dafelbft nicht fehlt, falls es einer bedürfte.
*) Paufanias (9. 12) nennt die Göttin fälfhlich Sais und eben fo Chara
bei Tzeßes zu Lyfophron (3) und in den Chiliaden (V. 657). Um Sal
als der Athena recht geeignet zu erflären, haben welche den Namen vo
dem Hebräifchen sait, Dive, hergeleitet, vamil es eine Olivenſtadt fey, wa
auf Athen paßt, nicht auf Sais. Die Bewohner von Unterägypten, faı
Herodot (2. 94), hatten Del aus Silifyprion oder Sefam, weil fie keir
Delbäume hatten, und Diodor (1. 47) fchreibt dem Negyptifchen Hermi
die Erfindung des Dels zu, nicht der Athena.
**) Cicero in der Schrift „über die Natur der Götter” nennt fie eine Tochter de
Nil, wie e8 auch Arnobius thut, und Cicero pflegt diefe Abftammung be
Megyptifchen Göttern zu geben.
Neitb, die Aegyptiſche Athena. 105
'opfe vorkommt (Wilkinfon Tafel 71). Was follte nun viefer Gott mit
iner Weberlave thun? Daß aber Neith eine Weberin gemefen fey, ift
ir die Aegyptiſche Mythologie eine fo feltfame Sache, daß fie, wenn es
dgar mit aller Sicherheit beiwiefen märe, einen unbegreiflichen und uner⸗
lien Punft dieſer Mythologie bilden würbe. *) Wäre fogar viefes
Bid das einer Weberlave, fo hätten wir doch nicht auf eine mebenve
Reith zu ſchließen, ſondern es ald ein hieroglyphifches Bild ihres Namens
w vermuthen, fo daß wir auf einen mit dem Buchſtaben n anfangenven .
Bamen ver Weberlave zu fchliegen hätten. Don einem dieſer Göttin
fweihten Thiere ift nie die Rede; denn wenn Sorapollo (1. 11) fagt, der
deier bezeichne die Athena und vie Hera, weil er den Himmel bezeidjne,
lihena aber fey der obere (Herrin ver oberen Region heißt fie in Xegen-
en, was aber nicht den oberen Himmel bedeutet) Hera der untere Him—
nel, fo ift Dies nur in fofern wahr, als ver Geier, das Bild der Miütter-
Ileit auch ver Neith zukam; denn ſie heißt auch Mutter der Götter over
Wittin Mutter. Derfelbe fagt (1. 13): den Hephäſtos varzuftellen, malen
die Aegypter einen Käfer und einen Geier, die Athena aber ftellen fie
dar durch einen Geier und einen Käfer, denn fie glauben, die Welt beitehe
ans dem Männlichen und dem Weiblichen, und dieſe beiden Gottheiten
Bi allein bei ihnen mannweiblih. In hieroglyphiſchen Manuferipten
Indet ſich eine mannweiblihe Göttin, am vollftändigften zufammengefett
m einem von Belzoni aus Aegypten mitgebrachten, woraus Champollion
ke im Pantheon (1. Tafel 6. 2) bat abbilden laßen; Göttin mit dem
Bichent, gelb, vie Beine roth befleinet, unten fehen gelbe Lömwentagen
beroor, und ein rother Phallus deutet die Mannheit an, die Arme find
ausgeftrecft und ungeheure Flügel fpreiten fi) aus, rechtd an dem Haupte
ragt ein Löwenhaupt mit zwei Federn, links ein Geierfopf mit der unteren
Krone und beißt in ver Infchrift Mut, d. i. die Mutter. Daß Mut
Iwenföpfig vorkommt, ift oben fchon bemerft worden, der Geier gehört
ir, und jo haben wir in diefem Bilde die mit ihren Sinnbildern zufams
mengefegte große Mutter, phalifch gebildet in einer fpäteren Zeit, um
anudeuten, daß die Mutter Natur das zeugende und gebährende Princiy
in fich vereinige. Da nun aber dieſes Wefen nicht Neith genannt wird,
fo mag Horapollo's Angabe auf einer fpäten Deutung derfelben beruhen;
denn wenn auch Neith nur eine befonvere Borm der großen Mutter
+) Die Griechen waren fo fehr von dem Gebanfen an ihre webende Athena
erfüllt, wenn fie der Negyptifchen Göttin gedachten, daß man bei Euftathius
zur Iliade (1. ©. 31) lieft: zuerſt webte ein Aegyptiſches Weib fißend,
weßhalb auch die Negypter das Bild der Athena figend machten. Sie machten
das Bild figend fowohl, als flehend, und es ift durchaus Fein Schluß auf
irgend eine Eigenfchaft der Göttin daraus zu ziehen.
166 Neith, die Aegyptifge Athene
geweien ſeyn mag, fo muß fie doch eben ald eine beſondere Form
fehben werden. Wir jeben fie auh im Bilde (bei Willinfon Tafel
beide Hände abwärts geftredt, mit dem Zeichen bes Waßers baran,
Tamun zu Theben ericheint; was aber viejes bei beiden Böttinnen
möge und in wie fern man fie in dieſer Hinſicht mit einander verg
dürfe, ift ungewig. Nur jo viel wigen wir, daß dieſes Zeichen ven
ftaben n bedeutet, und da der Name Neith hieroglyphiſch mt Lautet,
aber der weibliche Artikel if, fo kann dieſes Zeichen bei Neith ihre Nam
hieroglyphe feyn.
Die fpätere Zeit wollte, beſonders mit Rückſicht auf die Athena,
Neith zu etwas machen, wozu dad Wenige, was wir von ihr wißen,
berechtigt, und woran die Aegypter in dem Sinne, wie es uns die
darftellen, wohl nie gedacht haben. Plutarh (9) melvet: zu Sais
der Tempel ver Athena, vie man auch für Ifis Hält, die Infchrift:
bin Ulles, was da mard, was da ift, und mas da feyn wird, und
Peplos hat Fein Sterblidyer enthüllt.“ Dieſes kann gar nicht altä
feyn, denn die Aegypter wußten nicht von dem Peplod, welcher von
Griechiſchen Göttin aus Athen nah Sais in diefe Infchrift ü
worden if. Wir fonnen nicht fagen, ob Proflus, welder fie für die
bewegende Kraft ver Natur erflärt, wie Athenagorad® (©. 24 b) für
überall verbreiteten Geift, dies gefühlt Habe; er giebt aber zu Pi
Timäus viefe Injchrift folgenvermeile: Ich bin das Seiende, das W
und das Geworvene. Meinen Chiton (Rod) hat Feiner enthüllt, vie
die ich gebahr, ward Helios. Da wäre nun wohl ver Athenifche P
befeitigt, damit aber audy die unkennlich machende Berhüllung, und
Rock, die allgemeine, nicht unkenntlich machende Verhüllung, von deu
MWegnahme zu reven lächerlich und abgejchmadt zugleich iſt, an vie Stel
gefegt, aber gewonnen ift damit nichts für die Infchrift, fondern Did
erfcheint al8 ein ſpätes, nichts erklärendes Machwerk. ben fo werd
werth ift das, was Jamblichus (8. 5) angiebt, daß Bity in dem Temp
zu Sais den Namen der Gottheit, welche die ganze Welt durchdring
gelefen habe, denn Athena war ja die Weisheit, und ver Geift ift ja de
alled durchdringende, fo Daß es ſich für tie fpäten Erflärer und Deut
nicht fehlen konnte, vielen Geift in Said zu finden. *) AL man de
em — nn et
*) Bon dem Tempel zu Sais giebt Plutardy (32) an, in dem Veſtibulu
deffelben finde fich gemeißelt ein Kind, ein Greis, dann ein Eperber, weit
bin ein Fiſch, zulegt ein Yiilpferd, und als die Bedeutung diefer Geftaltı
giebt er an, das Kind bezeichne den Nufgang, der Greis den Untergang, d
Eperber Gott, der Fiſch den Haß, das Nitpferd die Unverfchämtheit (dem
es foll feinen Erzeuger tödten und ſich dann mit feiner Erzeugerin begatten
Diefe Deutung if nicht wahrfcheinlich; denn da wir den Sperber auch at
Reith, die Aegyptiſche Athene. 167
Nhierkreis in ven Bereich ver Mythologie zog, gieng die Göttin von Sais
ht leer aus, denn bei Proflus (1. 30) heißt es, ihr gehöre der Widder
Thierfreis und ver Aequinoctialeirkel, wo die meifte bewegende Kraft
u AU fen. Diefes ſcheint noch eine Unterftügung darin gehabt zu haben,
daß das Schaaf zu Sais ein geheiligted Thier war; denn Strabo (812)
bet, daß dies Thier dort verehrt ward, und Clemens der Ulerandriner
ia feiner Srmahnungsichrift (S. 11) ftellt vie dortige Verehrung ver zu
Meben gleich. *) Wie das gefommen fey, ift und verborgen, denn dieſes
Ihier war nur dem Ammon geheiligt, und wenn Plutarch (72) vie Lyko⸗
goliten, die Verehrer des Wolfs die Einzigen nennt, welche die Schaafe
höen, fo ift dieſes nicht richtig, denn Herodot meldet ausdrücklich (2. 42)
3 die Mendeſier Schaafe opferten.
Hören wir, was Herodot uns über diefe Göttin und ihre Verehrung
Sais überliefert hat. Er gedenkt (2. 175) ihres Tempels, von Amufts
einer bewundernöwertben Vorhalle geſchmückt, und von demfelben mit
fen und Männeriphinren geziert, welcher König auch von Gles
hentine ein Häuschen aus einem einzigen Stein, vier und zwanzig Ellen
„lang, vierzehn breit und acht hoch, herbeifchaffen ließ, woran zweitaufend
be Ochifer drei Sabre lang zu thun hatten, und welches an ven Eingang
des Heiligthums geftelt ward. Daß es nicht in dem Heiligthbum ſtand,
Veranlaßung zu der Sage, der Vorfteher der Arbeit habe, als das
Häuschen gezogen ward, gefeufzt, wegen ver langen Zeit, die auf das
Bert, deßen er überprüßig geworven, verwendet werden, und Amafis
babe dies für eine üble Vorbeveutung genommen. Andre aber fagten, e8
» fen nicht in den Tempel gethan worden, weil einer von denen, vie ed
mit den Hebeln fortarbeiteten, erjchlagen ward. Auch war ein auf dem
Rüden liegender Koloß von Stein vor diefen Heiligthum. Weiter gevenft
- Serodot (2. 28) des heiligen Tempelfchages vafelbft und (2. 169) des
königlichen Begräbnißes in ven Heiligthum, nahe bei den Saale zur
Rinfen, (dad Grab des Königs Pſammetiches in dem Heiligthum erwähnt
Strabo 802), und erwähnt das Grabmal des Amafis im Tempelhofe,
dem Kopfe der Neith fehen, fo mag er Beziehung zu ihr in dieſer Dar:
ftellung gehabt haben; der Fiſch Latus aber ward verehrt, wo auch Neith
verehrt ward, in Latopolis, und das Nilpferd bezieht fih auf den Nil; was
aber das Kind und den Greis angeht, fo ift die Angabe Plutarchs zu allges
mein, um darüber ein einigermaßen wahrfcheinliches Urtheil zu füllen, wie
denn überhanpt auf diefe Beichreibung hin feine fichere Deutung zu gründen ift.
*) Obgleich es nichts beweift, fo iſt es doch ein eigenes Zuſammentreffen, daß
es bei Manethos heißt: unter Bokchoris, dem Suiten, weldyer als die vier
und zwanzigfte Dynaſtie ausfullend genannt wird, Habe ein Lamm gefprocen.
Man kann fih kaum erwehren, anzunehmen, das Lamm fey fur dieſes
Wunder gewählt worden, weil das Schaaf zu Suis verehrt wurd.
168 Neith, die Aegyptiſche Athena
beſtehend aus einer Halle mit Säulen, von ber @eftalt ver Palmbau
umgeben und mit Zierrathen geihmüdt, und was weit wichtiger iR, ;
erwähnt (2. 170) in dem Umfang des Heiligthums das Grab ein
Gewißen, (worunter er den Oſiris verfteht, welchen Athenagoras nennt)
diht an der ganzen Wand der Athene, und fagt: ed fliehen ref
Obelisfen in dem Heiligthum, und ift ein See dabei mit ſteinerner Gi
fagung von der Größe des Delifchen See's, auf weldhem fie Nacht de
ſtellen, was jenem begegnet iſt und was ſie Mofterien nennen. (Straße
803, Sagt: ein wenig oberhalb Sais fey dag Heiligthum des Din
worin er liegen folle.)
Diefed Verhältniß zeigt und Neith in einer innigen Beziehung zM
Ofiris, ver als zerrigener Gott bei ihr im Grabe ruht, aus welchem alt
jährlidy zu neuem Leben auferjieht, ven Jahresjeegen mit ver großenge'
Mutter erzeugen. Neith verhält fi bier jo nahe zu Oſiris, wie WW
Göttin von Buto ſich zu Horus verhält, und es ift nicht zu verwundes
dag man fie für Iſis genommen bat, indem man dieſe, wie aus Pius
oben angeführt worven ift, üfters Neith benannte. Betrachten wir sus®
ihr Feſt zu Said, welches zu den ſechs allgemeinen Feſten gehörte, u?
welches Herodot (2. 62) alfo befchreibt: zu Said in einer gewißen
zum Opfer zufammen Eommend, zünvden Alle viele Lampen rund um vie
Häufer unter freiem Himmel an, *) die Lampen aber find Schaalen mit
Salz und Del angefüllt, worauf fi) ein Docht befindet, welcher die ganze
Nacht über brennt, und das Veit bat ven Namen Lampenbrand. Diejes
nigen von den Aegyptern, welde nicht zu der Beftverfammlung kommen,
wachen während der Nacht des Opferd und zünvden ebenfalls Alle zu Haus -
Lampen an, und fo brennen fie nicht nur zu Sals, fondern in ganz
Aegypten. Weßhalb aber dieſe Nacht die Lichter und die Verehrung hat,
darüber giebt e8 eine heilige Sage.
In diefer Angabe haben wir ftatt willführliher Auslegungen un
aus Deutung entiprungener Behauptungen eine ächte Religionsnachricht,
*) Clemens ber Alerandriner (239) nennt den Tempel (oder das Bild) ber
Athena einen HypäthrossTempel (oder ein Bild im Breien), und Baufa:
nias (9. 12) fagt, der Altar und das Bild der Athena Onga (Onka) fey
en hypaithro zu Theben, und diefes habe Kadmos geweiht, wiewohl mande
gemeint, diefe Athena ſtamme aus Aegypten, was fich als falfch erweile
weil fie Ouga nad) der Phöniz'ſchen Sprache, nit Sais nad) der Aegyp⸗
tifhen heiße. Der Name von Sais war nie der der fogenannten Aegyp⸗
tifchen Athena, und Onfa war ein Griecdhifcher Name ver Göttin de
Griechen, von der Phönicien nich!s wußte. Der Hypäthros- Tempel aber
fann zu feinem Beweife dienen, die Aegyptiſche und die Thebifche Göttin
in eins zufammen zu wirren, und Phönicien als die Vermittlerin beider
Culte anzunehmen.
Keith, die Aegyptiſche Athena. 108
m ber obigen ebenfalls Achten von ver Zerreifung des Oſiris ftimmt.
M der Göttin zu Sars warb der todte Dfiris beftattet, bis er wieder
Bee. Daß der Gott aus dem Reiche des Todes, der Nacht, zum
hät wieberfehre, zu neuem Leben erwacht, Eonnte nicht beßer durch eine
ihe Darftelung ausgedrücdt werden, als durch die Lampennacht von
Bi, und ganz Aegypten, denn wäre nicht ein von ganz Aegypten ver«
un Gott der Gegenſtand dieſer Lampenfeier geweſen, fondern die
fin Neith in Sais, dann hätte es nicht geſchehen können, daß man
handerwärts ald dort, Lampen angezündet hätte. Im PBreien mupten
brennen, denn es fehrte dad Leben in vie Natur zurüd, welches ver-
FYxben gewefen war. Die Bedeutung des Salzes in den Lampen bei
zen heiligen Befte muß wefentlid) auf das Wievererwachen des Oſiris
gangen ſeyn, doch kann es zweifelhaft feheinen, welden Sinn man
it verbunden babe. An Tagen ver Enthaltung durften die Priefter
Sal; genießen, und es fiheint, daß man vemfelben eine Liebe für-
me Kraft zufchrieb, oder dag man dad Meer, woraus Salz kommt,
pa iberhaupt das Waßer, als das Element des Lebens angefehen, wozu
A dem paßen würde, daß die Priefter an ven Tagen ver Enthaltung
Band Kine Fiſche eßen durften. So erfcheint denn Neith ganz und gar
eine in Beziehung zu Dflris, zu dem Tod und Wiedererwachen der
r ſtehende Göttin, alfo ald eine Form der großen Mutter.
Gerade das Lampenfeft nun Fann der Anlaß geweſen feyn, vie Reith
wit der Griechifchen Athena, mit welcher fie ficherlich gar nichts in ihrer
eutung gemein hatte, zu vergleichen; denn dieſe war eine Veuergättin,
eher in Athen der Badellauf gefeiert wurde. Bei der leichten Art,
ie die Griechen fremde Götter ald den ihrigen glei annahmen, reichte
n einzelner Umftand von ſolcher Beichaffenheit Hin, um vie Gleichheit
ten zu laßen, denn man gieng nicht von einem Zweifel oder einer
üfung aus, fondern fuchte nur nach irgend einem gleichftellenven Umftanv.
var bietet fich auf den Denfmälern noch etwas dar, mas die Griechen
der Neith ihre Athena erblicken laßen Eonnte, fie erfcheint nämlich mit
gen und Pfeilen in der Hand; ob dies aber vie Veranlagung zu jener
nahme, oder auch nur eine Beitärfung darin war, Fann nicht darge⸗
in werden, weil fein Grieche und gemelvet bat, warum fie die Aegyp⸗
he Göttin für ihre Athena hielten. Cine Eriegerifche Göttin vermag
8 jene Bewaffnung nicht zu bemeifen, wiewohl und Proflus zum Timäus
fihert, Neith und Athene feyen beide weile und Eriegrifch, denn den Pfeil
mt auch Sate ald Namenbilv, und wir find, da wir über die Bedeu⸗
ng nicht belehrt find, nicht berechtigt, eine Auslegung, die in dem
brigen, was wir von der Göttin wißen, feine Stüge findet, zu verfuchen.
Neith führt auch den Beinamen Ank, (Unufe) und von ihrer Vers
tung zu Latopolis, wo der Fiſch Latus verehrt ward, ſpricht Strabo
170 Netth, die Aegyptifge Athena.
(814), ohne jedoch irgend eine nähere Auskunft zu geben. Einer Weipfagu
der Neith gedenkt Herodot (2. 82), wie zu Buto auch eine war. Ay
Tuer, d. i. die Große, Mächtige wird fie genannt, und die Kuh, w
die Sonne erzeugt. Werner wird fie dargeftellt, zwei Krokodile ernähre
Obgleich zu Said ald Hauptgöttin verehrt, findet fte fi doch auch
andern Aegyptifchen Städten, aber nicht ald die Hauptgottheit. In The
ift fie dargeftellt, die Huldigung ver Eroberer empfangend, welche
Beflegten zu ihren Füßen führen. Zu Latopoli& war fie die Temp
genogin des Knuphis, und Fam dafelbft unter nıehreren Namen vor,
Menhi, Tnebuu, unter welchen Namen fie auch befonvere Zefte &
ald Tnebuu am drei und zmwanzigften des Monats Athyr, als Me
am fünf und zwanzigften deſſelben Monate. Auf einer Säule des B
tempeld vafelbft fleht aufgezeichnet: Am Neumond des Monat Chaeu
findet Panegyrie und Darbringung flatt in dem Tempel des Kuuyfl
des Seren von Esne; man ftellt die heiligen Zierratfen aus und br
dar Brod, Wein, andere Plüßigfeiten, Ochſen, Gänfe; man bri
Salben und Wohlgerüche dar dem Gotte Knuphis und der Bättin fi
Genofin, dann Milch vem Knuphis; den übrigen Tempelgottbeiten b
man dar, eine Gans der Göttin Menhi, eine Sand ver Goͤttin Nei
eine Gand dem DOftris, eine Sand dem Khunfu und dem Thoth,
Gans den Göttern Phre, Atmu, Thore, fo wie den übrigen in
Tempel verehrten Göttern; dann bringt man Sämereien, Blumen
Aehren dem Herrn, dem Knuphis, dem Herrfcher von Esne dar, m
ruft ihn an. Unter den Tempelgottbeiten war auch Yfid, die am d
Bigften des Athyr ein Feſt hatte, fo wie der junge Gott Hake, der
wie Knuphi am erften des Monats Choiak eine Panegyrie Hatte. Ned
obiger Ungabe follte ed fcheinen, Neith fey nur Tempelgottheit mit ve
andern gewejen, nicht aber vie Genofin des Knuphis, welche insbefonvere
erwähnt wird; doch dem iſt nicht fo, denn Strabo melvdet von dieſer
Stadt, Neith fey dort verehrt worden, und mußte daher gehört haben,
daß fie die Hauptgöttin fey, denn fonft wäre feine Nachricht ſinnlos, weil
er ohne allen Grund aus mehreren Göttinen, eine würde herausgegriffen
haben, um fie zu nennen. Bei einem fo fonverbaren, ihm gar nidyt ze
zutrauenden Verfahren, hätte er wenigitend doch die berühmtefte und
befanntefte diefer Tempelgdttinnen nennen müßen, und da würde feine
für ihn ven Vorzug vor Iſis gehabt haben. Daß aber eine und dieſelbe
Bättin, unter mehreren Namen, befonverd in dem nämlichen Tempel
vorfomme, darf nicht befrempden, weil eine Gottheit unter jedem ihret
Namen, in einer befondern Eigenfchaft erfchien, und in diefer eine eigen»
thümliche Form ihres Weſens war, die der Anbetung beburfte. Da jedoch
Neith nach der Tempelgefährtin des Knuphis benannt ward, fo dürfte
daraus hervorgehen, daß fie als Genoßin des Gottes in dem Tempel
Keith, die Aegyptiſche Athena. 171
wit einem andern Namen benannt warb, vielleicht mit dem der Mu, ber
Mutter, welche jede Böttin, die den Geiler zum Sinnbild hatte, erhalten
Tonnte. Im welcher Beziehung der Fiſch Latus, ver zu den Nilfiichen
zehoͤrte, zu dem Culte in Esne fland, wißen wir zwar nicht, müßen
saßer annehmen, daß dieſe Beziehung bedeutend war, weil die Stadt von
* Verehrung dieſes Fiſches den Namen bekam. Jeder Nilſiſch konnte
ein Sinnbild des ſeegensreichen Waßers ſeyn, und in Culten, welche ſich
nf den Naturſeegen bezogen, eine paßende Stelle finden; es konnten
auch mit den einzelnen Arten beſondere Ideen verfnüft werden,
[he ven einen für diefen, den andern für jenen Eult geeignet erfcheinen
Aeßen. Das aber darf uns für ficher gelten, daß wir in Latopolis eine
Vorm der großen Aegyptiſchen Mutter in Neith mit Ammon =» Knuphis
:gerbunden ſehen, wie in Maut mit Ammon in Theben verbunden, oder
ia ber Thebais den Knuphis mit Sate.
} Oben war die Rede davon, daß Neith aud vie Kuh genannt wird,
welche die Sonne gebiert, und in Said tft von einer Kuh vie Rebe, bie
auf viefe Benennung zu beziehen, wir uns hüten müßen. Herodot (2. 129)
erzahlt nämlich von dem frommen und gerechten Könige: obwohl er gegen
des Bolt mild war, traf ihn das Unglüd, dag ihm die Tochter, fein
Einziges Kind farb. Darüber grämte er fich fehr und begrub fie auf eine
werfwürdige Art, indem er eine hölzerne Kuh machen lieg, vie vergolvet
ward, und in welcher er die Tochter beftattete. Diefe Kuh ward nicht
"mter die Erbe gebracht, ſondern war noch zu Herodots Zeit zu ſehen in
der königlichen Burg zu Said, in einem fhöngefchmüdten Gemache. Jeden
Tag verbrennt man Näuchermerf vabel, und jede Nacht brennt eine
Lampe bei der Kuh. Nicht weit davon in einem andern Gemache, fteben
die Bilder von den Keböweibern des My erinos, wie die Priefter zu Said
mählten, nadte hölzerne Kolofie, ohngefähr zwanzig an Zahl. Manche
emählten von diefer Kuh und von den Kolcffen, daß Myferincd von Kiebe
entbrannt, feiner eigenen Tochter Gewalt angetban, worauf fie fi
erhängt, und er fie in viefer Kuh beftattet habe. Die Mutter aber habe
den Dienerinnen, welche ihre Tochter dem Vater verrathen hätten, bie
Hinde abgefchnitten, und ed wäre ihren Bildern eben fo gefchehen, wie
ihnen ſelbſt.
Aber das ift thöriges Gerede, fagt Herodot, denn ich habe es felber
geichen, daß ihnen die Hände vor Alter abgefallen, und noch zu meiner
Zeit Tagen fie zu ihren Füßen. Diefe Kuh nun ift ganz mit einem Pur-
; Purmantel bedeckt, nur Hald und Kopf, ftarf vergolvet, fehen hervor,
und fie Hat eine goldne Sonnenſcheibe zwiſchen den Hörnern. Sie fteht
aber nicht, fondern liegt auf ven Knieen, und hat die Größe einer wirfs
lichen Kub. Jährlich wird fie aus dem Gemache heraudgetragen, wann
fh die Aegypter an die Bruft fchlagen, wegen des Gottes (nämlich des
172 Neith, die Aegyptiſche Athena.
Oftris, den Herodot bei viefer Gelegenheit nicht nennen will.) Darüber
daß fie jährlih einmal an dad Tageslicht getragen wird, erzählte ma
es geichehe, weil des Mykerinos Tochter ihren Vater beim Sterben
gebeten hätte, daß er fie einmal im Jahre die Sonne fehen lafe. Mag
man auch Ifis eine Neith genannt Haben, fo ift doch Oſiris mit ve
Neith zu Said und anderwärtd nicht fo zu verbinden, wie mit Iſis,
jene Kuh gebt offenbar nur die Jus, die Gattin des Oſiris an. Neith al
mütterliche Göttin, ald Gebärerin, fann eben fo gut wie Iſis, eine Auf
genannt werben, wie jede mütterliche Göttin die Kuhhörner zum Koy
ſchmuck erhalten kann; denn dieſes Sinnbild bezeichnet fie als eine Gebäß
rende, wie der Geier ald eine mütterlie. Geht aber die Sonne Mow
gend, wann fie fih am Horizont erhebt, aus dem Schooße der große
Mutter, ald neugeboren am Himmel empor, fo kann Neith vie Kuh fes
welche die Sonne gebiert, falls dieſer Ausdruck die wirkliche Se
meinte, und wir fehen ihr Bild mit dem auf einem Geſtell ſitzene
Sperber auf dem Kopf (bei Wilkinfon Tafel 38), gerade wie Athen,
und die Göttin des Weiten, welche vie Sonne Abends in ihrem
Schooße aufnimmt, und fo ſcheint denn Reith nicht nur die Gebärerin
der Sonne am Morgen, fondern auch die Aufnehmerin am Abend geweſen
zu feyn. Der junge Safe, welcher in dem Knuphistempel zu Esne war,
erfcheint im Bilde ganz ald junger Horus, ald Kind mit der Lode, dem!
Finger am Munde, der Gebärde des Säugend, das Zeichen des Lebens,
und Geißel und Krummftab, die Zeichen der Herrſchaft in der Linfen.
Diefer Gott ift alfo ver junge Horus, mit dem Zeichen der Herrichaft, |
wie er au ala Abi, d. i. Helfer, auf dem Lotus fitzend erjcheint.
MWahrfcheinlich beveutet fein Name Ik den Herrſcher, denn dies Wort
heißt Herrſcher und hk, hak heißt berrfhen. So heißt der junge Horus
auch Pnebto, d. i. der Herr der Welt, und der Name ift ganz geeignet
für ihn. Uber Horus ift nicht ald Sohn des Knuphid und der Neith zu
bemweifen, fondern wir müßen annehmen, daß er fih in dem Tempel zu
Esne befand, wie Ofirid und Iſis und andere Götter, die daſelbſt ver
Verehrung einen reichen Verein darboten. *)
.—_. —
*) In der Verwandlungsgeſchichte der Götter in Aegypten, welche Antoninus
Liberalis (28) nach Nicander erzählt, wußte man von keiner Verwandlung
der Athena, ſondern dieſe nebſt Zeus blieb zurück. Auch die, welche den
Zeus fi verwandeln ließen, wußten für Athena fein Thier, wie es fiheint,
zu finden, und nahmen vielleicht an ver Eule Anſtoß für Aegypten, wiewohl
fie fonft, wie wir aus Ovid fehen, ſich nicht feheuten, die Griechiſchen Sinn:
bilder in diefer Babel zu benugen.
Dritte Abtbeilung.
Die Gottheiten Des SBundsfterns.
Ehe wir zu den Gottheiten des Hundsſterns übergehen, wollen wir
un dem Hundöftern ausgegangene Fabel vom Vogel Phönir betradhten.
ot (2. 13) erzählt viefelbe alfo: Es giebt einen heiligen Vogel in
bien, Namens Phönir, ich babe ihn aber nicht gefehen, außer im
e; denn er kommt ſehr felten, nämlich, wie die Leute in Heliopolis
‚ alle fünfhunvdert Jahre einmal, und zwar komme er dann nur,
n fein Vater geftorben fey. Seinem Bilde nad) flieht er folgender»
Wben aus: ein Theil des Geſieders ift golven, ber andere roth, und er
ehr fehr an Größe und Beftalt dem Adler. Diefer Vogel macht es
Mu felgende Art, fagen fie, was mir nicht glaublich Tautet: aus Arabien
bamend, bringe er feinen Vater in Myrrhen eingehüllt und beftatte ihn
in Seiligthum des Helios. Er bringe ihn aber alfo: erft bilve er aus
ein @i, fo groß, als er es zu tragen im Stande fey, dann
Yrfuche er fi) im Tragen veffelben, und wenn er es verfucht habe, höle
das Ei aus, lege den Vater hinein und made es mit Myrrhen wieder
„und feine Schwere fey nun wie zuvor, worauf er es in das Heilig-
ım des Helios in Aegypten bringe. So weit Herodot. Die Abbildungen
Phoönix zeigen ihn theils als Mann mit Flügeln in betenver Stellung,
f einer halben Kugel, mit einem Federbuſch auf dem Kopf und begleitet
ı einem Stern, over ald Vogel mit Händen in betender Stellung, von
em Stern begleitet, auf einer halben Kugel. Der Stern beveutet ald
eroglyphe Zeitabfchnitt nach Sternen, und folglich beim Phönix die
mpöfternperigde, und die anbetende Stellung kann ebenfalls auch auf
Periode bezogen werben; denn vie Perioden werden gefeiert und find
onverd heilig; vie Beier aber Fann durch Anbetung bezeichnet werben.
18 Hieroglyphe beveutet der Phönix die Reinheit.) Die fünfhundert
hre aber, von welchen Herodot fpricht, find nicht richtig, und andere
ben die richtige Zahl ver Periode 1461 an. Hören wir, wad Tacitus
ven Jahrbüchern (6. 28) meldet: Unter dem Conſulate des Paulus
ibius und Lucius Bitellius (zur Zeit des Tiberius) Fam nad einer
ngen Reihe von Jahrhunderten der Vogel Phönir nach Aegypten, und
b ven Gelehrteſten der Einheimifchen und der Griechen Stoff, viel über
8 Wunder zu reden. Worüber fie einftimmig find, und einiges, was
ht ausgemacht, aber zu hören nicht abermigig ift, will ich angeben.
eilig ift dieſes Geſchöͤpf der Sonne und an Geſicht, wie an Buntheit
r Federn, von den übrigen Vögeln verfchieden nach Vebereinftimmung
176 Die Gottheiten des Hundsfterns.
derer, die feine Geftalt befchrieben haben. Ueber die Zahl de
wird munnigfach berichtet, am verbreitetften aber ift die Zahl v
hundert, doch giebt es weldye, die 1461 angeben. Die frübere
der erfte unter Sejoftris, dann unter Amaſis, hierauf unter den
Ptolemäer nach Heliopolis geflogen feyn, von vielen den neuen
bemundernden Vögeln begleitet. Aber die alte Zeit ift dunke
zwifchen Piolemäus und Tiberius find weniger als zweihundert um
Jahre verfloßen, wephalb einige dieſen Phonir für einen falfchen
der weder aus dem Lande der Araber gefommen, noch etwas von
fih gehabt, was die alte Erzählung überliefert bat. Es heißt
. wann die Zahl feiner Jahre zu Ende ift und der Top ihm naht,
er in feinem Lande ein Neft, theilt vemfelben feine Zeugefraft mit,
ein Sunges entfteht, welches herangewachſen zuerft vie Beftatt
Vaters feine Sorge ſeyn läßt, und das nicht, wie es fidy trifft,
wenn es fih mit einem Gewicht von Myrrhen in weiten Flu—
und ſich der Laft gewachſen gefühlt, ven väterlichen Leib aufnin
den Altar der Sonne bringt und verbrennt. Wir fehen au
Erzählung, dag man die richtige Zahl ver 1461 Jahre der Hui
periode auch angab und fomit dad wahre Weſen des Phonir
unter der bildlichen Darftellung und in ver Mythe von ver Err
diefer großen Periode. Aus Arabien follte er fommen zum Helio
war die verbreitetite Sage, aber die fpätere Zeit änderte daran.
Tatius (3. 25) fagt, er fey Aethiopifch, von ver Größe des Pi
Schöner, als diefer, fein Gefieder ift golden und purpurn, die (
nachahmend, er felbft dunfelfarbig und roftg, mit dem Sonnent
dem Haupt. Stirbt er nach langer Zeit, fo bringt ihn fein S
Aethiopien in den wohlriechenpften Myrrhen nach Seliopolis von
Vögeln begleitet, und mwartet dort auf die Diener des Gottes; dam
ein Priefter aud dem innern Seiligthum und prüft den Vogel ı
darin befinvlichen Befchreibung, und hat er vie Prüfung beftande
beftatten ihn die Söhne der Heliospriefter. Statt Aethiopien nenn
ftratus in dem Leben des Apollonius (3. 49) Indien, wo der Ph
aufhält, und alle fünfhundert Jahre nad) Aegypten zieht, wo er
Nilquellen fih in ein Neft aus Aromen fest und in dieſem voı
verzehrt wird, vorher fein Todtenlied ſingend. Plinius (10. 2)
wann er fih in dem Neft aus Kaflı und Weihrauch verbranı
-entftehe aus den Gebeinen und dem Marfe zuerft ein kleiner
woraus ein junger Vogel werde. Aehnlich reden noch mehrere der
Schriftfteler über den, Phönix, doch geben ſie nicht von dem B
Abweichendes an, Yooraus ein zu dieſer Babel hinzuzufegenver
gewinnen wäre, fo daß es vergeblich feyn würde, ihre Worte anz
Die Darftelung des Phönte findet fih in den Denfmälern ver ad
Thoth, der Aegyptiſche Hermes 177
gaſtte, und flieht man den König den Phönix halten, fo beveutet dieſes
a lingere Zeit, nämlich daß er längere Zeit abweſend feyn werde.
Thoth, der Aegyptiſche Hermes.
Bie die Negypter ihr Jahr mit dem Hundsftern begannen, fo war
h der erſte Monat dem Gotte deſſelben geweiht, vem Thoth, und hieß
a ſo, wie der Gott. *) Die Griechen verglichen denſelben mit ihrem
gen, und fie Eonnten, da fie ſich überhaupt bei ſolchen Vergleichungen
Feiner fehr geringen, oft ganz unbedeutenden Uehnlichfeit begnügten,
9 um fo leichter, als bei Thoth mehrere Eigenfchaften fich fanden,
reine mit denen des Hermes Aehnlichkeit haben. Da die Zeitrechnung
} für den Aegypter an den Hundsſtern Enüpfte, fo war Thoth der Gott
x Zeit, und diefe Eigenfchaft ift in der Aegyptiſchen Mythologie die am
Beinen bei ihm hervortretende, in welcher er ſtets erfcheint. Die wichtige
antnig der Zeitrechnung machte ven Thoth zu dem Gotte der Kenntniße
K den Griechen, zumal da er eben wegen jener Kenntniß zu einem
RN geworden war, den man mit dem Schreibzeug abbilnete, weil er
When aufzufchreiben Hatte. Was fein Name beveute, ift nicht mit
Meet zu jagen; daß er aber eine Nebenform von Sothis, wie ber
Ferhiſtern hieß (oder von Seth), fey, ift nicht wahrfcheinlich, weil ein
Wei! zwiſchen s und t im WUegsptifchen nicht zu beweifen if. Sein
Rpentlicher Name ift Tt, tet oder tut, und koͤnnte den Sprecher bedeuten;
m wahrſcheinlichſten aber beveutet er von tut, einrichten, feftitellen, ven
Fefkefler, Oroner, nämlic; den Ordner oder Beftfteller ver Zeit.
As Gott der Zeit fehen wir ihn auf ven Denfmälern mit vem Mond
if dem Haupte dargeftellt, gleich dem Khunfu, weil der Mond ein Maaß
t Beit für den Menfchen ift, aber ein Gott des Mondes war er nicht
dem Sinne wie Ra ein Gott der Sonne wur, wie ed denn in der
Iyptiſchen Mythologie überhaupt Feine wirkflidde Monpgottheit von mates
ler Einwirkung giebt. Er ift alfo nur als Zeitgott in Verbindung mit
Monde, infofern die Zeit durch dieſen beftimmt wird, er bewirkt aber
tö von dem, was etwa dem Mondeinfluße zugefchrieben ward, weil er
t das göttliche Wefen dieſes Geftirnd war. Plutarch (41) giebt an, die
ypter fagten, daß Herafles in der Sonne haufend, mit vieler ſich herum⸗
—
) Eicero in der Schrift über die Natur der Goͤtter (3. 22) fagt, Mercurius
fey der Sohn des Nil, deßen Namen zu nennen die Negypter für ungeleglich
halten. Jeder Aegyptiſche Gott, von welchem Fein beftimmter Vater ange:
geben ward, erfcheint bei Cicero als Sohn des Nil, worauf aber nicht als
Aegyptiſche Genealogie zu rechnen ift, da es vielleicht nur bedeutet, ſolch ein
Bott fey Aegyptiſch. Wenn Arnobius daflelbe fügt, wie Cicero, fo hat er
es von diefem entlehnt und kann nicht als zweiter Zeuge gelten.
J. 12
178 Thoth, der Aegyptiſche Hermes.
bewege, Hermes aber mit dem Monde. Thoth fährt aber auch im
licher Darftellung die zwei Hälften der Sonnenfcheibe, in ver oberen #
Na, Atmu, Mau, Tefnu und ein fünfter Gott, in der unteren Dut
Oſiris, Iſis, Nephthys, Horus. Diefes Bild bringt jedoch den Thot n
in eine Beziehung zur Sonne, mit welcher er nichts gemein hat. Ma,
der Mond als eine wirkliche Perfonification des Geftirnd erfchein, wie
den Gräbern bei dem Rameſſeion, wo er dem Ra gegenüber fteht
er auch den wirklichen Namen des Monde aah. Champollion fat,
felbe erfcheine dfterd im Gefolge de8 Ammon, und er giebt feimm %
grün mit der Kappe des Ptah und ver Horudlode zugleih, fo vmoie
dem Scepter des Ptah. Diefe Darftelung kann ihn nur in Be zieh
auf die Zeit darftellen, gleich einem Patäken, und im Gefolge UML ımım
muß er denfelben Sinn haben, wie der bei demfelben befindliche „SCH
Man flieht auch in den Gräbern die Monpperfonification in einem
figen mit dem Scepter, angebetet von zwei Kynodfephalen, ſo we er
ſtehend erfcheint angebetet von zwei Seelen und zwei Kynodfephalere.
nicht bloß der Mond wird von Kynoskephalen angebetet, fondern izg AM
nomijchen Gegenftänvden erfcheint dieſes Thier auch üfterd in einem ?
vor der Sonne in betender Stellung Auch im Amenti, wo Thot !
findet fidy der Kynodfephatos und man ſieht ihn oben auf ver Waage 7
Gericht3 fiten, und wird eine Seele verdammt ihrer Sünden wegerz
Schwein in das irvifche Leben zurückgebracht zu werben, fo fehen wir
Kynoskephalos in dem Boote bei diefer Seele, fie zurüdführenp. umekl
aud) fieht man dies Thier auf einem Threne fiten mit einem Fein"
Ibis in der Hand, alio mit einem Sinnbilve Thoths (zu Medinet⸗ Habs
über dem mittleren Thorwege des Amuntempels find Kynoskephale, und ein
Reihe vderfelben ziert den Karnied des großen Ratempels zu Ibſambul⸗
An den beiden Seiten der Piedeſtale der Obelisken von Luxor ſtehen vict
derſelben in anbetender Stellung, aus welchem Allem erhellt, wie beden
tend diefed Sinnbild bei ven Aegyptern war. Juvenal (15. 4) ermähll
des Kynoskephalos ald zu Thebä verehrt, und in der Thebifchen Nekrope⸗
lis hatten die heiligen Affen ihren befonveren Platz. Ihre Mumien habt
die figende Stellung, welche und auch die Sculpturen zeigen, und der
Kynoskephaloskopf bildet den Dedel einer der vier Vaſen in den Gräbern,
welche die Eingeweide enthalten, wo er den Todtengenius Hapi vorftelt
Doch nicht bloß zu Theben finden ſich Mumien veffelben, fonvern auf
andermwärt®.
Der Kynoskephalos, d. i. der hundskoͤpfige Affe, ift ein Sinnbild ve
Qundsfternd und der daran gefnüpften Zeit, und darım iſt er auch mit
Thoth verbunden, und findet ſich mit dem Schreibgeräth gleich dieſem und
das nämliche Amt verrichtenn. Wenn nun viefes Zeitſinnbild zum Monte
betet, jo betet er um Zeit, er betet um Monate und dadurch bewirkte
Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 179
Jahre, und um anderes beten auch die Seelen nicht zum Monde; denn
end fe wollen Zeit, weil Zeit haben fo viel ald Leben haben bedeutet,
fe aber wollen die Zeit, die Sabre in dem Leben jenfeits. Horapollo
(1.14) fagt, mit dem Kynoskephalos ftellen fie den Mond dar, over ben
Erhfreid, eder Die Schrift, oder ven Priefter, oder ven Zorn, *) oder DaB
Chrinmen. Den Mond ftellen fie durch ihn dar, weil dieſes Thier eine
Seapathie mit dem Zufammentreffen des Monde mit der Sonne hat,
Yan wann der Mond mit der Sonne zufammentrifft und dunkel wirh,
an blickt der männliche Kynoskephalos nicht und ißt nicht, fondern fenft
Weräßt den Kopf, gleichwie den Raub des Mondes betrauernd, das Weib-
en aber, außer daß es nicht fieht und ed wie das Männchen macht,
elommt Menftruation. Drum werden bis auf die heutige Zeit Kynos⸗
kephale in ven SHeiligthümern gehalten, um durch fie die Zeit ver Con⸗
Merlin von Sonne und Mond zu erfahren. Den Erdkreis aber ftellen
burh ihn dar, weil die alten Gegenden der Erde an Zahl zwei und
eng geweien feyn follen, die Kynoskephale aber in ven Heiligthümern
gl und gepflegt, fterben nicht wie vie übrigen Thiere an einem Tage,
foren tagweife ftirbt an ihnen ein Theil nach dem andern und wird
von den Vrieftern begraben, während ver übrige Leib noch lebt, und dies
Mt wei und fiebenzig Tage lang fo fort, wo dann das Thier ganz flirht.
Die Shrift fielen fie durch ihm dar, weil es eine Familie der Kynoske⸗
phalen giebt, welche die Aegyptiſche Schrift verſteht. Wann daher ein
Kynoßfephalos zuerft in ein Heiligthum gebracht wird, giebt ihm ber Prie⸗
fer eine Schreibtafel nebft Rohr und Tinte, umezu erforfchen, ob er zu
ver ſchriftverſtehenden Familie gehöre und fchreiben Eönne. Auch ift dies
hier dem Hermes geweiht, ver alle Schriften Fennt. Den Priefter bezeich-
ae man Durch ihn, weil er von Natur Feine Fifche ißt, gleich den Pries
fern und befchnitten zur Welt kommt, wie fich auch die Priefter befchneiven.
den Zorn ſtellt das Thier dar, weil ed vor allen jähzornig ift, dad Schwims
Men aber, weil die andern Thiere durch das Schwimmen fymugig werben,
diejes nicht. Weiter bemerkt Sorapollo (1. 15): den Aufgang des Mondes
Helfen fie durch ven Kynoskephalos dar, flehend die Hände zum Himmel
erbebend, auf dem Kopf das Königszeichen. Die Zeit der Tag- und Nachts
gleiche jtellen fie durch dieſes Thier dar, indem fie ed figend bilden, denn
während der Aequinoctien urinirt es zwölfmal am Tag und eben fo viel-
mal mährend der Nacht, jede Stunde einmal, weßhalb auch die Aegypter
auf ihren Waßeruhren nicht unpaßend den fitenden Kynoskephalos bilven,
aus deßen Schaamglied das Waßer fließt. **)
— —
*) Nicht der Kynoskephalos iſt das Bild des Zorns, ſondern der Pavian.
*#) Die Uebertragung des Kynoskephalos auf die Aequinoctien ſcheint von feiner
Stelle auf der Wage im Amenti bergenommen zu feyn.
12*
180 Thoth, der Aegyptiſche Hermes.
Auch aus dieſen Angaben Horapollo's, welche freilich mit einige
unmwahren Deutungen vermijcht find, geht hervor, daß der Kynosfephale
fih auf die Zeit bezog und ganz geeignet war zu Thoth zu gehören, zums
da fie beide den Hundsſtern zum Urfprung hatten. Gerade bei dem ſchre
benden Kunosfephalos zeigt es fich deutlich, daß die dem Aegyptiſche
Hermes zugefchrießene Weisheit von der Chronologie und Zeitfenntni
audgieng, und daß dieſe mithin der Grund war, worauf das Tuftiyg
Gebäude der großen Kenntnige Thoths aufgeführt warb, an melde vi
Griechen mehr glaubten, ald wir es bei den alten Negyptern anzunehme
berechtigt find, bei welchen er nirgends in Beziehung zu einer ander
Kenntniß, als der des Schreibens und der Zeit erfcheint. Der Kynt
fephalos vertritt nicht nur die Stelle des Thoth, fondern er wird fogar f
genannt; denn er kommt dargeftellt vor mit der Inſchrift: Thoth, eg
Herr der Schrift. Bei Diovdor (1. 14. 16) wo Thoth und Oſiris
Menichen angenommen find, lejen wir, Oſiris ehrte den Hermes, wel
vieled Nützliche verſtand; denn er erfand die articulirte Sprache und d
Benennung vieler Dinge, die Buchſtaben, er ordnete die Gdtterverehrung
und Opfer, beobachtete die Ordnung der Sterne und die Natur und Hape
monie der Töne, er erfand die Paläflra und Körperaudbildung, fo wit
das Del (dies dichteten die Griechen, weil dad Del in ver Paläfltıe
gebraucht ward), ferner die dreijaitige Leyer (die drei Saiten hatte, w
es drei Jahreszeiten giebt) und war Hierogrammateuß, d. i. heiliger Schreis
ber des Oſiris, der ihn auch, als er feinen großen Zug unternahm, der
Iſis zum Rathgeber zurüdlieg. Wie wenig manchmal bei ſolchen Angaben
mit ftrenger olgerichtigfeit von den Griechen, welche fie vorbradhten, ver⸗
fahren ward, zeigt eben dieſe Stelle Diodors, welcher freilich um Folge» '
richtigfeit überhaupt wenig befümmert ift; denn er fügt (1. 81), die Aegype '
ter hätten weder die Kuünfte der Paläftra, noch die Muſik getrieben, weil
fie geglaubt hätten, fie feyen entnervend, und jagt doch, daß der Aegyptiſche
Hermes fie erfunden babe. *) Auch berichtet Diodor (1. 94) dag Mneuis,
der erite Gefeggeber ver Aegupter, feine Satzungen von Hermes empfangen
habe. Auch gab ed Hermeöfchriften, von welchen Clemens der Alerandriner
in den bunten Schriften (6. S.269) melvet: eine enthält Gefänge ver
Götter, eine zweite die Vorfchriften des Koͤnigslebens, vier enthalten die
Kunde der Beftirne, eine handelt von der Ordnung der als nicht irtend
*) Blato im Phadrus (S. 278) fügt, zu Naufratis in Aegypten fey ein alter
Bott, welchem der Ibis heilig ſey, der heiße Theuth, fey Erfinder der Zahl
und der Rechnung, der Geometrie und ver Aftronomie, des Brett: un
Wurfelſpiels und der Echrift, damals habe über ganz Aegypten der König
Thamus in Theben geherrfcht, zu welchem Theuth gegangen fey und ihm
feine Kunfte gezeigt habe.
Thoth, der Aegyptiſche Hermes, 181
‚ericheinenden Sterne, die zweite über Leuchtung und Vereinigung von
Sonne und Mond, die beiden andern von den Aufgängen. Dann nennt
er wei und vierzig nothwendige Hermesſchriften (morunter aber die ſechs
angegebenen gehören) von welchen ſechs und dreißig die ganze Aegyptiſche
Bhilofophie umfaßen und von den Prieftern theilweife nach ihrem Amte
auswendig gelernt werben, ſechs aber den Götternifchen - Trägern zufallen
wo ärztlich find, ald die da handeln vom Körperbau und von Krankheiten,
yon Inftrumenten und Heilmitteln, von den Augen und das legte von den
‚weiblichen Dingen. Don dieſer mäßigen Zahl, welche auch vie Zahl ver
Lodtenrichter ift, und die heilige Zahl fieben fechsmal enthält, ſchritt man
zu unmäßigen; denn bei Jamblichus (8. 1) leſen wir, Seleufus habe dem
Hermes zwanzigtaufend Bücher zugefchrieben, was auch Julius Firmicus
Hat, Manetho8 aber hat eine noch größere, jedoch paßendere Zahl, weil
fe auf etwas beruht, er nennt nämlich 36,525, worin bie Hundsſtern⸗
de fünf und zwanzigmal enthalten ift.
War nun der Hunddaffe, wegen feiner Aehnlichfeit mit dem Hundsſtern
a Hund, ein Sinnbild deſſelben und gehörte zu Thoth, fo ſollte man meinen,
der Hund ſelbſt müße es auch gemefen feyn, doch die Denfmäler zeigen
überhaupt nie den Hund als das Sinnbild einer Gottheit. Wollte man
aber aus dieſem Umftand fchließen, der Hund habe feine Beziehung zu
einer ver Aegnptifchen Gottheiten gehabt, fo würde der Schluß falſch feyn;
denn wir mwißen, daß auch der Hund zu den heiligen Thieren gehörte.
Herodot (67) fagt von diefem Thiere im Allgemeinen, jeder begrabe vie
geftorbenen Hunde in feiner Stadt in heiligen Särgen, was zeigt, daß
ihre Heiligkeit allgemein anerkannt war. Es gab aber auch eine Stat
Kynopolis, d. i. Hundsſtadt, welche von ihrer Verehrung den Namen hatte,
und die Verletzung ded Hundes als eine tiefe Kränfung aufnahm. BPlu-
tarch (72) erzählt in dieſer Hinficht: als die Kynopoliten einft einen Oxy—
rynchos (Fiſch Spitzſchnauze) gegeben, aßen die Oxyrynchiten einen Hund,
und beide geriethen in einen heftigen Kampf darüber, ſo daß die Roͤmer
ſich gendthigt ſahen, ſie mit Gewalt zur Ruhe zu bringen. Während nun
bei Aelian (10. 45) die Verehrung des Hundes ganz richtig von Manchen
der Wichtigkeit des Hundsſternes für Aegypten zugeſchrieben wird, wurde
fie nach gewoͤhnlicher proſaiſcher Art auch von der Nützlichkeit erklärt. So
leſen wir bei Diodor (1. 87), der Hund diene zur Jagd und zum Wachen,
und darum werde Anubis hundskoͤpfig dargeſtellt, weil er den Oſiris und
bie Iſis bewacht habe, und von Andern werde erzählt, Hunde hätten die
Ms, als fle den Oſtris fuchte, geführt, und die wilden Thiere und die
Begegnenden abgewehrt, und hätten heulend treulich fuchen helfen, weßhalb
am Iſisfeſt Hunde vor dem Wufzug hergiengen. War der Hund dem
Thoth gemeiht? Plutarch (11) fagt, die Aegypter nennen den Hund nicht
eigentlich Hermes, ſondern wegen feiner Wachfamfeit und Verftänvigfeit,
182 Thoth, der AUegyptifde Hermes.
indem er das Befreundete und Feindliche unterfcheidet, eignen fie ihn des
verfländigen Gotte zu. Da man Hermes und Anubis fo fehr in fpäter
Zeit mit einander vermifchte, daß man einen Herm⸗anubis nannte, |
fiheint ed, daß man darum den Hund dem Ihoth zufchrieb, welcher au
auf den Denkmälern dem Anubis nicht zugehört; denn ver Schafal I
fein Ihier, ven aber die Griechen und Römer, wegen der Aehnlicyke
damit verwechjelten, weil ihnen der Hund befannter war. Einer Hunkt
fterngottheit aber muß der Hund einmal geweiht geweſen ſeyn, weil
fonft in Uegypten fein Kynopoli8 hätte geben Eönnen. Ja bei Plutar
(44) lefen wir: vor Alters fland der Hund in der größten Ehre ü
Aegypten ; ald aber Kambyſes den Apis tödtete und binwarf, rührte fe
Thier ihn an, außer dem Hunde, der dadurch aufhörte geehrt zu fe
Dies Iautet feltfam; denn wie Fonnte ein Thier verachtet ſeyn, welches
dem Aufzug des Iflöfeftes vorangieng. Man müßte denn eva annehr
Schafale feien in diefem Zuge gemweien, und Griechen und Römer Dig
diefe immer mit Hunden verwechlelt, und die Hundsſtadt fey eigentil
eine Schafalftapt, wo Anubis befonders verehrt ward. Aber ſchwer if
zu glauben, daß die Griechen, welche fich wohl über ven Anubis täufg
fonnten, weil in der Sache felbft eine DVeranlafung dazu Tag, da
Hund ſich zum Begleiter eignet, nicht der Schafal, ſich auch über viefe
Thier felbft getäufcht haben follten. Unter den allgemein verehrten Thie
ren nennt fogar Strabo (812) den Hund zwifchen Rind und Katze.
Für die Schrift Hatte man jedoch noch eine Perfonification, wel
die Herrin der Schrift heißt. Im Rhameſſeion findet fi) an dem Bücher
gemache linf8 an der Thüre Thoth, rechts dieſe Göttin mit Namen SA
und mit dem Titel Herrin der Schrift, Vorfigerin des Bücherfald. Deu
Thoth folgt ein Gott, welcher ein Auge auf dem SKopfe hat, und die
Inſchrift nennt ihn das Gehör, er Hält ein Schreibzeug, als wolle er
ſchreiben, was er hört. Es handelt fich alfo in viefer bilvlichen Darſiel⸗
fung um das Aufzeichnen des Gefehenen und Gehörten. In demſelben
Gebäude ift Rhamſes vargeftelt, thronend am Fuße des Thrones von
Atmu, in dem Schatten eined Perſea⸗baums, ver ald ein Lebensbaun
galt. Sffh, die Ghttin des Schreibens, fchreibt in Gegenwart des Thoth
den Vornamen des Rhamſes auf die Perfeafrucht, Thoth ven Eigennamen
und Atmu jagt, fomme, ich ſchreibe deinen Namen für eine lange Reihe
von Tagen, damit er auf dem göttlichen Baume fey, und er ſchreibt eben
falls des Königs Vornamen auf die Perſeafrucht. Man findet die Abbil⸗
dung dieſer Darftelung bei Wilkinfon (Tafel 54 a). Sie zeichnet auf
an dem Palmzweig die Jahre des Lebens und trägt felbft ven Palmzweig
der Panegyrien und bemerkt vie Zahl der Panegyrien des Königs, welcher
ein Herr der Panegyrien war, fo wie fie auch die Begebenheiten aufzeich⸗
net. Man flieht fie mit dem Leopardfell, welches die Priefter trugen und
Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 183
des ein Sinnbild des Ofiris war (Wilkinfon Tafel 54), und mit fieben
sablen auf einer Stange, welche auf ihrem Haupte fteht, über den
rahlen aber find zwei umgefehrte Hörner (zwei oder drei Andeutungen
ı Hörnern ftehen auch unter ihrem Namen), und flatt der ſieben Strah⸗
. flieht man audy fünf, was aber einer Vernachläßigung anzugehören
ant, da die hieroglyphiſche Infchrift auch da die fünf Strahlen zeigt,
vie fieben fi auf dem Kopfe ver Göttin befinden. Diefer aber, ihr
nytſchmuck, dürfte wohl nicht8 weiter als das Bild ihred Namens feyn, da
h, sefech im Aegyptiſchen fieben heißt, und vieles Verfahren, den Namen
sch ein andeutendes oder auch ihn ausdrückendes Bild der Gottheit auf
Haupt zu feßen, dfterd vorfommt. Doch Fönnten dieſe Strahlen aud)
ß einen Stern vorftellen, welcher auch mit fünf Strahlen gebilvet wird,
» bloß den Anfungsbudhftaben ihres Namens beveuten; denn der Stern
bt siu, und auch dies Verfahren Eommt vor, wie z. B. Seb die Gand
dem Kopf trägt, weil ihr Name gleicy dem feinigen mit einem s anfieng.
ine grüne Porzellanfigur, im Beſitze des Herrn Käftner zu Rom, ftellt
w ibisföpfige Göttin dar. Sollte dies vielleicht die eben befprochene
in ſeyn, die gleiche Thätigkeit mit dem ibisföpfigen Thoth hat?)
So wie diefe Göttin den Palmzweig der Panegyrien oder das
ild des Jahres in der Hand hat, und die Jahre hineinfchreibt, fo hat
h Thoth diefen Zweig und wird dadurch als ein Gott der Zeit bezeichnet, *)
Rals jolcher ift er auch von Einfluß auf das Leben; denn wer den
men eines Königs auf die Frucht des Lebensbaumd fchreibt, giebt
ıfelben ein längeres Leben, und wer die Jahre eines auf ven Palm-
ig fchreibt, thut daſſelbe. Oben bei Gelegenheit des Khunfu ift ſchon
; diefem Zweige die Rede gewefen, und von dem Froſche, von dem
| er emporragt, an welchem Froſche unten ein Petichaft over Siegel
Mas dieſe beiden hinzugefügten Bilder beveuten, ift ungewiß; denn
3 den Froſch betrifft, fo ift Horapollo’8 oben angegebene Deutung nur
Mißtrauen anzufehen, und fie empfiehlt fi) wenig, über das Siegel
r laßt fi) eben fo wenig etwas Sicheres fügen, denn ed beveutet
ır als Hieroglyphe verfchließen, zufammenbinvden und auch verfammeln,
*) Horapollo (1. 3) giebt an: um das Jahr darzuftellen, malen die Aegypter
eine Balme, weil diefer Baum allein unter allen andern bei jedem Mond—
aufgang einen neuen Zweig treibt und fo das Jahr durch zwölf Zweige
genau bezeichnet. Berner bemerft er (1. 4): um den Monat darzuftellen,
malen fie einen Palmzweig. Borphyrius fagt (4. 7), der Palmzweig habe
bai geheißen, und im Griechifchen findet fih das aus der Griechiſchen
Sprache nicht zu erflärende Wort bais in diefem Sinne. Im Aegyptiſchen
aber heißt hai Seele. Eine fpäte Fabelei giebt an, in den Schriften der
Babylonier würden der Palme dreihundert und fechzig Nugen zugefchrieben,
welche Zuhl das Jahr ohne die fünf Zufagtage umfaßt.
184 Thoth, der Aegyptiſche Hermes.
ob es aber an dem Tanegsrienzweige die Bedeutung der Berfi
habe, over eine andere und unbefannte, muß dahin geftellt 6
Außer dem Thoth, führen noch andere Götter dieſen Zweig,
einem Könige Herrlichkeit verleihen, wie bie beiden @&ötter, ‘
Rameſſes die doppelte Krone Aegyptens auffegen bei Wilfinfon (Ta
Gin Sinnbild des Thoth war der Ibis (eine Stadt Ibeum, g
von Hermopolis zeigt das Itinerarium Antonind), und darum e
er mit dem Ibiskopfe, fo wie denn dieſer Vogel zur Einbalſamirni
Beftattung nach Hermopolis, der Stadt des Thoth gebracht warll
und Serodot (2. 67) meldet. (Es haben ſich noch Mumien, mandg
menfchlicher Form gefunden.) Um feine Seiligfeit zu erklären, gd
vor, er vertilge die Schlangen, und Herodot (2. 75) erzählt darif
ift eine Gegend Arabiend in der Nähe von Buto, wohin ich reift
Kunde von den geflügelten Schlangen zu befommen. Dort ſah ich $
und Gräten von Schlangen in unfägliher Menge, von allerlei
Der Ort, mo ſich diefe befanden, ift ein enger Gebirgöpaß, ver
große, mit der Ebene von Aegypten zufammenhängenvde Ebene führ
Sage aber lautet, im Frühjahre kämen geflügelte Schlangen aus 9
nach Aegypten geflogen, und vie Ibis zögen ihnen bi8 zu jenem G
paß entgegen und bien fie todt, und deßwegen, fagen die Araber,
der Ibis fo fehr von den Aegyptern verehrt, und die Negypter fi
bei. Diefer Vogel war aber fo heilig, daß nur noch der Sperbt
darin gleich fand, denn wie Herodot (2. 65) fagt, hatte, wer ein
Thier aus Verſehen töbtete, nur eine ihm von den Prieftern auf
Strafe zu zahlen, wer aber einen Ibis oder Sperber töptete, ol
fäglih oder aus Verſehen, ver mußte fterben. (Diodor 1. 83 nem
Ibis und die Kage als die durchaus unverleglichen Thiere.) Da ma
Bernichtung der Schlangen, welche obenvrein dem Ibis vielleich
nicht zufommt, nicht für hinreichend hielt, vie hohe Ehre deſſel
begründen, fo fchrieb man ihm auch die Erfindung des Klyftierd zu
man ihn auf eine Art fi reinigen gefehen, welche zur Anwendung be
ftier’5 führte, wie Plutarch (75) angiebt, welcher auch meldet, t
Priefter zu ihrer Reinigung da fi Wafer holten, wo fle eine
trinfen geſehen, weil dieſer Vogel nur reines Waßer trinke. Audı |
jo belehrt und der das nämlihe (7. 45) erzählende Aelian (2. 3
Ab= und Zu=nahme des Mondes Eennen, und fol mit mehr oder
*) Da das Petſchaft auch in der Form des Zeichens vorfommt, welches
Goͤtterhand zu fehen ift und die Bedeutung des Lebens hat, geftal
ein Kreuz mit einer runden Handhabe: fo ift vielleicht dieſes Zeich
das Siegel eins und daſſelbe und die Bedeutung deffelben am Bal
die nämliche, fo daß es auch hier Zeichen des Lebens ift.
Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 185
frunzuehmen vemfelben folgen, und bei einer Monpfinfterniß fol er
Füngen ſchließen, nie der nämliche Schriftfteller (10.29) außer andern
nichten Babeleien angiebt. *) Der Mond war nun einmal in fpäterer
Pit dad allgemeine Erklärungsmittel, und fo durfte er natürlihd auch
Mdem 363 nicht fehlen, doch ift vieles Sinnbild Thoths damit nicht
art, für welches fih und nur eine Erklärung darbietet, fo dag wenn
Pr nicht genügen ſollte, ſchwer abzufehen ift, mie mit den zur Zeit vors
kenen Hülfsmitteln, eine andere zu verfuchen wäre. Wir müßen
mid ben Thoth, als dem Gotte ver Zeit, zunächft bei dem, mas ihm
Einnbilb gegeben wird, eine Beziehung zur Zeit vermuthen, over ein
innbild des Hundsſterns felbft, wovon fein Wefen audgegangen iſt.
Ine ſolche Zeitbeziehung fcheint denn auch bei dem Ibis wirklich von
weiten feines Namens her, ſich zu ergeben; venn heb heißt im Aegyp⸗
men der bis, und eben fo heißt vie Feftverfammlung, fo daß mithin
BI die Feftverfammlung bezeichnen konnte, als ein ihren Namen
Fellendes Bild; und fieht man im Thoth den Herrn der Beftverfamm-
Mn, ſo hätte ihm der Ibis deßhalb geweiht werden Fonnen. Kein
Me in dem Maaße Herr der Panegyrien, wie Thoth, und nichts
Pr dem Aegypter wichtiger, als viefelben, da es ein hoher Titel ber
Pe iſt, Seren der Panegyrien zu heißen. Die Hieroglyphe nun für
kebi, die Panegyrie ift die Zelthütte, und es hätte dieſe gewählt
erden Finnen, um bei Thoth zu bezeichnen, daß ihm, dem Zeitgotte,
Wie Perioden gehören; wollte man aber ein Thier wählen, die man fo
Fre zu Sinnbildern der Götter wählte, fo gab es feines, welches durch
kin Weſen dieſes DVerhältnig hätte ausprüden fünnen, und nur der Ibis
jmd fi tauglich dazu, vermöge feines Namens, welcher die Sache
unnte.** Bei diefer hohen Heiligkeit der Panegyrien, welche nicht die
*) Plutarch (S. 738) giebt an: weil Hermes die Schrift erfand, machten bie
Aegypter den Ibis zum eriten Buchflaben, nämlicy dem erften des Monats
Thoth, alfo zum ©, welchen Buchftaben er vorftellt, indem er den Schnabel
in die Bruflfedern ſteckt. Daß diefe Epielerei angenommen war, fehen wir
aus Marcianus Capella (Bud II. $. 178). Horapollo (1. 36) fagt, Durch
den Ibis flelle man das Herz dar, weil er dem Hermes, dem Herrn des
Herzens und der Vernunft geweiht und an und für fi) dem Herzen ähnlich
jey, worüber e8 bei den Aegyptern manche Rede gebe. Zur Verherrlichung
aber des Ibis, heißt es bei Horapollo (2. 81), wenn man mit einer Ibis—
fever das Krokodil berühre, erflarre es zur Unbeweglichfeit, und Aelian
(1. 38) fügt, die Schlangen fürdhteten die Feder des Ibis.
*) Savigny in feiner Naturgefchichte und Mythologie des Ibis (Paris 1805)
fügt, wie Schneider zu Aelian (10. 29) daraus anführt, die beiden Ibis—
arten fämen mit dem wachfenden Nil nad) Aegypten und zögen nach feiner
Abnahme wieder fort; fie fuchten fih Würmer und Fifchchen im Schlamm
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Ma die Eerechtigkeit im Moses Two ten Todten ech
Aleil wind und au Trete Seo an Seavelben befinter, “ Song
be veriuet jublen, dieies Sirzzu auf Seine Ihärigfen m Som
zn doch darf dies nidet geſcheren, denn wir feben ibn ım BT
Wansrndu lo und ehne Straußfeder auf tem Nbiäfepfe in ter zu
sonne Naperus. Betrachtet man ein Amt im Amer: 1
anf dad Sinnbild Der Gerechtigkennbei der Ausübung 1:3
nn eöo beſtebt einzig und alleın darin, daß er alä der En
s Bea Fed Ferien gewogen wird, Den Befund aufzeidz M
re RNichter auf dem Threne ige, das Urtbeil ver En:
a op vem ıbm von Thoth mitgerbeilten Befunde, ruhe B
son ibin daber als tem Zeitgotte gehören. ze
nnd eunbeſtimmtes, gerecht geordnetes Verhälmiß tz.
rpm Zınne Die Ma neben den Phthah, ven Zum
‘a deeier Verbindung des Theth mit der Ma, d.d
. tapsıt und Gerechtigkeit it, erklärt ſich, was X
sim Monat Thoth erzablt: Am neungebntd
tt nee dem Hermes ein Feſt, und geniegen Keni
mehr ie Wabrbeit ift ſüß. Daß aber bieie I
arte tag auf Die Wahrheit der Zeit, vie in
ey tete pad an richtigem, gerechtem Maaße, fü
mn nen bass sewadrend, iſt bei dem Gotte ver Zeit
Der glei) diefem als Zeitgett ı
Noetpeblun Hbohbaub at warnt Vrrindung geſtanden, wird durd
e ton mabohnan Pens ed Daraus nicht ſchließen, daß
Rachen Vonal gas wie Herodot (2. 138) meldet, n
| LE a1 ee ya Pr Sr
rn en das Zablangen und Skorrione an. Da büfte frei
Vogrel. Weiber ib han Can, tion des Mil kommt, dem Hundsſte
at Merken htatı qwsanmmengeitellt werden fünnen; a
Bo den wir mn in Magbauny aut Die Perioden ober bie Zeit a
ah der Moe ber Melubernbwe emmung geweſen, wird durd
ern nie Weiſe augebentei.
Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 187
ermutbung einer ſolchen Beziehung allerdings dadurch angeregt
s muß. Wem die Gottheit Zeit giebt, dem giebt fie Leben, und
en wir Thoth und ven fperberföpfigen Gott, Leben über Ameno-
ven Dritten ausgießen (Wilkinfon Tafel 77). Im Toptenbuch heißt
gr der göttlichen Worte und Nechtfertiger des Oſiris (fo heißt nämlich
gerechte Verftorbene) gegen feine Feinde, was leicht zu verftehen üft,
6 dad Ergebniß der Seelenwägung für den Richter Oſiris auffchreibt.
opoli8 an der Südgränze der Heptanomis war die Stadt, wo
) vorzüglich feinen Sik hatte (auf Mumien heißt er in ver Ibis⸗
ı Herr von Hermopolis), weßhalb ſie von den Griechen vielen
befam (und daſelbſt war auch der Kynoskephalos befonvders heilig,
nah Apion, die Priefter zu Hermopolis einen Ibis gezeigt haben
welhen fie für unfterblid” ausgaben). Sie hieß Schmun, d. i.
weßhalb auch Thoth Herr der Acht hieß, und Kerr ver acht Regi⸗
Randes Nu. Welches Land Nu benannt ward, und warum jene
Yen Namen der achten führte, wißen wir nicht, dürfen uns aber
maßen, wegen dieſes Namens den Phönififhen Esmun, den
Atifen in Thoth erblicken zu wollen, denn weder der Name von
‚, noch die acht Regionen des Landes Nu reichen bin, um ihn
en Patäfen zu machen. #) In Nubien zu Dakkeh, dem alten
‚ ward Thoth wenigftens in fpäteren Zeiten vorzüglich verehrt.
apollion (Briefe 11) ſetzt den älteften Theil des vortigen Tempels
"den König Ergamun, alfo nach der ſechs und zwanzigften Dynaftie,
nter des Kambyſes Herrfchaft Nubien nicht mehr Aegypten gehorchte.
ete3 der GErfte, deßen Sohn Philopator und Enfel Euergeted der
e, festen den Bau fort. Auguftus forgte für die Sculpturen im
n, ohne fie jedoch zu beendigen. Diefer Tempel war geweiht dem
‚ dem Herren von Pfelfis, die Griechifche Infchrift einer Weihung
tronne (©. 370) jagt: dem größten Gott Hermes Pautnubis, der
änze Aegyptens und Wethiopiend hat. Sein Bilo ift menfchliche
mit vier Federn auf den Haupt, in der Rechten das Zeichen des
‚in der Linken das Kufuphafcepter von einer Schlange umwunden,
Scorpion daran (der Name des Ortes Serk, Self veveutet Scor-
oben drauf die vom Uräus ummundene Sonnenfcdeibe ; die Hiero-
ı aber nennen Tet pnnbs (bei Wilkinfon Tafel 46), d. i. der von
der Nubes, alfo bloß eine lanpfchaftliche Bezeichnung. Schon auß
hlange, die fein Scepter ummindet, geht hervor, daß in der Anficht
iefjem Thoth, Rüdficht auf den Griechifchen Hermes genommen
Der falfhe Sanchuniathon, welcher ihn Taautos nennt, macht ihn zwar zu
einem Phönifer, aber zu feinem Patäfen, fondern zu einem, welcher mit
Krunos nach Aegypten gefommen.
188 Thoth, der Aegyptiſche Hermes.
worten, und daß wir mithin in dem beichriebenen Bilde nicht bie
Aegyptiſche Idee haben. Zu Dakkeh ift auch noch ver Reſt ein
Thoth von Möris erbauten Tempeld. Auf der Infel Sate heißt
der Infchrift, mo ihn mit Knuphis, Oflris, Sate, Anufe eine W
gemacht wird Ptnſns, Petenfened, d. i. Herrfcher von Seneß, alfo
fal8 von einer Lokalität. Ohnweit des Pallaftes des Ramſes M
findet fi ein Tempel, weldyen Euergetes UI. und feine Schweſter
patra „ihrem Vater’ dem Thoth geweiht haben, und ed ift ver
noch vorfindliche Tempel, welcher viefem Gotte insbeſondere gemeiht
Des Gotted Bilder find ibisföpfig und er heißt: Thoth = peho-en
d. i. das Angeficht des Ibis, und Setem, als Richter, Anh
MWahrheit. In diefem Tempel ward auch die Göttin Nemau
geziert mit dem Kopfſchmuck des Geier und einem Schrein b
Ueber der Thüre ded Sanctuarium bringt Ptolomäus feine Ga
Ammon, der Mu und dem Khunfu, fo wie zmweitend dem Thoth
Nemau. Diefe beiden werden auch als in Mantbom wohnend
welches alfo der Name viejes Theild von Theben war. Zu ©
Nubien hieß er Knephs Sohn, wie Wilkinfon angiebt, auch fol
fommen, daß er Vater des Ofirid genannt wird, weldye Bene
aber keineswegs als altäguptifchen Genealogien angehdrig zu betrachten
fonvdern für fpätere, vereinzelte Combinationen gelten müßen. &.
auch, wie Plutarch (3) meldet, Vater der Iſis, und zu Hermopolis
die erfte ver Mufen (von Aegyptiſchen Mufen ift freilich nichts be
is und Gerechtigfeit, weil jie die Sieraphoren und Sieraftolen in
göttlichen Dingen unterweilt. Diefes feheint auf fpäterer Vermiſ
der Ifis und der Ma, welche zu Thoth, ver ihre Straußfeder auf
Haupte trägt, ſich eignet, zu beruhen. (Im Griechifcher Dichtung W
aber Iſis fogar Tochter des Prometheus genannt, womit man fie’
meife bezeichnen will, und jo hätten Griechen fie auch zur Tochter
meifen Hermes machen fünnen; weil aber Sermopolid damit gem
wird, fo hat Died weniger Wahrfcheinlichfeit, fondern fie fcheint,
gefagt, mit der Ma verwechjelt worden zu fern.) Zu Samneh bei
fih auch ein Tempelbild (der Tempel ftammt aus der Zeit des zw
Sefortofis) welches eine menschliche Geftalt ift, mit dem Zeichen des Le
in der Rechten, dem Kufuphafcepter in der Linfen dargeſtellt, wie
Yegyptifhen find, wenn fie ohne alle ſinnbildliche Zeichen darge
wurden, und die Hieroglyphe benennt ihn Tet- un. Tet fann Hand Hi
und un Öffnen; aber was diefe Bezeichnung bei einem Aegyptifchen €
bedeuten fol, ift nicht zu fagen, da man einer ähnlichen bei fi
begegnet. Da nun mehrere Gottheiten Cröffner heißen, wie O
Seb, fo fünnte auch Thoth fo genannt jeyn, ohne dag wir gerade wi
ala was für ein Eröffner er zu Samneh betrachtet warb, wo er Kn
Seh und Nutpe (Kronod und Rhea). 189 .
m bieß. Die vier Ibiskoͤpfige Beftalten aber, welche die Pförtner der
; Simmeldgegeden im Amenti find, haben Beziehung zum Thoth und
vald Genien feines Weſens zu betradyten; dieſe aber find vermöge
h Amtes Erdffner der vier Pforten, an welchen fie fi befinden.
um Clemens der Alerandriner in den bunten Schriften (1. ©. 144)
hermes einen Thebäer nennt, läßt fih nicht beflimmen, da eine
re Verehrung deſſelben in Theben nicht befannt ift.
In ganz fpäter Zeit, als die Weisheit Thoths zur höchften gebichtet
war, warb Hermes Trismegiftus, d. i. der dreimal Größte als
R Gott gewöhnlich genannt, und dieſe Benennung gründet ſich auf
Art, im Negyptifchen vie Steigerung auszudrücken, welches auch
h Wiederholung des Beiworts geſchah, und fo bieß Thoth nefru,
A, nelru, der Gute, Gute, Gute, d. i. der Beſte. Im älteren Denk⸗
pn aber fommt dies Beimort von ihm nur zweimal, nicht vreimal vor.
eier Infchrift Des Steind von Roſette, heißt er der Große, in
Bien aus dem zweiten Jahrhundert nach Chriftus heißt er der Größte,
Milo aber in ver untergefchobenen Zueignung der Sothis des
Me, wahrjcheinlich aus dem dritten Sahrhundert n. EC.) Sonverbar
A, bad Syneſius (von der Vorjehung ©. 101) bemerft, die Aegypter
a den Hermes zwiefach gebildet, indem fie einen Jüngling neben
a Oreiö geftellt. Die Aegyptiſchen Denkmäler zeigen eine foldhe Dar-
ng nicht. Noch munderlicher lautet, was Plutarch (22) angiebt, er
nämlich, die Aegypter erzählen, Hermes babe den einen der beiden
Re kurz oder verfrüppelt. (Die Denfmäler beftätigen viefe Angabe
Rt fo wenig, als die von dem zmwiefach gebilveten Hermes, und welcher
anfe mit dieſer vielleicht fypät erfundenen Vorſtellung ausgedrückt
ven follte, ift für und völlig räthfelhaft; denn daß man dem Thoth
ı verfrüppelten Arm zugefchrieben haben möchte, weil er in manchen
ſtellungen ver Denfmäler mit der linfen Hand fchreibt, läßt fich nicht
vieler Wahrfcheinlichkeit vermutben, weil in ſolchen Darftelungen
rechte Arm nicht verrenft oder verfrüppelt erfcheint.)
Seb und Nutpe (Kronos und Nben).
Bon einem Kronos und einer Rhea bei den Aegyptern weiß Herodot
nichts, denn er fchweigt ganz von ihnen, aber Plutarch (12) erzählt
von denſelben. Ald nämlich Rhea, fo meldet er, ſich heimlich mit
308 vereint hatte, fluchte Helios, welchem es nicht entgangen war, fte
weder in einem Monat, noch in einem Jahr gebähren. Aber Hermes
fih ver Göttin auch in Liebe vereinigt und dann Würfel mit ber
me gejpielt haben, welcher er in dieſem Spiel den fiebenzigften Theil
3 jeden Tages abgewann, fo daß er fünf Tage auf die dreihundert
fechzig erhielt, die er nun dem Jahre als die Zuſatztage hinzufügte.
190 Seb und Nutpe (Kronod und Rhea).
An diefen gebahr denn nun Rhea die fünf Götter, deren @i
feftlih begangen werden, und zwar in folgender Reihe: am
gebahr fie den Dfirid, am zweiten den Aruerid (den Manche
Manche ven älteren Horus nennen, von weldyem aber Andere f
fey ein Sohn des Oſiris und der Iſis, die ſchon im Mutterleib
geliebt und umarmt hätten), am britten den Typhon, nicht zu rei
und nicht auf dem rechten Wege; denn er fprang aus ver Seit
am vierten Tage ſodann gebahr fie die Ifls, ganz im Feuchten; al
endlich Nephthns, welche auch Ende, und Aphrodite, fo wie di
genannt wird. Helios nun fol der Vater des Ofiris und Aruerl
feyn, Hermes der der Iſis und Kronos der Vater des Typhon
Nephthys, weßhalb auch den Königen der dritte der Zufaßtage für
galt, an welchem fie weder einen Beſcheid ertheilten, noch ihre
vor Nacht pflegten. Nephthys aber vermählte fid, mit ihrem Bruder
In diefem Mährchen befigen wir zwar Feine tiefe Weisheit ver ‘
doch ift es nicht ohne einige Rückſicht auf Aegyptiſche Mythologie:
Die fünf Zufaktage werden mit Recht ald durch Thoth dem Jahre
angegeben; denn er ift der Gott der Zeitperioden und der
derfelben, und da diefe Zufagtage gleih allen andern Gottheiter
waren, fo war es eine nicht fern abliegende Dichtung, den Gru
zu fuchen, daß dieſe Gottheiten an den ihnen gewidmeten Tagen
worden feyen. Bei einer das Sonnenjahr betreffenden Anordnun
Tage zum Gegenftand hat, die ja in des Helios Macht find, fo
ohne ihn nicht gevenfbar, konnte Helios nicht übergangen merdi
batte dad Jahr bislang nur dreihundert und fechözgig Tage ur
mußte der Gott der Zeit auf irgend eine Weife fünf dazu fchai
weil der Mond das Maaß der Zeitperioden des Jahres ift, jo n
diefem abgewonnen, um dem Eonnenjahre zugefügt zu werden. |
Helios Vater des Ofiris und des Aruerid zu nennen, war fein (
ver Aegyptifchen Mythologie vorhanden, und diefe Angabe muß
ald ein Zufag angefehen werden, son welchem wir nicht mit Bef
fagen Fünnen, ob er auf einer Erflärung verfuchenden Anſicht
(welche den Dfiris und Arueris zu Kindern der Sonne machen 3
meinte, weil die Sonne den Jahreöfeegen bewirken hilft, und X
Laufe ded Jahres vom Tode erwacht und ihm wieder verfällt),
in da8 Märchen gebracht ſey, weil man zur Erklärung der fünf }
einen Zorn des Helios dichtete, und um diefen zu begründen, bi:
welche die gebohren, denen dieſe Tage geweiht find, zu feine
machte, deßen Untreue feinen Zorn reiste und jenen Fluch vi
Don den Kindern nun, welche die untreue Gattin gebahr, auch if
und gerade die beiden erften zuzufchreiben, lag nahe und konn
ohne gerade einen anderweitigen Erklärungsverſuch einzumifche:
Seb und Nutpe (Kronos und Rhea). 191
men werden. Dem Seb gehören nach diefem Mährchen nur Typhon
Nephthys als Kinder, und die Iſis wird dem Hermes⸗-Thoth zuge-
k UrfprüngliH war Typhon als Gott einer diefer fünf Tage noch
hder böfe Gott; denn diefem würde man feinen folchen Tag geweiht
en, fo wenig ald man ihn zum Gatten der Nephthys, einer guten
Kin, würde gebichtet haben zu einer Zeit, wo alles Arge und Verderb⸗
bfir Tophonifch galt. Die Iſis zu einer Tochter des Thoth zu dichten,
leicht eine fehr geringfügige Spielerei feyn, um fie ald eine Göttin
Weisheit darzuftellen, aus welchem Grunde fie fogar ald eine Tochter
Hrometheus erfcheint. Plutarch (3), indem er die Spielerei mit dem
men ber Iſis vorbringt, daß diefer das Wißen, die Kenntniß beveute,
Iob er aus der Griechifchen Sprache flanıme, in welcher er allerdings
gedeutet werden fönnte, fagt, vie Wahrheit diefer Deutung werde aud)
ah bekräftigt, daß Viele die Iſis eine Tochter des Hermes, Diele fie
aohter des Prometheus *) nannten, von welchen viefer der Erfinder
heit und der Vorſicht, jener der Erfinder Des Schriftwefend und
Rif jey. Deßhalb benannten ſie auch in Hermopolis die erfte von
Fllen ſowohl Iſis als Gerechtigkeit, weil fie die Weisheit fey und
‘lihen Dinge diejenigen lehre, welche in Wahrheit und mit Recht
Rpboren und Sieraftolen genannt würden. (Die erfte ver Mufen und
hauch vie legte, denn auch die Aegypter hatten Feine Mufen, war,
fhon oben bemerkt ift, ficherlich Keine andere in Hermopolis, als
Ra, die Gerechtigkeit, welche auch Thoth gehörte.) So mag es gefome
feyn, daß Auslegungsfpielerei vie Iſis zu einer Tochter des Thoth
e; denn fchwerer zu glauben ift ed, daß man fie zur Tochter des
tes gemacht babe, weil man die Iſis zur Sothis, zum Hundsſtern
, und das Jahr, wie Sorapollo (1. 3) bemerkt, durch das Bild der
arftelte. Das Jahr hätte man allerdings für eine Tochter Thothö
n Eönnen, doch welche Anjicht auch jene Genealogie veranlagt haben
weder ift fie für alt anzuerkennen, noch ift fie nach ven wahren Ver⸗
jen der Xegyptifchen Mythologie erfonnen.
Benn wir bei Macrobius in den Saturnalien (1. 7) leſen, unter
yerrfchaft der Ptolemäer hätten die Aegypter nur dur) Zwang
igt, ven Saturnud und Surapid aufgenommen, und zwar nur außer-
brer Stadtmauern, fo Efönnen wir diefe Angabe nicht von dem mit
riechifchen Kronos für eind genommenen Seb verftehen; denn dieſer
in wirklicher Aegyptifcher Gott und Tempelgenoße. Die Hieroglyphen
ı ihn Vater der Götter, fo wie er in venfelben auch Water des
beißt, und Oſtris wird Sohn des Seb und der Nutpe genannt.
er aber auch der jüngfte ver Goͤtter genannt wird, und doch der
Dafür hatte er den Antiffeives zum Gewähromann, wie er (37) angiebt.
1923 Seb und Nutpe (Kronos und Rhea).
Vater der allgemein verehrten Gdtter war, mochte vie Griechen ( |
es mit dem Vergleichen ihrer Gottheiten mit fremden gar nicht
nahmen, fondern wenn aud) Großes entgegenfland, Kleines zur Err
ihres Zweckes gelten liegen) dahin führen, in ihm den Kronos zu
welchen Heflod in der Theogonie den jüngften ver Titanen nennt. |
leicht ift felbft ver allgemeine Ausdruck „Vater der Götter‘ nur vom
Göttern des Jahredfeegend zu verftehen, welche vie allgemein v
und in gewißen Betracht vorzugsweiſe die Götter waren. So wi
Nil Vater der Götter genannt, und es fcheint natürlich dieſe Vaten
auf die Götter des Jahresſeegens zu beſchränken. Dargeſtellt finde
den Seb auf dad einfachfte, bloß menschliche Geftalt ohne Kopfidg
mit einer bloßen Kappe (oder mit dem Pchent) und mit dem Ku!
fcepter und dem Zeichen des Lebens, over eben jo mit der Gand ai
Kopf, welche nichts weiter ald ein hieroglyphiſches Zeichen bei ihm iftzg
fein Name wird bieroglypbijch durch die Gans, welche das ſ oder bie j
fa bezeichnet, und durch ein Bein, welches b beveutet, gejchrieben. EJ
läßt fich nichtö Näheres gewinnen über die Anftcht, welche feinem Veit
Grunde gelegen. Die Hieroglyphe nennt ihn au Un, d. i. Oeffner |
ift das darauf folgende Wort noch unerklärt, der Hafe aber bege
das Oeffnen, und das Wort wird mit dem Hafen und dem Zeihei
Waßers, welches n beveutet, gefchrieben, und fo muß wohl Seb ver Ot
gemeint feyn, wenn in ven Thebifchen Königägräbern in der Darftd
des Laufd der Sonne, welche in die zwölf Stunden abgetheilt ift, |
mit einem Haſenkopf erfcheint, wie ſchon oben erwähnt worden ifl. $
aus Fonnen wir das Wefen Sebs nicht erfehen, man müßte denn annehn
e8 fey ein Gott, welcher ver Sonne den Weg bahne over öffne, wozu
die eben angeführte Handlung und ſchwerlich berechtigen dürfte. Dap
Sebs Jahre eine lange Zeit beveuten, dürfen wir nidyt überfeben, d
auf jeden Kal mefentlih if. In den Formeln nämlich, worin auf Ne
tifchen Denkmälern die Götter zu den Königen fprecdhen, kommt der !
druck vor: „ich gebe dir die Jahre Sebs.“ Da ſich bei den Aegy
in Sinficht auf die Zeit alled um den Hundsſtern, mit dem fie ihr
begonnen, und auf die Hundsſternperiode bezog, fo ift ed der Wahrid
lichkeit gemäß, daß die Jahre Sebs auf ven Hundsſtern zu beziehen fi
Sein Name fönnte den Weifen bedeuten, wäre er aber vorzugämei
genannt worden, fo würden wir von Sebs Weisheit irgend eine |
finden, aber auch nicht die allergeringfte ift zu entveden. Sab over
ift aber auch der Name des Schafald und des Wolfe, und wir bi
diefen eher ald den des Gotted annehmen und in ihm den Hundsſter
anerfennen. Bei Plutarch (44) lefen wir: Manchen bdäucht der Au
Kronos zu feyn, und weil er Alles aus ſich erzeugt und fehwanger !
ift, ven Namen bes Hundes zu haben (Eyein heißt nämlich im Griechi
Seb und Nutpe (Kronos und Rhea). 298
wanger und Eyon der Hund). Diejed würde auf Seb angewandt ben
auhis ihm gleichftellen, wenn e8 auf einer Meberlieferung ver Aegypti⸗
ben Mythologie beruhte; dieſes ift jedoch nicht der Val, fondern wir
Bben darin nur einen Erflärungsverfuch, welcher ven Kronos als Zeit
M der Ableitung der Griechifchen Benennung des Hundes verglich und
hait fpiefte. Doch einen andern ald den Hundäfterngott koͤnnen wir nicht
Yen Seh vermuthen; denn ein anderer kann nicht wohl der Vater ver
feyn, weil den Aegyptern vie Gottheiten, welche von Seb und
abſtammen, ſich auf den durch den Hundöftern vermittelft ver Nil-
mmung gebrachten Seegen beziehen, fo daß, wie fchon oben
worden ift, auch der Nil ein Vater der Götter heißt. Unter den
Sebs kommt freilich Typhon, welcher auch der Hundsſtern ift,
dech ſteht dieſes Verhältniß nicht im Mindeſten der Deutung Sebs
des hundsſternes entgegen; denn fo iſt auch der Hundsſtern Anubis
der Iſis, weil ſie zu Sothis gedichtet warb, und eigentlich iſt er
Rythus nicht ein Sohn des Oſtris, ſondern ein Sohn des Typhon.
kutpe trägt ein Waßergefäß auf dem Haupte, welches ein Namens-
#; denn es bedeutet das Waßer und ven Buchftaben n (die Ueber⸗
ng beißt nun, Nu heißt Waßer, tpe der Himmel). In den Grab-
ericheint fie dfterd, ftehend in Dem Syfomorusbaum, welcher
Fpmeiht und ein Lebensbaum war, und fie hält ein Gefäß, aus dem
Vaßer gießt, welches der Verftorbene und feine Freunde auffangen, fo
"die Seele ald Vogel mit Menfchenkopf. Auch bat fie einen Korb mit
Srüchten dieſes Lebensbaums und die Nilpferbgöttin Eommt in ihrer
ngluphe wor. Sie iſt alfo eine Leben gebende Göttin, welche Trank
Speife des Lebens den Seelen giebt, wie auch Hathor aus dem Per-
um, welcher die Brüchte des Lebens trägt, Waßer gießt, das von der
° aufgefangen wird. Waßer ift das Leben weckende und ohne den
väre Fein Leben in Aegypten, darum ift die Leben wedenve Göttin
Nilpferd= oder Krofodilgdttin, und tritt fo unter dem Sinnbild des
ıfferd auf, wann ſie die Geburt fördert oder das Gebohrene geveihen
Nutpe ift alfo eine Lebensgöttin, d. h. eine Form der Aegyp⸗
ı großen Mutter, welche Leben giebt und fordert. Sie heißt Gebä-
der Götter, Herrin des Himmels, Tochter der Sonne, welche beide
nungen nur verberrlichenn find; denn jene Göttin Fann Herrin des
ıeld heißen, wie jeder Gott Herr des Himmels, und Sohn over Toch⸗
er Sonne heißen, bezeichnet ven Föniglichen Glanz. Sie ift die
nde Amme, wie Iſis und Hathor, und erfcheint in ver Hieroglyphe
ind am Bufen nährend, und in einer Hieroglyphe erfcheint fie als
Beichügerin ver Geburt und Erziehung ver Kinder. Da fi die Nil-
geftalt auch in der Hieroglyphe der Iftd findet, da mo ſte mit Kuh
und Hathorkopfſchmuck erfcheint, das Kind am Bufen nährend, fo
13
198 Sebal.
Thebais wegen des Amun, gewiß Das Zeichen boͤchfler Goöttlichkeit war, und de
Ausdruck ter dem Widder zugeſchriebenen Zeugekraft. Auch Heißt er ind
Hiereglvphen, Kerr ver oberen Gegend, des Landes Ru, und in Thet
findet ſich ſein Wil wirterföpiig. Zu Ombos aber war fein Eult
Hauprcult, ter Tempel ®) war ter Länge nad in zwei Theile getheillp
bat auf vem Fries Ten Sat, ten Agatbodaämon (tie Sonnenkugel af
zwei Schwingen) zweimal auf ter naͤmlichen Linie, entfprechend ven beine
in ten Tempel fübrenten Thüren, und eins ter beiten Adyta des Te
pels, das rechte war dem Schaf, dad untere dem Arueris geweiht, al
die tortigen Gottbeiten waren Sebaf, Sutber, Kbunfu, Arueris, Ife
neitu (?. i. vie Schweſter des Guten). und Pnebto, dv. i. der Her
Melt. Alle dieſe bezieben jib auf ten Naturieegen und das Get
Tas Leben. In Römiſcher Zeit ward Sebaf ter jüngfle ver GM
genannt: auf welcher Trutung dieſes aber beruhen möge, ift nid
keftimmen, denn in einem Weſen liegt fein Anlaß dazu. Ob man
Kronos in ibm erklidt babe, welcher das jüngfte von ten Kindern
Simmel un? ver Erde in ver Griechiſchen Theogonie heißt, und ob
deßwegen ter jüngſte ter Götter genannt werten, mas durch Griechiſche
Ginfup bätte geibeben müßen, mag tabin gejtellt bleiben. AN
zeigen Münzen ven Arſinoe (Kroforilopolid) ven Kronos mit dem Kral
fovil in ter rechten Sand, und eben jo jiebt man ibn auf einer zu Alen
andria gejchlagenen Medaille Antonind. (Bei Glemend vem Alerandrinek
im fünften Buche ver Lunten Schriften wird das Krofopil ein Bild der
Zeit genannt.)
Don tem Krokodil leſen wir ald eine Angabe ver Aegypter bei
Aelian (10. 21), es trage feine Gier ſechzig Tage, lege ſechzig Eier, und
brüte fie in eben io vielen Tagen aus, auch babe es ſechzig Rückenwirbel
und eben io viele Sehnen. So vielmal auch lege es Gier und lebe fr
viele Jabre, babe sechzig Zähne, und verſtecke ſich jährlich fechzig Tage
in einen Schlupfrinfel, obne Nabrung zu nehmen. Jamblichus (5. 8)
beziebt dieſe Zahl auf vie Sonne, und da fie gerade zmei Monate auß
macht, io mug ein Verbalmig, weldes mit dem Hundsſtern und der |
Nilüberſchwemmung zufammenbängt, damit gemeint jeyn. Die Sculpturen
zeigen auch Krokodile mir Flügeln und Sperberfopf, alſo das Krofotil
ald König wie Sebak-ra, und ſchützend, da die Flügel Zeichen de
Schuged find.
— — — — —
— — —
*) Dieſer Tempel ward begonnen von Cpiphanes, fortgeſetzt durch Philomelor
und Euergetes II., und hat Basreliefs zum Theil aus der Jeit der Kleo⸗
patra und des Soter II.; doch war dieſer Tempel nur eine Grneuerung ib
alten Sebaf- Tempels aus der Zeit des Thuthmofis IH.
198
|
‘Der Aegyptiſche Ares zu Papremis und Ranpu.
Der von den Xegyptern zu Papremis verehrte Gott, welcher für
8 von ben Griechen angefehen warb, gehörte zu denen, deren Feſt
dt ein Iofaled war, fonvdern zu welchem auch die übrigen Aegypter
nen, wie Serobot (2. 59 und 63) und melvet. Außer mit Opfern,
w das Feſt dieſes Gottes mit einem höchft fonderbaren Brauche gefeiert,
w wann die Sonne fiy zum Untergange neigte, beſchäftigten fic einige
ige Priefter mit dem Götterbilvde, die Mehrzahl aber ftand am Eins
g ded Tempels mit hölzernen Keulen, Anvere aber, welche ihr Gelübde
brachten, über taufend Männer, fanden mit Prügeln in den Händen,
immen gedrängt auf der andern Seite. Das in einem vergolveten
aschen von Holz befindliche Bild nun brachten ſie am Abend vor dem
te fort in ein anderes heiliges Haus. Die menigen nun, welche bei
s Bilde geblieben waren, zogen einen vierrädrigen Wagen, worauf das
Bpelchen, mit dem Bilde darin, fland, die aber, welche fi) im Vor⸗
befanden, wollten fie nicht einlaßen, vie Gelübvevollbringer aber
Ken dem Gott und fchlugen auf jene los, und ed gab einen tüchtigen
keügellanıpf, wobei fie fich die Köpfe zerfchlugen, fo daß wohl mancher
sden Wunden ftarb; doch fagten die Aegypter, es fterbe Feiner daran.
[8 Legende über den Urfprung dieſes Gebrauchs, erzählten die dortigen
ate, in vdiefem Tempel habe die Mutter des Ares gewohnt, und als
felbe, der von der Mutter entfernt erzogen worden, zum Manne ber-
igewachſen, jey er gekommen und babe der Mutter beimohnen wollen.
ie Diener der Mutter nun, als welche ihn vorher noch nie gejehen,
itten ihn nicht Hineingehen Tafjen gewollt, fondern abgewehrt, da habe
Leute aus der Stadt geholt, die Diener hart gezüchtigt, und darauf
yer zu der Mutter hineingegangen. Zu dem Andenfen an dieſe Bege-
mbeit fey denn an dem Weite des Ares dieſe Prügelei eingeführt worden.
mE diefer Tempel zu Papremis eine Weißagung gehabt habe, giebt
erodot (2. 82) an, ohne jedoch etwas Näheres von derfelben zu berichten.
Aus diefer Erzählung erjehen wir, daß wir in dem fogenannten
re8 von PBapremis, einen Zeugungdgott anzunehmen haben, welcher wie
ıhrere Aegnptifche Zeugungsgötter ein Kamutef, d. i. Gemahl feiner
Rutter war, und daß die ihm verbundene Göttin eine Mu, d. i. Mutter
ar, nämlich die unter mehreren Kormen und Namen in Aegypten allge-
ein verehrte große Mutter der Natur, die Duelle alles Xebend und
Ned Seegend. Aber zu erfahren, welcher Zeugungdgott diefer Gemahl der
open Mutter gewefen, ift fehwer. Zu vieler Erforfchung fehlen uns alfe
ihere Nachrichten, bis auf eine einzige, welche jedoch entfcheidend ſeyn Dürfte.
erodot (2. 71) meldet nämlich, das Nilpfero jey heilig in dem Bezirk
apremis, fonft aber nicht. Heilig waren die Thiere nur in Beziehung auf
Der Aegyptifche Ares zu Papremis und Ranpu. OL
m bringt, welcher die Erde zu reichlicher Hervorbringung befruchtet.
rügelſcene aber iſt eine fo ſonderbare Sache, daß ſie für einen
en Brauch in einer feegensreichen Sache, wie die Vereinigung eines
Be, gleichviel welches, mit der Aegyptiſchen Mutter, die immer bie
Ben zum Grunde hatte, höchſt feltfam erfcheint. Man Fonnte den
Ben Seegendgott nur abhalten wollen, weil er der Mutter in irgend
Bergen mit ihr zu zeugen. Dan fann diefen Brauch, der in
en in feiner Urt einzig dafteht, nicht niit einiger Gewißheit erklären,
Ber doch vermuthen, daß mit feiner Ankunft etwas eintrat, was für
tter ald eine unangenehme Sache erfcheinen mußte, mag man nun
Hike, oder die Nilüberfchmemmung, welche die Mutter fo lange
Ben Wapern bevedt angelehen haben. Denkmäler von Papremis
it vorhanden und jo können wir von diefer Seite Feine Belehrung
Ben, und wißen Darum auch nicht, welchen Namen ver Gott daſelbſt
habe. Einen feiner Namen aber, ven er auch zu Papremis hätte
innen, ohne dag wir und erlauben dürfen zu fagen, er habe ihn
habt, Scheinen wir in dem Namen Anpu zu haben. Wir ent-
der bilvlichen Darftellung des Gottes, welchem das Nilpferd in der
Bapremis heilig war; aber Eleine Biguren mit dem Nilpferdskopf
ebranntem Thon finden ſich vor, und liefern wenigftens einen Beweis
Vorhandenſeyn eines in folcher Geftalt gebildeten Gottes.
Diefen Gott, mit dem hieroglyphiſchen Namen Rnpu fehen wir mit
Khängtem Köcher, Schild und Speer in ver Kinfen, in der Rechten
e Etreitaxt ſchwingend ftehen, die obere Krone, an welcher neben ein
wlienfopf hervorblict, auf dem Haupte (MWilkinfon Tafel 69, wo aud
folgenden Figuren abgebildet find), oder auf dem Throne figen, ven
ild mit der Linfen gefaßt, mit ver Nechten die Streitart ſchwingend,
obere Krone mit einem Band umgeben (neben Gazellenkopf), auf dem
ipte, und Lotus vor ihm, hinter ihm die Feder auf der Stange an
Zeichen des Lebens gebunden. Berner fehen wir eine im Brittifchen
feum befindliche Gruppe: der phallifche Khem fleht va, in der Mitte
eine Göttin auf dem Löwen (zumeilen auf zwei Krofopilen) ſtehend,
in der Rechten Lotus hält, in ver Linfen zwei Schlangen, und zur
en biefer Göttin fchreitet Anpu, den Speer in der Rechten, das
ben des Lebens in der Linken, das Haupt bloß mit einen Band
eben, neben dran ein Gazellenfopf, herein auf die Göttin zu, und in
bindung mit diefer Gruppe find fechtenne Perſonen. Diefer Rnpu,
ber nur in Gemälden, nidyt aber in Aegyptiſchen Tempeln kommt,
eint ganz deutlich ald ein Kriegögott, und zugleich als ein mit dem
ere zu der Göttin Eommenver Zeugegott; denn das daneben ſtehende
liſche Bild des Khem zeigt, daß hier von Zeugung bie Rebe ift, und
ber Lotus in ber Hand ber Getin bezeichnet ſie als Gebäheerin. In
beiten antern Bilvern bezeidinet ibn bie obere Krone als König von Di
ägnpten, und ter Lotus kann Dberagopten bereuten. Es ſcheint, daß di
Get ver nämlidhe ijer, welder als Ares von Papremis genannt ww
warum er aber ald ein Kriegsgon eridheint, läßt ſich nicht beflimmen,
ein ſolches Verbälinig nidyt in ver Natur eined Zeugungsgottes liegt.
Könnten wir kei Anpu ven ibm zugegebenen Kopf ver Ga
erklären, jo würten wir vielleicht dadurch in ver Auffagung dieſes Gem-
geförtert werten; tieled vermögen wir aber nicht. Wir finden ihren SER
auh am Vordertheile des Boots des Phthab⸗Sokari, wigen aber audigge
dieſem Berbältnige ibre Bereutung nicht, und ihr Aegyptiſcher Names
giebt und feinen Aufſchluß. Ja bei Horapollo (1. 49) lefen wir: um
Unreinheit tarzufiellen, malen tie Aegspter die Gazelle, weil fie, wowa
ter Mond zum Aufgange jcdhreite, lärme, und mit ven Vorverbeinen
Erde aufwühle und ihre Augen hineinſtecke, um den Mondaufgang
zu ſehen. Eben jo mache fie eö bei Aufgang ter Sonne, weßhalb
die alten Könige dieſes Tbier zur genauen Wahrnehmung des Aufge
wie eine Sonnenuhr gebraudyt hätten, und vie Prieſter opferten es al
ohne Unterjuchung feiner Reinbeit,; wo ed Waper finde, trübe es daſſeclit
mit feinem Munde und milde Schlamm darunter und werfe Staub
feinen Zügen hinein, damit fein anderes Thier davon trinken Eönne. °
dieſer mährchenbaften Beichreitung von dem Thun ver Gazelle läßt Ti
nicht begreifen, wie dieſelbe mit einer Gottheit in Verbindung kommen
fonnte, und doch ſehen wir fie bei zwei verichiedenen Göttern angewendet.
Dermögen wir audy nicht die Gazelle zu erklären, fo haben wir doch u
fennbar in Anpu einen Gott, wie ibn Herodot ald Ares in PBapremib.
beichrieben bat, und welder durch das Nilpferd, jo wie durch den alle
Jahre einmal wiederfehrenten Ritus feiner Ankunft aus der Fremde fd
paßend ald Hundsſterngott deuten läßt.
Uebrigens findet fih auch eine Kriegägdttin dargeſtellt (Wilfinfen
Tafel 70), auf dem Throne figend, Schild und Speer in der Rechten,
mit der Linfen die Streitart fchwingend, auf dem Haupt die Krone von
Oberägypten mit den beiven Federn zur Seite, und dem hieroglyphiſchen
Namen Ant over Anta. Diefe ift aber nicht Aegyptiſch, ſondern es if
die Afiatifche Anaitis, über deren Aufnahme in die Aegyptiſche Goͤtterdar⸗
flellungen wir nichts Näheres wißen; auch ift fie felten zu finden und —,
Wilkinſon fah fle in feinem der Tempel. |
KR ub.
Die Denkmäler bieten und einen Gott dar, weldyer ein ganz unbe
fanntes Thier zum Zeichen hat, mit deßen Kopf er dfterd erfcheint. Der
Kopf diejes Ihieres ift ſchmal, länglich und etwas gebogen und hat zwei
Nub. 203
arf abgeftumpfte Ohren, oder Hörner, wenn man ber Wahrfcheinlichkeit
tgegen, lieber diefe darin erblicken will, für welchen Fall ihm aber die
x fehlen würben, fo daß es dann ein noch feltfameres Thier feyn
je. Die Hieroglyphen nennen ihn Nub, d. i. Gold, und auf dem
pelisf von Luxor heißt er Sohn der Nutpe, fo wie ein Siegel im
jet des Herrn Käftner zu Rom ihn mit Oſiris, Iſis, Arueris, Nephthys
B den dritten Sohn der Nutpe zeigt. Tie hölzernen Cubitus, die zu
his gefunden worden, haben die Namen Seb und Nutye und dann
BB ihrer Kinder Oſiris, Iſis, Nub, Nephthys, Arverid. In den Sculps-
Ben zu Karnak fehen wir ihn den König im Bogenſchießen unterrichten,
mie berfelbe ebenfalls von den fperberföpfigen Gott unterrichtet wird
alfinfon Tafel 39) und fehen ihn zugleich mit dem fperberfüpfigen Gott
Rameſſes dem Großen die Krone von Obers und Unterägyten auf-
Ba (Wilkinfon Tafel 78), wobei er gleich dem fperberföpfigen Gott ven
Mnzweig mit Froſch und Siegel in der Hand hält. Auf ver folgenven
(79) fehen wir ein Bild des fogenannten Memnoniums, wo der
durch feinen Namen und fein Thier bezeichnet ift, fonft aber nur
U vn beiden Armen auf einem Stab angedeutet if, dem König, ber
I mumienhafter Hülle dafteht, mit ver Krone von Unterägypten auf dem
heryt ven Panegyrienzweig in den Händen, und die Glode, over was es
wii, im Naden aus der Umhüllung hervorhängen hat, das Zeichen
5 Leben? zum Munde reichen.
Aber nicht bloß mit dem Kopfe des ung unbekannten Thieres fehen
ir ihn, fondern er findet fich auch mit dem Sperberfopfe, neben welchem
r jenes Thiers hervorragt, woraus man erfieht, wie fehr jener als feine
genthümliche Bezeichnung galt. So ift er abgebildet bei Wilkinfon
tafel 38), und darüber ift in länglichem Kreife, wie der Königsſchild
8 Namens geftaltet, ebenfalls feine Verbindung mit den ſchon oben
nannten Göttern angegeben; denn da figt er abgebildet zwijchen Neph⸗
8 und Iſis einerfeits, und Horus und Oſtris andrerfeits. Es kann
irnach gar Fein Zweifel feyn, dag Nub oder Nubi, der Sohn Nutpe's,
7 zu ihren fünf Kindern gehört, verfelbe Gott fey, welcher unter ver
on den Griechen Typhon benannten Borm zu einem böfen Wefen umge—⸗
det ward. Er war der feegendreiche Gott des Hundsſterns, der Leben
rahte und der Golone hieß, der in den Gartouchen des Oſtris und anderer
haraonen anftatt des Oſiris eingeführt ward, und in Oberägypten als
hr hoher Gott erfcheint, fo wie er auch in den hieroglypifchen Legenven
wöhnlich Herr der oberen Gegend heißt, doch auch von den Zeichen
nterägyptens begleitet ift, und in den Panegyrien bei den Zeichen
felben, als Scylangen, nördlichen Waßerpflanzen und dem Genius von
iterägypten erfcheint. Als man Typhons Bilder zerftörte, ließ man die
8 Nub beftehen, woraus erhellt, daß man ihn unter diefem Namen für
2304 Typbon.
eine befonbere Form und ein anderes Weſen nahm, was er aber nicht‘
Das Thier, welches ver Naturgefchichte unbekannt if, können wir
errathen. Sollte ed eine Giraffe feyn, fo war biefe den Aegyptern u
unbekannt, es Hat fich jelbit eine Biraffenmumie gefunden und fie
fi) abgebildet, aber nicht mit dieſen abgeftugten Ohren. *) Wollte
annehmen, es fey der fabelhafte Greif, fo findet ſich auch viefer abgeb
aber ebenfall8 nicht mit ſolchen Ohren. Der Greif aber bezeichnete
Typhon unter dem Namen bar, welcher Aegyptiſch für Bal fteht;
er ift nicht Aegyptiſch, ſondern Aftatiich und beißt Herr. Wie die A
ter dazu Famen, dem Typhon den Titel Herr aus Aften zu entlehnen,
ein fremdes, gar nicht exiſtirendes Gefchöpf ver Einbildungskraft
Zeichen des Gotted unter diefem Namen zu machen, Fünnen wir mit!
vorhandenen Hülfsmitteln nicht ergründen.
Typhon.
Mit dem Namen Thphon benannten die Griechen den Aegypti
Gott, welcher ald das böje Wefen angefehen ward, dem man bie
flörung des Lebens der Natur zufchrieb, indem fle venfelben mit i
Typhon, der Perfonification ded ververbliden Sturmd und wilder N
ausbruͤche verglichen. **) Diefer Gott war der Gott des Hundsſt
welcher Aegypten den Seegen der Nilüberfchwenmung bringt, ohne werd
das Land nicht beftehen ann, und in fo fern war er ein ſeegensreich
hochverehrter Gott, und blieb dies auch unter einigen feiner Namen Ü
*) Für die Giraffe würde fprechen, daB die abgeſtutzten Ohren oder Hör
allerdings Aehnlichfeit mit den Hörnern berfelben haben, und daß m
annehmen Fönnte, die Abbildung fey nach einer Form gefchehen, die m
angenommen habe, als man das Thier noch wenig gefannt. Man fin
die Giraffe mit dem Schafal in den Sculpturen von Hermonthis den Kä
anbetend, alfo die Bewegung der Sonne am Himmel, die Zeit, und d
zeigt auf den Hundsſtern; denn der Schafal ift Sinnbild des Hundsſter
und da die Giraffe eine Hieroglyphe des Typhon ift, fo ſehen wir hier I
Hundsftern die Zeit anbetend, Wie der Phönix, das Sinnbild der Hun
ſternperiode, dieſe felbft anbetend dargeftellt wird. Könnte man ſich aufe
richtige Ueberlieferung bei Plinius verlaßen, fu würde man das Thier !
Nub für die Giraffe Halten wollen als Namenhieroglyphe des Nub; de
diefer fagt (8. 18), die Aethivpen nennten die Giraffe Nabis oder Nabus
‚rt) Plutarch (29) bemerkt, in den Phrygifchen Schriften gelte Typhon für ei
Sohn des Iſiſchen Herafles, und die Pythagoräifche Zahlenlehre Tieß i
in der geraden Zahl ſechs und fünfzig gebohren werden, fo wie ihm I
Sehsundfünfzige gehörte, womit Plutarch die dämoniſche Kraft angeer
glaubt. Daß ihm unter den Sternen der Bär gehöre, meldet ebenfe
Plutarch (21), doch dies Alles ift Deutung und Kombination einer fpä
Zeit, die mit Negyptifchen Glauben und Eult nichts gemein Hat.
Typhon. 205
In einigen Formen. Doch in der Ausbildung des Iſts⸗Oſiris Dienftes,
je welchem die Trauer über vie alle Jahre abſterbende Natur in ver
gyptiſchen Mythologie Eingang fand, ward der Hundäftern dazu beftinmt,
Ber Thter der Natur zu feyn, durch trodene, unfruditbare Hitze, und
yon ward Typhon als ein Gott der ungefunden, böfen Hiße, welche in
Jegypten einen Theil des Jahres herricht, angefehen, und wurde zu einem
Ihe Veſen, deßen Andenken auf Denfmälern man verfolgte und aud-
Biete, da er als der Feind und Tödter des Oſiris galt. Bei Reuvens
1.5. 39) iſt eine Anrufung an ihn, als den „welcher zerftört
ph veröbet,” und er bat den Beinamen „ver welcher in Bewegung feßt
we unüberwinvlich if.” Der Aegyptiſche Name ober wenigftend einer
er Sauptnamen lautete Seth, wie Plutarh (41) angiebt, weldher
MM als leberwältigenden bezeichnet haben fol; allein es ift nicht zu zwei—⸗
Fir, daß verfelbe mit dem Namen des Hundsſterns Sothis, wie bie
e Form lautet, zufammengehört. (set heißt glänzen und heißt
‚ euer, und daß der Hundsſtern der Glänzende oder der Feurige
yeerıt worden, iſt ganz natürlich. *) Nah Manethos bemerkt Plutarch
(49), Tuphon habe auch Bebon geheißen, welchen jedoch Andere für
inen Öefährten deſſelben audgegeben hätten, und biefer Name bebveute
aberniß. (Der Leöbier Hellanicus bey Athenäus (S. 680) nennt ihn
abys, indem er erzählt, die Götter in Aegypten hätten ihre Kränze
m Saupte genommen, als fie ven Babys, welcher Typhon jey, die
srfchaft führen gefehen.) Dan fleht bier, wie bei dem vorigen Nanıen,
j man ſich bemühte, in Typhons Namen ſchlimme Beveutungen zu finden,
doch erft ven Namen hätten eigen ſeyn können, welche man ihm gab,
ch der merfwürbigen, mit ihm vorgegangenen Umwandlung, aus einem
ten in einen böfen Gott, doch ift dieſes Beftreben nicht annehmbar, und
m muß auf feiner Hut feyn, vergleihen Angaben zu trauen, wo fie
y nicht durch ungezwungene Beweiſe, als richtig ergeben. Statt einer
limmen Bedeutung, fcheint im Gegentheil feinem Namen Bebon, eine
*) Daß der Name Seth einft dem verehrten Gotte angehörte, geht fchon daraus
hervor, daß einer der Könige Sethos genannt ward, und die Verehrung
diefes Gottes gab der weftlich von Pelufium gelegenen Stadt, welche die
Griechen Klein-Herafleopolis nannten, den Namen Sethro, d. i. Thor des
Seth. Ward Seth noch daſelbſt verehrt zur Zeit, als die Griechen den
Ort Herafleopolis nannten, fo würde wahrfcheinlich diefer von ihnen ale
Herakles aufgefaßt worden ſeyn; denn es läßt fich nicht wohl anders annehmen,
als daß fie die Stadt nad dem dafelbft verehrten Hauptgotte benannten.
Was fie aber veranlaßen Fonnte, in diefem Zalle ven Seth für Herafles zu
halten, oder warum etwa bie Aegypter ihnen benfelben dafür ausgegeben,
ift nicht zu errathen. Um fo räthjelhafter ift diefes, weil fich die Darftellung
bes Seth als der des Chon (Khunſu) ähnlich nicht Teicht vorausfegen läßt,
und ſchon angenommen war, Chon fey Herafles.
2306 Typhon.
gute eigen zu ſeyn, nämlich die ver Nilüberſchwemmung, denn baka
tif bebe, bebi, bebu) heißt fließen, ergiegen, ausgießen. Einen 4
Namen Smy nennt und Plutarh (62) ebenfalls, und fagt, viefal
die heftige Einhaltung, Gegenftrebung beveutet haben. Ob dieſe DA
mehr Glauben verviene, ald die beiden andern, kann man füglid 6
feln, doch läßt er ſich nicht mit Wahrfcheinlichkeit deuten.
Diefer ſchlimme Gott nun war röthlih, wie und Plutarch
meldet, und dieſe Farbe mußten, fagt ebenverfelbe (31), vie Ü
haben, welche geopfert werben durften, (womit Diodor, 1. 88 ül
fimmt), fo daß fein ſchwarzes und Fein weißes Haar an ihm geil
werden durfte. Der rund davon war, wie oben in der Mytholog
Apis Thon bemerkt worden ift, daß Stiere, welche dem Apis g
für Heilig galten, und darum nicht geopfert werben durften, wogeg
rothen Stiere ald Typhoniſch angelehen wurden, und mithin nicht &
werden mußten. Der röthliche Ejel aber gehörte dem Typhon xu
was daraus zu erfehen ift, daß derfelbe, wie Plutardy (30) erzählt
handelt wurde, weil er rot wie Typhon ift; denn Typhon wazel
mit Opfern gefühnt, daß er mild werde, aber an gemwißen Feſten
er berabgewürdigt und verhöhnt, und an diefen wurden auch die
baarigen Menfchen ald ITyphonifche mißhandelt, und der Eſel ward
ed zu Koptos zu gefchehen pflegte, von einer Anhöhe herabgeftürzl
zu Bufirid und zu Lykopolis gebrauchte man fogar durchaus Feine 4
pete, weil ihr Klang mit der Stimme des Eſels Aehnlichkeit hat,
zu diefen beiden Städten fügt Uelian (10. 28) noch Abydos, we
beſonders angeiehenes Grab des Oſiris mar, hinzu. In den Dlonaten 9
und Phaophi bildete man auf den Opferkuchen einen gebundenen Ejel,
bei dem Opfer ver Sonne wurden die Verehrer ermahnt, Fein Golv !
fi zu tragen und Feinem Efel Futter zu geben Diefen Haß gegen den
zu erflären, fagten Manche, Typhon fly aus den Treffen mit Horu
einem Gfel entronnen und fieben Tage lang geflohen, nach welcher {
er, wie fpäte Sabelei hinzufügte, die Söhne SHierofolymus und J
erzeugt babe. Letzteres Fam ficherlidh von Judenfeinden ber, melche
Volk vom böfen Typhon aus Aegypten herleiten wollten. Die Dent
zeigen einen efelföpfigen Gott, jedoch felten. Wilfinfon fah ihn zu
dem alten Tuphium in der Thebaid, ohnmeit Hermonthis, doch
Mumien haben fi nicht gefunden. Aber Epiphanius fagt in der €
gegen vie Kegereien (1093), man begehe dem Efel auf den Name
Serh, des Typhon, Weihen, fo daß aljo Nachricht gewefen fegn
*) Es ſcheint faR, daß bei dem Golde an ven Nub, den Goldnen, gedacht w
und daß man diefen, welcher freilich der nämliche Gott, wie Typhon
bei tiefem Opfer als ten Typhonifchen Gott betrachtet habe. Dod
fih fein Beweis liefern, daß es mehr als ein Schein fey.
Typhon. 207
r einem Cult, in welchem der Efel in Ehren geblieben war. Daraus,
ij der Glel fo fehr verhaßt war, geht hervor, daß er ein Hauptſinn⸗
ild des Typhon geweſen ſeyn muß, gleich dem Krokodil und dem Nils
Iferd, welche ebenfalls herabgewürbigt wurden, und nur durch die Einzel⸗
WBerehrung befonderer Formen dieſes Gottes an einigen wenigen Orten
M Anſehn blieben. Die röthliche Farbe des Eſels kam bei ver Verach⸗
Hang dieſes Thieres wohl zu Statten, doch darf man ed nicht als gewiß
Beate, daß vaflelbe ihm wegen feiner röthlichen Barbe geweiht morden
. Inar hätte dieſe Farbe hinreichen Fonnen, un es dem Typhon zuzu⸗
Men, aber wie dem Ammon ver zeugende Widder, dem Mendes oder
m der zeugende Bock zugetheilt ward, um fie ald Zeugungsgätter zu
ihnen, fo konnte dem zeugenden Typhon der Efel in gleichem Sinne
| heil werden, da er fi) ganz dazu eignet, und von den Aegyptern
P eugungsthier angefehen ward, die auch ven Phallus zum Bilde
ad Namens im machten, und den Stier ka ald zeugenven auch ka- iu
Oben ift von zwei Säulen in Memphid die Rede gewefen, deren
en Sommer vorftellte, wie Herodot ſich erzählen ließ, die andere
WR Binter, welche von den Aegyptern verwünfcht ward. Man fünnte
an af die Vermuthung kommen, Typhon fey der böfe Gott des Win-
’, da wir in der Aegyptiſchen Mythologie nur von einem böfen Gotte
Prem. Diefe Vermuthung aber ift nicht zuläßig, denn die rothe Farbe
M bey Typhon hinlänglich bezeugt, und viefe kann in der Naturreligion
Mur auf Hige und Brand, durchaus nicht auf den Winter gehen. Sprädhe
ber auch nicht Alles, was den Typhon angeht, fo wie fein Name Set
fh gegen ven Winter: fo muß man jene Angabe von der Winterfäule
zu Memphis, als auf einer falfchen Erklärung beruhend, anfehen, weil
Aegppten feinen Winter hat, da der Jahreeiten in diefem Lande nur
drei find, die der Nilüberfchwemmung, zweitens die des Wachsthums und
ber Erndte, und drittens die ver ungefunvden Kite, welche allein dem
Typhon zugeeignet worden feyn kann, al8 er zu einem böfen Gott umge=
vondelt ward. Plutarch (33) fagt in diefer Hinftcht: die weiferen Priefter
alten den Oſiris für das Veuchtigfeitsprincip, als Princip der Zeugung,
nd den Typhon für das Trockene, Feurige, weßhalb er rotbgelb, gelblich,
nd weßhalb dieſe Farbe zumiver ift; denn fle reden nicht gerne Leute
on diefer Barbe an, und geben nicht mit ihnen um. Da wo nun Typhon
iht mehr in einzelnen Culten verehrt ward, ftelte man ihn als das
fe Wefen dar, welches von Horus befämpft wird. In Hermonthis, fagt
lutarch (50), war ein Bild des Typhon, ein Nilyferd, auf welchem
n gegen eine Schlange Fämpfenvder Sperber fteht, (welcher den Horus
zeichnet), und in ein Krofopil fol ſich Typhon verwandelt haben, und
dem Horus entgangen ſeyn. Wann am ftebenten des Monats Typhi
opfert wird, welches Tag die Ankunft der Iſis aus Phönicien heißt,
208 Typhon.
wird ein gefeßeltes Nilpferd auf dem Opferkuchen dargeſtellt. Alles Schlim
und Arge in der Thier- und Pflanzenwelt, und was gethan wird w
fich begiebt, gilt für Typhoniſch. Daß dieſe Anfiht in Beziehung «
das Krokodil und das Nilpferd unrichtig jey, geht aus dem, was obaml
über dieſe Thiere bemerkt worden ift, zur Genüge hervor.
Zu Koptos, meldet Plutarh (53), fol ein Bild des Horus fe
welches in der einen Hand das Zeugeglied des Typhon Halt. DI
Gebärve bezeichnet, wie Horapollo (2. 7) angiebt, Enthaltfamfeit; ef
hemmt Horus, der Befleger des Typhon, die Zeugefraft vefjelben, ı
nicht3 anderes bezeichnen fann, ald daß Typhon's Wirken, die Erzeugm
des Boͤſen, durch Horus überwältigt und gehenmt if. Plutarch fi
hinzu, man fage, daß Hermes die Sehnen des Typhon genommen f
und fie ald Saiten gebraudye. Diefe Sage kann nicht ächt Aegyptiſch fe
weil Thoth Feine Leyer befitt und nichts damit zu fchaffen Hat, ob f
aber überhaupt einen genügenden Sinn babe, iſt nidt mit Gewigheig
fagen; denn fie Fünnte eine feichte Uebertragung der Griechiſchen My
feyn, nach welcher Typhon dem überwundenen Zeus die Sehnen and
fihneivet, die dann von Hermes entwendet und dem Zeus wieder eingefel;
werden. Denn wollte man annehmen, der Sinn jener Babel folle je
dag Typhon durch Thoth, den Gott des Hundsſterns, welcher die M
überſchwemmung bringt, feiner böfen Kraft beraubt werde, fo iſt erſtlich
jene Babel fpät, und wenn nicht geradezu von Griechen erfunden, voii
mit Rückſicht auf fie, und zweitens galt Thoth nur als Zeitgott, und be
Hundsftern hatte in dieſer Form ſchon in alter Zeit nicht die Nilüber
ſchwemmung zur Aufgabe. Lieft man bei Apollonius dem Rhodier (2. 1215),
Typhon Liege in dem Serbonifchen See verfenft, fo ift dad nur von bem
Griechiſchen Typhon zu verftehen und geht ven wahren Aegyptiſchen nid
an. Nigivius bei dem Scholiaften des Germanicus (S. 120) fagt, Typhen
fey von Apollo (d. i. Horus) mit dem Blitz erichlagen worben (da es in
der Uegyptifhen Mythologie Feine Blitze und Feine bligenden Gottheiten
giebt, jo ift Died fremde Erfindung) in dem Tempel zu Memphis, wo bie
Könige zum Thron gelangten, und vorher erzählt er, die Götter hätten
nach achtzehn Tagen ven Beſchluß über ven Typhon gefaßt, daß er getoͤdtet
werben folle, und noch heutige Tages würden diefe achtzehn Tage jährlid
gefeiert, und wer an dieſen Tagen gebohren werde, bleibe nicht am Leben
Typhon's Weib war Nephthys (Nebthi), d. i. die Herrin De
Hauſes, und in der Gefchichte der Aufeinanverfolge der Könige hieß es,
wie Plutarch (38) angiebt, fle fey anfangs unfruchtbar gewefen. Diele
gebiert ven Anubis, Doch die Sage gab an, aber wohl erft, als Typhon
zum böfen Gott und Verfolger feines Bruders Oſiris gevichtet worden
war, Oſiris habe venfelben mit feiner Schweſter Nephthys erzeugt, und
zwar ſey es aus Irrthum gefchehen, wie wir bei Plutarch (14) leſen,
ma, Inden er gemeint habe, vie Iſis zu umarmen. Nephthys nun Habe va?
Typhon. 200
bchen aus Furcht vor Typhon ausgeſetzt, Typhon aber habe, meldet
tarch (38), aus dem von Oſiris zurückgelaßenen Kranz von Melilotus
Ehebruch erkannt. Dieſe Erzaͤhlung von dem Ehebruch der Nephthys
wit Ofiris iſt in nichts begründet, als in der Vermittelung der Angaben
einerjeitö, Anubis fey ein Sohn des Ofiris, und andererſeits, er fey ein
Sohn der Nephthys. Don dieſer Göttin, weldye die Gattin ihres Bruders
Kyphon gewefen ſeyn fol, wie Iſis die ihres Bruders Dfiris, welche vier
Beitheiten Geſchwiſter waren, wißen wir nichts Ausfuhrlicyes. Ihr Name
net fie als die Herrin des Hauſes, und fie trägt denfelben hiero-
Beil dargeftellt auf dem Kopf, nämlid einen Korb, weldyer Herr,
Jerrin beveutet, auf dem Bilde eines Kaufed, wie man ed angenonmen
hatte. Sie ericheint dfterd mit ihrer Schweſter Iſis zujanımen. In
Zodtengegenftänven ſieht man die Iſis zu Häupten des Todten, die Nephthys
gs Süßen deſſelben ftehen, und im Amenti ift fie mit Ofirid und Iſis
wfommen. In ven Gräbern finvet man öfters auf blauem gebranntem
Zn Ifis, Nephthys und den Horus ald Kind. Audy fteht fie ihrer
Eieiter in ven Todtenbräuchen des Oſiris bei und heißt auch Nephthys,
wie ittende Schweiter, Göttin Anufe. Betrachtet man dieſes und bedenkt,
def son der Schweſter in der Aegyptiſchen Mythologie nur bei Ofiris
‚ Ve Rebe ift und day fie nur in Beziehung auf ihn hülfreih und rettend
fen kann, wie wir auch den Oſiris von der Iſis mit ihren Fittigen
‚seihüßt vargeftellt fehen, währenn bei den andern Gottheiten nichts Aehn⸗
liches vorkommt, betrachtet man, wie gejagt, diefen Umftand, dann wird
nan geneigt feyn, Nephthys für eine Form der Iſis zu halten, und in
Betreff des Anubis wird man in diefer Annahme dadurch beſtärkt, daß
dieſer auch ein Sohn der Iſis genannt wird auf einem Mumienkaſten des
Kern Salt. Berner dadurch, daß der Hunpsftern, Sothid, der Iſis
wehörte, und daß auch, wie Wilkinfon gefehen hat, Nephthys mit demfelben
. serbunden vorkommt, wenn gleich felten. Auch dad dient zur Beftärfung
wieſer Anficht, daß ver auf dem Siftrum befinpliche Kopf bald ver ver Iſis,
bald der der Nephthys war, daß alfo Beide in Beziehung auf viefes dem
Möcult zugehörende Werkzeug für gleich galten. Erjcheint auf ven Munien-
Taften Iſis gewöhnlidd am Haupte des Todten und Nephthys an den
Süßen, fo ift auch dieſes Fein entfcheidenver Trennungdgrund für ung;
denn man flebt auch an andern Mumienfaften die Iſis zu den Füßen des
Iodten mit der Infchrift: ich umarme deine Füße. Die Miyfterien
Aegyptens, wovon die Griechen ung melden, find immer Ift8- Miyfterien,
and doch ſpricht Epiphanius (S. 1093) davon, dag Manche in die
Myſterien der Nephthys eingeweiht würden, was und fehr auffallen müßte
ohne die Annahme, dag Iſis eigentlich Nephthys jelber fey. Bei Julius
Birmicus (im Anfange feiner Schrift über den Irrthum u. f. w.) beißt
8 fogar: Iſis ift die Schmwefter, Oſiris der Bruder, Typhon der Gatte.
UI. J 14
310 Typhoon.
Als dieſer entdeckt Hatte, dag feine Battin Iſis durch die unreine Teva]
Schaft des Oſiris verführt worden, töptete er den Oſtris und zerftüdte
glienmeife. Hätte es feft geftanven, daß Nephthys eine ganz andere G
als Iſis und daß ihr Gatte Typhon geweien, jo wäre es wahrlid fd
zu bemeifen, wie die Sage, welche Julius Firmicus berichtet, &
entfiehen Ffünnen. Wollte man annehmen, er over ein Anderer babe
is aus Irrthum flatt der Nephthys genannt, fo ſteht dem entgegen,
Oſiris der Bruder heißt; denn wenn dieſer Bruder der Nephthys ger
worden wäre, jo würde auf die vollftändige Angabe von den Göttern
fünf Zufagtage NRüdfidyt genommen jeyn, und da hätte auh Taf
der Schwefter gar nicht vorangeftellt, und wenn von Schwefter und 2
in der Aegyptiſchen Mythologie in hervorhebender Weile die Rebe:
werden Iſis und Oſtiris ſtets darunter verſtanden. Auch fagt Sl
Firmicus, Ifi8 habe fih ihre Schmefter Nephthns und den Spürer Anl
zugefellt, waS zur Genüge beweilt, daß er in den obigen Worten nicht W
Iſis und Nephthys aus einem Verſehen vermechlelt habe. In ver Graih
feene des Nefruntep, eines Ammon = Priefterd, zu Theben, ftehen vie Bilvexi
der Iſis und Nephthys hinter dem Altare, auf welchem der Priefter Weiht
rauch brennt, fo daß fie zufanımen verehrt wurden. Die Denkmäler gebe
was nicht vom geringften Gewicht ift, die Iſis mit dem hieroglyphiſchesJ.
Zeichen der Nephthys auf dem Haupte, welches, da es nur ven Nameni
Nephthys bezeichnet, ſie demnach alſo benennt. Bei Wilkinfon finvet ſich
eine folche Darftellung (Tafel 34). Daß Iſts und Nephthys zuſammen
vorfommen, Eünnte glauben machen, fte müßten jede eine beſondere Odttin
ſeyn; aber in der Aegyptiſchen Diythologie darf man eine ſolche Anſicht
nicht zu einem Beweife gebrauchen wollen, weil vie Aegypter eine und
diefelbe Gottheit in ihren verfchievenen Eigenfchaften neben einanver za
fielen nicht vermieden, mwodurdy denn, wenn die Namen der verſchiedenen
Eigenfchaften ohne den Hauptnamen genannt wurben, alsbald eine befonvere
Form erfcheint, welche mehr oder weniger, je nach dem Maaße ver Eigen
ſchaft, eine eigenthümfiche göttlihe Perfönlichfeit wird, bi8 zu dem Grabe,
daß am Ende vergeßen wird, von welcher Wurzel aus folh ein Neben
zweig fich gebilnet habe. Wie alt die Dichtung fey, von welcher oben bie
Rede war, wißen wir nicht, doch in dieſer, welche die Kinerleiheit ver
Iſis und Nephthys deutlich vurchleuchten laßt, fehen wir eine Trennung
angenommen, fünnen aber kaum bezweifeln, daß Typhon Gatte der großen
Mutter gewefen, wie er es als Sebaf und ald Nilpferdgott zu Papremis
und ald Renpu geblieben ift, fo daß Anubis eigentlich als Sohn ber
großen Mutter galt, erzeugt von Typhon, bis Oſiris den wohlthätigen
Bott zum Sohne befam, weil man von dem böfen Typhon nichts Gute
und Wohlthätiges herleiten konnte und wollte.
Anubis. 211
In den Deutungen, welche und überliefert find, wird Iſis (bei Plus
eh) 44) für das, mad oberhalb der Erde ift, für die obere Region augs
Jezgeben, Nephthys aber für das, was unier der Erde und unfichtbar
für die untere Region, und Anubis ſoll ver beide berührende und
Mennende Horizont feyn, darum zu einem Hunde gemacht, weil der Hund
ah gut bei Tag und Nacht fieht. Man deutete Nephthys auch ala dag
wa, wie Plutarch (12) angiebt, und wie er (38) fagt, ald die äußerſten
wm Meer gränzgenvden Theile Aegyptens, weßhalb fie, va Typhon als
M Reer geveutet wurde und Oſiris als der Nil, die Gattin des Typhon
We, mit welcher Oſiris durch die Nilüberſchwemmung zeuge, mas durch
Eprofen der Gewächſe, worunter der Melilotus fey, fichtbar were.
Aphrodite follte fie feyn, und felbft als Nike, als Siegesgättin, ward
F gedeutet, wie Plutarch (12) angiebt. Warum fie ald Enve geveutet
9, laͤßt ich nicht mit Gewißheit fagen, doch wird fie auch als die am
Wen der fünf Zufastage Gebohrene angegeben. Sollte vielleicht die
Üktin des Werften, wo der Amenti ift, und wo die Sonne untergebt,
meint jeyn, und follte der Amenti dad Haus feyn, die Wohnung, wo
"die Herrin ift, d. h. folltd fie die Ifis in der Beziehung zum Amenti
eezöweile darftellen? Daß fie ald Nife geveutet ward, kommt wahre
heinlih von der Auffaffung einer Neußerlichfeit ber. Wo der Grieche
se geflügelte Göttin ſah, Tag an am nächiten an die Nife zu denken,
iche bei ihnen die geflügelte Göttin war. In der Aegyptiſchen Mytho⸗
je aber bedeuten vie Flügel Beſchützung, es ſind die Schwingen des
eiers, welcher dad Sinnbild der ſchützenden Mutter iſt, und fo ſehen
r die Iſis, wann, fie den Oſiris ſchirmt, geflügelt, und die Fittige zu
nem Schu um ihn breitend. So erfcheint auf Ma, vie Gerechtigkeit
# den ſchützenden Slügeln verfehen und der gute Geniud, der ſchirmen⸗
n Hat. Nun wird auch Nephthys, wie oben ſchon bemerkt worden ift,
e hülfreiche, die ſchützende Schwefter genannt, natürlid die den Oſiris
jükende, und mo ſie als folche dargeſtellt wurde, konnte ed kaum auf
re andere Weile, ald durch Blügel geſchehen; denn eine andere Art
nnen wir wenigftend in ver Uegyptifchen Darftellung nicht.
Anubis.
Anubis, Aegyptiſch Anpu, Anupu genannt, ift eine Perjoni-
ation des Hundsſterns, und wird immer fchafalföpfig oder durch den
heazzen Schafal felbft vargeftelt. Warum die Aegypter ven Hundöftern
sch den Schafal und nicht durch den Hund darftellten, wißen wir nicht;
xh die Griechen nahmen diefen Schafal für einen Hund, weil fie wohl
m biefem in der Mythologie wußten, aber nichts von dem ihnen jehr
enig bekannten Schafal, und die Aegypter, denen ed ganz recht war,
enn die Griechen das Ihrige in Aegypten wieder zu finden glaubten und
14 *.
219 Anubie.
annahmen, ihre Vorfahren hätten es aus dieſem Lande entlehnt, Tief
fie in diefer Hinficht unbelehrtt. Für einen, welcher ven Schafal nu
genau Fennt, wird Anubid immer hundskdpfig erfcheinen; denn ver *
ſchied zwiſchen den Köpfen beider iſt nicht groß. Wurde wirklich Anuf
in Kynopolis, der Hundsſtadt, wie Strabo (812), Stephanus der Baus
tiner fagt und Münzen es zeigen, verehrt, wo ver Hund ein heiliges T
war, über welches Griechen und Römer (denn auch die Römer nanınt
den Anubi8 einen Hundskopf) fih nicht täufchen Eonnten, fo mußte
vollends von der Unterſuchung, ob der vermeinte Hundskopf auch wit
einer fey, abhalten. Diele Form der Hundsſterngottheit ift in ber
Dftrisfage der Iſis ſowohl, als dem Oftris im Amenti gefellt, und bes i
Wichtigkeit des Hundsſterns für die Hervorbringung ver Genigf ® !
Aegypten, für melde er die Nilüberfchwemmung bringt, iſt es eine
fo einfache als natürlihde Dichtung. Er bilft der Iſis den verler
umgefommenen Oſtris fuchen, denn mit Hülfe des Hundäfterns fint
den wieder, der mit ihr den Seegen für Aegypten zeugt, wann bie ı
bene Zeugefraft durch die Nilüberſchwemmung erftarkt if. Im As!
aber ift er als ein Diener mit dem Wägen ver Seele beichäftigt,
man fteht ihn auch bei der Mumie ſtehend vargeftellt, über deren Hac
noch die Seele ſchwebt; denn wie er Seelenwäger ift, fo ift er auch MU
Seelenführer zu betrachten. Bei Montfaucon (2. Tafel 128) ift Ans
auf ein Krofopil trettend abgebilvet. Apuleius (11) fpriht von An:
mit ſchwarzem Geficht, wie wir ihn abgebilvet fehen, aber auch von dene
felben mit dem goldnen Geſicht, ven Heroldſtab und ven Palmzweig tragenk-
Da man in fpäterer Zeit diejen Diener gleih dem Thoth mit Herma
verglich und Hermanubid nannte, fo mag der Fall vorgefommen feyn, uf
Griedhifcher Einfluß dem Anubis neben Thoths Palmzweig ven Herolvief
des Hermes gab, ober vieleicht den Palmzweig als Heroldſtab ausgeftatiet,
wie wir es in der fpäten Darftelung des Thoth fehen. (Die Abrarım
der Gnoftifer zeigen wirklich den Anubi8 mit dem Heroldsſtab des Germeb
und dem Heraklesknoten daran.) Die Denfmäler zeigen jedoch einen folden
Anubis nicht und eben fo wenig einen mit golonem Geficht, das ihm
vielleicht dur; Namendeutung angevichtet oder auch vielleicht Hier und ba
in Aufzügen gegeben warb, (Apulejus Ipricht von einem Iſisaufzug zu
Kenchreä bei Korinth); denn jene Nachricht geradezu für eine Tügenbafte
Erfindung des Meberliefererö zu erklären, find wir nicht beredhtigt. *) De
man ihn allgemein Anubis bei ven Schriftftellern genannt finvet, fo konnte
man allerdings daran denken, ihn für den golvenen zu erklären, weil nab
*) Plinius (33. 9), indem er davon fpricht, wie man Metallmifchuugen made,
fagt, Aegypten färbt das Silber, um auf den Gefäßen feinen Anubis zu
jehen; ob aber dies auf Goldfarbe gehe, muß bahingeftellt bleiben, obgleich
es wahrſcheinlich if.
Anubis. 213
Gh heißt, und der Hundsſterngott hatte ja, wie oben vorgefommen iſt,
‚Me Namen des Goldenen. Doch Anubis heißt in Wirklichkeit nicht ver
Zehen, weil diefer Name nicht ganz richtig ift und eigentlih Anupis
Kö müßte, wie die hieroglyphiſchen Infchriften zeigen, welche ihn ſtets
np, Anpu nennen. Zu bemerken aber ift, daß an glänzend, gelblich,
Men, bezeichnet (koptiſch ansi, auan, auon) fo daß es moͤglich märe, wenn
uw nicht wahrfcheinlich, man Habe auf dieſen Theil feines Namens
Meet, um ihn für ven Golonen zu erklären. Wahrſcheinlich aber ift es
a nit, weil man bei dem Worte an wohl eher an Glanz over
it, ald an Bold gedacht haben mag. Schafaldmumien haben ſich
ge Eslopolis gleich Wolfsmumien daſelbſt gefunden. Wilfinfon giebt an,
en Anubis auch widderköpfig gefunden zu haben, was alfo eine Mifchung
Wit dem Thebifchen Ammonsthier zeigt und für den Anubis nichts befon-
ſeres zu beveuten hat, da der Widderkopf und die Hörner, wie ber Spere
Merk ſo vielfältig angewendet wurden. Plutarch fagt (61), dem Herma⸗
Wu werde manchmal ein weißer, manchmal ein gelber Hahn geopfert.
Sei finnte man die Wachfamkeit des Hahns im Auge gehabt haben,
Welle fh für den Hermes⸗Anubis eignete; aber daß diefer Brauch der
map Aegyptiſchen Mythologie angehöre, ift nicht zu ermweilen, und bie
Sefefgeinlichkeit ſpricht keineswegs dafür.
Unter den vier Genien der Unterwelt beißt einer Siu Mutef, d. i.
Kern feiner Mutter und bat einen Kopf, welcher mehr einem Wolfskopf
8 dem eines Schakals gleicht, und wirklich findet fich auch der Wolf in
* Hegyptifchen Mythologie. Daß er ein heiliges Thier war, geht ſchon
Genüge daraus hervor, daß eine Stadt Lykopolis, d. i. Wolfftadt, hieß,
er alfo gehalten und verehrt ward. Diodor (1. 88) fagt, er werbe
um verehrt, weil Ofiris in Wolfsgeftalt der Iſis und dem Horus gegen
Typhon aus der Unterwelt zu Hülfe gefommen fey. (Syneſius [©. 115]
vet ein Drafel, welches ven Aegyptern Befreiung verfpricht, wann
us den Wolf ftatt des Löwen zu Hülfe nehmen würbe; wer aber ber
If fey, war eine heilige Sage, welche nicht ausgeplaudert werben durfte.
e nicht bloß in foldhen Erzählungen, ſondern auch im Feſtgebrauch
, von diefem geheiligten Thier gemeldet. Herodot (2. 122) erzählt:
die Zeit, wann Rhampſinit in die Unterwelt gefliegen, bis zu feiner
ehr feiern Die Uegypter ein Feſt (e8 warb noch zu Herodots Zeit
iert), mo bie Priefter einen Mantel weben, ihn einem der ihrigen
ängen und ihm die Augen verbinden. Dann führen fie ihn auf den
ı nach dem Iftötempel, welcher zwanzig Stabien von Memphis ents
t Liegt, und zwei Wölfe geleiten ihn, wie fle fagten, nach dem Tempel
bringen ihn auch wieder an die vorige Stelle zurüd. (Den Iſistempel
Nemphis nennt Herodot [2. 176] ein Werk, welches von König Amaſis
ut, groß und fehendwerth vor allen fey; aber jener Brauch muß weit
dad Alter diefes Tempels reihen.) Zu Lyfopolis fand man Mumien
914 Thueris.
von Wölfen und Schakalen, wiewohl Herodot (2. 67) ſagt, vie Bar
die nicht viel größer find, als die Büchfe, begraben fte da, wo fie fie finde
und da der Aegyptiſche Wolf, wie auch Ariftoteles in der Thiergeſch
(8. 23) fagt, kleiner als der Griehifhe war (Plinius 8. 22 giebe |
Africa und Aegypten brächten Fleine und träge Wölfe hervor, und
Einfon beftätigt dies, welcher nie mehr ald zwei zufammen fah), fo
der Schakal und der Wolf, welche nahe genug zufammen treffen, e ine
mythologiſche Bedeutung gehabt haben. Beine heißen Acgyptiih sb,
auch der Wolf im Hebräiſchen heißt; doch hieß der Wolf auch |
(£optiih wonsch), was an das Wort un. ftrahlen over dffnen, exwin ;q
Gehörte der Wolf zu verfelben Bezeichnung, wozu der Schafal 4
dann würden jene Wölfe, welche in den Iſistempel geleiten, dad Bel 3
des Anubis, in die Unterwelt zu geleiten, mit Recht verſehen; denn
Nachahmung des Rhampſinit, welcher in die Unterwelt gegangen war, Ki „
einen Gang in den Amenti darftellen, und der Siu Mutef Einnte 1
ein Wolfsfopf jeyn ohne dem Anubis fremd zu feyn. Stern feiner M
aber Eonnte der Hundoſterngott heißen, da der Hundsſtern ver IHRE 5
theilt ward. *)
Thueris.
Eines Kebsweibes des Typhon, Namens Thueris, wird in
ſpäten Erzählung gedacht, über welche wir bei Plutarch (19) leſen:
der Kampf zwiſchen Horus und Typhon ausgebrochen, giengen viele 3
Horus über, und auch des Typhon Kebsweib Thueris, Fam zu ihm;
Schlange aber, welche fie verfolgte, warb von des Horus Leuten nienFaue "
gehauen, weßhalb fie jegt noch, fagt Plutarch, ein Seil mitten Ginweriu
und zerhauen. Dieje Thueris ergiebt fih ganz und gar als eine zu Torgau
gehörige Göttin, die wir unter dem Namen Thueris, Aegyptiſch Ta⸗
d. i. die Starke, oder Apt, d. i. die Große over Hohe, in ven for
nannten Typhonien ver Aegyptiſchen Tempel abgebildet ſehen. Di
Typhonien erflärt Champollion für den heiligen Tempeltheil, wo WE
Söttin des Tempels gebiert, und giebt diefem Raum den Namen Maui
In dem zu Edfu ift Kindheit und Erziehung des Hor⸗ſent⸗ to bargefelt ſe
fo wie Euergeted der zweite als Kind. '.Diefe Thueris nun, oder Ay,
ericheint entweder als aufrechtfiehendes weibliches Nilpferd, vie eine Ham
*) Die profaifche Erklärung der Heiligfeit des Wolfe lantete, wie wir am ie
Divdor (1. 88) fehen, dahin, er werde verehrt wegen feiner Verwaudtſcha 4
mit dem Hunde, mit welchem er ſich auch vermifche. Als mythifchen Grud
der Aegypter felbft giebt Diodor an, bei einem Einbruch der Aethiopen In
Aegypten hätten fi große Schaaren von Wölfen eingeftellt und pas feind⸗
liche Heer bis über Slephantina hinaus verfolgt; deßhalb Habe der Ayla
politifche Bezirk feinen Namen von ihnen. (Plutarch [72] fagt, die Ayla
politen hätten die Schaafe gegeßen, wonach fie alfo den Widdergott nich
verehrt Hätten.)
Thueris. 215
mem Krokodil, welches auf dem Schmanze fteht, in der andern eine
Meier und drei Sterne hinter dem Kopf, oder bloß als aufrecht⸗
web Nilpferd, mit dem meßerartigen Werkzeug, over eben fo mit
Haus, den Ruhhörnern, dem Globus, dem Uräus, und einem Etreif
em einen Horn, der es zu einen Monpftreif macht, over als Nils
mit Brauenfopf, vdenfelben Schmud auf vem Haupt, in der Sand
Zeichen ded Lebens tragend, oder ald weibliche Nilpferd mit Kro⸗
if und dem vollſtändigen Hathorkopfſchmuck, in ver Hand ein Werks
haltend, welches obngefähr einer Scheere gleicht. Auch war dieſe
in old Mutter durch den Geier bezeichnet, und hat das Bild des
8 mit einem Löwen varin in ber Hieroglyphe. In den Hiero⸗
ſen der Iſis kommt das aufrechtſtehende Nilpferd mit einem nicht zu
amenden Zeichen auf dem Kopfe vor, eben fo in’ der Hieroglyphe
Autpe, two es beidemal dad der Scheere ähnliche Werkzeug hält. So
ver Gott des Hundsſterns als Nilpferd und Krofopil, wegen ver von
gebrachten Nilüberfchwemmung erfcheint, eben fo wird die große
m in Beziehung auf dieſe Ueberſchwemmung unter dem Bilde ver
iinnbilver wirklich vargeftellt, obwohl der natürlihen Anſchauung
B, die Nilüberſchwemmung das Zeugenve ift, und ihr Sinnbild daher
nännlich, nicht auch weiblich vorkommen ſollte. Doch liegt es aud
arſtellung nicht fern, dem männlichen Nilpferd und Krokodil vie
‚in gleicher Geftalt zu geben, wie vie Griechifche Mythologie der
rt, mit welcher der Roßegott Pofeivon die Despoina in Arkabien
‚ die Roßegeftalt gab, vie ihrem Weſen völlig fremd ift, da fie
feidvon, als dem Gotte des Waßers zukommt, Demeter aber Göttin
ve iſt. Da jedoch viefe Thueris eine Leben gebenve Göttin ift,
ihr die Nilpferdsgeftalt und ver Krofopilkopf in fo fern zu, als
ißer dad Xeben bezeichnet, wann Nutpe oder Hathor Waßer aus⸗
welches die Seelen auffangen, und fo mag die Thueris, oder
oder Nutpe, in fo fern dieſe das Bild der Thueris in ihren
phen haben, vorzugsweiſe als eine Geburtögdttin, eine Eileithyia
porden feyn, und in diefem Sinne mag ber Entbindungdraum der
diefe Geftalten der Göttin empfangen haben. Zu Silftlis iſt fie
von Thoth und einer Göttin, welche Wilkinfon (1. 429) für
yalt, und die Gattin Rameſſes des Großen hält zwei Siftren vor
n; auch ſah Wilkinfon eine Darftelung dieſer Göttin, wo fie mit
ia und Hathor zufammen erfcheint. Wir haben in ihr demnach
m der Gattin des Typhon, die fein Keböweib in der Sage werden
fobald man die Nephthys, welche ald fein Weib galt, zu einer
en Göttin machte; allein die große Mutter, wenn fie auch unter
ı Namen und in verfchievenen Eigenfchaften erjcheint, die aber
amal weit auseinander liegen, war immer vie nämliche Göttin.
Geftalt der Thueris over Apt, iſt dargeſtellt in einem aſtronomi⸗
Hathor.
Hathor, Auge der Sonne und Tochter des Ra genannt (zur Ver⸗
herrlichung, da der Titel Sohn der Sonne oder Tochter der Sonne den
Blınz des Königthums bezeichnet), ift zwar feine andere Böttin als Iſis
elbſt, die Mutter des Horus; weil aber diefe Göttin unter dem angeges
enen Namen den Griechen, welche darin die Aegyptiſche Aphrodite zu
zbliden vermeinten und fie daher mit diefem Namen ihrer Mythologie
enannten, als eine eigene Gottheit erfchien, fo mag von ihr befonvers vie
Rebe feyn, weil für das mythologifche Verftännnig nichts darauf ankommt,
v6 dies geichehe, oder ob diefer Name und was daran ſich Fnüpft, mit
em, was von Iſis folgen wird, abgehandelt werde. Da die Griechen
Mech auch Iſis unter ihrem Hauptnamen als eine Aphrodite auffaßten,
ei Cudoxus bei Plutarch (52), welcher fagte, Iſis walte ver Liebe.
MVlutarch (56) bemerkt, Iſis habe auch Athyri geheißen, was die weltliche
Behnung des Horus beveuten fol. Da Athyri nichts anders ald eine
gräcifirte Borm des Namend Hathor ift, welcher in Hat⸗hor zerfällt, fo
iR Plutarchs Angabe, daß fie ihren Namen in Beziehung auf ven Horus
babe, ganz richtig; wad aber dad Wort hat in dieſer Zufammenfegung
bedeute, ift nicht mit Gewißheit zu fagen und man findet ven Horus aud)
Hor⸗hat benannt. Die Namenshieroginphe ver Hathor fpricht ganz und
gar für die von Plutarch angegebene Deutung; denn dieſe beſteht in einem
Haus, worin ein Sperber, dad Bild des Horus ſich befindet. Sie wurde
aber, was ganz natürlich ift, fo fehr in ihrer Beziehung zu Horus, ald
ver vorberrfchenven, aufgefaßt, daß man fie fogar ald Sperber mit Men-
ſchenkopf (morauf die Kuhhörner mit der Sonnenfcheibe dazwifchen gebildet
find) darftellte, wie fie bei Wilkinfon (Tafel 36) zu fehen ifl. Bon biefer
Göttin hieß ver dritte Monat des Aegpptifchen Jahres Athyr, wie das
Briehifche Etymologicum aus Orion angiebt, welcher fagte, der Monat
heiße Athyr nach Athor, welches ver Aegyptifche Name der Aphrodite fey.
deſychius fagt, Athyr fey bei ven Aegyptern ein Monat, und die Kuh,
worin zwar gefehlt ift, der Fehler aber einen naheliegenden Grund hat;
denn gerade unter dem Namen Hathor befaß Iſis vorzüglich die Kuh als
heiliges Sinnbild.
Die Bedeutung dieſes Sinnbilds ift Elar. Die Kuh ward als Gebäh-
terin und Nährerin zur Darftelung der gebährenden und ernährenden
gtoßen Mutter gewählt und dieſer geheiligt, und daher Fam es, daß jede
Göttin, indem man ihr die Kuhhörner auf das Haupt ſetzte, damit ald
2230 Hathor.
eine gebährende und mütterliche bezeichnet ward, weßhalb man fo mand
Bild der Gdttinnen mit diefen Hörnern ausgeftattet fieht, zwifchen weld
fih die Sonnenfugel ald das Sinnbild des Königthumd findet. H
(2. 41) meldet: Kühe dürfen die Aegypter nicht opfern *), da fie ver
heilig find, und alle Negypter dieſe auf gleiche Weife vor allem Vieh
weitem am meiften verehren. Deßhalb Füßt aud Fein Aegypter,
Mann noch Weib, einen Hellenen auf ven Mund, noch bevient er
ded Meßers, oder der Bratſpieße oder des Keßels eines Hellenen, oder
von einem reinen Stier, wenn ed von einem Sellenifhen Meßer geid
ten iſt. Die geftorbenen Rinder aber begraben fie auf diefe Weife:
weiblichen werfen fie in ven Fluß, die männlichen vergraben fie vor
Städten, fo daß das eine Horn oder auch beide zum Zeichen hervorf
Wann fie nun verfault find und die beftimmte Zeit gefommen tft,
erfcheint eine Barke aus der auf der Infel Proſopitis im Delta Liegen
Stadt Atarbechid, wo ein Aphroditetempel ift, (Strabo 802 fagt, im fi
fopitifchen Bezirk fei die Stadt der Aphropite), bei jeder Stadt, ik
viele aus Atarbechis, die einen hierhin, die andern dorthin fahren. Ne
dem fie dann die Gebeine audgegraben, führen fie fie weg und begraili
fie an einem Ort. (In wie weit Herodotd Angabe fireng der Wahrfl
gemäß oder zu befchränfen jey, Fönnen wir in Ermangelung andenweitig
Nachrichten nicht beitimmen. Uuf feinen Val aber war das, was M
meldet, jederzeit ohne Ausnahme; denn man hat zu Theben und ande
wärts Mumien von Kühen ſowohl als von Stieren gefunden.)
Die Rinder alfo famen nach Atarbechis, welche Stadt ihren Namd
von Hathor hat; denn Atar ift der Name Hathor, da die Griechen vas U
in Aegyptiſchen Namen ausließen, wie fie Oros flatt Horus, Ar=veris, ſtall
Har- ur oder uer fagten, Iſis ftatt Hes, Oſtris ftatt Hesiri, und fomit zeigt
ſich auch durdy die Sorge, welche der Hathorftabt für die Rinder oblag,
daß die Aprodite Hathor die Iſis war, welcher vie Kuh als Sinnbik:
gehörte. Wie ſtreng es aber mit dem Nichttödten der Kühe gehalten mark;
geht für und aus dem, was Herodot (2. 18) überliefert hat, hervor. Einſt,
erzählt ex, wollten die Bewohner von Marna und Apis, zweien Aegyptiichen
Städten an der Gränze von Libyen, welchen es eine zu fchwere Laft zu
feyn fchien, Feine Kühe eBen zu dürfen, Feine Aegypter, ſondern Libyer
feygn. Sie fandten daher zum Ammonifchen Drafel und erklärten, fie
hätten nichts mit den Aegyptern gemein, denn fie wohnten nicht im Delta
und flimmten nicht mit ihnen überein, und deßwegen wollten fie, es fole
ihnen erlaubt feyn, von Allem zu eben. Der Gott aber gab ed nicht im
*) Porphyrius über die Enthaltfamfeit (IT. 11) faat auch von den Phöniciern,
daß fie durchaus das Fleifch der Kuh nicht aßen.
Hathor. 221
w fagte, Aegypten fey, was ver Nil bewäßere, und Aegypter ſeyen bie,
relche unterhalb Elephantina wohnen und das Waßer des Flußes trinken.
Sp wie nun Hathor mit den Kubhörnern und der Sonnenfcdeibe
Bazoiichen dargeftellt wurde, wozu noch öfter zwei lange Federn, oder zwei
Puraußfedern als Schmud Eommen, erfcheint fie auch mit dem Kuhkopf,
FM Kuh mit Menichenkopf, Hörnern und Uräus, und felbft ald Kuh mit
hem Schmud der Sonnenicheibe und ben Federn. (In der älteren Zeit
ue die Hathorkuh die langen Federn, Hathor aber felten vor der Ptole⸗
it, und ed maren biefe Federn ein Schmudf der Königinnen in der
taonenzeit.) Diefe Kuh ward fogar dargeftelt aus der Perfea, dem
Bendbaume hervorkommend, von welchem Plutarch (63) fagt: von den
Beasptiihen Gewächſen foll vie Perſea ver Iſis am meiften geweiht gewefen
u, weil ihre Frucht dem Herzen, ihr Blatt der Zunge gleicht. Wir
aben fhon oben gefehen, daß die Uegypter die Perſea zum Lebensbaum
mt hatten, und jo ift ed eine natürliche Darftellung, vie Kuh des
a dem Baume des Lebens hervortreten zu laßen, wodurch ver
trif des Lebens, un welchen es fich in viefer Darftelung handelt, vere
It auögenrüct wird. Die Hathorkuh aber erfcheint nicht von Farbe
ww andere Kühe, fondern mit Flecken überfäet, welche Grad und Gewächſe
Heilen, fo daß fie alio damit bezeichnet ift, ald Die Gdttin, welche vie
hͤchſe hervorbringt, ald Die Erve, und fogar der Perfeaftamm ift mit
feſchen Flecken uͤberdeckt. Der Frauenkopf mit Kuhohren an den Säulen-
eepitälen zu Tentyrid, Ibfambul und andenrärts mag ebenfalld Hathor
borſtellen. Auch unter dem Namen Hathor war Iſis die Göttin des
Beiten, wo die Erde die Sonne aufnimmt nnd der Amenti if. So ſieht
san fie dargeftellt mit dem auf der Fahne ded Weiten figenden Sperber,
eben welchem eine Straußfever ift, welches Bild den Weften bezeichnet,
uf dem Haupte, fo daß demnach dieſe Hieroglyphe ſie tie Göttin des
Beiten nennt. Ein Papyrus nennt fie auch) Sme over Mei im Lotus
nd Waßer des Welten (und Neith im Oſten). In Theben war fie die
dättin des Weſtens von Theben, weldyer daher den Namen Pathyris hatte,
.t. der Hathorbezirf und die hinter dem Weftberg hervorfommenve Kuh
er Denkmäler fönnen wir ald die Hathorkuh anfehben. Auch fie giebt
en Seelen Leben, man ſieht fie in Gräbern dargeſtellt figend auf dem
ebensbaum, Waßer gießend, welches unten eine Seele auffängt.
Zu Theben, Memphis und fonft wird fe die Herrin von Het genannt,
nd Nutpe führt denfelben Namen, und diefer war in der Aegyptiſchen
henennung von Groß -Apollonopolis, welches jegt Edfu heißt, wo Hathor
it Horhat und Hor=fent=to verehrt ward. Auch heißt fie Herrin von
Shmun. Zu Tentyris, einem Kauptorte ihres Cults, erjcheint fie ven
jorus unter dem Namen Abi, d. i. Helfer, nährend, wie man Iſis mit
em Kuhhaupt und dem Hathorkopfſchmuck ihn an der Bruſt naͤhrend fleht.
29323 Rathor.
Des Iſistempel befand ſich hinter dem der Aphrodite zu XTentyris, fi
Strabo (815), fo daß alſo Iſis in viefer Stadt Tempel unter zweien ihri
Ramen hatte. Nach dem Iſistempel aber erwähnt Strabo der fogenunntil
Typhonien. An dem Hathortenipel zu Denverah ftellen vie Gapitäfe
Bortempels vier Frauenkoͤpfe dar, über welchen der Würfel einen Tu
vorſtellt, aljo Hathorköpfe. in Eoloffaler Kopf der Art ift im Ark
des Vortempels, ein foldher auch an dem bintern Bebäude in ver DELL
fo wie an vielen Orten. Zu Tentyra war der Iſistempel Kleiner al
Hathortempel, aljo ward die Eigenjchaft, welche Iſts als Hathor 5
vorzugsweiſe in biefer Stadt vereht; auf der Infel Philaͤ dagegen ge ii
der Haupttempel dem Iſis⸗Oſiriscult, der Tleinere aber, welcher
öftlich vor dem großen fland, gehörte der Hathor, wie ſchon aus den
tälen zu ſehen it, und die Infchrift beſagt, nach welcher Ptolemiu
Eleopatra ihn der Aphropite weihen. Der Tempel zu Debud war ge=
von Atharammon (um die Zeit des Ergamenes) dem Ammon, dem IM
von Tebut und der Hathor, und nachträglich dem Oſiris und ver Sie
diefer Tempel war fortgejegt worden unter Auguftus und Tiberius, SM!
jedoch beendigt zu werden. Aelian (10. 27) giebt an: in dem Bei" vage
Hermopolid lag ver Flecken Chufai, wo Aphrodite Urania verehrt SUME
und eben bafelbft verehrte man eine Kuh, welche dieſer Gottin für Heil
gegolten haben ſoll. Diefe Kuh ſoll beſonders brünftig feyn, fo daß A
das Gebrüll eines Stiered ſchon aus einer Entfernung von dreißig Stac
hört. Zu Momemphis, giebt Strabo (803) an, werde Aphropite verehs
und eine heilige Kuh gehalten, Diodor aber (1. 97) erzählt, bei Momen®
phis ſolle ed ein Velo geben, welches man dad der goldenen Apbreie
nenne. Oberhalb Memphis, meldet Strabo (809), lag Aphroditeſtadt in
dem Theil, welchen man Arabien nannte, und dort ward eine weiße heilig „”
Kuh gehalten. Zu Karnaf jteht man Hathor bei Phthah, und zu Her⸗
monthis zeigt fie den jungen Horus dem Muntu. Zu Senem bei Phi, \
wo fie einen Tempel hatte, wird fie Herrin aller Götter genannt. Ya
ihrem Tempel in Philä aus fpäterer Zeit fäugt fie ven Horus und heit
Amme, Gattin, welhe Himmel und Erde mit ihren Wohlthaten erfüllt
Zu Ombos neben Sebaf und Khunfu ift fie fchon oben erwähnt worven.'
Zu Abſchek (Ibſambul) erjcheint fie in dem von der Gattin Ramſes veh
Großen geweihten Tempel ald eine Kub in einem Boot, über weldyem
Waßerpflanzen gewölbt find, der König und die Königin bringen ihr
Blumen und Spenden dar, und an dem oberen Ende des Allerheiligften
im Tempel ift dad Vordertheil einer Kuh mit ver Sonnenfcheibe und ben
Hathorfedern, die Infchrift aber lautet: Hathor vie Herrin von Abufchel, :
dem Ausland; denn Abufchef lag außerhalb Aegypten, wiewohl es von
den Pharaonen beherricht ward.
Daß die Griechen dieſe Form der Iſis für eine Aphrodite nahmen,
Sathor. 293
Miee ihnen nahe Tiegen, wenn Hathor eine Mutter des Lebens war, und
ſolche war fie; doch an die Aphrodite der Homerifchen Poefte und
andern Briechifchen Poeſie darf man dabei nicht denken, ſondern an
Aphrodite Urania, wie wir fte im Peloponnes, auf Kypros, Kythere
Rn Sicilien auf dem Berge Eryx verehrt fehen, fo daß Aelian in ver
a angeführten Stelle ſich nur vollſtändig ausdrückt, wenn er viele
Jetiſche Böttin eine Aphrodite Urania nennt. Hatbor aber ift nicht
keint in der Erzählung Herodots (2. 112), welche angiebt, der Aegyp⸗
Me Adnig Proteus aus Memphis habe in viefer Stadt ein ſchoͤnes Hei⸗
yon gehabt, füdlich dem Hephbäftostempel gelegen. Um daſſelbe herum
men Phöniker von Tyrus, und man nannte dieſen Ort das Lager ber
Bier. In dieſem Heiligthum des Proteus war der Tempel der fremden
hrodite welche Herodot darum für die Helena hält, weil Aphrodite fonft
den Beinamen der Fremden bat. Strabo (807) bemerkt über viefe
a, daß Manche fie für die Selene hielten. Daß fie Feine andere
a als die große Syriſche Göttin, die Aftarte, läßt fich nicht bezwei⸗
Mid die Auslegung, fie fey eine Monpgöttin, gehört der fpäteren
m der Griechen an. Aber wie gejagt, Hathor war biefelbe nicht,
Rmivrüklich fremd und zwar eine Göttin der Tyrier genannt wird.
”Sathor aber wirklih auch als Göttin der Kiebesfreude genommen
%, zeigen die ihr in den Infchriften gegebenen DBenennungen einer
m des Scherzed und des Tanzes, jo wie auch, daß fie Stride in dent
halt, die fich füglich als Stride ver Liebe deuten lagen. Au
Tamburin gab man ihr in die Hand. Wenn Plinius fagt, ver Planet
ms gehöre der Iſis, fo ift das eine fpäte Anſicht, welche vielleicht nicht
geringfte Beziehung auf vie als Aphrodite geveutete Hathor hat.
Haben wir num gefehen, daß die Kuh das eigentliche Bild ver Hathor
(und in den Iodtenpapyrus trägt eine heilige Kuh dieſen Namen), fo
gnet und doch noch ein Geſchoͤpf, welches, wenn es auch nicht ihr
nbild geradezu geweſen ſeyn ſollte, doch Beziehung zu ihr erhielt. Aber
egegnet und nicht auf ven Aegyptiſchen Denfmälern, fondem in Bronze«
en und im Tempel der großen Dafe. Es ift diefes der Fiſch Oxyrynchos,
her fih in einem Bronzebild mit den auf dem Haufe befinvlichen Kuh⸗
ern, zwifchen welchen die Sonnenfcheibe ſich befindet, nebft dem Uräus
‚ alfo mit dem Kopfſchmuck der Hathor, ald ein göttliher Fiſch zeigt.
vem Tempel der Dafe ift er abgebildet und unter ihm die Hieroglyphe
Namens der Hathor, dad Haus mit dem Sperber, abgebildet bei Wil-
n (2. ©. 250). Wie alt dieſe Darftelungen feyen, vermag man nicht
seftimmen; aber daß dieſer Fiſch in einer fpäten Zeit der Hathor
bt worden ſey, ift fo wenig wahrfcheinlih, daß man ed faum für
ih Halten kann. Wir finden in Uegypten Heiligkeit ver Fiſche und
de der Oxyrynchos wird in der Iſis⸗Oſirisſage genannt; dieſe Sage
294 Sathor.
e
aber ift eine bedeutende Umänderung der Aegyptiſchen Mytho
nicht von innen heraus ftatt gefunden, ſondern durch den Einfluß
Aften blühenden Cults ver großen Naturgdttin, welcher auch die
als ein Hauptfinnbilo geweiht waren, megen ber Beziehung ded
zu den SHervorbringungen der Natur. Dieſem nämlichen Einfluß u
wir berechtigt feyn, was von Verehrung der Fifche in Aegypten vorke
zuzuſchreiben; denn nur in dem Kreife der Iſisſage ift die R
folhen, nicht aber in dem, was man als ältere Form ver Aegh
Mythologie betrachten darf. Strabo (812) fagt, die Aegypter
den Lepidotos (Schuppenfiih) und den Oxyrynchos (Spigichnauge), Sg
der Aleranpriner (S. 11) nennt den Fiſch Phagros zu Syene v
(einer Stadt Phagroriopolis in Unterägypten gedenkt Strabo 803]
den Fiſch Mäoted zu Elephantina, wie auch Aelian (10. 19) am
welcher fagt, daß fie dad Anfchwellen des Nil verfünden, mas wohl
Erklärung ihrer Heiligkeit feyn fol, ven Schuppenfifh aber und
nennt Herodot (2. 72) als dem Nil geheiligt.. Zu viefen it n
Fiſch Latos zu fügen, der in Latopolis, welches feinen Namen u
hatte, beilig war.
Plutarch (7 und 18) erzählt und: nicht aller Seefifche enthalkt
alle Aegypter, fondern einiger. So enthalten fich vie Oryryndhite
mit der Angel gefangenen Fiſche; denn ſie verehren den Dryr
genannten Fiſch und beforgen nun, ein folcher möge an die Angel g
men feyn. Aelian (10. 46) fügt hinzu, die Oryryndhiten gäben vor,
Fiſch ſey aus den Wunden des Oſiris entflanden. Die Syeniten ent
fidh des Phagros; denn er fiheint mit dem wachjenden Nil zu fo
um feine Zunahme zu melden. Die Priefter enthalten fih aller i
und während die andern Aegypter am neunten Tage des erften V
vor ihren Thüren gebratene Fiſche eßen, verbrennen die Priefter die
vor ihren Thüren. Dieſes gefchieht aus einem heiligen Grunde, we
Zepivotod, Phagrod und Oxyrynchos von dem zerflüdten, in der
geworfenen Oſiris gefoftet hatten, weßhalb auch vieje von ben eg!
am meiften verjlucht werden. Zweitens aber ift ver Fiſch eine überf
Speije, und überhaupt glauben fie, dad Meer flamme vom Feuer uı
fein Elentent, ſondern fey ein Auswurf, der verporben und Eranfhaı
Glemens der Alexandriner (S. 305) bemerkt auch über die Vriefter,
rühren fie nicht an, aus andern Gründen der Sage, beſonders aber,
ihr Genuß fchlaffes Fleiſch macht. In diefen Angaben ift ver Grunt
die Prieſter Leine Fiſche aßen, weil fie fchlaffes Fleiſch machten, ein
deutenvder Erklaͤrungsverſuch, daß aber die Aegypter ven Lepidotos,
grod und Oxyrynchos beſonders verflucdht hätten, ein faliches Mäh
weil ed unmöglih if, daß ein heilig verehrter Fiſch geradezu ve
worden wäre Man wollte aber erklären, warum ſich die Brief
Sathor. 225
ganz enthielten, und ganz eben fo gieng es mit dem Verſuche
liren, warum fich die Priefter an den Tagen ver Enthaltfamtfeit
sales enthalten mußten. Plutarch (32) fagt in dieſer Hinſicht:
I werde ald Nil gedeutet, Typhon als Meer (beives ift faliche
ing) in welches fallend ver Nil zerrißen werde und umfonme.
r verabicheuten die Priefter das Meer und nennten das Salz den
m Typhons und dürften fein Salz auf ven Tifh flellen, auch
a fie darum Feine Schiffsleute an und verabfcheuten deßwegen
Bid, und fein Bild diene zur Bezeichnung des Haßes. Dazu
Plutarh, daß die Potbagoräer (Pythagoras ſollte ja Weißheit
tgupten gelernt haben) dad Meer vie Thräne des Kronos nennten,
tend, ed fey nicht rein und und nicht verwandt. Ob der Fiſch im
meinen ein Bild des Haßes gewefen, muß man durchaus bezweifeln,
an dem einen Orte dieſe, an dem andern eine andere Gattung
geweien, und man auch Fiſchmumien in den Gräbern findet und in
alpturen der Thebiſchen Gräber fogar eine Gottheit mit dem Fiſch⸗
ws nicht auffallen Fann; denn da mehrere Fiſche geradezu heilig
ho müßte es eher auffallen, ihnen gar nicht in den aus ben
und der menfchlichen Geftalt zujammengefegten Darftellungen ver
fen zu begegnen. Aber dieſer Biichgottheit ihre Stelle anzumeifen
vas Näheres darüber zu fagen, ift unmöglich, über ihre Bedeutung
jemeinen aber kann faun ein Zweifel feyn. Den Tod umgab ber
r durchaus mit den Bildern des Lebens und ber Bortpflanzung,
ewige Leben ver Seele bezüglich, und fo ift an ein Bild des
welches ver Fiſch geweſen feyn fol, in den Gräbern nicht zu
wohl aber an ein Bild ver Vortpflanzung und des Lebens, ala
ver Bifch gewiß in Aegypten verehrt warb, weil aus dem Waßer
n feimt, weßhalb ja des Oſiris Schaam bei jeiner Zerftüdelung
Baper fommt; denn wann die Natur erftirbt, lebt Die Zeugefraft
er fort.
aus, daß Hathor mit andern Gottheiten in Verbindung gefunden
nicht immer zu ſchließen, daß fie mit der Gottheit, bei welder
efindet, in einem beſondern Verhältniß geftanden habe; denn die
n finden fi) auch zuſammen ohne ein foldyed. So find Hathor
u zu Mevinet- Habu zufammen, halten ſich an der Hand und
n König Thuthmoſis zum Lebensbaum, auf depen Blätter Ammon
amen fchreibt, währen fünf und zwanzig Götter in zwei Reihen
find. Hier erfcheint fie als Lebensmutter, und Atmu muß eben«
e Beziehung zum Leben haben, doc fie ift Atmus Gattin nicht.
ıphi8 fand Champollion (Aegyptiſche Briefe 4) Spuren eine
durch Ramſes den Großen dem Phthah und der Hathor geweiht.
Eleinen Tempel in dem Thal hinter vem Amenophion, wo Ammon,
15
2236 Iſis, Oſiris, Horus.
v
Mut und Khunſu und zweitens auf der Seite nach Hermonthis die d
Gottheiten, Muntu, Ratet und Harpira verehrt wurden, war Sather .
ber Ma Hauptgoͤttin; denn biefe beiden empfangen bie erften Darbringung
Die Infchrift Tautet jedoch: der König, Gott Epiphanes, der
Phthah Ter Bewährte, das lebende Bild des Ammoın=-
der Geliebte der Gdtter und der Bdttinnen Mutter,
DVielgeliebte vesAmmonsra bat dieſes Gebäude ausfi
laßen zur Ehre des Ammonsrau.f.w, um für immer
Lebens theilhaft zn jeyn. Aber an ver linken Seite laute
Infhrift: der Sohn der Sonne, Ptolemäud der im
Lebende, der von Phthah geliebte Gott u. f. w. der |
geliebte ver Hathor, hat dieſes Gebäude ausführen Tommi
zur Ehre feiner Mutter, der Herrfherin des Weiten,
für immer des Lebens theilhaft zu ſeyn. Ferner beim
Oattin des Königs (Kleopatra, die Vielgeliebte ver Ma) die Herr 7
rin des Weften (vd. i. eine Hathor; denn Hathor ift Göttin des
und des Amenti, und darum ift Ma, vie Gerechtigkeit, die Gottic
Amenti mit ihr in Verbindung). In dem Tempel ſelbſt findet kam
Infrift: Zur Ehre feiner Mutter Hathor, der Herrſch
des Weiten.
(Die Todtenbüher zeigen fleben Kühe und einen Stier, und F
wir auch diefe Kühe nicht geradezu ald Bilder ver. Hathor betramd
müßen, fo koͤnnen ſie doc faum anders in den Amenti gefommen fe
denn als Bilder der gebährenden Göttin, von welcher auch im A
die Fortdauer des Lebens abhängt. Abends empfängt die Mutter Gi
die zur Nuhe gehende Sonne im Weften, und Morgens gebiert
wieder die Sonne ald jungen Tag; wenn daher dad Verhältniß and
gedrückt werden fol, es gebähre die Kuh, das Sinnbild ver End
die fleben Tage des Wiertelmonats, fo kann dieſes nur durch ſiebe
Kinder derfelben ausgedrückt werden, falls vie Tage felbft dvargeſtel
werben follen, und anvererfeitd durch fleben Kühe, wann das Gebährr
der Tage oder ihre Urfprung Zwer der Darftellung feyn fol. Da e
aber fein Leben giebt ohne Zeit, fo muß auh im Amenti für da
dortige Leben Zeit in ununterbrochener Reihe fen.)
Sfis, Dfiris, Horus.
Der Eult ver Iſis, welcher ven Oſiris und Horus in fich einfchliek
war der allgemeine, an feinen bejondern Ort gebundene des ganze
Negyptenlandes, wie Herodot (2. 12) meldet. Don den Griechen ab
$fi8, Oſiris, Horus. 227
x Jis Demeter, Oſiris Dionyſos und Horus Apollon genannt. Die
ſelben zu Grunde liegende Idee, welche zum Mythus ausgebildet
den iſt, zeigt ſich als eine ſehr einfache, und als diejenige, welche
chaupt der Aegyptiſchen Raturreligion als ihr vorzüglichſter Gedanke
nit Naͤmlich die große Mutter Natur gebiert alle Jahre ven
‚gen, dehßen alle Gefchöpfe bedürfen, fie ift vie Mutter und Nährerin
Allem, und hat einen Gatten, welcher diefen Seegen mit ihr erzeugt.
dorm aber, in welcher vie Aegyptiſche Naturreligion in dem Iſiscult
eint, ift die jüngfte (mie denn Herodot belehrt ward, Oſiris gehöre
ı dritten Götterfreife an, welcher der legte war) und trägt das Gepräge
8 fremden Einflußes, welcher ald ein Aflatifcher bezeichnet werben
n. Diefer fremve Beſtandtheil ift der Tod des Oſtris und die Trauer
Ms, welches Verhältnig außerdem in der Aegyptiſchen Mythologie
ſt zu finden iſt, jedoch dem Cult ver Aftatifchen großen Mutter in dem
hes von Adonis und Aphrodite zugehört, und mithin aus Aften nach
men gebracht feyn muß. Der Iſismythus nun ſelbſt nennt Phöni-
Kl das Land, wohin der todte Dftris gekommen fey, und woher
Wi Reiche geholt habe, was nicht eine fpäte gräcifirte Sage feyn
W, weil die Rückkehr der Iſis aus Phönicien im Cult vorfam. Diefer
nß auf die Aegyptifche Mythologie muß, wiewohl wir die Zeit genau
efimmen, nicht vermögen, als ein alter angefehen werben, benn bie
mäler fegen viefen Mythus über taufend Jahre vor unferer Zeitrech«
hinauf. Durch die Aufnahme vom Tode des Oftris in den Cult,
t Aegypten aus einem guten Gott, einen bdfen, nämlich den argen
n, welcher vorher der Seegensgott der Nilüberfhwenmung gewefen
und nunmehr der Mörder des Oſtris ward. Gin ſolches Verhältnig
einer alten Naturreligion höchſt merkwürdig; denn feine verfelben,
fih unter den Semiten, den alten Uegyptern, den Griechen und
n entwidelt haben, Fennt den Dualidmus von einem guten und
böfen Gotte, fondern der nämliche Gott gewährt Seegen und fenvet
ben, fo daß man feine Gnade erfleht und feinen Zorn fühnt. Wie-
un Typhon in einzelnen Gulten fein altes Recht ald Seegendgott
tete unter einigen feiner Namen, fo ward er doch im Allgemeinen,
er die Nilüberihwemmung bringende Hundöſterngott zn bleiben,
iotte der ungefunden, trodenen Hige, welche längere Zeit vor ver
rſchwemmung zerftörend wirft, gevichtet, und verlor fo fehr alles
eines Weſens, daß er ein durchaus böfer, ververblicher Gott ward,
dem guten Gotte, dem Oſiris nachitelt und das Leben ver Natur
Diefer Dualismus hat aber auch dad Eigenthümliche, daß fih
ttliche Idee dabei geltend gemacht hat, over jemald daran geknüpft
it, denn nur was in der Natur Schäpliche8 und Nachtheiliges
id, galt für Typhoniſch, aber im Gebiete des Sittlichen hat dieſes
15*
228 Iſis, Oſiris, Horn.
keine Stelle, und er übte weder Einfluß noch Herrſchaft über die S
aus, um dieſe in das Verderben zu bringen.
Was der Name der Iſis, Aegyptiſch hes, bedeute, Eönnen wir
mit Gewißheit ſagen; da aber der Thron ihr Namenſinnbild iſt,
fie Häufig auf dem Kopfe trägt, *) und alſo hes heißt, fo Fönnte ſie
die thronende Göttin bezeichnet feyn, doch heißt auch hes fingen,
das Bett führt denfelben Namen. Unter folden Umftänden müßen ı
natürlich eine genaue Beftimmung unterlaßen.**) Tauſend und taufendn
nennt Plutarh (53) die ©öttin, und eine große Menge von vo
nungen diefer Hauptgöttin Aegyptens kann nicht bezweifelt werden. dr d
nennt und dieſer Schriftiteller nur wenige derfelben, ald (56) RM 1
Mutter, Methyer, was Fülle und Urfache beveuten fol, aber num
Mut=uer, große Mutter, entftanden feyn fann, und brittend Ath
was aus dem Namen Hathor gräcifirt ift, und irdiſches Haus des m
erklärt wird. Unter ihren Namen ijt noch einer, unter welde—um
befonvders eine eigene Geltung gehabt haben mug, nämlid Term
denn der Niların der Sebenytifchen Mündung heißt bei Ptolenäus ll
der Thermuthiſche, und Aelian nennt die Adpis der Ifisbilver Tamm
this ; fo aber fann die Schlange nur von der Göttin ſelbſt heißen,
der auch bei Iojephus die Königdtochter heißt, weldhe ven Moſes*
dem Waßer rettet. Diejer Name ift aus er mit dem weiblichen A
t-er und mu-t Mutter gebildet, und der achte Monat Pharmuthi —
von diefer Er-mut genannt jeyn, denn er zeigt den Artikel pha-
ermut als Bejtanptheile feines Namens, wie der Monat Phamenoth
der Menut, Menuthis, feinen Namen bat. Als Göttin mit dem God
pion, heißt fie Serk (Selk), zu Pſelkis beſonders verehrt; und mag N
Serk auch als eine befondere Form erfcheinen, fo fann fie doch nur dB
—
*) Aelian (10. 31) nennt das Haupt der Ifis mit der Aspis befränzt, u
mit Geierfedern geſchmuͤckt. Der Geier zeigt fie ald Mutter, der Uräus al
Königin, und fie hat dies mit andern Göttinnen gemein, worüber ob
ſchon öfters die Rede war. Sieht man fie mit dem Kopfichmud der Nephtät
und der Hathor, ſo waren diefe nur Formen der Iſis, wie in der Myth
logie derfelben bemerft worden if. Manchmal bat Ifis ven Geier a
Kopfbedeckung, was Aelian (10. 22) faͤlſchlich auf die Iſis befchränft. 3
Philä aber ericheint fle auch mit der Waßerpflanze auf dem Haupte.
++) Manche Ausleger erklärten, wie wir aus Diodor (1. II) erfehen, ven Nam
Sfts, als bedeute er Alt, indem fie meinten, fie heiße fo als die ewig
alte Zeugung; denn fie fei der Mond, weßhalb fie Hörner Habe, die fie au
noch darum habe, weil ihr die Kuh geweiht fey. Aegyptiſch bedeutet:
den Vorfahr, und Foptifch Heißt as, es, alt; aber viefes Wort, obgleich ı
zur Beflätigung einer Meinung von Iſis dienen follte, hat mit ihre
Namen nicht irgend eine Berwandtfchaft.
Iſis, Oſiris, Horus. 290
Me dorm der großen Mutter angefehen werden, und da Iſis ebenfalls
We große Mutter ift, fo eignet fich die Benennung Iſis⸗-Serk ganz gut.
he Bedeutung des Sforpions jedoch ift unbekannt. Auch heißt Iſis vie
Rähtige, vie Hek, was wohl Serrfcherin bedeutet, und Sothis, Hunds⸗
ern, in welhen ihre Seele gefommen feyn follte, wie Horus in ven
Prion, Typhon in das Bärengeftirn. An dem fogenannten Memnonium
heben ift ver heliafifche Aufgang des Sirius unter dem Namen und
x Geftalt ver Iſis dargeſtellt, mobei die zmülf Monate in drei Abthei⸗
gen fih finden, als die vier Monate der Waßerpflanzen, vie vier des
gend und Die vier des Waßers. Iſt nun der Thron auf ihrem
upte nihtö weiter, als das Zeichen ihres Namens, fo ift dagegen die
h ihr wirkliches Sinnbild, um ſie als die gebährenne, mütterliche
wettin zu bezeichhnen. Das Bild der Iſis, fagt Herodot (2. 41), ift
dar das eines Weibes, hat aber Rindshoͤrner, wie Io gebildet wird.
Br ſehen fie auch wirklich nicht bloß mit dem Kopfſchmuck, von welchem
PR vr Hathor die Rede gewefen ift, ſondern feldft mit dem Kuhfopf,
Wehen Heinen Horus fäugt; aber fie erfcheint auch nur mit dem
Fire uf dem Kopf, und wir finden in ihren Sierogiyphen das Bild
Ber Nhferbgöttin, deren Bedeutung oben fchon erörtert wordon iſt. Leber
We heiligkeit der Kuh, woraus die der Iſis hervorgeht, ift die Rede gewejen,
pa der Mnthologie der Hathor. (Da fie die heiligfte, Höchfte Gdttin war,
PP mußte natürlich ihr Sinnbild auch allgemein in der höchften Heiligkeit
Pin; ob aber die Heiligkeit der Iſis wirklich fo weit gewirkt habe, daß
" Diodor (1.26) fagt, die Königin höher geehrt ward, ald der König
Su das MWeib in den Ehepacten vie Herrfchaft über den Mann erhielt,
vollen wir dahin geftellt ſeyn lafien, denn der Gewährömann ift Feine
here Bürgfchaft. *) Wenn wir Iſis geflügelt fehen in ven Abbildungen
id mit ihren Schwingen den Oſiris beſchützen, fo erfcheint fie da mit
n Zeichen des Schutzes, den Geierfittigen, weil der Geier das Bild ver
utter war, und diefe eine ſchützende ift. Sie heißt daher auch eine
hügerin ihres Bruders, und wir fehen fie denfelben auch als Ptah-
fari- Ofiris beſchützen. Die Koptiten ehrten und vergötterten bie
blihen Gazellen, als Thiere der Iſis, die männlichen aber opferten
fagt Aelian (10. 23.) Wir haben oben gefehen, daß Renpu die
sefle hat, man findet fie auch (falls man das Bild nicht für einen
*) Diefer höheren Ehre der Königinnen entfpricht es eben nicht, daß in den
Königsliften der Tempel zu Theben und Abydos die Königinnen nicht
erfcheinen, wiewohl deren geherrfcht haben. Da Iſis die Schwelter des
Ofiris war, weil beide einer Gdtterreihe angehörten, die man als Gefchwifter
dichtete, fo heißt es bei Diodor (1. 26), daß in Aegypten die Gefchwifter
einander geheurathet hätten, weil es der Iſis fo gut geglüdt fey.
230 Jtiis, Diiris, Horus.
Steinbod nehmen mil), an dem Boote des Phrhab, ohne vie Anwe
tung dieſes Thieres, ald eines Sinnbiles erklären zu können. Horape
hätte es nicht für ein Sinnbild io übler Art ausgeben Eönnen, als er
getban! wie oben bemerkt worden ift, falls es in einer nur etwas ve
breiteten Verebrung geflanten. Die Tentmäler beitätigen nidht,
Helian tagt, welcher ein ipäter und nicht boch anzuichlagender Gewäh
mann if. Gin Sinnbild ver Iſis aber mug der Sforpion geweſen jene
Zu Pielkis war die Skorpiongöttin, eine Gortheit mit dem Sforpion ff
dem Haupte, welcher ihren Namen bezeichner, denn fie hieß Serk, Sei
und jo beißt der Skorpion, von ibr aber mag Pſelkis die Stadt
Selk ven Namen haben; denn tie Eelf für eine Gottheit zu nehme
welche nur als Ortögdrtin gerichtet worden wäre, gebt nicht an, weil Si
in Amenti vorfommt, und der Sforpien dfters Ifis-Serk genannt wi
Auch fommt fie in ver oben bejchrießenen Tarftellung des Sonnen
vor, wo fie der großen Schlange das Tau um den Hals ſchlingt, Wü
fürwahr fein Werf einer bloßen Ortsgöttin ill. In den Sieroglg
eines Thebiſchen DMumienfaftend, ver jest zu Bodchyddan ift, heißt dich
Göttin Tochter ver Sonne, was nichts weiter bedeutet, als Königie
Kommt nun auch ter Skorpion unter ven im Amenti erjtochenen Thieren
als jchänliches und böjed vor, wie Krokodil, Schlange und Schlange af
dem Ejel, ſo bält doch auch der oben beſchriebene Horus Schlangen u
Skorpione in den Hänten, und in ber ihn umgebenden Einfagung fickt
Serf mit dem Skorpion ftatt des Kopfes, eine Schlange baltend, ud
dad Zeichen des Lebens ift vor ihr, io wie der Skorpion felbft mit der
Kuhhörnern, zwijchen melchen ver Sonnenfreis ift, ebenfalld in ver Ei
faßung vorfommt und Iſis-Serk benannt ift. Die Nilpferdsgöttin halt
dajelbit Schlange und Sforpion, und eben To die löwenköpfige. Diefeb
zeigt deutlich, daß ver Sforpion gleich ver Schlange, dem Krokodil, vem
Nilpferd uuter die Thiere gebörte, welche als Sinnbilvder für Gottheiten
dienten, um eine jeegendreihe Wirfung verielben auszudrücken, auch ein
guted Sinnbild war, und zwar der jeegendreichen großen Mutter, mitht
auch der Iſis. Zu Koptos, jagt Aelian (10. 23), ward Iſis mit Trauer
dienſt rerebrt von den rauen, und vieje waren durch Die Gnade der
Göttin, mann fie ihr trauerten, von ten Sforpionen verfchont, mochten
fie auf ter Erde ichlafen, mochten fie barfuß gehen, ja wenn jie auf
einen Zforpion traten, verlegte er ſie nicht. Dieſes Mährchen zeigt bie
Ins ebenfalls ald Skorpiongöttin; warum man aber eine Eigenjchaft ober
ein Verhaͤliniß ter großen Mutter mit vielem Geichöpf bezeichnete, ift
tunfel. Ten Zfiris nennt Plutarch (33) ſchwarz, ven Horus aber weil,
ven Tophon roth, tie Iſis aber ward buntgefleivet genannt, ald Erde;
tod jeben wir nur jo tie Erve jelbft und die Kuh Hathor in ten
Tenfmälern.
Ifis, Ofiris, Horum 931
Der Name des Oſiris, Aegyptiſch Hesiri, *) bezeichnet biefen ala
t Augapfel oder das Auge der Iſis, und hieroglyphiſch wird daher fein
me mit dem Thron und dem Auge geſchrieben. Cine folche Benen-
ig kann Feine befondere Kigenfchaft ausprüden, fonvern muß eine
neichelhafte feyn. So finden wir Atmu, Auge der Götter genannt,
ı eine Sdttin Auge ver Sonne. In den Todtenbüchern führt dieſer
t der Namen fehr viele, (häufig geben fie ein Verzeichniß von neun
vierzig Namen deſſelben, und in den Hieroglyphen heißt er Herr des
Ren, Herr von Abydus, Herr der Welt, Herr des Lebens, ewiger
rſcher, König der Götter). Doc meil es von ihm nur eine Form
‚in fo weit naͤmlich, dag man nicht aus verfchievenen Eigenſchaften
ihm Bormen fo ausprägte, daß fie ald andere Gottheiten erfchienen,
e8 bey den Hundsfterngottheiten gefchehen ift, fo machten fich Feine
nen fo geltenn, daß fle das Uebergewicht über den Namen Oſiris
men hätten, und er unter einem ſolchen, als ein felbftfländiger
t verehrt worden wäre, bei deßen Verehrung man nicht gevacht hätte,
Oſiris zu verehren. Sein Name Auge ver Iſis veranlaßte, ihm
» Auge zur Bezeichnung zu geben, und Dinge, welche mit Punkten
vet waren, die man ald Augen bezeichnen Fünnte. So fehen wir denn
| mit Augen überfäete Leopardfell in feiner Hieroglyphe als fein Zeichen,
ches im Reich der Todten, wo er ald Richter auf dem Throne
„ vor ihn an einem Stod aufgehängt ft, um ihn ald dad Auge zu
tichnen. Er ſelbſt bat in manchen Darftellungen die Kleidung mit
ben Augen vorftellenden Flecken überdeckt, und die Priefter trugen bei
lichen Handlungen das Leopardfell, wie auch der König, wann er als
bepriefter auftrat, woher wahrfcheinlic dad mit ähnlichen Flecken vers
ene Rehfell im Griehifhen Dionyfoscult ftammt; denn bei der Auß-
dung deflelben ward der DOftriscult benugt. Das Leopardfell war e8
er nicht allein, womit Oftris bezeichnet war, denn wir fehen neben ihm
& einen mit Flecken reichlich bevedten Fiſch an einer Stange aufge-
ngt, woraus erhellt, daß bei dem Leoparden in feiner Beziehung zu
ſiris nichts weiter berüdfichtigt ward, als jene Flecken. Don Thieren
*) Die Griechen nennen ihn immer Oſiris, wiewohl SHellanifus von ben
Prieftern gehört hatte, er heiße nicht fo, ſondern Hyſiris, nach Plutarchs
Bericht (34), welcher Leßtere uns (10) belehrt, Oftris bedeute nach Manchen
vieläugig von os, viel, und iri, Auge, und diefes giebt auch Diodor (1. 11)
als die Bedeutung des Namens an. Daß dies falfch fey, lehren die Hiero⸗
glyphen, und asch oder osch, viel, findet fih nur im Koptifchen, und
entfpricht dem Aegyptiſchen cha, viele, was mit hes nichts gemein Bat.
Hermelas erklärte bei Piutarch (37) jedoch ganz anders; denn er fagte,
Oſiris bedeute den Starfen.
2323 Sfis, Dfiris, Sormi.
finden wir den Reiher (ben genannt) mit Oflris in Verbindung,
wir fehen ven Gott mit vem Neiherfopf (abgebildet bei Wilkinfon T
35), auf welchem vie Schaafhörner find, an den Enden mit bem
geſchmuͤckt, und darüber ver Kopfſchmuck des Oſtris, welcher in ver o
Krone mit einer Straußfever zu jeder Seite beftebt, und bier in
Lotusblume endigt. Peitiche und Krummſtab, feine gewöhnlichen
bute, bat er in den Händen und iſt mumienartig bargeftellt. Unter
Gewächſen ift ihm die Tamaridfe geweiht, ägnptifch aser (koptiſch
genannt, und mir haben diefen Baum, koptiſch schenosi, Tamarisken
ald ven Lebensbaum des Oſtris zu betrachten, während ber nä
Lebendbaum ver großen Mutter, die Perfea oder Syfomore war,
füße Brüchte gaben. Zu Byblus in Phönicien war in einer Tama
der Leib des ermorbeten Oſiris aufbewahrt geblieben; fein Grab weh
von berfelben überfchattet, und in dem heiligen Gemache des Tempe ah
Inſel Philä, findet fie fich dargeftelt, fo wie fie in einem Tleinen 6;
zu Kleindiospolis, wo ber Reiher in ihren Zweigen figt, den Namen id
Oſiris begleitet. Auf ver Infel Philä fiup zwei Priefter zu beiden Seit
und begiegen fie mit Waßer. (Die Griechen nahmen, weil ihnen Ofidt
ganz und gar als ihr Dionyſos galt, die Tamaridfe für den Dionyſiſchen
Epheu, und fagten, der Epheu heiße Chenoftris, wie Plutarch (37) fagt,
was Gewächs des Dfirid bedeuten follte, fo daß fie auch laut Dioder
(1. 11) den Epheu eine Erfindung des Oſiris nannten. Chenoftris aber
heißt nicht Gewächs des Oſiris, ſondern chenaser heißt Tamariskenbaum,
und der Epheu war dem Dfirid nicht geweiht, und konnte es nicht fern,
weil dieſes Gewächs in Aegypten nidyt war.) Daß vie Tamariske ein
Bild ſeyn follte des auch unter dem jcheinbareu Abfterben fortlebenven
und immer wieder zu neuer Kraft kommenden Gottes, dürfen wir annehmen;
denn fo waren die Perſea und die Sykomore auch Xebensbäume, weil fie
immer und immer wieder ſüße Nahrung fprofen. Die Bedeutung des
Reihers ift nicht klar, er lebt in bebauten Gefilden und folgt dem Pflug,
weßhalb er von den Sranzofen gardeboeuf genannt wird; auch frißt er
die Würmer und Inſecten des frifchaufgerißenen Bodens. Wollte man
nun annehmen, weil Oſiris der Vater der Saat ift, habe man ihm ven
Reiber, der angegebenen Eigenjchaften wegen, geweiht, fo wäre das nicht
geradezu unmöglich zu nennen, aber wahrfcheinlich ift es nicht, ſondern
biefem Vogel jcheint eine Eigenfchaft beigelegt gewefen zu feyn, oder er
diente als Hieroglyphe zu einer ſolchen, welche man auch dem Oftris bei⸗
legte und an ihm durch den Reiher bezeichnete. Wenn Plutarch (5) fagt,
überall fehe man das Bild des Oſiris menſchlich geftaltet, mit aufgerich⸗
tetem Zeugeglieve, und man befleive es mit einem feuerfarbenen Gewande,
(mad auf fein Weſen ald Sonne zu beziehen fey), fo beflätigen vie Denk
mäler viefe Angabe durchaus nicht. Doch davon fol weiter unten bie
sfts, Dfiris, Soruß. 233
ve ſeyn. Plutarch (51) fagt auch, Oſiris werde durch den Sperber
tgeſtellt, und wir finden zwar dieſen Gott unter andern, wohl aud
mal jperberföpfig gebildet, doch auf den Denfmälern ift Horus, nicht
eis unter dem Bilde des Sperbers zu ſehen. Daß das Auge und
spter ihn bezeichne, wie Plutarch (10) angiebt, (Macrobius 1. 21 jagt,
Sonnengott Oſiris werde mit dem mit einem Auge verjehenen Scepter
ichnet, er, der mit Föniglicher Gewalt von oben auf Alles herab⸗
fe), ift in fo fern wahr, als er das Auge zum bierogipphifchen Zeichen
und nebft ver Peitfche, dem Zeichen der Herrichaft, den Krummſtab
t, ald das ihm eigene Scepter, welches die Augen bezeichnenven
fen Hat, und wahrſcheinlich vom Hirtenftab entlehnt ift. *)
8) Die Deutungen bes Oſiris, welche wir bei den Griechen finden, find, wenn
auch nicht immer der Sache nach ganz verwerflich, doch alle unerwielen
und unerweislich; denn es ift nichts in der Mythologie diefes Gottes ent:
halten, was hinreichen Fünnte, um mit Beftinnmtheit darzuthun, daß diefer
oder jener Theil der Natur, wie 3. B. das Wußer oder die Sonne u. |. w.,
in ihm als das Zeugende zu einer Gottheit perfonificirt worden wäre.
Nanche erflärten ihn für den Nil, und diefe beriefen fich, fagt Plutarch (32),
darauf, daß in ber heiligen Kronvsflage diefer als Vater des Oſiris Flage,
fein auf der linfen Seite gebohrener Sohn komme auf der rechten Seite
um. Die Aegypter nämlich hielten den DOften für das Antli der Welt,
den Norden für rechts, den Suven fir links; der Nil aber geht von Süden
nach Norden. Am fiebenzehnten des Monats Athyr ift Vollmond, fagt
Plutarch (42), und Ofiris foll da umgefonmen feyn, fagt er (39), weil der
Nil jegt abnimmt, wobei denn Typhon als Trodenheit erflärt wird, wodurch
der Mil fich verkleinert, und die Nethiopenfönigin, welche dem Typhon hilft,
als Südwind gilt, der die nach Nethivpien ziehenden Wolfen abhält, welche
den Nil nühren. Die weiferen Priefter, führt Plutarch (33) fort, hielten
den DOftris nicht für den Nil, und den Typhon nicht für das Meer, in
welchem der Nil gleichfam feinen Tod findet (und wahrlich, wie hätte man
ben Tod des Flußes, fein gänzliches Verſchwinden und Wiederfinden in
Trauer und Freude feiern Ffünnen, da er das ganze Jahr hindurch fchiffbar
war und Jedermann fein Waßer franf!), fondern fie nannten nicht nur den
Nil, vielmehr jedes Naß einen Ausfluß des Oftris. Andere, heißt es weiter (34),
erklärten den Oſiris für den Okeanos und Iſis für Tethys (gewiß mit
Rückſicht auf die Griechiſche Mythologie, welche diefe zu den älteften Göttern
macht, oder weil der Nil als Dfeanos gedeutet ward). Auch fullte Ofiris
darum ſchwarz feyn, weil die Feuchtigfeit ſchwarz macht, z. B. die Erbe,
die Zeuge, die Wolfen. Iſis war für eine foldye Auslegung die von dem
Nil genegte Erde, aber Fein weiterer Theil derfelben, und ihr Erzeugniß,
der Horus, galt nicht als Seegensfind der Erde, ſondern als Beichaffenheit
der Atmofphäre, die Alles erhält.und nährt; und daß er zu Buto erzogen
fey, deuteten fie davon, daß dort die vom Nil genetzte Erde die Luft mit
Feuchtigkeit erfüllt.
Wollten nın die Einen, Oſiris fey das Waßer, fo wollten Andere, er
231 Iſis, Oſiris, Soru.
Oſiris erzeugt mit der Iſis den Horus, Aegyptiſch hr, von den Grieche
ſey die Sonne und Iſis der Mond, wie Plutarch (52) berichtet, und bie
leiteten feinen Namen iv ab, daß fie O für den Artifel annahmen m
Siris aus Seirios gebildet glaubten (diefe müßen Griechen gewefen feyi;
denn einem Aegypter fonnte O nicht für den Artikel gelten). Auch gab HE
eine Auslegung, welche, wie uns Plutarch (41) meldet, den Typhon fr
folarifh erflärte (Manche fchrieben ihm, heißt es [51], die Sonnenfdelk
zu) und ben Oſiris für Iunariich, weil ber Mond ein feuchtes zeugendei,
Licht habe, die Sonne ein austrodnenves. Diefe Anſicht vom Mondligk
mag, außer den auf die Mondhörner leicht zu deutenden Kuhhörnern, aut;
bei der Iſis mitgewirft haben, ſie als Mond zu erflären, wiewohl ein ange
nommener Einfluß des Monde auf die Geburt jede Göttin derſelben de
nach einer Deutung Suchenden als Mondgöttin erfcheinen laßen Fonzk.
Denen nun, welche Ifis ale Mond auslegten, fehlte es auch nicht an dam
Deutung ihres Trauerfleids; denn diefes flellte nun dar die Berbergungs
und Befchattungen, womit fle der Sonne, diefe fuchend, folgt, und da M
auch den Liebespingen vorftınd, und der Mond, wie Plutarch (52) fagt,
auch für diefe angerufen warb, fo beftütigte fich den Erflärern ihre Deutung
auch dadurch. Bei Oſiris wußten die Erklärer aber außer ber fenchten
zeugenden Natur nod) andere Beweife für ihre Deutung zu finden, wie uns
Plutarch (43 flg.) meldet. Man machte ven Todtenfaften für die Beftattung
des Oftris fihelfürmig, wie der Mond ift, wann er fi der Sonne nähe
und fi verbirgt. Auch follte das Wuchfen des Nils mit dem Monde in
Berbindung ftehen; denn feine höchfte Höhe bei Elephantine komme, heißt
es, auf acht und zwanzig Tage, in wie vielen Tagen der Mond feinen
Umlauf macht, zu Memphis aber komme feine Höhe auf vierzehn Ellen,
was der Zeit des Neumonds entfpricht, bei Mendes und Xois, wo er am
niedrigften if, fomme feine Höhe auf ſechs Ellen, in wie viel Tagen ber
Mondkreis Halb wirt. (So kleinlich wurden diefe Deutungen durchgeführt,
um falſche Erklärungen genau zu beweifen.) Alles für den Mond Oftis
zufammen fuchend, fanden fie zu weiterer Beſtätigung, daß Apis, welder
das befeelte Bild diefes Gottes feyn follte, vom Mondſtrahle gezengt werke,
und ein mondförmiges Zeichen habe. Ja der Mond wurde für die Mu
der Welt erflärt und infofern für mannweiblich, als er gedeutet warb v
der Sonne empfangend und wieder befruchtenn, wo denn Horus ale bie
irdifche Welt galt. Dem Monpofiris gegenüber war es etwas fchwer, feinen
Feind Typhon zu deuten, doch man wußte fich zu Helfen, und erklärte ihn,
wie Plutarch ſagt, für den Erpfchatten, welcher den Mond verfinftert. San;
anders meinten Manche den Oftris deuten zu müßen, welche fagten, er werde
begraben, wann das Saamenkorn in die Erde gefenkt wird, laut Plutarch (65).
Die Hermesfchriften gaben den Horus für die Kraft des Sonnenlanfes und
den Oſiris für die des Windes aus, die auch Sarapis und Aegyptiſch Sothi
heiße, wie Plutarch (61) angiebt, was das Empfangen, Schwangerſeyn
bedeute. Tertullian erklärte den Ofiris für das Jahr in feiner Wiederkehr
und Porphyrius bei Eufebius (3. 11) für die Kraft der Früchte, ober
die des Nil.
Iſis, Dfiris, Horus. 235
entweder Horos, Oros, oder Har⸗Ar⸗ genannt *), melcher Fein anderer
Gott jeyn Fann, ald der alle Jahre von der großen Mutter gebohrene
Seegen des Jahre, dad Seegenskind, von welchem das Heil der Menfchen
abhängt. Was fein Name beveute, Täßt fich nicht mit Gewißheit fagen;
benn es fehlt an einem hieroglyphiſchen Zeichen, melches vielleicht und auf
bie Spur des rechten Wortes führen könnte. Möglich wäre e8, daß er
ber Erfchienene bieße, ver fihtbar gewordene Gott; denn her
bieß offenbaren, und eine foldye Benennung würde bei diefem Gott, auf
deßen Erſcheinung alle barrten, eine paßende feyn. Auch findet dieſe
Erklärung eine Stüße in ver Angabe Plutarchs, welcher (56) meldet: ven
Horus pflegen fie Kaimis zu nennen, was bedeuten fol Gefehener,
und daß dieſe Angabe nicht ganz falſch feyn müße, ift gewiß, denn mi
Beißt ſehen und ka-mi fann heißen dargebracht dem Sehen. Mag biefe
Ableitung aber auch zu bezweifeln feyn, fo fehen wir doch, daß man e8
Wei dieſem Gotte nicht für ungehörig hielt, ihn, den Gefehenen, ven Geof-
Wubarten oder zur Ericheinung gefommenen zu heißen. Die Griechen
wannten den jungen Horus in fpäterer Zeit (nicht vor ven Ptolemäern)
Sarpofrates, welche Benennung jedoch vie Denkmäler nicht enthalten, und
weil der junge Horus ald Kind dargeftelt ward mit dem Pinger am
Munde, welches die bilvliche Bezeichnung des Saugens war, alfo das Kind
ald ein ſäugendes bezeichnete, fo dichtete eine fpäte Zeit, dieſe Gebärbe
nicht verftebenn, einen Harpokrates, als einen Gott des Stillſchweigens,
und wiewohl die Darftelungen ver Denkmäler nicht dazu beredhtigen, dem
Horuskinde lahme Beine anzudichten, fo mußte doch Harpokrates, aufgefapt
als ein noch zum Gehen zu ſchwaches Kind, lahme Beine haben, wie wir
bei Plutarch (68) Iefen. Da man einmal dieſes Mährchen vom Gotte
des Stillfehweigend mit den lahmen Beinen aus Mißverftand gevichtet
hatte, fo wußte man auch Rath zu fchaffen für die Urſache ver Lahmheit;
denn man bichtete weiter, wie wir bei Plutarch (19) lefen, es habe Oſtris
sach feinem Tode die Iſis umarmt, und aus diefer Umarmung fey Harpo⸗
bu entfprungen. Ueber feine Geburt aber weiß Plutarch (65) zu
erzählen, Iſis babe, als fie mit ihm fchmanger war, am fechsten des
Monats Phaophi ein Amulet umgehängt (dad Amulet ver Iſis fol wahre
Stimme beveuten, fagt Plutarch 68), und ihn zur Zeit der Winter-
wende gebohren, das Wochenbett aber werde nach dem Frühlingsäquinoctium
gefeiert. Man bradıte ibm die Bohnenerftlinge und im Monat Mefori
Sülfenfrucht dar, wobei man ſprach: die Zunge ift Glück, die Zunge ift
Dämon. Ja manche deuteten deßhalb ven Harpofrates als Hülfenfrucht,
wie Plutarch (65) bemerkt. Man hätte allerdings verſchiedene Gaben der
*) Die Griechen ftellten diefen Namen mit ihrem Worte hora zuſammen,
welches die Zeit, ven Brühling, die Hore bedeutet.
236 Iſis, Oſiris, Horus.
Natur zu verſchiedenen Kindern der Iſis machen koͤnnen, und fo au
Hülfenfruht von dem Getraide fcheiden mögen, wie wir in der Gr
fhen Mythologie bei Demeter die Gabe der Bohnen in Arkavien bef
hervorgehoben fehen als eine eigene neben ver Gabe des Getraives,
Böttin fie hauptlächlich war; aber die Aegyptifche Mythologie Eennt
ein Seegensbild der großen Mutter, ven Horus, welcher, wie wir aus li
Namen Harpofrates fehen, auch, wenn gleich nicht in den Denfmälz
Horus dad Kind (Harspaschrut) genannt ward. Wenn e8 nun audge
Plutarch Heißt, vemfelben fey die Perfea (die Uegyptifche Mandel) gem
geweien, fo heißt das nichts weiter, alö der Baum des Lebens; venwa
Perfea war ein foldyer, fey dem Horus, ald dem Lebendgotte geweiht,
ein 2ebendgott war der Jahresfeegen, den Oſtiris mit Iſis erzeugt, %
die Nilüberſchwemmung die durch den Typhonifchen Brand abgeftcse
Zeugefraft ver Natur wieder in dad Leben gerufen hat. Schon am dre«
ften des Monats Epiphi, welches ver vorlegte der Aegyptifchen Ve
ift, feierte man den Geburtötag der Augen des Horus, wann Sonn
Mond zufammentreffen, denn Sonne und Mond follen die Augewt
Horus feyn, wie und Plutardy (52) melvet. Diefe Feier ned Zufami
treffend beider zeitbeftimmenven Geftirne am letzten Tage des Eyiyhf
feinen guten Grund darin, daß ed daß legte Zufammentreffen verfelben
vor dem Aufgange des Sirius, weldyer die Nilüberſchwemmung brä
ohne die Horus nicht erzeugt werden Fonnte. Der Ausdruck aber, weld
Sonne und Mond die Augen des Horus nennt, ift für und fehr fremt, |
Aegyptifchen aber muß eine foldye Bezeichnung nicht felten gemefen ed
denn fo lefen wir auch bei Plutarch (55) Typhon Tolle das eine Au
des Horus gejchlagen, ein anvdermal gar es herausgerißen und verfchlung
und dann der Sonne wiedergegeben haben. (In dem von Champolli
veröffentlichen Papyrus heißt ed, Her=uer, Herr der Sonnengeifter, 1
mwohlthätige Auge der Sonne. Dieſes Elingt noch feltfamer und frem
als jener Ausdruck) Sonderbar auch lautet es für und, daß nach Ma
thos, wie Plutarch (62) berichtet, ver Magnet Horusfnochen, und '
Eiſen Typhonsknochen geheißen haben fol.
Don einem andern Namen des Horus, welchen mir nicht volftän
verftehen, hören wir auch durch die Griechen, ohne ihn in den De
mälern zu finden. Arſaphes lautet vieler, wie Plutar (37) berich
indem er erzählt: Arifton, welcher vie Colonie der Athener ſchrieb, fi
auf einen Brief des Alexarchos, in welchem angegeben wird, des 8
und der Iſis Sohn Dionyfos heiße bei ven Aegyptern nicht Oſiris, fond
Arſaphes, welcher Name die Männlichkeit, vie Tüchtigfeit bezeichne. 2
die Griechen den Her-ur, Ar-ueris nannten, fo ift auch in Arfanhes
Sylbe Ar nichts anders, als der Name des Horus; denn gerade in!
gg imenfegung fagten die Griechen Ar ftatt Horus. Was das auf
Iſis, Dfiris, Horus. 237
ende ſaphes bedeute, wißen wir nicht. Als Arueris wird Horus als
Große, Herrliche bezeichnet; denn ur (koptiſch uer) bedeutet groß,
xtlich, und dieſen ſehen wir in den Denfmälern mit dem Sperberkopf,
dem Pſchent darauf, Kukuphaſcepter und Zeichen des Lebens haltend,
er Leben ausgießend, und auch Nub, d. i. der Goldne, genannt zur
Wezeichnung feiner Herrlichkeit. Er fol nach ver oben in der Mythologie
8 Seh angegebenen Genealogie ein Sohn des Ra und der Nutpe und
gear ver ältere Bruder des Oſiris jeyn (in der hieroglyphiſchen Legende
Phila heißt er Sohn von Seb und Nutpe, dargeftellt ald Sperberiphinr,
&i. wohl ald König), oder, da er nun einmal nach der Mythologie, wie
e ſich in der Iſisſage feftgeftellt hatte, ein Sohn ver Iſis feyn mußte,
Ben Oſiris und Iſis ihn, als fie noch im Mutterleib beifammen waren,
pa Siehe ergriffen, mit einander gezeugt haben. Es gab jedoch nur einen
u, das Seegenskind der Iſis, gezeugt von Oftrie, und die Trennung
joe it nur ein Deutungdverfuch, welcher ven großen Horus von
ſaut dem Kinde, fcheiden wollte, und aus zwei Formen des nämlichen
u zwei Sottheiten, dem wahren Sinne ded Mythus ganz zumider,
An. Denn daß der fperberföpfige große Horus Fein anderer fey,
a Seegenskind, würde, wenn es überhaupt eined Beweiſes bevürfte,
u Sathor beweifen. Diefe heißt die irdifche Wohnung des Horus,
R der Name geveutet wird, und ihre Hieroglyphe ift dad Haus mit
en Sperber darin, fo daß alfo der Sperber den Horus, welchen Hathor
met, bezeichnet, und an ihrer Bruft fehen wir dad Seegenskind, gerade
Me an der Bruft der Iſis, fie ift die Kuh, die Gebärerin und Nährerin
Ws Lebens, wie Iſis, da fie ja nichts als eine Korm verfelben, ober viefe
Göttin unter einem ihrer Namen if. Der Sperber aber ward zum Sinn-
bilde des Horus genommen, weil er als Sinnbild des Na den Königd-
Hanz bezeichnet, fo daß Horus mit dem Sperberfopf Horus der König ifl.
Daß aber Aruerid auch als der angefeben ward, welcher fpäter Harpo⸗
intes hieß, geht daraus hervor, daß ed in dem Mährchen heißt, Typhon
den Uruerid wegen feiner Erzeugung als unehelich angeklagt, und
e jey lahm in dem Dunfel gebohren. Demnad Liegen auch die, welche
on Arueris fabelten, ihn für lahm gelten, was auf das Kind geht, welches
un ald Harpokrates von einem älteren Horus fcheiden wollte. Edfu, wo
jorhat, Hor⸗ſent⸗to, d. i. Horus, Rächer over Stüge ver Welt, und Hathor
erehrt wurden, *) hatte feinen Namen von Horus; Ev ift nämlich aus dem
ten Hat entftanden, und dieſen Namen hatte Horus als ein Beſchützer,
ind trägt unter demfelben die Krone von Ober- und Unterägypten, und
eiſcheint als Sperber, fo wie auch ver befchwingte Globus Hat genannt
wird als Bejchüger, und in ven Tempeln ver Ptolemäerzeit fieht man ven
*) Strabo (817) fagt: zu Hermunthis wird Zeus und Apollon verehrt.
238 Iſis, Dfiris, Horus.
Hat beſchwingt mit dem Speer und dem Pſchent. Als Beſchützer erſchei
Horus auch, wo er mit Thoth, oder dem Nil ſich findet, wann ver Thrd
des Königs mit Waßerpflanzen gebunden wird, fo wie wann er fpert
föpfig die Zeichen von Xeben und Macht über den König bei ver Krönung
ausgießt mit dem Thoth oder Nub, in welchen Scenen er für Oben
ägypten, Nub für Linterägypten erfcheint. (Der gefchmingte mit venff
Uräus umgebene Globus, welcher Geierflügel bat, ift zwar auch Hat, d.Lf
Schüber, Fann aber nicht als Horus genommen werden. Eben fo
Scarabäus, der die Sonnenfugel mit ven Vorderfüßen tragenn hält, um,
der Sperber, den man über dem opfernden König und fonft ſchwebenn
erblidt. Denn Horus ift zwar auch Hat, Schüber, aber die Sinnbilden
des Schußes, over der gute Genius, wenn man dieſen Namen gebraudeng
wi, Fünnen darum nicht für den Horus gelten.) Zu Edfu oder Gre
Apollinopolis erfcheint Horus mit dem Kömwenfopf und Discus und if"
den Affen in der Hand. (Er fteht in einem Boot und vor ihm find The, |
Iſis, Nephthys und zwei andere Gdttinnen, in der Stellung Betender uk
er durchbohrt das Haupt des Apep mit dem Speer.) Diefer Lömwentft,
ſtellt ihn bildlich als Sonne, d. i. König dar, wie der Sperberfphine a}
Phild. Der Aruerid oder Horus mit dem Sperberfopf kommt in bei!
Unterwelt eben fo gut vor wie Horus dad Kind oder Harpofrates, und ia
beiden Geftalten bezieht er fi auf dad Leben; denn der Tode findet t
Amenti, wenn er zugelaßen wird, Leben. Als fperberföpfiger Horus fühl;
er die Seele, welche ihr Urtheil empfangen hat, vor den Oſtris, auch fiel
er dem Anubis bei der Gerichtöwage bei, und der gleiche Sinn, welden
Horus in diefen Beziehungen hat, findet fi} in dem Sperber, ver in ver
Gräbern auf hölzernen Tafeln und zumeilen an den Mumienkaſten abge
bildet ifl. Da Horus ald das erzeugte Leben, das Leben jelbft ift und ver
Seegen, der zur Herrſchaft gelangt über ven Uinfeegen, fo ift er ein König,
mit dem man die Könige vergleicht. Als Harfe findet fi Horus i
Theben zu Amun und Tamun geftelt auf Denfmälern ver achtzehntt
Dynaſtie, gebildet wie Harpofrates und ald Pnebto, d. i. Herr der Wei
zu Ombos, wo er mit Aroerid und ITfontnefru zufammen erfcheint, d.
mit Iſis, weldde mit dem Namen t- fent=nefru, die Schwefter des Guten
genannt wird, d. i. des Oſiris; denn dieſer ift der Gute. War nun einer
feit8 Horus das Kind mit der Gebärde des Säugend und der Jugend⸗
Iode *), fo mußte man doch auch andererſeits einen größeren, einen
*) Da Horus, von den Griechen Apollon genannt, als Sonnengott gedeutet
ward, und man biefe Kinderlode fo falfch verftand, daB man annahm, et
fey an der linken Seite des Hauptes gejchoren, weil dieſe Lode an de
rechten war, deutete man diefes alfo: die Sonne, auch wann fie von und
nicht gefehen werbe, habe die Kraft, ſich wieder zu erheben, wie das abge:
Iſis, Dfiris, Horus. 239
tigen Horus darſtellen; denn er räcıte ja feinen Vater am Typhon,
ug Diefen im Kampfe und ward König, welcher in der Babel von ver
terherrfchaft die letzte Zeit dverfelben über Aegypten herrfchte. *)
fhorene Haar fi wieder aus den verbliebenen Wurzeln erhebt, und die
Kraft der Sonne wachfe wieder aus ihrem fchwachen Zuftande, wann fie,
zum Winterſolſtitium gefommen, wie wir bei Macrobins (1. 21) lefen. —
Daß die fpäte Zeit den Horus als einen Priapus anfah, fehen wir Bei
Suidas unter dem Worte Priapus, wo es heißt, Horus fey mit dieſem
einerlei. Allerdings fommt auch das Beifpiel eines Priapifchen Horus vor
zu Denderah bei Burton (Excerpte Tafel 26), der aber nicht alt feyn Fann.
*) Bei Horapollo (I. 8) Tefen wir: um den Ares und die Aphrodite darzuftellen,
malen fie zwei Sperber, von denen fie das Männchen dem Ares, das Weibchen
der Nphrodite vergleichen, weil bei den übrigen Gefchöpfen das Weibchen
nicht jederzeit den Männchen zu Willen ift, wie das Sperberweibchen; denn
wenn es breißigmal am Tage zu Willen war, fo iſt es dem Männchen,
wenn es wiederum von ihm gerufen wird, dennoch folgfam. Deßhalb nennen
die Aegypter jede dem Manne willführige Brau eine Aphrodite, eine nicht
willfährige aber nennen fie nicht fu. Sie weihten darum auch den Sperber
der Sonne, weil er die Zahl dreißig in feiner Bereinigung mit dem
Weibchen erfüllt.
Auf andere Weife bezeichnen fie den Ares und die Aphrodite, indem fie
zwei Krähen malen; denn die Krähe erzeugt zivei Gier, woraus Männchen
und Weibchen entitehen, die verwittmet fich nicht mit andern verbinden,
fondern bis zum Tode einfam bleiben. Daher iſt das Begegnen einer
einzelnen Krähe das Omen einer Verwittwung.
Hier haben wir ein Stückchen Negyptifcher Mythologie, angefertigt in
fpäter Zeit ohne große Anftrengung. In dem mit der Aphrobite, d. i.
Hathor, verbundenen Ares Fünnen wir feinen andern Gott, dem der Sperber
gehörte, fuchen wollen, als den Horus, und auf diefes Zeugniß hin wüßten
wir alfo, wer der Aegyptiſche Ares geweien wäre, der Gemahl feiner Mutter,
der auch den Speer führt, und fih alfo zu einem Ares eignet. Aber
Aegypten wußte von Horus als dem Gatten der Hathor nichts, und dieſer
Ares ift nur eine Griechifche Deutung; weil der Grieche in Ares den Gatten
der Aphrodite (oder ihren Buhlen) fah, fo ward für die Negyptifche foges
nannte Aphrodite ein Battle angenommen und als Ares angefehen, freilich
ſehr ſpät und ſehr feiht. Der Sperber ftellte außerdem bie Hathor gar
nicht ihrem Weſen nad) dar; denn er war nur ihre Namenshieroglyphe, die
den Horus darftellte, deßen Namen in dem ihrigen enthalten ifl. Weil man
nun einen Sperbergott fand, und zwar den, der allerdings mit Hathor, aber
als Sohn und Pflegling in Verbindung war, fo machte man daraus den
Gatten Ares. Die Krähe aber gehörte dem Horus fo wenig, wie ber Hathor,
und fommt in der Aegnptifchen Mythologie nicht vor. In der Griechifchen
gehört fie der Hera, vielleicht weil fle durch ihren Namen korone auf den
Namen kore, das Mähchen, anfpielte, und die Griechen bettelten im Namen
der Kraͤhe (welches Bettellienchen von Athenäus aufbewahrt if), was zu
Kolophon geichah, jedoch vielleicht in Beziehung auf Apollon. Wir müßen
210 Sfis, Dfiris, Horu.
Plutarch (8) meldet anferdem von einem Zöglinge der Iſid, indem
erzählt, daß die Aegyptiſchen Prieiter die Zwiebel vermieden hätten, v
Diktys, der Zögling ver Ifld, nach einer Zwiebel greifend, in ven Flh
gefallen und umgekommen ſev.
Der Iſis-Oſirismythus ift der einzige Aegyptiiche Mythus von einigegge!
Umfang; wir befigen ibn aber nur in Griechifcher Weberlieferung, un
Iefen ihn am vollitänpigften bei Plutarch (13 und weiter) folgennermapei®
erzählt: Oſiris befreite, als er zur Herrſchaft gelangte, die Aegypter ı
ihrem thierartigen Leben, lehrte ven Anbau ver Früchte, gab Gefeke I
führte Gotteöverehrung ein. Dann z0g er durch die Welt, und entwilder
die Menfchen durch Belehrung und durch Poefie und Muſik, währenn fein
Gattin Iſis zu Haufe herrſchte. Typhon aber verſchwor fih mit zwei wu!
fiebenzig Genogen und der Königin Ajo von Xethiopien, und ließ eig
Kaflen von der Größe des Oſiris aufs herrlichfte machen und venf Ka:
ald ver nach Haus zurüdgefehrte Ofiris bei ihm zum Mahle war, berief
bringen. Die Gäfte bemunderten den Kaften und Typhon verſprach yaı
felben demjenigen, weldyer hinein paßen würde. Als Feiner von
Andern, welche es verfuchten, hineinpaßte, legte ſich zulegt Oftris hines;|
und nun that Typhon ſchnell den Dedel varauf, Töthete den Kaften gi
und warf ihn in den Nil, welcher ihn durch die Tanaitifhe Mündung ig
das Meer führte, weßhalb dieſe Nilmündung bei den Aegyptern verwänft
ift. Dieſes aber geſchah am fiebenzehnten Tage des Monats Athyr, —
diefer Zeit warb der Schrein der Ifid getragen) wann die Sonne bu
ten Scorpion wandert, im acht und zwanzigften Jahre ver Herrfchaft obes $:
des Lebens des Oſtris, wie Andere fagen. (Den jlebenzehnten verwünfchten
auch die Pythagoräer, bemerkt Plutardh.)
Als die Pane und die Satyrn, welche um Chemmis wohnen, ber
Tod des Oſiris erfahren hatten, jagten fie den Menfchen Schredien dami
ein, woher man denn plößliche Schreden Banifche nennt. Sobald Iſ
die Kunde vernahm, legte fie ein Trauergewand an und ſchnitt ſich ein
Locke ab an der Stätte, welche jet Kopto Heißt, von dem Griechiſch
Worte foptein, fihneiven, wogegen aber Anvere meinen, Kopto bebeni
daher, was bei Horapollo den Aegyptern angebichtet wird, als von ben
Griechen in feichter Erdichtung auf Aegypten übertragen betrachten, nad
fünnen nichts daraus für den Horus, fo wenig wie für Hathor gewinnen.
Für eine etwaige Bedeutjamfeit der Krähe bei ten Aegyptern bietet Aelian {
(6. 7) noch die Erzählung dar: bei tem See Möris, wo Krokodilſtadt if,
zeigt man das Grab einer Krähe. Der König Marres nämlich hatte eine
iehr zahme Krähe, tie ihm aufs ſchnellſte alle Botjchaften beforgte und
verftand, wohin fie gefchict ward. Diefe nun ehrte Marres, als fe geſtorben
war, mit einem Grab und einer Denkſäule. Herodot wußte freilich von
biefer Denffänle einer Krähe nichts und Strabo eben fo wenig.
fie, Dfiris, Horus. 91
kmaubung. Bon Angft erfüllt fchmweifte die Obttin nun überall herum
6b forfchte, bis ihr endlich Knaben, welche die Sache gefehen hatten, vie
Imündung zeigten, durch welche die Genoßen des Typhon ven Kaften in
ı Meer binaudgefandt. Daher fol denn auch der Glaube an die weißn-
de Kraft der Knaben flammen, und wenn fie in Tempelräumen fpielend
zufällige Wort fprechen, gilt diejes als Vorbeveutung. Berner erfuhr
I, daß Ofiris die Nephthys umarmt hatte, in ver Meinung, es fey Iſis,
» erfannte die Wahrheit aus dem Melilotußfranze, den er bei ber
mefter zurüdgelaßen hatte. Da nun Nephthys aus Furcht vor dem
tten Typhon das aus der Umarmung des Dftris gebohrene Knaͤbchen
ubis ausgeſetzt Hatte, fo fuchte Iſis dafjelbe mit Hülfe ſpürender Hunde
f, erzog ed und nahm es zu ihrer Begleitung und ihrem Schuge mit
.» %) Endlich hörte fie, der Kaften ſey bei Byblos von dem Meere
Bgeipült worden und die Wallung Habe ihn fanft in eine Heideſtaude
amarisfe) getrieben. Diefe wuchs herrlich zu einem Baume auf, und
uſchloß den Kaften, jo daß er ganz darin verborgen war, der bortige
Nig aber, des Baumes Größe bewundernd, hieb den Theil ab, welcher
or Raften einfchloß und machte eine Säule feines Haufe daraus. (Im
Rybelevienft warb das Attesbild an eine Bichte gehängt, dieſe dann abges
Isuen und in ven Tempel ver Göttin getragen.) Iſis nun gelangte nad
8 und fette fich dafelbft weinend an einen Duell, ohne mit Jemand
ſprechen; al8 aber die Dienerinnen der Königin Famen, grüßte te dies
ben, ordnete ihnen das Haar und gab ihrem LKeibe einen lieblichen Duft,
soburch die Königin beivogen ward, die Iſis holen zu laßen und ihr die
Inziehung ihres Knäbchens anzuvertrauen. Jener König nun hieß Mal-
andros. (Diefer Name ift halb phöniciich, Halb griechiſch und beveutet
Kinig= Mann, woraus erhellt, daß er erfunden ift, nur um einen Namen
a der Babel zu haben, ohne in dem Naturmythus eine befondere Eigen-
haft auszubrüden.) Die Königin aber hieß Aftarte (viefer Name ift
gen von großer Bedeutung; denn er nennt und die große Sprifche
Be melche unter dem Namen der Aphrodite zu den Griechen Fam,
welche ver Iſis ihrem Weſen nad) als große Naturmutter auf das
Innigfte verwandt ift); doch Andere nannten dieſe Königin Saoſis
er Nemanun, was im Griechifchen ohngefähr vie Athenäifche beveu-
ten würde.
— — — —
*) Eudoxus bei Plutarch (21) ſagt: die Griechen nannten den Hundoſtern
Hund der Ifis, die Aegypter aber Sothiés, und Plutarch (38) ſelbſt bemerkt,
der Sirius gehöre der Iſis. Bei Diodor (1. 81) Heißt es, die Hunde
dienten dem Oſiris und der Iſis zur leiblichen Bewachung und führten
ſchirmend die Iſis, als fle den Ofiris fuchte, und darum gehen am Sfisfefte
bie Hunde voran.
16
242 Iſis, Oſiris, HSorum.
So pflegte und nährte denn Iſis nun das Köonigskind zu Byble
indem fie ihm den Singer in den Mund ftedte. (Diefes iſt die Gebäe
des Säugend, welches im Bilde damit bezeichnet wird.) Nachts aber läuter
fie es im Feuer von dem GSterblichen feines Leibes und flog oft al
Schwalbe *) zu jener Säule und klagte. Doch vie Königin belauſch
die Iſis in ihrem Ihun, und als fie ihr Kind in dem euer erblidiggl
brach fie aus in Gefchrei und verhinderte fo die Unfterblichfeit deſſelben
Iſis aber, als fie ſich entvect fah, forderte jene Säule, welche den Kafle
des Oſiris einfchloß, zum Lohne, und erbielt fie. Dann löfte fie Teidk
das Holz ded Baumes von dem Kaften, widelte e8 in gefalbtes Linz
und gab ed dem Könige und der Königin, und ed ward fortan vafelbft I
dem Tempel der Iſis verehrt. Sie aber warf fih an dem Kaften nick
und jammerte fo heftig, daß der jüngere Sohn des Königs davon ſta
mit dem älteren aber und mit dem Kaſten begab fie fih zu Schiff, m
da der Fluß Phaͤdros gegen Morgen rauberen Wind erhub, trodnete
ihn im Zorne aus. Sobald nun aber Iſis ruhig für ſich war, dffnete f N
den Kaften, Eüßte das Angeſicht des Todten und nebte es mit i
Thränen. Der Königsknabe aus Byblus Fam während dem ſtill Hinte
ihrem Rüden herbei und fchaute ihr zu, worüber fte fi fo zornig ume:
blickte, daß verfelbe vor Schreden farb. Doch Andere fagen, er fey ü
das Meer gefallen. Er wird jedoch wegen der Göttin geehrt; venn 5
fol ver bei vem Gaftmahle befungene Maneros ſeyn. Manche nanntz
den Knaben jedoch nicht Maneros, ſondern Paläftinos oder Pelufios; d
ihn aber Maneros nannten, fagten, er ſey der Erfinder der Muſik gemefen.
Andere dagegen behaupteten, der Maneros fey bloß ein Aegyptifcher Zursfl"
bei dem Ehen und Trinfen, weldyer bedeute, dad möge gefeegnet ſeyn f"
ALS Iſis Hierauf zu ihrem Sohne Horus nad) Butos gieng, und beau,T
Kaften bei Seite geftellt hatte, ſoll Typhon auf der Jagd bei Monpfchele F"
darauf geftoßen feyn, ven Leichnam erfannt und in vierzehn Stüde zerrißen J
baben, die er dann zerftreute. Iſis, Sobald fie e8 erfuhr, durchfchiffte, d *
ſelben ſuchend, in einem aus Papyrus gemachten Nachen vie Sümpf
woher ed kommen fol, daß vie Krokodile um der Göttin willen vie E
— 0 DM ea U
*) Die Schwalbenflage finden wir bei den Griechen im Mährchen als eine
Klage um das Abfterben des blühenden Lebens, gleich der Nachtigallflage;
doch in Aegypten ift Feine Spur davon. Die Schwalbe fommt zwar auf
in den Hieroglyphen der Iſis vor, aber fie hat nur eine Wortbedeutung;
denn fle bezeichnet fie als die große Göttin, als eine Tasur (Thueris).
Weßhalb man biefen Vogel zur Darftellung diefes Begriffes und Worte
gewählt Habe, ift ung nicht deutlich; denn fle Heißt nicht ur, fondern men.
*#) Pollux (&. 7) nennt ihn den Erfinder des Landbaues und einen Schüler
der Mufen.
Iſis, Ofirid, Sorund 943
russ Nahen Schiffennen nicht angreifen. Da die Göttin nun jenes
bene Stüd begrub, fo giebt es eben fo viele Oftrisgräber; doch
labere fagten, ſie habe ven einzelnen Stävten die Bilder des Ofiris geges
m, als feyen fie ver Leib deſſelben, damit er um fo zahlreichere Ehren
de, und Daß wenn Typhon über den Horus fliegen und das Grab fuchen
Nte, er dann, wann ihn fo viele gezeigt werden würden, am Auffinden
B reghten Grabes verzweifeln möchte. Nur die Scham des Oſtris fand
is nicht; denn fle mar in den Nil geworfen worden, und vie Fifche
yagros und Oxyrynchos hatten fie gefreßen, weßhalb die Aegypter viefe
ſche am meiften verwünſchen. Um die Scham zu erfegen, bildete JIſis
rn Phallus, welchen fie an dem Feſte gebrauchen. Hierauf erfchien Oftris
mem Sohne Horus aus der Unterwelt, und leitete ihn zum Kampfe
gen den Typhon an, und fragte ihn dann, was er für dad Schönfte
We, worauf der Sohn antwortete, er halte für das Schönfte, Vater und
Better zu rächen. Dann fragte er ihm weiter, welches ver Ihiere er für
Mi nüglichfte zum Kampfe halte, und befam zur Antwort, das Roß, und
a vie Frage, warum er nicht den Löwen genannt habe, antwortete Horus,
ver Lowe ſey nüßlich, wann man Hülfe nöthig habe, das Roß aber, um
zu flicben und ven Feind zu verderben. Da nun freute ſich Oſiris und
Weit ven Horus für genug vorbereitet zu dem Kampfe. Als es nun dazu
men war, giengen Mehrere von Typhon zu Horud über, und Darunter
Er Thuerig, dad Kebsweib Typhons; des Horus Leute aber
Weteten die Schlange, welche Thueris verfolgte. Daber ift ed noch ein
Brauch, ein Seil in die Mitte hinzumerfen und es zu zerhauen. Der
Ramyf [in welchem nach Diodor (1. 88) Oſiris der Iſis und dem Horus
in Wolfögeftalt aus der Unterwelt zu Hülfe kam *)] währte mehrere Tage,
Serus jiegte und Typhon ward gebunden ver Iſis übergeben, viefe jedoch
catließ ihn, morüber Horus fo erzürnte, daß er Hand an Die Mutter legte
a ihr den koͤniglichen Schmuck von Haupte riß, wofür dann Hermes
einen aus einem Kuhhaupt beftehenden Helm aufiegte. Als nun aber
n den Horus wegen unehelicher Geburt anflagte, warb verjelbe von
Göttern für rechtmäßig erklärt, und jener ward noch in zwei Treffen
von ihn beftegt. Iſis jedoch gebahr, von Oſiris nach feinem Tode umarmt,
den unzeitigen, jchwachbeinigen Harpokrates.
Diefes, fagt Plutarch (20), find die SHauptzüge des Mythus, mit _
VWeglaßung defen, was am übelften zu fugen ift. Leider jedoch ift dieſer
— fein rein Aegyptiſcher in der Form, wie ihn Plutarch erzählt hat,
%) Syneſius (S. 115) meldet ein Orafel, weldjes den Aegyptern Befreiung
verfpricht, wann Horus den Wolf flatt des Löwen zu Hülfe nehmen würde;
wer aber der Wolf fey, war eine heilige Sage, welche nicht ausgeplauderd
werben durfte.
16®
Jar Iſis, Dfiris, Soruf.
fondern er ift der Griedhifchen Auffaßung Aegyptiſcher Mythologie
paßt, wiewohl er immerhin in diefer Form noch weit beßer dargeſtellt
ala in der Gefchichte bei Diodor (1. 17), wo es heißt: Ofiris fa
ein Heer, um die Welt zu durchziehen und ven Weinbau, fo wie
Saat von Weizen und Gerfte zu lehren. Die Herrſchaft übertrug er
bie Zeit feiner Abweſenheit der Iſis, feinem Weibe, und fegte vericll
den Hermes ald einen NRathgeber zur Seite, zu dem Feldherrn fg
Landes aber machte er feinen Derwandten, ven flarfen tapfern Gera
und zu Landpflegern feßte er über den Theil, ver nach Phönicien zu —
den Buflris, über ven Theil aber, welcher nach Aethiopien und Libya
liegt, ven Antaiod. Dann zog er fort mit feinem Bruder Apollon
Horus als Bruder des Ofiris), der den Lorbeer erfand, fo wie A
felbft den Epheu erfunden Hatte, welcher ibm daher auch Heilig =
im Aegyptifchen dad Gewächs des Oſiris heißen fol. Auf feinem
nahm er feine Söhne mit fi, den Anubis, welder ein Gurz
umbängte, und den Mafedon, ver einen Wolfäfopfhelm trug, und €“
auch den in Aegypten hoch verehrten Pan, nach welchem Chemmo—
Pansſtadt, benannt ift, mitziehen, fo wie ferner den weinkfundigen TI
und ben getraivefunpigen Triptolemos. Bei feinem Bortziehen geloed
fein Saar bis zu feiner Rückkehr nach Haufe wachſen zu laßen, wohe
Aegyptiſche Brauch flamımt, bei Reifen das Haar bis zur Nachhaufel
nicht zu fcheeren. Sein Zug gieng nun zuerft nach Nethiopien, wo
Satyrn zu ihm fließen, da er Muſik und Lachen liebte, weßhalb er q
die neun Mufen bei fich Hatte, die von Apollon angeführt wurven. Ja
überfhwemmte ver Nil zur Zeit, ald der Sirius aufgieng, Aegyok
befonvderd da, wo Prometheus Landpfleger war, und faft alle Menſq
kamen um, weßhalb ver Fluß ven Namen des Adlers befam; doch Heral
dämmte ihn ein, und daher flammt denn die Babel, Herakles habe \
Adler des Prometheus getödtet. Der Zug des Ofiris aber gieng bis n
Indien, dann durch Aften nach Europa, wo er in Thrafien den Lykur
tödtete und den Maron, welcher hernach Maronnia gründete, zurüdl
ſo wie den Mafevon in Mafenonien. Den Triptolemos aber fchidte
von da aus nach Attika, und Eehrte beim, mo er dann zum Gotte wi
welchem Iſis und Hermes zuerft opferten und Myſterien einrichteten.
Wir fehen aus dieſer Erzählung, wie vie fpäteren Griechen ı
Aegypter Alles in dem Oſirismythus zufammenhäuften, um den Zug
Dionyſos nach Indien, welcher felbft vem Zuge Alexanders des Bro
nachgebildet war, und was den Griechifchen Dionyfos betraf, in
Aegyptiſchen Mythologie anzubringen, und felbft ver Macedonifchen Hı
[haft wegen einen Macevon zum Sohne des Oſiris machten. Ob
Aegyptiſche Sage je von einem Zuge des Oſiris wußte, bürfen !
bezweifeln, weil nichts barauf deutet in dem, was wir wirklich als
I3fis, Oſiris, Soruß, 235
X logie bes Oſtris betrachten Tonnen. Betrachten wir die Züge, welche
ver Erzaͤhlung als beachtbar hervortreten, fo ergiebt ſich, daß ver
Wrempihus ſich Durch Phöniciichen Einfluß gebilvet hat, und zwar müßen
Bir dieſen den Mythus von dem Tode des Gottes zufchreiben, weil
em bie Aegyptiſche Mythologie Feinen Tod eines Gottes kennt.
Deß Dfiri heim Baftmahle in den Todtenfaften gelegt wird und fo zu
unde geht, ift in fofern ven Aegyptiſchen Brauche gemäß gevichtet, als
Geſtnaͤhlern eine Mumie, oder ein Todtenfaften in das Gemach gebracht
war, und man koͤnnte jagen, es lag die Dichtung um fo näher, weil jeder
He ein Dfiris hieß. Das Lied Maneros ward ebenfalls bei Gaftmählern
nungen und enthielt vie Klage um vie geftorbene Natur in der Form
mer Klage um den geitorbenen Königsfohn, wie aus der Sage deutlich
wong. Diefer follte ein Aegypter feyn, weil vie Klage um dieſen
nicht aus Aegypten ſtammte, ſondern er war der Phönicifche Königs»
PR, veren jedoch die Sage in der Geftalt, wie fie Plutarch erzählt, ohne
m zwei fterben läßt. Lieft man bie leichtfertige Darftelung ver
We Ofehiige bei Diodor, dann kann es nicht befremben, bei Plutarch auch
va hliftinus als ven geftorbenen Königsfohn zu finden; denn flatt
Mekin PBalaftina um der Juden willen in die Sage zu bringen, lag
ER ferne, ſodald man einmal nicht an dem Urfprünglichen fefthielt. Die
eh der Genoßen Typhons hat eine Beziehung auf die Zeit der unges
EEE Sie; doch warum gerade die Zahl zwei und fiebenzig gewählt
Feen, ift uns nicht klar; denn fie umfaßt zwei Monate (welche breißig
Tage jeder hatte) und zwölf Tage, was eine feltfame Rechnung in ber
Mythologie ausmacht, die übervies auf Feinem feftftehenden natürlichen
Beitwerhältnig beruht. *#) Wir finden die Zahl ſechs und fleben ange-
e) Es läßt fich nicht annehmen, daß, weil es fih in dieſer Sage um einen
Tod Handelt, die Zahl der Trauertage in den Gefährten des Typhon perfoni-
ficirt worden fey; denn erftlich ift es fein der Sache befonders angemeßener
Gedanke, die Tage der Binbalfamirung und ber Trauer zu Mördern zu
dichten, und zweitens giebt Herodot diefe zu flebenzig an, eine Zahl, welche
zu bezweifeln nicht der geringite Grund vorhanden ifl, und die auch durch
die Bibel beftätigt wird. Im erſten Buche Mofe (50) heißt es: und
Joſeph befahl feinen Knechten, den Aerzten, baß fie feinen
Bater falbeten, und die Aerzte falbeten Ifrael, bis daß
vierzig Tage um waren; denn fo lange währten die Salbe
tage, und bie Aegypter beweineten ihn fiebenzig Tage. Daß
bier die Zahl fieben als eine heilige zu Grunde liege, drängt fich leicht auf,
und ebendafelbft heißt es (Vers 10) von der Beſtattung: Joſeph trug über
feinen Bater Leid fleben Tage. Diefe flebenzig Tage dürfen daher nicht mit
ver Zahl zwei und flebenzig, welche wir bei den Gefährten Typhons nicht
als willführlich betrachten fünnen, als verwechfelt angefehen werben.
346 Sfis, Dfirid, Horn.
wendet, um größere Zahlen durch fie zu begrümten, z. B. zwei und vierf
Todienrichter; aber was ſechs und zwölf mulriplicirt bei Topbon und Df
für eine Bereutung haben Fönnten, iſt tunfel. Ohne Bereutung je
war tiefe Zabl ficherlich nicht, jo wenig als vie ver Jahre des DE
welcher acht und zwanzig Jahre lebt (over berricht), denn io flieht
auf ter Iniel Rkilä viele Zahl feiner Jabre durch acht und zwanzig Lot
pflanzen vargeitellt, wa8 viermal fieben ausmacht, während die Städe, Wi
welche er zerripen wird, vie Hälfte feiner Lebensjahre, vierzehn, sie
zweimal fieben, beträgt. Anzunebmen, viele Zablen ſeyen ohne e
beſondere Abficht gemählt, wie ter Zufall ed gewollt babe, uns
Möglidyfeit, vie Zabl jieben varin zu finzen, jey eben audy nur ein €
des Zufalld, gebt durchaus nit an, tenn wo die Mythologie
anwendet, find Dieje immer entweder in ter Sache begründet, oder es
zum wenigſten Rückficht auf eine jegenannte heilige Zahl genom
Plutarch (42) giebt vie Erklärung, um vie Auslegung des Dfiris alsll
Mendes zu unterftügen: viele Zahl acht und zwanzig ſey in ver S
weil der Mond in jo vielen Tagen feinen Umlauf vollbringe, und er iu
am fiebenzehnten geitorben, meil ta meiſt Vollmond jes, und in vi
Stüde jey er zerrigen werten, weil der Mond io viele Tage vom 2
mond bis zum Neumond untergehe. Der todte Dfiris mußte in St
zerrißen werten, wenn man die verichiedenen Gräber deſſelben in Aegyrich
als den wirklichen Leib des Gottes enthaltend gelten laßen wollte, uuh
weil tie abgeftorbene Natur durch Waper wieder befruchtet wird, daß fe
neu erblühe und grüne, jo war bie Tichtung, des Dfiris Scham ſey ia
den Nil geworfen worden, eine ver Sadıe ganz gemäfe. Wenn wir abe
bei Diovor lefen (1. 21), Typhon habe Ten ermordeten Dfiris in fect
und zwanzig Stücke zerrigen, und jedem feiner Genoßen eins gegeben, bi
auf die Scham, welche er in ven Fluß warf, weil feiner der Genoßen
fie haben wollte, To ift dieſe Zahl zmar eine abmeichende, doch ſteht Dioder
in Beziehung auf muthologiiche Ueberlieferung hinter Plutarch zurüd, um
wir würden nad) Diodor auch nur ſechs und zwanzig Genopen des Topf
haben, welche Zahl aus feinem ver jonftigen Aegyptiſchen Zahlenverbält
nipe zu erklären if. Bei Diodor finden wir überhaupt das Beſtreben,
alles Mythiſche jo zu wenden, daß ed als ein Hiftorifches erſcheine, wodurch
tenn natürlid) manches muthiih Bedeutſame verwiſcht ward. Er erzählt
bie ganze Todesſage des Oſiris fo: Den Tod des Oſiris hielten nach alter
Ueberlieferung die Priefter geheim, doch im Laufe ver Zeit warb das Bers
heimlidyte ausgeplaudert. Cie fagen nämlich, Oſiris, welcher Aegypten
geſezlich beberrichte, ward von jeinem gewaltjamen, gottlofen Bruder
Typhon getäbtet, welcher ven Leichnam in ſechs und zwanzig Stüde zerrif
und jedem jeiner Genopen eins gab, um fie zu Theilnehmern jeiner
Srevelthat zu machen, damit er an ihnen zuverläßige Stügen feiner Herr⸗
fies, Ofſiris, Horu z. %47
ft Hätte. Iſis aber rächte mit Horus Hülfe den Mord, töbtete den
phon und gewann die Herrfchaft. Der Kampf fand flatt bei vem Flecken,
(dyer nach dem von Herakles gezüchtigten Antaios benannt ift und nach
abien zu Liegt. Iſis fuchte nun alle Theile des Oſtris zufammen, fand
7 die Scham nicht, und indem fie das Grab ihres Gatten ungefannt,
oc von allen Aegyptern geehrt machen wollte, verfuhr fie alfo: fie
chte aus Aromen und Wachs um jedes der Stüde ein Bild des Oſtris,
ief dann die Priefter ftammmeife, und ließ fie fchwören, keinem zu
:nbaren, was fte ihnen anvertrauen würde. Dann gab fie ihnen einzeln
Oſſtrisbild als das allein wahre zur Beftattung, und ermahnte fie zu
tlicher Verehrung veflelben, fo wie, daß fte eins von ihren Thieren,
(yes fie wollten, heiligen und dein Oſtris gleich verehren, nach feinem
de aber eben fo beitatten follten. So ift e8 denn gefommen, daß jebe
tefterichaft meint, bei ihr fey Oſtris begraben, und daß ſie bei ver
Mattung der heiligen Thiere die Trauer über den Oſtris erneuern.
Die Gräber nun des Oſiris und die Klage um ihn waren ein Haupte
el des allgemeinen Aegyptiſchen Cults. Plutarch (20) fagt, die Opfers
fer hat ein trauriges, düfteres Anfehen, vie Tempel find theils freie, ein«
ſchloßene Plätze und offene, helle Laufbahnen, anverntheild aber haben
» heimliche, dunkele Gemäcdher unter der Erde. Abydos und Memphis
ichten beſonders Anfprüche, dad wahre Grab des Oſiris zu befigen und
ließen fidy viele reiche, angelehene Uegypter in Abydos begraben, um
i Dfiriß beftattet zu feyn (Herr von Abydos heißt er In den Hierogly⸗
en). Strabo (814) meldet von diefer Stadt: in Abydos verehren fte
n Ofiris, e8 darf aber In feinem Tempel kein Sänger over Flötenbläfer,
er @itherfpieler dem Gott ein Vorfpiel machen, mie es bei den andern
dttern gefchieht. *) Memphis machte feinen Apis geltend, al8 wohne
: Seele des Gotted darin, und man beutete den Namen ver Stadt, al
wichne er den Hafen des Guten oder auch das Grab des Dfiris. (Eines
Ben, prächtigen Ifistempeld zu Memphis, vom Könige Amaſis erbaut,
denkt Herodot [2. 176]. Und hätte man wirklich geglaubt, die Seele des
ſiris wohne in dem Apis, fo würde dieſer Stier doch wohl richtiger in
m Umfange dieſes Ifistempeld gemohnt haben, ald in den des Phthah,
id wenn man feine Seele in dem lebendigen Stier hatte, fo würden
rüber des Gotted und die Klage um ihn feltfam gewefen feyn. Noch
*) Bei Jamblichus (V. 8) Tefen wir die Drohung: den Himmel anfchlagen,
oder das Verborgene der Iſis veröffentlichen, oder das Geheime in
Abydos zeigen, oder die Barfe hemmen, oder die Glieder des Oftris
dem Typhon aus einander fireuen. Und es fagt derfelbe im flebenten Capitel,
bie Chaldäer hätten derartige Drohungen nicht, aber bie Aegypter bedienten
ſich ihrer.
2346 fi, Oſiris, Sorus,
wendet, um größere Zahlen durch fie zu begründen, 3. B. zwei und
Todtenrichter; aber was ſechs und zwölf multiplicirt bei Typhon und
für eine Bedeutung haben Eönnten, ift dunkel. Ohne Bedeutung
war diefe Zahl ficherlidy nicht, fo wenig ald die der Jahre des
welcher acht und zwanzig Jahre lebt (oder herrſcht); denn fo ſieht
auf der Infel Philä diefe Zahl feiner Jahre durch acht und zwanzig ®,
pflanzen dargeftellt, was viermal fieben ausmacht, während die Stud
weldye er zerrißen wird, die Hälfte feiner Lebensjahre, vierzehn,
zweimal fieben, beträgt. Anzunehmen, diefe Zahlen feyen ohne
befonvdere Abſicht gewählt, wie der Zufall es gemollt habe, um
Möglicykeit, die Zahl fieben darin zu finden, fey eben auch nur eimm ı
des Zufalls, geht durchaus nicht an; denn wo die Mythologie Z
anmendet, find dieſe immer entweder in ver Sache begründet, ode
zum wenigſten NRüdficht auf eine fogenannte Heilige Zahl genou
Plutarch (42) giebt vie Erklärung, um die Auslegung des Ofiris al
Mondes zu unterftügen: biefe Zahl acht und zwanzig fey in ve (
weil der Mond in fo vielen Tagen feinen Umlauf vollbringe, unv e
am fiebenzehnten geftorben, weil da meift Vollmond fey, und in wid
Stüde fey er zerrißen worden, weil der Mond fo viele Tage vom M
mond bis zum Neumond untergehe. Der todte Oſiris mußte in #4
zerrißen werben, wenn nıan die verſchiedenen Gräber veffelben in Aegyſ
ald den wirklichen Leib des Gottes enthaltend gelten laßen wollte, 1
weil die abgeftorbene Natur durch Waßer mieder befruchtet wird, daß
neu erblühe und grüne, fo war die Dichtung, des Ofiris Scham ey
den Nil geworfen worden, eine ver Sache ganz gemäße. Wenn wir dl
bei Diodor leſen (1. 21), Typhon habe den ermordeten Oſtris in fe
und zwanzig Stüde zerrißen, und jedem feiner Genoßen eind gegeben,
auf die Scham, welche er in den Fluß warf, weil feiner der Geng
fie haben mollte, fo ift dieſe Zahl zwar eine abweichende, doch fteht Di
in Beziehung auf mythologifche Weberlieferung hinter Plutarch zurüd,
wir würden nach Diodor auch nur ſechs und zwanzig Genoßen des Tiyy
baben, weldhe Zahl aus feinem der fonftigen Aegyptifhen Zahlenvert
niße zu erklären if. Bei Diodor finden wir überhaupt dad Beftre
alles Mythiſche fo zu wenden, daß e8 als ein Hiftorifches erfcheine, wod
denn natürlich” manches mythiſch Bedeutſame verwiſcht ward. Er er;
die ganze Todesſage des Dfiris fo: Den Tod des Oſiris hielten nach
Meberlieferung die Priefter geheim, doch im Laufe der Zeit warb das?
heimlichte ausgeplaudert. Sie fagen nämlich, Oſiris, welcher Aegy
gefeglich beherrfchte, ward von feinem gewaltjamen, gottlofen Brı
Ayphon getöbtet, welcher ven Leichnam in ſechs und zwanzig Stüde ze
und jedem feiner Genoßen eins gab, um fie zu Theilnehmern fe
Frevelthat zu machen, damit er an ihnen zuverläßige Stügen feiner He
Iſis, Oſiris, Soruß %47
k hätte. Iſis aber rächte mit Horus Hülfe den Mord, töbtete ben
bon und gewann die Herrfchaft. Der Kampf fand flatt bei dem Flecken,
melde nach dem von Herakles gezüchtigten Antaios benannt ift und nach
bien zu Liegt. Iſis fuchte nun alle Theile des Oſtris zufammen, fand
bie Scham nicht, und indem fie dad Grab ihres Gatten ungelannt,
och von allen Aegyptern geehrt machen wollte, verfuhr fie alſo: ſie
ahte aus Aromen und Wachs um jedes der Stüde ein Bild des Oftrig,
Berief dann die Prieſter ſtammweiſe, und ließ fie fchmwören, keinem zu
enbaren, was fte ihnen anvertrauen würde. Dann gab fie ihnen einzeln
in Ofirisbild als das allein wahre zur Beſtattung, und ermahnte fie zu
tliher Verehrung veffelben, fo wie, daß fte eins von ihren Thieren,
Ahes fie wollten, heiligen und dem Oſiris gleich verehren, nad feinem
ede aber eben fo beftatten follten. So ift es denn gefommen, daß jede
erterihaft meint, bei ihr fey Oſtris begraben, und daß fte bei ver
Büttung der heiligen Thiere die Irauer über den Oſiris erneuern.
de Gräber nun des Oftrid und die Klage um ihn waren ein Saupts
> DE allgemeinen Aegyptiſchen Cults. Plutarch (20) fagt, die Opfers
Br hat ein trauriges, düfteres Anfehen, die Tempel find theil8 freie, ein«
Mboßene Plätze und offene, helle Laufbahnen, anderntheils aber haben
F heinliche, dunkele Gemächer unter der Erde. Abydos und Memphis
ahten beſonders Anſprüche, das wahre Grab des Oſiris zu beſitzen und
R ließen ſich viele reiche, angeſehene Aegypter in Abydos begraben, um
Ofris beſtattet zu ſeyn (Herr von Abydos heißt er in den Hierogly⸗
Wen). Strabo (814) meldet von dieſer Stadt: in Abydos verehren fie
hen Ofiris, e8 darf aber in feinem Tempel fein Sänger oder Floͤtenbläſer,
der Githerfpieler dem Gott ein DVorfpiel machen, wie es bei den andern
Kitern gefchieht. *) Memphis machte feinen Apis geltend, als wohne
e Seele des Gottes darin, und man beutete den Namen der Stadt, als
eidhne er den Hafen des Guten oder auch dad Grab des Oſiris. (Eines
Wen, prächtigen Iftstempeld zu Memphis, vom Könige Amaſis erbaut,
enkt Herodot [2. 176]. Und hätte man wirflich geglaubt, die Seele des
ri wohne in dem Apis, fo würde diefer Stier doch mohl richtiger in
a Umfange dieſes Iftstempeld gewohnt haben, als in dem des Phthah,
) wenn man feine Seele in dem lebendigen Stier hatte, fo würben
ber des Gottes und die Klage um ihn feltfam geweſen feyn. No
*) Bei Jamblichus (V. 8) Tefen wir die Drohung: den Himmel anfchlagen,
oder das DVerborgene der Iſis veröffentlihen, oder das Geheime in
Abydos zeigen, oder die Barfe hemmen, oder die Glieder des Oſtris
dem Typhon aus einander freuen. Und es fagt derfelbe im fiebenien Enpitel,
bie Chaldäer hätten derartige Drohungen nicht, aber die Aegypter bedienten
ſich ihrer. '
248 Iſis, Oſiris, Sorns.
feltfamer aber wäre das Wiederaufleben des Gottes geweſen, wobei bei
Stier die Seele, welche ihn in diefen alle zu einem heiligen gemadipe
hätte, verlieren mußte.) in Ofirisgrab auf der Infel Phila, eigendligpie
auf einen Inſelchen bei Phil, galt als vorzüglich heilig; vie Infel wer
unbetretbar und unzugänglich, fo daß Feine Vögel, hieß es, dahin flogendrh
und feine Vifche daran ſchwammen. Nur zu einer beftimmten Zeit Tchiffieg
die Priefter dahin, verrichteten die Todtenopfer und begränzten dad Gral
welches von dem Gewächs Methive befchattet war, das höher wächſt al
ein Delbaum. (Dieſes Gewächs, wenn man ed auch bier nicht als Tam
riöfe genannt findet, war doch Fein anderes, al8 diefer Baum; denn map:
fiebt ihn in dem heiligen Gemach zu Philä vargeftellt, wie fchon ob:
bemerft worden ift.) Oſiris Tod und fein Scheiven von der Erbe Bi
abgebildet in einem Fleinen Gemache bei dem weftlichen Upytum des Tem:
peld, und acht und zwanzig Xotudpflanzen zeigen die Zahl feiner Lebe
jahre an; fein Scheiven in die andere Welt ift bezeichnet durch die Go
und Genien, welche ven Leichengebräuchen vorftehen, und er felbft Hat we},
Kopfbedeckung, mit welcher er als Richter im Amenti erfcheint, vie oßew},
Krone mit den beiden Straußfedern. Diodor (1. 22) erzählt nach des
profaifchen, hiftorifirenden Art, welche er immer befolgt, Iſis, die Königin, ı
habe nad) des Ofiris Tod trefflich geherrfcht, und fey dann zu Memphih 4,
begraben und göttlid verehrt worden, wofelbft ihre Capelle in dem Heilige
thume des Hephäftos gezeigt werde. Manche aber gäben vor, dieſe @ötter |,
feyen nicht zu Memphis begraben, fonvdern an der Gränze von WUethiopien 1
und Aegypten auf der Nilinfel bei Philä, und dieſe heiße davon dal
heilige Feld. Dafelbft ift ein Grab des Oſiris, welches von den Prieſtern
Aegyptens allgemein verehrt wird, und es find drei hundert und jecdhzig
Kannen allva, welche von eigend dazu verorbneten Prieftern jeden Tag |
mit Milch gefüllt werden, und fie wehflagen die Namen der Götter anrufen.
Deßhalb wird die Infel nicht von andern, fondern nur von den Prieſtern
betreten, und alle Bewohner des Thebifchen Bezirks haben Eeinen höheren
Schwur, ald bei dem in Philä Tiegenven Oſiris. Damit ift zu vergleichen
was Diodor (1. 97) von Afanthos erzählt, einer Stadt, welche hundert
und zwanzig Stadien weit von Memphid entfernt lag (und, wie Strabe
[809] angiebt, einen Oftristempel hatte, welcher wohl richtiger ein Iſis⸗
tempel heißen würde). Dafelbft, fo heißt e8 bei ihm, war ein Faß, in
welches täglich dreihundert und fechzig Priefter Nilwaßer trugen, das Faß
aber war durchloͤchert, und in einer dafelbft ftattfindenden Feftverfammlung
flocht einer ein Seil, Hinter ihm aber fanden meldye, die feine Arbeit
wieder auflöften. Das Füllen der dreihundert und fechzig Kannen mit
Milch zu Philä, und das Waßerfchöpfen ver dreihundert und ſechzig Prie-
fer zu Akanthos muß, wie von felbft einleuchtet, einen und venfelben
Sinn gehabt haben. Die Zahl weiſt deutlich auf dad Sonnenjahr ohne
Sfis, Oſiris, Horus. 248
% fünf Zufagtage, und wenn dieſe Handlung ſich auf die Seit bezog, wie
ar nicht zu zweifeln ift, fo erklärt ſich das damit zu Akanthos verbundene
lechten des Seil, welches vorne geflochten, Hinten wieber aufgelöft wird.
ie Zeit erzeugt ſich fort und fort vorwärts oder wird erzeugt; aber kaum
geugt, geht fie dahin und wird ald Vergangenheit rückwärts gleichlam
leder aufgeldjt. Schade aber ift e8, daß wir das Alter viefes Gebrauchs
cht kennen, fondern bloß durch Diovorus davon vernehmen, und daß wir
en fo wenig erfahren, ob derſelbe mit dem Oftriscult in Verbindung
md. Dieſes hätte der Ball recht wohl feyn koͤnnen; denn die Zeit, vie
‚ihrem Fortſchreiten als das Leben in feinem Fortſchreiten galt, ift in
m Naturcult, welcher fih auf das Leben bezieht, Höchft wichtig, und In
m Sahresverlauf farb Oftris und lebte wieder auf, fo daß bei feinem
ult der Jahreöverlauf ganz fachgemäß als ein Wichtiges behandelt worden
are.
Nach des Eudoxus Angabe bei Plutarch (21) war, während viele
däaber genannt wurden, das wahre und ächte Grab des Gottes zu Buffris,
wege Stadt auch zugleich fein Geburtsort feyn follte und deren Namen
a Grab des Oſiris gedeutet ward. *) Daß dieſer Name wirklich) aus
Busheftri gebildet fey, wird durch den Namen Bus baftis beftätigt und
sohl auch durch den Namen Buto, daß er aber Grab des Offris bepeute,
ſt eben wegen der beiden andern angeführten Namen nicht wahrfcheinlih,
ondern eher ift zu vermutben, er bedeute Stadt oder Wohnung des Oſiris.
Bon Buflris, welches mitten in dem Delta gelegen war, meldet Herobot
2. 59), daß es eines von den fechd großen gemeinfamen Feſten ber
Aegypter gehabt habe, und daß der größte Tempel ver Iſis darin geweſen
ſey. Das Opfer aber, welches zu Buſtris bargebracht wurde, befchreibt
er alfo: nachdem fie gefaftet und gebetet, jchlachten fie ven Stier, ziehen
ihm das Fell ab und nehmen den Magen heraus, laßen aber vie Einge⸗
weide und das Yett darin, und ſchneiden die Schenkel, vie Hüftknochen,
be Vorderbuge und den Hals ab. Alsdann füllen fie ven Leib des
Btieres an, mit reinem Brod, Honig, Roſinen, Veigen, Weihrauch,
Myrrhen und mit fonftigem NRäucherwerf, morauf fie ihn verbrennen,
Indem fte fehr viel Del hinzugießen. Während dann das Opfer verbrannt
wird, ſchlagen fich Ale an die Bruft, und hierauf verzehren ſie, was von
*) Die Griechen erzählten, Buſiris ſey ein König gewefen, welcher bei einer
Dürre die Weißagung erhielt, er folle jährlich dem Zeus einen Fremden
opfern ; als er aber den Herafles opfern wollte, fprengte biefer feine Bande
und tödtete ihn. Diodor (1. 88) Teitet die Fabel vom Buflris, als dem
Dpferer der Fremden, davon ab, daß in alter Zeit am Grabe des Oftris
(und der Name Buflris bedeute diefes) von den Künigen Typhunifche
Menſchen geopfert worden jeyen.
250 fie, Dftris, Horn
dem Opfer übrig geblieben if. Warum ſie fih an die Bruft ſchlages
durfte der fromme Herodot nicht ausplaudern,, doch meldet er ung (2.61% 8
daß die in Aegypten wohnenden Karer es noch ärger mit biefer Tran
trieben, als vie Aegypter, indem fie fih mit einem Meßer vie Stimm
zerfchnitten, woran man fte als Fremdlinge erfennen konnte. Daß wi"
Trauer zu Buſiris den Tod des Oſiris zum Gegenftand Hatte, if gem
Diodor (1. 85) weiß noch etwas zuzufügen, indem er meldet: Cinigk
geben auch an, Iſis habe die von Typhon zeritüdten Glieder des Of
in eine hölzerne Kuh getban, die mit Byſſus umgeben war, und ba
diefe Kuh nach Buftris gebracht. An und für fich ift dieſes eine ſeht
richtige Mythologie; denn da die Kuh das Bild der gebährenden Mut
Natur ift, die alles Geftorbene empfängt, und aus der alle neue Le—
wieder gebohren wird, fo konnten des tobten Oſiris Glieder ver A
anvertraut werden, damit fie wieder, mann die Zeit gefommen,
gebohren würden, wie Horus die Hathor, die Kuh zum irpiichen Hugh
hat, d. h. Kind und Pflegling verfelben iſt; doch wir Fünnen auf viip!
bloße Meldung Diodors hin, dieſen Gedanken als wirklich in der Yoga |
tifhen Mythologie vorgefommen, nicht annehmen. Kein Anderer meld
etwa Aehnliches, und die Denkmäler zeigen nicht der Art, in Bejie⸗
bung auf Oftris, da in der Iſis⸗Ofirisſage nicht Oftris, fondern Sormb |
von Iſis gebohren wird. .
Sämmtliche Gräber des Oſiris in Aegypten zu bezeichnen, find wir
nicht mehr im Stande; zu den vier genannten aber, koͤnnen wir das zu
Said fügen, morüber Herodot (2. 170) melvet, invem er von dem Hei⸗
ligthum der Neith daſelbſt fpricht: e8 ift in dem Heiligthum zu Said dab |
Grab eined Gewißen, hinter dem Tempel längs der Mauer. In dem
Heiligthum find Obelisfen und ein Ereiöfürmiger mit einer Mauer einge
fhloßener See, von der Größe des See's auf der Infel Delos, auf
welchem fle Nachts das, mad jenem Gewißen (dem Oſtris) wiederfahren
ift, vorftellen, und mas fie Mofterien nennen. Daraus erfehen wir alje, i
daß das Leiden des Oſiris auch wirklich dargeftellt ward, und zwar auf *
dem Waßer, wonach es fcheint, daß dad Waßer noch mehr Bedeutung
in biefem Mythus Hatte, als ed in ver Erzählung von der Scham bed
Dfiris hat. Auf ver Barke ward der Todte in den Amenti gebracht, fo
glaubte man, und es könnte wohl bei der Darftellung des Todes, welchen
Oſiris auf dem See zu Said erleivet, auch dieſe Idee mit im Spiele
geweſen feyn; denn follte fein Tod vollftännig dargeftellt werden, fo müßte
er auch, wie ed fcheint, in den Amenti gebracht werden. Dazu flimmt
auch die Nacht, welche die Zeit jener Darftelung war, denn wie glänzend
immerhin die Einbilpdungsfraft die Wohnungen der verftorbenen Gerechten,
welche das Gericht beſtanden hatten, dichten mochte, fo ift Doch der Amenti
im Weften, wo die Sonne untergeht, und Nadıt und Top find verwandt
= 3 o = — m a
—_@ m - ıE
Ifre, Oſiris, Sornd. 251
bie Uinterwelt, was der Amenti ven Aegyptern ebenfalls war. Daß
ich eine Beftattung des Oſiris an den Trauerfeften vorfam, iſt auß
zu erſehen, was Plutarch (24) angiebt, denn er fagt, das Holz
Todtenfaften ward geichnitten, dad Linnen zerrifen (natürlich zum
pideln der Mumie), und Todtenfpende ward dargebracht. Daß vie
e von der Tochter ver Mykerinos zu Said, weldye in einer hölzernen
oldeten Kuh begraben war, fi) auf den Yfiscuft daſelbſt beziehe, ift
ı oben in ver Mythologie der Neith erzählt worden, fo daß biefe
e bier nicht wiederholt zu werben braucht. *)
An dem fiebenzehnten des Monats Athyr fol Oſiris den Tod erlitten °
n, und ſchon am neunzehnten deſſelben Monats, zur Zeit, wo bie
berfhemmung zu Ende zu feyn pflegte, gieng man, wie Plutarch
) angiebt, zu vem Meere hinab, und die Stoliften, d. i. die Bekleider
Büdtterbilter, trugen fanınıt den Prieftern die heilige Kifte mit dem
enen Gefäße darin hinaus, in weldes dann Trinfwaßer gegoßen
b; Die Anmwefenvden aber erhuben ein Geſchrei, Oſiris fey gefunden.
e Sormel lautete, wie Athenagoras (S. 24) und Yulius Birmicus
*) Weil DOfiris ganz dem Dionyfos gleichen und in Allem dieſer Gott feyn
follte, fo mußte er auch zum Gotte von Nyfa gedichtet werden, worüber wir
bei Divdor (1. 27) Folgendes lefen: Manche fegen die Gräber des Oftris
und der Iſis (Ifisgräber gab es nicht, doch Diodor fleht in den Göttern
nur vergötterte Menfchen) nad Nyſa in Arabien, und jagen, es feyen bafelbft
zwei Säulen für Beide errichtet mit heiliger Schrift, und bie der Iſts laute:
ich bin Iſis, die Königin diefes Kandes, von Hermes unterwiefen, und was
ich gefeglich verordnet habe, fann Keiner Töfen. Ich bin des jüngften
Gottes Kronos ältefte Tochter. Ich bin das Weib und die Schwefter des
Königs Ofiris. Ich bin es, die den Menfchen zuerft die Frucht gefunden
hat. Ich bin die Mutter des Königes Horos. Ich bin die in dem Hunde
fiern aufitehenvde (der Hundsftern hat zwei Sterne, deren einer der Iſis
gehört und fo heißt, der andere aber eigentlich Sirius genannt wird). Sch
habe Bubaſtos gegründet, fey gegrüßt Aegypten, fey gegrüßt du meine
Nährerin. Auf der Säule des Oflris fland: Mein Vater iſt der jüngfte
Gott Kronos, ich aber bin Dfiris, jener König, der ein Heer in alle Welt
führte, bis in Indiens unbewohnbare Länder und zum fernen Nord, bis zu
den Quellen des Ifter und in die anderen Länder bis hin zum Okeanos.
Sch bin des Kronos älteſter Sohn und bin entiproßen aus einem fchönen
edeln Ei, und bin ein dem Tage verwandter Samen, und es iſt fein Ort
des Grofreifes, wohin ich nicht gekommen bin, Allen meine Wohlthaten
vertheilend. Das Weitere ift auf der Säule verborben, und läßt fich nicht
lefen. Doch über das Grab der Götter Herrfcht Zwiefvalt, weil die Priefter
nichts ausplaudern dürfen. Und nicht nur foll Oftris zu Nyſa begraben,
fondern auch, wie derfelbe Grzähler (1. 14) angiebt, erzogen worden ſeyn
und den Wein erfunden haben, wie es fih für den Gott paßte, der ganz
zum Dionyfos gedichtet worden war,
3ſis, Oſiris, Hornet.
über den Irrthum (S. 5), nebſt dem Scholiaſten des Juvenalis (8. ER
fagen, wir haben ihn gefunden, wir wünſchen Glück.) Dann ward frud
bare Erde mit Waßer vermifht, Arome und köſtliche Näucherwerkgäk
wurden darunter gemengt, und man machte ein mondförmiges Bildchen
daraus, welches dann befleivet und gefchmüct ward, um, wie Pluterl
vernahm, oder auch felbft einzufehen glaubte, anzudeuten, dag Oftris u
Iſis dad Wefen des Waßers und der Erde feyen. Daß in diefem Brawl
angedeutet ward, bie Erde gebähre ihren Seegen, wann fie vom Wafeg
getränft werde, und daß die Arome nur zur Beierlichfeit dienten, um Wi
Erve als heilig zu behandeln, ergiebt ſich veutlih aus dem Erzählt
Die Zufammendrängung von Trauer um den Tod des Oſiris und x
der Wiederfindung des Gottes, darf und als unnatürlich nicht befremde
denn es handelte fi um die Darftelung und Feier der Sache, nicht
eine genaue Begleitung der natürlichen Verhältniße durch den @ult, we
eine lange Trauerzeit, unterbrochen durch die eintretende Nilüberjchmeng
mung eingetreten wäre, welcher dann nad langer Unterbrechung
Ende
Oſiris gefolgt wäre.
2 = Em m N IE m BE
der Nilüberfchmemmung, das Freudenfeſt ver Wiederfindung MER
Ganz und gar eben fo wie mit diefer Zuſammen
'
brängung bei Oſiris, fand es ftatt bei Adonis in dem Phönicifchen Eulkd,
deßen Einwirkung auf den Aegyptifchen wir anzunehmen gebrungen find. \ '
Hat nun Plutarch Tod und Wiederfinden auf ven flebenzehnten und neuns
— nn 0 ne — — — — —
*) In wiefern und ob bildliche Darſtellungen der Wiederkehr des Oſiris falle l
fanden in dramatiſchen Aufzügen, wißen wir nicht; denn daB bei jenen—
Zuge, wo der Ruf ertönte: wir haben ihn gefunden, Oftris felbft dargeſte F
worden wäre, erfahren wir nicht, bei Macrobius aber leſen wir im bei
Saturnalien (1.18) etwas der Art, was jedoch feltfam lautet. Die Aegypier,
meldet er (dem Oftris ein Divnyfos, als Sonnengott aufgefaßt, war), flellten
den Bott zur Zeit des Winterfolftitiums Elein dar, und brachten ihn dan
an einem beflimmten Tage in das innere Heiligtum, im Frühjahr wurde
er SJüngling, dann zur Zeit des Sommerfolftitiums ein Mann mit bem
Bart, und endlid ein reis. Diefes paßt nicht auf den Oſiris und bie
Aegyptifchen Berhältniße, wo zur Zeit des Sommerfolflitiums die Nils
überfhwemmung herannahte, durch welche Oſtris nicht zu einem Greiſe
werben Fonnte, fondern paßt für einen Sonnengott eines andern Landes.
Auch würde das Zerreißen des Oſiris dann nnmögli in der Dichtung
gewefen feyn, die Klage um ihn und das Suchen feinen Sinn gehabt Haben,
und der Mythus, wie der Cult, nicht Habe flattfinden können; denn ein
Greis braucht nicht zerrißen zu werden, da er vor Alter flirbt, und nad
ihm zu fuchen, bat feinen für die Naturreligion geeigneten Zweck. Oben
brein findet ſich nach diefer Angabe eigentlich gar Feine Zeit, während welcher
Ofiris todt geweſen wäre. Faſt fcheint es, als beruhe diefe ganze Nachricht
auf Verwechfelungen; denn den Oftris des Aegyptiſchen Cults kann fle nicht
zum Inhalt haben.
a
Iſis, Oſiris, Soruß. 253
zehnten Athyr geſetzt, fo kommen wir doch in Zmeifel durch das, was er
weiter jagt. Er giebt nämlih an, vier Tage lang währe bie Trauer,
wem fiebenzehnten an, zur Zeit, wann die Nächte länger würden und bie
Kraft des Lichts abnehme, und die Prieſter verrichteten dann finftere
Gebräuche, und zeigten der Göttin Bild, eine vergolpete Kuh in einer
ſchwarzen Byſſushülle (Die Kuh in Trauer ift natürlich die Göttin,
weldye um ven todten Gatten trauert.) Die Auslegurg der vier Trauer⸗
inge Tautet nun jo bei Plutarch, ſie betrauern erftlich ven Nil, ver abge-
nommen, zweitens die Norbwinde, welche von den Südwinden verbrängt
werden, drittend den Tag, ver Eleiner ald die Nacht ift, und vierten
De table, der Blätter beraubte Erde. Betrauerten fie wirklich die Zeit,
im welche vie Trauer fiel, dann hätte der Freudentag nicht darauf folgen
nen, weßhalb viefe gefuchte Auslegung Feiner Wiverlegung bedarf,
umgefehrt, war der Freudentag auf die rechte Zeit verlegt, wann
Nilüberfchwemmung zu Ende ift, wo dad neue Aufleben der Erde
Meinnt, während die böfe Zeit, wo die Erde verödet war, vor die Nils
"Weierihmemmung fällt. Aber wie find vom flebenzehnten Athyr bis zum
; weunphnten vier Trauertage möglich? Offenbar widerſpricht ſich Plutarch
> fl in den Angaben über die Zeit, und wir find nicht im Stande,
Aieſen Widerſpruch aufzuhellen. Ehe jedoch Oſiris gefunden war, warb
er gefucht; doch von diefem Suchen fehlt und eine Befchreibung, es muß
aber dem der Iſis geglichen haben, welche ihn fucht von Anubis begleitet,
welcher allerdings der rechte Begleiter war, denn ohne daß der Hundäftern bie
Nilüberſchwemmung bringt, würde Iſis den todten Gatten nicht wieder
en, und er würde nicht wieder zum Leben erwert werden. Minucius
x (21) fchilvert eine ſolche Darftelung: Iſis betrauert mit ihrem
Sundöfopf und den Fahlen Prieflern ihren verlornen Sohn, jammert und
ſucht, und bald, mann fie ihr Knäbchen gefunven, freut ſich Iſis, die
Briefter jubeln und der Hundskopf als Binder brüftet fih. In die geit
vor der Wiederfindung, gehört auch das Siftrum (Aegyptiſch schesch
"er seschesch), dad Klappermwerfzeug ver Iſis. Mit dieſem, fagt Plutarch
(63), wird Typhon gefcheucdht, es hat oben eine runde Spige, darauf ift
eine Kae mit menfchlichem Antlitz gebildet, unten aber, unterhalb deßen,
was den Elappernvden Ton hervorbrachte, war das Bild der Iſts, zumellen
aber das der Nephthys. Das Klappern folte ein DVerfcheuchen bewirken,
wie man durch Betöfe und Geſchrei ftört und ſcheucht; die Bilder dieſes
Werkzeugs aber zeigen die gebährende Gdttin und die Göttin der Geburt,
welche Die Kate zum Sinnbild hat. Unfruchtbarkeit und Verddung fchafft
Typhon, er zerftört die zeugende Kraft, aber durch Bebähren wird dieſe
Verddung wieder aufhören, und darum wird Typhon mit biefem Bilde
verjagt. Es iſt dieſes ganz dem Griechifchen und Römifchen Braudye
gleich, welches ven Phallus als Sinnbiln der Zeugung zur Abwendung
254 Iſis, Oſiris, Soruk
boͤſen Zaubers, welcher in der Unfruchtbarkeit beſtand, anwandte, nk
daß in Aegypten, wo man allen Seegen von der großen Mutter erwartet
das Weib und das Gebähren der Unfruchtbarkeit entgegenſtellte. Wam
Iſis den Oſiris wiederbekommt, dann iſt Typhon überwunden, ſagt Pluferk
(40), natürlich durch Horus, den Rächer feines Vaters; doch wißen wil
nicht, ob ſolch ein Kampf an dem Trauer⸗ und Wiedernfidungsfeſt bull”
geftellt ward, und es fiheint nicht der Ball geweien zu fen, ba WE
Mythus nicht darauf hinweiſt und nichts davon erwähnt wird. Nach ben
natürlichen Verhältnig, welches dem Mythus zu Grunde Tiegt, A
diefes auch nicht gefchehen, aber eben vaffelbe würde auch bei freu"
Beobachtung überhaupt einen Kampf des; Horus mit dem Typhon nie
ulaßen; denn Oſiris ftirbt durch den Typhoniſchen Brand, nachdem |
den Horus erzeugt bat, aber nicht nur bie Zeugungsfraft, ſondern
Erzeugte ift während jener Zeit der Hitze, tobt, doch der Mythus,
er die natürliden Dinge zu Geſchichten macht , die dem menfchlide
Leben und Thun gemäß find, rechnet nicht in dieſem Sinne genau, fo
dern dichtet, Horus beftegt ven Typhon und rächt feinen DBater, weil x
Zeit, wo der Jahreöfeegen gedeiht, vie Zeit des ververblichen Brant
vorüber und die Herrfchaft Typhons geendigt ift. m
Einen andern Gebrauh in Beziehung auf dad Suchen des Oft
giebt Plutarch (52) an, fie tragen, fagt er, eine Kuh fiebenmal um de
Tempel, und Oftrisfuhung heißt der Umlauf der Sonne, indem bie
Göttin des Winterwaßers begehrt; fo vielmal aber tragen fie vie Au
herum, weil die Sonne von ver Winterwende im fiebenten Monat g
Sonnenwende gelangt. Plutarch nimmt bei Gelegenheit viefer Nachricht d
Oſiris für die Sonne, was er nicht ift, und behandelt die Zeit
Winterwenvde nicht den Verhältnigen Aegyptens gemäß; denn Iſis begehl
zu diefer Zeit fein Winterwaßer, da ſolches dort nicht zu finden ift, FM
wenig ald der Winter felbfl. Um viefe Zeit auch kann fie ven Oflri®
nicht fuchen, daß er mit ihr den Jahresfeegen zeuge, denn im Monat
Athyr ward gefäet, und um die Zeit der Wintermende wird das Sem
genskind Harpofrates bereitd gebohren. Es kann daher nur ein Brauch
gemefen feyn, welcher fih auf das Gedeihen des Seegenskindes bezog.
Die Zahl fieben aber ift eine fogenannte heilige Zahl in Aegypten, und
braucht daher eine nähere Bedeutung bei dieſem Brauche nicht zu haben.
Der Brauch felbft aber, um dieſe Zeit, bat etwas Sonderbares für und,
was vielleicht nicht der Tal wäre, wenn wir genauer davon unterrichtet
wären. Da fi) das Feſt der Trauer mit dem der Freude verbunden fand,
obgleih beide, wenn man ſich der Natur mit den fie betreffenden
Bräuchen genau angefchloßen hätte, getrennt geweſen wären, fo fanden
Manche, weil im Athyr gefäet wurde, darin einen Grund für die Erflä
rung, Oſiris werbe begraben, wann das Samenkorn in die Erbe gefenft
T
urn I
[> 2,
— —
Iſis, Dfirts, Sorusß. 255
erde, wie Plutarch (65) angiebt, welcher auch felbft (70) vermuthet,
fe Trauerfefte bezögen ſich auf das DVerbergen der Früchte.
Sp beftimmt nun Oſtiris der Bruder und Gatte der Iſis ift, welcher
a Tod erleidet, und Richter im Amenti ift, fo finden wir doch bei
lutarch und fpäter den Horus ebenfalld getöptet, und den Oſtiris flatt
8 Horus Sohn der Iſis genannt. Während Plutarch (36) nur davon
sicht, Dionyſos (Ofiris) fey von Zeus ald Sohn adoptirt worden, weil
ihm im SKampfe gegen ven Apopis beigeftanden, Fannte er doch auch
e Annahme, Dionyfos fey ein Sohn des Zeus und der Iſis, wie ſchon
ben bemerkt worden ift, wo von ven Nanıen Arfaphes die Rede war,
ud bei Lactantius (1. 21) heißt es: der Knabe Oſtris wird mit Weh⸗
age von der Mutter geſucht. Da fchlagen fich die Priefter mit dem von
jzaaren glatt gereinigten Leibe mit Jammern an die Bruft, wie die Mutter
Abſt, als fie ihren Sohn verlor, gethan hatte, dann wird der Knabe,
beit) ala wäre er gefunden, Hervorgeführt, und die Trauer verwanbelt
WM in Freude. Daß aber Lactantiud fih nicht in dem Namen etwa
wart, oder Sohn und Gatte verwechſelt babe, zeigt ſowohl feine Dars
ſtellang der Sache; denn die trauernde Iſis fucht allerdings nur ven
Dfis; als auch zeigt «3 Mincius Felix (21), welcher eben fo aus ver
hen Duelle erzählt: Iſis betrauert den verlohrenen Sohn, fucht ihn,
wu bald freut fie fich über den Gefundenen. Auch Diodor weiß von
dem todten Sohne der Iſis, nennt ihn aber wenigftend Horus, Indem er
Wählt (1. 25), Iſis fey eine Aerztin und erfcheine mit hülfreichem Rathe
Traume, auch habe fie das Unfterblichfeitsmittel erfunden, wodurch fie
Ben Sohn Horus, welchem die Titanen nachgeftellt, und den fie tovt im
gefunden, wieder lebendig und unfterblich gemacht. Daß aber der
bed Horus ebenfalls angenommen worden war, ſagt auch Plutarch (20),
m er bemerkt, er übergehe in feiner Erzählung von Iſis und den
Begebenheiten, welche fih an fie fnüpfen, die Enthauptung der Iſis und
Ne Zerftückelung des Horus, als Dinge, die zu erzählen, man am erften
eine heilige Scheu trage. Was nun die Enthauptung des Iſis betrifft,
‘fo kann diefe durchaus nur ein Mährchen feyn, melches dem Aegyptifchen
Olauben völlig fremd war; denn die große Mutter Natur verwittwet in
Mer Aegyptiſchen Mythologie und wird in Trauer verfegt, und es wäre
‚auch möglich gemefen, daß man das Sterben ihres Kindes aufgenommen
Kite als ein zu DBetrauernves, fie felbft aber konnte nicht ebenfalls als
Kmordet gedichtet werden, und außer diefer Nachricht Plutarchs giebt es
ch feine darüber. Weit entfernt, einen Zug aus ber Naturreligion zu
ithalten, dürfte diefes Mähren nichts feyn, als ein feichter Verſuch,
das Kuhhaupt der Iſis zu deuten. Wir haben oben fihon gefehen, daß
die fpäte Erzählung des Iſis⸗Oſtrismythus angiebt: Horus, erbittert über
feine Mutter, weil fie den belegten Typhon entlaßen, habe ihr den koͤnig⸗
256 Iſis, Oſiris, Sorums.
lichen Kopfſchmuck abgerißen und Hermes ihr dafür den Kuhke
aufgeſetzt. Dieſes iſt ebenfalls nichts weiter, als ein Verſuch, den |
kopf der Iſis zu erklären, und zwar einer von der ſpäten Axt, welch
Sachen zum menſchlichen Verhältnige gemildert darzuftellen bem
Zmwifchen ver großen Mutter und ihrem Seegenskinde kannte die
logie feinen Streit und Fonnte ihn auch auf dem Wege der natiı
Verhältnige nicht ervichten. Der befte Beweis demnach für die
unbegründete Ervichtung der Enthauptung der Ift8 Tiegt eben darm
man feinen andern Anfnüpfungspunft zu finden wußte, als dem,
ihres eigenen Sohnes. Wie kam ed aber, daß man in der fpäte
entwever ven Horus zum Zerftücten machte, oder den Oſiris zum (
der Iſis, damit fie ihr Kind beflage und ſuche? Durch die Den!
gewinnen wir hierüber feinen Aufſchluß, und wenn wir in biefe
acht und zwanzig Lebensjahre des Dftris durch eben fo viele Lotusb
angebeutet finden, fo laßen fie und menigftend nicht auf einen ald J
zerrißenen Oſiris fchließen, mie denn auch feine Darftellung ve
im Einvlihen Alter vorhanden ift Es giebt nur einen Punkt
fpäteren Zeit, zur Anfnüpfung diefer mythologifchen Neuerung, dere:
greifen in ven wirflichen Cult ver Aegypter wir aber nicht ergründe
eben fo wenig irgend nachmeifen koͤnnen, nämlich den Sarapispienfl
Sarapis, der feegendreihe Dionyſos⸗Hades durch die Macedoniſche
fhaft nach Aegypten gefommen war und als der Hauptſeegensg
Alerandria verehrt ward, galt er fortan als der Spender des Naturfi
und trat mit der Iſis zufammen, wodurch Oſiris als Erzeuger des S
und Gatte der Iſis zurücgefegt werden mußte. Deßhalb verſucht
die Deutung, den Sarapis ald den Oſtris zu erflären, da er bei
Neuerung allerdings feine Stelle einnahm. Diefer Gott aber waı
zerrißener, und an ibn konnte man das Trauerfeft nicht knüpfen
Art, daß er felbft Gegenftand der Trauer gemefen wäre. Die
war jedoch ein fo wefentlicher Beftandtheil des Iflscults, daß fle gaı
aus demjelben gefchieden werben Fonnte, ohne ihm gänzlich zu zei
Wer daher den Sarapis = Jfiscult annahm, konnte nicht mehr ven zer
Gatten der Iſis betrauern und tie Gdttin nicht mehr den im Tot
ſchwundenen Gemahl ſuchen lagen, fonvern fte mußte ihr Kind bet
und wiederfinden, wie ed in dem Griechiſchen Dionyfoscult ebenfal
Kind der großen Mutter war. Diefes Kind nun fehen wir von den
Oſtris genannt, weil vie Weberlieferung von dem zerrißenen Ofte
ftand, von den Andern Horus, weil diefer in der Aegyptiſchen Dept
wirklich der Sohn der Iſis war. Ob aber die Aegypter felbft ni
Allgemeinen dem älteren Cult folgten und feinen Mythus feft £
vermögen wir zwar nicht zu beflimmen, doc ift es höchft wahrfah
daß menigftend an manchem Orte das Alte feit gehalten wurde.
IſJſis, Oſiris, Horus. 257
Di ve Beugumgsgdtter Ammon, Khem, ver Ares zu Papremis, Gemahle
a Mutter heißen, Fönnte man ftch verfucht fühlen, auch ven Oſiris für
Me Sohn und Gatten ber Iſis zu halten, mo denn die Trauer der Iſis
m Sohn nicht eine Neuerung feyn würde. Diefer Anficht aber
Merſpricht die Veberlieferung und widerfprechen die Denkmäler; venn in
Feſen Halle hätte nicht Ofiris ver Gemahl und Horus ver Sohn feyn
Bam, welche die Denfmäler, mit der Ueberlicferung zufammenftimmenb,
a alt eine und diefelbe Gottheit ericheinen laßen. Auch heißt Oſtris
Bemahl der Mutter, mie jene eben erwähnten Götter. Dagegen hatte
R Sejang Maneros die Trauer um einen frühzeitig verftorbenen Königs-
fa zum Gegenftand, und man Fönnte daraus einen Schluß ziehen, ver
Me Trauercult betreffe einen Stnaben, und dieſer fey Fein anderer, als
eb. Herodot (2. 79) meldet uns über dieſes Lied alfo: Die Aegypter
— ihre eigenen Weiſen und nehmen fremde nicht an. Unter andern
Ben fie ein Lied, welches auch in Phönicien, auf Kypros und anders
gelungen wird, und überall einen andern Namen hat. Es ift gerade
Wehr Linos bei ven Hellenen; vie Aegypter aber haben ihn von jeher
"pay, und er heißt bei ihnen Maneros. Cie fagten aber, dieſer Maneros
"ER einige Sohn des erften Aegyptiſchen Königs gewefen, welcher
iin geſtorben ſey, und dieſen habe man durch das Klagelied geehrt,
A ihr erſtes und einziges Lied geweſen. Allein vie Klagegeſänge,
runter der Maneros gehört, beſangen nicht den Tod eines Kindes,
dem den eines Jünglings in der Blüthe ver Jahre ganz fachgemäß;
Zn bie Natur blüht auf und dann erit ftirbt fie wieder ab, fo daß die
age um bie abfterbende Natur am paßendſten und ſchoͤnſten eine Klage
Rein ſchönes blühendes Leben, nicht um ein unmündiges Kind iſt. Das
Meicifche Lied konnte nur um den reizenden Adonis, ven ſchönen Jüngling
Biwen, melcher Gatte der Aphrodite war, und ein anderes Fonnte nicht
if ypros vernommen werden. Der verwandte Munerod, den wir gerade
dem Aegyptiſchen Mythus finden, da, wo von Phönicien die Rede ift,
nn den Königsfohn nicht als Kind gemeint haben, fonvdern in ver
lüthe der Jahre. Nun fol zwar Oſtris im acht und zwangzigften Jahre
s Alters geftorben feyn, aber vieles beruht auf Zahlenverhältnißen, die
m für fich zu betrachten bat, und welche um fo weniger ſich zu ent«
deln gehinvert waren, ald man in dem Maneroslied den Oſiris nicht
nnte, fondern ficherlich ven Maneros, den Königsſohn.
Als Gott der Zeugung, mußte Oſiris mit dem Phalus in Verbin⸗
ng fommen, und wir haben oben gefehen, wie e8 heißt, Iſis habe den
jallus erfunden, zum Erſatz ver von. Typhon in den Nil gemors
en Scham des Oſiris. Wir finden nun auch Phalliihe Aufzüge in
»gypten, wie in Griechenland, worüber Herodot (2. 48) alfo berichtet:
it Ausnahme der Schweine, feiern die Aegypter das Dionyſosfeſt
III. 17
258 Iſis, Oſiris, Sorusß.
(Oſirisfeſt) faſt eben fo, wie die Hellenen, doch ſtatt ber
haben fie andere Bilder, ohngefähr eine Elle lang, welche mit
Schnur gezogen werden; die Weiber tragen ſie in den Slecken
und das Schamglied hebt fich beſtändig, und iſt nicht viel kleiner
der ubrige Leib. Voran geht ein Pfeifer, hinter dieſem aber die Mi
welche den Dionyſos befingen. Warum ber aber ein größeres Glich
und daffelbe am ganzen Leibe allein bemegt, ift eine heilige Sage
erzäblt Herodot, Plutarch (36) aber giebt an, am Feſte ber Pam
werde ein Bild berumgetragen mit einem vreifachen Pyallus, und y
bemerft er vor diefer Nachricht, e8 gehe den Opfern im Zuge das WE
gefäß zu Ehren des Oſiris voran, und mit dem Feigenblatt flella
den König und den Süden dar, und erflärten es ald Netzung une
gung von Allem, und es jcheine an Beichaffenheit dem Schamg
gleichen. (Die Sykomore ftellte auch Aegypten dar, als das Lam
Baumd; denn man hatte dieſen Baum gewählt, um damit alle Bi:
bezeichnen, weil die Syfemore vorzugäweile der Baum Negypteram
In fpäterer Zeit aber jehen wir den Oſtris als Gott ver De}
genannt; denn Plutarch [35] fagt: die Oftrisverehrer pürfen feinem
baum verderben und feinen Waßerquell verftopfen, doch als altägg
oder auch nur als Acht Aegyptiſch laͤßt fich viefe Angabe nicht erw
Daß man aber überall phalliiche Bilder des Dfiris fehe, bemerft er
ebenfalls. Die Denkmäler zeigen und nur den Ammon und ben,
phalifch, nicht aber den Dfiris, und bei dieſem zeigen fie auch mu
Tamariske und ven Lotus; es fcheint daher Plutarch die phallifchen |
irrthümlich für Oftrisbilder genommen zu haben, woraus aber nid
dag das Pamylienbilo nicht ein Bild des Oſiris fey; denn dieſes we
Feſtbild und bezog ſich auf ven Seegen des Oſiris, war aber, auf
dem Feſte, weder im Gebrauch, noch zu fehen; denn Plutarch (77) m
dad Bild des Ofiris werde nur einmal im Jahre hervorgenommen
dann wieder hingelegt und wohl verwahrt, währenn die Iſisbild
gebraucht würden. Da nun bdiefes in die Myflerien gehörte, fo da
und nicht wundern, es nicht in ven Denfmälern zu finden, und ol
Plutarh nicht das Vorkommen des Peigenlaubs in der Procefflon
brüdfich bezeugt, fo ift Doch die Erwähnung deſſelben in der angefi
Stelle von der Art, daß man fie nicht begreift, wenn er nicht fagen ı
es komme dabei vor. Der Zeugungsgott Khem hat diefen Baum, ı
ſcheint, und auch Aegypten wird damit bezeichnet, und an dem
welches die Zeugung des Oſtiris feierte, würde das Laub deffelben ge
geweſen ſeyn, um eben den Sinn des Feſtes auszudrüden. Daran I!
man zwar auch denken, es ſey dem Feſte des Oſtris der Zeugun
Ammon oder Khem zugefügt worden, um ben Sinn bed Feſtes «
brüden, wie wir das Bild des Zeugungdgottes fehen in der Darfe
Sfis, Oſiris, Soruß. 258
gr Kenpu zu der Göttin hereintritt, und wo biefes Bild nichts weiter
hentet, ald dag Nenpu mit der Göttin zeugen werde. Doch daß der
a in der Feier dem Oſiris gehört habe, ift nicht zu bezweifeln,
Ban ihn auch die Darftellungen der Denkmäler nicht in dieſer Bildung
gen, ſondern in folchen, welche andern feiner Beziehungen entiprechen.
DR ver Nähe der Nekropolis von Theben, bemerft Wilkinfon, bat man
lie Figuren mit Frucht gefüllt in der Erde gefunden, welche nad
BR Kopfſchmuck und dem Geſicht von grünem Wachs den Oſirls barzu-
Jen ſcheinen) Ueber die Pamylien weiß uns Plutarch (12) eine kleine
Bere zu erzaͤhlen: nämlich ein gewißer Pamyles hoͤrte, als er Waßer
ve Heiligthum des Ammon zu Theben holte, eine Stimme, welche
befahl, zu rufen: ver große König, der Wohlthäter Oftris ift gebohren,
kefwegen habe verfelbe ven Dfiris von Kronos empfangen und aufges
Br um werde ihm das Pamplienfeit gefeiert. Meber ven Pampyles
pr wir wenig außer viefem; denn wir lefen nur noch bei Heſychius
Potius im Wörterbuch), Paamyles fey ein Aegyptifcher Priapus-
u, d. i. Phallifcher, Gott, und aus den Giganten des jüngeren
JE ward ein Vers angeführt, welcher ven Paamyles *) nebit dem
ng nennt.
Dirfen wir die eben erwähnten mit Frucht gefüllten Figuren ber
Kepoliß yon Theben wirklich für Bilder des Oſiris Halten, fo paßt die
Brecht gut Dazu; denn er ift der Vater Saat. In der Erzählung
08 (1. 14), wo die Götter Menſchen find und alles Griechiiche und
Bepptiiche Durch einander gemengt wird, heißt es, Ofiris habe die Menſchen⸗
Jerei aufhören gemacht, da feine Gattin und Schmefter Iſis Waizen
Gerſte, die unbeachtet wild wuchſen, gefunden und er den Landbau
habe, woher der alte (fonft von Niemand bei den Aegyptern
welbete) Brauch flamme, dag man zur Zeit der Erndte die Erſtlinge
eseinge, bei ver Garbe Elage und die Iſis anrufe. Berner ſtamme es
er, daß in einigen Städten am Ifisfefte unter anderem auch Gefäße
t Walzen und Gerfte in dem Aufjuge getragen würben, fo wie denn
B auch (gleich ver Demeter) Gefepgeberin geweſen fey. Bei einem fo
Ingen Gemwährsmanne für vie Aegyptiſche Mythologie, als Diodor,
her jedoch nicht als gefliffentlich Lügenhaft zu betrachten ift, laͤßt ſich
*) Diefen Namen auf den Oftris felbft zu beziehen, liegt nahe, und bie
Zufammenftellung mit dem Sofari würde dazu flimmen, weil Oftris ein
Sofari iſt; doch verftehen wir den Namen nicht; denn wenn wir auch ben
Artikel pa davon fcheiden, fu bleibt der Neft ganz unficher, wofür eine
Ableitung von mer, lieben, koptiſch melit, ©eliebter, zu den gewagten und
mithin unfruchtbaren gehören würde.
17 *
200 Iſis, Oſiris, Soruß.
nicht ſagen, wie viel an jener Nachricht wahr ſey, wohl aber w
Darbringung der Erſtlingsfrüchte für den Oſiris geeignet ſeyn.
Aus einigen Nachrichten geht hervor, daß in dem Cult um,
Anfiht von Oſiris noch Manches gewelen fey, mad den Gott noch
als bloß beim Sterben und Wiedergefundenwerden zum Gegenflund |
und jedoch nur kurz überliefert wird, fo daß wir nidht im Stande
einen Zufammenhang berzuftellen, und Manches, mad dazu gehören
mag und wohl gar nicht überliefert feyn. Herodot (2. 47) melbet:
ſchlachtet dem Dionyfos an den erften Tage des Vollmondfeſtes, w
das Schweinefleifch vom Opfer ver Monpgdttin gegeßen wird, ein
vor feiner Thüre und ber Schmeinhirt muß ed dann wieder mitn
Da daB Schwein in Uegypten unrein war, fo ift es als etwas fehr
deres anzufehen, daß den Oſiris Ferkel gefchlachtet werben, und
eine eigene Bewandniß damit hatte, geht aud dem Zufammentreffen
Opferd mit dem der fogenannten Monpgöttin am Vollmondfeſte
Im Monate Tybi, welcher der fünfte war, ver zweite nach ber
feierte man die Ankunft der Iſis aus Phönicien, und der Tag hieß
der Its aus Phönicien. An diefem Befte war auf dem Opferku
gefeßeltes Nilpferd abgebildet, wie wir bei Plutarch (50) lefen, anzu
dag Typhon, welchem das Nilpferd gehörte, gebänpigt fen. zu
Monat nad diefem Befte, im Phamenoth, wie Plutarch (22) an
feierte man ein Feſt, welches man ven Eingang des Oftris in ven M
nannte. Jedoch nicht nur in den Mond gieng Oſiris, fondern es {
auch bei Plutarh (52), in den heiligen Oftrisgefängen wird ver in
Armen der Sonne Berborgene angerufen. ;
Von Feſten der Iſis, welche fich nicht auf die Trauer und das nd
finden des Gatten bezogen, geben ung weder die alten Schriftfteller
bie Denkmäler Kunde, und von der Feier des Horus wißen wir aud wi
Befondered. Daß viefer eine Weißagung hatte, bemerft Herodot (2.1
doch dieſes war etwas Gemwöhnliches, und Fommt bei mancher Got
vor, wie denn auch nichts Näheres darüber gemeldet wird. Zu 9
war er als fperberföpfiger Gott und als Kind dem Oſtris und ver
gefelt, zu Hermonthid unter dem Namen Harpire, Harphre, d. i. H
die Sonne, nämlich Horus der König, dem Muntu und der Athor. 1
dem Namen Harka, d. i. Horus der Dargebrachte, dem Ammon
der Amunt (Tamun) zu Theben, ald Horhat und Horfentto, d. i. K
der Rächer der Welt (oder Stüge ver Welt), ver Hathor zu Groß- A
nopolis, jegt Edfu, welches Ep aus Hat entftanden iſt, in den Steinbri
bei Mahfara dem Thoth und der Nehimu. Zu Buto war fein Pfle
und auf ber dortigen Infel Chenmis, wie ſchon in der Mythologi
Buto angegeben worden ift, und Epiphanius (S. 1092) melvet von e
Left daſelbſt alfo: die, welche im Bezirk von Buto den Harpokrates na
Iſis, Oſiris, Horus. 361
Männer, an Alter Schon vorgerüdt. Diefe begehen an einem beftimns
deſttage des Monats tolle und raſende Gebräuche des Horus, von dem
mon getrieben. Denn da tragen alle Bürger, abgelebte Greife wie
palinge, nebft ven Prieitern des Horus und Sarpofrates, die am ganzen
geihoren find, eine felavifche, kindiſche und abſcheuliche Echau herum.
Ion Oſiris als Sokari Oſiris oder Ptah Sofari Oſiris war in der
Isgie des Phthah die Rede; da wir aber den Namen Sofari nicht
finnen, fo ift es ungewiß, in welcher Hinſicht man den Phthah
Diris vermifchte und in melcher Eigenfchaft fie den Namen Sofari
Eine Göttin Merſokar, d. i. die den Sofari Liebende, findet fich
en Rinigegräbern zu Theben und beißt „Herrin der unteren Regionen.‘
högt den Disfus und Die Hörner auf dem Haupte, und fcheint mit
Denennung als im Umenti wirkſam bezeichnet zu feyn, wie man
‚ah vermuthen möchte, daß ſich Ptah⸗Sokari, Sokari⸗Oſiris und
olari⸗Oſiris auf die Unterwelt beziehen.
MW und Oflris nennt Herodot (2. 123) die Herrfcher der Unterwelt
Jutarch (78) bemerkt, daß vie Priefter den Oſiris den Gott der
nannten und biefe heißt bei vemfelben (29) Amenthes, was
Ber joll den Gebenvden und Empfangenden. Der Namen des Amenti
fit zufammen mit dem des Welten, Ament, und mag zu dem Worte
s, verhüllen, gehören; denn im Weften wird das Licht verhüllt, und
de Sonne hinabſinkt, ift der geeignete Ort für das Todtenreich. So
ber Todte auf einer Barfe nach dem Begräbniß geführt ward, fo wird
Seele nach dem Amenti hingeſchifft, wo fie vor dem Richter Oſiris
gift wird, um ein gerechte Urtheil zu empfangen. Ma, die Perfoni-
Kien der Gerechtigkeit, mit der Straußfener auf dem Haupte, findet fich
einfach oder auch zweimal abgebilvet, weßhalb aud der Ort des
rihtz der Saal der doppelten Gerechtigfeit heißt, nämlich der belohnen-
ı and beftrafenden. (Man erblickt fie auch einmal ohne Kopf, jedoch
der Straußfeder, welche ftets ihre Zeichen ift, und als Bild ohne
f nennt fie auch Diovor (1. 96). Der Tote erfcheint vor ihr mit
ner Haltung.) Das Herz des Todten in einem herzartigen Gefäße
gewogen, und zwar ift das Bild der Ma in der andern Schale der
e; denn das Herz des Todten wird nach Gerechtigkeit geprüft, und
h fchreibt das Ergebniß auf, während Oſtris weiß, mumienbaft, die
e Oberägyptens mit der Straußfeder an jener Seite auf dem Haupte,
Ramenfinnbild, das Leopardfell vor fih, mit Geißel und Krummſtab
n Händen, auf dem Throne fibt, welcher im Waßer fteht (moraus
fproßt) und mit Waßerpflanzen geziert if. (Waßer und Lotus
men Leben und Geburt.) Zumeilen find Iſis und Nephthys bei Oftris.
ver Capelle, worin DOftris figt, fteht ein Altar mit Opfergaben und
darüber, und die Am, d. i. die Verfchlingerin, (Am⸗n-amenti,
2064 Iſis, Dfiris, Soruß
fertigt, dann wird ſie in einer Barke zurüdgeicdhafft, wie wir eine fai
in Geſtalt eines Schmeind, als dem Bilte der Gefräßigkeit zurüdgef
feben, von einem Kynoskephales, ver jte jchlägt, begleitet: Auh ie
man einen Dann mit einer Art hinter der verfloßenen Seele ven B zupeı
weghauen, was bedeuten fol, dag die Verbindung zwiſchen dem Unger
fertigten und dem Amenti ganz abgebrochen if. Da wir den Todten
fehen mit einer Straußfeder, dem Bilde ver Gerechtigkeit in jeder ia
oder mit der Straußfeder auf dem Kopfe, oder indem er das Gefüge ı
feinen Herzen am Halje hängend trägt, To ſcheint dieſe Bezeihnungg I
gerechtfertigten Torten anzuzeigen. Die, welche aufgenommen find, yabe
das Leben, und mir ſehen Hathor jomobl ald Nutpe in dem Bauıme £
Lebens jiten und der Seele das Waßer ned Lebens Herabgiegen und
Lebensfrucht für jie in ver Hand haltend. Oben, mo der Lauf der Som
in Beziehung auf ven König beichrieben it, war die Rede von einer Ber
ftellung ber zum Himmel gelangten Seelen, weldye dort die Frucht
ihren Sicheln abjchneiven und nach irdiicher Weife leben; denn ein ande
als dem irdiſchen analoges Neben vermag die Phantajie nicht zu fchaffe
Der Amenti war in Abtbeilungen getheilt, welche die Seele zu dur
wandern hatte, und man gab den Todten ein eigened ausführliches Buh
tarüber, jo daß wir noch mehrere dieſer Toptenbücher befigen, welche nicht
ale ganz gleidy jinn, fonvdern an Vollſtändigkeit zum Theil von einander
abweichen. Tem in Turin befindlichen gebührt ein vorzüglicher Rang, |
wiewohl auch darin Aelteres und Epäteres gemijcht iſt. Sein Titel if:
Anfang der Kapitel von der Erjcheinung im Kichte des Oſiris. Das fünf
zehnte Kapitel enthält Lobpreiſungen des Ra und des Atmu. Das Bil;
aber zu vemjelben ftellt ven Ra dar, vor welchem Lotus fteht, und hinter
ihm jind Atmu und Ter in der Barke, welche der Todte anbetet; über
dem Todten, hinter welchen jein Weib figt, während jein Sohn Spende
vor ibm audgiept in einer weiteren Darftellung, find die Himmel des
Atmu und des ftrablennen Ra. Den Himmel des Atmu beten Hunde
affen an. In dem achtzehnten Kapitel wird Thoth in zehn Abjchnitten
angerufen mit ver wiererfebrenten Bormel: D Thoth, Rechtfertiger des
Oſiris gegen Teine Feinde, vechtfertige ten Oſiris (jener Todte, ber in
Gerechtigkeit verjtorben war, erbielt ven Namen Oſiris) gegen feine Feinde,
wie du rechtfertigit ven Oſiris gegen jeine Feinde vor den großen Tetnetſu;
dann folgt die Beſtimmung, wo dieje Ternetju jich aufhalten, von denen
die vier des Dfiris ald vie vier Todtengenien (Amſet u. ſ. w.) am bekann⸗
teften fin. Dann werden zehn Gegenden des Himmeld genannt, ald
Ben, Ebut, Tetu u. ſ. w. Im Pen find Atmu, Mu, Tefnu; im Ebut
Dfiris, Iſis, Nephthys und ein fchafalfüpfiger Gott; im Tetu Oftris, I,
Nephthys und Horus; im Hauchemchem Thoth, Oſtris, Anubis u. ſ. w.
Im erſten Abſchnitt werden vor den Tetnetſu im Pen auch die des Ra
yfis, Dfiris, Soruk 2085;
vu Dirt, im legten hinter denen in Menu zufammen bie Tetnetfu jedes
ettel uud jeder Böttin genannt. Zwiſchen ver dritten und vierten
Gegen wird im neunzehnten Kapitel noch der Sonnenberg eingefchoben,
fo nf, fait der zehn, eilf Abtheilungen herausfommen, während eine,
welter Abfaßung dieſer Abtheilungen vierzehn hat. Won Kapitel 31 bis 42
fd vie Bekämpfung der Typhoniſchen Thiere, Krokodil, Skorpion,
bu Eſel (oder vielmehr der Schlange, welche auf einem Eifel figt)
her⸗ netet, und das legte Kapitel zählt die Glieder des Merftorbenen
2 beſtimmten Göttern zu beſonderem Schutz empfohlen find. Die
Imen ſind den vier Tetnetſu des Oſiris, den vier Toptengenien, geweiht.
Weiterhin opfert der Verftorbene ven Bewohnern ver himmlifchen Gegenden,
auf den himmlischen Waßern, adert, fäet, erndtet, driſcht auf ven
ihen Belvdern, welche von Waßer umgeben und danılt durchfchnitten
Dann kommt das Gericht, und dieſes Kapitel führt die Ueberfchrift:
* Erldſung im Saale der doppelten Gerechtigkeit. (Die bildliche
ng iſt oben angegeben worden.) Kapitel 141 bis 142 enthält
Imnliften von Göttern, welchen ver Verftorbene Opfer bringt, und in
u leberichriften mwernen Ulle ala befondere Namen oder Yormen des
I bezeichnet: Ofiris im Amenti, Herr von Abydos. Na der beiden
en. Nenpe (der Nil), Vater der Sdtter. Ma, Tochter der Sonne.
ara, die Sonnenbarfe. Atmu und Tera, alle anderen großen, alle
ren Fleinen Götter. Horus, der Herr des Pſchents. Mu und
nu. Seb und Nutpe. Die fieben heiligen Kühe und der Stier.
heiligen Ruder und die vier Tetnetfu des Oſiris, eine Menge
hiedener himmlifchen Wohnungen, dazmwifchen Hathor und Thoth. Die
nde Tabelle beginnt mit hundert Beinamen des Oſiris, dann fommen
re Namen, und am Ende noch zwölf Beinamen des Oſiris, fpäter
ugefügt mit den Bezeichnungen: Dfiris auf allen feinen
onen, Dfiris in allen feinen Hallen, Oſiris mit allen
en Namen, Dftris mit allen feinen Diademen, Oſiris
allen feinen Sigen. Kapitel 144 werben fleben Ari und ein
zwanzig Sebchet (Namen himmlifcher Wohnungen) aufgezählt, dann
fünfzehn Sebchet und wieder fleben Ari. Kapitel 148 erfcheint Oftris
Numienforn mit Sperberfopf und Schaafhörnern, umfaßt von Ement,
Goͤttin des Weften, und man fleht auch die vier Ruder der vier
melögegenvden. Im folgenden Kapitel Eommen Anrufungen von vier-
bimmlifhen Orten, Aatu genannt. Zuletzt finden ſich pantheiftifche
tellungen, und im Texte wird Ammon genannt, ohne, wie jonft, mit
n anderen Gotte iventiftcirt zu feyn. *)
) Zepfius, der Herausgeber des Turiner Todtenbuchs, meint, es flamme nad
Hieroglyphen und Stil aus ber Blüthezeit des zweiten Aegyptiſchen Reichs
@
366 fie, Ofiris, Soruk
Die Priefter Hatten alfo das Jenſeits in viele Raͤume getheilt,
zwei und vierzig Bdtter (welche in dem Turiner Todtenbuche auf ©.
genannt werben) hatten Jever feine himmliſche Wohnung, und Jever
eine Sünde zu prüfen, von denen fich der Todte zu reinigen fucht. Aegyp
hatte aber nicht fo viele Götter im eigentlichen Sinne des Wortes,
man nach dem Tobtenbucdhe annehmen müßte, und nach den Dentmä
fondern die verfchievenen Formen einer und berfelben Gottheit
befondern Namen gelten da als befonvere Gottheiten. Die Gerichtäfe
finden fi auch auf Denfmälern vargeftellt, 3. B. zu Theben in dem
Tempel hinter dem fogenannten Memnonium, welcher der Hathor g
war von Ptolemäus Soter I. Ma ift hier zweimal dargeſtellt.
aus dem fünfzehnten bis breizehnten Jahrhundert v. Chr., aus welcher
der größte Theil der Pharaonifchen Bapyrusliteratur in hieroglyphiſcher
bieratifcher Schrift herſtamme.
Fünfte Abtheilung.
0}
Sarapis.
Sarapis, mie ihn die Griechiſchen, Serapis, wie ihn bie Lateini⸗
fin Schriftfteller zu nennen pflegen, war ein zu Alexandria hochvers
Ahtter Gott, jedoch nicht Aegyptiſchen, ſondern Griedhifchen Urfprungs,
km er war der Hellenifche Unterweltsgott, der Seegenfpenvder PBluton,
mit dem Scheffel auf dem Haupte, welcher anzeigt, daß der Herrſcher ber
Unterwelt vie Nahrung aus der Tiefe ver Erve fproßen läßt und reichen
Segen gewährt. Durch die Herrfchaft ver Ptolemäer ward er nach Alerandrien
erfest, und das übrige Aegypten nahm ihn nur notbgebrungen an, wie
Rarrobius (1. 7) berichtet, indem er fagt: durch die Ptolemäer gedrängt,
umen die Aegypter den Kronos und Sarapis, nad der Weiſe ber
Uerandriner, bei welchen fie vorzüglich verehrt wurden, in ihre Vereh-
mauf; Doch gehorchten fie dem Befehle nur fo, daß fte ihre Religions»
kbräuche dabei nicht verlegten. Weil die Uegypter nämlich ihre Gdtter
ht mit Thieren oder Blut fühnen vürfen, (mas fte allervings thaten),
dern nur mit Weihrauch, fo errichteten fie, da dieſen eingewanberten
sttern Opferthiere gefchlachtet werden mußten, bie Tempel berfelben
ßerhalb der Stadtmauern, damit fie zwar biefelben mit den gebüh-
wen Opfern verehrten, ihre ftäbtifchen Tempel jedoch nicht mit Blut
ſudelten. Ueberhaupt follen fte ven Serapid höchft ungern und nur
thgedrungen angenommen haben, und fein Cult blühte auch vorzüglich
Sriehifchen und NRömifchen Orten, d. i. ſolchen in Aegypten, wo fi
: Griechen und Römer vorzüglich aufhielten, als in Alexandria, Kanobos,
ıtinoopolis, Berenife, an einigen Orten der Dafe, in Nitrotis.
Die Legende nun über die Einführung viefes Gottes zu Alerandria
utet bei Tacitus in den Gefchichten (4. 83) alfo: Als König Ptole-
ins, der erfle Gründer des Aegyptiſch-Macedoniſchen Reiche, Alex⸗
drin mit Mauern umgeben hatte und Tempel erbaute, und die Relis
onen einführte, erfchien ihm in dem Traum ein ausgezeichnet ſchoͤner,
yermenfchlich= großer Süngling, welcher ihn ermahnte, nah dem Pontus
ſenden, und fein Bild holen zu laßen; dieſes werbe nem Reiche zum
fü gebeihen, und die Stätte, welche ihn aufnehmen würde, werde
05 und herrlich werden. Zugleich fah er dieſen Jüngling unter vielem
euer fih gen Himmel erheben. Ptolemäus theilte biefe Erfcheinung
n Prieftern, welche fich auf verlei Dinge verftehen, mit, und da die⸗
Iben ven Pontus und die auswärtigen Sachen zu wenig fannten, fo
fragte er den Athener Timothens aus dem Gefchlecht der Eumolpiven,
270 Sarapis
den er als Oberpriefler aus Eleuſis hatte kommen laßen, über bie
gion und die Gottheit, welche ihm erfchienen war. Als Timothen® |
folchen, die im Pontus geweſen waren, nachforfchte, erfuhr er von Sk
und dem bafelbft allberühmten Tempel des Pluton, welchem dort au
weibliches Bild, von den meiften Perfephone genannt, beigegebern ı
Ptolemäuß jedoch auf andere Dinge gerichtet, Tieß die Sache almähCag
Dergeßenheit gerathen, bis eine zweite Erſcheinung, fchredlicher und x
gender als die erfte, ihm ſelbſt und feinem Reiche den Untergang ko
wenn er dad Befohlene nicht ausrichten würbe. Da fandte er Boten
Geſchenke an den damaligen König von Sinope, den Skydrothemis, Ay
jedoch unterwegs ven Pythiſchen Apollo befragen follten, ver ihn x
Antwort gab, fie follten hingehen und feines Vaters Bild holerm „
feiner Schwefter aber dort lagen. Als fie nad Sinope Tamen,
fih Skydrothemis bald von ven Geſchenken und Verfprechungen der
angelodt, bald fürdhtete er die Gottheit und die Drohungen feine 1
ftrebenden Volks, worüber drei Jahre vergiengen. Doch Ptolema mu
nicht ab, vermehrte vie Gefchenfe und vergrößerte vie Zahl feiner —E
und Skydrothemis hatte eine drohende Erfcheinung, daß er nide
zögern ſolle. Mancherlei Unheil, Krankheiten, offenbarer Ss
drängten ihn täglih, und als er eine Volksverſammlung berief,
er die Befehle ver Gottheit, feine und des Ptolemäus Geſchichte ze
drängenven Mebel darlegte, winerftrebte das Volk, fürditete den Got”
zugeben und umringte ven Tempel. Da fol nun der Gott ſelbſt a F
am Geftade haltenden Schiffe gegangen ſeyn, und fchon in brei e-
gelangten fie nach Alerandria, wo dem Gotte ein der Stadt gerc—
Tempel an dem Orte Rhakotis erbaut ward. Un diefem Orte war
Alters eine Capelle des Serapid und ber Iſis geweien. Anvere ſag
der Gott fey unter dem dritten Ptolemäus aus Seleucia in Sy
geholt worden; und wieder Andere, er fey aus Memphis geholt.
dem Gotte aber wollten manche ben Asklepios erblidden, weil er 1
Kranken heile, Andere ven Oſtris, Viele ven Zeus, als ven Herr al?
Dinge, die Meiften aber den Pluton aus feinen Kennzeichen, ober we
fie fo aus Dunflerem fehloßen.
In der Hauptfadhe flimmt Clemens ver Aleranpriner mit dem ve!
Tacitus Crzählten überein, doch jagt er (S. 14), es hätten welche vn
höchft verehrten Sarapis als nicht von Menſchenhand gemacht angegeben
berjelbe aber fey nach ver Erzählung Einiger dem Ptolemäos Philavelphe
von den Sinopern geſchenkt worden, zum Danke dafür, daß er fie in eim
Hungersnoth mit Getraive unterftüßt habe, und ver König habe das ir
Pomp nah Alexandria gebrachte Bild Plutons, denn dieſen ſtelle es vor
auf der Höhe Rhakotis, wo auch Sarapis verehrt worben, aufgeſtelll
Glemens nennt den Iſidorus als den Ginzigen, welcher angegeben, e
Sarapie. gm
Vj ine vieles Bild aus Seleucia, und Ptolemaͤus habe es von dort für
Bw He Straiteunterflügung in ber Noth erhalten. Aber Athenodorus erzählte:
Saal Sefofris von feinem großen Zuge nach Aegypten zurüdtehrte und
ae Künſtler kommen Tieß, hieß er fle den Oſtris, feinen Ahn, herrlich
a und Bryaris fertigte ihn aus gemifchtem Stoffe, aus Gold, Silber,
u, Eiim, Blei, Zinn, Saphir, Hämatit, Smaragd, Topas. Was nun
den Derfertigen des Oſiris und bes Apis übrig blieb, mifchte der
sure untereinander und bildete daraus den Sarapis, deßen Name aus
= Ani entſtand.
Diefes erbärmliche Mährchen will eigentlich nur den Sarapis in eim
ee Alterthum hinauf rüden und den Namen von Oflris und Apis
Der eigentliche Charakter der Legende aber iſt nur in ver
ung des Taeitus erhalten, und vie Herleitung des Alerandriniichen
ie aus Memphis, ift dem gewöhnlichen Beſtreben zugufchreiben, in
MA untthologiſchen Dingen alles für recht alt, und beſonders dem Beftreben
ER Uegiptex, alles Mythologiſche auch bei den Griechen für urfprünglid
iſch auszugeben. Daß aber gerade Memphis dazu auserſehen ward,
Mn der Fremde eingeführten Gott ge Alexandria, wo die Makedoniſche
def ft ihren Sig hatte, aus dieſer t berzuleiten, mag daher kommen,
u Apis in dieſer Stadt fein Heiligthum hatte. Denn fobald man
a Rumen des Sarapis, ald aus dem des Apis entflanden, deutete,
‚game man mit feinem Urfprung nach Memphis, und auch die, welche
Ha nicht von Ofiris und Apis ableiteten, blieben doch zum heil bei
J ben pie ſtehen, und erklärten, wie wir bei Plutarch (29) Iefen, den
Gariyid nicht für einen Gott, fondern für ven Sarg (griechiſch soros) des
Th Pauſanias (1. 18) fagt: das glänzenpfte Heiligtfum bes Sarapis
Rp Aerandria, das Altefte aber zu Memphis, in welches weder Fremde,
ad auch die Priefter gehen duͤrfen, ehe fie ven Apis beflatten. Wann
Pe aber den Apis beſtatten, bemerkt Plutacch, da dffnen fie zu Memphis
W Pforten ver Vergeßenheit und ver Wehklage, die einen bumpfen, rauhen
In hören laßen. Ariſtippos fügte, der Argeier Apis habe Memphis
gründet und Ariftäos der Argeier bemerkte, verfelbe ſey Sarapis zube⸗
sannt worden, wie Glemend ver Alerandriner in den bunten Schriften
(6. 139) meldet, woraus zu erfehen, wie die Fabelei durchaus den Apis
zu Memphis als Sarapis feſthielt. uftathius zu der Geographie des
Dionyflus, welcher (255) den Sarapis zu Alexandria, ven großen Sing-
piſchen Zeus nennt, fagt, Sinopifch beveute Mempbitifch, denn Sinopion
heiße ein Berg bei Memphis.
Eine andere Sage, welche Plutarch (28) aufbewahrt, Iautete dahin,
ein gewißer weit umher gewanderter Softbios habe dem Ptolemaͤos Soter,
als er nicht wußte, wo er ven im Traum erfchienenen Gott fuchen follte,
ben Koloß von Sinope angegeben, worauf Soteles und Dionyfos hinge⸗
tragt 'M
973 | Sarapis.
ſandt wurden, welche nach langer Zeit und mit Mühe, nicht ohn
lichen Beiſtand das Bild entwendet und zu dem Könige gebracht.
hätten nun Timotheos der Dolmetſch und der Sebennyte Manethoß
Könige gejagt, diefer Gott ſey Sarapis, d. i. Pluton, denn jenen
befam er erft in Aegypten, weil Pluton daſelbſt Sarapis beißt, u
"hätten dieſes gefchloßen aus dem Kerberos und der Schlange, ven
zeichen oder Attributen des Gottes. Plutarch meint nun, weil
‘oder Hades Dionyfos fey, diefer aber Oſiris, fo fey Sarapis Ofiris,
findet aber feinen fterbenden Sarapis, wie Oſiris fortwährend ber fi
Gott war, fondern dieſer erft unter der Makedoniſchen Herrfchaft en
führte Gott, von welchem vor derſelben feine Rede iſt, nahm in ſu
feine Stelle ein, als er in Alexandria der Seegensgott war, und eba
wie Oſtris ein Gott der Unterwelt. Sein Name kann nicht aus
Namen Oſiris und Apis entflanvden ſeyn; denn eine ſolche Namenver-
melung fonnte weder Manethod angeben, nody würde man einen fo
tigen Namen, wie den des Oſiris bis zur Unfenntlichfeit verberbt p_
denn da das Wort Heftri, wie es eigentlich heißt, aus hes und iri b
fo würde man von dem erftepu: das s behalten haben, und ir—
Auge, in ar entftellt, ift ganz undenfbar. Zwar findet ſich ver Name
Heſiri, aber Hapi heißt auch einer der Todtengenien, und es ift Num
Stierd zu Memphis; die Bedeutung dieſes Wortes Fann fern: der Ri
Da die fpäte Zeit eine Zeit der Deutung war, fo verſchonte
auch nicht den Sarapis, und er ward für den Sonnengott erklärt, Fo
für den Nil oder den hHöchften Gott unter dem Namen Zeus. 1
*) Plutarch (29) fagt: wenn der Name des Sarapis Aeguptifch ift, To gla.
ich, er bedeutet Heiterfeit und Freude, indem ich es daraus fchließe, 1
bie Aegypter das Freudenfeſt sairei nennen. SJablonsfy, welcher in $
Sarapis den Nilmeßer zu fehen vermeinte, leitet den Namen von s
Säule, und api, Zahl. Gälte es eine bloß fcheinbare Erklärung zu gel
fo könnte man fügen, Manethos habe den Griechifchen Gott zu einem 9
figer des Toptengerichts gemacht; denn Jeder derfelben hat etwas in
Händen, was dem Schilfblatt der Hieroglyphe gleicht, und das Rohr |
sar, ſo daß sar-hapi Rohr: Richter heißen Fünnte. Dergleichen aber |
fih auch Teicht als völlig willführlich nachweifen; denn das Schilfblatt
Hieroglyphe hieß ak und bezeichnete den Buchftaben a. Mehrere He
fhriften des Hieronymus bieten zu dem Namen des Könige Seſonchoſis
Bemerkung, der Bater des Senscoris fey Siparis gewefen, der nach feiı
Tode vergöttert und Sarapis genannt worden fey. Die Chriſten erflä
fogar diefen Gott für den Sofeph der Bibel, wie wir aus Suidas erfel
und bei Julius Maternus wird fein Name von Abrahams Weib Sara
Apis abgeleitet, als eines Abfümmlings der Sara. Kaifer Hadrian faf
ihm den Gott der Juden und Chriſten.
Sarapis. 273
Wäriften Iauten gewöhnlich, dem Zeus Helios, dem großen Sarapis,
8 Haraklides Pontikus nannte ihn richtig Pluton.) So fagt Suidas:
Bantte halten den Sarapis für Zeus, Andere für den Nil, weil er ven
Fheſſel auf dem Haupt Hat und vie Elle oder das Waßermaaß führt,
der Rhetor Ariftives im zweiten Jahrhundert unferer Zeitrechnung
Win der Rede auf den Sarapis, diefer bringt den Nil zur Zeit des
ner, vieler führt die Winterftürme herbei, und eben fo geben ihn
Mn und Sokrates in der Kirchengeichichte für den DBringer ver Nil-
eſhwemmung aus. Nufinus (2. 30) fagt, man trug dad Nilmaaß zum
pl deß Sarapis, als dem des Urhebers der Nilüberfchwenmung, zur
hen Zeit aber brachte man es jeit Conftantin dem Großen in bie
X, wie Sozomenus in der Kirchengefchichte (1. 8) angiebt. (Derfelbe
Bit (5. 3), daß Julian der Apoftat das Nilmaaß wieder in den Sara-
Pete bringen ließ, Theodoſius ver Große aber zerftürte den Sarapis-
el zu Alerandria oder Kanobos, wie Eunapius [S. 63] angiebt.) Auf
fan Alexandriniſchen Münze bei Pignorius (S. 81) findet fi der Nil
Gheeii mir dem Scheffel und Füllhorn ein Schilf haltend und mit ver
IM auf der einen Seite: dem Gott Nil, auf der anderen: dem Gott
Sa. Eine Inſchrift des Sarapis von Kanobus lautet: dem Zeus
M dem großen Sarapis zu Kanobos und allen Göttern weihte Sara⸗
| einer ver heiligen Diener ded Antinous, und zu Maharrafah in
ien fand Burkhardt die Infchrift: Ich habe die taufenpnamige Iſis
: ten Helios Sarapis angebetet. Porphyrius bei Eufebius (3. 11) fagt,
Pepih habe ein Purpurgewand als Bild feines unter die Erde hinab⸗
felenden Lichts. Athenodor dagegen bei Clemens dem Alexandriner
(€ 32) jagt, die Sarapisbilvder feyen blau und dunkel, und Macrobius
(19) fagt, vie obere Sonne bilden die Aegnpter heil, vie untere blau,
Avbius aber erflärt (1. 20) ven Sarapis für die Sonne und befchreibt
"A Kerberos des Gottes zu Alexandria. Diefer, fagte er, babe in ber
Bite ven Lowenkopf gehabt, welcher der größte geweſen fen, zur rechten
fr ein ſchmeichelnder Hundskopf, zur linken der eines Wolfs geweſen,
me Schlange aber habe fie umfchlungen, deren Kopf fich an die das Thier
einftigende Mechte des Gottes gerichtet habe. Dem Kuprifchen König
Hofreon foll der Gott felbft auf Befragen geantwortet haben in einem
hafelfpruch, ver Himmel fey fein Haupt, das Meer fein Leib, die Erbe
ine Füße und feine Ohren feyen im Aether. Hier ſehen wir, wie zulegt
arapis der moftifchen Deutung als der höchfte Gott erſchien. Daß Feuer
d Waßer in den Bereiche viefes hohen Gottes gewefen, meldet Por-
grius in der Schrift über die Enthaltfamfeit, indem er fagt, bei dem
effnen des Sarapistempels ift Dienft des Feuers und des Waßers, ber
mnovde fpenvet Waßer und zeigt Feuer, auf der Schwelle ftehend und
n Gott rufend in Agyptifher Sprache.
N 18
974 Sarapis.
Sarapis trat mit Iſis zuſammen, und für die Verehrer
war nun der Griechifche Gott eigentlich das, was Ofiris ni
(Plutarch [27] fagt, Sarapis ift Pluton, Iſis Perfephaffa), welcher
nicht befeitigt ward, ohne dag wir eine einigermaßen genaue Kunde d
haben, welche Stelle. ihm die Sarapis⸗Iſis⸗-Verehrer anmiefen. (Ag
[10. 23] bemerkt, daß der Ejel ven Verehrern des Sarapis ebenfallß.|
haßt gemefen, fo wie die Gazelle, welche gegen die Sonne gekehrt, ı
Nothdurft verrichtet. Alfo warb Typhon, dem ver Ejel gehörte, auch:
Sarapid verhaßt betrachtet, wie dem Dftrid.) Daß aber viele W
Ceegenögottheiten zufammen verehrt wurden, geht ſchon daraus bei
daß e8 in der Legende heißt, auf der Höhe Rhakotis fey ſchon vor U
ein Tempel des Sarapid und der Iſis geweſen, und auf diefe Berbim
pürfen wir e8 beziehen, wenn Macrobius fagt, Ifis fey mit verbund
Religion verehrt worden. Don der Verehrung zu Rom fagt Barre
Auguftinud (18. 5), in allen Tempeln, wo Iſis und Sarapis va
wurden, ftand das Bild mit dem an bie Lippen gebrüdten Winger, we
zu mahnen fihien, man möge ſchweigen. Demnach hätte man das Seeg
find aus ver Verbindung von Sarapid und Iſis hergeleitet, und.
dieſes der Yal war, mußte die Trauer der Iſis dem Kinde gelten.
Nom war die Neigung zu diefem Culte ſtark, welcher ſich au) in Grie
land verbreitete, doch der Nömifche Senat fchritt ſchon im Jahre 219
unferer Zeitrechnung gegen venfelben ein, und ließ pie Tempel ver.
und des Serapid nieverreißen, fo wie auch wieder 53 v. Chr. ein Sen
befehl ergieng, die von Privatleuten errichteten Tempel in der Stad
zerftören.. Doch baute man deren wiederum nach Cäſars Tod, aber Aı
ſtus verbot die Aegnptifchen Göttervienfte in dem Umkreis einer P
von der Stadt. Tiberius fchritt ſchon wieder gegen Negyptifche und 3
fhe Bräuche ein, wie Suetonius in feinem Leben (36) melvet, und 9
tu8 in den Jahrbüchern (2. 85). Allein Serapis und Iſis blieben ı
verbannt und waren nicht zu verdrängen, doch war, wie Dig im vierzig
Buche feiner Gefchichte meldet, der Serapistempel außerhalb ver S
In Aegypten ermähnt der Rhetor Ariftives zwei und vierzig Sarapisten
Oberhalb Philä, zu Parembole, war ein Tempel ver Iſis und des Sarı
Auf der großen Dafe zu Kyſis trägt ein Propylon die Infchrift:
Trajan u. ſ. w., dem Serapis und der Iſis, den größten Götl
(Zetronne II. 4.) An dem Weg nad) der Korinthifchen Burg erwähnt
faniad (2. 4) des Tempels des Kanobiſchen Sarapid und eines zwe
Sarapidtempels, fo wie eines der Iſis Pelagia, vd. i. ver Meer-Ifie. 1
felbe (2. 34) nennt einen Tempel der Hermionenfer, da, wo ihre frü
Stadt war, Sarapid und Iſis gehörig, mit einer Mauerumgebung,
N und Perſephone⸗-Myſterien gefeiert wurden. Auch geben
eine8 Sarapistempels zu Sparta und (7. 21) zweier zu Patrl
Sarapie. 278
Sala, fo wie (1. 18) eines zu Athen, mit dem Zufag, daß bie Athener
"fen Goſt von dem König Ptolemäos befonmen hätten.
Daß Manche den Gott für den Asflepios erklärten, zeigt fchon
gfam, wie derfelbe wegen Heilungen befragt ward. Gtrabon (602)
Serichtet: zu Kanobos ift ein fehr heilig geehrter Tempel des Sarapig,
er Heilungen gewährt, fo daß auch die anfehnlichften Männer darauf
- yertrauen , unb entweder für fich in diefem Tempel fchlafen, oder Anvere
f für diefelben thun. Es fchreiben auch welche die Heilungen auf, Andere
ber die Demährungen der daſigen Orakelſprüche. Diefes Traumorakels
geenlt auch Plutarch (27). [Der Verehrung des Sarapid im Natrone
Seit erwähnt Strabo (803) und fagt, an diefem Orte in Negypten
werde ein Schaaf geopfert, fo wie er auch des Tempels zu Memphis an
x fehr fandigen Drte gedenft (807)]. Sogar als Thierarzt bemährte
diefer Gott, denn er beilte, wie und Aelian (11. 31) erzählt, durch
Angabe eines Mittelö, das blinde Auge eines Pfernes, welches Thier
Amräber fo entzüdt war, daß es fich feinem Netter zum Dank an deßen
Murſtufen wälzte. Derfelbe erzählt (11. 32), wie ein Landmann, welcher
bei der Arbeit in der Weinpflanzung aus Verſehen eine Schlange von
ber feiligen Art durchhieb und darüber mahnfinnig ward, von feinen
-Berwandten zu dem Sarapid gebracht und von biefem geheilt mwurbe.
Semer (11. 34) berichtet er, daß ein treuer Verehrer dieſes Gottes,
welchen fein Weib mit Schlangeneiern vergiftet hatte, von dem Gotte
angewiejen warb, eine lebende Muräne in ein Gefäß zu thun, und feine
Sand hinein zu jeden. Berner (11. 35) zu Nero's Zeit babe er einen,
welcher Blut ſpie und die Schwindſucht hatte, durch Stierblut geheilt,
ww einen andern Schwinpfüchtigen durch Ejelsmilh. Suetonius erzählt
im Leben des Beipafianus (7), ein Blinder und ein Lahmer feyen in
Uexandria zu Deipaftan gekommen, nachdem Sarapis fie im Traume
belehrt Hatte, und hätten ihn gebeten, der Blinde, er möge ihm auf die
Augen fpeien, ver Lahme, er möge ihm an die :Beine treten, denn fo
würden fie geneſen. Veſpaſian vollzog die Bitte, und die Heilung war
sollbracht. Die in Rom gefunvenen Statuen weichen ab von ben Gries
Sich» Aegyptiichen, welche Iegteren ven Griechifchen Gott mit der Bil⸗
bung des Dflrid vereinten.
>
18*
276
s Berfonificationen.
Unter den PBerjoniflcationen der Aegypter, weldde ums beten in
geworben find, Fommt am häuflgften vor
Ma,
welche vie Gerechtigkeit bezeichnet, fo wie aud) die Wahrheit mit bie
Worte benannt wird. Sie heißt ſtets eine Tochter der Sonne (man
mal auch Haupt oder Lenkerin der Götter), und ift eine Genoßin
Thoth, welcher ver Diener der Gerechtigkeit im Amenti ift, wo audi
eine Hauptſtelle bei dem Gerichte angewieſen ift, indem das Herz %
Verftorbenen mit ihrem Bilde gemogen wird, um zu ſehen, ob es gere
befunden werde. Ihr jinnbilvliches Zeichen ift die Straußfeder, und
oben fchon bemerkt worden ift, warb fie auch ohne Kopf abgebilvet,
mit der Straußfeder auf dem Rumpfe, worin aber fein bejonderer Dege
ausgedrückt ift; denn mir finden manche Aegyptiſche Darfiellungen
Gottheiten, weldye den menjchlichen Leib ohne Kopf dur das Sinnbll
ber darzuftellenden Gottheit ergänzen. Anders verhält es fih mit bem,
was Diovor (1. 48) angibt, daß der Richter ihr Bild mit gefchloßenen J
Augen am Halje hängen habe, denn daß damit vie ohne Anfehen ver
Perſon entſcheidende Gerechtigkeit gemeint fen, ift natürlich. Warum
Ä
die Straußfeder zum Sinnbilde der Gerechtigkeit gewählt worden fey, IR}
und unbefannt. (Bei Horapollo (2. 118) heißt ed: den Allen gleiche
Recht ertheilenden Mann bezeichnen fie durch eine Straußfeder, denn
diejer Vogel bat vor allen andern die Blügelfevern gleih. Daß aber
diefer Erflärungsverfuhh das Rechte treffe, ift nicht mwahrfcheinlicdh.) Da
die Straußfeder auch den Weften bezeichnet, fo Eünnte fogar dieſe Bebew
tung die eigentliche jeyn, und Ma wegen des Amenti fie erhalten haben.
Zuweilen wird fle, wie ebenfalls jchon oben bemerkt worben ift, zwiefach
dargeftelt, um vie belohnende und beftrafende Gerechtigkeit anſchaulich
zu machen, und es werben ihr Zlügel gegeben, welche als Geierflägel
erſcheinen, womit man den mütterlichen Schuß bezeichnete. Statt Ma
boppelt zu bilden, gab man ihr auch, um denſelben Begriff zu bezeichnen,
welchen vie doppelte Geftalt ausprüden jollte, zwei Straußfedern auf det
Saupt, oder deutete fie bloß durch zwei Straußfedern an. Plutarch (3)
nennt zwei Mufen zu Hermopolis, Ifſis und vie Geredhtigkeit, womit er
die Ma meinen muß. In wiefern jedoch dieſelbe zu Hermopolis als eine
mit der Helleniſchen Muſe zu vergleichende Göttin erfchienen ſeyn mag,
wird und durch nichts aufgeklärt; eine Mufenperjonification aber begegnet
und bei den Aegyptern nicht. Außer im Amenti erfcheint fie mythologiſch
am wichtigften bei Phthah, wovon in der Mythologie dieſes Gotteh
gehandelt worden if. Auch finden wir fie in Verbindung mit Hathor
Berfonifteationen. 277
erehrt in dem diefer Göttin von Ptolemäus Soter II. in einem Thal
inter dem Memnonium errichteten Eleinen Tempel, wo das rechte Sanctua⸗
um der Hathor, das linke der Dia geweiht war, deßen Bilder fich auf
re Obliegenheiten im Amenti beziehen. Die Urſache dieſer Verbindung
nn feine andere feyn, als daß Hathor bier als Göttin des Weften, wie
: auch in der Weihinſchrift heißt, die im Welten vorzugsweife wirfenve
dttin zur Seite Hat. An einem Mumienkaften des Brittifhen Mufeum
Kheint fie als ein Scepter, oben mit einer Straußfeder, mit zwei Armen
se Leiche tragend. Ein anderes Bild zeigt fie aus einem Berg hervor-
hend, und dem Todten zwei finnbilvliche Gegenſtände vorweiſend.
Bei dem Anhören ver Klagen trug der oberfte Richter ein kleines
fo der Da, und berührte ven, welcher Recht in ver Klageſache bekam,
it demselben. Auch haben die Könige fte oft in der Sand und bieten
: den Gdttern dar, fo wie fle Ma⸗liebende, oder Dia » geliebte heißen, um
ve Gerechtigkeit zu bezeichnen. Die Aegypter aber trugen in ihrem Bruſt⸗
Ude Das Bild des Ra (der Sonne) und der Ma.
Einer zu Thoth gehörenden Perfoniftcation, welche vie Zeitperigpen
leich Thoth lenkt und fchreibt, tft in ver Mythologie dieſes Gottes gedacht
seven, fo wie ſchon
Un,
e Berfonificatin ver Stunde, erwähnt worden iſt in ber Mythologie des
a. Diefer Perfonificationen giebt es vier und zwanzig, zwdlf für den
39 und eben fo viele für die Nacht. Ein Stern über dem Haupte
zeidmete dieſelbe, doc) findet man ſie nicht in Tempeln dargeftellt, fondern
ı Gräbern und an Sarkophagen, wo der Todte zu den zwölf Stunden
5 Tags und der Nacht der Reihe nach betet over ihnen barbringt.
Better wißen wir nichts von diefer Perfonification, welche weiblich ift
Auch das Jahr Hatte eine Perfonification, welche weiblich ift, und
elche wir hieroglyphiſch
Rpe oder Npi
mannt finden, abgekürzt aus Nenpe, wie das Jahr heißt. Diefe Göttin
ägt den Palmzmweig, das Sinnbild des Jahre, womit die Palme gleichen
tumen führt, auf dem Haupt, und hat das Lotosſcepter und dad Zeichen
5 Xebend in ven Händen.
Die Herrſchaft Hat eine Perfonification in der Goͤttin
eb,
elche zu Medinet Habu im Tempel des Ramefes III. unter diefem Namen
efunden wird; ſie trägt ven Geier ald Kopfbedeckung und das Bild bes
dnigsthums den Uräus, fo wie ven Diskus und Die Hörner. Wir Fönnen
278 Berfontficationen.
nicht entfcheiden, ob man vielleicht die große Mutter in dieſer Weiſe al-
Herrin darftellte, fondern müßen in Ermangelung näherer Belehrung und‘
damit begnügen, biefe Geftalt ihrer Benennung gemäß als eine Perſoni⸗
fication der Herrſchaft zu betrachten.
Eine Perfonification de8 Landes unter dem Namen
Kahi,
d. i. Land, findet ſich als Göttin mit dem hieroglyphiſchen Zeichen
Landes und des gepflügten Landes auf dem Haupte, und fie ward g
Mutter aller Regionen, fo wie man den Oſten und Werften Aegyp
(Willinfon I. 2. 49) weiblich vargeftellt findet, auf dem Throne fi
weiblich mit dem Kufuphafcepter und dem Zeichen des Lebens, die Oftgän
tin auf dem Haupte tragend den Altar mit Darbringungen, die Weftgd
den Sperber auf der Stange und die Straußfeder. Zum hieroglyphiſchen
Zeichen haben beide dad Bild des Hügels, welche Gegend beveutet, und
die Weftgöttin Heißt Königin des Himmels, Herrin der Götter, und öftert
trägt fie das Zeichen des bebauten Landes. Ihre beſondere Wichtigkeit J
hat fie durch den Amenti.
Khemi.
Aegypten ſelbſt, Khemi, d. i. das ſchwarze Land, wird dargeſtellt als
Goͤttin, das Kukuphaſcepter mit der Straußfeder daran auf dem Haupte
tragend, ſo wie die Hieroglyphe des bebauten Landes. In der einen
Hand hält ſie Speer, Bogen und Pfeile, in der andern die Streitaxt und
das Zeichen des Lebens. Alſo wird Aegypten dargeſtellt mit den Zeichen
der Herrſchaft, Gerechtigkeit und der kriegeriſchen Tüchtigkeit. Die beiden
geflügelten Schlangen mit der Krone von Ober⸗ und Unterägypten kann
man nicht geradezu Perfonificationen nennen, da fie Sinnbilver ter fchügen«
den Herrfchaft von Ober= und Unterägnpten find, wie ver Geier ein ſolches
ſchützendes Sinnbild ift, wovon ſchon oben die Rede gewefen if. Auf
Städte ſehen wir als Göttinnen perfoniflcirt.
Thbeben.
Ape, Tape, die Große, erfcheint unter Diefem Namen im Ammon
tempel zu Karnaf, und beißt die mächtige Mutter der Götter. Ihrem
Namen folgt das hierogInphifche Zeichen der Krippe (ap), womit heben
bezeichnet ward, und fie trägt daſſelbe auch manchmal, ihren Namen anzus
deuten, auf dem Haupte, deßen gewöhnlicher Kopfſchmuck in dem Discus
mit den Sathorhörnern befteht. Zumellen hat fie das Kufuphafcepter alb
Zeichen der Herrſchaft, zuweilen das Lotusfrepter der Göttinnen. (In
den Legenden heißt Theben das Land ver Throne, als alte Hauptftabt.)
Unbeftimmte Gottheiten. 279
Tentyris.
Auch diefe Stadt fehen wir als Göttin perfoniftcirt, doch etwas befon-
deres Bemerfendwerthes ift über ſie nicht zu fagen.
In dem Pallafte zu Kurna finden fich zwanzig Fleine Gemälde, melde
abwechſelnd den Nil in feinen verfchievenen Zuſtänden und die Göttinnen,
welhe Aegypten während jedem Monat fchüben, darſtellen und Ramſes
z den Großen bie Gaben des Waherd und des Landes barreichen mit den
Borten: „wir geben dir die Hervorbringungen beftimmt zu den Darbrin-
en für die Goͤtter, damit du die Panegyrien des Hauſes deines Vaters
n Fannft, weil vu ein Sohn bift, der feinen Vater liebt, wie Horus,
welher den feinigen gerächt hat.‘ Diefe Geftalten fünnen nur als
Berfonificationen des Nil und des Landes Aegypten betrachtet werben.
Unbeftimmte Gottbeiten.
Bei den vielen Namen und Darftelungen der Aegyptiſchen Gott«
feiten trifft e8 fich, daß wir manche der Namen fowohl, ald ver Darftel-
Bingen nicht mit einiger Beftimmtheit zu erfennen vermögen und baher
sicht zu fagen wißen, welcher Gottheiten Formen, oder ob fie ganz felbit-
fändige Formen feyen. So fieht man in ven älteften Tempeln
Mer,
.h. die Geliebte, mit vem Lotus auf dem Kopfe, und in den Panegyrien
MR fe immer vor dem Könige, welcher ein Gefäß und vie Peitfche trägt,
ig der Unterwelt erfcheint fie mit Krokodil- und LXömwenföpfen, und trägt
He Sonnenfdheibe und die Ammonsfedern. Doch in diefer Darftellung
fommt ſie felten vor, und nur in Leichengegenftänden. Man fteht Mer
bei Wilkinfon (Tafel 67) mit der wie zu einer Darbringung audge-
Aredten Sand.
Bei Wilkinfon (Tafel 72) fehen wir eine Göttin, die Hände wie
anbetend vor fich haltend, mit einem Auge auf dem Kopfe, Doch das
| Zeichen ihres Namens iſt unentziffert. Das Auge kommt im Namen
Aegyptens vor; und auf dem Stein von Roſeite, wie auch anderwärts,
heist Aegypten das Land des Auges und des Baumes (Tegtered gewöhn-
licher in älteren Denfmälern. Mit diefem Baum aber ift die Syfomore
gemeint, die zum Lebensbaum und dem Ideal eined nährenden Baumes
gedichtet ward). Jene Göttin ift dfterd anbetend vor andern Gottheiten
in PBtolemäifchen und Nömifchen Tempeln und auch zu Eofu. Das. Auge
aber ward in Aegypten fo mannigfaltig angewandt, in ven Todtenge⸗
bräuchen, in Gräbern, auf Sarkophagen, Booten, Verzierungen, auf Stein-
380 Unbeflimmte Gottheiten.
und Töpferwaaren, daß man wohl feine Bedeutſamkeit daraus fieht,
über die Göttin, von welcher hier vie Rede ift, um fo weniger
beſtimmte Anſicht faßen kann. Mit verfelben Hieroglyphe finvet fich
Goͤttin thronend, mit Lotusſcepter und Leben, und einem Kopfſchmuck
Blättern. (Champollion Pantheon Tafel 20, welcher fie für Ipe
Goͤttin des Himmels, erklärt.)
Zu Denverah und Philä findet fih die Abbildung einer [ham
föpfigen Göttin, Namend Hh, mit dem Xotusfcepter und dem Je i
des Lebens in den Händen, und der Scheibe über nem Schlangenkop F.
Eine andere Göttin mit der Scheibe und den Hbrnern, ohne Fi
ein weiteres Zeichen, vie ebenfald das Lotusfvepter und das Zeichen A
Lebens hält, heißt Bi und hat eine Schlange zum hieroglyphiſchen Zeig
(Wilkinfon Tafel 59). Als Schlange bewadht fie die Thürmwege ver Grg
fammern, welche die Behaufungen des Himmels varſtellen.
Eine Söttin Pi hat Disfus und Hörner, findet ſich zu Den
und Theben, fo wie auch zu Esneh, wo ihre Hieroglyphen aber
ſchieden find.
Unter vem Namen Tff findet fich in den alten Tempeln eine G
dargeftellt mit der Sonnenfheibe und den Hörnern, und Tochter
Sonne genannt (bei Wilkinfon Tafel 64).
Eine Goͤttin, welche als Hieroglyphe einen Schild auf vem Haupt
trägt mit zwei ſich kreuzenden Pfeilen, hält ein Kind auf der einen Hank,
gegen welches fie vie andere hinhält (bei Wilkinfon Tafel 65).
Zu Denverah heißt eine Göttin, weldde Nemau, oder ähnlich benannt
wird, Herrin der acht Regionen des Landes, Herrfcherin von Xentyrig,
und ferner Tochter der Sonne. Sie erfcheint entweder mit ber Sonnen⸗
fheibe und den Hörnern, over trägt ein Gefäß auf vem Haupt, worauf
fi) manchmal Waperpflanzen erheben. (Das Wort mau, Waßer, ſchein
in dem Namen enthalten zu feyn (bei Wilkinfon Tafel 66). Das Gefäß
auf dem Haupte ſcheint ihren Namen zu bezeichnen, und i mu bedeutct
ein Waßergefäß, fo daß dieſe Göttin ähnlich wie Nutpe benannt und
durch den Hauptſchmuck bezeichnet ift.
Cine Kubgdttin, d. i. eine Göttin mit Kuhkopf, der Sonnenfcheibe,
den Hörnern und Federn, T-ah genannt, d. i. die Kuh, finden wir abge
bildet bei Wilkinfon (Tafel 60); fte heißt Beugerin der Sonne, win I
zuweilen iventificirt mit Neith, deren Name vor dem ihrigen bergeht.
Eine fhlangenföpfige Göttin, Hoph genannt, kommt im Amenti vor.
at
Renen.
Renen, uräuskoͤpfig oder mit dem Uräus auf dem Haupt, if
vorzugsweife die Nährerin, Pflegerin junger Bürften und eine Vorſteherin
der Gärten, und ihr Name bezeichnet fie ald Nährerin, Pflegerin (renen,
Unbefimmte Gottheiten. 201
en, plegen). Auch als Schlange mit den langen Federn, dem
8 und den Hoͤrnern wird ſie dargeſtellt. Im Amenti bei ver
| ſcene figt fe als Kleine Figur nebft dem Si, welcher Name
ohn beveutet, an ber Wage, und bezeichnet vafelbft den Begriff des
wengebobtenen Lebens, welches dem Todten zu Theil wird, bargeftellt
vard einen Sohn und die Pflegerin. Beide zufammen haben daher im
I biefelbe Bedeutung, welche die Anweſenheit des jungen Horus
ft hat.
Pit zwei Vaſen in den Händen findet fich eine Göttin, welche hiero-
5 ME, Mkt genannt wird (bei Wilkinfon Tafel 70), welches
nd Bedeutung wir nicht Eennen; denn das hieroglyphiſche Zeichen
u kann auch mm’ gelefen werden, fo daß viefelbe auch Muk (Menef,
er Meneft) heißen Eönnte, und daß fie fo Heiße, ift wahricheinlicher,
ber Name Mi. Man wird dadurch an den Namen der Mnhi erinnert.
Onuris.
Ein Griechiſcher Papyrus des Leidener Muſeums (herausgegeben von
ns, S. 122), der aus Memphis ſtammt, und ungefähr dem zweiten
Weunvdert n. Chr. angehdrt, erzählt einen Traum des Königs Nektanebos
u dem fechözehnten Jahre feiner Regierung in der Nacht vom 21. zum
. Bharmutbi, den er zu Memphis hatte, nachdem er zu den Göttern
Enthüllung ver Zukunft gebetet. Er fah und hörte, daß Onuris in
Sötterverfammlung zu Iſis fagte, er habe nach ihrem Befehl das
id bisher tadellos beſchirmt, und Neftanebos babe auch biöher in aller
fe Sorge für ihn gehabt, doch der Föniglihe Beamte Samautos
nachläßige fein Heiligthum, er fey außer feinem Tempel, und die Werke
Adyton feyen nur halb vollendet. Iſis antwortete nichte. Der König
B hierauf den Erzpriefter und die Propheten des Onurid zu Sebennytod
men, und fragte fie, was noch fehle, und ald er vernommen, auf ven
einarbeiten fenen die hieroglyphiſchen Infchriften noch nicht eingehauen,
rd die Arbeit an Peteſis von Aphroditopolis verbungen, melcher fich
(eich nach Sebennytod begab, mehr, um dort unthätig zu leben, als
nd an das Werk zu legen. Als er dort am fünften Athyr am fünlichen
eile des Tempeld mit dem Könige umbergieng . . . . (bier iſt die
nofchrift abgebrochen). Im Namen von Sebennytos, mo Onuris verehrt
rd, iſt Seb durch Griechiſche Ausfprache an die Stelle von Sem S
zeten, und wenn die Stadt von einer Gottheit ven Namen hatte, fo
fie nah Sem, alfo nach dem Aegyptiſchen Herakles, benannt worden,
8 und veranlaßen Eönnte, in Onuris einen Beinamen dieſes Gottes
zunehmen. Mit foldy unficheren Vermuthungen gewinnen wir jedoch
ne Ginftcht in die Aegnptiiche Mythologie; denn ein bloßer Name ohne
jend ein Sinnbild, ohne Nachricht über Cult, ohne weitere Angabe über
282 Undbeftimmte Gottheiten.
Eigenſchaften, abgerechnet, dag Onuris Aegypten fchüge, was von j
Gotte gefagt werden kann, läßt fih nur millführlich einem ver
zufchreiben. Die Deutung des Wortes, wenn ed ganz richtig über
worden if, wäre Un, Erdffner, und Ur, ftark, groß, mächtig, -M
denn auch nicht genügen koͤnnte, das Wefen des Gottes zu beftimmer
Sefr. Sat. Schildfrötenföpfige Göttin
Wir finden in den Aegyptifchen Darftelungen manche zufam
gelegte Bilder (befonderd in ven Denkmälern ver ftebenzehnten Dyna
die wir nicht näher beftimmen köͤnnen. Wenn wir Löwen mit M
von Schlangen und Sperbern, ober mit Flügeln finden, fo mögen
wohl nicht geradezu irren, wenn wir eine Verbindung der Ideen, w
biefen Sinnbilvern einzeln zufommen, darin vermuthen, Tonnen
ihren Zwed und ihre beſondere Beziehung keineswegs genau ver]
Als bis jeßt noch unverftanden finden wir den geflügelten Leib
vierfüßigen Thiers, das einen Sperberfopf hat und den Namen
führt. Eben fo ein anderes Bild, Sperberfopf, Lömenleib, in eine 3
blume endigend, als ein weiblihes Weſen, Saf genannt. Küh
Menfhenköpfen möchten wohl der Hathor⸗Iſis angehören. Eine
Frötenköpfige Göttin findet fi unter den Gottheiten ver. Gräber,
follte die Schilpfröte eine Hieroglyphe des Namend verjelben ge:
feyn, fo koͤnnen wir aus diefer Vorausfegung nicht zum Verftäi
gewinnen; denn biefes Thier hieß apsch, und hätte die Göttin fo gehe
was anzunehmen und übrigens nichtd berechtigt, fo wüßten wir damit’
nichts Näheres von derſelben.
Smot, Sob, Av, Spot?
Wilkinfon giebt Tafel 65. 2 eine Gottheit, die den Halbmond
Globus auf vem Koyfe Hat, oder auch bloß den Globus, und Ser:
der acht Regionen von No heißt. Da eine Statue, welche koptiſch
heißt, ihre Hieroglyphe ift, fo meint Wilkinfon, die Gottheit heiße €
Ein Gott in ven Pharaonifchen Tempeln zu Medinet Habu (Tafel 6
fol Hoh oder Hohp heißen, ein anderer in den Königögräbern zu TI
(Tafel 65. 3) Spot, oder Sptet, und Tafel 65. 2 ift ein ftierköt
Gott, ven Wilkinfon Ao nennt, abgebildet. Andere Bilder (Tafel €
und 66. 2) wagt er gar nicht zu benennen.
Aethiopien.
Sudlich von den Aegyptern wohnten Aethiopen, wie die Griechen
eſchwatzen Völker nannten und ein Theil der Aegypter felbft befland
m Vethiopen. Da diefe Länder, je weiter ſie ſich nach Süden erftredten,
io fabelbafter waren, fo tft nur wenig über ihren Götterglauben
Kannt, und auch dieſes Wenige ift nicht als vollkommen ſicher anzufehen.
Bat kam nur bis Elephantina, erzält und aber (2. 29) von Hören⸗
A, von da gehe es vier Tagereiſen durch Krümmungen bis zur Infel
mpio, die halb von Aegyptern, halb von Aethiopen bewohnt fey, und
8 ſey ein von wandernden Aethiopen ummohnter See. Don bier reife
m wegen der Klippen im Nil vierzig Tage zu Land, fahre dann wieder
Mg auf dem Fluß und gelange nun zu der großen Stadt Meroe, welche
Saupiftadt aller Nethiopen feyn folle. Den Bewohnern werden nur
Gitter, die fte hoch ehren, zugefchrieben, Zeus und Dionyſos. Zeus
Aa Orakel dafelbft, und auf deßen Geheiß führet fie Krieg ganz nad
a Ausſpruch. Don diefer Stadt, heißt es, kommt man nach einer
rm gleicher Länge, wie bie von Elephantina nach Meroe ift, zu
I Deberläufern, Asmach genannt, d. 5. die dem König zur Linken
om. Diefe waren zweimal hundert und vierzig taufend Aegypter
u der Ariegerkafte, die, als fie unter König Pfammetich drei Jahre zu
eating als Wache gegen die Aethiopen geflanden und nicht abgeldft
ven, zu ven Aethiopen giengen und fich bei ihnen nieberließen, und
u ihnen follen die Aethiopen Aegyptiſche Sitten angenommen haben.
‚Otrabon (17. 786) fagt nach Eratoſthenes von den Abgefallenen, fie
wehren auf einer Infel oberhalb Meroe, hießen Sembriten, d. i. Anfümms
Bag, und hätten eine Frau zur Königin, gehorchten jenoch dem Könige
we Meroe. Dorher (16. 770) berichtet er nach Artemiboros, vie Flücht⸗
me hätten das Binnenland Teneſis bewohnt nebft der Nilinfel, und unter
ver Königin habe Meroe geſtanden; doch viefes ift nicht glaublich. Da
5 Aegyptifche Delta von oben her allmählig wie e8 anwuchs, bevölkert
den zu ſeyn fcheint und die Aegypter zum Theil Uethiopen waren, fo
gen die Negyptifchen Sitten bei ven Nethiopen zum Theil gemeinfchaft-
re und nicht gerade angenommene feyn. Daß Zeus und Dionyfos in
oe Amun und Oftris geweſen feyen, ift möglich, doch kann es nicht
t Gewißheit behauptet werben, da jede nähere Angabe fehlt, und war
Iris Dort verehrt, fo bleibt es fonverbar, daß fie die Its nicht aud)
ten verehrt haben.
Bon ven Tanglebenven Aethiopen am ſüdlichen Meer meldet Herodot
17), bei ihnen fey der Tifch der Sonne; damit verhalte ed fih fo:
: der Stadt ift eine Wiefe mit gefochtem Bleifch von allen vierfüßigen
ieren, dies legen Nachts die Leute hin, an welchen die Reihe ift, und
284 Aethiopien.
bei Tag ißt es, wer will; doch ſagen ſie dort, das Fleiſch komme a
Erde hervor. (Hier ſehen wir ein Mährchen von einem Lande glüdfi
Menfchen, vie lange Ieben und denen, wie wir fagen würden, bie
tenen Tauben in ven Mund fliegen, oder denen die Sonne alleze
Tiſch gedeckt Hat, wo fie nur zuzugreifen brauchen, durch einen
Wunbererklärungsverfuch Hiftoriftrt.) Weiter meldet Herodot (20), |
Aethiopen folten auch die fhönften und größten von allen Menfchen|
von andern Gebräuchen und Sitten, ald bie übrigen, fo 3.8. w
größte und ftärkite von ihnen König. Ihr Leben bringen fie gew
auf hundert und zwanzig Jahre, und Manche noch darüber, ihre
aber fol gekochtes Fleiſch ſeyn und Milh ihr Trank. Sie Hatten
Duelle, wer ſich daraus wuſch, befam einen Glanz, ald wie von
und fie roch nad) Beildden. Ihr Waßer aber war ſo ſchwach, daß
weder Holz, noch was leichter als Holz iſt, darin ſchwimmt, ſondern
untergeht. (Herodot meint, der Gebrauch dieſer Quelle mache, daß
Menſchen fo lang leben.) An Gold find ſie fo reich, denn Erz ba
gar nicht, daß ihre Gefangenen mit goldenen Ketten gefepelt im
Gefängnigen fiten. Ihre Begräbnige aber folen von Kryſtall feyn;
fie die Leiche getrodinet auf Aegyptifche, oder eine andere Art, überz
fie diefelbe mit Gyps und malen fie, daß fie fo natürlich wie
augfteht, und dann ftellen fte fie in einen ausgehöhlten Kryſtall, ver
ſehr häufig und fchön gegraben wird. Ein Jahr lang behalten die
wandten diefe Säule im Haus, und bringen ven Verftorbenen vie €
von Allem dar, und opfern ihm Weihrauch, hernach bringen fie vie S
vor die Stadt und ftellen fie dort auf.
Aus diefer mährchenhaften Erzählung laßt ſich nichts zur Bene
der Gdtterverehrung der Aethiopen gewinnen, nicht einmal das, daß
bie Sonne verehrt hätten; denn da man in dem Süden ein glüdfeeli
Volk vichtete, fo lag es nahe, die Sonne zur Urheberin viefer
feeligfeit anzunehmen. Was aber die Erzählung von ven Keichnas
betrifft, fo mag darin wahr feyn, daß die Aethiopen ihre Leichen einl
famirten und auch Todtenopfer brachten, aber fabelhaft Elingt auch d
im Ganzen.
Diodor fchreibt (2. 55) von den Xethiopen, die am Meere wol
fie hätten den alten Brauch, ihr Land zu reinigen durch Menſcheno
und zwar durch Fremde, und durch die Orakel fey es zwanzig Menfd
alter hindurch feftgefegt, daß dieſe Reinigung durch zwei Menfchen f
finde. Diefe aber hätten fle, nachdem am Ufer ein großes Feſt gef
und Opfer bargebracdht worden, befränzt in einem Schiffhen dem 1
übergeben, fo daß fie alfo gleichfam ver Verfügung der Götter anl
geftelt und ver blutige Brauch gemilvert geweſen wäre. Nah DI
(3. 2) machten vie Aethiopen eben fo gut wie die Aegypter Anſpruch
Aethiopien. 285
ſehr Hohes Altertum, und fuchten zu beweifen, daß fle das älteſte
E fegen, fo wie fle auch das frömmfte Volk feyn wollten und den
ner dafür zum Zeugen nahmen. Aegypten, aus dem Nilichlamm
Kvet, geben fle vor, fey eine von Dftris ausgeführte Colonie der
Wiopen, und die Aegyptiſchen Bräuche ſeyen meift Aethiopiſch, 3. B.
Bfie ihre Könige für Bötter hielten und fo viel auf bie Tobtenbe-
g verwendeten, ferner die Urt, wie fte die Bilpfäulen machen und
ilige Schrift, welche in Uethiopien ganz allgemein fey. Ihre Priefter
even jo gefhoren, trügen gleiche Kleidung, und das Scepter ftelle
ki ihnen einen Pflug vor, melches ihre Könige trügen, die auch
Hüte hätten, auslaufend in ein nabelförmiges Ende mit der Schlange
umwunden. Der König wird aus ben Prieftern fo gewählt, vaß
vorzüglichften aus fich auslefen, und wen dann ber nach dem Brauch
ug herumgetragene Gott wählt, der wird von dem Volk als König
men und gleich wie ein Gott verehrt. Er lebt aber nach beftimmter
ft und regiert nach Geſetzen; doch Fein Menſch wird bei ihnen
km Tode beftraft, fondern dem Verbrecher wird burch einen Diener
en des Todes geſchickt, worauf fich derſelbe felbft tödtet; entfliehen
hf er nicht außer Landes.
de Priefler in Meroe, ſchreibt Diodor weiter (6), find fehr mächtig,
wann e8 ihnen beliebt, heißen fie ven König fterben, und geben ihr
für einen Befehl der Gdtter aus. Doch ver Aethiopenfünig Erga-
‚iur Zeit des zweiten Ptolemäus, wiberfegte fih, mit Griechifcher
g vertraut, zuerft vem Befehl ver Priefter. Cr drang mit einem
Soldaten in ven unbetretbaren Ort ein, wo der goldne Tempel
Aethiopen fand, tödtete fämmtliche Prieſter, vernichtete den alten
ich, und richtete ed nun nach feinen Gutvünfen ein.
& giebt, fährt Diodor (8) fort, auch andere zahlreiche Aethiopen
an den Ufern des Nil, jo wie auf feinen Infeln, und in ver Nähe
‚ theils im Innern von Afrika, die aber vermildert find. Die
Wr Meroe hinaus follen von den Göttern eine zwiefache Anſicht Haben,
ill einige, al8 Sonne, Mond und die ganze Welt feyen ewig, anbere
thlih, Die wegen ihrer Tugenden und Wohlthaten unfterbliche Ehre
kngt hätten, als Iſis, Pan, Herafles, Zeus. Einige wenige Aethiopen
⁊ ſollen an feine Götter glauben und vor der aufgebenden Sonne, fie
den ärgften Feind fehimpfend, zu den Sümpfen flüchten. Manche
fen ihre Todten in ven Fluß, Andere bewahren fie in einem Glas⸗
zug zu Haufe auf, Andere begraben fie in irvenen Särgen um bie
wel ber, und ver Eid bei den Todten gilt für den größten. Einige
len die Schönften zu Königen, Andere die forgfältigften Thierwaͤrter,
wünden dieſe auch das Volk gut pflegen, Andere die Neichften, well
e am Teichteften die Armen unterflügen koͤnnen, und noch Anvere
286 Libyen Nafamonen.
fache an, fagt aber, fie verehrten einen Unfterblichen, aller Dinge
und einen Sterblichen, der aber namenlos und unbekannt ſey. Die
tbäter und Könige hielten fie allgemein für Götter, die Könige fä
Beihüger Aller, die andern Wohlthäter für die befondern Götter:
denen fie Gutes erwiejen hatten. In Meroe verehrten fie, außer «ı
andern barbarifchen Gotte, ven Herafles, Ban und die id. Der e
bei den Todten galt den Aethiopen für den heiligſten.
Bei Aelian in der Naturgeſchichte (7. 40) ſehen wir, daß gern
den Xriftofleon als feinen Gewährsmann anführend, erzählte, e8 g
Aetbiopifches Volk, über welches ein Hund die Herrfchaft führe, u
fie gehorchen; wann er Enurre, müßten fie, daß er bei guter Zaun
wann er belle, erfennten fte feinen Zorn. Ob dieſes Mährdhen
erfunden fey, oder aus einem Mißverſtändniß entflanden, dem
Mythologiſches zu Grunde gelegen, 3. B. eine Bildung, wie die des A
läßt ſich, da jede weitere Nachricht fehlt, nicht ermitteln.
wählen die Tapferften. Strabon (17. 22) giebt daſſelbe in ber :
2ibyen.
An Aegypten gränzte Libyen; aber wenig erfahren wir vo
Stämmen, die dieſes Land bewohnten, und weder ihre Geſchichte no«
Gotteöverehrung ift und genügend überliefert worden. Herodot
(4.167), e8 gebe viele und mancherlei Libyſche Völker, den Aeg
zunächft wohnen die Adyrmachiden, mit Aegyptifchen Sitten, ihre 2
aber tragen um jegliches Bein ein ehernes Band, laßen die Haare wi
und wenn eine eine Laus fängt, beißt fie fie tobt und wirft fie weg,
bie andern Libyer nicht thun; auch bringen fle die zu verheurath
Jungfrauen ihrem Könige, welcher die ihm gefallenden zu ſchwächer
Recht hat. Dann folgen die Giligammen, an welche die Asbyften fl
die am meiften von den Libyern mit vier Roßen fahren und fe
Kyrenäer, ihre Nachbarn, nachahmen. Weitlih von diefen wohne
Auschiſen über Barka, an Sitten denen gleich, die über Kyrene wo
und mitten in ihrem Lande ift das Fleine Volk der Kabaler. |
folgen. vie
Naſamonen,
von welchen wir denn einen mythologiſchen Zug erfahren. Son
treiben dieſelben ihre Heerden an das Meeresufer und gehen zur D
erndte nach Augila in das Land hinauf. Auch trocknen ſie ſich Heuſchr
mahlen ſie und genießen ſie in Milch gemiſcht, und es gilt bei ihne
Vielweiberei; nimmt aber einer die. erſte Frau, fo iſt dieſelbe in
Nafamonen. 887
atnacht den Bäften preißgegeben, vie ihr dann alle ein Geſchenk geben.
fe ſchwoͤren ihren Eid bei ven gerechteften und trefflichfien Männern,
unter ihnen gelebt haben und legen dabei ihre Hände auf das Grab
Zehen. Ihre Weißagung iſt folgender Art: fie gehen zu ven Gräbern
et Borfahren und ‚beten, dann legen fte fich darauf zum Schlafe, und
fe träumen, gilt ald Weißagung. (Diefer Eid und dieſe Weißagung
um Slauben an die Wirkſamkeit ver Geifter der Todten, wovon man
deghypten keine Spur findet.) Bündnige fchließen fle, indem einer aus
Sand des andern trinkt, und wenn e8 ihnen an einer Flüßigkeit fehlt,
amen fie Staub von den Boden auf und leden ihn aus ber Hand.
ꝛ Rachbarn waren die Polen. Als der Südwind ihnen das Waßer
Brdnet hatte, zogen fie, beißt es, gegen venjelben in Kampf, doch
jr verfchüttete fte unter dem Sande und die Nafamonen nahmen ihr
het in Beſitz.
Sudlich uber den Naſamonen im Lande der wilden Thiere wohnen
je Sormanten, die alle Gemeinſchaft mit andern Menſchen fliehen und
We Waffen find, fo daß fie ſich nicht vertheinigen können. Weftlich ven
Samen wohnen die Maken, welche ven Kopf bis auf einen Scheitellamm
Mer, und im Kampf Straußfelle zur Abwehr tragen. Dort fließt ver
Kay, der vom Hügel ver Chariten kommt, ver einzigen mit Wald
Maechſenen Höhe Libyens. An die Malen ftoßen vie Gindanen, beren
jeder Ieverne Bänder um die Knöchel tragen; denn fo oft ein Dann
er m, thut fle folch ein Band an, und welche die meiften hat, gilt
e FI bie vorzüglichfte, als die am meiften von den Männern geliebte. Auf
art Kifte, die von den Gindanen in dad Meer hinausgeht, wohnen bie
| ‚ die ganz von Lotos leben, einer Frucht von der Größe des
m Pet, und an Süfigkeit den Datteln ähnlich, aus welcher fie auch einen
bereiten. An dieſe gränzen die Machlyer, welche auch Lotos efen,
I nicht fo, wie jene, und fie wohnen bis zum Fluß Triton, ver ſich
is den See Tritonid ergießt, um welchen vie Machlyer und Aufeer bloß
bar den Fluß Triton getrennt wohnen. Die Machlyer laßen das Haar
am Sinterkopfe, die Aufeer am Vorderkopfe wachſen. Sie feiern jährlich
ber Athene ein Feſt, an welchem ſich ihre Jungfrauen in zwei Haufen
Maren, die gegen einander fämpfen mit Steinen und Stöden zu Ehren
Idee Randeögdttin Athene nach der Väter Sitte, wie fie fagen. Die an
kn Wunden fterben, heißen fie erlogene Sungfrauen, die Tapferfte aber
Kir mit einem Korintbifchen Helm und Griechiſcher Rüſtung geſchmückt
m auf einem Wagen um ven See gefahren. Die Athene nennen fte
ine Tochter des Poſeidon und der Tritonis, die ſich gegen ihren
Bater erzürnt und dem Zeus übergeben hätte, ver fie auch als Tochter
genommen. Uebrigens leben fte wie das Vieh, in Weibergemeinfchaft,
md wenn ein Kind heranmwächft, wird in ber, alle drei Monate gehal«
2 Naſamonen.
tenen Männerverfammlung ber für den Vater deſſelben erklaͤrt, dem
am meiften gleicht.
(Die Athene kam durch die Griechiſche Colonie nach Libyen,
wenn ein Libyſches Volk fie verehrte, fo bat es biefelbe von ben Griech
angenommen, und eben fo verhält ed fi mit Pofeivon. Zwar
Herodot (2. 50) über diefen Gott, vie Hellenen hätten ihn durch
Libyer kennen gelernt, denn den Namen des Pofeivon babe zuerft Rt
mand außer den Libyern gefannt, und dieſe hätten auch ven Gott x
jeher verehrt. Diefe Angabe darf nicht irren, denn Poſeidons Name |
Griechiſch, und durch die Griechifche Colonie nad) Libyen gekommen, %
dem der Athene und des Triton, nebft vem See Tritonis, welche übe
der Tritonifchen Göttin folgten.)
Landeinwärts von dieſen wandernden Libyern der Meeresküfte Ri
Land der wilden Thiere, und drüber ein Sandſtrich von Thebä
Aegypten, bis zu den Säulen des Herakles, wo ohngefähr alle ;
Tagereifen weit fih Salzftüde auf Hügeln finden, aus denen ein Ou
von faltem, fügem Waßer fprudelt, von Menfchen ummohnt. Zuerſt ze
Tagereifen von Thebä wohnen die Ammonier, und zehen Tagereifen weite
findet fi Augila, wohin die Nafanıonen zur Dattelerndte fommen.
gleicher Entfernung Eommen dann die Garamanten, ein großes und tüd
tiges Volk, welches Erde auf dad Salz trägt und Getraide darauf zieh
und da giebt ed die rückwärts weidenden Rinder, denn weil ihre Horn
vorwärts gebogen find, müßen fie rückwärts weinen, und ſie haben ef
biete, harte Haut. Dieſes Volk macht mit vierfpännigen Wagen Ja—
auf die Aethiopen, die in Höhlen wohnen, am fchnellften von allen Me
fen laufen, fih von Schlangen, Eidechſen und ſolchem Gethier nährenf
und feine Sprache, die einer andern ähnlich wäre, haben, ſondern w
die Slevermäufe fchwirren. In gleicher Entfernung von dieſen wohnd
die Ataranten, von denen feiner einen bejfondern Namen hat. DIE
fluden der Sonne und fchelten fle, wann ſie Hoch fteht, wegen ihre
Hitze. Dann fommt man in gleicher Weite an einen ummohnten Sale
hügel, der an ven Atlas ftößt, welcher ſchmal und von allen Seiten
sund, fo hoch ſeyn fol, daß man feinen ſtets von Wolken bedeckten
Gipfel nicht fteht, werer im Sommer noch im Winter, und er fol die
Säule des Himmels feyn, an dem die Utlanten wohnen, die von nid
Lebendigem eßen und nicht träumen; von ba ift auch bi zu ven Säulen
des Herakles, alle zehen Tagereifen weit eine Stätte mit Sal, wo Men“
[hen wohnen in Häufern aus Salz, welches weiß und purpurfarb gegraben
wird, und weil ed bort nie regnet, zu Käufern gebraucht wird. Nah
Mittag zu aber ift eine völlige Wüfte, wo felbft Fein Thier zu finden If.
Die wanderndern Hirtenvölfer von Aegypten bis zum See Tritonkt,
eßen Bleifh und trinken Milch. Da fie fein Kubfleifch efen, aus dem⸗
Nafamonen. 2389
ı Grunde, wie bie Aegypter, und auch feine Schweine ziehen, fo
giebt fich ein Einfluß Aegyptifcher Religion bei ihnen daraus, wo nicht
e urjprüngliche Verwandtſchaft. (Auch in Kyrene, fagt Herodot [4. 186],
Men die Frauen Fein Kubfleifh eßen und faften der Iſis zu Ehren,
b feiern ihr DOpferfefte.) Die Weiber ver Barkäer eßen außer dem
Ahfleiſch, auch Fein Schweinefleiſch.
Weſtlich vom See Tritonid, find die Libyer Feine Hirten und haben
dere Sitten. Die Libyfchen Hirten, ob alle, kann Herodot nicht fagen,
anen ihren Kindern, wann jte vier Jahre alt find, die Scheitelnerven
ungewafchner Schaafwolle aus, manche auch die an den Schläfen,
fie feinen falten Schweiß am Saupte befommen, und fte find bie
fändeftien Leute, die Herodot kannte. Befommen die Kinder bei dieſem
men Krämpfe, fo werben fie mit Bocksurin befprengt. Das Opfer
2 Sirtenvölfer gefchieht fo: ſte ſchneiden ein Stüdchen von dem Ohr
RB Opferthiers, und werfen es über das Haus und drehen dann dem
Mer den Hals um. Der Sonne und dem Mond opfern fie alle, bie
m den See Tritonid aber vorzüglich der Athene, dem Triton und dem
Bekilen, (da die Libyerinnen leverne Kleidung mit Riemen-Troddeln tragen,
m Biegenfelle mit rothen Troddeln, fo meint Herodot, die Aegis ver
Bene ſtamme bei ven Griechen daher. Wenn diefe Tracht um den
See Tritonis ſtattfand, und nicht allgemeine Nationaltracht war, dann
IR anzunehmen, daß fie viefelbe zu Ehren ver Athene annahmen, als fe
jelbe von den Griechen empfingen). Bet ven Opfern ſchreien die
Hbmerinnen hell auf und machen es fehr fchön, was auch bei den Griechen
elta. Die Todten beftatten vie Sirtenvölfer, wie die Griechen, außer
en Rafamonen, die erftlih, wann einer ftirbt, Ihn aufrichten, damit er
Wi auf dem Rüden liegend fterbe, und ihn dann im Sitzen begraben.
Behtih nun von Triton find zuerft die nderbauenden Maxyer, die die
infe Seite des Kopfes ſcheeren und ſich den Leib mit Mennig beftreichen,
usb von Trojanern abzuflamnen vorgeben, und von hieran ift Libyen
ud bat mehr wilde Thiere, worüber Fabelhaftes erzählt wird.
Alles Mythologifhe, was wir demnach von den Libyern wißen,
beläuft fich alfo auf Folgendes: fle opfern der Sonne und dem Mond,
ß. i. ven von den Griechen dafür erklärten Gottheiten), fie eBen Fein
Auh- und Schweinefleifch wie die Aegygter; die Nafamonen glauben an
be Wirkfamkeit ver Geifter ihrer verftorbenen Vorfahren und die um
den See Tritond wohnen, haben von den Griechen den Cult ver Athene
und des Poſeidon angenonımen. Nach dem, mas Herodot von ihnen
erzählt bat, läßt fi, wie es ohnedies bei wandernden Hirtenvölkern
nicht wohl anders feyn kann, eine Mythologie in reicher Ausbildung nicht
erwarten.
II. 19
Anmerfungen.
»
— — — —
S. 34. Den Aegyptiſchen Namen des Labyrinthes kennen wir
da die Griechen ſich dafür des ihrigen, wohl zuerſt dem Kretiſchen
rinth gehdrigen, bedienten. Die Form des Wortes gehört einem Do
Dialekt an; denn in der Attiſchen Sprache würde dieſer Name Lam
gelautet haben; nämlich dieſer Name bezeichnet eigentlich ein Gängewen
ravpa, Gang, Gaße, und das Lauriſche Bergwerk in Attika hatt
Benennung eben nur als Bergwerk. So beſtimmt nun auch H
das Labyrinth als mit zmdlf Koͤnigshöfen verſehen angiebt, er, 1
felbft gefehen, und vie fünfzehnhundert Gemächer, vie über ver Er
befanden, durchwandert hatte, jo wiberfpricht doch die Nachricht,
uns Strabo giebt, dieſer Zahl der Königshöfe, denn bei ihm be
(787): die erfte Eintheilung des Landes war Die in Nomen, Ihebal
hielt zehn, das Land im Delta zehn, das mittlere Land fechszehn
Einigen aber gab es fo viele Nomen ald Königshöfe im Labyrintf
deren find weniger. Strabo kann nicht wohl eine andere Zahl n
als fieben und zwanzig, zehn für Thebais, zehn für das Delta, fieb
die Heptanomid. Den Herodot eined Irrthums zeihen in einer
welche er genau befehen hatte, und zwar in einer Sache, wo das
audreichte zur genauen Kenntniß, ohne daß falfche Berichte einen @
hätten haben Tonnen, ift nicht möglich, weßhalb entweder nichts
bleibt, ald anzunehmen, daß nad) Herodots Zeit an dem Gebäude ge
mworben, oder daß Strabo nur zwölf Nomen meine, was geradezu unn
fiheint, oder daß er das Labyrinth befchrieben habe, ohne darin g
zu feyn, oder anzunehmen, daß die zwölf Höfe, welche Herodot
beftanden haben, jedoch nicht die waren, welche Strabo nennt, f
beide verſchiedene Abtheilungen meinen. (Zieht man beide Zahleı
den 1500 Gemächern über der Erde ab, jo erhält man als Reſt vie
der Hundäfternperiovpe, 1461, die Gemächer unter ber Erde aber v
dann, wenn fle ganz ven oberen entjprachen, daſſelbe Verhältniß
haben. Db aber eine ſolche Berechnung angeftellt, d. h. eine Bezi
des Labyrinths auf die Hundsſternperiode gefucht werben bürfe, ı
wohl eher zu verneinen ald zu bejahen feyn.) Die Befchreibung,
wir bei Plinius und Diodor lefen, beruht auf Feiner Kritif und el
wenig auf einer Unterfuchung an Ort und Stelle, und ift daher
geeignet zu einer Berichtigung Herodots oder Strabos. In ven °
thonifchen Kiften wird Lachares in ver zwölften Dynaftie als Erbau
Labyrinths genannt, das er ſich zum Grabmal beftimmt Habe, un
Anmerfltungen. 291
zius beißt dieſer Lamaris, in ver Armenifchen Ueberfegung Lampares.
Jes ſtimmt freilich nicht mit Herodot; allein eben fo wenig als Herodots
Hählung der Wahrheit gemäß zu feyn braucht, eben fo wenig läßt ſich
fimmt annehmen, Manethos Angabe enthalte fie. Herodot jagt in feiner
Mählung, es fey ihm verweigert worden, bie unterirbifchen Gemächer zu
Ichen, weil nebft den heiligen Krofopilen vie Könige darin begraben feyen,
Ache das Labyrinth apxnv erbaut hätten, doch dieſes läßt nicht fchließen
f frühere Erbauer; denn Herodot nimmt ganz beftimmt als ihm ange-
Ben die zwölf Könige als die erſten und einzigen Erbauer des Labyrinths
Dieſes Wort bedeutet aber hier nicht anfangs in dem gewöhnlichen
une, fondern einft, wie in den Worten (1.86) os 7Ade dpxav 6
Mer. Bei Pliniud (36. 13) heißt ed: das Labyrinth fey von Petefuchis
wi Kinigen erbaut worden, oder von Titboed. Demoteled nenne e8 den
Beat des Motherudis, Lykeas das Grab des Möris, mehrere gäben es
F ein Heiligthum der Sonne aus, und Died werde am meiften geglaubt.
Miſer Slaube, wie er ficher und gewiß falſch war, mag einer fehr fpäten
Se als bloße Vermuthung zugehört haben. Wer aber das Labyrinth
wullih erbaut habe, und welches der urfprüngliche Zweck einer fo großen
Solsge geweſen fen, läßt fih aus dem, was unferer Nachforfchung bie
FH zugänglich geweſen ift, nicht ermitteln.
©. 68. Herodot (2. 50) fagt, die Namen des Poſeidon und der
Mistkuren, fo wie die der Hera, Heſtia, Themis, der Chariten und der
Sereiden flammten nicht von den Aegyptern, die der übrigen Götter aber
fen immer in Aegypten einheimifch gewefen, und dieſes fage er, wie es
We Aegypter fagten. Unmdglih kann Herodots Angabe fo verftanden
werden, als ob dieſe Namen zwar nicht aus Aegypten flammten, jedoch
Wefe Gottheiten in Aegypten geweſen feyen, daß fie alſo eine ver Hera
feiche Gottin gehabt hätten, daß aber der Name Gera nicht Aegyptifchen
Ifprungs fey. Die Griehifhen Namen, welche Herodot nennt, hält er
kinedwegs für Uegnptifche, denn er weiß die Aegyptiſchen Namen, fondern
e erklärt, Daß ihm die Aegypter Feine Gottheiten zu nennen wußten,
weiche vie Stelle der genannten Gottheiten einnehmen und mithin für die
Borbilder der Griechifchen auögegeben werden konnten. Dem Herodot
mußten alfo die Aegypter Feine Göttin, welche der Hera entſprach, anzu-
geben, was fie ficher nicht verſäumt hätten. Diefes ift für die Formen
ver großen Mutter, welche mit Ammon verbunden waren, widhtig, und
Ye fpätere Annahme einer Hera und Heſtia Fann nur ald ein gezwun-
gener Auslegungöverfuch gelten. Um fo beftimmter tritt die Unthunlichkeit,
dem Ammon eine Hera zur Seite zu ftellen, hervor, wenn man betrachtet,
daß Formen der großen Mutter ohne Bedenken für Athena, Leto, Artemis
angegeben wurden, wie gezwungen auch diefe Deutungen feyn mochten.
In Hinficht auf die Themis aber ift Herodots Nachricht auffallend, weil
19*
|
298 Anmerfungen.
fih die Göttin Ma zur Vergleichung mit berfelben varbietet, fi
Herodot fih nach der etwaigen Wegyptifchen Themis in einer
erkundigt haben muß, welche vie Aegypter veranlaßte, fie nicht für
Ma auszugeben, die ſich allerdings ganz gut eignet, mit der Griechl
Dife verglichen zu werden. Leider erfahren wir nicht, ob ſich Hal
auch nach ven Horen, den Moiren und Erinnyen erfundigte, und w
Gottheiten in dieſem alle ihm vie Aegypter angegeben. f
©. 71. Plutarh (73) Hat die Worte ißıs xar iepa war =
niparos, abros 6 "Anıg oörn OR Yap vor Ev Mevönrı vol
xarlodoıv. Diefe Stelle Tann unmdglich als richtig betrachtet w
denn nicht adros 6 Anıs war der Bor in Menves, fondern na
hätte diefer auch Apis heißen Fünnen, weil ver Apis, ven Plutarch
adbros bervorhebt, nur der allgemein befannte Stier in Memphis
kann; es iſt daher nach dem Worte "Anıs, welches ven Stier in Meg
bezeichnet, der Name des Bockes in Mendes auögefallen, und es
demnach eine Lücke im Text angedeutet werden, die mit xai 6 ME
auszufüllen ſeyn dürfte, wenn gleih auch Duovis möglich (doc
wahrſcheinlich) ift.
©. 114. Wir leſen in Betreff des Aegyptiſchen Herakles eine YA
die durch die Denkmäler bei dem Namen Shunfu nicht beftätigt 1
fühnen Vermuthungen aber einen weiten Spielraum geben Fünnte. 2
ninus Liberalis (28) erzählt nämlih nach Nicanvder: Typhon griff
Götter an, und fie flohen aus Angft nach Aegypten, fo dag Athene
Zeus allein blieben, doch Typhon verfolgte die Fliehenden, vie fich,
ihm zu entgehen, in Thiere verwandelten. Apollon ward zum Spe
Hermes zum Ibis, Ured zum Schuppenfifch, Artemis zur Kate, Dig
zum Bod, Herakles zum Hirſchkalb, Hephäftos zum Stier, Leto zur €
maus. Für den Zeus hätte fich der Widder zur Verwandlung dargeb
und Ovid Täßt ihn auch In feiner Erzählung ſich in venjelben verwant
doch in Nicanders Darftelung mochte dies wohl darum nicht angenon
feyn, weil der wilde Typhon der allmächtigen und allweifen Gottheit ıı
liegen follte, worin denn auch der Grund zu fuchen feyn dürfte, ma
Athena, die Göttin der Weisheit, bei Zeus blieb. Die übrigen ©
nun verwandeln ſich in die Thiere, welche Sinnbilder der vermein
ihnen entfprechenden Aegyptiſchen Gottheiten waren, doch vermochten
Griechen es nicht bei allen durchzuführen, und die Darftelung wi
daher, was den Griechifchen Göttern entſprach. Ares warb in ei
Schuppenfifch verwandelt, weil dieſer für den Gott des Kriegs, mel
ben Panzer trägt, durch feine Schuppen geeignet erſchien; denn anzunehn
diefer Fiſch fey wirklich dem Aegyptiſchen Gotte, den die Griechen ?
nannten, geweiht geweſen, wäre willkührlich, da Herodot von dem?
zu Papremis erzählt, jedoch nichts davon weiß, daß ihm der Schuppen]
Anmertungen. 1.05
ı gewefen, fonvern diefen dem Nil geweiht nennt, während Plutarch
fagt, die Aegypter hätten dieſen Kifch, fo wie den Phagros und
ynchos beſonders verabicheut, weil fle von der in den Nil geiworfenen
m des Oſiris gekoſtet. Tür den Oſiris, in welchem bie Griechen
Dionyfos fahen, blieb ihnen Fein anderes Thier als der Bor, weil
Stier dem Hephäftos zufallen mußte, wegen des Apis in Memphis; vie
pter felbft hatten Fein Thier zum Sinnbild des Oſitris gewählt, was
für ven alljährlich abfterbenden und wiederkehrenden Gott nicht wohl
ma, abgeſehen davon, daß der Iſis-Oſtriscult durch fremden Einfluß
Geftaltung gewonnen haben Fonnte Nun aber fommen wir zum
kles, der fich in ein Hirfchfalb verwandelt haben fol, wozu die Griechen
wen Mythen Feine Veranlagung hatten, wozu ihn aber auch der Gott
fu, in fo weit er unter dieſem Namen auf den Denfmälern erfcheint,
gab. Doch eine Gottheit, welche die Antilope oder Gazelle over ein
ihes Thier zum Sinnbilo hat, findet fih, und ed ift oben davon bie
: gemefen. Diefe Gottheit nun, könnte man meinen, habe der im
e gehabt, welcher gebichtet, Herakles habe fih in ein Hirfchfalb ver-
beit, und da es feft fteht, daß Thon, Khunfu den Griechen ald Heraf-
jalt, jo würde man bei einer folchen Anficht dahin geführt, in jenem
e ven Khunfu zu erbliden. Aber unauflöslich wären vie Schwierig-
1, wenn man den Gott, welcher das eben angeführte Sinnbild Hatte,
Khnnfu unter anderem Namen halten wollte. Daß aber vie Griechen
Thier ein Hirfchfalb genannt haben würben, iſt felbft nicht einmal
warten, wir dürfen vielmehr annehmen, daß fle ed mit vem Namen
e bezeichnet haben würden. Iſt e8 jedoch unmöglich, im Aegyptifchen
Thier zu entveden, welches den Chon als Sinnbild gebient hätte oder
ihm in Verbindung fland, und eben fo unmdglidh, in der Griechifchen
hologie ein Thierfinnbild für den Herakles zu finden, fo bleibt vie
ıbe jener Verwandlung räthfelhaft und unbegreifüh. Wegen ver,
m Heros zugefchriebenen Gefräßigfeit warb in einer fpäteren Zeit der
el Laros (eine gefräßige Move) mit ihm in eine Verbindung gebracht,
von dem Torifchen Herafles wird eine feltfame Wachtelgefchichte
ihnt, Daß er nämlich einmal durch den Geruch einer Wachtel wieder
das Leben gebracht worden ſey. Wollte man nun annehmen, ftatt
5 fey Aapo zu lefen, fo wäre diefe Annahme fehr kühn und darum
abrfcheinlich, weil des Herafles Verbindung mit dem Larod mehr eine
elerei zu nennen ift, als eine finnbiloliche Bezeichnung. Wäre an eine
derung des Wortes EAAS zu denken, fo würde bie in das Wort
vrı vielleicht wahrfcheinlicher feyn; denn Das Lowenfell, melches ber
8 trug, Fonnte in Grmangelung eines Ihm gemeihten Thieres veran⸗
en, eine Verwandlung deſſelben in einen Löwen anzunehnen, die im
jantenfampf dem Dionyſos zugefchrieben ward. Aus einer etwaigen
294 AYnmerfungen.
Mieverherftelung des durch Verſtümmelung ververbten Wortes Adon
fann jedoch EAAGS hervorgehen; denn nähme man an, es fey in Ako y
ſtümmelt und dieſes gar in eAo verfeßt, welche Art von Corruptelen gen
nicht fehr felten ift, fo würde eben nur EAAG ſich der Wiederherſtellu
welche an ver legten Born verſucht ward, dargeboten haben. Wenn jeb
folhe Vermuthungen ald unfichere und wenig wahrſcheinliche Conjectus
zur Aufhellung dieſes fchwierigen Problems nicht führen fünnen, fo bü
wir doch jede etwaige Zufammenftelung des Khunfu mit dem G
welcher die Gazelle oder Antilope zum Sinnbild bat, fo lange abweifg
bis eine Webereinftimmung verfelben ficherer begründet wird, als ed
der angeführten Stelle des Antoninus Liberalis gefchehen Eann.
©. 156. Manetho8 meldete, wie wir aus Synfellos erfehen, um
Nephercheres fole der Nil eilf Tage lang mit Honig gemifcht gefl
feyn. Wiewohl diefes fabelhaft lautet, fo ſcheint es doch nicht der Myth
logie anbeimzufallen und mit ihr in irgend einer Verbindung zu ftebg
Horapollo (1. 21) giebt an, die Nilüberfäwemmung, nun genannt, wet
dargeftelt zwiveilen durch einen Köwen, over drei große Waßergefäße, oW
durch Himmel und Erve, welche Waßer fprudelt. Die vrei Krüge a
bebeuteten die drei Anfichten über die Nilüberfchwennmung, daß nämli
Aegypten felbft das Waßer hervorbringe, oder daß e8 aus dem Ocean
flamme, oder daß Negengüße in Xethiopien die Ueberſchwemmung vera
laßten. Diefe Audlegung ift falfh; denn wenn die drei Krüge wi
‚zur Bezeichnung der Nilüberſchwemmung dienten, fo ift durch dieſe Ze
nur die Größe ausgebrüdt, weil drei die Mehrheit im Wegyptifche
bezeichnet. Mögen vie Aegypter ven Proteus ver Griechen auf den 3]
Gratofthenifchen König Phuoro, wozu bemerkt wird, er bedeute Neil
bezogen haben, fo ift Died nur eine ärmliche Auskunft, um ein Waßen
weſen zu einem Aegyptiſchen Könige zu machen, denn die Mythe von
Proteus ift rein Griehifh, und die Aegypter hatten weder Cinfluf
darauf, noch beſaßen ſie eine ähnliche Zabel.
©. 182. Obgleich die Angaben Horapollog für die Aegyptiſche Mythos
Ingie nicht in allen Stüden gelten können, fo find fle doch in einzelnen
Punkten nicht ohne Werth. So ſcheint au), was (1. 39) über ven Hunt
gefagt wird, nicht ganz der Beachtung unwerth zu feyn, wie wunderlid
e8 auch im Allgemeinen lauten mag. Es heißt nämlich: wann fie ber
heiligen Schreiber, oder den Propheten, oder den Todtenbeſtatter, ode:
die Milz, oder den Geruch, oder das Lachen, ober das Niefen, oder bi:
Obrigkeit, ober den Richter varftelen wollen, malen fie ven Hund. Dei
heiligen Schreiber ftellen fie fo dar, weil, wer ein volfommener heilige
Schreiber werden will, fich viel üben und beftändig bellen und fi wit!
benehbmen muß, feinem willfahrend, wie die Hunde. Den Propbetert
Anmerfungen. 205
der Hund vor den andern Thieren auf vie Götterbilver *) feft hin⸗
aut, wie ver Prophet. Den Beftatter ver heiligen Thiere, weil der-
ide die von ihm beforgten Geftalten nackt und aufgefchnitten ſieht. Die
Milz, weil der Hund allein von den übrigen Thieren fie am leichteflen
Mt, und durch die Milz ftirbt oder rafend wird, und die, welche ihn ein—
Mallamiren, warn fie ihrem Ende fich zuneigen, meift milzfüchtig werben,
Bean der Geruch des aufgefchnittenen Hundes ſteckt fie an. Geruch, Lachen
we Niefen wird durch den Hund dargeftellt, weil die ganz Milzfüchtigen
riechen, noch lachen, noch niefen Eönnen.
Was den heiligen Schreiber betrifft, fo fönnte ver Hund ihn zwar
seh wegen feiner Wachſamkeit als treuer Diener bezeichnen; es hätte
auch dieſes Sinnbild gewählt werden koͤnnen megen des Thoth,
ein heiliger Schreiber war.
©. 236. Arfaphes läßt ſich fo wenig deuten, daß man vermuthen
Bee, der Name ſey nicht ganz richtig angegeben; wäre biefes aber
ich der Val, dann würde man fich nicht fehr bevenfen müßen, ven
Sean Har-si-hes, d.i. Horus, Sohn der Iſis, als den anzufehen,
wer den unverftänblichen bei Plutarch veranlagt hätte. So fagt auch
Fatarch, Oſiris heiße Omphis, und dieſes beveute den Guten, was aber
Br nicht feyn kann; denn nefru heißt gut, und es koͤnnte, wie Wilfinfon
rnuthet hat, Omphis unrichtig angegeben feyn flatt eines aus Un und
ru gräcifirten Namens, welcher ven guten Eröffner, oder ven Erdffner
we Guten beveuten würde, was Oſiris allerdings war, und wie er aud)
benannt wurde.
©. 257. Maneros ver Königsfohn flarb frühzeitig, und das Lied,
velhes nach ihm benannt ift, enthält die Klage um ihn. Es fteht nicht
m erwarten, daß in Aegypten ein anderer als Oſiris beflagt worden fey,
kan der Aegyptiſche Trauercult betraf allein feinen Tod. Die Klage un
Im mußte natürlich der Adonisklage gleichen, und fein Tod als ein
füheitiger erfcheinen, da in ihm das blühende, grünenve Leben ver
Natur hinſtarb, was als die traurige, feinvliche Zerftöürung des Lebens
An feiner frifchen Kraft und Blüthe erfchien. Daß Maneros Königsfohn
heißt, iſt mythiſch, doch es fragt fh, ob das Lied Maneros hieß und
m Königsfohn, weil man einen Namen veffelben nicht wußte, fpäter
—
h *) Da es mir nicht vergönnt ift, eine andere Ausgabe des Horapollo einzufehen,
als die von Pauw, fo kann ich nur fagen, wie mir die falfche Lesart Ad
etwa geändert werden zu müßen feheint, nämlich in aönde, fü daß dem Hund
jugefchrieben wird, die unfichtbaren Götter, warn fie wo anweſend find, zu
erblicken. Doch dürfte dies «AA zu ſtreichen feyn, wie frühere Herausgeber
vermuthet haben.
296 Anmertungen.
durch Verwechslung eben fo genannt ward, over ob das Lied nad
Namen bed darin Beklagten hieß. Das Lebtere ift am wahrſcheinli
aber ven Namen zu deuten, und feine Beftandtheile aus den gräs
Worte herauszufinden, vermögen wir nicht mit Sicherheit, fo lang
ihm in den Hieroglyphen nicht begegnen. Vermuthen Fann man,
man ed für zuläßig halt, in einer folden Sache zu dieſem unfl
Mittel zu greifen, es fey ma-n-ari, die Wahrheit des Wachend od,
Wächter, dad Aegyptiſche Wort geweſen, moraus die Grieche
Namen Maneros gemacht haben. Dftris wäre dann der Wächte
Geißel und Krummſtab, und wirklich wird das Wort ari, wachen, A
bieroglgphifh Durch einen Dann mit Geißel uud Krummftab darg
Plutarch (17) fagt zwar, Manche hätten angegeben, dad Wort M
ſey ein Zuruf beim Gaftmahl, und bebeute, möge und dies
da feyn oder erfcheinen. Wörtlich Eonnte dieſe Bedeutung nicht E
ſeyn, denn es fiheint für dieſe Erklärung ma-u-her angenommen
woraus das gräcijtrte Maneros entflanden, und dieſes würde heiße
Wahrheit over Gerechtigfeit der Offenbarung, was nicht ungeeignet
denn der alle Jahre wieder erſcheinende over fich offenbarenvde Dfirie
allerdings den Namen Wahrheit der Offenbarung erhalten Eünnen.
archos nannte den Maneros (bei Heſychius) den erften Schüle
Magier, der dadurch in aller Menfhen Mund gefommen. Dies if,
genommen, ein Wiverfpruch in fich felbft, denn da die Magier Me
find, fo wäre es feltfam, daß ihr erfter Schüler bloß als folcher in
Menſchen Mund gekommen wäre, und da ihn Plutarch wie au 9
einen Schüler der Mufen nennen, fo mag Valeſius Recht haben, n
bei Heſychius für uaywv, yovoav gelefen wißen will. '
Negifte
A.
247.
ı 283.
mon 238.
fig.
61.
59 figg.
3.
J.
Arueris 237.
es 235.
236.
41.
112,
19.
28.
umu 54.144 fgg.
Di 280.
Bock 71.
Bubaftis 10% flgg.
Buflris 249.
Buto 161 flgg.
©.
Canopus 156 flgg.
Chemmis 76.
Chenofiri 232.
Chnumis 59.
Ehnuphis 59.
Chon 114.
D.
Diltys 240.
E.
Eileithyia 112.
Eſel 206.
Esmun 82. 187.
F.
Feige 258.
Fiſche 225.
Froſch 100.
G.
Gazelle 202. 229.
Geier 68.
Giraffe 204.
Goͤtterkreiſe 41.
H.
Hake 170. 172.
Hapi 263.
Hapimau 153.
r.
Harka 68. 260.
Harphre, Harpira 148.
Harpokrates 235.
Haſe 124.
Hat 238.
Hathor 219 flgg.
Hau 84.
Hek 229.
Hekuer 143.
Herakles 119.
Hermesfchriften 181.
Hermes Trismegiftos 189.
Hermonthis 147.
Heron 145.
Hes 228.
Heſtri 231.
5h 280.
Himmel 143.
Hoph 280.
Horhat 237.
Horfentto 237.
Huros 226. 234 flgg.
Hund 181.
Hundsaffe 178.
J.
Ibis 184.
Ichneumon 163.
Imatep 120.
Imuthos 120.
Iſis 226 flgg.
K.
Käfer 83.
Kahi 278.
Kaimis 235.
Kamephis 61.
20
Kanobus 156.
Kaften 11.
Kate 106.
Kebhfenuf 263.
Khem 74 fig.
Khemi 278.
Khunju 114.
Kneph 58.
Knuphis 58,
König & flgg.
Krähe 239.
Krokodil 195.
Kuh 219 fig.
Kynoskephalos 178.
Kyphi 137 fig.
8.
Labyrinth 34,
Lampenfeft 168.
Latus 167.
Leopardfell 231.
Libyen 286.
Löwe 129.
Ma 82. 276.
Malkandros 241.
Manpulis 187.
Maneros 242, 295.
Mau 131.
Maus 99.
Mendes 71 fig.
Menhi 110.
Menſchenopfer 112.
Menuthie 157.
Mer 279.
Merve 283 flg.
Meriofar 261.
Methive 247.
Meihyer 228.
ME, Mit oder Mnit 281.
Mneuis 128,
Monate 2.
Mond 150.
Negifter.
Mu 52. 68.
Mui 132.
Mumien 22.
Muntu 147.
Mut 52. 68.
N. °
Nafamonen 286.
Neb 277.
Nebua 183.
Neith 164 flag.
Nemau 280.
Neph 98.
Nephthys 208.
Nil 158.
Nilpferd 200.
Nilſtadt 88.
Npe 132.
Nub 202 fig.
Rum 59.
Nutpe 189 flgg.
O.
Obelisken 135.
Omphis 295.
On 123.
Onuphis 128.
Onuris 281.
Opfer 14 flg.
Orakel des Ammon 55.
Ofiris 226 flgg.
Ofirismyſterien zu Sals.
168.
Oxyrynchos 223.
P.
Pakis 128.
Palaͤſtinos 242.
Palme 183.
Pamyles 259.
Pamylien, Baamylien
259.
Paſcht 184 flgg.
Pataͤken 79 flgg.
Pavian 179.
Beluflos 242.
Perſea 128. 221.
Berfeus 74.
Phallus 257.
Pharao 125.
Phönir 175.
Phthah 79 flgg.
Pi 280.
Prieſter 11.
Ptah 79 figg.
Ptah⸗Sokari⸗Oſiris
Pyramiden 23.
0
Ra 123.
Ranpu 199.
Ratet 148.
Ratho 148.
Reiher 232.
Renen 280.
Rhampfinit 213.
Rhodopis 32 fig.
Rpe, Rpi 277.
S.
Sais 164.
Sak 282.
Salz 13. 169.
Sarapis 269 figg.
Sate 68.
Schaf 51.
Schafal 211.
Schlange 62.
Schmun 187.
Schwalbe 242.
Schwein 20. 151.
Seb 189.
Sebak 194.
Seelenwanberung 27.
Sefr 282.
Self 230.
Semphufrates 114.
Serf 230.
©eth 205.
132.
ns 163.
fer 15.
113.
82.
re 258.
[2
Negifter.
T.
Tah 280.
Tamariske 232. 241.
Tamun 50.
Tefnu 111.
Tempel 17.
Tentyris 279.
Ter 101.
Tetnetſu 264.
Thebä 49. 278.
Thermuthis 228.
Ihierverehrung 44.
Thmuis 73,
Thoth 177 flgg.
Thueris 170. 214.
Tmu, Tumu 54. 184.
Tora 101.
Drudfehler.
Seite 33. Zeile 25 Annfes lies Anyſis.
Tpe 69.
Triphis 112. ,
Tſſ. 280.
Typhon 204 flgg.
Typbonien 214.
u.
Un 123. 277.
Widder 51.
Wolf 213.
3.
Zadyk 82.
Zwiebel 18.
18 Lampadius lies Lampridius.
2
Bildertafelu
Diefe Bilder find aus Wilfinfon’3 Manners x. entnommen,
Ausnahme des auf der eilften Tafel befindlichen Todtengerichts, wo
die im Turiner Todtenbuch enthaltene Darftelung in verkleinertem $
ftabe wiebergiebt. Auf der zweiten Tafel ift flatt Khem fülfhlih Kd
gedrudt worden, und die Anveutung des Phallifchen im Drude ganz
gefallen, und eben fo an ver Geftalt des Phthah auf der dritten
(dritte Figur der oberen Reihe). Auf ver fechäten Tafel ift ftatt Nepb:
fäaälſchlich Nephth gevrudt. Da die Hinzufügung von Bildern nöthig
fo mußten fte doch auf das Nothwendigfte befchränft bleiben, und me
Mehreres begehrt, muß Wilfinfon’s Werk ober Rofellini’s M
mente zur Sand nehmen.
Geprudt bei 3. D. Sauerländer.
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DSaurrländers Verla iu Brarkfırızn.
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Die Mythologie
Aſiatiſchen Völker,
der
Aegypter, Griechen, Nömer, Germa
und Slaven,
herausgegeben von
Konrad Schwenk,
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Vierter Band.
Die Mythologie der Semiten.
IDOL
Frankfurt am Main.
3. D Sauerlänver’s Berlag.
1849.
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Die |
Muythologie der Semiten
Gebildete und die ſtudirende Jugend,
dargeſtellt von
Konrad Schwenck.
Frankfurt am Main.
J. D. Sauerländer's Verlag.
1849.
Vorwort.
— —
Dieſer Band ſollte zur Herbſtmeſſe 1847 erſcheinen nnd
war fertig geſchrieben im Frühling deſſelben Jahres.
NK. ©.
Einleitung
Höben und Saite.
Als Götter des Himmels galten den Semiten ihre Götter, wie denn
ul auch Baal-Semen, d. t. Herr des Himmeld und Aflaroth Königin
’ Himmeld genannt werben. Darum murben vorzugswelje Anhöhen und-
rge, auf welden man dem Himmel und folglid den Göttern deſſelben
ver zu feyn glaubte, zur Verehrung der Götter als die geeignetflen Orte
äblt, fo fehr, daß im alten Teflament die Höhen gleichbedeutend find
Goͤtzendienſt. So heißt e8 Moſe (III. 26. 30): ih will eure Höhen
ilgen und eure Bilder ausrotten, und (IV. 33. 52): ihr folt alle ihre
len und alle ihre gegoßenen Bilder umbringen und alle ihre Höhen
ifgen. Auch (Mofe V. 12. 2) heißt es: verflöret alle Derter, da die
ven, bie ihr einnehmen werbet, ihren Göttern gebienet haben, es fey
hoben Bergen, auf Hügeln, ober unter grünen Bäumen; reißet um
Altäre, zerbrechet ihre Säulen, verbrennet mit Feuer ihre Haine. Im
n Buche der Könige (3. 2) Iefen wir: das Volk opferte noch (zur
: Salomp’8) auf den Höhen, denn es war noch Fein Haus gebauet
Namen ded Herrn, und von Salomo felbft heißt es, er wandelte
‚ den Sitten feines Vaters David, ohne daß er auf Höhen opferte
räucherte. Wie wir daſelbſt (V. 4) leſen, gab es eine Opferhöhe
ovah's zu Gibeon, und es ift daher von jenen Opfern des iſraelitiſchen
[8 auf Höhen nicht erweislih, daß fie damit den Götzen dienten,
an im erften Buche der Chronik [33. 17] leſen wir von den Sfraeliten:
opferte das Volk auf den Höhen, wiewohl dem Herrn, ihrem Gott,
‘Samuel [Il. 15. 30 flg.]: David gieng den Delberg hinan, und da er
die Höhe Fam, da man Gott pflegte anzubeten); wohl aber gilt dies
. Salomo, denn im erflen Buche der Könige (11. 5) heißt es: alfo
welte Salomo (als er alt war) Aſtoreth, dem Gott deren von Zidon
h, und Milcolm, dem Gräuel der Ammoniter, und V.7: da bauete
lomo eine Höhe Samos, dem Gräuel der Moabiter, auf vem Berge, der
Jerufalem Tieget und Moloch, dem Gräuel der Ammoniter. Don Jero-
m aber wird (12. 31 und 32) erzählt: er machte auch ein Hauß der
hen und fliftete zu Bethel die Priefter der Höhen, die er gemacht ‚hatte.
ner heißt ed (14. 22 flg.): und Juba that, was dem Herren übel geflel —
n fie baueten ihnen auch Höhen, Säulen und Haine auf allen Höhen
unter allen grünen Bäumen; vom Könige Ahas erzählt das zweite
IV. 1
2 Höhen und Haine.
Buch der Könige (16. 4): und that Opfer und räucherte auf ven Höhen
und auf den Hügeln und unter allen grünen Bäumen. Ebenvafelbft (17. 9)
heißt e8: die Kinder Iſraels baueten Höhen in allen Stäbten, richteten
Säulen auf und Haine auf allen hohen Hügeln und unter allen grünen
Bäumen. Berner (2. 32): fle machten ihnen Prieſter auf ven Höhen aus
den Unterften unter ihnen, und thaten fle in die Käufer auf ven Höhen.
Auch von Manaffe, Hisklad Sohn, heißt es (21. 1) er habe wieder Höhen
gebaut, dem Baal Altäre errichtet und Haine gemacht. Jofla aber (23. 5)
that ed ab, zu räudyern auf den Höhen, ließ den Hain aus dem Haufe
des Herrn führen und verbrennen, und warf den Staub auf die Gräber
‚der gemeinen Leute, und brach ab bie Käufer, darinnen die Weiber wirkten
Häufer zum Hain, und brach ab die Höhen in den Thoren, die in ber
Thüre des Thores waren.
Wie es ſich mit ven Höhen in den Städten verhielt, wien wir nicht
genau, und müßen und beſcheiden zuzugeben, daß fogenannte Höhen, welche
an der Thür eines Thores waren, vielleicht nur diefen Namen hatten, ohne
daß fle hoch errichtet waren, fo daß nur die Zurüflung zum Eult gleid
der auf wirfliden AUnhöhen, und ihre Beflimmung für die nämlichen
Gottheiten und die Gleichheit des daſelbſt ſtattfindenden Goͤtterdienſtes ven
Namen veranlaßte. Daß man auf Dächern Altäre errichtete, ſehen wir
aus dem zweiten Buche der Könige, wo (23. 12) von Jofia erzählt wird,
dag er die Altäre auf dem Dache im Saal Ahas, die die Könige von
Juda gemacht Hatten, abbrach. *) Diefe waren denn allerdings Altäre
auf Höhen, und ber adıtftödige Thurm des Bel zu Babylon, von welchem
Herodot und erzählt, deßen unten näher gedacht werden wird, war audh
eine Höhe. Geradezu aber heißt ein Altar mit feiner Zurüflung eine
Höhe im zweiten Buche der Könige (23. V 15): Auch den Altar zu
Beth EI, vie Höhe, die Jerobeam gemacht hatte, der Sohn Nebat's, ver
Iſrael fündigen machte, denſelben Altar brach Iofla ab, und die Höhe;
und verbrannte die Höhe und machte fie zu Staub, und verbrannte ben
Satin. So wenig wir die Höhen in den Städten genau beflimmen fünnen,
eben fo wenig ift e8 ganz Far, wie ſich die Häufer der Höhen in ben
Städten zu den fogenannten Höhen felbft verhielten, ob z. B. diefe Häufer
daneben errichtet, oder die Höhen in biefen felbft oder auf ihren Dächern
angebracht waren. Solche Häufer aber gab ed, denn von Iofla heißt e8
(23. 19): er that auch weg alle Häufer der Höhen in den Städten Samaria.
Bei Ieremia (17. 3) heißt es: Höhen, beides auf Bergen und Feldern,
*) Zephanja (1. 5): die aufden Dächern des Himmels Heer änbeten, die es
anbeten und fchwören doch bei dem Herrn und zugleich bei Malchom.
Seremia (32. 2): — da file auf den Dächern dem Baal geräuchert und
andern Göttern Tranfopfer geopfert.
.
Höhen und SHaine. 3
und (19. 4) fagt er von dem Thal des Sohnes Hinnom, fie hätten es
vol unſchuldigen Blutes gemacht und dem Baal Höhen gebaut, ihre
Kinder zu verbrennen, dem Baal zum Brandopfer, und von diefen Baals-
höhen im Thal Ben Hinnom ſpricht er noch einmal (32. 35). Solche
Höhen nun auf Feldern und in einem Thale, fo wie in der Thür des
Thors einer Stadt koͤnnen faum etwas anders gewefen feyn als, wie
gelagt, die Einrichtung, mie fle auf wirflihen Anhoͤhen flattfand. *)
In Griechenland finden wir denfelben Gedanken von dem Verhältniß ver
Berge zu der Gottheit ded Himmels. Auf dem Olympus, dem Berge
Theſſaliens, der neben der Dichtung von feiner Herrlichkeit, doch bie
Spuren des wirklichen Bergs behielt, haufte Zeus, der Himmeldkoͤnig,
mit ven Gdttern. Die Spite des Deta war dem Zeus geweiht, und auf
ven Joa fährt er herab. Auch bei den Iſraeliten haftete für den Dienft
Jehovah's dieſe Anflcht von dem DVerhältnig der Berge zu dem Gotte im
Himmel. Moſe I. (22. 2) heißt es: Gott fprah zu Abraham: nimm
Saat, deinen einigen Sohn, und gehe in das Land Morija und opfere
iin vafeldft zum Brandopfer auf einem Berge, ben ich bir fagen werde.
Mofe IL. (3. 1) heißt es: Moſe — fam an den Berg Gottes, Horeb,
und (12) Bott Ipra zu Mofe: — wenn du mein Volk aus Aegypten
geführt Haft, werdet ihr Gott opfern auf dieſem Berge. Ebendaſelbſt
(19. 3) wird von Mofe gefagt, er fey auf den Berg Sinai zu Gott
geftiegen, und Gott habe ihm vom Berge gerufen, und (24. 1) dann
beißt e8 meiter: Gott fprach zu Mofe: fteige herauf zum Seren, bu und
Aaron, Nadab und Abihu und bie flebenzig Aelteſten Iſraels und betet
an von ferne. Mofe V. (27. 4): wenn ihr über ven Jordan gehet, fo
folt ihr Steine aufrichten auf dem Berge Ebal, und mit Kalk tünchen
(morauf nämlich die Worte des Geſetzes gefchrieben werben follten), und
font daſelbſt dem Herrn einen fleinernen Altar bauen. Weiter ward bafelbft
(B. 12) gefagt, daß ſechs Stämme Ifraeld auf dem Berge Griſim fliehen
folten, um das Volk zu fegnen, und ſechs auf dem Berge Ebal, um zu
fluchen. In demfelben Buche (33. 2) wird gefagt: der Herr iſt von Sinat
gekommen und tft ihnen aufgegangen von Seir (dem Epomitergebirge) ;
er ift bervorgebrocdhen von dem Berge Paran. Der Tempel zu Ierufalem
war auf einer Anhöhe erbaut und wir Iefen im zweiten Buche der Chronik
(3. 1): und Salomo fing an zu bauen dad Haus ded Herrn zu Jerufalem,
*) Gzechiel (16. 23 flg.): Meber alle deine Bosheit baueteft du bir Bergkirchen,
und machteft Bergaltäre auf allen Gaßen. Diefe Stelle feheint deutlich
zu zeigen, was bie fogenannten Höhen auf Feldern, in Thälern und zum
Theil in Städten gewefen feyen. Baft noch näher beflimmenb heißt es
daſelbſt V. 25: und vorne an auf allen Straßen baueteft bu beine
Bergaltäre.
, 1*
A | Höhen und Haine. .
auf dem Berge Morija, ver David, feinem Vater, gezeiget war. Ezechiel
(43. 12) wo er von dem neuen Tempel fpricht, jagt: das ſoll aber das
Geſetz des Haufes fein: auf der Höhe des Berges, fo weit es
umfangen hat, foll e8 das Allerheiligfte ſeyn; das iſt das Gefeh des
Haufes. Ehe aber dieſer Tempel errichtet war, befand ſich die Bundeslade
auf der Höhe zu Gibeon, wie wir ebenvafelöft (1. 3) Iefen: daß fie
hingiengen, Salomo und die ganze Gemeine mit ihm, zu ber Höhe, bie
zu Gibeon war; denn daſelbſt war die Hütte des Stifts Gottes, vie
Mofe, der Knecht des Herrn, gemacht hatte In ver Wüſte. (Im erſten
Buche der Könige [3. 4] heißt ed von Salomo: und der König gieng bin
gen Gibeon, daſelbſt zu opfern; denn es war eine herrliche Höhe.
Und Salomo opferte taufend Branvopfer auf demfelben Altar.) Als
etwas fi von ſelbſt Verſtehendes nennt dad erfle Buch der SKtönige bie
Höhen zum Gottedbienft in den Worten (3. V. 2): das Volf opferte noch
auf den Höhen, denn es war noch fein Haus gebauet dem Namen des
Herrn. Im erften Buche Samuelis (9) wird erzählt, ald Saul, feines
Baters Efelinnen fuchenn in das Land Zuph Fam, und fein Diener ihm
rietb, den Mann Gottes Samuel zu fragen, erkundigte er ſich nach dieſem
bei Dirnen, die Waßer vor der Stadt bolten, und viefe fagten ihm: eile,
denn er ift heute in die Stadt gefommen, weil das Wolf heute. zu opfern
bat auf der Höhe.
Mir fehen daraus, daß vie Ifraeliten, fo fehr auch der Dienft auf
ven Höhen als ein heidniſcher gräuelhaft erfcheint, doch felbft ven Jehovah—⸗
dienft auf der Höhe übten. Ja, felbft das ift für dieſe Anſicht von ben
Bergen und Anhöhen zu beachten, daß der erite höchſte Priefter Aaron
auf einem Berge flirbt, wie wir Mofe IV. (20. 28) Iefen, mo e8 heißt:
Mofe z0g Aaron feine Kleider aus — und Aaron flarb daſelbſt oben auf
dem Berge, nämli auf dem Berge Hor, wohin Mofe ihn auf Gottes
Befehl führte. Eben fo befiehlt Gott Mofe (V. 32. 49 flg.): gebe auf
das Gebirge Abarim, auf den Berg Nebo, und flirb auf dem Berge,
gleichwie dein Bruder Aaron flarb auf dem Berge Hor; diefer Nebo aber
war gerade bie Spige bed Gebirges Pisga, wie es ebenpafeldft (34. 1)
heist. Don Aaron wird und nun nicht gejagt, wo man ihn beflattete,
oder ob dies überhaupt geſchah, wiewohl wir es vorausfegen müßen; von
Mofe aber wird gemelvet (34. 6), daß er im Thal begraben ward, obgleich
nie jemand erfahren, wo fein Grab war. Wir fehen bier, daß ver höchfte
Priefter und der Mann Gotted auf Bergen fterben und koͤnnen, va
wenigſtens Mofe im Thal begraben wird, nicht annehmen, man habe
dem Grabe auf der Höhe einen Werth beigelegt, ſondern die Beveutung
liegt in dem Sterben felbit auf vem Berge. Kaum läßt ſich dies anvers
erklären, al8 daß ein Sterben in größerer Nähe des im Himmel wohnenden
Gottes damit gemeint fey; ob aber auch ein Aufgenommenmwerven ber
Höhen und SHaine. 5
Seele in den Himmel, müßen wir in fo meit dahingeſtellt feyn laßen, als
wir überhaupt über ven Zuſtand der Seele nad dem Tode Feine irgend
genügende Erflärung in dem alten Teflamente vorfinden. Daß jedoch
das Aufgenommenmwerven eined Menichen in den Himmel ven Ipeen, in
welchen ſich das alte Teſtament bewegt, nicht eben ganz fremd war, zeigt
bie Erzählung von dem wunderbaren Scheiden Elia's, von welchen es im
weiten Buche der Könige (2. 11) heißt: ſiehe, da kam ein feuriger
Wagen mit feurigen Roßen und Elia fuhr alfo in Wetter gen Himmel.
Erſchien nun Gott Mofe auf Bergen, fo Iefen wir ähnlich bei den Pro-
pheten, daß Gott auf die Höhen der Erbe tritt. Amos (4. 13) fagt:
denn fiehe, er iſt e8, der vie Berge macht, ven Wind ſchaffet und zeiget
dem Menſchen, was er reden fol. Er macht die Morgenröthe und die
Finſterniß, er tritt auf den Höhen ver Erde. Eben fo lautet es bei
Micha (1. 3): denn flehe, der Herr wird ausgehen aus feinem Ort und
berabfahren und treten auf die Höhen im Lande.
Mit den Höhen, wie wir gefehen haben, werben fehr häufig die Haine
genannt als die Drte des Götzendienſtes, und wiewohl die Sfraeliten auch
auf Bergen und Höhen dem Jehovah dienten, fo waren doch die Haine
von feinem Dienft verbannt, und wir lefen als Gebot Gottes bey Moie
(V. 16. 21): du foAft feinen Hain pflanzen bei dem Altare des Herrn.
Bor Mofe fand ſich der Altar des Herrn auch wohl in einem Hain, denn
von Abraham heißt es (Mofe 1. 13. V. 18): er mohnete im Hain Maure,
ber zu Hebron ifl, und bauete daſelbſt dem Herrn einen Altar. Ja Abra⸗
ham pflanzte felbft einen Hain. Cr hatte, fo wird erzählt (Mofe I. Kap. 21),
einen Brunnen gegraben, den ihm Abimelech wegnahm; doch fühnten fie
ſich aus und machten darüber einen feierlichen Bund, woher vie Stätte
Berfaba heißt. Abraham aber pflanzte daſelbſt Bäume und predigte dort
von dem Namen des Herrn, des emigen Gotted. Diefe Bäume waren,
wie gar nicht zu zweifeln ift, zu Ehren Gottes als heiliger Hain, um bie
Stätte dem Herrn zu weihen, gepflanzt. Daß in dem Göttercult der
Griechen und Römer und anderer Völker Haine häufig waren, iſt befannt
genug. Doch wir fehen auch einzelne Bäume, als zu gleichem Zwecke wie
die Haine dienend, genannt; denn wenn es fo oft heißt: „und unter allen
grünen Bäumen,” fo iſt damit fhwerlich jedesmal ein ganzer Hain gemeint.
So lefen wir bei Ezechiel (6. 13) von Gögenaltären auf allen Hügeln und
oben auf allen Bergen, und unter allen grünen Bäunen und unter
allen dicken Eichen, an welchen Orten fie allerlei Götzen füßes
Räuchopfer thaten. Berner ebenbafelbft (20. 28), wo ſie einen hohen
Hügel oder dicken Baum erfahen, daſelbſt opferten fle ihre Opfer und
brachten dahin ihre feinpfeligen Gaben, und räucherten dafeldft ihren füßen
Geruch und goßen daſelbſt ihre Trankopfer. Hoſea (4. 13) fagt: oben
auf den Bergen opfern fie und auf den Hügeln räuchern fie unter den
6 Höhen und Haine.
Eichen, Linden und Buchen, denn die haben feine Schatten.
Diefe Stellen deuten darauf, daß auch einzelne flattlide Bäume gewählt
wurden, um unter ihnen Opfer zu verrichten, jo gut als in den Sainen
ſelbſt. Wir vermögen nidht zu fagen, warum man Haine und Bäume zu
diefem Zwecke mählte; doch muß diefe Wahl in dem menfdlichen Gefühle
wohl begründet gemeien ſeyn, ba biefer Brauch fi} bey fo ganz verfchie-
denen Bölfern weit verbreitet findet. Mit diefem Brauche, Bäume zu
wählen, um ven Göttern unter ihnen zu dienen, ifl zu vergleidhen, daß
es Zaubereichen gab, wie dad Buch der Richter deutli und unzweifelhaft
angiebt, wo es (9. 5) zuerft heißt: und ed verfammelten ſich ale Männer
yon Sichem und machten Abimelech zum Könige bey ver hohen Eiche, vie
zu Sichem fleht; und dann (Vers 37): ftehe, ein Volk fommt hierniever ”
aus dem Mittel des Landes, und ein Haufe fommt auf dem Wege zur
BZaubereihe. Daß man dem Holz oder den Wurzeln und Blättern der
Eiche an und für fi) eine Zauberfraft zugefchrieben hätte, wird nirgends
erwähnt, und wir finden nie viefelben ald Zaubermittel angewendet, weß⸗
halb es wahrfcheinlich if, daß die Zaubereiche nur dazu diente, um unter
ihr Zauberei zu treiben, weil ſich ein Glaube des Göttlihen mit ihr
verfnüpfte. Iſt diefes, wie es fcheint, der Val, dann trifft vie Wahl
des Baumes zum Zauberbaum nahe zufammen mit feiner Wahl zum
Goͤtterdienſt.
Wie haben oben geſehen, daß Häuſer mit den Höhen verbunden
waren, fowohl mit den wirklichen, als auch mit den fogenannten in ven
Städten, und daß dieſes auch mit ven Hainen flattfand, erfehen wir aus
dem alten Teflament. Ob die Häufer der Höhen wirkliche Tempel waren,
vermögen wir nicht mit Beftimmtheit zu ergründen, und wißen alſo aud
nit, ob fie die Bilder der Götter, denen man opferte, enthielten, oder
ob fle zum Zwede, das für die Opfer Nöthige darin zu verwahren, oder
wozu fonft, errichtet waren. Ueber die Käufer der Haine haben wir nur
eine Nachricht im zweiten Bude der Könige (23. 7), wo es von Jofla
heißt: und er brach ab die Häufer der Hurer, die an dem Haufe des
Heren waren, barinnen die Weiber wirkten Häufer zum Hain. Demnad
wurden Zelthütten in den Hainen aufgefchlagen, over bei den Bäumen,
wo Götterbienft flattfand, und wir dürfen vermuthen, daß fle einen ähn-
lihen Zwed hatten, wie die Käufer ver Höhen. Daß aber Weiber, vie
an dem Haufe des Herrn wohnten, foldhe Kainhäufer wirkten, zeigt, daß
man nicht jeved Zeug zu denfelben nehmen zu vürfen glaubte, fondern
baß der heilige Zweck erforberte, dieſe Zelte von eigend dazu beftellten
Brauen in der Nähe und in Berbindung mit einem Heiligthum wirfen zu
lagen, wie z. B. in Athen ver Peplos der Palas von Jungfrauen auf
ber Burg gewebt wurde. Die Angabe, es feyen Häufer ber Hurer, wie
kuther überfegt, gewefen, barf uns nicht glauben machen, es babe fi
Höhen und Haine. 7
nit fo verhalten, denn daß Käufer der Cinäden mit dem Heiligthum
wiammenbiengen, worin zugleih Weiber jene Arbeit zu heiligem Zweck
versichteten,, führt darauf, den Cinädismus, als in ver Naturreligion ver
heidniſchen Semiten vorkommend, zu betrachten, wie er in dem Cult des
Dionyfos ſich vorfindet. Daß die heidniſchen Semiten au) an Bädhen
und in Gärten ihren Eult feterten, fcheint fi aus Worten Jeſaia's zu
ergeben. Wir leſen bei ihm (57. 5): die ihr in der Brunft zu dem
Bögen Taufet unter alle grüne Bäume, und fchlachtet die Kinder an den
Bihen unter ven Felsflippen. Und (V. 6): dein Weien ifl an
ven glatten Bachſteinen, viefelbigen find dein Theil; venjelbigen
fhütteft du dein Tranfopfer, da du dein Speisopfer opferſt. Dann
(66. 3): die fih Heiligen und reinigen in den Gärten, einer bier,
ver andere da, und eßen Schweinefleifh, Gräuel und Mäufe.
Bethel. Bätylien.
Wir finden bei den Semiten den Gebrauch geheiligter Steine, welche
mit Del geſalbt wurden, und das alte Teflament giebt als Namen eines
derartigen Steines dad Wort Beth=el an, was beveutet Haus des Herrn.
Die ältefte Nachricht darüber findet fi im erften Buche Mofe (28. 10 flgg.),
wo Folgendes erzählt wird: Jakob z0g aus von Berfaba, und reifete gen
Saran, und Fam an einen Ort, ba blieb er über Nacht. Und er nahm
einen Stein und legte ihn zu feinen Häupten, und legte fi} ſchlafen. Und
ihm träumete, und fiehe, eine Leiter fland auf Erven, die rührete mit ver
Spige an den Himmel, und flehe, vie Engel Gottes fliegen daran auf
und nieder; und der Herr fland oben darauf und ſprach: Ich Bin der
Herr un. f. w. Da nun Jakob von feinem Schlaf aufwachte, ſprach er:
gewiglih ift der Herr an diefem Ort, und ich wußte ed nicht; und fürd-
tete ſich und fpradh: wie heilig ift dieſe Stätte! Hier ift nichts anderes,
denn Gottes Haus, und hier iſt die Pforte des Himmels. Und Jakob
fland des Morgens frühe auf und nahm den Stein, den er zu feinen
Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Mal, und goß Del
Darauf, und hieß die Stätte Beihel (d. I. Haus Gottes); vorhin hieß fonft
die Stadt Aus. Lind Jakob that ein Gelübde, und fpradh: fo Gott wird
mit mir feyn u. f. w., fo fol der Herr mein Gott feyn, und dieſer Stein,
ven ich aufgerichtet Habe zu einem Mal, foll ein Gotteshaus werben.
Berner wird (35, 1. 6. 7. 9. 14 flg.) erzählt: und Gott fprach zu Jakob:
made dich auf, und ziehe gen Bethel, und mohne daſelbſt, und mache
dafelbft einen Alter dem Gott, der dir erfchien, da du floheft vor deinem
Bruder Eſau. — Alfo Fam Iafob gen Lus im Lande Ganaan, bie ba
Bethel heißt, und bauete vafeldft einen Altar, und hieß die Stätte EI
Bethel, darum, dag ihm bafelbft Gott geoffenbaret war, da er floh vor
feinem Bruder. — Und Gott erfchien Jakob abermal und fegnete ihn —
Jakob aber richtete ein fleinern Mal auf an den Ort, da er mit ihm
geredet hatte, und goß Tranfopfer darauf und begoß ihn mit Del. Und
Jakob hieß den Drt, da Gott mit ibm geredet hatte, Bethel. *)
Hier fehen wir einen Stein errichten zu einem Mal Gottes, und
Tranfopfer darauf gießen und ihn mit Del falben, und mehr als ein
Mal, als ein Gott geheiligter Stein, fann ein Bätylos oder Bethel nie
geweſen ſeyn; denn hätte man ihn, gleich einer Statue, als ein Bilb
*) Paufanias (VIL. 22. 3) erzählt von Pharä in Achaja, es fländen ganz
nahe bey dem Bilde des Hermes dreißig vieredige Steine, welche von
Bethel. Bätylien. 9
eined Gottes, als einen Gott betrachtet, fo würde er den Namen Gottes
sefommen Haben, während doch nur ber allgemeine Name Bethel over
Bätylos für alle gilt. WIN man ihn mit etwas vergleihen, fo könnte
vies noch am erſten mit einem Altare eined Gottes geſchehen; doch iſt es
am beften, einfach dabey ſtehen zu bleiben, daß er ein heiliges und ver⸗
ehrtes Mal Gottes ſey, bey welchem man ſich in einem gleichen Berbältnig
zur Gottheit betrachtete, wie bei einem Altar, in einem Tempel, over
ionft an einem gottgeweihten Orte. Plinius (37. 51) fagt, die Bätyle
ſeyen ſchwarz und rund, und mit ihnen würden Stäbte und Flotten
erobert; daß fie e8 aber alle geweſen feyen, wird damit nicht bewiefen,
und e8 gab deren fo manche an verſchiedenen Orten, daß es wohl ſeyn
fann, daß fie weder alle von einer Farbe noch Geftalt waren. Die Kaaba
u Mekka, die nod von den Moslims verehrt wird, ift ſchwarz. Die
Iritere Zeit mit ihren Deutungen und ihrer Wunderfucht Tieß vie Bethel⸗
feine nicht unverfchont. Damascius im Leben des Iſidorus bei Phottus
(Schrift 242. ©. 557) erzählt: es heißt, bei Heliupolis in Syrien fey
Aflepiades auf den Berg des Libanon hinaufgegangen und habe viele
von den fogenannten Batylien over Baͤtylen gefehen, über welche er
Tauſendfaches wunderfabelt, was einer unfrommen Zunge würdig ifl.
Ebendaſelbſt (S. 568) wird welter erzählt: ich fah ven Bätylos durch bie
Ruft fih bewegen, und einmal in die Gewande gehüllt, und endlich einmal
auch in den Händen des Bedienenden getragen. Der den Bätylos Bedie⸗
nende aber hieß Euſebios, welcher auch erzählte, es fey ihm einmal
plöglih unerwartet die Begierde gekommen, zur Mitternacht von der Stadt
Emefa ganz meit in das Gebirg zu gehen, wo ein alter Tempel ver
Abena flebt. Als er fehr fehnel an ven Fuß des Berges gekommen,
habe er fi zum Ausruhen gefept und eine Beuerfugel plöglih aus ber
Höhe herabfahren geſehen und einen großen Löwen bei der Scheibe ſtehend.
ben Pharäern verehrt würden, die einem jeglichen den Namen eines
Gottes gäben; in ven alten Zeiten aber feyen von allen Hellenen unbe:
arbeitete Steine flatt der Statuen göttlich verehrt worden. Diefen Braud
darf man durchaus nicht mit dem der Bethelfteine vergleichen, denn es ift
ganz einerlei, was für ein Bil fih ein Volk von einer Gottheit mache,
ob es dazu einen rohen Stein oder Stod, ob es eine menfchliche Geſtalt
ober eine andere gearbeitete Figur dazu erwähle. Diz einmal erwählte
Form dient zur finnlichen Darftellung des Gottes felbft, und finnliche
Auffaßung erblickt in der gewählten Geftalt tie Gottheit und giebt ihr
den Namen berfelben. Da nun diefes bey dem Bethelftein nicht flattfand,.
der nie den Namen eines Gottes erhielt und mithin auch feinen barftellte,
fondern nur als heiliger Gegenfland diente, wo man Gott verehrte, fo
wäre es ganz falfch, jene griechifchen rohen Darftellungen ‚der Götter mit
ven Bethelfteinen zu vergleichen.
210 Bethel Bätylien
Dieſer ſey bald verſchwunden, er aber jelbit ſey zu der Kugel, vie bereits
erlofcgen geweien, gelaufen, und habe fie, nie ein Bätylos gewejen,
genommen und geforſcht, welches Gottes fie jen, und fie babe geiagt, fie
feg ver Bätolos des Golen (als GEdlen aber verehrten die Helinpoliten im
dem Heiligtum des Zeus eine Geſtalt des Löwen). Er babe dann ihn
nach Haufe gebracht, indem er- in derſelben Nacht nicht weniger als zwei⸗
hundert und zehn Stadien gemacht babe. Gufebios war jedoch nicht Herr
der Bewegung des Bätylos, jo wie Andere der Bewegung Anderer, ſondern
diefer verlangte und begehrte‘ und der hörte auf wie Orakelworte. Mit
diefen und vielen Verartigen Faſeleien beichreibt der ver Bätylien in Wahr⸗
beit Würdige den Stein und jein Ausjehen, venn er fagt, es ſei eine
genaue Kugel geweien, weiplih von Barbe, eine Spanne im Diameter
baltend, doch zuweilen warb fie größer oder Fleiner, und ein anbermal
purpurfarbig.. Auch fagt er uns, es ſey auf dem Steine eine Schrift .
geichrieben mit Zinnoberfarbe, durch welche er dem Forſchenden dad
geſuchte Drafel gab und eine leife ziſchende Stimme hören ließ, welde
Euſebios auslegte. Indem nun dieſer nidhtige Menſch dieſes und taufend
anderes Sinnlojed über den Bätylos wunderfabelt, fügt er hinzu: ich bielt
den Bätylos für göttlicher, Iſidoros aber vielmehr für daͤmoniſch, denn ed
fey irgend ein Dämon, der ibn bewege, weder einer von ben ſchaͤdlichen,
noch von den ſehr materiellen, jedoch auch nicht vor den in den immate-
riellen Zufland gelangten, oder den burdjans reinen. Bon nen Batylen
fey der eine dieſem, ver andere einem andern Gotte gewidmet, dem
Kronod, dem Zeus, dem Helios, den anvern Göttern.
In dem Orphiſchen Gedichte über die Steine lefen wir ben von
Photius aufbewahrten Faſeleien ähnliche, dem kindiſch wunderfüchtigen
Blauben einer in geifliger Hinfidht heruntergefommenen Zeit ganz ange»
meßen. Es heißt (DB. 354): Phöbos Apollon gab ihm einen redenden Stein,
einen wahrhaftigen Eifenftein, welchen e8 ven andern Menfchen gefiel, ven
bejeelten Bergftein zu benennen, rund, etwas rauh, feſt, von ſchwarzer
Farbe und dicht. Rings im Kreife herum ziehen ſich an vemfelben überall
rungelartige Adern vraufgeftreift. Dreimal ſieben Tage vermied Helenod
das ehelihe Lager und dad gemeinichaftlide Bad, und blieb unbefledt
von der Speife befeelter Geichöpfe: den mit Geift begabten Stein aber
wuſch er in immerfließendem Waßer, und hegte ihn, wie ein Kind, in
weidden Gewanden, und wie einen Gott, ihn mit Opfern fühnend, machte
er den Stein mit fehr mächtigen Gefängen lebendig. An reinem Orte im
Haufe Licht auf den Leuchtern anzündenp, pflegte er ihn in feinen Händen,
den göttlichen Stein erhebend, glei wie eine Mutter ihr unmündiges
Söhnlein in ven Armen hält. Und du, wenn bu die dämonifche Stimme
hören willſt, mache e8 fo, damit du das Wunder in veinem Geiſte erfenneft;
denn wenn bu dich recht gemüht haft, ihn in ven Händen ſchwingend,
wird er plötlicd die Stimme eines neugebohrnen Kindes erheben, das um
Bethel. Bätylien. 11
Rilch auf dem Schooße der Amme ſchreit. Du mußt ihn aber mit Aus⸗
dauer ſchwingen, daß du nicht, von Furcht erlahmenn, ihn aus den Haͤnden
- af den Boden wirfſt und argen Zorn der Unfterblichen erregeft. Brage
in aber um Weißagung, und er wird bir alles ver Wahrheit gemäß
fgen. Dann, wann bu ihn Idfeft, bringe ihn deinen Augen nahe und
ſchaue, denn du wirft erkennen, wie er wunderbar ausathmet und verfühlt.
So fagte Helenos, Laomedon's Sohn, den Atreiden ven Tag der Einnahme
Troja's vorher, dem wahrſagenden Steine vertrauend. Dir aber enthülle
ich noch eine andere Kraft des Eiſenſteins, er fehügt nämlich auf das
volfommenfte gegen Schlangen.
Das Bethel over den Bätylos muß man burdhaus von den Meteors
feinen, Wunverfteinen und denen, die als Gottheiten betrachtet wurden,
auf das beflimmtefte fcheiden, denn es ift nur eine Stätte des Herrn, wo
verfelbe fichtbar ericheint oder unſichtbar wohnt, nach ven befchränften
Begriffen, und wie man, um eine Sache deutlich zu machen, auch Dinge
von einer gewiflen Aehnlichkeit, wenn auch dieſe nicht nahe zutrifft, ver⸗
gleiden mag, fo fann man nicht ganz ungehörig dad Bethel mit einem
Zempel, felbft mit einem Altar vergleichen, wiewohl der leßtere gerade nicht
eine Stätte der Gottheit if. Man glaubte jedoch, die Gottheit gebraudhe
ven Tempel als ihr Haus und fey dem Altar nicht ferne, weßhalb er ja
auch al8 eine unverlegliche Zufluchtsftätte diente. Cine andere Helligkeit
hatte auch das Bethel nicht, und falfche Deutung und falſche Benennung
it e8, wenn ein anderer Stein, ald welcher eine Stätte der Gottheit war,
Bätylo8 von Späteren benannt ward.
Auch andere Gevächtnipfteine und ſolche, die zu Zeichen dienten,
muß man davon unterſcheiden. Wir erfahren zwar nur ſehr wenig von
ſolchen, daß fle aber mit dem Semitifchen Heidenthum zufammenbiengen
und leicht eine abgottiſche Verehrung veranlagen konnten, erhellt aus
ihrem Verbote für die Kinder Sfrael; denn ed heißt im dritten Buche
Mofe (26. 1): Ihr ſollt keinen Bögen, noch Bild, Feine Säule auf-
tihten, feinen Malftein feßen, daß ihr davor anbetet. Eben jo wird
im fünften Buche (16. 21) verboten, eine Säule aufjurichten. Dod
Samuel ſetzt einen Gevädhtnipftein, wie im erflen Buche Samuel’s
(7. 11 flg.) erzählt wird: da zogen die Männer Ifrael aus Mizpa, und
jagten die Philifter, und ſchlugen ſie bis unter Berh Car. Da nahm
Samuel einen Stein, und ſetzte ihn zwiſchen Mizpa und Sen, und bieß
ihn Eben Ger (vd. i. Stein ver Hülfe) und ſprach: bis hieher hat und
der Herr geholfen.
Als Semitifher (Phönikifcher) Name des Bethels (Bätylod) wirb
Abadir angegeben. Auguftinus (Brief 44) fagt, zu Carthago gebe es
Priefter, die Encaddires, und Gütter, die Abbadires hießen. Priscian (1)
fagt, Abdir iſt eine Art Stein, und (5) Abadir iſt ein Gott, auch heißt
fo der Stein, den Saturnus flatt des Jupiter verfohlungen haben fol,
f
12 Bethel. Bätpylien.
den die Griechen Bätylos nennen. Wir Fönnen nicht fagen, wann biefer
Name zuerft gebraucht ward, und ob denn die Phöniker ven Namen Bethel
nie gebrauchten; daran aber koͤnnen wir zweifeln, daß die Phoͤniker und
die Carthager, ihre Eolonie, das wahre Bethel je Abadir genannt haben.
Zu Delphi, wie und Paufantas (10. 24. 5) berichtet, war, wenn
man von dem Denkmal des Neoptolemos binaufgieng, ein Stein zu fehen,
der nicht groß war, und welchen man täglich mit Del begoß, und worauf
man an jevem Feſte unbearbeitete Wolle that; ver Glaube aber war, es
fey diefed der Stein, meldher dem Kronos flatt feines Sohnes Zeus zu
verfchlingen gegeben worden war, und ben er wieder erbrach. Da bas
Delpkifche Orakel eigentlich dem Zeus gehörte, dem Apollon vafelbft als
Prophet diente, fo wäre es möglih, daß man darum zum Andenken an
den Stein, welchen Kronos ftatt feiner verfchlungen hatte, dieſen Stein
zu Delphi nahe bey'm Tempel aufftelte und verehrte, jedoch fo, daß er
zu einem Bätylos gemacht warb, wie das tägliche Salben mit Del zeigt.
Do als gewiß laͤßt fich dies nicht betrachten, ‘und es Fünnte wohl feyn,
dag man, als die Bätyle bekannt wurden, meinte, ein folcher eigne fd,
in dem Bereiche des wichtigen Delphifchen Tempels aufgeftelt zu werben,
was nicht befonders frühe geicheben feyn mag, da wir erſt durch Paufaniad
davon erfahren. Hatte man einen foldden Baͤtylos aufgeftellt, fo lag dem
Griechen die Deutung, es fey der von Kronos verſchlungene und wieder
erbrochene Stein, fehr nahe. Der Feſtgebrauch jedoch, rohe Wolle zur
Hülle des Steins anzuwenden, iſt wenigſtens dieſer Deutung deſſelben
nicht angepaßt. Denn Rhea hatte, wie der Mythus ſagt, den Stein,
welchen ſie ſtatt des Zeus ihrem kinderverſchlingenden Gatten reichte, in
ein Ziegenfell gewickelt, und dieſes hatte der Mythus gewählt, weil bie
Ziege ald ein Namenfumbol des in Zeus’ Gewalt ſtehenden Wetterflurms
angenommen war und baher mehrfach bey ihm in Anwendung Fam. Hätte
man daher dieſen Stein wirklich ald den, in jenem Mythus vorfommenpen
am Feſte darſtellen wollen, fo würde dieſes am beften, follte man meinen,
durch die Umwickelung mit einem Siegenfelle geſchehen feyn, während bie
Umwindung mit Wolle bey den Griechen nur eine allgemeine Heiligung
feyn Eonnte, wie der vielfache Gebrauch wollener Binden zeigt. Bey ben
Semiten wird ver Bethelſtein nie ald mit Wolle umwunden Trwähnt, und
es if} daher bey dem in Delphi diefer Brauch als ein durch die Griechen
nah ihren Begriffen binzugefügter zu betrachten. Ja bey den Semiten
würde eine folhe Anwendung der Wolle vielleicht felbft ald eine Enthei-
ligung gegolten haben, da mir wenigftend bey ven Ifraeliten vie Wolle
in fo weit unrein finden, daß die Priefler durchaus ein Linnenzeug zunächft
am Leibe haben mußten, und bey den Aegyptern war ebenfalld diejer
thieriſche Stoff als ein unreiner unzuläßig, wenigftens für die Kleidung,
welche den Leib zunächft bedeckte.
13
Kefte,
Weber allgemeine Befte ver Götter bei den Semiten erfahren wir nur
Einige durch das alte Teflament, wo von den drei Feſten der Sfraeliten
gemeldet wird, die von ber Art find, daß wir ähnliche bei den andern
Semitiſchen Stämmen nicht ohne einige Wahrfcheinlichfeit vermuthen dürfen.
Die Iiraeliten mußten jeden Tag Gott verehrten und zwar mit einem Opfer.
Im vierten Buche Mofe (28) Heißt es: der Herr rebete mit Mofe —
fprih zu ihnen: Das find die Opfer, die ihr dem Herrn opfern follt,
jährige Lämmer, die ohne Wandel find täglich zwei zum täglichen Brands
opfer, ein Lamm des Morgens, das andere zwifchen Abends; dazu einen
zehnten Epha Semmelmehl zum Speisopfer, mit Del gemenget, das
geflogen ift, eines vierten Tiheild vom Hin. Dazu fein Trankopfer, je
zu einem Lamm ein Viertheil vom Hin. Im Heiligthum fol man den
Dein des Trankopfers opfern dem Herrn. Alſo ward für jeve Nacht und
für jeven Tag geopfert, und die andern Opfer wurben über diefes hinaus
weiter geopfert. Am firengften aber feierte der Ifraelite wöchentlich ven
Sabbath, und diefen ebenfalls bei den übrigen Semiten zu vermutben,
find wir nicht berechtigt. Diefer Sabbath Eehrte alle fieben Tage wieder,
und diefe Zahl war auch bei andern Völkern außer den Jfraeliten eine
heilige oder feierliche. Da der Mond alle fleben Tage verändert erfcheint,
fo beruht die Heiligkeit dieſer Zahl auf dieſem Verhältniß; denn ber
Mond ift das Maaß der Zeit, und die Ordnung der Zeit, mit der alles
Werden und Vergehen, welches darnach gemeßen wird, zufammenhängt,
war bey mehreren alten Völkern als göttliche Orpnung der Welt Gegen-
fand der Feier. Die Iiraeliten Enüpften bie Setligung des ftebenten Tages
hiſtoriſch an die Erfchaffung der Welt, indem ſie dieſen Tag zu einem
Ruhetage und zur Gottesverehrung beflimmten, weil Gott vie Welt in
ſechs Tagen ſchuf und am flebenten ruhte. Sechs Tage, heißt es im
zweiten Buche Mofe (35) folt ihr arbeiten; den flebenten Tag aber ſollt
ihr Heilig Halten, einen Sabbath der Ruhe des Herrn. Wer barinnen
arbeitet, ver fol flerben. Ihr ſollt kein Feuer anzünden am Sabbathtage
in allen euren Wohnungen. *) Wir begegnen daher dieſer Zahl wegen
*) Die Auslegung, welche die Schriftgelehrten von biefer Stelle gemacht haben,
und wie fle überhaupt das Gebot der Sabbathefeier erflärt haben, iſt
fehr fpipfindig. Wenn das Gebot Tautet: ihr follt am Sabbath Fein
Teuer anzünden in allen euren Wohnungen, fo tft daſſelbe feinem Wort:
laute nach klar und leicht zu verſtehen. Diefes iſt nun ausgelegt worben,
daß der Jude am Sabbath Fein Feuer anrühren dürfe, daß er aber buch
14 Vefte.
ihrer Heiligung öfterd; denn fo wird Noah von Gott befohlen (Mofe I. 7)
von dem reinen Vieh je fleben und fleben, ein Männlein und fein Fraͤulein,
Nichtjuden Feuer in feiner Wohnung dürfe beforgen laßen. Aber dieſe
willführliche Spitzfindigkeit treibt durch ihre kecke Verwechſelung, wodurch
ſie ein nicht Gebotenes an die Stelle des Gebotenen ſchiebt, geradezu mit
der heiligen Satzung einen komiſchen Spott. Feuer in den Wohnungen
zu haben iſt rund heraus verboten und nicht erlaubt für den Fall, daß
ein Jude es durch einen Nichtjuden anzünden und unterhalten Iäßt.
Dagegen ift das Anzünden und Unterhalten des Feuers am Subbath
außer der Wohnung in dem heiligen Gefeb durchaus nicht verboten, und
ber Priefter beforgte die immer brennende Lampe am Abend und Morgen
des Sabbaths fu gut, wie an jedem andern Tage. Am Sabbath wurde
das tägliche Opfer Abends und Morgens und dazu das Sabbathsopfer
geihlachtet, dad dem Herrn davon als Brandopfer zufommende verbrannt
und das übrige Fleifch zubereitet, was mit Feuer gefchah, gegeßen. Das
Gebot: ihr ſollt am Sabbath Fein Feuer in allen euren Wohnungen haben,
hätte, wenn man den Sinn in’s Auge faßt und den Zwed, der damit
erreicht werben follte, betrachtet, eben fo gut lauten Fönnen: ihr follt
am Sabbath Verfammlung Halten und vor dem Herrn, eurem Gott, eßen
und fröhlich feyn über allem, das ihr und euer Haus bringt. Dieß wird im
Allgemeinen, ohne daß der Sabbath genannt ift, befohlen im fünften Buche
Mofe (12. 3.7), und Hinzugefügt (DB. 11): Wenn der Herr einen Ort
erwählet, follt ihr dafelbft Hinbringen eure Opfer und Zehnten, und follt
fröhlich feyn vor dem Herrn, ihr und eure Söhne und Töchter, Knechte
und Mägde, und die Leviten, die in euren Thoren find. Hüte dich, daß
du nicht deine Brandopfer opferft an allen Orten, bie du fieheft, fondern
an dem Ort, den der Herr erwählet im irgend einem beiner Stämme.
Doch magft.du fchlachten und Fleifch eßen in allen deinen Thoren, aber
nichts, was ein Opfer des Heren if. (Auch wer weitab wohnte, mußte,
was er geheiligt oder gelobt Hatte, zur Wohnung des Herren bringen.)
Am Sabbath aber mußte Berfammlung feyn, und es follte jever vor dem
Herrn eßen, da jeder zu opfern Hatte, und von dem Opfer aß, was nicht
Gottes oder der Priefter Antheil war. Der Zwed mochte vorzüglich ber
feyn, daß dem Haug zur Abgötterei gefleuert werbe, welchem die Erlaubniß,
überall zu opfern, wo der Einzelne gewollt hätte, Vorſchub geleiftet Haben
würde. So bezeichnet Jeſaia heinnifche Opfer mit den Worten (65. V. 3):
ihr opfert in den Gärten und räuchert auf den Biegelfleinen. Da das
Feueranzünden und die Unterhaltung des Feuers am Sabbath außer dem
Haufe nirgends verboten war, beides aber unläugbar ſtattfand, fo ergiebt
ſich daraus, wie verkehrt die Schriftgelehrten jene Stelle des Heiligen
GBefebes ausgelegt haben. Daß die Juden beym Zuge durch die JBüfle
am Sabbath insgemein Feuer handhabten und die Speifebereitung vor⸗
nahmen, ergiebt ih aus der Erzählung im zweiten Buche Mofe (16):
die Kinder Ifrael follten das Engelbrod (wie es Pfalm 78. B. 25 genannt
wird), das Man, welches fie fammelten, täglich aufeßen, und als einige
etwas für den andern Tag übrig ließen, wuchlen Würmer darin. Am
Feſte. 15
in die Arche zu nehmen, und von ven Vögeln je ſieben und ſieben. Dann
heißt e8 von der kommenden Sündflut: nad) ſieben Tagen wird e8 regnen.
Als Noah eine Taube aus der Arche gefchickt hatte, um zu erfahren, wie
es mit ber Flut ſtehe, und dieſe wieder Fam, ſchickte er nach fieben Tagen
wieder eine Taube hinaus (8), die ein Delblatt brachte, dann nach aber-
mals fieben Tagen eine, welche nicht wieder Fam. In den Mofatfchen
Sagungen lefen wir (Il. 21): So du einen Ebräifchen Knecht Faufft, der
fol dir ſechs Jahre dienen; im ftebenten Jahre fol er frei ledig ausgeben.
Hier fehen wir denn beutlih auf bie Arbeitswoche und ven Sabbath
Rüdfiht genommen. Ein Sabbathfahr tritt audy fehr beſtimmt hervor in
ver Satung (II. 23): Sechs Jahre ſollſt du dad Land befäen, und feine
Früchte einfammeln. Im flebenten Jahre ſollſt du es ruhen und Tiegen
lagen, daß die Armen unter deinem Volke davon eßen, und mas übers
bleibet, laß das Wild auf dem Felde eßen. Alfo ſollſt vu auch thun mit
einem Weinberge und Delberge. Weiterhin (IM. 25.) beißt es: Im
fiebenten Jahre foll das Land feine große Beier dem
Herrn feiern, darinnen du dein Feld nicht befäen, noch deinen Wein-
ſtock beſchneiden ſollft. Was aber von ihm felber nach deiner Erndte waͤchſt,
fon du nicht erndten, und die Trauben, fo ohne deine Arbeit wachen,
ſollſt du nicht leſen; dieweil ed ein Feierjahr iſt des Landes.
Sondern die Feier des Landes ſollt ihr darum halten, daß du davon eßeſt,
fechsten Tage aber mußten fie das Doppelte ſammeln, um am Sabbath
zu feiern, und dieß blieb gut. Diefes Man aber warb gebaden over gekocht,
und Mofe fagte am fechsten Tage: was ihr baden wollt, das badet, und
was ihr Fochen wollt, das kochet; was aber übrig ift, das laßet bleiben,
daß es behalten werde bis morgen. Am andern Tage war das Hebrig-
gelaßene noch gut, und Mofe ſprach: eBet das heute. Da nun am Tage
vor dem Sabbath nur der Theil, der an demfelben gegeßen werben follte,
zubereitet warb, der andere aber unbereitet aufbewahrt blieb, Feineswegs
aber geboten ward, ihn ungefocht und ungebaden zu eßen, fo ift Fein
Zweifel, daß die Leute im Lager ihr Eßen am Sabbath mit Feuer bereiteten.
Am Sabbath war zwar Dienflarbeit unterfagt, man fieht aber daraus,
daß die Zubereitung bes täglichen Eßen's nicht als Dienftarbeit bezeichnet
war, fo wenig als vie Zubereitung des Opferfleifches zum Ehen am
Sabbath. Auch das Reifen am Sabbath war nicht unbedingt verboten;
denn als ein Weib, deßen Kind geftorben war, zu dem Propheten Gliſa,
um Hülfe zu fuchen, gehen wollte, fprach ihr Mann zu ihr: Warum
wit du zu ihm? Iſt doch heute nicht Neumond noch Sabbath. (So
erzählt das zweite Buch der Könige Kay. &). Diefe Rede hätte nicht
Rattfinden Tönnen, wenn nicht an Neumonden oder Sabbathen die Reife
zu einem Propheten oder Manne Gottes Hätte ſtattfinden Tonnen, ober
zuweilen Statt gefunden hätte, wahrfcheinlich um den heiligen Tag bey ihm
zu feiern in größerer Heiligung.
16 Feſte.
dein Knecht, deine Magd, dein Taglöhner, dein Hausgenoß, dein Fremd⸗
ling bey dir, dein Vieh, und die Thiere in deinem Lande; alle Früchte
ſollen Speiſe ſeyn. Und du ſollſt zählen ſolcher Feierjahre ſteben, daß
ſieben Jahre fiebenmal gezählet werben, und die Zeit ver fieben Feierjahre
machen neun und vierzig Jahre. Da ſollſt du die Pofaune lagen blafen
durch alles euer Land am zehnten Tage des flebenten Monats, eben am
Tage der Verfühnung. Und ihr follt das fünfzigfte Jahr Heiligen, und follt
es ein Erlapjahr heißen im Lande, allen, die darinnen wohnen; denn es
ift euer Haljahr, da fol ein jeglicher bey euch wieder zu feiner Habe
und zu feinem Geflecht fommen. Denn das fünfzigfte Jahr iſt euer
Halljahr; ihr ſollt nit faen, auch was von ihm felber wächſt, nicht :
erndten, auch was ohne Arbeit wählt im Weinberge, nicht lefen. Denn
das Halljahr fol euch Heilig feyn. (Dieſes Haljahr alſo feierte ven
abgelaufenen Kreis der fiebenmal fleben Jahre, gleichſam als eine Woche
von fiebenjährigen Zeitkreifen.) Jakob diente dem Laban um feine Tochter
Nahel fieben Jahre (I. 29), und da ihm diefer die Lea heimlich übergiebt,
fo dient er nochmals ſieben Jahre, um Rahel zu erhalten. Als fpäterhin
Jakob von Laban entweicht, jagt ihm verfelbe fieben Tagereifen nach (31),
und als Jakob feinem älteren Bruder Efau naht (33), neigt er fich fleben-
mal vor vdemfelben zur Erde. Auch in Pharao’d Traum (41) berricht
diefe Zahl, denn er träumt von fleben fetten und ſieben mageren Kühen.
Um Jakob dauert die Todtenklage an der Tenne Atad fieben Tage (59).
Als Mofe das Waßer des Nil in Blut verwandelt (I. 7), währte es
fieben Tage lang, daß der Herr den Strom ſchlug, wie der Ausdruck
lautet. Am Paffabfeft müßen die Ifraeliten fleben Tage lang ungefäuertes
Brod epen (I. 15). Von den heiligen Kleivern Aaron's heißt es (II. 29):
Melcher unter feinen Söhnen an feiner Statt Priefler wird, der fol fie
fieben Tage anziehen, daß er gehe in die Hütte des Stifts, zu dienen im
Heiligen. Eben fo heißt es daſelbſt von Aaron's und feiner Söhne Ein-
feßung in das Prieftertfum, daß Gott Mofe befahl: Steben Tage foüft
du ihre Hände füllen. Sieben Tage folft du den Altar verfühnen und
ihn weihen. Der Leuchter ver Stiftshütte hatte fleben Lampen (II. 25).
Die Wöchnerin, welche einen Knaben gebohren, ift fieben Tage lang
unrein (III. 12). Iſt einer des Ausſatzes verpädtig, Heißt ed (MI. 13):
fo fol ihn der Priefter verfchließen fleben Tage, und findet er ihn dann
noch nicht geeignet, um für rein erflärt zu werben, fo verfchließt er ihn
abermals fleben Tage, worauf er entweber für rein, oder unrein erklärt
wird. If aber einer vom Ausſatz gereinigt, fo fo er dennoch fieben
Tage außer feiner Hütte im Lager bleiben, und am flebenten eine Reini⸗
gung vornehmen durch Ubfcheeren ver Haare, Kleiverwaichen und Baden.
Eben fo mußte, wer an einem Fluß litt, fleben Tage nachher, als er
davon frei geworven., feine Kleider waſchen und ſich baden (II. 15), und
Feſte. 17
ebendaſelbſt heißt es, daß ein Weib während der Menſtruation ſieben Tage
für unrein galt. Wer einen Todten anrührt, iſt ſieben Tage lang unrein,
und muß fih am dritten und fliebenten Tage mit Sprengwaßer reinigen.
Eben fo viele Zeit iſt unrein, wer einen Tobten mit feinem Schmwerbte
anrührte, oder ein Menichengebein oder ein Grab (IV. 19). Das Laub⸗
bhüttenfeft im flebenten Monat dauert fleben Tage (23). Am Sabbath
aber, beißt e8 (IV. 28), mußten zweijährige Lämmer mit ihrem Speis⸗
und Tranfopfer, über das täglihe Brandopfer geopfert werben.
Diefe weitgehende SHeiligung ber Zahl fieben liegt audy größeren
Zahlen zu Grunde. Denn da die Zahl zehn eine beſondere Geltung hatte,
wie es ſich ſchon Hinlänglid aus der Anordnung ergiebt, daß der foge-
nannte Zehnte in der Mofaifchen Satzung befohlen war, daß für das
Pafjahfeft dad Lamm am zehnten des Monatd ausgewählt ward, fo war
biefe Zahl flebenmal genommen ebenfalls eine feierliche. Die Trauer und
das Weinen um Jakob dauert flebenzig Tage (I. 50). Als Mofe dem
Herrn Plagte, daß er allein vie Lenfung des Volks zu ſchwer finde
(IV. 11), gebietet ihm ver Herr, flebenzig der WUelteften unter ven Amts
ieuten zu wählen, auf bie er dann vor der Stiftöhütte von dem @eifle
Moſe's Iegt, daß fie mweißagen und Mofe die Laſt des Volkes tragen helfen.
Außer der Heiligung der Mondveränderungen von je fleben Tagen, war
ber Neumond geheiligt und wurde gefeiert. Im vierten Buche Moſe (28)...
heißt es: des erflen Tages euerer Monate folt ihr vem Herrn ein Brand⸗
opfer opfern, zween junge Barren, einen Widder, fleben jährige Lämmer
ohne Wandel. Und je drei Zehnten Semmelmehl zum Speidopfer mit Del
gemenget, zu einem Barren, und zwo Zehnten zu einem Widder, und einen
Zehnten zu einem Lamm, und ihr Trankopfer fol fenn ein halb Hin
Dein. zum Barren, ein Drittheil zu einem Widder, ein Viertheil zu einem
Lamm. Dazu fol man einen Biegenbod zum Sünbopfer dem Herrn
machen. Und fo leſen wir (Samuel I. 20) von David, daß er zu
Jonathan, dem Sohn des Königs Saul fagt: Siehe, morgen iſt ber
Neumond, da ich mit dem König zu Tifch figen follte; fo laß mich, daß
ich mich auf dem Felde verberge bis an ven Abend des dritten Tages.
Am erſten Tage ſprach Saul nichts, als man David bey dem Epek
vermißte, doch des andern Tages des Neumonden, als derſelbe
wiederum nicht bey Tiſch erſchien, fragte er nach ihm. Im zweiten Buche
der Chronik (8) heißt es von Salomo: Von dem an opferte Salomo dem
Herrn Brandopfer auf dem Altare des Herrn, den er gebauet hatte vor
der Halle; ein jegliches auf ſeinen Tag zu opfern, nach dem Gebot Moſe,
auf die Sabbathe, Neumonden und beſtimmte Zeiten des Jahres drei⸗
mal. Jeſaia (1) ſagt, der Herr ſpricht: Der Neumonden und Sabbathe,
da ihr zuſammenkommt, und Mühe und Angſt habt, derer mag ich nicht.
Meine Seele ift feind euren Neumonden und Sahreszeiten. Czechiel (46)
IV. 2
18 Feſte.
meldet uns: das Brandopfer, ſo der Fuͤrſt vor dem Herrn opfern ſoll am
Sabbathtage, fol ſeyn ſechs Laͤmmer, die ohne Wandel feyen, und ein
Widder ohne Wandel. Am Neumonden aber fol er einen jungen
Farren opfern, der ohne Wandel jey, und ſechs Lämmer und einen Widder,
auh ohne Wandel. (So feben wir das Opfer der Neumondfeier etwas
größer als das des Sabbath8.) Hoſea (5. 7) fagt, Ifrael Strafe weißagend: '
Sie verachten den Herrn und zeugen fremde Kinder. Darum wird fie
auch der Neumond freßen mit ihrem Erbthell.
Betradhten wir bie drei Feſte, von denen ed (Mofe 1. 23) Heißt:
Dreimal im Jahre follen erfcheinen vor dem Herrn, dem Herrſcher, alle
deine Mannsbilder; (V. 16) heißt ed: Dreimal des Jahres fol alles, mas
männlich ift unter dir, vor dem Herrn, deinem Gott, erfcheinen, an ber
Stätte, die der Herr erwählen wird: Auf's Feſt der ungefäuerten Brode,
auf's Feſt der Wochen, und auf's Feſt ver Laubhuͤtten. Es fol aber nicht
leer vor dem Herrn erfcheinen, ein jeglicher nach der Babe feiner Hand,
nah dem Segen, den der Kerr, dein Gott, gegeben bat. Daß erfte
biefer Feſte war das Paffahfeft, d. i. Veft des Ausgangs, und ward im
Frühjahr In dem erftlen Monate des Jahres, dem Abib, d. i. Monat des
Grünens oder der Gerftenähren, gefeiert. Der wahre Sinn dieſes Feſtes
war der Uebergang in dad neue Jahr, und man wählte nicht ven Neu-
mond dazu, fondern ven Vollmond zur Beier, ald ob viejes zum Zeitmaaß
dienende Geftirn zu feiner volfommenen Erſcheinung gelangt feyn müße,
um da8 dur den Mond beftimmte neue Jahr in Wahrheit feiern zu
fünnen. *) Ein Lamm warb gegeßen, deßen Blut dienen follte, vie
Menſchen zu fühnen und vor dem Zorne Gotted zu bewahren, und bie
Iſraeliten genoßen ungefäuertes Brod als eine heilige Speife; denn Gott
gebietet (11. 23): Du folft das Blut meines Opfers nicht neben dem
Sauerteig opfern, oder (wie e8 34 heißt) auf dem gefäuerten Brod. Die
Siraeliten feierten aber mit diefem Feſt ihren Auszug aus Xegypten, und
‚10 galt ihnen das Ausgangsfeſt aus dem alten in das neue Jahr als Erinne-
rungsfeft einer gefchichtlichen Begebenheit, und ihr mit dem Fruühling
beginnenved Jahr, womit e8 auch bei andern Völfern begann, fieng ihnen
mit dem Abib an, dem Monat des Grünens, eben megen jener gefchicht-
lihen Begebenheit. Wir Iefen (Mofe I. 12): Der Herr ſprach zu Mofe
und Aaron: Diefer Monat fol bey euch der erfte feyn, und von ihm
font ihr die Monate des Jahre anheben. Am zehnten Tage biefes Monats
nehme ein jeglicher ein Lamm, mo ein Hausvater ift, je ein Lamm zu
*) 68 war alfo flatt eines Neumonpfefles ein Vollmondfeſt. So gab es in
Rom eine Bollmondfeier das ganze Jahr hindurch, nämlich an den Idus,
der Monathälfte, wo dem Supiter, dem Stumelstönig, bem Gotte bes
Lichts, das Idusſchaaf geopfert ward.
Feſte. 19
einem Hauſe. Wo ihrer aber in einem Hauſe zum Lamm zu wenig ſind;
fo nehme er es und fein nächſter Nachbar an feinem Haufe, bis ihrer fo
viel wird, daß fie dad Lamm aufegen mögen. Ihr ſollt aber ein foldhes
Lamm nehmen, daran fein Fehler if, ein Männlein, und eines Jahres
alt; von den Lämmern und Ziegen folt ihr es nehmen. Und follt es
behalten bis auf den vierzehnten Tag des Monats. Und ein jegliches
Häuflein im ganzen Iſrael fol es ſchlachten zwifchen Abends. Und follt
feines Blutö nehmen, und beide Pfoften an ver Thür, und
bie oberfie Schwelle damit Heftreihen, an den Häufern,
barinnen fie es eßen. Und ſollt alfo Fleiſch eßen in verfelben Nacht,
am euer gebraten, und ungefäuertes Brod, und follt es mit bitteren
Saljen (Kräutern) een. Ihr follt es nicht roh eßen, noch mit Waßer
gefotten, fondern am Beuer gebraten, fein Haupt mit feinen
Shenteln und Eingeweide. Und follt nichts davon überlaßen bis
morgen; wo aber etwas überbleiber bis morgen, folt ihr's mit Weuer
verbrennen. Um eure Lenden follt ihr gegürtet feyn, und eure Schube
an eueren Füßen haben, und Stäbe in eueren Händen; und ſollt ed eßen,
ald die Hinmegeilen, denn es iſt des Herrn Pafjah. Denn ih will in
berfelben Nacht durch Aegyptenland gehen, und alle Erfigeburt fchlagen,
beydes unter Menfchen und Vieh. Und das Blut fol euer Zeichen feyn
an den Häufern, darinnen ihr ſeyd, daß, wenn ich dad Blut fehe, ich
vor euch übergehe. Und follt dieſen Tag haben zum Gedächtniß, und ſollt
ihn feiern dem Herrn zum Feſt, ihr und alle eure Nachkommen, zur
ewigen Weife. Sieben Tage folt ihr ungefänerted Brod een. Der erfle
Tad fol heilig feyn, daß ihr zufammen fommet, und ver fiebente fol auch
heilig feyn, daß ihr zufammen kommet. Keine Arbeit ſollt ihr barinnen
tun, ohne was zur Speife gehdret für allerlei Seelen, daſſelbe allein
möget ihr für euch thun.
Das Gebot des Herren lautete alſo dahin, daß das Paſſah mit
ungefänertem Brode gefelert werde; die weitere Erzählung aber ſucht
die Entftehung des Gebrauchs in dem gefchichtlichen Verlauf und macht
in zu einer Grinnerung daran. Es heißt nämlich (I. 12. 37): Alfo
jogen aus die Kinder Ifrael, und fie bufen aus dem rohen Teige, ven
fe aus Aegypten brachten, ungefäuerte Kuchen; denn es war nicht gefäuert,
weil fie aus Egypten gefloßen wurden, und Eonnten nicht verziehen, und
hatten ihnen fonft keine Zehrung zubereitet. Das Wichtigfte des Paſſah⸗
fefle8 war das Blut des Opfers, weldyes die Menfchen, vie in das neue
Jahr eingetreten waren, fchügen follte; welches Gott ald eine Sühne
annehmen follte, damit e8 die Stelle des menfchlichen Lebens vertrete.
Mithin war ed ein hoͤchſt wichtiges Feſt, und dieſe Stellvertretung des
Menjchenlebens durch DOpferblut, um vom Love errettet zu werben, als
Hauptinhalt des Pafjahfeftes, if ver Grund, warum Chrifti flellvertretender,
2*
20 Feſte.
ſuͤhnender Opfertod damit zufammenhängt. Un dem Tage, mo das Pafjah-
lamm gegeben warb, feste Chriſtus feinen Leib und fein Blut als fühnenpe
Stellvertretung für das Menichenleben ein, und da durch die Sünde ber
Tod in die Welt gefommen war, und Chriftus aller Welt Schuld fühnte
und hinunterfuhr in das Reich des Todes und ihn beftegte, fo war fortan
fein ftelivertretendes Opfer mehr nöthig, und in dem heiligen Abendmahl,
welches das wahre Sühnungsfarrament der riftlidden Kirche iſt, genießt
der Ehrift unter der Geſtalt des Brodes den todten blutleeren Leib Chriſti
ftatt des todten blutleeren Leibes des Lammes, deßen Genuß ber alte
Bund vorſchrieb, und unter der Geſtalt des Weines das ſühnende Blut
Chriſti, durch deßen Vergießung die Sühne bewirkt war, ſtatt des Schutzes,
weldhen das Paſſahlamm den Befennern des alten Bundes gewährte. *) .
Bon dem Paſſahlamm durfte fein Fremder eßen (II. 12), wohl aber
ein fremder Knecht, falls er befchnitten war. Doch weiterhin (IV. 9) heißt
e8: Und wenn ein Srembling bey euch wohnet, der fol auch dem Herrn
Paſſah halten, und ſoll's halten nad der Sapung und Recht des Paffab.
Diefe Sagung fol euch gleidy feyn, den Fremden, wie des Landes Ein-
heimischen. Bey der großen Heiligkeit dieſes allgemeinen Feſtes war auch
vorgefehen, wie ed im Balle der Verhinderung des Einzelnen gehalten
werden koͤnne; denn fo lefen wir (Mofe IV. 9): Wenn Jemand unrein
über einem Todten, oder ferne über Feld ift, over unter Freunden, ber
fol dennoch dem Herrn Paflah Halten; aber doch im andern Monat am
vierzehnten Tage zwifchen Abende. Wer aber rein und nicht über Feld
m — — — —
*) Wäre für den wahrhaft gläubigen Katholiken die Unfehlbarkeit des Pabſtes
und der Kirche nicht ein eben fo wunderbares Myfterium, als der ftell:
vertretende Tod Chrifli, fo würde er nicht wohl im Stande feyn, zu
glauben, daß er, ohne das Blut Chrifli unter der Geſtalt des Weines zu
genießen, des Sacraments vollfländig theilhaft werde. Denn ohne jene
Unfehlbarfeit der Kirche würde ihm als Erflärungsgrund nur bie platte
ſcholaſtiſche Suphifterei bleiben, da der Leib aus Fleiſch und Blut beftehe,
fo genieße, wer den Leib erhalte, das Blut mit demfelben. So wenig
folch fcholaftifcher Wib an einem wunderbaren Myfterium geübt werben
darf, fo wenig wäre er auch in diefem Falle anwendbar, weil der Leib
Chrifti an die Stelle des Lammes im alten Bund getreten iſt, weßhalb
Chriſtus auch das Lamm Heißt, das der Welt Sünden trägt. Der Leib
des Lammes aber war des Blutes ganz baar beym heiligen Paſſahmahl,
und das Blut diente abgefondert von ihm zur Sühne. Eben fo wenig
genießt der Chriſt im Heiligen Sacrament den lebendigen Leib Chriſti,
fondern den todten, deßen Blut vergoßen iſt; denn daß Chrifli Leib tobt
und fein Blut vergoßen war, hat die Welt vom Tod erlöft. Doch da bie
fatholifche Kirche unter der Infpiration des heiligen Geiftes fteht, fo hat
fie in ihrer Einrichtung nicht fehlen können, und ba der Priefter das
Blut ChHriftt genießt und zufolge feiner Heiligen Weihe vollgültig von
Sünden freifpricht, fo ift dem Katholifen hinlänglich genügt.
Feſte. 21
iR, und laͤßt anſtehen, das Paſſah zu halten, deß Seele ſoll ausgerottet
werden von ſeinem Volk; darum, daß er ſeine Gabe dem Herrn nicht
gebracht bat zu feiner Zeit. Er ſoll feine Sünde tragen. Uebrigens iſt
noch zu bemerken, daß wenn auch nur ber erfte und flebente Tag ein
Sabbath war, wo die Ifraeliten zufamnen kommen mußten, doch bie
fieben Tage hindurch dem Herrn geopfert werden mußte (III. 23), und
zwar, wie wir (IV. 28) lefen, am erften Tag zween junge Barren, ein
Widder, fieben jährige Kammer, mit ihren Speisopfern von brei Zehnten
Semmelmehl mit Del gemenget zu einem Barren, von zwei Zehnten für
ven Widder, und von einem für je ein Lamm, nebft einem Bod als
Sänvopfer, und zwar am Morgen über das tägliche Branbopfer. Nach
biefer Weile, wird weiter erzählt, folt ihr alle Tage, die fleben Tage
lang, das Brod opfern, zum Opfer des fügen Geruchs dem Herrn, über
bad tägliche Brandopfer, dazu fein Trankopfer. Eben fo heißt es vorher:
Der Herr redete mit Mofe: — Die Dpfer meines Brobes, welches mein
Dpfer des fügen Geruchs ift, ſollt ihr halten zu feinen Zeiten, daß ihr
mir's opfert. Diefes Opfer des Brodes iſt aber das Paſſah⸗Brandopfer.
Da im Monat Abib die Gerftenerndte war (Abib ſoll felbft auch bie
reifende Aehre bezeichnen), fo wäre es möglich, daß fi} auch eine Idee
von Erndtefeſt mit dem Pafſah verfnüpft hätte, wiewohl jede nähere
Andeutung davon fehlt.
Die beiden andern Befte waren Danffefte für die Erndtegaben, von
denen e8 heißt (Mofe I. 34): Das Feſt ver Wochen ſollſt du Halten mit
den Erftlingen ver Weizenerndte; und das Feſt der Einfammlung, wenn
das Jahr um if. Vorher (II. 23) wird das Feſt der Wochen dad Feſt
der erſten Erndte der Früchte genannt, die auf dem Felde gefäet find, und
ebenvafelöft wird befohlen: Das Erflling von der erften Frucht auf beinem
Felde folft din bringen in das Haus des Herrn deines Gottes. An biefe
Sruchterfllinge Enüpft ſich das Feſt ver Wochen, welches Dank» und Sühn«-
fet zugleich war, und davon ven Namen hat, daß es fieben Wochen nach
der Darbringung diejer Erfllinge gefeiert ward. Die Gebräude waren
folgende (MI. 23), von Gott eingefegt mit ven Worten: Wenn ihr in's
Rand Fommt, das ich euch geben werde, und werbet es erndten, fo folt
ifr eine Garbe ver Eıfllinge eurer Erndte zu dem Priefter bringen. Da
fol die Garbe gewebet werden (meihend bewegt werben) vor dem Herrn,
daß es für euch angenehm fey; folches fol aber ver Priefter thun des
andern Tages nach dem Sabbath, nämlich des Pafjahfeftes. Und ſollt des
Tages, da eure Barbe gewebet wird, ein Brandopfer dem Kern thun von
einem Lamm, dad ohne Wandel und jährig fey, fammt dem Speisopfer,
imo Sehnten Semmelmehl mit Del gemenget, zum Opfer dem Herrn
eines füßen Geruchs; dazu das Tranfopfer ein Viertheil Hin Wein. Und
follt Fein neues Brod, noch Sangen, noch Korn zuvor eßen, bi8 auf den
Tag, da ihr eurem Gott Opfer bringe. Das ſoll ein Recht ſeyn euern
22 Hefte.
Nachkommen in allen euern Wohnungen. Darnach ſollt ihr zählen vom
andern Tage des Sabbaths, da ihr die Webegarbe brachtet, fieben
ganzer Sabbathe, bis an den andern Tag des flebenten Sabbathe, nämlich
fünfzig Tage ſollt ihr zählen, und neues Speidopfer dem Herrn opfern.
Und folt es aus allen euern Wohnungen opfern, nämlich zwei Webe-
brode von zwo Zehnten Semmelmehl, gefäuert und gebaden zu Erfllingen
dem Herrn. Und folt herzubringen, neben eueım Brod, fieben jährige
Lämmer ohne Wandel, und einen jungen Barren und zween Widder.
Das fol des Herrn Brandopfer, Speidopfer und Xranfopfer feyn (das
Tranfopfer ift übergangen): das iſt ein Opfer eines füßen Geruchs dem
Herrn. Dazu ſollt ihr machen einen Ziegenbod zum Sünbopfer, und
zwei jährige Lämmer zum Danfopfer. Und der Prieſter foll es weben
fammt dem Brod der Erfilinge vor dem Herrn, und ben zweien Lämmern,
und fol dem Herrn heilig und des Priefters feyn. Und follt dieſen Tag
ausrufen, denn er fol unter euch heilig feyn, da Ihr zufammen Eommet,
feine Dienftarbeit follet ihr thun. Da die Erndte des Getraided in den
erften Monat, ven Abib, flel, ver obngefähr unferm April entjpricht, fo
warb von dem Pafſſahſabbath an gerechnet, und es follten fieben Sabbathe
herum feyn, wegen der Heiligkeit ver Zahl fieben, fo daß der fünfzigfte
Tag das Feſt ver Wochen war. Es entſprach aljo ver Zeit nach dem
chriſtlichen Feſt der Pfingften, das aber außer ver Zeit nichts mit dem
Beft des alten Bundes gemein, hat.
Im Herbſte fand das dritte allgemeine Feſt flatt als Beier der Ein⸗
fammlung, wann die Erndte ganz vollendet war, und es hieß das Laub⸗
hüttenfeſt. Wir leſen (Mofe III. 23): Am fünfzehnten Tage des flebenten
Monats ift das Feſt der Laubhütten fieben Tage dem Herrn. Der erfte
Tag fol heilig beißen, daß ihr zufammen fommet; feine Dienftarbeit follt
ihr thun. Und ber Tag der Erfilinge, heißt es (IV. 28), menn ihr opfert
dad neue Speidopfer dem Herrn, wenn eure Wochen um find, ſoll Heilig
beißen u. f. w. Sieben Tage follt ihr dem Herrn opfern; der achte Tag
fol auch heilig heißen, daß ihe zufammen fommet, und follt euer Opfer
dem Herrn thun; denn es ift der Verfammlungdtag, feine Dienftarbeit
folt ihr thun. So folt ihr nun am fünfzehnten Tage des flebenten
Monats, wenn ihr das Einfommen vom Lande eingebracht habt, dad Feſt
bes Seren halten fieben Tage lang. Und folt am erſten Tage Früchte
nehmen von fhönen Bäumen, Palmzmeige, und Mayen von bidten
Bäumen und Bachweiden, und fleben Tage fröhlich feyn vor dem Herrn,
euerm Gott. Sieben Tage jollt ihr in Laubhütten wohnen; wer ein-
heimisch ift in Ifrael, ver fol in Kaubhütten wohnen. Daß eure Nach⸗
kommen wißen, wie ich vie Kinder Iſrael habe laßen in Hütten wohnen,
da ich fie aus Aegyptenland führete.e So knüpfte man alfo auch biefes
Beft gleih dem Pafjahfeft an den Auszug aus Aegypten und gab ihm
neben ber Bedeutung, bie es als Erndtefeſt hatte, noch eine geſchichtliche
-
Feſte. 23
Beziehung. Die Opferfeier dieſes Beftes aber wird alfo befchriehen
(IV. 29): Und folt dem Herrn Brandopfer thun, zum Opfer des füßen
Geruchs dem Herrn, dreizehn junge Barren, zween Widder, vierzehn jährige
Laäͤmmer ohne Wandel, fammt ihrem Speisopfer, drei Zehnten Semmel⸗
mehl mit Del gemenget, je zu einem ber breizehn Barren, zween Zehnten
je zu einem ber zween Widder, und einen Zehnten je zu einem ber vier-
zehn Lämmer; dazu einen Ziegenbod zum Sündopfer, über das tägliche
Brandopfer, mit feinem Speisopfer und feinem Trankopfer Am andern
Tage zwölf junge Barren, zmeen Widder, vierzehn jährige Lämmer ohne
Wandel, mit ihrem Speisopfer und Tranfopfer zu den Barren, zu ben
Widdern und zu den Lämmern, in ihrer Zahl, nad ihrem Recht; dazu
einen Ziegenbod zum Sündopfer, über das tägliche Branvopfer mit feinem
Speiäopfer und mit feinem Tranfopfer. Am dritten Tage eilf Barren,
jmeen Widder, vierzehn jährige Lämmer ohne Wandel mit ihren Speis-
opfern und Tranfopfern. Und fo warb das Opfer fortgefegt, indem täglich
bie Zahl der Barren um einen abnahm, fo daß am flebenten Tage fleben
Sarren, wegen ber Heiligkeit viefer Zahl, geopfert wurden; das andere
Opfer aber blieb fich gleich, denn da das gewöhnliche Opfer zu den Barren
in einem Widder und fleben jührigen Lämmern befland, fo verboppelte
man biefe Zahl für diefes Feſt, und begann es mit dreizehn Barren, um
am flebenten Tage die heilige Zahl fieben zu haben, bey einer täglichen
Verminderung um einen. Am achten Tage aber war ein Sabbath, an
weldem ein Barr, ein Widder und fieben jährige Lämmer zum Brand⸗
opfer geopfert wurden mit ihren Speis- und Tranfopfern, nebft einem
Bock ald Sündopfer.
Wie das Feſt ver Wochen nicht bloß ein Danffefl war, jondern auch
Verſoͤhnung damit verbunden war, fo gieng dem Laubhüttenfeft eine Ver⸗
ſohnung vorher, und zwar fünf Tage vor demſelben, gerade wie das
Vaſſahlamm fünf Tage, bevor ed geſchlachtet ward, ausgewählt wurde.
Als gleichgültig dürfen wir die Wahl ver Zahlen zehen und fünf nicht
betrachten, wenn wir auch den Grund nicht wißen, welcher fie beiligte.
Schon oben fahen wir, wie die Zahl zehen nicht unwichtig fey, und auch
in der Erzählung von der Sünpflut tritt fie hervor. Viermal zehen Tage
und Nächte regnet e8, nach viermal zehen Tagen ſchickt Noah einen Raben
aus der Arche, und da die Flut am flebenzehnten Tage des zmeiten
Monat3 begann und die Erve erft am fieben und zwanzigſten des zweiten
Monats im folgenden Monat endete (denn es iſt ganz willführlidh, dieſe
Zahl in die Zahl flebenzehen verändern zu wollen), *) fo Hatte vie Blut
— —
*) Eher wäre ein Grund die Stelle Mofe I. 7. 24. zu ändern, wo es heißt:
Am flebenten des fiebenten Monats ließ ſich der Kaften nieder auf dem
Ararat; und doch möchte es auch hier zu ändern bevenflich feyn; denn
die Zahlen deuten auf eine Zufammenftellung, welche Späteres mit Frü⸗
24 Seite.
ein Jahr und zehen Monate gedauert. Auch die Zahl fünf ergiebt fidh
als eine wichtige. Wollte Jemand ein Thier, das er dem Herrn gelobt
Hatte, das aber unrein geworden war und darum nicht geopfert werben
fonnte, Iöfen, nachdem ed ber Priefter geichägt hatte, fo mußte er ben
fünften Theil des Geldes über die Schägung zahlen (Il. 27). Eben viefes
Verhaͤltniß fand flatt, wenn einer fein dem Seren geheiligtes Haus ober
einen dem Herrn geheiligten Ader Idfen wollte. Die Erfigeburt des
Viehes war ſchon an und für fi dem Herrn geweiht und warb ihm
daher nicht beſonders gelobt; war fie aber unrein, jo mußte man fie loͤſen
und ebenfalls den Bünften über die Schägung geben, und wenn er dieſes
nicht thun wollte, fo ward das Thier verkauft. Selbſt wenn Jemand
feinen Zehnten loͤſen wollte, mußte er den Bünften varüber geben. Wer
fih an etwas vergriff, wad dem Herrn geweiht war, hatte einen Widder,
welcher zwei Sedel werth war, als Schuldopfer zu geben, ven Schaben
gu erfegen und den Bünften darüber zu entrichten (1. 5% Wer etwas
ihm Anyertrautes abläugnete, oder etwad mit Gewalt oder Unrecht an ſich
brachte, over etwas Gefundene mit einem falſchen Eide verläugnete, hatte
einen Widder als Schuldopfer zu geben, die Sache felbft zu erſtatten und
den Bünften darüber zu bezahlen. Die Uegypter, heißt e8 (I. 47), mußten
dem Pharao von dem Getraide, welches fie bauten, den Fünften geben.
Diefes Berföhnungdfeft am zehnten des fiebenten Monats, wo ber
Prieſter das Volk durch ein Sünpopfer von feinen Sünden reinigte, war
ein beſonders wichtiges und heiliges Feſt, und der einzige im alten Bunde
feſtgeſetzte Faſttag. *) Eo heißt (Ill. 16): Am zehnten Tage des fiebenten
herem ohne vollfommenen Ginflang vereint. Nachdem es vierzig Tage
und Nächte geregnet hat, fleht das Waßer Hundert und fünfzig Tage, alfo
fünf Monate, und am flebenzehnten bes flebenten Monats kommt fchen
die Arche auf den aus dem Waßer bereits hervorragenden Ararat. Am
erſten Tage des zehnten Monats fahen die Spiken anderer Berge aus dem
Maßer, und am erften Tage des erſten Monats fah Noah, daB ber Erd⸗
boden troden war, und unmittelbar weiter heißt es (Mofe L 6. V. 14):
Alfo ward die Erde ganz troden, am fleben und zwanzigflen Tage bes
andern Monats. Diefe Zahlen entfprechen einander Feineswegs, fondern
es fcheint eine Zählung der Sündflutzeit mit dem erflen Tage bes erften
Monats begonnen und mit Ablauf des Sahres ihr Ende angenommen zu
haben, wpgegen eine andere von einer andern Zählung ausgieng, bie
dann beyde in der Darftellung, welche wir jeßt haben, zufammenfloßen.
“) Wenn ein Befenner bes neuen Bundes faften wollte, um Bott damit wegen
feiner Sünden zu verfühnen, oder glauben wollte, das Faſten Fönnte zu
feiner Seeligfeit irgend etwas, und wäre ed auch noch fo wenig, bey:
tragen, fo würde er am Blauben des neuen Bundes zweifeln, da Chriſti
ſtellvertretendes Blut die Sünde ber Menſchen gefühnt bat, infoweit burch
fie der Tod in die Welt gefommen ift, fo wie ber Tob durch Chriſti Tod
bezwungen if. Da aber Chriſti verfühnennes, fiellvertretendes Blut nur
Feſte. 25
Monats ſollt ihr euern Leib cafleyen und fein Werk thun, er fey einhei⸗
milch oder fremd. Denn an biefem Tage geſchiehet eure Verföühnung, daß
ihr gereiniget werdet; von allen euern Sünden mwerbet Ihr gereiniget vor
vem Herrn. Darum fol es euch der größte Sabbath feyn, und Ihr
folt euern Leib demuͤthigen. Dann wird, wo dieſes Tages weiterhin
gedacht wird (IV. 29), genau dad Opfer angegeben, welches am Sabbath
bed Blaſend bargebradht warb, und deßen Beichreibung zunächſt folgt,
welche nicht ganz mit der III. 16. übereinftimmt, venn hier werben bie
fieben Laͤmmer nicht angegeben, jedoch die widhtigen Gebräuche aufgezählt,
welche recht deutlich zeigen, wie auf das Opfertbier, als ven Stellvertreter,
die Schuld des Menſchen geladen ward. Wir lefen nämlich vafelbft: Und
der Herr redete mit Mofe: Sage deinem Bruder Aaron, daß er nicht
allerlei Zeit in das inwendige Heiligthum gehe Hinter nen Vorhang vor
ven Gnabenfluhl, der auf der Lade ift, daß er nicht flerbe; denn ich wi
in einer Wolfe ericheinen auf dem Gnadenſtuhl. Sondern damit fol er
bineingehen, mit einem jungen Barren zum Sünvopfer, und mit einem
Widder zum Brandopfer. Und foll den heiligen leinenen Mod anlegen,
und leinen Niederwand an feinem Fleiſch haben, und fi mit einem
leinenen Gürtel gürten, und den leinenen Hut aufhaben, denn das find
bie Heiligen Kleiver, und fol fein Fleiſch mit Waßer baden und fie
anlegen. Und fol von der Gemeine der Kinder Ifrael zween Ziegenböre
nebmen zum Sünbopfer, und einen Widder zum Branvopfer. Und Aaron
fol den Barren, fein Sünvopfer, herzubringen, und fi und fein Haus
verſöhnen; und darnach die zween Börde nehmen, und vor den Herrn
Rellen, vor der Thür der Hütte des Stift. Und fol das Loos werfen
über die zween Böde; ein Loos dem Herrn, und das andere dem ledigen
Bock. Und fol ven Bod, auf welchen des Herrn Loos fällt, opfern zum
Sündopfer. Aber den Bord, auf welchen das Loos des Lenigen fällt, fol
er lebendig vor den Seren fielen, daß er ihn verfühne, und laße den
ledigen Bor in die Wüfle. Und alfo fol er den Barren feines Sünd-
opferd berzubringen, und fih und fein Haus verfühnen, und fol ihn
ſchlachten. Und fol einen Napf vol Glut nehmen vom Altar, der vor
bem Herrn flehet, und die Sand voll zerftoßenes Raͤuchwerk, und bineln
binter den Vorhang bringen, und das Raͤuchwerk auf’ Teuer thun vor
vem Herrn, daß der Nebel vom Raͤuchwerk den Gnadenſtuhl bevede, ber
auf dem Zeugniß if, daß er nicht flerbe. Und fol des Bluis vom Barren
nehmen, und mit feinem Finger gegen ben Önabenftuhl fprengen vorne an;
die fündhafte Natur des Menfchen von dem Tode zum ewigen Leben erlöft
hat, der Menfch aber für alle Sünden, bie er begeht, verantwortlich
bleibt, und fle nur durch wahre Neue verführen kann, fo kann für bie
Bekenner des neuen Bundes, wenn fie wahrhaft glänbig find, das Faſten
nur als eine thätige Reue für wirklich begangene Sünden gelten.
26 Feſte.
fiebenmal fol er alſo vor dem Gnadenſtuhl mit feinem Finger vom
Blut fprengen. Darnach fol er den Bad, des Volkes Sünbopfer, ſchlach⸗
ten, und feines Blutes hinein bringen hinter den Vorhang, und fol mit
feinem Blut thun, wie er mit bes Barren Blut gethan hat, und damit
auch fprengen vorne gegen den Gnabenftufl; und fol alfo verfdhnen das
Heiligtum von der Unreinigfeit der Kinder Ifrael, und von ihrer Ueber⸗
tretung in allen ihren Sünven. Alſo fol er thun der Hütte des Stifte;
denn fie find unrein, die umher liegen. Kein Menſch fol in ver Hütte
des Stifts feyn, wenn er bineingebet zu verfühnen im Heiligthum, bis
er herausgehe; und fol alfo verfühnen fih und fein Haus und bie
ganze Gemeine Iſrael. Und wenn er berausgehet zum Altare, ber vor
dem Herrn ftebet, fo er ihn verfühnen, und fol des Blutes vom Barren,
und des Blutes vom Bord nehmen, und auf. des Altare8 Hörner umher
thun. Und fol mit feinem Singer vom Blute darauf ſprengen fiebenmal,
und ihn reinigen und Heiligen von der Unreinigfeit der Kinder Ifrael.
Und menn er vollbradht bat das Verſoͤhnen des Heiligthums, und ber
Hütte des Stifts und des Altard; fo foll er ven lebendigen Bod
berzubringen. Da foll denn Aaron feine beyden Hände
auf fein Haupt legen, und befennen auf ihn alle Miße—
that der Kinder Iſrael, und alle ihre Mebertretung in
allen ihren Sünden; und Soll fie dem Boyd aufdas Haupt
legen, und ihn dur einen Mann, der vorhanden ift, in
die Wüfte laufen laßen. Daß alfo ver Bod alle ihre Miße—
that auf ihm in eine Wildniß trage, und laße ihn in die
MWüfte. Und Naron fol in vie Hütte ded Stift gehen, und außziehen
bie leinenen Kleider, die er anzog, da er in dad Heiligthum gieng, und
ſoll fie daſelbſt Tagen. Und fol fein Sleifh mit Waßer baden: an heiliger
Stätte, und feine eigenen Kleiver anthun, und herausgeben, und fein
Branbopfer, und des Volkes Branvopfer machen, und beydes, fi) und das
Volk, verfühnen, und das Bett vom Sündopfer auf dem Altar anzünden.
. Der aber den lebigen Bod hat audgeführet, fol feine Kleider wafchen,
und fein Bleifh mit Waßer baden, und darnach ind Lager fommen. Den
Barren des Sündopferd und den Bod des Sündopfers, welcher Blut in
da8 Heiligthum zu verfühnen gebracht wird, fol man binausführen vor
dad Lager, und mit Feuer verbrennen, beydes, ihre Haut, Fleiſch und
Mifl. Und der fie verbrennet, fol feine Kleiver waſchen, und fein Fleiſch
mit Waßer baden, und darnach ind Lager kommen.
Auch der erfle Tag des flebenten Monats, in welchem das Volk,
bevor es für die Erndte den Herrn, den Verleiher dieſes Segens, feierte,
verföhnt ward, gehörte unter die heiligen Feſte. Wir lefen (III. 23): Am
erften Tage des flebenten Monats ſollt ihr den heiligen Sabbath
des Blafens zum Geväcdhtniß Halten, da ihr zufammen kommet; da follt
ihr Leine Dienfibarfeit thun und ſollt dem Herrn opfern. Zu welchem
Feſte. 27
Gedaͤchtniß dieſer Tag gefeiert ward, wißen wir nicht; denn wo er weiter⸗
hin erwaͤhnt wird (IV. 29), heißt es bloß: Dieſer Tag ſoll bey euch heilig
heißen, es iſt euer Trompetentag. Das an demſelben ſtattfindende Opfer
wird an dieſer Stelle alſo beſchrieben: Und ſollt Brandopfer thun zum
füpen Geruch dem Herrn, einen jungen Barren, einen Widder, fieben
jährige Lämmer ohne Wandel. Dazu ihr Speisopfer, drei Zehnten
Semmelmehl mit Del gemenget zu dem Barren, zwo Zehnten zu vem
Widder, und einen Zehnten auf ein jegliches Kamm ver fleben Lämmer;
auch ‚einen Ziegenbod zum Sündopfer euch zu verfühnen; über das Brands
opfer des Monats und fein Speidopfer, und über das tägliche Branpopfer
mit feinem Speisopfer, und mit ihrein Trankopfer, nach ihrem Recht zum
fügen Geruch. Das iſt ein Opfer dem Herrn. Außer jenem Fafltag
ſetzte das Mofaifhe Gebot Feinen feft, doch kam ed vor, daß man bei
Gelegenheit Bott durch Faſten mwohlgefällig zu feyn vermeinte. So heißt
es im erſten Buche Samuelis (7. V. 6), daß Samuel die Kinder Ifrael
von dem Heidenthum abgebracht, und zu ihnen gefagt: DVerfammelt das
ganze Iſrael gen Mizpa, daß ih für euch bitte zum Herrn. Und fie famen
wufammen gen Mispa, und fchöpften Waßer und goßen ed aus vor dem
Heren (nämlich zur Reinigung), und fafteten venfelben Tag, und ſprachen
daſelbſt: Wir Haben dem Herrn gefündiget. Alfo richtete Samuel die
Kinder Ifrael zu Miıpa. Jeremia fagt (36. V. 9): Es begab fi im
fünften Jahre Iojafim’s, des Königs von Juda, im neunten Monat, daß
man ein Baften verfündigte vor dem Herrn allem Volk zu Ierufalem, und
allem Volk, dad aus den Städten Juda gen Ierufalem fommt.- Auch leſen
wir im erſten Buche der Chronik (11. V. 12), daß die Kinder Ifrael
fieben Tage fafteten, als fie Saul’ und feiner Söhne Leichname aus der
Gewalt ver Philifter geholt und unter der Eiche zu Jabes begraben Hatten.
Bei dem Propheten Ioel (1. V. 13) Heißt es: Beguͤrtet euch und Elaget,
ihr Priefter, heulet, ihr Diener des Altares, gehet hinein und lieget in
Siden, ihr Diener meines Gottes; denn es ift beyves, Speidopfer und
Zrankopfer, vom Haufe eures Gottes weg. Heiliget ein Baften, rufet bie
Gemeine zufammen, verfammelt die Aelteſten und ale Einwohner bed
Landes zum Kaufe des Herrn, und fihreiet zu ihm. Und (2.15): Blafet
mit Pofaunen zu Zion, heiliget ein Faſten, rufet die Gemeine zufammen.
Nach vem Exil aber hielten die Juden mehrere Bafttage, welche beſtimmt
waren und jährlich wiederkehrten. Sacharja jagt (7. B.5): Und des
Heren Zebaoth Wort gefchah zu mir: Sage allem Volk und den Prieftern:
Da ihr faftetet und Leid truget im fünften und flebenten Monat dieſe
flebenzig Jahre lang, habt ihr mir gefaflet? und (8. V. 19): So ſpricht
ver Herr Zebaoth: Die Zaflen ded,vierten, fünften, fiebenten und zehnten
Monats follen dem Haufe Juda zur Freude und Wonne und zu fröhlichen
Jahresfeſten werben; allein liebet Wahrheit und Frieden.
Dpfer und Eult.
»
Das Opfer war, wie bey andern Völkern, fo auch bey den Semiten .
ein fehr bedeutender Theil ihrer Götterverehrung, und blieb es auch bey
den Sfraeliten für ihre Verehrung des alleinigen Gotted. Unter ven Opfern
aber nahm das Darbringen des thlerifchen Lebens eine Höcdhft wichtige
Stelle ein, und ed gehörte dazu aud das Menſchenopfer. Was von ber
Natur aus dem Menfchen Burchtbares und Verderbliches widerfuhr, Seuchen,
verfengende Glut, die Mißwachs und Hunger mit fi brachte, und was
fonft allem Leben Untergang Drohendes über ihn kam, fchrieb er gött«
lihem Zorn über Sünden zu, weldye die Gottheit mit Tod und Untergang
ftrafen wolle, und hoffte durch Darbringung eines einzelnen Menſchenlebens
Verfühnung zu bewirken, und die übrigen von dem Verderben zu befreien.
Diefem Brauche aber warb bey den Völkern vielfältig dad XThieropfer
untergefchoben, fo daß man meinte, mit des Thieres Leben das menſch⸗
liche Leben Töfen zu Fönnen. So war denn Blut das von Sünden Löfende
und Neinigende, weil man ed als den Sig und Duell des Lebens betrach⸗
tete. Denn fo beißt e8 bey Mofe (IM. 17. V. 11): Des Leibes Leben ift
im Blut, *) und ich babe ed euch zum Altar gegeben, daß eure Seelen
damit verföhnet werden. Denn das Blut ift die Verföhnung für.
das Leben. Darum durfte der Ifraelite durchaus fein Blut eßen.
(Moſe II. 3. B.17.) Das Blut, beißt ed (V. 12. V. 23), iſt wie Seele,
darum folft du die Seele nicht mit dem Fleiſch eßen, und ebendaſelbſt
(B. 27) leſen wir die Worte: Das Blut deines Opfers folft du gießen auf
den Altar des Herrn, deines Gottes, und das Fleiſch eßen. **) Und
*) Diefelbe Anficht galt bei den Griechen. So fehen wir in ber Opnffee.
”*) Wie beflimmt auch immerhin die genaue Beobachtung des Gottesvienftes in
den Geboten des Mofaismus anbefohlen war, fo nehmen wir doch wahr,
daß in einer Zeit, welche noch Lebenpigkeit des Glaubens zuließ, ein
unbefangenes Denken über den Unwerth bloßer Werkheiligfeit und eine
richtige Würdigung des Glaubens, als eines Gehorſams gegen Guttes
Gebote und! eines diefem gemäßen Lebenswandels flattfand. In den
Pfalmen Iefen wir (40. B. 7): Herr, groß find deine Wunder. Opfer
und Speisopfer gefallen dir nicht; aber die Ohren Haft du mir aufgethan.
Du willſt weder Brandopfer noch Sündopfer. Deinen Willen thue ich
gern, und bein Geſetz Habe ich in meinem Herzen. (50. V.7): Ich, Gott,
bin dein Gott. Deines Opfers halber ftrafe ich dich nicht; find doch beine
Brandopfer fonft immer vor mir. Meineft du, daß ich Ochfenfleifch eßen
wolle, oder Bodsblut trinken? Opfere Gott Danf, und bezahle dem
Höchften deine Gelübbe. Und rufe mich an in der Noth: fo will ich dich
Opfer und Eult. 29
(1. 9. 4): Eßet das Fleiſch nicht, das noch lebet in feinem Blut; fo daß
man bei dem geſchlachteten Thiere jo lange ein Leben darin gelten ließ,
wie lange Blut darin war.
Die Altefte Spur ver Menfchenopfer im alten Teſtament ift in ber
Geſchichte Abraham's enthalten (Mofe I. 22), ald der Herr zu Abraham
ſprach: Nimm Ifaaf, deinen Sohn, den du lieb Haft, und gehe in das
Land Morija, und opfere ihn daſelbſt zum Brandopfer, auf einem Berge,
den ih dir fagen werde. Abraham machte fi} auf, baute einen Altar,
legte daB Holz darauf, band feinen Sohn Iſaak, legte ihn auf ven Altar
oben auf dad Holz, und redte feine Hand aus, und faßete das Meßer,
bag er feinen Sohn ſchlachtete. Da rief ibm der Engel des Herrn vom
Himmel, und ſprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.
Er ſprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und thue ihm nichts.
erreiten, fo follft du mich preifen. Wer Danf opfert, der preifet mich;
und das iſt der Weg, daß ich ihm zeige das Heil Gottes. (51. V. 18):
Du Haft nicht Luft zum Opfer, ich wollte dir's fonft wohl geben, und
Brandopfer gefallen dir nicht. Die Opfer, die Gott gefallen, find ein
geängſteter Geiſt; ein geängftetes und zerfchlagenes Herz wirft du, Gott,
nicht verachten. (69. B.31): Ich will den Namen Gottes loben mit
eiuem Liede, und will ihn hochehren mit Dank. Das wird dem Herrn
beßer gefallen, denn ein Farr, der Hörner und Klauen Bat. In den
Sprüden Salomo's (21) Heißt es: Wohl und recht thun ift dem Herrn
lieber, denn Opfer. Der Gottlofen Opfer ift ein Gräuel, denn fle werden
in Sünden geopfert; und Sirach fagt (35. B. 3): Wer Gott danft, das
ik das rechte Semmelopfer. Merkwürdig lauten die Worte Jeſaia's
(66. 2): Meine Hand Hat Alles gemacht, was da ift, fpricht ber Herr,
Ich fehe aber an den Elenden, und der zerbrochenen Geiſtes ift, und ber
fih fürchtet vor meinem Wort. Denn wer einen Ochfen fchlachtet, ift
eben als der einen Mann erfchlüge. Wer ein Schaaf opfert, iſt als der
einem Hund den Hals bräce. Wer Speisopfer bringt, ift ale der Sans
blut opfert. Wer des Weihranchs gedenket, ift ale der das Unrecht lobt.
Faſt noch merfwürdiger lauten die Worte Ieremia’s (7. B. 21): So
fpricht der Herr Zebaoth, der Gott Iſraels: Thut eure Brandopfer und
andere Opfer zu Haus, und freßet Fleiſch. Denn ich habe euren Vätern
des Tages, da ich fie aus Egyptenland führte, weder gefagt noch geboten
von Brandopfern und anderen Opfern; fondern dies gebot ich ihnen, und
ſprach: Gehorchet meinem Wort, fo will ich euer Bott feyn, und ihr follt
mein Volk feyn; und wandelt auf allen Wegen, bie ich euch gebiete, anf
daß es euch wohl gehe. Im erften Buche Samuel’s (15. 22) wird fehr
ſchoͤn und fromm gejagt: Meine du, baß der Herr mehr Luft habe am
Opfer und Brandopfer, ale am Gehorfam der Stimme des Herrn? Siehe,
Gehorfam ift beßer, denn Opfer, und Aufmerfen beßer, denn das Fett
von Widdern; denn Ungehorfam iſt eine Zaubereifünde, und Wiberftreben
iſt Abgötterei und Goͤtzendienſt. Weil du nun des Herrn Wort verworfen
Haft, Hat er dich auch verworfen.
30 Opfer und Eult.
Denn nun weiß ich, daß du Gott fürdhteft, und haft deines einigen Sohnes
nicht verfchonet um meinetwillen. Da bob Abraham feine Augen auf,
und ſah einen Widder hinter ihm in der Hede mit feinen Hörnern bangen;
und gieng bin und nahm ben Widder, und opferte ihn zum Branbopfer
an feine® Sohnes Statt. Hier haben wir neben der unverfennbaren Spur
der Menfchenopfer die Erſetzung derſelben durch das Thieropfer.
Ein wirklich vollbrachtes Menfchenopfer, welches bey den Ifraeliten
zur Zeit der Richter dem Jehovah dargebracht wurbe, bietet und bie
Gefchichte des Richters Jephthah dar. Die Ammoniter führten Krieg wider
die Iſraeliten (Richter 11). Da kam der Geift des Herrn auf Jephthah
und zog auf die Kinder Ammon, und er gelobte dem Herrn ein Gelübde,
und ſprach: Giebſt du die Kinder Ammon in meine Hand; was zu meiner
Hausthür heraus mir entgegen gehet, wenn ih mit Brieden wieder komme
von den Kindern Ammon, dad fol des Herrn fein, und will's zum Brand⸗
opfer opfern. (Darin If ein Menfchenopfer deutlich genug gelobt.) Er
flegte, und da er kam zu feinem Haufe, ſiehe, da gehet feine Tochter
beraus, ihm entgegen mit Paufen und Reigen; und fie war ein einiges
Kind, und er hatte fonft Feinen Sohn noch Tochter. Und da er ſie fah,
zerriß er feine Kleider, und ſprach: Ach, meine Tochter, wie beugeft bu
mid, und betrübeft mich! denn ich habe meinen Mund aufgethan gegen
den Herrn, und fann e8 nicht widerrufen. Sie aber ſprach: Mein Vater,
haft du deinen Mund aufgethan gegen den Herrn, fo thue mir, wie e8
aus deinem Munde gegangen iſt; nachdem der Herr dich gerochen hat an
einen Beinden, ven Kindern Ammon. Und fie ſprach zu ihrem Dater:
Du wollteſt mir das thun, daß du mich laßeſt zween Monate, daß ich von
binnen hinabgehe auf die Berge, und meine Jungfrauſchaft bemweine mit
meinen Gefpielen. Cr ſprach: Gehe hin; und ließ file zween Monate
geben. Da gieng fie bin, und beweinete ihre Jungfraufchaft auf den
Bergen. Und nach zween Monaten kam fie wieder zu ihrem Bater. Und
er that ihr, wie er gelobet hatte; und fie war nie feines Mannes ſchuldig
geworden. Und ward eine Gewohnheit in Ifrael, daß die Töchter Ifraels
jährlich hingehen, zu Flagen die Tochter Jephthah, des Jahrs vier Tage.
(Hätten wir die Worte der Klage, jo würben uns biefe einen wünfdhens-
wertben Aufſchluß über viefen merkwürdigen Brauch geben; aber nirgends
werden fie erwähnt, und wir erfahren eben jo wenig, wann dieſer Braud)
erloſchen iſt, und vermögen auch nicht den Grund, weßhalb dieſe Klage
vier Tage währte, zu erratben.)
Sp oft die Ifraeliten das Heidenthum annahmen, und es geſchah
dieſes oft, nahmen fie auch Theil an ven Menfchenopfern, over wenigftens
an einem Bilde verfelben, welches an vie Stelle der wirklichen getreten
war. Die beinnifchen Semiten in Canaan, unter welchen die Siraeliten
wohnten, und ihre Nachbarn brachten dem Moloch Menſchen als Brand⸗
Dpfer und Eult. 3
opfer dar, und im Thale des Sohnes Hinnom bey Ierufalem, wo vie
Stämme Juda und Benjamin zufammengrängten, wurben viefe heidniſchen
Opfer von den Ifraeliten begangen. Schon im dritten Buche Moſe
(18. V. 21) wird den Jfraeliten geboten: Du ſollſt deines Samens nicht
geben, daß ed dem Moledy verbrannt werde, daß du nicht entheiligeft ven
Namen deines Gotted. Ebendaſelbſt (20. V. 2) Heißt es: Welcher unter
ben Kindern Ifrael, oder ein Brempling, ver in Iſrael wohnt, feines
Samend dem Molech giebt, der fol des Todes flerben, das Volk im
Lande fol ihn fleinigen; und (V. 12. V. 31): Du folft nicht wie die
Heiden an dem Herrn thun; denn fie haben ihren Göttern gethan alle,
was dem Herrn ein Gräuel iſt, und das er haßet; denn fie haben auch
ihre Söhne und Töchter mit Teuer verbrannt ihren Göttern. Don dem
Könige Salomo meldet das erfle Buch der Könige (11. 7), er babe eine
Höhe gebaut vem Mole, dieſe aber Eonnte ohne jene Opfer nicht feyn.
Vom Könige Ahas erzählt dad zweite Buch der Könige (16. 3): er ließ
feinen Sohn durch dad Feuer gehen, nad) den Gräueln der Heiden, die
ver Herr vor den Kindern Iſrael vertrieben hatte. Ebendaſelbſt (17. V. 17)
heißt e8 von den Siraeliten: fie ließen ihre Söhne und Töchter durchs
Feuer gehen und giengen mit Weißagen und Zaubern um. König Iofla
(23. 10) verunreinigte aber dad Tophetb im Thale der Kinder Hinnom,
daß Niemand feinen Sohn over feine Tochter dem Molech durch Weuer
geben ließe. Von Hiskia's Sohn, dem Könige Manafle, aber meldet die
Chronik (LI. 23), daß er feine Söhne durchs Feuer gehen ließ im Thale
des Sohnes Hinnom. Der Prophet Ieremia fagt (7. B.31), die Kinder
Iſraels hätten Altäre Topheth's im Thale Ben Hinnom, daß fle ihre Söhne
und Töchter verbrennten. Und meiter (19. V. 4. 5) fagt er, fle hätten
dad Thal Hinnom vol unſchuldigen Blutes gemacht, und dem Baal Höhen
gebaut, ihre Kinder zu verbrennen, dem Baal zu Brandopfern; und eben-
daſelbſt Heißt es, fie Hätten Höhen des Baal gebaut im Thale Ben Hinnom,
und ihre Söhne und Töchter dem Molech verbrannt. Auch der Prophet
Ezechiel Ipricht von ven Sfraeliten (16. 20): Daß du nahmeft deine Söhne
und Töchter, die du mir (Gott) gezeuget batteft, und opferteft fie den-
felben (ven Goͤtzen) zu freßen. Daß du mir meine Kinder fchlacdhteteft,
und Täßeft fie venfelben verbrennen. Werner (20. V. 26) fagt Gott: I
verwarf die Kinder Ifrael mit ihrem Opfer, da Ste alle Erfigeburt
durch's Feuer verbrannten. — (2.36): Weil du denn vergiepeft
das Blut deiner Kinder, welche du ihnen opferft. In dem Buche von der
Weisheit Salomo’8 (12. 3 flgg.) wird von Gott gejagt: Denn da du feind
wareft den vorigen Einwohnern deines heiligen Landes, darum, daß fle
feindfelige Werke begiengen mit Zaubern, und wollteſt durch unjerer Väter
Sände vertilgen vie ungdttlihen Opferer und unbarmberzigen Moͤrder
ihrer Söhne, die da Menfchenfleifh fragen und ‚gräuliches Blut offen,
32 Dpfer und Cult.
damit fie dir Gottesdienſt erzeigen wollten; und bie, fo Eltern waren,
erwürgeten die Seelen, fo feine Hülfe hatten. Eben fo (14. 23) beißt es
von der Ausartung der Erkenntniß Gottes: Denn entweder fie würgen ihre
Kinder zum Opfer, oder pflegen Gottesvienft, ver nicht zu fagen ifl, ober
halten wüthige Freßerei nach ungewöhnlicher Weile. In ven Pfalmen
wird ebenfalls davon Erwähnung getban (106. V. 37): Und ſie opferten
ihre Söhne und Töchter den Teufeln und vergoßen unſchuldiges Blut,
das Blut ihrer Söhne und Töchter, die fie opferten ven Goͤtzen Canaan's.
Während fo oft von dem wirklichen Opfer die Rede ift, enthalten
die Stellen in der Schrift von den Königen ven Ausorud: Tief feine
Söhne und Töchter durch's Feuer geben, und foll man darunter verftehen,
fie feyen mit Feuer verbrannt worden, fo ift der Ausdruck gewißlich etwas
fonderbar, um die ſchreckliche Sache milder varzuftellen, welche ja doch
als eine Sünde jener Könige und ald ein ſchweres Vergehen gegen Gott
gelten folte, wo denn eine Milvderung des Ausorudd eben micht zu
erwarten if. Daß aber die Menfchenopfer abgefchafft geweien wären, fo
dag man den Brauch des Gehens durch Feuer ald ein Bild verjelben an
ihre Stelle gefegt hätte, laßen die Stellen, weldye oben aus den Propheten
u. f. mw. angeführt worben find, nicht zu, und wenn nicht dad Verbrennen
unter jenem Ausdruck zu verftehen ift, fo bleibt nur übrig, ſich das Ver⸗
bältnig fo zu denken, daß jene Opfer zwar fortbeftanden, daß aber zur
Einschränkung dverfelben eine bildliche Ausübung daneben erfunden warb.
Wie es aber auch ſich damit verhalten mag, das alte Teftament bezeugt
hinlaͤnglich das furdhtbare Menfchenopfer. Daß dieſelben beflimmt waren,
im Allgemeinen ohne befondere Veranlaßung dargebracht zu werben, gebt
Ion, abgefeben von der Natur der Sache, daß nämlich der Gottheit
gebührende Opfer ihre beflimmten Zeiten haben müßen, wo fle ohne eine
weitere, durch befondere Umſtaͤnde herbeigeführte Veranlaßung dargebradht
werben, aud den allgemein gehaltenen Ausdrücken hervor, welche e8 ſchlecht⸗
weg ald heidnifchen Brauch angeben, Söhne und Töchter durch's Feuer
gehen zu lagen. Ja alle Erfigeburt der Menfchen hätte ſelbſt nach ber
Moſaiſchen Sagung geopfert werden müßen, da fie dem Herrn gehörte, wäre
bey den Sfraeliten nicht eine Löfung eingetreten. Es heißt (Mofe li. 13):
Heilige mir alle Erfigeburt, die allerlei Mutter bricht, bey den Kindern
Iſrael, beydes unter den Menfchen und dem Vieh; venn fie find mein.
Du ſollſt ausfondern dem Herrn alles, was die Mutter bricht, und bie
Erfigeburt unter vem Vieh, das ein Männlein iſt. Die Erfigeburt vom
Eſel font du Tdfen mit einem Schaaf; wo bu es aber nicht loͤſeſt, fo
brich ihm das Genid. Aber alle Menfhengeburt unter deinen
Kindern follfi du Idfen. (Als Grund diefer Darbringung der Erft-
geburt wird angegeben: denn da Pharao hart war, erſchlug der Herr alle
Erfigeburt in Ggyptenland, von der Menfchen Erfigeburt an, bis an bie
Dpfer und Cult. 33
GErfigeburt des Viehes.) Shen fo heißt ed (34. V. 20) weiter: Alle Erft-
geburt deiner Söhne font du loͤſen. Als Zeit der Opferung der Erft«
geburt finden wir den achten Tag angegeben (22. B. 30): Deinen erften
Sohn fol du mir geben. So ſollſt vu auch thun mit deinem Ochſen
und Schaf. Sieben Tage laß ed bey feiner Mutter feyn,
am achten Tage follfi du mir’! geben. Ueber die Löfung wird
und berichtet (Moe IV. 18): Alles, das feine Mutter bricht unter allem
Sleifh, das fie dem Herrn bringen, ed ſey ein Menſch oder Vieh, fol
bein feyn; doch daß du die erfte Menſchenfrucht löfen laßeſt, und die erfle
Frucht eined unreinen Viehes auch loͤſen laßeſt. Sie ſollen's aber loͤſen,
wenn's einen Monat alt iſt; und ſollſt ed zu loͤſen geben um Geld, um
fünf Sedel, nad dem Sedel des Heiligthumd, der gilt zwanzig Gera.
Aber die erfte Frucht eines Dchfen, oder Lamms, oder Ziege, folft du
nicht zu löfen geben, denn fie find heilig; ihr Blut folft vu fprengen auf
ven Altar, und ihr Fett foUft du anzünden zum Opfer des fügen Geruch
dem Herrn. (Es läßt fidy nicht mit Gewißheit fagen, wie ſich mit diefen
Ausfprüchen ein anderer Ausfpruch vertrage, der aljo lautet [V. 15. V. 19]:
Du ſollſt nicht adern mit dem Erftling deiner Ochſen, und nicht befcheeren
bie Erfilinge deine Schafe. Bor dem Herrn, deinem Gott, folft du fie
eben jährlih an der Stätte, die der Herr erwählet, du und dein Haus.
Wenn ed aber einen Fehler hat, daß es hinket, oder blind ift, oder fonft
irgend einen böfen Behler hat; fo ſollſt du es nicht opfern dem Herrn,
deinem Gott. Sondern in deinem Thore ſollſt du es eßen, du feyeft
unrein oder rein, wie ein Reh und Hirſch. Allein daß du feines Blutes
nicht eßeft; fondern auf die Erde giepeft wie Waßer. Hier iſt die Rede
von einem Opfer, das nidht am achten Tage, fondern jährlich flattfindet.)
Eine befondere Opferung, durch ein Gelübde veranlaßt, ift die oben
angegebene Darbringung der Tochter Jephthah's, und einen ähnlichen Tall
erwähnt das zweite Buch der Könige (III). Als vie Könige von Juda
und Iſrael nebft vem Könige der Edomiter die Moabiter befämpften, und
ver Moabiter König ſah, daß ihm der Streit zu flarf war, nahm er
fiebenhundert Mann zu fih, die das Schwert auszogen, heraus zu reißen
wider den König Edoms (vie Monbiter waren in ver Stadt belagert);
aber fie konnten nicht. Da nahm er feinen erfien Sohn, der an feiner
Statt follte König werden, und opferte ihn zum Brandopfer auf der
Mauer. *) Da ward Ifrael fehr zornig, daß fie von ihm abzogen, und
fehreten wieder zum Lande. Wir fünnen feinen Zweifel darein fegen, daß
*) Als die fieben Helden Theben belagerten, weißagte Teireſias, die Stabt
werde gerettet, wenn ſich Einer aus dem Gefchledyte der Sparten aufopfere;
da ging Menöfeus, des Kreon Sohn, oben auf die Mauer und toͤdtete fi.
Apollodor (3. 6), Scholien zu Curipides Phöniffen (913).
IV. 3
34 Opfer und Cult.
ſolche Menfchenopfer als Darbringungen zu beflimmten Zeiten fowohl, als
auch bey befonderen Veranlaßungen durch alle Semitifhe Stämme ver-
breitet waren, auch wenn es nicht ausdrücklich von allen Stämmen gemeldet
wird, da died nur ber Dürftigkeit der auf und gelangten Nachrichten über
diefelben zuzufchreiben if. Von den nad Canaan verpflanzten Völkern.
zur Zeit, als die Kinder Ifraeld in die Gefangenſchaft geführt wurden,
meldet und das zweite Buch der Könige (16. V. 31): Die von Sepharvaim
verbrannten ihre Söhne, dem Adramelech und Anamelech, den Göttern
derer von Sepharvalm. Bon den Phönifern meldet Porphyrius in der
Schrift über die Enthaltfamfeit vom Fleiſche: Die Phöniker opferten in
großen Gefahren bes Kriegs, oder der Dürre, oder der Seuchen einen der
Liebften mweihend dem Kronod (d. i. dem Moloch), und die Phönikifche
Geſchichte, melde Sanchuniathon fchrieb und der Byblier Philo in das
Griechiſche überfegte, iſt voll von folden Opfern. Kleitarchos zu Platon’8
Minos (©. 315) fagte, die Phönifer und beſonders die Karthager, bie
den Kronos verehren, geloben, wann fie etwas Bedeutendes wünſchen, dem
Gott eins ihrer Kinder. Die Karthager, Abkoͤmmlinge ver Phöniker in
Tyrus, entjagten den Menfchenopfern nicht bis in die fpätefte Zeit ihres
Staates. Juſtinus in der Gefchichte (18. 6) erzählt: Sie opferten Menjchen
wie O:pfertbiere, und brachten Unmündige (meldyes Alter auch der Feinde
Mitleid erwedt) zu den Altären, den Frieden der Bdtter mit dem Blute
derer erflehend, für deren Leben die Götter zumeift gebeten zu werben
pflegen. Derfelbe erzählt (19. 1), Darius babe, ald er Griechenland
befämpfen wollte, Hülfsvölker von Karthago verlangt, und befohlen, fie
folten fi der Menfchenopfer enthalten, Fein Hundefleifh eßen, und ihre
Todten nicht in der Erde verfcharren, fondern verbrennen. Die Kar⸗
thager hätten ihm zwar feine Hülfe geleiflet, das Uebrige jedoch befolgt.
Diefe Erzählung ift zwar nicht zu glauben, doch zeigt fie den Gebraud)
der Menjchenopfer. Orofius (4. 6), welcher die aus Juflinus vorgebrachte
Angabe volflänvdig vor Augen hatte, nennt die Peft ald einen Grund für
Menfchenopfer, und fagt, daß die Opfer gefund und fehlerlos feyn mußten,
was fi aber bey allen Opfern von ſelbſt verfteht, da der Gottheit ein
franfes und fehlerhafte Opfer darzubringen, ein fchwerer Frevel gewefen
wäre. Zu diefen Menfchenopfern follen die Karthager Kinder heimlich
gekauft und ernährt haben, fagt Diodor, der Sicilier (20. 14), indem er
erzählt, als Agathofles Karthago belagerte, glaubten die Karthager, Kronod
zürne ihnen, weil fie, die vormals ihre vorzüglichften Kinder viefem Gott
opferten, heimlich gefaufte und aufgezogene bargebradyt hätten, und bey
veranftalteter Unterſuchung habe man foldye unterfchobene Opfer entvedt.
(Plutarch in der Schrift über den Aberglauben [20] bemerkt, daß bie
Karthager Kinder zum Opfern fauften, wie Laͤmmer oder junge Vögel.)
Um diefen Behler gut zu machen, erzählt Diodor weiter, hätten fie jetzt
Dpfer und Eult. 35
zweihundert ber angelehenften Knaben ausgewählt und Öffentlich geopfert
Andere, die man beſchuldigte, gaben ſich freiwillig zum Opfer bin, und
zwar nicht weniger al8 dreihundert. *) Lactantius (1. 21) erwähnt dieſes
Opfers der zweihundert Knaben aus ven Geſchichten des Pescennius Feſtus,
fo daß wir um fo weniger an der Erzählung des Diovor, als einer ver-
breiteten, zweifeln dürfen. Derfelbe (13. 86) erzählt und ein zweites
Beyfpiel: Hamilkar und Hannibal, die Feldherren ver Kartbager in Sicilien,
belagerten Agrigent, und um die Stadt enger einzufchließen, befahlen fte
ben Soldaten, die Grabmäler wegzufchaffen, und die Erdaufmürfe bis zu
ven Mauern felbft zu errichten. Wegen ver großen Menge der Hände,
war das Werk bald vollbracht; aber eine große Gewißensfurcht befiel das
Heer, denn Theron's Grabmal, welches fehr hoch war, wurde vom Blitze
getroffen, und einige Seher widverftrebten feiner Wegſchaffung, und alsbald
befiel eine Seuche das Heer, an der auch Hannibal flarb. Auch meldeten
vie Wachen, ed erſchienen Nachts die Geſpenſter der Todten, worauf
Hamilkar, die Menge in Gewigensfurdt ſehend, zuerfi das Wegichaffen
ver Srabmäler einflelte, und dann nach heimatlidher Weife die Götter
fühnte, dem Kronos einen Knaben opfernd, und dem Poſeidon eine Menge
Opfer in das Meer verſenkend. Auch Ennius, im erſten Buche feiner
poetifhen Annalen, fagte: Die Bunier pflegten ihre Knaben zu opfern,
und Silius Italicus (4. 767) bemerkt: Bey den Völkern, weldhe vie Ein
wandererin Dido gründete, war ed Brauch, durch Mord der Götter Gunſt
zu erfleben, und auf brennende Ultäre, ſchrecklich iſt es zu jagen, Eleine
Söhne zu legen. Auch Platon im Minos (S. 315) fagt: Die Karthager
opfern, ala bey ihnen heilig und gefehlich, eigene Söhne dem Kronos. Ein
Beyipiel, wie die Karthager auch den Göttern Menſchen zum Dankopfer
darbrachten, erzählt Diodor (20. 65): Als fie das nach Afrifa übergejegte
Heer des Agathokles beflegt hatten, opferten fie die fchönften Gefangenen
des Nachts; der Wind trieb aber das Beuer des Altars in das Zelt des
Gottes, und es verbreitete fi) von da fo ſtark, daß die größte Verwirrung
entftand, welche die Griechen benugten, fo daß die Karthager unter
ſchweren Verluften in die Stadt flüchteten.
Daß diefe Opfer der Karthager nicht bloß einzeln gelobt, oder in
Folge beſonderer Veranlaßung dargebracht wurden, fondern auch als ſtehende
*) Qufebins in feiner Lobrede auf Conſtantin (13) führt dieſe Stelle Diodor's
an, fagt aber fälfhlich, die Karthager hätten den zweihundert andere brei-
Hundert Hinzugefügt. Dies mag als ein Beyſpiel gelten, wie eilfertig
öfters die Nachrichten der Kirchenfchriftftellee aus den Geſchichten der
alten Bölfer entnommen find, und wie ihre mythologiſchen Bemerfungen
nicht immer als durchaus gegründet gelten fünnen, und doch find fie leider
manchmal als Duelle unumgänglich zu benugen, wobey aber häufig
bedacht werben muß, daß diefer Quell trüb ſeyn könne.
3*
80 Opfer und Cult.
Opfer, deren Zeit beſtimmt war, ſtattfanden, verſteht ſich eigentlich von
ſelbſt; denn wenn vie Gottheit durch ſolche vorzugsweiſe zu verfühnen und
zur Gunft zu flimmen war, fo mußten fie mit der Verehrung vderfelben
verbunden feyn. Daß ed aber fo geweſen fey, wird und noch ausdrücklich
bezeugt. Silius Italicus (4. 770) fagt von ihnen: Das jährliche Loos
brachte den Iammerfall wieder, und Porpbyrius in der oben angeführten
Schrift bemerkt (11. 27): Bis jegt opfern nicht allein in Arkadien an ven
Lykaͤen und zu Kartbago dem Kronos Alle dffentlihd Menſchen, fondern
zum Gedaͤchtniß des Brauches beiprengen fie periodiſch bie Altäre mit
But. Als jährlide Opfer bezeichnet die Menichenopfer ver Phöniker
Eufebius in der Lobreve auf Conftuntin (13): Das Opfer der Kinder
aber fand zu Kartbago auf folgende Art flatt, wie wir bey Diodor
(20. 14) lefen: Sie hatten eine eherne Bildfäule des Kronos, welche bie
Hände audgeftredt hielt, die hohle Hand nad) oben gewendet und nad
dem Boden zu geneigt, fo daß da8 darauf gelegte Kind herunter roflte
und in einen mit Beuer gefüllten Schlund fiel. *) Klitarh (an vem
oben angeführten Orte) nennt die Bildſäule glühend, indem er fagt: Die
eherne Bilpfäule des Kronos verbrennt das Kind, indem aber die Flamme
den Körper angreift, ziehen fich Glieder und Leib zufammen, und fletfchend
gleicht e8 einem Lachenden, bis es zujammengeichrumpft in den Ofen
binabrollt, und davon heißt ein fletſchendes Lachen ein Sarbonifches, meil
die Lachenden daran fterben. **) Daß man diefes Fletſchen des Geſichté
als Lachen deutete, war nothwendig, denn es durfte nichts Trauriges das
Opfer oder Feft eines Gottes flören. Wir fehen dieſes auch ausprüdlich
bemerkt in Betreff des Ifraelitiichen Gottesdienſtes; denn wir leſen (Nebes
mia 8. 3.9): Nehemia und Efra, der Priefter und die Leviten ſprachen
zu allem Volke: Diefer Tag ift heilig dem Herrn, euerm Gott; darum
ſeyd nidht traurig und weinet nicht. Denn alles Volk weinete,
da file die Worte des Geſetzes höreten — und die Leviten flileten alles
Wolf, und fprachen: Seyd ftille, denn der Tag ift heilig, befümmert euch
nit. So meldet auch Joſephus (11. 5), daß am Belle zu meinen den
Sfraeliten unterfagt war. Erflärte man nun die Gebärde der Kinver,
welche geopfert murden, für eine freundliche, fo wandte man au, wie
Minucius Felix (S. 291) fagt, Mittel an, ihr Schreien zu verhüten,
*) Diodor meint bei diefer Gelegenheit die Hellenifche Fabel von Kronos, der
feine eigenen Kinder verfchlungen, ſcheine in diefem Brauche der Karthager
bewahrt. Diefes ift irrig, denn jene Babel hat mit diefen Menfchenopfern
nichts gemein.
”s) Die Scholien zur Odyſſee (20. 302) und Photius in dem Wörterbuch geben
diefe Nachricht Klitarch's ohne mehr von ihm anzuführen, und Suidas
hat diefelbe Stelle abgekürzt in der Stelle, wo er von dem Sarbonifchen
Lachen fpricht.
Opfer und Cult, 87
indem man mit Schmeicheln und Küßen ihr Gefchrei unterbrüdte. (Ter⸗
tullian [9] bemerkt daſſelbe) Damit aber war es noch nicht genug, fon«
bern des Kindes Mutter mußte dabey flehen, wie Plutarch in der Schrift
über den Aberglauben (S. 171) melvet, ohne Thränen und ohne Seufzen.
Wenn eine nun feufzte oder weinte, verlor fle die Ehre, und dad Kind
ward nicht minder geopfert. Vor dem Gottedbild aber erfüllte Alles ein
Getoͤſe der Blöten Blaſenden und Paufen Schlagenvden, damit Fein Weh⸗
klageton vernehmlich werden Fünne Don diefem Schlagen der Pauken
hieß bey den Jiraeliten die Dpferftätte im Thale Ben Hinnom Topheth,
von dem Hebräiſchen taphaph, hat geichlagen, toph, Paufe (als gefchlagenes
Inflrument).
Wir haben oben gefehen, bag man erzählte, Darius babe die Kars
thager von den Menſchenopfern abgebracht; glaublicher aber ift, daß @elo
von Syrafus die überwundenen Karthager nöthigte, den Menichenopfern
zu entfagen, wie Theophraſt in feiner Schrift über die Tyrrhener berichtete
(Scholien zu Pindar's zweiter Pythiſchen Hymne B. 3), und von dieſer
oder einer ähnlichen zeitweiligen Einſtellung dieſes Opfers meldet au
Porphyrius (I. 56). Sie kehrten jedoch zu dem altgemohnten Brauche
zurück, und er dauerte bis in fpäte Zeit; denn wir lefen bey Tertullian
(Apologie 9): Kinder wurden in Africa dem Saturn dffentlih geopfert
bi8 zu des Tiberius Proconfulat, welder die Priefler an den Bäumen
ihres Tempels freuzigen ließ dur die Nömifchen Solvaten. Ob Tiberius
diefe8 that oder ein Anderer, denn von Tiberius läßt es ſich nicht gewiß
fagen, da er mwenigftend nicht Proconful von Africa gewefen ift, fo mag
an der Sache felbft doch nicht ganz gezweifelt werden. Indgeheim aber
dauerte, wie Tertullian fagt, das Opfer fort, denn wir lefen ald That⸗
ſache bei Dionyfius von Halifarnaß (1. 38), daß die Opfer flattfanden, fo
lange Tyrus und Karthago dauerte, und Quintus Curtius meldet (4. 3)
von Tyrus, als Alexander dieſe Stadt belagerte, fey darauf angetragen
worden, das viele Jahrhunderte lang unterlaßene Opfer, daß nämlich ein
freigebohrener Knabe dem Saturnus gevpfert wurde, wieder vorzunehmen,
weiches die Karthager bis zum Untergang ihrer Stadt fortgefegt haben
folen. Hätten ſich nicht vie Aelteflen der Stadt wiverfegt, fo würde der
Antrag geflegt haben.
Da die Semiten jedoch auch Thiere opferten, fo war, abgeſehen von
ven Erſtlingen derſelben, melde, wie auch die Erfllinge ver Früchte, der
Gottheit gehörten, welche ven Seegen gab, das Ihieropfer doch theilmeife
an die Stelle des Menfchenopferd getreten, und bie Gottheit empfleng
theilweife, und felbft zum größeren Theile das Thierleben ftatt des Menſchen⸗
lebens. Auf das Thierhaupt ward daher auch die Sünde des Menichen
gelegt, damit es dieſen von der- Schuld und ihrer Strafe befreie. Wie
ver Gebrauch. bey den Kindern Iſrael war an ihrem großen Verfühnungd-
38 Dpfer und Cult.
tag ift oben, wo von dieſem Feſte die Rede mar, beichrieben worben. Da
faben wir, daß der Bock vorzugsweiſe dad Thier war, auf welches bie
Sünde der Ifraeliten gelegt ward. Doch der Einzelne, welcher ſich wegen
einer Sünde mit Gott verfühnen wollte und mußte, Hatte ein durch das
heilige Geſetz dazu beftimmtes Thier. Der Priefler, der Kürft und ber
gemeine Mann unterfchieven ſich aud in diefer Hinſicht. Wir Tefen
(Mofe II. 4): So ein Priefter, der gefalbet tft, fünbigen würde, daß er
das Volk ärgerte; der fol für feine Sünde einen jungen Barren bringen,
der ohne Wandel fey, dem Herrn zum Gündopfer. Und fol den Farren
vor die Thüre der Hütte des Stiftes bringen vor dem Herrn, und feine
Hand auf veffelben Haupt Tegen, und fchlachten vor dem Herrn, und ber
Priefter, ver gefalbet ift, fol des Barren Blut nehmen und in die Hütte
des Stiftes bringen. Und fol feinen Finger in das Blut tunfen, und
dann fiebenmal fprengen vor dem Herrn, vor dem Vorhang im Hei⸗
ligen. Und fol deſſelben Blutes thun auf die Hörner des NRäucdhaltares,
ber vor dem Herrn in der Hütte des Stiftes ſteht; und alles Blut gießen
an den Boden des Brandopfer-Altares, der vor der Thüre der Hütte
bes Stiftes ſteht. Und alles Fett des Sünbopfers fol er haben, nämlid
das Fett am Eingeweide, die zwo Nieren mit dem Bette, das daran ifl,
an den Lenden, und das Neb über ver Leber, an den Nieren abgerißen,
und fol es anzünden auf dem Branbopfer- Altar. Aber das Zell des
Barren mit allem Bleifche, fammt dem Kopf und Schenkel, und das Ein-
geweide und den Mift foll er hinausführen außer dem Lager, an eine
reine Stätte, da man die Afche hinjchüttet, und ſoll e8 verbrennen auf
dem Holze mit Feuer.
Wenn ed eine ganze Gemeine in Sfrael verfehben würbe, und bie
That vor ihren Augen verborgen wäre, daß fie irgend wider ein Gebot
bes Herrn gethan hätten, das fie nicht thun follten, und ſich alfo verfchul-
beten, und darnady ihrer Sünde inne würden; follen fie einen jungen
Barren barbringen zum Sündopfer, und vor die Thüre der Hütte des
Stiftes fielen. Und die Aelteften von der Gemeine follen ihre Hände
auf fein Haupt legen vor dem Herrn, und den Farren fchlacdhten vor dem
Herrn. Und der Priefter, ver gefalbet ift, foll des Blutes vom Farren
in die Hütte des Stiftes bringen, und mit feinem Finger barein tunfen,
und jiebenmal fprengen vor dem Kern, vor dem Vorhang, und fol
des Bluts auf vie Hörner des Altares thun, der vor dem Herrn flehet in
ber Hütte des Stifts, und weiter thun, wie er mit dem Sünbopfer bes
Priefters thut. Und fol alfo ver Priefter fie verföhnen, fo wird es ihnen
vergeben. Wenn aber ein Yürft fünbiget und. wird feiner Sünde inne;
ber fol zum Opfer bringen einen Ziegenbod ohne Wandel, und feine
Hand auf des Bockes Haupt legen, und ihn ſchlachten an der Stätte, ba
man bie Drandopfer fchladhtet. Da fol dann der Priefler des Blutes
Dpfer und Eult. 39
von dem Sündopfer nehmen mit feinem Finger, und auf die Hörner des
Branbopfers Altares thun, und das andere Blut an den Boden des Brand«
opfer⸗Altares gießen. Aber alles fein Fett fol er auf dem Altar anzünden.
Und fol alfo der Priefter feine Sünde verfühnen, fo wird es ihm vers
geben. Wenn es aber eine Seele vom gemeinen Volk verflehet, und
fündiget, vie fol zum Opfer eine Biege bringen, und es fol gethan
werden, wie bey dem Sündopfer des Bürften. Wird er aber ein Schaf
zum Sündopfer bringen, fo bringe er ein meibliches, ohne Wandel. An
ven Feſten, wie wir oben gefehen haben, wurde unter den übrigen Opfern
auch ein Bock ald Sündopfer dargebracht. Daß aber die Sündopfer nicht
alle als ganz gleich betrachtet wurden, ſehen wir daraus, daß nicht alle
gänzlih verbrannt und zwar an einer befondern, außerhalb befindlichen
Stätte verbrannt wurden, fondern daß die PBriefter von einem Theile ders
jelben aßen. Die Satung darüber lautet (Mofe III. 6): An ver Stätte,
da du das Brandopfer ſchlachteſt, folft du auch dos Sündopfer ſchlachten
vor dem Herrn; das iſt dad allerheiligſte. Der Prieſter, der das Sünd⸗
opfer thut, ſoll es eßen an heiliger Stätte, im Vorhofe der Hütte des
Stiftes. Niemand fol feines Fleiſches anrühren, er ſey denn gemeibet,
und wer von feinem Blut ein Kleid befprenget, der fol dad befprengete
Stück waſchen an Heiliger Stätte. Und den Topf, darinnen es gekocht iſt,
fol man zerbrechen. If e8 aber ein eherner Topf, fo fol man ihn
fdeuern und mit Waßer fpülen. Was männlidh ift unter den Prieflern,
fol davon eßen; denn es ift das allerbeiligfte. Aber alles das Sünd-
opfer, deß Blut in die Hütte des Stiftes gebracht wird, zu
verföhnen im Heiligen, fol man nicht efen, fondern mit Feuer verbrennen.
Den Grund dafür, daß die Priefler auch dad Sündopfer aßen, finden wir
alfo angegeben (Mof. I. 10): Und Mofe fuchte den Bold des Sünd⸗
opferd, und fand ihn verbrannt, und ward zornig über Aaron's Söhne,
und fprah: Warum habt ihr das Sündopfer nicht gegeßen an heiliger
Stätte? denn es das allerbeiligite ift, und er hat's euch gegeben, daß Ihr
die Mißethat der Gemeine tragen follt, daß ihr fie ver
fühnet vor vem Herrn. Siehe, fein Blut ift nicht gefommen in das
Heilige hinein. Ihr foltet e8 im Heiligen gegeßen haben, wie mir
geboten if. Aaron aber fprah zu Mofe: Siehe, heute haben fie ihr
Sündopfer und ihr Brandopfer vor dem Herrn geopfert, und es ift mir
alfo gegangen, wie vu ſieheſt; und ich follte een heute von dem Sünd⸗
opfer, ſollte das dem Herrn gefallen? Da das Mofe hörete, Tieß er's ihm
gefallen.
Neben dem allgemeinen großen Sünbopfer am Verföhnungstag, und
ven Opfern für Berfündigung an den Geboten Gottes hatten die Ifraeliten
noch befondere Schulvopfer. Genaue Kunde darüber findet fih in ben
heiligen Sagungen (Mofe Ill. 5), wo es heißt: Wenn eine Seele jündigen
20 Dpfer und Eult. b
würde, daß er einen Fluch höret,; und er deß Zeuge iſt, oder geſehen,
oder erfahren hat, und nicht angefaget; ver iſt einer Mißethat fchulvig.
Oder wenn eine Seele etwas Unreines anrühret, ed fey ein Aad eines
unreinen Thiers, orer Viehes, oder Oewürmd, und müßte es nicht; der iſt
unrein und hat ſich verfchuldet. Oper wenn er einen unreinen Menfchen
anrührt, in was für Unreinigfeit der Menſch unrein werden fann, und
wüßte es nicht, und wird es inne; ver hat ſich verfchuldet. Oder wenn
eine Seele fchwöret, daß ihn aus dem Mund entführet, Schaden oder
Gutes zu thun (wie denn einem Menſchen ein Schwur entfahren mag,
ebe er e8 bedacht), und wird es inne; der hat fih an der einem vers
ſchuldet. Und er fol für feine Edyuld diefer feiner Sünde bringen eine
Schaf» oder Ziegene Mutter zum Sündopfer; fo fol ihm der Prieſter
feine Sünde verfühnen. Vermag er aber nicht ein Schaf; fo bringe er
dem Herrn zwo Turteltauben oder zwo junge Tauben, die erfte zum Sünds
opfer, die andere zum Brantopfer. Und bringe fle dem Briefter. Der fol
die erfte zum Sundopfer machen, und ihr den Kopf abfneipen hinter dem
Genid, und nicht abbrechen; und fprenge mit dem Blute des Sündopferd
an die Seite des Altard, und laße dad übrige Blut audbluten an des
Altares Boden. Das ift das Süntopfer. Die andere fol er zum Brands
opfer machen, nad feinem Rechte. Dermag er aber nicht zmo Turtels
tauben oder zwo junge Tauben, fo bringe er einen zehnten Theil Epha
Semmelmehl zum Süntopfer. Er foll aber fein Del darauf
legen, noch Weihrauch darauf thun; denn es iſt ein Sünd⸗
opfer. Der Prieſter aber fol eine Handvoll davon nehmen zum Gedaͤcht⸗
nip, und anzünten auf dem Qltare zum euer dem Herrn. Das iſt ein
Sündopfer, und der Priefler fol alfo feine Sünde ihm verföhnen, und
das Semmelmetl fol des Prieſters feyn, wie ein Speiscpfer. Wenn fi
eine Seele vergreifet und verfündiget an dem, das dem Herrn gemeibet
if; fol fie ihre Schuldopfer dem Herrn bringen, einen Widder ohne
Wandel von der Heerde, der zween Sedel Silbers werth fey, nad) dem
Sedel des Heiligthums. Dazu was er gefündiget hat an dem Gemweiheten,
fol er wiedergeben, und den fünften Theil darüber geben. Wenn eine
Seele fündiget, und thut mider irgend ein Gebot ded Herrn, die, hat fidh
verſchuldet, und fol bringen einen Widder, der eines Schulpopfers werth
if. (Da die Sündopfer, von welchen oben die Rede war, die Berfün-
digung gegen irgend ein Gebot des Herrn zum Gegenftanve der Verföhnung
hatten, fo ift es dunkel, was bier mit einer Verichuldung, die auch eine
Sünde gegen irgend ein Gebot des Herrn zum Inhalte bat, gemeint fey.)
Wenn eine Seele fündigen würde, und fi an dem Herrn vergreifen,
dag er feinem Nebenmenſchen verläugnet, was er ihm befohlen bat, over
. das ihm zu treuer Hand gethan iſt, oder das er mit Gewalt genommen,
oder mir Unrecht an ſich gebracht, over, das verloren iſt, gefunden hat,
Dpfer und Eult. a1
und Täugnet ſolches mit einem falihen Cide; fo foll er wiedergeben,
worüber er den falſchen Eid gethan hat, dazu den fünften Theil darüber,
an dem Tage, wann er fein Schulvopfer giebt. Aber für feine Schuld
fol er dem Herrn zu dem Prieſter einen Widder bringen, ber eines
Schuldopfers werth iſt. Das Schulvopfer aber ward (Kap. 7) eben io
gecpfert, wie das Sündopfer, und eben fo vom Priefler gegeßen, wie
oben angegeben.
Das gewdhnlide Thieropfer, welches Einer dem Herrn barbradhte,
wird ein Brandopfer genannt, worüber wir lefen (Mofe III. 1): Welcher
unter euch dem Herrn ein Opfer thun will, ber thue ed von dem Vieh,
von Rindern und Schafen Wil er ein Brandopfer thun von
Rindern, fo opfere er ein Männlein, das ohne Wandel fey, vor der Thüre
der Hütte des Stifts; und lege feine Hand auf des Brandopfers Haupt;
jo wird e8 angenehm feyn und ihn verföhnen. Und fol es ſchlachten,
und die Priefter follen das Blut auf ven Ultar vor der Hütte des Stiftes
fprengen, und man fol ibm die Haut abziehen, und es fol in Stüde
jerhauen werben, und die Priefter follen die Stüde, nämlid den Kopf
und dad Bett auf das Holz des Altared legen. Die Eingemweive aber
und die Schenfel fol man waſchen, und der Priefler fol dus Alles
anzünden zum Brandopfer. Will er aber von Schafen und Ziegen ein
Brandopfer thun, fo opfere er ein Männlein, das ohne Wandel fey. Und
ſoll es fchlachten zur Seite des Ultared, gegen Mitternadht. Will er aber
von Vögeln dem Herrn ein Branvopfer tbun, fo thue er es von Turtels
tauben over von jungen Tauben. Und ver Priefter fol es zu dem Altare
bringen und ihm den Kopf abfneipen, und fein Blut ausbluten lapen an
ver Wand des Altard. Und feinen Kropf mit feinen Berern fol man
neben ten Altar gegen den Morgen auf den Afchenhaufen werfen. Und
fod feine Flügel fpalten, aber nicht abbrechen. Und alfo foll es ber
Priefter anzünden auf dem Altare zum Branvopfer. Ueber das Brand⸗
opfer aber lautete die Satzung (Kap. 6): Das Brandopfer fol brennen
auf dem Ultare, die ganze Nacht bis an den Morgen; es ſoll aber allein
des Altares Beuer darauf brennen. Und der Priefter fol feinen leinenen
Rod anziehen, und die leinene Niederwand an feinen Leib; und fol die
Aſche aufheben, die das Feuer des Brandopferd gemacht hat, und fol fie
neben den Altar fchütten. Und fol feine Kleider darnach ausziehen, und
die Aſche Hinaustragen, außer dem Lager an eine reine Stätte. Das
Feuer auf dem Altare fol brennen, und nimmer verlöfchen; ver Priefler
fol alle Morgen Holz darauf anzünden, und oben darauf das Brandopfer
jurichten, und das Bett der Danfopfer darauf anzünden. Ewig foll das
euer auf dem Altare brennen, und nimmer verlöfden.
Das Fell des Branvopfers befam der Priefler, der es geopfert Hatte.
Das Speisopfer kommt oft in Verbindung mit anderen Opfern
40 Opfer
würde, daß er einen Fluch höre .
over erfabren bat, und nidt an:
Oder wenn eine Seele etwas u
unreinen Thiere, over Biehed, c —
unrein und bat ſich verſchuldet
anrührt, in was für Unreini, -
müßte ed nicht, und wird es
eine Seele ſchwoͤret, daß ik:
Gutes zu thun (mie denn e -
ebe er e8 bedacht), und mi: \
ſchuldet. Und er fol für
Schaf- oder Ziegen- Mur
feine Sünde verfühnen.
dem Herrn zwo Turteltan
opfer, die andere zum B
tie erfte zum Süntepie
Genid, und nicht abbı
an die Geite des Alı
Altared Boden. Dar
epfer machen, nadı
tauben oder zwo j-
Semmelmebl zum
Tegen, noch ©
opfer. Dir Pr
niß, und anzün
Sündopfer, w
das Semmeln
eine Seele v
iſt; ſoll fü
Wandel ve
Seckel dit
fol er ı
Seele fi — m
verſchul
iR. € -
digung
hatten
Sund
Wenn
daß er
das il,
ur Dpfer und Cult. 43
ien euern Wohnungen, daß ihr Fein Bett noch Blut
ınfopfer wird ein Lobopfer (d. t. ein Opfer zum Lobe
r erwähnt (Rap. 7), und es heißt: Wollen fie ein
'oflen fie ungefäuerte Kuchen opfern, mit Del gemenget,
Fo iben mit Del beftrihen, und geröflete Semmelfuchen
Ste follen aber ſolches Opfer thun, auf einem Kuchen
ede, zum Robopfer feines Danfopferd. Und foll einen
sem Seren zur Hebe opfern; und fol bes Priefters feyn,
Dankopfers fprenget. Und das Fleiſch des Lobopfers
onfer fol deſſelben Tages gegeßen werben, ba es geopfert
übrig gelaßen werden, 5i6 an ven Morgen, es ſey ein
elwiiges Opfer, fo aber etwas überbleibet auf ven andern
an 28 dor efen. Aber was vom geopferten Bleifch über«
ten Tage, fol mit Beuer verbrannt werden. Und mo
eltten Tage wird efen von feinem Danfopfer, ver wird nicht
05 € wird ihm auch nicht zugerechnet werden, fonbern
Orämel feyn, und welde Seele davon efen wird, die ft
at ſchuldig. Und das Fleiſch, dad etwas Unreined anrähret,
geßen, fondern mit euer verbrannt werden. Wer reines
ser fol des Fleiſches eßen. Und welche Seele een wird von
des Danfopfers, dad dem Herrn zugehöret; derſelben Unzeinig«
F ihr, und fie wird auögerottet werden von Ihrem Volle. Wer
: ein Dankopfer thun will, der fol auch mitbringen, was zum
* dem Seren gehöret. Gr fol es aber mit feiner Hand herzu⸗
namlich das Bett an ver Bruft, fammt der Bruft, daß fle eine
erden vor dem Herrn. Und der Priefler fol das Fett anzünden
= Mar, und die Bruft fol Aaron's und feiner Söhne feyn. Und
die Schulter follen fie dem Prieſter geben zur Hebe von ihren
fern. Die Hebeſchulter aber und die Webebruft bed Dankopferd
and die Toͤchter der Priefter eßen.
-t Menigung gehörten in manchen Fällen auch Opfer, doch führten
nicht den Namen der Reinigungsopfer, fondern galten ald Brand«
ser, Gündopfer, Schuldopfer. So mar die Wöchnerin, nad
heiligen Gagung (Mofe II. 12), fleben Tage unrein, wenn fie ein
Wlein gebohren, und mußte drei und dreißig Tage zu Haufe bleiben,
daß fe nicht zum Helligthume kommen durfte. Hatte fie ein Magdlein
"ehren, fo war fie vierzehen Tage unrein und mußte ſechs und ſechzig
Zus sa Haufe bleiben. (Alfo hatte ein Maͤdchen nur ven halben Werth
machet euch zu allerlei nu; aber eben follt ihr es nic. Denn wer das
Fett iBet vom Dich, das dem Herrn zum Opfer gegeben if;
biefelbe Seele ſoll ausgerottet werben von ihrem Bolle,
43 Opfer und Cult.
vor, wozu dann noch bad Trankopfer gefügt ward, doch in der Heiligen
Sagung fommt es als felbfiftländiges Opfer vor (Moſe III. 2), und es
heißt daſelbſt: Wenn eine Seele dem Herrn ein Speidopfer thun will;
fo fol e8 von Semmelmehl feyn, und fol Del darauf gießen, und Weih-
rauch darauf legen. Der Priefler fol feine Hand voll nehmen von dem
Mebl und Del, fammt ven ganzen Weihrauch, und anzünden zum Gedächt⸗
niß auf dem Altare. Das Uebrige aber fol Aaron's und feiner Söhne
feyn. Das fol das allerheiligfte feyn von den Feuern des Herrn. Wil
er aber fein Speisopfer thun von Gebackenem im Ofen; fo nehme er
Kuchen von Semmelmehl ungefäuert, mit Del gemenget, und ungefäuerte
laden mit Del beftrichen. Iſt aber dein Speisopfer etwas vom Gebackenen
in ver Pfanne, fo foll e8 von ungefäuertem Semmelmehl mit Del gemenget
feyn; und folft e8 in Stüde zertheilen und Del darauf gießen, fo iſt e8
ein Speilsopfer. Iſt aber dein Speisopfer etwas auf dem Roſt geröftet,
fo foOR du e8 von Semmelmehl mit Del machen, und der Prieſter fol
deffelben Speisopfer8 heben zum Gedaͤchtniß und anzünden auf dem Altare.
Das Uebrige aber fol Aaron’s und feiner Söhne ſeyn. Alle Speisopfer
font ihr ohne Sauerteig maden; denn fein Sauerteig nod
Honig foll darunter. Aber zum Erfiling follt ihr fie dem
Herrn bringen; aber auf feinen Altar follen fie Eommen
zum füßen Gerud. Alle deine Speisopfer folft zu falzen, und dein
Speisopfer foll nimmer ohne Salz des Bundes deines
Gottes ſeyn; denn in allem deinem Opfer follfi vu Sal;
opfern. Wilft vu aber ein Speißopfer dem Herrn thun von den erften
Früchten; ſollſt du die Sangen am euer gebörrt Flein zerftoßen, und follft
Del darauf thun und Weihrauch darauf legen. Alles Speisopfer aber gehörte
dem Priefter (Kap. 7). Am Tage feiner Salbung hatte der Priefler audy
ein Speidopfer, ein Zehntel Epha Semmelmehl mit Del in einer Pfanne
gerdftet in Stüden, die eine Hälfte des Morgens, die andere des Abends,
darzubringen. Dies aber wurde ganz verbrannt und nicht gegeßen (Kap. 6).
Wer ein Danfopfer bringen wollte (Mofe II. 3), nahm einen
Ochſen oder eine Kuh, over einen Schöps oder ein Schaf, oder ein
Lämmlein oder eine Ziege, legte dem Thiere die Hand auf das Haupt
und fchlacdhtete es vor der GStiftshütte, der Priefter fprengte dad Blut auf
den Altar, nahm das Fett ver Eingeweide, die Nieren mit ihrem fett,
und dad Nek an den Nieren abgerigen (vom Lamm aud ben ganzen
Schwanz vom Rüden abgerigen), und verbrannte es auf dem Altare.
(Bei Gelegenheit viefes Opfers wird in ver heiligen Sagung bemerkt:
Alles Bett iſt des Herrn. *) Das fey eine ewige Sitte bey euern
*) Meiterhin (Kap. 7) Heißt es: Ihr follt fein Fett eBen von Ochfen, Zimmern
und Ziegen. Aber das Fett vom Nas, und was vom Wild zerrißen if,
Dpfer und Eult. 43
Nachkommen, in allen euern Wohnungen, daß ihr Fein Bett noch Blut
eßet.) Mit dem Danfopfer wird ein Lobopfer (d. i. ein Opfer zum Lobe
der Güte des Herrn) erwähnt (Kap. 7), und e8 heißt: Wollen fie ein
Lobopfer thun; fo follen fie ungefäuerte Kuchen opfern, mit Del gemenget,
und ungefäuerte laden mit Del beſtrichen, und geröflete Semmelfuchen
mit Del gemenget. Sie follen aber ſolches Opfer thun, auf einem Kuchen
von gefäuertem Brode, zum Xobopfer feines Danfopferd. nd fol einen
von denen allen dem Herrn zur Hebe opfern; und fol des Prieſters feyn,
der das Blut des Danfopferd fprenget. Und das Fleiſch des Lobopfers
in feinem Danfopfer fol deſſelben Tages gegeßen werden, da es geopfert
it, und nichts übrig gelaßen werben, bi8 an den Morgen, es fey ein
Gelübde oder freimilliges Opfer, fo aber etwas überbleibet auf den andern
Tag, fo fol man es dor eßen. Aber was vom geopferten Fleiſch über-
bleibet am dritten Tage, fol mit euer verbrannt werden. Und mo
Jemand am dritten Tage wird eßen von feinem Dankopfer, der wird nicht
angenehm ſeyn; e8 wird ihm auch nicht zugerechnet werben, fondern
es wird ein Bräuel feyn, und welche Seele davon efen wird, bie ift
einer Mißethat ſchuldig. Und das Bleifh, das etwas Unreines anrühret,
fol nicht gegeßen, ſondern mit euer verbrannt werden. Wer reines
Leibes iſt, der fol des Bleifches epen. Und welche Seele eßen wird von
dem Fleiſche des Dankopfers, das dem Herrn zugehdret; berfelben Unreinig⸗
feit fey auf ihr, und fie wird ausgerottet werden von Ihrem Volke. Wer
dem Herrn ein Dankopfer thun will, der fol auch mitbringen, was zum
Danfopfer dem Herrn gehöret. Er fol es aber mit feiner Hand herzu⸗
bringen: naͤmlich das Fett an der Bruft, fammt der Bruft, daß fie eine
Mebe werden vor dem Herrn. Und der Prieſter fol das Bett anzünden
auf dem Altar, und die Bruft fol Aaron’s und feiner Söhne feyn. Und
bie rechte Schulter follen fie dem Priefter geben zur Hebe von ihren
Dankopfern. Die Hebefchulter aber und die Webebruft des Dankopfers
durften auch die Töchter der Priefter eßen.
Zur Renigung gehörten in manchen Fällen auch Opfer, doch führten
biefe nicht den Namen der NReinigungsopfer, fondern galten ald Brand«
opfer, Sündopfer, Schuldopfer. So war die Wöchnerin, nad)
ber heiligen Sagung (Moſe III. 12), fleben Tage unrein, wenn fie ein
Rnäblein gebohren, und mußte drei und dreißig Tage zu Haufe bleiben,
fo daß fle nicht zum Heiligthume kommen durfte. Hatte fie ein Mägplein
gebohren, fo war fie vierzehen Tage unrein und mußte ſechs und fechzig
Tage zu Haufe bleiben. (Alſo hatte ein Mäpchen nur den halben Werth
machet euch zu allerlei nuß; aber eßen follt ihr es nicht. Denn wer das
Feit ißet vom Vieh, das dem Herrn zum Opfer gegeben iſt;
dieſelbe Seele ſoll ausgerottet werden von ihrem Volke.
48 Dpfer und Eult.
eines Knäbchens vor Bott.) Dann fol fie ein jähriges Lamm bringen
zum Brandopfer, und eine junge Taube oder Turteltaube zum Sündopfer.
Vermag aber ihre Hand nicht ein Schaf, fo nehme fie zwo Turteltauben,
oder zwo junge Tauben, die eine zum Brandopfer, die andere zum Sünds
opfer; fo fol fie der Briefter verföhnen, daß fle rein merde. Den Aut»
füßigen hatte der Priefter zu verjchließen und von fieben zu fieben Tagen
zu befeben, und wenn er ihn geheilt findet, fol er ihn reinigen (Kap. 14),
und fol gebieten dem, der zu reinigen ifl, daß er zween lebenvige Vögel
nehme, die da rein find, und Cedernholz, und rofinfarbige Wolle, und
Diop. Und fol gebieten, den einen Vogel zu fchlachten in einem irdenen
Gefäß, am fließenden Waßer. Und fol den lebendigen Vogel nehmen
mit dem Cedernholz, rofinfarbener Wolle und Yſop, *) und in bes
geſchlachteten Vogels Blut tunfen am fliegenden Waßer, und befprengen
den, der vom Audfage zu reinigen ift fiebenmal; und reinige ihn alfo,
und laße den lebendigen Vogel ins Freie fliegen. Der Gereinigte aber
fol feine Kleider wafchen, und alle feine Haare abfcheeren, und fi mit
Waßer baden; fo ift er rein. Darnach gehe er ind Lager; doch fol er
außer feiner Hütte fieben Tage bleiben. Uup am flebenten Tage fol er
alle feine Haare abfcheeren, auf dem Haupt, am Bart, an den Augen
braunen, und fol feine Kleiver waſchen, und fein Bleifh im Waßer
baden ; fo ift er rein. Und am achten Zuge foll er zwei Lämmer nehmen
ohne Wandel, und ein jähriges Schaf ohne Wandel, und drei Zebnten
Semmelmehl zum Speisopfer mit Del gemenget, und ein Log Del. Da
fol der Priefter denſelben Gereinigten und dieſe Dinge ftellen vor ven
Herrn, vor der Thüre der Hütte des Stift. Und fol das eine Lamm
nehmen, und zum Schuldopfer opfern mit dem Log Del; und fol
foldhe8 vor dem Herrn weben, und darnach das Lamm fchlachten, da man
da8 Sündopfer und Brandopfer fchladhtet, nämlih an Heiliger Etätte;
denn wie das Süntopfer, alfo iſt auch dad Schuldopfer des Priefters;
denn es ift das allerheiligfie. Und ter Priefter fol des Blutes nehmen
vom Schuldopfer, und dem Bereinigten auf ven Rnörpel ded reiten
Ohres thun, und auf ven Daumen feiner reiten Sand,
und auf den großen Zehen feines rechten Fußes. Darnach
fol er des Deld aus dem Log nehmen, und in feine (ded Prieſters) Linke
Hand giefen; und mit feinem rechten Zinger in dad Del tunfen, und
*) Späterhin wurde dem Dfop geradezu reinigende Kraft zugeſchrieben, und
der Stoicder Chäremon giebt bey Porphyrius über die Enthaltfamfeit
(4. 7) an, die Negyptifchen Briefter hätten an den Tagen heiliger Ents
haltung fein Brod genoßen, fonft aber es mit Dfop zufammen geftoßen
genoßen, weil diefer die Kraft deffelben zum großen Theile fchwäche.
Freilich gehört diefe Angabe einer fpäten Zeit fchwacher und grüblerifcher
Myſtik an.
Dpfer und Cult. 45
fprengen mit feinem Binger das Del fiebenmal vor dem Herrn. Das
übrige Del aber in feiner Hand fol er dem Gereinigten auf den Knörpel
des rechten Ohres thun, und auf den rechten Daumen und auf den großen
Beben des rechten Fußes oben auf dad Blut des Schulvopfers. Das
übrige Del aber in feiner Hand fol er auf des Gereinigten Haupt thun,
und ihn verfühnen vor dem Herrn. Und fol dad Sündopfer maden,
und den @ereinigten verföhnen feiner Unreinigfeit halben;
und fol darnach dad Brandopfer ſchlachten, und fol es auf dem Altar
opfern fammt dem Speidopfer, und ihn verfühnen; fo iſt er rein. If er
aber arm, fo nehme er ein Lamm zum Schulpopfer, und einen Zehnten
Semmelmehl mit Del gemenget zum Speisopfer, und einen Log Del, und
wo Zurteltauben, oder zwo junge Tauben, daß eine fey ein Sünbopfer,
die andere ein Brandopfer. (Den Ausſatz glaubte man auch an Kleidern,
wollenen ſowohl als leinenen, und an Bellen zu bemerfen [Kap. 13], und
in diefem ale ſchloß fie der Priefter ein und befah fie von fleben zu
fieben Tagen, und vergieng das Mahl, fo befland die Neinigung im
Waſchen und Abreigen vefjelben; wenn dies aber ven Fleck nicht vertrieb,
fo mußte es als ausfägig verbrannt werden.) Auch Häufer galten für
ausfägig (Kup. 14), wenn fih an den Wänden gelbe oder röthlidhe Grüb⸗
fein zeigten, weldye nach innen fragen. Der Priefter verfchloß ein ſolches
Haus fieben Tage lang, und wenn diefe Flecken nicht vergangen waren,
wurben die angefreßenen Steine herausgebrodyen, und vor der Stadt an
einen unreinen Ort geworfen, das Haus inwendig abgeſchabt und neu
beworfen, famen aber die Flecken wieder, dann ward das Haus nieder-
gerifen, und der Schutt hinausgefchafft an einen unreinen Ort. Gieng
Giner, während das Haus durch den Priefter verfchloßen war, hinein, fo
ward er unrein, und wer barinnen lag ober aß, mußte feine Kleider
waſchen. Erklaͤrte jedoch der Prieſter das Haus für rein, fo nahm er
um Sündopfer für bad Haus zween Vögel, Cedernholz, rofin-
farbene Wolle und Dfop, und verfuhr damit wie bey einen ausfägigen
Menſchen. Hatte ein Menich einen Fluß, fo war er unrein, und wer
mit ihm in Berührung fam, warb auch unrein bis auf den Abend, und
mußte baden und feine Kleider wafchen; irvene Gefäße, die der mit Fluß
BYehaftete anrührte, mußte man zerbrechen, hölzerne Gefäße aber mit
Waßer fpülen. Ward er von dem Liebel befreit, jo mußte er fieben Tage
darauf feine Kleider waſchen und fi in fließendem Waßer baden, am
achten Tag aber zwo Turteltauben over zmo junge Tauben zur Stifts⸗
bütte bringen, die eine zum Sündopfer, die andere zum Branbopfer.
Gin befonderes Neinigungsopfer war das, woraus Sprengmaßer zur
Entfündigung bereitet ward. Wir leſen (Mofe IV. 19): Der Herr fprady
zu Mofe und Aaron, diefe Weile fol ein Beleg feyn, das der Herr
geboten Hat. . Sage den Kindern Ifrael, daß fie zu bir führen eine zöth«
26 Dpfer und Gult.
fihe Kub, an der fein Behler fey, und auf die noch nie fein Soc
gefommen ifl. Lind der Priefler fol fie hinaus vor das Lager führen,
und daſelbſt vor ihm ſchlachten lagen, und fol des Blutes mit feinem
Binger nehmen, und ſtracks gegen die Hütte des Stiftes fprengen, und bie
Kuh vor ihm verbrennen lagen, beydes, ihr Bel und ihr Fleiſch, dazu
ihr Blut fammt ihrem Miſt; und fol Cedernholz und Yſop und rofin-
farbene Wolle auf die brennende Kub werfen. Und er fol feine Kleiver
wachen und feinen Xeib baden, und unrein fein bis an den Abend, und
eben fo der, welder fie verbrannt hat. Und ein reiner Mann foll die
Aſche von der Kuh aufraffen, und fie fehütten außer dem Lager an eine
reine Stätte, daß fie vafelbft verwahret werde, für die @emeine zum
Sprengwaßer, denn es ift ein Sünvopfer. Und der die Afche aufgerafft
bat, fol feine Kleiver waſchen, und unrein feyn bi8 an den Abend. Dies
fol ein ewiges Recht ſeyn den Kindern Ifrael und den Fremdlingen, die
unter euch wohnen. Wer nun irgend einen todten Menfchen anrühret,
der wird fieben Tage unrein feyn; der fol fi Hiermit entfünvigen am
dritten und am fiebenten Tage. Wenn ein foldher fih nit entfündigen
wollte, fo verunreinigt er die Wohnung des Herrn, und foldhe Seele fol
audgerottet werden. So follen fie nun für den Unreinen nehmen von
diefer Aſche, und fließendes Waßer darauf thun in ein Gefäß, und ein
reiner Mann fol Yſop nehmen und ind Waßer tunfen und befprengen
die Hütte, worin Einer geftorben, und alle Geräthe, und alle Seelen, die
darinnen find; aljo auch den, der eines Todten Bein, oder Erichlagenen,
oder Todten, oder Grab angerühret hat. Und diefer fol feine Kleiver
waſchen und fi} baden, fo wird er am Abende des fiebenten Tages rein.
Eben fo fol der, welcher gefprengt hat, feine Kleiver wafchen. Und wer
das Sprengwaßer anrühret, fol unrein feyn bis an den Abend, und Alles,
was er anrühret, wird unrein werben, und welche Seele er anrühren wird,
fol unrein feyn bis an den Abend. Auch die LXeviten wurden bey ihrer
Einweihung mit Sündwaßer befprengt (IV. 8).
Für vergoßenes Menfchenblut galt Feine Verföhnung (IV. 35). Wer
blutſchuldig if, der ſchändet das Land, und das Land Tann vom Blute
nicht verfühnet werden, das barinnen vergoßen wird, ohne durch das Blut
deß, der e8 vergoßen bat. Wenn man nun einen Erichlagenen findet im
Felde (V. 21), ſollen die Aelteſten und Richter hinausgehen, und von
dem Erſchlagenen meßen an die Städte, die umher liegen. Die Aelteften
dann der naͤchſten Stabt follen eine junge Kuh, auf der noch Fein Jod
war, nehmen und fie binabführen in einen Fiefigen Grund, ver weber
gearbeitet noch befäet if, und daſelbſt ihr den Hals abbauen. Da ſollen
herzukommen die Prieſter, die Kinder Levi, und alle Aelteſten ver Stadt
zu dem Erſchlagenen, und ihre Hände mwafchen über die junge Kuh, und
ſollen jagen: unfere Hände haben died Blut nicht vergoßen, alfo haben’s
au unjere Augen nicht gefehen. Sey gnaͤdig deinem Volk Sfrael, pas
Opfer und Cult. 47
du, der Kerr, erlöfet Haft, lege nicht das unfchuldige Blut auf dein Volt
Iſrael. So werden ſie über dem Blute verföhnet feyn.
Das Eiferopfer und Rügeopfer fund flatt, wenn Jemand
wegen einer Sache eiferte und eine Mißethat rügte. Das einzige Beyfpiel
feiner Anwendung findet fi jedoch in der heiligen Satzung (IV. 5), bey
dem Verdachte weiblicher Untreue. Wenn fi, beißt ed, eines Mannes
Weib verliefe und an ihm verfündigte, und der Mann hat fie nicht darin
ergriffen und kann ſie nicht überführen, und ver Eifergeift entzündet ihn,
fo fol er fie zum Priefter bringen, und ein Opfer über fie bringen, den
Zehnten Epha Gerftenmehl, und fol fein Del darauf gießen, noch Weih«
rauch darauf thun. Denn es ift ein Ciferopfer und Rügeopſer, das
Mißethat rüget. Da fol fle der Prieftey herzuführen, und vor ven Herrn
fielen, und des heiligen Waßers nehmen in ein irdenes Gefäß, und
Staub vom Boden der Wohnung ind Waher thun, und fol das Weib
vor den Herrn flellen, und ihr Haupt entblößen, und das Nügeopfer, das
ein Eiferopfer iſt, auf ihre Hand legen. Und der Priefler fol in feiner
Hand bitteres, verfluchtes Waper haben; und fol das Weib beichwören,
und zu ihr fagen: Haft du dich nicht von deinem Manne verlaufen, daß
du dich verunreiniget haft; fo follen bir dieſe bitteren, verfluchten Waßer
nicht ſchaden. So du dich aber verlaufen Haft, fege der Herr did zum
Fluch und Schwur unter deinem Bolfe, daß der Herr deine Hüfte
ſchwinden und deinen Bauch fchmellen laße. So gehe nun das verfludhte
Waßer in deinen Leib; und das Weib fol fagen: Umen, Amen. Alſo
fol der Priefler dieſe Flüche auf einen Zettel fchreiben, und mit dem
bitteren Waßer abmafchen, und fol dem Weibe von dem bitteren vers
fluchten Waßer zu trinken geben. Dann fol er von ihrer Hand das Eifer-
opfer nehmen, und zum Speidopfer vor dem Herrn weben, und auf dem
Altar opfern, nämli: foll er eine Sand voll des Speidopferd nehmen zu
ihrem Ruͤgeopfer, und auf dem Altar anzünden, und darnach dem Weibe
bad Waßer zu trinfen geben.
Hebeopfer waren freiwillig dargebrachte Opfer, 3. B. die Gegen
fände, welche dienten, vie Stiftshütte mit allem Zubehdr zu errichten,
und die Priefler zu kleiden (Mofe li. 25). (Die Schulter des Opfer-
thieres, welche dem Priefter gehörte, hieß Hebeſchulter, und das Opfer
ber Priefterweihe, womit Einer zum Priefter eingelegt warb, war, obgleidy
es Büllopfer hieß, ein Hebeopfer, wie wir es genannt ſehen [Mofe II. 29],
und wir lejfen: Die Hebeopfer follen des Herrn feyn von den Kindern
Iſrael an ihren Dankopfern und Hebeopfern. Den Namen hatten
e von dem Heben der dargebrachten Gegenflände.) Die Erſtlinge⸗
Opfer aber mußten von dem Lebendigen und den Gewächſen dargebracht
werden. War ein Thier unrein (von den Menſchen iſt oben die Rebe
gewefen), fo konnte man es nicht opfern, und der Beſitzer durfte es loͤſen,
indem er den fünften Theil über die prieflerliche Schägung dafür gab.
28 Dpfer und Enlt.
Loͤſte er es nicht, fo ward ed ald Eigenthum des Herrn verfauft (II. 27).
Die Crfllinge der Erndte wurden zweimal bargebradht, einmal vie ver
Gerſtenerndte während des Paflahfefled, die der ganzen Erndte fieben
Wochen nachher. Die heilige Sapung ift angeführt in der Abtheilung
von den Feſten. (Im fünften Buche Mofe [26] Iefen wir: Wenn du in
das gelobte Land kommſt, ſollſt du nehmen allerlei erfle Früchte des Landes,
und follf fie in einen Korb legen und bingehen an den Drt, den ver
Herr erwählen wird. Und der Priefler fol ven Korb vor dem Altare
nievderfegen, und du ſollſt die Früchte laßen vor dem Herrn und anbeten,
und froͤhlich feyn über alles Bute, das dir der Herr gegeben bat. Im
vierten Buche [15] lefen wir: Wenn ihr in das Land kommt, darein ich
euch bringen werve, daß ihr eßet des Brods im Lande; folt ihr dem
Herrn eine Hebe geben; nämlich eure Teigs Erfllinge follt ihr einen
Kuchen zur Hebe geben; wie die Hebe von der Scheune.)
Zur Einweihung der Priefler waren Opfer erforverlih, eben fo zur
Einweihung des Heiligthumes. Diefe find angegeben in der Abtbeilung
von den Prieftern und den Tempeln. Gelübde find als Gelegenheitd-
opfer zu betrachten; doch gab ed Beflimmungen barüber in der heiligen
Sagung, die alfo lauten (IV. 6): Wenn ein Mann oder Weib ein jon-
derliches Gelübde thut dem Herrn, fih zu enthalten; ver foll ſich des
Weins und flarfen Getränk enthalten, Weineßig oder flarfen Getränfs
Gffig foll er audy nicht trinken, audy nichts, das aus Weindeeren gemacht
wird; er foll weder frifhe noch dürre Weinbeeren eßen, fo lange foldyes
fein Gelübve währt; auch fol er nichts eßen, das man vom Weinſtock
madet, weder Wein- Kern noch Hülfen.. So lange die Zeit feines
Gelübdes währet, foll fein Scheermeßer über fein Haupt fahren, denn er
ift Heilig, und fol das Haar auf feinem Haupte laßen frei wachſen. Die
ganze Zeit über, die er dem Herrn gelobt hat, foll er zu feinem Todten
gehen. Er fol fih auch nidht verunreinigen an dem Tode feines Vaters
oder feiner Mutter, feined Bruders ober feiner Schwefler; denn das
Gelübde feines Gottes ift auf feinem Haupt. Und wo Jemand vor ihm
unverſehens ploͤtzlich flirbt, da wird das Haupt feines Gelübdes verun-
reinigt; darum foll er fein Haupt befheeren am Tage feiner Reinigung,
d. i. am flebenten Tag. Und am achten foll er zwo Turteltauben bringen,
oder zwo junge Tauben, und der Priefter foll eine zum Sündopfer, die
andere zum Brandopfer machen und ihn verjüßnen, daß er fih an einem
Todten verfündiget bat, und alſo fein Haupt deſſelben Tages heiligen, daß
er dem Seren die Zeit feined Gelübdes aushalte. Und foll ein jühriges
Lamm bringen zum Schuldopfer. Aber die vorigen Tage follen umſanß
feyn. Wenn die Zeit feines Gelübdes aus ift, fo fol man ihn bringe
vor die Thüre der Hütte des Stifts. Und er fol bringen ein jähriges
Lamm zum Brandopfer, und ein jähriges Schaf zum Sünpopfer, und
einen Widder zum Dankopfer, und einen Korb mit ungeläuerten Kuchen
Opfer und Cult. 49
von Semmelmehl mit Del gemenget, und ungefäuerte laden mit Del
beftrihen, und ihre Speißopfer und Tranfopfer. Und der Priefter fol
fein Sündopfer und fein Brandopfer maden. Und ten Widder fol er
zum Danfopfer maden ſammt dem Korbe mit dem ungefäuerten Brod;
und fol auch fein Speidopfer und fein Tranfopfer machen. Und foll dem
Verlobten dad Haupt feines Gelübdes befcheeren vor der Thüre der Hütte
des Stifid, und fol das Haupthaar nehmen, und aufs Feuer werfen, das
unter dem Dankopfer ifl. Und fol den gefodhten Bug nehmen von dem
Widder, und einen ungefäuerten Kuchen aus dem Korb, und einen unges
fäuerten laden; und fol’8 dem Verlobten auf feine Hände legen, und
f00’8 vor dem Herrn weben. Das ift heilig dem Priefler, fammt der
Mebebruft und der Hebefchulter. Darnach mag der Berlobte Wein trinken.
Das ift das Gele des Verlobten, ver fein Opfer dem Herrn gelobet, von
wegen feines Gelübdes; außer dem, was er fonft vermag, wie er gelobt
hat, fol er thun, nach dem Geſetze feines Gelübdes. Bey was für befon-
veren Gelegenheiten vergleichen Gelübde, wo der Menſch felbft dem Herrn
geweiht war, gethan wurten, erfahren wir nicht. Außer diefen, auf kürzere
Zeit Geweibten, gab es welche, die für immer geweiht waren, vie aber
beyde Nafiräer (d. i. Abgeſonderte, Auserleſene) hießen. Joſeph wird
im erſten Buche Moſe (49) ein Naſir unter feinen Brüdern genannt,
und Simfon war ein folder. Da feine Eltern, beißt e8 im Buche der
Richter (13), kinderlos waren, erfdien der Engel des Herrn den Weib
und meldete ihm: du wirft einen Sohn gebähren, ven fein Scheermeßer
fol aufs Haupt kommen, denn der Knabe wird ein Verlobter Gottes feyn
bon Muiterleibe ; fo Hüte di nun, dag du nicht Wein noch flarfes
Getränke trinkeſt, und nichts Unreines eßeſt. Ihr Gutte bat nun
den Herren, den Mann Gottes noch einmal zu fenden, damit er ihn
beiehre, wad er mit dem Knaben thun fole, und der Engel erichlen
wieder und belehrte ihn, daß der Knabe nicht? mas vom Weinftod kommt
und nichts Unreines eßen, und weder Wein noch ftarfes Getränfe trinken
ſolle. Simfon warb vom Geifte des Herrn getrieben und hatte eine über-
menfhliche Stärke, diefe aber war durch feine Haare bedingt. Als ihm
diefe im Schlaf abgefchnitten wurden (und zwar bie ſieben Loden, heißt
e8 Kap. 16) durch feine Feinde, die Philifter, ward er wie ein anderer
Menſch, und erſt mit dem Wiederwachſen der Haare fehrte feine Stärke
zurück. Diefe Stärke war eine Ausnahme, denn von andern Nafträern
wird dergleichen nicht gemeldet. Mebrigens ift wenig die Rede von ihnen;
das Verhaͤltniß aber, als ein heiliges, hat wohl lange fortbeſtanden, denn
lefen wir bey dem Propheten Amos (2. 11): Ih habe aus euren
Hindern Propheten erwedet, und Nafaräer aus euren Sünglingen. Iſt
es nicht alfo, fpricht der Herr? Und ihr gebet den Nafaräern Wein zu
trinfen und gebietet den Propheten: ihr folt nicht weißagen. Als in
IV. 4
50 Opfer und Eult.
fpäterer Zeit der Gottespienft des Herrn zu Miſpath durch vie Maccabäer
wieder eingerichtet ward (Maccab. I. 3. 49), brachte man dahin vie Bücher
des Gejeged, die priefterlichen Kleider, vie Erftlinge und Zebnten, und
machte Nazaräer, welche ihre beftimmte Zeit halten mußten. (Alſo foldye, von
weldyen die oben aus den vierten Buche Mofe angeführte Stelle handelt.)
Außer dieſem eigenthümlichen Gelübvde, welches ein Menfchenopfer
edler Art ven Herrn weibte, gab ed noch eine andere Art von Gelübben,
welche zwar den Menfchen zum Gegenfland hatten, jedoch durch Abjchäz-
zung und Bezahlung gelöft wurden. Die heilige Sagung meldet darüber
(Mose III. 27): Wenn Jemand dem Herrn ein beſonderes Gelübde thut,
daß er feinen Leib fhäget: fo fol das die Schagung feyn: ein Manns⸗
bild, zwanzig Jahre alt, bis ins fechszigfte Jahr, ſollſt du ſchätzen auf fünfzig
filberne Sedel, nad) dem Sedel des Heiligthums; ein Weibshilo auf
dreißig Sedel. Don fünf Jahren bis auf zwanzig folft du ihn fchägen
auf zwanzig Sedel, ein Mannsbild; ein Weibsbild aber auf zehen Sedel.
Von einem Monat 5i8 auf fünf Jahre ſollſt du ihn fehägen auf fünf
Seel, ein Mannsbild; ein Weibsbild aber auf drei Sedel. Iſt er aber
ſechszig Iahre alt und darüber, fo ſollſt du ihn ſchätzen auf fünfzehen Seckel,
ein Manndbild; ein Weibsbild aber auf zehen Sedel. If er aber zu arm
zu folder Schägung, fo fol er fi vor den Priefter fielen, und der
Priefter fol ihn fhäten, nad) dem deß Hand, der gelobet hat, erwerben
fann. Iſt es aber ein Vieh, dad man dem Herren opfern fann; Alles,
was man de dem Herın giebt, ift heilig. Man ſoll's nicht wechjeln nody
wandeln, ein Guted um ein Böfes, over ein Böjes um ein Gutes. Wird's
aber Jemand mechjeln, ein Vieh um dad andere, fo follen fle beype dem
Herrn heilig feyn. Iſt aber das Thier unrein, fo fol es ver Priefter
ſchätzen, und es ſoll bey des Prieſters Schägen bleiben. Will's aber
Jemand loͤſen, der ſoll den Fünften über die Schätzung geben. Wenn
Jemand fein Haus dem Herrn heiliget, dad fol der Priefler ſchätzen, und
wer ed löfen will, fol den Bünften über die Schägung geben. SHeiligt
Einer einen Ader, fo fol er nach dem Ertrage mit Rüdfiht auf das
Halljahr gefchägt werden, und wi ihn Einer nicht löfen, fondern er
verkauft ihn, fo fol er ihn nicht mehr loͤſen. Da nun der Uder im
Haljahr an den alten Eigenthümer zuüdfiel, fo Fam ein foldyer, ver
geheiligt, aber nicht geldjt war, an den Herrn, und ward bed Priefterd
Erbgut. Das DVerbannen war ein Gelübde, welches nicht geldft werden
fonnte. Daher heißt ed (ebenpafeläft)‘ Man fol fein Verbanntes ver-
faufen, noch löfen, das Iemand dem Herrn verbannet, von Allen, das
fein iſt, es ſeyen Menfchen, Vieh, oder Erbader; denn alles Verbannte,
ift dad Mlerbeiligfte dem Herrn. Man foll auch feinen verbannten
Menſchen loͤſen, ſondern er foll des Todes fterben. Solche Verbannen
fand mit ganzen feindlichen Städten flatt, die den Herrn ald ein Opfer
dargebracht wurden. So ſprach Injua (Buch Iofua 6), als er den Angriff
Opfer und Eult. Sl
auf Jericho befahl: Dieſe Stadt und Alles, was darinnen ift, fol dem
Herrn verbannet fein. Hütet euch vor dem DVerbannten, daß ihr euch
nit verbannet, fo ihr ded Verbannten etwad nehmet, und machet das
Luger Iſrael's verbannet, und bringet es in Unglück. Aber alles Silber
und Gold fummt den ehbernen und eifernen Geräthe, fol dem Herrn
geheiligt fein, daß es zu des Herrn Schatz komme. Als fie die Stadt
gewonnen, verbanneten fie Alles mit der Schärfe des Schwerbted, beyde,
Mann und Weib, jung und alt, Ochfen, Schafe und Efel. Uber vie
Stadt verbrannten fie mit Yeuer, und Ales, was darinnen war. Allein
dad Silber und Gold, und eberne und eiferne Geräthe thaten fie zum
Schatz in das Haus des Herrn. Da verfluchte Joſua die Stätte, wo die
Stadt gewefen war, für immer. Doch Einer der Iiraeliten hatte fi an
dem Verbrannten vergriffen, einen Mantel und Silber und Gold genommen,
und in feiner Hütte vericharrt. Als es entdeckt ward, führten fle den
Mann fammt dem Silber und Gold und Mantel, feine Söhne und
Töchter, feine Ochſen und Eſel und Schafe, feine Hütte und Alles, was
er hatte, in das Thal Achor. Und Joſua ſprach: Weil du uns betrübet
haft, fo betrübe di der Herr an diefem Tage. Und dad ganze Iſrael
feinigten ihn, und verbrannten fie mit Feuer. Und da fie fie gefleiniget
hatten, machten fie über fie einen großen Steinhaufen, der bleibet bis
auf diefen Tag. Als Jofua weiter zog, ward die Stadt Ai verbannt,
mit Ausnahme ver Beute und des Viehes, weldye zur Vertheilung beſtimmt
wurden, bie Stadt felbft aber warb verbrannt.
Bin Gelübne Eonnte nicht gebrochen werden, doch nur der Selb—
fändige ward dadurch unldslich gebunden. Wenn ein Weibsbild (Heißt
e8 Mofe IV. 30) dem Herrn ein Gelübde thut, und fi} verbindet, weil
fie in ihres Vaters Haus, und im Magdthum if, und ihr Vater, der e8
erfährt, Schmweiget dazu, fo gilt ihr Gelübde; wehrt er es aber an dem
Tage, wenn er's böret, fo gilt es nicht, und ver Herr wird ihr gnäpig
feyn, weil der Vater ihr gewehret bat. Hat fie einen Mahn, fo fann
biefer eben fo ihr Gelübde wehren. ine Wittme aber over eine Ders
flogene muß halten, was fie gelobt kat. Dem Gelübde ded Geſindes kann
ver Hausherr wehren.
Der fogenannte Zehnten ift ebenfalls als ein dem Herrn geweihtes
Opfer zu betrachten; denn er mußte vor dem Herrn gegeßen„merben
(Mofe V. 12), und was die Priefter erhielten, galt auch als ein dem
Seren Geopferted. Daß es auch jährliche Opfer der einzelnen Gefchlechter
gab (deren Zweck die Verfühnung des Kern für das einzelne Geſchlecht
ſeyn mußte), fehen wir aus ver Erzählung im erften Bude Samuelis
(20. 6), wo e8 heißt: Wird dein Vater nah mir fragen, fo ſprich:
David bat mich, daß er gen Berblehem, zu feiner Stadt, laufen möchte;
denn es if ein jährlies Opfer daſelbſt dem ganzen Geſchlechte. Die
4
523 Dpfer und Eult.
Gelegenheitsepfer waren nidht Telten, denn Glüd erforterte Dank, Unter:
nehmungen ein Erflehen des göttlihen Schutzes, und ſonſt Manches gab
Veranlagung, Gott ein Opfer darzubringen Die Tranfopfer find als die bey
den Opfern vorfommenden Spenden zu betrachten, welche auch in Griechen⸗
land und Rom durchaus gebräudlich waren. Sie beitanden bloß aus Wein.
Am Feſte, am Eabbath, ſollte Verſammlung feyn vor dem Herrn,
und das Opfer jollte da gegegen werten. Tamit die Kinder Iirael nicht
im Einzelnen für fih, wo es ihnen gut tünfte, cpferten, war dad Gebot
firenge, welches Tautet (Moſe IM. 17. 3): Wer einen Ochfen, oder Lamm,
oder Ziege ſchlachtet, und ed nicht vor die Thüre der Hütte des Stiftes
bringet, daß ed dem Herrn zum Opfer gebracht werde, der fol des
Blutes ſchuldig fen, als der Blut -vergoßen bat, und foll audgerottet
werden. Demnach maren die Opfer mit Eßen verbunden bei den Kindern
Sirael. Im erfien Buche Samuelis (Kap. 9) fagen dem nad) Samuel
foridenvden Saul Waßer holende Dirnen: Wenn ihr in die Stadt fommt,
werdet ihr ihn finden, ebe denn er binauf gebet auf die Höhe zu eßen.
Denn dad Volk wird nicht epen, bis er komme; fintemal er fegnet das
Opfer, darnach efen die, jo gelaten find. Als nun Saul den Samuel
gefunten hatte, nahm diefer ibn und jeinen Diener, und führete fie in
die Eplaube, und feste fie oben an unter die, fo geladen waren, derer
waren bei treigig Mann. Und Samuel fprady zu tem Koh: Gieb ber
dad Stud, das ih Dir gab und befahl: du ſollteſt es bei dir behalten.
Da trug der Koch eine Schulter auf, und das daran bieng. Und er legte
ed vor Saul und fprady: Siehe, das ift übergeblieben, lege vor dich, und
ig; denn ed ift auf dich behalten, eben auf diefe Zeit, da ih dad
Volk !ud. Eben fo bey den Semitiſchen Heiten, wie auch Gzechiel
bezeugt (18. 6): Der auf den Bergen nicht ißet, der feine Augen nit
aufhebet zu den Bogen des Hauſes Iſrael, und (22. 9): Verräther find
in dir, auf daß fie Blut vergiegen. Sie eben auf den Bergen, und
handeln muthwillig in dir, und im Palm (118. 28) beißt es: Sie biengen
fi an Baal Peor, und afen von den Opfern der todten Bößen. Der
Cult des Herren ſollte froͤhlich ſeyn, und nichts Trübes und Trauriged
dazu gelangen. Muflf war mit vemjelben verbunden, doch wur dieſelbe
in den älteren Zeiten nicht fehr mannigfaltig, fonvdern befland in Poſaunen
oder Trompeten, die von den Prieflern geblafen wurden (Mofe IV. 10):
Menn Thr fröhlich ſeyd an euren Feſten und in euren Netimonden; folt
ihr mit den Trompeten blafen über eure Brandopfer und Danfopfer, daß
ed euch zum Gedächtniß fey vor euerm Gott. Auch fam beym Reigen
die Paufe vor (Mofe li. 15. 20): Mirjam, die Prophetin, nahm eine
Pauke in die Hand, und alle Weiber folgten ihr nady hinaus mit Paufen
am Reigen. Und Mirjam fang ihnen vor: Laßet und dem Herrn fingen
u. f. w. Der Pofaunen, die mit den Trompeten als eins zu betradhten
And. erwähnen auch vie Pialmen (Bi. 4): Blaſet im Neumonven die
d.
Dpfer und Eule. 53
Pofaunen in unferm Feſte der Laubrüſte. David und Sammel führten
bie Saitenfpiele beym Gottesdienſt ein, und errichteten ten Chor ver
Sänger mit Harfen, Pfaltern, Combeln; Doch wurden dadurd die Trom«
peten oder Pofaunen nicht abgeſchafft. Wir Iefen im zweiten Buche ver
Chronik (29. 27): Und Hiskia hieß fie Branvopfer thun, auf tem Altar.
Und um die Zeit, da man anfteng dad Branvopfer, fieng auch an der
Gefang des Herrin, und die Trompeten, und auf mandherlei Saitenfpielen
David's, des Königs Ifrael. Und die ganze Gemeine betete an; und der
Gelang der Sänger, und dad Trompeten der Trompeter mährete Alles,
bis das Brandepfer ausgerichtet war. Auch gab es Procefflonen im Heilig«
thume, denn in den Palmen (68. 25) heißt ed: Man ftebet, Gott, wie
du einberzieheft, wie du, mein ®ott und König, einherziebeft im Heilig—
thume. Die Sänger geben vorher, darnach die Spielleute unter den
Mägden, die da paufen. (Vielleicht nach dem Vorbilde der Mirjam.) Bey
den Semitifhen Heiden zu Babylon erwähnt dad Buch Baruch (6. 3)
dad Tragen der Götter in Proceſſton: Unterdeß aber wervet ihr frhen zu
Babel, daß man auf ven Achſeln iragen wird den filbernen, goldenen und
hößgernen Gdgen. Und wenn ihr fehet das Volf, dad vor= und nachgehet,
vie Goͤtzen anbeten, fo fpredyet In euerm Kerzen: Herr, dich fol man
anbeten. Daß an Velten audy der Altar, mitunter menigftend, geſchmückt
ward, erhellt aus den Worten (Pſalm 118. 27): Schmüdet das Feſt mit
Mayen (d. i. Zweigen) bi8 an die Hörner des Altares.
Die Peierlichkeit, unter meldyer das Volk Sfrael ven Bund mit Gott
ſchloß, erzählt das zweite Bud Mole (24) alfo: Mofe ichrieb alle Worte
des Herrn, und machte fi) des Morgens frühe auf, und bauete einen
Altar unten am Berge, mit zmölf Säulen, nad) den zwölf Stämmen
Iſrael's; und fendete Sünglinge, daß fle Brandopfer darauf opferten, und
Danfopfer dem Herrn, von Barren. Und Mofe nahm die Hälfte des
Bluts, und that es in ein Beden; die andere Hälfte fprengete er auf den
Altar. Und nahm dad Bud des Bundes, und lad ed vor den Ohren
des Volks. Und da fie ſprachen: Alles, mas der Herr gefagt hat, wollen
wir thun und gehorchen; da nahm Mofe das Blut, und fprengete das
Volk damit, und ſprach: Sehet, das ift Blut ded Bundes, den ber Herr
mit euch macht, über allen dieſen Worten. Zur Befräftigung eines
Bundes ſehen wir die Blutmeihe angewendet, fonft wird gewöhnlich ein
Zeichen, gleichſam zur Erinnerung, welches den Bund in das Gedachtniß
rufen ſoll, angewendet. Als Gott mit Noah einen Bund machte, daß er
nie wieder eine Suͤndfluth wolle kommen laßen, ſetzte er den Regenbogen
zum Bundeszeichen (Mofe I. 9. 13). Als Abraham neun und neunzig
Jahre alt war, erfchien ihm Gott, und machte einen Bund mit ihm, daß
er ihm und feinem Samen dad Land Canaan zu emigem Beflge geben
wolle, und dad Zeichen des Bundes ſolle die Beſchneidung feyn, daß
jegliches Knäblein acht Tage nach der Geburt befchnitten würde (Kap. 17).
5A Opfer und Euft.
Vorher fchon Hatte der Herr (15) wegen Canaan einen Bund mit Abra⸗
ham gemacht, und alfo bekräftigt: Er ſprach zu Abraham: Bringe mir
eine vreijährige Kuh, und eine vreijährige Ziege, und einen dreijährigen
Widder, und eine Turteftaube, und eine junge Taube. Und er brachte
ihm foldhes Alles, und zertheilte e8 mitten von einander, und legte ein
Theil gegen das andere über, aber die Vögel zertbeilte er nicht. Und
das Gevdgel fiel auf vie Aaſe; aber Abraham ſcheuchte fie davon. Da
nun die Sonne untergegangen war, fiel ein tiefer Schlaf auf Abraham,
und Schreden und große Binfterniß überfiel ihn. Da ſprach Gott zu
Abraham — und machte einen Bund mit ihm. Abraham, um einen
Bund mit Abimeleh zu machen (21. 27), nahm Schafe und Rinder
und gab fie AUbimeleh, und ftellete dar fieben Laäͤmmer beſonders und
fprah: Sieben Lämmer folit du von meiner Hand nehmen, daß fie mir
zum Zeugniß feyen, daß ich diefen Brunnen gegraben habe. Als Laban
fi) mit Jafob ausſöhnte (31. 44), ſchließen fie einen Bund. Jakob
nahm einen Stein, und richtete ibn auf zu einem Mal, und Iprad zu
feinen Brüdern: Leſet Steine auf. Und fie nahmen Steine, und machten
einen Haufen, und aßen auf demfelben Haufen. Da ſprach Laban: Der
Haufe fey heute Zeuge zwiſchen mir und dir, unn fei eine Warte; ver
Herr fehe drein zwiidhen mir und dir, wenn wir von einander fommen,
wo du meine Töchter beleivigeft, oder andere Weiber dazu nimmft über
meine Töchter. Es ift bier fein Menſch mit und; fiehe aber, Gott ifl
der Zeuge zwiihen mir und dir. Derfelbe Haufe fei Zeuge, und das
Mal ſey auch Zeuge, wo ich herüber fahre zu dir, oder du herüber fähreft
zu mir über diefen Haufen und Mal, zu beſchädigen. Der Gott Abra>
bam’d, und ber Gott Nahor'd, und der Gott ihrer Väter fey Richter
zwilchen und. Und Jakob ſchwur ihm bei der Burcht feines Waters Iſaak.
Und Jakob opferte auf dem Berg, und lud feine Brüder zum Een. Lind
da fie gegeßen hatten, blieben fie auf dem Berg über Nadıt.
Jeder Schwur ftand unter Gotted Schuß, doch waren manchmal noch
befräftigende Gebräuche damit verknüpft. So fagt Abraham in feinem
hoben Alter zu feinem älteften Knechte (Mofe I. 24. 2): Lege deine Hand
unter meine Hüfte, und ſchwöre mir bei dem Herrn, dem Gott des
Himmeld und ter Erde. Chen fo läßt (47) Jakob feinen Sohn Iofeph
bie Sand unter feine Hüfte legen, um ihm zu verfpredhen, ihn nicht in
Aegypten zu begraben.
Die Beſchneidung war die unerläßliche Bedingung für die Kinder.
Sfrael, um des Bundes, den Gott mit ihnen gemacht hatte, theilhaft zu
werden, denn Gott felbft Hatte es fo angeorbnet. Die Aegypter hatten
aud) dieſen Brauch, und eben fo vie für eine Colonie derſelben geltenden
Kolder. Herodot fagt (II. 104): Die Kolcher, Aegypter und Aethiopen
find urfprünglid die einzigen Völker, welche ſich befchneivden. Die Phö-
nifer und die Syrer in Paläflina befennen, daß ſie es von ven Aegypten
Opfer und Euflt. 55
gelernt haben, die Syrer aber am Thermodon und Parthenios, und die
Nachbarn derielben geben an, daß fie es erft vor Eurzer Zeit von den
Kolhern gelernt hätten. Die Phönifer, melde mit den Hellenen vers
fehren, beſchneiden fih nit. Die Semitiichen Heiden Ganaan’d und die
Philiſter hatten die Beſchneidung nicht; fo fagt z. B. Jonathan von den
Philiftern (Samuel I. 14. 6): Laß uns hinübergehen zu dem Lager dieſer
Unbeſchnittenen; und ebendaſelbſt (17. 26) heißt ed: Wer ift ver Philiſter,
diefer Unbefchnittene? Bei ven Heiden mag ſich ver Brauch auf die Sühne
durch Blut beziehen, durdy die man Unfegen abwenden, Gegen und
Srucdtbarfeit erwerben wollte, und man mochte, da der Phallus das Bild
ver Bruchtbarfeit war, die Beſchneidung als ein Opfer von Menfchen für
beſonders wirffam halten, jo daß ed das Menichenopfer felbft vertreten
fonnte,; denn ed ward in vieler Weile eines Seglichen Blut ver Gottheit
geopfert. Der Gläubige des Moſaismus bat jedoch vieles blutige Opfer
ald ein Gebot Gottes zu halten, ohne e8 zu erklären. Auch bey Bäumen
- fand ein Brauch flatt, den man mit dieſem verglih. Eines der Gebote
Gotted lautet nämlich (Moſe II. 19 23): Wenn ihr ind Land fommet
und allerlei Bäume pflanzet, Davon man ifer: folt ihr verjelben Vorhaut
beichneiden, und ihre Früchte. Drei Jahre folt ihr fie unbeichnitten
abten, daß ihr fie nicht eßet. Im vierten Jahr aber folen alle ibre
Brüchte heilig und gepriefen feyn vem Herrn. Im fünften Jahr aber
jolt ihr vie Früchte eßen, und fie einiammeln.
Die Heiligkeit Gotted erforterte, dan Alles, was fih ihm nabte,
heilig und rein fey, weßbalb fib denn der Begriff der Reinigfeit bey ven
iraeliten auf das Strengfte ausgebilter hatte. Sollte der Xeib und die
Kleivung von aller Unreinheit frei feyn, fo folte auch jelbft dad Shen an
Reinheitövorfchriften gebunden feyn. Neben dem Gebote zum Beyfpiele
(Mofe 11. 19. 10 und 15): Gehe Hin zum Volf, und heilige fie heute
und morgen, daß fie ihre Kleider walchen, und bereit feyen auf-den dritten
Tag; und Keiner nahe fih zum Weibe, denn am dritten Tage wird der
Herr herabfahren auf ven Berg Sinai; finyer ſich ein fehr genaues Geſetz
über reine und unreine Thiere (Mofe II. 11): Wer eined unreinen
Thiers Aas anrührte, war unrein bi8 an den Abend und mußte fidh mit
Waßer reinigen; aber auch des reinen Thiers Aas vrrunreinigte eben fo.
Als allgemeine Sapung ift ausgeſprochen (Mofe II. 22. 31): Ihr folt
heilige Leute vor mir feyn; darum folt ihr Fein Fleiſch eBen, dad auf
dem Felde von Thieren zerrißen ifl, fondern vor die Hunde werfen.
Dagegen heißt ed (Il. 11. 39): Wenn ein Thier flirbt, dad ihr eßen
möget, wer von folhem Aas ißet, der fol fein Kleid wafchen, und wird
unrein feyn bis an den Abend, fo daß dieſes Een nicht mehr veruns
reinigte, als die Berührung. Don Thieren des Landes durften fie eßen
alle, welche wiederfäuen und gefpaltene Klauen haben; die aber nicht,
weldhe nur eine von beyden Eigenſchaften haben, und darum war ver⸗
56 Opfer und Eult.
boten: Stameel, Kaninchen, Haafe, Schwein. Bon Fiſchen waren die mit
Floßfedern und Schuppen erlaubt zu een, und unter den Vögeln durften
nicht gegeßen werden: Adler, Habicht, Fiſchaar, Beier, Weihe, Rabe,
Strauß, Nachteule, Kukuk, Sperber, Käuzlein, Schwan, Uhu, Fledermaus,
Nohrdommel, Storch, Reiher, Heher, Wiedehopf, Schwalbe. Berner war
verboten, was fih reget unter den Bögeln und gebet auf vier Füßen,
mit Ausnahme der vierfüßigen DBögel, die nicht mit zwei Beinen auf der
Erde hüpfen, als da finn: Arbe, Selaam, Hargol, Hagab. Berboten
waren die Thiere, die auf Tappen gehen, auch die auf Erden kriechen,
als: Wiefel, Maus, Krödte, Igel, Mol, Eidechs, Blindſchleich, Maul:
wurf, und Alles, was auf Erden fchleidht, orer auf dem Baudhe Friedht,
auch wenn e8 dabei auf vier oder mehr Füßen gebt. Alles, was folcdher
Thiere Aas berührt, ward unrein, ſogar wenn ed naßer Samen iſt, den
man gefäet bat; denn den trodenen verunreinigte es nicht, und eben fo
wenig Brunnen, Eiflernen und Teiche. Bett vom Befte durfte nicht auf
den nächſten Tag übrig bleiben (Mofe II. 23. 18), als ob es durch biefe
furze Zeit unrein würde. Auch lagen viefen Geboten mandymal ſcheuvolle
Empfindungen zu Grunde, weldye nidht von dem Begriff einer Unreinheit
und eine Wiverwillend gegen die Sade an und für fi audgiengen.
So heißt es (Mofe II. 23.19): Du foift das Bödlein nicht kochen, fo
lang e8 jäugt. (II. 20. 14): Wenn Jemand ein Weib nimmt und ihre
Mutter dazu, der bat ein Laſter verwirft; man fol ibn mit Feuer ver-
brennen, und fie beyve au, daß fein Laſter fey unter euch. Unnatur
in der Verirrung des Gefchlechtötriebes war bey ſchwerer Strafe verboten,
der Tod fland darauf. Bon fihöner mitleiviger Scheu zeugt das Gebot
(Ill. 22. 28): Ochſe oder Lamm fol man nidyt mit feinem Jungen auf
einen Tag ſchlachten. (V. 22. 6): Wenn du findeft ein Vogelneſt mit
Jungen oder mit Eiern, und die Mutter darauf, fo ſollſt du nicht die
Mutter mit den Jungen nehmen, fonvern fie fliegen laßen, und bie
Jungen nehmen, auf daß dir’! wohl gehe, und du lange lebeſt. Unrein
galt die Vermifchung der Natur und jede Verfehrung verfelben, als
würben dadurch die Werfe des Herrn befudelt. Nicht nur Mifchthiere,
fondern ſelbſt Mijchkleiver u. a. m. waren verboten. (MI. 19. 19): Du
foAft dein Vieh nicht Tagen mit allerlei Vieh zu fhaffen haben; und dein
Feld nicht befäen mit allerlei Samen, und fein Kleiv an dich kommen
lagen, das mit Wolle und Leinen gemenget if. (V. 22. 10): Du fol
nit adern zugleih mit einem Ochſen und Eſel. Gin Weib fol nicht
Manndgeräthe, und ein Mann fol nicht Weiberfleiver anthun, denn wer
ſolches thut, ver ift dem Herrn ein Gräuel.
.d
87
Tempel ‚ Altäre, Gerätbe, Bilder.
Wie wir nur wenig von der Religion und dem Eult der Semitifchen
Völker erfahren, fo auch von ihren Tempeln, ımd wir müßen von dem
vurh den König Salomo zu Jerufalem erbauten Tempel auf vie ver
anderen Semiten ſchließen, was uns aber zu thun erlaube ift, weil ver
Jiraelitifhe Cult ſich zwar weſenilich durch den Gegenſtand der Anbetung,
nicht aber eben fo durch feine äußere Einrichtung unterfchievn. Als Haupt⸗
fahe de8 Tempels dürfen wir überall bey diefen Völkern vorausfegen ein
innere8 Gemach als Ullerbeiligftes, imo die Gottheit wohnte, und welches
baher dem Volke nidyt zugänglid war. Auch mußten alle Tempel Altäre
haben, auf weldyen die Opfer dargebracht wurden, und wenn ed AUltäre
oßne Tempel geben Eonnte, fo doch nicht umgekehrt, denn zur Verehrung
der Gottbeit gehörte durchaus ein Altar. Daher werden Altäre fchon
früher als Tempel erwähnt, z. B. als Noah aus dem Kaften gieng
(Mofe I. 8), bauete er dem Herrn einen Altar und opferte Brandopfer.
Don Abraham wird erzählt (IL. 12. 7): Da erfchien ter Herr Abraham und
ſprach: Deinem Samen will ich dieß Rand geben. Und er bauete daſelbſt
dem Herrn einen Altar, der ihm erihienen war. Darnach zog er in die
Nähe von Bethel, und bauete daſelbſt dem Herrn einen Altar, und pres
bigte von dem Namen des Herrn. Bei dem Zuge der Klinver Iſrael aus
Aegypten nad) Canaan fchlug Joſua die AUmalefiter, indem Mofe auf einer
Höhe feine Hände emporbielt (MI. 17). Darauf baute Mofe einen Altar
daſelbſft, und bie ihn: Der Herr Nifft (d. i. der Herr ift das Zeichen,
das Welpzeichen over die Fahne). Denn er ſprach: Es iſt ein Malzeichen
bey dem Stuhle des Heren, daß der Herr ftreiten wird wider Amalef
von Kind zu Kinvedfind. Auf dem Berge Sinai fagt Gott zu Mofe
(I. 20): @inen Altar von Erde made mir, darauf du opferfl. Denn
an welchem Ort ich meines Namens Gevächtnig fliften werde, da will
ih zu dir fommen und dich fegnen. Und fo du mir einen fleinernen
Altar willſt machen, folft du ihn niht von gebauenen Steinen
bauen; denn wo du mit deinem Meer darüber fähreft, fo wirft du ihn
entweihen. Du ſollſt au nidt auf Stufen zu meinem Altare fleigen,
dag nicht deine Scham aufgevedet werde vor ihm.
Herumziebende Sirtenvölfer, welche feinen Tempel haben Fonnten,
mochten Altäre aus Erde oder unbehauenen Steinen leicht errichten, ihren
Bötterbildern aber Zelthütten zur Wohnung maden, und auch die Ifrae⸗
liten auf ihrem Zuge nach Canaan errichteten auf den Befehl des Herrn
eine Art Zelthütte und zugleich Bretterhütte zur Wohnung Gotted, um
60 Tempel, Altäre, Gerätbe, Bilder.
Der Brandopferaltar (27), der zu der Stiftöhütte gehörte, war von
Foͤrenholz, fünf Ellen lang, eben fo breit und drei Ellen hoch, mit Erz
überzogen, hatte vier Hörner an den vier Eden und war umgeben mit
einem netzaͤrtigen Erjgitter, das bis zur Mitte feiner Höhe reichte. Man
trug ihn mit erzüberzogenen Yörenflangen, die durch vier Erzringe giengen,
und die dazu gehörigen Afchentöpfe, Schaufeln, Beden, Bleifhgabeln und
Kohlpfannen waren von Erz. Außer dieſem hatte die Stiftshütte einen
Räuchaltar von Förenholz mit Gold überzogen, eine Elle lang, eben fo
breit, und zwei Ellen hoch mit vier Hörnern und einem Kranze von Gold,
unter welchem an beyden Seiten fih zwei goldene Ringe befanden zum
Tragen mit golvüberzogenen Börenftangen. Er ftand vor dem Vorhange
des Allerheiligften, und der Priefler räudherte jenen Morgen und Abend
darauf, mann er die Nampen zurichtete, zu nichts Anderem aber durfte er
gebraucht werben, felbft nicht zu einem andern Räuchopfer, und die Hörner
diefes Altares wurden jährlih einmal mit dem Blute des Sünpopfers am
Verſöhnungéfeſt entjünrigt. Das Näuchmerf aber beftand aus Balſam,
Stacten, Galben und reinem Weitraudy zu gleichen Theilen, zerftoßen
und untereinander gemengt, und ed durfte daffelbe zu einem andern
Gebrauch, ald für diefen Altar, nicht zubereitet werden; denn fo lautete
die Drohung: Wer ein foldhed maden wird, Daß er damit räuchere, ver
wird audgerottet werden aus feinem Volke. Zmifchen der Stiftshütte und
dem Altare befand fidy ein ehernes Handfaß mit einem ebernen Fuße,
worin Waßer war für vie Priefler, welche fid) Hände und Füße waſchen
mußten, ebe fie in die GStiftshütte oder zum Näudyaltare traten (30).
Diefe Wohnung des Herrn hatte auch einen Hof, einen Umhang von
weißer Seide, gegen Mittag und Mitternacht von je hundert Ellen Breite,
mit je zwanzig Säulen, deren Buße von Erz waren, vie Knäufe aber mit
Tiſch, auf welchem die Brode ausgeftellt find, weil die Windhauche von
Norden her die nährendften find. Die heilige Lade zeigt die der Einſicht
erfennbare Welt an, die der Menge verborgen und verfchloßen ift. Jene
goldenen Bilder, deren jedes fechsflügelig ift, bedeuten die beyden Bärinnen,
wie Manche wollen, vder, was eher der Fall feyn mag, die beyden
Hemifphären, und der Name Cherubim bedeutet viele Erfenntniß. Zwölf
Flügel haben beyde, und bedeuten durch den Thierfreis, und die durch
denfelben gehende Zeit, die wahrnehmbare Melt. In dieem Tone geht
es weiter fort, aber ed mag das angefuhrte Stück diefer Auslegung
genügen, die Art von Deutungen, welche eine fpäte Zeit verfuchte, zu
bezeichnen. Natürlich) machten die Leute, welche dergleichen vorbrachten,
Anfprüce darauf, philofophifh in die vorliegenden Gegenſtände einzus
bringen und ihren Sinn zu erfennen. Der unbefungene Lefer aber wird
aus dieſen unnüßen, faft findifchen Hirngefpinnften erfennen, daß jene
Leute eben nicht viel gefcheidter waren, als unfere neumopdifchen Mytho⸗
logiephilofophirer mit ihrem Findifchen und dummen PBlunder.
Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 61
ifren Reifen von Silber. Gegen Abend war er fünfzig Ellen breit
und hatte zehen Säulen, gegen Morgen war er in drei Theile getheilt,
an jeder Seite fünfzehn Ellen breit mit je drei Säulen; bie Mitte aber
als Thor hatte einen Vorhang, zwanzig Ellen breit, von weißer und
gelber Seide, Scharlaken und Roſinroth, mit vier Säulen auf ebernen
Füßen, fo wie au alle Nägel der Hütte und des Hofes von Erz waren.
Die Höhe dieſes Hofes betrug fünf Ellen. Wie der Priefler durch Sal-
bung gebeiligt ward und ver DBethelftein zu einer Gedächtnißſtätte der
Gottheit, jo auch viele Wohnung des Herrn und ihr Geräthe. Diefes
Salböl ward bereitet von einem Hin Del, fünfhundert Sedel der evelften
Myrrben, eben fo viel Eaften, halb fo viel Cinnamet und halb jo viel
Kalmus, und ed wurde damit die Hütte, die Lade, der Tiſch mit feinen
Geräthen, der Leuchter mit feinem Geräthe, der Räuchaltar, der Brands
opferaltar mit feinem Geräthe und das Handfaß gefalbt und geweiht, fo
daß fein Ungeweihter fie anrühren bürfte. Dieſes Salböl durfte zu nichts
Anderem gebraucht werden, und auch eine anderweitige Zubereitung mar
unterfagt und dem Uebertreter tie Ausrottung von feinem Volke gedroht.
Zur Herflellung dieſes Heiligthumes ward dem ganzen Volk eine Hebe
anbefohlen, d. I. ein freimiliges Opfer; zur Unterhaltung der Hütte und
des Gottesvienftes aber mußte Jeder, wenn die Kinder Iſrael gezählt
wurden zur Verfühnung feiner Seele (denn Zählen war bedenklich und
fonnte Verderben bringen), als Hebeopfer einen halben Sedel geben,
und der Reiche durfte nicht mehr, der Arme nicht weniger geben. Zur
Einweihung dieſes Heiligthums opferten die zwölf Oberften der Stämme
Iſrael während zwölf Tagen, jeder an einem Tage eine filberne Schüffel,
hundert und dreißig Sedel werth, eine filberne Schale, ftebenzig Sedel
werth, beyde voll Semmelmehl mit Del gemenget zum Speißopfer; dazu
einen goldenen Löffel, zehen Sedel Goldes werth, vol Räuchwerf; einen
Vurren, einen Wider, ein jühriges Lamm zum Brandopfer; einen Ziegen-
bo zum Sündopfer, und zum Danfopfer zwei Rinder, fünf Widder, fünf
Bode und fünf jährige Lämmer.
Zogen die Kinder Ifrael weiter, fo gieng der Priefter in die Hütte,
nahm den Vorhang ab, "und widelte die Lade darein, wand die Dede von
Dachsfellen herum, breitete eine gelbe Dede darüber und legte die Stangen
dazu; auf den Schaubrodtifch breitete er ebenfalls eine gelbe Dre, und
legte die Geräthe und das tägliche Schaubrod dazu, that eine rofinrothe
Dede darüber und zulegt eine Dede von Dachöfelen, und legte vie
Stangen dazu, und eben fo wurden der Leuchter, ver Räuchaltar und alle
Geräthe in gelbe Deden mit Dachsfelldecken varüber gewidelt; doch über
den Brandopferaltar fam, nachdem die Aſche davon gefegt war, eine
Scharlachdecke, mit ver Dachsfeldede darüber. Der Stamm Kahaths unter
den Leviten mußte dann die eingewidelten Heiligtümer tragen, und der
62 Tempel, Altäre, Gerätbe, Bilder.
Stamm Gerfon hatte die Teppiche der Hütte und des Hofe, und was dazu
gehörte, fortzufchaffen (IV. 4), der Stamm Merari aber die Bretter,
Säulen, Riegel und Nägel. Zu diefer Fortſchaffung erhielt ver Stamm
Gerfon zwei Wagen (IV. 7) und vier Rinder, der Etamm Merari vier
Wagen und acht Rinder, melde die zmölf Oberflen der Stämme als ein
Opfer dargebracht hatten. Die Aufrichtung der Stiftshütte befahl Gott
auf den erften Tag des erflen Monatd (I. 40. 2).
Gin wirflider Tempel ward bey den Sfraeliten erfl erbaut durch
David’d Sohn, den König Salomo, in einer Zeit von fleben Jahren
(erftes Buch der Könige, 6), und biefer war ſechszig Ellen lang, zwanzig
breit und dreißig hoch, vorn mit einer zehen Ellen breiten Halle von
zwanzig Ellen Länge, und hatte Benfler, die auswendig enge, inwendig
weit waren. Ringd um Tempel und Chor lief ein Umgang mit einer
Außenwand, und der unterfle Gang war fünf Ellen weit, ver mittelfte
ſechs, der dritte fleben, denn er legte Balken außen am Haus umper,
daß fle nicht an der Wand des Haufes fi hielten. Un ver rechten Seite
mitten am Haufe war ein Thüre, wo man auf einer fleinernen Wenvel-
treppe hinauf gieng auf den Mittelgang, und von dieſem auf den dritten.
Oben auf dem ganzen Haufe herum war ein Gang, fünf Een body, und
e8 war mit Cedernholz gevedt, wie es auch aus Cedern- und Tannenholz
mit einem Grunde von gehauenen Steinen erbaut war, inwendig mit
Gevernholz getäfelt, mit geprehten Knoten und Blumenwerf, daß man
feinen Stein ſah, und das ganze Haus war inmwendig vergoldet. Selbſt
die Thürangeln im Wferkeiligften und an der Thüre des Haufes des
Zempeld waren von Gold. Der Chor und das Allerheiligfte befanden ſich
binten aus Cedernholz, und betrugen zwanzig Ellen (an Ränge, Weite
und Höhe), aljo den britten Theil der Länge, und waren mit lauterem
Gold überzogen; vergolvete Riegel aber liefen vor vemfelben ber, und
davor fland der Altar von Cedernholz mit Gold überzogen; im Chore
felöft aber, wo die Lade fand, maren zwei Cherubim von Delbaumbolz,
jeder zehen Ellen body, und von einem der audgebreiteten Flügel bis zur
" Spige des andern zehen Ellen breit, vergoldet, welche die ganze Breite
des Chord einnahmen, und an allen Wänvden des Haufed war Schnig-
werf, Cherubim, Palmen und Blumenwerk inwendig und auswendig.
Der Boden des Hauſes war Inwendig und auswendig mit Goldblech über-
zogen. Am ingange ded Chores waren zwei Thüren von Oelbaumholz
mit fünfeligen Pfoften mit Schnigwerf, welches Cherubim, Palmen und
Blumenwerk vorftellte, und fie waren mit Golvbleh überzogen. Im
Eingange des Tempels fanden vieredige Pfoften von Oelbaumholz und
fanden ſich zwei Thüren von Tannenholz, jede von zwei Blügeln, ebenfalls
mit Cherubim, Palmen und Blumenwerf geziert, und mit Gold überzogen.
Auch hatte der Tempel einen Hof von drei Reihen gehauener Steine und
Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 63
einer Reihe gehobelter Cedern. Bor die Tempelballe ſetzte Salomo rechts
und links eine eherne Säule, jede achtzehen Ellen hoch, zwölf Ellen von
Umfang, mit einem fünf Ellen hoben ehernen. Knauf, vier Ellen did
(mie die Rofen vor der Halle), woran ſich ſieben geflochtene Reifen, wie
Ketten, befanden. Um den mittelften Neif am Bauche des Knaufes Tiefen
zwei Reiben Granatäpfel, oben und unten am Reife, zweihundert an
Zahl. Zum Wafchen der Prieſter ließ der König ein fogenanntes Meer
aud Erz, von der Dice einer Hand, zmweitaufend Bath haltend, giefen,
zeben Ellen weit von einem Rand zum andern, mit zwei Reihen Knoten
am Rande; diefer aber war wie eined Bechers Rand, wie eine aufges
gangene Roſe, und ed ward auf zwölf eherne Rinder geftelt, vie je brei
nad den vier Weltgegenden fahen, die Hintertheile nad) innen gekehrt.
Auch lieg Salomo zeben Keßel aus Erz gießen, vier Ellen groß und
vierzig Bath haltend, und fie auf eherne Geftühle flellen, die vier Ellen
lang und breit und drei Ellen hoch waren, und vier anderthalb Ellen
hohe Räder hatten. An den Seiten der Geftühle aber waren Leiſten oben
und unten und Füßchen daran, zwifchen den Leiſten Löwen, Ochſen und
Cherubim. Der Hals mitten auf dem Geflühle war eine Elle hoch und
rund, anderthalb Ellen von Umfang, mit Verzierungen in vieredigen
Beldern zwifchen Leiſten, gerade in der Mitte der Höhe, ringäherum,
beftebend in Cherubim, Löwen und PBalmbäumen. Berner wurden Töpfe,
Schaufeln, Beden von Erz gemacht, dann ein goldener Altar und ein
goldener Schaubrodtiſch, und zeben goldene, mit Blumen, Lampen und
Schnäuzen verfehene Leuchter, fünf rechts, fünf links vor dem Chor, und
überdie8 goldene Schalen, Schüffeln, Beden, Löffel und Pfannen.
Als Alles beendigt war, that Salome, was fein Vater David an
Silber und Gold und an Gefäßen geheiligt hatte, in den Tempelſchatz
und weihte ihn ein, indem er alle Aelteſten und Oberften der Stämme
- and Fürſten der Väter nach Jeruſalem Fommen lieg, die Bundeslade aus
der Stadt David’s, die auf der Höhe Zion war, in den Tempel auf ber
Höhe Morija zu bringen. Die Priefter und Leviten fchafften dieſe und
die Stiftshütte mit allem Geräthe dahin, und Salomo gieng mit der
ganzen Gemeine vor der Lade her, und fie opferten Schafe und Rinder,
fo viel, daß man fie nicht zählen fonnte. Als die Priefter die Lade mit
den zwei fleinernen Geſetztafeln in dad Allerheiligfte gebracht Hatten und
berausgiengen, erfüllte eine Wolfe da8 Haus des Herrn (IV. 8), daß
die Priefter nicht leben und ihres Amtes pflegen Fonnten, denn die Herr⸗
lichkeit des Herrn erfüllte das Haus. Da ſprach Salomo: Der Herr hat
geredet, er wolle im Dunkeln wohnen, und wandte fich zur Gemeine und
fegnete fte, und die ganze Gemeine fland. Hierauf trat er vor den Altar
gegen die ganze Gemeine, breitete feine Hände aus gen Simmel und
betete zu Bott. (Das zweite Buch der Chronik [7] fügt Hinzu: Und ba
64 Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder.
Salon audgebetet hatte, fiel ein Feuer vom Himmel, und verzehrete das
Brandopfer und andere Opfer, und die Herrlichkeit des Herrn erfüllete
das Haud. Auch fuhen ale Kinder Ifrael das Teuer berabfallen, und
die Herrlichkeit ded Herrn über dem Hauie, und fielen auf ihr Antlig
-und bettten an. Bey der Einweihung des Tempels flanden die Leviten,
fo wird hier erzählt, mit den Saitenfpielen und fangen Pfalmen Daviv’s,
und die Priefter bliefen Trompeten gegen ibnen.) Dann opferte der König
und dad Volk Danfopfer, und das des Königs belief fih auf zwei und
zwanzig taufend Ochſen, und hundert und zwanzig taufend Schafe. Nun
weihte er an demfelben Tage den Mittelbof vor dem Tempel, mit Brand⸗,
Speis⸗ und Danfopfern daſelbſt; denn der eherne Altar, der vor dem
Herrn fland, war zu klein für alle dieſe Opfer. Auch machte der König
mit ganz Ifrael ein Beft, eine große Verſammlung fieben Tage und noch
fieben Tage. (Das zweite Buch der Chronik [7] giebt an, daß die Ein-
‚weihung des Altares fieben Tage gedauert, und das Feſt weitere fieben
Tage )
Als Ierufalem Hauptfiß des jüdiſchen Reiches durch David geworben
war, hatte dieſer König auf der Höhe Zion eine Hütte errichtet für bie
Lade, deren Name war (fo wird in dem zweiten Bucdhe- Samuelid [6]
angegeben): Der Name des Herrn Zebaoth wohnet darauf über ven
Cherubim. Vorher war fie zu Giben, in dem Haufe Abi⸗Nadab's, und
David fammelte alle junge Mannſchaft in Iirael, dreißig taufend, und
hole fie daſelbſt ab. Damals aber ward fie nicht getragen, ſondern auf
einem neuen Wagen gefahren, den Abi⸗Nadab's Söhne, Uſa und Ahio,
trieben, welcher legtere vor ver Lade hergieng; David aber und das ganze
Haus Iſrael fpielten vor dem Herrn ber mit allerlei Saitenfpiel von
Tannenholz, mit Harfen und Pfaltern und Pauken und Schellen und
Eymbeln. Und da fie famen zur Tenne Nachon's, griff Ufa zu und hielt
die Lade, denn die Rinder traten beifeit aus. Da ergrimmte der Zorn -
des Herrn über Uſa, und Gott flug ihn daſelbſt um feines Frevels
willen, daß er flarb. David ward betrübt und fürdhtete ſich, fo daß er
die Lade nicht nach Ierufalem zu bringen fi getraute, fondern Tieß fie
im Haufe Obed-Edom's, des Gathiterd. Als nun aber der Herr biefen
und fein ganzes Haus feegnete, gieng der König nad drei Monaten bin,
fie abzuholen. (Diesmal jedoch Tieß er fie, wie Mofe geboten hatte, durch
die Leviten tragen, Chronik I. 16.) Und da fie einher zogen ſechs Gänge,
opferte man einen Ochſen und ein fettes Schaf. (Die Chronik fagt: Da
Gott den Keviten half, die die Lade des Herrn trugen, opferte man ſieben
Varren und fleben Widder.) Und David tanzte mit aller Macht vor dem
Herrn ber in einem leinenen Leibrock, und unter Jauchzen und Pofaunen
(Trompeten, Gymbeln, Pfaltern und Harfen) zog die Lade bin, und bie
tragenden Leviten und bie Sänger hatten leinene Kleiver an. Davip’s
Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 65
Weibe Michal, melde ihren Gatten tanzen ſah und fpringen, kam es
verächtlich vor, und fie fpottete fein, und fprach zu ihm: Wie herrlich
ift Heute der König von Iſrael gemeien, ver ſich vor den Mägden feiner
Knechte entblößet hat, wie fi die loſen Leute entblößen. David aber
ſprach: Ich will vor dem Herrn fpielen, der mich ermählet hat, ein Fürft
zu ſeyn über Iſrael; und will noch geringer werden denn alfo, und will
niedrig feyn in meinen Augen, und mit ven Mägven, davon du gerebet
baft, zu Ehren werden, und befam fein Kind. Die Lade aber ward in
der dazu errichteten Hütte aufgeftelt, und David opferte Brandopfer und
Dantopfer, fegnete das Volk alsdann im Namen des Herrn Zebaoth,
und tbeilte aus allem Volke, Mann und Weib, jedem einen Brodfuchen,
ein Stück Tleifh und ein Nöfel Wein. In fpäter Zeit, ald König
Antiohud über vie Juden berrichte und pas Heidenthum in dem Tempel
zu Ierufalem eingeführt war, wurde verjelbe als ein Tempel des Olym⸗
piſchen Zeus, fo wie der Tempel auf Garizim als einer des gaftlichen
Zeus geweiht, weil Fremde (Gäfte) daſelbſt wohnten (Marcabäer II. 6).
Die Juden aber hielten wieder Gottesvienft zu Miſpath, wie vor geiten,
ebe der Tempel erbaut war; ald jevod Judas Maccabäus Ierufalem
eroberte, ließ er, wiemwohl der Feind noch in der Burg war, das Heilig⸗
thum reinigen, durch Priefter, welche dem heiligen Geſetze treu geblieben
waren (Maccabäer I. 4). Diefe trugen den Gräuel und die unreinen
Steine weg an unbeilige Drte. Den entweihten Altar ri man zufammen,
und bewahrte die Steine bey dem Tempel an einem befondern Orte, bis
ein Prophet fäme, der anzeigte, was man damit thun follte Nun bauten
fie au8 neuen unbehauenen Steinen, dem Geſetze gemäß, einen andern
Altar, und erneueten alle Geräthe, worauf das Einmweihungsfefl des neuen
Altar acht Tage gefeiert und der Tempel mit goldenen SKränzen und
Schildern gefhmüdt ward. Auch für die Zufunft wurde der fünf und
zwanzigfte ded Monates Casleu, an welchem dieſes Feſt begonnen hatte,
beſtimmt, um an ihm zu beginnen, die achttägige Beier des Altares mit
Freuden und Danffagung zu begehen. Das Opfer aber warb mit Gefang,
Pfeifen, Harfen und Enmbeln angerichtet, und an den Beften trugen fie
Maien und grüne Zweige und Palmen.
Zu dem Opfer gab es ein geheiligtes Teuer des Tempels, wenigflene
in fpäterer Zeit, wie wir aus dem zweiten Buche der Maccabäer erfehen;
denn als der Tempel gereinigt war (Kap. 10), nahmen fie Feuerſteine
und ſchlugen Feuer zum Opfer. Zu dieſer Zeit ward auch erzählt, daß
Nehemia nach ver Gefangenschaft an dem nämlichen Tage des Monates
Easleu das Beuer gefunden babe, als er Tempel und Altar wieder
herſtellte. Als nämlich die Sfraeliten nach Perſien mweggeführt wurden
(Maccab. I. 1), verftedten vie Prieſter das Beuer vom Altar in eine
tiefe trockene Grube, daß ed Niemand erführe. Nehemia nun fehidte die
IV. 5
66 Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder.
Nachkommen diefer Priefter, es zu fuchen. Aber wie fie uns berichtet
haben, haben fie fein Feuer, fonbern ein dickes Waßer gefunden. Daffelbe
bieg er ſie fchöpfen, und ald er zum Opfer bereit war, über das Holz
und dad Opfer gießen, und als dies geſchehen und die Sonne wohl ber-
aufgefommen war, zündete fi} ein großes Feuer an, welches das Opfer
verbrannte. Das übrige Waßer hieß Nehemia auf die großen Steine
gießen; da gieng auch eine Flamme auf, ward aber von dem Beuer auf
dem Altare verzehrt. Eben fo erzählte man damals (Kap. 2), daß ver
Prophet Jeremia denen, die weggeführt wurden, gebeißen habe, das Feuer
mitzunehmen, jo wie die Hütte des Stifts und die Lade. Als fie nun
an den Berg famen, morauf Mofe geweien, fand Jeremia eine Höhle,
darein verſteckte er die Hütte, die Lade und den Räudaltar, und verfchloß
das Loch. Bey ter Tempelreinigung und neuen Einweihung durch König
Hisfia und König Joſia ift feine Rede von dem Feuer, fo wenig, als in
dem Buche von Nehemia over Eira.
Daß der Tempel Palmen und Delzweige batte, erfahren wir aus
dem erflen Buche der Maccabäer, denn es heißt (IT. 14) von dem abge-
falenen Sobenpriefter Alcinus, er fey zu dem Könige Demetriud gezogen,
und habe ihm eine goldene Krone und Palmen und Delzweige gebracht,
welche in den Tempel gehörten. (I. 13. wird nur die goldene Krone mit
den Palmen genannt.) Palmzweige dienten auch bey freudigen Belegen:
heiten, z. B. ald Simeon, der Maccabäer, die Burg zu Serufalem wieder
erobert. hatte, zog er hinein mit Lobgefang und Palmenzweigen und allerlei
Saitenfpiel (Maccab. I. 13). Ob die Sfraeliten mit ven Palmen eine
ee ausdrücken wollten, und ob, wenn dieſes der Ball gewefen, eine
folhe aus ihrer Vorzeit herſtammte, over ob fie folhe nur als einen
Schmuck betrachteten, Tann man aus ihren Ueberlieferungen nit erfehen.
Bey den Aegyptern hatte die Palme eine wichtige Bereutung, denn fie
bezeichnete dad Jahr, und Fam daher bey Zeitfeflen und auch fonft häufig
vor, und da alles Leben nach der georbneten Zeit gerechnet wird, fo war
die Palme eind ver bedeutendſten Sinnbilder. Ob nun diefe Palmen,
die zum Tempelfchmude dienten, und die Delzweige und Granatäpfel bloß
zum Schmuck angebradjt waren, over nicht, müßen wir, wie gejagt, dahin-
geftelt fein Taßen. Daß der Delzweig ein Sinnbild ded Friedens bey
mehreren alten Völfern war, ift befannt, und die Taube, weldhe Noah
aus dem Kaften ließ (Tauben galten ald Boten, 3. B. durchaus in
Aegypten), brachte, als das Gewäßer fich fenfte, einen Delzweig, was
als Sinnbild des Friedens nach fo großer Zerflörung ſich recht gut eignen
würde. Die Cherubim dienten in dem Allerheiligſten zum Schmude des
Gnadenſtuhls, und waren, wie wir gelefen haben, auch außerdem ein
Hauptſſchmuck in dem Tempel. Diefe aber hatten urfprünglich eine finn-
bildliche Bedeutung, welche jenoch für und zweifelhaft geworben iſt, weil
Tempel, Altäre, Gerätbe, Bilder. 67
a8 Grundweſen ihrer Geftalt uns nirgends angegeben wird. *) Im erften
Buche Moje (3. 24) Heißt e8 zwar: Gott lagerte vor dem Garten Even
2) Gering ift die Zahl der Sinnbilder, welche wir bey den Semiten finden,
was entweder daran liegt, daß wirklich die Zahl derfelben nicht größer
war, oder daß bey den hoͤchſt mangelhaften Nachrichten manche für ung
verborgen geblieben find. Daß wir bey der munnigfaltigen Berührung
der Semiten mit den Negyptern, das Hegyptifche Sinnbild des Lebeng,
das fogenannte Henkelkreuz, ehemals Nilfchlüßel genannt, nicht bey den
Semiten finden, fann einigermaßen fonderbar erfcheinen. Diefes Sinnbild
ift fo Schwer zu erflären, daß nur unfichere Bermuthungen darüber vor:
gebracht werben Fünnen, weßhalb ich es unterlagen habe, meine Ber:
muthung über die Entſtehung beffelben in meiner Darftellung der Aegyp⸗
tifhen Mythologie vorzubringen. Wegen einer Abhandlung des Herrn
Lajard in Paris, deren Inhalt ich nicht glimpflicher behandeln kann, als
wenn ich ihn mit Stillfehiweigen übergehe, will ich nachträglich in dieſer
Note meine Conjectur, aber als nichts weiter, denn eine unflchere Ber:
muthung, vorbringen. Wir fehen den PBalmzweig in Aegypten als ein
Sinnbild des Jahres und der Jahresperioden, der Panegyrien; um Jahre
aber fleht der Aegypter, und das bedeutet um Leben, weil das Leben als
Zeitvauer erfcheint. An dieſem Panegyrienzweige fehen wir das Siegel
unten, und es ift diefes ganz das Zeichen des Lebens ohne die Spike
daran. Das Siegel kann nie etwas Anderes bezeichnen, als Befräftigung,
Beftätigung, beftätigenden Abſchluß einer Sache, und am Panegyrien-
zweige angebracht, muß feine Bedeutung die des beflimmten, beftätigten,
feft abgefchloßenen Zeitraumes feyn. Sehen wir noch den Froſch daneben
fiten, fo muß diefer freilich auch eine finnbilvliche Bedeutung gehabt
haben, und es fcheint, daß er das Wiedererwachen des Jahres, weil er
bey demfelben aus dem Schlamme, worin er verftedt lag, hervorkriecht,
bezeichnet habe. Sp fehen wir in den Verwandlungsgefchichten (Anto⸗
ninus Liberalis 35), Hirten von Leto in Lyfien in Fröfche verwandelt,
und ed mag dieſem Mährchen, dem ein Gefchichtchen von Wölfen, bem
Sinnbilde des Lyfifchen Lichtgottes vorhergeht, der Froſch als Sinnbild
diefes Gottes, der als Drachentönter, Bellerophontes, im Frühling auf
dem geflügelten Roße durch die Luft reitet, und die Chimaira, das
Namenfinnbild der winterlichen Gießbäche, vertilgt, zu Grunde liegen,
ihn als Srühlingsgott bezeichnend. Doch dem fey, wie ihm wolle, für
das Zeichen des Lebens fcheint das Siegel am Panegyrienzweige den Theil
zu bilden, woran es gefaßt wird, und die Spiße fcheint aus dem Zweig
entfprungen zu feyn, fo daß es eine Fleine Andeutung des Jahreszweiges
mit dem Siegel ift, und fo das Zeichen zuerſt des Jahres, dann bes
Lebens felbft, fu daß, wenn die Götter diefes Zeichen über einen König aus⸗
gießen, wie es uns Aegyptifche Denkmäler zeigen, fie Jahre des Lebens
über ihn ausgießen. Den Delzweig fehen wir, zum wenigften in ber
Geſchichte Noah's, als ein Sinnbild des Friedens; denn eine Taube (bie
Taube galt in Aegypten als Botin), welche Noah aus ber Arche fchict,
fommt mit einem Oelzweige zurück, und dieſer bezeichnet das nahende
*
68 Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder.
den Cherub mit einem bloßen hauenden Schwerbte, und dieſer Eherub
muß al& ein Engel Gottes gelten, d. h. diefer Name ift hier gemählt flatt
des Namens Engel, doch waren die Cherubim urfprünglich Feine Engel,
welche es als felbftändige, perfünlidhe Geifter im Moſaismus gar nicht
gab, fondern eine fpätere Zeit, des Wefend der Cherubim unfundig, faßte
fie als foldde auf. Sie hatten Blügel, welche cin Sinnbilv des Schußes
bey den Orientalen waren, daher die große Mutter Natur, welche alles
Leben fchügt, die Iſts bey dem Aegypter Flügel hatte, vie fonft daſelbſt
feiner ®ottheit zufamen, außer noch der Schlange, als dem Sinnbild
eined ſchützenden Genius, welcher der Genius des lebenſchützenden Landes
felbfi war. In dem Sinne des Schuges find daher auch mohl bem
Cherub die Flügel gegebeh worden. Ueber die Geftalt erfahren wir nur
Weniges, und diefes zeigt und eine Mifchgeftalt. Ezechiel (41. 18), wo
er von einem in einer Viſton erblichten Tempel des Herrn fpridht, erzählt:
Am ganzen Haufe herum, von unten bid oben, an der Thür und an den
Mänden waren Cherubim, und Palmlaubwerk darunter, und jeder Cherub
hatte zmeen Köpfe; auf einer Seite wie eines Menfchen, auf der andern
Seite wie ein Löwenkopf. In einer andern Viſton (Kap. 10) deſſelben
Propheten heißt es: Gehe hinein zwifchen die Räder unter den Cherub,
und faße die Hände voll glühender Kohlen, fo zwifchen den Cherubim
find, und freue fle über die Stadt, und die SHerrlichfeit des Herrn erhob
fi) von dem Cherub, und man hörte die Flügel der Cherubim rauſchen
bis heraus vor den Vorhof, und der Mann trat bey dad Rad, und der
Cherub firedte feine Hand heraus zwifchen ven Cherubim zum Feuer, und
gab ed dem Mann, und erfhien an ben Cherubim glei wie eines
Menfchen Hand unter ihren Flügeln. Und ich fah vier Räder, bey einem
jeden Cherub eins, anzufehen wie ein Türkis. Wenn fte geben follten,
fo fonnten fie an alle vier Derter gehen, und durften ſich nicht herum⸗
lenfen, wenn fie giengen; fondern wohin das erfte gieng, da giengen fie
hinnach, fammt ihrem ganzen Leibe, Rüden, Händen und Flügeln. Und
Ende der Sündflut. Weil Oel flets als ein befonders Sänftigendes,
Milderndes gegolten hat, fo finden wir auch den Delzweig als Sinnbild
des Milden, Sanften, des Friedens zu allgemeiner Geltung gelangt. Der
PBalmzweig war, wie oben bemerft worden, in Aegypten das Sinnbild
des Jahres, und da die Bäume alljährlich neue Zweige treiben, fo war
es ganz natürlich, zur Bezeichnung des Jahres den Baumzweig zu wählen.
Oben haben wir gefehen, daß Palmen nebft Blumenwerf unter die Tempel:
verzierungen der Sfraeliten gehören, und wenn Chriftus bey feinem in:
zuge, wie das neue Teftament meldet, Palmen geftreut werben, fo liegt
diefem Brauche fiherlich eine Bedeutung zu Grunde, welche damit finn-
bildlich ausgedrücdt wird, und noch heutzutage hat der Palmzweig bey
den gläubigen Iſraeliten feine Geltung nicht verloren.
Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 69
die Räder waren vol Augen, um und um, und ed rief unter den Rädern:
Balgal. Ein jegliches Hatte vier Angefichter; das erfte Angeficht war wie
ein Cherub, das andere ein Menfch (alfo hatte der Cherub Fein Menſchen⸗
geficht), das dritte ein Löwe, das vierte ein Adler. Und die Cherubim
Ihwebten empor. Wenn die Cherubim giengen und die Flügel ſchwingend
fi) von der Erve erhoben, fo giengen und erhoben fi) die Räder audh;
denn ed war ein lebendiger Wind in ihnen. Das iſt das Thier, das ich
unter dem Gott Ifrael ſah am Waßer Chebar, und merkte, daß e8
Cherubim wären: da ein jegliches vier Angefichter hatte und vier Flügel,
und unter den Flügeln glei) wie Menichenhände. Diefe Angabe belehrt
und ganz genau, denn in der Viſion am Waßer Chebar (Kap. 1) heißt
e8: Siebe, es kam ein ungeftümer Wind von Mitternacht mit einer
großen Wolfe vol Feuer, und mitten in dem Teuer war ed hell wie
Licht, und darinnen war e8 geftaltet wie vier Thiere, und unter ihnen
Eines Geftalt wie ein Menſch; und ein jegliches hatte vier Angeftchter
und vier Flügel, und ihre Beine flanvden gerade, aber ihre Füße waren
gleih wie runde Füße, und glänzten wie Erz; und hatten Menſchenhände
unter ihren Flügeln, und wenn ſie giengen, durften fie fi} nicht herum-
Ienfen, fondern giengen ſtracks vor ſich. Ihre Angefichter zur rechten Seite
waren gleih einem Menfchen und Löwen; aber zur linken Seite gleich
einem Dchjen und Adler. Und ihre Angeftchter und Flügel waren oben-
ber zertheilet, daß je zween Flügel zuſammenſchlugen, und mit zweien
Blügeln ihren Leib bedeckten. Sie giengen aber, wohin ver Wind fland,
und die Thiere waren anzufehen wie feurige Kohlen, und ed fland ein
Rad bey ihnen, anzufehen wie vier Räder.
Wir erfehen hieraus, dag der Cherub in feiner eigentlichen @eftalt,
mit einem Kopfe, Fein menſchliches Antlig hatte, und da Ezechiel in
ben Mifchgeflalten aus dem einen Kopfe den Cherub erfannte, und das
eine Mal vie vier Köpfe als die eines Menfchen, Loͤwen, Cherubs und
Adlers, das andere Mal als die eines Menjchen, Löwen, Ochſen und
Adlers bezeichnet, fo iſt es außer Zweifel, daß ver Cherub einen Stier-
kopf hatte. Hätte er vier Beine gehabt, fo würde Ezechiel es wohl in
ver Beichreibung bemerft haben, fo daß es fcheint, wir dürfen annehmen,
der Cherub fey eine menſchliche Geftalt mit Stierfopf und Blügeln
gewefen, deren Füße aber tbierifch endeten, entweder mit Thierflauen,
oder anderen Thierfüßen. Auch Menfchenarme und Hände ſcheint der
Cherub gehabt zu haben, denn von dem einen wirklichen Cherub fagt der
Prophet, als verſtehe es fich von felbft, er habe feine Hände ausgeftredt;
von den Mifchgeftalten zufammengefegterer Art aber fagt er: und erſchien
an ven Cherubim gleich wie eines Menfchen Hand unter ihren Flügeln.
Solche zufammengefegte Geftalten, weldye die Gottheit menſchlich mit dem
fie als Sinnbild bezeichnenden Thierkopfe darſtellten, bietet Aegypten in
70 Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder.
dem reichflen Maaße dar, und eben fo zeigen die Denfmäler dieſes Landes
die Häufung verfchievener Thierfymbole in einer Geftalt, und auch Berften
hatte feltfame Zufammenfegungen von Thieren in Bildern, fo daß bie
Viſion Ezechiel's für eine ſolche Häufung durch Gefehenes vorbereitet war.
Den Stierkopf fonnte man zur Zufammenfegung ald Bild einer Gottheit
nur dann wählen, wenn ber Stier dad Sinnbild derfelben war, und
diefer war ein wmeitverbreiteted Sinnbild der Befruchtung, welches ven
Sfraeliten wohl befannt war und von ihnen, fo oft fie zum Heidenthum
abftelen, verehrt wurde. Als Mofe auf dem Sinai (mo er vierzig Tage
und Nächte ohne Nahrung vermeilte und die zwei fleinernen, mit dem
Finger Gottes gefchriebenen Tafeln der zehen Gebote erhielt) den Ifrae-
liten zu lange zögerte, fpradhen fte zu Aaron (I. 32): Mache und Götter,
die vor und hergeben, denn wir wißen nicht, was Moſe widerfahren ifl.
Da lieh fih Aaron allen Goldſchmuck geben, goß daraus ein Kalb, und
fie ſprachen: Das find deine Götter, Ifrael, die di aus Aegyptenland
geführet haben. Dann baute Aaron einen Altar, und ließ für den
nächſten Tag ein Feſt des Herrn ausrufen, an dem er Branvopfer und
Danfopfer darbrachte, und das Volk ſchmauſte und führte Reihentänze auf.
Doch Mofe eilte berzu und warf im Zorne die Gefehtafeln an den Boden,
daß fte zerbrachen (Bott verzieb es ihm und gab ihm, als er wieder auf
den Berg Fam, andere, die aber Mofe fchrieb, 34. V. 28), und zermalmte
und verbrannte das goldene Kalb, da der Herr darüber erzürnt war, fo
daß es demnach hHeidnifh war. Für den, meldyer glaubt, daß Gott
wirklih zu Mofe alle die Worte gefprochen, welche als Gotted Worte im
Pentateuch angeführt werden, muß ed ſchwer verflänvlich feyn, daß Gott
biefes heidniſche Sinnbild an die Lade, welche vie Gefegtafeln einfchließt,
und an den darauf befinplichen Thron Gottes zu ſtellen befiehlt. Befonders
verehrte Samaria, zum Heidenthum abgefallen, dad Kalb. Der Prophet
Hoſea fagt (8. 5): Dein Kalb, Samaria, verflößt der Herr, ein Werf-
mann bat e8 gemacht; darum fol das Kalb Samaria gepülvert werben.
Berner (10. 5): Die Einwohner zu Samaria forgen für die Kälber zu
Beth⸗Aven. Ja das Kalb iſt in Aſſyrien gebracht, zum Gefchenfe dem
Könige zu Jareb; und (13. 2): Sie predigen von ven Bögen: Wer vie
Kälber Füßen will, ver fol Menſchen opfern, biefelbigen werben haben
die Morgenmwolfe und den Thau, der frühe fällt. Don König Ierobeam
erzählt das erfle Buch der Könige (12. 28): Er machte zwei goldene
Kälber und ſprach zu Ifrael: Siehe, da find beine Götter, die dich aus
Aegyptenland geführet haben, und er fette eins zu Bethel, und dad andere
that er gen Dan. Don dem Könige Jehu heißt es im zweiten Buche ber
Könige (10. 19): Er vertilgte die Baalsviener zu Samaria, doch von
den goldenen Kälbern zu Bethel und Dan ließ er nicht ab. Ob die
Kinder Iſrael diefen Hang zum Kalb aus Aegypten mit nach Ganaan
Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 7ı
brachten, benn in Aegypten warb der Apis verehrt, oder ob er älter ala
ihre Einwanderung in Uegypten war, Fünnen wir nicht beflimmen, wies
wohl der Prophet Ezechiel angiebt (16), daß die Jfraeliten Aegyptiſche
Abgdtterei getrieben, fo wie Aſſyriſche, und (20 und 23), daß fe fchon
in Aegypten felbft fi ven dortigen Götzendienſt ergeben hätten. Der
Anwendung der Cherubim fland ed übrigend wohl nidyt fern in ber
Bedeutung, daß dad Gefäß für die Prieftermafchung auf zwölf ehernen
Rindern rubte.
Die Flügel, als ein Bild des Schuges, mögen davon entlehnt feyn,
daß der Vogel feine Jungen mit feinen Flügeln bevedt und fchirmt, wie
ben Ausdruck des Dedens auch Ezechiel (28. 14) gebraudt: Du bift wie
ein Cherub, der fih weit ausbreitet und decket. Es liegt viefes
Bild jehr nahe, und wir fehen ed auch im alten Teflament angewendet
in bildlicher Rde. In den Pfalmen beißt e8 (1.7. 8): Befchirme mich
unter dem Schatten deiner Flügel. Abermals (63. 8): Unter vem Schatten
veiner Flügel. (91. 4): Gott wird dich mit feinen Fittigen decken, und
beine Zuverficht wird ſeyn unter feinen Flügeln.
Dad Heiligthum der Kinder Jfrael hatte außer den Cherubim noch
ein Sinnbild, deßen weder bey Errichtung der Stiftöhütte, noch bey dem
Tempel Erwähnung gefchieht, und welches der fromme König Hiskia als
heidniſch anſah. Wir leſen nämlich im zweiten Bude der Könige (18. 4):
Hisfia zerftieß die eherne Schlange, die Mofe gemacht hatte; denn bis
zu der Zeit hatten ihr die Kinder Iſrael geräuchert, und man hieß fie
Nehuhftan (d. i. die Cherne). Für den Gläubigen des Mofaismus fann
Hiskia's That nicht anders als hochſt bedenklich erfcheinen, denn im vierten
Buche Mofe (21) wird erzählt: Das Volk redete wider Gott und Mofe;
ba fandte der Herr feurige Schlangen, die bifen ſie, daß Viele flarben.
AS das Volk Reue zeigte, bat Mofe für vafjelbe, und der Herr ſprach
u ihm: Made dir eine eherne Schlange, und richte fie zum Zeichen
auf; wer gebifen ift, und flieht fie an, ver fol leben. Da machte Moſe
eine eherne Schlange, und wenn Jemanden eine Schlange biß, fo fah er
die eberne Schlange an, und blieb leben. Diefe Schlangen heißen auf
hebräifch Seraphim von dem Zeitworte saraplı, hat gebrannt, weil ihr
Big einen brennenden Durft erzeugt, weßhalb fie auch im Griechifchen
bie brennenden Schlangen heißen. Daß demnach die Seraphim, d. 1. bie
brennenden Schlangen, als ein göttliches Sinnbild göttlihe Verehrung
bey den Kindern Ifrael hatten, ift außer Zweifel, und wenn eine fpätere
Zeit eine Art Engel daraus erbicdhtete, fo iſt dies gar nicht in dem
Mofaismus Öegzündet , fondern gehört ver aus Perſien herſtammenden
Anfiht von den Engeln an. Während die Cherubim aufs haͤufigſte
erwähnt werben, ift es Jeſaia allein, welcher (6. 2) der Serapbim, in
Verbindung mit Gott, als zu ihm gehöriger Wefen gevenft: Des Jahres,
72 Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder.
da König Ufla flarb, ſah ich den Herrn fiten auf einem Hohen und
erbabenen Stuhl, und fein Saum füllete den Tempel. Seraphim flanden
über ihm, ein jeglicher Hatte ſechs Slügel; mit zweien dedten fie ihr
Antlig, mit zweien ihre Füße, und mit zweien flogen fle. Und einer rief
zum andern, und fpradh: Seilig, heilig, heilig iſt ver Herr Zebaoth;
alle Lande find feiner Ehre vol; daß die Ueberfchwellen bebten von ver
Stimme ihres Rufens, und das Haus ward vol Rau. Und es flog
der Seraphim einer zu mir, und hatte eine glühende Kohle in der Hand,
die er mit der Zange vom Altare nahm; und rührete meinen Mund und
fprah: Siehe, Hiemit find deine Kippen gerühret, daß deine Mißethat
von dir genommen werde, und beine Sünde verfühnet fey. So fehen
wir bier bey diefem Propheten die Seraphim genannt im Verhältniße zu
Gott, wie fonft überall vie Cherubim erwähnt werden, Fünnen aber auß
der Beichreibung, welche Blügel und Hände angiebt, die von Jeſaia in
feiner Viſton geſehene Geftalt nicht beflimmen. Die Schlange hat viel-
fältige Anwendung in dem heidniſchen Glauben der alten Völker gefunden,
und in Aegypten galt fie, geflügelt und mit den Kronen des Landes auf
dem Haupte dargeſtellt, als guter Landesgenius, ericheint häufig in ber
Aegyptiſchen Mythologie, und ed gab audy fchlangenföpfige Götter in der⸗
felben. Auch meldet eine altieftamentlidhe Schrift vom Drachen, den bie
zu Babel anbeteten. In welchem Sinne vie Sfraeliten die eherne Schlange
Mofe zur Zeit, als Hiskia fie zerflürte, verehrten, Fönnen wir nidjt
erratben; wa8 aber ven Propheten Jeſaia veranlaßte, uns dieſe brennenden
Schlangen mit Händen vorzuführen und fingen zu laßen, eben fo wenig.
Durch Mebertritt zum Heidenthume waren auch Sonnenroße in dem
Heiligthume zu Ierufalem. Softa, heißt e8 im zweiten Buche der Könige
(23. 11), that ab die Roße, welde die Könige Juda hatten der Sonne
gefekt im ingange des Herrn Haufes, und die Wagen ver Sonne ver«
brannte er mit euer.
So wie in der Stiftshütte und im Tempel ein Alerbeiligfted, das
eigentliche Haus der Gottheit, war, fo müßen wir es uns überall venfen;
denn man nahm an, bie Gottheit fey in dem Tempel anweſend, und wie
ber bildloſe Gott auf den Gnadenſtuhl Fam, als feinen Thron, fe war
bey den Heiden daſelbſt ein Goͤtterbild, over doch ebenfalls die Wohnung
ber Gottheit. Nicht nur, daß Gott in der Stiftöähütte erfcheint, wird er
auch ald im Tempel anwefend und gleichfam va wohnend gedacht. SPfal«
men geben und die Ausprüce (18. 7); Gott erböret meine Stimme von
feinem Tempel; (20. 3): Er ſende vir Hülfe vom Heiligthum und flärfe
dich aus Zion; (76. 3): Zu Salem ift fein Gezelt, unngfeine Wohnung
zu Zion. Diefe befchränfte Auffaffungsweife zeigt ſich auch darin, daß
man eine Gottheit als auf ein Land befchränft annahm, und gewißer-
maßen an ben Boden gefeßelt, fo daß fle nur auf dieſem verehrt werben
Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 73
- fönnte. Zur Zeit des Propheten Clifa ward Naeman, der Feldhaupi⸗
mann bed Königs von Syrien, audfägig, und Fam, von diefem Propheten
börend, zu ihm, daß er ihn heile (zweites Buch der Könige, Kap. 5), und
als er vor feiner Thüre war, ließ ihm Elifa herausfagen, er folle fi
fiebenmal im Jordan mwafchen. Dieb half, und Naeman wollte ibm
jegt eine Belohnung aufnöthigen, aber er nahm fle nicht an. Da ſprach
Naeman:- Möchte deinem Knechte nicht gegeben werben dieſer Erde eine
Laſt, fo viel zwei Maulthiere tragen? Denn dein Knecht will nicht mehr
anderen Göttern opfern, fondern dem Herrn; daß der Herr deinem Knechte
darinnen wolle gnädig feyn, wo ich anbete im Haufe Rimmon's, wenn
mein Herr ind Haus Rimmon’d gehet, daſelbſt anzubeten, und er fid
an meine Hand lehnet. Alfo glaubte viefer Syrer dem Gott Iſraels nur
auf Ifraelitifher Erde opfern zu Fünnen. Im erften Buche der Könige
(20), ale Ahab mit dem Syriſchen Könige Ben Hadad Krieg führte,
und biefer gefchlagen mar, fpracdhen feine Leute zu ihm: Ihre Götter
find Berggötter, darum haben fie und angewonnen. O, daß wir mit
ifnen auf ver Ebene flreiten müßten! Was gilt's, wir wollten ihnen
angewinnen ?
Die Bilder flelten entweder die Götter in Mienfchengeftalt, ober in
einer aus dieſer und einem der Gottheit zum Sinnbilde dienenden Thiere
gemifchten dar, over das Sinnbild der Gottheit allein. Wir Iefen über
folhe Sinnbilver im Allgemeinen in dem Buche von der Weidheit Salomo's
(15. 18): Dazu ehren fte die allerfeinpfeligften Thiere, welde, fo man
fie gegen andere unvernünftige Thiere bält, find fie viel ärger. Denn fie
find nicht lieblich, wie andere Thiere, die fein anzufehen find, und find
von Gott weder gelobet, noch gefegnet. Darum wurden fie mit verfelbigen
gleichen billig geplaget, und wurden durch die Menge der boͤſen Würmer
gemartert. (Died gebt freilih auf den Aegyptiſchen Thierbienft, in
welhem auch das Krofopil als Heilig gepflegt ward; doch die Kinder
Iſrael verfielen in folhe Abgdtterei, und fle war den anderen Semiten
nicht fremd.) Ezechiel (8. 10) fpricht von allerlei Bilonigen ver Würmer
und Thiere und allerlei Bögen des Hauſes Ifrael, allenthalben umher
an die Wand gemacht. Die Bilder wurden, wie z. B. dad goldene Kalb,
theils aus eveln, theild andern Metallen, over auch Holz over Stein
gemacht, und ed waren auch fchöne Kleider für fie vorhanden. Wir leſen
im Alten Teftamente (Chronik I. Kap. 28): Ahas machte gegoßene Bilder
Baalim. Jeſaia (2. 20) ſpricht von filbernen und goldenen Göten, und
(30. 22) von den überfilberten Gögen und den goldenen Kleidern der
Bilder. Seremia (10. 9) nennt Holzbilver mit Silber und Gold über«
zogen, und mit gelber Seide und Purpur angethan. Daniel nennt (5. 4)
goldene, filberne, eberne, eiferne, hölzerne und fleinerne Götter. Im
Buche Baruch heißt ed (6. 9): Die Pfaffen flehlen das Gold und Silber
7A Tempel, Altäre, Gerätbe, Bilder.
von den Götzen, und ſchmücken die filbernen, goldenen und hölzernen
Goͤtzen mit Kleidern; und wenn man ihnen ein Purpurkleid anziehet, ſo
muß man ihnen den Staub abmwildhen , und er trägt einen Scepter in ber
Hand, mie ein König, Er har auch ein Schwerbt und eine Urt in ver
Hand, er kann ſich aber der Diebe und Räuber nicht erwehren. Wenn
man fie in ihre Häuslein ſetzt, werben fie vol Staub von den Füßen
derer, die bineingehen. Sie zünden ihnen Lampen an, und derer viel
mehr, denn fie für ſich feldft anzünden, und ſehen doch nichts. Linter
ihrem Angeftchte find fie Schwarz vom Rauch im Haufe. Und die Nadht-
eulen, Schwalben und andere Vögel fegen ſich auf ihre Köpfe, deßgleichen
auch die Kapen.
Die Tempel wurden auch mit Beute geſchmückt, die man der Gott-
beit weihte. Als Saul im Kampfe gegen die Philifter durch Selbfimord
umgefommen war, zogen fie ihm die Waffen ab, ließen ihren Sieg in
den Häufern der Götter verfünden und legten feinen Harniſch in daß
Haus Aſtharoth's, mie das erfle Bud) Samueliß (31) erzählt. Das erfte
Buch der Chronik (1) giebt an, fie Hätten feine Waffen in dad Haus
ihres Gotted gelegt, und feinen Schädel an dad Haus Dagon’d (einer
ihrer Gottheiten) geheftet. Die Schäge der Tempel flogen aus freimilligen
Gaben und beflimmtem Cinfommen, auch dienten die Tempel zur fidyeren
Aufbewahrung des Vermögens der Wittmen und Waifen und Privatleute.
Wir lefen im erflen Buche ver Maccabäer (10), daß der König Deme-
trius von Syrien an die Juden ſchreibt: Die drei Vogteien im Lande
Samaria und Galiläa, fo zu Judäa gehören, follen Niemand unterthan
feyn, denn allein dem Hohenpriefter, daß man wiße, daß er allein Kerr
darüber fey. Die Stadt Ptolemais und die Landſchaft, jo dazu gehört,
gebe ich dem Tempel zu Ierufalem, zu den Koflen, die auf bad Opfer
geben. Ih wi auch jährlich fünfzehn taufend Sedel Silber von meinem
eigenen Einkommen verfchaffen zum Gebäude des Tempeld. Und was id)
von Alters her aus meinen Aemtern ſchuldig geweien, zum Tempel zu
geben, das fol ihnen forthin gereichet werben. Und bie fünftaufend
Sedel Silber, welche meine Amtleute von des Tempels Binfommen ent-
wendet haben, follen den Prieſtern wiederum jährlidy folgen. Es fol ber
Tempel auch diefe Freiheit haben: Wer in meinem ganzen Königreid
eine Strafe verwirket hat und fliehet in ven Tempel, der fol da ficher
feyn mit Leib und Gut. (Aſyle waren die heidniſchen Tempel indgemein.)
Zum Gebäude und Beßerung des Tempels will der König die Koften
auch Iegen von feinem eigenen Einkommen. Das zweite Buch der Macca⸗
bier erzählt uns (3): Simon, der Vogt des Tempels, ein Benjaminiter,
war dem Sohenpriefter Onias feind und gieng zum Saupimanne von
Nieder Syrien und Phönicien, und fagte zu ihm, wie ber Ootteöfaften
zu IJerufalem über die Maaßen reich von Gold wäre, und fehr viel übrig,
Tempel, Altäre, Gerätbe, Bilder. 75
das man nicht zum Opfer bedürfte. Da verorpnete der König feinen
Kämmerer, das Gold zu holen; der Hoheprieſter aber fagte demfelben:
Es ift ein Theil Hinter und gelegt zu treuer Sand, das Wittwen und
Waiſen gehöret. Das andere ift des Tobias Hyrcanus, welcher ein treff⸗
liher Mann war. Als der Kämmerer ed dennoch nehmen wollte, Tagen
die Priefter in ihrem heiligen Schmude vor dem Altar, und riefen Gott
im Himmel an, ver felbft geboten hat, daß man die Beilage nicht fol
veruntreuen, daß er den Leuten das Ihre, fo fie an den Drt zu treuen
Händen beygelegt hatten, wollte erhalten.
Die Gdtterbilder wurden, um Sieg zu verleihen, auch mit in ven
Krieg genommen. So erzählt das erfte Buch ber Ehronif (15. 12):
Ald David die Philifter zu Baal Prazim gefchlagen hatte, ließen fle ihre
Götter bey der Flucht daſelbſt und David verbrannte fie.
76
Briefter.
Zum Dienſte der Gottheit hatten die Semiten eine zahlreiche gehei⸗
ligte Schaar von Prieflern, denn der Dienfl war von der Art, daß er
Viele befchäftigte und mehr als eine Klafje geweihter Diener nöthig hatte.
In Aegypten waren ber Abtheilungen der Priefterfchaft mehrere, doch
zerfielen fte in zwei Hauptklaſſen, bie der eigentlien Prieſter oder Pro-
pheten, und vie der dienenden Priefler. Bey ven Aflatifhen Semiten
laͤßt der Mangel an Nachrichten nit zu, die Eintheilung genauer zu
beflimmen; denn nur von den Prieftern des Moſaismus erfahren wir bie
Verhaͤltniße, und fehen fie, wie ed auch für die Anbern fich zu verftehen
fheint, in die Kinder Aaron's, als die eigentlichen Prieſter und in die
Keviten, weldye unter den Kindern Aaron's dienten, eingetheil. An ver
Spige aber fland der Hoheprieſter als Vorſteher ver gefammten Priefter-
fhaft und des Gottesdienfled. Aaron, der Bruder Moſe, des Mannes
Gottes, der in Aegypten mit Mofe die Wunder verrichtete, wird von
Bott zum Priefter beflimmt für dad Volk Iſrael, dad ein priefterliches
Königreih und ein heiliges Volk feyn follte (Moſe II. 19. 6). Da Alles,
was man in die Nähe des Herrn brachte, nämlid zur Wohnung Gottes
oder zum Ultare, rein feyn mußte, fo war natürlich für den Priefler die
höcdhfte Reinheit eine firenge Bedingung; die Kleidung war vorgefchrieben,
und ohne Weihe Eonnte er nicht dienen. Wir leſen im zweiten Buche
Mofe (28), daß Bott zu Mofe fpriht: Du ſollſt Aaron, deinen Bruder,
und feine Söhne nehmen, daß er mein Pierfter fen, und ihm heilige
Kleider machen lagen, die herrlich und ſchön feyen zu feiner Weihe: das
Schildlein, den Leibrod, ſeiden Rod, engen Rod, Hut und Gürtel.
Den Leibrod follen fie machen von Gold, gelber Seide, Scharlafen, Rofin-
roth und gezwirnter weißer Seide, Fünfllih, daß er auf beyden Achſeln
zufammengefüget und an beyden Seiten zufammengebunden werde. Don
demſelben Stoffe fol der Gurt feyn. Und ſollſt zween Onychſteine nehmen,
und darauf graben die Namen der Kinder Ifrael; auf jeglichen ſechs
Namen, nad) der Ordnung ihres Alters; und fie follen mit Gold umber
gefaßet werden. Und folft fie auf die Schultern des Leibrodes Heften,
dag Aaron die Namen auf feinen Schultern trage vor dem Herrn zum
Gedaächtniß. Und folft goldene Spangen maden, und zmo Ketten von
feinem Gold, und ſollſt fie an die Spangen thun. Das Amtsfchilplein
foüft vu machen von demfelben Stoffe, wie den Leibrod, vieredigt und
zwiefach, eine Hand breit lang und breit, mit vier Reihen Steine in
Gold gefaßt, in der erflen Reihe fey ein Sarder, Topafer, Smaragd; in
PBriefter. 77
der zweiten ein Rubin, Saphir, Demant; in der dritten ein Lynkurer,
Achat, Amethyſt; in der vierten ein Türkis, Onych, Jaſpis. Und follen
nad den Namen ber zwölf Stämme Ifrael flehen, gegraben vom Stein«
Schneider. An dem Schildlein follen vier goldene Ringe feyn, und 8
fol mit goldenen Ketten und Spangen auf die Schultern des Leibrockes
gehefltet werden, und unten durch goldene Ringe am Leibrocke mit den
auf der unteren Sinterfeite befinvlichen Ringen durch eine gelbe Schnur
an den Leibrod feſtmachen, daß es hart anliege. Alſo fol Aaron die
Namen der Kinder Ifrael tragen in dem Amtfchilplein auf feinem Herzen,
wenn er in bad Heilige gebet, zum Gedächtniß vor dem Kern allezeit.
Und ſollſt in das Amtsfchildlein thun Licht und Recht, daß fie auf dem
Herzen Aaron's ſeyen, wenn er eingehet vor dem Kern. Du folft ven
ſeidenen Rock unter den Leibrod machen ganz von gelber Seide, oben
mitten inne ein Loch, und um dies eine Borte, und unten am Saume
Granatäpfel von gelber Seide, Scharlafen, Roftnrotb um und um, und
zwiſchen je zwei verfelben je eine goldene Schelle. Und Aaron fol ihn
anhaben, daß man feinen Klang höre, wenn er aus- und eingehet in
das Heilige vor dem Herrn, auf daß er nicht flerbe. (Damit alfo Gott
glei wißen möge, es fey der Priefter.) *) Du folft auch ein Schildblatt
machen von feinem Gold und darin die Heiligkeit des Herrn audgraben
(39. 30: Sie madten auch dad Stirnblatt an ver heiligen Krone- von
feinem Gold, und gruben Schrift darein: Die Heiligkeit des Herrn), und
ed an eine gelbe Schnur heften vorn an den Hut, auf der Stirn
Aaron's, daß alfo Aaron trage die Mißethat des Heiligen, dad die Kinder
Sirael heiligen in allen Gaben ihrer Heiligang; und es fol allewege an
feiner Stirn ſeyn, daß er fie verföhne vor dem Herrn. Du folft den
engen Rod machen. von meißer Seide, und einen Hut von weißer Seide,
und einen gefticten Gürtel. Und den Söhnen Aaron's ſollſt du Röcke,
Gürtel und Hauben maden, vie herrlih und fchön feyen. Und folft
Aaron und feine Söhne falben, und ihre Hände füllen (nämlich mit
einem Opfer) und fie weihen, daß fie meine Priefter jeyen. Und ſollft
ihnen leinene Nieverkleiver machen, zu beveden die Schaam, von ben
genden bi8 an die Hüften, wenn fie in die Hütte des Stifte gehen, oder
binzutreten zu dem Altare, daß fe nicht ihre Mißethat tragen und flerben
müßen. Die heiligen Kleiver aber z0g der Priefler aus, wenn er aus
dem Heiligthume gieng, worüber wir bey Ezechiel (40. 17) Iefen: Wenn
fie durch die Thore des inneren Vorhofes gehen wollen, follen fie leinene
*) Im Buche Jeſus Sirach heißt es (85. 11): Und hieng viel goldene Schellen
und Rnäufe umher an ihn, daß es Flänge, wenn er aus= und eingienge,
und der Klang gehöret würde im Heiligthume, damit feines Volkes vor
Bott gedacht würde.
78 Priefter.
Kleider anziehen, und nichts Wollenes anhaben, weil fie in den Thoren
im inneren Vorhofe dienen. Und follen leinenen Schmud auf ihrem
Haupte haben, und leinenes Nieverfleiv um ihre Lenden, und follen fich
nicht gürten im Schweiße. Und wenn fle etwa zu einem äußeren Vorhofe
zum Volke herausgehen; follen fie die Kleider, darin fle gevienet haben,
ausziehen, und biefelben in die Kammern des Heiligthumes legen, und
andere Kleider anziehen, und das Volk nicht heiligen in ihren eigenen
Kleivern.
Die Einweihung Aaron's, als des Hohenpriefterd und feiner Söhne,
ift alfo befohlen (II. 29): Nimm einen jungen Farren und zween Wipber
obne Wandel, ungefäuerte® Brod und ungefäuerte Kuchen mit Del
gemenget, und ungefäuerte Fladen mit Del gefalbet, Alles von Walzen-
mebl. Und folft Aaron und feine Söhne vor die Thüre der Hütte des
Stiftes führen, und mit Waßer waſchen, und mit ven heiligen Kleidern
anziehen, und folft Aaron ven Hut mit der heiligen Krone auflegen,
und Salböl auf fein Haupt fchütten und ihn falben. Und folft Aaron
und feinen Söhnen die Hände füllen, ven Barren herzuführen, und fie
follen ihre Hände auf des Barren Haupt legen, und folft dieſen fchlachten,
ung feines Blutes nehmen und auf des Altares Hörner thun mit deinem
Binger, und alles andere Blut an des Altared Boden fehütten. Und
ſollſt alles Fett der Eingeweide, das Neb, und die zwo Nieren mit dem
Bett auf dem Altar anzünden. Uber des Barren Fleiſch, Bel und Miſt
font du außen vor dem Lager verbrennen; denn es ift ein Sünpopfer.
Auf des einen Wivdders Haupt follen Aaron und feine Söhne ihre Hände
legen, dann ſollſt du ihn ſchlachten, und feines Blutes rings auf ven
Altar fprengen, und du folft ihn zerlegen, Eingeweide und Schenfel
waſchen, und auf die Stüde und das Haupt legen, und den ganzen
Widder zum Brandopfer anzünden. Auf des anderen Widders Haupt
follen Aaron und feine Söhne ihre Hände legen, und ſollſt ihn ſchlachten
und ihnen feines Bluts auf den rechten Obrfnörpel tbun, und auf ben
Daumen der rechten Hand und auf den großen Zehen des rechten Fußes;
und ſollſt bad Blut rings auf den Altar fprengen. Und folft des Bluts
auf dem Altar nehmen, und Salböl, und Naron und feine Söhne und
ihre Kleider befprengen. Darnach folft du nehmen das Fett von dem
Widder, ven Schwanz, das Fett der Eingeweive, das Netz, die zwo Nieren
mit dem Bett, und die rechte Schulter (denn es ift ein Widder der Fülle),
und ein Brod, und einen Delfucdhen, und einen laden aus dem Korbe
des ungefäuerten Brodes, der vor dem Herrn flehet; und lege es Alles
auf die Hände Aaron's und feiner Söhne, und webe (d. i. weihe es mit
einer Bewegung ober Erhebung) dem Herrn. Darnach nimm's von ihren
Händen und zünde ed an zum Brandopfer. Und folft vie Bruft vom
Widder der Bülle Aaron's vor dem Herrn weben; das fol dein Theil
Vriefter 79
ſeyn; und ſollſt alfo Heiligen die Webehruft und vie Hebefchulter, vie
gewebet und gehebet find von dem Widder der Fülle Aaron's und feiner
Söhne. Und fol Aaron's und feiner Söhne feyn, zur ewigen Weife,
von den Kindern Iſrael; denn ed ift ein Hebeopfer, und dieſe follen bes
Herrn feyn an ihren Danfopfern und Hebeopfern. Aber vie heiligen
Kleiver Aaron's ſollen ſeine Söhne haben nad ihm, daß fle darinnen
gefalbet und ihre Hände gefüllet werden. Welcher unter feinen Söhnen
an feiner Statt Priefter (d. i. Hohepriefter) wird, ver fol fle fieben Tage
anziehen, daß er gehe in die Hütte des Stifte, zu dienen im Heiligen.
Du ſollft aber nehmen den Widder der Füllung, und fein Fleiſch an
einem heiligen Drte kochen, und Aaron mit feinen Söhnen fol e8 efen,
fammt dem Brod im Korbe, vor der Thüre der Hütte des Stiftes. Kein
Anderer fol es een, denn es ift heilig. Wo aber etwas überbleibet von
vem Sleifche der Füllung und dem Brode bis an den Morgen, folft vu
8 verbrennen. Sieben Tage folft du ihre Hände füllen, und täglich
einen Barren Schlachten zum Sünpopfer, zur Verfühnung (Kap. 40. V. 35.
fagt Mofe zu ihnen: Und folt in fieben Tagen nit ausgehen von ber
Thüre der Hütte ded Stiftd, und folt Tag und Nacht bleiben, und auf
vie Hut des Herrn warten, daß ihr nicht fterbet). Und ſollſt ven Altar
enifündigen, wenn du ihn verföhneft, und folft ihn falben, daß er gemeihet
werde. (II. 8. lefen wir: Mofe nahm das Salböl, und falbete die
Wohnung und Alles, was darinnen war, und meihete ed; und fprengte
damit flebenmal auf den Altar, und falbte ihn mit allem feinem Geräthe,
dad Handfaß mit feinem Fuße, daß es geweihet würde.) Sieben Tage
font du den Altar verfühnen und weihen, und wer ihn anrühren will,
ver fol geweibet feyn. Und Aaron und feine Söhne follen dieſe Salbung
baben zum ewigen Prieftertbume, bey ihren Nachkommen (Kap. 40). Kände
und Füße müßen die Priefter waſchen, wenn fie in die Hütte des Stiftes
gehen, oder hinzutreten zum Altar, und fo thaten Uaron und feine Söhne
bey ihrer Einweihung. Am achten Tage (II. 9), als Aaron’8 und feiner
Söhne Weihe vollendet war, brachte er ein junges Kalb zum Sünbopfer
var, und einen Widder zum Brandopfer, und machte beyde Opfer und
verföhnte fi und das Volk, und machte dann das Sündopfer des Volfes,
beftebenn in einem Ziegenbod, und dad Brandopfer (ein Kalb und Schaf,
beyve jährig) und, dazu ein Danfopfer von einem Ochſen und einem
Widder, nebft dem Speidopfer, und dann feegnete er das Wolf. (Ind
Mofe und Aaron giengen in die Hütte des Stifts, und da fle wieder
berausgiengen, feegneten fle das Voll. Da erfihien die Herrlichkeit des
Herrn allem Volke. Denn dad Feuer fam aus von dem Herrn, und
verzehrte auf dem Altare das Brandopfer und das Fett. Da das alles
Volt ſah, frohlodten fie, und fielen auf ihr Antlig. Und die Söhne
Aaron's, Nadab und Abihu, nahmen ein jeglicher feinen Napf, und thaten
so PBriefter.
euer verein, und legten Näuchwerf darauf, und brachten das fremde
euer vor den Seren, das er ihnen niit geboten hatte. Da fuhr ein
Fener aud von dem Herrn, und verzehrete fie, daß fie flarben vor dem
Herrn.) Aber ver Hohepriefter follte felbft nicht ohne Weiteres in das
innere Heiligthum geben, denn es heißt (III. 16. 2): Sage Aaron, daß
er nicht allerlei Zeit in das inwendige Heiligtfum gehe, daß er nicht
fterbe,; denn ih will in einer Wolfe ericheinen auf dem Gnadenſtuhle.
Sondern damit fo er bineingehen, mit einem jungen Barren zum Sünd-
opfer, und mit einem Widder zum Brandopfer. Und fol vie heilige
Kleivung anhaben, und fein Fleifh mit Waßer baven.
Der Reinheit ded Priefterd wivderftrebte vie Todtentrauer, weil ber
Tobte verunreinigte. Daher heißt es (10. 6), als Aaron's zwei Söhne,
wie fo eben angegeben morden, umgefommen waren: Mofe ſprach zu
Aaron und feinen überbliebenen Söhnen: Ihr folt eure Häupter nicht
blößen, noch eure Kleider zerreißen, daß ihr nicht flerbet, und ber Zorn
über die ganze Gemeine komme. Laßet eure Brüder ded ganzen Haufes
Ifrael weinen über dieſen Brand, den der Herr getban hat. Ihr aber
folt nicht ausgehen von der Thüre der Hütte des Stifts; ihr möchtet
fterben.” Denn das Salböl des Herrn iſt auf eu. Weiterhin jedoch
(Rap. 21) Heißt ed: Bin Priefter fol fi an feinem Todten verunreinigen,
obne an feinem Blutsfreunde, ald an Mutter, Vater, Sohn,
Tochter, Bruder, und an feiner Schwefter, vie noch eine Jungfrau und
noch bey ihm if. Nur der Hohepriefter fol zu feinem Todten fommen,
und fol fi) weber über Vater noch Mutter verunreinigen. Aus dem
Heiligthume fol er nicht gehen, daß er nicht entheilige das Heiligthum
feined Gottes; denn bie Heilige Krone, dad Salböl feines Gottes ift auf
ihm. Eine Jungfrau fol er zum Weibe nehmen, aber feine Wittwe
(Ezechiel fagt 44. 22: Und folt zur Che nehmen Jungfrauen over -
eines Priefters nahgelafene Wittwe) noch Verſtoßene, noch
Geſchwächte, noh Hure. Auch die andern Priefler mußten Sungfrauen
heirathen, und felbft die Tochter des Priefterd Eonnte ven Vater verun⸗
reinigen. Daher war es beftimmt (21. 9): Wenn eines Priefterd Tochter
anfängt zu Huren, die fol man mit Beuer verbrennen; venn fie hat
ihren Vater geſchändet. Zu dem heiligen Dienfte ward aus Aaron's
Nachkommen jedoch fein Behlerhafter zugelaßen, denn nur Reines und
Unverlegted darf vor den Herrn. Daher heißt es (21. 17): Wenn an
Jemand deines Samend in euern Geſchlechtern ein Fehler if, ver fol
nicht herzutreten, daß er das Brod feines Gottes opfere, er fey blind,
lahm, mit einer fjeltfamen Nafe, mit ungewöhnlichdem Glieve, oder der
an einem Buß oder Hand gebrechlich ift, oder hoͤckericht ifl, over ein Bell
auf dem Auge Hat, ober fcheel, oder grinbicdht, oder fchabicht, oder der
gebrochen iſt. Doch fol er das Brod feines Gottes efen, beydes, von
Priefter. sı
dem heiligen und dem allerheiligften. Aber zum Vorhange fol er nicht
fommen, noch zum Altare nahen. Wer jedoch unter Aaron's Nachkommen
unrein war durch Ausſatz oder Fluß, durfte nicht davon eßen, bis er zein
geworden war, und wer fonfl durch eine Berührung oder Unreinigfeit
unrein war, blieb ed bis zum Abende, badete feinen Leib, und durfte
dann nad Sonnenuntergang davon eßen (22), „denn es ift feine Nahe
rung.’ Kein Anderer fol von dem Heiligen eßen, noch des Prieſters
Hausgenoß, noch Taglöhner. Wenn aber der Priefter eine Seele um
fein Geld Faufet, der mag davon efen, und was ihm in feinem Kaufe
geboren wird, das mag auch von feinem Brod efen. Wenn aber des
Priefters Tochter eined Fremden Weib wird, die fol nicht von der heis
ligen Hebe eßen. Wird fle aber eine Wittwe, over audgeftoßen, und bat
feinen Samen, und fommt wieder zu ihres Vaters Haufe, fo foll fie
eben von ihres Vaters Brod. Wer's verſtehet und fonft von dem Heiligen
iget, ver fol das fünfte Theil dazu thun, und dem Priefter geben fammt
vem Heiligen. Die Priefter ſollen ſich (21. 5) feine Platte machen auf
ihrem Haupte (Ezechiel jagt 44. 20: Ihr Haupt follen ſie nicht befcheeren,
und ſollen auch nicht die Haare frei wachſen laßen; ſondern follen bie
Saare umher verfchneiven), noch ihren Bart abjcheeren, und an ihrem
Leibe fein Mal pfegen. (Im fünften Buche Mofe 14. 1. heißt es von
allen Ifraeliten: Ihr ſeyd Kinder des Herrn, eured Gottes; ihr ſollt
euch nicht Male ftechen, noch kahl fcheeren über ven Augen, über einen
Todten; denn du bift ein heiliges Volk dem Herrn; und 23. 1. wird
geboten: Es fol fein Zerftoßener, noch Berfchnittener in die Gemeine
des Herrn kommen, aud Fein Hurenkind ſelbſt nach dem zehenten Gliede.)
Des Weins und flarfen Getränfes mußte fi der Priefler enthalten,
wenn er in bie Hütte des Stiftes gieng, damit er Heilige und Unhei⸗
ligeg, Reines und Unreines unterfcheiven und die Kinver Ifrael alle
Gebote Gottes lehren fünne (III. 10).
Ueber die weiteren Öbliegenheiten der Prieſter, welche ven Gottes⸗
bienft verrichteten, leſen wir (II. 24): Gott ſprach zu Mofe: Gebiete
den Kindern Iirael, daß fie zu dir bringen geftoßenes Tautered Baumöl
zu Lichtern, dad oben in vie Lampen täglich gethan werde, außen vor den
Vorhang des Zeugnißes in ver Hütte des Gtifts. Und Aaron ſoll's
zurichten des Abends und des Morgens vor dem Herrn täglihd. Er fol
aber die Lampen auf dem feinen Leuchter zurichten vor dem Herrn täglich.
Und folft Semmelmepl nehmen, und davon zwölf Kuchen baden, zwo
Zehnten fol ein Kuchen haben. Und folft fie legen je ſechs auf eine
Shit, auf den feinen Tiſch vor dem Herrn. Und folft auf viefelben
legen reinen Weihrauch, daß es feyen Dankbrode zum Teuer dem Herrn.
Ale Sabbathe für und für fol er fie zurichten vor dem Herrn, von ben
Kindern Ifrael, zum ewigen Bund. Und follen Aaron's und feiner
IV. 6
s2 Priefter.
Söhne feyn, die follen fle eßen an Heiliger Stätte, denn das ift fein
allerbeiligfted von den Opfern des Seren zum ewigen Rechte. Das
Urteil über Verunreinigung und Unreinheit, ald Ausſatz u. f. m., ferner
alle Einweihung, der Eid und was irgend mit dem Goͤttlichen zufammen-
hieng, gehörte dem SPriefter.
Wiewohl die Prieſter Feinen Theil vom Lande Canaan bekamen, jo
fehlte e8 ihnen doch an nichts. Der Herr ſprach zu Aaron (IV. 18):
Du fonft in ihrem Lande nichts heftigen, auch Fein Theil unter ihnen
haben; venn Id bin dein Theil und dein Erbgut unter den Kindern
Iſrael. Ich habe dir gegeben meine Hebeopfer, von Allem, das die
Kinder Ifrael heiligen. Das folft du haben von dem allerheiligften, das
fie opfern: Alle ihre Gaben mit allem ihrem Speidopfer, und mit allem
ihrem Sünbopfer, und mit allem ihrem Schuldopfer. Am allerbeiligften
Orte ſollſt du es eßen, was männlich if, fol davon eßen, denn ed fol
bir heilig feyn. Ih Habe auch dad Hebeopfer ihrer Gabe, an allen
MWebeopfern dir und deinen Söhnen und. deinen Töchtern gegeben; wer
rein ift in deinem Haufe, ver fol davon eßen. Alles befte Del und
allen beſten Moft und Korn ihrer Erſtlinge, die fie dem Herrn geben,
babe ich dir gegeben. Die erfte Frucht alles dep, das in ihrem Land ifl,
dad fle dem Herrn bringen, fol dein feyn; wer rein iſt in deinem Haufe,
fol davon efen. Alles Verbannte in Ifrael fol dein feyn. Alle Erft-
geburt, es jey ein Menſch oder Vieh, fol dein ſeyn; doch daß du bie
erſte Menfchenfrucht loͤſen Taßeft, und die erfle Frucht eines unreinen
Viehes auch löſen laßeſt. Sie ſollen's aber Iöfen, wenn’ einen Monat
alt ift, um fünf Sedel des SHeiligtbums. Uber die erfte Frucht eines
Ochfen oder Lamms over Ziege, folft vu nicht zu loͤſen geben, fondern
opfern. Ihr Fleiſch fol dein feyn, wie au die Webehruft und vie
rechte Schulter dein if. Auch erhielten die Priefter ven Zehnten von
den Leviten. Don der Striegäbeute Fam, was dem Herrn geweiht ward
an die Priefter, und wir fehen (IV. 31) ein Beifpiel, daß ihnen eind
von fünfhundert zugetheilt ward. (Das Geld der Sündopfer und Schuld⸗
opfer gehörte dem Priefter. Zweites Buch ver Könige 12. V. 16.)
Zumellen werben alle Diener des Herrn, die zum heiligen Dienfte
verordnet waren, Leviten genannt; dies aber hebt vie Unteroronung ber
eigentlichen Leviten unter vie Vriefter nicht auf. Als verwandt erfcheinen
beyde Abtheilungen, denn vom Levitengefchlechte Kahath flammten Mofe
und Xaron (IV. 26). Beyde Abtheilungen erhielten Bey ver Befignahme
Canaan's fein Erbtheil, und ihre Gefammtzahl betrug damals bey ber
Zählung drei und zwanzig taufend männliche Stammglieder von einem
Jahr und darüber. Gleih von Anfang an befiehlt der Moſaismus die
Unterordnung, wie wir leſen (II. 38): Gottesdienſt der Leiten unter ber
Sand Ithamar's, Aaron's des Prieflers, Sohnes; und (IV. 3): Gott
PBriefter. s3
ſprach zu Mofe: Bringe ven Stamm Levi herzu und ftelle fie vor Aaron,
daß fie ihm dienen, und feiner und der ganzen Gemeine Hut warten vor
der Hütte des Stiftes, zu dienen am Dienfte ver Wohnung, und warten
alles Geräthbes der Hütte des Stifts. Und folft vie Leviten Aaron
und feinen Söhnen zuorpnen zum Geſchenke von den Kindern
Iſrael. Aaron aber und feine Söhne folft du fegen, daß fie ihres
Vriefterthumes warten. Wo ein Sremder fi herzu thut, Der
ſoll fterben. Siehe, ich Habe die LKeviten genommen für alle Erft-
geburt. Die LXeviten aber theilten fih in brei Geſchlechter, Kahath,
Gerfon und Merart, und der Dienft war unter fie nach dieſen Geſchlech⸗
tern vertheilt. Das Geſchlecht ver Gerfoniter, heißt e8 (IV. 3), ‚fol fi
Ingern hinter der Wohnung gegen den Abend, und file follen warten ber
Wohnung (wo ein Fremder ſich dazu machet, der fol flerben, 1. V. 51)
und der Hütte, und ihrer Deden und des Tuchs in der Tihüre ver Hütte
des Stiftes, des Umhangs am Vorhof, und ded Tuchs in der Thüre des
Vorhofs, welcher um die Wohnung und den Altar hergehet, und feiner
Seile, und Alles, was zu feinem Dienfte gehöret. Die Kahathiter follen
fi) lagern an die Seite der Wohnung gegen Mittag, und follen warten
ver Lade, des Tifches, des Leuchterd, des Altard und alles Geräthes des
Heiligthums, und des Tuch, und mad zu feinem Dienfte gehöret. Die
Geſchlechter Merari follen fich lagern an die Seite ver Wohnung gegen
Mitternacht, und jollen warten ber Bretter und Riegel und Säulen und
Süße der Wohnung, dazu der Säulen um den Vorhof mit den Füßen
und Nägeln und Seilen. Uber vor der Wohnung und vor ber Hütte
des Stifte gegen Morgen follen fidy lagern Moſe und Aaron und feine
Söhne, daß fie des Heiligthbumes warten und der Kinder Iſrael. Wenn
fh ein Fremder herzuthut, ver fol flerben. Und ver Herr ſprach zu
Mofe: Zähle ale Erfigeburt, mad männlih ift, und folft vie Leviten
nir audfondern für ale Erflgeburt ver Kinver Ifrael, und der Leviten
Vieh für alle Erftgeburt unter dem Vieh der Kinder Ifrael. Die Erfte
geburten über die Zahl ver Leviten folft du laßen, und je fünf Sedel
vom Haupte nehmen, und died Geld geben Aaron und feinen Söhnen.
Wiewohl den Kahathitern der Dienfl ver Lade, des Altars u. f. w. oblag,
durften fle doch das Heiligthum weder anrühren, noch unbedeckt ſchauen,
fondern die Priefter mußten Alles vor ihrer Berührung und Anfchauung
wahren. (Kap. 18. fagt Gott zu Uaron: Zu dem Geräthe des Heilige
thums und zu dem Altare follen fie ſich nicht machen, daß nicht beyde,
fie und ihr flerbet.) Bey dem Zuge in ver Wüfte erhielten vie beyden
andern Stämme Wagen, um da, was file zu beforgen hatten, fortzu«
Ihaffen, die Kahathiter aber mußten auf den Schultern tragen, weil fte
ein heiliges Amt hatten (7. 9). Die Einweihung ber Xeviten war fo,
daß fie dem Herrn ald ein Opfer vargebracdht wurben. Der Herr ſprach
6*
sa PBriefter.
zu Maſe (8. 7): Du ſollſt Suͤndwaßer auf fie fprengen, und follen alle
ihre Haare rein abfcheeren, und ihre Kleider waſchen; fo find fie rein.
Dann follen fie nehmen einen jungen Barren und fein Speidopfer, Semmel-
mehl mit Del gemenget; und einen andern jungen Barren foNft du zum
Sündopfer nehmen. Und folft die Leviten vor die Hütte des Stiftes
bringen, und die ganze Gemeine der Kinder Iſrael verſammeln; und bie
Keviten vor den Herrn bringen, und die Kinder Iſrael follen
ihre Hände auf die Xeviten legen. Und Aaron fol file vor dem
Herrn weben, und ſie follen ihre Hände aufd Haupt der Barren legen;
und einer fol zum Sündopfer, ber andere zum Brandopfer gemadıt
werden. Ich gab fie zum Geſchenk Aaron und feinen Söhnen, daß fie
dieneten in der Hütte des Stiftes, die Kinder Iſrael zu verfühnen, auf
dag nicht unter den Kindern Iſrael fey eine Plage, fo fle fi nahen
wollten zum Seiligthum. Ihr Alter fehen wir beſtimmt (8. 24): Bon
fünf und zwanzig Jahren und darüber taugen fie zum Heer und Dienft
in der Hütte des Stift; aber von dem fünfzigften Jahr an follen fie
ledig jeyn von Amte des Dienftes, und follen nicht mehr dienen, ſondern
auf den Dienft ihrer Brüder warten, des Amts aber follen fie nicht
pflegen. (Im vierten Kapitel wird thr Dienftalter beflimmt von dreißig
Jahren bis fünfzig, und eben fo im erften Buche der Ehronif 24. 3.)
Auch die Leviten befamen fein Erbgut (IV. 18), fondern alle Zehnten,
ihred Amtes zu pflegen, und aller Kinder Ifraeld Mißethat zu tragen.
Sie mußten aber dem Kern als Hebeopfer ven Zehnten von dem Zehnten
für die Priefter geben, welches geachtet wird, als gäben fie Korn aus der
Scheune und Fülle aus der Kelter. Daß ihnen ein AntHeil der Kriegs⸗
beute fo gut wie den Prieftern zufam, fehen wir aus einem Beyſpiele
(IV. 31), wo ihnen eind von fünfzig aus dem Theile der Gemeine
gegeben wird. Obgleich nun die Leviten Fein Erbgut befamen, fo erhielten
fie doch Städte. Der Herr fprah zu Mofe (Kap. 35): Gebiete ven
Kindern Ifrael, daß ſie ven Leviten Städte geben, von ihren Erbgütern,
da file wohnen mögen; dazu die Vorſtädte, daß fie darin ihr Vieh und
Gut und allerlei Thiere haben. Die Weite aber der Vorftäpte fol taufend
Ehen außer der Stadtmauer umher haben. So folt ihr nun meßen
außen an der Stadt nad) jeder Gegend zmweitaufend Ellen, daß vie Stadt
im Mittel fey. Alle Stäpte, vie ihr ven Leviten gebet, follen feyn acht
und vierzig mit ihren Vorſtädten, und folt berfelben deſto mehr geben
von denen, die viel befigen, und deſto weniger von denen, die wenig
befiten. Und unter den Städten, die ihr ven Leviten gebt, folt ihr ſechs
Freiſtädte geben, drei dieſſeits des Jordans und drei im Lande Canaan,
daß dahin fliehe, wer einen Todtſchlag gethan hat, nämlich einen unfrei⸗
willigen. Wo aber Jemand feinen Nächften mit Liſt erwürget, heißt es
(1. 21) als Befehl Gottes, folft du denfelben von meinem Altare nehmen,
Priefter. 85
dag man ihn tödte. (Selbſt ein Ochſe, welcher Einen todt ftößt, fol
gefleinigt werden, und fein Herr foll, wenn er wußte, daß er ftößig fey,
und verwahrte ihn nicht, fierben, falls man nicht Geld als Löfung feines
Lebens annahm.) Aus der Freiſtadt durfte der Topdfchläger nur vor das
Gericht der Gemeine geben, vie über feine That erfannte, und war er
wieder in dieſelbe entlaßen, fo verfiel er dem Bluträcher, wenn er fidh
wieder herausmagte. Erft bey dem Tode des Hohenpriefterd, unter welchem
er fi) geflüchtet hatte, war er frei und durfte wieder zum Lande feines
Erbgutes fommen. Don dem NRüdfalle ver verkauften Güter an ven erb-
lihen Befiger im Halljahre waren die Häufer in den Städten auöges
nommen; biefe burfte der Derfäufer während eines Jahres nach dem
Verfaufe löfen, dann aber blieben fie für immer den Käufern und ihren
Nahfommen (I. 25). Die Städte der Leviten aber, und die Käufer in
ven Städten, worin ihr Habe war, mochten immer gelöft werden, und
wer etwas von den Leviten ldjte, mußte es im Halljahre verlaßen, weil
die Käufer in den Städten Ihre Habe unter den Kindern Ifrael waren.
Dad Feld vor ihren Städten durfte man nicht verfaufen, denn e8 war
ihr Eigenthum für immer. Im fünften Buche Mofe (14) Iefen mir:
Und der Levit, der in deinem Thor ift, vu follft ihn nicht verlaßen, denn
er hat kein Theil noch Erbe mit dir. Ueber drei Jahre follft du aus:
londern alle Zehnten veined Einkommens deſſelben Jahrs, und follft es
fen in deinem Thore: So fol fommen ver Kevit, und ber Fremdling
und der Waife und die Wittwe, die in deinem Thore find; und efen
und ſich fättigen, auf daß dich der Herr fegne. Man follte denken, daß
bie Leviten, vie alle Zehnten erhielten, im Ginzelnen eine ſolche Mild—
thätigfeit anzufprechen nicht nöthig gehabt hätten. Eben daſelbſt lefen wir
das Gebot: Du folft alle Jahre den Zehnten alles Cinfommend deiner
Saat eßen vor dem Herrn, an dem Orte, den er ermählet, daß fein
Name dafelbft wohne, und den Zehnten von der Erſtgeburt deiner Rinder
und Schafe. (Der Zehnte gehörte jedoch den Xeviten, und alle männliche
Erfigeburt dem Herrn.) Wenn aber des Weges dir zuviel ift, daß bu es
nicht hintragen fannft, fo gieb ed um Geld und gehe an den Ort, den
Gott erwählet bat, und Faufe, was deine Seele gelüftet, und iß daſelbſt
bor dem Herrn und fey fröhlih, du und dein Haus. Werner heißt es
bafel6ft (18): ‚Die Priefter, die Leviten,“ als fey Eein Unterſchied, und
weiterhin: Wenn ein Levit fommt aus irgend einem deiner Thore, oder
fonft irgend aus ganz Ifrael, da er ein Gaft iſt; und fommt nad
aller Luſt feiner Seele an den Ort, den ver Herr ermählet bat, daß er
biene, wie alle feine Brüber, die bafelbfi vor dem Herrn ſtehen: die
ofen gleichen Theil zu eßen haben, über das er hat von dem ver-
fauften Gut feiner Bäter. Als vem Priefler von dem Opfer
gehörig wird aber genannt der Arm, beyde Baden und ver Wanft, fo
®
S6 | PBriefter.
wie die Erfllinge des Korns, Moſts, Oels und das Erftling von der
Schur der Schafe. Im zweiten Buche der Könige (25) iſt die Rebe
von einem Priefter der erflen Orbnung und einem Priefler der andern
Ordnung und von Thürhütern. Es hatten die Leviten nach ihren Geſchlech⸗
tern Vorſteher, wenigftend zur Zeit David's, denn als diefer die Tape
des Herrn in feine Stadt bringen wollte, rief er vie Prieſter und bie
Leviten, und zwar bie Oberften berfelben; dieſer Oberften aber der Leviten
waren es fech8, der Priefter aber zwei, und bie Leviten trugen die Lade
an Stangen auf ihren Schultern. Bey dieſer Gelegenheit ließ David
durch die Oberften Sänger unter den Leviten beftellen mit Saitenfpielen,
Pſaltern, Harfen und hellen Eymbeln, und fle wurden unter einen Sang⸗
meifter geftellt, vie Trompeten aber wurden von den Prieflern geblafen.
Auch Thürhüter der Lade waren die Xeviten.
David ordnete aufs neue die Priefter und Leviten, deren er acht und
dreißig taufend Männer von dreißig Jahren und barüber fand (erftes
Bud) der Chronif 24). *) Davon verorbnete er vier und zwanzigtaufend,
die das Werf am Haufe des Heren (am Tempelbau) trieben, fechötaufend
zu Amtleuten und Richtern, viertaufend zu Thorhütern und viertaufend zu
*) Im zehenten Kapitel wird erzählt von Aufzeichnung der Kinder Iſrael, die
gen Babel weggeführt wurden, darunter die Leviten, die waren Pförtner
and Sullum der Oberfte derfelben, denn bisher hatten am Thore des
Königs gegen den Aufgang gewartet die Kinder Levi mit Lagern. Die
Korahiter, die Brüder Sullum’s, warteten an der Schwelle der Hütte,
und ihre Väter im Lager des Herrn, daß fie warteten bes Einganges.
Diefer Aller waren zweihundert und zwölf, gerechnet in ihren Dürfern.
Es waren aber foldde Thorwärter, die David und Samuel durch ihren
Glauben ftifteten, gegen die vier Winde geftellt. Ihre Brüder aber waren
auf ihren Dörfern, daß fie hereinfämen, je des flebenten Tags, allezeit
bey ihnen zu feyn. Denn die Leviten waren dieſen vielerlei oberften
Thorhütern vertraut, und fie waren über die Kaftlen und Schäge im
Haufe Gottes. Auch blieben fie über Nacht um das Haus Gottes; denn
es gebührete ihnen die Hut, daß fie alle Morgen aufthaten. (Die Worte
des Pſalms [134. 1]: Lobet den Herrn, alle Knechte des Herrn, die ihr
Rehet des Nachts im Haufe des Herrn, müßen fich auf eine folche Wache
beziehen, da der Mofaismus feinen nächtlichen Gottesdienſt Hatte.) Etliche
aus ihnen waren über das Geräthe des Amtes; denn fie trugen es
gezählet aus und ein. Etliche waren beftellt über die Gefäße, und über
alles heilige ©eräthe, über Semmelmehl, Wein, Del, Weihraud, Räud-
werf. Aber der Briefter Kinder machten Etliche das NRäuchwerf. Dem
eriten Sohne Sallum’8 waren vertrauet die Pfannen. Aus den Kaha-
thitern aber, ihren Brüdern, waren über die Schaubrode zuzurichten,
daß fie fie alle Sabbath bereiteten. Das find die Sänger, die Häupter
unfer den Bätern der Leviten, über die Kaften ausgefondert; denn Tag
und Nacht waren fie darob im Gefchäfte.
Priefter. 87
Sängern mit Saitenfptelen. Auch wurben bie Leviten von zwanzig Jahren
und drüber gezählet, weldye die Wohnung nicht tragen durften, fonvern
unter der Hand der Kinder Aaron’ dienen follten im Haufe des Herrn,
im Hof und zu den Kaften, und zur Reinigung, und zu allerlei Heilig«
thum, und zum Schaubrode, zum Semmelmehl, zum Speidopfer, zu unge«
jäuerten Fladen, zur Pfanne, zu Nöflen, und zu allem Gewicht und
Maß; und zu flehen des Morgens, zu danfen und zu loben den Herrn,
des Abends au alfo, und alle Branvopfer dem Herrn zu opfern auf
bie Sabbathen, Neumonden und Befte, nach der Zahl und Gebühr, alle-
wege vor dem Herrn. Die beyden Stämme der Söhne Aaron's orbnete
er fo: ſechszehn aus den Kindern Eleaſar's zu Oberflen, und acht aus
den Kindern Ithamar's, und zwar durchs Roos, fo daß diefe die Oberften
waren im Heiligthum und die Oberften vor Gott. Die Sänger werben
Propheten genannt (Kap. 26) und waren aus drei Stämmen abgefondert,
dem Stamm Aſſaph, der da meißagte bey dem Könige, dem Stamm
Jedithun mit Harfen, und diefe meißagten zu vanfen und zu loben den
Herrn, und drittens dem Stamme Heman, Heman aber war der Schauer
des Königs in den Worten Gottes (Kap. 22. wird auch Gab ein Schauer
Daviv’8 genannt), und diefe Alle, an der Zahl zweihundert acht und
achtzig, allefammt Meifter, hatten zu fingen mit Cymbeln, Pfaltern und
Sarfen im Haufe des Herrn, und diefe Iooften um ihr Amt, der Looſe
aber waren vier und zwanzig, wodurch immer je zwölf vereinigt wurden,
welhe Zahl wohl nicht ohne Beziehung auf die Zahl der zwölf Stämme
Iiraeld war. Auch die Thorhüter, Schagbewahrer, Amtleute, und die dem
Könige dienten, waren genau georonet (Kap. 27).
Zur Zeit des Königs Hiskia fehen wir einmal die Leviten am Werfe
ber Priefter. Hiskia ließ ein großes Opfer halten (Chronif IL. Kap. 19),
und der Priefter waren zu wenig und konnten nicht allen Brandopfern
bie Haut abziehen; darum nahmen fie ihre Brüder, die Leviten, bis das
Werk audgerichtet ward, und bis fih die Priefter Heiligten. Denn die
Leviten find leichter zu Heiligen, als vie Prieſter. Als hernach das Paſſah
gefeiert ward, ſchlachteten die Leviten dad Paſſah für Alle, die nidht rein
waren, daß fle vem Herrn geheiligt würden; denn da dad Feſt ſchon in
feiner für Unreine beflimmten letzten Zrift, im zweiten Monate gefeiert
ward, fo war ein weiteres DVerfchieben dem Geſetze zuwider. Doch feierte
man diesmal, um e8 recht herrlich zu machen, nachdem bie gefeglichen
fieben Tage herum waren, abermals fieben Tage, und die Leviten und
Priefter Tobten den Herrn alle Tage mit flarfen Saitenfpielen. Als
Opferfihlächter fehen wir aud die Leviten beym Paſſah zur Zeit bed
Königs Joſia. Diefer entfernte den heidnifchen Eult, und hieß bie Leviten
die Lade in den Tempel thun, doch nicht auf den Schultern tragen.
(Chronik II. 35. Bon den Xeviten heißt es bier, daß fie ganz Iſrael
88 Briefter.
lehren.) Der König gab zu dem Pafjah für den gemeinen Mann dreißig—
taufend Lämmer und Ziegen und dreitaufend Rinder von feinem Gute.
Die Fürften im Haufe Gottes unter den Prieftern, deren drei genannt
werben, gaben für das Volf und für die Vriefler und Leviten zweitaufend
und fehöhundert Lämmer und dreihundert Rinder, vie Oberſten aber ber
Leviten, deren drei mit ihren drei Brüdern genannt werden, gaben zur
Hebe den Leviten zum Paſſah fünftaufend Lämmer und Ziegen und fünf—
hundert Rinder. Und fie fchladhteten das Paſſah, und die Priefler nahmen
von ihren Händen und fprengeten, und vie Leviten zogen ihnen die Haut
ab. Und thaten die Branpopfer davon, daß fie ed gäben unter die Theile
der Väter Häufer in ihren gemeinen Kaufen, dem Herrn zu opfern. So
taten fie mit den Rindern au. Und fie Fochten dad Paſſah am Beuer,
wie fidy gebühret. Uber was geheiliget war, kochten fie in Töpfen, Keſſeln
und Pfannen; und fie machten es eilend für den gemeinen Haufen. Dar-
nach bereiteten fie auch für fih und für die Prieſter. Denn die Priefter
fhaflten an dem Brandopfer und Betten bis in die Nacht. Darum mußten
die Leviten für fih und für die Prieſter zubereiten. Und die Sänger
flanden an ihrer Stätte und die Thorhüter an allen Thoren, und wichen
nit von ihrem Amte; denn die Leviten, ihre Brüder, bereiteten zu für
fie. Als Nehemia den Gottespienft wieder ordnete nach ver Beſiegung
durch die Babylonier, bradhte er zur Einweihung der Mauern Jerufalem’s,
die wieber hergeftelt wurden, vie Leviten aus allen ihren Orten zufammen,
zu halten Einweihung, in Sreuden, mit Danfen, mit Singen, mit Cym⸗
bein, Bfaltern und Harfen (Nehemia 12). Und e8 verfammelten fid} vie
Sänger von den Nedern und Höfen, denn fie hatten fih Höfe gebauet
um Serufalem her. Und die Priefter und Leviten reinigten ſich und das
Bolf und die Thore und die Mauer, und die Fürften Juda fliegen auf
die Mauer, und zwei große Dankchöre giengen auf der Mauer, der eine
zum Miftthor, und Hinter ihm giengen Bürften und etliche ver Priefter
Kinder mit Trompeten und mit Saitenfpielen, und Efra der Schriftgelehrte
gieng vor ihnen ber. Der andere Chor mit der Hälfte der Bürften und
mit Nehemia gieng nach dem Waßerthore zu, und zulegt trafen fle beym
Kerfertbore zufammen, und die Sänger fangen laut. Und es wurden
befielben Tages große Opfer geopfert, und waren fröhlih. Zu der Zeit
wurden verorpnet Männer über die Schagfäflen, darinnen die Heben,
Erſtlinge und Zehnten waren, daß ſie fammeln follten von den Aedern
und um die Städte, audzutheilen nach dem Gefege für die Priefter und
Leviten. Und ganz Ifrael gab ven Sängern und Thorhütern einen jeg«
lien Tag zu Nehemia's Zeit fein Theil; und fie gaben Geheiligtes für '
bie Zeviten, die Leviten aber gaben Geheiligtes für die Kinder Aaron’s.
(Priefter werben beyde, die Prieſter und Xeviten, benannt bey Ezechiel
[40. V. 45 und 46., 43. V. 19], welder von ven Keviten fagt [44. 10],
Ein...
Briefter. 89
fie duͤrften nicht in das Heiligthum kommen, weil ſie ſammt Iſrael irre
gegangen nach ihren Götzen, darum ſollen fie ihre Sünde tragen, fie
folen aber an den Aemtern, den Thüren des Haules, und dem Haufe
bienen; und follen nur das Brandopfer, und andere Opfer, fo dad Volt
berzubringet, fchladhten, und vor den Prieftern ftehen, daß ſie ihnen dienen.)
Neben ven Prieſtern und Leviten nennt das erſte Buch der Chronik
(10. 2) die Nethinim. Auch im Bud Eira (2. 43., 7. 7) werben fie
genannt, und es heißt (2. 70. und eben fo Nebemia 7. 73) von ihnen:
Afo fegten fi die Priefter und die Leviten, und Etliche des Volks, und
bie Sänger, und die Thorhüter, und die Nethinim in ihre Städte,
und alles Sfrael in feine Städte. Eben fo werben fie bey Nehemia
(3. 26) erwähnt, wo es heißt: Die Nethinim aber wohneten an Ophel
bis an das Waßerthor (zu Ierufalem) gegen Morgen, da der Thurm
herausſiehet. Sie waren ven Leviten zum Dienfle zugegeben. Era (8. 20)
beißt ed: Und von den Nethinim, die David und die Yürften gaben zu
dienen den Leviten. Zu ihnen muß Salomo noch andere Diener gefügt
baben, denn wir leſen (Eſra 2. 58. Nehemia 7. 60): Aller Nethinim
und Kinder der Knechte Salomo's waren zufammen breifundert und zwei
und neunzig, und da (Eſra 8. 20) die damalige Zahl der Nethinim allein
auf zweihundert und zwanzig angegeben wird, fo war die Zahl der Knechte
Sulomo’8 geringer, nämlich Hundert und zwei und flebenzig. Joſephus in
jeinen Alterthümern (11. 5. 1.) nennt fie Hierodulen, d. i. Heiligthums—⸗
klaven, doch ihren Dienft fennen wir nicht, und daß fie von David ein⸗
gefeßt worden, fo wie andere Diener zu ihnen von Salomo, zeigt, daß
fie Obliegenheiten hatten, vie vorher nicht beflimmt angeoronet waren.
Don Dienern niedriger Art Iefen wir allerdings ſchon im Bude Jofua
(9. 20), wo es von den Gibeoniten Heißt: Und die Oberſten fpradhen:
Laßet fie leben, daß fle Holzhauer und Waßerträger ſeyen ber ganzen
Gemeine — Knedhte, die Holz bauen und Waßer tragen zum Haufe
Gottes. Ihr Name bezeichnet fie als Webergebene, nämlich zum Dienft
Mebergebene (natan, bat gegeben, übergeben).
Was für ein Verhältnig es bewirkte, daß ein Rinzelner einen Priefter
hatte, wird und nicht gemelvet, wohl aber die Sache. Im erflen Buche
Samueli8 (20. 25) beißt es nämlih: Zadok und Ab-Jathar waren
Priefter, dazu war Ira, der Jairiter, David's Priefler. Don einem Mann
auf dem Gebirg Ephraim, mit Namen Mia, erzählt dad Buch der
Richter (17), er gab feiner Mutter Geld, welches ihr gehörte, fie wollte
es aber nicht wieder haben, weil fie es - für ihren Sohn dem Herrn
geheiligt hatte, um ein Bildniß und einen Abgott davon zu machen. Wie
der Sohn e8 ihr aber auforängte, gab fie dem Goldſchmied zweihundert
Silberlinge, der machte ihr ein Bild und Abgott, dad war darnach im
Haufe Micha. Und Micha hatte alfo ein Gotteshaus, und machte einen
90 PBriefter.
Leibrock und Heiligthum, und füllete feiner Söhne einem die Hand (d. i.
er machte ihn zum Priefler durch das Füllopfer), daß er fein Priefter
ward. Es Fam aber ein Levit aus Bethlehem, und Micha ſprach zu ihm:
Bleibe bey mir, du folft mein Vater und mein Prieſter feyn; ih will
dir jährlich zehen Silberlinge, und benannte Kleider, und beine Nahrung
geben. Und ver Levit blieb bey ihm, und Micha füllete ihm die Hand,
daß er fein Priefter ward, und ſprach: Nun weiß ich, daß mir der Herr
wohltfun wird, weil ich einen Xeviten zum Priefter habe. Die Kinder
Dan aber nahmen das Bild und Heiligthum fammt dem Priefler meg,
und als fie Lais erobert hatten und ſich daſelbſt nieverliegen, richteten
fie das Bild für fih auf. Und Jonathan, der Sohn Gerfon’d, und feine
Söhne waren Priefter unter dem Stamme ver Daniter, bis an die Zeit,
da file aus dem Lande weggeführt worden. Und festen alfo unter ſich
das Bild Micha, das er gemacht hatte, fo lange, als das Haus Gottes
war zu Sily.
Der Moſaismus Tieß nur Priefler zum Gottesvienfte zu, der heib-
nifhe Dienft der Semiten fchloß die rauen wentgftens nicht von aller
Thätigfeit bey ver Gotteöverehrung aus. Wir erfahren zwar nicht geradezu,
daß es Priefterinnen gegeben, welche für bie weibliche Gottheit, die große
Mutter Natur nicht ungeeignet gewefen feyn würden; doch berichtet und
dad Alte Teftament wenigftens Folgendes (Samuel I. 2. 22): Weiber
dienten vor der Thüre der Hütte des Stiftes. (Baruch 6. 28): Die
Weiber pflegen ver filbernen, goldenen und hölzernen Bögen. Und die
Prieſter fiten in ihren Tempeln, mit weiten Chorröden, fcheeren ben
Bart ab, und tragen Platten, fiben da mit bloßen Köpfen, heulen und
fihreien vor ihren Götzen, wie man pflegt in der Todten Begängnißen.
Die Weiber aber figen. vor den ‚Kirchen mit Striden umgürtet, und
dringen Obft zum Opfer. Und wenn Jemand vorüber gehet, und eine
von ihnen hinwegnimmt, und bey ihr jchläft, rühmet fle ſich wider bie
Andere, daß Iene nicht fey werth gemefen, wie fie, daß ihr der Gurt
aufgelöfet würde. Diefes Fam im Moylittadienfte vor, und es galt demnach
jeves Weib, wenigſtens in dieſem Eult, als der Bdttin geweiht. Auch
war im Heiligthume des Baal zu Babylon ein Weib dem Gotte geweiht.
Ganz von aller Thätigfeit waren die Brauen auch nicht bey den Kindern
Iſrael ausgefchloßen; denn wir fehen Mirjam, Aaron's Schwefter, an
der Spike der Frauen einen Neigen aufführen mit Paufen und Lobge—
fang, Gott zu ehren, und in den Pfalmen (68. 26) heißt ed von einer
Proceſſion im Heiligthume: Die Sänger gehen vorher, darnach die Spiel-
leute unter den Mägben, die da paufen.
91
Weißagung Zauberei. Wunder.
Die Weißagung *) fol dem Menfchen ven göttlichen Willen Fund
tbun, damit er, darüber belehrt, nicht irre, oder fie fol ihm den Rath
ver Gottheit verfchaffen, z. B. durch welche Mittel eine Krankheit befeitigt,
ein Unglüd entfernt werben könne, oder die Folgen eined Unternehmens
und die Zukunft offenbaren. So wie in Griechenland und Italien, in
Aegypten und fonft an Weißagung geglaubt ward, fo auch bey den
Semiten, unb die Schriften des alten Teſtamentes geben fattiam Kunde
davon. Als ein vorzüglicher Theil dieſer Weißagung erfcheint die Offen-
barung der Gottheit im Iraume, welche auch in dem Glauben der Iſrae⸗
liten galt, wie fi$ aus manchen in der Abtheilung von der Erfcheinung
ver Gottheit angeführten Fällen ergiebt. Wenn aber die Träume einer
Auslegung beburften, fo konnte dieſes nur durch einen mit einer von
Gott verliehenen Kraft Begabten geichehen. Diefed wollen vie Worte
Jojeph’3 in Aegypten fagen, der als feine Mitgefangenen, ver Schenke
und der Bäder des Pharao, geträumt hatten und traurig waren, auf
feine Frage nah dem Grund ihrer Traurigkeit, die Antwort erhielt
(Moie I. 40): Es Hat und geträumet, und wir haben Niemand, ver es
und auslege; worauf er fprah: Auslegen gehört Gott zu, doch
erzaͤhlet mir's, und als er ihre Träume vernommen, deutete er fie. Die
Deutung gieng in Erfüllung, und eben fo der Traum ded Pharao, welchen
er fpäter deutete. Als Pharao den Iofeph zur Deutung feines Traumes
hatte Holen Tagen, fprah er zu ihm (I 41): Mir Hat ein Traum
seträumet, und iſt Niemand, ver ihn deuten Tann; ich habe aber gehöret
von Dir fagen, wenn du einen Traum höreft, fo kannſt du ihn deuten.
Jofeph antwortete Pharao und fprah: Das ſtehet bey mir nicht;
Bott wird doch Pharao Gutes weißagen Eben fo träumte
Joſeph feine Zukunft (Mofe I. 37), als er noch zu Haufe bey feinem
Vater war, aber fo, daß diefe bildlich angeveutet war, und mithin einer
Deutung bedurfte, gerade wie es mit ven Träumen ber Ball war, melde
er in Aegypten deutete. Die Weißager aber wurden betrachtet ald von
*) Die fpätere Zeit unterließ nicht, die in ein fehr Hohes Alterthum zurüd-
gehende Weißagung nach ihren verfchiedenen Arten unter Völker, als
deren Grfinder zu veriheilen. So Iefen wir bey Clemens Aleranbrinus
im erften Buche der bunten Schriften (S. 132): Die Karer follen die
Weißagung aus Sternen, die Phryger aus dem Bogelflug erfunden, bie
Tusker die Opferſchau verftanden haben, die Iſaurer und Araber bie
Yugurien, die Telmifenfer die Traumweißagung.
92 MWeißagung Zauberei. Wunper.
einem höheren Geifte durchdrungen, durch weldhen fie mit der Gotiheit
in folder Verbindung flanden, daß diefe fi durch fie als ihr Werkzeug
offenbarte. Wenn Abraham (1: 7) ein Prophet heißt (Bott ſprach zu
Abimeleh im Traume: Gieb dem Manne fein Weib wieder, denn er ift
ein Prophet, und lag ihn für dich bitten), fo ift der DVerfehr ver Er;-
väter mit Gott von folder Art, daß ed gar nicht anders feyn Eonnte,
ald daß der Gelft Gotted mit und auf ihm war. Sein Gebet zu Gott
wird erhört, und Gott heilt Abimelech und fein Weib und feine Mägde,
daß fie Kinder gebaren. Daß es aber fhon in alter Zeit angenommen
war, man koͤnne Gott fragen, zeigt, was (1. 25) von Rebecca gefagt wird
(für die fi) Gott durch Iſaak Hatte erbitien laßen, daß fie ſchwanger
ward): Und fie gieng bin, den Herrn zu fragen, und ver Herr fpradh zu
ihr. Es kann dies faum anders gefchehen ſeyn, ald daß der Herr ihre
Srage durch einen Weißager beantwortet babe. Daß Iofeph, deßen
Thätigkeit nur in einem Gott zugejchriebenen Traumauslegen beftebt, fo
weit file ung erzählt wird, auh aus einem Becher weißagt, fteht
bey den Kindern Ifrael ganz. vereinzelt da. Als nämlich Joſeph's Brüder
in der Noth nad} Aegypten gefommen waren, Getraive zu Faufen, Tieß
er, um fle zu verfudhen, den filbernen Becher, woraus er zu trinfen
pflegte, in ven Getraivefad des Jüngften legen, und ihnen nachjagen und
fie ergreifen, um ihnen vorzubalten, daß fie den Becher, woraus er
trinke und womit er meißage, geftohlen hätten.
Von Mofe wird geradezu gefagt, daß ver Geiſt der Weißagung in
ihm gewefen fey; denn als die Kinder Ifrael auf dem Zuge durch die
Wüſte murreten (IV. 11) und Gott die Murrenden durch Beuer ver⸗
zehrte, ward Mofe gebeugt von der Laſt, und Flagte Gott, indem er
erklärte: Ich vermag das Volk nicht allein Alles ertragen, denn es ift mir
zu ſchwer. Da befahl ihm der Herr flebenzig aus ven Xelteflen, vie
Amtleute waren, zur GStiftähütte zu bringen. Als dies gefchehen, Tam
der Herr hernieder in ber Wolfe und redete mit ibm, und nahm des
Beiftes, der auf ihm war, und legte ihn auf die fiebenzig
älteften Männer. Und da der Geift auf ihnen rubete,
weißagten fie, und höreten nidt auf. Zwei diefer Xelteften,
welde nicht zur Stiftshütte gefommen waren, hatten viefelbe Gabe
empfangen. Daß foldye göttlichbegabte Menſchen nicht bloß prophetiich
reveten, ſondern mitunter auch zur Ausführung göttliher Wunder, ober
zur Servorrufung berfelben dienten, fehben wir an dem Beyfpiele Mofe.
Bey der Bewirfung folher Wunder fehen wir auch Werkzeuge angemenbet,
ald ob der Herr in fie die Kraft des Hervorrufens des Wunders gelegt
bätte. Als Mofe von Gott erfohren war, die Kinder Ifrael aus Aegypten
zu führen, und zagte, die Sendung zu übernehmen, weil das Wolf feine
Sendung nicht glauben würbe (II. 4), hieß ihn Gott ven Stab, melden
MWeißagung Zauberei. Wunper. 93
er in der Hand hielt, hinwerfen, und dieſer ward zur Schlange, die Gott
ihn dann am Schwanze faßen hieß, worauf fie wieder zum Stabe warb.
Ehen fo hieß er ihn feine Hand in den Bufen ſtecken und herausziehen,
und fie war ausfägig, und er hieß ſie ihn abermals in den Buſen ſtecken,
und fie war wieder rein. Diefe Wunder ſollte Mofe vor dem Volke,
wenn e8 feine Sendung nit glauben wollte, vollführen, und wenn fie
biefen noch nicht glauben folten, folte er Waßer aus dem Strome
nebmen und ed auf das trodene Land gießen, wo ed zu Blut werben
mürde. Dann fagt der Herr: Und diefen Stab nimm in deine
Sand, damit du Zeiden thun ſollſt. (Es wird derfelbe [4]
geradezu der Stab Gottes genannt.) Wie nun Mofe und Aaron den
Pharao baten, das Volk in die Wüfte ziehen zu lagen, um dem Herrn
vafelbft zu opfern, dieſer aber es abſchlug und die Kinder Iſrael noch
ſchwerer beorücden Tief, giengen Mofe und Aaron auf Gottes Befehl
wieder vor ihn (7), um ihm Gotted Willen zu verkünden, daß er die
Kinder Ifrael folle ziehen laßen. Diefer forderte zum Beweis ihrer gött-
lihen Sendung Wunder von ihnen, und Uaron warf feinen Stab, der
zur Schlange ward, worauf Pharao die Aegyptiſchen Weifen und Zauberer
fommen ließ, die mit Beſchwörung vaffelbe thaten. Ein Jeglicher warf
feinen Stab, da wurden Schlangen daraus; aber Aaron's Stab verfchlang
ihre Stäbe (I. 7). Dann fchlugen Mofe und Aaron dad Waßer mit
dem Stab (Aaron handelt ald des Mofe Prophet), und der Strom, wie
alles Waßer in Aegypten, ward Blut; aber die Negyptifhen Zauberer
bemwirften dafjelbe mit ihrem Beſchwoören, und es währete fleben Tage,
baß der Herr den Strom ſchlug. Dann redte Aaron feine Hand
mit dem Stab über die Waßer in Aegypten, und kamen Bröfche herauf,
bag das Land bedeckt ward. Da thaten die Zauberer auch alfo mit
ihrem Beſchwören (II. 8). Hierauf redte Aaron feine Hand aus mit
feinem Stab, und- flug in den Staub, und ed wurden Läufe an den
Menſchen und an dem Vieh; aller Staub des Landes ward Käufe. Die
Zauberer verſuchten ed auch, daß fie Käufe herausbrächten, aber fie fonnten
nit, und fpradhen zu Pharao: Das ift Gotted Finger. As Pharao
immer noch verftoct blieb, fandte der Herr Ungeziefer in dad Land, und
ala auch dieſes nichts Half, ließ der Herr das Vieh der Aegypter flerben;
boh Pharao blieb verflocdt. Da nahmen Moſe und Aaron ihre Hände
vol Ruß, und traten vor Pharao, und Mofe fprengete ihn gen Simmel.
Da fuhren auf böfe ſchwarze Blattern an Menfchen und Vieh, alfo daß
die Zauberer nicht Eonnten vor Mofe ftehen, denn ed waren an ben
Bauberern eben fo wohl böfe Blattern, ald an allen Uegyptern. Auch
bie Half nichts, und nun reckte Mofe feinen Stab gen Simmel, und ber
Herr Tieß donnern und bageln, daß das Teuer auf die Erve Schoß. Auf
Pharao's Bitten und fein Verjprechen, nadhzugeben, gieng Mofe zur Stadt
94 MWeifagung Zauberei. Wunper.
hinaus, und breitete feine Hände gegen den Herrn, und der Donner und
Hagel höreten auf, und der Negen troff nicht mehr auf Erven. Pharao
hielt fein Verſprechen nicht; darum redte Mofe feinen Stab über Aegyp⸗
tenland, und der Herr trieb einen Oſtwind ind Land den ganzen Tag
und die ganze Naht, und des Morgens führete der Oſtwind die Heu-
ſchrecken her, die das Land bedeckten und verfinfterten, und was der Hagel
übrig gelaßen hatte, wegfraßen. Auf ein neues Berfprechen des Pharao
bittet Mofe den Herrn, der fie nun durch einen Weſtwind in dad Schilf-
meer warf. Doch wienerum beirogen redte Mofe feine Hand gen Simmel,
da ward eine vide Binfterniß in ganz Aegyptenland drei Tage, doch erft
als der Herr alle Erfigeburt tödtete, ließ Pharao die Kinder Ifrael ziehen.
Als nun diefelben an das rothe Meer kamen, und Pharao ihnen nach—⸗
jagte, da redte Mofe feine Hand (mit dem Stab) über dad Meer, und
der Herr ließ es hinwegfahren durch einen ſtarken Oſtwind die ganze
Naht, und machte dad Meer iroden, und die Waßper theileten ſich von
einander (II. 14). Und die Kinder Iirael giengen hinein, mitten ind
Meer auf dem Trodenen,; und das Waßer war ihnen für Mauern, zur
Rechten und zur Linken. Die Uegypter folgten nad, da reckte Moſe feine
Hand über dad Meer, das fi nun wieder füllte, und erfäufte die
Aegypter.
Nachdem Gott die Kinder Ifrael in der Wüſte dadurch getränft Hatte,
daß er dem Mofe einen Baum zeigte, womit er das bittere Waßer zu Mara
füß madte, und ihren Hunger geftilt durch das Man, welches er als
einen Thau kommen ließ, *) den die Kinder Iſrael Morgens fanden,
und durch Schwärme von Wadhteln, die er ihnen fandte, **) gerietben
ſie beym Weiterziehen wiederum in Waßermangel und zanften mit Mofe
*) Mofe fagte: Es iſt das Brod, das euch der Herr zu eßen gegeben hat.
Das ift e8 aber, das euch der Herr geboten hat: Ein Ieglicher fammle
deß, fo viel er für fi eßen mag; und nehme ein Gomer auf ein jeg-
liches Haupt, nach der Zahl der Seelen in feiner Hütte. Und die Kinder
Sirael thaten alfo, und fammelten, Einer viel, der Andere wenig. Aber
da man’s mit dem Gomer maß, fand der nicht drüber, der viel gefammelt
hatte, fondern ein Seglicher hatte gefammelt, fo viel er für fich eßen
modte. Und Mofe fprach zu ihnen: Niemand laße davon etwas übrig
bis morgen. Aber fie gehorchten Mofe nicht, und Etliche ließen davon
übrig bis morgen; da mwuchfen Würmer darinnen, und ward flinfend.
Am fechsten Tag aber fammelten fie zweifältig für den Sabbath, und
biefes warb nicht flinfend. Gtliche aber, die aus dem Lager giengen am
Sabbath, um Man zu fammeln, fanden nichts (II. 16).
**) ‚Da fuhr aus ber Wind von dem Herrn, und ließ Wachteln
kommen vom Meer, und ftreueten fie über das Lager; hier eine Tagereife
lang, dort eine Tagereife lang um das Lager her, zwo Ellen hoch über
der Erde.“ (IV. 11.)
Weißagung Zauberei. Wunper. 95
(1. 17). Diefer fohrie zu dem Herrn, und ber Herr ſprach - zu ihm:
Gehe vorhin vor dem Volk, und nimm etliche Uelteften von Ifrael mit
dir; und nimm deinen Stab in beine Hand, damit du dad Waßer
ſchlugeſt, und gehe hin. Siehe, ich will dafeldft flehen vor dir auf einem
Fels in Horeb; da ſollſt du den Fels fchlagen, fo wird Waßer heraus
laufen, daß das Volk trinke Und fo geichah ed. Hier fehen wir bey
ven Wundern, die Gott durch den Menſchen, auf welchen ver göttliche
Geift und feine Kraft ruht, verrichtet, als Aeußerlichkeit die Anwendung
eines Stab8, und das Ausreden des Armes wie des Stabs, oder Daß
Schlagen mit vemfelben, mit Ausnahme des Wunders der Beftbeulen,
welhe durch geworfenen Ruß bewirkt werben. In einer andern Weiſe
jeben wir (II. 17) bey folgender Gelegenheit dad Erheben der Hände
eines ſolchen Mannes wunderbar wirffam. Moſe ſchickte Joſua in den
Kampf wider die Umnlefiter, und gieng mit Uaron und Hur auf bie
Spike ded Hügeld. Und dieweil Mofe feine Hände emporbielt, flegte
Iſrael; wenn er aber feine Hand nieverließ, flegte Amalek. Aber vie
Hände Moje waren ſchwer; darım nahmen fie einen Stein, und legten
ihn unter ihn, daß er fi darauf ſetzte. Aaron aber und Hur unter-
bielten feine Hände, auf jeglicher Seite Einer. Alfo blieben feine Hände
feif, Did die Sonne untergieng. Und Joſua dämpfte den Amalek und
fein Volk durch des Schwerdtes Schärfe. Als Korah mit feiner Rotte
fh gegen Mofe empörte, fo wie gegen Naron wegen des Prieſterthums,
indem er meinte, die ganze Gemeine fey überall heilig, und ber Herr
ſey unter ihnen (IV. 16), ließ Mofe venfelben mit feinem Anhange
Pfannen nehmen und Räuchwerk darauf, um vor dem Herrn zu räucdhern,
und die Erde verfchlang die andern, die Räudyernvden aber wurden von
Beuer verzehrt, das vom Herrn ausfuhr. Als das Wolf darüber murtte,
ergeimmte der Herr und ließ den Tod darunter wüthen; da nahm Aaron
die Pfanne, that Feuer vom Altare darauf und Räuchwerk hinein, und
lief mitten unter die Gemeine, und räudherte und verföhnte das Volk.
Da ward der Plage gewehret. Hier wird alfo dem Räuchern mit heiligem
Feuer vom Altare, verrichtet durch einen Priefler des Herrn, der bie
heilige Weihe hat, das DVertreiben einer Seuche zugefchrieben, und das
Wunder entfpricht dem natürlichen Brauche des Näucherns bey Seuchen. *)
Um jedoch zu beweifen, daß Gott wirklich den Aaron ermwählt habe, ließ
Moſe auf des Herrn Befehl ſich von zwölf Fürſten Ifraeld (nah den
zwolf Stämmen) von einem jenen einen Steden geben, und fchrieb ven
Namen vefjelben darauf, und darunter war ein Steden Aaron's. Diefe
*) Diefes Wunder aber natürlich erflären wollen, geht nicht an, denn es kann
überhaupt fein Wunder natürlich erflärt werden, fondern Wunder muß
man entweder glauben, oder der Erzählung den Glauben verfagen.
96 MWeißagung Zauberei. Wunder.
nun legte er vor den Herrn in der Hütte des Zeugnißes. Des Morgens
aber, da Mofe in die Hütte des Zeugnißes gieng, fand er den Steden
Aaron’, des Haufes Levi, grünen, und die Blüthe aufgegangen, und
Mandeln tragen... Nachdem Jever feinen Steden wieder erhalten batte,
ward Aaron's Wunperfleden wieder vor dad Zeugniß in der Stiftähütte
gebradht, um als ein Zeichen aufbewahrt zu bleiben.
Bey einem ferneren Murren der Kinder Ifrael (IV. 21) fandte der
Herr feurige Schlangen unter fie; Mofe aber bat für fie, und auf Gottes
Befehl machte er dann eine eherne Schlange, und richtete fie auf zum
Zeichen, "und wenn Jemanden eine Schlange biß, fo fah er vie eherne
Schlange an, und blieb leben. Daß die Semitifchen Heiden Weißager,
Zauberer und Zeichendeuter hatten, bezeugen uns die Moſaiſchen Schriften,
welche gegen biefelben eifern. So heißt es unter den Geboten Gottes
(II. 31): Ihr folt eudy nicht wenden zu den Wahrfagern, und forfchet
nidht von den Zeidhendeutern, daß ihr nicht an ihnen verunreiniget werdet.
(IV. 23) wird an den Kindern Ifrael gerühmt: Denn es ift fein Zauberer
in Jakob, und fein Wahrfager in Ifrael. (Don den Zauberern in Aegyps
ten, von weldyen oben die Rede war, läßt fih ebenfalls auf ven Glauben
der Semitifchen Heiden im Allgemeinen fchließen; denn wenn ed auf
befondere Verfchienenheiten giebt in ſolchen Dingen, fo haben fie doch im
Allgemeinen viel miteinander gemein.) Zu dem Bereiche viefer Weißagung
gehörte die Beobachtung der Vögel, die auch bey Griechen und Römern
fo wichtig waren; denn wir lefen unter den Geboten Gottes ebendaſelbſt:
Ihr folt nicht auf Vogelgefchrei achten, nody Tage wählen. Das Leptere
berubte darauf, daß man glaubte, Tage für gut, andere für fchlimm
halten zu müßen, welches Berhältnig auch bey Griechen und Römern
erfcheint, und daß man zu feinem Thun die guten Tage ausmählte. Im
fünften Bude (13) wird von Gott geboten: Wenn ein Prophet
oder Träumer unter euch wird aufflehen, und giebt dir ein Zeichen
oder Wunder; und das Zeichen oder Wunder kommt, davon er dir gejagt
bat, und ſpricht: Laß und andern Göttern folgen, die ihr nicht Fennet,
und ihnen dienen; fo folft du nicht gehorchen ven Worten foldhed Pro⸗
pheten, oder Träumers; denn der Herr euer Gott verſucht euch, daß er
erfahre, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele Tieb habt.
Der Prophet aber oder der Träumer fol fterben, darum, daß er eu
von dem Kern, euerm Gott, abzufallen gelehret. Am audführlichften
wird und berichtet (IV. 22 flgg.), wie durch einen Weißager ein Fluch
audgefprochen werben follte. Als nämlich die Kinder Ifrael den Moabitern
näher kamen, fandte ihr König Balaf Boten zu Bileam, der zu Pethor
am Euphrat wohnte, er folle Eommen und ihm dad Volk Iſrael ver
fluchen; denn ih weiß, ließ er fagen, daß welchen du fegneft, ber iſt
gefegnet, und weldhen bu verflucheft, ver ift verflucht. Die Boten aber
MWetpagung Zauberei. Wunder. 97
hatten den Lohn des Wahrfagens in ihren Händen. Bileam hieß fie
über Nacht bleiben, damit er zuvor den Willen des Herrn erfahre. Gott
kam zu Bileam und verbot ihm ven Fluch; doch Balak ſandte wiederum
Boten, und zwar größere und herrlichere, denn die erften waren. Bileam
antwortete diefen: Wenn mir Balaf fein Haus vol Silberd und Goldes
gäbe, fo könnte ich doch nicht übergehen dad Wort des Herrn, meineß
Botted; und fomit hieß er auch diefe über Nacht bleiben, damit er den
Willen des Herrn erfahre. Gott Fam nun des Nachts zu ihm und hieß
ihn binzieben, und als er zu Balak Fam, fagte er ihm, er koͤnne nichts
Anderes reden, als was ihm Gott in ven Mund gebe, dad müße er reden.
Des Morgend? nun nahm Balaf den Bileam, und führte ihn auf die
Höhe Baal's, daß er von da das Volk Iſrael überjehen Eünne. (Es follte
alfo der Fluch über das, was der Fluchende unmittelbar vor fidh fah,
wirken.) Bileam hieß dann Balak fleben Altäre bauen, und fieben Barren
nebſt ſieben Widdern herbeyfchaffen, worauf fle auf je einem Altare je
einen Barren und einen Widder opferten. Balak blieb nun beym Brands
opfer, und Bileam gieng hin, Gott zu begegnen, und er begegnete ihm,
und Gott gab ihm Worte in den Sinn, welche Ifrael fegneten. Da
führte Balak den Bileam auf einen freien Plab auf der Höhe Pidga, von
wo er das Ende des Volkes Ifrael, aber nicht da8 ganze fehen Fonnte, um
ihm dort zu fluchen. Auch wurden hier wieder fleben Altäre errichtet, bie
Opfer gebracht, er fuchte Gott, und diefer gab ihm abermals Segen für
Jrael in den Sinn. Zum dritten führte Balak den Bileam auf bie
Höhe Peor's, und wiederholte auf jteben Altären die Opfer; doch auch Hier
fühlte fi Bileam vom Herrn getrieben, Sitael zu fegnen, und ohne,
wie vormals, nach den Zauberern zu gehen, richtete er fein
Angeftcht auf vie Kinder Ifrael und fegnete fie. Weiterhin nennt fidy
Yileam den Mann, dem die Augen gedffnet find, den Hörer göttlicher
Rede, und der die Erfenntnig hat des Höchſten, der vie Offenbarung
des Allmaͤchtigen flieht, und dem die Augen geöffnet werden, wenn er
niederfniet.
Auch von Prophetinnen bey den SIfraeliten meldet der Pentateuch.
So wird Mirjam die Schwefter des Mofe und Uaron (II. 15) eine Pro⸗
phetin genannt, die, ald vie Aegypter bey ver Verfolgung der Kinder
Sirael im Meer umgefommen waren, einen Reigen mit Paufenmuflf
anführte, und das Lob des Herren fang. Als Mirjam und Aaron (IV. 12)
wider Moſe murrten, weil er eine Mohrin zum Weibe genommen, fpradyen
fe: Redet denn der Herr allein durch Mofe? Redet er
nicht auch durch und? Da Fam der Herr hernieder, und fprad zu
ifnen: If Iemand unter euch ein Prophet des Herrn, dem will ich mid)
fund machen in einem Geficht, oder will mit ihm reden im Traum.
Aber nicht alfo mein Knecht Mofe, mündlich rede ich mit ihm. Daß die
IV. 7
98 Weifagung Zauberei. Wunper.
Semitifhen Heiden Prophetinnen, Wahrfagerinnen und Banberinnen
hatten, wird, wie es fi vorausfegen läßt, ebenfalls bezeugt, venn eines
der Gebote Gottes, die Moſe empfängt (I. 22), lautet: Die Zauberinnen
fonft du nicht Teben lagen; und (IM. 20. 27) weiter heißt ed: Wenn ein
Mann oder Weib ein Wahrfager over Zeichenveuter feyn wird, die follen
des Todes flerben, man fol fie fleinigen, ihr Blut fey auf ihnen.
Nah Mofe erfcheinen erſt wieder die Propheten, zur Zeit ver Zere
yüttung der Kinder Ifrael ald eigentlihe von Gott mit dem Geiſt erfüllte
Männer, durch die er zu dem Volke fprah, um ed zu beßern. Doch
fehlte e8 nie ganz an Menfchen, weldye auch nach Mofe in viefer Hinficht
bedeutend waren, wenn fle auch diefem nachſtanden. Gleich nach ihm war
"fein Nachfolger Joſua ein gemeihter Mann, denn wir lefen (Mofe IV. 27):
Der Herr fprad zu Mofe: Nimm Jofua, der ein Mann iſt, in welchem
der Geift ift, und lege deine Hände auf ihn, und ftelle ihn vor ven
Priefler Eleafar, und vor die ganze Gemeine, und lege deine Herrlichkeit
auf ihn, daß ibm gehorche die ganze Gemeine. Und er fol treten vor
den Priefter Eleafar, ver fol für ihn rathfragen, durch die Weife des
Lichtes vor dem Herrn. Darum heißt e8 au (Joſua 1): Der Ser
fprah zu Joſua; und als er mit dem Volt an den Jordan gekommen
war, Eannte er ven Willen des Herrn; denn er fagte zu dem Molke:
Heiliget euch, denn morgen wird der Herr ein Wunder unter euch thun.
Und der Herr fprah zu Joſua: Heute will ih anfangen, dich groß zu
machen vor dem ganzen Ifrael, daß fle wißen, wie ich mit Mofe geweſen
bin, alfo auch mit dir fey. Wie nun die Priefter mit ver Bundeslade
in den Iordan traten, da blieb das Waßer oberhalb ihrer flehen, und
floß unterhalb ihrer fort, fo daß ganz Ifrael troden durch den Jordan
gieng. Dies Wunder geihbab am zehbenten Tage des erften
Monats, und auf Gottes Befehl Hatte Joſua zwölf Steine aus dem
Bette des Jordan zum Gedächtniße nehmen laßen, vie er zu Gilgal auf-
richtete, fo wie er auch zwölf Steine im Jordan ſelbſt aufrichtete, nad
der Zahl der Stämme der Kinder Ifrael. (Zu Gilgal war die Stiftöhütte
zur Zeit Samuel’d, unter den Richtern aber war heidniſcher Cult daſelbſt,
und dann wieder unter den SKönigen Ufias, Jotham und Ahas.) Als
Joſua bey Jericho war (5), ward er, feine Augen aufhebend, gewaht,
dag ein Mann gegen ihm fland, und hatte ein bloßes Schwerbt in feiner
Hand. Joſua ſprach: Gebdreft vu und an, ober unferen Feinden? Er
ſprach: Nein, fonvern ich bin ein Fürft über das Heer des Herrn, und
bin jegt gefommen. Da fiel Iofua auf fein Angefiht zur Erbe, und
betete an, und ſprach zu ihm: Was faget mein Herr feinem Knechte?
Und der Bürft über dad Heer des Herrn ſprach zu Joſua: Ziehe deine
Schuhe aus von deinen Füßen; denn die Stätte, darauf du fteheft, if
heilig. Da Iericho feft war und wohl verwahrt vor den Kindern Ifrael,
Weißagung Zauberei. Wunder. 99
fprach der Herr zu Joſua (6): Siehe da, ich habe Jericho fammt ihrem
König und den Kriegdleuten in deine Hand gegeben. Laß alle Kriegs⸗
männer rings um bie Stadt ber gehen einmal, und thue ſechs Tage alfo.
Am flebenten Tag aber laß die Priefler ftieben Pofaunen des Halljahres
nehmen vor der Lade her, und gebet deſſelben Tages ftebenmal um bie
Stadt, und laß die Priefter die Pofaunen blafen. Und wenn man des
Salljahres Horn bläfet, und tönet, daß ihr die Pofaunen höret, fo fol
bad ganze Wolf ein großes Feldgeſchrei machen; fo werben ver Stadt
Mauern umfallen, und das Volk fol hHineinfallen. *) So geſchah es,
und Jericho's Mauern fielen um, und die Stadt ward zerftört. Alfo war
der Herr mit Joſua. Doc da fih Einer an dem Gott geweihten Beute⸗
gut der Stabt vergriff, ward das gegen die Stadt Ai gefandte Heer
geſchlagen, und als Jofua dem Herrn Flagte, fpradh diefer zu ihm, daß
ſich Iſrael verfündigt habe, und daß ein Stamm nad} dem andern herzu⸗
fommen folle, damit der Herr den Stamm treffe, dem der Trevler ange⸗
höre, der mit Teuer verbrannt werden müße. Der Frevler ward fo ent-
det, gefleinigt und dann mit feinen Söhnen und Töchtern, feinem Vieh
und feiner Habe verbrannt. Dann ſprach Gott zu Joſua (10) und hieß
ihn die Stadt Ai nehmen und zerflören, worauf fi Gibeon untermwarf,
und als die Amoriter diefe Stadt angriffen, hieß Gott den Joſua getroft
flreiten, und ſchreckte die Feinde, daß fe flohen, und töptete Viele mit
Hagel vom Himmel. Da redete Joſua mit dem Herrn und rief dann:
Sonne, ftehe FIN zu Gibeon, und Mond im Thal Ajalon! Da fand
Sonne und Mond fi, dab fih das Volk an feinen Feinden rächete.
Die Sonne fland mitten am Himmel und verzog unterzugehen beynabe
einen ganzen Tag. Und e8 war fein Tag dieſem gleidy, weder zuvor, noch
darnach, da der Herr der Stimme eined Mannes gehorchte;
denn der Herr ftritt für Ifrael.
Nach Joſua's Tode verfielen die Kinder Iſrael zur Zeit der Richter
in dad Heidenthum der unter ihnen wohnenden und benachbarten Stämme.
Doch der Herr verließ fle nicht ganz, fonvern neben der Strafe ließ er
ihnen auch Gnade angedeihen, und gab ihnen Richter, in weldyen der
Geift war. So heißt e8 im Buche der Richter (3. 9): Da ſchrieen bie
*) Da die Thätigfeit der Kinder Iſrael bey dieſer Friegerifchen Unternehmung
fleben Tage Hintereinander dauert, fo war der Sabbath darunter, und
da fie auf Gottes Befehl unter einem geweihten Führer, der mit Gott
in Gemeinſchaft war, ausgeführt ward, fu ergiebt fich, daß die Friegerifchen
Unternehmungen nicht unter die Dienftarbeit gehören, welche der Herr
am Sabbath verboten Hatte. Daraus erhellt, daß die Schriftgelehrten in
Sirael mit ihrer Beſtimmung der Sabbathfeier, die auch eine folde Thä⸗
tigfeit nicht zuläßt, fpißfindig verfahren find, aber nicht Gottes Gebot
richtig ausgelegt haben. .
7
100 Weifagung Zauberei. Wunder.
Kinder Ifrael zu dem Herrn; und der Herr grwedte ihnen einen Heiland,
der fie erlöfete, Athniel, ven Sohn Kenad. Und der Geifl des Herrn
war in ibm, und er ward Richter in Iſrael. Und der Herr gab ven
König zu Syrien in feine Hand. Nah deßen Tod fielen fie wieder von
Gott ab, und erbuldeten Dienftbarfeit, bis der Herr EChud ermwedte, ben
Sohn Gera. Dann fam Samgar, ver fehöhundere Philifter mit einem
Ochſenſtecken ſchlug und Ifrael erlöjete. Hierauf war die Prophetin
Debora, das Eheweib des Lapidoth, Nichterin, und unter ikrer Ober-
leitung wurden die Cananiter geichlagen. Als die Kinver Ifrael von den
Midianitern bebrängt wurden, fandte ihnen der Herr einen Propheten,
und ein Engel des Herrn fam zu Gideon, der gerade Walzen draſch, und
forderte ihn auf, Iſrael von den Midianitern zu erlöfen; und ald Gideon
dem Engel ein Opfer bolte, reckte derfelbe den Steden aus, den er in
der Hand hatte, und rührete mit der Spike das Fleiſch und das unge-
fäuerte Mehl an. Und das Teuer fuhr aus dem Fels, und verzebrete
das Fleifh und das ungefäuerte Mehl. Und ver Engel des Herrn ver:
ſchwand. Gideon ſprach: O Herr, habe ich alfo einen Engel des Herrn
von Angeficht gefehben? Aber ver Herr fprach zu ihm: Fürchte dich nicht,
du wirft nicht flerben; und Gidon baute daſelbſt einen Altar. Und in
berfelbigen Nacht fprady der Herr zu ihm. Als nun Gideon fi dem
Feind entgegenflelte, zog der Geifl des Herrn ihn an, und er
pra zu Gott: Willſt du Ifrael durch meine Hand erlöfen, fo will ih
ein Bel mit der Wolle auf die Tenne legen, Wird der Thau auf dem
Tel allein jeyn und auf der ganzen Erde troden, fo will ich merken,
dag du Iſrael erlöfen wirft dur) meine Hand. Und da er des andern
Morgens frühe aufflann, brüdte er ven Thau aus von dem Fell, uns
füllete eine Schale vol des Wafersd. Und Gideon ſprach zu Gott: Dein
Zorn ergrimme nidyt wider mich, daß ich noch einmal reve. Ich will es
nur noch einmal verfudden mit dem Tel. Es fey allein auf vem Zelle
troden, und Thau auf der ganzen Erbe. Und Gott that aljo viefelbe
Naht, daß troden war allein auf dem Bell, und Thau auf der ganzen
Erde. Der Herr aber hieß Gideon mit nur wenigem Volke gegen bie
Midianiter ziehen, und erſchien ihm dann in der Nacht, ihn zu heißen,
zum Lager ber Veinde zu gehen, wo er Einen feinen Traum erzählen
hörte, der dem Gideon Sieg bedeutete. Nah Gideon's Tod brachte
Abgdtterei die Kinder Ifrael unter die Gewalt der Vhilifler und Ammo-
niter; da fle aber wiever den Herrn antiefen, fam ber Geifl des Herrn
auf Jephthah, und dieſer befiegte die Ammoniter (11). Nach diefem warb
Simjon vom Geiſte des Herrn getrieben, Iſrael von ver Gewalt ber
Philiſter zu erlöfen; viefer aber war ein Naziräer, und ein Engel des
Seren verkündete feine Geburt (13). Als ihm einft ein junger Löwe
bruͤllend entgegenfam, gerieth der Geift des Herrn über Ihn, und er zerriß
Weißagung. Zauberei. Wunder. 101
ihn, obgleich er nichts in feiner Sand hatte (14). Dann als die Philifter
iin in ihre Gewalt befommen und mit zween neuen Striden gebunden
batten, gerieth ber Geift des Herrn über ihn, und die Stride an feinen
Armen wurden wie Baden, die dad Feuer verfenget hat, daß die Bande
an feinen Händen zerfhmolzen. Und er fand einen faulen Efelsfinnbaden,
nahm ihn und ſchlug damit taufend Dann. Da ihn aber fehr vürftete,
tief er den Herrn an, und Gott fpaltete einen Badenzahn in dem Kinn⸗
baden, daß Waßer herausgieng. Nachmals gelobte ein unfruchtbares
Weib dem Herrn, wenn er ihr einen Sohn verleihen würde, biefen fein
Leben lang, und daß Fein Scheermeßer auf fein Haupt fommen folle.
Diefes Weib gebar den Samuel, und ald er von ver Mutter Bruft ent-
wöhnt war, braditen ihn die Neltern mit einem Opfer von drei Farren,
einem Epha Mehl und einer Flaſche Wein in das Haus des Herrn zu
Silo, und übergaben ihn dem Priefter (Samuel I. 1), deßen Diener er
nun war, umgürtet mit einem Teinenen Leibrode. Da dieſer Briefter
Eli ungeratbene Söhne hatte, Fam ein Mann Gottes zu ihm (2)
und verfünbete ihm ven Willen Gottes, daß feine Söhne beyde auf einen
Tag flerben würden, und daß der Herr ſich einen treuen Priefter erwecken
werde (womit Samuel gemeint iſt). Yu diefer Zeit aber (3) war des
Herrn Wort theuer, und war wenig Weißagung. Und es begab fidy,
daß Eli's Augen anftengen, dunkel zu werden, und Samuel hatte ſich
geleget im Tempel des Herrn, da die Lade Gottes war, ehe denn die
Rampe Gottes erlofh. Da rief ver Herr den Samuel, ver, weil er ben
Herrn noch nicht kannte, weil ihm deßen Wort noch nicht geoffenbaret
war, meinte, Eli babe ihm gerufen, und zu dieſem bingieng. Als dies
zu dritten Male gefchehen, merfte Eli, daß der Herr gerufen habe, und
fügte e8 ihm. Da trat der Herr dahin, und rief zum vierten Male:
Samuel! und diefer antwortete nun: Rede, denn bein Knecht höret;
Bott aber melvete ihm, daß er das Haus Eli firafen werde. Samuel
aber nahm zu, und der Here war mit ihm, und es fiel Feind unter allen
feinen Worten auf bie Erbe, und ganz Ifrael erfannte, dag Samuel ein
treuer Prophet des Herrn war. Und der Herr erfchien hinfort
u Silo, denn der Herr war Samuel geoffenbaret worden
zu Silo dur dad Wort des Herrn. Und Samuel fieng an zu
prebigen dem ganzen Ifrael. Zu diefer Zeit wurben die Ifraeliten von
den Philiftern gefchlagen; doch ver Herr erhörte Samuel, als er ihm zu
Mizpa opferte und ihn antief, und als vie Philifter vie dort Verſammelten
angriffen, ließ der Herr donnern einen großen Donner, und fchredte bie
Philifter, daß fie von Sfrael gefchlagen wurden, und die Hand des Herrn
war wider bie Bhilifter, fo lange Samuel lebte (7). ALS viefer alt war
und feine Söhne zu Richtern einfegte, begehrten die Kinder Iſrael einen
König, und Samuel gab ihnen einen, da der Kerr es ihm befahl, und
102 MWeifagung Zauberei. Wunder.
diefer war Saul, der Sohn des Kis (9). ALS dieſer nämli von feinem
Pater ausgeſchickt ward, verlorene Efelinnen zu ſuchen, und ſie nicht
finden fonnte, wollte er im Lande Zuph umkehren; ver ihn begleitende
Knabe aber ſprach: Siehe, es iſt ein berühmter Mann Gottes in viefer
Stadt; Alles, was er fagt, das geſchiehet. Vielleicht fagt er uns unfern
Weg. Saul aber fprah: Wenn wir bingehen, was bringen wir dem
Manne? Was haben wir? Der Knabe antwortete: Ich habe ein Vier⸗
theil eines filbernen Sedels bey mir, den wollen wir dem Manne
Gottes geben. Vorzeiten in Iſrael, wenn man gieng Gott
zu fragen, ſprach man: Kommet, laſſet und geben zu dem
Sehber. Denn die man jegt Propheten beißt, hieß man
vorzeiten Seher. Wie fie nun binauf zur Stadt famen, gieng
Samuel (ver Seher) heraus, um auf die Höhe zu gehen und das Opfer
des Volkes daſelbſt zu fegnen, und zu eßen. Aber ver Herr hatte Samuel
feinen Ohren geoffenbaret einen Tag zuvor, er wolle ihm morgen einen
Mann fenden, den jolle er zum Fürſten falben, daß er Ifrael erlöfe von
der Philifter Hand; und ald Samuel Saul anfah, fagte ihm der Herr:
Siehe, das ft ver Mann. Da nahm ihn Samuel mit auf die Höhe zum
Ehen, des andern Tags aber falbte er ihn, Del auf fein Haupt gießen
(10), zum König, und fagte ihm vorher, was ihm zunächſt begegnen
würbe, und ald Saul von Samuel gieng, gab ibm Gott ein anderes
Herz Saul fam an den Hügel Gottes, da Fam ihm ein Haufen Pro-
pheten von ber Höhe herab entgegen, und vor ihnen her ein Pfalter,
und Paufen, und Pfeifen und Harfen, und fie meißagten, und der Geift
Gottes gerietb über Saul, daß er unter ihnen weißagte. Als nun Saul
die Herrſchaft übernahm, ermahnte Samuel das Volk zur Verehrung des
Herrn, und rief zur Bezeugung feiner Rede den Herrn an, baß er folle
donnern und regnen laßen, und der Herr Tieß donnern und regnen (12).
Da fürdhtete dad ganze Volk fehr ven Herrn und Samuel, und fpracdhen
Ale zu Samuel: Bitte für deine Sinechte den Herrn, deinen Gott, daß
wir nicht flerben. Weil Saul des Herrn Geboten nicht gehorfam war,
ward er verworfen, und der Herr befahl dem Samuel, den Sohn Jſai's,
David zu falben, und der Geift des Herrin gerieth über David von dem
Tag an und fernerhin. Der Geift aber des Herrn wi von
Saul, und ein böſer Geift vom Herrn madte ihn fehr
unruhig (16). (Die Diener rathen Saul, Einen holen zu laßen, der
auf der Harfe wohl fpielen könne, auf daß, wenn ver böfe Geiſt Gottes
über ihn fomme, er fpiele, und es beßer mit ibm werde. Da ward
David geholt, und wenn nun der Geift Gottes über Saul fam, fpielte
David auf der Harfe, und e8 ward dann befer mit Saul, und ver böfe
Geift wid von ihm.) Als Saul ven David verfolgte (19), entflob dieſer
zu Samuel, und als er Boten hinfandte, ihn von dort zu holen, fahen
Weifagung Zauberei. Wunper. 103
biefe zween Chöre Propheten meißagen, und Samuel war ihr Auffeher.
Da fam ver Geift Gottes auf die Boten Saul’d, daß fie auch meißagten.
Saul fandte andere Boten, die weißagten auch, und eben fo die dritten.
Nun gieng er felbft Hin, aber der Geifl Gottes fam auch auf ihn, und
er gieng einher und meißagte, und zog auch feine Kleiver aus, und
weißagte auch vor Samuel, und fiel bloß nieder den ganzen Tag und bie
ganze Nacht. Nach Samuel’ Tod hatte Saul die Wahrfager und Zeichen
deuter aus dem Lande vertrieben *) (28), doch als er nun in Furcht
vor dem Heere der Philifter den Herrn ratbfragte, antmortete der Herr
ihm nicht, weder durch Träume, noh durchs Licht, no
burh Propheten. In feiner Noth gieng Saul nad Endor, wo eine
Wahrfagerin war, der er Sicherheit verſprach. Bon ihr verlangte er,
daß fie ihm Samuel von den Todten heraufbringe, und fie that ed; doch
Saul Eonnte den Geiſt nicht fehen, neigte ſich aber mit feinem NAntlige
zur Erde und betete an. Samuel aber ſprach zu Saul: Warum haft du
mid unruhig gemacht, daß du mich beraufbringen Täßeft? Was willſt du
mid fragen, weil der Herr von Dir gemichen und dein Feind geworben
if? Der Herr wird bir thun, wie er durch mich geredet hat. Morgen
wirft du und deine Söhne mit mir feyn. **)
Nah Saul’d Tode warb David König, und der Herr war mit ihm
(Samuel I. 5) und Tieß ihn über die Philifter fliegen; als aber dieſe
zum zweiten Male gegen ihn zogen, und er wiederum den Herrn fragte,
gab ihm diefer die Stelle an, wo er die Philifter fchlagen folle, in der
Nähe von Maulbeerbäumen, und fprah: Wenn du hören wirft das
Rauſchen auf den Wipfeln der Maulbeerbäume einhergehen, fo eile dich;
denn der Herr iſt dann ausgegangen vor dir ber, zu fchlagen das Heer
ver PBhilifter. Unter David gab es auch wieder Propheten, denn wir
leſen (MI. 7), daß Nathan ver Prophet zu der Zeit wirkſam war, und
daß Nachts das Wort des Herrn zu ihm Fam. Auch fandte diefen der
Herr an David, ihm eine Strafpredigt wegen feiner Sünden zu halten
(12), und der König übergab ihm bie Leitung feined Sohnes Salomo,
vem er auch die Nachfolge in ver Herrfchaft erwarb. Der Prophet Gad
*) Diefe zu dulden, war, wie wir oben gefehen haben, von Gott verboten,
und Saul hätte demnach recht gehandelt. Doch Hatte er nicht recht
gehandelt, und es muß von dem, welcher beyde Angaben in Einklang
bringen will, angenommen werben, nur bie heibnifchen feyen verboten
gewefen, die Ifraelitifchen aber feyen von Bolt erweckt gewefen.
*s) Im erſten Buche der Chronik heißt es abweichend (11. 13): Alfo flarb
Saul in feiner Mißethat, die er wider den Herrn gethan hatte an dem
Worte des Herrn, das er nicht hielt, auch daß er die Wahrfagerin fragte,
und fragte den Herrn nicht. Darum tödtete er ihn und wandte
das Königreich zu David.
104 MWeigagung Zauberei. Wunder.
wird David's Seher genannt (II. 24), und ald David auf ven Einfall
gefommen war, fein Volk zu zählen, ergieng das Wort bed barüber
erzürnten Seren zu Gab, dem Könige die Wahl zu geben, ob er zur
Strafe fleben Jahre Theuerung im Lande haben wolle, oder drei Monate
vor feinen Widerſachern fliehen, oder eine breitägige Per im Lande haben
wolle. David wählte die Peſt, und der Herr fandte den Engel des Wer-
derbens, ver ſich bey vie Tenne des Arafna ſtellte und feine Sand über
Serufalem auöftredte, und David ſah den Engel und bekannte feine
Sünde und bat den Herrn für dad Volk; Gap aber hieß ihn auf dieſer
Tenne einen Altar errichten und Opfer darbringen, und Gott ließ fi
verfühnen. *) Auch dem Salomo, der ja ein Gefaldter des Herrn war,
erfhien der Herr im Traum (Könige I. 3), und ald derfelbe den Tempel
zu Serufalem gegründet und geweiht hatte, erjchien ihm ber Herr zum
zweiten Mal (9), und verfprad ihm, wenn er Gotte8 Gebote halte,
Segen. **) Dennod ergab fi} Saloıno der Abgätterei, und der Prophet
*) Im erften Buche der Chronif (22. 27) heißt es: Und ber Herr fprach zum
Engel, daß er fein Schwerbt in feine Scheibe Fehrete.
%%) Im zweiten Buche Samuelis (7) wird erzählt, David habe dem Herrn ein
Haus bauen wollen, der Herr aber habe durch den Propheten Nathan
dies unterfagt, und verfündigt, daß der Herr ihm ein Haus machen
wolle, mit den Worten: Wenn nun deine Zeit hin ifl, daß du
mit deinen Bätern [hlafen liegeft; will ic deinen Samen
nach dir erweden, der von deinem Leibe fommen foll, dem
will ih fein Reich beffätigen. Der foll meinem Namen
ein Haus bauen, und ih will den Stuhl feines König:
reiches beflätigen ewiglich. Diefe Worte werden von ben Deutern
des Alten Teſtaments als eine Weißagung auf den in Chriſtus erfchienenen
Meffias gedeutet. Nun lauten aber die weiteren Worte des Herrn, bie
Nathan verfündigt in Betreff diefes Nachkommens David’s: Ich will fein
Bater feyn und er foll mein Sohn feyn. Wenn er eine Mißethat
thut, will ih ihn mit Menfhenruthen und mit der Men
ſchenkinder Schlägen firafen. Aber meine Barmherzigkeit
follnigtvon ihm entwandt werden, wie ich fie entwendet
habe von Saul, den ih vor dir babe hinweggenommen.
Wie diefe Worte Chriſti würdig feyen, ift nicht einzufehen, indem fe
vielmehr feiner ganz unwürdig fcheinen, weil etwaige Mißethaten Chriſti
und menfchliche Strafe derfelben nicht denkbar find, und es auch nicht
gut Tautet, daß er mehr Barmherzigkeit finden folle, als Saul. David
verfland unter diefem Nachkommen feinen Sohn Salomo, wie uns im
erften Buche der Chronik (23) erzählt wird, bereitete den Bau vor und
beauftragte feinen Sohn mit der Ausführung nad feinem, des Vaters
Tod, und gab demfelben als Urfache diefer Verzögerung an: Das Wort
des Herrn fam zu mir, und ſprach: Du Haft viel Blut vergoßen, und
große Kriege geführet, darum fol du meinem Namen nicht ein Haus
bauen, weil du fo viel Blut auf die Erde vergoßen haft vor mir. Siehe,
Weißagung Zauberei. Wunper. 105
Ahia übertrug auf den Befehl des Herrn die Herrſchaft über zehen
Stämme auf Jerobeam, und als nad Salomo’d Tod diefer König von
Srael ward, und Rehabeam, Salomo’3 Sohn, der König von Juda,
gegen ihn flreiten wollte, fam das Wort Gotted zu Semaja, dem Manne
Gottes, den Rehabeam von feinem Vorhaben abzumahnen. Doch Ierobeam
führte den Gögendienft in Ifrael ein, da er aber zu Bethel am Xltare
Rand zu räuchern (13), da kam ein Mann Gotte® von Juda (Namens
Jeddi) durch dad Wort des Herrn gen Bethel, und rief durch das Wort
des Herrn wider den Altar: Altar, Altar! fo fpricht ver Herr: Siehe,
e8 wird ein Sohn dem Haufe David’8 geboren werben, mit Namen Jofla,
ver wird auf bir opfern die Priefter der Höhen, die auf bir räuchern,
und wird Menfchenbeine auf dir verbrennen. Und er gab des Tags ein
Wunder, und ſprach: Das iſt dad Wunder, daß ſolches der Herr gerebet
bat: Siehe, der Altar wird reißen und die Afche verfchüttet werven, die
darauf if. Der König aber redte feine Hand aus, und ſprach: Greifet
ihn. Und feine Hand verporrete, und Eonnte fie nicht wieder an fidh
ziehen, und der Altar riß und die Afche ward verfchüttet. Da fprach der
König zu dem Manne Gottes: Bitte dad Ungeficht des Herrn, deines
Gotted, und bitte für mid), daß meine Hand wieder zu mir fomme. Da
bat der Mann Gottes das Angefiht des Herrn, und des Könige Hand
ward, wie fie vorhin war, und ber König wollte den Mann Gottes zu
Haufe bewirthen, ver aber fagte: Wenn du mir auch dein halbe Haus
gaͤbeft, fo kaͤme ich doch nicht mit dir; denn alfo iſt mir geboten durch
des Herrn Wort: Du ſollſt fein Brod eßen und Fein Waßer trinken,
der Sohn, der dir geboren full werden, ber wird ein ruhiger Mann feyn;
denn ih will ihn ruhen laßen von allen feinen Beinden umher; denn er
fol Salomo heißen; denn ich will Frieden und Ruhe geben über Iſrael
fein Lebenlang. Der foll meinem Namen ein Haus bauen. Gr foll mein
Sohn feyn, und ich will fein Vater feyn. Und ich will feinen Fönig-
lichen Stuhl über Iſrael beftätigen ewiglih. Nach vollendetem Bau, fo
lefen wir im zweiten Buche der Könige (9), erfchien der Herr dem
Salomo und ſprach: Ich habe dies Haus geheiliget, das bu gebauet
haft, daß ich meinen Namen daſelbſt Hinfege ewiglich, und meine Augen
und mein Herz follen da fein allewege. Im zweiten Buche der Ehronif
(5 und 7) heißt es von ber Ginweihung des Tempels: Da ward das
Haus erfüllet mit einer Wolfe, daß die Priefter nicht flehen Fonnten, zu
dienen vor ber Wolfe, denn die Herrlichfeit des Herrn erfüllete das Haus
Gottes. Und da Salumo ausgebetet hatte, fiel ein Feuer vom Himmel,
und verzehrete das Brandopfer und andere Opfer; und die Herrlichkeit
des Herrn erfüllete das Haus, daß die Prieſter nicht Fonnten hineingehen
in das Haus bes Herrn. So beftätigte alfo der Herr den Tempelbau : B
durch Salomo, den er dem Könige David auszuführen nicht erlaubt Hatte,
und von einer Weißagung auf den Meſſias ift Feine Rebe.
106 Weipagung Zauberei. Wunder.
und nicht wieder durch den Weg kommen, den bu gegangen bifl. Es
wohnte aber ein alter Prophet zu Bethel, ver, ald er dies hörte, dem
Manne nadıritt, und ihn bey einer Eiche fand. Er forderte ihn auf,
umzufehren und mit ihm zu eßen, und als derſelbe nicht wollte, fagte er
zu ibm: Sch bin auch ein Prophet, wie du, und ein Engel hat mit mir
geredet durch des Herrn Wort, und gefagt: Bühre ihn wieder mit bir
beim, daß er Brod eße und Waßer trinke. Er log ihm aber. Der Mann
Gottes folgte ihm nun; da fie aber zu Tifche faßen, kam das Wort des
Herrn zum Propheten von Bethel, und er ſchrie den Mann Gottes an:
Darum, daß du dem Munde des Herrn bift ungehorfam gemejen, fol
dein Keichnam nicht in deiner Väter Grab kommen. Sobald aber der
Mann Gottes wegzog, warb er von einem Löwen zerrißen.
Als Jerobeam's Sohn krank war (14), fandte er fein Weib in
Berfleivung zum Propheten Ahia nah Silo, ihm zeben Brovde und
Kuchen und einen Krug Honig zu bringen, und ihn wegen des Knaben
zu fragen. Ahia aber Eonnte nicht fehen, denn feine Augen flarreten vor
Alter; jedoch der Herr fagte ihm, wer fonımen werde, und gab ihm an,
was er fagen fole. Er ließ nun Ierobeam das Unglüd melden, welches
über ihn kommen werde wegen feiner Abgötterei, und daß das Kind
fterben werde, Sobald das Weib den Buß wieder in die Stadt fegen
werde. Nach dem Tode Jerobeam's und Rehabeam's ward die Verwirrung
arg, und die Abgötterei war häufig. In diefer Zeit lefen wir (16) vom
Propheten Jehu, und (17) von dem Propheten Elia, dem Thisbiter auß
Gilead, welcher dem Ahab weißagte, es fol diefe Jahre weder Thau noch
Regen kommen, ich ſage es denn. Und das Wort des Herrn kam zu
Elia, daß er weggehen und ſich am Bache Crith verbergen ſolle, und
ſollſt vom Bache trinken, und ich habe den Raben geboten, daß ſie dich
daſelbſt ſollen verſorgen. So that Elia, und die Raben brachten ihm
Brod und Fleiſch des Morgens und des Abends. Als ver Bach ver-
trocknete, wies ihn das Wort des Herrn an eine Wittwe zu Zarpath, die
er fand, als ſte Holz auflas, und er ſprach zu ihr: Hole mir ein wenig
Waßer im Gefäße, daß ich trinke. Da ſie aber hingieng zu holen, ſprach
er zu ihr: Bringe mir aud einen Bißen Brod mit. Sie fprah: So
wabr der Herr, dein Gott, lebet, ich habe nichts Gebackenes, ohne eine
Hand vol Mehl im Cad und ein wenig Del im Krug. Und fiehe, ich
babe ein Holz oder zwei aufgelefen, und gehe binein, und will mir und
meinem Sohne zurichten, daß wir eßen und flerben. Elia aber ſprach zu
ihr: Würchte dich nicht, gehe Hin und mache ed, mie du gefagt haft; doch
made mir am erflen ein kleines Bebadened davon und bringe mir's
heraus; dir aber und beinem Sohne folft du darnach aud machen.
"Denn alfo fpricht der Herr, ver Gott Iſraels: Das Mehl im Cap foll
nicht verzehret werben, und dem Delkruge fol nichts mangeln, bis auf
Meigagung Zauberei. Wunper. 107
ven Tag, ba ber Herr regnen laßen wird auf Erven. So gefchah e8;
nah diefen Gefchichten aber mard des Weibes Sohn Eranf, und feine
Krankheit ward fo fehr Hart, daß fein Odem mehr in ihm blieb. Und
fe fprach zu Elia: Was habe idy mit dir zu ſchaffen, vu Mann Gottes?
Du bift zu mir bereingefommen, daß meiner Mifethat
gedaht und mein Sohn getddtet würde Er ſprach zu ihr:
Bieb mir ber deinen Sohn. Und er nahm ihn von ihrem Schooß, und
gieng hinauf auf den Saal, da er wohnete, und legte ihn auf fein Bett.
Und rief den Herrn an und ſprach: Herr, mein Gott, haft du auch der
Wittwe, bey ver ich ein Gaft bin, fo übel getban, daß du ihren Sohn
todteft? Und er map fi über vem Kinde dreimal, und rief
ben Herrn an, und ſprach: Herr, mein Bott, laß die Seele
dieſes Kindes wieder zu ihm fommen! Und der Herr erhörete
bie Stimme Elia; und bie Seele des Kindes Fam wieder zu ihm, und
ward Lebendige Und Ella nahm das Kind, und brachte es hinab vom
Saal ins Haus, und gab es feiner Mutter, und ſprach: Siehe da, dein
Sohn lebet. Und dad Weib fprad zu Elia: Nun erkenne ih, daß du
ein Mann Gottes bift, und des Herrn Wort in deinem Mund ift Wahrs
beit. Und über eine lange Zeit fam dad Wort des Herrn zu Elia (18),
im britten Jahr, und ſprach: Gehe hin und zeige dich Ahab, daß ich
regnen laße auf Erven. Und Elia gieng bin, daß er fih Ahab zeigte
Es war aber eine große Theurung zu Samaria. Und Ahab rief Obapja,
feinen Hofmeiſter. (Obadja aber fürdhtete den Kern fehr. Denn da
Sfebel die Propheten des Herren audrottete, nahm Obadja hundert Pro-
pheten und verſteckte fie in der Höhle, hier fünfzig und da fünfzig, und
verforgete fie mit Brod und Waßer.) So fprad nun Ahab zu Obapja:
Ziehe durchs Land zu allen Waßerbrunnen und Bächen, ob wir möchten
Heu finden und vie Roſſe und Maulthiere erhalten, daß nicht alles Vieh
umfomme. Und fte theilten ſich ins Land, daß fle e8 durchzöͤgen. Ahab
zog allein auf einen Weg, und Obadja audy allein den andern Weg.
Da nun Obadja auf dem Wege war, ſiehe, da begegnete ihm Elia; und
da er ihn Eannte, fiel er auf fein Antlig und ſprach: Bif du nicht mein
Ser Elia? Er fprah: Ya, gehe bin und fage deinem Herrn: Siebe,
Elia ift Hier. Er aber fprah: Was habe ich gefündiget, daß du deinen
Knecht willſt in die Hände Ahab’3 geben, daß er mich töbte? So wahr
ver Herr, dein Gott, Iebet, es ift Fein Boll noch Königreih, dahin mein
Herr nicht gefandt hat, dich zu fuchen. Wenn ich nun hingienge von bir,
fo würde did der Geiſt ved Herrn wegnehmen, weiß nicht
wohin; und wenn id dann käme, und fagte es Ahab an, und fünbe
dich nicht, fo erwürgete er mich. Elia ſprach: So wahr ver Herr Zebaoth
lebet, vor dem ich fiehe, ich will mich ihm heute zeigen. Da gieng
Obadja Hin Ahab entgegen und fagte es ihm an, und Ahab gieng hin
108 Weißagung Zauberei. Wunder.
Elia entgegen, und fprad zu ihm: Bift du, der Iſrael verwirret? Er
aber ſprach: Ich verwirre Iſrael nicht, fondern bu und beined Vaters
Haus, damit, daß ihr bed Herrn Gebote verlaßen habet, und wandelt
Baalim nah. Wohlan, fo fende nun hin, und verfammle zu mir dad
ganze Ifrael auf den Berg Garmel, und die vierhundert und
fünfzig Propheten Baal’s, aud die vierhundert Propke-
ten des Hain, die vom Tifh Iſebel's eßen. Alfo fandte
Ahab Hin unter alle Kinder Iſrael, und verfammelte die Propheten auf
den Berg Carmel. Da trat Elia zu allem Volk, und ſprach: Wie lange
hinket ihr auf beyden Seiten? If der Herr Gott, fo wandelt ihm nad;
ift e8 aber Baal, fo wandelt ihm nad. Und das Volk antwortete ihm
nichts. Da fprah Elia zum Volk: Ih bin allein übergeblieben, ein
Prophet des Herrn, aber der Propheten Baal’8 find vierhundert und
fünfzig Mann. So gebet und nun zween Barren, und laßet fie erwählen
einen Barren, und ihn zerflüden und aufs Holz legen, und fein Teuer
daran legen, fo will ich den andern Barren nehmen, und aufs Holz legen,
und auch fein euer daran legen. So rufet ibr an den Namen eured
Gottes, und ich will den Namen des Herın anrufen. Weldyer Gott nun
mit euer antworten wird, ver fey Gott. Die Propheten Baal’d nahmen
den Barren und richteten zu, und riefen an den Namen Baal's von
Morgen bis an den Mittag: Baal, erhöre und! Aber es war da Feine
Stimme, noch Antwort. Und fie binften um den Altar, den
fie gemadt hatten. Da ed nun Mittag warb, fpottete ihrer Elia,
und fprah: Rufet laut, denn er if ein Gott; er dichtet, over hat zu
ſchaffen, oder ift über Feld, oder fchläft vielleicht, daß er aufwache. Und
fie riefen laut, und rigten fi mit Meflern und Pfriemen nad) ihrer
Weiſe, bis daß ihr Blut hernach gieng. Da aber der Mittag vergangen
war, weißagten fie, bis daß man dad Speidopfer thun ſollte; und war
da feine Stimme, noch Antwort, noch Aufmerfen. Da rief Elia das
Volk zu fi und heilete den Altar, der zerbrodhen war. Und nahm
zwölf Steine nad) der Zahl der Stämme ver Kinder Jakob's, und bauete
von den Steinen einen Altar im Namen ded Herrn, und machte um den
Altar her eine Grube, zwei Kornmaß breit, und richtete das Holz zu,
und zerflückte den Barren, und legte ihn aufs Holz, und ſprach: Holet
vier Cad Waßer vol, und giefet es auf dad Brandopfer und auf das
Holz. Und fprah: Thut es noch einmal. Und fie thaten es noch einmal.
Und er ſprach: Thut es zum dritten Mal. Und ſie thaten es zum dritten
Mal. Und das Waßer lief um den Altar her, und vie Grube ward aud)
vol Waßer. Und da die Zeit war, Speidopfer zu opfern, trat Elia, ber
Prophet, herzu und rief Gott an. Da fiel das Feuer des Herrn herab,
und fraß Branvopfer, Holz, Steine und Erde, und leckte das Waper auf
in der Grube. Da das alles Volk fah, fiel es auf fein Angeficht, und
Weißagung. Zauberei. Wunper. 109
fprachen: Der Herr iſt Bott! Elia aber fprach zu ihnen: Greifet vie
Propheten Baal's, und fle griffen fle, und Elia führte fie hinab an den
Bah Kidron, und fdhlachtete fie daſelbſt, und Sprach zu Ahab: Ziehe
hinauf und ig und trint, denn ed rauſchet, ald wollte ed fehr regnen.
Glia aber _gieng auf des Carmels Spike, und büdte fi zur Erbe, und
that fein Haupt zwifchen feine Kniee, *) und ſprach zu feinem Knaben:
Gehe hinauf und fchaue zum Meere zu. Er gieng hinauf und fchauete,
und fprah: Es ift nichts da: Er ſprach: Gehe wieder hin fiebenmal.
Und im fiebenten Male fprah er: Siehe, es gehet eine Fleine Wolfe
auf aus dem Meere, wie eined Mannes Hand. Und ehe man zufah,
ward der Himmel ſchwarz von Wolfen und Wind, und fam ein großer
Regen. Und die Hand ded Herrn Fam über Elia, und er gürtete feine
Lenden und Tief vor Ahab hin, bis er Fanf gen Jeſreel.
Iſebel aber drohte (19) Elia ven Ton, und er gieng in vie Wüfle
eine Tagereife weit, feßte fi unter eine Wachholder, und bat, daß feine
Seele ftürbe, legte ſich und fchlief. Und flehe, der Engel rührete ihn,
und ſprach zu ihm: Siebe auf und if. Und er ſah fih um, und flehe,
zu feinen Häupten lag ein geröftetes Brod und eine Kanne mit Waßer.
Und da er gegeßen und getrunfen hatte, legte er fich wieder ſchlafen.
Und der Engel des Herrn fam zum andern Mal, und rührete ihn und
ſprach: Stehe auf, und if; denn du haft einen großen Weg vor bir.
Und er fland auf und aß und tranf, und gieng durd Kraft derfelben
Speife vierzig Tage und vierzig Nächte, **) bis an den Berg Gottes
Horeb. Und Fam daſelbſt in eine Höhle und blieb dafeldft über Nacht.
Und fiehe, das Wort des Herrn Fam zu ihm, und es ſprach zu ihm:
Gehe heraus, und tritt auf den Berg vor den Herrn. Und fiehe, der
Herr gieng vorüber, und ein großer, flarfer Wind, der die Berge zerriß
und bie Felſen zerbrady, vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht
im Winde. Nah dem Winde aber Fam ein Erpbeben, aber der Herr
war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erbbeben fam ein Beuer, aber
der Herr war nicht im euer. Und nad dem Beuer Fam ein ftilles,
fanfte8® Saufen. Da dad Elia hörete, verhüflete er fein Antlig mit
feinem Mantel, und gieng heraus und trat in die Thüre der Höhle.
Und fiehe, da fam eine Stimme zu ihm, und fprah: Was Haft du Hier
zu thun, Elia? Er ſprach: Ich habe um den Herrn geeifert, denn bie
Kinder Ifrael haben deinen Bund verlaßen, deine Altäre zerbrodyen, deine
Propheten mit dem Schwerbt erwürget, und id} bin allein übergeblieben,
und fe flehen darnach, daß fie mir das Leben nehmen. Aber ver Herr
Iprach zu ihm: Gehe nad Damascud und falbe Hafael zum König über
*) Diefe Stellung zur Bewirfung des Regens wird fonft nirgends erwähnt.
**) Gben fo lange ift Mofes auf dem Sinai ohne Nahrung.
110 MWeißagung Zauberei. Wunder.
Syrien, und Jehu zum König über Ifrael, und Elifa zum Propheten an
deine Statt. Und er gieng von dannen und fand &lija, daß er pflügete
mit zwölf Jochen. Und Elia gieng zu ibm und warf feinen Mantel
auf ihn. Er aber ließ die Rinder und Tief Elta nad, und fpradh:
Laß mich meinen Vater und meine Mutter küßen, fo wi ih bir nach⸗
folgen. Er ſprach zu ihm: Gebe hin und Eomme wieder, denn ich habe
etwad mit dir zu tun. Und er lief wiener von ihm, und opferte ein
Joch Rinder und kochte das Fleiſch und gab es dem Volk. Und machte
fih auf und folgte Elia nach und dienete ihm.
Obgleich Ahab den Bund des Herrn nidht hielt, fo Fam doch, als er
von den Syrern befriegt ward, ein Prophet zu ihm (20) und melvet im
. Namen des Herrn ven Sieg, und Iſrael flegte, und dann Fam wieber
ein Prophet und meldet ihm“, daB die Syrer nad einem Jahre wieder
fommen würden. So geſchah ed, und da trat wieder ein Mann Gottes
zu Ahab und meldete ihm den Sieg; ald er aber nad) dem Siege mit
dem Könige der Syrer einen Bund machte, melbete ihm ein Mann unter
den Kindern ber Propheten Verderben. Ahab und fein Weib Iſebel
fuhren fort zu fündigen. Da fandte ver Herr Elia bin (21), ihm und
feinem Weibe dad Strafgericht Gotted anzufündigen; doch da Ahab Buße
tbat und fi} vemüthigte, fo blieb das Unglüd feine Haufes bey feinen
Lebzeiten verfchoben. Nach drei Jahren (22) vereinte fly der König von
Juda mit Ahab gegen die Syrer, und Ahab verfammelte Propheten bey
vierhundert Mann, die zum Kampfe rietben. Es war aber noch ein
Prophet, Micha, von dem man den Herrn fragen mag; doch Ahab war
ihm gram, denn er weißagte ihm nur Böjes. Dennoch ließ man ihn
rufen, und er weißagte Böfes und ſprach: Höre dad Wort des Herrn:
Ich ſah den Herrn fiben auf feinem Stuhl und alles bimmlifche Heer
neben ihm flehen zu feiner Rechten und Linken. Und ver Herr fpradh:
Wer will Ahab überreven, daß er hinaufziehe und falle zu Ramoth in
Gilead? Und Einer fagte died, der Andere das. Da gieng ein @eift
heraus und trat vor den Herrn, und ſprach: Ich will ihn überreben.
Der Herr ſprach zu ihm: Womit? Er fprah: Ich will ausgehen, und
will ein falfyer Geiſt fegn in aller feiner Propheten
Munde. Er ſprach: Du folft ihn überreden und ed ausrichten, gebe
aus und thue alſo. Da trat herzu Zedekia, und flug Micha auf ven
Barden, und fprah: Wie? Iſt der Geift des Herrn von mir gewichen,
daß er mit dir redet? Der König aber befahl, Micha in den Kerker zu
fegen bey Brod und Waßer, bis er mit Frieden wiederfomme. Er kam
nit mit Frieden zurück, fonvdern fiel in dem Kampfe Sein Sohn
Ahasja fandte, ald er nad einem Falle Frank darniever Tag, zum Baal
Sebub, dem ort zu Efron um Weißagung; aber ver Engel des Herrn
jandte Elia den Boten entgegen, ver ihnen fagte, daß ber König flerben
Weißagung. Zauberei. Wunper. ı
folle, und als fie dieſem den Mann beichrieben, daß er eine raube Haut
anbabe und einen levernen Gürtel um feine Lenden, erfannte er ben
Elia in ihm. (Der Prophet Sacharja prophezeit [13. 4] von einer
begern Zukunft: Denn es fol zu der Zeit geichehen, daß die Propheten
mit Schanden beftehen mit ihren Geſichten, und follen niht mehr
einen rauhen Mantel anziehen, damit fie betrügen. Zu
ver Zeit, heißt es bey demſelben [B. 13. 2], ſpricht der Herr: Dazu
wid ih au die Propheten und unreinen Beifter aus dem
Lande treiben. Daß alfo gehen fol, wenn Jemand weiter weißaget,
folen fein Bater und feine Mutter zu ihm fagen: Du folft nicht leben,
venn du redeſt falfh im Namen des Herrn; und werben alfo Vater und
Mutter, die ihn gezeuget haben, ihn zerftehen, wenn er weißaget.) *)
Der König fandte nun einen Hauptmann mit fünfzig Mann nad Elia,
ber oben auf dem Berge ſaß. Diefer Sprach zu ihm: Du Mann Gotteß,
ver König fagt, du folft berabfommen. Elia antwortete: Bin id ein
Mann Gottes, fo falle Feuer vom Himmel und freße dich und deine
Fünfzig. Da fiel Feuer vom Himmel und fraß ihn und feine Bünfzig.
Der König fandte einen Zweiten, mit dem ed eben fo gieng. Der Dritte
aber beugte feine Kniee vor Elta und flehte um Gnade. Da hieß ver
Engel des Herrn den Elia mit dem Hauptmanne geben, und er fagte
nun dem Könige felbfl, daß er fterben müße (Könige Il. 1). Wunverbar
war das Ende dieſes großen Propheten. Als der Herr ihn im Wetter
gen Himmel holen wollte (2), gieng er mit Elifa von Gilgal gen Bethel,
wofelbft der Propheten Kinder herausfamen, und zu @lifa fpradhen:
Weißt du auch, daß der Herr wird deinen Herrn heute von deinen
Häupten nehmen? Er aber ſprach: Ich weiß ed auch wohl, fchweiget
nur flile. Don Bethel fandte der Herr ven Elia gen Jericho, wo der
Propheten Kinder gleichfalls herausfamen und wie die zu Bethel mit
Elifa ſprachen. Bon Jericho fandte der Herr den Elia an den Jordan,
und fünfzig Männer unter der Propheten Kindern giengen bin, und traten
gegenüber von ferne. Am Iordan nahm Elia feinen Mantel, und midelte
ihn zufammen, und flug ind Waßer; das theilte fi) auf beyden Seiten,
dag die Beyden troden durchhin giengen. Drüben fprach Elia zu Elifa:
Bitte, was ich Dir thun fol, ebe ih von dir genommen werde. Eile
ſprach: Daß dein Geiſt bey mir fey zwiefältig. Er fprah: Du Haft ein
*) Zur Zeit des Propheten Sacharja hatten ſich demnach die gewöhnlichen
zahlreichen Propheten verfchlechtert, und der Geift des Herrn ruhte nicht
auf ihnen, ober die Einfiht in dergleichen Dinge war Manchem
gefommen. Doch dies Letztere kann der nicht fagen, welcher den Sacharja
für einen Propheten hält, den der Geift des Herrn trieb; denn in biefem
Falle redete er nicht aus Einficht, fondern wie es ihm Gott eingab.
112 MWeißpagung Zauberei. Wunper.
Hartes gebeten, doch fo du mich fehen mirft, wenn ich von bir genommen
werde, fo wird es Ja ſeyn; wo nicht, fo wird ed nicht feyn. Und ba fie
miteinander giengen, und er redete, flehe, da kam ein feuriger Wagen
mit feurigen Roßen, und ſchieden die Beyden von einander, und Efia
fuhr alfo im Wetter gen Himmel. Eliſa aber fah ed und ſchrie und
zerriß feine Kleider, und hob auf den Mantel Eliä, der ihm entfallen
war, und fehrete um. Am Jordan fchlug er mit dem Mantel ind Waßer,
und ſprach: Wo ift nun der Herr, der Bott Eliä? Da theilte ſich das
Wafer, und Elifa gieng hindurch. Zu Jericho aber fagten ver Propheten
Kinder: Der Geift Eliä ruhet auf Elifa, und giengen ihm entgegen und
beteten an zur Erde. Und die Männer der Stadt fpradhen zu ihm:
Siehe, es iſt gut wohnen in biefer Stadt; aber es ift 658 Waßer, und
das Land unfruchtbar. Er ſprach: Bringet mir eine neue Schale, und
thuet Salz darein. Damit gieng er zu der Duelle und warf das Salz
hinein, fprehend: So ſpricht der Herr: Ich Habe dies Waßer gejund
gemadht, ed fol binfort Sein Tod noch Linfrudhtbarfeit daher kommen.
Als er nach Bethel gieng, kamen Knaben aus der Stadt heraus, und
fpotteten ihn: Kahlkopf, komm herauf! Kahlkopf, fomm herauf! Und er
wandte fH um und fluchte ihnen im Namen des Herrn. Da Famen
zmeen Bären aus dem Wald und zerrißen ver Kinder zwei und vierzig.
Hernach z0g der König Iſraels, Ioram mit dem König von Juda und
dem von Edom gegen die Moabiter, und nad) fieben Tagereifen mangelte
Waßer, weßhalb fie fi an Elifa wandten; ver aber ſagte zum König
von Ifrael: Gehe bin zu den Propheten deines Vaters, und zu den Pro»
pheten deiner Mutter; wenn ich nicht Iofaphat, den König Juda, anfähe,
ih wollte dich nicht anfehen, nody achten. So bringet mir nun einen
Spielmann. Und da der Spielmann auf den Saiten fpielte,
fam die Hand des Herrn auf ihn; und er ſprach: So fpridht ver
Herr: Machet bier und da Gräben an biefem Bade. Denn fo fpridht
der Herr: Ihr wervet feinen Wind noch Regen fehen; dennoch fol ber
Bach voll Waßer werden; ver Herr wird auch die Moabiter in eure
Hände geben. Des Morgens aber, fiehe, da Fam ein Gewäßer von Edom,
und füllete das Land mit Waßer.
M Hierauf that Elifa fünf Wunder (4). Die Wittwe eines Propheten
jammerte ihn, daß der Schuloherr ihre Söhne zu Knechten nehmen wolle,
daß fie aber nichts mehr habe, denn einen Delfrug. Er bieß ſie viele
Gefäße leihen und bey verfchloßenen Thüren mit ihren beyven Söhnen
dad Del in alle Gefäße gießen. Alle füllten fi, und ver Erlös dafür
zahlte ihre Schuld. Zu Sunem bewirthete oft eine reihe Frau den hei-
ligen Mann, und er wohnte bey ir. Da fie feinen Sohn hatte, fo
bewirkte fein Segen, daß fle einen befam; doch ald er groß geworben,
ftarb er, und die Mutter z0g zu Glifa auf ven Berg Carmel, bielt ihn
MWeipagung Zauberei. Wunder. 113
bey feinen Büßen und Flagte ihre Noth. Da ſprach Elifa zu feinem
Knaben: Gürte deine Lenvden, und nimm meinen Stab in beine Hand,
und gehe bin (fo dir Iemand begegnet, fo grüße ihn nicht, und grüßet
dic) Iemand, fo danfe ibm nicht), und lege meinen Stab auf des Knaben
Antlid. Da aber die Mutter nicht von Eliſa abließ, gieng er mit ihr,
und der Knabe gieng voraus und legte den Stab auf das Antlik des
Todten; doch es Half nichts. Da gieng Elifa hinein, fchloß die Thüre
zu und betete zu dem Herrn, ftieg hinauf und legte fi auf das Kind,
feinen Mund auf des Kindes Mund, feine Augen auf deßen Augen,
feine Hände auf deßen Hände, und breitete ſich alfo über ihn, daß bes
Kindes Leib warm ward. Er ftand aber wieder auf, und gieng im Haufe
einmal bieher und daher, und flieg hinauf, und breitete ſich über ihn.
Da ſchnaubte ver Knabe fiebenmal, darnach that der Knabe feine
Augen auf. Als er dann wieder gen Gilgal fam, war große Theuerung
im Lande, und er befahl feinem Knaben, einen großen Topf beyzufegen,
um Gemüfe für die Kinder der Propheten zu kochen. Da gieng Einer
bin, Kraut zu holen, fand Coloquinten und ſchnitt fie in den Topf, daß;
die davon aßen, fchrieen: D Mann Gottes, der Top im Topf! Er ließ
Mehl bringen, that ed in den Topf, und nun Fonnten fie dad Gemüfe
efen. Es Fam ein Dann und brachte ihm Erſtlinge Brodes, zwanzig
Gerftenbrove und neu Getraide, und er hieß feinen Diener es dem Volke
geben; dieſer aber fagte: Was fol ich hundert Männern an dem geben?
Elifa ſprach: Gieb dem Volke, daß fie eßen; denn fo ſpricht ver Herr:
Man wird eben, und ed wird übrig bleiben; und fie aßen, und es blieb
noh übrig. Naeman, der Feldhauptmann ded Königs von Syrien, ber
ausſätzig war, hörte von dem großen Propheten Elifa, und fam zu ihm,
Hülfe zu fuchen (5). Eliſa trat nicht zu ihm heraus, fondern ließ ihm
fügen, er fole fih fiebenmal im Jordan waſchen, und als dies
geiheben, warb er rein, und er Eehrte um und wollte ven Mann Gottes
belohnen; doch diefer nahm nichts an. Uber der Diener des Propheten
lief Naemann nad, und nahm ihm etwas ab, was Elifa fogleich innerlich
ſchaute, worauf er diefen mit Ausſatz heimſuchte. Hierauf gieng er mit
den Kindern der Propheten an den Jordan, Holz zu Wohnungen zu
holen, und es fiel daſelbſt Einem das Eifen ind Waßer; Glifa flieg mit
einem Holz in dad Waßer, und das Eiſen ſchwamm. MUB dann die
Syrer Krieg gegen Ifrael führten, fagte Clifa dem König Ifraeld alle
UAnfchläge der Syrer, die nun ihn zu fangen trachteten, und in der Nacht
bie Stabt, worin er war, umzingelten. Zu dem Diener, ver ihm dies
meldete, ſprach er: Fürchte dich nicht, denn derer ift mehr, die bey und
find, denn derer, die bey ihnen find. Und Glifa betete: Kerr, üffne
ihm die Augen, daß er ſehe. Da öffnete ‚ver Herr dem Knaben vie
Augen, und fiehe, da war ver Berg voN feuriger Roße und Wagen um
IV. 8
114 Weißagung. Zauberei. Wunder.
Elifa war. Da nun die Syrer zu ihm herabfamen, betete Elifa: Herr,
fchlage died Volk mit Blinpheit. Und er fchlug fie mit Blindheit. Und
Elifa Sprach zu ihnen: Dies ift nicht der Weg, noch die Stadt. Folget
mir nach, ich will euch führen zu dem Wanne, den ihr fuchet, und führete
fie gen Samaria. Dort ſprach Elija: Herr, dffne diefen die Augen; und
der Herr dffnete ihnen die Augen, und fie fahen ſich mitten in Samaria.
Der König Ifraeld fragte nun: Mein Vater, fol ich fie fchlagen? Er
ſprach: Du ſollſt fie nicht ſchlagen. Seße ihnen Brod und Waßer vor,
daß fie eßen und trinfen, und laß fie zu ihrem Seren ziehen. So gefchah
es, und ſeitdem kamen die Kriegdleute der Syrer nicht mehr in das
Land Iſrael.
Nachmals belagerten die Eyrer Samaria, wo die Qungerdnoth vie
höchfte Stufe erreichte; Eliſa aber weißagte vie Hülfe des Herrn, und
diefer brachte einen Schreden unter vie Syrer, daß fie flohen, und alle
Noth endete. Hernach weißagte er eine fiebenjährige Theuerung.
Auch zog er gen Damascus, und weißagte dem Franfen Könige feine
Genefung und feinen Tod. Darauf fandte er einen Propheten zu Jehu
und ließ ihn falben zum Könige, und dieſer rottete dad Haus Ahab aus.
Als Elifa Frank war zum Tode (13), Fam der König Ioad zu ihm und
weinte, Eliſa aber fprah: Ninm den Bogen und Pfeile, ſpanne ven
Bogen; und er fpannte ihn, und Elifa Iegte feine Hand auf des Königs
Hand und ſprach: Thue das Venfter auf gegen Morgen und fchieße; und
als er ſchoß, ſprach Elifa: in Pfeil des Heild vom Herrn, ein Pfeil
des Heild wider die Syrer. Dann fprah er: Nimm die Pfeile, und
als er fie nahm, ſprach er: Schlage vie Erve; und er ſchlug dreimal, und
fand ſtille. Da ward der Mann Gottes zornig und ſprach: Hättefl bu
fünf= over ſechsmal gefchlagen, fo würdeſt du die Syrer gefhlagen haben,
bis fie aufgerieben wären; nun aber wirft vu fie preimal fchlagen. Da
aber Elifa geftorben war, fielen die Moabiter ind Land, und es begab
fih, daß fie einen Mann begruben; va fie aber vie Kriegsleute fahen,
warfen fie ven Mann in Elifä Grab. Und da er hinein fam und Elifä
Gebeine anrührete, wurd er lebendig, und trat auf feine Füße.
Nun kamen die Kinder Ifrael in vie Gewalt ver Aſſyrer (welcher
die Babylonifche Gefangenſchaft folgte), und es traten nad und nad
die Propheten auf, deren Schriften im Alten Teflament enthalten find.
Hiskia (19), von Sanherib bevrängt, wandte fih an Sefaia, ven Pro
pheten, und betete zum Kern, und in ver Nacht fuhr aus der Engel bei
Herrn, und ſchlug im Lager von Aflyrien hundert und fünf und adıtzig
taufend Mann. Da Hiskia krank war, meißagte Jeſaia ihm Genefung,
body er begehrte ein Zeichen, und Jeſaia flellte ihm frei, als Zeichen zu
wählen, ob der Schatten zehen Stufen vorwärts oder rückwärts gehen
ſolle, und er wählte, daß er zurücd gehe. Jeſaia rief ven Gern an, und
Weißagung. Zauberei. Wunper. 115
der Schatten am Zeiger gieng zehen Stufen, die er niedermärt3 gegangen
war, zurüd. Später, zur Zeit des Königes Joſta (22), gab e8 eine
Brophetin, Salum’s Weib Hulda, die der König rathfragen ließ. Als
Nehemia ven Tempel und Dienfl des Herrn wieder berfiellte, wird bie
Prophetin Noadja ermähnt. Die Heiden fuchten ihn nämlich zu hindern
und abzufchreden (Kap. 6). Semaja wollte ihn bereden, ſich in ben
Tempel einzufchliegen, um Sicherheit zu ſuchen; Nehemia aber that es
nicht. Denn ich merfte wohl, fagt Nehemia, daß ihn Gott nicht gefandt
hatte. Denn er fagte wohl Weißagung auf mich, aber Tobia und Sane-
ballal Hatten ihm Geld gegeben, auf daß ih mich fürchten follte und
fündigen, daß fie ein böfes Gefchrei hätten, damit fie mich Täftern möchten.
Gedenke, mein Gott, des Tobla und Saneballat'8 nach dieſen feinen
Werfen; auch der Prophetin Noadja, und der andern Propheten, vie mid
wollten. abſchrecken. Jeſaia fagt von fih (8): Der Herr ſprach zu mir:
Nimm vor dich einen großen Brief, und fehreib darauf mit Menfchen-
griffel: Raubebald, Eilebeute. Und ih nahm zu mir zween treue Zeugen,
den Priefter Uria und Sadarja. Und gieng zu einer Prophetin, vie ward
ſchwanger und gebar einen Sohn. Und der Herr ſprach zu mir: Nenne
ihn Raubebalv, Eilebeute. Nach dem reinen Mofaismus hätte man
Prophetinnen nicht erwarten follen, weil dem Weibe Fein priefterliches
Amt zufam.
Jeremia (2. 8) fagt als Worte Gottes: Die Priefter gedachten nicht:
Wo ift der Herr? und bie Gelehrten achteten meiner nicht; und bie
Hirten führten die Leute von mir; und die Propheten weißagten vom
Baal, und hiengen an den unnügen Gdgen. In den Klagelievern (2. 9)
aber heißt es won Iſrael: Ihre Könige und Fürften find unter ven Heiden,
da fie das Geſetz nicht üben Fünnen, und ihre Propheten fein Geſicht von
dem Herren haben. Iefaia nennt feine Weißagung über Ifrael ein Geficht,
und redet im Namen des Herrn, auch fagt er: Der Herr ſprach zu Jeſaia.
Auch Ieremia fagt nur: Es gefchah des Herrn Wort zu mir: Pürchte
dich nicht, denn ich bin bei dir. Und der Herr reckte feine Sand aus
und rührete meinen Mund, und fprach: Siehe, ich lege meine Worte in
deinen Mund (1). Gehe bin und prebige dffentlich zu Ierufalem; aber
eine befonvere Erſcheinung Gotted giebt er nicht an. Nur Weniges führt
er als Geftht an: Des Herrn Wort fprah zu mir: Was fieheft vu?
Ich ſprach: Ich fehe einen wadern Stab. Und ber Herr ſprach: Du
baft recht geſehen; venn ich will wader feyn über mein Wort, daß ich es
thue. Und es gefchah des Herrn Wort zum andern Mal zu mir: Was
fiebeft du? Ich ſprach: Ich fehe einen heißen ſiedenden Topf von Mitter-
nacht ber. Und der Herr fprah: Von Mitternacht wird das Unglüd
ausbrechen über Alle, die im Lande wohnen. Jeremia ſprach (14): Ad,
Herr, die Propheten fagen: Ihr werbet Fein Schwerdt fehen, und Feine
8*
116 Weißagung. Zauberei Wunder.
Theuerung bey euch haben, fondern ich will euch guten Frieden geben an
diefem Ort. Und der Herr ſprach zu mir: Die Propheten weißagen falſch
in meinem Namen; idy habe fie nicht gefandt, fie predigen auch falfche
Geſichte, Deutung, Abgdtterei und ihres Herzens Trügerei. Solche Pro—
pheten follen fterben durch Schwerdt und Hunger, und das Volk, dem fie.
weißagen, follen vom Schwerbt und Hunger auf ven Gaßen zu Jerufalem
bin und ber liegen, daß fie Niemand begraben wird. Und ein ander Mal
ſprach der Herr (23): Beyde, Propheten und PBriefter, find Schälfe, und
finde auch in meinem Kaufe ihre Bosheit. Darum ift ihr Weg, wie ein
glatter Weg im Finſtern, darauf fie gleiten und fallen. Zwar bey ven
Propheten zu Samaria jah ich Thorbeit, daß fte mweißagten durch Baal.
Aber bey den Propheten zu Ierufalem fah ich Gräuel, wie fie ehebrechen
und gehen mit Lügen um, und von den Propheten vafelbft kommt Heuchelei
aus ind ganze Land. Sie betrügen euch, denn fie predigen ihres Herzens
Sefiht, und nit aus des Herrn Munde Sie fprehen: Mir hat
geträumet, und wollen, daß mein Volk meined Namend vergepe über
ihren Träumen, bie Einer dem Andern predigt. Don dem Propheten
Sananja von Gibeon meldet Jeremia (28), daß er im Kaufe des Herrn
in Gegenwart ver Priefter und alles Volfes die Rückkehr aus ver Baby⸗
loniſchen Gefangenfchaft gemweißagt babe, aber ver Herr ließ Jeremia dem
Hananja jagen: Der Herr bat did nicht gefandt, und du haft gemacht, daß
dies Volk auf Lügen fich verläßt, darum folft du dies Jahr fterben, und er
ftarb deſſelbigen Jahres. Da Jeremia wegen feiner Weißagungen Ungemad
erfuhr, wollte er nicht mehr predigen. Aber, fagt er (20), es ward in
meinem Herzen wie ein brennendes Feuer in meinen Gebeinen verfchloßen,
dag ich es nicht leiden konnte; und wäre fchier vergangen.
Der Prophet Ezechiel fah die Herrlichkeit des Herrn (1), inmitten
von vier Cherubim, Einer in Menfchengeftalt, und über den Cherubim war
e8 geftaltet, wie der Himmel, als ein Kryftal, fchredlich, gerade oben über
ihnen auödgebreitet, und er hörte die Flügel raufchen, wie große Waßer,
und mie ein Getöne des Allmächtigen, wenn fie giengen, und wie ein
Getümmel in einem Heere. Wenn fie aber ſtille flanven, fo ließen fie
ihre Flügel nieder, und da donnerte es im Himmel oben über ihnen.
Und über dem Himmel war eö geftaltet, wie ein Saphir, gleich wie ein
Stuhl, und auf demfelben faß Einer, wie ein Menfch geftaltet. Und ed
war hell, mie Licht, und inwendig war es geftaltet, wie ein Feuer um
und um. Don feinen Zenden über fi und unter fich fah ich ed wie
Teuer glänzen um und um. Gleich wie der Regenbogen ftehet in den
Wolfen, alfo glänzte e8 um und um. Dies war das Anfehen ver Herr⸗
Tichfeit de8 Seren. Und da ich e8 gefeben hatte, fiel ich auf mein Ange—
fiht, und hörete Einen reden. Und er fprach zu mir: Du Menfchentind,
ich fende dich zu den Kindern Ifrael, du folft ihnen mein Wort fagen.
MWeißagung Zauberei. Wunder. 117
Thue deinen Mund auf, und if, was ich dir geben werde. Und ich fa,
und fiehe, da war eine Hand gegen mir ausgeſtreckt, vie hatte einen
zufammengelegten Brief. Den breitete fie aus vor mir, und er war
befchrieben auswendig und inwendig; und ſtand darinnen gefchrieben:
Klage, Ah und Web. Und er fprah zu mir: Du Menfchenkind, vu
mußt diefen Brief in deinen Leib eßen und deinen Bauch damit füllen.
Da aß ich ihn, und er war in meinem Munde fo ſüß als KSonig. Und
er ſprach: Gehe hin zu den Gefangenen deines Wolfe, und previge ihnen.
Und ein Wind Hob mich auf, und ich hörete hinter mir ein Getöne, wie
eines großen Erdbebens: Gelobet fey die Herrlichkeit de Herren an ihrem
Drt. Und war ein Raufchen von den Flügeln ver Thiere, die fih an ein—
ander küßeten; und aud) das Raßeln der Räder, fo hart bey ihnen waren;
und dad Getöne eines großen Erdbebens. Da bob mid ver Wind ayf,
und führete mi) weg. Und ich fuhr dahin, und erſchrak fehr; aber des
Herrn Hand hielt mich feſt. Und ich Fam zu ven Gefangenen, die am
Waßer Chebar wohneten, da die Mandeln flanden, im Monat Abib; und
fegte mich bey fie, die da faßen, und blieb vafeldft unter ihnen fleben
Tage ganz traurig. Und da die fieben Tage um waren, gefchah des Herrn
Wort zu mir, und des Herrn Hand fam über mich und ſprach: Mache
dih auf und gehe hinaus in das Feld, da will ich mit dir reden. Und
ih gieng hinaus in das Feld; und fiehe, da ſtand die Herrlichfeit des
Herrn dafelbft, wie ich fie am Waßer Chebar gefehen hatte, und ich fiel
nieder auf mein Angeſicht. Und ich ward erquicet, und trat auf meine
Süße. Und es begab fih im fechöten Jahr, am fünften Tage des fechöten
Monates, daß ich faß in meinem Haufe, und die Alten aus Juda faßen
vor mir; daſelbſt fiel die Hand des Herrn auf mid. Und fiehe, ich fah,
daß von feinen Lenden herunterwärtd war gleich wie euer; aber oben
über feinen Lenden war es lichthelle; und reckte aus gleich wie eine Hand,
und ergriff mich bey dem Haare meines Hauptes. Da führete mich ein
Wind zwifchen Himmel und Erde, und bradyte mich gen Jeruſalem in
einem göttlichen Geſicht; und ftehe, da war die Kerrlichfeit des Gottes
Iſraels, mie ich ſie zuvor gefehen hatte im Feld, und er Tieß mich fehen
die Gräuel der Abgdtterei ver Kinder Ifrael (8). Und er rief mit lauter
Stimme: Es ift nahe gefommen die Keimfuchung der Stadt. Und ftehe,
ed kamen ſechs Männer vom Oberthore ber, das gegen Mitternacht flebet,
und ein jeglicher hatte ein ſchädlich Waffen in feiner Hand. Uber es war
Einer unter ihnen, ver hatte Leinwand an, und ein Schreibzeug an feiner
Seite. Und fie giengen hinein, und traten neben den ehernen Altar.
Und die Herrlichfeit des Gottes Ifraeld erhob fi) von dem Cherub, über
dem fle war, zu der Schwelle am Haufe, und rief den, der die Leinwand
anhatte, und ſprach: Gehe durch die Stadt Jerufalem, und zeichne an bie
Stirn die Leute, fo da feufzen und jammern über alle Gräuel, fo darinnen
a \
118 MWeißagung Zauberei. Wunper,
gefchehen. Zu Ienen aber ſprach er, daß ich es hörete: Gehet viefem
nach durch die Stadt, und fihlaget darein. Erwürget beyves, Alt und
Yung; aber die das Zeichen an ſich Haben, derer follt ihr Keinen anrühren. '
Dann ſah Ezechiel die Viſion, welde angegeben ift in dem Artikel:
Tempel u. f. w. Hierauf fagt er (11): Und mich hob ein Wind auf und
brachte mich zum Thor am Haufe des Herrn, dad gegen Morgen ſtehet;
und fiehe, unter dem Thore waren fünf und zwanzig Männer, und ver
Herr Sprach zu mir: Du ſollſt wider fie meißagen. Lind der Geift des
Heren fiel auf mich und fprach zu mir: Sprich: So fagt der Herr u. f. w.
Da ſchwungen die Cherubim ihre Flügel, und die Räder giengen neben
ihnen, und vie Herrlichkeit des Gotted Ifraeld war oben über ihnen. Und
die Herrlichkeit des Herrn erhob fih aus der Stadt, und flellete ſich auf
den Berg, der gegen Morgen vor der Stadt liegt. Und ein Wind hob
mi auf, und bradyte mich im Geſicht und im Geifl Gottes in Chalväa
zu den Gefangenen. Und das Gefiht, fo ich gefehen hatte, verſchwand
vor mir. (37): Und des Herrn Hand fam über mich, und führete mich
hinaus im Geifte des Herren, und ftellete mich auf ein weites Feld, das
voller Beine Tag, und ſprach: Meineft vu, daß viefe Beine wieder lebendig
werden? Und ich ſprach: Weißage von dieſen Beinen, und fpridh: Ihr
verborreten Beine, hoͤret des Kern Wort. So ſpricht der Herr Herr von
diefen Gebeinen: Siehe, ih will einen Odem in eudy bringen, daß ihr
folt Tebendig werden. Ich will euch Adern geben, und Fleiſch laßen über
eudy wachen, und mit Haut überziehen. Und ich meißagte, wie mir
befohlen war; und ſiehe, da rauſchte ed und regte fi; und vie Gebeine
famen wieder zufammen, ein Jegliches zu feinem Gebein, und es wuchfen -
Adern und Fleiſch darauf, und er überzog fie mit Haut; e8 war aber
noch Fein Odem in ihnen. Und er ſprach zu mir: Weißage zum Winpe:
So fpridht der Herr Herr: Wind, komm herzu aus ven vier Winden,
und blafe diefe Getöpteten an, daß ſie wieder lebendig werben. Und ich
weißagte, wie er mir befohlen hatte. Da kam Opvem in fie, und fie
wurden wieder lebendig, und richteten fi auf ihre Füße. Und ihrer war
ein fehr groß Seer.
Diefe Viſionen Ezechiel’8 geben uns befonvers ein gutes Bild von
dem, was man unter prophetifchen Viſionen bey den Kindern Ifrael zu
verfiehen hat, und wie wir uns den Geiſtesſchwung der Propheten zu
denken Haben. Daß die prophetifhe Aufregung eine heftige, felbft ſchmerz⸗
liche jey, haben mir oben bey Jeremia gefehen.
Bon dem Propheten Dantel heißt e8 (1. 17): Gott gab ihm Verſtand
in allen Gefichten und Träumen. Nebucapnezar hatte (2) einen Traum,
der ihn erfchredte, und forderte die Weifen auf, ihn feinen Traum zu
fagen und zu deuten; da fie es aber nicht Eonnten, befahl er Alle zu
töbten. Daniel, welcher aud unter vie Weifen gezählt ward, erhielt auf
MWeifagung Zauberei. Wunper. 119
Bitten von Gott Nachts ein Geſicht im Traume, welches ihm des Königs
Traum und deßen Deutung offenbarte, und ald er Nebucadnezar feinen
Traum erzählt und geveutet hatte, ward er zum Würften über das ganze
Zand zu Babel und zum Oberften über alle Weifen vafelbft geſetzt. Als
Darius, der Perfifche König, herrſchte, ward Daniel einer der drei Yürften,
welche über vie Landvögte herrfchten (6), und mard aus Neid von den
Fürften und Lanpvögten verfolgt, und feine Srömmigfeit, daß er dreimal
ded Tags auf die Kniee fiel und zu Gott betete, gab ihnen Deranlaßung,
daß der König ihn, wiemohl ungern, in ven Graben der Löwen einfchliegen
tie. Diefe fragen ihn nicht, und als der König am andern Morgen
hinfam und nach Daniel rief, antwortete diefer: Mein Gott bat feinen
Engel geſandt, ver den Löwen ven Rachen zugebalten hat. Da ward
Daniel aud dem Graben gelaßen, feine Unfläger aber wurden hineinges
worfen und von den Löwen zermalmt. Die Gefichte, welche Daniel fah,
find Fräftig vargeflelt. Auch zu den Propheten Hoſea, Joel, Amos,
Abadja gefhah das Wort des Herrn, und fie weißagten das Schidfal
Iſtaels zum Theil in Geſichten; dem Propheten Jona aber begab es fi)
etwad jeltfam. Als das Wort des Herrn zu ihm geſchah, floh er vor
dem Seren and Meer und gieng in ein Schiff; aber ver Herr fandte ein
Wetter, daß die Schiffer in Angft kamen; Jona jedoch fchlief. Weil man
glaubte, das Schiff ſchwebe in Gefahr um Eines willen, ver fih darauf
befände, ward gelooft, und das Loos traf Jona, den man fofort Ind Waßer
warf, ald man das Land nicht erreichen Eonnte. Der Herr aber verfchaffte
einen großen Fiſch, den Jona zu. verfchlingen, und in des Fiſches Bauch
war er drei Tage und drei Nächte, und betete zu Gott. Und ver Herr
ſprach zum Fiſch, und verfelbe fpie Jona aus and Land, zu dem nun bes
Herrn Wort gefchah, der Stadt Ninive zu weißagen, nad) vierzig Tagen
werde fie untergehen, was aber, weil die Stadt Reue zeigte, unterblieb.
Jona aber verbroß bie fehr, und er betete um feinen Tod; ber Kerr aber
ſprach zu ihm: Meineft du, daß du billig zürneft? Und Jona gieng
hinaus, machte ſich eine Hütte, wo ex ſich hinfegte, um dad, was ber
Stadt wiverfahren würde, zu erwarten. Da ließ ver Herr einen Kürbis
wahfen, der dem Propheten Schatten gab; doch Tieß er ihn am nächften
Morgen von einem Wurme ftechen, daß er verdorrte. Da wünſchte ſich
Jona wieder, ald ihm die Sonne auf das Haupt brannte, ven Tod, und
der Herr ſprach zu ihm: Dich jammert ver Kürbis, daran du nicht gear-
beitet haft, und mich follte nicht jammern Ninive, in welcher find hundert
und zwanzig taufend Menfchen, die nicht wißen Unterſchied, was rechts
der links ift, dazu auch viele TIhiere? Die übrigen Propheten weißagen
durch den Herrn, Sacharja aber befchreibt auch Gefichte, vie er hatte.
So fehen wir denn, wie ver Glaube an einen erhöhten Seelenzuftand,
der zum Weißagen und zu Viſtonen trieb, auch bey ven Semiten fehr
120 Weißagung Zauberei. Wunder.
verbreitet war, und auch dem weiblichen Geſchlechte foldye Begeifterung
zugefhrieben ward. Neben viefer Weißagung war die durd) Träume eine
der verbreitetften. In dem Obigen find die Träume ſchon oft genannt
worden. Bey Ioel (3. 1) lefen wir, daß der Kerr fagt: Und nach dieſem
will ich meinen Geift audgießen über alles Sleifh, und eure Söhne und
Tochter folen weißagen; eure Aelteſten follen Träume haben, und eure
Sünglinge follen Gefihte fehen. Don den Zeichendeutern erfahren
wir wenig, eben fo von den andern Arten ver Weißagung. Im fünften
Buche Mofe (17. 10) heißt ed: Daß nidyt unter dir gefunden werde, ver
feinen Sohn oder Tochter durchs Feuer gehen laße, over ein Weißager
oder ein Tagewähler, oder der auf Vogelgefchrei achtet, over ein
Zauberer, over Bſeſchwörer, oder Wahrfager, over Zeichen
deuter, ober der die Todten frage. Auch Jeremia fagt (27. 9):
Gehorchet nicht euren Propheten, Weißagern, Traumdeutern, Tagewählern
und Zauberern, denn fie weißagen euch falſch; und (29. 8): Gehorchet
euren Träumen nicht, die euch träumen. (Derfelbe fagt [23]: Der Herr
ſprach: Ich höre es wohl, daß die Propheten predigen, und falſch weißagen
in meinem Namen, und fprehen: Dir hat geträumet, mir hat geträumet.
Ein Prophet, ver Träume hat, der predige Träume; wer aber mein Wort
bat, der predige mein Wort recht. Siehe, ich will an die, fo falfche
Träume weißagen) Welche Zeichen als die zur Deutung vorzüglid)
geeigneten galten, erfahren wir nicht, denn wir Iefen nur bey Soel
(3. 3 und 20) folgennes Wenige: Ih will Wunderzeihen geben im
Himmel und auf Erden; nämlih Blut, Feuer und Rauchdampf. Die
Sonne fol in Finſterniß, und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe
denn der große und fchredliche Tag des Herrn fommt. Sonne und Mond
werben verfinftert und die Sterne werden ihren Schein verhalten. Bey
Jeremia (10. 2) wird geboten: Ihr folt euch nicht fürchten vor ven
Beiden des Himmels, wie die Heiden fih fürchten. Im zweiten
Buche der Könige (21) beißt e8 von Manafle, Hiskia's Sohn: Er achtete
auf Bogelgefhrei und Zeichen, und hielt Wahrfager und Zeichen-
beuter. Das Beichmören bey den Semiten wird und nur angeführt, gehört
aber unter die Gattung von Glauben, der man auch bier eine große
Geltung und weite DBerbreitung zutrauen darf. Ein fehr gewöhnlicher
Zweig des Beſchwoörens war die Schlangenbeihwörung. Jeremia fagt
(8. 17): Schlangen und Bafllisfen, die nicht befchworen find; und im
. Buche Sirach (12. 13) werden die Schlangenbeichwörer erwähnt. Im
Prediger Salomo (10. 11) Tefen wir: Eine Schlange, die unbefchworen
fit, und weiterhin (58. 6) nennt er die Schlangenbefcdhwörer. Zur
Beſchwörung müßen wir wohl das Heraufrufen eines Todten, die Nekro—
mantie, rechnen, wovon das SHeraufrufen des todten Samuel durch Das
Bauberweib zu Endor, auf Begehren des Königs Saul, ein Beyſpiel
Weäeißagung. Zauberei. Wunder. 121
gewährt. Vielleicht meint auch Iefala (65) Aehnliches in ven Worten:
Dpfert in ven Gärten, und räucdjert auf ven Ziegelfteinen, wohnt unter
ven Gräbern, und hält fih in den Höhlen. Benfpiele, die mit dem
Namen ver Zauberei benannt wären, gewährt uns das Alte Teftament
nicht, außer den Wundern der Uegyptifchen Priefter, woraus wir aber
genugfam erjehen, was man unter Zauberei verftand. Das Mofaifche
Geſetz befahl (I. 22. 18): Die Zauberinnen folft du nicht Teben laßen;
und dad Buch von der Weisheit Salomo’3 fagt (12. 4): Daß fie feind-
felige Werke begiengen mit Zaubern u. f. w., und fpricht (17. 7) von
dem Gaufelmerf ver Nefromantie.e. Das Tagewählen war in dem
Glauben begründet, daß die Tage unter Einflüßen ftänvden, und daß daher
manche derſelben jchlimm feyen, an denen man etwas zu unternehmen ver-
meiden müße. Auch bey ven Griechen und Römern finden wir bviefen
Glauben, ver hauptfächlich mit dem aftrologifhen Wahne zufammenhängt.
Ben Jeſaia (2. 6) heißt ed: Sind Tagemwähler, wie die Philifter, und
(57. 1): Ihr Kinder der Tagemwählerin. Daß aber viefer Brauch auf
die Philifter einzufchränfen ſey, ift nicht anzunehmen, ſondern fle werben
wohl nur als die benachbarten Heiden genannt. Sagt doch auch Micha
(5): Affur Hat Zauberer, Zeichenveuter, Kaine, und diefe waren dennoch)
audy bey den unter den Kindern Iſrael lebenden und benachbarten Heiden.
Auch heißt es bey SIefaia (47. 12): Babel, tritt auf mit beinen
Beſchwörern und mit der Menge deiner Zauberer, laß bertreten und bir
helfen die Meiſter des Himmelslaufs und die Sternguder, die nad) den
Monaten rechnen, was über dich fommen werde. Dieſes Berechnen gehört
aber, wenigftend im weiteren Sinne, unter die Tagewählerei, woran wahr-
ſcheinlich die Chalväer, welche Aftronomie verftanden und Aftrologie trieben,
den größten Antheil hatten, falls es nicht geradezu von ihnen ausgieng.
Bon dem Weißagen durch Vögel erfahren wir außer dem, daß es beftand,
gar nichts. ine Weißagung durchs Loos haben wir oben in ver Geſchichte
des Propheten Jona geſehen, und bey Ezechiel leſen wir (21. 21): Der
König zu Babel wird fih an die Wegfcheide ftellen, daß er ihm
wahrjagen laße, mit ven Pfeilen um das Loos ſchieße, feinen
Abgott frage, und ſchaue vie Leber an. (Diefe Erwähnung von der
Bedeutung eines Kreuzmeges beym Wahrfagen, und vie Eingeweideſchau
it Die einzige, welche wir über die Semiten haben.) In den Sprüchen
Salomy’3 (16. 33) fleht: Loos wird geworfen in den Schooß; aber ed
fällt, wie der Herr will.
122
Bon der Art, wie die Gottbeit den Menfchen
erfcheint und fich ibnen offenbart.
Um die Anficht Tennen zu lernen, welche die Semiten von einer
Erfcheinung der Gottheit, die dem Menfchen zu Theil werve, hatten, fehlen
und alle Hülfsmittel, bi3 auf das Alte Teftament, von deßen Angaben
wir nur fagen Fönnen, daß fle vieleicht den Anfichten ver übrigen Semiten
nicht ganz fremd feyen; denn die im Alten Teflamente zu Grunde liegende
Lehre von einem alleinigen Gotte, der über ver Natur als Erfchaffer,
Erhalter und Negierer der ganzen Welt fteht, kann andere Anfichten von
perfönlicher Erfeheinung Gottes erwirft haben, als die ver übrigen Semiten
waren. Dennoch iſt es nicht gerade unwahrfcheinlich, daß auch die beib-
nifhen Semiten die Anſicht gehabt, Gottheiten erfchienen dem Menſchen
und verfehrten mit ihm. In dem Alten Tejtamente haben wir zmei Arten
der Anficht zu unterfcheiden: die ver älteren Zeit, nach welcher Gott ven
Menfchen erfcheint und mit ihnen verkehrt, ohne daß ver Menſch etwas
für fi} Bedenkliches darin ſah, und die fpätere, zur Zeit Mofe ſtark her⸗
vortretende, daß nämlid Gott erblicken, over feine Stimme hören, ben
Tod gebe. Außer dieſer zwiefachen Anſicht von ver Erfcheinung Gottes
finden wir im Pentateuch dieſe Erfcheinung ganz und gar vermijcht mit
ber der Engel, und zwar fo, daß, wenn Gott erfiheint, im Vortgange der
Erzählung flatt Gott ein Engel genannt wird, wie aud) dad Thun und
Wirken Gottes ein anvdermal das Thun eines Engels heißt. Wie fonvderbar
auch dieſes erfcheinen mag, es giebt fein Mittel ver Erklärung, welches
die Engel von Gottes Erfcheinung genügend trennen, und dabey die Dar-
ftelung hinreichend verftändlich erfennen ließe. Doch betrachten wir zunächſt,
was und der Pentateuch an Erfcheinungen Gottes darbietet.
Im erflen Buche Mofe (3. 8) leſen wir, ald die erften Menfchen
von der verbotenen, Frucht genoßen: Und ſie höreten die Stimme Gotteß,
der im Garten gieng, da der Tag Fühl geworden war. Hierauf wird
erzählt, wie Gott zu Adam und Eva fpricht und ihnen ihr fernered 2008
ankündigt. Als Kain feinen Bruder Abel erfchlagen hatte, heißt es (4. 9):
Da ſprach der Herr zu Kain: Wo ift dein Bruder? worauf er ihn ver-
flucht, unftät und flüchtig zu feyn, jedoch ein Zeichen an Kain madıt, daß
ihn Niemand erfchlüge. „Alſo ging Kain von dem Ungefichte des Herrn,
und mohnete im Lande Nov, jenfeit Even.’ Als das Merverben der
Menfchen überhand genommen hatte, und Gott fie durch eine Flut ver-
nichten wollte mit allen Ihieren, wird erzählt (6. 13), Gott habe zu
Noah gefprochen, fi) einen Kaften zu machen, deßen Bau und Größe er
genau angiebt, und fi mit einem Paar aller Thiere und mit feiner
Bon der Art, wie die Bottheit ven Menfchen erfcheint ıc. 123
Bamilie in venfelben zu begeben. Nah der großen Blut fegnet Gott
Noah und feine Söhne (9. 1 flgg.) und errichtet einen Bund mit ihnen
(ebendaſelbſt 9 flgg.), daß in Zukunft Feine Sündflut mehr fommen fol,
deßen zum Zeichen er den Regenbogen fegt. Dann (12. 1 flgg.) ſpricht
Gott mit Abraham, daß er nad) Canaan ziehen fol, und verfpricht ihm
Segen und eine große Nachkommenſchaft. Als fih Abraham fpäter von
feinem Bruder Loth getrennt hatte (13. 14), fprach ver Herr wieder zu
ihm, wie er ihn fegnen und Canaan feinen Nachkommen geben wolle.
Hernach gefhah das Wort des Herrn im Gefihte zu Abraham (15. 1),
und am Abend fprady ver Herr zu ihm im Schlaf, und als es finfter war,
tauchte ein Dfen und eine Yeuerflamme fuhr zmifchen ven Stüden hin.
An dem Tage machte ver Herr einen Bund mit Abraham, daß er feinen
Nachkommen Canaan geben werde.
Nun fommen wir zur erften Erwähnung ver Engel (16. 7 flg.).
Al Abraham's Weib Sarah ihre Magd Hagar demüthigen wollte, floh
biefe. Uber ver Engel des Herrn fand fie bey einem Waßerbrunnen in
ver Wüſte, ver fprach zu ihr: Kehre um zu deiner Frau, und demüthige
bih unter ihre Sand, ich will deinen Samen alfo mehren, daß er vor
großer Menge nicht fol gezählet werden. Und fie hieß den Namen des
Seren, der mit ihr redete: Du, Gott, fieheft mich; venn fie
ſprach: Gewißlich Hier babe ven gefehen, der mich hernach angefehen hat.
Darım hieß fie den Brunnen einen Brunnen des Xebendigen, ber mid
angefehen Hat. Als Abraham neun und neunzig Jahr alt war, erfchien
Sott ihm wienerum und ſprach zu ihm, und Abraham fiel auf fein Ange-
figt (17. 1. 3), und als Gott aufhörte zu reden, fuhr er auf von
Abraham (daſelbſt 22). Bald darauf (18. 1 flgg.), als Abraham im
Seine Mamre zur heißeflen Tageszeit an ver Thüre feiner Hütte faß,
Kelten fi) drei Männer vor ihn, und er Tief ihnen entgegen, bückte fich
wur Erde nieder, und fprah: Herr, habe ich Gnade gefunden vor deinen
Augen, fo gehe nicht vor deinem Knechte vorüber. Nachdem er fie
nun bewirthet hatte, fprachen fie zu ihm: Wo ift dein Weib Sarah? Er
antwortete: Drinnen in der Hütte. Da fprah er: Ich will wieder zu
die kommen, fo ich lebe, ſiehe, fo fol Sarah, dein Weib, einen Sohn
baden. Sarah, vie es hörte, Iachte darüber bey fich felbfl. Da ſprach
der Herr zu Abraham: Warum lachet deß Sarah? Sollte dem Herrn
etwas unmöglich feyn? Um diefe Zeit will ich wieder zu dir Fommen, fo
ih Iebe, fo fol Sarah einen Sohn haben. Da flanven die Männer auf
von dannen und wandten fi) gen Sodom, und Abraham gieng mit ihnen,
dag er fie geleitete. Und ver Herr ſprach: Es ift ein Gefchrei zu Sobom
und Gomorra, das iſt groß, und ihre Sünden find fehr ſchwer. Darum
wi ich Hinabfahren und fehen, ob fie Alles gethan haben, nad dem
Geſchrei, das vor mich gefommen ift, ober ob's nicht alfo fey, daß ich's
124 Bon ver Urt, wie die Gottheit ven Menſchen erfcheint x.
wife. Und die Männer wandten ihr Angeſicht und giengen gen Sodom;
aber Abraham blieb ftehen vor dem Herrn und ſprach mit ihm, und der
Herr gieng hin, da er mit Abraham audgerevet hatte. Die zween Engel
(heißt e8 weiter 19) Famen gen Eorom bes Abends, wurden von Lot aufs
genommen, und als ſich die Sopomiten durchaus verberbt zeigten, hießen
fie Lot diefe Stadt verlafen. Denn, Jagen fie, wir werden dieſe Stätte
verderben, darum, daß ihr Geſchrei groß ift vor dem Seren, der und
gefandt hat, fie zu verderben. Und der Herr ſprach zu ihm, wohin er ich
retten ſolle; dann, als dies gefcheben, Tieß der Herr Schwefel und Feuer
regnen von dem Herrn vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra.
Bon diefen drei Männern ift ver eine ganz deutlich als Gott bezeich—
net, und die zwei anderen, als fie, während Gott mit Abraham redete,
gen Sodom giengen, werden Engel genannt, und fpäter ſehen wir Gott
- ebenfalls mit Lot reden, fo daß er wiederum zu jenen Zweien gefommen
war. Hätten alle Drei näher bezeichnet werven follen, fo würden fte,
dürfen wir annehmen, Engel genannt worden feyn. Doch davon foll
weiter unten näher gehandelt werden. Daß Gott auch im Traume fid
offenbare, feben wir bey Abimelech (20. 3), als er Abraham’3 Weib
Sarah, welches verjelbe für feine Schwefter ausgab, zu ſich genommen
hatte, und dem nun Gott im Traum erfchien und ihn zur Zurückgabe
ermahnte. Wiederum ſprach Gott zu Abraham, den Sarah um die Wegs
treibung Hagar's und ihres Sohned angieng, daß er dies thun folle
(21. 12), und wie nun Hagar mit ihrem Kind in der Wüfte fehmachtet,
da erhörete Gott die Stimme bed Knaben. Und ver Engel Gottes rief
vom Himmel die Hagar, und fprah zu ihr: Fürchte dich nicht, venn
Gott hat erhöret die Stimme des Knaben. Stehe auf, nimm den Sinaben
und führe ihn an deiner Hand; denn ih will ihn zum großen
Volke mahen Und Gott that ihr vie Augen auf, daß fte einen
MWaperbrunnen fah. Später verfuchte Gott Abraham und ſprach zu ihm
(22. 1 flgg.), er folle feinen Sohn Ifaaf zum Brandopfer varbringen;
als Abraham aber die Probe beftand und das Dpfer vollziehen wollte,
rief ihm der Engel des Seren vom Himmel: Lege deine Hand nicht an
den Knaben, denn nun weiß id, daß du Gott fürdhteft, und Abraham
bieß die Stätte: Der Herr fiehet. Und der Engel des Serrn rief
Abraham abermals vom Himmel, und fprah: Ich habe bey mir jelbft
geſchworen, fpriht der Kerr, daß ich deinen Samen fegnen will. Nach
Abraham's Tod erfcheint Gott Ifaak und fpricht zu ihm (26. 2 flg.), und
wiederum (24) erfchien ihm Gott in der Nacht und Spricht zu ihm. (Diele
Erſcheinung möchte, obgleich es nicht ausdrücklich gefagt wird, von ber
Ericheinung Gotte8 im Traume zu verftehen feyn.) Geradezu aber heißt
e8 (28. 12) von Jakob, ver fein Haupt auf einen Stein gelegt hatte zum
Schlafen; und ihm träumte, eine Leiter rühre von ver Erde zum Himmel,
Bon der Art, wie vie Gottheit ven Menſchen erfcheint c. 125
und Die Engel Gottes fliegen daran auf und nieder, und ver Kerr ſtand
oben darauf und ſprach zu Jakob, der dann nad) feinen Erwachen fagte:
Gewißlich ift der Herr an diefem Ort, und ich wußte es nicht, und
fürchtete fih und fprah: Wie heilig ift dieſe Stätte! Hier ift nichts
Anderes, denn Gotted Haus, und bier tft die Pforte des Himmels. Und
Jakob fand des Morgens frühe auf, und nahm den Stein, den er zu
feinen Häupten geleget hatte, und -richtete ihn auf zu einem Mal, und
goß Del oben darauf, und hieß die Stätte Bethel, und that ein Gelübde,
der Stein jolle ein Gotteshaus werben.
In dieſer Traumoffenbarung Gottes ſehen mir vie Stätte, wo der
Schlafenve gelegen, und den Stein, worauf das träumende Haupt geruht,
al8 geheiligt angejehen, und zwar fo, ald ob Gott diefen Stein zum befon-
dern Orte feiner Nähe erfohren habe. Zunächft heißt es vann (31. 3):
Und ver Serr ſprach zu Jakob: Ziehe wieder in deiner Väter Land.
Weiterhin aber fagt Jakob (31. 11): Der Engel Gottes ſprach zu mir
im Traum: Ich bin der Gott zu Bethel, da du den Stein gefalbet haft,
und mir daſelbſt ein Gelübde gethban. Nun made dich auf, und ziehe
aus diefem Land, und ziehe wieder in das Land deiner Freundſchaft.
(Zuerft alfo heißt ed in diefer Erzählung von Jakob: Der Herr fprady zu
Jakob; und von verfelben Mahnung Gottes fagt Jakob: Der Engel Gottes
ra zu mir im Traum; und diefer Engel fagt von fi: Ich bin ver
Gott zu Bethel.) Als Jakob feinen Schwiegervater Laban verlaßen batte
und dieſer ihm nadyjagte, wird gemeldet (31. 24): Aber Gott Fam zu
Raban, dem Syrer, im Traume ded Nachts, und ſprach zu ihm: Hüte
ih; dag du mit Jakob nicht anders redeſt, denn freundlich. Nachdem
Raban hierauf den Jakob erreicht hatte und verſoöhnt von ihm gejchieden
war, 309 Jakob feinen Weg (32. 1), und es begegneten ihm die Engel
Gottes, und da er fie fab, ſprach er: Es find Gottes Heere, umd
bieß Diefelbige Stätte Mahanaim. Ligen erfcheint e8, daß dieſe Engel
nit mit Jakob fprechen, und daß nicht einmal bemerft wird, wohin fie
fih wenden. Am eigenthümlichften aber ift folgende Erzählung von einer
Erſcheinung Gottes. Als nämlich Jakob in Furcht vor Eſau war, heißt
es (32. 24): Jakob, als er in der Nacht die Seinen über dad Waßer
geführt Hatte, blieb allein. Da rang ein Mann mit ihm, bi8 die Morgen-
töthe anbrach. Und da er fah, daß er ihn nicht übermochte, rührete er
das Selen? feiner Hüfte an; und das Gelenk feiner Hüfte warb über dem
Ringen mit ihm verrenfet. Und er ſprach: Laß mich gehen, denn die
Morgenröthe bricht an. Über er antwortete: Ich laße dich nicht, du
fegneft mich denn. Er Sprach: Wie Heigeft du? Er antwortete: Jakob.
&r ſprach: Du ſollſt nicht mehr Jakob heißen, fonvdern Ifrael. Denn du
haft mit Gott und mit Menfchen gefämpfet, und bift obgelegen. Und
Jakob fragte ihn und ſprach: Sage doch, wie heißeft vu? Er aber ſprach:
126 Bon der Art, wie vie Gottheit ven Menſchen erſcheint x.
Warum frageft du, wie ich heiße? Und er fegnete ihn vafelbfl. Und
Jakob hieß die Stätte Pniel; venn ich babe Bott von Angeſicht
gefehben, und meine Seele ift genefen. Und als er vor Pnuel
überfam, gieng ihm die Sonne auf, und’ er hinkte an feiner Hüfte.
Daher eßen die Kinder Ifrael Feine Spannader auf dem Gelenf ver Hüfte
bis auf den heutigen Tag; darum daß die Spannader an dem Gelenk ver
Hüfte Jakob's gerühret ward. (Hier ift zu beachten, daß man glaubte,
den Namen Ifrael ald den Ringer Gottes deuten zu müßen) Nach ber
Ermordung der Sichemiten heißt e8 weiter (35. 1): Und Gott ſprach zu
Jakob: Mache dich auf und ziehe gen Bethel, und wohne vafelbft, und
mache dafeldft einen Altar dem Gotte, der dir erichien, da du floheft vor
deinem Bruder Eſau. Und Gott erfchien Jakob abermal, nachdem er aus
Mefopotamien gefommen, und fegnete ihn, und fprady zu ihm: Du follft
nicht mehr Jakob heißen, fonvern Sfrael folft vu heißen. Und alfo heißt
man ihn Iſrael (35. 9 flag). Und Gott fuhr auf von ihm von
dem Orte, da er mit ihm geredet hatte. Jakob aber richtete ein fteinern
Mal auf an dem Drte, da er mit ihm gerevet hatte, und goß Trankopfer
darauf und begoß ihn mit Del. Und Jakob hieß den Ort, da Gott mit
ihm gerevet hatte, Bethel (d. i. Haus Gottes). (Dben haben wir eine
andere Darftellung von ver Errichtung des fleinernen Males gelefen; denn
ein zweites Bethel an diefer Stelle anzunehmen, würde ſich nicht wohl
rechtfertigen Iaßen.) Bey ven Zuge Jakob's nach Aegypten (46. 2) ſprach
Gott zu ihm des Nachts im Geſicht und hieß ihm getroft ziehen.
Zur Zeit, als Mofe auftrat, ift die Erfcheinung Gottes äußerlich
nicht mehr ganz von berfelben Art, wie früher, fonvern feierlicher, furdht-
barer, und es hat viefelbe etwas für die Menfchen Schredenves, fo daß fie
ed für todtbringenn halten, Gott zu fehen ober zu hören, und daher der
Nähe Gottes gegenüber von der höchſten Scheu erfüllt finn. Bon Mofe _
wird nun zuerft berichtet (im zweiten Buche des Pentateuchs 3, 1 flgg.):
Er trieb die Schafe feines Schmwähers, des Priefterd in Midian, hinter
die Wüfte und fam an ven Berg Gottes Horeb. Und der Engel des
Herrn erfhien ihm in einer feurigen Slamme aus dem
Buſch. Und er fah, daß der Busch mit euer brannte, und warb doch
nicht verzehret. Und ſprach: Ich will dahin und befehen dies große Geſicht,
warum der Busch nicht verbrennet. Da aber ver Herr fah, daß er bin-
gieng zu ſehen; rief ihn Gott aus dem Buſch und fprady: Tritt nicht
berzu, ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen; denn der Ott,
Darauf du fteheft, ift ein beiliges Land. (Alſo, wo Gott erfcheint, ift eine
heilige Stätte.) Und Mofe verhüllete fein Angeficht, .venn er
fürdtete fi, Gott anzufchauen. Und ber Herr fprach: Ich habe
geiehen das Elend meines Volks, und bin hernievergefahren, daß ich fie
errette von der Aegypter Hand. Gebe hin und führe die Kinder Sfrael
Bon der Art, wie die Gottheit ven Menfchen erſcheint ı. 127
aus Aegypten, ich will mit dir feyn, und das fol dir das Zeichen ſeyn,
daß ich dich geſandt babe: Wenn bu mein Volk aus Aegypten geführet
haft, werbet ihr Gott opfern auf diefem Berge. Nach diefer Schilderung
heißt es nun freilich dfterd einfach, ohne daß eine Erfcheinung Gottes
berichtet wird: „Der Herr ſprach zu Moſe,“ und „Gott redete mit Moſe;“
eben jo (4. 27): Und der Herr ſprach zu Aaron. Wie nun Mofe auf
Gottes Befehl mit Weib und Kind nach Aegypten zieht, meldet und vie
Erzählung (4. 24) eine Ericheinung Gottes von furchtbarer Art. Es
Heißt nämlih: Als Mofe unterweges in ver Herberge war, kam ihm
der Herr entgegen, und wollte ibn tödten. Da nahm Zipora
(des Mofe Weib) einen Stein, und befchnitt ihrem Sohne die Vorhaut,
und rührte ihm feine Füße an, und fprah: Du bift mir ein Blutbräu-
tigam. Da ließ er von ihm ab. Sie ſprach aber Blutbräutigam um ver
Befchneivung willen. Wenn wir Iefen (5. 22): Mofe aber kam wiever
zum Seren, und (6. 12): Mofe aber revete vor dem Herrn; fo muß
man died mit den eben berührten Ausdrücken: Der Herr ſprach zu Mofe,
ver Herr ſprach zu Uaron, zufammenhalten, ohne daß wir im Stande
wären, zu beflimmen, unter welchen äußeren Umftänvden dieſer Verkehr
Gottes mit den Menſchen Statt gefunden habe. Als Gott endlich durch
die ſchwerſte Heimfuchung die Aegypter zwingen will, das Volk Ifrael
zieben zu laßen, fpricht er zu Moſe (12. 5 flg.): Ihr folt ein Lamm
nehmen, daran Fein Behler ift, und follt ed (am vierzehenten des Monates)
ſchlachten zwifchen Abends. Und follt feines Blutes nehmen, und beyde
Pfoſten an der Thür, und die oberfte Schwelle damit beftreichen, an ven
Häufern, darinnen fie es eßen. Dann beißt e8 weiter (12): Ih will
in derſelben Nacht durch Aegyptenland gehen, und alle Erftgeburt fchlagen
in Aegyptenland, beydes unter Menfchen und Vieh, und will. meine Strafe
beweifen an allen Göttern ver Aegypter, ich ver Herr. Und dad Blut
If euer Zeichen feyn an ven Käufern, darinnen ihr ſeyd, daß wenn ich
8 Blut ſehe, ich vor euch übergehe, und euch nicht die Plage wiverfahre,
die euch ververbe, wenn ich Aegyptenland fihlage. (Hier wird alfo bie
perſonliche Erſcheinung Gottes während jener Nacht zum Behufe ver Ver-
ilgung der Aegyptiſchen Erjigeburt angegeben.) Bey ver Auswanderung
der Sfraeliten aber, von der es (12. 51) heißt: Alfo führete der
Herr auf einen Tag die Kinder Ifrael aus Aegyptenland, begleitet und
lenkt fie Gott, worüber (13. 21 flg.) erzählt wird: Und ver Herr zog vor
inen her, des Tages in einer Wolfenfäule, daß er fie ven rechten Weg
führete, und des Nachts in einer Beuerfäule, daß er ihnen leuchtete, zu
reifen Tag und Nacht. Die Wolkenfäule wich nimmer von dem Volke
des Tages, noch die Beuerfäule des Nachts. ALS vie Aegypter den Iſrae⸗
liten nadhjagten, ſprach der Herr zu Mofe (14. 15 flg.), was er thun
Ile, und dann heißt ed (19): Da erhob ſich ver Engel Gottes (furz
128 Bon der Art, wie die Gottheit ven Menfchen erjcheint x.
vorber war es Gott felbft), der vor dem Heer Ifrael herzog, und machte
. fi Hinter fie, und die Wolkenſäule machte ſich auch von ihrem Angeficht
und trat hinter fie, und kam zwilchen das Heer ver Aegypter und das
Heer Sfrael. Es war aber eine finitere Wolfe und erleuchtete die Nacht,
daß fie die ganze Nacht, diefe und jene, nicht zufammen fommen Eonnten.
Da nun Mofe feine Hand redte über dad Meer, ließ e8 ver Herr hinweg—
fahren durch einen flarfen Oſtwind, und die Kinder Ifrael giengen mitten
ins Meer auf dem Trodenen, und die Uegypter folgten. Als nun die
Morgenwache fam, fehauete der Herr auf der Aegypter Heer,
aus der Keuerfäule und Wolfe, und hieß Mofe feine Hand aus-
reden, wodurch das Meer wieder in feinen Strom fam, fo daß die
Aegypter zu Grunde giengen. In der Wüfte Sin murrten die Kinder
Iſrael, da fie Hunger litten (16. 2 flgg.), und Mofe fprady zu Aaron:
Sage der ganzen Gemeine der Kinder Iſrael: Kommet berbey vor ven
Herrn (wo dieſe Stätte ey, wird nicht berichtet), denn er hat euer
Murren gehöret. Lind da Aaron alfo redete zu ber ganzen Gemeine ver
Kinder Iſrael, wandten fie fih gegen die Wüfte, und fiehe, die Herr-
lichfeit des Herrn erfhien in einer Wolfe, und der Herr
fprah zu Mofe. Nach Berlaßung ver Wüfle Sin murrte dad Volk
wieder, weil e8 Durft litt, und Mofe fehrie zum Herrn (17. 4), ver zu
ihm ſprach: Nimm etliche Uelteften mit dir und deinen Stab, und gehe
hin. Siehe, ih will daſelbſt ſtehen vor dir auf einem Feld
in Horeb; da folft du ven Fels fchlagen, fo wird Waßer herauslaufen.
In der Wüſte Sinai, wohin fie hierauf gelangten, flieg Mofe auf ven
Berg Sinai hinauf zu Gott (19. 3), und der Kerr rief ihm vom Berge,
wie er ſich die Kinder Iſraels zum Eigenthum erwählen wolle, und als
das Wolf, dem Mofe dieſes verfündigte, den Bund des Herrn annahm,
ſprach diefer zu Moſe bey jeiner Rückkehr: Siehe, ich will zu dir fommen
in einer dicken Wolfe, auf daß dies Volk meine Worte höre, die
ih mit bir reden werde. Gehe hin zu Volk und heilige fie heute und
morgen, daß fie ihre Kleider wafchen und bereit feyen auf ven britten
Tag. Denn am dritten Tage wird der Herr vor allem Bolt
berabfahren auf den Berg Sinai.
Sol nun dad ganze Volk Gotted Stimme vernehmen, fo ift doch
dabey die größte Vorſicht für daſſelbe nöthig; denn wie (19. 12) weiter
erzählt wird, fpricht Gott zu Mofe: Mache vem Wolf ein Gehäge umber,
und ſprich zu ihnen: Hütet euch, daß ihr nicht auf den Berg fleiget,
noch fein Ende anrühret; denn wer den Berg anrühret, fol des Todes
fterben. Keine Hand fol ihn anrühren, fonvdern er fol gefleiniget oder
mit Geſchoß erjchoßen werden; es fey ein Thier oder Menſch, fo
fol er nicht Ieben. Wann es aber lange tönen wird, dann follen fie an
den Berg geben. Al nun ver dritte Tag Fam und Morgen war, ba
Bon der Art, wie die Gottheit ven Menfchen erfheint ꝛe. 120
erbob ſich ein Donnern und Blitzen und eine vide Wolfe
auf dem Berge, und ein Ton einer fehr flarfen Pofaune;
das ganze Volk aber, das im Lager war, erfchraf, und trat unten an
den Berg. Der ganze Berg Sinui aber raudte, darum, daß
der Herr herab auf den Berg fuhr mit euer, und fein
Raud gieng auf, wie ein Rauch vom Ofen, daß der ganze
Berg ſehr bebete Und der Pofaune Ton ward immer
ftärfer. Mofe redete, und Gott antwortete ihm laut, und fors
derte ihn auf die Spige des Berges, wo er ibm fagt, er folle dem Volke
das Herzufommen und Sehen verbieten, damit nicht Viele deſſelben fallen.
Dazu die Priefter, welche zum Herrn nahen, follen ſich heiligen, daß fle
der Herr nicht zerſchmettere. Weiter ſprach Gott: Du und Waren mit
dir ſollſt herauffteigen, aber vie Priefler und das Volk follen nicht herzu
drehen. Als Mofe dem Volke Gottes Befehl gemeldet hatte, heist es
(20. 1 flgg.): Und Gott revete alle dieſe Worte, nämlich vie ver zehen
Gebote. Und alles Volk ſah ven Donner und Blig, und den Ton der
Poſaune, und den Berg rauchen. Da fie aber folches ſahen, flohen fie,
und traten von ferne, und fpradhen zu Mofe: Rede du mit und,
wir mollen gehorchen; und laß Gott nidbt mit und reden, wir
möchten fonft ſterben. Alfo trat dad Volk von ferne, aber Mofe
machte fi Hinzu ins Dunfele, da Gott innen war. Und ber Herr fprady
zu ihm: Alſo folft du den Kindern Ifrael fagen: Ihr habt gefehen, daß
ih mit euch vom Himmel herab gerevet habe. (Hier wird alfo, mas fo
eben noch ein Reden von ver Spike des Berges war, ein Neben vom
Simmel herab genannt.)
Nicht unwichtig für die Anficht von den Engeln if, was Gott zu
Mofe jagt (23. 20): Siehe, ich fende einen Engel vor dir ber, der dich
behüte auf dem Wege, und bringe dich an ven Ort, ven ich bereitet habe.
(32. 34. fagt Gott zu Mofe ebenfalls: Siehe, mein Engel fol vor dir
bergeben; und 33. 2: Ich will vor dir herfenven einen Engel. Ich will
niht mit dir hinaufziehen; venn du bift ein halsſtarriges Volk. Ich
möchte dich unterwegs auffreßen). Darum Hüte dich vor feinen Angefidht,
und gehorche feiner Stimme, und erbittere ihn nicht; denn er wirb euer
Uebertreten nicht vergeben, und mein Name ift in ihm. Dann fpradh
er zu Mofe (24. 1): Steige herauf zum Herrn, du und Aaron, Nadab
und Abihu, und vie febenzig Aelteſten Ifraeld, und betet an von
ferne. Aber Mofe allein nahe fi zum Herrn. Wie nun bie
Genannten hinaufgeftiegen waren, fahen fie ven Gott Iſraels. Unter feinen
Füßen war e8, wie ein ſchöner Sapphir, und wie die Geftalt des Himmels,
wenn es Elar ifl. Und er ließ feine Sand nicht über viefelben Oberſten
in Iſrael. Und da fie Gott gefchauet hatten, aßen und tranfen fie. Dann
gieng Mofe mit feinem Diener Joſua oben auf ven Berg. Da nun Mofe
IV. 9
130 Bon der Art, wie die Gottheit den Menſchen erfeint ve.
auf ven Berg kam, bevedte eine Wolfe den Berg. Und die SHerrlichfeit
des Herrn mwohnete auf dem Berge Sinai, und deckte ihn mit der Wolfe
ſechs Zage, und rief Moſe am flebenten Tage aus ver Wolfe Und daß
Anfeben ver Herrlichkeit des Herrn war wie ein verzehrenveß
euer auf der Spitze des Berges, und Moſe gieng mitten in die Wolfe.
Als nun indeß die Ifraeliten das golvene Kalb gemacht Hatten und es
anbeteten, fprach der Herr zu Moſe: Ich fehe, daß es ein halsſtarriges
Bolt ik. Und nun laß mid, daß mein Zorn über fie ergrimme und fie
auffreße. Mofe aber flehte um Gnade für das Volk, und e8 gereute ven
Herrn das Uebel, das er drohete feinem Volke zu thun.
Als die fogenannte Stiftshütte, die einen tragbaren Tempel vorftellte,
gemacht worden war, da galt fie ald eine Wohnung des Herrn. Und nun
Heißt e8 (33. 7): Wer ven Herrn fragen wollte, mußte herausgeben zur
Hütte des Stiftd vor dad Lager. Und wenn Mofe audgieng zur Hütte,
fo ftand alles Volk auf, und trat ein Jeglicher in feiner Hütte Thür, und
fahen ihm nach, bis er in die Hütte fam. Und wenn Mofe in die Hütte
fam, fo fam die Wolfenfäule hernieder, und fland in der
Hütte Thür und redete mit Mofe. Lind alles Volk fah vie Wolfen-
fäule in der Hütte Thür fliehen, und flanden auf, und neigten ſich, ein
Jeglicher in feiner Hütte Thür. Der Herr aber redete mit Mofe
von Angefiht zu Angefidt, wie ein Mann mit feinem
Breunde redet. Und wenn er wieberfehrete zum Lager, jo wich fein
Diener Joſua nit aud der Hütte. Als Mofe Ihn gnädig für daB Volk
geftinnmt hatte, fpracdh er: Mein Angeficht foll gehen, damit will
ich dich leiten; als aber Mofe zum Zeichen feiner Gnade ſich erbat:
Zaß mich deine Herrlidykeit fehen, ſprach Gott: Ich will vor deinem Anges
fit ber alle meine Güte gehen lafen, und will laßen previgen des Herrn
Namen vor dir. Mein Angefiht Fannft du nicht fehen, denn Fein
Menſch wird leben, der mich fiehet. (Kurz vorher jenoch hieß es:
Der Herr redete mit Mofe von Angeſicht zu Angeficht, wie ein Mann
mit feinem Breunde.) Und ver Herr ſprach weiter: Siehe, es ift ein
Raum bei mir; da folft du auf dem Felſen ftehen. Wenn denn nun
meine Herrlichkeit vorüber gehet, will ih dich in der Felſenkluft laßen
fliehen, und meine Sand fol ob dir Halten, bis ich vorüber gehe. Und
wenn ich meine Hand von dir thue, wirft du mir hinten nachfehen; aber
mein Angefiht kann man nicht fehen. Da Mofe in feinem Zorn über
das goldene Kalb die zwei fleinernen Tafeln mit den zehen Geboten zer⸗
ſchmettert Hatte, befiehlt ihm ver Kerr, wieder auf den Sinai mit zwei
fleinernen Tafeln zu fommen, damit er (der Herr) die zehen Gebote darauf
ſchreibe. Moſe that fo (34. 4). Da kam der Herr hernieber in einer
Wolfe, und trat vafeldft bey ihn, und predigte von des Herrn Namen.
And da der Herr vor feinem Angeſicht vorüber gieng, neigte ſich Moſe
Bon der Art, wie die Gottheit ven Menſchen erfcheint ꝛc. 131
eilend zur Erde und betete ihn an. Da nun Mofe vom Berge gieng,
hatte er die zwei Tafeln des Zeugnißes in feiner Hand; und mußte nicht,
daß die Haut feines Angefihts glänzete, davon, daß er
mit ihm geredet hatte. Und da Aaron und alle Kinder Ifrael fahen,
daß die Haut feines Angeſichts glänzete, fürchteten fie fi, zu ihm zu
nahen. Da legte er, wenn er mit ihnen redete, eine Dede auf fein Anges
fit. Und wenn er bineingieng vor den Herrn, mit ihm zu reden, that
er die Dede ab, bis er wieder herausgieng. Als die Stiftähütte volle
fommen ausgerüftet und eingerichtet war, am erftien Tage des erften
Monats (40. 2 flgg.), da bevedte eine Wolfe vie Hütte des Stifts, und
die Herrlichkeit des Herrn erfüllete die Wohnung. Und Mofe Fonnte nicht
in Die Hütte des Stifts gehen, weil vie Wolfe darauf blieb, und die Herr⸗
lichkeit des Heren die Wohnung füllete. Und wenn die Wolfe ſich aufhob
von der Wohnung, fo zogen die Kinder Iſrael, fo oft fie veifeten. Wenn
ſich aber die Wolle nicht aufbob, fo zogen fie nicht, bis an den Tag, da
fie ih aufhob. Denn die Wolle des Herrn war des Tages auf ber
Wohnung, und des Nachts war ſie feurig.
Sp wie Bott nach der Anſicht von ven Höhen ſich auf den heiligen
Berg herabließ, mußte natürlid auch, als ihm die Stiftshütte verfertigt
worden war, dieſe als eine Stätte Gottes erfcheinen, gleidy einem Tempel,
wie überall vie Tempel und Capellen nebft ven heiligen Sainen bey ven
verſchiedenen Völkern als Orte galten, wo die Gottheit dem Menfchen
beſonders nahe ſey. Im dritten Buch des Pentateuch (1. 1) lefen wir
daher: Und der Herr rief Mofe, und revete mit ihm von der Hütte
des Stifts. Als das erfte Opfer durch Aaron nach der von Gott
befoplenen Einrichtung dargebracht werben follte, fagte Mofe, an dieſem
Tage werbe ver Herr erfcheinen (9. 4), und es trat herzu vie ganze
Gemeine, und fland vor dem Herrn (naͤmlich vor der Hütte des Stifts).
Sobald das Opfer durch Aaron beforgt war, gieng diefer mit Mofe in
bie Stiftshütte, und da fie wieder herausgiengen, fegneten ſie dad Volk.
Da erfchien vie Herrlichkeit des Herrn allem Wolfe. Denn das Feuer
kam aus von dem Kerr, und verzehrete auf dem Altar das Brandopfer
und das Fett. Da das alles Volk fah, frohlodten fie, und fielen auf ihr
Antlig. Auch mit Aaron ſprach Gott, wie (10. 8) erzählt wird, und mit
Mofe und Aaron zugleich (11. 1 flgg.), was wohl in der "Stiftöhütte
oder von ihr aus gefchehen iſt. (Dazwifchen freilich wird auch wieder der
Berg Sinai genannt, als der Ort, mo Gott die Anordnungen Moſe mits
teilt, wie 7. 38., 25. 1 und 27. 34. Und dieſer Berg mag entichieven
gegolten haben als vie Stätte, mo Gott die Gebote über das gefammte
religibſe, fittliche und bürgerliche Leben ver Ifraeliten an Moſe verfündete.)
Troy diefer Stellung Aaron’8 und feines hohen Prieftertfpums, muß bere
ſelbe doch große Vorficht beobachten, daß er Gott nicht ſchaue und dadurch
g*
133 Bon der Art, wie vie Gottheit ven Menſchen erfeint x.
ververbe. Denn es wird uns erzählt (16. 2): Der Herr ſprach zu Mofe:
Sage deinem Bruder Aaron, daß er nicht allerlei Zeit in das inwendige
Heiligthum gebe hinter den Vorhang vor dem Gnadenſtuhl, der auf der
Lade ift, daß er nicht flerbe; denn ich will in einer Wolfe ericheinen auf
dem Gnadenſtuhl. Auf dieſem Gnadenſtuhl ward alfo Gott gemwißermaßen
wie auf feinem Throne gedacht, und wir leſen im vierten Buche des
Pentateuch (7. 89): Und wenn Mofe in die Hütte des Stifts gieng, daß
mit ihm geredet würde; fo hörete er die Etimme mit ihm reden von dem
Gnadenſtuhle, der auf ver Lade des Zeugnißes war, zwifchen den zween
Cherubim; von dannen ward mit ihm geredet.
Tür die Anſicht von der Anweſenheit Gottes bey ver Bundeslade in
der Stiftshütte dient und die Erzählung (10. 33 figg.) recht gut, welche
lautet: Alſo zogen fie von dem Berge des Herrn drei Tagereifen, und bie
Lade des Bundes des Herrn zog vor ihnen her vie drei Tagereifen, ihnen
zu weifen, wo fie ruhen follten. Und die Wolke des Herrn war bed Tag
über ihnen, wenn fie aus dem Lager zogen. Und wenn die Lade 3089,
fo ſprach Mofe: Herr, ſtehe auf, laß deine Feinde zer
fireuet, und die dich haffen, flüdhtig werden vor dir. Und
wenn fie rubete, fo fprad er: Komm wieder, Herr, zu der
Menge ver Taufenden Iſraels. ALS die Jfraeliten in Noth waren
und murreten, hieß Gott Mofe ftebenzig Aelteſte wählen, und um bie
Stiftshütte fielen, und als dieß geicheben (11. 25), ta fam der Kerr
hernieder in der Wolfe, und redete mit ihm, und nahm des Geifted, der
auf ihm war, und legte ihn auf die febenzig älteften Männer. Und da
der Geift auf ihnen ruhete, weißagten fie, und höreten nicht auf. Zwei
von diefen fiebenzig waren im Lager geblieben und nicht zu der Stifts⸗
hütte gefommen. Dennoch weißagten fie, und als Joſua dem gemehrt
wißen wollte, ſprach Diofe: Wollte Gott, daß alles Volk des Herrn weißa⸗
gete, und der Herr feinen Geift über fie gäbe. Hierauf rebeten
Mirjam und Aaron wider Mofe, um feines Weibes willen, der Mohrin
(12. 1 flg.), und fpradhen: Redet denn der Herr allein durch Mofe?
Redet er nicht auch durch uns? und der Herr hörete ed. Und plöglid
fprady der Herr zu Mofe und zu Aaron und zu Mirjam: Gehet heraus,
ihr Drei, zu der Hütte des Gtifts, und fie giengen alle Drei heraus. Da
fam der Herr hernieder in der Wolfenfäule, und trat in der Hütten Thür,
und rief Aaron und Mirjam, und vie Beiden giengen hinaus. Und er
ſprach: Höret meine Worte: Iſt Jemand unter euch ein Prophet des Herrn:
dem willih mid fund machen in einem Geſicht, oder will
mit ihm reden in einem Traum. Aber nicht alfo mein Knecht
Mofe, der in meinem ganzen Haufe treu if. Mündlich reve ih mit
ibm, und er fiehet den Herrn in feiner Geftalt, nit durch
Dunkle Worte oder Gleichniß. Warum Habt ihr euch denn nicht
Bon ber Art, wie die Gottheit ven Menfchen erfcheint c. 133
gefürchtet, wider meinen Knecht Mofe zu reden? Und ver Zorn des Herrn
ergrimmete über fl, und wandte fih weg. Dazu die Wolke
wich aud von der Hütte Und fiehe, da war Miriam ausfägig.
ALS die in das Land Canaan geſchickten Kundfchafter ven Einzug in dieſes
Land als gefährlih ſchilderten (13), und vie Sfraeliten darum wieder
nach Aegypten zurüdzufehren begehrten (14), erzürnte der Herr, und es
erfchien die Herrlichkeit des Herrn in der Hütte des Stifts allen Kindern
Iſraels, und der Herr fprady zu Mofe, wie er fie firafen molle, und als
fie deßhalb nach Canaan gehen wollten, ihre Sünde wieder gut zu machen,
fügte ihnen Moſe: Ziehet nicht hinauf, venn der Herr ift nit unter
euch. Dennoch zogen fie hin, aber vie Lade des Bundes des Herrn
und Mofe famen nit aus dem Lager. Deßhalb wurden fie
gefchlagen. (So fehlte alfo den auf das Gebirge Ziehenden die Gegenwart
bes Herrn, weil die Bunveslade im Lager zurücdblieb.) Auch ald Korah
fi) gegen Mofe empörte (16), heißt ed: Die Herrlichkeit des Herrn
erihien vor der ganzen Gemeine, und ver Herr fprah mit Mofe und
Aaron, und Korah mit feinem Unhang ward lebendig von der Erbe vers
Ihlungen, und euer fuhr aus von dem Herrn und fraß die von der Notte
Korah, die das Räuchwerk opferten. Die Gemeine murrte und verfams
melte ſich wider Mofe und Aaron, und wandte ſich zu der Hütte des Stifte.
Da bevedte es die Wolfe und die Herrlichkeit des Herrn erfchien, und
Mofe und Aaron giengen hinein zu der Hütte des Stifte, und der Kerr
tedete mit Mofe. Als Gott Aaron durch ein Wunder erwählt zum Priefter-
thum (17), Sprachen die Kinder Iſrael zu Mofe: Siehe, wir verderben.
Der fi nahet zu der Wohnung des Herrn, der ftirbt.
Sollen wir denn gar untergehen? Als das Volk wegen Waßermangel in
der Wüfte Zin mit Mofe haderte (20), giengen Moſe und Aaron zu ber
Thür der Hütte des Stifts und fielen auf ihr Angeftcht, und die Herrlichkeit
des Herrn erjchien ihnen und gewährte Waßer.
Obgleich es geheißen hatte, ver Kerr felbft habe die Iſraeliten aus
Aegypten geführt, fo hieß es auch wiever, ver Engel des Herrn babe dieß
gethan, und fo ließ auch Mofe (20) nach) Kades, wo er Durchgang begehrte,
figen: Wir ſchrien zu dem Herrn, der bat unfere Stimme erhört, und
einen Engel gefandt, und und aus Aegypten geführt. Als Balak, der
König der Moabiter, ſich vor ven heranziehenven Ifraeliten fürchtete, fanbte
er zu dem Wahrfager Bileam, daß er ihm für Lohn die Ifraeliten vers
fludye, Gott aber kam zu Bileam (22) und mahnte ihn ab. Bey einer
jweiten Sendung Balak's fam Gott abermals des Nachts (alfo in einem
Traumgefiht) zu Bilean, und hieß ihn Hinziehen; und Bileam fattelte
eine Eſelin, und z0g bin. Uber ver Zorn des Kern ergrimmete, daß er
Bingog. Und der Engel des Herrn trat in den Weg, daß er
ihm widerſtände. Er aber ritt auf feiner Efelin, und zween Knaben
334 Bon der Art, wie die Gottheit ven Menſchenr erſcheint x
waren mit ihm. Und die Efelin ſah den Engel des Herrn im
Wege ſtehen, und ein bloßes Schwerdt in feiner Sand. Und
die Cielin wich aus dem Wege, und ging auf dem Felde; Bileam aber
fhlug fie, vaß fie in den Weg follte gehen. (Alſo glaubte man, daß
Thiere übernatürliche Erfcheinungen ſehen Tönnten, welche der Menfch nicht
erblickte.) Da trat der Engel des Herrn in ven Pfad, bey ven Weinbergen,
da auf beiden Seiten Wände waren. Und da die Efelin den Engel ves
Herrn ſah, brängete fie fih an die Wand, und Elemmte Bilcam den Fuß
an der Wand, und er ſchlug fie noch mehr. Da gieng ver Engel des
Herrn weiter, und trat an einen engen Ort, da fein Weg mar zu weichen,
weder zur Nechten, noch zur Linken. Und da vie Gjelin ven Engel des
Herrn ſah, fiel fie auf ihre Kniee unter dem Bileam. Da ergrimmete ber
Sorn Bileam’d, und ſchlug die Efelin mit vem Stabe. Da that ver Herr
der Gjelin ven Mund auf, und fie ſprach zu Bileam: Was Habe ich Pir
getban, daß du mich gefchlagen Haft nun vreimal? Bileam aber fpradh
zur Gfelin: Daß du midy höhneft; ach, daß ich jegt ein Schwerdt in ber
Hand hätte, ich wollte dich erwürgen. Die Efelin fprah zu Bileam: Bin
ich nicht deine Efelin, darauf du geritten haft zu deiner Zeit, bis auf dieſen
Tag? Habe ich auch je gepfleget dir alfo zu thun? Er ſprach: Nein.
Da dfinete der Herr Bileam die Augen, daß er den Engel des Herrn fah
im Wege flehen, und ein bloßes Schwerdt in feiner Hand; und er neigete
und büdte fidy mit feinem Angefiht. Und ver Engel des Herrn ſprach zu
ihm: Warum Haft du deine Eſelin gefchlagen nun dreimal? Siehe, ih
bin ausgegangen, daß ich dir widerſtehe; denn der Weg ift vor mir ver
kehrt. Und die Efelin bat mich gefehen, und iſt mir dreimal gemwichen;
fonft, wo fle nicht vor mir gewichen wäre, fo wollte ich dich auch jetzt
erwürget, und die Eſelin lebendig behalten haben. Da ſprach Bileam zu
dem Engel des Herrn: Ich Habe geſündiget, denn ich habe es nicht gewußt,
dag du mir entgegen flänveft im Wege; und nun, fo dir's nicht gefaͤllt,
will ich wieder umkehren. Der Engel des Herrn fprach zu ihm: Ziehe
hin mit den Männern; aber nichts anders, denn was ich zu bir fagen
werde, folft du reven. Als nun Bileam zu Balak gefommen war, fühste
ihn verfelbe auf die Höhe Baals und opferte; Bileam aber ſprach zu Balaf:
Tritt bey dein Brandopfer; ich will hingehen, ob vielleidyt mir der Herr
begegne, daß ich dir anfage, was er mir zeiget. Und gieng bin eilend.
Und Gott begegnete Bileam; er aber ſprach zu ihm — Der
Herr aber gab das Wort Bileam In den Mund, und fprad:
Gehe wieder zu Balaf und reve alfo. Da nun Bileam wieder zu Balaf
fam, fprad er: Wie ſoll ich fluchen, dem Gott nicht fluchet? Wie fol
ich fchelten, den ver Kerr nicht ſchilt? Denn von der Höhe der
Belfen fehe ih ihn wohl, und von den Hügeln fhaue id
ihn. Da führte Balak ven Bileam auf vie Höhe Pisga und opferte,
Bon her Ast, wie ale Gottheit ven Menfchen erfhelnt x. 233
und Bileam follte jetzt fluchen; doch fprach biefer feinen Segen über
Iſrael, obgleih nicht erwähnt wird, daß Gott es ihn geheifen habe, fo
Daß er demnach innerlich von Gott erfüllt und getrieben thut, wie ein
Weißagender. Balak führte ſodann Bileam auf vie Höhe Peor in der
Hoffnung, da werde er fluchen Eönnen. Doch (24) heist ed: Da nun
Bileam fah, daß es dem Herrn geftel, daß er Ifrael fegnete, gieng ex nicht
bin, wie vormals, nad) den Zauberern, fondern richtete fein Angeficht
ſtracks zu der Wüſte, hob feine Augen auf, und fah Ifrael, wie fle lagen
nach ihren Stämmen. Und der Geift Gottes kam auf ihn, und er bob
an: Es faget Bileam, dem die Augen geöffnet find, der Hörer göttlicher
Rede, der des Allmächtigen Offenbarung ftehet, dem vie Augen gedffnet
worden, wenn er nieverfniet. Nun ſprach er Eegen über Sirael.
Im fünften Bude des Pentateuch (5. 22) wird von der Ericheinung
Gottes auf dem Sinai gejagt: Das find die Worte, welche ber Herr redete
zu eurer ganzen Gemeine, auf dem Berge, aus dem Feuer, und des Wolfe
und Dunfel, mit großer Stimme, und fchrieb fie auf zwo fteinerne Tafeln.
Da ihr aber die Stimme aus der Binfternig höretet, und den Berg mit
Teuer brennen fahet; tratet ihr zu mir, alle Oberften unter euern Stäms
men, und eure Xelteften, und forachen: Siehe, ver Herr, unfer Gott, hat
und laßen fehen feine Herrlichkeit, und feine Mafeftät; und wir baben
feine Stimme aus dem Feuer gehöret. Heutiges Tages haben wir
geſehen, daß Gott mit Menfchen revet, und fie febenpig
bleiben. Und nun, warum ſollen wir flerben, daß und dieß große
deuer verzehre? Wenn wir des Herrn, unjerd Gottes, Stimme mehr
bösen, fo müßen wir fterben. Denn mas ift alles Fleiſch, daß es hören
möge die Stimme des lebendigen Gottes aus dem euer reden, wie wir,
und lebendig bleibe. (Die Herrlichkeit und Majeflät Gotte8 dürfen wir
nach dieſer Stelle auf Gottes Erfcheinung in Beuer und Wolfe deuten,
denn eine Spur, daß man fie von einem andern fichtbaren Dinge verftanden
hätte, findet fich nicht.) Als Mofe fterben follte, heißt es (31), erichien
dee Here in der Hütte in einer Wolkenfäule; und dieſelbe Wolfenjäule
Rand in der Hütte Thür. Und der Herr ſprach zu Mofe. Diefer aber
frrah (33), als er das Volk vor feinem Ende fegnete: Der Herr iſt von
Sinai gekommen, und ift ihnen aufgegangen von Eeir; er ift hervorge⸗
brochen von vem Berge Baran, und ift gefommen mit viel taufend
Seiligen; zu feiner rechten Hand ift ein feuriges Geſetz an ſie. (Bon
diefen Heiligen war nie die Rede bei einer Grfcheinung Gottes.) Wie
bat er die Leute fo lieb! Alle feine Heiligen find in veiner Sand; fle
werben fich fegen zu deinen Füßen, und werden lernen von deinen Worten.
(Diefe Heiligen find aber feine Geifter frommer Todten, die fi etwa im
Simmel bey Gott befänden, fondern die gläubigen, frommen Kinder Iſraels
wurden fo benannt. In den Palmen [16. ®.15] lefen wir: Der Tod
136 Bon der Art, wie vie Gottheit den Nenſchen erſcheint *
feiner Heiligen iſt werth gehalten vor dem Herrn. Im erfien Buche ber
Maccabäer [6] Heißt es von den Juden, die fih im Heiligthume gegen
den Feind wehrten, aber harten Mangel litten: Und wurven der Heiligen
fehr wenig, denn fie farben Hungers. Im erſten Buche Samnelis [9]
fefen wir: Er wird behüten die Füße feiner Heiligen, aber die Gottlofen
müßen zu nichte werden in Finſterniß. Im Palm [32. 6] Heißt es:
Wenn große Baperfluten fommen, werden fie nicht an die Heiligen gelangen.
Das Buch von ver Weisheit Salomo's [18] fagt: Deine Heiligen [vie
aus Aegypten wandernven Iiraeliten] hatten ein groß Licht, und als bie
Geinde gedachten ver Heiligen Kinder zu töten, eines aber derſelben, fo
weggeworfen war [nämlidy Mofe], ihnen zur Etrafe erhalten warb, u. |. w.,
und al8 die heiligen Kinder der Frommen dir opferten im Berborgenen
n. ſ. w.) Moſe gieng dann (34) auf ven Berg Nebo, auf die Spige des
Gebirges Pisga, und ver Herr zeigte ihm das ganze für Iſrael beflimmte
Land, worauf er flarb, und der Herr begrub ihn im Thal, und hat
Niemand jein Grab erfahren. Und es and binfort Fein Prophet
in Ifrael auf, wie Mofe, den der Herr erfannt hätte von
Angeliht zn Angefidht. Als Urfache, daß Bott den Yiraeliten fich
nicht in Geftalt gezeigt, giebt ver Pentateuh (V. 4) an, damit fie fein
Bild machen, weder Mann, noch Weib, noch Vieh, noch Vogel, noch
Gewürm, noch Fiſch.
Ueber die Vorſtellung, welche man ſich von der Erſcheinung Gottes
machte, hat das erſte Buch ver Könige (19) eine ſchoͤne Erzählung. Der
Prophet Elia gieng in eine Höhle und blieb daſelbſt über Nadıt. Und
fiebe, dad Wort des Heren Fam zu ihm und fpradh: Gehe heraus, und
tritt auf den Berg vor den Herrn. Und fiehe, ver Herr gieng vorüber,
und ein großer flarfer Wind, ver die Berge zerriß und bie Felſen zerbradh,
vor dem Herrn ber, der Herr aber war nit im Winde. Nach dem
Winde aber kam ein Ervbeben, aber der Herr war nicht im Erobeben.
Und nach vem Erobeben kam ein Feuer, aber ver Herr war nicht im euer.
Und nady dem Feuer Fam ein files, fanftes Saufen. Da das Elta hörete,
verhüllte er fein Antlig mit feinem Mantel, und gieng heraus, und trat
in die Thür der Höhle. Und fiehe, pa Fam eine Stimme zu ihm, vie
befahl ihm, den Haſael zum Könige über Syrien zu falben. Im zweiten
Buche Samueliß (5. 23) lefen wir: Und David fragte den Seren; ber
ſprach: Du ſollſt nicht hinaufziehen (wider die Philifter), fondern kommen
von hinten zu ihnen, daß du an fie Fommeft gegen den Maulbeerbäumen.
Und wenn du hören wirft das Naufchen auf ven Wipfeln ver Maulbeer⸗
bäume einhergehen, fo eile dich; denn der Herr iſt dann ausgegangen vor
dir ber, zu ſchlagen das Heer der Philiſter. Die Propheten hatten auch
ferner Gefichte und rad Wort des Herrn Fam zu ihnen, fo wie aud
Erſcheinungen Gottes unter dem Namen eines Engeld nad) Moſe vor-
Bon der Art, wie nie Gottheit ven Menfchen erſcheint sc. 237
kamen. Als Iofua bei Jericho war, bob er feine Augen auf, heißt e8 im
Buche Joſua (5), und ward gewahr, daß ein Mann gegen ihm fland,
und Hatte ein bloßes Schwerbt in feiner Hand. Und Joſua gieng zu ihm,
und fprach zu ihm: Gehdreft bu uns an, over unfern Feinden? Er fpradh:
Nein, fondern ih bin ein Fürft über das Heer des Herrn, und bin jetzt
gefommen. Da fiel Joſua auf fein Angeficht zur Erde, und betete an
und ſprach zu ihm: Was faget mein Serr feinem Knete? Und ber
Fürſt über das Heer des Herrn ſprach zu Joſua: Ziehe veine Schuhe aus
von deinen Füßen; denn die Stätte, darauf du fleheft, iſt heilig. Lind
Joſua that alfo. Jericho aber war verwahret vor den Kindern Iſrael.
Aber der Kerr fprach zu Joſua: Siehe da, ich habe Jericho fammt ihrem
Könige und Kriegsleuten in deine Hand gegeben. Als Giveon von Gott
zum Richter in Iſrael beflimmt warb (Buch der Richter, Kap. 6), ſandte
Gott einen Propheten, als vie Kinder Ifrael in ihrer Noth zu ihm fchrieen.
Dann kam ein Engel des Seren und fegte fi) unter eine Eiche zu Ophra,
bie war Joas, und fein Sohn Gideon draſch Weisen. Da erichien ihm
bee Engel und fprah: Der Herr mit bir, du flreitbarer Helv! Gideon
aber ſprach: Iſt der Herr mit und, warum iſt uns denn folches Alles
wiberfahren? Und wo find alle Wunver, die unfere Väter erzähleten?
der Here aber wandte ſich zu ihm und ſprach: Gehe hin, du fonft Ifrael
erldſen. Siehe, ich habe dich gejandt. Giveon ſprach zu ihm: Lieber, habe
id Gnade vor dir gefunden, fo mache mir ein Zeichen, daß du es feneft,
ver mit mir redet. Weiche nicht, bis ich zu dir miederfonme. Und
Gideon Fam, und fchlachtete ein Ziegenböckhen, nahm ein Epha Mehl,
legte Fleiſch in einen Korb, und that die Brühe in einen Topf, und
brachte e8 zu ihm heraus unter die Eiche. Aber ver Engel Gottes ſprach
zu ihm: Nimm das Fleiſch und das Lingefäuerte, und laß es auf dem
dels, der hier ift, und gieße die Brühe aus. Gideon that alfo. Da rede
ber Engel des Seren den Steden aus, den er in ver Hand hatte, und
tührete mit der Spige das Bleifch und das ungefäuerte Mehl an. Und
dat Feuer fuhr aus dem Feld, und verzehrete das Fleiſch und das unges
finerte Mehl. Und ver Engel des Herrn verſchwand aus feinen Augen.
Ds nun Gideon fah, daß es ein Engel des Seren war, ſprach er: O Herr,
babe ich alfo einen Engel des Herrn von Angeficht gefehben? Aber ver
herr fprach zu ihm: Friede fey mit dir! Würchte dich nicht; du wirft
nicht flerben. Da bauete Gideon daſelbſt dem Herrn einen Altar, und
bieß ihn: der Gere des Briedens. Und in berfelbigen Nacht ſprach ver
Serr zu ihm: Nimm zwei fiebenjährige Barren, zerbrich ven Altar Baals,
der deines Vaters if, und haue ab ven Hain, der dabei ſteht; und baue
dem Herrn oben auf ver Höhe dieſes Felſen einen Altar, und nimm ben
einen Yarren, und opfere ein Brandopfer mit dem Holz des Hains.
Als Simfon den Ifraeliten beflimmt war, Iautet vie Erzählung alſo
138 Bon ver Urt, wie pie Gottheit ven Menſchen erſcheint m
(Buch ver Richter 13). EI war ein Mann mit Namen Manoah, und
fein Weib war unfrucdhtbar. Lind der Engel des Herrn erihien dem Weihe,
und ſprach: Du wirft einen Sohn gebähren, ver wird ein Verlobter
Gottes feyn und Ifrael erlöfen von den Philiftern. Lind fie fagte ihrem
Manne: Es Fam ein Mann Gottes zu mir, und feine Geflalt war anzu⸗
fehen, wie ein Engel Gottes, ſehr erfchredlich, daß ich ihn nicht fragte,
woher oder wohin, und er fagte mir nicht, wie er bieße. Er ſprach aber
zu mir: Du wirft einen Sohn gebähren, der foll ein Verlobter Gottes
ſeyn. Da bat Manoah den Herrn: Laß ven Mann Gottes wieder zu uns
fommen, daß er und lehre, was wir mit dem Knaben thun follen. Und
der Engel Gottes fam wieder zum Weibe auf dem Felde, und fie lief
eilendd, es ihrem Manne zu fagen, der mit ihr gieng und von dem Engel
belehrt ward, und dann zu ihm ſprach: Lieber, laß dich halten, wir wollen
dir ein Ziegenböckhen zurichten. Aber ver Engel ſprach: Wenn vu gleich
mich Bier hielteft, jo eße ich doch von deiner Speife nit. Willſt du aber
dem Herrn ein Branvopfer thun, fo magft du ed opfern. Denn Manoah
wußte nicht, daß es ein Engel des Herten war. Und Manoah ſprach: Wie
beißeft du? daß wir dich preifen, wenn nun fommt, was bu geredet haſt.
Der Engel antwortete: Warum fragft du nach meinem Namen, ver doc
wunderfam iſt? Da opferte Manoah ein Ziegenbödchen und ein Speide
spfer auf einem Fels dem Heren, und da die Lohe auffuhr vom Altar
gen Himmel, fuhr ver Engel des Herren in der Lohe des Altars hinauf.
Da dad Manoah und fein Weib fahen, fielen fle zur Erde auf ihre Anges
ſtchter, und er erkannte, daß es ein Engel des Herrn war, und ſprach zu
feinem Weibe: Wir müßen des Todes flerben, vaß wir Gott gefehen
haben. Aber fein Weib ſprach: Wenn ver Herr Luft hätte, und zu
tödten, fo hätte ee das Brandopfer und Speisopfer nicht genommen von
unfern Hänten; er hätte und auch nicht ſolches Alles erzeiget, noch ung
Solches hören laßen, wie jeht gefchehen if. Als David Iſrael gezählt
und dadurch Bott erzürnt hatte, *) mußte er zmifchen drei Strafen wählen,
die. waren drei Jahre Theuerung, drei Monate Flucht vor dem Feinde,
drei Tage dad Schwerdt des Herrn und Peflilenz, daß der Engel des
Herrn verberbe in allen Gränzen Ifrael. David wählte das Letzte. De
ließ, Heißt es im erften Buche der Chronik (22), der Herr Peftilenz in
Iſrael kommen, daß flebenzig taufend Mann fielen. Und Gott fandte den
Engel gen Ierufalem, fle zu verderben. Und im Ververben ſah der Gere
darein, und zeuete ihn das Uebel, und fprach zum Engel, dem Verderber:
Es ift genug, laß deine Hand ab. Der Engel des Heren aber ſtand bei
*) Man glaubte auch bei Briechen und Römern, das Zählen bringe Unheil,
denn man meinte, fein Glück, feine Habe betrachten, berechnen, benennen
errege als ein Uebermuth den Neid, und bie Gottheit oder eine dunkle
Schickſalsmacht ſtrafe einen folchen mit Verderben.
Bon ver Art, wie vie Gottheit den Menſchen erfheint u 289
ver Tenne Arnan's, des Jebuflterd. Und David bob feine Augen auf, und
ſah ven Engel ded Seren fliehen zwiſchen Himmel und Erde, und
ein bloßes Schwerdt audgeredt über Ierufalem. Da fiel David und bie
Aelteſten mit Säden bevedt auf ihr Antlitz. Und David ſprach: Ich bin
es, der geſuͤndiget bat. Herr, laß deine Hand wider mich und nicht wider
dein Volk jeyn. Und der Engel des Herrn ſprach zu Gad (dem Propheten),
David zu fagen, daß er hinaufgehen und dem Herrn einen Altar aufrichten
folle in ver Tonne Arnan’d. David gieng bin, Arnan aber, va er fi
wandte und fah wen Engel, und feine vier Söhne mit ihm, verſteckten fle
ſich; denn Arnan draſch Weizen, da er aber David's gewahr ward, gieng
er heraus, und betete David (der war ein Gefalbter des Seren) an mit
feinem Antlig zur Erde. Und er bot dem Könige die Tenne umfonft zum
Altar an, und wollte ihm fein Rind zum Brandopfer, fein Gefchirr zum
Holz und Weizen zum Speisopfer fchenfen. Davin aber nahm die Tenne
nur für fechöhunnert Seel Solo, baute den Altar und opferte Brand
und Danfopfer. Und da er den Herrn anrief, erhörete er ihn durchs
deuer vom Himmel auf wem Altar des Branvopferd. Und der Herz
brach zum Engel, daß er fein Schwerbt in feine Scheine kehrete. Zu
diefer Zeit nun pflegte ver König, da ihn Gott erhört hatte, auf diefem
Altar zu opfern; denn bie Wohnung des Herrn, die Mofe in der Wüſte
gemacht hatte, und der Branvopferaltar war zu der Zeit in ver Höhe zw
Siheon. David aber Eonnte nicht hingehen vor venfelben, Bott zu fuchen,
ſo war er erichroden vor dem Schwerdte des Engels des Herrn. (Im
jweiten Buche Samuelis [24], wo dieſe Ericheinung ein wenig einfacher
zählt wird, iſt nicht Die Rede von einem Schmwerbie, fondern der Engel
ſireckt ſeine Hand aus über Ierufalen.) ine Eräftige Befchseibung vor
einer finnlichen Erſcheinung Gottes Iefen wir in ven Pſalmen (18. V. 8):
Die Erde bebete, und warb bewegt, und die Grunnfeflen ver Berge regeten
4, und bebeten, da er zornig war. Dampf gieng aus von feiner Nafe,
und verzehrendes Feuer von feinem Munde, daß es davon blitzete. Er
keigte den Himmel, und fuhr herab, und Dunkel war unter feinen Füßen.
Und er fuhr auf dem Cherub, und flog daher, er ſchwebete auf ven Fittigen
des Winded. Sein Gezelt um ihn ber war finfter, und ſchwarze, vide
Bolten, darinnen er verborgen war. Vom Glanze vor ihm trenneten ſich
die Wolken, mit Hagel und Bligen. Und der Herr vonnerte im Simmel,
und der Höchfte ließ feinen Donner aus mit Hagel und Bliken. Er ſchoß
fine Strahlen, und zerftreuete fie, er ließ fehr blitzen, um fchredte fie.
Da ſah man Waßergüße, und des Erdbodens Grund warb aufgedeckt, Herr,
von deinem Schelten, von dem Odem und Schnauben deiner Nafe.
In den obigen Schilverungen haben wir zum Defteren gejeben, daß,
Ratt Bott felbft zu nennen, ver Erzähler den Engel des Herrn nennt, und
es ift allervings einerlei, welches ver beiden Ausdrücke er ſich bevient;
denn es gab nach der reinen Mofelehre Teine von Bott erfchaffenen Geier,
L1Aa0O Bon der Art, wie die Gottheit den Menſchen erfigeiut: ie.
die bei ihm im Himmel gewohnt hätten und zu feinen Botfchaften beftimmt
geweſen wären. Es ift nichts weiter, als eine bloße Abwechfelung in ven
Ausdrücken, wenn es beißt: ver Herr fprach zu ihm, oder: der Engel des
Herrn ſprach zu ihm; ver Herr erfchien ihm im Traum, oder: ver Engel
des Herrn erfchien ihm im Traum. Der Name des Engels beveutet weiter
nichts, ald daß ſich Gott in irgend einer Weile dem Menfchen offenbart
und in Beziehung auf ihn wirkfam iſt. Erfcheint ein Engel in Menfchen-
geftalt, fo iſt e8 Bott in Menfchengeftalt, und darum fpricht auch ſtets
der Engel zu den Menfchen, wie wir oben gejehen haben, als Gott ſelbſt.
Bott Hatte in einer Wollens und Feuerfäule die Kinver Ifrael aus
Aegypten geführt und fie aus der Gewalt der Aegypter felbft errettet, wie
es deutlich in der Erzählung des zweiten Buches Mofe heist. Im Buche
der Richter nun (2) lautet diefes alfo: Es Fam aber der Engel des Herrn
herauf von Gilgal gen Bahim, und ſprach: Ich habe euch aus Aegnpten
beraufgeführet, und in das Land gebracht, das ich euern Vätern gefchworen
babe; und ſprach: Ich wollte meinen Bund mit euch nicht nachlaßen
ewiglich; daß ihr nicht folltet einen Bund machen mit ven Einwohnern
dieſes Landes, und ihre Altäre zerbrechen. Aber ihr habt meiner Stimme
nicht gehorchet. Warum habt ihr das getban? Da fprady ih zu euch:
Ih will fie nicht vertreiben vor euch, daß fie euch zum Strid werben,
und ihre Götter zum Netz. Und da ver Engel des Herrn ſolche Worte
geredet hatte zu allen Kinvern Iſrael, bob das Volk feine Stimme auf,
und weineten. Hier hätte eben fo gut ftehen Eünnen: Der Herr ſprach zu
ihnen; denn dieſer Engel ift Gott, welcher fi) in viefen Worten ben
Kindern Ifrael offenbart. Das eine Mal Heißt ed: Der Herr ſchlug das
Volk, das andere Mal wird der Engel des Herrn genannt. So fteht im
erftien Buche Samuelis (6. 19): Etliche zu Bethſemes wurden gefchlagen,
weil fie die Lade des Herrn gefehen. Und er ſchlug des Volks fünfzig-
taufend und fiebenzig. Dagegen lefen wir bei Iefata (37. 36): Da fuhr
aus der Engel des Herrn und fchlug im afiyrifchen Lager hundert fünf
und achtzig taufend Mann. Nur Gott felbft zu fehen, glaubte man, bringe
den Tod, und wir haben oben gefehen, daß Leute, venen ein Engel des
Herrn erfchien, ebenfalls dieſe Furcht äußerten, weil ſie nämlich im Engel
des Herrn nichts Anderes, als Gott felbft, zu fehen glaubten. Als Jakob
feinen Sohn Joſeph und deßen beive Knaben fegnete, fprach er (I. Moſ.
48. 15): ®ott, der mich mein Xebenlang ernähret hat bis auf viefen Tag,
der Engel, der mich erlöfet hat von allem Lebel, ver fegne die Knaben,
dag fie wachen und viel werden auf Erden. In den Pfalmen leſen wir
(34. 8): Der Engel des Herrn lagert fi) um die ber, fo ihn fürchten,
und Hilft ihnen aus; (35. 5): Der Engel des Herrn floße fie weg, ver
Engel des Seren verfolge fle; (78.49): Da er böfe Engel unter fie fandte.
(91. 11): Er Hat feinen Engeln befohlen, daß fie dich behüten; (103. 20):
£obet ben Seren, ihr feine Engel, ihr ftarken Helden, die ihr. feinen Befehl
Bon der Art, wie die Gottheit ven Menfchen erfcheint ce. 241
audrichtet, Daß man höre die Stimme feines Wortes. In ven vorber«
gehenden Stellen ift von wirfliben Engeln, als beionderen Weſen, nicht
die Rede, fondern es wird nur das Walten Gottes in vieler Weile aus
geiprochen ; in der legten Stelle aber finn vielleicht die Propheten gemeint;
denn da Gott durch fie ſich offenbarte, Fonnten fle Engel genannt werben.
So heißt e8 bei dem Propheten Haggai geradezu (1. 13): Da fpradh
Haggai, der Engel des Herrn, ver die Botichaft des Herren hatte an
das Voll. Zwar folgt in jenem Palm noch: Lobet den Herrn, alle feine
Heerſchaaren, feine Diener, die ihr feinen Willen thut. Xobet den Herrn,
alle feine Werke, an allen Orten feiner Herrfchaft. Die Sprache ver
Bialmen aber ift eine poetifche, und reich an Bildern, welche es vorzieht
und vorziehen muß, Geftalten und PBerfonificationen zu fegen an die Stelle
der abflracten Begriffe, jo daß aus ſolchen Ausprüden fein fiherer Schluß
auf einen wirklichen Glauben gezogen werben kann. In welchem Grabe
die von Gott ſtammenden Dinge ald Engel Gottes mitunter bezeichnet
wurden, zeigt ſich recht veutlih in ven Worten (Pfalm 104. 4): Du
macheft deine Engel zu Winden und deine Diener zu Beuerflammen. Hier
wird alfo ver Wind, den ver Kerr wehen läßt, und ver Blitz, ven er
fendet, ein Engel genannt. Wenn e8 in ven Sprüden Salomo'3 (16.11)
heißt: Es wird ein graufamer Engel über ihn Eommen, fo beveutet das:
ver Herr wird fih mit einer Strafe an ihm offenbaren; und wenn der
Prediger Salomo fagt (5): Sprich vor dem Engel nicht: Ich bin unſchuldig;
fo heißt das nichts Anderes, als: Gieb dich vor Gott nicht für unfchulvig aus,
Wie der Ifraelite ven Ausprud: Engel, auffaßte, wißen wir nicht,
aber nach dem Mofaismus Eonnte oder durfte er nicht einen Geift göttlicher
Art, weder im Böfen, noch im Guten darin fehen, da Gott, welcher ver
einzige göttliche Geift war, Feine Geiſter erfchaffen Hatte. *?) Wenn im
%) Da die Engel nun einmal aus Offenbarungen Gottes in ber Vorſtellung
der Menſchen ſich als beſondere Weſen feſtgeſetzt hatten, als eine Art von
Gott erſchaffener Geiſter, ſo fand man ſich freilich außer Staud, zu
beſtimmen, wann Gott dieſelben erſchaffen habe, weil die Schöpfunges
gefhichte davon fchweigt, und nothwendig davon fchweigen mußte, infofern
die reine und wahre Mofaifche Offenbarung von folchen Engeln, die ja erft
vorzüglih aus Perflen eingeführt wurden, nichts wußte und nichts wißen
Tonnte. Dem Rathen war nun Thüre und Thor geöffnet, weil es in
dem Belieben eines Jeden fteht, darüber zu fchließen oder zn träumen,
was ihm gerade einfällt oder zufagt: Photius (S. 473) führt aus Stes
phanus Gobarus an: Bott fchuf vor der Erſchaffung der Welt Engel,
und dies wird auch als nicht fo gefchehen von ihm angegeben, fondern
es ſey dies am erflen Tage der Weltfchöpfung gefchehen. Dazu fügt er
(S. 544) aus Johannes Chryſoſtomus: Gott ordnete Engel an die Gegenden
der Welt, jedes Volk zu verwalten, wie au Mofes fagt: Die Engel
wurden gefränft, zu dienen unwürbigen und firaffälligen Menfchen, befons
ders, indem fie biefelben Bilder verehrten ſahen. Do genug bavon,
188 Bon der Art, wie bie Gottheit ben Menſchen erfcheint x.
erftien Buch Mofe (16) drei Engel zu Abraham kommen, von welchen
Einer ver Herr if, und die Andern nach Sodom gehen, fo kannte man
freilid meinen, man babe an eine Welt ver Engel geglaubt, aber viefe
eine Erſcheinung kann nicht beweilen, daß ver Mofalsmus fol einen
Glauben Ichre. Solche Erfcheinungen aber, wie vie des Herm in Men⸗
fehengeftalt, ift ein Wunder, und die Wunber Gottes erklären, gebt über
die Kräfte des Menſchen. Gott Eounte, wie er felbft in leiblicher Bildung
auftrat, ähnliche Bildungen zu feinem Zwede für ven Uugenblid mit feiner
eigenen göttlichen Kraft ausgerüftet erfchaffen, ohne daß daraus ein Schluß
auf ein eigenes @eifterreih, das dem Herrn zu Gebote fleht, gezogen
werden kann. Im erften Buch Mofe (32. 1) Heißt e8: Jakob aber z0g
feinen Weg, und e8 begegneten ihm vie Engel Gottes, und da er fie ſah,
fpra er: Es find Gottes Heere. Im erflen Buch der Könige (22. 19)
ſpricht der Prophet Micha: Ich ſah ven Heren figen auf feinem Stuhl,
und alles himmliſche Heer neben ihm ftehen zu feiner Rechten und Linken.
Und ver Herr fprach: Wer will Ahab überrenen, daß er hinauf ziehe und
falle zu Ramoth in Gilead? Und Einer fügte dies, der Andere das. Da
gieng ein Geiſt heraus, und trat vor den Herrn und ſprach: Ich will ihm
überreden. Dee Herr. ſprach: Womit? Er ſprach: Ich will auägehen,
und will ein falſcher Geiſt feyn in aller feiner Propheten Munde. Er
fprah: Du ſollſt ihn überreden und ſollſt es ausrichten, gebe aus uns
thue alfe. Nun flehe, der Herr bat einen falſchen Geift gegeben in aller
diefer Propheten Mund; und der Herr hat Böoͤſes über dich geredet. Die
Sprache einer ſolchen Bifton, melde das Walten Gottes, son dem die
Berfuchung und auch diefer falſche Geiſt der Propheten ausgeht, in drama⸗
tifcher Lebendigkeit ſchildert, kann nicht für den Glauben des Volké geugen,
Bor Religion aber tft er gar nicht auf eine ſolche Darftelung Hin zuzu⸗
fprechen. Art und Zweck der Erfcheinung, welche Jakob hatte, Eennen wir
nicht, und der Ausdruck: Gottes Heere, Tann der Moſaiſchen Religion
feinen Glaubensartikel zufügen. Daß fih mit dem Glauben an Erſchei⸗
zungen Sottes und an Offenbarungen vefielben, vie man mit einem Pers
ſonlichkeit bezeichnennen Namen nannte, in der Phantafle eine Geftaltung
diefer Erjcheinungen verbinden mußte, Eonnte Faum anders feyn, aber daß
die Kinder Jirael an erjchaffene oder unerfchaffene Geifter in ihrer Religion
geglaubt Hätten, iſt durchaus nicht anzunehmen. Daß aber die Engel, in
fo meit ihnen vie Phantaſie, ald einer beſonderen Vorſtellung von ver
Dffenbarung Gottes, eine beſondere Seftaltung verlieh, nur auf dieſe Weife
entflanden, und nicht aus dem Heidenthum ver verwandten Semiten entlehnt
waren, geht und aus ber Ausſchließung ver heidniſchen Gottheiten und
denn noch ſteht es Jedem frei, ſich die Engel erichaffen und verwendet zu
benfen, wie 26 ihm gerade Kelicht, ba Keiner bei ſolchen Erfindungen
einen Borzug nen Audern veit Reh ia Uniırui nehmen Taun,
Bon der Art, wie Die Gottheit ven Menfchen erfcheint x. 148
Gebräude hervor. Diefe war die firengfte, und göttliche Geifter des
Heidenthums hätten unmöglich Raum gefunden in ver Lehre vom alleinigen
Gott, neben dem es Feine andere Götter giebt. Als vie Sfraeliten mit
ver Berfifchen Lehre befannt wurden, erhielten fie den Begriff eines ſelb⸗
Röndigen boͤſen Geiftes, eines Feindes Gottes, fo wie der Engel als felb-
kändiger Weſen. Obgleich ihre Religion ſolch einen Glauben nicht aufs
nehmen und im Gult zur Geltung bringen Eonnte, fo war doch die Vor⸗
Rellung vorhanden und machte fich geltend. Im Buch Tobias tritt daher
auch dieſer Perſiſche Glaube zu Tag. Da wirkt ver böfe Geift Asmodi,
und wird in die Wüſte nach Aegypten verbannt (8. 3). Es werben fließen
Engel genannt, die vor dem Herrn fiehen (12. 15), und Raphael wird
als Engel des Herrn gefandt, dem Tobias und feinem Weibe zu helfen,
weil ihr Gebet gleich auf eine Zeit vor dem Herrn vorgebradht warb
(3. 25). Diefer begleitete auch ven jungen Tobias auf feiner Reife und
bewahrte ihn. Bei dem Propheten Sacharja (3. 1) heißt ed: Und mir
ward gezeiget der Hohepriefter Joſua, ſtehend vor dem Engel des Herrn;
und der Satan fland zu feiner Rechten, daß er ihm widerſtünde. Und
ver Herr fprach zu dem Satan: Der Herr jchelte dich. Hier zeigt ſich
ganz jener Wiverftreit des Guten und Böfen, wie ex der Perflichen Lehre
zu Grunde liegt. Sene fieben Engel aber beruhen auf ver auch bei ben
Verſern als heilig betrachteten Zahl, und fie find als die oberſten Engel
(Sezengel) zu verfichen. Wir erfahren nur von Dreien diefer die Namen;
außer dem eben angeführten Raphael nennt und der Prophet Daniel den
Michael in einer gleich anzuführenden Stelle, und (8. 16) den Gabriel.
(Der Name Gabriel beveutet: Stärke Gottes.)
Sehr eigentbümlih ift die Erfcheinung, welche der Prophet Daniel
in der Gefangenfchaft hatte. Er erzählt (10): Im dritten Jahr des Königs
Kores aus Perſien ward dem Daniel Etwas geoffenbaret, das gewiß iſt,
und er verftand das Geficht wohl. Zu verfelbigen Zeit war ich Danial
traurig drei Wochen lang. Ich aß Feine niedliche Epeile, Fleiſch und
Mein kam in meinen Mund nicht; und falbete mich auch nie, bis bie
drei Wochen um waren. Am vier und zwanzigften Tage des erfien Monats
war ih bei dem großen Waßer Hidekel, und hob meine Augen anf, br
Hand ein Mann in Leinwand, und hatte einen goldenen Gürtel um jeine
Lenden. Sein Reib war wie ein Türkis, fein Antlit war wie sin Blitz,
feine Augen wie eine feurige Badel, feine Arme und Büße wie ein gli
hendes Erz, und feine Rede war wie ein großes Getöne. Ich aber jah
ſolches Geſicht allein, und bie Männer, fo bei mir waren, ſahen es nicht;
doch fiel ein großer Schrecken über fie, daß fle flohen und fich verkrochen;
und ich Hatte Feine Kraft mehr, und invem ich feine Rede hoͤrete, faul
ih auf mein Angeficht zur Erve. Und ftehe, eine Hand rührete mich an,
und half mir auf die Kniee und die Hände; und ſprach zu mir: Nichte dich
auf, denn ich bin jebt zu dir geſandt, und er richtete mich auf, und ich
AR Bon der Art, wie die Gottheit ven Menſchen erfheint x.
zitterte. Und er ſprach: Fürchte dich nicht, denn von dem Tag an, da bu
von Herzen begehrteft zu verftehen, und dich cafteiteft vor deinem Gott
(alfo durch Baften fuchte man fi der Beflchte fähig und würdig zu
machen), find beine Worte erhöret, und ich bin gefommen um veinetwillen.
Aber der Fürſt des Königreich in Perfenland hat mir ein und zwanzig
Tage wivderflannen; und ftehe, Michael, ver vornehmſten Fürſten einer,
fam mir zu Hülfe; da behielt ich ven Sieg bei ven Königen in Perfien.
Nun aber Fomme ich, zu berichten, wie es deinem Volk ergeben wird.
Und als er Solches redete, fchlug ich mein Angeficht nieder zur Erde und
ſchwieg. Und fiehe, Einer, gleich einem Menfchen, rührete meine Lippen
an. Da that ich meinen Mund auf und redete: Dein Herr, meine Gelenfe
beben mir über dem Geficht, und ich habe Feine Kraft mehr. Da rührete
mich abermal an Einer, wie ein Menſch geftaltet, und ftärkte mich, und
ſprach: Fuͤrchte dich nicht; und ich ermannte mich, und ſprach: Mein Herr,
rede, denn du haft mich geftärfet. Und er ſprach: Weißt vu auch, warum
ih zu dir gefommen bin? Jetzt will ich wieder hin, und mit dem Fürſten
in Perfenland ftreiten; aber wenn ich wmegziebe, fiehe, fo wird der Fuͤrſt
aus Griechenland kommen. Doch ich will dir anzeigen, was gefchrieben
tft, das gemißlich gefchehen wird. Und tft Keiner, der mir bilft wider
jene, denn euer Fürſt Michael. Denn ih fand auch bei ihm. im erflen
Jahre Darius des Meders, daß ich ihm hülfe und ihn flärfete Nun
melbet diefer Engel vie Weißagung, dann heißt e3 weiter: Und ich Daniel
fab, und fiehe, es flanden zween Andere da, Einer an dieſem Ufer, ver
Andere an jenem. Und er fprach zu dem in leinenen Kleidern, ver oben
am Waßer fand: Wann will ed denn ein Ende feyn mit folhen Wundern?
Und ver in leinenen Kleivern hob feine rechte und linfe Sand gen Himmel,
und ſchwur bei vem, fo ewiglich lebet, daß es eine Zeit, und etlidge Zeiten,
und eine halbe Zeit währen fol. Und ich hörte es, aber ich verſtand es
nicht, und fprah: Mein Herr, was wird darnach werben? Er ſprach:
Gehe hin, Daniel, denn e3 ift verborgen und verfiegelt, bis auf vie legte Zeit.
Hier ſehen wir Schugengel ver Staaten, welche fogar gegen einander
wirken, und einander beiftehen gegen folche feinpliche Wirkung, was freilich
ein feltfames Bild ver göttlichen Weltregierung barflellt, bedeutend ver
ſchieden von der durch den alleinigen Gott des Moſaismus. Solche Anftchten
vertragen fich gar nicht mit ver reinen Gotteslehre, nady melcher es heißt
(Samuel 1. 2. 2): Es ift Niemand heilig, wie der Herr, außer dir ifl
Keiner; und ift Fein Hort, wie unſer Gott ifl. Der Herr toͤdtet und
machet lebendig, führet in die Hölle und wieder heraus. Der Herr machet
arm, und machet reich; er erniedriget und erhöhetl. Denn der Welt Enven
find des Herrn, und er hat den Erdboden darauf gefepet.
145
Segen und Fluch Des Menfchen. Tod und
Ninfterblichteit.
Leben und Fruchtbarkeit fuchte ver Semite von der Gottheit durch
Befolgung ihrer Gebote und durch Verehrung zu erwerben, und Tod und
Unſegen durch Verföhnung der erzürnten Gottheit abzumenden. Die einzigen
befimmten Angaben über den ganzen Zwed ver Verehrung und Verfähe
nung der Gottheit bei den Semiten gewährt und das alte Teftament, und
wir begegnen daſelbſt nirgends einer Hinmwelfung auf ven Kohn eines frommen
Lebens, oder der Strafe eines gottlofen Wandels in einem Leben nach dem
Tode, fondern aller Segen und aller Fluch erfcheint vafelbft in den Dingen
biefer Welt, und das Leben felbft als höchſtes Gut, ver Tod aber als ein
Fluch und eine Strafe, womit der Webelthäter heimgefucht wird. Dem
Seren, euerm Gott, (heißt es Mof. 11. 23) follt ihr dienen, fo wird er
bein Brod und dein Waßer fegnen; und ich will alle Krank—⸗
beit von dir wenden. Und foll nichts Unträdtiges noch
Unfrudtbares feyn in deinem Lande, und will dich laßen
alt werden. Ohne Kinder fterben galt als eine Strafe Gottes. (1.20.20):
Wenn Iemand bei feines Vaters Bruders Weibe ſchläft, follen fie ihre
Sünde tragen, ohne Kinder follen ſie fterben. Das vierte Gebot ber
Geſetzestafeln lautet: Du follft deinen Water und deine Mutter ehren,
anf Daß du lange lebeſt im Lande, das dir der Herr, dein Gott,
giebt. Kerner leſen wir (Mofe II. 26): Wervet ihr in meinen Sabungen
wanbeln, und meine Gebote halten und thun; fo wi ih euh Regen
geben zu feiner Zeit, und das Land foll fein Gewächs geben, und die
Bäume auf dem Felde ihre Früchte bringen; und die Drefchzeit fol
zeichen bis zur Weinerndte, und die Weinernote fol reichen bis zur Zeit -
der Saat; und folt Brods die Fülle haben, und follt ficher in euerm
Lande wohnen. Ich will Frieden geben in euerem Lande, daß ihr fchlafet,
und euch Niemand fchrede. Ich will die böfen Thiere aus euerem Lande
tun, und fol kein Schwerbt durch euer Land geben. Ihr follt euere
Seinde jagen, und fte follen vor euch her ind Schwerdt fallen. Eurer
fünf follen hundert jagen, und eurer hundert follen zehntaufend jagen.
Und ih will mich zu eudy wenden, und mill euch wachſen und mehren
lagen, und follt von dem Firnen eßen, und wenn das Neue kommt, das
Birne wegthun. Ich will meine Wohnung unter euch haben, und unter
euch wandeln, und will euer Gott fein. Werdet ihr mir aber nicht
geborchen, und nicht thun die Gebote alle; fo will ich euch heimfuchen
mit Schreden, Schwulft und Bieber, daß euch die Angeſichter verfallen,
IV. 10
2A6 Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Ünfterblichkeit.
und der Leib verfchmachte; ihr follt umfonft euern Samen fäen, und euere
Feinde follen ihn freßen. Und ich will mein Antlig wider euch ftellen,
und ſollt gefchlagen werden vor euern Feinden, und die euch haßen, follen
übes euch herrſchen, und ſollt fliehen, da euch Niemand jaget. So ihr
aber über das noch nicht mir gehorchet; jo will ich's noch fiebenmal mehr
machen, euch zu ftrafen um eure Sünde. Daß ich euern Stolz und Hals⸗
ftarrigfeit breche, und will euern Himmel wie Eifen, und eure Erde wie
Erz machen. Und eure Mühe und Arbeit fol verloren ſeyn, daß euer
Land fein Gewächs nicht gebe, und die Bäume im Lande ihre Früchte
nicht bringen. Und wo ihr mich nicht hören wollt; fo will ich's noch
fiebenmal mehr machen, auf euch zu fchlagen um eurer Sünde willen-
Und will wilde Thiere unter euch fenvden, vie follen eure Kinder freßen,
und euer Vieh zerreißen, und eurer weniger madhen, und eure
Straßen follen wüfte werden. Wervet ihr euch aber damit nodh
nicht von mir züchtigen laßen; fo will ich euch noch fiebenmal mehr
fylagen, und will ein Racheſchwerdt über euch bringen, dad meinen Bund
rächen fol. Und ob ihr euch in eure Städte verfammelt, will ich doch
die PVeftilenz unter euch fenben, und will euch in eurer Feinde Gände
geben. Dann will ich euch ven Vorrath des Brods ververben, daß zehn
Meiber follen euer Brod in einem Dfen baden, und euer Brod fol
man mit Gewicht auswägen, und wenn ihr eßet, follt ihr nicht fatt werben.
Werdet ihr aber dadurch mir noch nicht gehorchen; fo will ich euch fiebenmal
mehr firafen, dag ihr follt eurer Söhne und Töchter Fleiſch freßen, und
will eure Leichname auf eure Goͤtzen werfen, und eure Stäbte wüfte machen.
Alfo will ich das Land wüſte machen, daß eure Feinde, fo darinnen wohnen,
fi davor entfegen werden. Euch aber will ich unter die Heinen ftreuen,
und das Schwerbt ausziehen hinter euch ber. Und denen, vie von euch
überbleiben, will ich ein feiges Herz machen in ihrer Feinde Land, daß fle
fol ein rauſchendes Blatt jagen, und follen fliehen davor, als jagte fie
.ein Schwerbt, und fallen, da fie Niemand jaget.
Sn dieſer ausführliden Angabe vom Lohne ver Srommen und der
Strafe der in Gottlofigkeit Verſtockten ſehen wir nicht die geringfte Hin⸗
weifung auf einen Lohn over eine Strafe in einer andern Welt nach vem
Tode, fondern Alles befchränft fih auf irdiſches Glück und Unglüd. Bon
der Rotte Korab wird als gewaltige Strafe angegeben (Moſe IV. 16):
Die Erve zerriß unter ihnen, und that ihren Mund auf, und verichlang
fie mit ihren Häufern, mit allen Menfchen, die bey Korah waren, und
mit aller ihrer Habe, und fuhren hinunter lebendig in die Hölle (Scheol,
d. i. das Todtenreich, nicht aber die Hölle in neuerem Sinne) mit Allem,
das fie hatten, und die Erde deckte fie zu, und kamen um aus der Gemeine,
Im fünften Bude Mofe (6) wird der Lohn des SHaltens der Gebote
Gottes eben fo angegeben: Auf daß ihr lange lebet, und daß dir's
Segen und Fluch des Menjchen. Tod und Unfterblichfeit. 247
wohl gebe, und fehr vermehrt werdeſt. Berner (7): Gott vergilt
denen, die ihn haßen, daß er fie umbringe. So halte nun vie Gebote,
und Gott wird dich lieben und fegnen, und mehren, und wird die Frucht
deines. Leibes fegnen, und die Frucht deines Landes, dein Getraive, Moft
und Del, vie Früchte deiner Kühe, und die Brüchte deiner Schaafe auf dem
Lande. Es wird Niemand unter dir unfrucdhtbar feyn, noch unter deinem
Vieh. Der Herr wird von dir thun alle Krankheit, und wird Feine böfe
Seuche der Aegypter dir auflegen, vie du erfahren hafl, und wird fie allen
veinen Haßern auflegen. Wirſt vu aber des Herrn, deines Gottes, vers
geßen, und anderen Gdttern nacdhfolgen, wervet ihr umfommen (8). Noch⸗
mals wird der Segen gefchilvert in dieſem Buche (28) und der Fluch in
ausführlicher Weile, jenoch ebenfalls nur als irdiſcher Segen und Fluch.
Es heißt: Wenn du der Stimme des Heren gehorchen wirft, wird dich ver
Herr das Höchftle machen über alle Völker ver Erve, und werben über
ih kommen alle dieſe Segen. Gefegnet wirft vu ſeyn in der Stadt,
gefegnet auf dem Ader. Gefegnet wird feyn die Frucht deines Leibes,
deines Landes, deines Viehes, deiner Ochſen und veiner Schaafe. Gefegnet
wird feyn dein Korb, und vein Uebriges. Gefegnet wirft du feyn, wenn
du eingeheft, gefegnet, wenn du ausgehefl. Der Herr wird deine Feinde
vor dir Schlagen; durch einen Weg follen fie ausziehen wider dich, und
durch fieben Wege vor dir fliehen. Der Herr wird gebieten dem Gegen,
daß er mit dir fey in deinem Keller, und in Allem, dad du vornimmft,
und wird dich fegnen in dem Rande, das dir der Herr, dein Gott, gegeben
bat. Der Herr wird dich ihm zum heiligen Volk aufrichten, und wird
machen, daß du Ueberfluß an Gütern haben wirft, an ver Frucht deines
Leibes, Viehes, Ackers, und wird feinen guten Schat aufthun, ven Himmel,
daß er deinem Lande Regen gebe zu feiner Zeit, und daß er fegne alle
Werke deiner Hände. Und du wirft vielen VBölfern leihen, du
aber wirft von Niemand borgen. Unb der Herr wird dich zum
Saupt machen, und nicht zum Schwanz, und wirft oben ſchweben und
nicht unten liegen. Wenn du aber nicht gehorcdhen wirft, werben alle dieſe
Slüche über dich Fommen und dich treffen. Verflucht wirft du ſeyn in ber
Stadt, verflucht auf dem Acker. Verflucht wird feyn dein Korb und bein
Uebriged. Verflucht wird feyn die Frucht deines Leibes, deines Landes,
deiner Ochfen und deiner Schafe. Verflucht wirft du ſeyn, wenn du ein-
geheft, verflucht, wenn du ausgeheſt. Der Herr wird unter dich ſenden
Unfall, Unrath und Unglüd in Allem, das bu vor die Hand nimmft, und
bald untergeheft um deines boͤſen Weſens willen. Der Herr wird dir
die Sterbedrüſe anhängen, bis daß er dich vertilge. Der Herr
wird dich ſchlagen mit Schwulft, Fieber, Hitze, Brunft, Dürre, giftiger
Luft und Gelbſucht, und wird dich verfolgen, bis er dich umbringe. Der
Himmel wird ehern ſeyn, und die Erbe unter dir eifern. Der Herr wird‘
10 *
148 Gegen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblidhkeit.
deinem Land Staub und Aſche für Negen geben vom Himmel auf wich,
bis du vertilget wervefl. Der Herr wird dich vor deinen Feinden fchlagen.
Durch einen Weg wirft du zu ihnen ausziehen, und durch ſieben Wege
wirft du vor ihnen fliehen; und wirft zerfireut werben unter alle Reihe
auf Erden. Dein Leichnam wird eine Speife jeyn allem Gevögel des
Himmels, und allem Thier auf Erden, und Niemand wird feyn, ver fie
feucht. Der Herr wird dich ſchlagen mit Drüfen Aegypten, mit Feig⸗
warzen, mit Grind und Kräge, daß du nicht Tannfl heil wernen. Der
Herr wird dich ſchlagen mit Wahnflnn, Blinpheit und Raſen des Gerzend.
Und wirft tappen, wie ein Blinder tappet im Dunkeln; und wirft auf
deinem Wege Eein Glück baben, und wirft Gewalt und Unrecht leiden
müßen dein Lebenlang, und Niemand wird bir helfen. Ein Weib wirft
du dir vertrauen laßen, aber ein Anberer wird bey ihr fhlafen. Ein Haus
wirft du bauen, aber du wirft nicht darinnen wohnen. Einen Weinberg
wirft du pflanzen, aber du wirft ihn nicht gemein machen. Dein Ochſe
wird vor deinen Augen geichlachtet werben, aber du wirft nicht davon eßen.
Dein Ejel wird vor deinem Angefiht mit Gewalt genommen, dein Schaaf
einen Beinden gegeben werden, daß deine Augen zuſehen und verfchmachten
über ihnen, und wird feine Stärfe in ihren Händen ſeyn. Die Früchte
deines Landes wird ein Volk verzehren, das du nicht kenneſt, und ver Herr
wird dich unter ein Volk treiben, das du nicht kenneſt, und du wirft ihm
ein Scheufal, ein Sprüdwort und Spott fen. Deine Saat werben die
Heufchredlen freßen, und deine Bäume und Früchte das Ungeziefer. Du
wirft dem Fremdling immer unterliegen, er wird wir leihen, und du wirft
deinem Veinde dienen in Hunger und Durft, in Blöße und Mangel, und
er wird ein eiferned Joch auf dich legen. Du wirft die Frucht eines
Leibes freßen, deine Söhne und Töchter, in der Angft und Noth. Dazu
wirft du unter ven Völkern Fein bleibenvdes Weſen haben; denn ver Herr
wird dir daſelbſt ein bebendes Herz geben, und verfchmachtete Augen, und
verborrete Seele.
Wie fehr auch diefer Fluch nach Allem greift, was dem Menfchen
Ververbliched und Schredliches auf Erden begegnen mag, fo iſt doch auch
nicht die geringfte Hinventung auf eine Strafe der Gottloſigkeit in einer
andern Welt nach vem Tode darin enthalten, und die übrigen Schriften
des Alten Teftaments laßen eben fo wenig den Glauben an eine foldhe,
oder an eine derartige Belohnung der Frommigkeit erkennen. Erhielt man
nun dieſen irdiſchen Segen durch Erfüllung der Gebote Gottes, und traf
der irdiſche Fluch ven Mebertreter, fo gab ed doch einen Blauben, das
bioße auögefprochene Wort des Segens und der auögefprochene Fluch Fünne
die Wirkung haben, die man damit beabfichtigte. Ueberall finden wir es
beftätigt, daß die Scheu vor Worten böfer Vorbeveutung tief in der menſch⸗
lihen Natur liegt, und daß auch ohne ven beftinmten Glauben daran
Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit. 149
Borbeveutungen guter oder ſchlimmer Art einige Geltung, wenn auch in
geringem Maaße, finden. Bey den alten Griechen und Römern findet ſich
ein farfer Glauben an alle PVorbeveutungen, mithin auch an gute und
böfe Worte, und ein Fluch Eonnte nicht anders, als fchreden. Bey ven
Semiten bietet uns vie Gefchichte Bileam's, des Weißagers, der für Gelb
veranlaßt werben ſollte, ven Kindern Iſrael zu fluchen, ein merkwürdiges
Beyfpiel über die Anficht von Fluch und Segen dar. Daß man einem
Weißager, alfo einem Manne der Gottheit, die Kraft zufchrieb, Segen une
Fluch mit wirkſamem Erfolg ausfprechen zu koͤnnen, if, da man vie
Möglichkeit der Sache glaubte, natürlid. Da diefe Gefchichte Bileam's
in dem Abfchnitt von ver Weißagung erzählt ift, fo mag bier darauf, ver⸗
wiefen werben. Noch merfwürdiger muß es uns erfcheinen, daß die Kinder
Irael zwei Berge, ven einen ald Ort des Segnens, den andern als Ort
des Fluchs, angenommen hatten. Wir Iefen im fünften Buch Mofe (11):
Du ſollſt den Segen fprechen lagen auf dem Berge Grifin (Garizim) und
ven Fluch auf dem Berge Ebal (fie gehörten zum Gebirge des Stammes
Ephraim, und im Thal zwifchen beiden lag die Stadt Sichem). Eben⸗
dafelbft (27) wird angegeben: Und Mofe ſammt den Xelteften gebot dem
Bolt: Wenn ihr über ven Jordan gehet in das Land, das dir der Herr
geben wird, ſollſt du große Steine aufrichten, und fle mit Kalk beftreichen,
und darauf fchreiben alle Worte des Geſetzes, und ihr ſollt Steine aufs
sihten auf dem Berge Ebal, und mit Kalk tünchen, und foNft vafelbft
dem Herrn einen fleinernen Altar bauen, darüber Fein Eifen fähret, und
Brandopfer und Danfopfer opfern, und auf die Steine alle Worte des
Geſetzes fchreiben. Und Mofe fammt den Prieftern, ven Leviten, redeten
mit dem ganzen Volk, ven Geboten Gottes zu gehorchen, und er ſprach:
Diefe ſollen ſtehen auf dem Berge Grifim, zu fegnen das Volk, wenn ihr
über den Jordan gegangen ſeid: Simeon, Levi, Juda, Iſachar, Joſeph und
Benjamin. Und diefe follen ftehen auf dem Berge Ebal, zu fluchen:
Ruben, Sad, Affer, Sebulon, Dan und Naphthali. nd die Leviten follen
anheben, und fagen zu Jedermann von Ifrael mit lauter Stimme: Ver⸗
flucht ſey, wer einen Gößen oder gegoßen Bild macdhet, und ſetzet es ver-
borgen. Und alles Volk fol fagen: Amen. Verflucht fey, wer feinem
Vater oder Mutter flucht, und alles Volk fol fagen: Amen. Berfludht
jey, wer feines Nächften Gränzen engert, ven Blinden irren macht auf
dem Wege, dad Recht des Fremdlings, des Waifen und der Wittwe beuget,
wer Blutſchande treibt, feinen Nächften heimlich fchlägt, wer Gefchenfe
nimmt, daß er die Seele des unjchuldigen Blutes ſchlägt. Verflucht fey,
wer nicht alle Worte dieſes Geſetzes erfület, und alles Volk ſoll fagen:
Amen. (Nah dem Eril errichteten vie Samariter ihren Tempel auf dem
Berge des Segnens.) Neben ver allgemeinen Anſicht jenoch von ver
Bedeutſamkeit eines fegnenden over fluchenden Wort war eine unbefangene
150 Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit.
Gefinnung nicht unerhört. Denn fo leſen wir in ven Sprüchen Salomo’3
(26. 2); Ein unvervienter Fluch trifft nicht.
Binden wir demnach Feine Spur im Ulten Teflament von einem
Glauben an Lohn over Strafe in einen Leben nad) dem Tode, fonvern
vielmehr ven Glauben, daß ver Tod die fehmerfte Strafe ver Gottlofigfeit
fey, fo muß der Glaube an ein Leben in einer andern Welt entweder
nicht Statt gefunden, oder nur bis zur Annahme eines elenden Schatten-
lebens gereicht haben, das ungeführ dem, welches und in der Odyſſee vor-
geführt wird, Ahnlich gedacht geweſen fein möchte. Sehen wir näher zu,
jo wird als Aufenthalt der Todten der Scheol, vie Hölle, wie Luther
überfegt, genannt, welches aber nichts Anderes, als der unterirvifche finftere
Todtenraum ift, fo daß in die Hölle hinunter fahren eben jo viel beveutet,
als fterben, und ein Xeben in viefem Scheol wird im Alten Teftament
nicht erwähnt. Jeſaia (5. 14) fagt: Daher bat die Hblle ihren Rachen
aufgethan, daß hinunterfahren Beide ihre Herrlichen und Pobel, Beide ihre
Reihen und Froͤhlichen. Berner (14. 9): Die Hölle drunten erzitterte
vor dir (dem König zu Babel), da du ihr entgegenfamft. Sie erwedet
dir die Todten, alle Böde der Welt, und heißt alle Könige der Heiden
von ihren Stühlen aufftehen, daß fie Alle um einander zu dir fagen: Du
bift auch gefchlagen, glei wie wir. Deine Pracht iſt herunter in vie
Hölle gefahren. Motten werden dein Bette feyn und Würmer deine Dede.
Ja, zur Höfe führeft du, zur Seite ver Grube. Du biſt verworfen vori
deinem Grabe, wie die mit dem Schmwerbt erftochen find, die hinunter»
fahren zu den Steinhaufen der Hdlle, wie eine zertretene Leiche.
Bey Ezerhiel (31) Inutet es über Aegypten: Sie müßen Alle unter die
Erde und dem Tod übergeben werben, wie andere Menfchen, die in bie
Grube fahren. Sp fpricht der Herr: Ich erſchreckte die Heiden, da ich ihn
hinunter fließ zur Hölle mit denen, fo in die Grube fahren.
Denn fie mußten auch mit ihm hinunter zu ver Hölle, zu den Erfchlagenen
nit den Schwerdt. Daß Holle bier eins fei mit dem Ausdruck unter
die Erde, zeigen vie Worte (32. 18): Du Menfchenkind, beweine das
Volk in Negypten, und ftoße es mit ven Töchtern ver flarfen Heiden hinab
unter die Erde, zu denen, die in vie Grube fahren. Dann heißt es weiter
. (2.21): Davon werben fagen in ver Hölle vie flarfen Helden mit ihren
Gehülfen, die Alle Hinuntergefahren find, und liegen da unter den Unbe-
ſchnittenen und Erfehlagenen vom Schwerbt. Eben fo (9. 27): Und alle
Helden, die unter den Unbefchnittenen gefallen find, und mit ihrer Kriegs-
wehre zur Hölle gefahren, und ihre Schwerbter unter ihre Häupter haben
legen müßen, und ihre Mißethat über ihre Gebeine gekommen ift.
Sofen (13) läßt den Herrn fagen: Ich will fie erlöfen aus der
Hölle und vom Tode erretten. Tod, ih will dir ein @ift ſeyn,
Hölle, ich will dir eine Peftilenz feyn. Hier ftehen vie Ausbrüde Hölle
Segen und Fluch des Menihen. Tod und Unfterblichfeit. 151
und Tod als gleichbeveutend in Beziehung auf den Menfchen, wie im
Palm (18. 6): Der Hölle Banden unfiengen mich, und des Todes Stride
übermältigten mi. Bey Amos beveutet Höfe die Tiefe in ver Erbe
(9. 2): Und wenn fie fidy gleich in vie Hölle vergrüben. Jona ſprach
im Bauche des Fiſches: Ich fchrie aus dem Bauche der Hölle, und du
(der Herr) Hörteft meine Stimme, du Haft mein Leben aus dem Verderben
geführet. In den Pfalmen leſen wir (6): Herr, hilf mir, denn im Tode
gevenfet man deiner nicht, wer will dir in ver Höfe danken? (Alſo giebt
ed im Tode Feine Gedanken an Gott, und man bat ihm da nicht zu
danken.) Eben fo flarf ift viefer Sinn ausgevrüdt Pfalm 30 (8. 10):
Was ift nüs an meinem Blut, wann ich todt bin? wird dir audy der
Staub danfen, und deine Treue verfündigen? Ach, daß die Gottlofen,
heißt e8 (9. 18), müßten zur Hölle gefehret werden (d. i. fterben). Berner
(16. 10): Du wirft meine Seele nicht in der Hölle lagen, und nicht
ugeben, daß dein Heiliger verweſt. Du thuſt mir Fund den Weg
zum Leben. Palm 30: Herr, mein Gott, da ich fchrie zu dir, machteft
du mich gefund. "Kerr, du haft meine Seele aus ver Hölle geführet (d. i.
vor dem Tode bewahrt), du haft mich lebendig behalten, da die in bie
Hole fuhren. Pfalm 31: Die Gottlofen müßen zu Schanden und geſchweiget
werben in der Hölle. 49: Sie Liegen in der Hölle wie Schaafe, der Tod
naget fie. In ver Hölle müßen fie bleiben. Aber Gott wird meine
Seele erlöfen aus ver Höllen Gewalt. Sie fahren ihren Vätern nad),
und ſehen das Liht nimmermehr Kurz, wenn ein Menſch in ver
Würde ift, und hat keinen Verſtand, fo fähret er davon, wie ein Vieh.
55: Der Tod übereile fie, und müßen lebendig in vie Hölle fahren. Du
wirft fle Hinunterftoßen in die tiefe Grube. Die Blutgierigen und Falſchen
werden ihr Leben nicht zur Hälfte bringen. 71: Du laäßeſt
mich erfahren viele und große Angft, und machſt mich wieder lebendig,
und holeſt mich wieder aus ver Tiefe der Erde herauf. (86: Du haft
meine Seele errettet aus der tiefen Hölle.) 87: Denn Gott gedachte, daß
fe Sleiih find, ein Wind, der dahinfährt, und nicht wieder
kommt. 88: Meine Seele ift vol Sammer, und mein Leben ift
nahe bei der Holle (d. i. vem Tode nahe). Ich bin geachtet gleich
denen, die zu ver Hölle fahren. Gott gedenkt der Todten nicht
mehr Wirſt du denn unter den Todten Wunder thun? oder werben die
Berftorbenen aufftehen, und dir danken? Wird man in Gräbern erzählen
deine Güte, und deine Treue im Ververben? Mögen deine Wunder in
der Binfternig erkannt werben? ober deine Gerechtigkeit im Lande, ba
man nichts gevenfet? 89: Wo ift Iemand, ver da lebet, und ven
Tod nicht fehe? ver feine Seele errettet au8 der Höllen Hand? 115: Die
Todten werden dich, Herr, nicht Toben, noch vie hinunterfahren in die
Stille. Doc beißt es 116: Der Tod feiner Heiligen tft werth gehalten
152 Segen und Fluch des Menfchen. Tod und Unfterblichkeit.
vor dem Herrn, und um bie Allgegenwart Gottes audzubrüden, wird (139)
gefagt: DBettete ich mich in die Hölle, fo bift du auch da. Die Nichtigkeit
des Menfchen aber wird (144) bezeichnet: Iſt doch der Menfch gleich mie
nichts, feine Zeit fährt dahin, wie ein Schatten, und 146: Des Menfchen
Geift muß davon, und er muß wieder zur Erde werden, aldvdann
find verloren alle feine Anfchläge.
Haben wir nun gefehen, wie die wichtigften Schriften des Alten
Teftamentd von dem Tode berichten, fo ift doch viefer Punkt zu wichtig,
um nicht auch die Anfichten zu betrachten, welche fih in ven oben noch
nicht in Betracht gezogenen Schriften finden. Im Buche Baruch leſen
wir (2. 17): Denn die Todten in der Hölle, welcher Geift aus ihrem
Keibe gefahren ift, rühmen nicht die Herrlichkeit und Gerechtigkeit
des Herrn. Wäre in diefer Stelle ver Geift als ein felbflännig fort-
dauerndes, mit Willen und Bewußtſeyn begabte Wefen gedacht, jo Fünnte
es nicht heißen, daß der Todte den Heren nicht Iobe, denn er würde ja
das ewige Leben haben, und hätte dann allen Grund, Gott zu preifen.
Weiter heißt e8 in viefem Buche, 3: Herr, du regiereft für und für; wir
aber vergeben immerdar. Hdre das Gebet Iſraels, die dem Tod
im Rachen fteden. Wie kommt es, Iſrael, daß du unter die gerechnet bifl,
bie in die Hölle fahren? Die Würften ver Heiden find vertilget und in
die Hole gefahren. Hier fehen wir alfo nur Vernichtung des menfchlichen
Weſens im Tode. Im Buche Jeſus Sirach heißt es (9. 17): Die
Gottlofen werden nimmernehr fromm bis in die Hölle hinein (d. i. fie
fterben, ohne fromm geworben zu feyn). 11. (27): Der Herr Fann einem
SJeglichen leicht vergelten im Tode, wie er ed vervienet hat. ine böfe
Stunde macht, daß man aller Treude vergißet; und wenn der Menſch
flirbt, fo wird er inne, wie er gelebt bat. Darum follfi du
Niemand rühmen vor feinem Ende, denn was Einer für ein
Mann gewefen ſey, das findet fih an feinen Nahfommen.
Dazu heißt es 15. (17): Der Menfch hat vor fich Leben und Top, welches
er will, dad wird ihn gegeben werden. Daß aber in diefen Stellen nicht
von einer Fortdauer des Menfchen nach dem Tode, und einer Vergeltung
in einer jenfeitigen Welt vie Rede fey, erhellt aus dem, was folgt; denn
wir lefen 17: Gott macht das Erdreich vol Thiere, welche wieder unter
die Erde fommen. Gott hat ven Menfchen gefchaffen aus ver Erbe, und
machte ihn wieder zur Erbe; und beflimmte ihnen die Zeit ihres Lebens,
und machte fie nach feinem Bilde. Er gab ihnen, daß alles Fleiſch fie
fürchten mußte, und fie herrfchen follten über Thiere und Vögel. Er gab
ihnen Vernunft, Sprache, Augen, Ohren, und Berftand, und Erfenntniß,
Und zeigte ihnen Beides, Gutes und DBdfes. Und hat fle vor andern
Ihieren ſonderlich angefehen, ihnen zu zeigen feine große Majeftät. Er
hat fie gelehret, und ein Gejeg des Lebens gegeben. Er Hat einen
Segen und Fluch des Menſchen. Top und Unfterblichkeit. 153
ewigen Bund mit ihnen gemacht, und feine Rechte geoffenbaret. Er behält
die Wohlthat des Menfchen, wie einen Siegelring, und vie guten Werke,
wie einen Augapfel. Und zulegt wird er aufmachen, und einem Seglichen
pergelten auf feinen Kopf, wie er es verpienet bat. Aber vie ſich beßern,
läßt er zu Gnaden fommen. Wer will ven Höcjften loben in der Hölle?
Denn allein die Lebendigen Eönnen loben; die Todten, als die nicht
mehr find, Eönnen nicht loben. Darum Iobe ven Seren, dieweil
du lebeſt und gefund biſt. Was Fann doch ein Menſch feyn, finte-
mal er nit unfterblich ift? Was tft Heller, venn die Sonne? No
muß fie vergeben. Der da aber ewig lebt, was der madıt, das ift
volfommen. Er fiehet wohl und weiß, wie Alle des Todes feyn
müßen, darum erbarmet er fi deſto reihlider über fie.
Harre nicht mit Beßerung bis in den Tod, und willft du Gott dienen, fo
laß dir’s einen Ernft jeyn. Gedenke an den Zorn, der am Ende
fommen wird, und an die Rache, wenn du davon mußt. (8
iR nicht8 Anderes gemeint, als das Sterben felbft, fo daß des Menſchen
Gebet um Aufichub des Todes nicht erhört wird, und fein Ton nicht fanft
iR, daß er einfchlafe, des Lebens fatt. Beſonders aber ift die Strafe ver
Gottlofen in folgennen Worten auögefprochen (41. 9): Der Gottlofen
Kinder Erbgut kommt um, und ihre Nachkommen müfen verachtet feyn.
Die Kinder müßen Flagen über den gottlofen Vater, denn
um jeinetwillen find fie verachtet. Wehe euch Gottlofen, die ihr
des Höchften Gefeg verlaßet! Ihr Iebet over fterbet, fo ſeyd ihr verflucht.
Gleichwie Alles, fo aus der Erve fommt, wiederum zur Erde wird; alfo
Iommen vie Gottlofen aus dem Fluch zur Verdammniß. Eines Men
den Leiden mag bier währen, fo lange er lebt; aber der
Gottlofen Name muß vertilgt werden, denn er taugt nicht.
Cin Leben, es fey wie gut ed wolle, fo währet e8 eine fleine
Beit; aber ein guter Name bleibet ewiglich. Daß aber Gott ven
drommen helfe aus Todesgefahr, zeigen die Worte (51): Ich war dem
ode nahe, und mein Leben war fchier zur Hölle gefunfen, und vu haft
mich errettet au8 dem Verderben. Weiterhin Iefen wir 38: Wenn Einer
Richt, trage Leid um ihn, darnach Einer gewefen it, und tröfle dich auch
wieder, daß du nicht traurig werbefl. Denn von Trauern fommt der Tod,
Laß die Traurigkeit nicht in dein Herz, fondern fchlage fie von dir, und
denke an das Ende, und vergiß dep nicht. Denn da ift Fein
Wiederfommen; es hilft ihm nicht, und du thuft dir Schaden. Gedenke
an ihn, wie er geftorben, fo mußt du auch fterben. Weil ver Todte nun
in der Ruhe Liegt, fo höre auch auf, feiner zu gevenfen, und tröfte dich
über ihn, weil fein Geift von binnen gefchieven iſt. (Ulfo weil mit dem
Tode alle Herrlichkeit zu Ende geht, und der Todte in der Ruhe liegt,
I man Alles meiden, was dem Leben ſchadet, und ven Tod fliehen, fo
154 Segen und Sluch des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit.
viel man e8 vermag.) 21. (11) Heißt ed: Die Gottlofen gehen zwar auf
einem feinen Pflafter, veg Ende ver Höllen Abgrund ift, d. i. der Tod ereilt fle.
Zu des großen Propheten Iefaia Zeit gieng, wie ed 48 heißt, die Sonne
zurüd, und verlängerte dem Könige das Leben. (Alſo thut Gott auf Bitten
der Frommen Wunder, um des Menichen Leben zu verlängern.) Eben
daſelbſt wird von dem Propheten Elia gefagt: Dur das Wort des
Höchſten Haft du einen Todten auferwedt, und wieder aus ber Hölle
gebracht. Diefer Prophet wird wieder fommen, aber er war auch nicht
geftorben, fondern an ihm hatte der Kerr ein Wunder gethan. Du bift
weggenommen, heißt es von ihm, in einem Wetter mit einem feurigen
Magen und Roßen. Du bift verorbnet, daß du firafen ſollſt zu feiner
Zeit, zu ftilen ven Zorn, ehe der Grimm kommt, dad Herz der Väter zu
den Kindern ehren, und die Stämme Jakob's wieder bringen. Wohl
denen, die dich fehen, und um deiner Freundſchaft willen geehret feyn
werden. Da werden wir das rechte Xeben haben (d. i. wir werben von
der Gottlofigkeit und Verkehrtheit abgebracht feyn). Schlimmered kennt
auch dieſes Buch nicht, ala ven Tod, denn es enthält (28. 25) den Aus
ſpruch: Bitterer, denn der Tod, und ärger, denn die Höfe (d. i. der Top),
doch Keiner kann entrinnen, denn der Herr, heißt es (15. 8), verſchont⸗
der alten Rieſen nicht, die mit ihrer Stärfe zu Boden giengen.
Das Buch der Weisheit Salomo's beginnt (1. 13) mit einem Aus
fpruch, welcher nicht in dem Glauben der Kinder Ifrael, wie ihn die fünf
Bücher Mofe erkennen laßen, übereinftinmt. Es beißt: Denn Goti hat
den Tod nicht gemacht, und hat nicht Luft am Verderben ver Lebenpigen,
fonvdern die Onttlofen ringen darnach (2. 23); venn Gott hat den Menſchen
gefchaffen zum ewigen Leben, und bat ihn gemacht zum Bilde, daß er glei)
feyn foll, wie er. Aber durch des Teufels Neid ift der Tod in die Welt
gefommen, und vie feines Theils find, helfen auch dazu. Hier fehen wir
alfo ven Tod als Strafe der Gottlofigfeit, und den Teufel als ven, durch
deßen Neid er in die Welt gefommen. Die Bücher Moſe wißen aber
davon, daß der Tod durch den Teufel in vie Welt gefommen fey, eben fo
wenig, als fie überhaupt von einem Teufel etwas wußten. Die Schöpfungß-
geſchichte erzählt nur, Gott habe den Menfchen nach feinem Bilve gefchaffen,
aber keineswegs zum ewigen Leben, fonvdern nur zum Glück. Zwar heißt
ed: Gott der Kerr nahm ven Menfchen, und fehte ihn in ven Garten
Even, daß er ihn bauete und bewahrete. Und Gott gebot dem Menſchen
und ſprach: Du follft eßen von allerlei Bäumen im Garten. Aber von
den Baum des Erkenntnißes des Guten uud Böfen folft du nicht eßen.
Denn welches Tages du davon ifeft, wirft du des Todes flerben; die Aus«
legung nun aber, der Menſch müße flerben, weil er von diefem Baum
gegeben habe, iſt eine bloß nach Belieben ervichtete, denn Gott dreht nicht,
der zum ewigen Leben gefchaffene Menſch werde zur Strafe flerblicy werben,
Segen und Fluch des Menichen. Ton und Unfterblichkeit. 1355
fonnern er werde an dem Tage des Ungehorſams ven Tod erleiven. Daß
Gott die Drohung nicht erfüllt, zeigt ver Fortgang der Geichichte, aber
wir haben nicht nach dem Grunde zu fragen, und vürfen nicht behaupten
wollen, es fey Gottes unmürdig, eine Drohung nicht erfüllen, denn das
hieße menfchliche Anſichten von Schielichfeit auf Gott übertragen, wozu
und nichts berechtigt und nichts berechtigen Tann. So z. B. fam der
Herr bernieder, als die Kinder Iſrael ſich wieder nach Aegypten jehnten,
gegen Mofe und Aaron murrend (Mofe IV. 14), und er ſprach zu Mofe:
Wie lang läftert mich das Volf, und wie lang wollen fie nicht an mich
glauben durch allerlei Zeichen, vie ich unter ihnen getban habe? So mil
ih fie mit Peftilenz fchlagen und vertilgen. Mofe bittet nun für fle, und
fagt: Würdeſt du dieß Volk tönten, wie Einen Mann, fo würden bie
Heiden, die ſolches Geſchrei von dir höreten, fagen: Der Herr koͤnnte mit
nihten das Volk ins Land bringen, das er ihnen gefchworen hatte; und
ber Herr ſprach: Ich babe es vergeben, wie vu gefagt haft. Abgdtterei
it von Gott ſchwer bedroht, mer fe treibt, fol aus feinem Volk audge-
sottet werben, und doch fehen wir ven König Salomo, ver foldye in
ſpaͤteren Jahren trieb, ein ruhiges, glückliches Leben führen und in hohem
Alter fanft flerben. Die Strafe, welche Gott wegen jened Ungehorſams
über Adam und Eva verhängte, war, daß er fie aus dem Garten Even
verfließ, und die Noth des Lebens dem Fünftigen Menfchengeichlechte ver-
hängte als Folge dieſes Frevels; verflucht fey ver Ader um beinetwillen,
ſprach Bott zu Adam, mit Kummer font vu dich darauf nähren dein
Lebenlang. Dornen und Difteln fol er dir tragen, und vu ſollſt das Kraut
auf dem Felde efen. Im Schweiße deines Angefichts folft du dein Brod
eben, bis daß du wieder zur Erde werdeſt, davon du genommen bifl.
Denn du biſt Erde, und folft zu Erde werden. Zwar hätte der Menich
unfterblich werben Eönnen, dad wollte aber Gott nicht zugeben, ver fpricht:
Siehe, Adam ift geworben als unfer Einer, und weiß, was gut und böfe
if. Nun aber, daß er nicht auöftrede feine Hand, und breche auch von
dem Baume des Lebens, und eße und lebe ewiglich; da ließ ihn Gott aus
dem Sarten Even, daß er das Feld bauete, davon er genommen ift. Ein
weiterer Fluch ift .nach dem Mofaismns für jenen fogenannten Sünvenfall
des erften Menfchenpaares nicht auf das Menfchengefchlecht gelegt worden,
jondern alle Strafen Gottes, welche die Menfchen insbefonvere treffen,
treffen fie für Webertretungen ver Gebote Gottes. Die Lehre von der Erb-
fünde aber ift eine von befchränften Menfchen auögehedte ver Moſaiſchen
Offenbarung zumiverlaufende Theorie, der felbft ver Schein einer Wahr-
feinlichkeit fehlt. Jeſus Sirach fagt (10. 22): Der Menſch ift nicht
böfe gefchaffen, und ſelbſt Chriftus, alfo Gott in Menfchengeftalt, fagt:
Laßet die Kindlein zu mir Fommen, venn ihrer ift das Himmelreich. Dieſe
Kindlein aber waren weber getauft, noch bereits durch Chriſti Blut erlöft,
136 Segen und Zlud des Menihen. Tod un» Unfterblidkeit.
fondern bloß unzuredinungsfähig und hatten in fofern die Gebote Gottes
nicht übertreten. Don dem Teufel aber if nichts in den fünf Büchern
Mofe enthalten, und eben fo wenig in den andern hiſtoriſchen Schriften
und in den Prophetenbüdjern, fonvdern alles Böfe iſt eine von Gott gefandte
Strafe, die Verfuhung geht von ihm aus, und er fenvet dem Menſchen
Herzenöverftodtheit, und Gott iſt es, der den Menfchen mit einem böfen
Wahnfinnsgeift erfüllt. Daß Pharao verfiodt war gegen alle Wunder,
die Mofe that, ift Gottes Werk, denn er fagt ja felbft zu Mofe (IL 4):
Ich will fein Herz verftoden, daß er das Volk nicht laßen wird; und (7):
Ih will Pharao’ Herz verbärten, daß ih meiner Zeihen und
Wunder viel thue in Aegyptenland. Und Pharao wird euch nit
hören, auf daß ich meine Hand in Aegypten beweife, und
führe mein Volk aus Hegyptenland dur große Gerichte.
(Hier feben wir den Zwed dieſer Verftodung Pharao's von Gott ſelbſt
angegeben.) Im fünften Buch Mofe (13) ſpricht Bott: Wenn ein Pros
phet over Träumer unter euch wird auferftehen, und giebt bir ein Zeichen
oder Wunder, und das Zeichen oder Wunder kommt, und er fpricht: La
und andern Göttern dienen, fo ſollſt vu nicht gehorchen; denn der Kerr,
euer Gott, verfudht euch, daß er erfahre, ob ihr ihn von
ganzem Herzen und von ganzer Seele lieb habt. Der Prophet
aber oder der Träumer fol fterben, auf daß du den Böfen von dir
thuſt. (17. 7 wird derfelbe Ausdruck von einem Mebertreter ver Gebote
Gottes gebraucht: Die Hand der Zeugen fol vie erfte feyn, ihn zu töbten,
darnach die Hand alles Volks, auf dag du den Böfen von dir thuſt.)
Hier iſt ganz deutlich Gott der Veranlaßer der Verfuhung, und bad
Werkzeug fol vem Tod verfallen feyn. Don dem Könige Hiskia heißt ed
im zweiten Buche der Chronik (32. 31): Gott verließ Hiskia alfo, auf
dag er ihn verfuchte, auf daß fund würde Alles, was in feinem Herzen
war. Auch das Gebet, das Chriftus gelehrt hat, fchreibt Gott die Der
ſuchung zu, in ven Worten: Führe und nicht in Verſuchung. Daß aber
die Gemüthszerrüttung und Beſeßenheit ebenfalls von Gott audgehe, zeigt
dad Buch Samuel (I. 16. 14). Als es Gott gereute, den Saul zum
Könige gemacht zu haben, und Samuel beauftragt hatte, David zum Könige
zu falben, gerieth ver Geift des Herrn über David, und wid von Saul,
und ein böfer Geift vom Herrn machte vielen fehr unruhig. Wenn
nun der Geift Gottes (nämlich ver böfe) über Saul fam, fo nahm
David die Harfe und fpielte mit feiner Hand; fo erquidte fih Saul, und
es ward beßer mit ihm, und der böfe Geift wich von ihm. Don einem
zeufel aber, welcher als Wiverfacher Gotted das Böfe zu fliften fuche, und
welcher ein höfifches Reich beherrfche, weiß vie Mofaifche Lehre nichts,
die alled Gute und alles Böfe ald von Gott kommend annimmt, und
außer ihm Fein Weſen Fennt, welches über die Welt irgend eine Macht
GER ni
Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblichfeit. 187
bitte, und eben fo wenig von einer Erichaffung irgend eines Geiftes durch
Gott etwas weiß. Diefer iſt der alleinige Geift, der Himmel und Erbe,
Geſtirne, und was auf Erden ift, geichaffen bat und regiert, wie er will. Eine
Hoͤlle als einen Ort ver Dual nach dem Tode für die Gottloſen kannte Mofes,
ver Mann Gottes, nicht, und in ver Hölle, wovon das Alte Teftament
ſpricht, d. i. in der finftern Tiefe ver Erve gehört Gott die Macht, wie
überall. So heißt es ben Jeſaia (7. 11): Fordre du ein Zeichen vom
Seren, deinem Gott, es fey unten in ver Hölle, oder droben in der Höhe,
und im Pſalm (139. 8) heißt es: Bettete ich mich in die Hölle, ftehe, fo
biſt du (Bott) auch da. In der Chronif (I. 22) heißt es: Der Satan
(p. i. dee Hafer, der Gegner) ſtand wider Ifrael, und gab David ein, daß
er Iſrael zählen ließ, aber im zweiten Buch Samuel (24) lefen wir: Der
Bern des Herrn ergrimmete wider Ifrael, und reiste David unter ihnen,
daß er fprach: Gehe hin, zähle Ifrael und Juda. Demnach wird In ver
Chronik die Verſuchung des Seren ein haßender Verfucher genannt, ſowie
m der Chronik ein Engel des Herrn zum Propheten Gad kommt, um
David's Strafe zu melden, im Bud) Samuel aber nur das Wort des Herrn
genannt wird, aljo port ver Botfchafter für die Botfchaftl. Die Vorſtel⸗
Img von einem Widerſacher Gottes, welcher das Böfe und Zerftdrenvde in
feinblicher Gefinnung eifrig betreibe, Fam den Semiten aus ver Fremde,
ans der Perfiichen Religion, ohne daß damit ver Glaube an einen Ort ber
Dual für die verftorbenen Gottlofen, wo verfelbe herrfche, von Anfang an
verbunden geweſen wäre. (Auffallend ift, fo fcheint es, der Ausprud im
zweiten Buche Samuelis 19. 22: ‚Daß ihr mir heute wollt zum Satan
werben.” Allein von einem Wiverfacher Tann vie Rede feyn, ohne daß
der böfe Geift der Perfifchen Lehre dabei auch nur von ferne gemeint ey.)
Wenn wir einmal in den Pfalmen (109. 6) ven Ausdruck finden: See
Gottloſe über den Boͤſen, und der Satan müße ftehen zu feiner Rechten.
Wer fich denſelben lehren läßt, ve Leben müße gottlos ſeyn; fo erfennen
doch die Pialmen, wie wir gejehen haben, ein Leben des Menſchen nad
dem Tode an, und eben fo wenig ein Neich eines boͤſen Principe, welches
gegen Bott ankämpft. Wie wenig Bedeutung überhaupt auf die Nennung
des Satan in der angeführten Stelle zu legen fey in Beziehung auf
Moſaiſche Religionsvorftellung, zeigt der Fortgang der Nebe, denn ed wird
dieſen Gottlofen, ven Satan lehrt, ver Fluch in den irbifhen Dingen
gewänfcht, von dem oben die Nede war, und es heißt: Er wollte
von Fluch Haben, ver wird ihm auch Eommen; er wollte des Segens nicht,
fo wird er auch ferne von ihm bleiben. Und z0g an den Fluch, wie fein
Hemd, und iſt in fein Inwendiges gegangen, wie Waßer, und wie Del in
füine Gebeine; fo werde er ihm wie ein Kleid, das er anhabe, und wie
ein Gürtel, damit er fich allewege gürtee So gefhehe denen vom
Herrn, die mir zuwider find, und reden Böfes wider meine Seele. (Die
188 Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblidkeit.
Strafe alfo der Boͤſen fol in dem Fluch Gottes, welcher irdiſche Dinge
betrifft, beftehen.) Der Prophet Sacharja jedoch hat einen Ausdruck, wel«
cher nach Perſiſcher Lehre einen Widerfacher Gotted nennt, aber einen, ber
fih noch nicht recht in die reine Vorſtellung von Gott fügen will, ſondern
ver fi in die Nähe Gottes wagt. Er fagt: Mir ward gezeigt (im pro⸗
phetifchen Geſicht) der Hohepriefter Joſua, ftehend vor dem Engel des Herrn;
und der Satan fland zu feiner Rechten, daß er ihm wiberflünne. Und
der Herr fprach zu dem Satan: Der Herr fhelte dich; ja, ver Herr fchelte
bich, ver Ierufalem erwählet hat. Im Buch Hiob wird diefer Satan fo
geringfügig dargeſtellt, daß er nur mit Erlaubnig Gottes handeln kann,
welche Anftcht ihm jede wefentliche Bedeutung nimmt; venn ob Gott dem
Menfchen Schickſale zur Verfuchung geradezu durch fein Walten verhänge,
oder ob er einem Wefen, dem das Schlimme behagt, vie Erlaubniß ertheile,
die zu thun, iſt für das Verhältnig des Menfchen zu Gott und für bie
göttliche Weltregierung ganz einerlei; denn fo lange Gott in Allem herrſcht,
und der Satan nur ein Werkzeug Gottes ift, fehlt dieſem die Macht, dad
Boͤſe nach feinem Willen zu thun. Die Darftelung aber in benanntem
Buche (1.6) ift artig, und was Gott betrifft, finnlich naiv. Es heißt: Es
begab fih auf einen Tag, da vie Kinder Gottes kamen und vor den Herrn
traten, fam der Satan auch unter ihnen. Der Herr aber ſprach zu dem
Satan: Wo kommſt du ber? Satan antwortete: Ich habe das Land umher
durchzogen. Der Herr ſprach zum Satan: Haft du nicht Acht gehabt auf
meinen Knecht Hiob? Denn es ift feines Gleichen nicht im Lande, ſchlecht
und recht, gottesfürdhtig, und meldet das Boſe. Satan antwortete dem
Herrn: Meineft du, daß Hiob umfonft Gott fürdhtet? Haſt du doch ihn,
fein Haus und Alles, was er hat, ringsumher vermahret. Du haft dad
Werk feiner Hände gefegnet, und fein Gut hat ſich ausgebreitet im Lande.
Aber rede veine Hand aus, und tafte an Alles, was er bat; was gilt's
er wird dich in das Angefiht fegnen? Der Kerr fprah zum Satan
Siehe, Alles, was er hat, ſey in veiner Hand; ohne allein an ihn jelb
lege deine Sand nicht. Da gieng der Satan aus von dem Herrn. Nr
fommen Plagen über Hiob, wie fle fonft allezeit in dem Alten Teftame
der Herr verhängt über die, fo er heimjucht. Dabey aber wird bie Allına
Gottes gepriefen, der Alles Tann und thut, deß Walten aber ver Dier
nicht zur Rechenſchaft zieben kann, und nicht darf, meil ihm eine E
Einſicht in daſſelbe fehlt. ALS aber Hiob, welcher gegen den Herrn gem
hatte, auf Gottes Ermahnung, der aus einem Wetter zu Ihm fpradh,
demüthigte, da gab ihm Gott Alles zwiefältig wiever, was er ver!
hatte, und ließ ihn ein hohes Alter erreichen. Des Satans jedoch
weiter in biefem Buche nicht mehr gedacht. Won ver Hölle aber hei
darin (7. 9): Wer in die Hölle hinunterfährt, kommt nicht wiever £
Und (10. 21): Ehe denn ich hingehe und komme nicht wieder, n
Segen und Fluch des Menidhen. Tod und Unfterblichkeit. 159
in das Land der Finfternig und des Dunfeld. In das Land, da es flod-
finfter ifl, und da feine Otdnung iſt, da es feheinet, wie das Dunkele.
Serner (11. 8): Höher, als der Himmel — tiefer, ald die Hölle, und
(14. 13): Ad, daß du mich in der Höfe verdeckteſt und verbürgeft.
(17. 13): Wenn idy gleich lange harre, fo iſt doch vie Hölle mein Haus,
und in Finfterniß ift mein Bette gemacht. Die Verwefung heiße ich meinen
Bater, und die Würmer meine Mutter und meine Schwefter. Was fol
ih harren, und wer achtet mein Hoffen? Hinunter in vie Hölle wird es
fahren, und wird mit mir im Staube liegen. Bon dem Gottlofen heißt
e8 (18): Seine Stärke wird verzehren der Yürft des Todes. Geine
Hoffnung wird aus feiner Hütte gerottet werden, und fle werben ihn treiben
um König des Schreckens. Daß aber viefe Ausdrücke nur den Tod
und den Schreden bezeichnen, ift gewiß, denn davon, daß der Satan der Fürft
des Todes fen, weiß dieß Buch nichts, und es wird auch weiter ver Yluch
in irpifhen Dingen als das Loos des Gottloſen angegeben, und gefagt:
Er wird vom Licht in die Binfternig vertrieben werben, und vom Erdboden
verfioßen werben. (21): Die Gottlofen erfchreden kaum einen Augenblid
vor der Hölle; aber ver Boͤſe wirn behalten auf ven Tag des Verderbens,
und auf den Tag des Grimm bleibet er, er wird zum Grabe gerißen,
und muß bleiben bey dem Haufen. (Alſo ift ver Tod feine Strafe); denn
(24. 19) die Höfe nimmt weg, die da fündigen. Sie find eine Fleine Zeit
erbaben, und werben zu nichte und untergebrudt und ganz und gar aus⸗
getilgt werben; und wie die erſte Blüthe an den Uehren, werben fie abge=
Ihlagen werben. (Es wird ihnen demnach im irdiſchen Leben vergolten
werden.) Bon Gott dem Herren wird gefagt (26. 6): Die Hölle ift auf-
gedeckt vor ihm, und das Verderben hat feine Dede. Bon den Niefen
aber Iefen wir (26. 5): Die Riefen Angften ſich unter ven Waßern, und
bie, fo bey ihnen wohnen (nämlich weil fie durch das Waßer vertilgt
werden). Dieje Stelle auf ein jenfeitiges Leben und einen Ort der Dual
zu beziehen, geht nicht an. Die Niefen unter den Waßern find vie durch
die Sünpdflut vertilgten. (Denn auch vor Alters, da die hochmüthigen
Riefen umgebradyt wurden, flohen die, an welchen vie Hoffnung blieb, vie
Welt zu mehren, in ein Schiff, welches deine Hand regierte. Weisheit
Sal. 14. 6.) Da die Waßer aber zur beftimmten Zeit verlaufen find, fo
fonnte der Schreiber des Buches Hiob nicht fagen wollen, daß fie ſich noch
unter ven Waßern ängftigten, fondern er wollte nur fagen, ver Herr ſey
io mächtig, daß den Rieſen ihre Stärke ihm gegenüber nichts geholfen
babe, fonvdern daß fie ven Tod und feine Angſt durch die Sünpflut des
Seren gefunden hätten.
Haben wir nun gefehen, wie die Befanntichaft mit ven Perftichen
Anfichten bey ven Ifraeliten zwar den Satan flatt des Fluchs Gottes in
einigen Schriften des Alten Teftaments nennen läßt, doch keineswegs in
160 Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit.
ihm einen Zürften der Hölle erkennt, der einen Ort ver Dual für bie
Seelen ver Gottlofen beberrfäht, fo müßen wir uns hüten, ihm mehr
Beveutung zu geben im Alten Teftament, als er bat, denn für den wahren
Bekenner des Mofaismus hat er gar feine. Im Buche von Tobias fogar,
worin ein Glaube, an böfe Geiſter hervortritt, ift Alles, was von dem
Teufel gefagt wire, nur wenig. Der Engel Raphael nämlih ſprach zu
dem jungen Tobias (6. 9): Höre zu, ich will dir fagen, über welche ver
Teufel Gewalt bat; nämlid über Diejenigen, weldde Gott veradhten und
allein um Unzucht willen Weiber nehmen, wie dad dumme Vieh. (Der
junge Tobias hatte Furcht vor einer Bermählung.) Diefer Teufel ift aber
nicht einmal der wahre Teufel von Berfifcher Abkunft, der als ein einzelnes
boͤſes Weſen dem guten Wefen feinplich entgegengefet ift, fonvdern nur Einer
der böfen Geifter, die jenem untergeorpnet und feine Helfer find. Raguel,
ein Verwandter des Tobias, hatte eine Tochter, heißt es (3), ver hatte
man fieben Männer nach einander gegeben, vie Alle in ver Brautnacht
umkamen durch einen böfen Geiſt Asmodi (der Name ift Perftfch und
bedeutet ven, der zu verführen fucht, fo daß alfo viefer böſe Geift ſelbſt
Gelüfte nach der Braut hatte). Gegen dieſen Fremdling bey den Kindern
Iſrael giebt ver Engel Raphael dem jungen Tobias das geeignete Mittel
an. Als er mit diefem Engel, ver fi für einen Menfchen ausgab, an
den Fluß Tigris gefommen war und feine Füße waſchen wollte, fuhr ein
großer Fiſch heraus, ihn zu verfchlingen. Er erfchraf fehr, und ver Engel
fprah zu ihm: Ergreif’ ihn bei den Blopfedern, und ziehe ihn heraus.
Sobald dieß gefchehen, fprach ver Engel: Haue den Fiſch von einander;
das Herz, die Galle und vie Xeber behalte dir, denn fie find fehr gut zur
Arzenei. Damit nun Tobias Raguel's Tochter ohne Gefahr heurathen
fünne, belehrt ihn Raphael alfo: Wenn du mit deiner Braut in die
Kammer kommft, folft du drei Tage dich ihrer enthalten, und mit ihr
beten. Und viefelbige Nacht, wenn bu wirft die Leber vom Fiſch auf vie
glühenden Kohlen legen, jo wird ver Teufel vertrieben werden. Die andere
Nacht aber ſollſt du zu ihr gehen züchtiglich, wie die heiligen Patriarchen. *)
Die dritte Nacht wirft du erlangen, daß geſunde Kinver von euch geboren
werden. Wenn aber die dritte Nacht vorüber ift, fo ſollſt vu dich zur,
Jungfrau zuthun mit Gottesfurdt. Tobias legte nun die Xeber auf die
glühenden Kohlen, und der Engel Raphael nahm ven böfen Geiſt gefangen,
und band ihn in die Wüfte, ferne in Aegypten. Dafür danken bann bie
*) Diefer Ausdruck zeigt, daß der Schreiber des Buchs vom Tobias, obgleich
er eine fromme Geſinnung zeigt, doch nicht vecht vertraut war mit der
Geſchichte der heiligen Patriarchen. Denn wie die Bücher Mofe beflimmt
berichten, übten diefe gerade nicht Enthaltſamkeit im biefer Bejtehung, und
betrachteten fe nicht als ein frommes Thun.
Segen und Stud des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit. 1601
Glitern der Braut dem Herrn; der Engel aber fagte, daß die Braut dem
Tobias zum Weibe befchert fey, weil er Bott fürchte, und daß fie darum
feinem Andern zu Theil habe werben moͤgen. So draͤngte ſich alfo auch hier
der Gedanke ein, daß Asmodi durch Gottes Yügung handle. Daß viefer
böfe Beift durch Räuchern übermältigt wird, ruft pie Raͤucherung Aaron’s,
weldhe vie Peſt vertreibt, in das Gedäaͤchtniß.
Aus allem Angeführten gebt hervor, daß der Mofaismus nur einen
®ott Iehrte, nicht aber andere Gelfter daneben, und am wenigften einen
Teufel, deßen Erfindung den Perfern gehört. Die Schlange verführte das
Weib, von dem Baum der Erkenntniß zu eßen. Und die Schlange war
Iiger, heißt e8 im erſten Buch Mofe (3), denn alle Thiere auf dem
Belde, die Gott, der Herr, gemacht hatte, und fprach zu dem Weibe: Sa,
follte Bott gejagt haben: Ihr ſollt nicht een von allerlei Bäumen im
Garten? Da fprah das Weib zu der Schlange: Wir efen von den
Srüchten ver Bäume im Garten: aber von den Brüchten des Baums mitten
im Garten bat Gott gefagt: Eßet nicht davon, rühret es auch nicht an,
dag ihr nicht ſterbet. Da ſprach die Schlange zum Weibe: Ihr werbet
mit nichten des Todes flerben; fondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr
davon eßet, fo werben eure Augen aufgethan, und werdet feyn, wie @ott,
und wißen, was gut und böfe ifl. Und das Weib fchauete an, daß von
ven Baum gut zu eßen wäre, und lieblich anzufehen, daß ed ein Iuftiger
Baum wäre, weil er Elug machte; umd nahm von der Frucht und af,
und gab ihrens Manne auch davon und er af. Da wurden ihrer Beiber
Augen aufgethban, und wurden gewahr, daß fie nadend waren; und
flochten Beigenblätter zufammen, und machten ihnen Schürze. Und fie
böreten die Stimme Gotted, des Herrn, der im Garten gieng, da der Tag
fühle geworben war, und Adam verftedte fich mit feinem Weibe vor dem
Angeftcht Gottes des Herrn, unter die Bäume im Garten. Und Gott der
Herr rief Adam, und fprach zu ihm: Wo bift ou? Und er ſprach: Ich
hörete deine Stimme im Garten und fürchtete mich, nenn ich bin nadend;
darum verſteckte ich mich. Und er ſprach: Wer bat dirs gefagt, daß du
nadenn bift? Haft du nicht gegeßen von dem Baume, davon ich bir
gefagt Habe, du ſollteſt nicht davon efen? Da ſprach Adam: Das Weib,
das du mir zugefellet haft, gab mir von dem Baume, und ih af. Da
ſprach Gott der Herr zum Weibe: Warum baft du das gethan? Das
Weib ſprach: Die Schlange betrog mich alfo, daß ich af. Da ſprach Gott
ber Gerz zu der Schlange: Weil du folches gethan haft, feyeft du ver-
flucht vor allem Bieh, und vor allen Thieren auf vem Felde. Auf veinem
Bauch folft du geben, und Erde eßen dein Leben lang. Und ich will
deindſchaft ſetzen zwifchen dir und dem Weibe, und zwiſchen beinem
Samen und ihrem Samen. Derielbe fol dir den Kopf zerireten, und
du wirkt ihn in die Ferſe ſtechen.
IV. 1
163 Segen und Fluch des Menfchen. Tod und Unfterblichkeit.
In diefer Erzählung vie Schlange als Satan zu deuten, iſt vbllig
unftatthbaft und willfürlich, denn es heißt, vie Schlange fei das liſtigſte
Thier geweien, und als ein Bild der Klugheit und ver Lift bat fie immer
im Altertfum gegolten, und auch pas neue Teflament erfennt dies an in
dem Spruch: Seyd Flug wie die Schlangen und fanft wie vie Tauben.
Die Schlange wird verdammt, auf ihrem Bauche zu gehen und Erde zu
egen, und fie fol von dem Menfchen getreten werben, ihm aber den Fuß
verlegen, wie e8 in der Wirklichkeit vorkommt, fo daß an den Satan
nicht zu denken ift, ver zu jener Zeit, als das erfle Buch Moſe nieder-
geichrieben ward, bey ven Perfern wohl erfunden ſeyn mochte, ohne daß
wir annehmen dürfen, er fen ven Ifraeliten fchon befannt geworben. Die
Deutung aber ift ein um fo anmafßenverer Verſuch, Einfälle an bie
Stelle des wirklich Erzählten zu fegen, als im Moſaismus mit Tlaren
und unzweifelhaften Worten ausgeſprochen iſt, daß es Gott felbft ift,
welcher ven Menichen in Verfuchung führt, und das Werkzeug, wodurch
er verfucht, beftraft, daß es aber außer ihm feinen Geift giebt, weder
einen guten, noch einen böfen, fo daß alles von ihm allein ausgeht. Darum
ift die Deutung, welche das Buch von der Weisheit Salomo's giebt, durch
des Teufels Nein fey der Tod in die Welt gekommen, eine falſche, dem
Mofaismus geradezu widerſprechende, von der perfiichen Lehre ausge⸗
gangene. Trotzdem erfennt aber auch dieſes Buch Fein dem Satan gehdriges
Neih mit Höllenqualen für die Seelen ver Gottlofen an, venn auch bier
wie überall in dem Alten Teftament ift die Hölle nur gleichbedeutend mit
dem Tod, und in finnliher Anſchauung die unterirdiſche Finſterniß; denn
fo heißt e8 (17. 14) von der Agpptifchen Finſterniß, welche eine gräuliche
und eine rechte Nacht und aus der gräulichen Höfe Mintel gekommen
war. Don Gott aber heißt e8 (16. 13): Du führeft hinunter zu ver
Höllenpforten und führefl wieder heraus; und von ven Menfchen Iefen
wir (2. 1): So weiß man einen nit, ver aus der Hoͤlle wieber-
gefommen fey. (Alfo Fromme wie Gottlofe kommen allgzumal in vie
Höfe, und Keiner kehrt aus ihr zurüd, d. h. Keiner ift je vom Tode
wieder erflanven.) PBreilih Hat dieſes Buch auch neben ſolchen Aus⸗
fprüchen ten von einer Belohnung durch ein ewiges Leben, denn es
fagt (3): Der Geredhten Seelen find in Gottes Hand, und Feine Dual
rühret fie an. Bor den Unverfländigen werven fie angejehen, als flürben
fie, und ihr Abſchied wird für eine Pein gerechnet, und ihre Hinfahrt
für ein Verderben; aber fie find im Frieden. Ob fie wohl vor den
Menſchen viel Leiden haben; fo fin fle doch gewißer Hoffnung, daß fie
nimmermehr fterben. Sie werben ein wenig geftäupt, aber viel Gutes
wird ihnen widerfahren; denn Gott verſucht fie, und findet fie, daß
fie feiner mwerth find. Und zu der geit, wenn Gott varein fehen wird,
werben fie helle fcheinen, und vaherfahren, wie Flammen über ven
A
ra gr mu Ku
Segen und Fluch des Menfchen. Tod und Unfterblichteit. 163
Stoppeln. Sie werben die Heiden richten, und berrichen über Völker,
und der Herr wird ewiglich über fle herrichen. Denn vie ihm vertrauen,
die erfahren, daß er treulich Hält, und die treu find in ver Liebe, läßt
er ihm nicht nehmen. Denn feine Heiligen find in Gnaden und Barm⸗
berzigfeit, und er hat ein Aufiehen auf feine Auserwählten. Aber vie
Sottlofen werben geftraft werben, ihre Hoffnung iſt nichts, und ihre
Arbeit ift umfonft, und ihr Thun iſt Fein nütze. Ihre Weiber find
Närrinnen und ihre Kinder find boshaftig. Verflucht ift, was von ihnen
geboren iſt. Denn feelig ift die Unfruchtbare, vie unbefledt iſt, vie va
unfchuldig if des fünblichen Bettes: viefelbige wird es genießen zu ber
Zeit, wenn man die Seelen richten wird, veflelbigen gleichen ein Unfrucht«
barer,, der nichts Unrechtes mit feiner Hand thut, noch Arges wider ben
Seren denkt: Dem wird gegeben für feinen Glauben eine ſonderliche
Babe, und ein beßeres Theil im Tempel des Herrn. Denn gute Arbeit
giebt herrlichen Lohn, und die Wurzel des Verſtandes verfault nicht.
Aber die Kinder ver Ehebrecher geveiben nicht, und ver Same aus unrech⸗
tem Bette wird vertilget werden. Und ob fte gleich lange lebten; fo
müßen fie doch endlich zu Schanden werben, und ihr Alter wird doch
zulegt obne Ehre feyn. Sterben fte aber bald, fo haben fie doch
nichts zu hoffen, noch Troſt zu der Zeit des Gerichts, denn die Ungerech⸗
ten nehmen ein bdfes Enve. Aber der Gerechte, ob er gleich zu zeitlich
ſtirbt, ift er doch in ver Ruhe. Es verbammet ver verfiorbene Gerechte
die lebendigen Gottlofen, und ein Junger, der bald vollfommen wird, daß
lange Leben des Uingerechten. Sie fehen wohl des Weilen Ende, aber fle
merfen nicht, wa8 der Herr über ihn bevenfet, und warum er ihn bemahret.
Sie fehen es wohl, und achten ed nicht. Denn der Herr verlacht fie;
und werben darnach fehännlich fallen, und eine Shmad fein unter
den Todten ewiglidh. Und er wird fie unverſehens hernieverftürzen,
und fie werden in Uengften fein und ihr Gedächtniß wird ver-
loren feyn. Sie werben aber fommen verzagt mit dem Gewißen ihrer
Sünden, und ihre eigene Sünden werben fie unter die Augen fchelten.
Alsdann wird der Gerechte flehen mit großer Freudigkeit wider die, fo
ihn geängftiget haben, und fo feine Arbeit verworfen haben. Wenn die⸗
felbigen dann ſolches fehen, werben file graufam erfchreden vor folder
Seeligfeit, die fie ſich nicht verjeben hätten. Und werden unter einander
reden mit Neue, und vor Angft des Geiftes feufzen: Das ift ver, welchen
wir etwa für einen Spott hatten, und für ein höhniſch Beifpiel. Wir
Narren hielten fein Leben für unfinnig, und fein Ende für eine Schanbe.
Wie ift er nun gezählet unter die Kinder Gottes, und fein Erbe if unter
ven Heiligen. Darum fo haben wir des rechten Weges gefeblet, und
haben gewandelt. wüfle Umwege, aber des Herren Weg haben wir nicht
gewußt. Was Hilft uns nun die Pracht? Was bringt uns ver Reich
11*
164 Segen unn Klub des Menſchen. Tod und Unfterblicteit.
thum fammt dem Hochmuth? Wir haben ein Ende genommen, und haben
fein Zeichen der Tugend bemiefen; aber in unferer Bosheit find wir ver
zehret. Denn des Gottlofen Hoffnung ift wie ein Staub vom Winde zer⸗
fireuet, und wie man Gined vergißet, der nur einen Tag Gaſt geweſen
if. Aber vie Gerechten werben ewiglich Leben (vie Ungerechten
alfo nicht?), und ver Herr iſt ihr Lohn, und der Höchſte forget für fie.
Darum werden fie empfangen ein herrliches Reich, und eine fchöne Kram
von der Sand des Herrn. Denn er wird fie mit feiner Rechten bejchirmen, "
und mit feinem Arm vertbeidigen. Er wird feinen Eifer nehmen zum
Harniſch, und wird die Creatur rüften zur Rache über die Feinde. kr
wird Gerechtigkeit anziehen zum Panzer, und wird das ernſte Geriät
auflegen zum Helm. Er wird Heiligkeit nehmen zum unüberwinblicen
Schilde. Er wird den ftrengen Zorn wetzen zum Schwerbt, und vie Welt
wird mit ihm zum Streit ausziehen wiver die Unweifen. Die Geſchoße
der Blitze werden gleich zutreffen, und werden aus den Wolken fahren
zum Biel. Und wird dicker Hagel fallen aus dem Zorn ber Domer-
ihläge. So mird auch des Meeres Waßer wider fie wüthen, und die
Ströme werden ſich mit einanver. heftig ergießen. Und wird aud fin
flarfer Wind ſich wider fie legen, und wird fie wie ein Wirbel zerftreuen.
Diefe ganze Schilverung enthält jedoch Feine eigentliche Beftrafung
der Bdien in einer jenfeitigen Welt, fondern nur eine Annahme eine
Gerichts, das einft kommen wird, in einer flark finnlichen Form vorge
ſtellt, ſo daß ein Elarer Begriff von dem Zufland der Geftorbenen ver
dem Gintreten jenes Gerichts nicht vorhanden if. Ein folches Geriät
aber, wo Gott mit ven Gerechten auftritt und bie Ungerechten im Kampf
überwindet, worauf ein Neich ver Gerechtigkeit in alle Ewigkeit folgen
zu müßen fcheint, ift dem Mofaismus ganz fremd, und eben fo wenig
leuchtet eine Spur davon durch das, was aus dem femitifchen Heidenthum
aufbewahrt ift, wogegen dieſes Verhaͤltniß nicht ganz unähnlich ift vem
Kampfe des Ormuzd gegen Ahriman, welcher Iegtere mit feinem Reiche
der Binfternig von dem Gotte des Lichts beflegt wird, fo daß fortan mır
ein Neich des Lichts befteht, und es fcheint demnach, daß obige Schil-
derung aud einem apokryphen Buche, welches in Beziehung auf ven
Mofaismus dem Pentateuch nachftehen muß, unter dem Einfluße einer
aud dem Perftfchen entlehnten Vorſtellung gefchrieben worben ifl. Wenn
nun auch) dieſes Buch in Einigem abweichende Anflchten Hat, fo iſt doch
auch die Vorftelung von Gott, wie fie ver Mofaismus varbietet, darin
enthalten. Gott hat die Welt aus ungeflaltem Wefen erichaffen (11) und
Alles georbnet, erbarmet ſich über Alles, das da ift, und haßet nichts,
was er gemacht hat, denn er hat nichts bereitet, wogegen er Haß Hätte.
Wie Fonnte etwas bleiben, menn er nicht wollte? ober erhalten werben,
was er nicht gerufen hätte? Dann beißt e8 (V. 27): Du ſchoneſt aber
Segen und Fluch des Menſchen. Top und Unfterblichkeit. 168
(der; denn fie find dein, Herr, du Liebhaber des Lebens, und
ein unvergänglider Geiſt ift in Allen.
Der Prediger Salomo mellt ven Menfchen nicht an zu leben im
binblick auf einen Lohn oder eine Strafe in einer andern Welt. Er
ast (3. 20): Es führt Alles an einen Drt, es ift Alles von Staub
vmacht, und wird wieder zu Staub, und (7. 1): Wer weiß, was
em Menfchen nüglich ift im Leben, jo lang er lebt in feiner Eitelkeit,
velches dahinfaͤhrt, wie ein Schatten. Nicht ein Glaube, fonvern ein
Zweifel erfcheint in ven Worten (3. 21): Wer weiß, ob ber Geift des
Menichen aufwärts fahre, und der Odem des Viehes untermärtd unter
ve Erbe fahre. Dann heißt es (6): Wer Alles hat und verfteht nicht
8 zu genießen, ob er auch zwei taufend Jahre Iebte, fo hat er nimmer
keinen guten Muth: kommt es nicht Alles an Einen Ort. Selbſt
Ne Folgen des frommen und des gottlofen Lebens erfcheinen zweifelhaft,
mn er fagt (8. 13): Der Gottlofe lebet lange. Doch flieht man
ah das Gegentbeil, darum giebtd nicht Beßeres als eben und trinfen
mb fröhlich feyn (5. 17). So ſehe ih nun das für gut an, daß es
in fen, wenn man ißet und trinfet, und gutes Muths ift in aller Arbeit,
le Einer thut unter ver Sonne fein Lebenlang, das ihm Gott giebt; venn
a8 ift fein Theil. Denn welchem Menfchen Gott Neichthum und Güter
nd Gewalt giebt, daß er davon ißet und trinfet für fein Theil, und
Shih iſt in feiner Arbeit; das iſt eine Gottesgabe. Denn er benft
It viel an das elende Leben, weil Gott fein Herz erfreuet. Dieſe
ebensweife flimmt zufammen mit ver dem afigriichen Könige Sardanapal
uf das Grab gefchriebenen: IE, trinke, lebe ver Liebe, da dad Andere
ichts werth ift, verträgt fich aber fohlecht mit dem Glauben an einen
aftand wahrer Seeligkeit jenfeits, der auf den Frommen wartet. Diefer
Irediger verzweifelt daran, die Welt zu begreifen (8. 17): Und
h fah alle Werke Gottes: denn ein Menſch kann das Werf nicht finden,
is unter der Sonne geichiehet,; und je mehr ver Menſch arbeitet zu
chen, je weniger er findet. Wenn er gleich fpricht: Ich bin weiſe und
eig es; fo Fann er ed doch nicht finden (9. 2). Es begegnet Einem
ie dem Andern, dem Gerechten wie dem Gottlofen, dem Guten und
einen wie dem Unreinen, dem der opfert, wie dem, der nicht opfert.
ie e3 dem Guten gebt, fo gebt es auch dem Sünder. Wie es dem
teineinigen geht, fo geht ed auch dem, ver den Ein fürchtet. Das ift
n böjes Ding unter Allem, das unter der Sonne geſchiehet, daß es
Inem gehet wie dem Andern; daher auch das Herz der Menfchen vol
sge8 wird, und Thorbeit ift in ihrem Kerzen, dieweil fle leben; dar⸗
uw müflen fie flerben. Denn bey allen Lebendigen iſt, das
an wünſchet, nämlih Hoffnung; denn ein lebendiger Hund
3 beßer, weder ein todter Löwe. Denn die Lebenvigen wißen,
166 Segen und Fluch des Menſchen. Ton und Unfterblichkeit.
dag fie flerben werden, die Todten aber wißen nichts, fie ver-
dienen auch nichts mehr, denn ihr Gedächtniß iſt vergeßen.
Darum genieße das Leben, denn in der Hblle, da du hinführeft,
ift wever Werk, Kunft, Vernunft, noch Weisheit. Im Leben
aber liegt Alles an der Zeit und am Glück. Wenn nun verjelbe Prediger
fagt (12. 7): Der Staub muß wieder zu der Erde Eommen, wie er
geweien ift, und der Geift wieder zu Gott, ver ihn gegeben hat, und
binzufügt, ed ift Alles ganz eitel, fo ift aus dieſen Worten durchaus
fein Schluß zu ziehen auf eine perfönliche Fortdauer des Menfchen jenfeits
mit Belohnung over Beftrafung, denn ver Ausſpruch gilt von Allen, ven
Frommen fowohl, als ven Gottlofen. Zwar fagt er au (12. 13):
Laß und die Hauptfumma aller Lehre hören: Fürchte Gott und halte
feine Gebote, denn das gehöret allen Menfchen zu. Denn Gott wird alle
Werke vor Gericht bringen, das verborgen ift, es fey gut ober böfe.
Doch dürfen wir nicht an ein Gericht denken von ber Art des oben
befhriebenen, fondern wir haben hier menſchliche Anfichten neben ein-
ander mit dem Sat, daß Gott zu fürchten fen, als ver, welcher über
Alles waltet und richtet, ohne daß die einander ausſchließenden Anfichten
auszugleichen verjucht werden wäre.
In den Sprüchen Salomo's finden wir fein anvered Verhaͤltniß ange-
deutet. Daſelbſt Heißt e8 (1. 12): Lebendig verfchlingen wie die Hölle.
(3. 2): Gottes Gebote halten bringt langes Leben und gute Jahre und
Brieven. (9): Ehre den Herrn von deinem Gut und von den Erftlingen
alles deines Einkommens, fo werden beine Scheunen voll werben, und
beine Kelter mit Moft übergehen. (5. 5): Ihre Füße laufen zum Top
Binunter, und ihre Gänge erlangen die Hölle, fie gehet nicht ſtracks auf
dem Wege des Lebens. (5. 23): Er wird flerben, daß er ſich nicht
will ziehen laßen. (7, 23): Die Strafe ver Zucht ift ein Weg des
Lebens. (7. 27): Ihr Haus find Wege zur Hölle, da man hinunter
fährt in des Todes Kummer. (8): Weisheit führt zum Leben, ihr Haß
zum Ted, (15): Der Weg des Lebens geht überwärts, Flug zu wachen,
auf daß man meide vie Shlle unterwärtd. (23): Du Haueft ihn mit ver
Ruthe, aber du erretteft feine Seele von der Hölle. (27): Hölle und
Berberbniß werden nimmer vol, und (80): Die Holle wird nicht fatt,
Seltfam Ehnnte der Ausſpruch fcheinen (28. 17): Ein Menfch, ver am
Blut einer Seele Unrecht that, ver wird nicht erhalten, ob er auch in
bie Hölle führe, Doch der Sinn dieſer Stelle ift Ieicht zu erkennen, und
lautet dahin, daß, wenn ſich auch ver Verbrecher in die Tiefen ver Erden
verſtecken wollte, er Feine Sicherheit finden würde,
Zur Zeit ver Maccabäer hatten die Kinder Ifrael bereits fo viele
Berührungen mit andern Völkern gehabt und ver Mofaismus war fo oft
und fo ſchwer erichättert werben, daß eine ernfte Erneuerung eine fehwere
Segen und Fluch des Menjhen. Tod und Unfterblichkeit. 167
Aufgabe war, die aber, weil vie Religion ganz und gar mit vem Beftehen
des Volks in feiner Selbſtſtändigkeit zufammenhieng, gelingen Eonnte.
Aus dieſer Zeit ver Wiederherftelung aber werden mehrere Wunder
berichtet, und die Anfichten über ven Zuſtand nah dem Tode fcheinen für
die Annahme einer Belohnung over Beſtrafung jenſeits zu fprechen. Der
alte Maccabäus fagt (II. 6. 26): Was habe ich davon, wenn ich ſchon
jest ver Menſchen Strafe entflöhe; weil ich Gottes Händen, -ich fey
lebendig oder todt, nicht entfliehen mag. Als er gemartert ward, fagte
er (7. 9): Du verfluchter Menſch, vu nimmſt mir wohl daß zeitliche
Keben; aber der Herr aller Welt wird uns, die wir um feines
Geſetzes willen flerben, aufermeden zu einem ewigen Leben. Daß
diefe Anſicht aber eine wirkliche leibliche Wiedererweckung meint, gebt
bervor aus dem, was er weiter fagt (V. 11): Diefe Gliedmaßen hat mir
Gott vom Simmel gegeben, darum will ich fie gerne fahren laßen, um
jeine8 Geſetzes willen, denn ich hoffe, er werde mir's wohl wieber
geben. (B. 14): Da er aber fterben wollte, ſprach er: Daß ift ein großer
Troft, daß wir hoffen, wenn und die Menfchen erwürgen, daß und Gott
wird wieder auferweden; vu aber wirft nicht auferwedet werben zum
Leben. Die Mutter der fleben Brüder, die gemartert wurden, fprach (B.22):
sh bin ja eure Mutter und habe euch geboren; aber den Odem und das
Leben babe ich euch nicht gegeben, noch eure Gliedmaßen alſo gemacht.
Darum fo wird der, der die Welt und alle Menfchen geichaffen hat, euch
den Odem und das Leben gnädiglich wiedergeben, wie ihr es jegt um
jeine8 Geſetzes willen waget und fahren laßet, und ferner (B. 28): Du
mein liebes Kind, ſiehe an Himmel und Erve, und Alles, was darinnen
iſt; dieß hat Gott Alles aus nichts gemacht, und wir Menfchen find audh
jo gemacht. Darum fürdte dich nicht vor dem Henker, ſondern ftirh
gerne, wie beine Brüder, daß dich der gnädige Gott fammt deinen Brüdern
wieder lebendig made, und mir wieder gebe. Der Jüngling aber
ſprach zu dem Tyrannen (DB. 36): Meine Brüder, die eine Eleine Zeit
fi) Haben martern laſſen, vie warten jetzt deö ewigen Lebens nach ver Ver-
heißung Gottes. Du aber ſollſt nach dem Urtheil Gottes geftraft werben,
wie du mit deinem Hochmuth verdient hafl. ALS Judas Maccabäus den
Edomiten⸗Feldherrn Gorgias gefchlagen hatte, und feine Todten beftatten
wollte, fand man an dielen unter dem Hemde Kleinovien von den Güben
aus Jamnia, welches ven Juden im Gefeß verboten ift (12. 40). Da
warb es offenbar vor Jedermann, warum dieſe erichlagen wären. Da
dankten fie Gott, dem gerechten Richter, ver das SHeimliche fo an ven
Tag gebracht Hatte; und baten ihn, er wolle ja um dieſer Sünde willen
fie nicht Alle vertilgen. Und Judas vermahnte fie und hieß fie darnach
eine Steuer zufammen legen; vie fchidte er nach Ierufalem zum Sünd⸗
spfer. Und that wohl und fein daran, daß er von der Auferftehung
268 Segen und Blu des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit.
eine Erinnerung that, denn wo er nicht gehofft hätte, daß
pie fo erfhlagen waren, würden auferfleben;-wäre e8 ver
geblih und eine Thorheit gewefen, für die Todten zu bitten.
Meil er aber bevachte, daß die, fo im rechten Glauben flerben,
Freude und Seligfeit zu boffen haben; ift e8 eine gute und heilige Mei-
nung gewejen. Darum bat er auch für viefe Todten gebeten, daß ihnen
bie Sünde vergeben würte. Der eifrige Jude Rhazis ward von Nicanor
in einem Thurm bevrängt (Kap. 14), und wollte fich Lieber erftechen, als
In Feindes Hand fallen, traf fi aber nicht recht, und flürzte ſich hinab
und rannte auf einen hoben Belfen. Und da er gar verblutet Hatte,
nahm er nod) die Därme aus dem Leibe, und warf fie unter vie Kriegs-
knechte, und rief zu Gott, ver über Leben und Geift Serr ift, er wollte
ihm dies Alles wieder geben; und er flarb alſo. Hier ſehen wir in allen
Ausprüden vie Anficht, daß, wer nicht im rechten Glauben ftirbt, Feine
Hpffnung auf Wiedererwachung hegen kann, daß aber ver Fromme einft
leiblich wieder auferftchen wird vom Tode, einen Kohn over eine Strafe
währenn des Todes fehen wir daneben nicht angenommen. Im Bude
Hiob ft die nämliche Anficht mit klaren und beflimmten Worten
ausgefprochen (19. 25): Ih weiß, daß mein Erldfer Iebet; und
er wird mich bernady aus der Erde auferweden; und werde darnach
mit dieſer meiner Haut umgeben werden, und werde in meinem Fleiſch
Gott ſehen. Denfelben werde ich mir fehen, und meine Augen werden
ibn ſchauen, und fein Bremder Auf viele Lehre find auch die
Morte zu beziehen, welche wir im Buche Tobias Iefen (2. 17): Wir
find Kinder der Heiflgen, und warten auf ein Leben, welches Gott geben
wird denen, fo im Glauben ſtark und feft bleiben vor ihm. *)
*) In dem Chriftenthume ift die Lehre von der Auferfiehung bes Fleiſches eine
duch Chriſti Auferfiehung, welche als die Bürgfchaft dafür anzufehen
ift, feftftehende, und ohne fie würde das jüngfte Bericht nach vorgängigem
Aufenthalt der Seelen im Himmel oder in der Hölle ein vergebliches
feyn, wenn man nämlich folche Myfterien mit dem menfchlichen Begriffe
von Gottes Allwißenheit und Gerechtigkeit in Cinflang bringen wollte.
Denn wie fünnte, würden wir unferer Begriffsweife nach fügen müßen,
wie könnte der allwißende und allgerechte Gott eine Seele in die Hölle
floßen, die es nicht verdient, und eine in den Himmel aufnehmen, bie
deßen nicht würdig wäre. Wozu aber, wenn bereits alle Gerechtigkeit
geübt, wenn aller Lohn und alle Strafe bereits nach Gebühr ertheilt
wäre, wozu denn noch ein jüngftes Gericht, welches ja nichts mehr zu
richten fände. So muß nothgedrungen der Verſtand in diefer Sache
fprechen, welcher freilich niemals als ausreichend in Religionsmpyfterien
gelten Tann. Was aber aus den Seelen wird bis zu jenem großen Tag
der Auferſtehung des Fleiſches, lehrt das neue Teflament uns nicht, denn
nur Lucas erzählt (Kap, 33), daß Chriſtus zu einem der beiden Mörber,
Segen und Fluch des Menichen. Tod und Unfterblichkeit. 169
Im fünften Buch Mofe, welches die moſaiſche Gottes » Gefeßgebung
wiederholt, Heißt es im Abſchiedsſegen des ſterbenden Mofe (33. 2): Der
bie mit ihm gefreuzigt wurden (nnd von welchen der Eine den Heiland
läfterte, der Andere aber diefen mit Worten ftrafte, und zu Jeſu fagte:
Herr, gedenfe an mich, wenn du in dein Reich fommft), die Worte fpradh:
Wahrlich, ich fage dir, Heute wirft du mit mir im Paradieſe fein. Diefes
it nun freilich eine gewichtige Stelle, die wir aber mit der Auferftes
hungslehre nicht vereinigen fünnen. Freilich fagt Lucas von fi, daß er
nach Hörenfagen und Aufzeichnungen fchreibe, und bemerft dabei nicht,
daß der heilige Geiſt ihn treibe oder ihm beiftehe (was aber freilich ohne
fein Wißen gefchehen feyn Fünnte), fonbern daß er fhreibe, weil er ſelbſt
es für gut angefehen. Dem Lucas aber widerfpricht Matthäus geradezu,
denn er erzählt (Rap. 27), daß auch die beiden Mörder, welche mit
Chriſtus gefreuzigt wurben, ihn fchmähten. Eben fo fagt Marcus (Kap. 15):
Und die mit ihm gefreuzigt waren, ſchmähten ihn au. Johannes aber
fhreibt bloß (Kay. 19): Allda Freuzigten fie ihn, und mit ihm ziveen
Andere zu beiden Seiten, Jeſum aber mitten inne. Diefer unlösbare
Miderfpruch in der Meberlieferung ift von der höchften Wichtigkeit, weil
er eine der wichtigften, ja man fünnte wohl fagen, bie wichtigfle der
chriſtlichen Religionslehren betrifft, denn was könnte wichtiger feyn, als
ein Auffchluß über das Loos der Menfchenfeele vor dem jüngften Bericht
nach der Auferflehung des Fleiſches, welche Iebtere nun einmal unwan⸗
delbar feft ſteht durch Chriſti Auferfiehung, der die Hölle, d. i. den
Tod, beflegte, und jene verbürgte. Denn Alles, was durch Ghriftus
geſchah, follte eben die Menfchen erlöfen und durch den Glauben retten,
fals der Menſch Chriſtus nachfolgen wollte, d. 5. leben, wie der Hei:
land in fih das Mufter auffiellte. Wäre das nicht, fo konnte ja Bott
erfcheinen, wie er fonft erfihienen war und fich offenbart hatte. Daß er
aber das menfchliche Leben von Kindheit an bis zum vollen Mannesalter
durchlebte mit der vollen Menfchennatur neben ber göttlichen, Tann von
uns nur begriffen werden, wenn wir annehmen, fein Leben follte für bie
Menſchen die wahre Lehre eines gerechten und gottgefälligen Lebens ent:
halten, fo daß, wer nicht lebt nach Chriſti Vorbild, eben fein wahrer
Chriſt und Glaͤubiger if, und daß das chriftliche Leben den chriftlichen
Glauben beftätigen muß, da der Glaube ohne ein foldjes Fein wahrer
Vebendiger Glanbe feyn kann. Doc um wieder zur Auferftehungslehre
zurüdzufommen, fo muß noch bemerft werden, daß nicht alle Juden an
biefelbe glaubten, daß aber diefelbe als ein Hauptartikel des hriftlichen
Blaubens von den Apofteln angefehen ward. In der Apoftelgefchichte
fagt Petrus (2. 24): Den Gott auferwedet und aufgelöfet die Schmerzen
des Todes, nachdem es unmöglich war, daß er follte von ihm gehalten
werden, und fo fpricht auch Petrus weiterhin. Bon Paulus aber erzählt
bie Apoftelgefchichte (23), wie er ſich vor dem Rath zu Ierufalem vers
theibigte, wo es heißt: Als aber Paulus wußte, daß ein Theil Sad⸗
ducäer war, und der andere Theil Pharifäer, rief er im Rath: Ihr
Männer, lieben Brüder, ich bin ein Pharifäer, und eines Pharifäers
Sohn; ich werde angeklagt um der Hoffnung und Anferfte
170 Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblidkeit.
Herr ift von Sinai gefommen, und iſt ihnen aufgegangen von Seir; er
ift bervorgebrochen von dem Berge Paran, und ift ‚gefommen mit viel
taufend Heiligen; zu feiner rechten Hand ift ein feuriged Geſetz an fie.
Wie hat er die Leute fo lieb! Alle feine Heiligen find in deiner Hand;
fie werben ſich fegen zu deinen Füßen, und werben lernen von veinen
Worten. Diefe Angabe flimmt nicht überein mit dem, was in den andern
Büchern des Pentateuch gelehrt wird, weldde von taufend Heiligen, bie
zugleih mit Gott erfchienen waren, nichtd melden, und nichts enthalten,
was zur Deutung diefer Worte dienen koͤnnte. Diejelben auf ein Leben
der Frommen im Sinmel, oder auf einen Auferfiehungsglauben zu deuten,
dürfen wir uns nicht erlauben, weil eine ſolche Erklärung nur eine will-
fürliche feyn würde. Das erfle Buch Mofe bietet einen Fall dar, welcher
eben fo der Erklärung, wenn fie mit dem Moſaismus übereinftimmen fol,
widerſteht. Don ven frommen Henoch nämlih wird erzählt (5. 24):
Dieweil er ein gdttliched Leben führte, nahm ihn Gott hinweg und ward
nicht mehr gefehen. Man Tann viefes Verſchwinden Henoch's mit dem
bung willen der Todten. — Die Sadducäder fagen, es fey
Feine Auferſtehung, noch Engel, noch Geiſt; die Phariſäer
aber befennen Beides. Wir ſehen alſo hier eine große Verſchie⸗
denheit in dem Glauben und in ber Auffaffung der göttlichen Dinge.
Sa, daß die Gottesläugnung felbit unter den Kindern Iſrael nicht uner:
hört war, lehrt uns der Pſalmiſt, welcher (53. 2) fagt: Die Thoren
fprechen in ihrem Herzen: Es ift fein Bott. Uebrigens iſt noch ein
Bericht des Matthäus in Betreff der Auferſtehungslehre leider abgebrochen
und unverfländlich. Er fagt nämlich (27): Jeſus verfchien, und die Erbe
erbebte, und die Felſen zerrißen, und die Gräber thaten fih auf, und
fanden auf viele Leiber der Heiligen, die da fchliefen. Und giengen aus
den Gräbern nach feiner Auferfiehung, und famen in bie heilige Stabt
und erfchienen Vielen. Wohl wäre es wünfchenswerth für uns, zu erfah-
ten, was aus dieſen Auferflandenen geworden fey, da fpäterhin nie mehr
die Rede von ihnen if. Doch Matthäus fchweigt und die übrigen Evan-
gelien erwähnen biefer wichtigen und für uns fo dunfeln Sache gar nicht.
Wiewohl die vier Evangelien auch nicht in allen Einzelnheiten der Erſchei⸗
nnng Chriſti nach der Auferfiehung genau übereinflimmen, fo lautet ihre
Erzählung doch beflimmt dahin, daß Chriftus vollfommen Teiblich erfchie-
nen fey; wie aber das Leben der Menjchen einft nach ihrer Auferflehung
feyn wird, bat uns Gott nicht offenbart, und wir wißen nur, daß fie
nicht mehr freien werben, wie es heißt, fonft aber nichts. Wäre es nicht
vermeßen, in ſolchen dem menfchlichen Verſtande unbegreiflichen und
undurchbringlichen Myfterien aus Andeutungen der heiligen Schrift einen
Schluß zu ziehen, fo möchte man glauben, daß nur die Heiligen, d. h. die
Släubigen, welche die Gebote Gottes gehalten haben und nie von Bott
und feinen Geboten abgefallen find, das ewige Leben behalten werben
nach der Auferftehung, daß aber die Sünder und Abtrünnigen dem ewigen
Tode Hingegeben werben nach dem jüngflen Gerichte.
Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit. 171
bed Propheten Elia vergleihen, muß e8 aber als ein Wunder unerflärt
laßen. Auch daß Elia einft wieder Eommen fol, läßt ſich nicht auf eine,
ſchon zu jener Zeit verbreitete Auferftehungslehre beziehen, denn er bilvet
eine Ausnahme, und Gott thut Wunder fowohl durch ihn, als mit ihm.
Bei dem Propheten Daniel aber, dem Oberſten ver Sternfeber, wie er
genannt wird, in dem Exil ſehen wir die Auferftehungsanflcht deutlich
ausgedrüdt. Ihm ſagt der Engel (12. 13): Tu aber, Daniel, gebe
bin, bis das Ende komme; und ruhe, daß du auferfteheft in deinem
Theil am Ende der Tage.
Wenn nun die mofaifche Gotteslehre von ver Lnfterblichfeit ver
Seele jchweigt, und „vie Propheten nur von der Hölle, ald dem Orte der
Todten, fprechen, wie Iefaia (38. 10): Nun muß ich zur Höllen Pforten
fahren, da meine Zeit aus iſt;“ und wir ferner erft in einer fpätern
Zeit vie Lebenshoffnung nach dem Tode auf eine Auferftehung des Fleiſches
gegründet fehen, fo fragt e8 fi, ob man ven Tod als eine ſolche Ver-
nichtung angeſehen babe, daß auch nicht eine Schattenfeele übrig blieb,
wie wir fie z. B. im griehifchen Hades in der Homeriſchen Odyſſee
erbliden. Geravezu Laßt fih ein folder Glauben nicht behaupten, es
ſpricht aber fo viel dafür, dag wir ihn wahrfcheinlich finden koͤnnen.
Schon der Umftand, daß bei allen Völkern, vie einige Religion ent-
wickelten, ein mehr over minder hervortretender Glaube an bie Geifter
ver Verſtorbenen flattfinvet, läßt uns bei den Semiten einen ſolchen eher
wahrſcheinlich al8 unmahrjcheinlich finden, und muß und verhindern, in
die Spuren, die wir von vemfelben zu entdecken vermögen, Miptrauen
zu feßen. Doch betrachten wir zuerft ihre Anficht von ven Todten, und die
Gebräuche, die ihm galten. Der Todte verunreinigte (Mofe IV. 19. 14).
Daher Iautete das Gefeh: Wer in die Hütte gehet (worin Einer flirbt),
und Alles, was in der Hütte ift, fol unrein ſeyn fleben Tage. Und
alles offene Geräthe, das Feinen Dedel noch Band hat, ift unrein. Auch
wer anrühret auf dem Belve einen Erichlagenen mit dem Schwerbt, oder
einen Todten, oder eines Menfchen Bein over Grab, der ift unrein fieben
age. So follen fie nun für ven Unreinen nehmen die Afche des verbrannten
Sündopferd (nämlich ver röthlichen Kuh), und fließendes Waßer darauf
thun in ein Gefäß. Und ein reiner Mann fol Yſop nehmen, und ins
Waßer tunfen, und die Hütte befprengen, und alle Geräthe, und alle
Seelen, die varinnen find; alfo auch ver eines Todten Bein, over Erſchla⸗
genen, oder Todten, oder Grab angerühret hat. Es fol aber ver Reine
den Unreinen am dritten und flebenten Tage befprengen, und fol feine
Kleider waſchen und fi im Waßer baven, fo wird er am Abend rein.
Als die Zeit der Todtentrauer giebt dad Buch Jeſus Sirach (22. 13)
fieben Tage an, und fagt (38. 16): Wenn Einer flirbt, fo beweine ihn,
und Elage ihn, als fey dir großes Leid geſchehen, und verhülle feinen
1723 Segen und Sluch des Menſchen. Top und Unfterblichkeit.
Leib gebührlicher Weile, und beflatte ihn ehrlich zum Grabe. Du ſollſt
bitterlich weinen und herzlich betrübt feyn, und Leid tragen. (Daß man
Opfer in ver Krankheit brachte im Hinbli auf ven Tod, ift ebenpafelbft
B.9 m. flag. zu lefen: Wenn du Frank bift, bitte den Herrn, fo wird
er dich gefund machen. Laß von ver Sünde und reinige dein Herz von
aller Mißethat. Opfere füßen Geruch und Semmel zum Gedenkopfer; und
gieb ein fettes Opfer, als müßeft du davon. Darnach laß ven Arzt zu
dir.) Die Zrift von fleben Tagen galt nicht für Höhere, denn von Jakob,
welcher jedoch nach ägyptifher Art im Tode behandelt ward, heißt es
(Moſe I. 50), daß er vierzig Tage balfamirt und fiebenzig Tage beweint
ward, worauf er in das Erbbegräbnig Abraham's begraben ward. Aaron
der Hohepriefter warb dreißig Tage bemeint .(Mofe IV. 20. 28), und
die Kinder Ifrael beweinten Mofe ebenfalls dreißig Tage (Moje V. 34. 8).
Die Trauer war beſonders mit äußeren Zeichen des Schmerzes verbunden,
3. B. dem Zerreißen der Kleider. (Mofe I. 37.) Als Ruben feinen Bruder
Joſeph vermißte, zerriß er fein Kleid, und als man Jakob den angeblichen
Tod feines Sohnes Joſeph meldete, zerriß er fein Kleid und legte einen
Sad um feine Lenden, und trug Leid um ihn lange Zeit, und ſprach:
Ih werde mit Leid hinunterfahren in die Grube zu meinem Sohne.
Jeſaia (16. 6) befchreibt die Trauer alfo: Beide, Große und Kleine, follen
in diefem Lande flerben, und nicht begraben noch beflaget werden, und
Niemand wird ſich über fie zerrigen noch kahl machen. Und
man wird auch nicht unter fie Brod austheilen über der Klage,
fie zu tröften über ver Leiche; und ihnen auch nicht aus dem Troſtbecher
zu trinken geben über Vater und Mutter. Daß auch das Antlig bei der
Trauer verhält warb, feheint der Prophet Ezechiel zu fagen (24. 16):
Du Menſchenkind, flehe, ich will dir deiner Augen Luft nehmen durch
eine Plage. Aber du ſollſt nicht Elngen, noch weinen. Seimlich magft
bu feufzen, aber keine Todtenklage führen; ſondern du ſollſt veinen
Schmuck anlegen, und deine Schuhe anziehen. Du follf deinen
Mund nicht verhüllen, und nicht das Trauerbrod eßen. Und
da ich des Morgens früh zum Volk rebete, flarb mir zu Abend mein
Weib. Und ich that des andern Morgens, wie mir befohlen war. (Das
Trauerbrod aber verunreinigte, wie wir bei dem Propheten Hofen [9. 4]
lefen: Ihr Dpfer fol ſeyn, wie ver Betrübten Brod, an welchem Alle
unrein werden, die davon eBen.) Daß dad Weinen und Klagen fehr
heftig gewefen fein müße, erfehen wir aus dem Buch Baruch, wo es
(6. 31) von den heinnifchen Prieftern Heißt, fle heulen und fchreien
vor ihren Goͤtzen, wie man pflegt in ver Todten Begängnifen. (Im
dritten Buch Mofe 19. VB. 28 heißt es: Ihr ſollt Fein Mal um einen
Todten an euerm Leibe reißen, noch Buchftaben an euch pfegen.) Drückte
man durch ſolche Schmerzäußerungen die Trauer um ben Verluft auß,
Segen und Fluch des Menfchen. Tod und Unfterblidhkeit. 173
fo feheint es doch auch, man habe ven Todten damit ehren wollen, und dieſem
wurden Opfer bargebracht; denn wir leſen im Bud Baruch (6. 26)
vie Worte: Wie man dem Todten Opfer vorfegt; und im Buche Sirach
(30. 18): Wie die Speife, fo man bei eines Tobten Grab fehet.
Dem Todten Opfer bringen und Speife hinſetzen, ift ein 3.8. bei
ven Römern beobachteter Brauch, und hängt bei ihnen mit dem Glauben
an die Fortdauer der Seele in der Unterwelt zufammen, und eben fo
hatten die Griechen Todtenopfer aus dem nämlichen Grunde Wie vie
Kinder Iſrael zu einem folchen Brauch hätten kommen Tonnen, wenn
ifnen der Todte jchlechterdings nur Staub ver Verweſung war, ift nicht
u begreifen. Daß Samuel’8 Geift durch die Zauberkunft des Weibes zu
Endor aus ber Gruft fleigt und Saul's Geſchick verkündet, koͤnnte man
unter die Wunder rechnen, da er ein Mann Gottes war; aber ohne einen
Glauben an Geifter ver DVerflorbenen würde Saul wohl nicht zur Nekro⸗
mantie feine Zuflucht genommen haben. Diefem nächtlichen Gebiete des
Geifterreiche® der Todten gehören zumeift die Gefpenfte an, und von dem
Blauben an ſolche und an fchredhaften Spuf, haben wir ein Zeugniß
in dem Buch ver Weisheit Salomo's (17. 3), wo es heißt: Sie wurden
durch Gefpenfte erichredet. Da war ein Getöne um fie ber, und ſcheuß⸗
liche Larven erfchienen. Das Gaukelwerk ver ſchwarzen Kunft lag darnieder,
denn bie ſich unterwunden, die Furcht und Schredniß von ven kranken
Seelen zu treiben, wurben felbft Frank. Die aber, fo zugleich dieſelbige
Nacht Tchliefen (welche eine gräuliche, und eine rechte Nacht, und aus
der gräulichen Hölle Winkel gefommen war), wurden Etliche durch grau⸗
ſame Gefpenfter umgetrieben. in nächtliches Gebiet des Unheimlichen
mit ſchreckhaften Ericheinungen wird auch angedeutet im Buch Barudy
(4. 35), wenn es beißt: Denn ein Zeuer wird uber fie Eommen von
dem Ewigen viele Tage lang, und Teufel werven ihre Wohnung in ihr
haben Iange Zeit. Freilich werben in viefem Buche ebendaſelbſt (V. 7)
die heidniſchen Goͤtzen auch Teufel genannt in den Worten: Denn ihr
habt nen, ver euch erſchaffen bat, entrüftet, daß ihr nicht Bott, fondern
den Zeufeln geopfert habt. Da aber im ferhöten Kapitel dieſer Schrift
über die Goͤtzen, als todte Werke ver Menfchenhand, gefpotiet wird, fo
muß dort unter ven Teufeln ein fchredhafter Spuk, nicht aber dürfen
biefe Goͤtzen darunter verfianden werden. Leider erfahren wir aber wenig
von dem femitifchen Glauben an nächtlichen Spuk und Gefpenfter, um
nur einigermaßen zu erkennen, wie weit er fidy erſtreckte. Bei Jeſaia
ſteht (34. 14): Da werden unter einander laufen Marver und Igel,
und ein Pelbteufel wird dem andern begegnen, der Kobold wird auch
daſelbſt Herbergen und feine Ruhe daſelbſt finden. Der Feldteufel (air),
eigentlich der Zottige nach ber Bedeutung des bebräifchen Worts, daher
auch ver Bor fo (nämlich sair) heißt, warb ſchon im dritten Buche Mofe
174 Segen und Fluch des Menſchen. Ton und Unfterblichkeit.
(17. 7) erwähnt, wo es heißt: Sie follen mit nidhten ihre Opfer bin-
fort ven Felpteufeln opfern. Auch das zweite Buch ver Chronik erwähnt
ihrer (11. 15): Er ftiftete ihm aber Priefter zu den Höhen, und zu
den Felvteufeln, und Kälbern, die er machen lief. Man kann demnad)
diefe von Luther Feldteufel (und Jeſaia 13. 21 Feldgeiſter) genannten
Wefen, die, wie es in ver let genannten Stelle heißt, hüpfen, nicht
wohl anders ald mit Opfern verehrte Gottheiten betrachten, die, wenn .
die Chronik ſich genau ausbrüdt, ihre Priefter hatten. Der Kobolo aber
ift ein naͤchtlicher Spuk, denn was Luther fo überfegt, beißt im Hebräi-
ſchen Lilith, von dem Worte lail, die Naht. Ihr Wirken muß gefpen-
fliger Art geweſen feyn, doch wißen wir nichts Näheres darüber: Ift nun
fol ein nächtliche Gebiet ded Spuks vorhanden, und erhält der Todte
Opfer und Speife, fo läßt fich dies nicht anders erklären, ald daß man
Geifter. ver Todten annahm. Aber ſolche Fönnen in einem Zuſtande gevacht
feyn, der weit von dem bed wirklichen Lebens entfernt ift, ohne Freunde,
wie ohne Leid, Schatten, die zwar gefpenftiich wirken Eönnen, wie man
ed in Griechenland und Rom glaubte, die aber doch höchft trauriger Art
find, wovon die Homeriſche Odyſſee eine Anfchauung giebt. Ein folcher
Zuſtand nad dem Leben Eonnte nicht als eine Fortſetzuug des Lebens,
wonach der Menſch allezeit begehrt hat, gelten, fondern der Tod mußte
ihm traurig erfcheinen, weil er ſich vie gewünfcdhte und gefannte Lebens-
füle nur im blühenden Leibe denken Eonnte, fo daß die Art, wie im
Alten Teftament vom Tode, als der gänzlichen Lebensvernichtung, gefprochen
wird, nicht befremden Tann, und eben ſo wenig, daß man zu dem Glauben
einer Auferftehung des Fleiſches neigte, ſobald fich derſelbe gebilvet hatte,
denn ohne eine ſolche glaubte der Menfch eines Lebens nicht genießen zu
fönnen. Einen höheren Lohn, als ein folches neues. Leben im Leibe,
vermochte man für den Frommen nicht zu finden, und beßen zu ent⸗
behren und ewig tobt zu ſeyn ohne eine ſolche Wiedererweckung, war bie
arge Strafe der Gottlofen, außer ven Züchtigungen, die fie felbft auf
Erven für ihre Uebelthaten erfuhren, oder welche die Ihrigen trafen.
175
Schöpfung.
Außer der Schoͤpfungsgeſchichte im erften Kapitel des erften Buches
Mofe, haben wir keine Weberlieferung über die Anfichten der Semiten
von der Erfchaffung und Bildung der Welt, abgerechnet zwei fpäte Bruch-
ſtücke, welche theils ganz falſch, theild willkürlich zuſammengeklittert finv.
Sie folgen in den Anmerkungen, da fie Faum irgend einer Betrachtung
werth find. Die mofaifche Schoͤpfungsgeſchichte lautet: Am Anfang fchuf
Gott Himmel und Erde. Und die Erde war mwüfte und leer, und e8
war finfter auf der Tiefe, und der Geift Gottes ſchwebete auf dem Waßer.
(Ehe alfo Gott Himmel und Erbe gefchaffen, war Erde und Waßer
eine wüfte Maffe und zwar fo, daß das Waßer die Erde überflutete. Die
Anficht, aus dem Waßer fey die geordnete Welt hervorgegangen, finbet
fih auch bei ven riechen, weldje ven Dfeanos zum Urvater der Götter
machen; und einen Meergott Proteus, d. i. den Erften nannten.)
Und Gott ſprach: Es werde Licht. Und ed ward Licht. Und Gott
fah, daß das Licht gut war. Da fhied Gott das Licht von ver Finfter-
niß. Und nannte das Licht Tag, und die Finfternig Naht. Da ward
aus Abend und Morgen der erfle Tag.
(Daß vor der Erſchaffung der geordneten Welt der wüſte Urſtoff
in Dunkelheit und Naht gehüllt fey, und daß die Schöpfung mit dem
Licht beginne, ift eine dem menfchlichen Geifte jo natürliche Anfchauungs-
weife, daß eine andere Anficht über die Schöpfung, wenn wir ihr begeg-
neten, und nothwendig in Verwunderung fehen müßte. Die Heſtodiſche
Theogonie läßt auch aus dem Chaos die Nacht entftehen, und aus diefer
ven Tag, fo daß alſo auch dieſe Schöpfung eigentlih mit vem Tage
beginnt. In den aͤgyptiſchen Herrſcherperioden ſteht Phthah, ver Patäfe
des Tages, an der Spike und ihm folgt der Sonnengott in der Herrichaft
(während Andere den Sonnengott voranftellten), doch ift dieſes verhält-
nigmäßig fpät erfunden, weil Phthah nicht urfprünglich Agyptifch if, von
einer urfprünglich aͤgyptiſchen Anſicht aber über die Schbpfung wißen wir
durchaus nichts. Daß Helios der Sonnengott fpäter geboren wird, flimmt
mit der mofaifhen Schöpfungsgefchichte in fo fern überein, als auch fie
das Licht und ven aus Licht und Dunkelheit beftehennen Tag zuerft
erfchaffen laͤßt, und Sonne, Mond und Sterne erft nachher. Wie ſon⸗
verbar dieſe Trennung des Lichts von der Sonne und ericheinen mag, fie
bat nun einmal Statt gefunden, und die riehtige Erkennung vieler Idee
ft für die Mythologie wichtig. Auch die fpätere orphiſche Lehre ſtellt
den Phanes, d. i. ven Scheinenven, Leuchtenden, aljo das Licht, ald eine
176 * Schöpfung.
hohe Gottheit voran, vermifcht ihn aber freilih mit Dionyfos, ver ihr
Gott der Sonne war, in dem alle wahre Mythologie durcheinander wir-
renden Berfahren, die früher vertheilten göttlichen Thätigkeiten und
Meienheiten immer auf eine Gottheit zu häufen, wobei fie aber immer
im Materiellen ſtecken blieb und nie zu der Einheit Gottes, als des Geiftes,
der für fih ſeyend, alle Materie beberricht und Ienkt, gelangte, fo daß vie
orphifche Lehre, wie fle in ven Weihgebeten und ven erhaltenen Bruch
ftüden fih uns zeigt, tief unter ver mofaifchen Offenbarung von Gott
ftehbt, fo daß man bei den Griechen die reinere Idee von Gott nicht bei
den Orphifern und eben fo wenig bei den Neuplatonifern fuchen varf,
fondern fie am erften finden kann in ver Anficht vom Walten des Zeus
in manchem fehönen Ausfpruch ihrer worzüglichften Dichter.)
Und Gott ſprach: Es werde eine Feſte zwifchen den Waßern; und
die ſey ein Unterfchien zwifchen ven Waßern. Da machte Bott vie Feſte,
und fchied dad Waßer unter der Feſte von dem Waßer über ver Feſte.
Und e8 geſchah alfo. Und Gott nannte die Feſte Himmel. Da ward
aus Abend und Morgen der andere Tag.
(Eben ſo giebt die Heſiodiſche Theogonie, nachdem fie die Erzeugung
des Tags gemeldet, zunächft an, vie Erde habe ven Himmel geboren.)
Und Gott ſprach: Es fammle fi) das Waßer unter dem Simmel
an befonvere Derter, daß man das Trockene fehe. Und es geſchah alſo.
Und Gott nannte dad Trodene Erde, und die Sammlung der Waßer
nannie er Meer. Und Gott ſah, daß es gut war. Und Gott ſprach:
Es Tape vie Erde aufgehen Gras und Kraut, das ſich beſame; und frucht-
bare Bäume, da ein jeglicher nach feiner Art Frucht trage, und babe
feinen eigenen Samen bei ſich ſelbſt auf Erben. Und es geichab alſo.
Und die Erde lieg aufgehen Grad und Kraut, dad fich befamete, ein
jegliches nach feiner Art; und Bäume, die da Früchte trugen, und
ihren eigenen Samen bei fi} hatten, ein jegliches nach feiner Art. Und
Gott ſah, daß es gut war. Da ward aus Abend und Morgen ver
dritte Tag. *
(Da die Heſtodiſche Theogonie die Erfchaffung ver Gewächfe nicht
enthält, und dem Zwecke dieſes Lehrgebichts gemäß nicht enthalten Eonnte,
fo faͤllt diefer Theil bei einer Vergleichung weg. Doch im Mebrigen findet
noch einige Uebereinftiimmung in dem britten Schöpfungswerfe Gtatt.
Denn nachdem bie Erde den Himmel geboren, gebiert fie das Meer, alfo
erft ward ber Tag geichaffen, zweitens der Himmel, brittens das Meer.)
Und Gott ſprach: Es werben Lichter an der Feſte des Himmels, die
da ſcheiden Tag und Nacht, und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre.
Und feyen Lichter an der Feſte des Himmels, daß fie fiheinen auf Erden.
Und e8 geſchah aljo. Und Gott machte zwei große Lichter, ein großes
Licht, dad den Tag regiere, und ein Fleined Licht, dad die Nacht zegiere,
Schbpfung. 177
dazu auch Sterne. Und Gott fegte fie an die Befte des Himmels, daß
fie fchienen auf die Erde, und ven Tag und die Nacht regiereten, und
ſchieden Licht und Finſterniß. Und Bott fah, daß es gut war. Da ward
aus Abend und Morgen der vierte Tag.
(Deutlicher als bier kann es nicht audgefprochen ſeyn, daß das Licht
Hoder der Tag von der Sonne unabhängig aufgefaßt ward, und baß es
mithin in ver Mythologie eine Lichtgottheit geben Tann, bie neben dem
eigentlichen Sonnengotte fteht, und der man einen weiteren Umfang bes
Wirkens fogar als dem Sonnengotte zutheilen Eonnte. In ver Heſtodiſchen
Theogonie gebiert die Erde dem Simmel die Titanen und die Titaninnen,
welche, betrachtet man die Reihenfolge, zum dritten Theile der Abftam-
mungen gehören. Die Titanin Theia aber geblert den Helios, vie Selene,
und die Eos, d. i. Sonne, Mond und Morgenröthe, fo daß aljo ein
eigenthümliches Zufammentreffen auch bier Sonne und Mond in die vierte
Reihe ftellt.)
Am fünften Tage fhuf dann Gott die Waßerthiere und die Vögel
and am fechsten alle Arten Vieh, Gewürm und Thiere auf Erven, und
dann ſchuf er ven Menfchen, zu herrichen über die Erbe, ihm zum Bilde,
und er ſchuf fle ein Männlein und Präulein. Um fiebenten Tage aber
ruhte Gott von jeinen Werfen und heiligte ven Tag. Alſo ift Simmel
und Erbe geworben, da fie geichaffen find, zu der Zeit, da Gott ver Herr
Erde und Himmel machte; und allerlei Bäume auf dem Felde, und
allerlei Kraut auf dem Felde, das zuvor nie gemachlen war. Denn Gott
der Herr hatte noch nicht regnen lagen auf Erden, und war kein Menſch,
ver das Land bauete. Aber ein Nebel ging auf von der Erde, und
feuchtete alles Land.
( Daß dieſes mit der Schüpfungsgeichichte ver ſechs Tage nicht in
einem und begreiflihen Einklang ftehe, fo wenig, als das Folgende,
leuchtet auf den erften Blick ein.)
Und Gott zer Herr machte ven Menſchen aus einem Erdenkloß, und
er blies ihm ein ven lebendigen Odem in feine Nafe. Und alfo ward
der Menſch eine lebendige Seele. Und Gott pflanzte einen Garten in
Even gegen Morgen, und ließ wachjen allerlei Bäume, luſtig anzujehen
und gut zu efen, und den Baum des Lebens mitten im Garten (in
Aegypten war die Perſea ein Lebendbaum), und ven Baum des Erfennt-
niſſes Gutes und Boͤſes. Und Gott fette den Menichen barein, daß er
bauete und bewahrete, und gebot ihm: Du foNft efien von allerlei Bäu-
men im Garten. Uber von dem Baum des Grfenntnipes Gutes und
Boſes ſollſt du nicht eBen; denn welches Tages du davon ißeſt, wirft bu
des Todes fierben. Und Gott ſprach: Es ift nicht gut, daß der Menſch
allein ſey; ich will ihm eine Gehülfin machen, die um ihn fey. Da ließ
Gott einen tiefen Schlaf fallen auf ven Menfchen, und nahm feiner Rip:
IV. 12
178 Schöpfung.
pen eine, und ſchloß die Stätte zu mit Fleiſch, und bauete ein Weib aus
der Rippe. Da ſprach der Menfch: Das ift doch Bein von meinen Beinen,
und Fleiſch von meinem Fleiſch. Und fie waren beide nadend, der Menich
und fein Weib, und fchämeten fi) nicht. Die liftige Schlange aber ver-
führte das Weib, von dem Baum des Erfenntniped Gutes und Böſes zu
een, und fie aß und gab ihrem Manne auch davon. Da wurden ihre
Augen aufgetban und fie wurden gewahr, daß fie nadend waren, und
flochten Feigenblätter zufaımmen und machten ihnen Schürze. Da verfluchte
Gott die Schlange und verhängte dem Weibe, mit Schmerzen zu gebähren
und dem Manne untertban zu feyn; dem Manne aber verhängte er, ven
Lebensunterhalt dem Boden mit Mühe abzugewinnen, und fprach: Siehe,
Adam ift geworben ald Unſer einer, und weiß, was gut und böſe ift.
Nun aber, daß er nicht ausftrede feine Hand, und breche auch von dem
Baume des Lebens, und eße und Iebe ewiglich; va Ließ ihn Gott der Herr
aus dem Garten Ehen, daß er das Feld bauete, davon er genommen ifl.
Diefe Ueberlieferungen ftehen im Widerſpruche mit einander, man
müßte denn annehmen, die zweite Nachricht von der Erfchaffung des Men-
fchen fey die Ausführung ver zuerft nur andeutend dieſe Erfchaffung im
Allgemeinen angebenden. DBergleihen wir damit die griechifche Nach⸗
riht von der Erſchaffung des Menfchen, und von dem Grunde ber
menfchlichen Leiden und Mühſale, fo ergiebt ſich eine mejentliche Ueber⸗
einftimmung, denn aus Erde bildet Prometheus, d. i. nie Weisheit, bie
Menſchen, die ebenfalls durch die Erfenntnig unglüdlich werben, denn
Prometheus raubt für fie dad Teuer, wodurch fie ver Künfte theilhaft
werben und deu Naturzuftand verlaßen. Alſo fpricht es die Bibel glei
wie die griechiiche Sage aus, der eigentliche Naturzufland ohne Erweckung
und Uebung ver geiftigen Kräfte fey allein geeignet geweſen, ven Menfchen
vor dem Elend und dem Jammer zu bewahren als ein Stand der Unſchuld.
(Breilih flimmen damit die Worte der erften biblifhen Erzählung, daß
Gott den Menichen nach feinem Bilde und über die Erve zu bereichen
erfchaffen Habe, nicht überein.) Wie in ver Bibel durch das Weib das
Uebel in die Welt kommt, fo auch in der griechiihen Sage; denn Zeus
läßt durch den Hephäftos die Pandora bilden aus Erbe, vie dann von
den Göttern auf das berrlichfte audgeftattet wird, und läßt dieſe dann zu
Prometheus führen, um ihn für ven Beuerraub auf dieſe Weile zu ftrafen.
Do ver Weile nimmt Pandora nicht an, wohl aber fein Bruder Epime-
theus, d. i. Nachbedacht, wo fie den Dedel vom Faße nahm (gewöhnlid
faͤlſchlich das Oeffnen ver Panporabüchfe genannt), aus welchen alle Lei-
den berausfuhren, um fortan die Welt heimzuſuchen, und nur die ‚Hoff
nung war noch in dem Faße, ald es wieder mit dem Deckel verichloffen
ward, fo daß demnach die Welt vol Leiden ift und obendrein vie Hoffnung
feblt auf ein Beßerwerben.
Schoͤpfung. | 179
Das Weib erfcheint vergeftalt als Duell aller Uebel in biefen An⸗
ſichten und in gleicher Weife die Erfenntnig und Geiſtesbildung oder die
fogenannte Civiliſation. Warum man dem Weihe viefe traurige Rolle
zugetheilt hat, laͤßt ſich mit Gewißheit nicht jagen; es fcheint aber, daß
man neben der Idee von der Fruchtbarkeit als einem Segen, doch auch
vie Anftcht Hatte, daß durch Die Fortpflanzung Noth und Leiden ſich häu⸗
fen, und daß nur der von Weib und Kind und verwandtfchaftlichen Ban-
ven freie thieriſch hinlebende Menich leidlos fein Dafein hinbringen koͤnne
ohne Leivenfchaften, Sorgen und Nöthen. Daß Eva einen Apfel gegeben,
wie es gewöhnlich heißt, flimmt gar nicht mit den Worten per Bibel
überein, denn der Apfel bat gar nicht die Bedeutung der Erkenntniß des
Guten und Böſen, fondern den ver Liebe, und würde ber Apfel zur
Urfache des Boͤſen in der Welt gemacht, fo würde dieſes unter dieſem
Sinnbilvde geradezu von ver Liebe und der Fortpflanzung bergeleitet, was
aber keineswegs durch die Worte ver Genefld gerechtfertigt wird. Was
ver Baum der Erfenntniß des Guten und DBöfen für Brüchte getragen,
fonnen wir nicht beftimmen, und wer nicht anninımt, daß viefe biblifche Erzäh-
lung aus göttlicher Offenbarung ſtammt, kann in dem Baume diefer Erkennt
niß nichts weiter als einen bilvlichen Ausdruck für die Sache felbft fehen.
Den Glauben und die Neligiondgebräudhe der femitiihen Volks⸗
flämme, ver Babylonier, Afiyrer, Syrer, Phöniker, Philiftäer, Kananniten,
Siraeliten vor der Mofaifchen Offenbarung und Gefebgebung, und der
Araber, um ed bei den allgemein gültigen und bekannten Benennungen
bewenden zu Iafien, lernen wir nur durch fparfame Nachrichten kennen,
da Feine Schriften und Feine genügenden ſonſtigen Denkmäler viefer Völker
auf uns gelangt find. Selbft die Münzen, welche uns einige Auskunft,
wenn auch freilich nur eine geringe geben koͤnnten, find aus verhältniß-
mäßig fo fpäten Zeiten, daß ihre bürftige Belehrung nur won untergeord⸗
netem Werthe feyn Fann. Unter ven fchriftlichen Hülfsmitteln find vie
griechifchen Schriftfteller nebft dem Alten Teftamente zwar von hohem
Werthe; aber wir erfahren durch fie vie Dinge, welche wir wißen möch⸗
ten, immer nur in einem geringen Maaße, und zwei Hülfsmittel, Sanchu⸗
niathbon und Berofus, find ganz und gar fchlechte Machwerfe, von Betrü-
gern untergefchoben in fehr fpäter Zeit, welchen Betrügern beſondere
Kenntniße zuzuſchreiben, eine willfürliche Meinung ift, die fih nur auf
Belieben, nicht auf Beweife fügen kann. Wir lernen bei den femitifchen
Stämmen eine große Lebendmutter Eennen, die alle Leben giebt und
ernährt, und in deren Eult die Fortpflanzung der hervortretendfte Zug ift.
Da der Menſch immer fein Auge zum Himmel wandte, ald dem Sige ber
Gottheit over der Gottheiten, fo ift fie die Simmeldfönigin, und neben
ihr Iernen wir den Simmelsfönig unter dem Namen ded Herrn fchlecht-
weg, alfo vorzugsweiſe des Herren, wie auch fie vie Herrin heißt, fennen.
12*8
180 | Schöpfung.
Ferner erfahren wir von einem Yiebling ver Xebendmutter, einem ſchönen
Jünglinge, welcher ihr Gatte ift und ihr durch gewaltfamen Tod geraubt
wird, jedoch jedes Jahr wieder zum Leben erwacht. Daran Enüpft fich
ein Trauer» und ein Breubencult, welcher das alljährlicde Abſterben ver
blühenden Natur und das aljährlide Wiederaufblühen verfelben feiert.
Sogar von einem Sohne der großen Lebendmutter erhalten wir Nachricht,
welcher Gatte der eigenen Mutter if. Daneben tritt vie Gottheit des
Lichts hervor, die täglich die Zeit erdffnend mit der Sonne von Oſten
nach Weſten fchifft, unter deren Macht das werdende Leben an das Kicht
tritt und welde, die Zeit ſchaffend, allem die Lebenszeit giebt. Diefe
Unfihten bilden den Kern des femitifchen Gottesglaubens, welcher als
Naturreligion dad Leben zum Sauptgegenftande hatte. Durch die aftro-
nomifchen Kenntniße ver Chaldäer bildete ſich im Laufe ver Zeit Die
Aftrologie aus, und ein Glauben an ven Einfluß ver Sterne auf das
Schickſal ver Menſchen, fowie auf die Erde. Man gab den Planeten vie
Namen der vorhandenen Naturgottheiten, und fo mußte natürlich ver
Stern des Gottes ebenfald dem Menfchen als göttlich ericheinen, doch
hörte dadurch vie Gottheit nicht auf, ganz und gar das zu feyn, was fie
vorher war, und gleich wie früher verehrt zu werben. Don einem Gter-
nenbienft gieng die femitifche Religion nicht aus, und ging niemald in
einen folchen auf, fondern er war nur ein aus Aftronomie und Aftrologie
herſtammender Zufaß, der ihr durch vie Ehalväer zu Theil warb und ven
Cult nicht änderte. Erft im fünften Buche des Pentateuch, mad wohl zu
beachten ift, erfahren wir von Anbetung der Sterne. Es heißt daſelbſt
(4. 15), fie follen fih feine Bilder machen, noch Vieh, noch Vogel, noch
Gewürm, noh Bil, Daß fie auch nicht anbeten Sonne, Mond und
Sterne. Berner (17. 3) — nicht anbetet, e8 jey Sonne oder Mond, oder
irgend ein Heer des Himmels. Das Buch, welches ven Namen der Weid-
heit Salomo’8 führt, fagt von ven Abgdttifchen (13. 2): Sie halten das
Feuer, oder Wind, over ſchnelle Luft, ober die Sterne, oder mächtiges
Waßer, oder die Lichter am Himmel, die die Welt regieren (alfo Sonne
und Mond), für Götter. Weder dad Buch ver Richter, noch vie Bücher
Samuelis erwähnen einer Anbetung ver Sterne, aber im zweiten Buche
der Könige (17.16) heißt es, daß die Kinder Ifrael zwei gegofiene Kälber
machten, alle Heere des Himmels anbeteten und Baal dienten. Berner
meldet diefed Buch (23. 5): Joſia that ab vie Näucherer ver Sonne und
ded Mondes und der Planeten und alles Heers am Himmel, nachdem es
von Manafje (21. 1) gebeißen: Er betete allerlei Heer am Himmel an
und bauete allen Heeren am Himmel Altäre in beiven Höfen des Herrn.
Dieſes beftätigt auch das zweite Buch der Chronif (33. 3). Auch ver
Prophet Jeremia (8. 2) erwähnt der Anbetung von Sonne, Mond und
allen Heer des Himmels; und bei dem Propheten Amos (5. 26) leſen
Schöpfung. 181
wir von den Kindern Iſrael gefagt: Ihr trugt (in ver Wüfte) ven
Sichuth, eueren König, und den Chiun, euer Bild, den Stern eurer
Götter, weldden ihr euch ſelbſt gemacht hattet.
Griechen und Römer nahmen ebenfalls Götternamen für die Plane»
ten an, aber ohne allen Einfluß auf ven Glauben und Cult, und fo ift
auch viefer Chalväismus, wie man aus der Verehrung der Götter und
ven Beften erfteht, bei ven Semiten nicht weiter als ein fchwacher und
unwefentlicher Zufag geblieben, ver, ald längft vie Religion beſtand, aus
Aftrongmie hervorkeimte und nicht die geriugfte Umbildung in der Reli—
gion bewirkte. Selbft ver Mond galt immer nur als Zeitmaaß, und die
Jehovahdiener feierten ebenfalls in biefer Hinficht die Neumonde, und biefe
Art ven Anbetung finvet immer noch bei ihnen Statt.
Lieſt man von Bdtterbildern, welche einzelne Säuptlinge im Noma—
venzuftande oder auch fonft hatten, und von den Einzelculten verfelben in
alter Zeit, fo ift nichts vorhanden, was und berechtigte, andere Gottheiten
oder andere Eulte darunter zu vermuthen, ald welche ven femitifchen
Stämmen im Allgemeinen eigen waren. So erzählt das erfte Buch Moſe
(31. 3): Rahel ftahl ihres Vaters Laban Götzen, und er befchmwerte fich
(8. 30): Warum haft du mir meine Götter geftohlen? Berner leſen mir
dafelhft von Jakob (35. 2): Da ſprach Jakob zu feinem Haufe und zu
Allen, die mit ihm waren: Thut von euch die fremden’ Götter, fo unter
euch find, und reiniget euch und ändert euere Kleider. Da gaben fie ihm
alle fremden Götter und ihre Ohrenſpangen, und er vergrub fle unter
einer Eiche, die neben Sichem fland. Auch fpäter finden wir den Cult
Einzelner genannt, wie es z. B. im erften Buche ver Könige (15. 13) von
König Afla Heißt: Er fehte feine Mutter Micha ab vom Amte, das fie
dem Miplezeth (dieſes Wort muß eine allgemeine Benennung der heibni-
ſchen Gsttheiten ſeyn, wofür fih aber nur das Wort palaz zur Ableitung
darbietet, und wenn ed daher käme, müßte es den Schredlichen bezeichnen)
gemacht hatte im Gain, und rottete aus ihren Miplezeth und verbrannte
ihn tm Bach Kidron.
MWefentlich aber von diefer Naturreligion unterfcheivet fich Die foge-
nannte Offenbarung Gottes, die den Kindern Ifrael, als fie aus Aegypten
auswanderten, zu Theil ward.
In dem Meofaismus allein, fonft in Feiner alten Religion, findet fich
die Anſicht von dem alleinigen Gott, der perfünlich vie Welt fchafft und
regiert, und neben welchem allmächtigen und allwißenden Geifte ed Teinen
andern Geift oder Gott giebt, denn nur den Menfchen hat er gottähnlich
geichaffen aug Erve, zu der er wieder werben muß, andere gottähnliche
Weſen oder Geifter hat er nicht erfchaffen. Diefer Gott ift zwar fcheinbar
ein Nationalgott der Kinder Ifrael, wenn es aber außer ihm feinen Gott
giebt, fo Fann die ganze Welt, wie er fie aus wüſter Mafle zu geordne⸗
182 Schöpfung.
tem Weſen gefchaffen bat, auch nur von ihm, deßen Macht ſich über Alles
erfirect, regiert werben, und fo iſt e8 ein Gott ver ganzen Welt. Die
Sprache der moſaiſchen Schriften ift dem Faßungsvermoͤgen derer, welche
diefe Offenbarung empfangen follten, gemäß, und laͤßt durch manche Aus⸗
drücke Gott, bei aller von ihm gemelveten Größe, manchmal menfchlicher
erfcheinen, als e8 dem allgewaltigen, allwißenden Geiſte angemeßen fchei-
nen mag; doch thut dies der hoben reinen Lehre, welche unter den Reli-
gignen einzig bafteht, Teinen Eintrag. Ob viefer Gott Elohim oder Jeho⸗
vah over der Herr Zebaoth genannt wird, ift völlig gleichgültig, denn ver
Name thut nichtd zur Sache. Mofe nennt ihn (I. 24. 2) den Gott des
Simmeld und der Erde, und Gott fagt (II. 19. 5): Die ganze Erve iſt
mein. Im vierten Buch (27. 16) beißt er ver Herr, der Gott über
alles lebendige Fleiſch, und im fünften Buch (4. 39) leſen wir:
dag der Serr ein Gott ift oben im Simmel und unten auf Erden, und
feiner mehr, und (32.30): Sehet ihr nun, daß ich ed allein bin, und ift
fein Gott neben mir; und vorher (B. 21) jagt Gott von ven Kindern
Iſrael: Sie haben mich gereizet an dem, das nicht Gott iſt (nimlich durch
Abgdtterei). Stetd werden im Moſaismus vie Götter der Heiden als
bloße todte Bilder behandelt. Wir lefen z. B. in ven Pfalmen (96. 4):
Der Herr ift groß, wunderbarlich über alle Gdtter, denn alle Götter ver
Dölker find Bdben, aber der Herr hat ven Simmel gemacht, und (97. 7):
Betet ihn an alle Götter, Du bift fehr erhöhet über alle Götter. Dap
alle dieſe Götter, welche hier fcheinbar als wirflliche, wenn auch geringere
genannt werben, von dem Pfalmiften nicht fo angefehen werben, ergiebt
fih aus ven Worten (185. 5 und 15): daß der Herr groß ift, und unfer
Herr vor allen Göttern; ver Heiden Göken find Silber und Gold, von
Menſchenhänden gemacht. Aehnlich heißt es (86): Herr, es ift dir Feiner
gleih unter ven Göttern, und ift Niemand, ver thun kann, wie vu. Alle
Heiden, die du gemacht haft, werben kommen, und vor bir anbeten und
beinen Namen ehren, daß vu fo groß bit, und Wunber thuft, und
allein Gott bift. Berner beißt es (90. 1): Herr Gott, vu bift unfere
Zuflucht für und für. Ehe venn die Berge geworben, und die Erbe und
die Welt gefchaffen wurben, bift du, Gott, von Ewigfeit zu Ewig
fett. Der du die Menfchen Täßeft fterben und fprihft: Kommt wieder,
Menfchenfinder. Und (102, 25): Mein Gott, nimm mich nicht weg in
ver Hälfte meiner Tage. Deine Jahre währen für und für. Du haft
vorher die Erde gegründet, und die Himmel find veiner Hände Werk.
Sie werden vergehen, aber du bleibefl. Sie werben alle veralten, wie
ein Gewand; fle werden verwandelt, wie ein Kleid, wenn du fle verwan⸗
peln wirft. Du aber bleibeft, wie du biſt, und deine Jahre nehmen fein
Ende. Man muß übrigens den Ausdruck Götter nicht jevesmal von Göt«
seyn im heidniſchen Sinne verftehen, denn es werben darunter auch vie
Shdpfung. 183
unter den Menfchen am höchflen Stehenven verftanden. Deutlich erfleht
man dies 3. DB. aus einem Pfalm (82), wo es beißt: Gott fleht in ver
Gemeine Gottes, und ift Nichter unter ven Göttern. Ich habe wohl
gefagt: Ihr ſeyd Götter, und alzumal Kinder des Hoͤchſten, aber ihr
werdet flerben, wie Menichen, und wie ein Tyrann zu Grunde gehen.
Eben fo in einem andern Pſalm (138): Ich danke dir von ganzem Herzen,
vor den Göttern will ich dir Iobjingen. Ich will anbeten zu deinem hei-
ligen Tempel; und (136): Danket dem Gott aller Gdtter, dem Herrn
aller Herren. Eine andere Bedeutung liegt auch nicht in den Worten
(Mofe V. 10. 17): Euer Gott ift ein Gott aller Götter, und Herr über
ale Herren. Auch wenn Jethro, als er von Mofe hörte, wie ed ven
Yegyptern ergangen war, fagt (II. 18. 11): Nun weiß ich, daß ver Herr
größer ift, denn ale Götter, darum daß fie Hochmuth an ihnen geübet
haben ; fo find darunter die Menichen zu verflehen, auf veren Befehl die
Kinder Ifrael übermüthig behandelt wurden. Daß bey den Kindern Ifrael
die Priefter Götter hießen, erjehen wir aus ven Worten (Mofe II. 21):
Spricht ein Knecht: Ich habe meinen Herrn lieb, und will nicht frei wer-
den; fo bringe ihn fein Herr vor die Götter (d. i. die Richter), und halte
ihn an die Thür over Pfoften, und bohre ihm mit einem Pfriem durch
jein Ohr; und er fey fein Knecht ewig. (22. 9): Wo Einer ven Andern
ſchuldiget um einigerlei Unrecht, fo fol Beider Suche vor die Gdtter fom-
men. Welchen vie Gdtter verbammen, ver fol e3 zweifältig feinem Näch-
ften wiedergeben. Eben fo (VB. 28): Den Göttern folft vu nicht fluchen,
und den Oberften in veinem Volk nicht Läftern. Der Mofaisınus Fannte
fchlechterdingd nur einen Gott, von dem alles Gute ald Segen, alles
Böſe als Strafe ausgeht, neben dem es weder einen guten noch böfen
Geift, weder von einer höheren noch geringeren Art giebt, jo daß niemals
eine reinere Lehre von Gott vorgebracht worden ift.*) Die Alleinigfeit
*) Das im Mofaismus Gott, wenn auch bilvlos, doch perfünlich gefaßt ift,
kann ihm nicht zum Vorwurf gereichen, da Alles, was wir als ein Etwas
in unferem Geifte anfchauen oder denken, eine Wefenheit und Perfünlidy-
feit gewinnt, weil wir aus diefer Bedingung unferes Denkens und unferer
Vorſtellungen nicht herausfchreiten Fünnen. Unfer Geift vermag nicht ganz
von bem Etwas zu abftrahiren, und felbft das, was wir das Nichts nennen,
ift feine vollfommene Abſtraction; denn wir verneinen nur damit das
Etwas, und dies bleibt als das wahre Subftrat des Nichts der weſentlichſte
Theil unferer Borftellung, die es wegzuſetzen beftrebt ift, aber nicht ſelbſt
während dieſer Thätigfeit vernichten oder ganz entfernen Fann. Die
Schulphilofophieen, welche fich viel mit dem Nichts zu fchaffen machen,
haben darum auch etwas recht Spaßhaftes, wenn fie ſich bemühen, zu einer
Abftraction zu gelangen, wozu der menſchliche Geift unfähig if; denn
ihre Arbeit gleicht in dieſem Falle genau der Arbeit Münchhauſens, als
er fich feld am eigenen Zupf aus dem Sumpfe 309.
184 Schöpfung.
der Gottheit aber zu erfaßen und viefen reinen Gedanken feftzuhalten, fiel
den Kinvern Iſrael ſchwer, weßhalb fie fo oft in das Heidenthum ver-
fielen. Sie hielten naͤmlich neben Gott die Gdtter der Keinen auch für
wirkliche Gottheiten und nahmen fie daneben an, jo daß fle Gott und vie
beinnifchen Goͤtzen zufammen verehrten. Ezechiel fagt (23. 39): Da fie
ihre Kinder ven Goͤtzen geſchlachtet hatten, giengen ſie beflelbigen Tages
in mein Heiligthum. Im Sinne vieler Vermiſchung ſetzt der König
Manaſſe einen Haingdgen in das Haus des Herrn (Könige II. Eap. 21);
und bei Zephanja (1.5) heißt eg: Sie ſchwoͤren bei vem Herrn und zugleich
bei Malchom. Wenn es im zweiten Buche ver Chronik heißt (20. 33),
die Höhen feyen unter dem gotteöfürdgtigen Joſaphat noch nicht abgethan
worden, der doch Höhen und Haine zu entfernen fuchte, weil das Volk
fein Herz noch nicht zu dem Gott ihrer Väter geſchickt hatte, fo ſieht man,
wie ſchwer es hielt, ven Glauben au andere Gottheiten neben Gott zu
verbannen. Fuͤhrte doch ſelbſt ver weile Salomo in feinem Alter Goͤtzen
neben Gott ein.
Erſte Abtbeilung.
Baal oder Bel.
Der Name Baal bezeichnet im Semitifchen den Herrn, und mit die⸗
jem ehrenden Namen benannte man ven höchften Gott. Selbft Jehovah
ward von den Kindern Ifrael mitunter Baal genannt, denn wir leſen bei
dem Propheten Hoſea (2. 16): Alsdann, fpricht der Herr, wirft du mich
beigen mein Mann; und mich nicht mehr mein Baal heifen. Denn ich
wi die Namen der Baalim von ihrem Munde wegthun, daß man der⸗
jelbigen Namen nicht mehr gevenfen fol. Oefters bedient fih das alte.
Teftament der Mehrzahl Baalim, wie auch ver Mehrzahl Aſtharoth, und
nennt nicht felten beide als höchfte Gottheiten. Daß Baal eine Hauptgott-
heit der femitifchen Heiden war, welche unter den Kindern Iſrael und in
ihrer Nähe wohnten, geht daraus hervor, daß viele, wenn fie zum Heiden⸗
thum abfielen, felbigen Gott verehrten. Das erfle Buch ver Könige
(16. 32 und 22. 34),gxmähnt den Baalsdienſt zu Samaria, fowie das
zweite (13. 6) den Hain zu Samaria, weldyer wahrfcheinlich dieſem Gott
gehörte, denn auch ver Kain wird ald Gegenftand des Götzendienſtes
genannt, wie es im Buche ver Richter (2) heißt, fie hätten nach Joſua's
und feiner Zeitgenofien Tode ven Baalim gebient, ferner ven Baalim
und Aftbaroth und (3) Baalim und ven Hainen. Dafelbft (6. 30) wird
auch ein Altar Baal’ und ein Hain dabei genannt. Als eine Hauptgott⸗
heit nennt ihn dieſes Buch (10. 6) mit ven Worten: Sie vieneten Baalim
und Aftaroth, und den Goͤttern zu Syrien und zu Zidon u. ſ. w., wo
alſo Baal und Aftaroth hervorgehoben werden. Manafle, Hiskia's Sohn,
machte dem Baal Altäre und Haine (Buch der Könige I. 21 und Chro-
nit II. 23. 3). Joſia that ab die Räucherer des Baal (vaſelbſt 23. 5).
Ahas machte gegoßene Bilder Baalim (Chronik I. 28), der gottedfürdhtige
Joſaphat aber hatte das Haus Baal's zu Ierufalem zerftört (daſ. 23. 17),
Athalja und ihre Shhne jedoch Alles, was zum Haufe des Herrn geheiligt
war, an Baalin vermacht. Bei folchen allgemeinen Angaben bleibt das
Alte Teftament ftehen, ohne und zu benachrichtigen, welche befonvere Gott-
heit in Baal verehrt ward, und ohne die Verehrung felbft mehr im Ein-
zelnen anzugeben, fo daß wir aus biefen Schriften nur erfahren, vieler
Gott habe Altäre und Haine gehabt, und es ſey ihm geräuchert worden.
(Sofea 2. 13.) Die Tage Baalim, denen fie Näuchopfer thut. Im Buch
Baruch (6. 40) leſen wir nur noch: Wenn fle einen Stummen jehen,
bringen fle den zum Bel, und fagen, er ſolle ihn anrufen; ſolches aber
kann von jeder Gottheit gefagt werben. Die Apokryphen des Alten Tefta-
ments enthalten zwar ein Stüd, welches vom Bel zu Babel handelt, doch
188 Baal oder Bel.
ergiebt fi aus dieſer Erzählung nichts Näheres über die Gottheit felbft.
Es heißt: Cyrus, des Aftyages Nachfolger, herrfchte zu Babylon, wo man
den Abgott Bel Hatte; dem mußte man täglich opfern zwölf Malter Wai-
zen und vierzig Schafe, und drei Eimer Wein. Und ver König dienete
dem Abgott felbft, und gieng täglich hinab, venfelben anzubeten. Es waren
aber ihrer flebenzig Priefter des Bels, ohne ihre Weiber und Kinder.
Unter ven Apofryphen befindet fich auch ein Stüd, welches vom Drachen
zu Babel handelt, und Folgendes erzählt:
Es war ein großer Dradje, den vie zu Babel anbeteten. Uno ver
König ſprach zu Daniel: Wie? wilft du von dem auch fagen, daß er
nichts, denn ein eherner Goͤtze ſey? Siehe, er lebet ja; denn er ißet und
trinfet; und Eannft nicht fagen, daß er nicht ein lebendiger Gott fey.
Aber Daniel antwortete: Erlaube mir, fo will ich dieſen Drachen um-
bringen ohne einiges Schwerdt over Stange. Und der König erlaubte es.
Da nahm Daniel Pech, Fettes und Haare, und kochte es unter einander,
und machte Küchlein daraus, und warf ed dem Drachen ind Maul; und
der Drache berftete davon mitten entzwei. Da nun die zu Babel folches
hörten, machten fie einen Aufruhr wider ven König, und er mußte ihnen
den Daniel übergeben, und fie warfen ihn zu ven Xöwen in den Graben,
und ed waren fleben Loͤwen im Graben, denen gab man täglich zween
Menſchen und zwei Schafe. Aber viefe Tage gab man ihnen nichts, auf
daß fle Daniel freßen follten, doch Gott erbielt ihn, und am flebenten
Tage befreite ihn ver König aus dem Graben. Wir koͤnnen zwar nicht
errathen, wem die heilige Schlange zu Babylon gehörte, dürfen aber es
nicht unwahrfcheinlich finnen, daß fle vem Baal geheiligt war, wenn wir
und erinnern, daß zu Thaben in Uegypten heilige Schlangen waren, Die
zu Ammm gehörten, was durch die Schlange Aneph hinlänglich bewiefen
if. Hatte man daſelbſt auch heilige Ldwen, fo mußten auch dieſe einer
Gottheit geweiht feyn, wie wir folche in Aegypten finden, und dieſe Gott⸗
heit muß, wenn wir von Aehnlichem in Aegypten ſchließen, eine Gottheit
des Lichts ober ver Geburt (des an das Nicht Kommens), geweſen jem.
Freilich iſt Die apokryphe Schrift, welche viefe Nachrichten giebt, nicht
geeignet, um als ſichere Grundlagen folcher Annahmen zu bienen, jedoch
iſt auch nicht wohl einzufeben, zu welchen Zwecke ſolche Sachen erfunden
feyn fellten, welche ſich vecht gut mit dem in Babylon zw vermuthenven
Goͤttercult vertragen, und: welchen vie Juden durch ihre Gefangenichaft -
kennen zu lernen binlängliche Gelegenheit gehabt hatten.
Daß Baal, oder Bel, wie er zu Babnlon heißt, ver höchſte Gott
war, wißen mir durch die Griechen, welche nur ven höchflen Gott eines
Bolfes mit ihrem Zeus, dem Himmelskodnige, verglichen, und dieſe nann-
tem den Bel Zeus. Herodot (1. 184) erzählt von der Stadt Babykon:
In der Mitte beiver Stapthälften flieht ein Bau, in der einen das Königs⸗
Baal oder Bel. 189
baus, in der andern das Keiligthum ded Zeus Belos, mit ehernen Thoren.
Dieſes war noch zu fehen, und bildet ein Viereck, deßen Seiten jene zwei
Stavien Fänge haben. Mitten in viefem Heiligtum war ein Thurm,
ganz von Stein, ein Stadium lang und breit, auf dieſem ein zmeiter
Thurm, auf biefem wieder einer, fo daß acht Thürme auf einander waren.
Außen gieng um venfelben eine gewundene Treppe herum, und bat man
dieſe zur Hälfte erfliegen, jo finden fi Bänfe zum Ausruhen. Im ober-
ften Thurm ift ein großer Tempel, in welchem ein großes, ſchön zurecht-
gemachtes Bett ſteht, und daneben ein goldner Tifh. Ein Bild findet fidh
nicht darin, und Niemand übernachtet da, außer zuweilen ein einheimifches
Weib, welches ver Gott fi} ermählt hat, wie vie Chaldäer, die des Got
tes Prieſter find, erzählen. Diele erzählen auch, aber ich glaube es
nicht, ver Gott komme zuweilen in ven Tempel und fihlafe in dem Bette,
gerade mie vie Aegypter von Theben erzählen, denn auch dort fchläft ein
Weib im Tempel des Thebeſchen Zeus. Diefe beiven Weiber haben, heißt
ed, nie Umgang mit einem Manne. So wird auch die Oberpriefterin zu
Patara, wenn der Gott da ift, denn nicht immer ift vafelbft Weißagung,
Nachts in ven Tempel mit eingefchloßen. In dem Heiligthum zu Babylon
aber ift unten noch ein Tempel, worin eine große fihenvne Bilpfäule des
Gottes von Gold ift, und daneben ein großer goloner Tiſch; auch der
Stuhl und der Schemel find von Gold, und nad) der Angabe ver Ehal-
däer find dieſe Dinge achthundert Pfund Gold werth. Außerhalb des
Tempels fteht ein goldner Altar, und noch ein anderer Altar, worauf
erwachfene Thiere geopfert werden, denn auf dem goldnen bürfen nur
fäugende Thiere geopfert werden. Auf vem größeren Altar verbrennen
vie Chaldaͤer auch jährlich, wann fie das Feſt des Gottes feiern, taufend
Pfund Weihrauch. In dem Heiligthum war auch. noch zu jener Zeit
eine Bilpfäule, zwölf Ellen hoch, ganz von Gold, doch habe ich dieſelbe
nicht gefehen, und erzähle nur, was vie Chalväer erzählen. Dareioß,
Hyſtaspes Sohn, ftrebte nach dieſer Bildfäule, wagte es aber nicht, fie zu
nehmen, doch fein Sohn Xerxes nahm fie, und ließ den Priefter, welcher
die Wegnahme hindern wollte, binrichten. Außerdem find noch beſondere
Weihgeſchenke in ven Heiligthum. Diodoros der Sicilier (2. 9) berichtet.
über viefen Bau: Mitten in Babylon baute Semiramid ein Heiligthum
des Zeus, welchen vie Babylonier Belos nennen. Da die Schriftfteller
über daſſelbe nicht übereinftimmen, und es auch durch Alter verfallen ift, fo
läßt fich nichts Genaues darüber fagen. Darin flimmt man überein, daß
es über die Maaßen hoch gewefen, und daß die Ehalväer ihre Sternbeob-
achtungen daſelbſt angeftelt haben. Der ganze Bau war mit Sorgfalt
und Aufwand aus Asphalt und Ziegeln erbaut, unwhnben waren brei
Bildfäulen, aus Goln mit dem Hammer getrieben, welche ven Zeus, bie
Hera und die Rhea darftellten, von welchen bie des Zeus flehend mit
190 Baal oder Bel.
fhreitenden Beinen war, vierzig Buß lang und taufend Babnylonifche
Talente ſchwer; vie der Rhea ſaß auf einem Golofluhl, von gleichem
Gewicht, und zu ihren Knieen fanden zwei Löwen, und nabebei fehr
große filberne Schlangen, jene dreißig Talente ſchwer. Das Bild ver
Hera war ſtehend, achthunvert Talente ſchwer, und hielt mit ver Rechten
eine Schlange am Kopfe, mit ver Linken ein ſteinebeſetztes Scepter. Für
diefe alle war ein mit dem Sammer getriebener goldener Tiſch da, vierzig
Fuß lang, fünfzehn breit, fünfhunvert Talente an Gewicht, und auf dem
felben waren zwei Becher, vreißig Talente an Gewicht. Auch waren drei
goldene Krater vafelbft, von denen ver des Zeus taufend und zweihundert
Talente wog, die andern zwei jeder jechöhunvert. Die Perferfünige raub⸗
ten aber nachmald dieſe Sachen, und die Gebäude wurden durch die Zeit
theils zerftdrt, theils beſchaͤdigt. Paufaniad (1. 16. 3) meldet von dem
Könige Seleufos: Als er Seleufin am Tigris gründete und die Babylo-
nier dahin führte, ließ er vie Mauer Babylons flehen und das Helligthum
des Bel, und ließ vie Chalväer bei vemfelben wohnen. Berner (8. 33.1)
fagt er: Von Babylon ift das Heiligthum des Belos übrig, von ver Stadt
aber, welche bie Sonne als vie größte je gejehen, nichts mehr als vie
Maxer. |
Welcher Gott Baal geweſen ſey, müßen wir aus biefen wenigen
Nachrichten zu erkennen fuchen, denn ed wird nicht gemelvet. Die Grie-
hen nannten überall den höchſten Gott einen Zeus, weil diefer bei ihnen
der höchfte und ver Simmeldkönig war. Daraus nun, daß die Griechen
ven Baal Zeus nennen, dürfen oder müßen wir vielmehr fchließen, daß
er ner höchfle Gott ver Semiten war, und dieſes erhellt auch aus ver
Stelung, welche ihm in dem Alten Teſtament ertheilt wird. Daſſelbe
nennt ihn mit Aftharoth zufammen, dieſe aber war vie höchfte Göttin und
hieß Göttin des Himmels, welche Zufammenftelung fchließen Täßt, daß er
Gatte derfelben und König des Himmeld gemweien ſey. Die Ifraeliten
hätten auch ihren Iehovah nicht Baal nennen Eönnen, und doch nannten
fie ihn fo, wenn Baal nicht der hoͤchſte Gott der Heiden geweſen wäre,
da Jehova felbft dann nur von ven zum Heidenthum abfallenven Ifraeliten
vernachläßigt werden Eonnte, wenn man glaubte, in einem andern Gotte
einen gleich hohen, d. i. einen höchſten Gott zu beſitzen. Doch wir leſen
bei Jeremias (32. 36), die Ifraeliten hätten Höhen des Baal gebaut in
dem Thale Ben Hinnom, und ihre Söhne und Töchter dem Moloch ver-
brannt. Es koͤnnte nun ſcheinen, daß ver Prophet hier ven Namen des
Baal und Moloch für venfelben Gott gebraucht habe, da Moloch in vem
genannten Thale verehrt ward; aber es ift nicht wohl abzufehen, warum
er, fall8 beide PL ‚en. für ihn eine und viefelbe Gottheit bezeichnet hätten,
beide info auffallender Weife hinter einander gebrauchte, flatt zu fagen:
und opferten ihm ihre Söhne und Tochter. Doch feine Darftelung ift
Baal oder Bel. 191
auffallend, denn ein andermal (7. 31) fagt er: Und bauen vie Altäre
Thophet3 im Thale Ben Hinnom, daß fie ihre Söhne und Töchter ver-
brennen; und wieder ein anvermal (19. 5): Denn fie haben den Baal
Höhen gebauet, ihre Kinder zu verbrennen, dem Baal zu Brandopfern.
Daß viefes im Thale Ben Hinnom gefchehen feyn fol, zeigen vie folgen-
den Verſe. Daraus ſehen wir höchſtens, daß Ieremia fich nicht genau
ausprüdt und ven Baal flatt des Moloch nennt. Freilich Spätere nennen
ven Moloch Baal, und felbft ven Ares. Ben Photius (S. 559, Leben
des Iſtdoros) meldet Damasdcius, die Phoͤniker und Syrer nennen den
Kronos (Servius zur Aeneide, I. 642. fagt die Sonne) EI (v. i. Gott)
und Bel und Bolathban. Hieronymus zu Jeſaias (46) erklärt ven Bel
für Kronos, Iſidorus (8. 11) für Kronod und Sonne, GServius zur
Aeneide (I. 643 und 729) für Saturnus und Sonne; doch geben Beide
an, daß Baal in puniſcher Sprache Gott beveute; dieſes Tann aber nur
vom höchften Gott ausgehen, wie im Griechifchen dios, göttlich, vom Namen
des Zeus hergenommen ift, und das Inteinifche Wort dius, divus, nebft deus,
Bott und göttlidh, eben daher flammt. Suidas fagt: Beelphegor Phegor-
beel ift Beel Kronos, und Phegor, der Ort, wo er verehrt ward, und
eine Palmprenifche Infchrift bat die zufammengefeßten Namen Aglabelos
und Malachbelos. Johannes Antiochenfi3 aber und Suidas (im Artikel
Thuras) geben an, nad Ninos habe Thuras geherricht, welcher ven Ares
bezeichne und fehr Friegerifch geweien ſey, und vielen hätten bie Afiyrer
angebetet und Baal genannt. Aber weder Kronos noch Ares ift der Gott,
welchen man vorzugsmweife mit dem Namen Baal bezeichnete. Plinius
nennt ihn noch (6. 26) geradezu Jupiter, indem er von Babylon fagt, noch
dauere daſelbſt ver Tempel des Jupiter Belus, den er weiterhin, von dem
Steine Belusauge revend (37. 10), den heiligften und ven hehrſten Gott
ver Aſſyrer nennt; eben fo fagt Auguftinus (Jud. quaest. VII. 2. 13), Baal
fey Name des Jupiters, und Baal Samen bedeute ven Herrn des Himmels,
fowie auch lebterer Name bei Eufebius (Evangel. Vorbereitung, 1. 10)
erklärt wird, mit dem Zuſatze, bei den Hellenen fey e8 Zeus. Ent-
ſcheidend aber ift in dieſer Sache, daß die Griechen ven Baal Zeus, den
Moloch Kronos nannten, was fle nicht gethban haben würben, wäre nicht
Baal ver höchfte Gott, Moloch ein Gott der Zeit, und wären nicht Beide
von einander verfchieven geweien. Freilich da der Name dieſes höchiten
Gottes nur einen allgemeinen ehrenven Sinn ausdrückt, fo hätte er zu
jevem Namen gefeßt werben koͤnnen, fo daß ein Baal Moloch nicht ein⸗
mal fo auffallend wäre, als bei ven Griechen ver Ausdruck unterirdiſcher
Zeus für Aldes, aber wir können ein folches Verfahren nicht genügend
nachweifen, denn die wenigen Bemerkungen fpäter Schriftfteler genügen
nicht zu dieſem Zwecke.
192 Baal oder Bel.
Baal:-Sebub.
Eher Eönnten die mit Baal wirklich zufammengefügten Namen auf
andere Gottheiten als ven eigentlichen Baal zu deuten ſcheinen, die Nach-
richten über die fo benannten Götter find aber fo äußerſt bürftig, daß
über fie nichts Beftimmtes gefagt werden kann, und daß fürmahr nicht
dad Geringfte im Wege fteht, den eigentlichen Baal barin zu ſehen. So
nennt und das zweite Buch der Könige (1. 2) ven Baal-Sebub: „Und.
Ahasja fiel durch das Gitter in feinem Saale zu Samaria, und warb
krank, und fandte Boten und ſprach zu ihnen: Gehet hin und fraget Baal-
Sebub, den Gott zu Efron, ob ich von dieſer Krankheit genefen werde.”
Diefes ift der Beelzebub des Neuen Teſtaments und beveutet ven Baal
der Müden, alſo einen Mückengott (sebub heißt hebräifh vie Müde).
Natürlid muß man angenommen haben, denn der Name läßt eine andere
Erklärung gar nicht zu, daß diefer Gott der Plage dieſer Infelten wehren
fonnte, und folglih daß er fle auch fandte. Der griechiihe Zeus iſt
ebenfalls ein Apoınyios, d. i. ein Mückenwehrer, und ganz paßend ift ver
Gedanke, den Himmelsfönig anzurufen, folder Plage, die vom Himmel
gefandt zu fenn fcheint, zu wehren. Daß aber unter dem Baal- Sebub
eine befondere Form ded Baal zu. verftehen fey, ift gewiß, denn ver heid⸗
nifhe Götterdienft nimmt ftet3 jede befondere Form einer allgemeinen
Gottheit ald eine eigene PVerfünlichkeit, ohne gerade damit vie Allgemein-
heit aufzuheben, wiewohl durch dieſes Verfahren die Allgemeinheit in
einzelnen Faͤllen flarf verbunfelt ward, ja in ber griechifchen Mythologie
manchmal bis zum Unfenntlichen zurüdtrat. Ward Baal-Sebub zu Efron
verehrt, fo ward Baal doch felbft zu Samaria verehrt, venn wir lefen in
dem nämlichen Buche (3. 3), daß Ioram vie Säule des Baal zu Samaria
wegnehmen ließ, mithin glaubte Ahasja, eher einen Nath bei dem Gotte
zu Efron zu finden, als bei vem in ver Stadt, wo er wohnte.
Baal:Bernr
Ein zweiter zufammengefegter Name ift Baal Peor, von welchem
ſchon ter Pentateuch meldet, wo es im vierten Buche (31. 9 und 16)
beißt: Die Kinder Ifrael nahmen gefangen die Weiber ver Midianiter
und ihre Kinder, und Mofe warb zornig und fprah: Haben nicht dieſe
Meiber die Kinder Iſrael durch Bileams Rath abgewenvet, ſich zu ver-
fündigen am Herrn über dem Peor? Vorher heißt es (25. 1 ff.): Und
Iſrael wohnete in Sittim. Und das Volk hob an zu huren mit ver Mon-
biter Töchtern, welche luden das Volk zum Opfer ihrer Götter. Und
dad Volk aß und betete ihre Gotter an. Und Ifrael hängete ſich an ven
Baal Peor. Im fünften Buche (3. 29) heißt es: Alfo blieben wir im
Thale gegen dem Haufe Peors, und (4. 3): Alle, die dem Baal= Peor
\
Baal oder Bel. 193
folgeten, bat der Herr, dein Gott, vertilget unter eu. Im Pfalm
(106. 28) heißt ed: Und fie hiengen fih an Baal-Peor und aßen von
den Opfern der todten Gdgen. *) Auch der Prophet Hoſea (9. 10)
gedenft vefjelben, ohne irgend etwas Weiteres von ihm zu fagen. Hiero⸗
nymus aber bemerkt zu dieſer Stelle, Beelphegor, der Goͤtze der Moabi⸗
ten, fönne ein Priapus genannt werven, und man könne ihn erklären als
einen Phallifchen. Aehnlich erklärt ver June Philo den Namen von einem
Idol mit aufgefperrtem Munde, denn Beide geben von dem Namen aus
in ver Erklärung. Sp erfahren wir denn dadurch gar nichts, denn Peor
ift der Name des Berges, auf welddem ver Gott verehrt ward. Diefen
Berg nennt der Pentateuch (4. 23. 28), wo Balaf den Bileam auf bie
Höhe Peor führt, damit er den Kindern Ifrael fludhe, und unter ven
Auslegern ward auch dieſes nicht überjehen, wie wir denn noch bei Sui—
dad leſen DBeelpheor: Beel ift Kronos, Phegor ver Ort feiner Verehrung.
Es ift daher auf jene, aus der Namendeutung bergeholten Erklärungen
nichtö zu geben. In der Schrift gegen Iovinian (I. ©. 11. M. ed Erasm.)
fagt Hieronymus: Phegor bedeutet Schänplichfeit, im Hebräifchen heißt
nämlich Phegor ver Phallus oder Priapus. Wäre aber wirklich Baal-
Peor eine phalliihe Form des Baal geweien, fo wäre daran nichts zu
verwunbern, venn fo fehen wir ja in viefen Culten überall vie Idee von
Leben und Erzeugung vorberrfchen. Daß dieſer Gott auch ven Namen
Camos
gehabt habe, iſt die Anſicht des Hieronymus, indem er ſagt: Zu Nebo
‚ war Chamos der Götze, der unter anderem Namen Beelphegor heißt.
Das Alte Teftament belehrt und in nicht3 über dieſen Gott, ſondern giebt
nur an, wo er verehrt ward. Im vierten Buche Moſe (21. 29) heißt
es: Wehe dir Moab, du Volk Camos. Im Buche ver Richter (11. 24)
heißt er Gott der Ammoniter. Im erften Buche der Könige (11. 7) wird
von Salomo gejagt, er baute eine Höhe Camos, dem Gräuel der Moa⸗
biter, auf dem Berge, ver vor Ierufalem liegt, und Molech, dem Gräuel
der Ammoniter. Joſtia zerftörte dieſe (Könige II. 23. 13). Auch der
Prophet Ieremia (48. 7, 13 und 46) nennt Camos einen Gott Moabs.
Auf die Angabe des Hieronymus hin kann man nicht mit Gewißheit an⸗
nehmen, ed fey Camos wirklich ein Name des Baal Peor geweien, und
da wir die Bedeutung bed Namens nicht einmal wißen, welchen ver Jude
Philo falich erklärt, fagend, er bezeichne die Betaſtung, dad Streicheln, fo
*) Apollinarius giebt diefe Stelle in griechifchen Herametern fo wieder, ale
hätten fie Todtenopfer gegeben. Das hebräifche Wort metim aber heißt
fowohl Todte als Menfchen. Im vierten Buch Mofe (25) heißt es Opfer
ber Götter, und Todtenopfer find Feine folche,
IV. 13
194 Baal oder Bel.
vermögen wir nicht, etwas Anderes über ihn zu fagen, als e8 ſey mög-
lih, daß Camos eine befonvere Form des Baal in Moab geweſen jey,
von fo bervortretender Verehrung, daß das Alte Teftament dadurch ver-
anlaßt ward, die Moabiter dad Volk Camos zu nennen.
Unter vem Namen
Baal:Berith
nennt uns das Alte Teftament einen femitiichen Gott, von welchem fonft
feine Rede if. Im Buche ver Richter (8. 33) nämlich Heißt ed: Da
aber Giveon geftorben war, Eehreten fich die Kinder Ifrael um, und hure⸗
ten den Baalim nah, und madıten ihnen Baal Berith zum Gott. Diefer
Gideon Hatte den Altar Baal's, ver feinem Vater gehörte, zerbrochen, und
den Hain abgehauen, wovon er ven Namen Ieru=-Baal, d. i. Streite⸗
Baal, befommen hatte, wie ebendaſelbſt (Cap. 6) erzählt wird, fo daß
alfo der Gott, welcher vorzugsweiſe Baal hieß, vor Gideon verehrt ward.
Daraus läßt fich fchließen, daß die Ifraeliten zu dem verlaßenen Dienfte
nad Gideons Tod zurüdfehrten, und daß, was ohnevieß durchaus wahr:
ſcheinlich iſt, Baal⸗Berith eine Form jened Himmelskoͤnigs fey. Das
Wort berit bedeutet im Hebräiſchen den Bund, und wenn Baal davon
einen Beinamen befommen bat, fo find wir außer Stand, zu beſtimmen,
welches die DVeranlaffung dazu geweſen fey.
Mir Haben oben gefehen, daß es noch einen in dem ververbten Worte
bolathen enthaltenen zufammengejegten Namen Baal's gab, nänılich
Baal:Etan
d. i. der flarfe Baal (hebräifch heißt etan, Stärfe und flarf), von melchem
und dad Alte Teftament nichtö meldet, ver aber in einer fabelhaften Erzäh-
lung vorfommt. Photius meldet nämlich aus Kteflad (72. $ 21): Xerxes
kam vor feinem Zuge nach Griechenland nad) Babylon und begehrte das
Grab des Belitanas zu fehen, und fah es durch Mardonios; er Eonnte
aber ven Sarg nit mit Del füllen, wie auch gefchrieben fland. Aelian
in ben mannigfaltigen Geichichten (13. 3) meldet darüber: Xerres, des
Dareios Sohn, dad Grabmahl de3 alten Belos durchbrechend, fand einen
Sarg von Glas, in welchem die Leiche in Del lag. Der Sarg war aber
nicht ganz mit dem Dele angefüllt, fonvern es fehlte von dem Rande an
ohngefähr vier Finger breit. Daneben ſtand eine Eleine Säule, woranf
gefchrieben war, wer das Grabmal dffne und den Sarg nicht fülle, dem
werde ed nicht gut gehen. Als Xerreö dieſes gelefen, fürchtete er ſich,
and befahl, auf das fchnellfte Del hinein zu gießen; doch dieſes warb
mehrmals vergeblich gethban, denn ver Sarg füllte fich nicht, und Xerxes
gieng traurig weg, und war unglädlich im Kriege gegen die Hellenen; bei
Baal oder Bel. 195
feiner Rückkehr aber warb er von feinem Sohne ermordet. Strabo (16.1.
S. 738) giebt ebenfald an, es fey ein Grab des Belos zu Babylon
gewejen, das aber, wie man erzähle, von Xerxes zerftört worden fen, und
in vieredigen Pyramiden aus Backſteinen beftanden habe, ein Stadium
hoch und eben fo breit; Alexandros habe e8 wieder aufbauen wollen, ey
aber darüber geftorben, und bloß zur Aufräumung des Schuttes hätten
zehntauſend Menfchen zwei Monate lang gearbeitet. Was bier ein Grab
des Belos, eine Pyramide, die ein Stadium lang und breit war, genannt,
nennt Serodot das Heiligthum des Zeus Velos, und dieſer hat alle Glaub-
würbigfeit für fi; die Späteren aber machten, ald das Gebäuve zerftört
war, ein Grab daraus für den erpichteten König Belos, und legten deßen
Reichnam in Del, während Herodot berichtet, daß die Babylonier ſolche in
Honig gelegt hätten. Aus Kteflad aber jehen wir, daß dieſer höchſte Gott
Bel zu Babylon auch Belitana oder Belitanad hieß, und daß daher der
verderbte Namen bolathen auf viefen Gott zu bezichen ift. Die genaue
Mebereinftimmung zwijchen Herodot und Stralon in der Born und Größe
des Gebäudes, die ed nicht zuläßt, neben dem Belostempel noch eine
Pyramide anzunehmen (und eine foldhe würde Herodot nicht Üübergangen
haben, fo daß fie auch ohne dad gar nicht angenommen werben Eünnte),
zeigt und, daß wir den Gedanken an ein Grab des Baal nicht hegen
bürfen, denn wäre ein folches vorhanden gewejen in dem Thurm des
Belos, jo würde Herodot e8 bemerkt haben. Demnach giebt es, da dieſes
Brab nichts weiter ald eine ſpätere Fabelei ift, feinen Grund, in Baal
einen Gott zu vermuthen, welcher, wie Adonis, ftirbt und wieder auflebt.
Des Namend wegen wollen wir hier auch den Gott
Alagabal (Selivgabal)
betrachten in dem Wenigen, was und von ihn überliefert ift. Herodian
in dem Leben des Imperator Baſſianus, genannt SHeliogabal (Buch 5.
Kap. 3 u. ff.) erzählt: Mäfa, eine Phoniferin aus Emeſa, war Schwefter
ber Julia, der Gattin des Severus und der Mutter des Antoninus. Bet
Lebzeiten ihrer Schweſter hatte fie am Hofe gelebt, Macrinus aber fchidte
fie in ihre Heimath, wo fie ala eine fehr reiche Frau ihre Tage zubrachte.
Ihre Tochter Soämis hatte einen Sohn, den Baſſianus, die andere jüngere,
Namens Mammäa, Hatte ebenfalls einen Sohn, den Alexianus, weldje
Beide Priefter des Sonnengottes waren, ven die Keute dort hoch verehren
und auf Phönikifch Elängabal nennen. Ein fehr großer Tempel ift ihm
errichtet, mit vielem Gold und Silber gefchmüct, und prächtig von Steinen.
Und nicht allein von den Einheimifchen wird ver Gott verehrt, fondern
auch alle benachbarten Satrapen und Könige der Barbaren fchiefen wett-
eifernd alljährlich Eoftbare Weihgefchenfe. Ein Bild aber, wie bei Griechen
uud Römern, fteht nicht daſelbſt von Menſchenhand gemacht, fondern ein
\3*
196 Baal oder Bel.
fehr geoßer runder, nach oben fpig zulaufender Stein von Kegelform und
ſchwarz von Farbe Diefer fol vom Himmel gefallen ſeyn, und fie zeigen
daran einige Erhöhungen und Vertiefungen, und geben ihn für ein nicht
gearbeitetes Bild der Sonne aud. Diefem Gotte war Baſſianus gemeiht
und ald dem Xelteren lag ihm ver Dienft ob, und er trug die Barbaren
fleivung, einen goldgewirkten purpurnen Leibrock mit Aermeln, ver bis
auf pie Füße herabhieng, und eine von Gold und Purpur bunte Klei-
dung bevedte die Beine von ven Schenfeln bis auf die Zehen. Den Kopf
ſchmückte ein Kranz von Foftbaren bunten Steinen. Wann er den heiligen
Dienft verrichtete, und nad) Barbarenart um ven Altar ven Chor führte,
unter dem Klange ver Töten, Pfeifen und allerhand Inftrumenten, zog
er die Augen auf fih. Als er römifcher Imperator geworden war, trug
er die fremde Kleidung fort, die zwifchen ver phönififchen und mediſchen vie
Mitte hielt, dad römische und griedhifche Gewand, ald welches von Wolle,
einem ſchlechten Stoffe ſey, verachtend. Zu Rom errichtete er feinem
Gotte einen großen Tempel und viele Ultäre dabei, auf denen er jeven
Morgen Hekatomben von Stieren und an Schafen eine große Menge
opferte, mit vielen Aromen und Weinfpenvden. Chöre umfreißten bie
Altäre unter mannigfaltiger Muftf, und Phöniferinnen mit Cymbeln in
den Händen. Die Opfereingemweide wurden nebjt den Aromen in goldenen
Gefäßen von orientalifch gefleiveten Soldaten, welche Iinnene Schuhe wie
die phönikifchen Priefter anhatten, auf dem Kopfe getragen. Seinem
Gotte, erzählt Herodian weiter, nahm der Imperator die Pallas, welche
von Troja nah Rom gefommen war, zur Gemahlin, fowie er jelbft eine
Beftalin zur Gemahlin nahm. Dann aber, weil er viefe Friegerifche
Göttin Doch nicht paſſend für ihn fand, ließ er das Bild der Urania
fommen, welches einft Dido in Carthago geweiht haben fol. "Die Afri-
faner nennen dieſe Göttin Urania, die Phönifer Aftroarche, d. i. Stern⸗
fünigin, und halten fie für ven Mond. Sonne und Mond aber, meinte
der Imperator, paßten zufammen. Als das Bild gefommen war, und
alles Gold und Geld des Tempels dazu ald Mitgift der Göttin, ward ed
zu dem Gotte geftelt, und er ließ in Rom und Italien ein Feſt viefer
Göttervermählung feiern, und errichtete in der Vorſtadt einen fehr großen
und prächtigen Tempel, wohin er im höchften Sommer ven Gott führte
und Beitverfammlungen feierte mit Wettrennen und Theater und Nacht-
feier. Der Gott aber ward auf einem mit Gold und Ehelfteinen geſchmück⸗
ten Wagen gefahren von ſechs ganz weißen, flecdenlofen Roßen. Der
Imperator aber, welcher vie Zügel hielt, gieng vor dem Wagen, rüd-
wärts gewendet und den Gott anfchauend, und der Weg war mit Golb-
fand beftreut, und das Volk z0g auf beiden Seiten mit Fackeln, Kränze
und Blumen werfend. Affe Götterbilver und herrlichen Weihgefchenke,
ſowie aller Herrſchaftsſchmuck und alle Koftbarfeiten, ferner die Ritter
—
Baal oder Bel. 197
und das ganze Kerr begleiteten ven Zug. Nach beenvigter Feier flieg
der Imperator auf einen dazu errichteten Thurm, und warf dem Volke
Becher von Gold und Silber zu, Kleider und Zeuge, auch alle Arten
zahmer und nicht zahmer Thiere, ausgenommen Schweine, veren er ſich
nach phönififcher Sagung enthielt. Unter ven vielen Gefchenfen, vie er
für dieſe Vermählung erpreßte, waren auch zwei goldene Löwen für
die Göttin, wie Dio Cafftud über Selagabal (79. 12) melvet, fo daß
alſo damals menigftend die carthagifche Aſtaroth Lowen zum Sinn
bild hatte.
Diefe Erzählung aus einer fpäten Zeit mag im Einzelnen nicht volls
fommen zuverläfftg feyn, weil das Anekvotenartige in der Lebensgefchichte
des befchriebenen Imperator vorberricht, dennoch ift fie in Beziehung auf
ven Cult des Alagabal nicht unglaubwürdig. Daß biefer Sonnengott
geweſen, fagen auch die andern Berichterftatter der fpäten Zeit, denn wir
lefen fo bey Feſtus Avienus (1089) in ver Ueberarbeitung ver Erdbe⸗
Ihreibung des Dionyſios, bey welchem gerade bie betreffenden Verſe ver=
Ioren gegangen find, vie Emefener hätten die Sonne angebetet. Vopiscus
im Leben des Aurelian (Kap. 25) nennt auch den Gott u Palmyra
Sonnengott (eine Infchrift, die von da nach Rom Fam, bei Gruter 86,
nennt Aglibelus und Malachbelus ald väterliche Götter), und Dio Caſſtus
fimmt mit Herodian ebenfalls zufammen, ſo wie Julian in der vierten
Rede (S. 150) zu Edeſſa ven Sonnengstt nennt mit Monimos (mel-
her Hermes) und Azizos (welcher Ares fern ſoll) als ihm verbundenen
Gottheiten. Diefe beiden Beiftter bezeichnen igenfchaften der Sonne,
wie es fiheint, denn Monimos bezeichnet ven Wechfel und Azizos die
Stärfe, fo daß die Stärke und der Wechfel der Sonne damit angedeutet
feyn kann. Spät gemeldeten Nachrichten von ſolchem Inhalt ein höheres
Alterthum zuzufchreiben, bietet fi) Fein Grund dar. Römifche Infchriften
haben vie Worte Sol Alagabalus, und eine Münze Sacerdos (‘Priefter)
Solis Dei Alagabali. Diefe Zeugniße reichen aber nicht zu, um und zu
beweifen, daß Alagabal ein Gott der Sonne geweſen fey, denn die ſpä—
tere Deutung der Gottheiten gieng immer darauf aus, die Sonne und
den Mond in den Göttern und Göttinnen zu finden. Herodian belehrt .
ung nicht darüber, ob Seliogabal das angebliche Bild des Gottes aus
Emefa nah Rom brachte, oder ob er dort ein ähnliches verfertigen Tieß,
und eben fo wenig darüber, ob ver feierlich auf dem Wagen gefahrene
Gott jene Fegelfürmige Säule war. Daß nach Elagabald Tone ver Stein
nach Syrien zurüdgebracht warb, Elingt feltfam, da man fonft nie hörte,
es ſeyen nah Nom gefchaffte Götter jemals wieder zurüdgefchafft worden.
Meberhaupt ift viefe Fegelfürmige Säule ald Darftelung nur einer
femitifchen Gottheit bekannt, und dieſe ift Die Simmelsfönigin ober große
Lebensmutter, und es ift darum auch keineswegs gewiß, daß Herodian
198 Baal order Bel.
und in ieiner Grzäklung richtig belebtt. Gab Heliegabal tem Gott
wirflib tie Urania zur Gattin, und das fiebt allerringd ganz und gar
nach iemitiiher Religion aus, ie war viele gewißlich ſchon vorher feine
Gattin, une nach wirklicher älterer jemitiiber Religion fann ed nur zwei
Götterfermen geben, welde mit Urania in dieſes Verbältniß zu bringen
find, nimlih ver zeugende Get, Baal als Simmeldfönig ſchlechtweg
gedacht, und rer jübrlich fterbenre une wierer auflebenve Liebling ver
Börtin, Ten wir unter rem Namen Adenis fennen, mit welcher Idee
dann eine tritte Ferm, falld wir darin wirklich eine beſondere Form
erfennen müßen, verkunten it, nämlich vie von vem Sohne der großen
Mutter, ver zugleib ihr Gurte ik. Wäre Alagabal der flerbente Gott
gewejen, tann würte wohl vie Grzäblung und ein Trauerfeſt in Rom
melten, mwerauf das Freudenfeſt gefolgt wäre, und demnach können wir
in Alagabal, wenn nicht viele Form einer ipäteren Umbildung jemitijcher
Religion angebört, nur ten Himmelskönig Baal erkennen, ven Gemahl
der Aſtaroth. Wäre Molob vie Gottbeit gewejen, die unter jenem Namen
verehrt wart, dann konnte ibm vie Urania nicht zur Gattin gegeben
werten, mwenigitend nicht im Bereich der jemitiihen Religion, vie ihn als
folhen nicht fannte une auch jeinem Weſen nach nicht zu kennen ver-
mochte, jonvern er konnte nur ein Beifiger verjelben werben, ein Ber
bundener, ver nicht mit ihr zeugt, jondern ihre Hervorbringungen zeitigt
und an das Licht bringt. Vergeblich wäre ed, wo jo wenig zuverläßige
Angaben vorhanden find, über viejen Gott mit Beftimmtbeit abiprechen
zu wollen. Wir müßen und mit der Wahricheinlichkeit, er jey der eigent-
liche Baal gewejen, begnügen lapen. *)
s Macrobius (Saturnalien 1. 23) erzählt: Die Affyrier feiern die Sonne
unter dem Namen Jupiters, welche fie ten Zeus Heliopolites zubenamen,
in ber Stadt Heliopolis mit großer Verehrung. Diefes Gottes Bild ift
aus der ägyptifchen Stadt Heliopolis entnommen, zur Zeit als Senemur
oder Senepos in Aegypten herrfchte, und es ward Hingebracht durch Opias,
den Befandten des aflyrifhen Königs Delebores, und die ägyptifchen
Priefter, deren Oberfter Partemetes war, und lange bey den Aſſyriern
behalten wanderte es nach Helispolis. Warum es fo gefchehen, auf welche
Meife ed aus Aegypten fortgebracht worden, und nochmals dahin gefommen
it, wo es ſich jet befindet, und warum es mehr nady affyrifchem als
ägyptifhem Brauch verehrt wird, gehört nicht Hierher. Daß aber diefer
Gott fowohl Jupiter als die Sonne fey, zeigt der Brauch der Verehrung
und die Darfiellung des Gottes. Denn das goldene, unbärtige Bild Hat
in der erhobenen Rechten die Peitfche nach Fuhrmannsweife, die Linfe aber
halt Bli und Aehren. Der Tempel ift durch Weißagung ausgezeichnet,
und das heliopolitifche Bild zieht auf einer Bahre einher wie die Götter:
bilder zu Rom bei den circenfifchen Spielen im Aufzug. Die Bornehmften,
rein buch längere Enthaltiamfeit, mit gefchornem Haupte, tragen bie
Baal oder Bel. 199
Einen hoͤchſten Gott fand man in fpäterer Zeit zu Gaza bey ven
Philiſtim, welcher und
Marnas
genannt wird. Stephanus Byzantinud fagt, mo er von Gaza fyricht,
Marnas beveute den Kretageborenen Zeus, denn die Kreter nennten die
Jungfrau marnan. Leider ift diefe Angabe, fo wie fie ohne vernünftigen
Zuſammenhang ift, fo auch verderbt. Man wollte in diefem Gotte einen
Zeus fehen, alfo war erim Culte fo verehrt, daß man einen höchften Gott
in ihm erfennen Eonnte; daß er aber ald ein Fretifcher Zeus erklärt ward,
beruht auf einer grunplofen und ganz oberflächlichen Deutung des Namens.
Es wird angegeben, martis bedeute im Kretifchen die Jungfrau (Brito⸗
martis wird erklärt, die füße Jungfrau, wie Solinud Kap. 11 bemerft),
und indem man an das Fretifhe Wort dachte, meinte man es auch in
dem forifhen Namen zu ſehen, und erklärte ven Marnad, den man für
einen Zeus.anfah, als Fretifhen Zeus. Der Name aber ift femitifch,
und maran oder mar (marei, mare) beveutet Herr, jo daß der Gott zu
Bahre, nicht nach eigenem Ermeßen, fundern wohin fie der Gott führt,
wie zu Antium die Fortunenbilder zur Ertheilung von Antworten. Diefen
Gott fragen auch Abweſende ſchriftlich und erhalten fchriftliche Antwort.
Als Trajan aus diefem Lande nach Parthien ziehen wollte, fandte er einen
Scheinbrief ohne alle Schrift verfiegelt an den Gott, um das Orakel zu prüfen,
und erhielt einen foldyen zu feiner Verwunderung dagegen, worauf er in
einem Schreiben den Gott befragte, vb er nach geendetem Kriege nach Rom
zurückkehren werde. Der Gott hieß eine Hauptmannsrebe (Rebe, welche die
Hauptleute ald Stod hatten) aus den Weihgefchenfen des Tempels nehmen,
in Stüde theilen und in einem Scweißtuh dem Trajan überbringen,
deßen Gebeine bald darauf nad Rum gebracht wurden. Diefes Heliopolig
hieß fyrifch Baalbed, war alfo eine Stadt des Baal, wu Antoninus Pius
nah Malala (Chron. 11. ©. 119) dem Zeus einen großen Tempel erbaute,
fowie auch ein Tempel des Apollon und einer ber Aphrodite dort war.
Daß das Götterbild, von welchem Macrobius fpricht, eine Mifchung von
Götterattributen hat, Blie und Aehren, die gar nicht zufammen gehören,
und zumal ber Blitz, welcher einer femitifchen Gottheit nie eigen war,
zeigt, wie fpit daſſelbe verfertigt worden, weßhalb für die femitifche Religion
nichts daraus zu beweifen if. Unwahr aber ift die Angabe, biefes Bild
flamme aus ber ägyptifchen Heliopolis, denn ein ſolches konnte den Blitz
nicht in der Hand halten, weil diefer nie bey einem ägyptifchen Götterbilde
vorkommt, die Peitfche aber war bey denfelben das Zeichen der Herrfchaft.
Band daher wirflih, was wir aber auf die Angabe des Macrobius Hin
nicht für gewiß halten können, einmal eine Berwandtfchaft zwifchen dem
Gott von Baalbeck und dem von Heliopolis in Aegypten Statt, fo hat
man in fpäterer Zeit denfelben zu einem Baal gedichtet duch Vermifchung,
wie fie ſolcher angemeßen if.
203 Baal oder Bel.
zerichmettert. Auch diefer Name kommt in Menfchennamen vor, 3. B. Evil-
merodach, aber feine Bedeutung ift unbekannt, und fo ift und feine
Beziehung verborgen.
Noch mag bier der Name
Mauzim, Maufim
angeführt werben, den wir bei Daniel (11. 38) leſen, mo es heißt:
Seiner Väter Gott wird er (der König) nicht achten; er wird weder
Brauenliebe, nod) einiges Gotted achten, denn er wird ſich wider Alles
aufmwerfen. Aber an deß Statt wird er feinen Gott Mäufim ehren; denn
er wird einen Gott, davon feine Väter nichtöggewußt haben, ehren mit
Gold, Silber, Edelſtein und Kleinodien. Und wird denen, die ihm helfen
ftärfen Mäufim, mit den fremden Gott, ven er erwählet hat, große Ehre
thun. Azaz heißt hat geftärft, az, ftarf, mauzim die Schugwehren, Befe-
fligungen, fo daß nur fcheinbar ein Gdttername in ver Zutherijchen Ueber-
fegung dargeboten ift, denn wiewohl ein Gott fo hätte heißen Tonnen
(und Azizos bei Julian, der Beiftger der Sonne, bietet fih zur Der-
gleichung dar), jo ſcheint e8 doch nicht der Fall zu feyn.
Verner begegnet uns folgender Name:
Anerges.
Eine griechiſche Inſchrift aus dem vierten Jahrhundert v. Ch. lautet:
Komyſarye des Gorgippos Tochter, des Pairiſades Gattin, weihte den mäch-
tigen Göttern Anerges und Aſtara, als Pairiſades herrſchte über ven
Bosporos und Theudoſta, und König war über die Sinder und alle Maiter
und Andere. (Köhler monument de Comysarye). Als Gemahl ver Aftara,
d. i. Aſtaroth, iſt zunächſt Baal zu vermuthen, und fomit in Anerges
einer feiner Namen. Das ift aber auch Alles, was wir aus Diefer
Inſchrift ſchöpfen köͤnnen. Die Beveutung dieſes Namens können wir
um ſo weniger beſtimmen, als wir ihn allein in griechiſcher Form haben.
Außer auf Baal läßt ſich noch auf Adonis rathen, und wenn auch mit
geringerer Wahrſcheinlichkeit auf Moloch.
Man ſieht aus ver Aufzählung der und begegnenden Götternamen,
wenn wir diefelben auch nicht mit Beftimmtheit veuten können, daß es
auch den Semiten an einer Mannigfaltigfeit der Benennungen nicht fehlte,
und da ed gewöhnlich gefchieht, daß das beſonders Benannte ald eine
eigenthümliche Form erfcheint, fo hatten fie auch infofern eine Mannig-
faltigfeit der Bormen, deßhalb aber nicht eine eben fo große Mannigfal-
tigfeit der Gottheiten felbfl. Sp Iefen wir bey Jeremia (2. 28): So
manche Stadt, fo manchen Gott haft vu Juda, und (11. 13): Denn fo
manche Stadt, fo mandje Götter haft vu, Juda, und fo manche Gapen
zu Serufalem find, fo manchen Schanvaltar Habt ihr aufgerichtet, dem
Baal oder Bel. 203
Baal zu räuchern. Die Formen, welche die Kinder Iſraels annahmen,
werden und gelegentlid) genannt, find aber keineswegs jo fehr zahlreich,
und Eönnen nicht für eigentliche Gottheiten in großer Menge gelten, fon»
dern nur für befonvdere Benennungen der wenigen Gottheiten und höch⸗
fiend für befonvere Formen ihrer verfchiedenen Cigenfchaften. So heißt
es auch) am gewöhnlichiten, fie dienten Baal, weil viefer der Hauptgott
war, und nur von Moloch allein wird mit vorzüglicher Unterfcheidung
gefprochen, weil ihm vie Kinder zum Opfer gebracht wurden. Das aber
ift eben für und nicht erreichbar, in vie Ginzelheiten einzubringen, und
die Gigenfchaften, wodurch fid) eine Form von der andern etwa unters
hied, zu erfennen. So meldet und das Alte Teftament im zweiten Buche
der Könige (17. 30) über vie nad) Samaria verfegten Aſſyrer: Die von
Babel machten Suchoth-Benoth, die von Chuth machten Nergel, die von
Heman madten Afima, die von Ava machten Nibehad und Tharthaf.
Aber mit Ausnahme der Suchoth = Benotl, vermögen wir diefe Dinge nicht
zu deuten, und folglich Feine Belehrung daraus zu ziehen.
Wie dürftig nun auch immerhin die Nachrichten über Baal feyn
mögen, fo gehen wir doch nicht fehl, wenn wir ihn für ven Gott des
Himmels halten, für ven Himmelsfönig, welcher Gatte der Himmels-
königin, d. i. ver Großen Mutter Natur war, mit welcher er fort und
fort da8 Leben erzeugt. Die Verbindung der Dione mit Zeus, d. i. der
jemitifehen Himmeldfönigin mit ven griechifchen Himmelskoͤnige verbürgt
dad angegebene Welen des Baal allein fchon zur Genüge. Baaltid
(Baalt) war auch eine ver Benennungen der Himmeldfönigin, womit fte
vorzugsmeife als Serrin bezeichnet warb, welche für vie Gattin Baals
vollfommen paßt. *) Was und befonverd wünfchenswerth zu wißen wäre,
ob nämlid Baal Gemahl der Mutter gewejen, wie ver ägyptiſche Khem,
und wie wir unten den Ninod und Menones finden werben, d. h. ob
Ninos nur eine Form des Baal fen, ift durchaus verborgen. Ohne eine
beftimmte Angabe aber läßt fich ein Verhältnig nicht annehmen, denn in
der Mythologie beftehen verfchienene Verhältniße frienlich neben einander,
und wenn 3. B. in der ägyptifchen Khem Gemahl ver Mutter ift, fo ift
daneben Dftris nicht Gemahl der Mutter, fondern der Schwefter, und ſie
erzeugen dad Segenskind Horus.
Wir wollen noch des
Niſroch
gedenken, von welchem wir außer dem Namen nichts wißen. Im zweiten
Bude der Könige (19. 37) beißt ed: Sanherib betete in dem Hauſe
*) Wann Johannes Typus fagt, Aphrodite heiße bei den Phönifern Blatta
von der Purpurfchnede, fo ift wohl ein folcher etymologifcher Verſtoß nicht
werth, daß man feinem Urſprung nachipüre,
204 Baal oder Bel.
Nifrochs, jeined Gottes, und jeine Söhne Adramelech und Sar- Ezer
tödteten ihn. Auch Iefaia (37. 38) nennt Sanherit3 Gott zu Ninive
Niſroch. Wir finden diefen Namen in feinem der Königdnamen wieder,
wie es bey mehreren andern ver Fall ift, e8 müßte denn etwa der Name
ded Aſarhaddon damit verwandt fern. Der Name Gfar findet fidy in
phönikiihen Infchriften und eine Steinſchrift auf Malta überfegt Ebed
Esar durch Dionyjod. Vergeblich ift alled Rathen bey tiefem Worte,
welches vie Leberfegung der Septuaginta Meſorach und im Jeſaia Aſarach
fchreibt, und wir müßen und begnügen, einen Namen zu wißen, ohne
feine Bedeutung zu fennen, noch zu wißen, welchem Gott er angehörte.
Eben jo geht es und mit vem Namen
Mimmon,
welchen wir in Syrien finden. Im zweiten Buche ver Könige (5. 17)
wird erzählt: Naeman (ter Hauptmann ded Königs in Syrien) ſprach
(zu dem Mann Gottes Elifa): Möchte venn deinem Knechte nicht gegeben
werben diefer Erve eine Laſt, fo viel zwei Maulthiere tragen? Denn dein
Knecht will nicht mehr andern Göttern opfern und Brandopfer thun,
fondern dem Herrn; daß der Herr deinem Knechte varinnen wolle gnädig
feyn, wo ich anbete im Haufe Rimmons, wenn mein Herr ind Haus
Rimmons gehet, vafelbft anzubeten, und er fih an meine Hand lehnet.
Im Hebräifchen beveutet dad Wort Rimmon einen Granatapfel und
Granatbaum, welche Kenntniß und aber nicht zu einer Erflärung dieſes
Gottes verhilft. Mögli wäre e8, daß der Gott feinen Namen ald Bei-
namen von einer Dertlichfeit erhalten hätte, wie ſolches mit Baal-Peor
geichehen ift, und daß eine Dertlichfeit "von Granatbäumen genannt fey,
wäre nichts Sonverbares, um fo weniger, da es wirklich gejchehen ift, venn
im Buche von Iofua (15. 32) Iefen wir, daß es eine Stabt der Kinder
Zuda gab, Namen? Rimmon, und ver Prophet Sadarja (14. 10)
erwähnt derfelben mit den Worten: Bon Gibna nad) Rimmon zu, gegen
Mittag zu Ierufalem. (Seltfam trifft ed zufammen, daß im erflen Bud)
Samuelid [14.2] am Ende von Gibna ein Granatbaum, rimmon, erwähnt
wird, unter welchen fi Saul fehte.)
Zweite Abtbeilung.
Aftarte. Apbrodite.
Das Alte Teftament nennt und Aftaroth oder Aftoreth als die weib-
lihe Gottheit, welche von den femitifchen Heiden vorzüglich verehrt ward,
und wann die Kinder Ifrael fi} zum Heidenthum wandten, heißt es
öfters, z. B. im Buch der Richter (2): Sie dieneten Baal und Aftaroth,
oder (10): Sie dieneten Baalim und Aſtaroth, und den Göttern zu
Syrien, und den Göttern zu Sivon. Daß fie zu Sivon beſondere Ver-
ehrung genoß, jehen wir in dem erften Buche der Könige (11. 5), wo
es heißt: Alfo wandelte Salonıo (ald er alt war) Aftoretb, dem Gott
verer von Sivon nad; und im zweiten Buch der Könige (23. 13):
Salomo hatte die Höhen vor Serufalem der Aſtoreth gebaut, dem Gräuel
von Sidon. Doch war file auch eine Hauptgottheit der Philifter, denn
diefe weihten Sauld Harnifch in Das Haus Aſtoreths, wie wir im erften
Buch Samuelid (31. 10) leſen. Auch Lufian in ver Schrift über bie
ſyriſche Göttin erwähnt (4) des großen SHeiligthums der Aftarte zu
Sidon *). Auch wird fie die Königin des Himmels genannt bei Jeremia
*) Lufian fagt weiter: Von Aftarte glaube ich, daß fie Selene fey, und wie mir
einer der Priefter fagte, iſt diefer Tempel der der Europa, der Schwefter
des Kadmos, einer Tochter des Agenor, welche nach ihrem Verſchwinden
die Phönifer mit dem Tempel ehrten, und eine heilige Sage über fie erzähl:
ten, daß Zeus in ihre Schönheit verliebt fi in einen Stier verwandelte,
fie raubte und nah Kreta brachte. Dies vernahm ich auch von den
andern Phönifern, und die Sidonier haben auf der Münze die Europa
auf dem Stier fißend; darin aber flimmen fle nicht überein, daß ber
Tempel der Europa gehöre. Da Europa aus der Fremde nach Böotien
gefommen feyn fol, und eine andere Sage über fie gar nicht befteht, und
Rets eine Schweiter des Kadmos heißt, an welchen Namen es der Sage
beliebt hat, den in Theben befindlichen Cult phönififchen Urfprungs zu
fnüpfen, fo wäre es wohl möglich, daß die femitifche Himmelsfönigin,
unter dem Namen Europa gräcifirt, vom weiten Himmel benannt, wie
unter dem Namen Dione nach Dodona, fo unter diefem nad Böotien
gefommen wäre. Auf Kreta würde fie dann mit dem Molochcult in
altem Zufammenhang geftanden haben, und die Sterne, welche man in
Darftellungen bei ihr fleht, eignen ſich ganz und gar für eine Himmels:
königin. Europa’s Eult gevieh aber nicht in Hellas, weil Hera, durch
welche auch Dione verdrängt ward, als Himmelsfönigin Geltung gewann
und allgemein behauptete. Selbft als Galinthias, als Geburtsgättin, war
die freinde Böttin auf einigen Eult in Theben befchränft, ſonſt unbekannt
und unbeventend. Da aber Hera doch eine Gileithyin oder Mutter der
208 Aſtarte. Aphrodite.
(7. 18): Die Kinder leſen Holz, fo zünden die Väter dad Feuer an und
die Weiber fneten ven Teig, daß fie ver Melecherb (d. i. ver Königin)
des Himmeld Kuchen baden; und (44): Tie Juden in Aegppten räuchern
der Melecheth des Himmeld und opfern ihr ITranfopfer, wie ed in Jerus
falem geſchehen war, auch Kuchen mwerven ihr gebaden. Ter Name
Aftaroth oder Aftoreth bezeichnet dieſe Göttin als vie Mutter des Lebens,
denn astarah bedeutet jemitijch (im Hebräijchen) vie junge Brut, unv fie
war die große Mutter Natur, vie allen Segen gebabr und alles Leben
gab. Man verglih fie mit der ägnptiihen großen Mutter, und in ver
fpäteren Zeit fehen wir daher auch Phönikien in vie Iſisſage aus dieſem
Grunde verflodhten. Ja es ift möglich, daß dieſe große jemitiiche Göttin
nicht ohne Einfluß auf den Cult ver Iſis blieb, da Iſis ald vie jüngfte
Form der Mutter Natur in Xegnpten erjcheint. In ver Erzählung,
welche fich bei Plutarch in der Schrift über Iſis und Oſiris (von Kap. 13
an) findet, wird angegeben, Iſis, welche ihren von Tyophon getünteten
Gatten Oſiris fuchte, habe vernommen, der Kaften, worin ſich die Leiche
befand, fey von dem Meere bey Byblos ausgeſpült worden, und vie Wal-
fung babe ihn fanft in eine Heideſtaude (Tamaridfe) getrieben. Dieje
wuchs hoch auf und umſchloß ganz und gar ven Kaſten, fo daß der
König ihn bewunderte, und ihn abbauen ließ, um eine Säule für fein
Haus daraus zu machen. Als Ifts nach Byblos gelangt war, fekte fie
fi mweinend an einen Duell, ohne mit Jemand zu fprecdhen, body bie
Dienerinnen der Königin grüßte fie, als fie dorthin kamen, ordnete ihnen
das Haar und gab ihrem Leibe einen lieblichen Duft, wodurch die Königin
bewogen ward, nach Ifis zu jenvden und ihr die Erziehung ihres Knäb⸗
hend anzuvertrauen. Der König aber hieß Malkandros (viefer Name ift
halb femitifh, Halb griehiih und beveutet König=-mann) und bie
Königin Aftarte (d. i. Aftaroth); Andere jedoch nannten dieſe Königin
Saoſis oder Nemanın, was im Griedhifchen ohngefähr vie Athenäifche
bedeuten würde. Iſis pflegte nun das Königskind, indem fie ihm ven
Finger in den Mund ftedte, Nachts aber Täuterte fie es im Feuer von
dem Sterblichen feined Leibe, und flog oft ald Schwalbe *) zu jener
Eileithyien war, wiewohl Artemis allgemein dafür galt, fo ſcheint es, daß
Hera gleich Dione urfprünglich die femitifche Himmelsfönigin und Lebens:
mutter war, und mit dem griechifchen Himmelskoͤnige vermählt warb,
ganz und gar graͤcifirt.
*) Die Echwalbe hieß auch Adoneis, die Aooneifche, wie wir aus Hefychius
und dem großen Etymologium erfehen. Wir erfennen aus diefem Namen, daß
man annahm, fie fehre wieder, wann Adonis wieder in das Leben kommt,
im Lenz, und ihre Klage gelte der Vergänglichkeit, dem Tode des blühen⸗
ben Lebens. In einem ganz andern Sinne hat man ber Aphrodite bie
Schwalbe für heilig gehalten, wie Aelian in der Naturgefhichte (10. 34)
Aftarte Aphrodite 209
Säule und Flagte. Doch die Königin belaufchte Iſis, und beim Erbliden
ihres Kindes im Feuer in Gefchrei ausbrechend, hinverte fle veßen Unfterb=
lichkeit, Iſis aber, als fie fi entvedt fah, forverte jene Säule zum
Lohn, und erhielt fie. Dann lößte fie dad Holz des Baumes von dem
Kaften, mwidelte es in gefalbtes Finnen, und gab es dem Könige und ver
Königin, und es warb fortan bafelbft in dem Tempel der Ifſis verehrt.
Sie aber warf ſich an dem Kaften nieder und jammerte fo heftig, daß
der jüngere Sohn des Könige davon farb, mit dem älteren aber und
mit dem Kaften gieng fie zu Schiff, und dffnete, fobald fle ruhig für fi
war, den Kaften, Füßte ven Todten und neßte ihn mit ihren Thränen.
Der Königsknabe aus Byblus fchlich Hinter ihrem Rüden herbei und fah
ihr zu, worüber fie fich fo zornig umfah, daß derſelbe vor Schrecken ftarb.
Doch Andere fagen, er fey in dad Meer gefallen, wegen der Göttin aber
wird er geehrt, denn er fol der in Negupten bey dem Gaſtmahl befungene
Manerod ſeyn. Manche nannten ven Knaben jedoch nicht Maneros, ſon⸗
dern Paläftinos oder Peluftos. Auch gab es in Aegypten ein Feſt, wel⸗
ches die Wiederkehr ver Iſis aus Phonikien feierte, und auf dem Opfers
fuchen dieſes Veftes fand fich ein gefeßeltes Nilpferd vargeftellt, wie
Plutar (50) meldet, um anzudeuten, daß Typhon, dem das Nilpfern
zugefchrieben ward, gebänpigt fen.
MWäre nicht Aftarotb mit der Iſts ihrem Wefen nach verwandt
erfchienen, fo würde man die vorftehende Erzählung, die freilich in ihrer
sollen Ausbildung einer fpäten Zeit angehört, die aber durch das Feft
der Rückkehr aus Phönifien beftätigt wird, in dem, was am wejentlichften
if, nicht Haben bilden Fünnen. Byblus war der Königsſitz des Kinyras
und dem Adonis heilig, wie Strabo (16. 2) bemerkt, und Aftaroth
trauerte mithin über Adonis, wie Iſis über Oſiris. Iſis war die große
Mutter Natur, die ven Jahresfegen hervorbringt, die Mutter des Lebens
und der lebenzeugenden Liebe; weil aber alljährlih das frifcherblühte
Leben der Natur nach Eurzem Gedeihen reift und ftirbt, fo daß die Natur
traurig erfcheint, fo wird das Sinfchwinden dieſes Lebens betrauert und
beflagt, die Klage aber erhebt fi in der Form des Mythus um einen
in der Blüthe des Lebens geftorbenen Königsfohn, der in dem Mythus
von Oſiris und Adonis Gatte der großen Naturgdttin ift, die aljo einen
Theil des Jahres, nämlich wann ihr Segen geerndtet ift, ald Wittwe in
Trauer lebt. In ver griechiichen Mythologie betrauert die Getraivegdttin
Demeter ihr Kind Perfephone, und erfcheint nicht als die große Natur
angiebt, fie fey den Göttern des inneren Haufes und der Aphrodite, bie
auch eine folche gewefen, geweiht. Dies Fonnte gefchehen, weil die Schwalbe
an die Häufer baute, und Aphrodite Fonnte unter die Gottheiten des
Hauſes, als Göttin der Liebe und der Ehe gerechnet werben.
IV. 14
210 ZRıarıe Arbrertte
mutter 1.03 Lebene, za ne feme Gõttit vertwbe ot GImer vom Rımem
Aaıreıh aber Lrieza wer ne se Secn, ze Ama des Dımmeld
ker zen Zemien mweuiy konnen, wehl ıder nee mr Me uw vom
Namen Arbrerite eaiel ꝛerebtt ber den Griechen uun Anzer Xe sch bes
sen Romerı KEetrachten wer user ;uerit dieſe Gẽttin im der Arme
bes zen Sreter Derecer ıl. 165) r̃aat. ve m Anm bereiniehreihenen
Eketben batten zen Iemrel er Arbredtte Urn, . L ver Dommliiden,
zu Askalen in Sorten ger.änzere Tıerer Temel aber tee, nach ſeinen
Nachriten, ver ilıne ren allez Iemrein zierer Gerz, dera nich ver
Ausizze ver Korrier ielbũ tee ver Yemrel in Kertes ven Askalen and
gegründet werten, un? ten aur ver Inſel Ketbera fürn vie Rdöniker
gezrunzer (Tı5 Parbes zur Kerrtes ein malter Sıg des Arbreditecults
war, gebt aut daraus bertrer, daß man auf dem Wege ven Parbes,
welches Agarener gründete, une weſelbn vie Setligtbümer in gutem
Stande waren, alljäfrlit in Trevernen nach Altrarbes zeg, Winner und
Weiber, tie aus ven andern Stärdten zuiımmen, wie Straben [14. 6]
erzäklı, ter sub ungieft, anf einer Sebe, lemrcd genmnt, ie ein
Temrel rer Arbredite Aria [e- i ver Arbredite zuf ter Döbe], in
welchen rie “trauen nicht geben und melden te nicht jeben tursten. Ven
ter Verebrung :u Amatbus beist Arkrerice Amatbuſta, une Sierefepia
fe. i vie Zrarı des beiligen Gartens] mag zen tem Peiligen Gurten ver
Gottin ven Kımen baben. Zu Selei war ein Tempel ver Arbrerite
und ter Jñs, io Tas man fie als vie am meifien un? bichflen verebrie
Goukeir aur ver ganzen Intel zu betrachten bat. Welchen Namen je
aber raielen al3 Haurtnamen Pate, errabren wir nicht, müsen aber fafl
vermuthen, zıy terjenige, merıu3 ter Name Arbrorite gräcifirt ware, es
geweien ie-, denn jede Serleitung tenelken aus ver griechiiben Sprade,
foweit wir tiere fennen, it gezwungen, un? tie einzige, welche zur Roth
ver Form nach angienge, nimlih, daß er vie Schaumgenegte bedeute,
verſtanden ven ver Liebesumarmung, durchaus unmabricheinlid. Won
Amathus jagt Sterbanus Bozantinus, daſelbſt ten Adoenis-Oſiris verehrt
worden *). Pauſanias (1. 14. 6), indem er den Tempel ver Apbrodite
Urania in Athen erwähnt, bemerkt, vie Aſſprer bätten zuerfi ven allen
5) Banjanias (3. 26. 1) von Thalama in Lafonien redend, meltet: im unbe-
bedien Tempelranm (nämlich des Iuotempel, in welchem ein Traumorafel
war) Hehen vie ehernen Biltjüulen ter Paphia und des Helios, das Bild
im Tempel ſelbſt ift vor Kränzen nicht zu fehen, doch andy dieſes foll von
Erz ſeyn. Es fließt auch Waßer aus einer heiligen Duelle füß zu trinfen,
Seleuequell genannt, und die Baphia ift ven Thalamaten feine einheimifche
Göttin. Do der Rame Paphia gilt in diefer Stelle Manchen für vers
borben, welche Paſiphaẽ Iefen wollen.
=. dm
Aſtarte. Aphrodite. 211
Menſchen die Urania verehrt, nach den Aſſyrern die Paphier auf Kypros
und die Phöniker zu Askalon in Paläſtina, durch die Phöniker aber ſey
ihre Verehrung nah Kythera gelangt, in Athen aber habe Aegeus fie
eingeführt, der, ald er kinderlos war, dies ihrem Zorne zufchrieb. Kypros
und Kythera Eünnen wir als die Hauptpunfte betrachten, von wo fi} der
Cult dieſer Göttin bey den Griechen verbreitete, fowie ver Berg Eryr
in Sicilien, wo fie ein beſonders angefehenes Seiligthum hatte, für Jtalien
ein Hauptausgangspunkt für die Verbreitung ihres Dienftes in Italien
gewesen feyn mag. Daß ihr Eult auch nach ver Iberifchen Halbinſel
fam, und zwar mit dem des Moloch, ift höchſt wahricheinlich, denn Gades,
eigentlich Gader, Gadeira hatte feinen Namen wahrfcheinlich von dem
heiligen Verſchluß des Tempeld der KHimmeldfönigin, denn die Griechen
nannten die dortige Infel Die Anfel der Hera, und Kythera ſcheint eben-
fal3 feinen Namen davon erhalten zu haben in einer fchärferen Aus—
ſprache. Warum der Grieche fie Aphrodite, und nicht Aftarte, welchen
Namen man au3 dem der Aftaroth fpäterhin bilvete, nannte, ift und unbe—
fannt, die Auslegung aber, welche fie verfuchten, lautete, fie heiße fo von
aphros, Schaum, denn ſie fey aus dem Schaume des Meeres gebohren;
ala Kronos nämlich feinen Vater Uranos, d. i. ven Himmel, entmannte,
und deßen Scham berabfchleuvderte, habe jih Schaum um dieſelbe gebilvet
und daraus fey Aphrodite entjtanden, und von den Wellen nad) Kypros
getragen worden. So erzählt die Heſiodiſche Iheogonie (190), und dieſe
Dichtung Hat offenbar fagen wollen, die Königin des Himmels, die Göttin
der Liebe, ſtamme von ver Zeugefraft des Himmels felbft ber. Doch, da
die Göttin femitifch ift, und der von den Griechen gebrauchte Name fidh
aus der griechifchen Sprache nicht irgend genügend erflären läßt, fo ift
anzunehmen, daß er femitifch jey, und die Vruchtbarfeit, die Befruchtung
bezeichne (pharah hat im Sebräifchen viefe Bedeutung und es fommt davon
der Name Ephrat, Euphrat, Ephraim). Die Homeriſche Iliade nennt
dagegen ven Himmelskoönig Zeuß ihren Vater, ver fle mit Dione erzeugt
hat (5. 105), die still und ohne fonjt irgend hervorzutreten unter den
Göttern ned Olympos ald eine vormalige Gattin des Vaters der Götter
und Menichen lebt. Aphrodite heißt daher auch die Dionäifche, und in
jpäterer Zeit fogar felbft Dione (Dviv im Veftfalenvder 2. 461). Don
diefer Dione nun erzählt Strabo (7. 7), wo er von den Propheten des
Zeusorafeld zu Dodona fpriht: Später wurben drei alte Frauen zu
PBrophetinnen beitellt, al8 auch Dione dem Zeus zur Tempelgenopin
gegeben ward.
Wenn eine jo wenig hervortretende Göttin, wie diefe in der grie=
chiſchen Mythologie, dennoch einen Einfluß auf ein Orafel haben fol,
den man als wefentlich betrachten kann, jo muß fie, wenn man fie auch
in dem Gdtterſtaate nicht recht unterzubringen wußte, doch nicht unbe=
14 *
212 Aftarte. Aphrodite.
deutend geweſen ſeyn. Wir gehen ſchwerlich fehl, wenn wir in dieſer
Dione, deren Namen ganz dem des Himmelskdnigs Zeud entfpricht
(Genitiv Dios) die femitifche große Göttin, die Himmelskonigin erbliden,
und begreifen dann, warum fie neben Aphropite, welche viefelbe war, fo
wenig hervortritt, und nur ald deren Mutter erfcheint, indem man fo vie
beiden Formen der nämlichen Gottheit in verwandtſchaftlichen Zufammens
bang brachte, ein Verfahren, welchem wir weiter unten auf dem femis
tifhen Boden felbft begegnen werven. Dann war ed auch nicht Unrecht,
die Aphrodite Dione zu nennen, und man begreift, wie eine Tempelge—
noßin und Gattin des Zeus auf dem Olymp im Götterftaate, mo der
Mythologie und dem Eultus gemäß Aphrodite hervortritt, fo gar wenig
bedeutet. Außer in der Iliade erfcheint fie nur noch einmal in dem
Somerifchen Hymnus auf den Delifchen Apoflon, wo fie unter ven bey
ver Geburt dieſes Gotted anmefenden Gdttinnen fih findet. Ein in
Dovona auf dad Orakel geübter Einfluß wird aber nicht allein von
Strabon gemeldet, fondern auch aus folgender Erzählung Herodots (2. 54)
gebt viefer hervor. Die Zeußpriefter im ägyptifchen Theben, jagt er,
gaben an, die Phöniker (daß dieſe genannt werden, ift wichtig und daher
wohl zu merken) hätten zwei heilige Frauen aus Theben entführt, vie
eine aber fey nach Libyen, die anvere nach Hellad verkauft worden. Die
Priefterinnen zu Dodona nun erzählten dem Herodot fo: Zwei fchwarze
Zauben feyen von dem ägyptifchen Theben ausgeflogen, die eine nad)
Libyen, vie andere zu ihnen nach Dodona. Diefe habe fich hier auf eine
Eiche gefeht und mit Menfchenftimme gefagt, bier folle eine Weißagung
des Zeus werben, und dieſes als eim göttliches Gebot befolgenn, hätten
fie die Weißagung eingerichtet. So erzählten die drei Priefterinnen, und
die bey dem Heiligthum befindlichen Dodonäer ftimmten mit ihnen überein.
Die Taube war dem Zeus nicht geweiht, und doch ift an ver Taube zu
Dodona nicht zu zweifeln, venn fie findet ſich auch in einer viefen Orakel⸗
ort betreffenden bildlichen Darftelung. Sie muß daher der Dione zuges
hört haben. Nun wißen wir aber, daß die Taube der Aphrodite gehörte,
denn es meldet und ſolches Athenäus (9. 11.) und Aelian (Naturges
ſchichte 10. 33). Der letztere erzählt aber (Naturgefchichte 4. 2): Auf
dem Eryr in Eicilien ift ein Feſt, welches fie Anagogien nennen, d. i. Aus⸗
zugäfeft, denn man fagt, in dieſen Tagen ziehe Aphrodite nach Libyen,
und fchließt Died aus Folgendem: Es ift eine große Menge von Tauben
dafelbft, und dieſe werden dann nicht gefehen, vie Eryciner aber fagen,
fie giengen vie Göttin begleitend weg, denn fte geben an, vie Tauben
ſeyen ver Aphrodite geweiht, und alle Menfchen glauben es. Nach Ber:
lauf von neun Tagen erblide man aber eine fehr fchöne berfliegenn über
das Meer von Libyen her, nicht wie die andern, fonvern purpurn, wie
Anafreon die Aphrobite nennt, und berfelben folgt das Gewölk ver
Aftarte. Aphrodite. 213
übrigen Tauben, und nun feiern fie das Feſt ver Katagogien, d. i. Heim⸗
zugöfeft.*) Der Tempel auf dem Eryr war einer ver berühmteften und
reichften. Aelian (10. 50) fagt, es werve täglich das ganze Jahr hin⸗
durch von Einheimifchen und Fremden daſelbſt geopfert. Ein fehr großer
Altar ſteht unter freiem Simmel und das Feuer brennt bi zur Nacht
darauf, am andern Morgen aber findet fich nichts von Aſche oder Ueber
bleibjeln darauf, fonvern er ift vol Thau und frifchen Krauts, welches
allnächtlich emporſproßt. Die Opferthiere aber gehen von felbft zum
Altar, getrieben von der Göttin und ver Kraft und dem Willen des
Opfererd. Willſt du ein Lamm opfern, es fteht da, eine Ziege, ein Bode
lein, eben fo. So du ein größeres Opfer bringen willft, eine Kuh, over
mehrere, wird dich der Hirte nicht übervortbeilen, noch du ihn, denn die
Göttin bewacht den gerechten Kauf, und wollteft du zu wohlfeil Faufen,
fo geht das Thier weg und du Fannft nicht opfern.
In diefem Eulte, von welchem man ven der Aphrodite Erycina zu Pfophis
in Arkadien herleitete, wie Pauſanias (8. 24. 3) melvet, fehen wir, daß
die Taube der Aphrodite gehörte, und da zu Dobona diefer Vogel in der
Legende als von Außen aus der Fremde gefommen angegeben ward, fo
fann die Einerleiheit von Dione zu Dodona und Aphropite nicht bezwei⸗
felt werden. Wir werben nicht leicht fehl gehen, wenn wir annehmen,
daß derſelbe phönikifche Einfluß, welcher den Moloch oder Melfart nach
Böotien brachte, auch die Himmeldfönigin aud dem femitifchen Lande zu
dem griechifhen Himmelskoͤnig nad) Dodona brachte, deren Cult fich aber
nicht von da aud unter vem Namen der Dione verbreitete, jondern unter
dem der Aphrodite von Kypros und Kythera aus, von wo ſich ihr Cult
über ven Peloponnes verbreitete. Strabo (8. 3) fagt von der Landſchaft
Elis: Das ganze Land ift vol Seiligthümer ver Artemis, der Aphrodite,
der Nymphen in den blumigen Auen, die waßerreich find, denn das
Waßer ift das Gedeihen gebenve, Leben fördernde Element, und wie der
Brieche fie darum aus dem Meer entfteben ließ, fo gab er ihr aud
Serrfchaft über dad Meer, und die Knidier verehrten fie als Euploia,
d. i. die Berleiberin guter Schiffahrt, wie Paufanias (1. 1. 4) ung
melvet. Wir werben weiter unten fehen, daß vie Beziehung ver Aphropite
zum Waßer, wie die zur Taube, in der femitifchen Mythologie begründet
ft. Es drängt fi) und die Frage auf: gehörte der Aftaroth vie bey
Aphrodite in Griechenland nie vorfommende Kuh? Dad Alte Teſtamens
nennt und die Stadt Aſtharoth Karnaim, und zwar fchon in der Geneſis
(14.5), wo es heißt: Die Riefen zu Aſtharoth Karnaim. Da Karnaim
die Hörner beveutet (keren heißt hebräifch Horn), fo Fünnte man ver⸗
*) Aelian fpricht auch davon in den mannigfaltigen Befchichten . 15. Athe⸗
näus ©. 394.
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Aftarte. Aphropite. 215
Hephäftos und Aphrodite ald etwas ganz Natürliches. In Aegypten ſteht
der Patäfe zu Memphis, viefer fogenannte Hephäftos in genauer Ver⸗
bindung mit Paſcht, der Geburtsgättin zu Bubaftos, und zu Theben
finden wir den Patäfen Melkart eben fo vereinigt mit der Geburtögdttin
Galinthias, die mit ihm aus der phönififchen Fremde eingewandert war.
Zu Theben in Aegypten fehen wir ven Patäfen Chon, den fogenannten
ägyptifchen Herakles, in Verbindung mit Mut, ver großen Mutter alles
Kebens, und mit Ammon dem Himmelskönig, der ald Widder das Leben
erzeugt, und alljährlich befleivete man daſelbſt das Bild des Gottes mit
einem frifchen Widderfell, feine Widderkraft, d. i. die Zeugung gleichfam
erneuend, und brachte dann das Bild des Patäfen hinzu, wohl um anzıı=
deuten, es fey die gefegliche rechte Zeit der Zeugung gekommen, damit
fie unter des Patäken Schuß und Segen ftattfinde. Da die Aegypter
die Patäken von den Phönikern angenommen batten und Pacht fedh nicht
als eine urfprüngliche ägyptiſche Form der Geburtsgdttin annehmen läßt,
Balinthiad aber nur phöntkifchen Urfprung haben kann, fo müßen wir bie
Zufammenftelung des Patäken mit der Göttin des Lebens als cine phö—
nififche Idee anfprechen und ed für phönikiſch gelten laßen, wenn er
neben der großen Mutter fteht, als die Gottheit der Zeit, die mächtig
über Geburt und Leben gebietet. Da ed nun feititehbt, daß ver Patäke
von den Griechen ald Hephäftos angenommen warb, und da der Patäfe
in Theben neben einer Form der phönififhen großen Mutter fteht, fo
möchte wohl wenig zu bezweifeln fern, daß nicht der griechifche Hephäſtos
mit Aphrodite vermähft ift, fonvdern daß dieſe Dichtung bervorgieng aus
einer Verbindung (nicht Vermählung) des Patäfen mit der großen ſyri⸗
fhen Göttin. Einen Sohn diefer Verbindung hat audy die griechifche
Mythologie nicht erfunden. (Wann der Grieche bey den Semiten einen
Hephäſtos fuchte, fo blieb zur DVergleichung, weil ein Yeuergott im Semi⸗
tifhen nicht vorhanden war, nur der Patäfe, der die Sonne am Himmel
bewegt, die feuriger Natur ift.) Daß Ares Buhle ver Aphrodite iſt,
fonnte man aus dem Gedanken erklären, es neige ſich Vrauenliebe dem
Heldenthume zu und der Kraft. Doch wird Ures ald ein fo roher, nur
am wilden Morde Luſt findender Gott gefchilvert, vol Schredend und
Grauens, daß man jenen Gedanken, auf ven Wüthenden angewendet, als
unrecht angebracht erfennen möchte. Kaum dürfte e8 zuläßig jeyn, dem
griechifchen Schönheit3- und Schieklichfeitd - Sinn die Buhlfchaft der zar⸗
ten und weichlichen Aphrodite mit dem Mord und Blutvergießen zuzu-
ſchreiben.
Ares war aber auch nicht bloß ein Gott des Mordes, ſondern dieſe
Eigenſchaft hat ſich aus ſeinem anderweitigen Weſen entwickelt, und man
ihm den Mord vorzugsweiſe zugeſchrieben, wie man ihn andern toͤdtenden
Goͤttern auch hätte zufchreiben Eönnen, 3. B. dem ſchoͤnen Süngling
216 Aſtarte. Aphropite.
Apollon, ver ein furdhtbarer Gott mit feinen Geichoßen, und ver wahre
helleniſche Schlachtengott if. Wie dieſer ift auch Ares ein Lichtgott und
wir brauchen dieſes nicht durch ven fabinifchen Mars in Rom zu beweifen,
der allerdings als ein Lichtgott in einer Weije erjcheint, daß ein Volk,
welched einen ſolchen aus einem bloßen Kriegd- und Mord - Gotte hätte
dichten wollen, eine jo eigenthümlicde Denfart hätte haben müpen, daß
man fie wunderlich jeidht nennen möchte. Sophokles fchreibt dem Ares
das Berverben durch die Peſt zu, und wollte man dies als einen Mord
des wilden Mörders anſehen, jo zeigt ihn ein altes Mährchen doch als
Gottheit des Lichts und der dadurch bevingten Zeiteintheilung. Die Iliade
erzählt (5. 385), Otos und Ephialtes, die Söhne des Alveus, feßelten
den Ares und hielten ihn dreizehn Monate eingejchlogen, bis ihre Stief-
mutter Eriboia ed dem Hermes verrieth, weldyer ihn aus feinem Berfted
heimlich befreite. In der Odyſſee (11. 304) wird von diefen Aloeus-
fühnen erzählt, Iphimedeia, des Aloeus Gattin, habe fie von Poſeidon
gebohren, als Furzlebende, weldye die größten und auch nady Orion die
ſchönſten gewefen, fo je die Erde genährt habe. Als fie neun Jahre alt
waren, waren fie neun Ellen breit und neun Klafter lang, und gevachten
den Oſſa auf den Olympos, auf den Dia aber ven Pelion zu thürmen,
um in den Simmel zu fteigen, doch Apollon erlegte fie mit feinen Gejchoßen,
damit diefes nicht gefhehe. Tazu kommt no, daß fie den Mufendienft
am Selifon gegründet haben follen, was für Rieſen gar nicht geeignet
if. Die in diefem Mythus enthaltenen Züge, welche innerhalb ver
myihifchen Form die Grundideen enthalten, find die Zahl neun bey ven
Aloaden, vie Zahl vreizehn bey Ares, und zuletzt das Verhältniß ver
Aloaden zu ven Mufen. Die Zahl neun hat bey den Griechen nie einen
andern Grund gehabt, als die Zeitperiode ver Ennaöteris, und Rieſen,
welche neun Jahre alt werden und dann fterben, neun Ellen breit und
neun Klafter lang find, müßen bey fo ftarfer Hervorhebung dieſer Zahl
mit der Ennasteris zufammenhängen, befonvders daß fie flerben, wann die
Todtenfeier diefer Periove flattfindet. Sie können daher nichtd Anderes
ald Fahre der Ennasteris feyn, und wenn fie den Ares feßeln, fo muß
diejed ein Verhältnig der Zeit betreffen, und die Zahl dreizehn zeigt und
fiher und veutlih, welch ein Zeitverhältnig allein gemeint feyn Fönne.
Nirgends fonft hat viefe Zahl eine Bedeutung, und da alle Zahlen in
der Mythologie ihre Beveutung durch Zeitabfchnitte befommen haben, fo
kann diefe nur einem Ausnahmäverhältnig angehören, welches nicht wie
die Zahlen jieben, zwölf, neun eine fletige fortlaufende Periode betraf.
Wenn man aber zur Beitauögleihung einfchaltete, ward zu den zwölf
Monaten des Jahres ein dreizehnter von ver nöthigen Zahl ver Tage
eingefhoben, und viefer, zwifchen zwei Jahre hineingefchoben, konnte in
dem Mythus als ein Eingefperrt« und Gefeßelt- werden gelten. Wirb
Aftarte. Aphrodite. 217
dieſes von Ares ausgefagt, fo kann er in dieſem Verhältniß nur ein
Zeitgoti feyn, ver, da wir ihn fonft nur als den Mord finden, aus einem
Lichrgotte zu einem Gotte des Mords ward, wie der Lichtgott Apollon
zu Pytho das Left der Ennaeterid und die Zahl fieben hat als Zeitgott,
aber auch ein furdytbarer Gott des Todes ift, ver auch Seuchen und Ver⸗
verben ſendet mit ven Gluten des Kichts.
In Nom nun galt den Pontificed Herkules für einerlei mit Mars
was vollig unbegreiflich ift, wenn man nidyt annimmt, fie hätten ben
Herkules ald Zeitpatäfen Melkart gekannt. War dies ver Fall, dann
Ionnten ihm zur Beier ver Jahresorpnung Salier zu Tibur geweiht wer⸗
ben, wie deren zwolf mit Rückſicht auf die zwölf Monate des Jahrs dem
Mars zu Rom gehörten, welche zwölf Schilde, mondförmig audgefchnitten
zur Andeutung ded Monde, in Tanzprocefiton herumtrugen. So gut wie
tie Griechen in Memphis und auf Lemnos den Patäken für ihren Feuer⸗
gott Sephäftos gelten ließen und ihn mit ihrem Helios und feinen Sonnen-
tindern in Verbindung festen, eben fo gut fonnte er in Ihrafien mit
einer Lichtgottheit in Zufammenhang fommen, da er ja feinem Wefen
nah auf das Engfte mit ven Oottheiten des Lichts verwandt ijt; und auf
ſolche Weife hätte man in dem Patäfen den Ares erbliden fünnen, ven
man dann, feine Verbindung mit Aphrovite nicht genau erfaßend, zu
ihrem Gatten machen Eonnte, was ſich in dem griechifchen Götterftaat fo
audglich, daß Hephäſtos Gemahl, Ares Buhle ver Göttin blieb.
Wir finden die große fyrifche Göttin aber nicht allein unter dem
Namen Aphrodite und in der fchönen Form des höchſten Liebreizes bey
hen Griechen, fonvdern ſehen fie auch im Peloponnes in anderer Geftalt
Paufanias (8.41. 4) berichtet und von Phigalia in Arfadien: Obngefähr
zwölf Stadien ober dieſer Stadt fließt der Fluß Lymax in ven Fluß
Neda, und wo fie zufammenfließen, ift ein Heiligthum der Eurynome, von
Alterd ber heilig und wegen der Rauhigkeit des Drtes ſchwer zugänglich,
und um daflelbe find viele dicht aneinander gedrängte Cypreſſen. Don
Eurynome glaubt das Volk zu Phigalia, fle fey Artemis mit dieſem Bei⸗
namen; fo Diele aber die alten Denkmäler kennen, fagen, Eurynome jey
eine Tochter des Okeanos, deren auch Homer in der Iliade gedacht hat,
daß fie mit Thetis zugleich den Hephäftos aufgenommen habe. Alljähr-
li aber an dem nämlichen Tage dfinen fte das Heiligthum der Eurynome,
ijedoch die übrige Zeit ift e8 nicht Brauch, vaffelbe zu dffnen. Dann aber
opfern fie ſowohl von Staats wegen, als auch die einzelnen Bürger.
Mir fügte e8 ſich nicht, zur Zeit des Feſtes dort zu feyn, und ich fah
das Bild der Eurynome nicht; von den Phigaliern aber hörte ich, daß
goldene Ketten das Holzbild feßeln, und daß es das Bild eines Weibes
bis zu den Schenfeln fey, von da an aber fey es ein Fiſch. Um Dfeanos
Tochter, die mit Thetis zugleich in ver Tiefe des Meeres wohnt, zu
: 218 Aftarte. Aphrodite.
erfennen, möchte wohl der Fiſch beitragen, der Artemis jenoch möchte
eine folche Geftalt mit einem ſchicklichen Grunde nicht beigelegt werben.
Darin hat Paufaniad Recht, daß er eine Artemis - Eurynome bezwelfe.t,
die aber, welche eine griedhifche Geburtsgöttin darin erblidten, Eonnten
auf diefen Gedanken nicht kommen, wenn ihnen Eurynome nicht als eine
Göttin ver Geburt und des Lebens erfchienen wäre. Die Fijchgottheit
aber, welche als folche erfcheinen Eonnte, war Feine andere, ald vie femi-
tifhe große Mutter, welche unter dem Namen Aphrodite mweitverbreitete
Verehrung gefunden hatte, und unter diefem Namen hatte fie auch bey
Phigalia, ohngefähr vierzig Stavien von dieſer Stadt, auf der Höhe
Kotylon einen Tempel ohne Dad. (Pauſanias 8. 41. 6.) Als Fiſch⸗
göttin nannte man die große Mutter
Derfeto oder Atargatis, Atergatis
und unter diefem Namen ward fie zu einer eigenthümlichen Form gebilvet
und al3 eine befondere Göttin angenommen. Strabo (16. 4. ©. 785)
fagt, aus dem Namen Athara hätten die Hellenen Atargatis gebilvet,
Ktefiad aber nenne viefelbe Derfeto. Juftinus (36. 2) erzählt: Damascus
hieß nach dem Namen des Königd, dem zu Ehren die Syrer dad Grab
feiner Gattin Athare ehrten und ſie dann ald eine Göttin von fehr
bheiligem @ult hatten, und im großen Etymologikum wird berichtet,
Damascus werde nad dem Damas benannt, der mit Dionyſos ziehend,
dort fein Zelt aufgefchlagen und dad Blid der fyrifhen Göttin daſelbſt
aufgeftelt habe; mworaud wir erfennen, daß Athara, die fyrifche große
Göttin, einen vorzüglihen Cult zu Damadcus hatte. Hierapolis in
Syrien, auch Bambyfe genannt, war ein Hauptfiß dieſer Gdttin und
Bambyfe befam von ihrer Verehrung ven Namen ver heiligen Stadt, von
welcher Plinius (5. 23) fagt, vie Syrer nannten fie Magog, und es ift
dafelbft die ſeltſame Ntargatis, welche die Griechen Derfeto nennen,
Strabo (16. 1) bemerkt: Ueber dem Euphrat, vier Schönen davon, liegt
Bambyfe, die man auch Edeſſa und SHierapolis nennt, in weldher man
die jyrifhe Göttin, die Atargatid verehrt. Der Name Atargatis, welcher,
wie Strabo bemerkt, von Athara ftammt, ift der Name der Aftaroth mit
einem Zufag, denn e8 gab zwei Dialekte, von welchen der eine das |
gebrauchte an Stellen, wo der andere des t fich bedient; z. B. Tyrus
bieß nad) Theodoret zu dem Propheten Ezechiel (26) Sor, und in der
Bibel finden wir fie Zor genannt nad) ver hebräifchen Sprache. So ift
denn Athara gleich Aftara, und die Endung Gatid gilt ald Zufaß, wel⸗
hen wir nicht mit Sicherheit deuten können.“) Wie nach Aftaroth Ort-
‚ *) Athenäus (8. 8) meldet, daß der Stoifer Antipater fagte: Atergatis fey eine
Königin von Syrien geweien und habe Batis geheißen. Da fle ſehr gerne
Atergatis, Semiramiß. 219
(haften benannt worven find, fo auch nad) Atargatis, denn wir Iefen im
zweiten Buche ver Maccabäer (12.26) von einem Orte Atargation. Diefe
Göttin galt ald Mutter der Semiramis, der affyrifchen Königin. Diodorus
(2. 4) erzählt: Nach der Gründung der Stadt Ninos unternahm König
Ninos einen Feldzug nad Baltriana, wo er fid} der Semiramid ver⸗
mählte. Diefe war die ausgezeichnetfte aller Srauen, von welchen wir
eine Ueberlieferung haben, und fo ift es nothwendig über ſie zu berichten,
wie fle aus einem niedrigen Gefchide zu einem folchen Ruhme gelangte.
In Syrien ift eine Stadt Asfalon, und nicht weit davon ein großer und
tiefer See, vol von Fifchen, bey dieſem aber ift ein Seiligthum einer
ausgezeichneten Göttin, welche die Syrer Derfeto nennen; fte hat das
Antlig eined Weibes, ven übrigen Leib aber ganz den eines Zifches, aus
folgendem Grunde. Die Gelehrteften ver Einheimifchen fabeln, Aphrodite
habe, an vorerwähnter Göttin Aerger nehmend, ihr eine gewaltige Liebe
eingeflößt zu einem nicht unfchönen Jüngling unter den Opfernden. Mit
diefem Syrer nun vermählt, habe ſie eine Tochter gebohren, aus Scham
jedoch über ihren Fehl habe fie ven Jüngling verſchwinden gemacht, und
das Kind an einen öden felfigen Ort auögefeht, wo eine Menge Tauben
zu niften pflegte, und das Kind habe dadurch wider Erwarten Nabrung
und Rettung gefunden. Sid felbit habe fie aus Scham und Kummer in
den See geftürzt, und ihr Leib fey in einen Fifch verwandelt worben.
Daher komme ed auch, daß die Syrer ſich der Fifche enthielten, und vie
Fifche wie Gdtter ehrten. Da aber an den Orte, wo dad Kind ausge—
fegt war, eine Menge Tauben nijtete, fey das Kind wider Erwarten und
wie durch ein göttliches Wunder ernährt worden, denn ed hätten dieſel⸗
ben den Leib des Kindes mit ihren Fittigen rings umfaßt und erwärmt,
und andere von ihnen hätten aus den benachbarten Gehöften, wann fle
die Rindhüter und andern Hirten daraus entfernt gefehen, Milch in ven
Schnäbeln geholt und fie vem Kind in den Mund träufelnd, es ernährt.
Als es aber ein Jahr alt geworben und feiterer Nahrung bevurft, Hätten
die Tauben Käfe abgepikt und ihm genügende Nahrung gewährt. Die
Fiſche aß, Habe fie den Befehl ergehen laßen, außer Gatis folle Niemand
Fiſche eßen, uud fo bedeutet Atergatis f. v. a. Außergatis (ater heißt
außer). Aus des Mnafias Schrift über Aften führt Athenaus an, bie
Königin Atergatis Habe fireng geherrfcht, und fih alle Fifche, die man
fieng, bringen laßen, um fie allein zu eßen, woher es flamme, daß man
der Göttin goldene und filberne Fifche darbringe, und daß tie Priefter
gefottene und gebratene Fifche vor das Bild derfelben flellen, vie fie dann
feld aßen. Aus tem Lydier Zanthus endli meldet Athenäus (37),
Atergatis, vom Lydier Mopfos gefangen, flürzte fih mit ihrem Eohne
Ichthys (d. i. Fifh) in den See bey Asfalon und warb von den Fiſchen
gefzeßen.
220 Zenıramid, Memnon.
Gino no rm tere Dermeebr Die Kaͤſe angepidt geſeben, Büren id |
:=>z scwuntert, und wie fte beim Nurlauern ve
Won. 22 Niro mo 2as Kine von ausgezeichneter Schoͤnbeit von
DE ‚me Zeacıh bätten fie ed in dad Geböfte gebradt |
u, vo nr wre mer Smralsihen Seerden geichenft, ter Simmu
sh er Sin en or, rien kinderlos geweien, babe er das Maͤgb⸗
wir 2.0. Zerrr: me ene eigene Tochter gepflegt, und ikr ren
Yon .
Zemiramid
2 Errache von ven Tauben hergeleitet it,
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sz Sebräiiiben Sprache die Höhe, und auf
: nee Bedeutung zu haben, fo daß, wenn
ade wiräich bedeutet Baben follte, woran mir
Term darien Hohen Noren von den boben Bergen gehabt hätte.)
Ndonın Sem. ram:s Nas Nrer zur Ebe hatte und an Schönheit die
ana Junafrauın wer zävrer, ward vom König ein Vorſteher abges
ſaue: um me Keminuaudben Heerden su beftchtigen. Dieſer hieß Menones,
war der Erſte im Köonigéra:de und ner Verwalter von ganz Serien.
Dem Simma eindchren> uns die Semiramis ſehend, ward er von ihrer
Swönbeit geranaen. und bat deßbald ven Simmas, ihm die Jungfrau
zur Jelegliten Ebe zu geden, führte fie nach Ninos, vermählte ſich mit
IET und erzeugte zwei Söhne. Die Handſchriften geben den Namen viejed
Garten au Onnes uns Nonnes und Tzetzes giebt Menoinis. Richtig
aber muß in vieler Erzablung Menones wohl fern, denn es ift vieler
nut ine Nebenform der Namens Ninos, welcher Sohn bedeutet.
ain heitzt im Hebräiſcheu Sebn und eine ganz ſprachgemäße Nebenform
dieſes Wortes lautet Manon, und bedeutet ebenfalls Sohn. Semiramis
var alſo die Gattin des Nin oder Manon, und die Erzählung machte
—— Perſonen und bebandelte ten zu erzählenden Stoff dieſer
Manon ie er al Bleiben wir einen Augenblick bey ihm ſtehen. Dieſer
ala Ninos on i N none Gatte der Semiramis iſt, und kein Anderer,
gräcifirten Namen nn der Gemabl ſeiner Mutter, ward auch unter dem
ſchen Kampf ziehen und en Seros bes Dilen, ben man In ben Troi⸗
Namen fo Gifdeten, mine darin fallen ließ. Warum die Griechen ben
dem agyptiſchen Amenophis wir nicht, aber fie machten ed gerade fo mit
Demon unbilveten. © h en erfte Hälfte Amen fie ebenfalls in
benden Gottes, mie es auch In nn Tan Grabe des Kine fer
n Aegypten mehrere Gräber des Oſiris gab.
am
Semiramid, Memnon. 991
Am Hellefpontos gab ed ein Grab, wohin die Memnonsvdgel jährlich an
beſtimmten Tagen kamen, das Grab, fo weit ed von Bäumen und Büfchen
frei war, reinigten und mit ihren Schwingen, die fte im Fluß Aeſepos
nehten, beiprengten. So erzählt Baufaniad (10. 31.2,*) und fagt, nicht
and Aethopien ſey Memnon nach Ilios gefommen, ſondern aus ber per»
fihen Sufa, und von dem Fluße Choaspes, alle Völker in ver Mitte
beftegend, und noch werde der Weg, den er genommen, von den Phrygern
zeigt. Sufa warb ein Memnonium, eine Stätte Memnond genannt,
wie Herodot (5. 54.7. 151) bemerkt; **) e8 war alfo eine Nings, ein
Rinive. Paſſend ift die Dichtung bey Quintus Smyrnäuß (2. 558),
daß aus den Blutötropfen des Leichnams, welchen vie Winde vom Wahl«
Hab forttrugen, ein Strom entftand, den man Paphlagoneiod nennt, und
ber, wann der Trauertag feines Todes wieverfehrt, von Blut fließt. Es
R gerade fo, wie bey Adonis, doch wißen wir nicht, ob dieſe Angabe
freie Dichtung fey, over ſich auf eine mythiſche Angabe gründe. Bey
Dictys Cretenſis (6. 10) wird die Beſtattung Memnond nach Paphos
auf Kypros gefegt, und die Phöniker werben dabei genannt. Dadurch
Würde er ebenfalls, wenn es auf wirklich alter Angabe beruhen folte,
dem Adonis genähert werden. Sehr geeignet für dieſen Kreis ift es
auch, daß die Odyſſee (11. 521) Memnons Schönheit Hoch ftelt. Daß
Memnon einen Tempel hatte, und von ven Aſſyrern beweint ward, fagt
Oppian im Jagdgedicht (2). Ob er dies wußte ober vorausfepte,
Hnnen wir nicht mit Gewißheit beftimmen. Die Erzählung von Meno⸗
nes aber fährt fort: Semiramid hatte ihren Gatten ganz in ihrer
Gewalt, daß er nichts ohne fie that, und Alles glüdte ihm. Als ex
aber mit dem König nad Baktrien in den Krieg gezogen war, und
bie Belagerung von Baktra ſich verzog, ließ er, fih nach Semiramis
ſehnend, ſie kommen. Ste zeigte fich in Allem vol Geift und Tüchtigkeit,
und erfand ſich zu ver längeren Reife ein Kleid, welches nicht erfennen
ließ, ob fie Frau oder Dann fey, welches ihre Farbe vor Sonnenbrand
ſchützte und zu allem Thun geeignet war. Dabei war ed fo ſchoͤn, daß
nachmals die Meder und dann die Perfer das Semiramisfleid trugen.
Dort angekommen, erfpähte fie die Möglichkeit, die Burg Baktra's zu
erſteigen, und nahm fie mit einigen Leuten ein, fo daß die Stadt erobert
ward. Der König, die Tüchtigkeit des Weibes bewundernd, ehrte fie mit
zroßen Gejchenken, und bat dann, von Liebe ergriffen, ven Gatten, dem
+), Blinius (10. 26) fagt, Cremutius habe ausgeforfcht, daß die Vögel, welche
man memnonifhe nenne, wie fie bey Ilium am Memnonsgrabe mit
einander fämpfen, fo auch in Aethiopien um die Memnonsburg fämpfen.
sr Diodor (2. 22) fügt Hinzu, daß auch Pie Straße dem Memnon zuge⸗
fehrieben werke.
2223 Semiramiß.
er dafür feine eigene Tochter verfpradh, fte ihm abzutreten, und als viejer
nicht wollte, drohte er ihm vie Augen ausſtechen zu laßen, worauf ft
der Gatte erhängte, und Semiramid zum SKönigsglanze gelangte. Nino
zeugte mit Semiramid den Ninyad und hinterließ ihr fterbend das Reich;
fie aber bejtattete ihn in dem Königsflge und errichtete ihm einen Grab—
hügel, neun Stadien hoch und zehn Stadien breit, wie Kteſtas meldet.
Die hochſtrebende Semiramis beſchloß nun, eine große Stadt in Babylonien
zu gründen, und verfammelte zwei Millionen Menfchen, und zu beiden
Seiten des Euphrat, fo daß ver Fluß in der Mitte war, baute fie eine
Stadtmauer mit vielen hohen Ihürmen, an Umfang breihundert und
ſechszig Stadien, unglaublich hoch und fo breit, daß ſechs Wagen neben
einander fahren Fonnten. Kleitarcho8 aber und Andere, die fpäter mit
Alexandros nach Allen zogen, melden: Der Umfang habe dreihundert und
fünf und ſechszig Stadien betragen, da fie ihn ver Zahl der Tage des
Jahres habe gleich machen wollen. aftelle gen Oft und Weft machten
die Stadt noch feiter, und eine breite hohe Mauer ſchützte vie Königsburg.
Dauer und Thürme waren mit Thieren verziert, befonvderd mit einer
Jagd, worin die Thiere über vier Ellen hoch waren, und wo Semiramis
auf einem Roße fitend, einen Parvel erlegt, und nahe dabei ihr Gatte
Ninos, der einen Löwen mit dem Speer trifft. (Aelian in ven vermifch-
ten Gefchichten [7. 39] berichtet, man fage von Semiramis, daß fte Feine
fo große Freude empfand, wenn fte einen Löwen, Parvel over vergleichen
erlegte, aber ſtolz war über die Bezwingung einer Löwin.) Die große
Lebendmutter ward eine Jägerin der wilden Thiere, gerade wie Artemis,
weil fie die Geberin ver Thierbrut war. Zu Carthago fol die Himmeld-
fonigin auf einem Löwen ſitzend vargeftellt worden feyn, wie Apuleius
(Berwandlungen 6. 6) fagt. Unter ven drei Thoren waren Gemächer
aus Erz, vie durch Mafchinerie gedffnet wurvden. Die auf dem andern
Ufer des Euphrat liegenne Königsburg war geringer, und anftatt ver
Thiere waren da die ehernen Bilder des Ninos, der Semiramid, ver
Satrapen und des Zeus, den die Babylonier Belos nennen, auch Schlacht»
ordnungen und mannigfaltige Jagden, zur Ergögung der Befchauer. Nach
der Erbauung von Babylon gründete Semiramid noch mehrere Städte
am Euphrat und Tigris ald Handelsorte, auch ließ fle in den armenifchen
Gebirgen einen Obelisf aushauen von hundert und dreißig Fuß Länge
und fünf und zwanzig Fuß Dide, ven fie nah Babylon fchaffte und
daſelbſt aufrichtete. Dann zog fie nach Medien mit großer Macht und
Iagerte fih am Berge, und machte dort ein Paradies in der Ebene von
zwölf Stadien an Umfang. Diefer Berg aber ift dem Zeus (alfo dem
Belus) heilig, und fteile Seiten an ihm erſtrecken fich flebenzehn Stadien
in die Höhe. Am unterften Theil Tieß fie ihn behauen und ihr Bil ein-
graben mit hundert Ranzenträgern neben fi, und eine ſyriſche Inſchrift
Semiramiß. 223
befagte, daß Semiramis auf den über einander gethürmten Saumfätteln
der ihr folgenden LXaftthiere, vie bis zur Höhe des Berged reichten, auf
been Spige geitiegen fey. In der Nähe der mediſchen Stadt Chaugn
war ein hoher Wels, um welchen fte auch ein Paradies anlegte, und auf
bemfelben errichtete fie koſtbare Bauten zur Schmwelgerei und genoß der⸗
jelben auf dieſem Fels lange Zeit. Um aber vie Herrfchaft nicht zu ver-
lieren, vermählte fie ſich nicht, fondern wählte ſich vie ſchönſten ihrer
Krieger zu ihren Liebesfreuden aus, doch Tieß fie jenen folchen fchnell aus
ver Welt verfchwinden. Kteflad, wie Synfelos (©. 64) berichtet, gab
an, Semiramid habe unter vem Vorwande der Ueberſchwemmungen Erd⸗
hügel errichtet, dieſe ſeyen aber vie Gräber ihrer lebendig vergrabenen
Geliebten geweſen. (Gab e8 wirklich folche Ervhügel, die Gräbern glichen,
fo wären ed Gräber des Gottes gemefen, deßen Top man betrauerte, wie
es Oſirisgräber gab. Doch mag dies dahingeftelt feyn.) Auf ihrem
Zuge nah Ekbatana ließ fle einen Weg durch ven Berg Zarfaios machen,
ver noch ihren Namen führt, und baute zu Cfbatana ein koſtbares
Königshaus. Hierauf durch Perften und die andern Länder ded Reiches
ziehenn, baute fie Wege durch Berge und Felſen, und führte Erdhügel
auf, theild zu Grabmälern ihrer Beloherren, theild erbaute fle Städte
darauf, und Vieles in Aften heißt noch Werk der Semiramid. Wie fie
dann Aegypten durchzogen und einen großen Theil Libyend in ihre Gewalt
brachte, gieng fie zum Ammon, ihr Lebensende vom Gott zu erforschen,
und das Orakel fagte ihr, fie werde ven Augen der Menfchen entrüct
werden und bey einigen Völkern Aftens unfterblihe Ehre erlangen, wann
ihr Sohn Ninyas ihr nachitelen werde. Sie unterwarf auch einen großen
Theil Aethiopiens, und nachdem fle die Sachen in Uethiopien und Aegyp—
ten geordnet hatte, begab fte fi wieder nach Aſten und gieng nad
Baktra. Kriegdluft trieb fie aber dann nad Indien, von mo fie mit
Berluft abziehen mußte. Als ihr einige Zeit nachher Nachitelungen ver-
mittelft eines Eunuchen durch ihren Sohn Ninyas gemacht wurden,
erinnerte fie fich des Drafelfpruchs, und that ihm deßhalb nichtd zu Leid,
jondern übergab ihm im Gegentheil vie Herrſchaft, befahl ven Satrapen,
ihm zu gehorhen, und machte ſich plöglich unſichtbar, als gehe fie zu
ben Göttern, dem Orakelſpruch gemäß. Manche fabeln, ſie ſey eine
Taube geworben, und da viele viefer Vögel auf dad Haus herabgeflogen,
mit diefen fortgeflogen, und daß darum die Aſſyrier die Taube wie eine
Gottheit ehren, indem fie die Semiramid vergüttern. So endete Semi-
ramis, die Königin von ganz Aften, mit Ausnahme von Indien, in einem
Alter von zwei und fechdzig Jahren, nachven fie zwei und vierzig geherrfcht
hatte. Und dieſes hat der Knidier Kteflad (er lebte in Perfien ala Arzt)
überliefert. Athenäos aber und einige Andere jagen, fie fey eine ſchöne
Buhlerin gewefen, vie ner König der Affyrier um ihrer Schönheit willen
224 Semiramiß.
geliebt Habe, und anfangs in mäßiger Gunft bei ihm ſtehend, habe fte *
hernach ven Namen eined rechtmäßigen Weibes erlangt und ven König
berevet, ihr die Herrſchaft auf fünf Tage abzutreten. Wie fie nun das
Scepter und dad Königdgemand befommen, habe fie am erflen Tag
Bewirthung und prächtige Gaftmale veranftaltet, wobei fle alle Führer
und Angefehenen auf ihre Seite gebracht. Am folgenden Tage, wo ihr
fhon die Menge und die Angefehenften als der Königin dienten, habe fle
ihren Mann ind Gefängniß geworfen und hochftrebend und Fühn die Serr-
fchaft behauptet bis zu ihrem Alter, und habe große Werke ausgeführt.
MWeihlih und im Vergnügen lebend führte Ninyas die Herrſchaft nad)
ihr, und ihm ähnlich Lebten feine Nachfolger an dreißig Menfchenalter
hindurch, bis auf Sardanapalos. (Die Geburt ver Semiramis ward nicht
von Allen auf gleihe Weile erzählt, denn fo leſen wir bey dem Scho⸗
kiaften des Germanicus: Nigiviuß giebt an, dieſe Fiſche, nämlich das
Sternbild, feyen in dem Euphrat gewefen und hätten vafelbft ein Ey
von wunderbarer Grdße gefunden; viefed hätten fie auf das Land heraus⸗
gewälzt, und eine Taube habe fich darauf gefegt, wo dann nach einigen
Tagen die fyrifhe Göttin, die man Venus nennt, herausgefommen fen.
In den Sternbilverfabeln Fam die Gefchichte von dem ſyriſchen Sinnbilo
des Fifches noch in Abänderungen vor. Hygin in feiner Sammlung aftro-
nomifcher Dichtungen [2.30] giebt an: Der Erythräer Diogenetes erzählt,
Venus fey einmal mit ihrem Sohn Eupivo an den Euphrat gefommen,
und plöglidh fey ihr ver Riefe Typhon erfchienen; fle babe fih aber mit
ihrem Sohne in ven Fluß geftürzt, Fifchgeftalt angenommen, und fo feyen
fie ver Gefahr entgangen. Deßhalb aber fangen und een die Syrer
feine Fiſche; ratofthenes aber fagt, daß das Sternbild der Fifche von
dem Fifche Notius abſtamme, der einft vie Ifld in ver Noth geſchützt
habe, wofür fte ihn und feine Sprößlinge unter die Sterne verfeßte.
Mephalb die Syrer Feine Fiſche eßen, und ihre vergolveten Bilder flatt
der Haudgdtter ehren. Theo zu Aratus fagt von den Fifchen am Him⸗
mel, es feyen die, welche vie Derfe [Derfeto], die Tochter der Aphrodite,
die ind Meer gefallen war, retteten. ratofthenes meldet, daß man das
Sternbild ver Jungfrau am Himmel für die Atargati genommen, alfo
eine Atargatis in reinmenfchlicher Geftalt, ohne ven Zuſatz des Fiſches.
Hygin in den mythologifchen Erzählungen [197] fchreibt: Gin wunderbar
große Ey fol vom Himmel in ven Cuphrat ‚gefallen feyn, welches Fifche
an das Ufer herausmälzten. Tauben brüteten aus vdemfelben die Venus
heraus, die hernach die furifche Odttin genannt warb, und als dieſer
Jupiter, da fie an Gerechtigkeit und Redlichkeit die Andern übertraf, einen
Wunfch frei ftellte, verfegte fie die Fiſche unter die Sterne.)
Wie mwefentlih übrigens das Sinnbild ver Taube war, gebt aud
baraud hervor, daß, wenigftens wie Hieronymus ven Text verfieht, bey
Semiramis. 238
Seremia (25. 38; 46. 16; 50. 16) und Zephanja (3. 1) die Taube zur
Bezeichnung Babylond oder Aſſyriens gebraucht wird. ine eigerthüm⸗
liche Angabe über Ninos findet fich noch in einem Bruchftüd eined under
Taunten Verfaßera (bey Salmaflus in dem Kommentar zu Solinys
6. 872. E), welder fagt, Zames-Ninos jey Bruder ver Hera geweſen.
Hera wird bier genannt ald Himmelskoͤnigin, und muß für die ſemitiſche
Göttin, welcher dieſe Benennung gehörte, gelten; warum man aber hen
Ninod zu einem Zamed, d. i. wahrfcheinlich (für Schemefh) Sonne
gemacht hat, ift zu bevenfen nicht ver Mühe werth. Gab man doch auch
ben Adonis für die Sonne aus, denn die fpätere Grübelzeit, hie ihre
Birngefpinnfte Philofophie nannte, Titt in der Auslegung der Mythologie
am Sonnenfti und an der Mondſucht Das aber ift zu beachten, daß
man ihn auch flatt zum Sohne, zum Bruder der Himmeldfünigin machte,
wie Oſiris Bruder der Id, Zeus Bruder der Hera war. Da vieje
Nachricht uns ohne alle weiteren Unftände mitgetheilt wird, fo ver⸗
mögen wir über Veranlafung und Zeit nicht einmal eine Vermuthung
zu faßen.
In obiger Erzählung fehen wir die große Mutter des Lebens, Aſta⸗
soth, unter vem Namen Atargatis, zu Askalon unter dem Sinnbild des
Fiſches dargeſtellt, ver ihr darum zugetheilt ward, als geeignet, ihr
Weſen zu bezeichnen, weil das Waßer Iebenwedend und wachsthumfoör⸗
dernd iſt, und der Wifch fomohl dieſes bezeichnet, als auch ſelbſt ſich
ſchnell in größter Menge vermehrt. Dieſelbe Göttin hatte die Taube
zum Sinnbild, ald einen Vogel, ver durch feine große Vermehrung Hd
empfahl, zur Bezeichnung des Wefend ver Göttin der Vermehrung alles
Lebens zu dienen, und wenn wir in Griechenland die Taube der Diong
und Aphrodite geweiht fehen, fo tritt und dieſes Sinnbild in der mythi⸗
ſchen Gefchichte der Semiramid entgegen, und wie der Zifch ſelbſt für
heilig geachtet warb, fo auch die Taube. Daß die Göttin als Taube
Tochter der Filchgbttin genannt wird, währenn beine nur Formen einer
und verfelben Gottheit find, gehört vem Mythus an, der Semiramid, bie
zwar wunderbar und ein Gbtterfind feyn follte, jedoch zur Herricherin
Afiens gevichtet worben, einreihte. Gerade aber viefe ift für die Exkenntniß
der großen Mutter in Aften ebenſo wichtig, als Atargatis, und vieleicht
noch wichtiger, venn fie beißt die Gattin de Sohned, da Nin Sohn
beveutet und Manon ebenfalls und fie erft ven Menones, dann den Ninos
zum Gemahl hat in der mythiſchen Gefchichte, wie denn auch in derſelben
ihr Sohn Ninyas heißt, in welchem Namen viefelbe Bedeutung enthalten
il. In ver ägyptifchen Mythologie finden wir die nämlishe große Mutter
des Lebens, nicht nur als Iſis und unter beſonders beuannten Formen
derſelben, ſondern auch geranezu Mut, die Mutter genaunt, welche mit
der femitifhen Goͤttin nerwondt feyn muß, und iu derſelben Mythologie
IV. 15
2926 Semiramid.
fehen wir ven Zeugungsgott Khem Kamutef genannt, d. i. Gemahl feiner
Mutter, und von Papremis meldet Herodot, daß daſelbſt ver ägyptifche
Ares, aus der Fremde heimfehrenn, ſich feiner Mutter vermählte. Cine
ſolche Idee fcheint nun der Vermählung des Manon oder Nin mit Semi-
ramis zu Grunde zu liegen, und es fcheint eine foldhe Annahme un fo
weniger zu täufchen, als felbft vie mythifche Geſchichte ein ſolches Ver—
hältniß fo Far anveutet, als es ſich mit ven Verhältnigen einer mythi⸗
ſchen Gefchichte verträgt. Yuftinus erzählt und nämlich (1. 1): Ninus
befriegte zuerft die benachbarten Völker, und bezwang die Laͤnder bie
nach Kibyen hin, und ftarb mit Hinterlafung eines unmündigen Sohnes
Ninyad und einer Gattin Semiramid. Diefe wagte e8 nicht, dem unreifen
Sohne die Herrfchaft zu übergeben, noch auch fie offenkundig felbft zu
führen, und verkleidete fich daher, fo daß fie fidh für den Knaben Ninus
audgab, dem fie ähnlich ſah, und ſetzte eine Tiara auf. Damit ihre
Kleidung feinen Verdacht erwede, Tieß fie das ganze Volk ſich gleich ihr
kleiden, und dieſes behielt nachher viefe Tracht bey. Nach Ausführung
großer Thaten befennt fie ihren Trug, was ihr aber in der Serrfchaft
nicht ſchadete. Sie gründete Babylon und fügte Aethiopien zu dem Reiche.
Zulegt, da fie dem Sohne ihre Liebe antrug, ward fie nach zwei und
vierzigjähriger Herrſchaft von dieſem getöbtet, und Ninyas, als ob er das
Gefchlecht mit ver Mutter getaufcht hätte, alterte in Weichlichkeit unter
den Frauen. Sehen wir bier vie Oattin des eigenen Sohnes durchſchim⸗
mern, fo tritt dieſes Verhältniß faft noch deutlicher hervor in der Erzäh-
fung des Konon, weldye wir bey Photius (S. 220) leſen, wo es heißt,
Semiramis fen nicht des Ninos Weib, fondern Tochter gemefen, und habe
fih heimlich der Umarmung des Sohnes gefehlt, was Andere von der
Atofla erzählen, und daher habe e8 bey ven Medern und Perfern für gut
und rechtmäßig gegolten, fih den Müttern in Liebe zu gefellen. Daß
die Naturreligion ein ſolches Verhältniß enthalten Eonnte, darf uns nicht
wundern, denn ihre Ideen werben nicht nach dem Maßftab ver menſch⸗
lichen Sittlichfeit beftimmt, fonvdern nach dem, was die angenommene
Anfiht auszudrücken geeignet if. Sehen wir doch fogar in der griedji-
fhen Mythologie in vem Verlauf ihrer Ivpeenentwidelung ven Zeus mit
feiner eigenen Mutter Rhea die Perfephone erzeugen, als man die Demeter,
Perſephone's Mutter, zu einer Rhea geveutet hatte. Macrobius (Iraum
des Scipio 2. 10) berichtet fogar, daß Manche die Semiramid für eine
Tochter des Ninus ausgeben, fo daß ſich am Ende in viefen fämmtlichen
Annahmen die Vermählung des Sohnes mit der Mutter, des Bruders
mit der Schwefter und des Vaters mit der Tochter auf die eine Semi-
ramis zufammengehäuft finden, und welche zufammen zeigen, wie gerade
diefe Ghttin ein Gegenfland ver Fabeln und Yabeleien war. Aber von
dieſen verſchiedenen Verhältniffen kann nur das als am ficherften begrün=
det gelten, daß fie Gemahlin des Sohnes war.
Semiramiß. 297
Die Könige werben weibiſch, Semiramis männlich genannt, und fle
trägt felbft Manneskleidung, was auf einer Verwechslung ver Gefchlechter
beruht, wovon noch weiter die Rede feyn wird. Macrobius in ven Satur=
nalien (1. 8) bemerft: Auf Cypern tft das Biln der Venus bärtig, aber
weiblich gefleivet, mit einem Scepter und von männlicher Geftalt, und
man meint, fie fey männlich und weiblich zugleich. Ariſtophanes nennt
fie Aphroditod. Auch Lävinus: Venus, den Holden, anbetend, fey es
nun Weib oder Mann, und Philochoros in ver Atthis behauptet, fie fey
der Mond, und Männer verrichteten ihr das Opfer in Weiberfleivung,
Weiber in Mannskleivung, weil fie für Mann und Weib zugleich gelte.
Aus diefem Duelle ftammt aud) die Sermaphroditenform ine alte
Anficht war viefes nicht, fondern ſie entwidelte fich erſt durch den Dienft
der großen Lebensmutter, der zu Ehren der Mann zum Weibe warb,
und die Anftcht, uranfänglidy fey das zeugende und empfangende Princip
in einem vereinigt gewefen, ift Feine aus der Anſchauung und ven Ideen
des Volks bervorgegangene, ſondern eine fugenannte philofophifche, vie
man auch eine müßige Grübelei nennen kann, da ihr weder eine Kennt—
niß, noch eine erfennbare Wahrheit zu Grunde liegt. Für die fpäteren
Zeiten und ihre philofophifchen Spielereien waren aber folche Ideen ein
befonders guter Bund, um fogenannte höhere Ideen in die Volksmytho—
Iogie einzufchieben. Der Bolföglaube blieb ſtets bey ver großen Lebens
mutter ftehen, und ihm war fie ein Weib.
Mir haben oben gefehen, daß Manche (Diodor 2. ZD) die Semi-
ramis für eine fhöne Buhlerin ausgaben. Diefe Nachricht ift nicht ganz
zu überfehen, wenn fle und auch über das Wefen der großen femitifchen.
Göttin Eeinen befondern Aufihluß geben kann. Dergleichen wir aber
folgende Ueberlieferungen. Herodot (1. 184) meldet: Fünf Menfchen-
alter nach Semiramid war Nitofris Königin von Affyrien, noch verftän«
iger als jene, und hinterließ viele Denkmäler, und fie that auch dies:
file ließ fih über dem Stadtthor, wo man am meiften durchgieng, ein
Grabmal machen und die Worte an vemfelben einbauen: Wenn einer von
den Königen Babylond einft in großer Gelonoth feyn wird, Öffne er dies
Grabmal und nehme fo viel des Geldes, als er will, doch nur in ver
größten Noth, denn fonft wäre es ein Frevel. Dareios fpäterbin, an die
Schäße denkend, und weil er nicht durch Das Thor gehen fonnte, denn
der Leichnam unter dem er bingegangen wäre, würde ihn verunreinigt.
haben, öffnete dad Grabmal und fand den Leichnam, aber feine Schäße,
fondern die Worte: Wäreft vu nicht von unerfättlicher Gewinnfucht erfüllt,
fo hätteft du nicht die Ruheſtatt der Todten gedffnet. Gegen den Sohn
diefer Königin, Labynetos, zog Kyros in den Kampf. Der Name der:
Nitofris iſt ägyptifch und beveutet die flegreiche Neith, die man mit der
griechiſchen Athene verglich (und in Labynetos feheint der Name ver Neit h
15 *
228 Semiramiß.
ebenfalls enthalten zu jegn in ver Endung, wie der Name des Königes
Achampfinitos mit dem ver Odttin zufammengefekt iſt). Bliden wir nun
auf die Reihe ver Agyptifden Herrſcher, fo begegnet und auch dort ein
Weib und beißt Nitokris, von welcher Herodot melvet (2. 100): Diefe,
wie die Agsptifchen Priefter erzählten, rächte ihren Bruder, ver König
geweien und von den Aegyptern umgebracht worden war. Als fle ihrem
Bruder nämlih in der Herrfchaft nachgefolgt war, baute ſie ein weite
unterirdiſches Gemach, und lud die Mörver ihres Bruders zur Einweihung
ein, doch als dieſe bei vem Mahle fapen, lieh ſte das Waßer des Flußes
durch einen unterirdifchen Graben hinein. Sonft erzählte man nur noch
son ihr, daß fie nach dieſer That, um ver Rache zu entgehen, fid in ein
Gemach vol Afche geftürzt babe. Weiterhin erzählt Herodot (2. 134):
Manche von den Hellenen fchreiben die Pyramide des Myferinod ver
Buhlerin Rhodopis, d. i. Roſenwange, zu. Diefe aber hat unter Amaſis,
nicht unter Mykerinos geblüht, und Fonnte nicht die unzähligen Tauſende
son Talenten befiten, welche dieſe Pyramide gekoftet haben muß. Strabo
aber (808) fagt von dieſer Pyramide, file foll dad von ven Liebhabern
einer Bublerin, ver Geliebten des Charaxos, eines Bruders ver Sappho,
welcher mit Iesbifchem Wein nad) Naufratis handelte, errichtete Grabmal
geweſen ſeyn. Andere nennen fie Rhodopis und fagen, ein Adler habe,
als fle badete, einen ihrer Schuhe ihrer Dienerin geraubt und nad
Memphis getragen, wo der König gerave unter freiem Himmel Recht
fprach, und diefem habe der Adler ven Schuh in den Schooß fallen lafſen.
Derfelbe ließ alsbald nach ver Befikerin des Schuhes forjchen, und nahm
fie zur Gemahlin, nach vem Tode aber gab er ihr dieſe Pyramide zum
Grabmal. Manethos nannte diefe Pyramide die von Nitofrid erbaute,
und fagte, dieſe Königin fey die edelſte und fchönfte Frau ihrer Zeit, und
von heller Farbe geweſen. Sp gehörte diefelbe dann allerdings einer
Rofenwange an, und vielleicht auch einer Buhlerin, vie wie Semiramis
durch ihre Schönheit auf den Königsthron gelangte. In Babylon und
Memphis eine Königin von gleihem Namen zu finden, die in Babylon
glei der Semiramid gewaltig geherrſcht Hat, ift auffallend, und da
Semiramid nach Aegypten gezogen feyn fol, jo zeigt ed einen Zufammen-
bang der ägnptifchen und femitifchen Dinge, welder ſich auch außerdem
vielfach fund giebt und feinen guten gefchichtlichen Grund hat, wenn auch
die Darftelungen, in melden er vurchleuchtet, Keine rein gefchichtlichen
genannt werden fünnen. Wird Semiramis eine Buhlerin genannt, fo ift
ed nicht zu verwundern, denn da file die große Mutter des Lebens ift,
die man zur Königin gevichtet hat, und die Zortpflanzung unter ihrem
Schuß flieht, fo ift es ebenfo, wenn man fle eine Buhlerin nannte, als
wenn man Aphrodite in Griechenland, die Beichüberin aller Liebe, fo
genannt hätte. Es erhellt dies recht deutlich aud vem Dienft ver Lebens⸗
mutter, welchen fie zu Babylon unter dem Namen
Mylitta. 239
Mylitta
hatte, *) unter welchem wir ſie gleich der Atargatis und Semiramis als
eine beſondere Form, die einem befonvern femitifhen Stamm angehörte,
betrachten müßen. Bon diefer Miylitta erzählt Herodot (1.199 und
Strabo 16. 1): Jedes Weib des Landes muß einmal in ihrem Leben
bei dem Tempel der Aphropite ſich niederiegen, und ſich von einem
Fremden umarmen lafen. Manche, die reicher find und fich was Beßeres
bünfen, denn Andere, fahren in bevedten Wagen nad) dem SHeiligthum
mit einer großen Dienerfchaft hinter fih. Die Meiften nun machen e8
jo, fle figen in dem Hain der Aphrodite mit einem Kranz aus GStriden
um den Kopf, eine ganze Menge von Weibern, denn die einen fommen,
die andern gehen fort. Mitten durch diefe Reihen von Weibern laufen
Straßen nach allen Richtungen. In diefen Straßen geben vie Fremden
*) Vieber die Sitten der Babylonier meldet uns Herobut Folgendes (1. 195):
Sie tragen einen leinenen *2eibrod, der bis auf die Füße heradgeht,
worüber fie einen wollenen Rod anziehen und ein weißes Mäntelchen
werfen. Ihre Schuhe gleichen fait den Böotifchen, das Haar laßen fie
wachen, umwinden aber das Haupt mit einer Mitra, und falben fih am
ganzen Leibe. Jeder hat einen Siegelring, und einen gearbeiteten Stab,
und auf jevem Stab ift etwas gebildet, ein Apfel, eine Rofe, eine Lilie,
ein Adler oder funft etwas; denn einen Stab ohne ein derartiges Zeichen
zu haben, ift nicht Brauch. ine, nah meiner Meinung fehr weife Sitte,
die auch in Ilyrien bei ven Enetern herrfchen foll, ift folgende. Jährlich
verfammeln fie einmal in den Ortfchaften die Heirathbaren Sungfrauen,
und biefe werden dann einzeln zur Che zum Berfauf ausgeboten, und
zwar wird mit der fohönften angefangen. Sind die fchönften verfauft, fo
werben die häßlichen mit diefem Gelde an die, welche fie nehmen wollen,
untergebracht, und zwar wird die häßlichſte und mangelhafteſte zuerft an
den Wenigſtnehmenden abgegeben. Niemand aber darf feine Tochter nad
feinem Belieben verheurathen, und der Käufer Fann ohne Bürgfchaft Feine
Zungfrau nah Haus führen. Gefiel Einem die Jungfrau dennoch nicht,
wenn er Geld für ihre Heimführung empfangen hatte, fo mußte er das
Geld zurüderftatten. Männern aus andern Ortfchaften fland es auch frei,
fih dei folchen Berfäufen eine Jungfrau zu kaufen. Sept ift diefe Sitte
- abgefommen, denn feit fie durch Eroberung ihrer Stadt heruntergefommen
find, laßen fie ihre Töchter fich für Geld preis geben. Gin anderer weifer
Brauch ift, daß fle, Feine Aerzte habend, die Kranken auf den Markt
bringen, wo ihnen ein Jeder nach feiner Erfahrung Rath giebt, denn mit
Stillfehweigen darf Keiner vorübergehen. Die Leichen thun fie in Honig
(Strabo, 16.1. fügt Hinzu, daß fie diefelben mit, Wachs überziehen), und
ihre Todtenflage gleicht der ägyptifchen. Hat ein Babylonier fein Weib
umarmt, fo fest er fich zu angezündetem Weihrauch, und andrerfeits eben⸗
fo das Weib, am Morgen aber wafchen ſich Beide, denn fie rühren nichts
an, bevor fie fich gewafchen, und fo machen es auch die Araber.
230 Mylitta.
herun und fuchen fih Weiber aus. Wenn aber ein Weib einmal an
piefem Ort ſitzt, darf fie nicht eher wieder nady Haufe gehen, als bis
ein Fremder ihr Geld in ven Schooß geworfen hat und fie dann außer
halb des Heiligthums von ihm umarmt worden if. Wenn Einer das Geld
binwirft, fo muß er jagen: Im Namen ver Göttin Mylitta, denn bei
den Affyriern heißt die Aphropite Mylitta. Mag das Geld viel oder wenig
ſeyn, fo darf fie e8 nicht zurüdiweifen, denn foldyes ift verboten, weil es
geweihtes Geld ift, und ebenfo wenig darf fie Einen, ver ihr Geld Hin-
wirft, zurüdmeifen, fondern muß ihm folgen. If fie aber umarmt
worden und fo der Göttin geweiht, dann geht fie wieder nah Haufe,
und wenn man ihr noch fo viel böte, thut fie ed nicht wieder. Die nun
Thon und mohlgeftaltet find, kommen bald wieder nach Haufe, vie häß—
lichen aber müßen lange bleiben, ohne das Geſetz erfüllen zu können,
manche wohl vrei bis vier Jahre. An einigen Orten auf Kypros herrfcht
ein ähnlicher Brauch. Daß viefer Brauch auf Kypros ebenfalls berrfchte
an einigen Orten, zeigt, da man dort die Aphrodite, die Göttin ver
Phönifer verehrte, daß verfelbe nicht bloß in Babylon zu fuchen ift,
fonvdern überhaupt zu dem Eult der großen Lebensmutter gehörte. Wenn
Herodot (1. 94) von den Lydern fagt, ihre Sitten ſeyen faft die näm—
lichen, wie die ver Hellenen, außer daß fie ihre Töchter Hurerei treiben
ließen, fo fehen wir darin wahrfcheinlid einen ganz ähnlichen in dem
Cult einer Lebensmutter gegründeten Brauch. *) Mit Herodot flimmen
übrigens altteflamentlihe Schriften überein; denn wir lefen in dem
Bude Baruch (6. 42): Die Weiber figen vor den Kirchen mit Striden
umgürtet (anzubeuten, daß fie ein Eigenthum over Gclavinnen ver
Mylitta find, fo lange bis fie fi durch Hingebung gelöft haben), und
dringen Obft zum Opfer. Und wenn Jemand vorüber geht, und eine
von ihnen hinwegnimmt, und bei ihr fchläft, rühmet ſie ſich wider die
andere, daß jene nicht fey werth gemwefen, wie fie, daß ihr ver Gurt auf-
*) Ohne gerade Meberlieferungen wie die folgende mehr Werth beizulegen, als
fie im Allgemeinen verdienen, können wir fie auch nicht immer für ganz
unbeadhtbar anfehen. Diefe lautet bey Stephanus dem Byzantiner: Asfa-
Ion, eine Stadt Syriens bey Judaͤa. Kanthos fagt im vierten Buche feiner
lydiſchen Gefchichten, daß Tantalos und Askalos die Söhne des Hymenäos
waren (Hymenäos ift ein aus dem Hochzeitsliede gedichteler Gott der Ber:
mählung); daß aber Asfalos von dem Iydifchen Könige Akiamos zum Feld-
bern gewählt, einen Kriegszug nach Syrien machte, und dort von einer
Sungfrau geliebt, eine Stadt gründete, die er nady feinem Namen nannte.
Mir können zwar feine beflimmten Beziehungen zwifchen Eyrien und Lydien
nachweiſen, doch mag wohl die Angabe des Tanthos irgend eine, die wirfs
lich Statt gefunden, wenn auch freilich nicht in der von ihm angegebenen
Art, berühren.
Mylttta 231.
‚gelöfet würde. Im zweiten Buche ver Könige (17. 30) heißt e8 von
den nach Samaria verjegten Afiyrern: Die von Babel machten Suchoth⸗
Benoth, d. i. Hütten ver Töchter, und es ift damit der von Herodot und
im Buche Baruch erwähnte Brauch gemeint. Xanthos ver Lydier melvet
fogar in feinen magifchen Gefdichten (bei Clemens dem Alexandriner
im dritten Buche feiner bunten Schriften ©. 185), daß die Magier ſich
den Müttern und Töchtern in Liebe gefellen, und daß vie Liebesumar-
mung der Schweftern gefeglich fen, und gemeinfam feyen die Weiber,
nicht gewaltfam over heimlich, fondern mit Mebereinftimmung, wann
Einer dad Weib eines Andern wolle. Aus Cteſtas melvet Tertullian, daß
die Perſer ſich ven Müttern gejellten, und Eufebius (6. 275) fagt, bei
ven PBerjern war Riebeöverbindung mit den Töchtern und Müttern Braudy,
und erftrecte fich durch Auswanderungen weiter. Auch Diogened Laere
tius in der Einleitung erwähnt dieſes nad Sotion und Cyrillus in der
Schrift gegen Julian (4. ©. 117), daß die Chalväer*) vie Mütter heurathen
*) Diodor (2. 29) berichtet über die Chaldäer: Ste nehmen, welche die ältes
ſten unter den Babyloniern find, in der Staatseinrichtung eine ähnliche
Stellung ein, wie die ägyptiſchen Priefter, denn zur Gottesverehrung vers
ordnet, weihen fie ihre ganze Lebenszeit der Weisheit, und befigen einen
großen Auf in der Aftrologie. Auch hängen fie fehr der Weißagung an,
und machen Borausverfündigungen über die Zufunft, und ſuchen Abwen⸗
dung der Uebel zu bewirken durch Reinigungen, Opfer und gewiße Zauber-
fprüche. Die Kunde von der Weißagung durch Vögel befigen fie ebenfalls,
und legen Träume und Wundererfoheinungen aus, fo wie man aud von
ihnen glaubt, daß fie die Gingeweidefchau der Opferthiere wahrhaft ver-
fiehen. Aber die Kenntniß aller diefer Dinge erwerben fie fih nicht auf
gleiche Weife, wie es bei den Hellenen gefchieht. Denn bei den Chaldäern
wird diefe Weisheit im Gefchlecht fortüberliefert, und der Sohn empfängt
fie von dem Bater, frei von allen öffentlichen Leiftungen des Staats, und
da fie von früher Jugend an lernen, fo bringen fie es weit in ber Aftros
logie. Die Chalväer nun behaupten, die Natur der Welt fey ewig, fie
habe feinen Anfang gehabt, und werbe Fein Ende haben, aber die Orbnung
des Ganzen fomme von einer göttlichen Vorſicht, und Alles, was jet am
Himmel zu fehen ift, fey nicht zufüllig oder von felbft, fondern werde durch
eine feitbeftimmte Entfcheidung der Götter geordnet. Da fie denn fo lange
Beobachtungen der Geftirne angeftellt und Bewegung und Kräfte eines
jeden derfelben am genauelten von allen Dienfchen erfannt haben, fo fagen
fie Dieles, was den Menfchen begegnen wird, vorher. Am beveutenpften,
behaupten fie, feyen die fünf Planeten, die fle die Dolmetfcher nennen,
bejonders aber der von Griechen Kronos benannte. Die andern vier nennen
fie, gleich unfern Aftrologen, die Sterne des Ares, der Aphrodite, des
Hermes und des Zeus. (Sertus Empirifus, 5, fagt, unter die fieben
Planeten hätten die Chaldäer den Helios und die Selene, d. i. Sonne
und Mond, gerechnet.) Dolmetjcher aber heißen fie die Planeten, weil bie
ES} Mylittae.
and ſich mit ven Schweftern verbinden. Ja Theodoret (IX. S. 614) jagt
ſogar, dieſer Brauch fey in den Gefeken des Zarasdes (Zorsafter)
andern als Nicht- Planeten einen feftbeilimmten Fortgang haben, diefe aber
allein, indem fie ihren eigenen Weg gehen, das Infünftige anzeigen, und
den Menfchen das Wouhlwollen der Götter fünden. Denn theils geben fie
Kunde durch ihren Aufgang, behaupten jene, theils durch ihren Untergang,
theils durch ihre Farbe, wenn man genau auf fie achten will. So zeigen
fie mandmal die Stärfe des Sturms an, manchmal bie SHeftigfeit ver
Regengüffe oder ber Hiße, zuweilen auch die Erfcheinung der Kometen, die
Kinfterniße der Sonne und des Mondes, Srobeben, und überhaupt alle aus
unferer Umgebung ſtammenden Wandlungen, nügliche wie ſchaͤdliche, nicht
nur Bölfeen und Ländern, fondern auch Königen und einzelnen Menfchen.
Shnen, fagen fle, feyen dreißig Sterne untergeorbnet, die fie Rathgöfter
nennen, von welchen die eine Hälfte auf die Orte über der Erde, die andere
auf die unter der Erde Aufficht hätten, die Dinge der Menfihen, und was
fih im Himmel begebe, beobachtenn. Alle zehn Tage aber werde einer der
oberen als Sternbote hinab-, und einer von denen unter der Erde ebenfo
hinauf gefandt, und dieſe Bewegung hätten fie in ewigem Kreislauf feft
beftimmt. Die Zahl der höchſten Götter geben fie auf zwölf an, und
fehreiben jedem einen Monat und ein Bild des Zodiafus zu. Durdy viefe
Bilder aber nehmen, fügen fie, Sonne und Mond und die fünf Planeten
ihren Gang, indem die Sonne ihren Kreislauf in einem Sahr, der Mond
in einem Monat vollendet. Jeder der Planeten habe, geben fie an, feinen
eigenen Lauf, verfchieven an Schnelligfeit und Zeitraum. Für die Geburt
der Menſchen trügen biefelben Vieles, theils Gutes, theils Böfes, bei, und
durch fie erfenne man zumeift, was den Menfchen begegne. Sie hätten aber,
fagen fie, fowohl andern nicht wenigen Königen Vorherſagungen gegeben,
als auch dem Alerandros, welcher den Dareios befiegte, und ben Herrfchern
nach ihm, dem Antigonvs und Seleufos Nikator, und file ſcheinen in allen
ihren Ausſprüchen das Rechte getroffen zu haben. Auch Privatleuten
weißagen fie die Zukunft fo fiher, daß man fich darüber verwundert, und
es für übermenfchlich Hält. Außerhalb des Zodiafus beflimmen fle vier
und zwanzig Sterne, die Hälfte im Norden, die andere Hälfte im Süden,
und die von benfelben, welche man fleht, theilen fie den Lebenden zu, bie
unjichtbaren aber den Todten, und nennen fie die Richter von Allem. Unter
allen den Genannten, fagen fie, habe der Mond feinen Lauf der Erde am
nächften, ber in furzer Zeit feine Bahn durchmißt, nicht durch die Schnel-
Iigfeit feines Schwungs, fondern durch die Kürze feines Kreifes, daß er
fremdes Licht Hat, und durch den Erdſchatten verfinftert wird, geben fle mit
den Griechen übereinftimmend an. Ueber die Sonnenfinfterniße aber geben
fie ſehr ſchwache Darlegungen und wagen fie nicht vorauszufagen, noch
genau ihre Zeit anzugeben. Ueber die Erde bringen fie eigenthümliche
Behauptungen vor, indem fie fagen, fie fey nacdhenförmig und Hohl, und
haben darüber und über das Andere, was die Welt betrifft, viele und wahr:
ſcheinliche Varlegungen. Die Beobachtung der Sterne wollen fie fchon
viermal Hundert und drei und flebenzig taufend Iahre bis zum Kriegsjuge
Mylitta. 233
begründet, wo es aber wohl nie begründet war. Leicht Fonnte ver Sag
in ber Mythologie der Mutter alles Lebens Cingang finden, daß fle den
Yigenen Gemahl fi geboren habe; wie weit aber daraus menfchliche
Berirrungen hervorgegangen, müßen wir vahingeftellt feyn laßen.
Diefe Ghttinnen nun, Aftarotd und Aſtara-Gatis, nad) einem
andern Dialeft Ater⸗-gatis, Semiramis, Mylitta, und die unter den
Kamen Divne und Aphrodite in Griechenland bekannte Göttin find
durchaus Former oder eigentli nur verfchievdene Namen einer und der⸗
felben Gottheit, der Mutter des Lebens, von welcher mir zwei Sinn-
bilder, den Fiſch and die Taube kennen Iernen, und die Anwendung
diefer Sinnbilder bringt eine wefentlihe Trennung nicht hervor. Die
naͤmliche Göttin, welche in dem einen Tempel mit dem Sinnbilde des
Fiſches in eine Beftalt zufammenverwebt dargeftelt ward, fonnte in dem
andern in rein menfchlicher Geftalt erfcheinen, und war darum nicht im
@eringften eine andere; denn in Menfchengeftalt wurden ja die Götter
gedacht, und grade in Aegypten, wo die aus dem Sinnbild und der
Menfchengeftalt gemifchten Gottheiten am häuflgften vorfommen, erfcheint
bie nämliche Gottheit bald in der Mifchgeftalt, bald in der reinmenfdh-
lihen, ohne daß dieſes einen Unterfchied in ver Sache macht, und
zuweilen find fogar mehrere Sinnbilder in einer Geftalt vereinigt. Lukian
bat daher mit feiner Beweisführung, daß die Gdttin zu Hierapolis nicht
die Utergatis fein fünne, durchaus nicht Recht, weil er ſie bloß auf bie
Geftalt ſtützt. In feiner Schrift über vie fyrifhe Göttin fagt dieſer
fpätlebende Grieche (14), nah Manchen habe Seniramid die bortige
Göttin gemeiht, aber nicht ver Here, denn jo nennt Lukian bie dortige
Goöttin, um die femitifche Königin des Himmeld mit der griechifchen
Simmeldfönigin zu vergleichen, fonvdern ihrer Mutter Derketo. Er aber
habe in Phönikien die Derketo gefehen, eine fremde Schau, oben Weib,
von den Schenfeln an in einen Fiſch endend; die Göttin aber in Hiera—
polis fey ganz Weib. Der Beweis ver dortigen Leute fey nicht einleuch»
tend, daß fie nämlich die Fiſche für heilig hielten und nicht berührten,
und ebenfo unter ven Vögel allein vie Taube nicht äßen, was fie ver
Derfeto und Semiramid megen nicht thäten, weil Derfeto Bifchgeftalt
Aleranders geübt haben. Strabo (S. 739) fagt von den Chaldäern;
Die Chaldäer treiben Aftronomie, Manche aber geben fih für Nativitäts-
fteller aus, welche von den Andern nicht anerfannt werden. Es giebt auch
ein Volk der Chaldäer, und einen von ihnen bewohnten Strich Babyloniens
in der Nähe Arabiens und des perfifchen Meeres, und mehrere Gattungen
ber aftronomifchen Chalväer. Denn manche heißen Orchener, Borfippener,
und fo mehrere Andere, wie fie nach Serten biefe und jene Meinungen über
bie nämlichen Gegenftände hegen.
234 Mylitta.
babe und Semiramid in eine Taube zulegt verwandelt worden jey.
Gäbe e3 doch, meint Lukian, Manche in Aegypten, vie Feine Fiſche äßen,
und dies nicht der Derfeto wegen thäten. Man verehrte alfo bie große
Göttin zu Hierapolis als die Göttin des Fifches und ver Taube, und
da wir ihren Namen nicht erfahren, fo Tonnen wir gar nicht fagen,
derfelbe fey nicht urfprünglich Atergatid geweſen; denn das Bild, welches
Lukianos (32) bejchreibt, ift ein fpätes, in welchem fich bereitö eine
Vermifchung ver femitifchen Göttin mit griechifchen Göttinnen findet,
und dieſes Tann daher zu Feinem Beweiſe über dad wahre Wefen ver
einheimifchen Gottheit dienen. Er melvet, viefe Here habe eine viel-
artige Geftalt, fey aber nach allem zufammen Sere; fte habe etwas von -
Athene, Aphrodite, Selene, Rhea, Artemis, Nemeftd und den Moiren;
in ver einen Hand halte fie das Scepter, in der andern die Spindel,
auf dem Haupt aber trage fie Strahlen und einen Thurm, und habe
den Gürtel, womit man allein die Aphrodite Urania fchmüde, und aufen
laufe nochmal Gold umher mit fehr Eoftbaren Steinen, weißen, mwaßer-
farbigen und rothen, dazu viele farvifche Onyre, Hyakinthen, Smaragden.
Am merfwürbigiten aber jey, daß fie einen Stein auf vem Haupt trage,
Leuchtftein genannt, ver Nachts vielen Glanz verbreitet, daß der ganze
Tempel wie von Lampen erhellt ſcheint. Auch anderes Wunderbare fey
an dem Bilde, denn wenn man daſtehe und ed anfchaue, fo fehe es
Einen an, und wie man den Blick fehmweifen Iaße, folge e8 Einem, und
wenn ein Anderer es von einer andern Seite anfehe, fo fehe es aud
den an. Diefes Wunder erzählt freilich Lukian nur, um ven gläubigen
Ton Herodots nachzuahmen, nur daß er nicht einen Zufag macht, mie
Herodot fie zu machen pflegt. Diefes Bild war in dem Thalamod des
inneren Tempels, in welchen man vermittelfi eines Fleinen Aufftieges
gieng, ohne daß er durch eine Thüre verfchloßen war. Doch durften nur
die Vornehmften unter ven Prieftern in viefen Thalomos gehen. Außer
biefer Here war noch Zeus daſelbſt (alfo Baal, denn dieſen verglichen
die Griechen mit Zeus), beine von Gold und fißend, Gere war von
Löwen gefahren, Zeus von Stieren. In ver Mitte aber von beiden fland
ein anderes golvdened Bild, den übrigen Bilder in nichts gleich; venn
ed hat feine eigene Geftalt, und trägt dad Ausfehen anderer Götter, und
wird von den Aſſyrern felbft dad Zeichen genannt, und fie gaben ihm
feinen eigenen Namen, und erzählen nichts über feine Abflammung und
Geftaltung. Die Einen aber führen ed auf Dionyfos, die Andern auf
Deufalion, Andere auf Semiramis zurüd, denn oben auf ver Spite ſteht
eine goldene Taube, meßhalb ed das Zeichen der Semimarid feyn fol.
Zweimal aber in jevem Jahr geht es weg zu dem Meer, um das Waßer
zu holen, denn der Tempel ift über einen Schlund gebaut, ver dad
Waper der Blut Deufalions aufnahm. Zweimal nun im Jahre, erzählt
——— —
|
Mylitta. 235
Lukian (13), kommt Waßer in ven Tempel, und nicht die Priefter allein
tragen es, fondern ganz Syrien, Arabien und die Leute von jenfeit des
Euphrat gehen zahlreich zum Meer und Alle tragen Waßer, und viefes
fhütten fie zuerft im Tempel aus, und dann läuft ed in ven Schlund,
ver zwar Elein ift, aber viel Waßer aufnimmt. Die dieſes thun, fagen,
Deufalion habe dieſen Brauch feitgefeßt, daß er ein Gedächtniß des
Unglücks und ver Rettung fey. Dieſes Waßertragen und die Taube
zeigen, daß bie Bedeutung der Atargatid und der Semiramid in Gebrauch
und Bild ausgedrückt war. In dem Tempel felbit, heißt es weiter (34),
ft zur Linken ver Eintretenven ver Thron des Helios, ein Bild veffelben
ift aber nicht da, denn die Bilder allein des Helios und der Selene
weifen ſie nicht auf, weil man von ihnen Feine zu machen brauche, da
man fie jelbft am Himmel ſehen kann. Nach viefem Thron fommt ein
Bild des Apollon, aber nicht, wie man ihn gewöhnlich bildet, jugenvlich,
fonvern bärtig, weil es ihnen nicht recht feheint, Götter unvollfommen
darzuftellen, unvollfommen aber feheint ihnen die Jugend. Diefer Apollon
it auch befleidet. Wann viefer weißagen will, bewegt er fich auf feinem
Sie, und dann erheben ihn fogleich vie Priefter, wann aber viefes
geihieht, fchwigt er und bemegt ſich noch. Tragen fie ihn dann, fo führt
er te, überall herumtreibend und vom Einen zum Andern herumfpringenv.
Zulegt geht ihm der Oberpriefter entgegen, und fragt ihn über alle
Dinge; wenn er aber etwas nicht thun will, geht er zurüd, billigt er
jenoch etwas, fo führt er die Tragenden vorwärts, fie lenkend wie ein
Wagenlenfer die Roße. So nun ſammeln fie die Orafelfprüde, und
weder ein heiliged Ding thun fie, noch ein gewöhnliches ohne dieſen Gott.
Auch über das Jahr und die Jahreszeiten, und darüber, wann das oben⸗
erwähnte Zeichen an dad Meer gehen fol, fpricht er. Als ich dort war,
meldet Lukian (37), erhuben ihn die Priefter und trugen ihn, er aber
ließ fie unten auf ver Erde, und fihmwebte für fidh allein in der Luft.
Nach dem Apollon ift vafelbft ein Bild des Atlad, und nach viefen das
Bild des Hermes und der Eileithyia. Außerhalb des Tempels befindet
fi ein großer, eherner Altar, und es find vafelbft fehr viele Erzbilder
der Könige und Priefter, zur Linfen dad ver Semiramis,; denn als fie
die Menfchen dazu gebracht hatte, vie andern Götter und Here ſelbſt zu
vernachläßigen, und nur fie anzubeten, brachen Seuchen und Unheil
herein, und fie geftann nun ein, daß ſie eine Sterbliche ſey, und wies
die Menfchen zur Anbetung der Sere bin. Berner giebt Lukianos an,
ee habe vafelbft auch das Bild ver Helena gefehen, das ver Hefabe, ver
Andromache, des Paris, des Hektor und Achilles, fowie den Nireus,
Philomele und Prokne ald Frauen, Tereus ald Vogel, und ein zweites
Bild der Semiramis, den Kombabos, die Stratonife und den Alexandros,
neben dieſem aber den Sardanapalos. In dem Tempelhofe giengen frei
938 Mylitta.
herum große Stiere, Roße, Adler, Bären, Löwen, alle heilig und zahm.
Der Priefter gab es viele, die einen fchlachteten bie Opferthiere, andere
trugen die Spenden, andere waren vie Feuerbeforger, andere vie Altat⸗
gehülfen. Ueber dreihundert famen damals zum Opfer, alle weiß geflel«
det, mit einem Hut auf dem Kopf, der Oberpriefter aber, welcher jedes
Jahr neu gemählt wird, trägt Purpur und eine goldene Tiara. Außer-
dem giebt ed daſelbſt no eine Menge Heiliger Leute, Blötenbläfer,
Pfeifer, Gallen und Weiber vol Begeifterungswahnfinn. Das Opfer,
zu welchem Alle kommen, findet täglich zweimal flat. Dem Zeus opfern
fle in Stille, ohne Sefang und Tlöten, wann fie aber ver Here opfern,
f9 fingen fie, blafen Flöten und laßen Erzklappern ertönen, wußten aber
feinen beftimmten Grund darüber anzugeben. Unfern des Heiligthums
ift ein Sce, worin mannigfaltige heilige Zifche gehalten werden, umter
denen welche jehr groß werben, und dieſe haben Namen und kommen
gerufen herbei. Als Lufian fort war, fand fih einer darunter, ver an
der Floßfeder einen goldenen Schmud hatte. Die Tiefe dieſes See's gab
man auf mehr ald zweihundert Klafter an, und in ber Mitte fland ein
Altar von Stein, der auf den eriten Anbli zu fehwimmen ſchien, was
auch Viele glaubten, und diefer warb immer befränzt und hat beftändig
Rauchwerk, und täglich ſchwimmen welche, Gelübden gemäß, zu vemfelben,
Kränze Hinbringend. Dafelbft finden auch fehr große Feſtzüge ftatt, vie
man die Sinabgänge an den See nennt, weil in ihnen alles Heilige
zu dem See hinabgeht. Here zieht darunter voran, ver Fifche wegen,
damit Zeus fie nicht zuerft ſehe; denn wenn dieſes gefchieht, fo fterben
fie, heißt e8, alle. Er nun fommt, um fie zu ſehen, Here aber vorwärts
daſtehend, hält ihn ab, und fchieft ihn mit angelegentlichem Bitten zurüd.
Ihre größten Feſtzüge aber find die, welche zu dem Meere gehen. Den
Hinzug lernte Lufian nicht Fennen, fah aber die Zurückkunft und befchreibt
fle (48) alfo: Jever trägt ein mit Waßer gefülltes Gefäß, melches mit
Wachs verfiegelt iſt, und dieſes Siegel Töfen fle nicht ſelbſt, ſondern ein
heiliger Hahn wohnt an dem See, der die Gefäße empfängt, das Siegel
befhaut und für einen Lohn das Wachs abnimmt, was ihm viel einträgt.
Iſt dieſes gefchehen, dann tragen fie das Waßer in ven Tempel, fpenven,
dpfern, und gehen weg. Daß größte aller Feſte, welche ich Fenne, fagt
Lukian, feiern fle am Anfang des Frühlings, und die Einen nennen
e8 das Brandfeſt, die Andern das Fackelfeſt. Sie hauen nämlidy große
Bäume ab, und ftellen diefe in dem Tempelhof auf, dann führen fie
Ziegen, Schafe und andere lebende Thiere herbei, und hängen fie an bie
Daume, ebenfo Vögel, Kleider und Gold- und Silber-Sachen. Iſt
dieſes ausgeführt, dann verbrennen fie die Bäume mit ven Opfern, und
aud Syrien und allen Marken ringsherum Tommen viele Leute zu dieſem
Feſte, die Ale ihre Opfer bringen. An beflimmten Tagen verfammelt
Mylitta. 2337
fi) die Menge zu dem Heiligthum, zahlreihe Gallen aber, unb bie
beiligen Leute des Tempels vollführen vie Drgien, ſchneiden ſich in his
Arme, ſtoßen mit den Nüden aneinander, und viele Dabeiftehenve blafen
Slöten und fchlagen Paufen, Andere aber fingen begeifterte heilige Lieder.
Do dieſes Alles gefchieht außerhalb des Tempels. An folchen Tagen
giebt es auch neue Gallen; denn wann die Andern Bldten blafen und
Ängen und die Orgien vollführen, ergreift vie Maferei Viele, und zu her
Goͤttin gehend machen fie fih zu Gallen auf folhe Art: Der Yüngling,
welcher dies thun will, wirft feine Kleiver weg und rennt mit Gefchrei
berbei, nimmt ein Schwerbt, verfchneibet fi) und läuft dann mit dem
Ausgefchnittenen in den Händen durch die Stadt. In welches Haus er
dann dieſes wirft, aud dem empfängt er ein Weiberkleiv und Weiber⸗
ſchmuck. Diefe Gallen werden, wann ſie fterben, nicht wie vie andern
Leute beftattet, fonbern ihre Genopen tragen fie vor die Stadt, und ſetzen
fe mit der Bahre nieder, und werfen Steine oben drauf, worauf fe
fieben Tage von dem Heiligthum wegbleiben, da fle fo lange unrein ſind.
Sieht ein Galle einen Todten, fo fommt er an dem Tage, wo vieles
gefchieht, nicht in das Heiligthum, ſondern erſt, nachdem er fich gereinigt
hat, am folgenden. Stirbt Einer ver Ihrigen, fo find fie dreißig Tage
unrein, und müßen fi) das Haupt feheeren, ehe fie wiener in das Heilig-
thum geben. Geopfert werden Stiere und Kühe, Ziegen, Schafe; nur
Schweine gelten für unrein und werben weder geopfert, noch gegeßen,
währenn Andere fie nicht für unrein, fonvdern für heilig halten, Unter
ven Vbgeln gilt vie Taube für höchſt Heilig, und man wagt nicht, fis
anzurühren, gejchieht Died aber unverfehens, fo ift der, dem es begeguet,
unrein an diefem Tage. Kommt Einer, um an den Feltverfammlungen
Theil zu nehmen, in die heilige Stadt, fo fheert er ſich Kopf und
Brauen, und dann ein Schaf opfernd, macht er das Fleiſch zurecht und
ſchmaußt, das Sell aber legt er auf vie Erde, kniet darauf und zieht ben
Kopf und die Füße des Thierd zu feinen Kopf, wobei er fleht, vie Gott⸗
heit möge das jeßige Opfer annehmen, und ein größeres für die Zukunft
serfpricht. Iſt dies gefchehen, fo befränzt er fi das Haupt und Dem
Anvdern, die venfelben Weg kommen. Auf feiner Wanverung von Haus
aber bedient er fich Ealten Waßers, fowohl zum Babe, wie zum Trinken,
und fihläft auf der Erde, denn er darf in feinem Bette fchlafen, bevor
er wieder nach Haus zurüdgekehrt if. In der heiligen Stadt aber
nimmt ein Gaftempfänger ven Unbekannten auf, denn ed find beftinmte
Gaftempfänger für eine jede Stadt dafelbft, und die Aſſyrer nennen die⸗
felben Lehrer, weil fie über Alles Anleitung geben. Sie bringen aber
ihre Opfer nicht dort in dem Heiligthume dar, ſondern ftellen ſie daſelbſt
zum Altar, gießen bie Spende varauf und nehmen fie dann mit nad
Sau, wo fe das Opfer und Gebet verrichten. Noch eine andere Art
238 Militta.
des Opfern ift dieſe: Sie befränzen das lebende Opferthier, werfen es
aus dem Vorhofe hinab, und laßen das hinabgeworfene Thier fterben.
Manche werfen auch ihre Kinder, doch nicht auf gleiche Weiſe - hinab,
fonvdern in einen Sacke oder Ranzen, den fie mit ver Hand herablaßen,
wobei ſie mit den Kindern Scherz treiben, und fagen, daß fie nicht
Kinder, fondern Rinder feyen. Alle aber punktiren fi, vie Einen an
den Handgelenken, die Andern in ven Naden, fo daß alle Affyrer tätto-
wirt find. Zu Sierapolis haben fe auch einen heiligen Brauch, welcher
einem in Hellas allein zu Trözen vorkommenden gleicht. Bei den Tröze⸗
niern ift e8 nämlich für Jungfrauen und Jünglinge Gefeg, fich nicht zu
vermählen, bevor fie dem Hippolytos ihr Haar abgefihoren und darge:
bracht Haben. Aehnlich bringen die Sünglinge zu Sierapolis ihren Bart
zum Opfer dar, den Kindern aber läßt man die Xoden von der Geburt
an geweiht wachen; wenn fie dann in das Heiligtum Fommen, ſchneiden
fie fie ab, thun ſie in filberne, Viele au) in goldene Gefüße, und nageln
fie im Tempel an, ihre Namen daran bemerfend. So hat ed auch Lukian
gethan, fo daß feine Pode und fein Name im Tempel war.
Der Herrlichfeiten ded Tempel! zu Hierapolis gab es alfo viele,
und fein Neihtbum war nicht gering. Als Craffus in Syrien war,
erzählt Appian in ven parthifchen Geſchichten (S.28), rechnete er die
Tenipelfchäge viele Tage hindurch mit Wage und Gewicht aus, doch Tam
ihm eine ſchlimme Vorbeveutung von der Göttin vafelbft, in welcher vie
Einen die Aphrodite, die Andern die Here erkennen, noch Andere bie
Endurfache und Natur, vie Allem Keim und Samen aus dem Feuchten
gewährt. Als Craffus nämlich mit einem jüngeren Craffus aus dem
Tempel gieng, fiel dieſer an ver Thüre, und der ältere flürzte auf ihn.
Sowie Lukian die große Göttin zu Hierapolis befchreibt, Eonnte fle
in älterer Zeit nicht dargeftelt werden, wohl aber war es ganz vem
Geift einer jpäteren Zeit angemeßen, Vieles in einer Gottheit zufammen
zu häufen, und die Gottheiten in einander zu mengen. Bei dem großen
Anfehen des Tempels zu Hierapolis war eine folche Vermengung und
Anhäufung um fo eher zu erwarten, da die Gottheit ja dadurch um fo
größer und gewaltiger erfcheinen mußte, wodurch das Heiligthum um fo
angejehener blieb. Lufian (10) fagt, daß die Leute aus Arabien und
Phönifien, Babylon und Kappapofien und Kilifien binfamen und ven
Tempel bereicherten, dem ed, wie wir gefehen haben, an Wundern nicht
fehlte, und in welchem man fogar Stimmen tönen hörte, wann er ver-
ſchloßen war. In der Erfindung, um den Tempel zu einen fehr mid
tigen zu machen, gab man fich feine große Mühe, fonvdern nahm zuſam⸗
men, wad fich irgend fand. So mar ed eine grade nicht tieffinnige
Erfindung, daß man den Erpfchlund unter dem Tempel zu dem vichtete,
in welchen ſich die veufalionifche- Flut verlaufen habe. Da man bie
Mylitta,, 239
Göttin der Semiten allerdings mit ver Rhea, als einer einigermaßen
ähnlichen vergleichen konnte, fo gab es auch eine heilige Sage, fte fey
Rhea (Lukian 15) und dad Seiligthum fey von Attes gegründet, ven
Rhea verfihnitt, worauf er im Weiberanzug auf der Erde herumfchmweifte,
Orgien einführte, was ihm wiverfahren, erzählte, und Rhea verherrlichte.
Weil man ihn jenfeit des Euphrat nicht aufnahm, fo errichtete er das
SeiligthHum, da wo der Tempel nun ift. Viele Zeichen der Göttin treffen
mit denen der Nhea überein; Löwen tragen fie, fie hat eine Paufe und
auf dem Haupt einen Thurm, wie die Lyder vie Rhea bilden. Rhea hat
auh Gallen, die ven Atted nachahmen. Diefe Angaben ſchienen Lufian
zwar paßend, aber nicht wahr, da er etwas Glaubwürdigered über die
Verſchneidung gehört hatte. Andere gaben vor, Dionyſos, ald er nad
Anthiopien gieng, fey nah Syrien gefommen, und habe viefes SHeilig-
thum gegründet, und Zeichen fprechen dafür. Es finden fich nämlich im
Tempel Barbarenkfleider, indiſche Steine, Elephantenzähne, die Dionyſos
aus Aethiopien brachte, und in den Propyläen ſtehen zwei fehr große
Phallen, mit der Infchrift, dieſe Phallen weihte ich Dionyfos der Stief-
mutter Here, und wie die Griechen Fleine Männchen mit großen Phallen
aus Holz machen, die fie fehnurgezogen nennen, fo tft auch in dieſem
Heiligthum, zur Nechten des Tempels ein Fleiner Erzmann mit einem
großen Phallus. Den Tempel, ver zu Lukians Zeit fand, gab man
nicht mehr für den alten aus, fondern die aflyrifhe Königin Stratonife
galt für die Erbauerin, denn ein Traum trug ihr diefen Bau auf, und
als fie erft ven Traum nicht achtete, ward fie frank, worauf ihr Gatte
fie hinfandte, dad Werk zu vollführen, und die Obforge über fein Weib
und die ganze Unternehmung dem fchönen Jüngling Kambabos übertrug,
ven er fehr liebte. Diefer aus Furcht, fpäterhin wegen Stratonife feine
Giferfucht zu erregen, bat fehr, ihm dieſes Gefchäft zu erlaßen, und als
ihm dies nichts half, bat er fih eine Friſt von fieben Tagen aus.
Während diefer Zeit verfihnitt er fich, und legte das abgefchnittene Glied
in Myrrhen, Honig und anderes Rauchwerk, und das verftegelnd,
beilte er die Wunde. Bei der Abreife gab er dem König das Käftchen
zur Verwahrung, vorgebenn, es enthalte einen für ihn fehr werthvollen
Schatz. Zu Hierapolid ward Stratonife in ihn verliebt, und ganz in
ihre Liebe verloren, wußte fte Fein anderes Mittel, als fie nahm Wein,
machte fi Muth damit, und gieng zu Kombabos ihre Xiebe geftehend.
Als diefer fie zurückwies, drohte fie fich ein großes Leid anzuthun, und
nun entdeckte er ihr, was er an fich gethan hatte, doch fie Fonnte von
der Liebe zu ihm nicht laßen, fonvern lebte immer mit ihm, ihre uners
füllbare Liebe auf dieſe Weife zu befcjwichtigen. Solche Liebe findet in
Sierapolis auch jetzt noch ſtatt. Frauen lieben Gallen, und Gallen find
safend in Gallen verliebt, Feiner aber fühlt Eiferfucht darum, fondern es
240 Mylitta.
gilt für etwas ſehr Heiliged. Als viefed Verhältniß ner Stratonite dem
Könige zu Ohren Tam, rief er den Kombabos von dem unnollenheien .
Werke zurück. Anvere aber erzählen fälfhlih, Stratanife babe, als fs
ihren Zweck verfehlt, felbft an ven König anklagend geichrieben, um *
Kombabos Gefahr zu bereiten. Sobald er zurückkam, ließ ihn der
König feßeln und fogleih in das Gefängniß fegen, und ald er vanı bie |
Freunde verfammelt Hatte, Tieß er ihn vorfordern, und warf ihm Ehe⸗ |
bruch mit der Königin vor, Kombabod aber antwortete nicht, und erf |
ald man ihn zum Tode führen wollte, verlangte er vom Könige das
ihm übergebene Käftchen, mit dem er feine Unſchuld bewies. Der König
ebrte ihn nun bach, und ließ fein Erzbild in den Tempel ver heiligen
Stadt ftellen, wo e8 zu fehen ift, ein Werk des Rhodiers Hermofled, an |
Geſtalt ein Weib varfteflend mit Manneskleivung. Freunde des Komba⸗ |
608 aber verftümmelten fih auf gleiche Art, ihm zur Gefelfchaft und |
gleihfam zum Troft. Andere aber bringen eine heilige Sage vor, daß
nämlich Here den Kombabos Tiebenn, es Dielen in ven Sinn gegeben
babe, fich zu verfchneiden, damit er fich nicht gräme, ver einzige Ent-
mannte zu ſeyn. Diefer Brauch aber blieb von da an, und alljährlich
entmannen ſich viele in dem Tempel ver Heiligen, entweder des Kombabos
wegen, over ver Here zu Gefallen, doch diefe tragen Frauenkleidung und
thun Prauenwerfe, was auch auf den Kombabos zurüdgeführt wird.
Denn ed begab fich, daß eine fremde Frau, die zur Veflfeier gekommen,
und ihn in feiner Schönheit in Manneskleidung erblidte, von gewaltiger
Liebe zu ihm entbrannte, als fie aber feine Berftümmelung erfuhr, id
das Leben nahm. Aehnlichem Unheil vorzubeugen, legte er Frauenkleidung
en, und darum thun ed auch die Gallen. *) Wir haben gefehen, daß
Semiramid Manneskleivung anlegte, und finden alfo die Gefchlecdhter
ihre Kleidung miteinander vertaufchen, was die mpfaifche Geſetzgebung,
wie oben aus verfelben angeführt worden ift, wohl nicht ohne Rüdficht
auf das Heidenthum ftreng unterfagte. Daß fih Männer in fanatifcher
Erregung verftümmelten und Weiberfleiver anlegten zu Ehren des
großen Weibes, der Lebensmutter, war einem vielfah fanatifchen Cult
ganz angemepen, und da er das Fortpflanzen des Lebens zum Gegenfland
hatte, fo war ber ganze Sinn auf Erzeugen und Empfängniß gerichtet,
und in wilder Verwirrung wurbe der Mann zum Weibe, dad Weib zum
*) Diefer Kombabos gehört nieht in den Kreis der Diener Aſtarte's ober
Derfeto’s, fondern ift aus der Mytholvgie der Rhea nach Hierapolis gewans
bert, wiewohl die Sache der femitifchen Mythologie durchaus nicht fremd
if. Die Mutter der Kureten hieß Kombe, und zwar in Pleuron in Aeto⸗
lien, wie wir aus Heſychius und Ovid (Berwandlungen 7. 383) erfehen,
wie denn auch Ronnus die Rombe eine Hebengebährende nennt, da Mande
Mylitta. 2a
Manne und ähnliche Ideen des Dionyſoseults erzeugten auch in biefem
Kreife arge DVerirrung der Gefchlechter. Weber ven herrlichen Tempel
felbft melvet Lukian (28), daß er mitten in der Stadt auf einem Hügel
fand, von einer zwiefachen Mauer umgeben, von einer alten und einer
noch älteren, mit Propyläen an der Norbfeite von hundert Klaftern
Größe, worin bie beiden von Dionyſos geftifteten Phallen von vreihundert
Klaftern Größe ſtanden. Jedes Jahr fteigt ein Mann auf einen viefer
Phallen, und verweilt eine Zeit von fieben Tagen auf vemfelben. Diele
meinen, er habe oben Gemeinjchaft mit ven Göttern und erflehe Segen
für ganz Syrien. Undere meinen, es gejchehe Deufaliond wegen zum
Gevächtnig der Flut, ald die Menfchen fich auf Berge und hohe Bäume
flüchteten. Lukian jagt, ihm fcheine e8 zur Nachahmung ver hölzernen
Männer, die fih bei ven Phallen des Dionyfos befinden. Der Hinauf-
Hetternde beviente fich eines Geiles, dad er um ven Phallos und ſich
fhlang, und ven Fuß feßte er auf Hölzer, die am Phallos angebracht
waren. Oben angelangt läßt er das Seil herab, und zieht damit, was
er haben will, Solz, Kleidung, Geräüthe zu fih herauf, und ſich einen
Sit zufammenbindend, wie ein Neft, fibt er da. Manche bringen Gold,
Silber, Erz herzu, und laßen e3 liegen, indem fle ihre Namen fagen,
und Einer, der dafteht, ruft fie hinauf, und ver Mann auf dem Phallos,
den Namen hoͤrend, betet für ihn. Beim Beten aber Flappert er mit
einem Erzgeräth (alle Störende damit zu fcheuchen, denn mit Erzge—
Happer glaubte man dieſes zu bewirken), welches rauh fchallt, und
fhläft niemals; denn wenn der Schlaf ihn ergreift, Friecht ein Skorpion
hinauf, weckt ihn und thut ihm Leides. Der Tempel felbft war gegen
Dften gewendet, an Bau ven Tempeln Joniens gleichend, auf einer
Bafls zwei Klafter hoch, mit einer fleinernen, nicht ſehr großen Treppe,
und der Vortempel hatte goldene Thüren, innen aber ftrahlte der Tempel
von Gold, und dad ganze Dach war Gold, herrlicher Duft erfüllte Ihn,
wie die Luft Arabiens, und wehte Einen ſchon von Weiten an, und
die Zahl der Kureten auf fieben beflimmten. Die Kureten gehören zu
Rhea, der Mutter des Zeus, ober fie gehörten zu Zeus und wurden auf
Rhea übertragen, doch die fpätere Zeit verwechfelte Kureten, Korybanten,
Telchinen u. f. w. untereinander, jo daß Alle, welche als Götterdiener erfchies
nen, ohne Rüdficht auf die nothwendige Scheidung, untereinander gewirrt
wurden. Im Kombabos, dem Borbild der Gallen, d. i. der entmannten
Rhea-Diener, Haben wir nun fehwerlich etwas Anderes, als einen Diener
ber Kombe, welches ein Name der Kybele gewefen zu feyn feheint, denn fo
heißt Kybebos ein Diener der Kybebe, und dieſe Gdttin Heißt auch Kybele,
welchen Wörtern der Name Kybe gemeinfam zu Grunde liegen möchte, und
fo dürfte diefe auch Kombe, und felbft Kombebe geheißen haben, Kombabos
aber ihren Diener bezeichnen.
IV. 16
2423 Adonis.
war man drin geweſen, ſo bewahrten ihn auch die Kleider noch
lange Zeit.
Lukian meldet auch (5) von einem Heiligthum ver Phöniker, welches
nicht aſſyriſch, ſondern ägyptifh fey, und aus Heliopolis in Aegypten
flamme, das er aber nicht geſehen babe. Da ver Ra zu Heliopolis Teicht
den Verdacht erwerkt, nicht ächt Agyptifch zu feyn, fondern aus Afien zu
ftammen, fo Fönnte auch die in jenem Tempel verehrte Form der großen
Göttin eine urfprünglich aflatifche gewefen feyn. Da wir aber nicht von
dem von Lukian fo kurz angeveuteten Heiligthum wißen, fo wollen wir
nicht dabei verweilen.
Mit dem Culte der großen Xebensmutter war auch Trauer und
Klage verbunden. Alles, was der Lenz gebracht, grünt und blüht und
ftirht ab, und viefer Tod wird beflagt. Der Mythus läßt entweder dad
Kind der Mutter fterben, wie in Griechenland die Trauer um Perfephone,
die Tochter ver Saatgöttin Demeter, ftattfand, oder es flirbt der Gatte
der Lebendmutter, wie in Aegypten Oftris, ver Gatte der Iſis, beklagt
wird, und wie bey den Semiten ein Liebling oder Gatte der Simmeld-
koͤnigin es ift, ven man beweint. Der Prophet Ezechiel (8. 14) erzählt,
wie eine Viſton ihn in der babylonifchen Befangenfchaft nach Serufalem
geführt habe, wo er dad dort eingenrungene Heidenthum erblickte, und
indem er dieſes fchildert, jagt er: Dafelbit faßen Weiber, die weineten
über ven Thamus (Thamuz.) Diefer Name bezeichnet ven Derbor-
genen, folglidy ven aus dem Leben und bimmlifchen Lichte gefchienenen,
der Finfterniß des Todes anheimgefallenen Gott. Im Buche Baruch (6. 30)
heißt es von ben heidniſchen Prieftern: Sie fihreien vor ihren Goͤtzen,
wie man pflegt in ver Todten Begängnißen, und diefe Schilderung muß
auf diefen Trauercult des geftorbenen, verborgenen Gottes gehen. *)
Berühmt aber ward diefer Gott in fpäterer Zeit in Griechenland unter
dem Namen
Adonis
und ein Hauptſttz des Adoniscults fand ſich zu Byblus. Lukian (6)
bemerkt: Ich fah auch zu Byblos ein großes Seiligthum der byblifchen
Aphrodite, worin man die Orgien des Adonis feiert, und lernte dieſe
Orgien Eennen; denn fle jagen, was dem Adonis durch das Schwein
*) Maimonides (Moreh Nebochim III. 29) erzählt aus fabifchen Schriften:
Ein Gödgenpriefler Namens Thammus warb von feinem Könige, weil er
ihm die Verehrung der Planeten und des Thierfreifes empfohlen, getödtet.
Darauf kamen alle Gößenbilder der ganzen Erde in einer Nacht im baby:
loniſchen Sonnentempel zufammen, um ihn zu beklagen. — Die fabifchen
Schriften und die Angaben und Auslegungen der Rabbinen find im Alge—
meinen werthlos.
Adonis. 243
geſchehen, habe fich in ihrem Lande begeben, und zum Gedaͤchtniß dieſes
Leids ſchlagen ſie ſich und klagen alljährlich, und feiern die Orgien, und
große Trauer iſt in dem Lande. Sind ſie aber fertig mit Schlagen und
haben die Klage beendet, dann bringen fie zuerſt dem Adonis Todten⸗
opfer, wie einem Todten. Dann aber, am andern Tage, geben fie an,
er lebe, bringen ihn an das Licht und fcheeren ſich das Haupt, wie bie
Aegypter, wann ver Apis geitorben. Welche Frauen aber fi dad Haupt
nicht fcheeren wollen, müßen eine Buße geben, fie müßen einen Tag für
bie Sremben feil ftehen, und ver Ertrag wird ver Aphrodite zum Opfer
gegeben. Manche Bnblier aber fagten, Oftris fey bey ihnen begraben,
und die Trauer gelte diefem, nicht dem Adonis, und ſchloßen es aus Fol⸗
gendem: Es kommt jedes Jahr ein Haupt aud Aegypten nad Byblos,
welches dieſe Fahrt in fleben Tagen macht, wunderbar vom Winde getrie=
ben. Lukianos, bey deßen Anmefenheit dieſes Wunder fich gerade ereig-
nete, fah diefed Haupt. Noch ein Wunder war da. Der Fluß Aoonis,
welcher vom Libanos herabfommt und fi durch die Marf von Byblos
in das Meer ergießt, vöthet fich jenes Jahr einmal blutroth, und färbt
das Meer weithin, ven Bybliern die Trauer anzeigend. In dieſen Tagen,
erzählt man denn, wird Adonis in dem Libanon» Gebirg verwundet, und
fein Blut färbt den Fluß und er giebt ihm den Namen. (Was ven
Namen dieſes Gottes anbetrifft, fo beveutet Adon im Semitifchen Herr,
und tft mithin eine fehr allgemein bezeichnende Benennung.) Ein Byblier
aber, ver bie Wahrheit zu melden vermeinte, erzählte dem Lukianos den
rund der Sache auf andere Art, ver Libanos nämlich habe röthlichen
Boden, und heftige Winde trieben in jenen Tagen rothe Erbe in ven
Fluß. Lukian gieng auch von Byblod aus in den Libanos hinauf, und
ſah das alte Heiligtum ver Aphrodite daſelbſt, welches Kinyras grün
dete. Der Name des Kinyras ift ein gräcifirtes femitifches Wort und
bedeutet die Klage, den Klagemann im Griechiſchen, fo daß alfo die
Griechen die Eulttrauer bei der Bildung dieſes Namens berüdfichtigten.
Pollux (4. 10) fagt, die Phönifer nannten den Adonis Gingras, umd
von ihm hat die Flöte ihren Namen; viefe Flöte fey Flein und laße einen
klagenden Ton hören. Daß Adonis ſelbſt jo geheißen, Eünnte vielleicht
auf einer falſchen Auffaffung beruhen, da doch die Perfonification ver
um den Adonis Flagenden Muſik außerdem zum Priefler des Aphropite=
cults gedichtet ward, und die mythologiſche Ueberlieferung den Adonis
von diefem Kinyras trennt und zu feinem Sohne macht; aber Pollux kann
dennoch recht berichten, weil die Mährchen über des Adonis Abkunft nicht
übereinftimmen. *#) Bei Apollodor (II. 14. 3 und 4) leſen wir: Bon
*) Ben den Griechen iſt der Name des Linos, um welchen bas Trauerlieb
klagt, weil ihn die Hunde zerriffen Haben, d. 1. weil die Glut ver Kunhee
Ir
aa Adonis.
Tithonos ſtammte Phaethon, von dieſem Aſtynoos, von dieſem Sandakos,
der aus Syrien nach Kilikien zog, die Stadt Kelenderis gründete, und
des Megeſſaros Tochter Pharnake zum Weibe nehmend, den Kinyras, den
König der Syrer (Strabo 755 nennt Byblos, das dem Adonis heilig iſt,
Konigsſitz des Kinyras), zeugte. Dieſer Kinyras gieng mit Volk nad)
Kypros, gründete Paphos, vermählte ſich daſelbſt mit Metharme, der
Tochter des kypriſchen Königs Pygmalion, und erzeugte den Oxyporos
und Adonis, und dazu die Töchter Orſedike, Laogore und Braiſta. Dieſe,
weil ſie den Zorn der Aphrodite auf ſich gezogen hatten, gaben ſich den
Umarmungen fremder Männer bin und ſtarben in Aegypten. Adonis
aber, ald er noch jung mar, wurde durch ven Zorn der Artemid auf ver
Jagd von einem Schweine gehauen und flarb. Heſtodos aber fagt, er
jey ein Sohn des Phönix und der Alpheftbüa. Panyaſis nennt ihn einen
Sohn des Theias, des Königs der Affyrer, der eine Tochter Smyrna
hatte. Diefe warn durch den Zorn der Aphrodite, welche zu ehren fie
yerfäumte, von Liebe zu ihrem Water ergriffen, und indem fie ihre Amme
fih zur Mithelferin verfchaffte, lag fie zwoͤlf Nächte hindurch bey dem
DBater, der nicht wußte, daß ed die Tochter ſey. Als er es aber erkannte,
züdte er fein Schwerdt und verfolgte fie, und als er fie eingeholt Hatte,
flebte fie zu den Goͤttern, fie unflchtbar zu machen. Diefe verwandelten
fie aus Erbarmen in einen Baum, den man Smyrna (Moyrrhenbaum)
nennt, und nach Verlauf von zehn Monden barft ver Baum auf und ed
fam Adonis hervor. Aphrodite barg ihn, da er noch unmündig war,
wegen feiner Schönheit in einer Lade, welche fie zu Perfephone ftellte.
Diefe aber Tieferte dad Knäbchen, als fie ed gefehen, nicht wieder ab,
und ald darüber vor Zeus geftritten ward, fiel die Entfcheidung dahin
aus, dad Jahr folle in Theile getheilt werben, ven einen folle Adonis für
fih feyn, einen bei Perfephone, und einen bey Aphrodite, Adonis aber
gab diefer noch feinen Theil. Späterhin ftarb er auf der Jagd von einem
Schwein getroffen. *)
tage das blühende und grünende Leben der Natur tödtet, von dem Saiten:
fpiel entlehnt, welches den Trauergefang begleitete. Das Saitenfpiel aber
hieß linon von der alten Einrichtung, welche noch Feine eigentlichen Saiten
fannte, fondern Fäden. Dies bezeugt der Scholiaft in der Ginleitung zu
den pythifchen Hymnen Pindars, wo es heißt, Hermes habe die Laute mit
Fäden befpannt, weil man den Gebraudy der Saiten noch nicht erfunden
gehabt habe, denn diefe habe erft Apollon auf die Lyra gefpannt.
*) Bey Servius zu Birgils zehnter Ecloge (V. 18), wo der Dichter fagt, der
fhöne Adonis habe Schafe an den Flüßen geweidet, lefen wir folgende
Darftelung diefes Mythus: König Cinyras auf Eyprus hatte eine Tochter
Myrrha, die Durch den Zorn des Sol (der Sonne) in ben Vater entbrannte
und Hülfe duch die Amme erhielt, Diele gab vor, eine Sungfrau liebe
Adonis. 245
Hier fehen wir die Klagefldte und Klagemuſik zum Vater des Adonis
gevichtet, und den Oxyporos (richtiger vieleicht Oxytoros) zu feinem Bru⸗
ihn und bitte Nachts in der Dunkelheit, weil fie fich fchäme, bey ihm zu
feyn. Als er fle angenommen Hatte und dann einmal Licht bringen ließ
und die Tochter fah, verfolgte er fie mit dem Schwerbt, doch ſchwanger vom
Bater flüchtete fie in den Wald und ward in einen Baum verwandelt, der
ihren Namen führt, das Kind aber reifte unter der Rinde, und warb durch
den Zahn eines Ebers herausgerigt, und von den Nymphen erzogen, Adonis
genannt, von Mars aber, weil Venus den Adonis liebte, in Geftalt eines
Ebers getödtet. Diele fagen, er fey durch das Erbarmen ber Venus in
eine Rofe verwandelt worden. Eine andere Erzählung aber giebt an: Aus
Aegypten kamen die Brüder Cpivioflafterius und Don nach Kypros und
nahmen dafelbft Weiber; von ihnen ward Celes erzeugt, der eine Tochter
Erinoma hatte. Diefe ward ob ihrer großen Keufchheit von Minerva und
Diana geliebt, von Venus gehaßt, die Jupiter gegen fle entflammte, worauf
Suno die Benus bat, den Adonis gegen Srinoma zu entzünden, und da biefer
widerftand, führte fle, nachdem fie Nebel verbreitet, felbft den Adonis in
das Gemach der Jungfrau, die fu durch Gewalt und Trug ihre Keufchheit
verlor, doh Diana verwandelte fie am Fluße Eiffeus in einen Pfau. Als
Adonis aber erfannte, daß er Jupiters Geliebte geſchwächt, flüchtete er in
die Wälder des Bergs Cafius und weilte dort unter ven Landleuten. Mer-
eurius brachte ihn durch Lift dort weg, als ein Eher, den die Babel für
Mars ausgiebt, große Noth verurfachte, doch Adonis überwand ihn, ward
aber vun Jupiter mit dem Bliß erfchlagen. Aus Erbarmen ließ Mercurius
fein Bild, als ob er lebe, zu den Seinen bringen, da Venus über den Tod
ihres geliebten Adonis fehr Flagte, und Juno erbat den Supiter, daß
Adonis in den heimifchen Hainen lebe, Diana aber gab nun der Erinoma
bie vorige ©eftalt wieder, die dann von Adonis den Taleus gebar und mit
ihm lebte.
Diefe Erzählung enthält ein eilfertig zufammengerafftes Gewirre ein-
zelner Züge, bie beßer georbnet und ausgeführt zu einem Adonismythus
ganz gut geeignet wären, und es fcheint daraus hervorzugehen, daß es noch
mehrere untergegangene Mythen gab, welche einen ober ben andern ber
hier fo fchlecht dargeftellten Züge enthielten, denn bie fpätere Zeit fuchte
den Adonis mit Aegypten in Verbindung zu bringen, fo wie man in Aegyp⸗
ten den Oſiris mit Phönifien in Verbindung gebracht hatte. Probus in
den Scolien zu der obgenannten Ecloge Virgils giebt an, Antimachus
fage von Abonis, er habe auf Cypern geherricht (da Fünnte denn allerdings
Adonis mit Gingras eins gewefen feyn), und Philoſtephanus, Supiter
habe ihn ohne Weib erzeugt. Lykophron nennt den Adonis (831) einen
Mufenvernichteten, wozu Tzeßes bemerkt: Die Mufen zürnten der Aphrodite,
weil fie mehrere von ihnen zur Männerliebe gebracht hatte, und tödteten
daher den von ihr geliebten Adonis, denn fie fangen ein reizendes Jagdlied
und zogen ihn damit auf die Jagd. Ares aber, entweder fich in ein Schwein
verwanbelnd, oder dem auf ein Schwein losgehenden Adonis felbft entgegen
fretend, töbtete ihn, und fein Blut färbte die früher weiße Anemone roth,
2346 Adonis.
der, deßen Name das Scharfdurchdringende, Grelle der Klage bezeichnet,
deren Mutter Metharme die Harmonie dieſer Trauermuſik bedeutet. In
den Schweſtern, deren Namen Orſedike und Laogore dad Königthum des
Kinyras bezeichnen, ſehen wir durch ihr Preisgeben an Fremde den oben
beſprochenen Brauch, welchen Herodot zu Babylon beſchreibt, angedeutet.
Die Abſtammung von Phönix ſollte den Adonis als Phoniker bezeichnen,
die von dem Aſſyrer Theias als Aſſyrer. Die Geſchichte ver Smyrna,
die ihn von dem eigenen Vater gebiert, fpielt in ven Kreis ver Anſicht
hinein, welche Mütter mit ihren Söhnen, Brüder mit ihren Schweftern
zeugen lief. Ward ja doch auch folgende Gefchichte, die ſich dem Namen
nad auf Byblos, den vorzüglichen Sig des Adoniscults, bezog, von fol-
her Anficht aflatifcher Kiebe aus gebichtet, die Nikandros in den Ver⸗
wanblungen erzählte, aus welchem fie und Antoninus Xiberalid (30) aljo
mittheilt: Apollon zeugte mit des Minos Tochter Akakallis in Kreta den
Miletos, den die Mutter aus Furcht vor dem Vater in einen Wald aus⸗
feßte, wo ihn Wölfe nährten, bis ihn Hirten fanden. Al er fchön und
rüftig herangewachfen war, wollte ihm Minos Gewalt anthun, doch er
flüchtete zu Schiff auf ven Rath Sarpedons nad) Karien, gründete Milet
und vermählte fich mit des Farifchen Königs Eurytos Tochter Eidothea,
und erzeugte Zwillinge, den Kaunos und die Byblid. (Kaunos ift von
der Farifchen Stadt gleiched Namens entlehnt.) Viele warben um Byblis,
doch fie brannte von Liebe zu ihrem Bruder, und die geheime Dual zu
enden, gieng fie Nachts zum nächſten Berg, um ſich herabzuftürzen. Die
Nymphen aber erbarmten jich ihrer, fenkten fie in Schlaf und nahmen
viefelbe, file in eine Hamadryade verwandelnd, in ihre Gefelfchaft auf.
Auch wird dad Waßer, welches von jenem Feld des Berges herabrinnt,
bis auf die heutige Zeit von ven Einwohnern Thräne der Byblis genannt.
(Daß aus ihren Ihränen der Duell Byblid entſtanden fey, fagen aud
Lactantiud, Ovid und Konon.) Bey Parthenius (11) leſen wir, daß
Nikänetos angab, Kaunos fey in die Schwefter verliebt geweſen, in feinem
Schmerze fortgewandert und habe die Stadt feined Namend gegrünbet,
Byblis aber ſich um die Nüdfehr des Bruders gehärmt, wogegen bie
Mehrzahl der Erzähler berichtete, Byblis habe den Bruder mit ihrer
Liebe beftürmt, und darum ſey er fortgezogen, da habe ſie ſich mit ihrem
Gürtel an einer Eiche erhängt. (Ovid erzählt in den Verwandlungen
denn er fiel gerade auf die Anemone. Als Aphrodite das Leid erfuhr, lief
fie barfuß dahin und jammerte kläglich. Da fe fi an den Dornen einer
Roſenhecke gerigt Hatte, machte ihr Blut die Rofe fortan roth. Tzetzes
bält es auch (832) für Unrecht, den Adonis zu Byblos und auf Kypros
für einen und benfelben zu halten, weil man den Sohn der Myrrha zu
F Byblos nicht mit dem Sohn des Kinyras auf Kypros verwechſeln duͤrfe.
Adonis. 247
[9. 453 flgg.] dieſe unglückliche Liebe am ausführlichiten.) Stephanus
der Byzantiner nun fagt, nach ver Byblis jey die Stadt Byblos benannt
worden, und allervings liegt viefer Liebesgefchichte eine LTiebe zu Grunde,
wie man fie dem Cult ver Himmelsfönigin zu Byblos und wo er immer⸗
hin einheimifch war, zufchrieb, und in dieſem Sinne fcheint ver Name
der Byblis von der Stadt Byblos entlehnt zu ſeyn.
Don dem Adoniscult auf Kypros erfahren wir übrigens nichts
Befonderes, und eine große Mannigfaltigkeit feheint überhaupt nicht mög-
lih bey einer fo einfachen zu Grunde liegenven Idee. Tacitus, welcher
von dem Aphropitetempel und dem Cult auf Paphos erzählt, erwähnt des
Adonis gar nicht einmal. Er fagt (Gefchichten 2. 3), der Gründer des
Tempels fol nad) alter Ueberlieferung Aerias gewefen feyn, und Manche
geben an, dieſes fey der Name der Göttin felbft. (Diefes ift eine Angabe
von unbebeutender Urt und ohne Gehalt, denn Aeria war ein Beiname
der Infel ſelbſt. Heſychius meldet und, daß außer Kypros auch Thaſos,
Aegypten, Libyen, Kreta, Sicilien und Wethiopien fo zubenannt gemwefen
feyen.) Eine neuere Sage läßt ihn von Kinyrad weihen und die aus
dem Meere geborene Göttin hier angetrieben werven. (Clemens Alerana
drinus in der Ermahnungsſchrift [S. 13] giebt aus Ptolemäus erftem
Buche über Philopator in Paphos an, in Tempel der Aphrodite fey
Kinyras und feine Nachfonmenfchaft begraben, und es melden dies die
Kirchenfchriftfteller um die Wette) Die Kunft, aus ven Eingeweiden zu
weißagen, fol aber ver Kilifier Thamyras eingeführt haben, und es fol
bedungen gewefen feyn, daß die Nachkommen beider Familien dem Cult
vorfländen. Doch das Königsgefchlecht verbrängte den fremden Stamm
aus dem Antheil an ver Weißagung und ver FKinyrade - Priefter behaup-
tete fie allein. Man gebraudt dazu männlidde IThiere, und zieht vie
.Eingeweide des Bocks als die ficherften vor. Mit Blut ven Altar zu
negen ift verboten; man betet und zündet reined Feuer auf vemfelben an,
und obgleich er im Freien fteht, wird er dody nie von Negen naß. Das
Bild der Göttin ift Feine Dtenfchengeftalt, fondern eine runde Spikfäule,
und warum ed ift, weiß man nicht. (Sp ſieht man auch den Tempel
mit der runden Spitfüule auf Münzen dargeftelt, und Serviud zur
Heneive [1. 720] fagt: Bey ven Cypriern wird Venus in der Geftalt
eines Nabeld, oder, wie Mandye wollen, einer Spibfäule verehrt, und
Marimus Tyrius [38. 8] meint, fie gleiche am meiften einer weißen
Pyramide. Diefe Darftelung der Göttin durch eine Fegelfürmige Säule
zu erklären, vermögen wir nicht, denn daß fie in menfchlicher Geftalt gedacht
ward, ift ganz natürlich, und an Bildern derſelben in Menfchengeftalt zu
zweifeln, gar fein Grund. Auch Miopfterien fol Kinyras in Paphos eins
gejeßt haben, denn Clemens Alerandrinus in ver Ermahnungsſchrift [S. 5]
fagt, daß in ven von Kinyrad zu Paphos eingefehten Myſterien die
23418 Adonis.
Geweihten der Goͤttin, wie einer Hetaͤre, Geld brachten und dagegen einen
Salzklumpen und Phallus erhielten. (Alſo, wenn wirklich Myſterien in
Paphos waren, ſo hatten ſie zum Inhalt ihrer Lehre die Fortpflanzung
des Lebens, denn die Lebensmutter erſcheint, wie es der Mylittapienft
erheiſchte, als Hetäre, Salz galt als Anreizung zur Begattung und der
Phallus iſt das Sinnbild der Fortpflanzung.)
Die Dichtung, Adonis ſey aus dem Myrrhenbaum geboren, iſt nicht
aus freier Phantaſie hervorgegangen, ſondern Adonis ſollte daraus her⸗
ſtammen, weil die Myrrhe heilende und erhaltende Kraft hatte, wie denn
Wunden mit Myrrhe geheilt werden (Herodot 7. 181), Kombabos den
abgeſchnittenen Phallus in Myrrhen und anderes Räuchwerf legt, und
der junge Phönix bringt den alten geftorbenen in Myrrhen eingehüllt zur
Beftattung in das Heiligthum des Helios (Herodot 2. 73), denn bie
Myrrhe diente als ein Mittel, welches vie Aufbewahrung des Fleiſches
weſentlich befördert... So ward bey ver Bereitung der Mumien, wenn
fie auf die befte Art zubereitet wurven, ver ganze Bauch mit geftoßener
Myrrhe nebft Kaſia und allem fonftigen Rauchwerk (ausgenommen Weih-
rauch) angefüllt, wie und Herodot (2. 86) erzählt. Infofern nun Adonis
ein Sohn der Myrrhe heißt, bedeutet dieſe Abftammung nichts weiter,
als, der ſterbende Adonis vergeht nicht, fondern wird behalten und auf-
bewahrt ald ein zwar tontes, aber unverletztes Wefen, bi er wieder von
dem Tode zum Leben erwacht. Daß aber überhaupt ein Baum gewählt
ward, hängt vieleicht mit der Anficht zufammen, daß im Baume dad
Reben aufbewahrt werde. Ofiris wird in der Haideſtaude, bie feinen
Todtenfaften umfchließt, aufbewahrt, und gerade zu Byblos war dies
gefchehen, fagte der Aegypten und Phönikien in Beziehung auf den Ifld-
Oſtriscult verbindende Mythus. Chen fo überfchattete die Tamariske das
Oſirisgrab, wie die Denkmäler von Philä zeigen, wo man zwei Priefter
bey ihr ſtehen und fie begießen fleht, damit dieſes Pfand ver Wiederer⸗
wachung des Gottes geveihe. So war auch die Perfea und die Syfomore
Lebensbaum in Aegypten. Wie alt die Babel von der Geburt des Adonis
aus dem Baume fey, wißen wir nicht, daß ihr aber die Idee zu Grunde
liege, welche die Tamariske bey Oſtris hat, Täßt fich nicht wohl bezwei-
fen. Wir haben oben in der Befchreibung des Lukianos ſchon eine Eurze
Angabe des Veftes gehabt, wie es zu Byblos gefeiert ward. Die Idee
deſſelben ift einfach, ver Gott verſchwindet, er flirbt, und wird betrauert,
dann lebt er wieder auf und man freut ſich des Glückes, doch feierte man
das Veit fo, daß am erften Tage die Trauer, am zmeiten bie Freude
ftattfand, obgleich in ver Natur das Abfterben und Wieneraufleben ver
Pflanzenwelt damit vargeftelt ward, und eine genaue Beziehung auf bie
Wirklichkeit zwei zu verfchievenen, der Sache entfprechenven Zeiten gefeierte
„Befte erforbert hätte. Theokrit (15) befchreibt ein Adonisfeſt zu Aleran-
Adonis. 249
dria unter Ptolemäos Philadelphos. Auf herrlichen Decken lag das Bild
des Adonis im Pallaſt auf einem ſilbernen Geſtell, und der dreimal
geliebte Jüngling, der auch in der Unterwelt geliebt wird, hatte den
erſten Flaum auf der Wange, und eine Sängerin ſang: Aphrodite, wie
bu den Adonis, welchen dir die Horen im zwölften Monat *) vom Acheron
heraufgeführt haben, fo Haft du Berenife aus einer Sterblicdden zur
Uinfterblichen gemacht, wofür ihre Tochter Arfinoe dir jetzt den Adonis
mit allem Schönen fchmüct, neben ihm liegt reif, was die Bäume bringen,
neben ihm zarte Gärtchen in filbernen Körbchen und Golofläfchchen vol
ſyriſcher Salbe, und Kuchen, fo viele nur die rauen machen, Blumen
aller Art mit dem weißen Mehl mifchend, mas fle von Honig und in
Del bereiten, Geflügel aller Art und vierfüßige Thiere find da (nämlich
gebadene). Grüne Lauben, ftroßenn von weichem DIN, find errichtet,
und Ersten flattern darüber, und Adler, ven Ganymen gen Himmel tra=
gend, und oben über ver Lagerftätte find Purpurdecken ausgebreitet. Das
eine Zager nimmt Kyprid ein, dad andere Adonis, zu fehägen auf acht⸗
zehn oder neunzehn Jahre. Jetzt mag Kyprid fich des Gatten freuen,
doch morgen in der Frühe werben wir ihn an das Geftade tragen zur
Meerflut, mit aufgelößten Haar und herabwallendem Gewand, entblößten
Bufend, unter helltönendem Gefange: Du, 9 lieber Adonis, gehft zum
Acheron und kehrſt zurück ganz allein von allen Halbgöttern, fey uns
gnäbig und für die Zukunft gewogen, jegt bift vu gekommen, Tomme
freundli wieder. Cyrillus, welcher bemerkt, daß das Aponiöfeft in
Alexandria noch bis auf feine Zeit gedauert habe, fagt in feinem Com⸗
mentar zu Iefaia (S. 275. 6), die alerandrinifchen Frauen hätten ein
Gefäß genommen, einen Brief an die Frauen in Boblos gefchrieben, daß
Adonis wieder gefunden fey, diefen in das Gefäß gelegt, es verftegelt, und
in dad Meer geworfen, heilige Gebräuche dabei verrichten, und wie bie
Abfender fagten, fey vafjelbe an beftimmten Tagen des Jahrs von felbft
nach Byblos gelangt, wo ed gewiße, der Aphropite Liebe Frauen, empfangen
und nad) Leſung des Brief von der Klage abgelaflen, da nun Adonis
von Aphrodite wieder gefunden fey.
Das von Theokrit befchriebene Feſt fett dad Leben des Adonis voran
und am zweiten Tag dad Trauerfeit, denn ein folches wird angedeutet,
indem das aufgelößte Haar, entgürtete Gewand und der helle Gefang auf
Trauer deutet, fo daß auch die Proceffion mit dem Adonisbilde an das
Meer ſich nicht ald die gewöhnliche fonft vorkommende Proceffion mit
Götterbildern zum Behufe des Waſchens verfelben wohl anfehen Yäßt,
*) Der Scholiaft nennt ſechs Monate als von Andern angenommen. Dem
Feſte nach waren es, ba biefes jährlich einmal flattfand, freilich zwölf, bie
es der Sache nach nicht feyn Fonnten.
250 Adonis.
ſondern als eine, die ven Adonis gleichſam dem Waßer übergab, *) weil,
wenn die Natur abgeſtorben iſt, ſie durch Waßer wieder auflebt, gerade
wie der todte Oſtris in einem Kaſten in das Waßer geworfen ward, und
in dad Meer trieb.**) Die Ordnung des Feſtes war aber fo nad
*) Der Scholiaft zu Theofrit fagt: Man habe das Bild in das Waßer geworfen,
was die Kritifer durch Aenderungen der Worte nicht als richtig wollen
gelten laffen, wiewohl in der Sprache nichts Anftößiges fich findet.
**) Die Idee, daß das abgefturbene Leben der Natur in dem Waßer gleichfam
aufbewahrt liege, weil es durch daffelbe wieder gleichfam auferfteht, ift auch
in dem Mythus von Hylas enthalten. In Myften, fo erzählt Apollodor
(1. 9. 19) ließen die Argonauten den Herafles zurüd, denn Hylas, des
Theiodamas Sohn, der Liebling des Herafles, ausgeſchickt, Waßer zu holen,
war wegen feiner Schönheit von den Nymphen geraubt worden. Poly:
phemos, ber ihn rufen hörte, eilte mit gezogenem Schwerbt ihm nad), mei-
nend, er werde von Räubern fortgeführt, und meldet es dem ihm begeg>
nenden Herafles. Während nun Beide fuchten, fuhren die Argunauten ab,
und Polyphemos gründete dafelbft Kios. Herafles aber fehrte nach Argos
zurück. Apollonios der Rhodier fügt (1. 1348) Hinzu, der Heros
drohte, Myflen zu verderben, wenn fie nicht den Hylas lebend oder tobt
ausfindig machten, und fie gelobten feierlich, ihn unabläßig zu fuchen,
weßhalb die Kianer immer noch den Hylas fuchen. Theofrit (13. 72)
fagt, Hylas werde unter die feeligen Götter gezählt, und Antoninus
Liberalis (26) giebt nah Nikandros an, Hylas, von den Nymphen bes
Flußes Askanios beim Waßerholen geraubt (die Orphiſche Argo—
nautif [641] läßt ihn in eine Grotte gerathen, deren Nymphen ihn feft:
halten), ward von Nymphen verwandelt, und die Echo gab dem rufen
den Herafles den Namen zurüd, worauf berfelbe den Polyphemos dort Ließ,
weiter nad) dem Knaben zu ſuchen. Die inheimifchen opfern aber bis
jebt dem Hylas an der Quelle, und der Priefter ruft dreimal feinen Namen,
die Echo aber antwortet ihm dreimal, (Daß Polyphemos, d. i. Vielrufer,
von dem Rufen nach Hylas erdichtet fey, leuchtet auf den erften Blick ein.
Der Name des Hylas aber bezeichnet nicht den geftorbenen Naturgott nad)
irgend einer Eigenfchaft des blühenden oder hinwelfenden Lebens, ſondern
tft ihm von dem um ihn erhobenen Wehgeheul gegeben, von dem griechi⸗
hen Worte hylaein, heulen, welches die Sylbe hyl kurz hat, wie auch
der Name Hylas.) Auch Strabo (12. 4. ©. 564) fagt, zu Pruflas,
wie Kios fpäter hieß, werde noch das Hylasfeft gefeiert; man ziehe in heis
ligen Aufzügen in die Berge, und rufe den Hylas, den bie Nymphen auf
dem Berg Arganthonios raubten, als fuche man ihn. Diefer Hylas ift in
Bithynien, was Adonis in Syrien, Oſiris in Aegypten ift, die geflorbene
Kraft der Natur, die ſchöne Blüthe und der emporgefproßte Seegen, ber als
Süngling dem Tode verfallen ift, und im Waßer, durch das er wieder auf:
leben wird, bewahrt Liegt bis zur Frift des Wiederauflebens. Daß er mit
einer Göttin der Natur, einer Lebensmutter in Verbindung geftanden, müßen
F wir vermuthen, da es kaum gedenkbar iſt, daß der Mythus von dem Abſter⸗
Adonis. 251
Beendigung des Winters, daß am erſten Tage die Trauer, am zweiten
die Freude ſtattfand. Eine zuſammenhängende genaue Beſchreibung des
Adonisfeſtes, wie es unter den Griechen gefeiert ward, haben wir nicht.
Eine Hauptſache bildete offenbar das Adonisbild, welches am Trauertag
als geſtorbener Gott betrauert, am Freudentag als wiedererſtandener
begrüßt ward, und welches nebſt dem Bilde der Aphrodite im Aufzuge
herumgetragen ward. Plutarch in dem Leben des Nikias (Kap. 14) ſagt:
Die Weiber feierten damals (in Athen) die Adonien und überall in der
Stadt waren die Bilder ausgeſtellt, und feine Begräbniſſe und vie Klagen
der Weiber fanden Statt. Eben fo in dem Xeben des Alfibiaded (Kap. 18):
Die Adonien fielen auf jene Tage, an vielen Orten waren die ven Todten
ähnlichen Bilder von ven Weibern auögeftellt, und fie ahmten das Begänge
nig mit Wehklagen nad) und fangen Klageliever. Dabei wurden die foge-
nannten Adonisgärten herumgetragen, worüber Heſychius bemerkt: Am
Adonisfeſte führt man die Bilder des Adonis herum und die Gärten in
Scherben mit allerlei Gewächs, als Fenchel und Lattich, denn in Lattich
ben bed Naturfeegens ohne einen folchen Zufammenhang fey. Die Ber-
bindung aber mit Herafles, wenn nicht Herafleiden in Aften diefelbe veran—
laßt Haben, ift ung dunfel, denn als Melkart Fönnte er nur als Patäfe,
der mit der Lebensmutter in innigem Zufammenhange flieht, durch eine
ſolche auch mit Hylas in eine Verbindung fommen, falls diefer mit einer
folden zufammengehörte. In demfelben Lande bey den Mariandynern
fangen die Landleute zur Erndtezeit Klageliever um den Bormos oder Boris
mos, des Upios Sohn, einen fehönen Jüngling, der verfchtwunden war, als
er, ven Schnittern Waßer zu Holen, nach einer Quelle gegangen war, wie
wir bey Athenäus (S. 620) Iefen. Hier tritt recht deutlich hervor, wie
der fchöne Süngling flirbt, wann das, was geblüht und gegrünt hat,
gereift ift und unter der Sichel fällt. Auch bey Bormos, der vom Hylas
nur dem Namen nad verfchieden ift, fehen wir die Beziehung zu dem
Waßer feitgehalten in dem Mythus. Wenn bey Lityerfes eine fulche Bezies
bung zum Waßer nicht fo deutlich hervortritt, wie bey Hylas und Bormos,
fo ift es doch eigen, daß fie wenigftens nicht ganz fehle Theofrit
(10. 41) erwähnt des göttlichen Lityerfes, und die Scholien dazu erzäh-
len: Lityerfes, unehelicher Sohn des Midas, wohnte zu Kelänä in Phrygien,
und war ein Landbauer, der bie vorüberwandernden Fremden bewirthete,
und zwang, ihm erndten zu helfen. Dann am Abend fchnitt er ihnen den
Kopf ab, und fang, indem er den Leib in die Garben eindand. SHerafles
tödtete ihn nachmals und warf ihn in den Fluß Mäandros, woher noch
die Schnitter in Phrygien ihn als beften Schuitter lobfingen. Das Schnits
terlied felbft aber hieß Lityerfes oder Lytierfes. (Auch Andere erzählen
davon. Athenäus S. 619, Euftathius S. 1164.) Wiewohl bier fein Klage:
lied gemeldet wird, fo ift doch die Nede von Tod, der mit der Ernte
zufammenhängt, und eben fo von Waßer, in welches LKityerfes gewor⸗
fen wird. | '
252 Adonis.
ſoll Aphrodite den todten Adonis niedergelegt haben. Platon im Phädros
(S. 276) ſagt: Würde ein verſtändiger Landmann, um Früchte zu ziehen,
fie in Adonisgärten ziehen, indem er ſieht, daß fie da in acht Tagen
fhön werben, oder ſolches nur des Spieles und Vefted wegen thun. In
den Gäfaren Iuliand (S. 329) leſen wir: Die rauen pflanzen dem
Gatten ver Aphrodite in Scherben Gärtchen, Gartenerde hinein thuend,
und diefe grünen ein wenig und welfen alöbalo wieder. So tritt denn
deutlich in diefen Gärten hervor, wie das Abfterben der Natur in dem
Tod des Adonis beklagt ward. Der Scholiaft zu Theokrit fagt, man fäe
Weizen und Gerfte in die Adonisgärten. Ein Trauergedicht auf den
Adonis haben wir von Bion, worin e8 heißt: Ich Elage den Adonis,
todt ft der fchöne Adonis, von dem Zahne verwundet, und feine Jagd—
hunde heulen um ihn. Aphrodite irrt trauervoll in den Gebüſchen, Dor-
nen ritzen fie, und jammernd ruft fie ihren aflyrifchen Gatten (den Sohn
ded Kinyrad). Aus feinem Blut aber entitehen Roſen, und aus ihren
Thränen Anemonen. In Purpurdeden auf ein vergolveted Lager wird er
gelegt, und Kränze und Blumen werden darauf geworfen. Die rauen
waren hauptfächlich bey nem Feſte befchäftigt, fie fangen das Klagelied,
dad von hefltönenvden Pfeifen begleitet war.
Ein Eber wird genannt ald der Tönter des Adonis, und wir finden
in Aegypten und bey den Ifraeliten dad Schwein als ein unreined, durch⸗
aus gemiedened Thier, nur daß in Aegypten es zu einem einzelnen Opfer
diente. Macrobius (Saturnalien 1. 21), welcher annimmt, Adonis fey
die Sonne, erklärt das Schwein für ein Bild des Winterd, während
deßen Dauer die Sonne ohne Kraft ift, weil dad Schwein rauh und
ftruppig, fih an Veuchtigfeit und Koth freue, welche im Winter ſich fin-
den, und wenn nun auch Adonis die Sonne nicht ift, fondern die zeugende
Natur, gleichfam ver Lenz felbft, fo würde das der Erklärung des Chers,
als des Winters, nichts fihaden, wenn nur irgend nachzumeifen wäre,
daß dad Schwein ein Sinnbild des Winters gemwefen wäre, maß aber
nicht erhärtet werben Fann, denn der von Macrobius angegebene Grund
fann und nicht genügen. Selbſt vie fpäteren Alten glaubten, jedoch
feineöwegd allgemein, Adonis fey die Sonne, denn Ammianus Marcellinud
(19) fagt: Wie die VBenusverehrerinnen oft am Adonisfeſte weinen gefehen
werben, welcher ein Bild der herangereiften Früchte ift, nach der myſti⸗
[hen Lehre. Die fpätere Zeit fuchte aber mehr ald einen Gott zum
Sonnengott zu deuten, wie fle vie Götter auch zufammen wirrte, denn
ſo follte Adonis auch Dionyfos feyn, wie Plutarch angiebt (Symposiac. 4. 5)
und im Leben Iſidors bey Photius (S. 558) wird gefagt, daß bie
Alerandriner den Oſiris ehrten, der nach myſtiſcher Theokraſte auch
Adonis war.
Wenn Attes (Attis, Atys) in Lydien nicht geradezu aus dem Adonis
Adonis. 253
gebildet worben ift, fo ift Adonis zum wenigften nicht ohne Einfluß darauf
geweien,*) und daß eine fpätere Zeit, wie die große ſyriſche Göttin zu
Hierapolis für Nhea, fo den Adonis dafelbft für Attes nahm, fo daß bie
Theokraſte vollſtändig war, zeigt Damascus im Leben Iſidors bey Photius
(S. 561), indem er fagt: Im Tempel zu Hterapolis ſchlafend, glaubte
ih im Traume Attes zu werden, und daß mir die Gdtter das Hilarien-
feft madjen, was unfere Rettung aud dem Hades anzeigte. Macrobius,
welher (1. 21) vie phrygiſche Göttermutter für die Erbe und ben
Atted für die Sonne erklärt, jagt, verfelbe trage eine Pfeife und
einen Zweig. Die Pfeife bedeute die Ordnung des ungleichen Wehens,
weil die Winde, in welchen Feine Gleichheit fey, ihre eigentliche
Beichaffenheit von der Sonne befommen, der Zweig (die Ruthe) zeige an
die Macht ver Sonne, vie Alles lenkt (er war Hirt und warb mit der
Sirtenpfeife und dem Stabe dargeftelt). Diefe Erklärung gehe auch aus
den Gebräuchen hervor, denn wenn ber Hinabgang mit Trauer gefeiert
worden, fo beginne dad Freudenfeſt, Hilarien (d. i. Freudenfeſt) genannt,
am fünf und zwanzigfien März, wo gerade bie Sonne made, daß der
Tag länger fey, ald die Nacht. Wir fehen alfo bey der großen Göttin
in Phrygien und Lydien den Attes mit Trauer als Geftorbenen, mit
Freude ald den Wiedererſtandenen gefeiert, wie den Adonis. Auch der
Eher des Adonis fehlt nicht in den Sagen von Attes. Paufanias (7.17. 5)
fagt: Die Dymäer in Achaia haben ein Heiligthum der Dindymene und
bed Attes (ein Heiligtum der Dinpymene, worin Attes verehrt wird,
erwähnt er auch zu Paträ in Achaia [7. 20. 2)). Wer Attes gewefen,
barüber habe ich nichts Geheimes erfahren Fünnen, ver Elegifer Herme⸗
flanax aber giebt an, daß er ein Sohn des Phrygers Kalaos, und zeugungs-
unfühig geboren war. Als er herangewachfen, gieng er nach Lydien und
fegte dort die Orgien der Mutter ein, zu fo großer Ehre gelangenp, daß
Zeus, darüber unmwillig, ein Schwein in das Land fandte, durch welches
fowohl Andere von den Lydiern, als auch Attes felbft umkam, weßhalb
die Galater zu Peſſinus dad Schwein nicht berühren. Doch dort haben
fie eine andere einheimifche Sage. Zeus nämlich babe im Schlaf feinen
Samen auf die Erve fallen laßen, und biefe, nach Verlauf der rechten
Zeit, habe einen Damon hervorgebracht, zwiegefchlechtig, den man Agpiftis
genannt babe, vie Götter aber hätten, ihn fürdhtend, ihn der Mannheit
beraubt, aus viefer aber fey ein Manvelbaum gefproßt mit reifer Frucht,
und die Tochter des Stroms Sangariod habe von diefer genommen, und
*) In den Scholien zu des Ptolemäos Werf, welches den Namen der vier
Bücher oder der mathematifchen Syntaris führt, bemerkt Proklos oder wer
diefe Scholien gefchrieben Hat, daß der Bult des Adonis und Attis in
Phrygien und Lydien oft mil einander verwechfelt ward und ber nämliche war.
354 Adonis.
in ihren Buſen gethan, wo ſie ſogleich verſchwunden, ſie aber ſchwanger
geworden ſey und ein Knäbchen gebohren habe, das, ausgeſetzt, von einem
Bock gepflegt worden. Als daſſelbe, herangewachſen, übermenſchliche
Schönheit zeigte, ergriff Liebe die Agdiſtis zu ihm, und feine Angehörigen
fenden ihn nach PVefinus, vie Königdtochter dort zu beurathen. Ald man
aber den Hymenäus fang, trat Agdiſtis herzu und Attes in Rajerei
gerathend, entmannte fi, und ebenſo that der Vater der Braut, Agpiftis
aber bereute, was fie dem Attes gethban, und erlangte von Zeus, daß
des Attes Leib nie vermeie, noch vergehe. So Pauſanias, welcher (1. 4.5)
angiebt, in Phrygien fey ein Berg Agdiſtis, und dort jey Atys begraben.
Armobius (5. 4) erzühlt die Sage von Agdiſtis und Atte anders. Bey
dem Theologen Timotheus und andern Gelehrten lieſt man aus alten
Schriften und, wie er felbft angiebt, aus ven Mofterien entnommen,
Folgendes: In Phrygien ift ein Fels von unerhörter Größe Namens
Agdus, von welhem Deucalion und Pyrrha die Steine nehmen, die fle
nach Themis Geheiß werfen und woraus mit den Andern auch die große
Mutter entftann und von den Göttern belebt ward. Als viefe auf dem
Gipfel des Felfen im Schlafe lag, nahte Jupiter mit unreiner Luſt, doch
vergeblich rang er und fein Samen flo auf ven Felfen, worauß im zehn-
ten Monat unter vielem Gedroöhne des Steind Agveftid entfland, voll
unbeflegter Stärfe und Wildheit, zwiegefchlechtig und voll wüthenden
Selüftene, unbefümmert um Götter und Menfchen, und gemaltthätig,
Alles zu zerftören, Simmel und Erbe verachtend. Die Götter rathfchlag-
ten oft, wie man dieſes Wefen bänvdigen könne, bis Liber, ald die Andern
Anftand nahmen, es fo ausführte: Er that in ven Duell, wo Agveftis
zu trinken pflegte, Wein, und dieſer unmäßig trinfenn, ward beraufcht
und ſchlief ein, worauf Liber ihm an den einen Fuß einen Strid band,
den er dann an den Hoden befeftigte, fo daß er beim Erwachen ſich dieſe
durch die Bewegung feines Fußes felbft abriß. Aus dem Blut entitand
ein Oranatbaum, deßen ruht Nana, die Tochter des Königs over
Flußes Sangarius, bewundernd pflüdte und in ihren Bufen that, doch
file ward ſchwanger davon, und ihr Vater fchloß fie ein, daß fle Hungerd
fterbe, aber die Göttermutter erhielt fie mit Obft und anderer Speife,
und fie gebahr ein Knäbchen. Der Vater befahl es audzufegen, doch
Phorbad (d. i. Hirt) fand es und ernährte ed mit Bockmilch (?), und
weil die Lyder artige Knäbchen Attis, oder die Phryger die Boͤcke Adagus
nennen, befam ed den Namen Attid. (Adagus ift ein Gott bey ven
Phrygern, ein Hermaphroditos, fagt Heſychius.) Diefen Tiebten die Götter
fehr wegen feiner Schönheit, und Agdeſtis begleitete ihn, ald er heran-
wuchs, von Liebe ergriffen, führte ihn durch die Wälder und ſchenkte ihm
Wild, welches Attis zuerft für feine Sagobeute ausgab, bid er vom Wein
er befannte, Agdeſtis liebe unn heichenfe ihn mit Diefen Gaben.
Adonis. 255
Darum, weil ver Wein ihn plaudern gemacht, ift es verboten, daß, wer
Wein getrunfen, in ſein Heiligtibum gebe. Der peſſinuntiſche König Miras
beftimmte ihn dann, um ibn von jo übler Verbindung zu entfernen, zum
Gemahl jeiner Tochter, une damit fein Schlimmer vie Hochzeit flöre,
lieg er die Stapt jchliegen. Doch vie Göttermutter, welche des Jünglings
Geſchick Fannte, und mußte, er werte jo lange unter ven Menichen wobl⸗
behalten jegn, als er frei von ver Ebe jen, gieng in vie verichlopene
Stadt, intem fie mir ihrem Haupte tie Mauern in vie Höbe bub, jo rap
fie von vieler Zeit an die Mauerfrone trug. Agdeſtis, wütbend über des
Sünglings Verluſt, machte alle zur Hochzeit Verſammelten raſend, des
Gallus Tochter ſchneidet ih Die Brüfe ab, Attis ergreift vie Pfeife,
welche Agdeſtis hatte, und tobt herum, bis er fi endlich unter eine
Fichte warf und entmannte mit ven Worten: Nimm Agveftis, weßhalb
du ſolche Raſerei erregt haſt. Mit nem Blute floh Das Leben, die Goͤt⸗
termutter aber nahm das Abgeichnittene, hüllte es in nad Gewand des
Todten und warf Erde darauf. Das Veildhen ſproßte auß dem
Blute und befränzte ven Baum, wie vie Fichte jegtnod
befränzt wird. Die verlobte Jungfrau, welche ver Pontifer Valerius
Ja nennt (d. i. Veilhen, als weiblicher Name), umwand des Tobten
Bruft mit weicher Wolle, weinte mit Agpeftid, töntete fiih, und ibr Blut
ward in Purpurveilcdhen verwandelt. Die Göttermutter begrub auch viele,
woraus ein Mandelbaum wuchs, die Bitterfeit des Todes anveutend.
Dann brachte fie die Fichte, unter welcher Attis fih entmannt hatte, in
ihre Grotte, und jammerte und wehflagte mit Agdeſtis um den Baum.
Jupiter, von Agdeſtis gebeten, ven Attis wieder aufleben zu laßen, gab
dies nicht zu, gewährte aber, was dad Schickſal zuließ, daß nämlich
der Leib nicht faulte, die Haare ſtets wudfen, und daß
der Fleinfte Singer lebte und ſich ſtets bewegte Damit
zufrieden weihte Agdeſtis den Leib in Peſſinus, und ehrte ihn mit jähr-
liher Zeiler. Bey Municius Belir (21. 11) beißt ed: Eybele Dindymena
verfchnitt ihren Geliebten, weil fie häßlich und alt, ſie war ja Mutter
vieler Bötter, ihn nicht zum Buhlen verloden konnte. (Ueber vie Hei⸗
ligung bey der Feier der pejfinutifchen Göttin fagt Julian in der fünften
Rede [S. 175], nachdem er bemerft, dieſe heilige Reinigung bezmwede bie
Erhebung der Seelen, man dürfe feinen Samen, ber in ber Erde ver«
borgen werbe, genießen. Manche gendßen nur Schoten, indem fie mein«
ten, dieſe jeyen nicht mehr Samen ald Kraut, und weil fie in vie Höhe
wüchfen und nicht in ver Erde gemwurzelt jeyen. Der Samen der Stauden
ift verboten, Früchte und Kohl find erlaubt, doch nicht der am Boden
nievere Kohl, ſondern melcher fi) höher hebt. So ift auch geboten von
der Rübe, das was zumeift in ver Erde fledt, zu vermeiden, das aber,
was fich daran hervorhebt, ift zu eßen erlaubt. Die Kohlſtengel darf ,
256 Adonis.
man genießen, die in der Erde wachſenden Wurzeln nicht. Die Aepfel,
als heilig, darf man nicht verderben und verzehren. Die Granatäpfel,
als eine irdiſche Frucht, ſind unterſagt, Datteln ebenfalls, wohl weil, ſo
meint Julian, die Palme der Sonne heilig und unaltend iſt. Dazu ſind
die Fiſche verboten, Vögel dagegen mit wenigen Ausnahmen erlaubt, wie
auch die gewöhnlichen vierfüßigen Ihiere, ausgenommen dad Schwein.
Daß in diefen Bräuchen Manches durch Grübelei zu früherem einfacherem
Eulte zugefügt worden fey, läßt fih mit Wahrfcheinlichfeit vermuthen,
und ift dem Geifte ver fpäteren Zeit gemäß. Wir find freilich nicht in
den Stand gejegt worden, eine irgend genaue Zeitbeftimmung anzugeben,
wann diefer over jener Brauch in einem Gulte eingeführt ward.) Sieht
man auf den wahren Gehalt der Mythen, fo ift die innigfte Leberein-
ſtimmung zwifchen der phrygifchen Berggdttin und Göttermutter mit ihrem
Lieblinge Attes und der femitifchen Himmelskoͤnigin mit ihrem Kieblinge
Adonis unverkennbar. Nicht übel lautet die Auslegung, welche wir bey
Plutarh in der Schrift über Iſts und Oftris (59) lefen, mo es heißt:
Die Phrygier meinen, im Winter fchlafe ver Gott, im Sommer wache er,
und im Winter feiern fie feinen Schlaf, im Sommer fein Wachen mit
bakchiſchem Schwärmen. Und von den Paphlagonern heißt ed: Die
PBaphlagoner jagen, im Winter werde ver Gott gebunden und gefeßelt,
im Lenz werde er gelößt und bewege ſich. Etwas anders erzählt Serviud
zur Aeneide (9. 116) vie Babel: Attes, ein ſchöner Knabe, fland dem
Dienft ver großen Mutter vor, und warb von dem König feiner Stadt
geliebt, und als dieſer ihm nachftellte, floh er in vie Wälder. Hier auf-
gefunden und ver Gewalt des Königs anheimgefallen, fchnitt er vemfelben
die Mannheit ab, und fterbend vergalt ed ihm viefer mit Gleichem. Die
Diener ver großen Mutter fanden ihn halbtodt unter einer Fichte, trugen
ihn in den Tempel der Gdttin, wo ſie ihn vergeblich zu heilen fuchten,
er ftarb und fie begruben ihn. Zu feinem ewigen Gedaͤchtniß ſetzte die
große Mutter feft, daß jährlich bey ihrer Feier um ihn geklagt und
getrauert werde, nahm vie Vichte, unter welcher er gelegen hatte, in ihren
Schub, und machte, daß ihre männlichen Diener fich verfchnitten, die
Archigallen heißen. Ovid aber berichtet die Atteöfage im Feſtkalender
(4. 223): Der fchöone phrygiſche Knabe Atti ward von der Gdttin mit
der Mauerfrone mit Feufcher Liebe geliebt, und auf ihren Befehl ver-
fprah er, rein von Liebe zu leben, doch ergab er fich ver Liebe zur
fagaritifchen Nymphe, und warb von der Göttin beftraft, welche vie
Nymphe durch Verlegung ihres Baumes (denn ſie war eine Hamadryade)
töDdtete und den Attid rafend machte, fo daß er fih entmannte, und bie
Diener der Göttin ahmten ihm nah. Hören wir noch Diodor, welcher
gewöhnlich zu den fchlechteften Formen der Mythen greift. Diefer erzählt
(3. 58): Mäon, der König von Phrygien und Lydien, zeugte mit Din-
Adonis. 257
dyma eine Tochter, die er auf dem Berge Kybelos ausfegte, wo Pardel
und andere wilde Thiere fie nährten. Hirtenfrauen fanden fie und gaben
ihr den Namen Kybele, fie aber wuchd zu einer fehönen und trefflichen
Jungfrau empor und erfand die NRohrpfeife, die Cymbeln und Paufen zu
den Reigen, und lehrte Krankheiten der Kinder und der Heerden heilen,
und ob dieſes Wohlthuns nannte man fe die Bergmutter. Als fie zur
Reife gelangt war, Liebte ſte ven einheimifchen Jüngling Attis, nachmals
Papas genannt, und ward ſchwanger von ihm, zu welcher Zeit ihre
Eltern ſie erfannten und in ven Pallaft brachten. Als jedoch der Vater
ihren Zuſtand erfuhr, tödtete er ihre Ammen und ven Attis und Tieß die
Leichen unbegraben liegen, worüber Kybele raſend warb und mit zerftreus
ten Saaren herumfchweifte und mit Geheul und Paufenlärm die ganze
Gegend erfüllte. Apollon, von Liebe zu ihr entbrannt, fol mit ihr bis
zu den Hyperboreern herumgezogen ſeyn, über Phrygien aber Fam Peft
und Mißwachs, und das Orakel, über ein Heilmittel befragt, gebot, die
Keiche des Attis zu beftatten und Kybele ald Göttin zu ehren. Da jedoch
von der Leiche nichtd mehr zu finden war, machten vie Phryger ein Bild
des Sünglings, und klagten wie um einen zu Beftattenden um baffelbe,
und thun dieſes noch zur Zeit, wie fle auch der Stybele zu Peſſinus einen
prächtigen Tempel gegründet haben, mit Parbeln und Lömen bey vem
Bild der Ghbttin, weil foldhe fie einft genährt. Die Phryger Elagten auch
um Annakos, welcher Name fjemitifh den Wehruf bezeichnet, und mit
feinem Top Fam die deukalioniſche Flut, wie Stephanus der Byzantiner
erzählt, wo er von der Stadt Jkonion Handelt. Daß man in fpäterer
Zeit die Deufalionifhe Flut in die Sage von der großen Mutter her⸗
einzog, haben wir oben fchon geliehen, und ficher veranlaßte die Wichs
tigkeit des Waßers dieſe Dichtung. Bei Annakos aber follte nun gar
die Klage daher erklärt werben.
In allen viefen fpäten Erzählungen haben wir ven Wiverfchein eines
Cults, welcher dem der großen ſyriſchen Göttin und des Adonis durchaus
gleicht. In Phrygien und Lydien verehrte man die große Mutter, d. i. bie
Natur, als Mutter des Lebens unter ven Namen Kybele, Kybebe, Din
dymene, Berefynthia und unter dem Namen Agdiſtis, denn daß Agpiftts
nur eine ver Benennungen dieſer großen Mutter fey, leuchtet nicht nur
von felbft aus den verfchienenen Erzählungen ein, ſondern Strabo (12.5)
jagt e8 auch gerabezu und Heſychius flimmt mit ihm überein. Der
ſchaͤtzenswerthe Geograph, deßen Nachrichten und immer erwünfcht feyn
müßen, nennt Pelfinus ein Cmporium, wo der Tempel der Gdttermutter
in hoher Verehrung war, deßen Priefter vor Alters ald Dynaften herrſch⸗
ten mit großen Einfünften; jest, fagt er, ift ihre Ehre gefchmälert, doch
haben vie Attalen das SHeiligthum würdig audgeftattet und bie Römer
haben e8 ausgezeichnet, indem fle nach dem Orakel ver Sibylla die Godt⸗
IV. 7
258 Adonis.
tin von dort holen ließen. Ueber der Stadt liegt der Berg Dindymon,
von welchem die Gdttin Dindymene heißt, wie Kybele von dem Kobelen⸗
berge, und in der Nähe fließt der Sangarios. Der Grundſtoff der vor-
ftehenven, zum Theil feicht erfundenen Babeln ift einfach, aber die Aus-
führung gehört zum Theil oberflächlichen Kombinationen an. Die große
Mutter in Phrygien und Lydien hat einen fchönen Jüngling zum Gatten,
welcher ftirbt, beflagt wird und wieder auflebt, was durch ein Feſt dar—⸗
geftelt wird, veßen Anfang Trauer, deßen Ende Freude ift, und welches
im Srühling, im März gefeiert ward. Wie bey Oſtris die Tamaridfe,
bey Adonis Bäume bedeutend waren, fo bey Attes die Fichte, in welche
er nah Ovid (Verwandlungen 10. 105) verwandelt ward. Am erften
Tage hieb man die Pinie ab und brachte fie mit dem in der Mitte auf-
gehängten Attesbilv in den Tempel ver Göttin, am zweiten Tage wurden
Hörner geblafen, am dritten war Freudenfeſt (römifche Mythologie ©. 209)
mit wilden Orgiasmus. Die Bedeutung der Bäume bey viefer Gottheit,
in welcher das blühende und abfterbende Leben dargeſtellt ward, ift ſchon
oben angegeben worden. Man vermifchte nun mit Atted den Brauch der
Entmannung bey den Prieftern, womit dad androgyne Verhältniß zufam-
mengrängt, indem in diefer fortpflanzungswilden Religion der Mann nicht
nur Mann, fondern auch Weib feyn follte, was zu Verwirrung ber
Geſchlechter führte, und fo ift auch Adonis ein Androgyne, Mann bey
Aphrodite, Weib für Apollon, wie Photius aus Ptolemäus Hephäftion
berichtet (S. 251). Nana gebahr Attes von der Frucht des Mandel-
baumd. Die Baumfrudt war ein Sinnbild der Fruchtbarkeit und ber
Befruchtung, und fo auch bier. Perſephone Eoftet ven Granatfern, d. h. fie
vermählt fih dem Wildes, und wird dadurch in die Unterwelt gebannt.
Der Apfel der Eris ift der Liebedapfel, ven man dem Weibe gab mit
der Aufichrift ver Schönen, ver Schönften, weßhalb er in den Liebesge⸗
fichten vorkommt. Agpiftis entfteht au den Samen des Zeus, 5. h. fle
ſtammt von dem Himmel unmittelbar ab. Sehen wir Zeus mit dem
Steine die Agdiſtis erzeugen, fo entftand dieſe feichte Fabel aus einer
Eombination, welche Zeus mit der großen Mutter zeugend annahm, und
weil dieſe zu Peſſinus als ein ſchwarzer vom Himmel gefallener Stein
verehrt ward, jo mußte denn Zeus, meinte man, mit einem Steine gezeugt
haben. Iſt Agdiſtis zwiegefchlechtig, fo follte dad Androgyne auf die
große Göttin felbft übertragen, und dies ift auch in Kypros gefchehen.
Macrobius nämlich bemerkt (3. 8), es gebe welche, fo die Aphrodite einen
Gott, nicht eine Goͤttin nennten. Auch ift, fagt er, ein Bild auf Cyprus, bärtig,
mit einem Srauenanzug von männlicher Haltung mit einem Scepter, und
man hält die Göttin für Mann und rau zugleih. Ariſtophanes nennt
fie Aphroditos und auch Lävinus fagt: Den holden Venus anbetend, ob
Weib ober Mann, fo wie fle die holde Nachtleuchtenne iſt. Philochorus
Adernriée. 259
in der Atthis behauptet auch, viefelbe ſey der Mond, und es opferten ihr
Männer in Weiberkfleivung, und Weiber in Mannesfleivung, meil fie für
Mann und Weib zugleich gilt. Der Hermaphroditos ift auch in ber
ſchhnen Kunft das Ergebniß viefer Zwiegefchlechtigfeit, vie nicht der Altes
ſten Idee, welche ver Religion der großen Odttin zu Grunde liegt, anges
hört, weil man ihr fonft feinen Gatten gevichtet hätte, ſondern ſich erft
im Laufe der Zeit entwidelte, und zwar am fdroffiten in der ſpäteſten
Zeit. Zuerft war der Hermaphroditos eine Herme mit dem Phaflus, wie
benn Hermes ver phalifche Gott der Griechen war, und da der Phallug
quch in der Religion ver großen Goͤttin ald das Bild der Befruchtung
vorfam, ſo ward durch Verſchmelzung beider nach jener aflatifchen Idee
yon den Griechen der Hermaphroditos gedichtet, ven fle nach Karien jegen
und mit dem Duell Salmafis in Verbindung bringen. Die Eretifche
Snabenliebe ward auch mit diefen Lande, fowie mit Phrygien in Ber«
bindung gebradıt, denn Miletos, von Minos und Sarpevon geliebt,
und dem Letzteren anhängend, mußte vor Minos nad Karien fliehen, ſtatt
des Miletos aber nannten Manche den Atymnos oder Atymnios, wie
Apollodor (3. 1. 2) angiebt, den Sohn des Phoͤnir, ven man aber für
einen Sohn des Zeus audgab, und diefer Atymnos ift feinem Namen
nah von Atys (Attes) hergeleitet, und bezeichnet vie Knabenliebe als
eine, wobei man an Lydien und den ſchönen Atys gedacht. (Ob mit dem
Rult, welcher aus Phönikien nach Kreta Fam, auch Adonis dafeldft ver⸗
bunden war, ift und ganz und gar verborgen, und Atymnos beweißt e8
nicht.) Wie fehr ver Grieche geneigt war, die Kinabenliebe den Ländern
zuzueignen, deren Religion Verirrung der Geſchlechter veranlafen Eonnte,
zeigt fich auch) darin, daß Zeus feinen Liebling, ven fhönen Mundſchenken
Ganymedes, aus den Phrygern wählt.
Sowie in Lydien und Phrygien eine große Lebensmutter verehrt.
warb, welche der jemitifchen Himmelskönigin durchaus ähnlich war, und
betrachtet man die zu Grunde liegende Idee, nichts weiter ift, als
eine nicht wejentlich verfchievdene Form verfelben, jo mußte natürlich auch
die Klage und der Gegenftand ver Klage in ihrem Gult dem in dem
femitifchen Eult gleichen. Die Phryger werden aus Ihrafien hergeleitet,
und auch da begegnen wir einer großen Lebensmutter, erfahren aber leider
nur jehr wenig von verfelben. Bendis war einer ihrer Namen, und
wir fehen fle als eine Artemis erklärt bey Heſychius. Diefe fand Ein
gang in Athen, wo das Feſt ver Bendideien ald ein ausländifches am
vierten Juni gefeiert ward. Ariftophanes fol ſie in den Lemnierinnen
die große Gdttin genannt haben, wie Photius und Heſychius in ihren
Wörterbüchern angeben. Platon gevenft ſchon der Bendideien in der
Schrift vom Staat (S. 354). Auch mit Kybebe ward fle für eine und
dieſelbe quögegeben, ſowie dieſe auch mit Aphrodite als eins betrachtet
17*
260 Adonis.
ward, laut Heſychius (im Artikel Kybele). Proklos zu Platon führt aus
dem Pſeudo-Orpheus an, dieſer habe den Mond, Plutone und Euphroſyne
und die mächtige Bendis genannt. Ihr atheniſches Heiligthum war in
Piräeus, wo auch der Tempel der Artemis Munychia war (Xenophon
hellenifche Gefchichten 2. 4. 11). Die Vergleichungen, welche die Griechen
mit Bendis anftellten, zeigen, daß fle vie große Lebensmutter war, und
wenn der Dichter Kratinos fie die zwolanzige nannte, jo wäre ed moͤg⸗
lich, daß er damit auf die zwei Badeln in den Händen der Artemis
anfpielt. Diefelbe Göttin erfcheint auch unter einem zweiten Namen bey
den Thrakern. Aeſchylos in den Edonen erwähnt ver Kotys bey Den
Edonen in Thrafien (Strabo 10. 3), und daß ihr Dienft nad Korinth
gefommen war, geht aus der Komödie des Eupolid hervor, der in feinen
Bapten vie Korinther und Athener wegen dieſes Cults fpottete, der auch
in Athen Cingang fand. Ihre Diener hießen Bapten, d. i. Täufer, von
den Reinigungen, die ſie vornahmen. Daß viefe Göttin einen Eult hatte,
welcher wie ver femitifhe und Inpifch= phrygifche Ausfchweifung begün-
fligte, ward den Anhängern vorgeworfen, und Syneflus nennt den Thia-
foten ver Kotys ein Halbweib, Toren - Eräufelnd und Haar-ſalbend, Suidas
aber nennt die Kotyte eine Schügerin häßlicher Dinge. (Erasmus Sprüdh-
wörter: Cotyos contubernalis.) Plutarch erwähnt der Kotyttien in Sicilien,
an welchem Feſt Kuchen und Baumfrüchte an Xefte gebunden wurden,
die zum Serunterreißen preiögegeben waren. Selbft an einen Zufammen-
bang thrafifcher und aflatifcher Religion Eoünnte der Umftand denken laßen,
dag thrafifche Brauen, freie ſowohl als Scelavinnen, zu Erythrä dem
Melfart dienten, mit deßen Eult in Griechenland urſprünglich der ver
Lebensmutter verbunden war.
Die taurifche Artemid war Feine andere ®dttin, als eine Lebens⸗
mutter, die aber nicht ven Sfythen gehörte, denn die Tauren find durch⸗
aus von den Skythen zu trennen, wie fih ſchon baraus zur Genüge
ergiebt, daß eine Mifchung beider Völker Skythotauren hieß. Der Grieche
verglich fie mit der Geburtögdttin Artemid, und benannte fte fo. Sie
kam nad) Brauron in Attika, nad Rhegium in Italien, nach Sicilien,
und aus IUnteritalien nad) Aricia in die Nähe Roms. Daß bey viefer
Odttin ein zu ihr gehdriger Gott geweſen, erhellt aus Hippolytos und
Virbius, und da Hippolytos *) auf die Amazonen hinweißt, fo gehört
bie epheſiſche Artemis als Goͤttin der Amazonen mit der taurifchen Gpttin
*) Diefer Hippolyt wird von der Stiefmutter Phädra aus Kreta geliebt und
geht unter, weil er fle nicht erhört, doch lebt er wieder auf und ifl der
Lebensmutter in Aricia verbunden als Virbius. Sollte nicht in diefer
tragifchen Zabel der Sohn, welcher der Gemahl feiner Mutter ifl, ven
Grund zu ber Liebe der Stiefmutter hergegeben haben, wie die Hifkorifirte
Dagon. 261
zuſammen, als verſchiedene Formen einer Idee. Jungfrauen und Ver⸗
ſchnittene dienten der epheſiſchen Göttin, und letztere führten den Namen
Megalobyzen (Strabo. 14. 1) und die Vorſteher hießen Eſſenen, d. i. Bien⸗
weiſel, denn die Biene diente der Göttin zum Sinnbild, ihre Süßigkeit
zu bezeichnen, venn file war die füße Nährerin, vargeftelt mit vielen
Brüftlen, mumienartig mit Thierbildern bevedt und auf dem Haupt bie
Mauerfrone tragend. *)
Nachdem wir nun das, was uns über die femitifche Himmeldfönigin
überliefert worden ift, betrachtet haben, müßen wir der Form einer Gott⸗
heit gevenfen, an welche vie fijchgeftaltige Form ver Gättin, die Atargatis
und erinnert, nämlich des
Dagon
Sein Name bezeichnet ihn als fifchgeftaltige Gottheit, denn femitifch
heißt dag Fiſch. Im erften Buche Samuelis (5. 1 flgg.) Iefen wir: Die
Philifter (welche vie Ifraeliten belegt hatten), nahmen vie Lade Gottes
und brachten fie gen Asdod in das Haus Dagons, und ftelleten fie
neben Dagon. Und da die von Asdod ded andern Morgens frühe aufs
ftanden, fanden fle Dagon auf feinem Antlig liegen auf ver Erve
vor der Lade ded Herrn. Uber file nahmen ven Dagon, und festen
ihn wieder an feinen Ort. Da fle aber ded andern Morgens frühe aufs
ftanden, fanden fie Dagon abermald auf feinem Antlitz Tiegen auf ver
RX
Semiramis den Sohn Ninyas liebt, und das Leben darüber verlieri? Da
Hippolyt auf die Amazonen, alfo auf die große Lebensmutter hinweißt, fo
ift es nicht unwahrſcheinlich, daß die ihn betreffende Fabel in dem Ideen⸗
freis diefer Gottheit ihren Keim habe, wie weit aud) die freie Ausbildung
in bellenifcher Dichtung ſich von der religiöfen Bedeutung des eigentlichen
Berhältnißes entfernen mag. Das Sterben und Wiederaufleben, wie bey
Dionyfos und Adoni fpricht fehr für jene Annahme, und daß Hippolytog
mit Virbius, welcher nicht aus Athen flammen kann, verglichen warb,
zeigt, daß in Athen fo gut wie in Aricia die große Lebensmutter einen
Bott zur Seite haben konnte, welcher alle Sahre flarb und wieder anflebte,
wenn auch in Athen nur in der Mythe ein Nachhall diefes Naturcults
blieb, dem neben dem Demeter = Berfephone- Divnvfoscult eine nachhaltige
Blüthe in Attifa wenigftens in früherer Zeit nicht zu Theil werben konnte.
*) Gin Frauenadel wie der der Amazonen iſt in der alten Welt, wo das Weib
überall in den natürlichen Berhältnißen niedriger fland, als ver Mann,
nicht gedenkbar ohne den mächtigen Einfluß der Religion. Es fcheint daher
die höhere Stellung des Weibes als des edleren Wefens von dem Eulte
der großen Lebensmutter ausgegangen zu feyn, fo daB man in biefer die
höchfte Gottheit anerfennend ihr zn Ehren, eine höhere Würde des Weihes
annahm.
N) Dan.
Erbe vor ber Lade des Seren, aber fein Haupt und feine beiden Bande
abgehauen auf ver Schwelle, daß der Dagon allein darauf lag. BDarım
treten bie Priefter Dagons, und Alle, die in Dagond Haus gehen, nicht
auf die Schwelle Dagons zu Asdod bis auf viefen Tag. Hieraus lernen
wir, daB Dagon oberhalb menſchlich gebildet war und in einen Fiſch
envigte; denn der Stumpf deſſelben wird ver eigentliche Dagon genannt.
Den fonderbaren Brauch, daß die Priefter die Schwelle des Gottes nicht
berühren durften, erfahren wir zwar auch, aber nichts dazu, was und
diefe eigenthümliche Sache erklären könnte. Als Gottheit der Philifter
erfennt ihn auch das Buch der Nichter an (16. 23), wo ed nach der
Gefangennehmung des Simfon heißt: Da aber der PHilifter Fürften fich
verfammelten, ihrem Gott Dagon ein großes Opfer zu thun, und fid
zu freuen, fprachen fie: Unfer Gott bat und unfern Beind Simfon in
unfere Hände gegeben. Die Bedeutung viefer Gottheit ift klar; denn
wenn wir den Philo Bybliud bei Eufebiud (1.) in ven untergefchobenen
Tanchuniathonifchen Nachrichten den Dagon durch Siton, d. i. Getraivegott,
eiflärt finden, fo beruht das auf einer falfchen Ueberjegung des Namens,
ben der Ueberſetzer von dem femitifchen Worte dagan, Getraide herleitete.
Cr beveutet die Gottheit des Lebend, ver Fortpflanzung, denn dieſes geht
aus dem Sinnbilde, dem Fifche, deutlich Hervor, und ift daher eine Form
der Idee, welche vie Göttin Atergatid ausdrückt. Bas aber ift und uner-
Märt, wie eben ver Fiſchgöttin eine männliche Fiſchgottheit flattfand,
da wir feine Spur finden, daß ver Gatte derfelben ebenfalls dieſe Geftalt
hatte. Spätere wißen und zwar von einem Pifchmanne zu erzählen,
aber was und darüber berichtet wird, ift verworren und wenig zuver-
däßig. Aus dem angeblichen Beroſus erzählte Alexander Polyhiſtor von
einem Dannes, der einen Fiſchleib hatte, und unter dem Fiſchkopf einen
Menſchenkopf mit Menſchenſtimme, und an dem Fiſchſchweif Menſchen⸗
füße (deßen Bild damals noch zu ſehen geweſen ſey). Ebenfalls aus
Beroſus erzählte Apollodor, es habe vier Oannes gegeben, die Annedoten
geheißen. Dieſe kamen aus dem rothen Meere, damit ſie bei Tage die
Babylonier in Künſten, Wiſſenſchaften, Geſittung, Religion des Belus
und der Omorka unterwieſen, ſie ſeyen aber, heißt es, immer wieder am
Abend in das Meer zurückgegangen. Zur Zeit des chaldäiſchen Königs
Aedorach, vor der großen Flut, kam ein Weſen ähnlicher Art, Namens
Odakon. Dieſe armſeligen Nachrichten find bei Synkellos (S. 28. 39) zu
leſen, find aber vffenbar mit der größten Nachläßigkeit zuſammengeſchrie⸗
den, ſo daß fie nur von fehr geringem Werth find, weil ſich die alte
Forin des Mythus aus ihren nicht deutlich erkennen läßt. Photius (S.874)
berichtet aus Helladiug, dem Befäntinger: Ein Mann, Namens Des,
kam aus dem rothen Meer, mit Menſchenkopf und Händen, fonft aber
Fiſch, und Iehrte Afttonomie und Schrift. Manche fagten, er ſtamme
Dagon. 263
aus dem erfigebohrenen Ci (griechifch heißt das Ei Oon) und viefes
bezeuge der Name. Die erbärmliche Erklärung des Namend aus der
griehifhen Sprache abgerechnet, haben wir auch hier nur eine vürftige
Nachricht über Dannesd. Nach Berofus Hatte Apollodor, wie Synfellys
fagt, erzählt, Aloros fey ver erfte babylonifch = halväifhe König gemefen,
der zehen Saren regiert habe. Nun ift ein Sarod ein Zeitraum von
preitaufend fechshundert Jahren, den man erfand ald eine zehnjährige
Weltperiode, die ftatt dreihundert und fechzig Tage, dreihundert und fechzig
Jahre umfaßte, fo daß alfo viefer Aloros Hundert Weltjahre herrichte.
Bor der großen Flut des Xifuthrod waren nach jener wunberlichen
Berechnung hundert und zwanzig Saren verfloßen, das ift eine zehnjährige
Sarenperiode, wie Aloros eine berrfcht, zwölfmal nad den Monaten des
Jahred genommen, als ein riefenhaftes Periodenjahr. (ES wäre fogar
gevdenfbar, daß man mit viefen Hundert und zwanzig Saren den britten
Theil der Weltvauer für abgelaufen angegeben hätte; denn die Welt-
dauer war grade ein Gegenftand ſolcher Periovenfünfteleien und unnügen
Berechnungen. Man würde dann das Niefenweltjiahr ald eins von drei—
hundert und fehzig Welttagen angenommen haben, dad in drei Jahres=
zeiten zerfiele, deren erfte mit der Flut zu Ende gieng.) Auf Aloros
folgte Alaparos und Amelon aus PBantibibla, dann Ammenon der Chal-
bier, unter welchem Dannes der Annedote aus dem rothen Meer erfchien.
Den unter folchem Wuft vergrabenen Mythus von Oannes zu, erflären,
ift unmöglich, da wir nur Vermuthungen anftellen könnten, die aber ohne
Halt bleiben würden. Wir wißen nicht einmal die Namen Dannes und
Annedotes fo zu deuten, daß wir und einem wirklichen Mythus nähern
fonnten; denn nur foviel erfehen wir, daß man an die Fifchgeftalt vie
Unterweifung und Belehrung fnüpfte, und da im Chalväifchen das Wort
dat das Gefeß, die Anftcht oder den Ausfprudy bedeutet (Daniel 2. 9 und
13. Eſra 7.25), fo dürfen wir vermuthen, daß vie zweite Hälfte ver
Benennung des Annedotos dieſes Wort enthalte, und ven Dannes als
einen Gefeßgeber und Lehrer bezeichne. Nach Abydenus bey Synkellos
belief fd vie Zahl viefer Annedoten auf fleben. *)
*) Es heißt bei Synfellos (S. 28): Beroſſos, der fih in die Zeit Aleran⸗
ders des Großen feßt, giebt an, es würden babylonifche Schriften über
einen Zeitraum von mehr als fünfzehn Myriaden aufbewahrt, und Handels
ten über den Himmel, das Meer, die Schöpfung, die Könige und ihre
Thaten. Im erften Jahr fey aus dem rothen Meer, wo es an Babylonien
gränzt, ein Thier erfchienen, Namens Dannes, wie auch Apollodoros
erzählte; es habe einen Fifchleib gehabt, unter dem Fifchkopf einen andern
Kopf, und Menfchenfüße an dem Fiſchſchwanz angewadfen; auch habe es
Menfchenftimme gehabt, und fein Bild werde noch aufbewahrt. Diefes
Thier, ſagt er, weilte bey Tag unter den Menfchen, ohne Nahrung zu
264 Salambo.
Heſychius führt den Namen
Salambo
an, und ſagt, ſie ſey die Aphrodite bei den Babyloniern. Das große
Etymologikum aber giebt an, Salambas ſey eine Gottheit, welche ſo von
nehmen, und lehrte die Menſchen Schrift, Wißenſchaften und allerlei Kunſt,
Städtebau und Tempelgründung, Geſetzgebung, Geometrie, Saat und
Erndte, und überhaupt Alles, was zur Geſittung gehört. Mit Sonnen⸗
untergang ſey das Thier wieder in das Meer gegangen. Später ſeyen
auch andere ihm ähnliche erfchienen. Dannes aber habe über Abfunft und
Berwaltung gefchrieben, und diefes den Menfchen mitgetheilt. Es fey eine
Zeit geweſen, fagt er, wo Alles Finfterniß und Waßer war, und in dieſen
wunderfame Gefchöpfe. Menfchen gab es mit zwei Blügeln, Manche mit
vier Flügeln und zwei Geſichtern; auch Hatten welche einen Leib, aber
zwei Köpfe, einen männlichen und einen weiblichen, fowie männliche und
weibliche Schaamtheile, Andere Hatten Ziegenbeine und Hörner, Andere
Pfervefüße, Andere waren hinten Pferde, vorn Menſchen. Auch Stiere
gab es mit Menfchenköpfen, und Hunde mit vier Leibern, die Fiſchſchwänze
hatten, hundsköpfige Roße, Menfchen und andere Thiere mit Roßfüpfen
und Roßleibern, welche Fiſchſchwänze Hatten, und andere Gefchöpfe von
der Geftaltung mannigfacher Thiere. Dazu Zifche, Gewürm, Schlangen
und viele andere Sefchöpfe von wunderfamer Art, und miteinander ver:
wechjeltem Ausfehen, deren Bilder in dem Tempel des -Belus feyen. Ueber
alle diefe habe geherrfcht ein Weib, Namens Homorofa (Omorka), welcher
Name Haldaifh Thalath fey, und griehifch Thalaffa, d. i. Meer gedeutet
werde, wie auch Mond. (Offenbar wollte man in dieſem fchlotirigen Mach⸗
werf die Weisheit anbringen, das griechifche Wort Thalaffa, Meer, ſtimme
überein mit dem femitifchen Worte Thalath und deutete daſſelbe Wort auch
Mond, als gebe diefer die Beuchtigfeit. In der Genefls (27. 28) heißt es:
Gott gebe dir vom Thau des Himmels und von der Pettigfeit der Erde;
und (39) ſtehe du wirft eine fette Wohnung haben auf Erven, und vom
Thau des Himmels von oben her. Was die Omorka betrifft (bei Synfellos
Dmorofa, im lateinifchen Tert der eufebifhen Chronik Marcaia), fo if
diefe vielleicht aus dem femitifchen raka, hat ausgebreitet, entſtanden. In
der Genefls wird es gebraudt in den Worten (B. 6): Bott ſprach, es
werde eine Feſte (rakia) zwifchen den Waßern. Ferner (B. 7): Da machte
Gott die Feſte (rakia), und ſchied das Waßer unter der Fefle von dem
Maßer über der Felle. Und Gott nannte die Fefte Himmel. Da die
Machwerke, wozu der fogenannte Berofus gehört, auf die Genefls Rüdficht
nahmen, und oberflächlich von allen Seiten her zufammenrafften, fo koͤnnte
wohl diefe Omorfa in einer Form Marafi daher flammen, und die Zefte
des Himmels bezeichnen, die von der Erde geſchieden warb, denn fie wird
ja von Bel, d. i. ©ott, in zwei Hälften, in Himmel und Erde gefchieden,
und vom Himmel kommt ja der Than, wie ebenfalls die Geneſis fagt.)
Will Jemand den Anfang des Wortes aus dem hebräifchen iam, Meer,
Salamdbo. 265
der fteten Bewegung genannt werde, weil fle immer herumgehe, ven
Adonis klagend. Daß ver Name Salambo ein femitifches Wort fey, ift
herleiten, und das ausgebreitete Meer, das Waßer als Grundfloff ber
Schöpfung anfehen, fo Tiegt wahrlich auch daran nichts, denn wir haben
es ja hier nur mit feichter Spielerei einer aberwigigen Gelehrfamfeit zu
thun. Thalath aber heißt wahrfcheinlich die Erzeugerin (von ialad, woher
wohl auch die Namen Mylitta und Alitta oder Alilat flammen). Punifche
in Leyden befindliche Steinfchriften (Hamaker. ©. 2) nennen die große
Lebensmutter Tolat.) Weiter heißt es: Da Alles fo war, habe Belus
zurüdfehrend, das Weib mitten durch getheilt, und die eine Hälfte zur
Erde, die andere zum Himmel gemacht, und die in ihr befindlichen Thiere
vertilgt. Diefes aber fey eine Allegorie; denn als Alles eine Feuchtigkeit
war, und Gefchöpfe darin waren, habe diefer Gott fein Haupt herunterges
nommen, und die andern Götter hätten das flrömenvde Blut mit der Erde
gemifcht und die Menfchen gebildet (diefes flammt wohl auch aus ber
Genefls, denn Adam der Menfch ift aus Erde (Adamah) gemacht, doch
heißt adam auch roth und mit Abftoßung des a heißt dam Blut, fo daß
wohl diefe zweimal unbeholfen erzählte Schöpfungsgefchichte des Menfchen,
die auch in der Genefls zweimal erzählt wird, ihre Erfindung auf den
Namen Adam gründete, und auf die Gottähnlichkeit des Menfchen), weß⸗
halb fie verfländig feyen und göftlicher Einficht theilhaft. Belus aber, ven
man für Zeus erklärt, Habe, die Finfterniß theilend, Erde und Himmel
von einander getrennt und die Welt geordnet, und die Gefchöpfe feyen zu
Grunde gegangen, weil fie das Licht nicht ertragen Fonnten. Belus, da er
das leere und fruchtbare Land fah, habe einem ber Götter befohlen, ihm
felbft das Haupt herunter zu nehmen und mit dem herabftrömenden Blute
bie Erde zu mifchen und Menfchen zu bilden, fowie Thiere, welche die Luft
ertragen können; Belus aber habe Sterne, Sonne, Mond und bie fünf
Planeten erfchaffen. So erzählt der Polyhiſtor Alerandros, daß Beroflos
im erſten Buche melde. Im zweiten meldete er, wie Alexandros fagt, daß
zehn Könige hundert und zwanzig Saren bis zur großen Flut geherrfcht,
die unter der Herrfchaft des Kifuthros Fam. Diefem fey Kronos im Traum
erichienen und habe ihm angefagt, daß die Menfchen am fünfzehnten des
Monats diefes durch eine Flut umfommen würden. Daher habe er befoh-
len, Anfang, Mitte und Ende von Allem in Schriften zu vergraben in der
Sonnenftadt Sifpara, und fey dann mit Weib, Kind und Freunden in ein
Schiff gegangen. Nach verlaufener Flut habe er einen Altar errichtet und
den Göttern geopfert, und fey nebft denen, die mit ihm aus dem Schiff
gegangen, nicht mehr gefehen worden. Als aber die Anvdern aus dem
Schiffe giengen und ihn bey Namen riefen, hörten fle die Stimme aus der
Luft, die fle hieß goftesfürdhtig feyn und durch Frömmigkeit zu ihm zu
fommen, bey den Göttern zu wohnen, und daß fein Weib, feine Tochter
und fein Steuermann dieſer Ehre theilhaft feyen. Er fagte ihnen, fie wür-
ben wieder nah Babylon fommen, und es fey ihnen beftimmt, die Schrif:
ten zu Sifpara zu nehmen und den Menfchen zu überliefern, und daß ber
Ort, wo fie fich befänden, Armenien ſey. S. 38 meldet Synfellos aus
Abydenos: Zuerſt herrfchte Aloros zehn Saren, der vorgab, von Gott zum
266 Salambıo.
ohne ale Wahrfcheinlichkeit, wohl aber fpricht Alled dafür, daß er grie—
Hifhen Urfprungs ſey. Es gab auch ein Wort Salambe, welches
von Heſychius durch Deffnung, Raudfang, Thürdhen, Amme
erflärt wird. Babyloniſch ift fie wohl genannt worben, ftatt forifch,
denn erft ald Syrien unter griedhifche Serrfchaft gefommen war, wird
ihrer gedacht, fo daß der Name aus Griechenland nach Syrien gelangt
feyn mag. *) Bon ihr erfahren wir weiter nichts, ald was Lampridius
in dem Leben des Heliogabal bemerkt, daß fie nämlich mit Wehllage in
Syrien verehrt worden ſey. Da wir annehmen Fönnen, daß die mafebo-
nifche Herrſchaft den Cult der Salambo nady Syrien brachte, fo drängt
fih die Vermuthung auf, daß fle eine der thrafifchen Bendis und Kotys
oder Kotytto entiprechenvde Form der großen Lebensmutter in Makedonien
gewefen fey, welche ver femitifchen Göttin glich, und darum mit verfelben
leicht zufammengeftellt werben Eonnte. **)
Hirten des Volks beftellt zu feyn, nach ihm Alaparos drei Saren, nad
diefem Amillaros aus der Stadt Pantibiblis dreizehn Saren, unter wel:
chem der zweite Annedotos ans dem Meer auftauchte, ein Halbvämon, ähn-
lih dem Dannes. Ihm folgte Ammenon aus Bantibibla zwölf Saren,
dann Megalaros eben daher achtzehn Saren, hierauf Daos der Hirte eben
daher zehn Saren, unter welchem zweigeftaltige Wefen aus dem Meer auf:
tauchten, Namens Euebofos, Eneugamos, Eneubulos, Anementos. Dann
fulgte Euedoreschos, und diefem Anodaphos, hierauf Sifuthros. Ferner
erzählt Synkellos (S. 39), Apollodor gebe aus Beroffos an, Dannes, ber
Annedotos, fey unter Amenon, dem Chaldäer, dem vierten König, erjchie
nen, alfo nad) vierzig Saren, Abydenos aber ſetzt die Zeit des zweiten
Annedotos nad ſechs und zwanzig Saren; unter Daonos fey ber vierte,
dann fey unter Euedorachos ein folcher Namens Odakon erfchienen, und
diefe hätten das von Dannes allgemein Angegebene im Einzelnen ausge-
führt, wovon Abydenos nichts erwähnt. Bey Cyrillus gegen Sulian
(3. S. 176) werden Annos und Belos als Weife der Chaldäer und Aſſy—
rer genannt, wie der dritte Hermes in Aegypten und Cheiron bey ven
Griechen.
Hieraus iſt wenig zu lernen für das ſemitiſche Alterthum, denn es iſt
das Wenige, was für uns Werth haben koͤnnte, ſchlecht überliefert. Die
Könige nnd ihre Regierungszeit bezeichnen wohl zehn zwölf Saren enthal:
tende Perioden oder umgekehrt zwölf gehn Saren enthaltende, denn Zeit:
perioden aufzuftellen, um die Weltvauer zn berechnen, war, wenn uns diefe
Sarenrechnung nicht trügt, der Zweck diefer nicht fehr alten Meberlieferungen,
und das wirkliche Jahr mit feinen Abtheilungen bildete die Grundlage der
vergrößerten Zahlen.
*) Daß in Salambo das femitifche Wort schalam, ift vollfommen, hat Frie⸗
den, bat Glüc gehabt, enthalten fey, dürfte wohl nicht angenommen wer:
den, weil Vollkommenheit fowohl als Frieden ſich nicht gerade zu Benen⸗
nungen ber großen Mutter zu eignen fcheinen.
**) Freilich erwähnen die Acta ver heiligen Tata und Rufina am neun
Anaultisö. 267
Aug bei Dionyſos finden wir dad androgyne Verhältniß aus afla-
tifcher Neligion angewendet, und da auch er flirbt und mieberauflebt, fo
gleicht er auch darin dem Adonis, Atys und den Naturgottheiten, um
deren Tod geklagt wird, weßhalb aucd die Griechen den Dionyſos zu
nennen pflegten, wenn fte einen foldyen Gott im Allgemeinen bezeichnen
wollten. Wann vieles Verhältniß auf ihn übergetragen worden, wißen
wir nicht. Auch mit der großen Mutter warb er zufammengeftellt,
Stephanus der Byzantiner, indem er von der Stadt Maftaura in Lypien
fpriht, erzählt: Ma folgte ver Rhea, welcher Zeus den Dionyfod zur
Pflege übergab, und Ma von Sera gefragt, weßen das Kind fey, ant-
wartete: Des Ares, wovon Dionyſos bei den Karern den Namen Mafarid
hatte. Auch Rhea hieß Ma, d. i. Mutter, und man opferte ihr einen
Stier (teuros) bei den Lydern, wovon Mafltaura feinen Namen hat.
Die kariſche Klage war berühmt, und wenn fie dem Mafarid gegolten
haben jollte, fo würbeh wir in ihm denſelben Gott Inter einer tweiteren
Benennung haben, alfo die Farifhe Form des Gottes, den wir ald
Adonis, Atys u. |. w. in Aſten ſehen. *)
Eine Lebensmutter gleich der fyrifchen Himmelskönigin mar auch
die armeniſche Anaitis, von welcher und Strabo erzählt (11.8), mo er
bon der Eroberung Armenlens durch die Saken fpricht. Zela fey damals
gegründet worden, größtentheild von Hierodulen bewohnt, und das Heilig-
thuin der Anaitis und ihrer Altargenofen, des Omanos und Anandatos,
fotwie ihr Jahresfeft, vie Sakäen. Andere erzählten, als Kyros die Safen
Befriegte, Habe er fliehen müßen, als aber dieſe fein wohlverſehenes Lager
erobert und ſich Beraufcht Hatten, fen er umgekehrt und Babe fe theils
in der Trunfenheit und dem Schlafe nievergehauen, theils fehen fie
tanzend und ſchwärmend durch die Waffen der Feinde fait fammtlich
umgefommen. Kyros, ein göttliches Glück darin erfennend, habe jenen
zehnten Juli der Wafchung der Salambo zu Sevilla in Spanien aus dem
Jahr 287, und fo follte man meinen, es müße diefer heibnifche Brauch
von den Phönifern aus alten Zeiten herflammen. Diefer Schein aber
dürfte doch wohl nur einen fo ſchwachen Beweis geben, daB man ſich wenig
geneigt fühlen möchte, ihn für ein höheres Alterthum gelten zu laßen.
*) Da der afiatiſche Cult auf ven Dionyfosmythus und Cult Einfluß gehabt
hat, fo wird dadurch eine genaue Kenntniß bes älteren Hellenifchen Div:
nyfoscults zum Theil fogar unmöglich, weil die meiften Nachrichten aus
der Zeit flammen, wo biefer Einfluß bereits Statt gefunden hatte. Aecht
hellenifche Phantafle aber erbliden wir darin, daß diefes Segensfind, das
Blühen und Grünen der Natur, befonders im Weinftod ein Kind der
Brühlingsgewitter des Himmels ift, daß die Frühlingsflürme als feine
Ammen ihn fchaufeln, oder daß die Hyaden ihn pflegen, und daß feine
Beziehung zum Waßer eine Flucht zu Thetis iſt.
2068 Anautis.
Tag der heimiſchen Göttin geheiligt und das Sakäenfeſt genannt; mo
aber ein SHeiligthum viefer Goͤttin ifl, da wird auch das Safäenfeft
ſchwärmend bei Tag und auf ffothifche Art gefeiert, indem fle zufammen
trinken und gegen einander, fowie auch gegen die mittrinfenden Frauen,
fhlagen. Derfelbe berichtet (11. 14): Alle Seiligthümer ver Perfer
verehren die Meder und Armenier, doch die Armenier befonvers bie
Anaitid, ſowohl anderswo als auch in Afilifene, wo fle ihr Sclaven und
Sclavinnen geweiht haben. *) Die Angefehenften weihen ihr fogar ihre
Zöchter, die längere Zeit bei ver Göttin als Buhlerinnen preiß gegeben
bleiben und dann vermählt werden, indem es Keiner verfchmäht, mit einer
folden verbunden zu feyn. Derlei fagt auch Herodot von ven Lydierinnen,
daß fie nämlich alle buhlen. Sie benehmen ftd) aber gegen vie Liebhaber
fo freundlich, daß fte fle bewirthen, und größere Gegengefchenfe machen,
als fie empfangen, da fte ald Töchter aus wohlhabenden Häuſern ſolches
vermögen. Sie nehmen aber nicht alle Fremde gravdezu an, fondern
meift nur die von gleihem Stande. Athenäus (S. 639) giebt an:
Beroſos fagt im erften Buch feiner babylonifchen Gefchichten, ed werde
das Safäenfeft im Monate 2008 fünf Tage lang in Babylon gefeiert;
an demfelben jey es Sitte, daß die Diener über die Herren herrfchten,
und Einen der Ihren aufführten, angethban mit einem dem Föniglichen
ähnlichen Anzug, ven ſie auch Zoganes nannten. Dieſes Veftes erwähnt
auch Kteſias im zweiten Buche feiner perfifchen Geſchichten. Dio Chryfo-
flomud (in der vierten Rede vom Reich) fagt: Kennft vu nicht daB
Safäenfeft, welches die Perſer feiern? Sie nehmen einen der auf ben
Tod Gefangenen, feßen ihn auf den Königsthron, geben ihm das Königd-
gewand, Iaßen ihn herrlich leben und die Kebsweiber des Königd während
jener Iage gebrauchen, und Keiner hindert ihn zu thun, was er will;
hernach aber wird er ausgezogen, gegeißelt und gehängt.
Ob wirklich der angegebene Gebraud am Safäenfeft flattfand, oder
an einem andern, können wir nicht beflimmen; denn wenn er ſich auch
für eine Beier des Kronos (Saturnus), over vie Feier eines Zeit-
abſchlußes beßer zu eignen fcheint, als für ein Feſt ver großen Lebens⸗
mutter, fo Tonnen wir den angeführten Nachrichten weder unbebingte
Glaubwürdigkeit zufchreiben, noch alle Glaubwürdigkeit grabezu abfprechen.
Die ſtythiſchen Saken nahmen den Eult an, der von ihnen den Namen
erhielt, und ebenfo vie Perfer; ob aber bei ver Annahme durch die
legteren eine Deränverung oder Ermeiterung deflelben vorgenommen
ward, ift und durchaus verborgen. Der Name Zoganed übrigens ifl
*) Die Bildfäule diefer Göttin aus gediegenem Gold warb in dem parthifchen
Feldzuge des Antonius von den Mömern geraubt, wie Plinius (33. 4)
erzählt.
Analtis. 269
ſemitiſch und bedeutet ven Vorſteher, ven Erſten, hebräiſch segen genannt,
welches im alten Teſtament nur in der Mehrzahl vorkommt, und deßen
Wurzel verloren gegangen if. In Aegypten finden wir dieſe Göttin
unter dem Namen Unta vargeitelt auf dem Throne ſitzend, Schild und
Speer in der Rechten, in der Linken die geſchwungene Streitaxt, mit der
Krone von Oberägypten auf dem Haupte. Doch hat man fie nicht in
Tempeln gefunden, und über eine Verehrung verfelben in Aegypten ift
nichts, weder durch Schriften noch durch Denkmäler befannt. Ueber dad
Wefen dieſer Göttin, ald einer Form ver großen Lebensgdttin, kann uns
fein Zweifel feyn; venn die Vergleichung mit der Artemis der Taurer
zeigt und daſſelbe deutlich genug. Die Kappabofer und die Bewohner
von Pontus ftritten mit den Griechen und behaupteten, das Bild ver
taurifchen Göttin, welches Dreftes und Iphigeneia nad) Brauron gebracht
haben follten, fey bey ihnen, und daſſelbe behaupteten vie Luder, bei
denen ſich ein Seiligthum der Anaitid befand, wie Paufaniad (3. 16. 6)
meldet. Don dem Heiligthum viefer Göttin zu Komana in Kappadokien
berichtet Strabo (12.3): Zu Komana ift das Heiligthum ver Enyo
(diefed war vie gräcifirte Korm ihres Namens), welches man dort Komana
nennt, und die Stadt ift meiftend von Dienern und Hierodulen der Göttin
bewohnt. Die Einwohner find Kataonen, die zwar vem Könige fonft unterthban
find, doch zumeift dem Öberpriefter gehorchen, welcher über das Seilig-
thum und die Hierodulen gebietet, deren zu Strabo's Zeit, ald er dort
war, ſich über fechötaufenn Männer und Weiber vorfanden. Das Heilig-
thum hat viel Landbeſitz, deßen Einkünfte ver Priefter bezieht, fowie er
die zweite Stelle in Kappadokien nach dem Könige einnimmt, und meift
waren biefe Prieſter aus gleichem Gefchleht mit ven SKönigen. Die
Seiligthümer aber fol Oreſtes mit feiner Schwefter Iphigenein aus dem
taurifhen Skythien, ald die der Artemis Tauropolos bingebracht haben,
und die Stadt ihren Namen davon haben, daß er dort dad Haar (gries
chiſch komä), welches er in ver Trauerzeit hatte wachſen laßen, abgelegt.
(Strabo fügt [S.733] Hinzu: In Kappavofien find die Mager au
Pyraither, d. i. Feuerpriefter genannt, zahlreich, und e8 giebt viele Tempel
perfifcher Götter. Hier opfern fie nicht mit Meßern, fonvern fchlagen
das Opfer mit einer Keule todt. Auch haben vie Perfer Veuerräume,
große Tempelgemächer, wo mitten ein Altar if, auf dem die Mager
viele glühenve Afche und ein immerwährendes Feuer unterhalten. Dahin
gehe fie alle Tage, und fingen ohngefähr eine Stunde lang vor dem
Teuer, ein Ruthenbündel (von Tamarisfen) in der Hand, mit einer
Kopfbedeckung, moran die Wangenfeiten fo beruntergehen, daß fle bie
Lippen zuveden. Die nämlichen Gebrände finden auch in ven Tempeln
der Anaitid und des Omanos Statt, diefe haben auch Yeuerräume, und
mit dem Bild des Omanos werben feierliche Aufzüge veranſtaltet
270 Anautie.
Strabo ſah dieſe Gebräuche, und wir erfahren daraus, daß Perſiſches
mit dem Semitifchen oder dieſem Nahverwandten vermiſcht worden war.)
Der Cult diefer Göttin, der eined Theils fo ganz und gar vem der
babylonifchen Mylitta gli, Tonnte recht gut auf die taurifche Göttin
bezogen werden, weil auch diefe die große Lebensmutter war, und da
Artemis als Rebendgdttin, welche die Geburten ſchützt und verleiht, von
ven Griechen verehrt wurde, fo war die Bezeichnung verfelben als einer
Artemis nicht unpaßend für ihr Weſen. So nennt auch Plutarch in
dem Leben des Artarerres (27. ©.1025) die Anaitid zu Ekbatana gradezu
eine Artemis. Strabo (12. 3. ©. 557) fagt ferner: Weber Bhanargia
im Pontus liegt Komana, gleichnamig mit dem in Groß = Kappadofien,
und derſelben Göttin gebeiligt, und von daher verpflanzt, mit fehr ähn⸗
licher Opferverrichtung, Gottergriffenheit und Ehre der Priefter, beſonders
unter den vormaligen Königen, ald zweimal im Jahre bei ven foge-
nannten Auszügen ver Göttin der Priefter das Diadem trug und an
Ehre der Erfte nach dem Könige war. Komana nun ift wohlbevölkert,
und ein bedeutender Handelsort für die aud Armenien, und ed kommen
bei den Audzügen ver Gbttin aus den Städten und dem Land von überall
her Männer und Weiber zum Vet zufanmen, und Andere ziehen dahin
wegen Gelübven, und um der Göttin Opfer zu verrichten. Die Ein—
wohner find weichlih, und Weinzucht ift ihr ganzes Beſitzthum, und bie
Menge ver Frauen, die mit ihrem Körper Geld verdienen, von denen
die meiften geweiht find. Denn in gewißer Weife ift dieſe Stadt ein
kleines Korinth, denn auch dort zogen Biele hin wegen der ver Aphrodite
geweihten Hetären. Agathias (Gefchichte Juftiniansd 2. 24) jagt: Anaitis
Aphrodite.
In Inſchriften heißt dieſe Göttin Tanit, und es findet ſich auch
neben Anaitis die Form Tanais, im zweiten Buche ver Maffabäer aber
(1. 13) beißt es: Dafelbft ward ver König mit feinem unüberwindlichen
Heer im Tempel Nane erwürgt aus Kift der Priefter Nane. Denn da
Antiochus dahin Fam, ſammt feinen Breunden zur Göttin Artemis, als
wollte er fie freien, und alles Geld aus dem Tempel zur Morgengabe
nehmen; und da ed die Priefter der Nane hervortrugen, und er mit
Etlichen in die Kapelle gegangen war; fchloßen fe vie Kirche hinter ihm
zu, und warfen ihn und Alle, die mit ihm waren, mit Steinen zu Tode.
Auch Anaia hieß fie, wenn Strabo (16. 1) recht berichtet, welcher des
Heiligthums der Anaia bei Arbela erwähnt. Bei Polybius (10. 27. 12)
heißt e8 von Efbatana, ald Antiochus dort war, hatte der Tempel ber
Aina noch die vergolveten Säulen ringsum. Die Anaitis konnte ägyp⸗
tifch, wie fie Ant genannt ward, auch Tan genannt werben, wie Tamun
und Amunt die nämlihen Namen find, und wie man aus Annafos
auch einen Nannakod machte, durch eine, wie es ſcheint bequeme und
Anautis. 271
verderbte Ausſprache, ſo konnten alle genannten Namensformen entſtehen,
deren ächte Form ſicherlich in Anait und Ana enthalten war.“) Den
Namen Nana ſahen wir auch oben angewendet in dem Agdiſtismythus.
Daß die Form mit dem Vokal im Anfang die richtigere oder urſprüng⸗
liche ſey, geht auch aus dem gräciſirten Namen Enyo hervor; die bei
Homer (31.5.333.592) eine wilde Kriegsgoͤttin iſt, jo daß Ares ſelbſt ein
Enyalifcher genannt wird, um ihn recht ald wilden Kriegsgott zu bezeich-
nen. Es kam diefes davon her, daß eine fanatifche, wilde Aufregung
der Beier diefer Göttin eigen war, die bi8 zur Wuth gieng, worin man
fih blutig verlegte. So wird und von Rom erzählt, wo man fie Bellona,
d. i. Kriegögdttin nannte, und wo ihr Appius Claudius einen Tempel’
vor der Stadt errichtet hatte, ihr Cult ſey daſelbſt blutig geweſen.
Rartantius (1. 21. 16) bemerkt: Am Feſte ver Tapferkeit, welche fie auch
Bellona nennen, opfern die Priefter nicht fremdes Blut, fondern ihr
eigenes; denn ſie ſchneiden fich in die Schultern, und mit beiven Händen
die Schwerdter züdend, rennen und toben fie herum. Lucan (1. 566):
Die, welche vie wilde Bellona mit zerfchnittenen Armen aufregt, weißag-
ten, und das Saar im Kreid fchüttelnd heulten vie blutigen Gallen
Zrauriged. Tibul (1.7.45): Diefe, wann fie von der Erregung der
*) Balls der Nanıe femitifch ift, fo ſcheint er ein der großen Lebensmutter von
der Trauer gegebener zu feyn, und zu anah, anach, war traurig, zu
gehören. Durch die Yorm Nina würde der Aphrobitefohn des Mythus,
Aeneas, und durch das Wort anach der Gatte der Aphrodite, Anchifes, in
den Mythenfreis der großen Göttin zu ziehen feyn. Bergötterte Menfchen
ehrten die Semiten nicht in ihren Tempeln, wenn auch Jofephus erzählt,
daß die Könige von Damusfus, Benhadad und Haſasl, göttlich verehrt
wurden, und daß die Damascener ihnen täglich Proceffionen veranftalteten
und daß fie auf das Alterthum derfelben flolz waren. Dido oder Eliffa
ward als Stifterin von Carthago, ſo lange diefe Stadt ftand, als Göttin
verehrt, fagt Juſtin (18. 6), und Silius Italicus (1. 80) befchritt ihren
Tempel, falls vemfelben zu glauben if. Gab es einen Tempel der Dido,
dann war dieſe fo wenig eine Sterbliche gewefen, als e8 Semiramis oder
Menones oder Ninos war, denn die Semiten errichteten verflorbenen Men:
fchen Feine Tempel. Hätten wir beßere Gewährsmänner für Tempel und
Cult der Dido -Eliffa, als die genannten, fo würden wir in diefen Namen
nichts weiter als Benennungen der femitifchen Himmelsfönigin haben, welche
die Geliebte und die flarfe Göttin bezeichnen Fünnten, worin man ganz
geeignete Beiwörter dieſer Gottheit fünde. Dann würde auch Dido's
Schweiter Anna, wie die Römer fie nannten, ihre genügende Erklärung
finden; denn wir würden, wäre Dido wirklich die große Lebensmutter, in
Anna einen Namen derfelben erbliden fünnen, und ihn mit dem der Anait
zufammenftellen dürfen, fowie mit dem des Meneas, der an fo vielen Orten
zu finden iſt, wohin der Cult der großen Göttin drang, und ſich gewißlich
an Zeinem befand, wo diefer Cult nicht geweſen wäre,
272 Analtis.
Bellona getrieben iſt, fürchtet nicht Flamme, noch Geißel, und ſchneidet
ſich ſelbſt mit dem Beile vie Arme, und beſpritzt die Göttin mit ihrem
Blut, verwundet ſich die Seite mit dem Speer, verwundet ſich die Bruſt,
und weißagt, was ihr die große Göͤttin eingiebt. Dieſe Prieſter weißag⸗
ten alſo auch in ihrer Verzückung, die Feier aber war, wie Trebellius
Pollio im Leben des Claudius (6) angiebt, am vier und zwanzigſten
März, welcher Tag der Bluttag hieß. „Tertullian über das Pallium ſagt
(4), ihre Kleivung fey fohwarz geweſen, und über ven Helm hätten fle
ein ſchwarzes Bell gezogen, auch feyen ſie an vie Berge gelaufen. Die
ſchwarze Kleidung muß fih auf Trauer bezogen haben. In Griechenland
wird fle nicht häufig gefunden. Das Veit ver Homoloien, fagt Suidag,
wird dem Zeus, ver Demeter, der Athene und ver Enyo zu Theben
gefeiert. Außerdem meldet nur noch Pauſanias (1.8.5) von eine? Bilofäule
der Enyo im Arestempel zu Athen. Von einer an das velphifche Orakel
von Theben aus gefandten Priefterin oder Prophetin der Enyo, Namens
Homolois, fol Zeus den Beinamen Homoloios haben, wie Suidas
bemerft. Dies ift Alles, was wir von der Enyo in Griechenlanp wißen.
Wer Omanos gewefen fey und Anandatos, die, wie wir oben
gefehen haben, mit ihr verehrt wurden, wißen wir nicht, Vermuthungen
aber liegen nahe, denn überall muß bei der großen Lebensmutter ent-
weder ein Gatte, oder Liebling angenommen werben, und wo fie Trauer-
eult hat, eine PBerfonification der blühenden Natur, welche abftirbt; daß
aber Omanos, deßen Name im Semitifchen zur Noth .ald Pflegling
gedeutet werden Fönnte, ein ſolcher geweſen, läßt fich bei vem Mangel
aller näheren Beitimmung nicht fo gravdezu annehmen, und ob der Name
Anandatos ganz recht überliefert jey, Tann im Hinblid auf den Namen
Annedotos von einem zum Zweifel Geneigten fogar bezweifelt werben.
Nicht eine Göttin aus Skythenland brachten alſo die Sfythen mit
nah Aſien, fondern nahmen vafelbit vie große Lebensmutter an, und
dDiefe wanderte mit dem Sinnbild ver Kuh zu den Tauren, wo die Grie-
hen ſie die taurifche Artemid nannten, und ihren Cult entlehnten, ver
dann nicht allein ald Dienft ver Artemis Tauropolos in Griechenland
Platz griff, ſondern aud nad) Unteritalien, hinüber nach Sicilien und
nach XAricia, in die Nähe Roms gelangte. Auch ein Sinnbild der großen
Lebendmutter gelangte zu den Skythen, nämlih der Greif, von dem
Herodot (3. 116) erzählt, daß er das Gold bewache und von den Arimas⸗
pen, d. i. den Einäugigen, deßhalb befämpft werve. Er galt ald ein Löwe
mit Adlerkopf und Adlerflügeln, ver Löwe aber gehörte ver großen Lebens⸗
mutter als einer Geburtögdttin, die das Lebendige an dad Licht fdrbert,
denn der Löwe war Sinnbild des Lichts, und die Aegypter bildeten daher
dieſe Gottin in ihrer Gigenfchaft ald Geburtsgottin mit einem Löwen-
fopfe ober Katzenkopfe, mit welchem legteren die nämliche Idee ausge⸗
Analtis. 273
drückt ward. Den mütterlichen Schutz bezeichneten die Aegypter durch
den Geier und durch Geierflügel, weil der die Jungen mit ſeinen Fittigen
deckende und ſchirmende Vogel ſich allerdings zu einem Sinnbilde des
mütterlichen Schutzes gut eignete, ſo daß ſelbſt der Ausdruck, unter ſeine
Flügel oder Fittige nehmen, auch bey uns als bildliche Bezeichnung eines
aͤhnlichen Verhältnißes beſteht. Die Griechen ſetzten, wie es ſcheint, den
Adler an die Stelle des Geiers, weil ihnen ver Adler in der Mytho⸗
Iogie befannt war, der Geier dagegen nicht. Aeſchylus nannte ſchon
den Greifadler, wie wir aud den Vröfchen des Ariſtophanes erjehen.
Zuerft aber bildeten die Samier unter den Griechen Greife, und zwar
nach) einer Fahrt nach Spanien, wo Phönifer waren. Sie ließen nämlich
aus dem Zehnten ihres Handelsgewinnes, den fle dort gemacht, ein Erz⸗
gefäß bilden, rings verziert mit Greifenföpfen, und weihten daſſelbe in
den Tempel der Hera. Der Greif ward von den Griechen mehr mit
Apollon als mit Artemis oder Hekate in Verbindung gefegt, d. h. mehr
mit dem Kichtgotte ald mit der Geburtögättin, doch kommt er auch mit
biefer verbunden vor. Für ven Fichtgott aber eignete er fich infofern,
als der Löwe Sinnbild des Lichts war, und daher auch dem SHerafles,
d. i. dem Moloh oder Melkart gehörte, aber ver Lichtgott Fann nicht
den Greif zum Sinnbild haben, da diefer nur ein Sinnbild ver Göttin
feyn Fann, welche dad Leben an das Kicht förvert und fohirmt, ein Bey:
fteher aber dieſer Göttin ift der Lichtgott, und an die Stelle dieſes
Beyſtehers mögen wohl die Griechen ihren Lichtgott Apollon gefegt
Baben, wie fte überhaupt fremde Gottheiten auf die ihrigen zurüdzus
führen pflegten.
N. 18
Dritte Ubtbeilung.
\,°
277
Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles).
Bon dem Moloch, d. i. König, fpricht das alte Teftament, meldet
jevoch von feinen Wefen, und welche Art von Segen man von ihm
erwartete, nichts. Daß er ein Gott der Heiden Canaand und der Nach
barn geweſen, geht daraus hervor, daß vie Kinder Iſraels ihn von dieſen
annahmen. Das Einzige, was wir aus biefer Duelle erfahren, ift, daß
man ihm Kinder opferte, und daß diefe Opfer ihm verbrannt wurden,
was von den Kindern Iſraels in dem Thal Sinnom geſchah, wie ſchon
angegeben ift in dem Abjchnitt von ven Opfern. Der Prophet Jeremia
fpriht (32. 35) fo von diefem Thal und ven daſigen Opfern, daß mar
glauben follte, Baal und Moloch feyen vie einer und derfelben Gottheit
zufommenden Namen. Er fagt nämlich, fie hätten Höhen Baals gebaut
im Thal Hinnom, und ihre Söhne und Töchter vem Moloch verbrannt.
Allein beide Namen werben fonft ſtets getrennt, und die Griechen vers
glihen Baal als höchſten Gott und Himmelskoͤnig mit ihrem Zeus, ven
Moloch aber nicht. Da fe die Wefenheit folcher Gdtter nicht in Abrede
ſtellten, ſondern fogar die ihrigen darin wieder zu finden glaubten, fg
haben ihre derartigen Angaben mehr Zuverläßiged, ald die Ausfagen
Derer, welche in ſolchen Göttern Gräuel erblicten und ſich nach irgend
etwas Häßlichem oder Anftößigem bei ihnen umfahben.. Man kann höch—
fiend auf Ieremia’3 Zeugniß gelten laßen, ed ſey neben dem Cult Molochs
ein Baaldcult im Thale Hinnom gewefen, mehr aber nit. Daß es
mehrere Benennungen des Moloch gab, kann nicht befremven, wenn wir
auch leider die damit verknüpften Befonverheiten aus Mangel an Nach
richten nicht zu ergründen vermögen. Bei den Ammonitern bieß er
Malchom oder Milcolm. Im erften Buch ver Könige (11.5) heißt es:
Alfo wandelte Salomy (ald er alt war) Aſtoreth, dem Gott derer von
Zidon nad, und Milcolm, dem Gräuel der Ammoniter. An feiner Iden⸗
tität laßt felbft die Ueberlieferung nicht zweifeln, denn in ber nämlichen
Stelle wird er fofort (7) Moloch, der Gränel der Ammoniter genannt.
Im zweiten Buch der Könige (23. 13) heißt er ebenfalls Milcolm,
Zephanja aber (1. 5) nennt ihn Malchom, und fo auch Ieremia (49.3).
Zwei andere Namen dieſes Gottes find und aufbewahrt im zweiten Buch
der Könige (17.31), wo e8 heißt: Die von Sepharvaim verbrannten
ihre Söhne dem Adramelech und Anameleh, ven Göttern derer von
Sepharvaim. (Wir finden ebendaſelbſt (19) einen der Söhne Sanheribs
Adra Melech genannt, was wohl den großen ober herrlichen König
bezeichnet. In Tyrus aber hieß er Melkart, was König der Stadt
278 Moloch, Melkart, (Melifertes, Herakles).
bedeuten ſoll, und unter diefem Namen Fam er ald Melifertes nad
Griechenland, und ward fo in die Cage von Herakles verwebt, daß er
als tyrifher Herakfled galt. SKarthago, als Colonie von Tyrus, hatte
natürlich den Gott, welcher daſelbſt am höchiten verehrt warb (und Strabo
fagt (16. 2): Serafled wird über die Maßen von ven Tyriern verehrt;
und wie Juſtinus (18. 4) angiebt, war daſelbſt dad Prieflertfum des
Melkart vie höchſte Stelle nach dem Königthun), ald Sauptgottheit aus
der Mutterftadt mitgenommen, und fandte ihm den Zehnten und heilige
Geſandtſchaften an dem fünfjährigen großen Hauptfeſte; aber während
die Griechen in andern phoͤnikiſchen Pflanzftänten piefen Gott ald Herakles
erkannten, galt er ihnen in Karthago ald Kronod und den Römern als
Saturnud. Porphyrius in der Schrift von der Enthaltfamfeit (II. 28)
fagt: Die Karthager opfern dem Kronos Menſchenopfer, und (II. 56)
fagt er vieß von den Phönifern im Allgemeinen. Diodor, ver Sieilier,
erzählt (13. 86), daß der Farthagiiche Feldherr Himilfar in Sicilien nad
einer Niederlage dem Kronos einen Knaben opferte, und (20. 14), die
Karthager hätten eine von Agathofles erlittene Niederlage dem Kronos
zugefchrieben, der gezürnt, weil fle nicht mehr ihre Kinder, fondern zu
diefem Zmede gefaufte geopfert, die man, wie Plutarch (über ven Aber-
glauben 20) angiebt, wie junge Thiere mäftete. Lactantius (1. 21) nennt
in diefem Tal den Saturnus, welche Zeugniße genügen zu dem Bemeife:
der tyrifhe Melkart ſey von den Griechen ald Krongs in Karthago ange⸗
fehen worden.
Was für ein Gott war Moloch, daß man in ihm einen Kronos,
Melikertes und Herakles erfennen Eonnte? Diefe Trage zu beantworten,
haben wir nur die Dergleichung vefjelben mit Kronos durch die Griechen
als Hülfsmittel. Diefe nun, melde fehr geneigt waren, in ven Gott⸗
heiten anderer Völker vie ihrigen zu erbliden, bevurften zu einer ſolchen
Vergleichung Feiner fehr triftigen Gründe, und felbft ein geringer Schein
bon MWebereinftimmung, wenn auch nur in einer Aeußerlichkeit, reichte
für fle zur Entfcheivdung in diefer Sache hin. Dem Moloch wurden
Menfchenopfer gebracht, und da alte Nachrichten von Menfchenopfern des
Kronos fprechen, fo fünnte man denken, diefe feyen ver Grund jener
DBergleichung gewefen. Aber Menfchenopfer im Allgemeinen Eonnten bie
Griechen nicht zu derſelben beftimmen; denn einen Gott, welcher fchledht-
weg ald König bezeichnet wird, und in einer und ber andern femitifchen
Stadt Höchfter Gott war, hätten fie ficherlich nicht wegen dieſer Opfer
mit Kronos zufammengeftelt, der nirgends ein höchſter Gott war, und
in feiner einzigen Stadt von Hellas als Schußgott verehrt wurde, ſondern
eher mit Zeus, melchem ebenfalls viefe fchredlichen Opfer dargebracht
wurden, fowie dieß auch bey andern Gottheiten geſchah, 3. B. bey Apollon.
Mur wenn man dem Krongd wirtlih Koder zum Opfer bargebracht
Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 279
hätte, wie ed bey Moloch der Ball mar, hätte dieſes hinreichen koönnen,
um beide mit einander zu vergleichen, und den Hellenen im Moloch ven
Kronos erbliden zu laßen. Aber Kronos hatte im eigentlichen Griechen-
land gar feinen eigentlichen Cult, und nur ald Water der Kronivden eine
Geltung, und auch dieſe nur in befchränftem Maaße. Der Grieche dachte
bei feinem Kronos ſchwerlich an Menfchenopfer, denn Sophofles fagt in
einem aus feiner Andromeda erhaltenen Brüchftüce (bei Hefychius): denn
ed ijt den Barbaren Sitte, dem Kronos von Alters ber ein Menfchen-
opfer Darzubringen, und Die einzige Nachricht von Menfchenopfern des
Kronos unter den Hellenen nennt bloß die Injel Rhodus als Ort, wo
ed geichah. Porphyrius nämlich in feiner Schrift über die Enthaltfamfeit
(2. 54) bemerkt: In Rhodos ward am jechsten Mietageitnion dent Kronos
ein Menſch geopfert, *) welcher Brauch nach langer Dauer geändert
*) Zur Bervollftändigung ber Angaben über Menfchenopfer, befonders in Aflen,
möge folgende Nachricht dienen. Zu Kabeira im VBontus, meldet Strabo
(12. 3. ©.557), war das Heiligthum des Men (des Mondgottes), des Phar⸗
nafes genannt, mit heiligem Land, deßen Ertrag der Priefter hatte, und
mit vielen Hierodulen. Die Könige ehrten dieſes Heiligthum in ausges
zeichneten Weife, fo daB der fogenannte Königseid lautete: Beim Glüde
des Königs und beim Men, des Pharnafes. Es ift diefes aber ein Hei-
ligthHum des Mondes (der Selene, fagt Strabo), wie bei den Albanern,
und das in Phrygien fowohl das Heiligthum des Men in dem gleichna=
migen Ort, als auch das des Arfaios bei Antiochien, das bei Pifldien
liegt, und das im Lande der Antiochier. Bon den Albanern meldet Strabo
(11. 4 ©.503): Als Götter verehren fie den Helios, den Zeus und bie
©Selene, befonders aber die Selene. Ihr Heiligthum ift in der Nähe von
Iberien, Priefter aber ift der geehrtefte Mann nach dem Könige, welcher
dem heiligen, großen und volfreichen Lande vorfteht, fowie den Hierodu⸗
len, deren viele in Begeifterung gerathen und weißagen. Wenn einer
von dieſen befonders ergriffen allein in die Wälder irrt, nimmt ihn ber
Priefter, bindet ihn mit einer Heiligen Kette, und nährt ihn das Jahr
duch fehr gut; dann zum Opfer der Göttin geführt, wird er gefalbt mit
den übrigen Opfern gefchlachtet. Die Art des Opfers aber ift diefe. Mit
der heiligen Lanze, womit die Menfchen zu opfern Brauch ift, tritt der
diefes Thuns nicht Unkundige aus der Menge und trifft das Opfer durch
die Seite in das Herz; aus dem Falle des Niederflürzgenden aber merken
fie Weißagungen und veröffentlichen fie. Iſt dann der Körper an einen
gewißen Ort gebracht, fo treten Alle darauf zur Reinigung. Weiter fagt
Strabo (12. 8. ©.580): Zwifchen Laodikeia und Karura ift ein fehr verehr-
tes Heiligthum des Men Karos (diefes ift eins der oben benannten), und
(577) fagt er: Zu Antiocheia bei Piſidien war ein Priefterthum des Men
Arkaios mit vielen Hierodulen und Heiligen Ländereien, bey des Amyntas
Tode aber warb es aufgehoben durch die, welche zu feiner Erbſchaft abges
{hielt wurden. Den Men fünnen wir nicht als eine femitifche Gottheit
betrachten.
280 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles).
warb; denn einen der dffentlih zum Tod Verurtheilten hielten ſie feft
Bid zur Kronodfeier, und wenn der Feſttag angieng, führten fie ihn vor
das Thor hinaus, gegenüber dem Heiligtum der Ariftobule, und ſchlach⸗
teten ihn, nachdem fie ihn mit Wein getränkt hatten. Auf dieſes eine
Benfpiel hin wäre die Vergleichung des Moloch mit Kronos ſehr feltfam
geweien, und läßt fiy nicht glauben. Dazu Fommt noch, daß dieſer
Kronod auf Rhodos recht gut ver femitifche Moloch feyn Eonnte unter
dem griedifchen Namen, da ed gar nicht glaublich ift, wenn ein als
Vater der Kroniven allen Griechen befannter Gott einen eigentlichen Cult
gehabt hätte, daß dieſer überall erloſchen wäre und fich allein in Rhodos
in fo beveutender Form behauptet hätte Wir finden den Melfart fo
weit verbreitet, daß man ihn auch in Rhodos vermuthen darf, was,
erfhiene er bort als Herafles, nicht auffallen würde. Da nun aber ber
phönififche Gott Mienfchenopfer hatte und auch ald Kronod aufgefaßt
wurde, fo fteht einer Annahme veflelben unter dieſem Namen und mit
feinem heimiſchen Cult nichts entgegen. Drängt ſich doch auch der Eult
des Moloch auf Kreta ald eine höchſt wahrfcheinliche Thatfache auf, denn
wir lefen folgended Mährchen bei Apollodoros (1. 9. 26): Die Argonau⸗
ten wurden vom Talos verhindert, an Kreta zu landen. Die Einen jagen,
er ſey einer aus dem ehernen Zeitalter gemejen, vie Andern, er jey dem
Minos (vie Scholien zur Odyſſee, 20. 30%, fagen, ver Europa) von
KHephäftos geſchenkt worden und von Erz geweſen. Andere nennen ihn
Tauros, d. i. Stier. Er hatte eine ver, die vom Naden bis zu der
Verfe (over dem Knöchel) Lief und mit einem ehernen Nagel gejchloffen
war. Diefer Talod lief täglich dreimal um die Infel, fie zu bewachen,
und warf damals vie heranfommenden Argonauten mit Steinen, von
Medeia aber getäufcht, farb er, indem fie, wie Einige fagen, ihn durch
Baubermittel raſend machte; oder, wie Andere fagen, ihm, unter dem Ver⸗
ſprechen, ihn unfterblich zu machen, ven Nagel auszog, jo daß alles
Geblüte herausftrömte. Einige aber fagten, Pdas habe ihn mit einem
Pfeil in die Ferſe getroffen. Simonived hatte erzählt, wie wir bei Zeng=
bius (5. 85, und bei Suidas: „Sardoniſches Lachen‘) Iefen, Talos
habe vorher in Sardinien gewohnt und Viele auf der Infel vernichtet,
die nicht zum Minos hätten geben wollen, indem er, ver von Sephäftos
gefertigte Eherne, in das Feuer ſpringend, fie an feine Bruſt drückend
getöntet Habe. Daß er ebenfo auf Kreta, fi} erft glühend machend, vie
Fremden töbtete, erzählen die Scholien zur Odyſſee in der oben ange-
führten Stelle. Die fo Verbrennenden follen lachend gegrinft haben, und
davon fol das ſardoniſche Rachen benannt worben jeyn. Daß auf der
Sufel Sardinien phbnikiſche NMiederlaffungen waren, ift gewiß, und bie
Grzählung von Talos kann aus nichts Anderem entitanden ſeyn, als aus
„dem glühend gemachten ehernen Molochsbide auf Kreta und Gardinien,
: man bad Menfchenopfer in vie fewrigen Are \eale, win meies
Moloch, Melkart, (Melitertes, Heralled) DSL
gedffnet und verfchloffen werden Fonnte. Läßt dieſes Mährchen ven
Molocheult auf Kreta nicht bezweifeln, fo muß man fi um jo geneigter
fühlen, auch auf Rhodos in dem fogenannten Kronoscult ebenfalld einen
Molocheult zu erbliden, und dann wird auch diefer eine ſchwache Halt
für die Meinung, die Menfchenopfer hätten die Vergleichung beider Gottes
heiten veranlapt, weggenommen, und wir müßen und nad) etwas Anderem
umfehen, was in dem wirklichen oder vermeinten Wefen des Kronos
diefelbe veranlagt haben fann. Kronos warb von den Griechen, ob mit
Recht over Unrecht, worauf hier gar nichts anfommt, als Gott der Zeit
gebeutet, und was fehr alt war, folglid) ber Vorzeit angehörte, nannten
fie Kroniſch. Für Moloch müßen wir daher verfuchen, dieſe Cigenfchait,
ald Veranlagung zu feiner Vergleichung mit Kronos, ald eine mögliche
zu erdriern.
Zundrverft fragt es fh, ob bei ven Phönifern die Zeit als ein
Weſentliches in ihrer Diythologie Naum gefunden, und können viefe Frage
mit einem Sa beantworten. Der Pſeudo-Sanchuniathon bei Euſebius
(1. 10) berichtet, Sydyk oder Zadyk habe leben Söhne gehabt, die Patä-
fen, zu weldien noch ein achter gehört habe, Namend Esmun, welcher
als ein Asklepios gedeutet wird. Dad Wort Patäfe bezeichnet ven
Eröffuer (hebräiſch heißt patach, hat eröffnet). Wie wichtig dieſe waren,
erhellt daraus, daß fie, wie und Herodot (3. 37) berichtet, von den Phöni-
fern auf ven Borvertheilen ihrer Triremen mit herumgeführt wurden.
Sie wurden demnach als vorzügliche Schubgottheiten betrachtet, von
welchen fie Schuß und Segen auf ihren Seefahrten erwarteten. An
Beftalt waren fie Pygmäen, d. i. Eleine Zwerge. In Wegypten hatte
man fie aufgenommen, und ein hochverehrted Heiligthum in Memphis
gehörte dem Ptah over Phtah, d. i. dem Patäken; denn Ptah ift Fein
ägnptifches Wort, ſondern die ägyptiſirte Form des Namens Patah,
Pataͤke. Die Patäken, die in dem Heiligthum des Ptah ſich befinden
ſollten, wurden für ſeine Söhne ausgegeben, und von den Griechen mit
den Kabeiren, er jelbft mit dem Veuergott Hephäftos verglichen. Mit
dieſem agyptiſchen Ptah fleht die Göttin Ma, d. i. die Gerechtigkeit, die
Wahrheit, in Verbindung. Zadyk aber, der Vater ver Patäfen, wird
mit feinem Namen ald der Gerechte bezeichnet (hebräifch: zadik, gerecht). *)
*) Zu Braſiä in Lafonien auf einem fanft auslaufenden Vorgebirg fah Bau-
fanias (3. 24. 4) drei eherne Bilder mit Hüten auf dem Kopf, und nicht
höher als einen Fuß, von denen er nicht weiß, ob er fie Diosfuren oder
Korybanten nennen fol. Dabei fand ein Bild der Athene, Warum Pau⸗
fanias fe nicht noch mit den Kabeiren zufammenftellt, die doch ebenfalls
Anſpruch, wie es fcheint, machen Fonnten, hier genannt zu werben, und bie
ſich am erſten eigneten, mit ven Patäfen zufammengeftellt zu werben, läßt
fih natürlich nicht fagen.
280 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles).
warb; denn einen der Hffentlich zum Tod Verurtheilten hielten fie feft
bis zur Kronodfeier, und wenn der Feſttag angieng, führten fie ihn vor
dad Thor hinaus, gegenüber dem Heiligthum der Ariftobule, und ſchlach⸗
teten ihn, nachdem fe ihn mit Wein getränft hatten. Auf vieles eine
Benfpiel hin wäre die Vergleichung des Moloch mit Kronos fehr feltfam
geweien, und läßt fih nicht glauben. Dazu kommt no, daß biefer
Kronos auf Rhodos recht gut der femitifche Moloch ſeyn konnte unter
dem griedifchen Namen, da ed gar nicht glaublich iſt, wenn ein ala
Vater der Kroniven allen Griechen befannter Gott einen eigentlichen Cult
gehabt hätte, daß dieſer überall erloſchen wäre und ſich allein in Rhodos
in fo beveutender Form behauptet hätte. Wir finden ven Melfart fo
weit verbreitet, daß man ihn auch in Rhodos vermuthen darf, waß,
erfihiene er bort als Herakles, nicht auffallen würde. Da nun aber ver
phoͤnikiſche Gott Dienfchenopfer hatte und auch ald Kronos aufgefapßt
wurde, fo fteht einer Annahme veflelben unter diefem Namen und mit
feinem heimifchen Cult nichts entgegen. Drängt fich doch auch der Eult
des Moloch auf Kreta ald eine höchſt wahrfcheinliche Thatſache auf, denn
wir lefen folgendes Mährchen bei Apollodoros (1.9. 26): Die Argonaus
ten wurden vom Talos verhindert, an Kreta zu landen. Die Einen fagen,
er fen einer aus dem ehernen Zeitalter geweſen, die Andern, er jey dem
Minod (vie Scholien zur Odyſſee, 20. 30%, jagen, ver Europa) von
Hephäſtos gefchenft worden und von Erz gemwefen. Andere nennen ihn
Tauros, d. i. Stier. Er hatte eine Aber, die vom Naden bis zu ber
Ferſe (oder dem Kndchel) Tief und mit einem ehernen Nagel gejchloffen
war. Diefer Talos Tief täglich dreimal um die Infel, fle zu bemachen,
und warf damals die beranfommenden Argonauten mit Steinen; von
Medeia aber getäufcht, ftarb er, indem file, wie Einige fagen, ihn durch
Baubermittel rafenn machte; oder, wie Andere fagen, ihm, unter dem Ver⸗
fprechen, ihn unfterblih zu machen, den Nagel audzog, fo daß alles
Geblüte berausftrömte. Einige aber fagten, Pond habe ihn mit einem
Pfeil in die Ferſe getroffen. Simonides hatte erzählt, wie wir bei Zeno=
bius (5. 85, und bei Suidas: „Sardoniſches Lachen‘) Iefen, Talos
habe vorher in Sarbinien gewohnt und Viele auf der Infel vernichtet,
die nicht zum Minos hätten gehen wollen, indem er, ver von Hephäſtos
gefertigte Eherne, in das euer fpringend, fle an feine Bruſt drückend
getödtet habe. Daß er ebenfo auf Kreta, ſich erft glühend machend, die
Fremden tödtete, erzählen vie Scholien zur Odyſſee in der oben ange-
führten Stelle. Die fo Verbrennenden ſollen lachend gegrinft haben, und
davon ſoll das ſardoniſche Lachen benannt worden ſeyn. Daß auf der
Inſel Sardinien phbnikiſche Niederlafſungen waren, iſt gewiß, und bie
Grzählung von Talos kann aus nichts Anderem entſtanden feyn, als aus
bem glühend gemalhten ehernen Molbochsbi(de auf Kreta und Sardinien,
em man das Menfchenopfer in vie fewrigen Arme \egie, win meihes
Moloch, Melklart, (Melitertes, Herafled). DSL
gedffnet und verfchlofien werden konnte. Läßt dieſes Mährchen ben
Molocheult auf Kreta nicht bezweifeln, fo muß man ſich um fo geneigter
fühlen, auch auf Rhodos in dem fogenannten Kronoscult ebenfalld einen
Molocheult zu erblicden, und dann wird auch diefer eine ſchwache Halt
für die Meinung, die Denfchenopfer hätten vie Vergleichung beider Gotte
heiten veranlaßt, weggenommen, und wir müßen und nad) etwas Anderem
umfehen, was in dem wirklichen oder vermeinten Wefen des Kronos
diefelbe veranlagt haben fann. Kronos warb von den Griehen, ob mit
Recht oder Unrecht, worauf hier gar nichts anfommt, als Gott der Zeit
geveutet, und was fehr alt war, folglich ver Vorzeit angehörte, nannten
fie Kroniſch. Für Moloch müßen wir daher verſuchen, dieſe Eigenfchaft,
ald Veranlagung zu feiner Vergleichung mit Kronos, ald eine mögliche
zu erdriern.
Zuvdrverft fragt ed fh, ob bei ven Phönifern die Zeit als ein
Mefentliches in ihrer Mythologie Raum gefunden, und Fünnen diefe Frage
mit einem Ja beantworten. Der Pſeudo-Sanchuniathon bei Eufebius
(1. 10) berichtet, Sydyk oder Zadyk habe fleben Söhne gehabt, die Patä-
fen, zu welchen noch ein achter gehört babe, Namend Esmun, welcher
als ein Asflepiod gedeutet wird. Das Wort Patäfe bezeichnet den
Eröffuer (hebräiſch heißt patach, hat eröffnet). Wie wichtig diefe waren,
erhellt daraus, daß fie, wie und Herodot (3. 37) berichtet, von ven Phöni-
fern auf ven Borvertheilen ihrer Triremen mit herumgeführt wurden.
Sie wurden demnach als vorzügliche Schußgottheiten betrachtet, won
melchen fie Schuß und Segen auf ihren Seefahrten erwarteten. An
Beftalt waren fie Pygmäen, d. i. Eleine Zwerge. In Aegypten hatte
man fie aufgenommen, und ein hochverehrted SHeiligthum in Memphis
gehörte dem Ptah over Phtah, d. i. dem Patäken; venn Ptiah iſt fein
ägnptifches Wort, ſondern die ägyptiſirte Form des Namens Patah,
Patäke. Die Patäken, die in dem Heiligthum des Ptah ſich befinden
ſollten, wurden für feine Söhne ausgegeben, und von den Griechen mit
den Kabeiren, er ſelbſt mit dem Feuergott Hephäftos verglichen. Mit
dieſem agyptiſchen Ptah fteht die Gdttin Ma, d. i. vie Gerechtigkeit, vie
Wahrheit, in Verbindung. Zadyk aber, der Vater der Patäfen, wird
mit feinem Namen als der Gerechte bezeichnet Chebräifch: zadik, gerecht). *)
*) Zu Braſiä in Lafonien auf einem fanft auslaufenden Vorgebirg fah Pau⸗
faniag (3. 24. &) drei eherne Bilder mit Hüten auf dem Kopf, und nicht
höher als einen Fuß, von denen er nicht weiß, ob er fie Diosfuren oder
Korybanten nennen fol. Dabei fland ein Bild der Athene, Warum Pau⸗
fanias fie nicht noch mit den Kabeiren zufammenftellt, die doch ebenfalls
Anſpruch, wie e8 fcheint, machen fonnten, hier genannt zu werben, und bie
fih am erfien eigneten, mit ven Patäfen zufammengeftellt zu werben, läßt
fih natürli nicht fagen.
282 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles).
Die mit der Gerechtigkeit in Verbindung ftehenven fleben ald Kinder
ericheinenden Eröffner Fünnen nicht wohl etwas Anderes fein, als vie fleben
Tage, die in viermaliger Neihe ven Monat bilden, und fomit die geord-
nete Zeit. Der Begriff ver Gerechtigkeit bat hier vie Bedeutung ver
unwandelbaren, rechten und geſetzlichen Beſtimmung und richtigen Ord⸗
nung, wie der Grieche die Themis, die Göttin der Sagung und geſetz⸗
lichen Gerechtigkeit zur Mutter der Horen, d. i. der Jahreszeiten machte,
pie in richtiger, unverbrüchlicher Ordnung den gefeglichen Verlauf der
Zeit bilden. Der Menſch empfindet das Leben, ald ein Seyn und Fort-
dauern in der Zeit, und mißt fein Leben mit den Maaße der Zeit; um
aber dieſes thun zu können, muß die Zeit eine fefte Ordnung haben, und
dazu dient der Mond, und deßen Ordnung in feiner Abnahme und
Zunahme. Der Pialmift (104. 19) fagt von Gott: Du macht ven Mond,
dad Jahr darnach zu theilen, und im Bud Sirach heißt es (43. 6):
Und der Diond in aller Welt muß fcheinen zu feiner Zeit, und die
Monate unterfcheiven, und das Jahr audtheilen. Nach dem Mond rechnet
man die Feſte; es ift ein Licht, daS abnimmt, und wieder zunimmt. Mit
der Zeit beginnt die Schöpfung als ein Georoneted, denn ohne die Ord⸗
nung der Zeit ift Alles wüft und leer. Die mofaifche Schöpfungäge-
fhichte fagt: Die Erde war wüſte und leer, und es war finfter auf der
Tiefe; und der Geift Gottes fehwebete auf dem Waßer. Und Gott fprad:
Es werde Licht. Und es ward Licht. Und Gott fah, daß das Licht gut
war. Da ſchied Gott das Licht von der Finfterniß, und nannte dad Licht
Tag, und die Finfternig Naht. Da ward aus Abend und Morgen der
erfte Tag. Der erſte Schöpfungsruf Gottes alfo erfchafft ven Tag ald
georoneten Zeittheil, weil der Menfch eben Fein Werden und fein Seyn
ohne Zeit zu denken vermag, fo daß ihm Zeit und Leben in der innigften
Verbindung erfcheinen. Er felbit tritt in vie Zeit, lebt in verfelben und
verläßt die Zeit, wann die Reihe ver ihm zugemeßenen Jahre over Tage
verfloßen if. Darum war ver heilige, ftreng und hehr zu feiernde Sab-
bath mit dem Gottesdienſte an die Zahl Sieben geknüpft, weil ſie daß
Maaß der Ordnung der Tage war, darum gab man der Schöpfung eine
Frift von ſechs Tagen, und ließ den Schöpfer am flebenten ruhen, um
diefe Zeitoronung zu heiligen. Die durchgehende Heiligkeit der Zahl
fleben zeigt zur Genüge, wie ver Begriff viefer Zeitorpnung in weiter
‚Berbreitung hoch geftelt war. Das Feſt ver Neumonde bey den Kindern
Iſrael zeigt auch von Seite der ganzen Monate die hohe Wichtigkeit der
georoneten Zeit, ſowie fie aus der Beftimmung aller Feſte nach dem Monde
erhellt. Sind nun vie fieben Patäken, die Söhne der Gerechtigkeit, die
als Kinder erfiheinen, die Tage, fo fragt fi, warum fie denn Kinder
find, und Eröffner heißen. Iever Tag wird am Morgen gleichfam geboh-
ren; er erfcheint ald junger Tag, ww ats folcher kann er im Bilde
Moloch, Melkart, (Meliktertes, Herakles). 283
durch nichts Anderes bezeichnet werven, als durch die Kindesgeflalt; und
fo wird der ägyptiſche Sau, d. i. Tag, ald Kind dargeftellt. Der neu=
gebohrene Tag eröffnet aber dadurch, daß er Licht bringt, den Himmel,
welchen vie Nacht bedeckt, verhült und verfchloßen hatte; denn die Nacht
umhüllt Alles, und der Tag entfernt die finftere Hülle, indem er ven
Himmel eröffnet. Sieht man dabei auf das Wefen des Tags, jo ift e8
eigentlich die Sonne, weldye viefem zu Grunde liegt; aber die Sonne
wird darin nur ald die Bringerin des Lichts, weldyes ven Tag erzeugt,
betrachtet, d. h. bloß in Beziehung auf vie Zeit, und das Leben, als in
ber Zeit begründet und davon abhängend. Dürfen wir der Ueberlieferung,
welche ein von Athenäus im neunten Bude bewahrter Miythus enthält,
trauen, und ein zureichenner Grund für das Gegentheil liegt weder in
dem Meberlieferten felbft, no in dem Mangel an Glaubwürdigkeit des
Ueberliefererö, fo erfannte der Semite auch eine Beziehung des Lichts—
und Zeitgottes Moloch oder Melifertes zum Brühling. Athenäus nämlich
giebt an: Der Knidier Eudoros fagt im erflen Buche ver Befchreibung
von Phönike, daß die Phönifer dem Herakles Wachteln opfern, weil
Herafled, der Alteria und des Zeus Sohn, ald er nad Libyen gieng,
von Typhon getödtet ward, und als Jolaos eine Wachtel zu ihm brachte,
burch Deren Gerud) wieder auflebte. Der Sinn dieſes Mythus kann Fein
anderer feyn, als daß der geſchwächte Lichtgott im Brühlinge neue Kraft
befommt, und gleicdyfam wie aus einem Tode wieder auflebt, denn im
Frühling Fommen die Wachteln gezogen über dad Meer, wie Diodor im
erften Buche (60) angiebt; fte kommen alfo, wann ver Frühling erwacht,
und der Mythus macht fie darum zu Erwederinnen des Lichtgotted, der
nun zu größerer Kraft gefommen ift. Bekannt genug war biefer Mythus,
da er zum Sprücdhworte ward: die Wachtel rettete den ſtarken Herakles,
weßhalb man aud, die fallende Sucht zu einer Herafleifchen Krankheit
machend, die Wachtel ald ein Mittel gegen viefelbe anfah. Griechifcher
Einfluß in ver Darftellung dieſes Mythus ift unverkennbar. Aſteria, als
Mutter des Herakles, geht auf Drtygia wegen des Namens, der mit dem
der Wachtel übereinftimmt. Tyyhon ift den Semiten unbekannt, da er
von den Griechen erfunden und mit griehifhenm Namen benannt, von
diefen zwar mit dem ägyptifchen Seth, ald dem ververblichen Sundsftern,
verglichen ward; aber auch, wenn die Phoͤniker ven Seth in ihre Fabel
hätten ziehen wollen, bier ganz unpaſſend wäre, da er nicht in der Zeit
vor dem Srühling, wo der Lichtgott an Kraft geringer ift, wirft. In
der ägyptifchen Mythologie haben wir alte, häßliche Zwerge, welche ich als
die alten Tage, vie alte Zeit zu erklären verfucht habe, und daß Melkart
auch als alt galt, fehen wir in Karthago; denn dort hieß eine Gaße die
Gaße des Alten oder des Saturnus, wie Auguftinus, der hierin der befte
Gewährsmann if, meldet (Lieber die Uebereinſtimmung der Evangelien
284 Moloch, Melkart, (Meliktertes, Herakleg9).
1. 36): Natürlich iſt die Zeit alt, da der Begriff des Alten eben ein
Zeitbegriff ill. Daß der flebente Tag dem Saturn geweiht war, ſtammt
aus dem Oriente, und gejchah gewiß, um ihm dieſe, wenn gleich Kleine,
Beitperiode zu weihen.
War nun Moloh der Patäke, ver, wie Ptah in Memphis, ven
ganzen Begriff, ver fih mit ven Patäken verband, in fih aufnahm, fo
fonnte er mit Kronos und fonft mit feinem griedhifchen Gotte verbunden
werden, weil e8 außer Kronos Eeinen Gott der Zeit gab, ver felbit
vielleiht nur ein vermeintlicher Zeitgott war, jedoch Dafür gehalten
wurde. Mit dem Ptah in Memphis fehen wir ven Stier Apis verbun-
den, der Stier aber war das Sinnbild ver Zeugung, und dieſes war
fehr verbreitet. Wenn Alles in ver Zeit entfteht und erzeugt wird, und
die Zeugung und Geburt an gefegliche Zeitordnung gebunden ift, fo
eignet fich der Stier, als Befruchter ver Heerde, ein Sinnbiln der Zeus
gung und des Lebens, recht gut zum Begleiter des Patäfen. Bei Moloch
wird er nun gerade nicht genannt, doch werden wir weiterhin fehen, daß
vielleicht die Rinder des Geryones Stiere des tyrijchen Melkart, d. i. des
Moloch, find. Bei der äußerſten Dürftigfeit an Nachrichten kann man
nun nicht geradezu behaupten, der Apis des Ptah, welcher Gott auß
Phönikien oder von aflatifchen Semiten herſtammt, müße genügen, um
dem Patäfen Moloch den Stier zuzufprechen; aber man darf auch Daß,
was eine folche Verbindung vermuthen lagen fünnte, nicht ohne Weitered
abmeifen. Wir finden die Verehrung ver Kälber ald dem femitifchen
Heidenthum durchaus eigen, und felbft am Gnadenſtuhl Jehovah's war
der Stier als beveutfame Verzierung angebracht. So oft in dem alten
Zeftament die Rede von der Annahme des Heidenthums durch die Kinder
Iſrael ift, fehlt nicht Teicht die Erwähnung von den Bildern der Kälber,
vie ſie fi) ald Gegenftände der Verehrung machten. Diefe müßen einer
Gottheit zugehört haben, und wir würden gar nicht über dieſe Gottheit
im Zweifel jeyn, wenn man fich auf die Nachricht verlaßen fünnte, melde
fih in des Rabbinen Simon Hadderſchan Sepher Jalcuth findet: daB
Bild Molochs namlich habe einen Stierfopf gehabt. Aus was für Nad-
richten aber auch diefer im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts n. Ch.
lebende Rabbine gefchöpft Haben mag, ver auch von fieben Kapellen
fpricht, ‚die früher als das Molochsbild bei Jeruſalem geweſen feyen,
man Fann ihr nicht mit Sicherheit vertrauen. Wie trefflich würden auch
die fieben Kapellen mit Beziehung auf fleben Patäken pafien! Wir lefen
aber bei dem Propheten Hoſea (13. 2) die Worte: Wer die Kälber Fügen
wid, der fol Menfchen opfern. Hier fehen mir deutlich die Menſchen⸗
npfer, vie das alte Teftament ftet3 dem Moloch zufchreibt, in Verbindung
gebracht mit der Verehrung des Kalbs. Man könnte dieſen Umſtand
allerdings benutzen für die Anſicht, das dem Moloch das Kalb bei den
Moloch, Melkart, (Melikertes, Heralled) 285
Semiten geweiht gewefen fey, da wir noch weniger Grund haben, ed
einem andern Gotte, als ihm, zuzufchreiben, und könnte behaupten, ohne
allen Grund und alle Spur hätten die Rabbinen vem Moloch ein Stier-
haupt nicht zufchreiben fünnen. Es Liege fich dafür noch benußen, daß
Manche, wie Apollodor in der oben angegebenen Stelle berichtet, den
fretifchen Moloch ftatt Talos, Tauros, d. i. Stier, nannten, und daß der
Minotaurod mit dem Stierfopf, welchem Athen Menfchenopfer fenden
mußte, und zwar fleben Knaben und fleben Mäpchen, alſo die Zahl ver
Patäfen, urfprünglih ein Moloch mit den Stierhaupte gewefen ſeyn
fonne, bis er in die griechifche Yabel gezogen ward. Der Stier, welcher
auf Kreta ververblid) ward, bis Herakles die Infel von ihm befreite,
fonnte vielleicht einem verbderblichen, Menfchenopfer verfchlingennen Moloch
gehört Haben, und Paftphae in ver hölzernen Kuh ver Mykerinostochter
in der hölzernen Kuh zu Said verwandt feyn, welche ver Iſis gehörte,
der jüngften Form der großen Mutter in Aegypten, die nicht ohne phöni«
kiſchen Einfluß verehrt ward. Solche Behauptungen aber Eünnen täufchen.
Man könnte audy noch vermuthen, der Molocheult in Sicilien habe ven
Stier gehabt und damit dad Vorbild abgegeben zu ven fonft Außerft
feltfamen Stier des Phalaris, in welchem die Menfchen verbrannt wurden.
Wenn wir Alles betrachtet haben, fo wird und nur die Vermuthung
bleiben, es ſey nicht unmwahrfcheinlich, dad von den femitifchen Heiden
verehrte Kalb eigne fih für den Moloch wegen ver angeführten Bibel-
flele und der Angabe der Rabbinen. *)
Da die Griechen dem Melifertes, wenigſtens auf dem Feſtlande,
feine Menfchenopfer brachten, fo hatten fle den tyrifchen Cult entweder
nicht vollftändig angenommen, oder hatten ihn frühzeitig geändert, denn
e8 wird nicht von einen folchen Opfer deſſelben gemelvet. Dem Melkart
aber wurden, wie natürlich, Menfchenopfer gebracht; denn Moloch war
ja der Gott, den der Semite nicht ohne Menfchenopfer verehren Eonnte.
Plinius jagt (36. 5) von einem Farthagifchen Herkules (d. i. Melkart),
der nach Rom gebracht worden war, die PBunier hätten ihm Menfchen
geopfert, zu Rom aber habe man ihn in feinen Tempel gethan, fondern
er ſtehe ungeehrt im Freien; und von dem Herkules zu Gades fagt Appian
über den fpanifchen Krieg (2. 35), er ſey der tyrifche, man habe ihm
nach phönififhem Brauch geopfert. Herodot, welcher eigens nach Tyrus
gteng, um über ven Herakles nachzuforfchen, giebt und leider nichts
Näheres an, was uns belehren könnte, fondern meldet nur (2.43), er
*) Die Angaben ver Rabbinen über heidniſche Götter find zwar im Allgemei-
nen werthlos, weil fle meift gewaltfame Namenerfärungen verfuchten, und
dann ihren vermeinten Bund für Thatſachen ausgaben. Bei Moloch aber
Sonnte Feine Wortableitung fe auf dieſe Beſtimmung ber Geſtalt führen.
286 Moloch, Melkart, (Melifertes, Herakles).
habe den Tempel dieſes Gottes daſelbſt geſeben, reich geſchmückt mit
vielen Weihgeſchenken, und es ſeyen unter andern Sachen zwei Säulen
darin, die eine von reinem Gold, die andere von Smaragd, welcher in
der Nacht herrlich leuchte. Die Prieſter aber hätten ihm geſagt, der
Tempel ſey zu Tyrus zugleich mit der Stadt gegründet worden, und dieſe
ſtehe ſchon zweitauſend und dreihundert Jahre. In derſelben Abſicht
ſchiffte Herodot nach der Inſel Thaſus, und fand, wie er weiter erzählt,
port einen Heraklestempel, den die Phöniker errichtet hatten, die, als fie
die Europa zu juchen herumſchifften, Thajus erbauten. Betrachten wir
aber, ehe wir weiter gehen, wie vie Griechen dieſen Gott unter dem
Namen Melikerted behandelten, ver durchaus zunächſt nach Theben in
Böontien gehört, wo der phönikiſche Gott feinen Sib genommen haben
muß, fo daß die Sage von Kadmos, der, die Europa ſuchend, aus Phöni-
fien nach Böotien kommt, injoweit auf einer Wahrheit beruht, als ver
thebiſche Herakles urfprünglich ver tyriſche Melkart ift, und ſich demnach
ein phönikiſcher Cult daſelbſt angeſiedelt hatte.
Die Fabel von Melikertes lautete bei den Griechen nach Apollodors
Erzählung (1. 9. 1 und 2): Athamas, der Aeolide, welcher in Böotien
herrſchte, nahm in zweiter Ehe die Ino, die Tochter des angeblich aus
Phönikien eingewanderten Kadmos und der Harmonia zum Weibe, und
fie gebahr ihm den Learchos und Meliferted. Als ihn aber Here rajend
machte, erſchoß er den Learchos mit einem Pfeil, und Ino ftürzte ſich
mit Melifertes in das Meer. Das Lebtere erzählt derſelbe Schriftfteller
(III. 4. 3) mit folgendem Zufage: Ing warf den Melifertes in einen
glühenven Keßel, nahın ihn dann und fprang mit des Kinded Leiche in
die Tiefe des Meeres; fie felbit befam ven Namen Leufothen, ihr Kind
aber ward Palämon genannt, und fo murben file von den Schiffern
benannt. Siſyphus aber (der Aeolide) ftiftete für Melikfertes die ifthmi-
fhen Kampfſpiele. Ebenfalls erzählt ver Scholiaft zu Pindars iſthmiſchen
Hymnen, Ing habe den Melifertes in einen Keßel vol ſiedenden Waßers
geftecft und fey dann mit ihm in dad Meer gefprungen, worauf fle eine
Nereide, Namens Leukothea, er ein Gott, Namens PBalkmon, geworden
fey, dem Sifyphus auf Befehl der Nereiven die iftämifchen Spiele geftiftet
babe. Da nun aber Meliferted auf dem Iſthmus nicht ald Gott, fondern
als Heros verehrt ward, fo mußte die Erzählung, fobald ſie dieß berüd-
fichtigte, ihn ald einen Todten behandeln, und fo gefhah e8 auch. Wir
lefen daher auch in ven Scholien zu Pindar: Meliferted trieb an den
Iſthmos und lag unbeftattet, und ald eine Hungersnoth Korinth heim-
fuchte, fagte das Orakel, ſie werde nur weichen, wenn man ihn beftatte,
und ihn mit Beftattungsfampffpiel feiere. Da die Korinther dieſe Beier
nur kurze Zeit hielten, brach die Hungersnoth wieder aud, und daß
Orakel ſprach, dad Kampfipiel zu Ehren des Heros müße für immer
Moloch, Melkart, (Melifertes, Herakles). 287
gefeiert werden. Der Siegeskranz war Eppich, welches Gewächs ven
Todten geweiht war. Später galten die Iſthmien ven Poſeidon neben
dem Heros Melifertes, und ver Kranz beftand aus Bichtenzweigen, welche
diefem Gott geweiht waren. Ob Ino mit den lebenden oder tobten
Sohne in dad Meer gejprungen ſey, ſtand nicht feit; fondern die Einen
ftellten e8 auf die eine, Andere auf die andere rt dar, wovon der Grund
eben darin lag, daß man den Meergott Palämon in ihm erfannte, und
doch auch daneben den Heros auf dem Iſthmos, als folder aber mußte
er geftorben feyn. Wie der Keßel vol ſiedenden Waßers in die Fabel
fam, ift nicht mit Beitimmtheit zu jagen. Wenn es galt, eine Todesart
für ihn anzugeben, fo ift es freilich zulegt eine, wie jede andere, aber
doch Feine, auf deren Anwendung man leicht verfällt. (Einige fagten,
Athamas Habe ihn in der Raſerei in den Keßel werfen wollen, aber Ino
babe ibn mweggenomnen. Andere ließen Ino ebenfalls raſend werben,
fügten aber, wie es jcheint, nicht Hinzu, daB jle den Sohn in ven Keßel
geworfen. Sp lefen wir in ven oben angeführten Scholien.) Möglich
wäre e3, daß man an eine Läuterung des Sterblichen zum Gotte, vers
mittelft des Feuers gedacht, und daß fich dieſer Zug der Babel allmählich
daraus entwidelt hätte, möglich jogar, daß er ein jchwacher Nachhall ver
dem Gotte verbrannten Menſchenopfer wäre; doch wir fünnen feine dieſer
Deutungen zu irgend einer bejonvdern Wahrfcheinlichfeit bringen, und
müßen daher diefe Sache auf ſich berufen laßen. Daß aber dem Meli-
fertes Menſchenopfer dargebracht wurden, und zwar Kinder, wie dem
Moloch bei den Semiten, bezeugt für die Inſel Tenedos Lykophron in
der Kaſſandra (229), wo er venfelben auf diefer Infel ven Findertöpten-
den Palämon nennt, wozu die Scholien bemerken, er fey in Tenedos fehr
verehrt worden, und man habe ihm daſelbſt Kinder geopfert. Zu bemer-
fen ift noch, daß der molurifche Feld als der Ort genannt wird, von
welddem aus Ino mit dem Sohn in das Meer fprang; doch würde es
vergeblich feyn, daraus Etwas zur Aufhellung viefer Fabel vermuthen
zu wollen.
Aus dem bisher Gejagten erhellt, daß die Griechen den Melikertes,
ben fie von den Phönikern erhalten hatten, und zwar in Böotien, als
ein Kind und ald Meergott betrachteten. So mußte er ihnen überliefert
worden ſeyn, denn Böotien war fein Seeftaat, und hätte eine Gottheit,
welche nichts mit der See zu fchaffen hatte, gewiß nicht zu einer folchen
umgedbichtet. Das gewaltige Meer aber hätten vie Griechen ebenfo
wenig unter Die Herrfchaft eined Kindes geſtellt, wenn fie e8 nicht fo
überliefert bekommen hätten, denn neben einen Nereus und Poſeidon,
von Dfeanod und den hundertarmigen Waßerriefen, von Proteus und
Glaukos u. |. w. zu fihmeigen, ein Kind ald Beherricher des milden
Elements zu ftellen, veßen Geburten als wild und gewaltthätig angefehen
288 Moloch, Melkart, (Melitertes, Herakles).
wurden, möchte wahrlich den Griechen nicht eingefallen jeyn. Das phoͤni⸗
fiihe Kind aber, welches für einen Befchüger ver Seefahrer und mithin
für einen Seegott gelten fonnte, war allein ver phönikiſche Patäke, ver
fh auf dem Vordertheil des Schiffes befand, und von welchem man
Schuß für vie Fahrt erwartete, denn außer dieſem Schifföpatäfen gab eö
andere, die Schiffahrt ſchützende Kinder durchaus nicht. Auf diefe Weife
lernen wir aus ver Babel des Melifertes in Griechenland, daß ber tyrifche
Melfart, und da er nur unter dieſem Namen ver in Tyrus verehrte
Moloch war, ein Patäke geweſen. Mit Leufothea kam er in Verbindung
und fie wird feine Mutter genannt. Da fle ald Meergdttin galt, fo ift
diefe Zufammenftelung natürlid. Schon in der homerifchen Odyſſee
(5. 333) beißt ed von dem auf einem Floß im Aufruhr des Sturms mit
ber Gefahr ringenden Odyſſeus: es erblicdte ihn des Kadmos Tochter, die
fhönfüßige Ino, Leufothea, die vormals eine Sterblicde war, jebt aber
in den Gewäßern des Meered güttlicher Ehre theilhaft geworden: ift.
Diefe nun erbarmte ſich des Odyſſeus, und dem Vogel, dem Taucher,
gleich, tauchte fie aus dem Meer empor, fette fih auf dad Floß, und
bieß ihn vaffelbe zu verlaffen, und, die Kleider abwerfend, an dad Land
zu fchwimmen. Dazu gab fie ihm ihre Sauptbinde, um fie unter die
Bruft zu binden, und wenn er das Ufer erreicht habe, abgewenvet wieder
in dad Meer zu werfen. Dann tauchte fie wieder, dem Taucher gleich,
in dad Meer. Urfprüngli aber war Leukothea nicht Meergättin, fondern
Tagesgöttin oder Göttin des Tageslichts; denn die Römer erkannten in
der Leufothea ihre Matuta, d. i. die Göttin des Morgens, ver Frühe;
weil aber vie Tagesfrühe über das Wetter entfcheinet, wie denn in ber
Theogonie (378) vie Eos, die Morgenröthe, dem Afträos, d. i. vem Ster-
nenhinmel, die Winde gebiert, fo hatte dieſe Tagesgöttin Einfluß auf bie
Schiffahrt, und murde zur Meereögöttin wegen dieſes Einflußed. Aber
nicht allein Meeresgöttin warb vie Leukothea, d. i. die weiße Göttin,
nämlich die lichte, leuchtende, fondern auch Geburtägättin, weil alles
Leben an das Licht gebohren wird. Strabo (5. 2) nennt ven Tempel
der Leufothen zu Pyrgoi, der Hafenſtadt won Cäre in Etrurien, einen
son den Peladgern gegründeten reichen Tempel ver Eileithyia, d. i. ber
Geburtsgöttin, und Plinius (5, 9) nennt die Stadt der Eileithyia in
Hegypten die Stadt der Leukothea, als fey es einerlei. Der Matuta
feierten die römifchen Mütter dad Mutterfeft, vie Matralien, wie die
Bbotier in Chäronea der Leufothea, in Beziehung auf dad Gebeihen der
Kinder, wie man ed einer Geburtögdttin, feiern Eonnte. Als Geburts-
göttin iſt Leukothea auch die Pflegerin des Dionyfos, denn fie freut ſich
ber Kinder, und die Erzählung Konon's bei Photius (3237) bat einen
guten Grund, wenn ſie berichtet, Leukothea's Erſcheinung (Geſicht, Bild)
Babe durch den Knaben Swuktos, 2.1. Klein (um die kleinen Knaben,
Moloch, Melkart, (Meliktertes, Herakles). 289
deren ſich die Geburtögättin freut, zu bezeichnen) und ben bes Hirten
Eritharſos den Mileftern fagen laßen, ſie follten fie verehrten, und ihr
ein Knaben» Kampfipiel halten, venn fie erfreue ſich am Knabenftreit. *)
%) Die Göttin der Tagesfrühe erfcheint auch unter dem Namen Helena bei den
IV.
Griechen, deren Dienerin Aithra, d. i. die heitere Witterung, iſt, denn ſie
gebietet ja über das Wetter. Deßhalb iſt fie auch Schweſter der Dios⸗
kuren, der Schiffah rtogötter. Sie war aber auch als Göttin des Tages⸗
lichts eine Göttin, welche des Gebohrenwerdens an das Tageslicht waltet,
und darum wird ſie die Mutter der Iphigeneia, d. i. der Geburtsgättin
Artemis genannt, wie Hera ale Geburtsgättin, Mutter der Sileithyien ber
Geburtsgättinnen heißt. Pauſanias (11.22.7) erzählt: Neben dem Tempel
ber Anafes, d.i. der Diosfuren, zu Argus ift ein Heiligtum der Gileithyia,
von Helena geweiht, als fie von ihren Brüdern in Thefeus Abwefenheit
aus deßen Gefangenfchaft zu Aphidna befreit worden war, denn fehwanger
gebahr fle auf dem Wege nach Lakedämon in Argos, errichtete der Gileis
thyia ein Heiligthum, und gab das Kind ihrer mit Agamemnon vermühls
ten Schwefter Kiytämneftra. Und fo fagen die Dichter Cuphorion und
Alexandros der Pleuronier, früher aber Steflhoros, ebenfo wie
die Argeier, Iphigeneia fey eine Tochter des Thefeus. Diefer Eileithyia⸗
tempel ift aber wohl ein Tempel der Helena, als einer Gileithyia, und fo
werben wir auch den zu betrachten haben, welcher im Dromos zu Sparta
fland, wovon Paufanias (3. 14. 6) fpricht: Das Heiligthum der Diosfuren
und Chariten, diefes aber das der Gileithyia. Ebenſo war zu Meflene
neben dem Eileithyiatempel der Kuretentempel, worin die Diosfuren waren,
und wird auch diefe Helena geweien feyn. Die Epidamnios’ Tochter
genannte Helena, weldye die Epidaurier in der Geftalt Aphrodite's verehren,
und wovon man erzählte, fle habe der Aphrodite in ihrer Verbindung mit
Adonis gedient, und gebe den Hungernden Hülfsmittel, kann kaum etwas
Anderes fein, als eine in den Kreis der Aphrodite gezogene Helena-Eilei⸗
thyia. (Ptolemäus Hephäftion erzählt das Angegebene bei Photius 248.)
Das Licht ift ſchön und die Lichtgöttin Helena darum voll Reiz und Herrs
lichkeit, und fie verleiht auch folden. Herodot (6. 61) erzählt: Eine
Amme zu Therapnä trug ein häßliches Kind oft in den Tempel der Helena,
damit e8 Schönheit durch die Gunſt derfelben erlange. Einft nun begegs
nete berfelben eine Frau, tie das Kind ftreichelle und fagte, es würde
die fchönfte Frau werben, und fo geſchah's. Da ſehen wir Helena dem
Kinde Schönheit verleihen, was fich freilich zunähft an die Vorſtellung
knüpft, daß fle die ſchönſte Frau gewefen fey, fle aber urfprünglich als
Eileithyia und Pflegerin der Kinpheit angeht, denn ber fchönften Frau
hätte man feinen Tempel erbaut. Als Mutter des Euphorion auf der Infel
Leuke ift fie Göttin der Schiffahrt, und Curipides im Oreftes (1626) fagt,
fie fey im Aether bey Kaftor und Polydeufes, eine Retterin der Schiffer.
So fehen wir in Helena eine Form der nämlicdhen Göttin, welche in andes
rer Form als Leufothen erfcheint. Aber nicht nur als Göttin der Geburt
und Pflegerin fehen wir fle, fondern einmal auch als nährenne Amme
angebentet. Im Athenetempel zu Lindvs weihte Helena, erzählt Plinius
19
290 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles).
Dieſes Alles würde nicht hieher gehören, wenn es nicht als möglich zu
denfen wäre, daß man den Knaben Meliferted mit ver Knabengöttin in
Berbinvung gebracht haben Eönnte, over auch daß man den Meergott mit
der Tagesfrühe, vie über vie Tageswitterung für die Seefahrt entfcheibet,
in Zufammenhang gefett habe. Da wir nur die Thatfache dieſer Ver—⸗
bindung wißen, fo bleibt und die Wahl zmifchen ven fich darbietenden
verſchiedenen Urfachen verfelben, und wenn ed auch am einfachften ſchei—
nen follte, e8 ſey Dielifertes zum Sohne der Leufothea gevichtet worden,
weil fie eine Meergdttin gemwefen, fo tft es dennoch wahrfcheinlicher, daß
man dem jungen Tag ald Meergott oder vielmehr ald dem Befchüger ver
Seefahrt die Göttin der Tagesfrühe zur Mutter gegeben habe.
Den Melkart in Tyrus nannten die Griechen Herakles, ebenfo den
auf der Infel Thaſus, zu Gades und felbft in Aegypten, fo daß fe ihren
Heros, den Ahnherrn ver Serakfleiven, ganz und gar mit dem phönififchen
Gotte in einander fchmolzen, ohne daß wir über viefe Verfchmelzung,
oder wenn fie ihren Heros aus ihm entwidelt hätten, über Anlaß und
Gang diefer Entwickelung irgend etwas feftftelen Fönnten. Weber ven
ägyptifchen Herakles, welcher Chon (wahrfcheinlidd Führer) hieß, fagt
Herodot (2. 43), er fey einer von ihren zwölf Gdttern, deren Zeit fieben-
zehntaufend Jahre über ven König Amafis hinauf reiche, und biefen finden
wir auf den Denfmälern ganz wie Ptah gebildet, demnach ald Patäfen,
mit dem Palmzweig, weldjer dad Jahr, alfo die Zeit beveutet. Er fteht
bey Ammon und der großen Mutter, bezeichnend die Erzeugung und dad
Entftehen, gebunden an die gefegmäßige Zeit, unter deren Walten und
Geſetz der Samen zur Frucht geveiht und an das Licht und in die Zeit-
lichkeit eintritt. Daß Herakles ein Heros war, Fönnte nicht bemeilen,
daß er nicht früher ein Gott geweſen, denn auch Meliferted war auf dem
Iſthmos ald Heros behandelt, und er war fogar noch daneben der Meer-
gott Palämon. Herodot glaubt auch, Herakles fey ein uralter Gott,
(33. 4), einen Becher aus Glektron, von dem Maaße ihrer Bruſt. Das
heißt ein bruftföürmiger Elektronbecher flellte Helena’ Bruſt dar, was nur
in dem Sinne der Ernährung gelten fünnte. Eine andere Form dieſer
Göttin heißt Gleftra, die Ofeanive genannt wird, wegen ihrer Beziehung
zur See, und weldje die Iris, db. i. den Regenbogen und die Harpyien,
d. i. die raffenden Sturmwinde, Aëllo und Ofypete, dem Thaumas gebiert
(Hefiod's Theogonie 266), wie Eos dem Sternmann die Winde, und bie
wegen ihres Ginflußes auf die Schiffahrt unter die Pleiaden, die Schiffahrt:
flerne, gerechnet ward, fowie als Dienerin der Helena, mit der fle eigent-
lich in ihrem Wefen eins iſt, die Sohlen bindet in Polygnot's Gemälde
bey Paufanias (10. 25. 2). Als Gileithyia finden wir diefe Form der
Tages -Lichtgättin nicht, fondern nur als Schiffahrtgöttin, und von Eos iſt
ebenfalls feine Spur, daß fle eine Geburtsgöttin gewefen fey.
Moloch, Melkart, (Melitertes, Herakles). 291
und die unter ven Hellenen hätten Recht, welche dem Herakles zweierlei
Tempel gegrüudet, indem fie dem einen als einem Unfterblichen, ven fte
den Olpmpifchen hießen, opferten, dem andern aber, des Amphitryon
Sohn, als einem Heros Todtenopfer brächten. Wie Melkart in ver Fabel
von Melifertes nach Böntien und zwar nach Theben gehört, jo aud in
ver Fabel von Herakles. Zeus erzeugte viefen mit Amphitryons Gemahlin
Alfmene, und da er gejagt hatte, der damals zunächft zu gebährenve
Perſide folle über Mykenä herrfchen, fo beförverte Hera die Geburt des
Perfiven Euryſtheus, und hielt die des Herafles zurüd. *) Sie veran-
late nämlich die Moiren und Eileitbyia (Apollodor II. 4. 5 nennt nur
bie Eileithyia), fich mit verfchränkten Händen zum Haufe der Ereifenden
Alkmene zu feßen. Als Oalinthias, die Dienerin Alkmene's, vie Zauber-
ſtellung verfelben erkannte, eilte fie aud dem Kaufe und rief, ihre
Herrin habe einen Sohn geboren, worüber die Göttinnen überraſcht vie
Hände losließen, ſo daß nun Alkmene wirklid ven Herakles gebar ALS
aber die Goͤttinnen fahen, daß ſie von Galinthias überliſtet worden, ver⸗
wandelten ſie dieſelbe in eine Katze (gale, mad Katze und Wieſel heißt).
Hekate nahm nun die Galinthias zur Dienerin, Herakles aber weihte ihr
ein Heiligthum, wo er ihr opferte, und die Thebaner opferten am Hera⸗
klesfeſt zuerſt dieſer Wohlthäterin des Heros. So warb in den Berwande
lungsgeſchichten erzählt, wie wir aus Antoninus Liberalis (29) und Ovid
(9. 306) erſehen. Das Heraklesfeſt aber war eine Leichenfeier und galt
dem Serafled, feiner Gattin Megara und ven Kindern, die er in der
Raferei getötet hatte, und ward vor dem Thore ver Elektra, ver Tages⸗
göttin, einer andern Form der Leufothea, mit Spielen gefeiert.
*) Melfart ift in Derbindung mit der Geburtsgättin in Theben, die aber Feine
andere feyn Fann, als die große Lebendsmutter, welche unter dem Namen
Aphrodite unter den Griechen die größte Verbreitung gefunden hatte. Mit
dem griechifchen Himmelsfünige Zeus als Dione zu Dodona verbunden,
findet aber die Himmelsfünigin durchaus feine Berbreitung, fondern an
ihre Statt tritt die Himmelsfönigin Hera, die aud) eine große Lebens-
mutter, eine Geburtsgättin ift, und aus derfelben fremden Göttin, als eine
befondere Form in fihöner griechiſcher Geſtalt, gedichtet zu feyn fcheint.
Mit ihre ſcheint urfprünglihd Melkart in derfelben Verbindung gewefen zu
feyn, in welcher er zu Oalinthias fland, und davon den Namen Herafles
befommen zu haben, bis man bey dem Heros darauf Fam, Feindſchaft flatt
der Freundfchaft zu Hera zu dichten, und fo das Verhältniß umzufehren,
wobey die Ableitung feines Namens von dem ihrigen immer noch möglid
blieb, wenn auch auf eine feltfame Art, denn ſeltſam wäre es gewefen, den
Gott nad feiner Feindin zu benamen, während es natürlich erfcheint,
wenn er als Beyfleher einer Lebensmutter von ihr einen Beynamen erhält,
unter welchem er dann zum Vorbild der Herven gebichtet wird.
19?
292 WMoloch, Melkart, (Melikertes, Herakles).
Galinthias, die Katze, over welche die Kate zum Sinnbild hatte,
und zu Thebe göttlihe Chre genoß, erfcheint hier als Geburtögdttin;
Griechenland aber hatte Feine Geburtögdttin, deren Sinnbild die Kaße
war, wohl aber Xegypten, wo die Kate als ein höchft heilige8 Thier
galt, deßen Todtung mit dem Tode beftraft ward. Bubaſtis, eigentlich
Paſcht, war, wie ver Feſtritus und ihre Vergleichung mit der griedji-
fen Artemis zeigt, vie Geburtögdttin in Aegypten, und hatte einen
Löwen- oder Katzenkopf. Diefe fland mit dem Ptah, alſo vem Patäfen
zu Memphis, in innigem Verhältniß, denn fte heißt Mer-Ptah, d. i. vie
Ptah-Liebende, denn die Zeit beherrſcht die Geburt, weil dieſe an eine
gefegmäßige Zeit gebunven if. Paſcht aber ift ebenfo wenig ald Ptah
ein Name, welcher fidy aus der ägnptifchen Spradhe erflären läßt, und
ihr Verhältniß zu Ptah läßt und vermuthen, daß ihr Name und mithin
fie felbft zugleich mit dem Patäfen durch Phönikier nach Aegypten gekom⸗
men. Da wir nun bei Melfart= Herafled in Theben dieſelbe Gottheit
mit ver Kate ald Geburtögdttin eingewandert finden. in dem bort ange-
fiedelten phönikifchen Cult und der daraus entfprungenen Yabel, fo find
wir berechtigt, dieſe Geburtägdttin als eine phönikifche anzufehen. Katze
and Löwe, Thiere gleicher Art, ftehen fich in Aegypten bei dieſer Gott-
heit in finnbilvlicher Bezeichnung gleih, und vie Heraklesfabel, wie fle
die Katze hat, fo bat fie auch den Löwen. Die erfte That des Herakles
ift die Erlegung des nemäifchen Löwen, deßen Bel ſodann der Heros
trägt als eines feiner beſonderen Kennzeichen. Dieſes Löwenfell verdankt
er fiherlich dem phönififchen Patäken, ver mit der Kaben= und Löwen⸗
göttin in Verbindung ftand, denn in der Vabel vom Heros und feinen
Thaten Eonnte ein ſolches Sinnbild nur in diefer oder ähnlicher Weife
verwendet werben. *) Diefer Löwe war aus dem Monde herabgefallen
*) Dem femitifchen Einfluß in Theben ſcheint auch die Sphinx zugefchrieben
werben zu müßen, die ihrem Hauptbeitandtheil nach das Lichifinnbild, den
Löwen darftellt, gleich dem reife. Eben diefem Einfluße möchte auch in
der Labdafidenfage der Zug angehören, baß der Sohn Gatte der Mutter
tft, welcher fich fehr eignete zu einer fo furchtbaren Geſchichte der Gräuel,
wie fie diefe Sage enthält. Die Sage felbft in allen ihren Motiven und
in ihren fittlichen Lehren ift ächt hellenifch, und nur die Kunde vom Sohn,
der Gemahl feiner Mutter ift, fcheint dem femitifchen Binfluß anzugehören.
Nur in diefem Falle wird auch die Verbindung des Dedipus mit der Deme⸗
ter begreiflich und die mehreren Gräber deflelben, von welden das in
Kolonos das berüßmtefte war, wo er in dem Eingang zur Unterwelt ver:
Ihwand. Doc die Scholien zu Sophofles erzählen auch von einem Grabe
zu Keos in Böotien und einem in dem Heiligtum ber Demeter in Eteonos.
Aber auch in Kolonos muß bey Sophofles dem Devipus von dem ber
Demeter dafelbft geweihten Berirt das reinigende Waßer vor feinem Ver⸗
Moloch, Mellart, (Melikertes, Herakles). 293
auf Hera's DVeranftaltung, wie Epimenivdes in der Naturgefchichte Aelians
(12. 7) fagt, und Anaragorad jagt in ven Scholien zu Apollonius dem
Rhodier (1. 498), der Mond fey platt und der nemätfche Löwe in ihm
gefallen; bey Serviud zu DVirgil (8. 295) heißt er Sohn der Luna und
unvermundbar. Da die Spiele, deren auch zu Nemea waren, ſtets nach
einer Reihe von Monden wieverfehrten und an ven Mondumlauf gebuns
ben waren, fo jcheint die Babel von der Abftammung des nemäifchen
Löwen vom Monde märchenhaft dieſes Zeitverhältniß der Spiele auszu⸗
vrüden. Aber warum dichtete man denn gerade einen nemäifchen Löwen,
und ließ Herakles die Spiele dort einfegen, denn daß ihm dieſe Cinfeßung
sugefchrieben ward, fehen wir aus den inleitungsfcholien zu Pindars
nemäifchen Hymnen, da fle doch fpäter allgemein als eine Todtenfeier
des Opheltes-Archemoros galten, eined Knaben? Sollte nicht audh bier
urfprünglich die Feier dem Melkart, wie auf dem Iſthmus gegolten haben,
der auch ald Knabe umkam und dafelbft die Todtenfeier erhielt? Nur fo
laßt fich ver Knabe ald Gegenftand ver Feier und des Herakles Verbin⸗
dung mit derfelben, und vie Beziehung des Löwen genugfam erklären.
Die Lömwenhaut (und die Keule) gab dem SHerafled zuerft Steſi⸗
choros, wie Athenäus (512 f.) fagt, over die Heraklee des Piſander over
eined Andern, wie Strabo (15. 688) angiebt (Eratofthened nennt in den
Katafteriömen 12 den Pifander von Rhodos). Diefe Dichter Fonnten
aber, da die alten Stanbbilver, wie Strabo bemerkt, nicht fo vargeftellt
waren, dieſes nicht thun, ohne eine beftimmte DVeranlaßung, bie feine
andere feyn Tann, ald eben eine Beziehung dieſes Heros (over Gottes)
zum Löwen. Gehen mir aber in Betreff ver Bewaffnung zurück auf
Homer, welcher für und das ältefte Denkmal ift, fo finden wir, daß
Pfeile feine Waffen find. Die Iliade (5. 393) erzählt, er habe Hera
mit einem Pfeil an der Bruft getroffen und den Aides in Pylos eben⸗
falls mit einem Pfeil an ver Schulter. In der Odyſſee (8. 224) heißt e8,
Herakles und Eurytos Fonnten felbft mit den Unfterblichen in ver Kunft
des Bogend flreiten, und in der Hadesſcene (11. 606) fteht fein Schat-
tenbild den Bogen baltend mit dem Pfeil auf der Sehne, furdtbar
blickend und einem Schiefenvnen ähnlich. Im SHervenzeitalter ift der
fhwinden geholt werden. Der Demetercult Hatte in Böotien fremden Eins
fluß erfahren, und nur folcher brachte überhaupt den Dionyfvs mit Demes
ter und ihrer Tochter in Verbindung. Darum wäre es eben nicht fo ganz
unwahrfcheinlich, anzunehmen, man habe in Böotien den Sohn, welcher
Gemahl der Mutter ift, und alle Jahre flirbt, um neu aufzuleben, gefannt,
und die Sage des Oedipus enthalte einen Nachklang diefer Religionsmythe.
Ebenfo fann nur das Sinnbild der Semiten den Grund zur Sphinr her⸗
gegeben haben; während das Mährchen von ihr und ihrem Näthfel in bie
Ausbildung der Labdakidenſage gehört,
204 Moloch, Melkart, (Melitertes, Herakles).
Bogenſchütze nicht verachtet, aber dazu konnte er füglich nicht gebraucht
werden, ein Vorbild alles Heldenthums und deßen höchftes, wahrhaft
übermenfhliches Urbild zu ſeyn. Darum hatten die Denkmäler, weldhe
ihn mit den gemwöhnliden Kampfwaffen ver Helden varftellten,
infoweit Recht, als fie einen Helden darſtellen wollten. Nun fragt es
fi aber, woher flammt es denn, daß Herakles Bogenfchüge war, und
daß feine berühmten Pfeile fogar zur Eroberung Troja's unerläßlich noth⸗
wendig waren? Nicht dem Heros, fonvdern dem Gott, der von den
Semiten zu den Griechen gefommen war, fhrieben vie Griechen, fo
müßen wir annehmen, die Pfeile zu. Bragen wir nun weiter, welcher
Gott fonft noch bey den Griechen die Pfeile hatte, fo finden wir in
Apollo den furditbaren Pfeilgott, der ein folcher als Lichtgott ift, weil
vie Pfelle zu einem Sinnbild ver Lichtftrahlen geeignet waren. in
Lichtgott war aber auh Melkart, ver Patäfe, ver den Tag eröffnet
mit dem Licht und in der Sonne von Often gen Weften zieht mit ven
Strahlen des Lichts. So zeigt Ihn denn bie erfle Bewaffnung mit dem
Sinnbilde ver Tichtftrahlen, und vie lebte ebenfalls, wiewohl wir durchaus
annehmen müßen, daß die Dichter, welche ihm die Köwenhaut zur Bedeckung
gaben, an die Bedeutung dieſes Sinnbildes dabey nicht dachten. *)
Als Patäke erfcheint auch Herafles in der Fabel, welche ihn (bei
Apollodor I. 4. 8) als achtmonatliched Knäbchen zwei Schlangen mit
den beiden Händen erbrüden läßt, denn auf den ägyptifhen Denfmälern
fehen wir den Patäfen vargeftellt, in jevem Arm eine Schlange haben,
deren Bedeutung wir freilich nicht wißen, und bei der Mehrveutigfeit
biefes vielangewandten und weit verbreiteten Sinnbild nicht errathen
fönnen, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, leere Bermuthungen anzu
fielen. Daß aber Herafles ald ein fchlangenhaltenvder befannt gewefen
feyn muß, ergiebt jich daraus, daß er unter denen ift, welche man für
den Schlangenhalter am Himmel audgab. Hygin in dem Bericht über
die Sternbilder (2. 14) fagt: Andere erklären dieſes Sternbild für den
*) Mie fehr der Löwe als dem Herakles verbunden angenommen ward, zeigt
fih aud in folgendem von Macrobius in den Saturnalien (1. 20) erzähl:
ten Gefchichtchen. Tharon, fo lautet diefe Erzählung, der König des dieſ⸗
feitigen Spaniens, griff von Wuth getrieben mit einer Flotte den Herkules:
tempel zu Gades an. Die Gaditaner rückten ihm mit langen Schiffen
entgegen, und nachdem ber Kampf längere Zeit gleich geftanden hatte,
wurden bie Füniglichen Schiffe plöglich in die Flucht gefchlagen und giengen
in Flammen auf. Sehr wenige gefangene Feinde, welche überlebten, zeig-
ten an, es feyen ihnen Löwen erfchienen auf ven Vorbertheilen der gadita⸗
. nifhen Flotte, und ihre Schiffe feyen durch Strahlen, die darauf gefandt
J worden, wie man fie an dem Haupte des Sonnengottes melt, verbrannt
& worben,
Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles)y. 205
Herkules, der in Lydien am Fluß Sagaris eine Schlange erlegte, die
viele Menſchen toͤdtete und das Ufer der Früchte beraubte. Omphale,
die dortige Königin, ſchickte ihn, reichlich beſchenkt für dieſe That, nach
Argos zurüd, und Jupiter verfegte ihn für feinen Muth und feine Kraft
unter bie Sterne. Den Erleger ver Hydra, der furdtbarften aller
Schlangen, wegen der Iypifchen Schlange unter die Sterne zu verfeßen,
wäre etwas fonderbar geweſen, und e8 ift eher zu glauben, daß, wer
zuerft in dem Schlangenhalter am Simmel den SHerafled annahm, ven
ſchlangenhaltenden Patäfen, wie er in Theben als junger Herakles erfcheint,
vor Augen hatte. Als Zeitpatäfe erfcheint der Heros in der Sage, daß
er, gegen den Eithäronifchen Löwen ausziehend, mit den fünfzig Töchtern
des Theſtios, den Thespiaden, zwei und fünfzig Söhne gezeugt habe, in
fünfzig Nächten, fagt Apollodor (NM. 4. 10), in einer, Ephorus bei Theo
(2), in fteben, Herodor bei Athenäus (556 ff.). Bei der Häufung der
Thaten, welche dem Heros zugefchrieben wurden, ift die Beſiegung des
fithäronifchen Löwen nur eine ſchwache Nachdichtung des erlegten nemäi⸗
fchen Löwen, und fo wie bei diefem durch vie Zabel feiner Abftammung
aus dem Monde auf die Zeitorpnung Rückſicht genommen ift in Bezie=
hung auf die Spiele, fo ift bei der Beflegung des Eithäronifchen Löwen
die Erzeugung der zwei und fünfzig Söhne ebenfalld eine Beziehung der
durch den Patäfen erzeugten Zeitorpnung, und die fleben Nächte müßen
und unter den verſchiedenen Angaben als die rechte gelten, denn durch
die fleben Tage, die ven Patäfen in ihrer Siebenzahl felbft zu Grunde
liegen, wird in fünfzig Wochen das Mondjahr, in zwei und fünfzigma=-
liger Wiederkehr das Sonnenjahr gebifvet. Daß man diefe Wochen ver
Jahresordnung von den Thespiaden ald den Müttern bherleitete, mag
feinen Grund darin haben, daß man die Zeitordnung ald eine Kenntniß
und eine Kunft des Geifted auf die Mufen bezog, denn vie Thespiaden
find die Mufen zu Thespiä am Helikon, und auch die Aloaden, Otos und
Ephialtes, die nicht Leicht etwas Anderes feyn können, als zwei Zeit-
perioden, weil das wahrhaft Mythifche an ihnen in der Zahl Neun Tiegt
(die Enneaterid aber war eine wichtige Zeitperiode), hatten den Mujen=-
dienft am Helikon gepflegt. Die Mutter der Thespiaden, welche in ver
Babel des Heros freilich nur Königstüchter, nicht aber die Mufen find,
heißt Megamede, d. t. die Hochweife, welcher Name recht gut für eine
Mufenmutter geeignet if. Man vichtete dem Heros Raferei an, ſchon
in den Kyprien, und er warf in derſelben, fo leſen wir bei Apollodor
(I. 4. 12), feine Kinder von der Megara und zwei des Jolaos in dad
Veuer. Diefe Raferei und Kinververbrennung dürfte wohl nicht müßig
erfunden feyn, und ald mwillführliche Erfindung wäre fie matt und bei
jeinen vielen Ihaten und Befchwerven, die er aushielt, ein unnüßer
Zufag. Enthält aber die Verbrennung der Kinder einen Nachhall der
286 Moloch, Melkart, (Melifertes, Keratled.
Molochsopfer, dann ift die Naferei gut erfunden, um eine Kinderverbren⸗
nung mit einem für vie Herosfabel paffenden Grunde zu erklären. Daß
Herakles ald ein gieriger Vieleßer, als ein Verſchlinger gefchilvert ward,
ift zwar bei einem fo flarfen Heros nicht ganz unpaßend, und da er ein
Kampfhort war, fo ift er in dieſer Hinficht ein geeignete Vorbild für
die wohlgenährten Athleten, doch findet man dieſen eigenthümlichen Zug
fonft nicht in der Schilderung eines Heros ober eined Kampfhortd her⸗
sorgehoben, und ed drängt fich die Vermuthung auf, es fey auch viele
ihm angebichtete Eigenfchaft ein Nachhall des kinderverſchlingenden Moloch⸗
eultd. Als Herakles durch Aſien zog, landete er, erzählt Apollodor
(ll. 5. 11), auf der Inſel Rhodos zu Thermydräaäͤ. (Oben haben wir
fhon gefehen, daß dem Kronos Menfchenopfer auf dieſer Infel darge⸗
bracht wurden.) Indem er bier auf Einen traf, welcher mit einem
Geſpann Rinder fuhr, löfte er einen der Stiere von dem Wagen und
ſchmauſte ihn opfernd auf. Der Wagenlenfer aber, welcher ſich nicht
gegen ihn helfen Eonnte, ftellte fih auf einen Berg und fludhte ihm.
Darum verrichten auch jetzt noch die Rhodier, wann fle dem Herakles
opfern, dieſe eier mit Verwünfchungen. Der legendenmäßige Grund
diefer Verwünſchungen ift ziemlich unbedeutend, und wäre undenkbar
ohne eine beftimmte Veranlaßung im Eult. Iſt aber diefer Brauch ein
Nachhall des Molochcults, und ift der Stier felbft der Verfchlinger, inſo⸗
fern er zu dem Patälen gehört, welchem die Menfchenopfer galten, fo
bat die Babel einen genügennen Anlaß gehabt. Daß vie Höhe, auf
welcher der Stiertreiber flucht, dann auch zu dem urfprünglich femitifchen
Cult page, leuchtet won jelbft ein, da vie Höhen in demſelben von ber
größten Bedeutung find, und felbft der Moſaismus den Ebal zum Berge
des Fluchs erfohren hatte. Eine bloße ſchwache Wieverholung biefer
Vabel, die wir auf Rhodos einheimifch annehmen koͤnnen, weil der Kro-
nodcult daſelbſt verbürgt ift, finvet fi in der Erzählung (Apollodor
11. 7. 7), Herakles habe, durch das Land der Dryoper ziebenn, dem
Theiopamas einen der Stiere vom Wagen nehmend, ihn aufgefchmauft.
ALS die zehnte der ihm von Euryſtheus auferlegten Kampfarbeiten
wird das Holen der Rinder des Geryones aus Erytheia angegeben.
(Apollodor II. 5. 10.) Erytheia, fo heißt ed, war eine dem Okeanos
nahe gelegene Infel, welche jet Gabeira genannt wird. (Der Name
beveutet Rothland, und ſtammt wohl von der Nöthe der untergebenven
Sonne her.) Diefe bewohnte Geryones (d. i. der Schreier), ver Sohn
des Chryfaor und der Kallirhoe, der Okeanostochter, welcher aud drei
Männern, die um den Bauch zufammengewachfen waren, beſtand, und
rothe Rinder befaß, vie Eurytion hütete mit dem Hund Orthros (d. 1.
Brühauf), der zwei Köpfe hatte und von Typhon und Cchidna flanımte.
Huf ben Zuge nad dieſen Rindern errichtete er auf ben Vorgebirgen
Moloch, Melkart, (Melitertes, Serakles)y. 297
Europa's und Libyens einander gegenüber vie beiden Säulen (vie man
Seraflesfäulen nennt), und auf feiner Wanderung von ver Sonne beglüht,
fpannte er ven Bogen gegen Helios, und der Gott gab ihm, feine Mann
haftigfeit beiwunbernd , einen golvenen Becher (Kahn), in welchem er
über den Dfeanos fehte, und nach Erytheia kam. Herakles im Sonnen
kahn ift der femitifche Gott, denn bei ven Griechen fährt die Sonne in
einem Wagen mit Roßen, von welcher Anftcht es ausgegangen tft, daß
manche Völker dem Heliod dad Roß weihten. Den Ptah- Sofari, eine
Form des Patäfen, jehen wir auf ägyptifchen Denfmälern im Boote
fahren, fo wie auch die Aegypter der Sonne- und dem Mond Schiffe
gaben, ihren Lauf zu vollbringen. *) Aus dieſer Babel vom Herakles
erfeben wir, daß auch Moloch ober Melkart, der Patäke des Tages feinen
Lauf in einem Schiffe vollendet, fo daß er felbft ein Vorbild ver Schif⸗
fenden, fih um fo mehr zum Begleiter ver Schiffe, auf dem Vordertheil
ſtehend und die Fahrt beſchirmend, eignen mußte, er, der durch feinen .
Aufgang die Witterung des Tages für die Seefahrt beflimmte. Die
Borftelung von Melfart= Herafles im Kahne der Sonne ftand fo feit in
der griechiihen Babel, daß fie mehrmals angewandt wurbe, 3. B. als
er aus Italien nach Sieilien überfehte (Pauſanias 3. 16. 4) und als er
zu den Hesperiden gieng (Apollodor II. 5. 11). Daß aber eine Täus
fung gar nicht flattfinde, wenn wir in dem Herakles, der in dem Kahne
fährt, den fremben femitifchen Gott annehmen, zeigt uns fein Cult zu
Erythrä, der tonifchen Stadt in Kleinaften. Pauſanias nämlich berichtet
und (VIL 5. 3), daſelbſt fey ein durch fein Alter für ven Beſchauer
merfwürbiged Bild des Kerafles, melches weder ven ingenannten ägines
tiſchen Bildwerken, noch den altattifchen gleiche, fonvern wenn irgend
eind vollfommen genau ven ägyptiſchen. Denn es ift zu fehen eine Barte
son Holz, und auf ihr, den Grund aber, warum es gefrhehen, geben vie
Erythäer nicht an, fchiffte ver Gott aus Tyrus in Phönifien. Als die
Barke in das ionifhe Meer Eam, trieb fie an der Mefate, d. i. bie
Mittlere, genannten Vorhoͤhe, die den aus dem erpthräifhen Hafen nach
Chios Schiffenden die mittelfte ift, an. Dort nun ftrengten fich vie Ery⸗
*) Zu Tyrus gab es ein heiliges Schiff des Herakles, doch mag biefes zu befons
dern heiligen Zwecken gedient haben. Arrian in der Anabafls Aleranders
erzählt (2. 24) bey Gelegenheit der Eroberung von Tyrus: Alerandros
opferte dem Herafles und veranftaltete eine Proceſſton mit der bewaffneten
Macht. Auch die Schiffe nahmen Theil daran, und er hielt auch ein gym⸗
nifches Rampfipiel und einen Badellauf (der fi nur für einen Feuers oder
Lichtgott eignete). Auch die Mafıhine, wodurch die Mauer eingeflürzt war,
weihte er in dem Tempel, und bas heilige Schiff des Herafles, welches er
erobert Halte,
298 Moloch, Melklart, (DMelitertes, Herakfles).
thrier und bie Chier fehr an, beide ve Eifer, dad Bild für ſich zu
erwerben. Endlich hatte ein flarfer, abgehärteter erythräifcher Fiſcher,
der an Augenkranfheit blind war, Namens Phormio, einen Traum, daß
die erpthräifchen Frauen ihre Haare abfchneiden müßten, und daß die
Männer, ein Seil daraus flechtenn, damit die Barfe zu ihrer Stabt füh-
ren würden. Die rauen nun wollten ſich dieſem Traumgefiht nicht
fügen, Thraferinnen aber, welche dort theils vienten, theils als freie
lebten, fchoren ihr Saar ab, und die Varke warb damit herangezogen.
Sp haben dort allein von ven Frauen nun die Thrakerinnen Zutritt in
das Heraklesheiligthum, und das Seil aus Srauenhaaren warb noch zu
des Paufaniad Zeit aufbewahrt. Der Fifcher aber fol fein Geftcht wieder
erlangt haben. Auch dadurch, daß fremde Frauen in bie Legende des
erythraͤiſchen Cults verflochten werden, und wirklich allein an vemfelben
theilnehmen durften, erkennt man die Einwanderung veflelben aus ver
Bremde. An dem Culte eines Heros hätten fremde Brauen, obendrein
aber Sklavinnen feinen Antheil haben Fünnen, warum aber rauen an
bem Melfartcult zu Erythrä in irgend einer und nicht näher bezeichneten
Weiſe betheiligt waren, wißen wir nidyt. In dem Serafleötempel zu
Thespiä war, wie PBaufaniad (IX. 27. 5) meldet, eine Jungfrau Prie⸗
fterin, welche es 6i8 zu ihrem Tode blieb. Die Legende gab als Grund
an, Herakles habe ſich allen Töchtern des Theſtios zu Thespiä in einer
Nacht vermählt, und nur eine verfelben fey ihm nicht zu Willen gewe-
fen, die er denn verurtheilt habe, ihr Leben lang Jungfrau zu bleiben
und ihm als Priefterin zu dienen. Dem Paufaniad nun fhien ber
Serafleötempel zu Thespiä älter zu feyn, ald ver Herakles, Amphitryons
Sohn, und erinnerte ihn an ven Herakles der Erpthräer und Trier.
Bey den Römern fand ſich die Sage (Macrobius 1. 10), unter ber
Regierung des Ancus Martius babe der Tempelvtener des Herculed ven
Gott auf Würfel heraudgeforvert unter ver Bedingung, der Beflegte folle
dem Sieger eine Buhldirne und ein Eßen geben. Serlules flegte und
der Diener ſchloß die Acca Larentia, die herrlichfle Dirne jener Zeit,
nebft einem Mahle im Tempel ein, und viefe rühmte ſich am folgenven
Tage des Befuches des Gotted und eines Geſchenkes von bemfelben.
Dagegen ward Herafles als Frauenhaßer in Phokis verehrt, wo fein
auf ein Jahr Yang gewählter Priefter ſich währenn feines Amtes Feinen
Umgang mit einem Weibe erlauben durfte, wie Plutarch (über das py⸗
thifche Drafel 20) erzählt, und bey Gellius (11. 6) Iefen wir, daß vie
Frauen zu Nom nicht bey dem Opfer des Hercules zugegen ſeyn durften.
Die rothen Rinder auf der Infel Rothland find Feine andern als
Sonnenrinder im Weften, wo die Sonne roth untergeht, wo Helios in
ben Okeanos, in deßen Nähe Erytheia gevichtet warb, hinabtaudht. In
ber Somerifhen Odyſſee (12. 261) wernen dem Helios fieben Heerden
Moloh, Melkart, (Melikartes, Herakles). 209
Kinder, und ebenfo viele Schafe zugefchriebeu, jede Heerde befteht aus
fünfzig, die flch weder vermehren, noch vermindern, und auf Ihrinafia,
d. i. Sicilien von feinen Töchtern Phaetufa, d. t. der Scheinenden, und
Zampetia, d. i. der Leuchtenden, gehütet werben; dieſe find bie fünfzig
aus je ſteben Tagen beftehennen Wochen des Monpjahrs, denn in foldhen
Dichtungen pflegen runde Zahlen mit Benfeitefegung der Bruchtheile
angenommen zu werben. Die Rinder auf Erytheia jenoch erkannte man
ebenfalls als dem Helios gehörig an, wie wir bey Apollodor (1. 6. 11)
Iefen. Doch finden wir Feine beſtimmte Zahl überliefert, die nur bey
denen auf Thrinafia angegeben wird. Helios war alfo bei ven Griechen
der Gott der Zeit, welcher das Jahr beherrfcht, und eine eigentliche
Wirkuug auf die Natur durch feine Wärme, und dadurch erzeugten See⸗
gen oder Schaden erfcheint nicht im Cult der Griechen. Moloch oder
Melkart, ver Zeitpatäfe, ver Gott des Tages, der an die Zahl fieben
gefnüpften Woche, wodurch die gefegmäßige Ordnung des Jahres in ſtets
gefeglicher Wiederkehr befteht, fonnte dem Griechen nicht Leicht mit einem
andern Gotte verglichen werben, ald mit dem jeden Morgen von der
Nacht, wie Sophokles in den Tirachinierinnen fagt, bei ihrem Scheiden
neu geborenen Helios. So fehen wir denn auch den Melkart, welcher
durch phönikifche Nievderlapung nach Gades gekommen war, hier im
Weiten zum Beſitzer der Sonnenrinder werden. Als er den Geryoneß,
lautet die Fabel, erlegt hatte, feßte er mit den Rindern im Becher
(d. i. Kahn) der Sonne über, nad) Tartefios und gab vem Helios den
Becher zurück. Statt vie Rinder auf dem näcften Wege zu Euryſtheus
zu bringen, zieht er mit ihnen durch Italten hinab, bis nach Sicilien,
und man fönnte meinen, es fey dieſes gevichtet worven, um vie Verbrei⸗
tung des Herculedcult3 in Italten und Gicilien damit zu begründen;
doch Hat eine foldhe Anſicht das gegen fih, daß dieſer Zug nicht gut zu
einem folchen Zweck erfunden wäre, und wenn nur biefes bezweckt werben
follte, die Dichtung den Heros jehr Leicht ohne die Rinderheerde durch
Italien konnte ziehen laßen. Es fcheint vielmehr, daß ver Urfprung
diefer Dichtung, Herakles ſey nad Sieilien mit den Rindern von Ery-
theia gefommen, in den Sonnenrindern auf Sicilien zu liegen, fo daß
man bie Sonnentinder dem yhönififchen Gotte zufchrieb, im Welten
fowohl, wie auf Sicilien, und nun in ver Fabel die Sache vermittelnd
fo geftaltete, wie ſie und erzählt wird.
Im Abendlande, wo die Sonne zur Ruhe geht, ift ihr Gebiet, die
rothe Infel gehört ihr und ihre Rinder meinen daſelbſt. In dem Abend⸗
lande aber giebt e8 auch goldene Aepfel, vie Aepfel ver Hesperiden, d. i.
des Abendlandes. Auch dieſe gab man dem Melkart, infofern man ihn
mit Heliod, dem Sonnengotte, gleich ſtellte, und nahm dieſes fo in bie
Fabel auf, daß er die Heöperivenäpfel dem Euryſtheus Holt, welches hie
300 Moloch, Mellart, (Melikertes, Serakles).
eilfte feiner Dienftarbeiten if. Als zwblfte und letzte Dienftarbeit ift
dem Herakles auferlegt, ven Kerberos aus der Unterwelt zu holen. Diefed
beruht ebenfall8 Darauf, daß der Tag oder die Sonne im Welten unters
geht, wo dad Gebiet des Hades iſt, und mo noch obendrein der Gott zu
Gades ein nicht ferner Nachbar war. Als Herakles die Rinverheerve
des Geryones auf Erytheia holte, lautet die Fabel (Apollodor I. 5. 10),
meldete e8 Mönotiod, der die Rinder des Hades daſelbſt weidete. Diefes
läßt wohl keinen Zweifel über die Nachbarſchaft von Erytheia und dem
Hades; denn ald er nun, um ven Kerberos zu holen, in den Hades
gekommen war, jchlachtete er, um den Seelen Blut zu geben, eined ber
Rinder des Hades, weßhalb Mendtios, ver Hirte, ihn zum Ringen bers
außforverte, dem aber Herakles die Seiten zerbrach, bis ihn Perfephone
198 bat. So vichtete man in ver Fabel aus dem im Weften hinunter-
gehenden Melkart, ven Heros, welcher in den Hades geht, und um viefes
mit einer fchweren That zu verbinden, ließ man ihn den die Habespforten
bewachennen Hund Kerberos (vd. i. ven Rauhbellenden) holen. Doch
brachte man dabey noch einen Zug an, welder auf Melfart ald Helios
vollkommen paßt. Askalaphos Hatte verratben, daß Perfephone in ver
Unterwelt von dem Granatkerne genoßen hatte, wodurch ihre gänzliche
Nüdfehr zur Mutter unmöglich geworden, und zur Strafe dafür Hatte
Demeter einen Stein auf ihn gemwälzt. Diefen wälzte Herakles jekt ab.
Asfalaphos ift durch Verwechslung ftatt Askalabos gefeht, ven Demeter
erzürnt in eine Eivechfe verwandelt hatte, denn Demeter, vie Getraide⸗
gdttin, liebt nicht vie Eidechſe, welche fich der brennenden Sonne freut,
die ihrem Getraive nachtheilig iſt. Dieſes Thier verfrieht ſich unter
Felſen, und wird vom Sonnenfchein hervorgelodt, fo daß alfo Herakles
in dieſer Babel ganz und gar ald Helios erfcheint. *) Das Hinunter-
gehen in ven Hades war auch ver Grund, welcher die Babel veranlaßte,
daß Herakled dem Admetos feine geftorbene Gattin Alkeſtis wieder zuführt
(Apollodor II. 6. 2), indem er fie in dem Drama des Euripides dem
Tode abringt. Die zwölf Arbeiten aber find fo geordnet, daß fie mit
*) Als Lichigott kann der Patäke mit andern Lichtgotiheiten verglichen werben,
und vielleicht Fannten die römifchen Pontifices den Hercules in einer Eigen:
[haft diefer Art, denn wir lefen bei Macrobius (3. 12), daß Hercules
bei den Bontifices für den mämlichen Gott mit Mars gegolten habe, und
auch Varro gab diefe inerleiheit beyber Gottheiten in einer. Satire
an. Einerlei waren fie nun freilich nicht, aber Mars war ein fabinifcher
Lichtgott, und wenn Hercules in Rom als Melkart erfchien, fo konnte eine
Bergleichung zwifchen beiden flattfinden, welche zu jener Annahme führte.
Die bürftigen Nachrichten aber, welche uns über den Hercules in Rom
überliefert find, geben ung feinen Aufihluß darüber, ob und in wie weit
er daſelbſt als Melkart hervortrat,
Meloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 301
dem Morgen begimen, mit ver Nacht enden. Der Löwe als Sinn-
bild der Lichtfirahlen ift der erfte Kampfgegenftand, das Hinabſteigen in
die Nacht des Hades die letzte Arbeit, und gerade dieſe beiden, als das
Wefentlichfte, was aus der Natur des Melkart in ver SHeraklesfabel
märchenhaft vargeftellt wird, waren ſchon frühe als erſte und legte Arbeit
dargeftelt, und den Hinabgang in den Hades erwähnt fchon vie Iliade
und die Odyſſee. Ob aus dem Hinabgehen nes Melfart im Weften, alſo
in den Hades, auch die Fabel entftanden fey, die ſchon in ver Iliade
berührt (5. 395) iſt, daß nämlich Herafles Pylos angriff, wo ein Todten⸗
eich gedichtet war, den Neleus und feine Söhne, mit Ausnahme des
Neftor, tübtete, und den Hades felbft verwundete, mag bezweifelt werben,
weil Herakles nicht in den Hades geht, fondern ver Gott nur dem Neleug
und den Pyliern beyfteht. In der Anoronung der Kanıpfarbeiten bemer⸗
fen wir außer dem richtigen Verfahren, mit dem Morgen zu beginnen
und mit dem Abend zu enden, daß die drei letzten Arbeiten ſich auf ven
Abend beziehen, denn bie zehnte ift ver Zug zum Geryones, die eilfte der
zu den Hesperiden, bie zwölfte dad Sinabfteigen in den Hades. Ob unter
den übrigen acht Kampfarbeiten fih welche finden, welchen eine Bezie⸗
hung auf den Gott zu Grunde liegt, over ob fie alle gevichtet worben
find als ſchwere, des Heros Herakles würdige Werke, läßt fich nicht mit
Sicherheit beftimmen. Als fünfte Arbeit wird genannt (Apollodor U.
5. 5.) die Reinigung ver Rinderhürden des Augeas. Diefer war König
in Eli, und ein Sohn des Helios, nach einer der Genealogieen, die gut
zu feinem Namen paßt, welcher ven Glaͤnzenden oder Strahlenden bedeu⸗
tet. Wie nun die Rinder der Sonne, die man im Weften gevichtet
hatte, in nie Seraflesfabel gezogen wurben, fo, Fönnte man annehmen,
fey e8 mit den Rindern des Augeas geſchehen, und dieſe feyen ebenfalls
Sonnenrinder. Ja man könnte fogar, um diefer Annahme mehr Wahre
[heinlichkeit zu verichaffen, die Vermuthung aufftellen, dieſe Augeasrin⸗
der hätten in ber erften Anorbnung der Kampfarbeiten, welche zehn der⸗
felben annahm, die Stelle ver Geryonedrinver vertreten. Denn daß bie
ältere Aufzählung nur zehn umfaßte, geht daraus hervor, daß Euryſtheus,
als Herakles zehn Arbeiten vollendet hat, zwei verfelben nicht gelten
läßt, und darum zwei weitere dem Heros auferlegt (Apollodor 11.5. 11).
Die Reinigung der Rinderhürden des Augeas, die er durch Hineinleitung
eined Stromes bewirkt, fol darum nicht gelten, weil er fi) einen Lohn
dafür bebungen hatte. Diefed würde allerdings recht gut paßen zu ber
Vermuthung, man habe, ald man noch zwei Arbeiten brauchte, um zur
Zwolfzahl zu gelangen, da man mit dem Weften enden mußte, die Sons
nenrinder nochmals in eine Zabel verflochten, und darum hie Sonnen-
rinder, welche jet die fünfte Stelle in ner Aufzählung einnehmen, bie
des Augeas als eine won Eurnfiheus nicht gezählte Arbeit betreffend
302 Moloch, Melklart, (Meliktertes, Herakles).
unter den zu leiftenden zehn, damit man dieſe ältere Zahl mit ver
neueren audgleichen Fonne, für ungültig erflärt. Die Töotung ver ler-
nälfchen Hydra wurbe ebenfalls nicht von Euryſtheus ald Ausführung der
befohlenen Arbeit anerfannt, weil Jolaos dem Heros dabey geholfen
hatte. So wie nun, wenn man die mögliche Anftcht von ven Augeas⸗
rindern, die oben angedeutet worden, gelten laßen will, dieſe Babel mit
der von den Geryonesrindern zufammenfält, Fünnte man für die Toͤdtung
der Hydra auch eine Innerer Bereutung nach gleiche Zabel vermuthen,
fo dag in ver Zahl ver zwölf Arbeiten eine wäre, welche gewiflermaßen
als vie Doppelgängerin viefer erfchlene. Wirklich bietet die eilfte Arbeit
im Weften, das Holen ver Geöperivenäpfel eine Schlange dar, welche
die Aepfel bewachte und von Herakles getöbtet ward. Hierin Eönnte
man einen Zug finden mollen, welcher ſich auf ven von Oſten nad
Weiten in ver Barfe fihiffenden Patäken bezieht; wenigftens fehen wir
in den Gräbern von Theben in Aegypten die Fahrt der Sonne in einer
Barke durch die zwölf Tagesftunden vargeftelt, fo daß ſchon in ver
zweiten Stunde Die große Schlange Apep, d. i. die Zweimalgroße, die
Sonne bevroht, bis endlich in ver eilften Stunve, aljo kurz vor dem
Untergang der Sonne daß Ungeheuer überwältigt wird (ägpptifche Mytho⸗
Iogie. ©. 142). Wollte man nun die Babel von der Hydra und die von
der Schlange bei den Heöperiven, d. i. im Weften, ald aus jener Anſicht
von einer die Sonne bedrohenden Schlange, die im Weften am Abend
überwältigt wird, wie aus ihrem Keim entjprungen betrachten, jo würbe
man grade nicht etwas Unmoͤgliches vermuthen, ob aber etwas fehr
Mahrfcheinliches, mag vahingeftellt bleiben. Als achte Arbeit gab Eury-
ſtheus dem Heros auf, die Roße des Thrakers Diomedes, welche Menfchen
fraßen, zu holen. Menſchenfreßende Roße als etwas Ungeheures zu
dichten, ſcheint der Phantaſie ferne zu liegen, der leicht Anderes, Geeig⸗
neteres zu Gebote ſteht. Das Roß aber war bei den Perſern der Sonne
geweiht, weil man dichtete, die Sonne fahre in einem Wagen mit Roßen
am Himmel hin. War in Thrakien mit einem Cult, welcher mit dieſem
Sinnbild zuſammenhieng, ein Menſchenopfer verbunden, ſo war freilich
für die menſchenfreßenden Roße Anlaß genug vorhanden, und eine
bemerkte Aehnlichkeit des Melkart mit einem Sonnengotte konnte ihn
mit deßen Roßen in Verbindung bringen, welche in ver Babel die Dich-
tung von der achten Arbeit veranlaßte. Doch folhe Vermuthungen Fön-
nen leicht täufchen, und es ift nicht rathſam, ihnen ſich hinzugeben.
Wäre es doch für eine fühne Combination, vie vor Feiner Bedenklichkeit
zurüdicheut, möglich, die dritte Arbeit, dad Einfangen der kerynitiſchen
Hirſchkuh der Artemis, auf den Melkart zu beziehen. Diefem ſtand in
Theben die femitiiche Geburtögdttin mit dem Sinnbild ver Katze zur
Seite und war in Verbindung mit ihm, und wie um beßwillen bie Leu⸗
Moloh, Melkart, (Melikertes, Herakles). 803
fothea als Geburtsgdttin in Beziehung zu ihm tritt in der griechifchen
Babel, fo hätte man aud die Geburtögdttin Artemis mit ihm zufammen-
fielen fönnen, in ver Babel angebeutet durch das Wangen ver ihr gehd-
renden Hirſchkuh. Dermählt fi doch Herakles fogar einmal einer
Geburtögbttin, der Auge zu Tegea (Apollopor II. 8. 4), und zeugt mit
ihr ven Telephos, ven eine Hirſchkuh ſaäugt. Auch die fechdte Arbeit,
bie Vertreibung der fiymphalifchen Vögel (Apollodor II. 5. 6), wäre auf
Melkart zu beziehen nicht unmdglid, denn dieſe find die Ploaden, wie
die Griechen ſchwere Wolken, ald Luftdurchſchwimmende, nannten; ſie
fhießen ihre Federn von fih, d. i. Hagel, Schnee, Regengüße, und der
am Simmel binziehende Melfart Fünnte fie wohl mit feinem Lichte beſie⸗
gen und verjagen, jo daß ver Himmel wieder heiter würde. *)
*) Mit Beſtimmtheit auszufprechen, unter den übrigen Kampfarbeiten des
Herafles ſey feine aur den fremden Gott Melkart zu deuten, wäre unvors
fihtig, denn war einmal die Darftellung verfelben aus dem Kreis der
urfprünglichen Idee getretten, und waltete die Dichtung frei mit dem Stoffe,
vor Allem darauf gerichtet, einen Heros, nicht einen Gott, zu verherrlichen,
fo konnte, wenigftens wollen wir es als möglich gelten laßen, die urfprüng-
liche Idee fo verbunfelt werden, daß fie in der Dichtung, welche durch fie
veranlaßt ward, verloren gieng. Einer fühnen Gombination wäre es felbft
nichts Unmögliches, die eilfte Arbeit des Heros mit Melkart in eine Ber-
bindung zu bringen, welche vielleicht einigen Schein für ſich Haben Fünnte.
Euryſtheus trug zum eilften dem Heros auf (Apollovor 2. 5. 9), ven
Gürtel der Amazonenfönigin Hippolyte am Thermodon zu holen, den fe
von Ares hatte und welchen des Curyſtheus Tochter Admete zu haben
wünſchte. Im Hafen von Themiffyra angelangt, fam Hippolyte zu ihm,
fein Begehren zu vernehmen, und verſprach ihm den Gürtel zu geben, doch
Hera, die Beftalt einer der Amazonen annehmend, regte die Menge auf
durch das Vorgeben, man wolle ihre Königin rauben. Als Herafles die
Amazonen in Waffen anfommen fah, tödtete er die Hippolyte, nahm ben
Gürtel und fhiffte weg. Nun wird aber auch erzählt (auf einem Farneſi⸗
ſchen Basrelief), die Amazonen feyen nach Attifa gekommen, von Theſeus
und Perithoos beflegt worden, und Thefeus habe die Hippolyte erhalten
und mit ihr den Hippolytos erzeugt. Bei dem Heroon des Pandion war,
wie Paufanias erzählt (1. 41.7), das Grabma! der Hippolyte. Die Ders
fchiedenheit der Sagen, welche fonft noch flattfindet, Hat mit dem etwaigen
innern Gehalt der Sage nichts zu thun, und fann darum übergangen
werden. Hippolytos ſtammt alfo von der Amazone, bie von dem Roße
den Namen hat, und er ift ein Liebling der Artemis, mit diefem Namen
bezeichneten aber die Griechen, weil fie eine Goͤttin der Geburt und des
Lebens war, die große allnährende, aus vielen Brüften Nahrung ſpendende
Amazonengöttin zu Ephefos. Apollonius der Rhodier (2. 3169) fagt, von
dem Eult der Amazonen redend, als die Argonauten dorthin gefommen:
„ste giengen zum Tempel des Ares, Schaafe zu opfern, und flanden um
den aus Heinen Steinen zufammengefegten Altarherd, ber außerhalb bes
804 Moloh, Melkart, (Meliktertes, Herakfles).
Warum die Dichtung eine ältere Zahl von zehn Arbeiten als die
dem Heros von Euryſtheus aufzulegennen annahm, laäͤßt fich nicht mit
Beftimmtheit jagen, fondern man kann nur vermuthen, man habe biefe
Zahl als eine gebräudgliche wegen einer Eintheilung des Jahres in zehn
Monate gewählt, wie 3. B. auch der troifche Kampf zehn Jahre dauert.
Die Zwölfzahl aber ift die richtige, denn die zwblf Kanıpfarbeiten be
Herakles find urfprünglih, da fie fih auf die Natur des Mellart grün
den, von deßen Durdhziehen der zwölf Tagesſtunden, wie er fi) aus ven
unbebediten Tempels war; brinnen aber war ein großer Heiliger Stein
befeftigt, zu dem alle Amazonen ihr Gebet zu richten pflegten. Auf diefem
Altar aber war es ihnen nicht erlaubt, Schafe oder Rinder zu opfern, fon-
dern wohlgepflegte Roße. In diefer Stelle findet ſich flatt: großer Heiliger
Stein, die Lesart: fchwarzer heiliger Stein (uEdas, flatt ueyag), und
es muß biefes berührt werben, weil aus diefem Stein, der offenbar der
Altar im Tempel war, ein fchwarzer Stein als Amazonengotiheit gemadt
worden ift, welches Berfahren darum nicht wundern darf, weil es in diefen
Dingen als das normale Verfahren mancher ſogenannten Forſcher erfcheint.
Zufian (über die fyrifche Göttin 60) erzählt, daß zu Hieropolis die Jüng-
linge den Bart weihen, und daß die Locken der Kinder bargebracht werben
in dem Tempel der großen Göttin. Dazu bemerft er, in ganz Hellas finde
nur in Trögen ein ähnlicher Brauch Statt, indem Juͤnglinge und Jung⸗
frauen vor der Bermählung ihr Haar fiheeren müßen, was feineswegs ein
Opfer für ihn als Landesheros anzufehen ift, weil es bey andern Herven
nicht vorkommt, fondern ihn als Befchirmer der Jugend darthut. Nehmen
wir nun an, bie Amazonengöttin habe eine Gottheit neben ſich gehabt, wie
die Mutter zu Theben in Hegypten den Chon, die Balinthias im kadmi⸗
fchen Theben den Melkart, fo würde der amazonifche Hippolytos, der Lieb-
ling der Artemis, der ebenfo Fläglich umfommt, wie Melifertes, ver Sohn
der Beburtsgättin Leufothea, mit dem Melkart immerhin, als ein mit einer
Lebensgöttin vereinigter Gott, fo viel Achnlichkeit gehabt haben, um mit
ihm verglichen und im entflehenden Falle ſelbſt gleichgeftellt zu werben, fo
daß alsdann eine Beziehung des Melkart zu der Amazonengoͤttin für bie
Dichtung nicht ferne lag, von welcher wir einen Nachhall in dem Zuge
des Herafles und dem Holen des Gürtels der Hippolyte haben Tünnten.
Daß bey der taurifchen Artemis eine ſolche Gottheit fich findet, beweift ber
Eult der nemorenfifhen Diana zu Aricia in Italien. Zu ihr gehörte
Virbius, welchen man als den wiedererwerkten Hippolytos betrachtete, um
ihn in der griechifchen Mythologie zu begründen. Wenn wir bey Pauſa⸗
nias (1. 43. 4) lefen, zu Megara brächten die fi) vermählenden Jungs
frauen der Iphinod, welche als Iungfrau geftorben und eine Tochter des
Alfathoos gewefen fey, vor der Hochzeit Todtenopfer auf ihrem Grabe dar,
und weihten ihr eine Lode, fo it mit Iphinoe urfprünglich ſchwerlich eine
andere gemeint, als Artemis, die auch Iphigeneia, Iphianafla war, welcher
ber Name geziemte, und bie für die Darbringung ber Locke einer Braut
geeignet war.
Moloch, Melkart, (Melitertes, Herakles). 305
gedffneten Pforten des Oſt in feiner Barke nach Weſt begiebt, bon er in
die Nacht binabgeht.
Als das irvifche Ende des Herafled wird angegeben, daß er leben«
dig auf dem Oeta einen Scheiterhaufen beftiegen habe, den er anzünden
ließ, und fo verbrannte, weil ein von feiner Gemahlin Deianeira ihm
überfandte8 Kleid ihn fchredlich zerquälte, das mit dem vergifteten Blute
des Nefjos, eines von ihm mit einem durch dad Blut ver lernätfchen
Hydra vergifteten Pfeil getödteten SKentauren, gefalbt worden war.
(Apollodor II. 7. 7.) Diefe Dichtung ſcheint eine Veranlagung haben
zu müßen, vie weiter zu fuchen ift, ald in der Deutung, ver Heros habe
ſich durch die Flammen von dem Irdiſchen geläutert, um rein in den
Olymp als Gott einzugehen; denn da die ganze Heraflesfabel auf Mel⸗
fart ald ihrer wahren Grundlage beruht, fo feheint ein fo wichtiger:
Abſchluß verjelben und zu mahnen, nach einem Erflärungdgrund in dem:
Weſen des Melfart umzufchauen. @inen Tod veflelben nimmt die Fabel,
welche die ifthmifchen Spiele auf ihn bezieht, an, und diefe gelten als
Todtenfeier, ebenfo die nemeifchen und olympifchen, welche SHeraffes:
gründet, fowie auch die pythifchen, obgleich nicht von Herakles gegrüns:
det, fondern dem Lichtgott Apollon gehörig, Todtenfpiele find. Vor dem
Thore der Elektra zu Theben waren Leichenfpiele am Herafleöfefte, nachdem
zuvor der Salinthiad geopfert worben. Eigentlich farb ver Licht» und Tages⸗
gott jedesmal am Abend, fobald er vie zwölf Tagesſtunden durchlaufen
hatte, und ward am andern Morgen neu geboren, wo er denn natürlich als
Kind erfhien. (Ebenſo ftirbt täglich einer ver Dioskuren, welche bie
Gottheiten des Tags und der Nacht find, fo daß Feiner zugleich mit dem
andern lebt.) igentlihe Todtenſpiele nun, follte man denken, würben
jährlich zu Ehren des Gegenſtandes dieſer Feier gehalten worden feyn, und
man würde fich bei ver Scheu, Gdtter mit dem, was Todte betraf, in Vers
bindung zu bringen, Anftand genommen haben, viefe Todtenfpiele gerapezu
auf vie Götter zn übertragen, wenn fie in Wahrheit eigentliche Ehren von
Tandesheroen gewefen wären. Sie wurden aber nur nad) Perioden,
nicht jährlich gefeiert, und das große Jahr, aus adıt Jahren beſtehend,
war die Periove, welche das Maaß dazu Hergab, indem man deßen
Hälfte wählte, die bei den Olympiſchen und Pythifchen galt (anfangs,
fagt der Scholiaft in der Einleitung zu Pindard pythifchen Hymnen,
fehrten fie jede Ennaeterid wieder), während bei ven Iſthmiſchen
und Nemerfchen viefe Hälfte abermals halbirt warb, wie man vie Tris⸗
teris, Pentasteris und Ennaeterid ald Perioden hatte. Beierte man mit
viefen Beften den Ablauf einer Zeitperiope und ven Anfang einer neuen,
fo eihnete fi ihre Einrichtung für den SBeitpatäfen fehr gut, und bie
Geier, in wie weit fle der vergangenen Periode galt, fonnte recht papend
eine Todtenfeier ſeyn, an vie ſich aber auch, weil die neue begann, bie
IV. 20
2306 Moloch, Melkart, (Melikertes, HSerakfles).
Feier des Gottes anfchließen Eonnte, welcher ver Zeit waltet und Perio⸗
den verleiht. Eine abgefchloßene, geenvete Zeitperiode kann unter dem
Bilde einer Verbrennung als dahingeſchwunden dargeſtellt werben, und
daß dieſes wirklich flattfand, fehen wir in Aegypten an der Hundäftern-
veriode, die im Vogel Phönix perfonificirt wird, der fi, wenn fein Ende
naht, ein Neft macht und darin verbrennt, aus deßen Afche aber ein
neuer Phbnix entfteht. An das SHeiligthum des Ra, des Sommengotted
zu Seliopolis, ift dieſe Phönixfabel geknüpft, und Na felbft erfcheint ala
Batäfe, ver in der Sonne thront, der fein Ei, d. i. die Sonne an dem
Himmel wälzt, gleich Ptah, und dieſer wird Herr der Panegyrien, d. i. ver
Geftverfammlungen, der gefeierten Perionen genannt. *) Der Palmzweig,
welchen ver Patäfe Chon in Aegypten, den die Griechen ven Agyptifchen
Herafled nannten, in ver Sand hielt, ift als Iahresfinnbilo der Panegy-
rienzweig, und da Melfart, wenn er anders mit Chon einerlei iſt, woran
Herodot, der fih die Mühe gab, die Sache zu [unterfuchen, gar nicht
zweifelte, ebenfall8 Herr ver Panegyrien ſeyn mußte, fo leuchtet von felbft
ein, daß die griechifchen Panegyrien leicht auf ihn bezogen werben konn⸗
ten als ihren Gründer, wad nur bei ven Pythiſchen nicht ver Ball war.
*) Berobot erzählt (7. 167) von dem Farthagifchen Feldherrn Hamikar, welcher
gegen Gelon in Sicilien focht: Die Karchevonier erzählen, daß die Bars
baren mit den Sifeliern von Morgen bis Abend gefochten, Amilfas aber
(König der Karthager, Sohn eines Karthagers und einer Syrafufanerin)
im Lager um einen glüdlihen Ausgang des Treffens geopfert habe, ganze
Thiere auf ben Scheiterhaufen werfend, und felbft, als die Seinen flohen,
in das Feuer geftürzt, und fo verſchwunden fey. Die Karchedonter opfern
ihm und haben ihm in ihren Eolonieen Denfmäler errichtet, in Karchebon
jelbft das größte. Die Verehrung eines Heros iſt in Karthago durchaus
nicht zu erwarten, und bie Aufopferung eines Königs in ber angegebenen
Meife unter den erzählten Umftänden unglaublich, wenn berfelbe nicht feig
und rathlos war. Worauf ſich Athenagoras (12. 6) ſtützie, als er dieſen
König einen Gott der Karihager nannte, wißen wir nicht; aber entweber
iſt die Verehrung Hamilfars eine falfche Erfindung, oder er war wirklich
ein Bott. Seinen Namen hat er von Moloch, dem Könige, und zu biefem
paßt die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen, denn der abgelaufene Zeit⸗
freis wird bilplich verbrannt. Nahe lag es, was den gleichnamigen Bolt
betraf, auf den König überzutragen. Man könnte, um ein Heroenthum
wenigftens zu Karthago zu beweifen, die Philänen Berbeiziehen. Aber das
bekannte Märchen von den zwei Philänen, und ihren Altären auf ber
Graͤnze zwifchen Karthago und Kyrene, begründet feinen karthagiſchen
Hervendienft, denn dieſer Name iſt mythiſch auf Menfchen übertragen,
während er nur die Scheidung, Trennung beider Staaten brzeichnet, und
bie zwei Altäre zur Andeutung der zwei anelnandergrängenden Länder diene
ten, bie Graͤnze heiligend und unter goͤttlichen Schutz ſtellend.
Moloch, Melkart, (Melitertes, Herakles). 8307
Was es mit ver Todtenfeier der Heroen bei dieſen Panegyrien auf fi
babe, zeigen grade dieſe letzten fehr veutlih, denn fle find Spiele zu
Chren des getödteten Python, eined Drachen, den Apollon erlegte, und
von deßen Mord er fich in Kreta durch Chryfotbemis reinigen ließ, was
fonft bei Uingeheuern nicht nöthig war. Andere verfuchten fogar bei
Python zu einem Menfchen zu dichten, welchem man freilich mit mehr
Fug hätte Toptenfpiele halten Eönnen. Da Delphi dem Apollon gehörte,
und ver Sieg deflelben über ven Python an dem Panegyrienfeft gefeiert
ward, fo unterlieg man ed, den Herakles einzumifchen, und doch miſchte
man ben Diomedes ein, von welchem Paufanias (MI. 32. 2) angiebt, er
habe zuerft den Apollon den pythifchen Wettkampf gegründet. Zeitperiv⸗
ven aber, größere und Eleinere, zu feiern und durch ſinnbildliche Hand»
lungen abzufchließen und zu bezeidmen, war etwas fehr Verbreiteteß,
und Fam häufig vor. Don den Mhobiern 3. B. meldet Feftus (Artikel
Detober): Sie werfen jährlid; dem Sonnengstte geweihte Biergefpanne
in das Meer, meil verfelbe auf einem ſolchen Wagen vie Welt umfährt.
Es war alſo ein Iahresfeft, an welchem das alte Jahr finnbilpfich als
ein vergangened weggeichafft ward.
Herakles erfcheint in Lydien bey Omphale, der dortigen Königin,
in Weichlichkeit und Ueppigkeit, und vermwechfelt die Kleidung mit ihr.
Johannes der Lydier in feiner Schrift über die röomiſchen Obrigkeiten
(11. 64) fagt, Herakles Sandon Habe ein röthliches Gewand, wie es
die Lydierinnen trugen, mit Sandyr gefärbt, angehabt; Agathias aber
meldet im zweiten Buch, es werbe überliefert, Herakles habe bei den
Perſern Sande geheißen. Wäre Sandes over Sandon wirklich perftfchen
Urfprungd, dann würde an ven Melkart nicht zu venfen feyn; doch iſt
auf diefe Angabe nicht zu bauen, denn es kann dad perſiſche Reid
gemeint feyn, in welchem Gottheiten anderen als perſiſchen Urfprungs
zu finden waren. Der fyrifhe König, welcher nach Kilikien geht und
Kalenverid gründet, wird Sandakus genannt, welcher Name wenigftend
dem Klange nach Nehnlichfeit mit dem des Sandon ober Sandes hat.
Die Verkleidung eined Mannes in ein Weib fiheint in eine Feier ber
Naturreligion zu gehören, und folche Verkleidung ift im Moſaismus ver⸗
boten, noch bei Melkart if nichts befannt, was und veranlaßen koͤnnte,
diefen fogenannten Sandon= ober Sanved= Herafles im Frauenkleid und
in Weichlichkeit verfunfen für ven Mekart⸗Herakles zu halten, und ihm
femitifchen Urfprung zuzuſchreiben. Cher Tönnte man an eine Form
sed Dionyſos, des Weichlings im Safranfleive, denken, auf welchen
Alles paßen würde. Nur ift nicht abzufehen, wie man zur Verwech-
felung des Sandon mit Herafles gefommen wäre, da Dionyſos fo befannt
war. Dazu kommt, dvaß Mellart nie als androgynes Wefen erfiheint, fo
daß Hiefer Sandon, worin man den Herakles erbliden wollte, eher ver
20*
308 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles).
androgyne Gatte der großen Mutter geweſen feyn möchte, gleich einem
Adonis, Atted, einem weichlichen Ninos, und daß man ven Melkart, als
den der großen Lebensmutter Verbundenen mit dem ebenfalld der großen
Bdttin verbundenen Sandon verglich, denn bei den Griechen reichte ein
ſolches Verhältniß vollkommen hin, um ſolche Zufammenftellungen und
Spentifteirungen zu bewirken. Bei dem Heraklesfeſt der Antimachien auf
Kos, welches im Brühling gefeiert ward, legte der Priefter, wie Plutarch
in den griechifchen Fragen (58) angiebt, ein Frauenkleid an, fo daß
alfo ein androgynes Verhältnig auf Melfart übertragen felbft in ven
Tult Eingang gefunden hatte. Herakles hatte ſich, ſo gab die Legende
an, bei einer Thrakerin in einem Weiberkleid verſteckt, als er von den
Meropen hart bedraͤngt ward, und that daher zum Andenken daran, als
er ſich mit der dortigen Königstochter Chalfiope vermählte, ein blumiges
MWeiberkleivd an, woher ver Brauch flammte, daß die Bräutigame auf
Kos ihre Bräute in Weiberkleidern empfangen. Hier ſehen wir das
Fremde des Cults durch die Thraferin angedeutet, wie in dem Moloch⸗
eult zu Erythrä. Daß ihm auf Kos auch Todtenopfer dargebracht
wurden, ſtimmt mit den Todtenopfern das Melkart vollkommen überein.
Euſebius in ver Ehronif (497) ſagt, die Phoniker benennten ven Herakles
mit dem Beynamen Deſanaus, und ſo werde er noch bei den Kappadokern
und Iliern genannt (für Deſanaus kommt aber auch vor: Deſinas,
—* Definaus, Doſinaus, Deſonaas). Synkellos aber bemerkt,
deralles heiße bei den Phönifern Diodas, und werde noch fo genannt
yon den Kappapofern und Iliern. Da wir in biefer Verwirrung der
verſchiedenen Formen eines Namens gar nicht wißen, welche die rechte,
oͤder ob eine von allen angegebenen die rechte ſey, ſo kann uns dieſe
Angabe des Euſebius nicht zu einer Vermehrung unſerer Einſicht in das
Weſen des Melkart dienen. Die Amathufler auf ber Inſel Kypros ver⸗
ehrten den Serafles, fagt Heſychius, unter dem Namen Malifa, *)
d. i. Moloch ohne ven Zuſatz, weldher in Melfart enthalten ift.
Als Abwehrer ver Heufchreden verehrten die Detier den Herafleß,
und als Vertreiber ver Weinftodwürmer die Erythräer, wie Strabo (613)
melbet. Wenn wir nicht von Erythrä wüßten, daß der Melkartcult dort
geiwefen ‚ müßten wir boch in dem Abmehrer der Würmer venfelben
erkennen; denn bie Richtgottheiten fenven ſchädliche Infecten, Mäufe und
dergleichen, und man fleht zu ihnen um Abwehr verjelben, wie auch
Zeus, ver Himmelsfünig, felbft von den Griechen als Mückenabwehrer
angerufen warb, und Baal bei ven Semiten als Baalſebub in gleicher
“m Balls dieſes nicht ein Accuſativ von einem Nominativ Malix feyn ſoll, wie
es wahrſche inlich if.
Moloch, Melklart, (Meliktertes, Herakles). 309
Eigenſchaft. Daß aber dem Herakles die warmen Quellen geweiht
waren, geht nicht auf Melkart, fonvern betrifft ihn als einen ver idäiſchen
Daktylen, die mit den Patäfen nichts gemein haben. Doch Eönnen wir
und der Frage nicht erwehren, wie man dazu gefommen, aus Herakles
einen idäiſchen Daftylen zu dichten, mozu ver Heros Herakles fo wenig
geeignet ift, daß man vie Möglichkeit einer folchen Dichtung nicht begreift,
fo daß wir annehmen müßen, man babe aus Melfart einen Daktylen
gedichtet. Ueber die Daktylen waren die Alten in ihren Angaben nicht
einig. Wir Iefen bei dem Scholiaften zu Apollonios dem Rhodier
(zu V. 1126 und 1131) folgende Nachrichten als Erläuterung zu den
Verſen: Sie (die Argonauten) riefen die Mutter, die dindymiſche, an, die
Einwohnerin Phrygiend, und zugleich ven Titias und Kyllenos, die allein
die Schickſalslenker und Benfiger ver idäiſchen Mutter find, fo viele ed
fretifhe, ipäifche Daftylen giebt, die einft die Nymphe Anchiale in der
piftäifchen Grotte hervorbrachte, mit beiden Händen Dearifche Erde raffend,
Hierzu nun bemerft der Scholiaft: Der Dichter folgt dem Menandros,
welcher fagt, daß die Milefter, wann ſie ver Rhea opfern, zuvor dem
Titia8 und Kyllenos opfern. Kalliftratos im zweiten Buche feiner Geſchichte
Herakleia's fagt von Titiad: Er ift ein einheimifcher Heros, den die Einen
zum Sohne des Zeus fabeln, die Anderen zum älteren Sohne des Kim⸗
merierd Mariandynos machen, durch welchen das mariandymiſche Volt zu
Glück und Seegen gelangte, und der von demfelben dafür vergdttert
ward. Ihre Abkunft von Anchiale nahm er von Stefimbrotos, ver angab,
fie feyen Daftylen, d. i. Finger, genannt worden, weil fle durch ihre
Finger geglitten. Sophofles aber nannte fie Phrygier. Weiter heißt es:
Der iväifchen Daktylen ſollen es ſechs und fünf geweſen ſeyn, von welchen
die rechten männlich, die linken weiblich ſeyen. Pherekydes aber ſagt,
der rechten feyen es zwanzig, der Iinfen zwei und dreißig. Sie waren
aber Zauberer; und fie follen die erften Eifenarbeiter und Bergwerker
gewefen feyn, und iväifche hießen fie von ihrer Mutter Ida. Die Linken
waren, nach Pherekydes, die Zauberer, die Rechten aber, nad) Hellas
nikos, die Zauberlöfer. Andere fagen, fie wären iväifche Daktylen genannt
worden, weil fle, im Idagebirg mit Rhea zufammentreffenn, vie Göttin
bewillfommt und ihre Singer berührt hätten. Mnaſeas aber im erften
Buch über Aften giebt an, ven Namen hätten fie von ihrem Vater
Daktylos und ihrer Mutter Ida. Der Dichter der Phoronid aber fchreibt:
Wo die Zauberer, die Ipäer, die phrygifchen Männer wohnten, Kelmiß,
Damnameneud ver Große, und der übermächtige Akmon, vie Funftge-
ſchickten Diener der Berggdttin Adraſteia, die zuerft in ven Bergthalen
nie Kunft des Kephäftos, das dunkele Eifen in das Feuer zu bringen,
erfanden, und fchöne Werke machten. Heſtod bei Clemend dem Alexan⸗
driner in den bunten Schriften (1. ©. 132) nannte einen derſelben Skythed,
310 Moloch, Melkart, Melikertes, Herakled).
einen Phrygier, der das Eiſenſchmelzen erfunden (den Stahl nannte man
ſtythiſch). Strabo (10. 3) meldet: Die am Fuß des Ida hauſenden
erſten Bewohner ſollen idäiſche Daktylen geheißen haben, gleichſam an
den Zehen des Berges wohnend. Sophokles aber meint, es habe zuerſt
fünf maännliche gegeben, die das Eiſen und feine Bearbeitung und vieles
für das Leben Nügliche erfanden, und fünf Schweftern verfelben, und
fle ſeyen nach ihrer Zahl Finger genannt worden. Andere fabeln auf
andere Weife, Ungewißed mit Gewißem verfnüpfenn, und nehmen ver-
fhievene Namen und Zahlen an, ald Kelmis, Damnamenend, Herakles,
Akmon, und die Einen nennen fie einheimifch am Ida, die Andern ein-
gewandert, Alle aber flimmen überein, daß fie zuerft Eifen im Ida
bearbeitet haben. Auch nehmen Alle an, daß fie Zauberer gewefen, daß
fie der Söttermutter angehört und am Ida in Phrygien gemohnt hätten.
Abkoͤmmlinge von ihnen follen die Kureten und Korybanten feyn, und
bie erften Hundert Männer in Kreta feyen Daftylen genannt worden, von
ihnen flammten neun Kureten, und jever berfelben babe zehn Kinder
erzeugt, die man bie idäiſchen Daftylen genannt babe. *)
Als Rhea den Zeus gebohren, erzählt Paufaniad (5. 7. 4.), gab
fie das Knäblein ven idäiſchen Daktylen und den Kureten zu hüten.
Diefe kamen vom Fretifhen Ida nach Elis, nämlich Herakles, Päonäos,
Cpimedes, Jaſos und Idas. Herakles, der Aeltefte verfelben, veranfaltete
einen Wettlauf, und fo ward er der Urheber ver olympifchen Spiele, vie
alle fünf Jahre gefeiert wurben, weil e8 fünf der Brüber waren. Der-
ſelbe melvet (5. 14. 5), daß Herakles unter vem Namen Beyſteher einen
Altar zu Olympia gehabt, ebenfo feine Brüder, daß aber ber Altar des
Jaſos auch der des Akeſtdas genannt werde. Wir ſehen alſo bie Finger
der Hand als Eifenfünftler im Idagebirg perfoniflcirt, und dieſelben auch
au Bauberern und geſchickten Heilfünftlern gebichtet, auf welches Letztere
fi die Namen Päonäos, Jaſos und Akeſidas beziehen, welche alle drei
den Heilenden bezeichnen, währenn Cpimedes den Welfen im Allgemeinen
bezeichnet. Die ervichteten tnäifchen Metallkünſtler, die zugleich Heil⸗
Diodor (5. 64) erzählt: Die erſten Einwohner Kreta’s am Ida waren bie
fogenannten iväifchen Daftylen, die Manche zu hundert angeben, Andere
zu zehn nach der Zahl der Finger. Manche, darunter Ephoros, fagen, fle
feyen yom Ida in Bhrygien mit Minos nad Buropa gegangen, feyen
Zauberer geweſen, die Befcgwörungen, Weihen und Myſterien gebflegt,
und, auf Samothrafe weilend, Staunen erregt hätten, wie auch Orpheus
ihe Schüler gewefen fey. Auf Kreta hätten fie den Gebrauch des Feuers,
wie den bes Erzes und Eifens im Lande der Apterier am Berekynthos
erfunden, und einer berfelben, Herafles, habe das olympifche Kampffpiel
eingefeßt. Die Frauen aber fangen noch mit diefes Heraklles Namen
Beſchwoͤrungen an uns binden YUmulete um.
Moloch, Melkart, (Meltkertes, Heraklee). 811
künſtler ſind und Zauberer, gehören als mythiſche Diener der groflen
Bergmutter in Phrygien an, weil das Metall aus dem Ida gewonnen
wird, welcher ihr als eigen gilt, und wie die kretiſchen Diener des Zeus,
die Kureten, mythiſche Diener wurden, fo auch dieſe Daktylen, denen eine
göttliche oder daͤmoniſche Bedeutung, ald in ihrem Weſen begründet,
zuzufchreiben und nichts berechtigt. Bey einem folchen Verhältniß brängt
ſich und vie Frage auf, wie ed möglich geweien fey, ven Herakles zu
einem idäiſchen Daktylos zu dichten. Als Heros eignete er fich nicht
dazu, ba weder Schmiebearbeit, noch Zauberei und Heilkunſt mit dem
Heroenthum etwas gemein haben. Ebenſo wenig konnte man in Melt«
fertes einen Schmied oder Arzt erbliden wollen. Da man ihn deßen
ungeachtet unter vie Daktylen gerechnet hat, fo ift dies nur erklärher,
wenn wir annehmen, er fey auf vemfelben Wege Daktylos geworden, wie
er zum androgynen Sanvon, dieſer Form der Adonis⸗ ober Attesb⸗Idee
ward. Melifertes war der großen Lebensmutter verbunden, die wir in
Theben als Galinthias erbliden, und wollte man ihn nach Phrygien und
Lydien übertragen, jo mußte er eine dort bekannte Stellung zur daſigen
großen Goͤttin einnehmen. Auf viefe Weile ward er der androgyne
Sandon, weil derfelbe mit der großen Mutter verbunden war, und man
ihn alfo an deßen Stelle fchob. In Phrygien hatte die große Mutter
auch einen Liebling, um deßen Tod der Ruf nach Hylas Flagte und der
Lityerfed= und Bormod = Gefang, vaneben aber noch einen in enger Ver⸗
bindung mit ihr flehenden Gott, welcher bey ven Marianpynern unter
dem Namen Titias verehrt ward, wie denn auch Apolloniod der Rhodier
in der oben angeführten Stelle fagt, Titiad und Kyllenos ſeyen unter
ven Daktylen hie einzigen Moirageten und die Benfiger der idäiſchen
Mutter, denen, wie ber Scholiaft angiebt, vie Milefter am Welle ver
Rhea zuvor opfern, und fo war es natürlidh, wenn man ven Melikertes
mit ihr verbinden wollte, ihn zu ihrem Beyſitzer zu wachen, wie fie ſchon
einen batte. Hatte man nun dieſen fchon, weil man ihr mythiſche Dak⸗
tylen gevichtet hatte, zu einem Daktylos gevichtet, fo Tonnte es nicht
feblen, daß auch Herakles-Melikertes ein folder warb, indem man
meinte, jeder in enger Verbindung mit ihr Stehende müße ein Solcher
fen, was aber gar nicht auf dad Weſen bed fo Benannten fich zu
beziehen brauchte, fondern nur das äußere Verhältniß betraf. Daß
Hexrakles ven Hylas als feinen Liebling mitgebracht Haben fohte in jene
Gegend, verträgt fich recht gut mit der Annahme, daß Melfart in Vers
bindung mit ver großen Mutter kam in der Beveutung, die ibm neben
ver Lebensgbttin eigen if. Da man ihn aber unter bie. Daktylen .einges
reiht hatte, fo. wurde er auch ein Heilgott, und es gehörten ihm bie
warmen Heilquellen. Herodot (7. 176) meldet von einer foldden in ben
Ahermopplen: in biefem Eingang finden ſich warme Ouellen, von bey
312 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles).
Einheimifchen Chytren, d. i. Kochtöpfe, genannt, wobei ein Ultar des
Herakles fteht, und Diodor (5. 3) erzählt, Athene habe zu Himera tn
Sicilien dem Herakles zu Liebe die warmen Quellen erdffnet, und dieſer
Göttin fehrieb auch Pifanvder die warmen Quellen in den Thermopylen
zu, daß fie ſolche naͤmlich zu Gunften des Herakles gefchaffen, wie der
Scholiaſt zu des Ariftophanes Wolken (1050) angiebt. (Als von einer
ganz befannten Sache fprechen von ven herakleifchen Bädern Athenäus
Seite 513, Heſychius, Strabo Seite 172. Wenn Plutarch den Herakles
als einen Auffinder und Leiter der Quellen angiebt, fo tft das eine
Ausdehnung der Sache, vie äußerlich ‚hinzugetreten ifl.) Ob man bie
Daktylen ald Künftler zu Aerzten und SHeilzauberern gemacht, oder ob
man warme Mineralquellen als ihnen gehörig betrachtet habe, weil fie
über Metalle und das Innere ver Berge walten, und ob man fie darum
zu einer Art Heildaͤmonen gevichtet babe, Eünnen wie nicht mehr mit
Gewißheit beftimmen.
- Wie wir nun den Melikertes zu der phrygiſchen Göttermutter als
Wwäifchen Daktylos geſellt fehen, fo erfcheint er auch in Bootien ver
"Demeter zugegeben. Paufanias (9. 19. 5) erzählt: An ver Seefeite von
Mykaleſſos ift das Heiligthum der myFalefftfchen Demeter, von dem man
fagt, daß es für jede Nacht von Herakles verfchloßen und am Morgen
wieder gedffnet werde; dieſer Herafles aber ſey einer von ven jogenannten
idaͤiſchen Daktylen. In dieſem Tempel zeigt man au ein Wunder, man
legt naͤmlich die Früchte des Herbſtes vor die Füße des Gbtterbildes,
und dieſe bleiben dad ganze Jahr hindurch ganz frifh. In Arkadien,
meldet Paufaniad (8. 31. 1), zu Megalopoli fand fi vor ver Bild-
fäule der Demetes Herakles eine. Ele groß, der ein idaäiſcher Daktylos
geweſen feyn fol, wie Onomakritos fagte. Eine Vereinigung des iväifchen
Daktylos Herakles mit Demeter ift fo auffallend, dad man fie Faum
begreifen Fann, wenn man nicht annimmt, man habe diefed Verhältniß
von Rhea entlehnt, mit welcher man in Böotien in nicht gar. fpäter Zeit
die Demeter zufammenzuftellen anfleng ; venn in dem fogenannten homeri⸗
fen Hymnus auf Demeter finden wir ſchon Rhea um diefe Göttin
befhäftigt, und Rhea war mit ver großen Göttin in Phrygien ſchon in
der Sage von den idäiſchen Daftylen auf Kreta. für Eind genommen
worden. Wir brauchen um fo weniger Bedenken zu tragen, an eine
folhe Vermiſchung des Demetercultd in Bbotien und zu erinnern, ale
wir daſelbſt auch ohnweit Theben eine Eabeirifche Demeter finden, und fo
auch anderweitigen Einfluß auf ven Cult viefer Gbttin in jenem Lande
finden. Eigen aber ift vie Befchäftigung, welche. von Herafles zu Myfa-
leſſos gemeldet wird, denn fie befchränkt fich auf einen bloßen Tempel-
dient. Zu Rom fand am ein und zwanzigften December ein gemein-
fames Opfer der Ceres und ned Hercoles Statt, beftehend in einem
Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 313
traͤchtigen Schwein (welches finnbilplich die Sruchtbarfeit bezeichnete), in
Broden und in Meth, wie Macrobiud (3. 11) angiebt. Wann viefe
Verbindung von Hercules mit Ceres entſtand und wer fle einführte,
wigen wir nicht, finden aber ven Melfart= Herafleömythus in ziemlicher
Ausdehnung in Italien. In dem griecdhifchen Mythus fchifft, wie wir
oben gefehen haben, Herakles in dem Kahne des Helios, und dieſen
Kahn faßte man, fen ed, weil Aehnlichfeit ver Form ven nämlichen
Namen für Kahn und Becher veranlaßte, fey es, daß bildliche Darftel-
lung die Bermwechfelung bewirkte, wiemohl das Erftere wahrfcheinlicher ift,
als Becher auf. So leſen wir bei Macrobius (5. 21): Der Skyphos
des Hercules ift ein Becher, ven Hercules aber ftellen die alten Bilpner
nicht ohne Grund mit einem Becher dar, und zuweilen ſchwankend und
trunfen, nicht allein weil er ein trunffücdhtiger Heros geweſen feyn fol,
fondern auch, weil eine alte Gefchichte fagt, Hercules fey in einem Becher,
gleich wie in einem Schiffe, durch den Wind über das unermeßliche Meer
gefahren; Panyaſis und Pherekydes jagen dieſes, daß er in einem Becher
nach Erytheia gefchifft fey, ich glaube jedoch, es fey ein Schiff gewefen,
das Skyphos hieß, da mehrere Bechernamen auch Schiffönamen find.
Sp weit Macrobiuß, der in demſelben Capitel meldet, Pherekydes erzähle,
Jupiter babe ver Alkmena, als er den Hercules mit ihr erzeugte, einen
goldnen Becher gefchenkt. Dieſes Geſchenk zeigt, wie ver aus dem Kahn
der Sonne entſtandene Becher in dem Heraklesmythus viel beachtet war;
denn biefer bat die Dichtung von jenem Gefchenf veranlaßt. Auch nad)
S$talien kam diefer vermeiutlicde Becher, denn Servius (8. 278) melpet,
e8 werde in alten Schriften berichtet, Hercules habe einen fehr großen
hölzernen Becher nach Italien gebracht, ven man gegen ven Wurmfraß,
mit Harz überzogen, aufbewahre, und ferner (12. 528) meldet er, daß
bie Priefter des Hercules bei ven Sabinern Cupenci hießen, was wir durch
das Wort Becherer zu überfegen berechtigt find. Sowie nun aus dem
menfchenverfchlingenvden Melkart oder Moloch die Dichtung von dem Viel-
eßer Herakles Fam, jo aus dem im Kahn fahrenden die Dichtung vom Becher
und daraus ganz natürlich die von dem trunfgierigen Heros, und daß
er den Mundſchenk Kyathos, d. i. Becher, bei Dineus, d. i. Weinmann,
fhmaufend erjchlägt, und ihm ein Seiligthum, alfo ein Becher - Heilig-
thum, des Serafled errichtet, gehört in dieſen Mythus. *) Bey ver
*) In Rom Enüpft fieh an die Sinführung des fremden Eults, die man mit
dem Zuge von Erptheia nach Sicilien und den Rindern verband, eine
Legende, welche diefe Ginführung als einen Streit darſtellt. Vulcanus'
Sohn, der feuerfbeiende Cacus, raubt einige diefer Rinder, Hercules
erihlug ihn, erbaute den fogenannten größten Altar, bei welchem dann
das Volk oft bewirthet ward, und dem man ben Zehnten weihte. Zwei
3a „Molsh, Melkart, (Melitertes, Heraklet).
Hereuledfeier der Ara Marima was man unbebedten Haupts, wie Macro-
bins (3. 6) meldet, während der rbmifche Gotteövienft beim Opfer Ver⸗
hüllung des Haupts erheifchte.e Ebenfo war es bei dem Dienfte des
Saturnus, wie Servius zur Aeneive (3. 407) angiebt (welcher aber ven
Arten Priefter beforgten ihn, die Potitier, d. i. die Mächtigen, unb bie
Pinarier, d. i. die Dürftigen, fo, daß er alfo zwei Claſſen ver Staats⸗
gefellfchaft vereinigte. Barca, des Cacus Schwefler, war die Goͤttin bes
immerwährenden Feuers, gleich Veſta (römifche Mythologie ©. 54), und
da das Feuer des Herbes das Heilige Unterpfand des Staatsbeflandes, wie
bes häuslichen Lebens war, fo müßen wir in Cacus den Feuergott in
diefem Sinne erkennen, fo daß jene Sage den Sag enthält, das Wiber-
fiteben ber beftehenden Geſellſchaft, durch Cacus, als den Mittelpunkt des
Staats dargeftellt, wird beflegt, und die frembe, niedrigere Claſſe ber
Mellarts Herculesverehrer erwirbt ſich gleiche Berechtigung in Rom. Ber-
geblich müßen freili unfere Bemühungen bleiben, über bie Ginführung
des Herculesdienftes in Italien zu einer beſtimmten Anficht zu gelangen,
woher er Fam und wer ihn einführte;, denn die Nachrichten find zu dürftig
und zu unbeflimmt, fo daß wir nur rathen, aber nicht wißen Fönnen.
In Tibur find Salier des Hercules, und Tibur galt für eine Golonie der
Argiver, zu Rom aber gehören die Argiver, von denen bas Todtenfeſt der
Argeen gefeiert warb, zu Hercules. Juno war zu Falerii eine der argi-
vifchen Hera gleiche Göttin, deren Zufammenhang mit dieſer nicht geläugnet
werden fann, und da Herafles mit Hera in Verbindung fland, weldje die
freie griechiſche Dichtung zu einer Feindſchaft machte, ſo fragt es fidh,
ob nicht der Herculesbienft in Verbindung mit dem Junodienſt nach Italien
gewandert fey. @s fehlt an Hülfsmitteln, über ſolche Eulteinführungen
in jenes Land mit Sicherheit zu urtheilen, doch ift es nicht unwahrſcheinlich,
daß dieſes gefchehen. Wäre vielleicht der Bejovis, der Kleine Gott mit
dem Pfeil, der Patäfe Hercules mit dem Pfeil; denn ein Eleiner Jupiter
mit dem Pfeil auf dem Bapitol bleibt eine fo feltfame Sache, daß man
ſich des Zweifels nicht erwehren fann. Der faturnifche Hügel wäre daun
auch recht gut ein Afyl gewefen, wo der fremde Bott die Fremden geſchützt
hätte. Ueberhaupt dürfte der Heine Zeus oder Jupiter nicht griechifchen
und römifchen Urfprungs feyn, fondern der Eleine Gott nur als ein Höchfker
Beus oder Jupiter genannt und ihm angeähnlicht worden jeyn; denn bie
Kindheit paßt zu einem Bater der Götter und Menfchen nit. In Kreta
tft ber fremde Einfluß unläugbar, und dort war der Feine Zeus zu Haufe,
und dort gab es ein Grab des Zeus, was doch allein auf einen Gott paßt,
welcher dem Dionyfos oder Adonis ähnlich iſt. In Rom, wo der Molochs⸗
eult unläugbar ift, tritt der Vejovis wenig hervor, und in Anrur hatte er
Strahlen um das Haupt, die wenig für den Supiter, aber gleich den
Pfeilen trefflich für den Moloch paßen. Auch die Patera, die er hatte,
und die fich nirgends gehörig für Zeus ober Jupiter eignet, könnte aus
dem Molodh = Herakless Becher, dem Schiffe, worin der Patäfe führt, ent:
Banden feyn.
Moloch, Melkart, (Melikertes, Heraklet). SLS
Tempel des Hercules flatt der Ara Marima nennt). Ja, es fcheint fogar
ein eigener Ausdruck für dieſe Hauptentblößung beftanden zu haben, denn
wir lefen bei Paulus Diaconus (10. ©. 88): Licht machen heißt es
von Denen, weldhe dem Saturnus opfern, was bedeutet; dad Haupt
entblößen. Macrobius (1. 8) fagt: Man Habe dem Saturnus mit
unbedecktem Haupt geopfert, weil es zuerft fo von den Pelasgern und
dann von Hercules geſchehen fey. Veftus fagt (14. 28. ©. 132): Es
deute biefer Brauch auf die Zeit vor dem trojanifchen Krieg, und bezeugt
biefen Brauch ferner noch (15. 18. ©. 150). Es ift wohl Faum zu zwei⸗
feln, daß Saturnus, in fo fern ihm dieſes galt, init Hercules» Melfart
eins war, d. i. daß man ven Melfart Saturnud nannte, wie man ihn
in Griechenland Kronod nannte. Die Menfchenopfer des Saturnus,
welche Hercules abfchafft, find dann die Molochäopfer, die dem Saturnus
fo gut, wie dem Hercules gehören, und durch Milderung abgefchafft werden.
Cyrillus in feiner Schrift gegen ven Apoſtaten Julianus (4. ©. 128) fchreibt,
zur Zeit des Aberglaubens jenen bey den Nömern zu feftgefegten Zeiten
Gladiatorenfpiele gemwefen; ein gewißer Kronos (aljo Saturnus, da, wie
die Gladiatoren zeigen, von Rom die Rebe ift) fey dabey unter ver Erde
verborgen worven, den Mund unter dvurchlöcherten Steinen aufjperrend,
um fi) mit dem Blute der Fallenden zu bejubeln. Freilich fteht viefe
fpäte Nachricht völlig vereinzelt da, und Fann darum leicht verbächtig
ſeyn, da ein folhes Verfahren ja auch den andern Kirchenfchriftftellern
ſehr willfommen zu ihrer Verſpottung des Heidenthums geweſen wäre,
Wir hören auch niemals, außer bey Lactantius (6. 20), daß die Gla⸗
diatorenſpiele mit Saturnus in Verbindung ſtanden, und die Kirchen⸗
ſchriftſteller reden in Rom nur von den Menſchenopfern des Jupiter
Latiarid an dem Belt ver Latinerferien, vie aber Feine Menſchenopfer im
wahren Sinne des Wortes waren, denn die Kimpfer mit wilden Thieren,
die Beftiarii, find gemeint, wie Tertullian in der Apologie (9) auds
drücklich angiebt, ſowie auch Minucius Felix (30. 4) fagt, ver Gott
labe fih an dem Blute eines ſchlechten und fträflichen Menſchen, und
Beide nennen ed nur ein Homicidium, eine Menfchentöbtung; aber es
war doch nur die eines von Rechtswegen zum Tode verurtheilten Mißes
thäterd. Ob überhaupt dem Iatiarifchen Jupiter je Menfchenopfer dar⸗
gebracht wurben, ift ebenfo unerwiefen, als unermeislih. Als möglich
fann man es gelten laßen, wir mißen ed aber nicht, da Niemand es
bezeugt. Daß man aber ven Gräuel der Menfchenopfer in ver Weife
milverte, wie er in Betreff des Iatiarifchen Jupiters gemildert worden
wäre, wenn biefer früher Menfchenopfer erhalten hätte, nämlich durch
die Darbringung eined verurtheilten Mipethäters, zeigt ſich gerade bei
Kronos auf Rhodos, wo laut Porphyrius (über die Enthaltfamfeit 2. 54)
am ferhsten Juli dem Gott ein Menſch geopfert wurde, ber, zum Tone
316 Moloch, Mellart, (Meliktertes, Herakles).
verurtheilt, zum Opfertage aufgefpart ward, und zum Tempel ver
Ariftobule geführt, mit Wein getränft und getöntet wurde. (Diefed hatte
freilich die gehörige Form des Opfers, die Thierfämpfer am Jupiterfeft
erinnern nicht einmal an ein eigentliches Menfchenopfer.) Der Schein
wenigſtens ift vorhanden, daß der nad Rom gedrungene Molocheult auf
Saturnud Einfluß Hatte, und daß mie Kronos und Herakles nebfl
Melikerted in Griechenland, fo Saturnus und Herculed in Rom, Erfterer
zum Theil, Letzterer ganz dem fremden Einfluße angehörte. Das Son-
nenfhiff gehörte dem Patäfen, der zu Herluled ward, und ein Schiff
zogen auch die Römer in vie Sage ded Saturnud. Janus, fo heißt e8
bey Macrobius (Saturn. 1. 7), nahm den zu Schiff nad Italien kom⸗
menden Satumud auf, lernte von ihm Feldbau, und entfernte dadurch
den wilden Zuſtand. Zum Danf theilte er die Herrfchaft mit ihm. Da
er zuerft Geld prägte, zeigte er auch dabey Verehrung des Saturnug,
indem er auf die eine Seite des Geldes das Bildniß feines eigenen Kopfes,
auf der andern ein Schiff darftellen Lie, weil Saturnuß auf einem
Schiff gefommen war. Mag viefed nun eine Deutung oder nicht ſeyn,
jo erjehen wir zum mwenigften daraus, daß man den Saturnus mit dem
Schiff in Verbindung bringen zu dürfen glaubte, und da dad Aerarium
al3 dem Saturnus geweiht galt, fo ift e8 um fo natürlicher, daß man
das Schiff auf dem Gelve auf ihn bezog. Seine Ankunft in Italien zu
Schiffe ift nur eine hiſtoriſche Erklärung, welche aber die Sache nicht
erflärt, da fie eben nur zur Deutung des Schiffes erfunden if. Hatte
aber der phönififche Gott Einfluß auf ven italifhen Saturnusmythus
und Eult, wie in Griechenland er als Kronod galt, der ja mit Saturnus
ganz einer und derſelbe Gott feyn folte, dann Fonnte recht gut das
Sonnenſchiff auf das Geld geprägt werden, und lernte man durch den
fremden Gott, vd. h. von Denen, die ihn einführten, das Prägen des
Geldes, fo erklärt fich die Sache vollfommen, und es gehört alsdann
dad Aerarium dem Saturnus mit allem Recht. Die Lua, vie Göttin,
oder Perfonification der Buße und Zahlung, ward, wie Gelliud bemerkt,
in Gebeten ald die Lua des Saturnus angerufen, und wenn wirfli dad
Geld fo ganz und gar, wie e8 der Fall zu feyn jcheint, an den Saturnus
geknüpft war, fo ift dieſes Verhältnig ganz natürlid. Die Saturnalien
tragen auch eigentlich nicht den Charakter des Erndtefeites, fondern eines
Beitperiobenfeftes, und zwar eines Jahreöfeftes, welches ven Schluß des
Jahres feiert, und da es die Zeit zum Gegenftann hat, am richtigften
dem Zeitgotte gehört. Wichtig würde ed für die alte italifche Gefchichte
fegn, wenn wir im Stande wären, Zeit und Umftände ver Einführung
„ des ſemitiſchen Gottes zu ergründen; wir vermögen dieſes aber leider
nicht, fondern find ganz im Dunkeln über dieſen Punft. Der Dienft ver
Ara Darima zu Rom zeigt den Hercvles devWeh ala einen Schüßer bed
Moloch, Melkart, (Melitertes, Serakled). 317
geringeren Volkes, und er mag als frember Gott zuerſt ver Schüßer ver
Fremden gewefen feyn, ver Sclaven, vie aus der Fremde kamen, und
bann ver Geringeren überhaupt, und muß man auch nicht annehmen,
daß der Zehnte auf diefer Ara Marima geopfert ward (fogar alle zehn
Tage, wenn e3 recht gehalten warb), nach tyriſchem, d. i. nach dem
femitifchen, dem Moloch zukommenden Brauh, fo ift ed doch fehr
wahrfcheinlich.
Der achte Patäfe war Esmun, welcher Name nicht weiter, als
eben ven Achten bezeichnet (Schmini beißt im Hebrätfchen ver Achte).
Diefer war auch unter den Patäfen in Aegypten unter dem Namen
Imatep, d. 1. Ich Eomme zur Darbringung. Die Griechen verglichen ihn
mit ihrem Seilgotte Asklepios, woraus wir erjehen, daß er ein Heilgott
gewejen feyn müße. Seinen Tempel zu Kartbago, ver auf der Spike
der Burg fand, nennt Appian (punifche Thaten VII. 130) einen ſehr
glänzenden. Die Priefter dieſes Gottes im römifhen Karthago trugen
nad Tertullian (über dem Mantel 4) einen vieredig zugefchnittenen
Mantel, ähnlich vem der Philoſophen, und griechiſche Schuhe. Dies ift
Alles, was über viefen Gott und feine Verehrung gemeldet wird. Bey
der feftftebenden Zahl ver fleben Patäken war e8 fonderbar, einen Achten
hinzuzufeten als Seilgott; da man aber den Patäfen ald einen folchen
Gott nahm, jo mußte man ihn auch in diefer Hinftcht befonverd hervors
heben, fo daß er dadurch ein eigner Gott warb, und wollte man ihn
nur zu den Patäfen zählen, da er ja ein folder war, fo fand man,
Scheint e8, nicht unrecht, zu der geichloßenen Zahl von fteben, als ven
Achten hinzuzufügen, und ihn mit diefem Namen zu bezeichnen. Warum
man den Patäfen, ven Gott des Tags, zum Arzte vichtete, Täßt fich gar
nicht mit Beftimmtheit, fo weit zu einer folhen Thatfachen oder Zeugr
niße gehören, jagen, doch nicht ohne Wahrfcheinlichfeit errathen. . Wohl
ift ver Verlauf mancher Krankheit an eine beftimmte Zeit gebunden, doch
kann auch der Tichtgott als Arzt erfcheinen, wie bei ven Griechen Asklepios
aus dem Feuer geboren ift, und den Beynamen des Glänzenden hat.
Mag daher ver Tag ald Licht, mag die Zeit in Betracht gezogen worden
feyn, die Sache felbft, daß ver Patäfe Heilgott war, ftebt feft. Spätere
armfelige Deutung und Fabelei verwechfelte ihn fogar mit Attes. Damas-
eins im Leben Iſidor's bei Photius (©. 513) erzählt von Asklepios in
Berytos. Sadykos hatte Söhne, die man ald Diosfuren oder Kabeiren
erklärte, und der achte zu dieſen war Esmunos, den man als Asklepios
beutete, ein fehr jchöner Jüngling, geliebt von Aſtronos, ver phönikifchen
Goͤttin, der Mutter der Gdtter. Als er auf ver Jagd ſich von ihr ver-
folgt fah, hieb er ſich mit einem Belle vie Mannheit ab, fle aber rief
pen Plan, und machte den Sungling, ihn mit der lebenerzeugenden
Wärme anfachend, zu einem Gotte, Csmunos von ven Phönikern genannt
318 Alilat. Drotal.
wegen der Lebenswaͤrme; Andere aber deuten den Edmungs als den Achten,
weil er der achte Sohn des Sadykos war.
Der Cult des Moloch war auch bey den Solymern verbreitet, und
Eufebius (Evang. Vorbereitung 5. 5) fagt: die Solymer ehrten fehr ven
Kronos, als er aber ihre Anführer Arfalos, Arytos und Toſibis getübtet,
floh er, wohin, wißen fle nicht zu fagen, boch warb er nun vernach⸗
läßigt; ferner feyen nun Arfalo8 und die Andern ald Sfiren - Gbtter
(Plutarch fagt: harte Bdtter) angeredet worden, und die Lykier fluchten
bei ihnen dffentlih fowohl, als auch im Privatleben. Plutarch nennt
jene Arſalos, Dryos, Trofobins, und Suidas jagt Toſibis, ein Gott,
der — bier aber tft ver Name des Volkes verloren gegangen. Aus dieſer
dürftigen Nachricht vermdgen wir nicht etwas über ben Cult des ſemi⸗
tifhen Botted zu gewinnen, denn wenn man auch vie Sache filh fo
denken wollte, der Molocheult fey durch lykiſchen Einfluß verſchwunden,
jo fünnten wir, wäre ſolch ein Einfall fogar mwahrfcheinlich, noch daraus
feine Ginflcht gewinnen. Ueber die Namen Arfalos u. f. w., die nicht
einmal gleichmäßig angegeben werben, laͤßt fich nichtd weiter fagen, als
daß wir fle nicht verftehen.
Die Araber verehrten nach Herodot (3. 8) die große Lebensmutter
Alilat
und den mit derſelben in Verbindung ſtehenden Gott
Orotal.
Herodot nämlich erzählt: Die Araber achten geſchloßene Treue, wie
nur Menſchen zumeiſt e8 thun, und ſie fchließen viefelbe auf folgenve
Weiſe: Wann Zwei einen Treubund machen wollen, ftellt fich ein Anderer
mitten zwiſchen Beide, und fehneivet ihnen an den Daumen in die Hand;
bann nimmt er eine Ylode von eines Jeglichen Kleive, und beftreicht
vermittelt derſelben mit dem Blute fleben mitten zwifchen ihnen befind⸗
lichen Steine, wobei er den Dionyfos und die Urania anruft. Iſt dieſes
geichehen, ſo übergiebt der, fo die Treue gefchloßen, den Fremden, oder
den Bürger, mit dem er die Treue gefchloßen, feinen Freunden, und
diefe halten ſich auch zur Treue verpflichtet. Dionyfos aber und Urania,
glauben fie, feyen die einzigen Götter, und fie fangen, daß fie ſich bie
Haare fo ſcheeren, wie Dionyfos geſchoren tft; denn fle ſcheeren fie zu
einem Kreis, indem fle fie an den Schläfen abſchneiven. Den Dionyſos
nennen fie Orotal, bie Urania aber Altlat.
Arrian in der Beſchreibung des Alexanderzuges (7. 26) jagt: Man
behauptet, weil Alexandros horte, die Araber verehrten nur zwei Gbtter,
den Binnmel (Uranot) und ven Dimsies, (a Habe er begehrt, fie mächten
Alilat. Orotal. 319
ihn als Bott dazu annehmen, da er nicht geringere Thaten verrichtet
habe, als Dionyfos. Diefe Nachricht Hat wenig Werth, und beſagt über
den Götterglauben der Araber nichts Anderes, ald was Herodot und
überliefert bat, nur daß biefer etwas Nichtiged dem Suchverhältnig
gemäß angiebt, Arrian aber, ven Uranos flatt der Urania nennen, eine
Auslegung einmifcht, welche die Sache halb unwahr macht.
Daß Alilat die große Lebendmutter fey, gebt aus ver Vergleichung
mit Urania hervor, und ber Name flammt gewiß aus derfelben Duelle,
woher der der Mylitta Eommt, da in dem Semitifhen dad m oft im
Anfang des Wortes als VBilpungsmittel vorgefeht wird. Or ober ur
beveutet im Semitifchen Licht, doch Ffünnen wir die wahre Bedeutung bes
Namens nicht angeben, denn wir fünnen ihn für Eeinen andern Gott
ausgeben, ald wofür ihn Herodot audgiebt, ver nur einen ſterbenden und
wiederauflebenden Seegendgott, wie Oſtris und Adonis welche waren,
mit Dionyſos vergleichen Eonnte. Demnach würden Orotal und Alilat
ganz dem Adonis und der Aphropite, fowie dem Oſiris und der Iſis
entfprechen. Heſychius meldet nach Iſidoros, daß die Nabatäer den
Dionyſos Dufares nannten, und Tertullian (Apologie 24) fagt, wie in
Syrien Atargatid, in Arabien Dufared, in Africa vie Urania, woraus
man fieht, daß diefer Name fehr befannt war. Stephanus Byzantiud
nennt den Berg und die Feſte Dufare, wo die Dufarener im Lande ber
Chatramotiten oder Adramiten wohnten, und giebt die Dacharener als
die DVerehrer des Dufared an.
Sp fehr aud die Berichte Herodot's zu beachten find, fo kann noch
ein folcher Ausſpruch, daß Dionyſos und Urania die einzigen Götter der
Araber geweſen feyen, nicht dahin gelten, daß wir jede andere Nachricht
abweifen. Die Lichtgottheit mit dem vorwiegenden Begriffe ver Zeit
erfcheint in dem ſemitiſchen @ult fo feitftehend und verbreitet, daß man
diefelbe auch bei ven Arabern vermuthen mag, und wie wenig immerhin
die auf eine folche hindeutenden Nachrichten Sicherheit darbieten mögen,
fo wäre e8 doch nicht recht, fie gang unbeachtet zu laßen, als feyen fie
der Erwähnung unwerth. Diodorus (3. 44) melvdet von dem arabifchen
Stamme der Deben, daß ſie gaftlih ſeyen, nicht gegen alle Fremden,
fondern nur gegen die Böntier und Peloponnefier, wegen ihrer alten
Verwandtſchaft mit ihnen von Herakles ber. Hatten dieſe Araber einen
fogenannten Serafles, fo war dieſer Fein Anderer ald Moloch. Von den
Banizomenen fagt Diodor (3. 43), fe lebten von ver Jagd, und hätten
einen von allen Arabern hochverehrten Tempel, und eine der drei Infeln
jenes Meerbufend ſey der Iſis geweiht, noch ſey fle ode, aber Nefte alter
Bauten feyen daſelbſt und Säulen mit barbariſchen Inſchriften. Auch
erwähnt er (44) eines tiſchfoͤrmigen Sügels, auf welchem drei ſehr hohe
Tempel von Obttern ſich befaͤnden, welche deu Griechen unbsfeunt ſeyen,
320 Aliat. Orotal.
welche die Einheimiſchen jedoch ſehr Heilig hielten. An der Küfte inner⸗
halb des poſeideiſchen Buſens war ein Palmwald, heißt es daſelbſt (41),
reich an Waßer, welches Alles umher grünen machte. Ein ſehr alter
Altar aus hartem Stein war daſelbſt errichtet, mit veralteten und unbe⸗
kannten Schriftzeichen verſehen. Prieſter waren daſelbſt Iebenslänglich
ein Dann und eine Frau, die auf Bäumen ſchlafen, aus Furcht vor den
wilden Ihieren. (So ähnlich erzählt auch Strabo 16. 4.) Alle fünf
Jahre Eommen vie benachbarten DVölkerfchaften in viefem Palmenwald
zufammen zu einer eftfeier, und opfern Hekatomben von fetten Eameelen
pen Göttern des Hains. Zugleich nehmen fie von dem bortigen Waßer
mit nach Haufe, weil e8 für gefund und heilfam gilt. Ein auf einem
Berge von Sefoftrid gegründetes Heiligthum ver Iſis erwähnt Strabo
(16. 4), welder auch von Vermählung eined arabifchen Stammes mit
den Müttern fpricht, fowie von Vermählung mit den Schweftern (©. 783).
Diefer Berichterftatter nennt (S. 784) den Helios, als einen von
den Nabatäern verehrten Gott, und fagt, daß ſie feinen Altar auf jenem
Haufe haben, und ihm täglich fpenden und Weihrauch brennen. Diefer
Helios koönnte Moloch feyn, oder ein Patäfe, wie auch der fogenannte
Helios zu On, oder Heliopolis in Aegypten, der fih ganz als ein Patäfe
fund giebt. Dann würden die drei Sauptgottheiten der Semiten, der
zeugende Gott, die große Mutter, und der Licht- und Zeitgott, der das
Leben zeitigt und an das Licht fördert, auch bei den Arabern ſeyn. Daß
Philoftorgius fagt, die Sabäer opfern der Sonne und dem Mond und
einigen einheimifchen Göttern, wollen wir weniger hoch anfchlagen, und
. e8 mehr beachten, daß Theophraſt in der Pflanzengefhichte (9. 4) jagt:
Man fchafft von allen Seiten Myrrhe und Weihrauch in das Heiligthum
der Sonne zufammen. Plinius aber (12. 14) giebt an, daß fle den
MWeihrauh nah Sabota, der auf einem hohen Berge Tiegenden Haupt⸗
ſtadt der Sabäer bringen, wo der Zehnte veflelben dem Gotte Sabid
nah dem Maaße, nicht nach dem Gewichte vargebracht werde. Diefe
Nachricht würde uns fogar einen der Namen des jo genannten Sonnen-
gotted geben, wenn er vollfommen zuverläßig wäre. Doch darauf kommt
e8 nicht an, fondern als das Wichtigfte erfcheint nur, ob die Araber aud)
einen dem Moloch entfprechenden Gott gehabt haben, und dieſes ift nicht
unwahrfcheinlih, denn man fteht nicht wohl ein, mie man einen Son-
nengott dafelbft hätte finden wollen, wenn nur ein fogenannter Dionyſos
und Urania die einzigen Gottheiten gemwefen wären. Daß die Araber
auch Menfchenspfer hatten, giebt Porphyrius an (über die Enthaltſam⸗
feit 2. 56), indem er fagt: Auch die Dumatier in Arabien opferten alle
Jahre einen Knaben, welchen fie unter dem Altar begruben, ven fte als
Bbtterbild haben. (Marimus Tyrius in ver achten Abhandlung [8] fagt:
Die Araber verehren, ich weiß nicht wen, das Bild aber jah ich, es war
Ylilat. Orotal. 321
ein vierediger Stein. *#) Wem viejed Opfer galt, koͤnnen wir nicht be=
flimmen, denn Menfchenopfer Eonnten jeder Gottheit dargebracht werben,
welcher Einfluß auf Leben und Seegen zugefchrieben ward. Hatten aber
die Araber auch ven Patäfen Moloch in ihrem Cult, dann möchte einiger
Grund vorhanden feyn, ihm die Panegyrie in dem Palmenwald, wovon
oben die Rede war, zuzufchreiben. Diefe feierte einen vierjährigen Zeit-
raum, und die Palme felbft war ein Sinnbiln des Jahres und des Zeit⸗
raumd. Eine andere Gottheit der Zeit und ihrer Fürzeren ober längeren
Räume, ald vie Patäfen, finden wir bei den Semiten nicht, und wenn
wir auch nicht behaupten koͤnnen, jenes Feſt babe ihm gegolten, fo tft
doch die Vermuthung, ed fey fo gemwefen, die einzige, weldde man mit
einigem Grunde darüber anftelen kann. Noch ift zu erwähnen, daß
Stephanus einer arabifhen Stadt Baifampja, welches Haus ver
Sonne bedeute, erwähnt, und der Name entſpricht dem der Stadt Beth⸗
Schemes in Juda, und beveutet allerdings Sonnenfladt. Doch daraus
auf einen Dienft der Sonne zu ſchließen, möchte gewagt feyn.
Bemerkung.
Man fonnte es feltfam finden, daß in Italien neben Hereules auch
noch Saturnus ald eine ähnliche Gottheit ſich fände, wenn man nicht
bevenfen wollte, wie leicht verfchievene Yormen, wenn auch nicht unmit⸗
telbar nebeneinander entftehen, doch auffommen und beftehen Eonnten,
und daß gerade SHerafled und Melifertes in Griechenland ein folches
Benfpiel gewähren. Allerdings ift es wahrfcheinlich, Daß Saturnus mit
der Sichel eine italifche Erndtegottheit war, welchem das Erndtefeſt
gefetert warb, und daß man mit ihm Ideen aud dem Kreile des Melkart
verband, wie die oben angegebenen Thatfachen fie angeben. Den
Anknüpfungspunkt hätte das Erndtefeſt als ein Jahresfeſt geben fünnen,
da Melkart- Hercules ein Jahredgott war als Zeitgott, und wirklich
fieht man auch nicht ein, wie ein Erndtegott fonft überhaupt ein Zeitgott
hätte werben Fünnen, für welchen ihn doch die Vergleichung mit Kronos
außgiebt, fomwie auch das goldene Zeitalter ald das einer fernen Vorzeit
ihm nur als einem Zeitgott zufommen kann. Dabei ift auch nicht zu
überfehen, daß der mirffiche tyrifche Melkart zu Carthago geradezu als
*) Suidas, den Dufares fälfchlicy Gott Ares nennend, fagt, der vieredige Stein
fey vier Fuß Hoch und zwei Buß breit. Clemens der Alerandriner in ber
Grmahnung ©. 13 fagt, die Sfythen beteten das Schwerbt, die Araber
ben Stein, bie Berfer den Fluß an, und ebenfo fpricht Arnobius 6. 11,
NV. 21
822 Bemertung.
Saturnus genannt wird. Das Attribut der Sichel aber läßt es nicht
zu, den Saturnus feinem ganzen Wefen nah für Mellart zu halten,
denn für viefen hat fle feinen Sinn, bei feiner täglichen Fahrt am
Himmel Hin, und kommt nie, weder bei ihm noch bei Hercules vor.
Die Verbindung des Saturnus mit Janus belehrt und über weiter nechts,
als was wir ſchon außerdem wißen, und iſt obendrein erſt fpät einge-
treten, denn erſt als der Monat Januarius an die Spitze des Jahres
geſtellt ward, galt Janus als Gott der Anfänge, und von dieſem Gedanken
gieng es aus, ihn zu einem Gott der’ Vorzeit zu dichten, mit welchem
dann Saturnus ganz natürlich als der Alte ver Zeit ſich zuſammenfinden
wußte. Daß man auf den faturnifchen Altären Lichter anzündete, bie
ats Opfer galten, und fich an den Saturnalien Kerzen zufchickte, zeigt,
wie die Idee der Zeit an die Idee des Lichts gebunden war, und würde
nicht Leicht, vielleicht Ebnnnte man fagen unmöglich, Platz gegriffen haben,
wern der Begriff ver Zeit fih nur an ven Landbau angeſchloßen hätte,
ſo daß der Begriff des Iahresfreifes allein davon ausgegangen wäre.
Noch viel weniger Tonnte aud dem Melkarts Hercules ein Saatgott und
Erndtegott Italiens werden mit der Sichel, ein Gemahl ver Segensgdttin
Ops, welche feine Göttin der thierifchen Sortpflanzung ift, fondern nur
des Gewächſeſeegens. Man ſteht aus dviefen DVerhältnißen, daß bie
Annahme einer Verſchmelzung eines italiſchen Saat- und Erndtegottes
mit dem aus der Fremde eingewanderten Melkart allein geeignet iſt zur
Erklaͤrung deßen, was uns über den Saturnus überliefert worden.
Anmerkungen nnd Miscellen.
335
AUnmertungen.
Obgleich die von dem Byblier Philo unter dem Namen Sanchunia⸗
thons untergefchobene phönikifche Lehre ein Höchft elendes Machwerk ift,
fo koͤnnen wir fle doch nicht ganz unberüdfichtigt laßen, und wäre es auch
nur zu dem Zweck, um zu erfehen, daß beinahe Alles erſt in fpäter Zeit
erfunden ift, und aus Verſchiedenartigem durcheinander gemengt. Euſe⸗
bius in der evangelifchen Vorbereitung (1. 10) giebt dieſe Lehre alfo an;
Sie ſetzt ald ven Anfang aller Dinge die dunfele und hauchartige Luft,
oder den Hauch dunfeler Luft, und ein trübes Chaos in Dunkelheit.
Died war grängenlos, aber als der Hauch von Liebe zu feinen eigenen
Urfprüngen ergriffen ward, und eine Zufammenmifchung ftattfand, hieß
diefe Verknüpfung Sehnfucht, und war ver Anfang der Erfchaffung aller
Dinge; er felbft aber erkannte feine Schöpfung nicht. Und aus viefer
Berfnüpfung oder Verbindung des Hauches entſtand Mot. Manche fagen,
diefes fey Schlamm, Andere, es fey Bäulnig wäßeriger Mifchung, und
aus diefer entſtand die ganze Saat ver Schöpfung.
(Mot ward vom Waßer verflanden, da im Koptifchen
Mosu, Mou, Mo, Waßer bedeutet, doch ift dieſe Deutung
wahrfcheinlich falſch und die ägyptiſche Mut, die Mutter, als
Urmutter aller Dinge, die Veranlaßung zu biefer afterphilgs
fopbifchen Deutung geweſen.)
&3 gab einige lebende Wefen ohne Sinn, wovon lebende Wefen mit
Einficht ftammten, und Zophafemin genannt wurben, d. 1. die Himmelb⸗
ſchauer,
(Eebräiſch heißt zaphah, hat geſchaut, und schamaim,
welches ein Plural if, ver Himmel),
welche die Geftalt eined Eies hatten.
(Diefe follen die Sonne, vieleicht auch den Mond und
die Sterne bedeuten, welche nach fpäteren Anſichten lebende
Wefen mit Einfiht genannt werden Tonnten, und außer
welchen Himmelsſchauer nicht wohl zu denken find. Die
Bewegung der Sonne wird im Xegyptifihen jo bezeichnet,
daß es heißt: Ptah, der fein Ei in vem Himmel wälzt, over
Na, ver fein Ei bemegt.)
Und es erglänzte Mot, und Sonne und Mond, und Sterne und
große Geſtirne. Wie nun die Luft erglänzte, entſtanden durch die Erhi⸗
gung von Meer und Land die Windhauche, Wolken und große Ergüße
bimmlifcher Waßer, und aus dem Zufammentreffen verfelben in ver Luft
328 Anmerkungen.
(In diefer Zufammenftellung follen Rechtheit und Gerech-
tigkeit die gefeßliche Dronung, welche das Leben in Flecken
erheifcht, bezeichnen.)
. Mifor zeugte ven Taautod, den Erfinder des Schreibens, ven die
Aegypter Thoot (Thor), pie Alerandriner Thoyth, vie Griechen Hermes
nannten; Syoyf die Dioskuren, over SKabeiren oder Korybanten, ober
Samothrafer. Auch follen Beide das Schiff erfunden haben. Berner
ſtammten von ihnen Anvere, welche Kräuter, Heilung ver Schlangenbiße
und Zauberfprüde erfanden. Zu ihrer Zeit ward Eliun, ver Höchſte
genannt, gebohren, und ein Weib Namens Beruth, welche auch bei Byblos
wohnten.
(Die Wißenſchaft ift alfo ein Kind der Rechtheit, und
Sydyk ift Vater der Patäfen. Weil dieſe Schiffahrtögätter
find, ift er Erfinder des Schiffe. EL ift ein hebräifcher Name
Gottes, häufig in der Mehrzahl Elohim gebraucht. Der
Name Beruth ift entweber von der Stadt Berytod entlehnt,
oder bezeichnet gar, da er mit Eliun zufammengeftellt ift,
den Bund, den Gott mit den Juden gemacht, weldjer berit
heißt, over was wahrjcheinlicher ift, die Anfangsworte ver
Geneſis: bereschit bara elohim haben die Namen Eliun und
Beruth in diefem Machwerf hergegeben, nur daß Eliun den
Höchſten und el eliun, ven höchften Gott bezeichnet.
Diefe erzeugten den Epigeiod oder Autochthon, d. i. Erdſohn, ver
nachmals Uranos, d. i. Himmel, genannt ward, und feine Schwefter war
Ge, d. i. die Erbe.
(Der Sag, welcher bier zu Grunde liegt, iſt aus dem
erften Vers der Genefl3 genommen, und bedeutet, Gott ſchuf
Himmel und Erve.)
Als der Höchfle durch wilde Thiere umgefommen, warb er vergöttert
und feine Kinver brachten ihm Opfer und Spenden. Uranos, ded Vaters
Serrichaft nehmen, nahm Ge zum Weibe und zeugte ven Ilos, der aud)
Kronos heißt, und ven Betylos und Dagon, welches Siton ift, und den
Atlas.
(Ilos ift aus EI, Gott gebildet, denn fo fol Moloch
geheißen haben, Dagon ift durch Siton falfch überfeßt, wie
oben bemerkt worden ift, und der Bätylos bedarf nach dem
oben Gefagten Feiner weiteren Erflärung.)
Mit andern Weibern zeugte er viele Kinver, fo daß Ge aus Eifer-
ſucht fi von ihm trennte. Er aber nahbte ihr dfterd gewaltfam und
‚wollte die Kinder, welche fle gebahr, todten, doch Ge wehrte ſich gegen
an mit Hülfsvölkern. Als Kronos heranwuchs, widerſtand er mit Hülfe
und Rath feines Schreiberd Hermes Ixiamegtitad dem Uranos, und zeugte
Anmerlungen. 329
Perfephone und Athena. Jene farb ald Jungfrau, auf Athena's und
des Hermed Rath aber machte Kronod aus Eifen eine Hippe und einen
Speer, und Hermes entflammte mit magifchen Sprüchen die Helfer des
Krongd zum Kampf gegen Uranos, und diefer wird beftegt, und Kronos
befommt die Herrfchaft. Er giebt das im Krieg gefangene Tiebfte Kebö-
weib des Uranos In ſchwangerem Zuftande dem Dagon, und ed gebiert
den Demaroos (oder Demaroon, ver zwar Vater des Herakles genannt wird,
welcher jedoch felbft damit bezeichnet zu ſeyn feheint, denn das fchwangere
Kebsweib ift fchwerlich eine andere ald Alkmene, wobei man ft freilich
über ihre Verwendung nicht wundern darf, da bier von keiner ernften
Anordnung die Rede feyn kann, wo es nur’ galt eine Lüge bunt auszu=
malen, und die griedhifche Mythologie zu verwenden), Kronos aber
gründet Byblos, die erfte Stadt Phönikiens, und argwöhniſch vergräbt
er feinen Bruder Atlad auf des Hermes Rath in die Erve. Zu biefer
Zeit kamen die Nachfömmlinge ver Diosfuren, zur See verjchlagen zum
Berg Kafflo und gründeten ein Heiligthum. Die Helfer des Ilos ober
Kronod aber wurden Eloim genannt. (Alfo wurde der Name Elohim
in diefer Weife verwendet.) Seinen Sohn Sadidos *) töntete Kronos
aus Argwohn, und fihnitt ebenso feiner Tochter den Kopf ab, zum
Schrecken aller Gdtter. (So ward alfo Athena als Meduſa hereinges
zogen, und felbft die Wirfung des Gorgohaupts in dem Schreden aller
Goͤtter abgefpiegelt. Alle durch ſeichtes Hereinziehen ver griechifchen
Mythologie, denn der femitifche Kronos hat Feine Kinder.) Uranod in
der Verbannung ſchickte nach einiger Zeit feine Tochter, die Jungfrau
Aftarte mit ihren zwei Schweftern, Rhea und Dione, den Kronos aus
dem Wege zu räumen, der aber die Schweftern zu Frauen fih erwarb.
Nun fandte Uranos die Eimarmene (d. i. das verhängte Gefdhid) und
bie Hora (d. i. die Jahreszeit, die rechte Zeit, die Blüthezeit), und auch
diefe behielt Kronos bei fih. Nun erfann Uranos nod) die Bätylien, die
befeelten Steine. Mit Aftarte erzeugte Kronos fieben Titaniven ober
Artemiffe, und mit Rhea fieben Söhne, deren jüngfter gleich bei ber
Geburt vergdttert ward. Dione gebahr ihm Töchter, und Aftarte ferner
zwei Söhne, Pothos und Eros (d. i. Sehnfucht und Liebe).
Dagon, weil er dad Getraive und den Pflug erfand, warb Zeus
Arstriod (d. i. Zeus des Landbaues) genannt. Dem Sydyk gebahr eine
der Titaniven den Asklepios, in Peria aber wurden dem Kronos drei
Söhne, Kronos, Zeus Belos und Apollon gebohren. Zu dieſer Zeit ent-
*) Schadad heißt im Hebräifchen, hat verwüftet, vernichtet, und sched der
Dämon, von Luther durch Feldteufel überfegt, schadai aber erflärt man
durch allmächtig, und zieht die arabifche Sprache herbei, in welcher schadad
mächtig feyn bedeutet.
330 Anmerlungen
ſtanden Pontos, Typhon und Nereus, des Pontos Vater, von Pontos
aber flammte Sivon, welche mit herrlicher Stimme zuerfi den Geſang
erfand, und Poſeidon. Bon Demaroon ſtammte Melikarthos, der auch
Herakles hieß. Dann Fämpfte Uranos mit Bontos und flann dem Dema-
rus bey, welcher den Pontod angriff, aber in die Flucht geichlagen warb.
Im zwei und vreißigften Jahr feiner Herrfchaft fieng Kronos durch einen
Hinterhalt mitten im Lande den Uranod und entmannte ihn nahe bei
Duellen und Flüßen, daß fein Blut in diefe träufelte, und man zeigt
den Ort bid zur Stunde. Dann heißt ed weiter: Aftarte aber die
Größte, und Zeus Demarud, und Adodos, ver König ver Goͤtter, herrich-
ten mit Kronos Willen über das Land. Aftarte ſetzte ald Königszeichen
auf ihr Haupt das Haupt eines Stierd, und als ſie die Erde durch⸗
wandernd einen aus der Luft heruntergefallenen Stern fand, weihte fie
denfelben auf ver heiligen Infel Tyros. Die Phöniker jagen, Aftarte jey
Aphrodite. Kronos vie Erde purchwandernd gab feiner Tochter Athena
die Herrfchaft von Attifa. Als nun eine Seuche audbrach, opferte Kronos
feinen eigenen eingebohrenen Sohn dem Uranos, und befchnitt fih, und
zwang feine Genoßen, daſſelbe zu thun, und bald darauf vergätterte er
feinen mit Rhea erzeugten Sohn Muth, welcder farb. Diefen nennen
die Phöniker Tod und Pluton. (Hebräiſch heißt mut flerben.) Dann
fhenkte er ver Baaltid, auch Dione genannt, die Stadt Byblos, Berytos
dem Pofeivon und den Kabeiren, den Ländlichen und den Fifchern, welche
auch die Lieberbleibfel des Pontos vafelbft heiligten. Taautos, der Gott,
bildete ven Uranos, und bie Geflchter der Goͤtter, des Kronos und Dagon,
und die heiligen Charaftere der übrigen Elemente. Für Kronos erfand
er ald Zeichen des Koͤnigthums, vier Augen, zwei vorn, zwei hinten, von
denen zwei fich ruhig ſchloßen; an ven Schultern aber vier Flügel, zwei
gefpreitet, zwei gefenkt, anzubeuten, Kronos ſehe fchlafenn, und fchlafe
wachend, fliege rubend und ruhe fliegend. Den andern Göttern gab er
zwei Flügel an die Schultern, um mit Kronos zu fliegen, dem er auch
nod zwei an den Kopf gab, einen des SHerrfcherfinnes, einen der Wahr-
nehmung. Gen Süden ziehenn gab Kronos dem Taautos Aegypten, und
alles Diefes zeichneten auf Taautos Geheiß Die Kabeiren auf, die ſieben
Söhne Sydyks, und ihr achter Bruder Asklepios. Someit Sanchuniathon
nach Philo, deßen Angaben Porphyrios beftätigt. Ebenderſelbe meldet in
der Schrift über die Juden, Taautos ordnete die Gottesverehrung. Als
ihm nach vielen Generationen, der Gott Surmubelos, und die fpäter
Chufarthis genannte Thuro folgten, erläuterten fle die dunkele allegorifche
Lehre des Taautos. Kronos, den die Phöniker Ifrael nennen, nad
feinem Tod zum Stern Kronos vergdttert, hatte von einer einheimtfchen
Nymphe Anobret einen einzigen Sohn, den man darum Jaud nannte,
welches Phoͤnikiſch eingebohren beveutet. Diefen opferte er bei Kriegögefahr.
Anmerkungen. 331
Der Julius Firmicus (über ben Irrthum u. f. w. Bay. 4.) leſen
wis, vie Afferier hätten die Luft verehrt, und ihr Bilnfäulen errichtet.
Dergleéichen fpäte Angaben, mei auf Deutungen oder ſpätern mytholo⸗
giſchen Miſchungen beruhend, find für vie femitifche Religion werthlo®.
Beſonders Aber muß ver Feuervienft, fowie wie perſtſche Anficht von dem
Waßer, son vem Semitifchen getrennt bleiben. Jedoch muß man ſich vor
Allem hüten, die fpäteren Deutungen für mehr zu halten, ala fie find,
venn obgleich fle für uns aus vem Alterthum flammen, fo hatten fie, an
und für ſich betrachtet, nicht mehr Berechtigung, al® heutige Deutungen
haben, und fie find in ver That, wo fie fih als philofophifches Syſtem
patbieten, melches feines Urhebers vorgefaßte Meinung in vie Mythologie
überträgt, und die Philofophie der Denkſtuben fpäterer Zeit in das höheee
Altertum zu verſetzen ſich bemüht, gewöhnlich nicht beßer ald die heut zu
Tage fabrieirten Philofophien der Mythologie, die fammt und fonderd
dafſelbe thörichte und unguläßige Verfahren befolgen.
Es mag hier noch ein armfeliger Schhpfungämythus einer fpäten
Zeit ſtehen, ven Damascius, einer ver übelften Berichterflatter, erzählt
(Wolf Anecdota Ill. ©. 258.): Bon ven Barbaren fcheinen die Babyloniet
den einen Anfang von Allem mit Stilffchweigen zu übergehen, und zwei
anzunehmen, Tauthe und Apafon, indem fie annehmen, Apaſon fey
Batte ver Tauthe, und biefe pie Mutter ber Gotter. Von ihnen flammte
ein eingedohtener Sohn, Moymin, und viefen halte ich für die gedachte
Melt, ausgegangen von ben beiden Grunbanfängen. Cine zweite Zeugung
gieng von ihnen aus, nämlid Dache und Dachos, und enslih ein
drittes Geſchlecht, Kiffared und Afforos, won meldhen drei flammten,
Anos, Illinvs, Aos aber zeugte mit Daufe den Belos, welcher ver
Werkmeifter (Bemlurg) gewefen feyn fol.
Schwerlid dürfte Jemand einen feithteren und kindiſcheren Mifche
mafth erfinden konnen, als dieſer leider auf und gekommene Unfinn ift, denn
23 wird nie an befangenen Menſchen fehlen, weldhe in ſolchem Zeug, mie
laͤcherlich und abgeſchmackt es auch zuſammengeklittert fey, hohe Weis⸗
heit finden. Da die gedachte Welt, d. i. die Weltidee von dem Moymin
ausgegangen ſeyn ſoll, fo iſt er eine ber bedeutendſten Perſonen biefer
angeblichen Schopfungsgeſchichten, und wenn wir nach feiner Herkunft
fragen, ſo ergiebt es fi, daß er ein Aegypto⸗-Hebrtäer fen, Namens
Waßer⸗Waßer, denn Moy heißt agyptiſch (koptiſch) Waßer, und Maim
bedeutet daſſelbe im Hebraͤiſchen, und aus dieſen beiden iſt der wichtige
Moymin zuſammengeſetzt. Die hebraäiſche Endung aim finden wir nam⸗
lich In en oder In umgewandelt in den gräriſirten Wörtern, ſowie wir
Bal⸗ſemen, für Baale fdamaim finden und oben Zopha > femin für Zopha⸗
ſchumaim, Himmelsſchauer. Taautos (Thoth) bat es fich gefallen laßen
mußen, ein Weib zu werben, und das ganze Aegypten uber bie ganze
332 Anmerfungen.
Erde (griechiſch hapasa) wurde ein Mann durch die Endung on, und
zwar Gatte der neugefchaffenen Tauthe. Dachos und Dache, welche wahr:
fcheinlich auch des Aos Gattin Daufe ift, fowie die Namen Anos, Illinos
und Aos find zum Theil wohl nicht unververbt auf und gelangt, da
jedoch Feine alte Kosmogonie in dem ganzen finnlofen Gemächte enthalten
ift, fo wäre es vergeblich nachzufpüren, woher fle flammen und warum
fie Hierher gefett feyn Fünnten.
Drigenes, der früher lebte ald Damascius, giebt in feinen Philoſo⸗
phumena etwas Anderes als dieſe Kodmogonie für chaldäiſche Weisheit
aus, Indem er erzählt: Diodoros der Cretrier und Ariſtoxenos der
Muflfer jagen, Pythagoras ſey zu dem Chalvdier Zaratad gefommen,
weldher Folgendes auseinander geiegt habe: Es jeyen von Anfang zwei
Urfachen der Wefen, ein Vater und eine Mutter, Vater fey das Kicht,
Mutter die Dunkelheit, und Theile ded Lichts feyen das Warme, Trockne,
Leichte, Schnelle, Theile ver Dunkelheit das Kalte, Feuchte, Schwere,
Langſame. Aus allen dieſen beftehe vie Welt, aus dem Weiblichen und
dem Männlichen. Es ſey auch die Welt, fagen fie, eine muftkalifche
Harmonie.
Omanos, ober mag man Omaned für eine richtigere Form halten,
ift von angefehbenen Männern, welche fih mit dem Zendaveſta befchäftigt
haben, Homaned genannt worden, und fie haben e8 gar nicht für zweifel-
haft gehalten, daß der perfifhe Prophet Hom damit gemeint fey. Abges
fehen von der Namenform, als weldde man in dieſem Falle Homos
oder Homes hätte erwarten follen, hat aber Niemand nachgewieſen,
daß irgendwo an irgend einem Feſte in Perſien ein Bild des Hom
berumgetragen worden fey, oder daß man irgend ein Bild veflelben ver-
ehrte. Und noch hätte ein ſolches Verhältniß flattfinnden müßen, weil
fonft fein Anfnüpfungspunft für den perfifchen Propheten an die Beier
der femitifchen Lebendmutter vorhanden war. Denn außer einem Außer»
lichen Verhaͤltniß konnte fidy nichts darbieten, wa® den Hom mit Enyo
gemeinjchaftlich zu feiern veranlaßen Fonnte. Den eigentlichen Berfern,
welche ven Cult der großen Lebendmutter von den Fremden annahmen,
galt viefe auch nicht einmal ald Enyo, ſondern ald Mitra, wie Herodot
(1. 131) angiebt, und zwar unter ven Dingen, die er in Betreff der
Perfer wahrhaftig weiß. (Herodots Nachricht als eine irrige zu bezeichnen
und anzunehmen, er babe fi durch den Namen des Mithrad täufchen
lagen, ift zu frivol und zu thöricht, um einer Widerlegung werth zu
feyn.) Zur Beier der Lebendmutter aber gehört in ihrem eigenen Kreife
nur ihr Sohn, oder ihr Pflegling, over ihr Beliebter, welche, wenn auch
im Diythus getrennt, doch nur eine Verſon varftellen, weil der Sohn
AUnmerfungen. 333
der Gemahl der Mutter ifl. Neben viefem gehört nur noch der Licht⸗
und Zeitgott zu ihr, als der tie Geburt an das Licht fördert, wann
fie gereift if. Ob Anandates ein’ folcher fey, oder was es mit biefem
für ein Bewandtniß habe, läßt fich nicht beftimmen, da die fichere Deutung
des Wortes fehlt. Aus der Endung dates aber auf einen perftichen
Namen zu fchließen, find wir keineswegs berechtigt, da dat ein richtiges
ſemitiſches Wort ift, welches das Geſez und ven Brauch bezeichnet.
Dabin aber find die Namenendungen dotos in Annedotos (morin der
Name der Enyo enthalten ift) und dite in Aphrodite zu rechnen. Frei⸗
li leitet diefen Ießteren Namen die Mode, welche mit der Anwendung
indiſcher Wörter Mißbrauch zu treiben befiehlt, vom fierit. abhradatta,
donné par le nuage, enfant du nuage, wie Guigniaut überfeßt, doch warn
diefe Mode einer andern Platz gemacht haben wird, dann wird man
dieſes Wort aus einer andern Sprache erflären, indeß aber wirb es das
Sicherfte feyn, für dad Semitifche bei dem Semitifchen ſtehen zu bleiben.
Kann man folhe Namen nicht genügend erklären, fo liegt dieß in
unferer Unfenntniß der Verhältniße, welche vie Namen veranlaßten, und
darin, daß wir über die Art, wie die Semiten Namen bildeten, nicht in dem
Maaß unterrichtet find, um bei jeder Benennung gleich aus einem ana=
Iogen Namen Grund und Umfang eines Namend zu erkennen. Daß
Anandated der repuplicirte Name An⸗dates ſeyn koͤnne, und diefer in
der Bedeutung mit Annedotos übereintreffe, wäre möglih, aber da wir
durch die Annahme einer folhen Möglichkeit in unferer Erkennung nicht
geförvert werden, fo wollen wir nicht weiter darauf eingehen.
Cyrillus (gegen Sultan VII. ©. 244), welcher Erzbifchof zu Alexan⸗
dria war, erzählt, zu feiner Zeit habe es Tempelviener gegeben, welche
den Matronen im Tempel des Kronos Gewalt anthaten, ver ihnen
folche verfchaffte. (Es gefhah nämlich auf ven Orafelfprud des Gotteß.)
Von einem melvet Eyrilus, daß er freudig feine Gattin dazu hergegeben
babe. Bon einer foldhen Art Mylittadienſt findet fi in der Mythologie
des Moloch oder Melfart weiter nichts, man müßte denn die in Rom
erzählte Sage von Hercules und Acca Larentia (römifche Mythologie
©. 245) damit vergleihen wollen. Cine genügenvde Erklärung für dieſen
ausfchweifennen Eult, der ſich für die Lebendmutter eignete, laͤßt fih
nicht in der Mythologie finden, wenn auch die Verbindung dieſes Gottes
mit der Lebensmutter allerdings einen Anfnüpfungspunft varbietet.
Bißcellew
Die Griechen gaben ben Skyuthen ben Serafled zum Stammpster,
und doch Fonnten fie nicht annehmen, bad ſich Sereflipen unter nen
Stuben befänden. Manu Fönnte aunchmen, fie hätten dieſes zur Mer-
berrlichung des Hexakles gethan, was allerdings mhglich wäre, Da aber
bie Skythen in Aſien die große Lebensmutter zur Perehrung annahmen,
fo daß der Name des Sakhenfefled von einem ihre Stämme entlehnt
warb, fo wäre es auch nicht unmdglih, daß Der der großen Goͤttin wer«
bundeue Patäfe, in welchem die Griechen ven Herakles erblidten, wit
dem Bult ver Gdttin zu den Skythen gelangt wäre, und daß die Gage
pon ber Abſtammung bes Säytben fi fo gebildet Hätte. Ueber ihre
Sdtterverehrung meldet Hexrodot (4. 59): Sie ſühnen nur folgende
Goͤtter: die Heſtia vorzüglich, Dazu ben Zeus und die Erde, indem fe
glauben, bie Erde jey nie Gattin des Zeus; ferner den Apollpn unp hie
himmlische Aphrodite, und ven Herakles und ven Ared; Die fpgenannten
Tönigliden Skythen opfern au Dem Poſeidon. Yuf Shhthiſch aber
heißen dieſe ‚Gottheiten: Heſtia Tabiti, Zeus heißt, und zwar am aichtig⸗
fen nach meiner Meinung Papaios; die Erbe Apia, Apollon aber Oitp⸗
ſyros, die himmliſche Aphrodite Artimpaſa, VPoſeidon aber Thamimaſadas.
Bilder, Altaͤre und Tempel zu machen iſt nicht ihr Brauch, ausgenammen
dem Ares, denn für diefen ift e8 Brauch. Bei allen Opfern haben fie
eine und zwar folgende Art: Das Opfer ftehbt, an ben Vorderfüßen
gebunden, der Opferer aber flebt hinter dem Thiere und mirft es, indem
er an dem Ende des Strides zieht, nieder, und beim Nieperfallen des
Thieres ruft er den Gott an, welchem geopfert wird; Dann zieht er ihm
eine Schlinge um ven Hals und dreht fie mit einem Knebel zu, fo daß
23 exftistt, ohne daß Feuer angezündet wäre, noch eine Weihe oder Spenpe
Hattfände. Wann es aber erflidt und abgehäutet ift, geht es an das
Kochen, und weil Skythien fehr holzarm iſt, bedienen fie fih ver Knochen
des Thieses ſelbſt zur Unterhaltung des Feuers. Fehlt ihnen grape ein
Keßel, fo thun fle das Fleiſch in ven Wanft des Thieres, fügen Waßer
hinzu und kochen ed fo. Wiewohl fie auch andere Thiere opfern, fo
bringen ſie doch befonderd Pferde dar. So nun opfern fie ben anbern
Göttern, dem Ares aher auf folgende Art. In jenem ver Orte, wo fi
die Obrigfeiten befinden, ift ein Heiligthum des Ares. Es werben näms-
lich Reisbündel drei Stadien lang und breit, jenoch weniger hoch zuſam⸗
mengehäuft, und oben drauf wird eine vieredige Flaͤche gemacht, an
„relder brei Seiten fteil abſchuüßig Ind, die vierte aber erfteigbar. Jaͤhr⸗
Miscellen. 3835
lich aber häufen fle Hundert und fünfzig Wagen Reiflg auf, denn es jegt
fi) immer wieder burdh die Stürme. Darauf num flieht überal auf
jevem Saufen ein altes eiferne® Schwerbt, und das ift das Bild des
Ares; dieſem Schwerdt aber führen fie jährlich Opfer von Kleinvieh und
son Roßen zu, und opfern biefen Schmwerbtern mehr als den andern
Göttern. Wann fle Feinde zu Gefangenen machen, jo opfern fie von
hundert einen derſelben, doch nicht auf gleiche Art wie die Ihiere, denn
he gießen Wein auf nad Haupt eines ſolchen Menfchen, und ſchlachten
ihn, Daß das Blut in ein Gefäß läuft, dann tragen file e8 auf ven
Reiferhaufen und gießen es auf dad Schwerbt, von dem geſchlachteten
Menſchen aber fchneinen ſie die rechte Schulter mit der Sand ab, und
werfen fie in bie Luft, und geben dann, wenn fie bie übrigen Opfer
getbotet, weg, die Hand aber bleibt liegen, wohin fle gefallen ifl, und
der Leichnam getrennt von ihr. Schweine gebrauchen fle durchaus nicht,
und laßen Feine im Rande ziehen.
Welch' ein rauhes und wildes Kriegsvolf vie Skythen waren, was
für ihre Anficht von den gbttlichen Dingen wohl zu beachten ift, gebt aus
Herodots Erzählung (4. 64) zur Genüge hervor. Das Blut des gefal-
Ionen Weines trank der Skythe, und brachte den Kopf zum König,
wodurch er Antheil an ver Beute befam, den Kopf aber fealpirte ex,
ſchabte die Haut mit einer Rindsrippe, und gerbte fle mit eigener Hand;
beviente fich ihrer als Handtuch und hängte fie, ſtolz Darauf, von dem
Zügel feines Roßes herab. Manche nähten fogar diefe Häute zufammen
und machten ſich Kleiver davon. Diele zogen den feinvlichen Leichen bie
rechte Hand mit fammt den Nägeln ab, woraus fie dann Köcherdeckel
machten. Ja Viele zogen ven ganzen Menfchen die Haut ab, fpannten
fie auf Holz und führten fie auf ihren Roße mit herum. Mit den
Köpfen der verhaßteften Beinde machen fie e8 aber fo: fle ſägen, was
unterhalb der Augenbrauen ift, ab, reinigen den Schädel und gebrauchen
ihn als Becher, indem ver Arme ihn auswendig mit einem Stück Rindsfell
überzieht, ver Reiche ihn aber außerdem inwendig vergoldet. So machen
fie e8 auch mit den Ihrigen, wenn fie mit Ihnen in Streit gerathen und
der König ihnen einen ſolchen in die Gewalt giebt. Kommt ein geehrter
Saft zu ihnen, fo ſetzen ſie ihm vergleichen Säupter vor und rühmen ſich
ihrer tapfern Thaten. Einmal in jevem Jahr mifcht in jenem Bezirk ver
Borfteher einen Becher Weins, von welchem alle die Skythen trinken,
welche einen Feind erlegt haben, vie aber feinen erlegt haben, ſitzen ohne
Ehrermeifung bei Seite, was bei ihnen für die größte Schande gilt. Die
aber, welche fehr viele Männer erlegt haben, befommen zwei Becher, aus
welchen fie zugleich trinken.
Hören wir, was Herodot (4. 67) weiter von ihnen erzählt, fo finden
wir, daß fie viele Wahrfager hatten, die aus vielen Weidenzweigen
336 Miscellen.
folgendermaßen weißagten: Wann fie große Ruthenbündel gebracht haben,
legen fie viejelben auf ven Boden nieder und mwideln fie auseinander, legen
ſie einzeln bin und weißagen daraus, und während ſie dieſes thun, wideln
fie jle wieder zuſammen und legen fie einzeln zu einander. Das ift ihre
einheimifhe Weißagung. Die Enareer aber, bie Mannweiber, fagen,
ihnen habe Aphrodite die Weißagung verliehen, und fie mweißagen aus
Lindenrinde. Sie fchneiden die Linde dreifach ein, umſpannen fie mit den
Bingern, und dieſe wieder loslaßend, weißagen fie. Wirb ver Sfythen-
fönig franf, dann läßt er drei angeſehene Weißager fommen, welche auf
die vorbefchriebene Art weißagen. Meift fagen dieſe, daß Diefer oder
Jener, den fie namentlid nennen, bei dem föniglihen Herde einen
Meineiv geſchworen habe. Denn es iſt bei ven Skythen ver Brauch,
wenn fie einen befonvers feierlichen Eid ſchwören wollen, bei dem Eönig-
lihen Herde zu ſchwoͤren. Sofort wird der angegebene Mann herbeis
geführt, und wenn er leugnet und ſich heftig beflagt, laͤßt ver König
andere Weißager in voppelter Zahl Fommen, und thun dieſe nach Erpro⸗
dung ihrer Weißagung ven nämlichen Ausſpruch, fo fehneinen die erften
Weißager dem Mann fogleih den Kopf ab, und theilen ſich in feine
Habe. Sprechen aber die zweiten Weißager ven Dann frei, fo läßt man
andere und wieder andere Weißager fommen, und fpridht die Mehrzahl
frei, fo müßen die erſten Weißager fterben, und zwar auf folgende Art:
fie füllen einen Wagen mit Reiſig an, fpannen Stiere daran, feßeln vie
Meißager und binden ihnen die Hände auf ven Rüden, verflopfen ihnen
den Mund, flogen fie in das Reiſig, zünden es an und fcheuchen vie
Ninver. Diele diefer Rinder verbrennen mit ven Weißagern, viele aber
angebrannt entrinnen, wann bie Deichfel abgebrannt if. Bon Denen,
welche der König tönten läßt, bleiben auch die männliden Kinder nicht
am Leben. Bünpnifje fchließen die Skythen alſo: fie gießen Wein in eine
große thönerne Schale, und thun, indem ſich die Bünpnipfchließenden mit
einem Pfriemen oder einem Schwerbt verwunden, von ihrem Blute Hinzu,
tauchen dann Schwerbt, Pfeile, Beil und Speer in den Becher, verſchwoͤren
fih ftarf und trinken ven Wein mit vem Blute, was auch die vornehmften
Begleiter ver Bündnißſchließenden thun.
Die Gräber ihrer Könige find in Gerrhi, pa bis wohin ver Bory⸗
ſthenes ſchiffbar iſt. If ein König geftorben, fo machen fie daſelbſt eine
große vieredfige Grube. Wann fie viefe fertig haben, nehmen fie bie
Leiche, wann ber Leib mit Wachs überzogen ift, der Bauch aufgefdmitten
und gereinigt und mit gefloßenem Kyperos, Rauchwerk, Eppichſaamen
und DIN angefüllt und wieder zugenäht ift, und bringen fie auf einem
Wagen zu einem andern Volk, welches es dann macht, wie bie Eönig-
lichen Skythen. Sie fchneinen ſich Stüde von den Ohren, fcheeren die
Daare, zerſchneiden ſich vie Arme, zerfeben fich die Stirne und die Nafe
Miscellen. 337
und bohren fi Pfeile durch die linfe Hand Dann bringen fle bie
Königsleiche weiter zu einem anderen Voll, worüber fie herrfchen, und
folgen ihr nad. Iſt der Zug durch ganz Skythien herum, fo wird vie
Leiche in Gerrhi ind Grab auf ein Blätterlager gelegt, und ſie ſtecken zu
beiden Seiten des Todten Lanzen ein, fpannen Holz darüber und beveden
e8 mit Matten. In dem übrigen großen Raume des Grabes beftatten
fie eine8 feiner Kebsweiber, nachdem ſie daſſelbe erftidt haben, nebft vem
Mundſchenk, Koh, NRoßmärter, Diener, Boten, fomie den Roßen und den
Erftlingen aller andern Dinge, und golpnen Schalen, denn des Silbers
und Erzes bedienen fie fih nicht. Dann aber thürmen ſie wetteifernd
einen Grabhügel fo hoch wie möglih auf. Nach Verlauf eines Jahres
nehmen fte fünfzig der vorzüglichften königlichen Diener, die eingeborene
Skythen find, (denn vem Könige dient, wen er es heißt, find fie haben Feine
erfaufte Diener), erftiden fie, und dazu bie fünfzig fchönften Roße,
nehmen ihnen die Eingeweide aus, reinigen den Bauch und füllen ihn
mit Spreu an, und nähen ihn wieder zu, dann ftellen fie vie eine Hälfte
eine8 Radreifes auf zwei Hölzer aufrecht, und bie andere Hälfte ebenio
auf zwei Hölzer, und fo befefligen fie noch viele, dann fpießen fie bie
Roße ver Länge nach mit flarfen Hölzern bis zum Halſe, und bringen fie
auf jene Reife, jo daß der vordere dad Roß an den Vorverbugen, ber
hintere an ven Schenfeln aufrecht hält, vie Beine aber zu beiden Seiten
ſchwebend hängen; nachdem fie ihnen dann Zügel und Gebiß angelegt,
binden fte, diefe vorwärts nehmend, an Pflöde, und fegen die fünfzig
erwürgten Jünglinge darauf, ihnen ein Holz am Rüdgrat bis zum Halſe
aufwärts ſtoßend, welches unten in ein Loch gebracht wird, das ſich in
dem dad Roß durchſtoßenden Holze befindet. Haben fie nun mit folden
Reitern das Grab umftellt, fo gehen fie weg. Stirbt ein anderer Skythe,
fo führen ihn die Verwandten auf einem Wagen zu den Freunden, von
denen fte mit einem Mahle bewirthet werben, wobei dem Todten gerade
fo vorgefegt wird, wie den Andern, und dieſes Herumfahren bauert
vierzig Tage, worauf die Beflattung erfolgt, nach welcher ſich die Beſtat⸗
tenden alfo reinigen: fe reiben und wafchen fi Kopf und Leib und
flellen drei gegeneinander gelehnte Stangen auf, um melde fie dann
einen wollenen Filz ſpannen. Diefen feft verfhließenn werfen ſie glühend
gemachte Steine in eine zwifchen den Stangen und dem Bilz befinplidye
Grube, auf welche fie Hanffaamen thun, von dem ſie ſich durchräuchern
und in ven flärfften Schweiß bringen laßen, und dies dient ihnen als
Bad, denn im Waßer waſchen fie ven Körper durchaus nit. Nun fagt
Herodot noch, daß fie fremden Bräuchen fehr entgegen feyen.
Deßenungeadhtet, wie das Safäenfeft ver Anaites oder Enyo von
ihnen, die mit den Semiten durchaus nicht als ſtamm⸗ und ſprachver⸗
wandt angefehen werben können, in Aſten angenommen warb, fo müflen
IV, 22
338 Miscellen.
fie unter und freilich unbekannten Umfländen den Dienft ver femitifchen
Simmeldfönigin angenommen haben, denn fonft koͤnnte Herodot nicht von ber
himmlifchen Aphrodite bei ihnen fprechen, einer Gottheit, die ihre beftimmte
Form erhalten hatte, und die man nicht mit einer ihr einigermaßen ähn⸗
lichen würde verwechjelt haben. Unter einer andern Form fand fi die
Derehrung der Lebensmutter bei den ſkythiſchen Tauren, welche das Rind
zum Sinnbild hatte, und von ven Griechen, weil fie der Artemis ähnlich
war, auch Artemis genannt ward, und Aufnahme in Brauron in Xttika,
in Lafevdämon und fonft fand, und von Griechenland aus nad Sicilien
und Unteritalien, und von dba in die Nähe Roms ald neworenſiſche
Diana wanderte. Sagt und nun Herodot, die Skythen hätten außer ver
himmlifchen Aphrodite auch ven Herakles verehrt, fo ift fein Grund vor⸗
handen, diefe Nachricht für einen Irrthum auszugeben, weil das Wolf
der Skythen nicht darnach außsfieht, als habe ed den Griechen in Betreff
feines Cults etwas vorlügen wollen. Einen Serafle8 aber erkannte
Herodot ficherlich, wie wir aus feinen Nachrichten über Aegypten, Tyrus
und die Infel Thaſus erfehen, nur in einem der Gottheit ver genannten Orte
ähnlichen Gott, alfo in vem Melkart oder Moloch. Daher mag ſich venn
auch die griechifche Sage von ver Abftammung der Skythen von Herakles
fhreiben, denn SHerakliven unter den Skythen anzunehmen, mochte wohl
den Griechen ſchwerlich einfallen. Die Skythen ſelbſt aber ließen viefe
Abflammung nicht gelten, und mwußten nichts von ihr. Denn fle gaben
ihre Abkunft alfo an, wie Herodot meldet (4. 5): fle feyen das fjüngfte
aller Völker; in dem wüften Lande fey zuerft ein Menfch, Namens Tar-
gitäus, entflanden, erzeugt von Zeus und ver Tochter des Stromes Bory-
fihenes. Targitäus habe drei Söhne erzeugt, den Lelporais, Arpoxais und
den jüngften, Kolaraid. Währenn dieſe herrfchten, feyen goldene Werk⸗
zeuge vom Himmel gefallen, ein Pflug, ein Joch, ein Beil, und eine Schaale.
Der Ueltefle, welcher es zuerft erblidt, fey näher getreten, als er aber
die Sachen aufheben wollte, habe dad Gold gebrannt; nun fey der Zweite
Dinzugetreten, und e3 babe daſſelbe Statt gefunden; der Dritte aber habe
es aufheben gekonnt und zu ſich genommen, worauf vie beiden älteren
Brüder ihm die Herrſchaft übergeben. Von dem Leiporais flammen vie
Auchaten, von Arporais die Katiarer und Trafpier, von dem Jüngften
abes die Königlichen, welche Paralater heißen; vie Skythen felbft aber
nennen fi Sfoloter, nad) dem Namen des Königs. Den Namen Skythen
jedoch haben fie von den Griechen befommen. Jenes heilige Gold bewahren
bie Könige, und fühnen es jährlich mit großen Opfern, wann fle zuſam⸗
menfommen. Auch erzählen die Skythen, wann Einer mit dem heiligen
Golde am Feſt unter freiem Himmel einfchläft, fo lebe er das Jahr nicht
mehr dur, und deßwegen gebe man ihm zum Gefchenfe, wieviel er an
einem Zage zu Pferd umreiten koͤnne. Kolaxals aber, heißt es, habe
Miocellen. 3308
fein Reich in drei Theile getheilt unter feine Söhne, pen Theil jedoch uw
größten gemacht, in welchem das Gold aufbewahrt werde. Die Griechen
im Pontus dagegen erzählten: Heraklet fey mit ven Geryonesrindern nach
Stythien gefommen, und habe fih bei Sturm und Kälte in fein Lömenfek
zum Schlafen eingewidelt. Beim Erwachen habe er vie Roße feines
Wagens vermißt, fey Re fuchenn nach Hyläa gefommen, wo er Echidna,
die halb Jungfrau, halb Schlange war, in einer Grotte gefunden, bie
ihm feine Roße verfprochen habe, wenn er fie umarmen wolle. AI viefes
geſchehen, babe Re vie Herausgabe ver Rohe aufgefchoben, body zulegt
nachgegeben und befannt, daß fle von Herakles drei Sohne im Bufen
trage, und ihn um ihr Verfahren mit venfelben befragt. Herakles habe
angeorpuet, wann fie zum Mannesalter gelangt, folle fle vem, ver den
Bogen auf die Art, wis er es zeigte, fpanne, und ven Gürtel auf eine
ebenfalls ihr gezeigte Art gürte, das Land übergeben, pie andern Veiden
aber fortſchicken. Als fie nun ben Agathyrfus, Gelonus und Skythes
gebohren, hätten vie beiden Erflen, als fie herangewachfen, vie Probe
nit, Skythes aber habe fle beſtanden un® von ihm Teiteten die ftythi⸗
ſchen Könige ihr Geſchlecht, ſowie bie Skythen von der golvenen Schaale,
die am Seraflesgürtel war, die Gewohnheit annahmen, bis jetza eine
Schaale am Gürtel zu tragen.
Betrachtet man, wie die Schaale in ver Heraklesfabel alt Sonnen⸗
kahn von Bedeutung iſt, und wie auch in Italien ein großer Becher
defſelben war, fo möchte man ſich geneigt fühlen, auch die Schaale des
Skythengürtels darauf zu beziehen. Doch dürfte eine ſolche Anſicht ſehr
gewagt ſeyn, wiewohl die Schaale bei den Skythen von weſentlicher
Bedeutung ſeyn mußte, weil Re unter den heiligen goldnen Gegenſtänden
war, die, vom Himmel gefallen, ſich unter des Königs beſonderer Obhut
befanden, und am Jahregsfeſte mit großen Opfern gefühnt wurden. Wie
die Sfyihen zu einem Werresgotte kamen, darüber iſt ums nicht einmal
eine Bermurhung vergoͤnnt, denn jede leitende Spur fehlt. Weiteres, alse
das oben Angeführte, iſt und über vie fEnthifche Neligten und Mytholegie
nicht erhalten, Boch wenn ed ganz genau der Wahrheit gemäß if, daß fie
Himmel und Erde für Gottheiten hielten und anbeteten, jo ſinden wir
eine NRaturreligion, wie fle nabe liegt und auch anderwärtd vorfommi.
Wir verlieren zwar nicht® daran, daß Herodot uns bie fiythiichen Ramen
des Herakles und des Ares nidgt nennt, denn wir verftehen ja vie ange⸗
gebenen Namen doch nicht, aber eigem iſt vieles Uebergehen, fo daß «6
faft ſcheint, als habe er viefelben aus Unkenniniß übergangen.
Erbliden wir nun ben Feuergott Hephäſtos mit dem Lichtpasälen
ipentificist und gleich dieſem mit ver großen Lebensmutter in Berbinsung
geſedt, in ben griechiſchen Mythologie, wie in der ramiihen (als Gette
der Maja und der Venus), fo erfcheint uns darin gewiflermaßen eine
22*
310 Miscellen.
Gleichſtellung des Feuers und des Lichts. Bey Horaz fehen wir freilich
den Beuergott wegen der befruchtennen Frühlingsgewitter mit Venus in
Verbindung, in ven Worten (Op. 1.4. V. 7), wo er die Brühlingsreigen
der Venus beichreibt::
Alterno terram quatiunt pede, dum graves Cyclopum
Vulcanus ardens urit offcinas.
Und dieſe Verbinpung ift anderer Art, als vie des Lichtpatäfen mit der
großen Lebensmutter; da wir aber ven Grund der Ipentificirung mit
Gewißheit anzugeben nicht vermögen, fo fünnen und müßen wir uns
mit der Thatſache felbft begnügen. Jedoch begegnen wir einer jener
Ipentificirung nicht unähnlichen, wenn auch nicht gleichen Thatfache in
der griechiſchen Mythologie, welche vie Zufammenftellung des Lichts und
des Feuers auf eine für und unerflärliche Weiſe enthält, nämlich die
Bereinigung des Diomedes mit Pallas Athene. Sie ift die Veuergdttin
und er iſt ein Lichtgott, ver in Thrakien als Sonnengott das Noß (denn
die Sonne fährt am Himmel mit Roßen) als fein Thier hatte, und in
Italien weiße Roße von den Enetern zum Opfer erhielt. Innig ift die
Verbindung von Athene und Diomedes und blieb aud fo, ald man
Legteren zum Heros gebichtet hatte, wie z.B. am Wafchfefte des Athene-
bilds in Argos der Schiln des Diomebes in dem Aufzuge getragen ward,
wie wir bey Kallimachos in dem Hymnus auf vieles Feſt (35) leſen.
Weil von vem Gotte Diomedes, ſowohl in Italien, wie in Thrakien, nur
Spuren vorhanden find, keineswegs aber Nachrichten, welche uns über
jeinen Cult und den Umfang feines Wefens aufklären, fo koͤnnen wir
nur die Thatſache einer fehr genauen Vereinigung der Feuergöttin mit
einem Sonnen= oder Lichtgotte bemerken, ohne fie näher zu begründen
und aufzuklären. Noch unerklärlicher ift eine andere Thatfache für ung,
welche die griechifche Mythologie in einem einzelnen Zuge darftellt, außer
allem Zufammenhange mit dem, was wir fonft von ver Pallas Athene
wißen, dag nimlihd Auge, vie Priefterin ver Athena Alen, von Herafles
den Telepho8 gebiert. Diefe Auge, Licht, ift vie Lichtgöttin der Geburt,
und zu dieſer eignet ſich ver LKichtpatäfe Herakles, aber wie das Licht in
Beziehung auf die Geburt mit der Veuergdttin zufammentreffe, vermögen
wir nicht zu erflären, und doch zeigt und der Mythus eine Zuſammen⸗
ſtellung des Feuers und des Lichts, und zwar des leßteren in feiner
befonveren Beziehung zur Geburt. Telephos koͤnnte darauf zu deuten
feinen, daß dieſer Mythus aus Kleinaflen, wo ihm ver Wohnfig ange-
wieſen wird, nach dem Peleponnes gelangt wäre, mit einer folchen miß-
lichen Vermuthung würben wir aber eine weitere Aufklärung nicht gewinnen.
Miscellen. 341
Herakles und Apollon.
Der lykiſche Lichtgott Apollon erſcheint in der griechiſchen Mytholo⸗
gie in Verbindung geſetzt mit dem phoͤnikiſchen Lichtpatäken Melkart, und
in mehreren Mythen von Apollon und Herakles iſt dieſe Verbindung auf
eine oder die andere Weiſe ausgedrückt. In Theben, wo grade Herakles
zu Hauſe war, galt er als ein Daphnephoros, als ein lorbeerbekraͤnzter
Diener des Apollon, wie wir aus Paufaniad (IX. 10. 4.) erjehen. Eine
äußere Veranlaßung zu einer folden Dichtung war nicht vorhanden, und
fo find wir berechtigt, ven Herakles ald Daphnephoren des Apollon ebenfo
einem mythologiſchen Verhältniß zuzufchreiben, wie dad Verhältniß ver
Jo als Priefterin ver Hera einer DVergleihung und Zufammenftellung
beider Goͤttinnen angehört. Ebenſo kann nur ein mythologifches Verhält-
niß die Sage veranlaßt haben, welche Apollodor (MI. 6. 2) erzählt: Don
einer jchweren Krankheit wegen der Ermordung des Iphitod ergriffen,
gieng Herakles nad) Delphi, und fragte, wie er ver Krankheit ledig
werben Fünne; als ihm aber vie Pythia nicht weißagte, wollte er den
Tempel plündern, ergriff den Dreifuß, trug ihn weg und gründete ein
eigened Drafel. Wie nun Apollon mit ihm Tämpfte, ſchleuderte Zeus
feinen Blig zwifchen ſie, und als fle auf ſolche Weife auseinander gebracht
waren, erhielt Herafles ven verlangten Orakelſpruch. Ohne ein Verhäaͤlt⸗
niß beiner ®dtter zueinander anzunehmen, würbe dieſe Babel eine gar
zu geringfügige Erfindung feyn, und doch war fie eine foldde, bie, wie
Paufania (X. 13. 4) fagt, von den Delphiern erzählt wurde, und man
nannte fogar Orte, mohin der Dreifuß von Herakles gebracht worben
(während die Delpbier fagten, er babe ihn zurüdgegeben), ſowie auch
dieſe Fabel ein Gegenftann ver Bilonerei war. Mithin war viejelbe
befannt und berühmt genug. Ob dieſe Beziehung ebenfalls nad) Theben
gehörte, wohin Herakles den Dreifuß gebracht haben follte, während
Andere Pheneos in Arkadien nannte, wißen wir nicht, denn es fehlt an
weiteren, diefen Punkt aufflärenden Nachrichten. Ganz in gleicher Weiſe,
naͤmlich in eine ſehr nahe Berührung ſcheinen auch
Diomedes und Apollon
gekommen zu ſeyn, ſo daß man den thrakiſchen Licht- und Sonnengott,
den wir auch in Aetolien und im Peloponnes finden, mit dem lſhkiſchen
Lichtgotte in Delphi zufammenftellte. Die trdzenifche Sage nämlich,
welche und Paufanias (II. 32. 2) berichtet, deutet darauf hin. Im
Umfteife des Heiligthums des Hippolytos war ein Tempel des Apollon
Epibaterios, weldyen der nach Iliond Fall auf der Heimfehr aus einem
Sturme gerettete Diomedes gegründet haben fol, und ebenfalls fol er
auch die pythiſchen Spiele zuerft eingefegt haben. Den Heros Diomedes
842 Miscellen.
aber fehen wir nie in Verbindung mit Apollon, deun die homerifche und
nachhomerifche Sage Fennt ihn nur als einen Liebling der Pallas Athene.
In Thrakien ſelbſt nun fcheint Diomedes nicht zum Heros gebichtet
worden zu feyn, denn fonft würbe er bey Homer auf Seiten ver Trofa-
ner ftehen, ſondern es fcheint dieſes in Aetolien ver Sal geweſen zu
fegn. Wir fehen aber auch den Diomebed in einem Berbältnife zu
Hippolytos, dem Sohn und Gatten der großen Lebensmuͤtter, wenn viefe
Deutung richtig If, von welchem Baufaniad (Il. 32. 1) erzählt: Hippo⸗
Igto8 bat zu Trdzen ven außgezeichnetften heiligen Bezirf, und in dem⸗
felben einen Tempel mit einem alten Bilde, und es heißt, Diomedes
habe vieſes Alles geftiftet, fowie er auch zuerft dem Sippolytos Dpfer
bargebracht habe. Der Prieſter des Hippolytos bey den Trözeniern hat
diefes Amt Tebenslänglich, und die Opfer finden alljährlich Statt. Außer⸗
dem aber ſchneidet jeve Sungfrau vor ihrer VBermählung fidh eine Locke
ab und bringt fie als Weihgefchen? in ven Tempel. Und die Trözenier
behaupten, er fen nicht von den Roßen todt gefchleift worven, und
wien nichts von einem Grabe veflelben, fondern meinen, er fey ver
Fuhrmann am Himmel. In diefer, freilich nur den Diomedes ald Heros
Betrachtenden Sage, feheint ein Verhältniß des Lichtgotted zum Seegens⸗
And der Natur durchzuſchimmern, wie ed in der Zuſammenſtellung bed
Apollon und Dionyfos
enthalten iſt. Der zerrißene Dionyſos erwacht in einer Wanne, d. i.
einer Wiege, welche im Heiligthum won Delphi aufbewahrt wird, und
Die Thyiaden ziehen nad) Delphi und dem Parnafle. Bier kann Eein
Zweifel feyn, daß der Lichtgott in voller Beziehung zum Kinde der Natur
genommen ſey, infofern alles erwachende Leben und jeve Geburt Bezie⸗
hung zum Lichte hat. Dan Tann als ähnlich das Verhältniß des Mel-
kart⸗ Herakles zur Lebendmutter Galinthias als einer Geburtögättin ver-
gleichen, und das Verhältnig des Khunfu zu Mut und Amun in Aegyp⸗
ten. Hier find wir auch im Stande zu erkennen, woher vieler Mythus
nah Delphi gekommen ift, venn ber bomerifhe Hymnus auf Apollon
nennt die Priefter des delphiſchen Gottes eingerwanderte Kreter, und auf
Kreta war Zagreus (Dionyfos) der zerrifiene Gott verehrt, denn felbft
der Tretiiche Stiergeus, ver dort ein Grabmal hatte, war fein anderer
als das Seegeskind der Natur, als höcfter Gott ein Zeus genannt.
Sa auf Delos Fnüpft die Sage ebenfalls eine Beziehung Apollons zur
Aphrodite an Kreta. Es heißt bei Kallimachos in dem Hymnus auf
Delos (303 flg.): Die Weife des lykiſchen Olen wird gefungen, und bie
Reigentänzerinnen tanzen dazu, und da wird auch das Bild der alten
Ayppris reich befränzt, welche Göttin Theſeus einft, ald er von Kreta
gurüdfam, weihte.
Miscellen. 348
Bei Diomedes iſt es auch zu beachten, daß ihm, wie dem Apollon,
die Schwäne, fo die ſchwanaͤhnlichen Reiher gehörten, wohnend auf der
ihrem Namen nach beveutfamen Inſel Elektris, denn dieſer Name eignet
ft für einen Licht» und Sonnengott. Wohl mag auh darin, daB
Tydeus, der ald Dater des Diomeded in der Seroenfage gilt, mit
Deneus (Weinmann, der ven Wein erfand) und Meleagrod, den Tänd-
lichen, ver traurig untergeht und von den Meleagriven alljährlich betrau-
ert wird, zufammengeftelt ward, eine dem Verhältnis Apollons zu Dio⸗
nyſos, oder des Diomedes zu Hippolytos ähnliche Anfchauung zu Grunde
liegen, vie in der Hervenfabel ven Zweden dieſer dienend, ihres wahren
Weſens ganz entkleimt ifl.
Verfolgen wir vie Idee von der Zufammenftelung des Lichtgottes
mit der Beuergottheit und des Kichtgotte8 mit dem Seegenskinde ver
Natur, fo bietet und Aetolien in feinen Sagen noch weitere Vermuthun⸗
gen dar. Sehen wir in der eben angegebenen Heroenfabel wirklich einen
mythologifhen Grund, und nehmen wir an es fey in Meleager ein
Nachhall des Seegenskindes, deßen Tod beflagt ward, enthalten, fo laͤßt
fig für das Folgende ein Zufammenhang mit Diomeded vermuthen.
Dem Deneus warb Oreſtheus, d. i. Bergmann, zum Großvater gegeben,
weil ver Wein an Bergabhängen wächſt, oder wie Novalis fagt:
Auf hoben Bergen wird geboren
Der Gott, ver und den Simmel bringt,
Die Sonne hat ihn auserforen,
Dap fie mit Flammen ihn durchdringt.
Sein Vater war Phytios, d. i. der Pflanze. Dem Oreftheus aber
wird die Erfindung fo zugefchrieben, daß er einen Hund hatte, welcher
ein Holz gebar, dad von Oreſtheus eingegraben im Lenz einen Weinſtock
fproßte. Dieſem Hunde begegnen wir in der attiſchen Babel von Ikarids
wieder, denn als deßen Tochter Erigone, d. i. Tenzgeboren, ihren ermor⸗
beten Vater, ver den Wein mitgetheilt hatte, auffuchte, war fle von dem
Hunde, Maita, d. i. Glanz oder Brand, begleitet, und bie führt uns
auf die Erklaͤrung des Hundes als des Hundsſternes, deßen Gluten ven
Wein zeitigen. Deßwegen kann ich der Erklärung Feuerbach's in feinet
fhönen Abhandlung über den Meleager nicht beiſtimmen, wann er in
dem Namen des Hunded xdov ben Grund findet, daß man venfelden
zum Gebährer jenes Holzes gemacht babe, weil diefer Name Gebährer
bedeutet. Damit wäre der Hund des Oreſtheus ohne Nückficht auf den
Hund Maira erklärt, und doch gehören beide in venfelben Kreis des
Naturmythus, was es unglaublid macht, daß zwei fo ganz weſentlich
verſchiedene Veranlaßungen eine und dieſelbe ſinnbildliche Bezeichnung im
844 Miscellen.
einem Mythus, ver ven naͤmlichen Sinn nur mit verſchiedenen Namen
ausdruͤckt, veranlaßt haben ſollte. Zu dem betrauerten Deneusjohn
Meleager gehört ver Eher von Kalydon, welcher die Urfache jener Trauer
um den tragifch endenden Heros ift, und der Eber iſt es, welcher ben
fhönen Adonis, den Liebling ver großen Lebendmutter, ver Seegenskind
und Gatte feiner Mutter ift, töntet und die Adonisklage veranlaßt. Eine
Tochter des Deneus und ver Althän war Deianeira, die Gemahlin des
Herakles, des phoͤnikiſchen Lichtpataͤken, doch galt dieſelbe auch (Apollo⸗
dor I. 8. 1) für eine Tochter des Dionyſos und der Althäa, ſowie auch
Dionyfos dem Deneud nad anderer Sage zuerfl ven Weinftod gefchentt
haben fol, fo daß Oeneus als Dionyfos erfcheint, und mit dem Licht⸗
gotte in Verwandtſchaft vargeftelt wird. (Die Sage, Meleagros fey ein
Sohn des Ares und der Althäa geweſen, fcheint nicht den Sinn zu haben,
daß er ein Sohn des Lichtgotted, denn ein thrafifcher Lichtgott war Ares,
gewefen jey, jondern ein tapferer, Eriegerifcher Selb, wie jeder Held ein
Sohn des Ared, ober ein Xreifcher heißen Tann.) Tydeus aber beißt
auch Sohn des Deneus, und ift, wie fein Sohn, der Kichtgott Diomedes,
Liebling der Teuergdttin Athene, d. h. wohl, Tydeus iſt ein anderer
Name eines und deflelben Lichtgottes. Der gewaltige Tydeus, in deßen
Wildheit ein Nachklang von Menfchenopfern, die dem Diomedes nach ver
Sage von den menjchenfreßennen Roßen wirklich dargebracht wurden,
enthalten zu ſeyn fcheint. Auch die Fleinere Geftalt des gewaltigen
Heros, denn Tydeus war Kleiner ald die anderen vor Thebe ziehenven
Helden, eignet ſich für die Lichtgottheit, die jugenplich erfcheint und in
den Patäfen fogar als Kind dargeſtellt ward. Wie nun einerfeit ver
thrafifche Lichtgott in Wetolien mit dem als Weingott erfcheinenven
Seegenskinde, weldhes Homer Thrakien zufchreibt, in Verbindung zu feyn
fheint, wenn man vie Heroenſage fo deutet, wie ed möglich iſt, fo zeigt
ſich auch die Verbindung dieſer Gottheit mit ver Veuergbttin, außer ver
Allgemeinen Angabe in ber Sage von Tydeus und Diomedes als Lieb⸗
lingen ver Athene, noch insbeſondere. Gorge, heißt es (bei Apollovor 1.
8. 1), war eine Tochter des Deneus, aber nach Pifanvder (wie ebenda⸗
felbft 5 berichtet wird) war Gorge die Mutter des Tydeus, den Deneus
mit der eigenen Tochter zeugte. Diefe Verbindung von Vater und Tochter
geht ganz aus den Kreife des Hellenifchen heraus und eignet ſich uur
für die Mythen, welche ver Naturreligion der in Aſien verbreiteten
großen Lebensmutter angehören. Gorge aber kann in dieſem Mythus, der
wie die Namen Deneus, Phytios, Oreftheus, Meleagros fattfam zeigen,
feine Seronenfage enthält, ſondern Naturreligion in dem Gewande einer
Heroenfage, nicht wohl etwas Anderes bezeichnen, ald der Name
Gorgo, nämlich die Göttin Palas Athene. felbfl. Daß fle Mutter des
Tydeus beißt, paßt vortrefflich, venn in ver ganzen aus dem Göttlichen
Miscellen. 345
in das Menſchliche übertragenen Sage Eonnte man damit ganz gut dad
innige Verhältniß, in welchem Tydeus glei) Diomedes zu Athene fland,
in einer zweiten Geflalt unter vem Namen Gorge ausdrücken.
Diomedes Fam nach dem Peloponnes, und da er für einen Xetoler
galt, fo fcheint es, daß er aus Aetolien dahin verpflanzt warb, und daher
fam auch Marpeſſa nad dem Peloponned. Paufanias (8. 47) erzählt,
bey vem Bilde ver Athene in Tegen fey der Schiln der Marpefla, bie
den Beinamen der Wittwe hatte, gewefen, dieſe Marpeila aber habe
unter den tegeatifhen Brauen befonvers tapfer gegen die Lakedämonier
gefochten in dem Kampf, wegen veßen fie dem Ares, dem Frauenſchmaus⸗
gotte, opfern. In ver Iliade aber Iefen wir (9. 555) von einer Mar⸗
peſſa, welche die Tochter des Aetolers Euenos gewefen, und welche Apol⸗
Ion geraubt, bis fie des Idas Gattin ward, der mit Apollon um fie
fampfte. Dem Idas, dem Aphariden gebahr fie die Kleopatra, melde
auch Alkyone hieß und die Gemahlin des Meleagros ward. Die Apha⸗
riden waren ihrem Wefen nach Dioskuren, und Idas war Gott, ehe er
als Heros genommen ward. Wir Fönnen daher die Verbindung des
Apollon mit Marpeffa als eine ver Verbindung des Idas mit verfelben
ganz gleichartige betrachten, und wenn wir Marpefla, deren Schild in
Tegea bei dem Bild ver Athene fi fand, als Athene felbft annehmen,
die unter diefem Namen vom Fluß Euenos her, mo nad Dikäarchos (58)
ein alter ſehr heiliger Tempel der Athene war, nad dem Peloponnes
kam, fo haben wir auch in diefer Sage die Verbindung einer Lichtgott-
heit mit der Seuergbttin. Daß aber Marpeſſa ein anderes als ein gött⸗
liches Wefen bedeute, mithin der Beyname einer Göttin ſey, ift durchaus
wahrfcheinlich, weil die ganze äAtolifhe Sage, in weldye fie durch ihre
Tochter Kleopatra-Alkyone verflochten ift, nur aus ber Heroiſtrung
von Gottheiten, und der Anwendung von Götternamen over Beynamen
entſtanden ift.
Ob XAtalante, welche keine andere ift, ald Artemis ſelbſt, und unter
diefem Beinamen zu einer Jägerin gevichtet in Arkadien und Böotien
ericheint, bloß als Jägerin in den ätolifhden Mythus von dem ber
gefommen fey, läßt fih nit mit Beftimmtheit entſcheiden. Meleagros
liebt fie, und da diefer durch den Eber ftirbt, infofern verfelbe vie Ver⸗
anlaßung zu feinem tragifchen Tode ift, fo Fönnte, das iſt wenigftene
möglih, und ver Geſammtgehalt des ätolifhen Mythus würde damit
übereinftimmen, Meleagros im Verhältniß zu Atalante feyn, was Adonis
im Verhältnig zu Aphrodite iſt; venn obgleich Atalante Jungfrau bleiben
wollte, wie Artemis durchaus jungfräulid genannt wird, fo fchreibt ihr
der Mythus doch einen Sohn, ven Parthenopäns zu. Daß unter Anderm
auch Meleagros Bater deſſelben genannt wird, fteht nach fpäterer Dich⸗
tung aus, und fland Meleagrod zur Lebendmutter Artemis in dem naͤm⸗
346 Miscellen.
lichen Verbältnig, wie Adonis zur Aphrodite, jo mar er nicht Vater des
Parthenopäos, fondern viefer ſelbſt. Denn alle Mythen, welche aus vieler
Naturreligion entfproßen find, beruhen auf dem @ult ver großen Mutter
und ihres Seegenskindes, welches aber auch Gemahl ver Mutter iſt und
als bluͤhender Jüngling ſtirbt, bis es wieder auflebt. Als Gemahlin des
Meilanion ſowohl, ald des Hippomened, wird fie in einen Löwen ver:
wandelt, ebenfo wie ihr Gatte, weil fie den Kain des Zeus oder den
“ Tempel ver großen Göttermutter durch Liebedumarmung verlegte. Ja
fogar die Löwen, welche ven Wagen der Kybele ziehen, follen eben dies
verwandelte Paar ſeyn. Es ſcheint in dieſem Zuge ver Babel, zu welchem
eine Beranlaßung ſchwer zu erfinnen if, wenn man fle auf dem gemöhn-
lichen Wege und nach der Analogie anderer Verwandlungsgeſchichten fucht,
ein weſentlicher Grund vorhanden zu feyn, Atalante für eine Artemis als
Rebendmutter anzufehen, denn der Löwe gehört der großen Tebensmutter,
und Artemis tft mit verfelben vielfach iventificirt worden, fo daß in dieſer
Berwandlung der Mythus die große Lebensmutter zeigen koͤnnte, und daß
wir wirklich in Meleagroß oder Parthenopäos und Atalante ein Gegen
fü zu Adonis und Aphrodite und zu Atted und ver phrugifchen Göttin
haben würben. Die Ausbilvung des heroifchen Mythus, mie ſchön der⸗
felbe menſchliche Verhaͤltniße tneinanvder fehlingen und zu einer ergrei-
fenden und rührenden Babel abrunden mag, kann einer ſolchen Auslegung
nie die Wahrfcheinlichkeit entziehen, da es tm Allgemeinen umwiberleglich
erwiejen ift, daß die Beynamen der Götter Häufig zu ſelbſtſtändigen
Mefen ausgeprägt wurden, und daß die Mythen, weldye foldye betreffen
fi) dann vorzüglich fo geftalten, vaß die menfchlihen Verhältniße die
göttlichen überwiegen und daß letztere nur noch durchſcheinen, weil fle den
innern, jedoch überwucherten Kern bilven, ift ganz natürlid. Es laͤßt
fit aber darum auch nur der allgemeine Gehalt in derartigen Myhten
erkennen, und eine firenge Zurüdführung jedes einzelnen Zuges auf den⸗
felben kann, wenn eine gefünftelte Deutung es auch vermödhte, nicht
zuläßig feyn. So bietet vie Atolifhe Sage und noch vie Alkyone dar als
Gattin des Meleagros. Sie Hagt um ven Ton des Gatten, wie in ber
Babel von Keyr und Alkyone auch diefe den umgelommenen Gemahl
beweint, bis fie in einen Eisvogel verwandelt wird. Diefer Vogel
erweißt fich in diefen Mythen als SKlagevogel, und eignet fich alſo redht
gut zur Klage um Melengrod, aber ver Schluß, Alkyone fey vie große
Lebensmutter, welche um ven Ton des blühenden Jünglings, ver ihr
Sohn und Gatte war, Elagte, möchte ein erzwungener und falfcher feyn.
Eine Klage um den Meleagros, und dieſe fand Statt, und mußte flatis
finden, reichte Hin, um die Alkyone in diefe Babel zu bringen, und um
bie Klage zu begründen, mußte fie in ein nahes Verhältniß zu ihm gefegt
werden, fo daß nichts näher Tag, ala Re zur Sottim deſſelben zu Dichten,
um ben gewaltigen Schmerz, der \hr vie Klage ergergte, au vrlihten.
Miscellen. 347
Herakles erfcheint auch in dem ätolifhen Mythus als Battle ver
Deneustochter Dejaneira, der Schwefter des Meleagros, welche nebft Gorge
unverwandelt blieb, als die Schweflern in ihrer Trauer um ben Bruder
in Vögel wermanbelt wurden. Mehr aber als eine unbeftimmte allgemeine
Kunde von dem Berflechten des phoͤnikiſchen Kichtpatäfen in die Religion,
aus welder fi ver ätoliihe Mythus gebilnet hat, Tannen wir aus
diefer Verbindung nicht folgern, gerade wie De des thrakiſchen Sonnen-
gotte® Diomedes eben aud nur eine ganz allgemeine Kunde if. Da
jedoch Herakles ale Thebaner galt, fo bemweißt gerade die Gattin aus
Aetolien, Daß er in dieſem Mythus vieles Landes einft eine weſentliche
Beziehung hatte als Lichtgottheit, denn fonft würde man feinen Grund
gehabt baden, ihm eine Aetolerin ald Gattin zu ervichten. Am menigiten
aber Läßt ſich aus dem Namen ver Dejaneira irgend etwas über bie
Beziehungen des Herakles in Aetolien folgern, denn er läßt eine Deutung
nicht zu, welche auf irgend ein religidied Verhaͤltniß konnte ſchließen Taßen.
Grave fo if ver Name von Tydeus Gattin Deipyle ohne Beziehung auf
Religion, und der von Diomedes Gattin Wegialeia bezeichnet nur die
Verpflanzung deſſelben in ven Peleponnes, und erft nachdem Diomedes
in biefe Halbinfel gekommen war, Eonnte man daran denken, dieſe Gattin
für ihn zu dichten. Zu den Henetern fcheint Diomedes aus Thrakien
gefommen zu ſeyn, nach Unteritalien aber aus dem Peloponnes.
Bedenken wir, daß die großen Spiele in Griechenland Zeitepochen
feierten, und ihre Gründung daher Lichtgottheiten zugefäärieben warb, bem
Serafled - Melikerted, dem Diomedes, dem Apollon, dann müflen wir auf⸗
merkſam werben auf Endymions Beziehung zu den olympifchen Spielen
&r heißt Sohn des Aethliog, d. i. des Kampfipiele, und hat vie Aftes
rodia, d. i. die Sternfrau, oder die Chromia, d. i. das Roßgewieher zur.
Battin. Dies zeigt ihn veutlih in Verbindung mit den Kampffpielen
‚u Diympia, noch mehr aber erhellt dies aus der Angabe, daß er mit
ver Mondgdttin Selene fünfzig Toͤchter erzeugt habe, womit vie Zahl ver
Wochen, welche zwifchen ver Beier der olympiſchen Spiele enthalten find,
bezeichnet worden. Dieſe Selene bejucht ihn, wann er in ver Grotte des
Latmos fchläft, denn er fchläft flets, wann bie Mondgdttin Tommt. Er
iſt alfo ein Lichigott ded Tages, welcher Nachts ſchlaͤft, und der als
Lichtgott zu dem olympifchen Zeitfeft in Beziehung fteht, welcher alfo mit
Serafles, dem Stifter der Spiele, feiner Natur nad verwandt iſt. Zu
feinen Söhnen wird Aetolos gezählt, woraus aber nicht zu folgern if,
es ſey von Endymion in der ätoliichen Babel fe die Rede geweſen. Daß
übrigend Herafle8 und Endymion in Olympia zufammentrefien, bagegen
Herakles⸗Melikertes und Pofeivon auf dem Iſthmos, Kann nicht befremden,
denn wenn bey dieſen Zeitepochen, welche durch die Spiele gefeiert wurden,
ein Lichtgott der natürliche Vorſteher oder der Sinführer derſelben war,
348 Miscellen.
fo feierten die Olympien und Nameen zwar ganz gut ven Zeus als
höchften Himmelskoͤnig, dem das himmlifche Licht und alle Zeit gehört,
weil er Alles lenkt, aber Poſeidon konnte als SHerrfcher des Meeres,
trogdem daß ihm ver Iſthmos gehörte, nicht fügli zum Vorfteher eines
Veftes ver Zeit geeignet fcheinen. Dies aber hat dennoch Statt gefunden
und findet feine genügenve Erklärung darin, daß Melifertes zum Meer-
gotte gebichtet ward, weil er als Lichtpatäfe in dem Sonnenſchiff fuhr,
alſo Schiffer war. Sollte, nachdem dieſes gefchehen war, dem als Heros mit
Zodtenopfern verehrten Melikertes ein Gott übergenronet werben, um bad
Feſt auf Letteren zu beziehen, fo war natürlid Keiner geeigneter zu
dieſem Zwede, ald eben ver höchfte Meergott Pofeivon.
Wie wir in Böotien die femitifche Himmelskönigin als Europa finden,
und Theben in ver Sage der Hauptort ver fremden Religion ſchon vers
möge des Herakles und ver Galinthias ift, fo finden wir in demfelben
Lande bei ven Xeoliern, welche den Namen der Minyer führen, ebenfalld
einen Zweig biefer Religion, da bey ihnen Amazonen waren over Frauen⸗
adel galt, wenn man es lieber fo benennen will. (Auch bey ven les⸗
biſchen Aeoliern findet fich dieſer Frauenadel.) Diefer Adel aber bat
feinen natürlichen Grund in ver Religion, fo daß er zu Ehren ver Him⸗
melsfönigin flaitfinvet. Die Töchter des Minyas ermeifen fih als
Amazonen durch ihre Namen Alkathoe, Leufippe, Arfippe, welche von
der Stärfe und dem Roß entlehnt find. Don ihnen flammen die Argo⸗
nauten, die nach Kolchis ziehen, wo eine ägyptiſche Colonie angenommen
wurde. (Sf der Hain des Ares daſelbſt nicht freie Dichtung, fo müßte
damit dieſelbe Gottheit bezeichnet ſeyn, welche vie Dichtung von ber
Buhlichaft des Ares mit Aphrodite veranlaßte.) Das Märchen fügt dem
Amazonengehalt ver Sage das dionyſiſche Element hinzu, welches auch in
Theben einwanbert, denn die Töchter des Minyas, zuerft dem Dionyiod
widerſtrebend, feiern dann feine Orgien und werben in Nachtvögel oder
Blevermäufe verwandelt, mit Anfpielung auf die Nachtfeier des Gottes.
Die Argonauten Eommen auch nad) Lemnos, und finden dort Amazonen
oder Frauenadel, denn einen andern Grund hat die Sage von den Lem⸗
nierinnen nicht, und die lemnifche Hypſipyle wird nach Theben verkauft
oder nach Nemea, damit fie dort ven Königsfohn pflege, deßen Tod die
nemeifchen Spiele feiern, fo vaß hier die Amazonen und ver geftorbene
Königsfohn der femitifchen Religion zufammentreffen. Seltfam genug
wird die Einſetzung diefer Spiele mit der tragifchen Sage von Theben in
eine enge Verbindung geſetzt, welcher Sage ver femitifche Gemahl der
Mutter zu Grunde zu liegen fcheint.
Wie in Böotien in Orchomanos bei Aeoliern ver orientaliſche Cult
in ben Amazonenverhältniß des zu Ehren der großen Göttin flattfindenden
Frauenadels ſich Fund giebt, ſo Tommi au Melikertes zu Aeoliern auf
Miscellen. 340
dem Iſthmus aus Böotien, venn daß Siſyphos in der Sage von der Aufs
nahme des Melifertes vafelbft erfcheint, heißt nichte Anderes, als daß er
zu den Xeoliern gefommen ſey. Ja in ver Athamasfabel gehört Meli⸗
fertes den WUeoliern in Böntien, denn Athamas iſt ja ein Sohn bes
Aeolos. In ver Athamanenfage, die ihn mit dem Zeus Laphyſtios in
Verbindung bringt, mit dem Gotte, der wegen der fengenven Lichtgluten
mit Menfchenopfern gefühnt ward, den Regen zu fenven, in dieſer Babel
fonnte Melifertes nur als Lichtpatäfe eingefügt geweſen feyn, als ein
göttliches Wefen, welches mit dem Infäifchen Zeus, dem Gotte des Lichts,
eine Nehnlichkeit hatte. Daß auch diefe Sage glei ver Minyerfage mit
Kolchis in Verbindung gefegt ift, deutet auf einen Zufammenhang, welchen
näher zu beflimmen wir außer Stand ſind.
Die Amſchaſpands.
Wie die moſaiſche Schöpfungsgefhichte fi genau an die Woche
anfchließt und ſechs Tage für die verſchiedenen Hervorbringungen beftimmt,
ven ftebenten Tag jedoch zu einem Tage des Herrn macht, grabe fo
nimmt auch die perfifhe Lehre ſechs Schöpfungstage an, und macht einen
ver fleben zum Tage des Schöpferd, des Ormuzd, von dem e8 aber heißt,
er habe die Dinge mit ven Amſchaſpands, welche aljo feine Helfer waren,
hervorgebracht. Die ſieben Amfchafpands Tonnen wir mit den Patäfen
von gleicher Zahl zufammenftellen, denn beide Gottheiten find von ben
fieben Tagen der Woche auögegangen, und fowie ed fih im Melkart
zeigt und im Phtha zu Memphis, daß eine Verſchiedenheit ver Thatig⸗
feit nicht flattfand, fondern ſobald ed auf dieſe anfam, eine Gottheit alle
fieben vertritt; fo iſt e8 auch in der perftichen Lehre, wo Ormuzd an
allen ſechs Tagen die Schöpfung bemwerkftelligt, ohne daß einem feiner
Genofen ein beſonderes Werf zugefchrieben wird. Man Eünnte freilich
Anftand nehmen, die fteben Amſchaſpands für die fleben Tage, vd. h. für
das an jedem Tage wiederkehrende Licht zu halten, wenn man Bopp's
Erklärung folgen wollte, weldher die amese spente in feiner vergleichenven
Grammatif für non conniventes sanctos ausgiebt; aber er hat dieſe Erflä-
rung ſprachlich nicht gerechtfertigt, und vie Parfentrabition, melche fie bei
Anquetil vu Perron und Neriofengh für die Unfterbliden Herrlichen aus⸗
giebt, nicht entkräftet. Da dem Ormuzd dad Lichtreih gehdrte, fo war
natürlich dem Perſer das Licht dad Erſte, das Schaffenne, infofern
Ormuzd zum Schöpfer angenommen warb. In ver mofaifchen Schoͤpfungs⸗
gefchichte ſpricht Gott zuerſt: es werde Licht, dagegen wird in ven Izefchne
(und im Jeſcht Rafchne wie in dem ber Veruerd) das Licht als uner⸗
Ihaffen, qadhäta, angenommen, was in ber alten perfifchen Mythologie
ſchwerlich flattfand, denn woher hätte eine Volksphantaſie die Nacht
350 Miseellen.
nehmen ſollen, wenn zuerſt das Urlicht von aller Ewigkeit her herrſchte?
Ea gehörte ſchon eine Speculation, vie außerhalb der naiven Auffaflung
ber natürlichen Dinge ſich bewegt, zu ver Gegenüberftellung des Drau
und Ahriman in dem Sinne, daß Mithra der Vermittler zwiichen beiden
ward, wie wir aus Plutarch (über Oſtois una Iſis) erſehen, denn dieſe
Annahme befagt, daß die Sonne es fey, durch welche Tag und Racht
miteinander abwechſelnd zur Herrſchaft gelangen, fo daß weder Ormuzd
noch Ahriman eine vollſtaͤndige Herrſchaft haben. Die Verſchiedenheit
von Licht und Sonne aber if fo ſtark aufgefaßt, daß Ormuza ſelbſt
Deespesmeher, d. i. der dem Mithra vorhergehende Schöpfer heit.
Die Namen der Amfchaſpands find von der Art, daß fie nur das Gute
bezeichnen, und fi) wohl eignen ala zu einer Schöpfung dei Ormu
förderlich. Bahman, der gute Geift oder das gute Herz, welcher auch
bie in den Himmel Gingehenden empfängt, figend auf einem Goldthron.
Ardibeheſchd, Rein-Herrlich over Sellig- Herrlih, Schahriver, ver
trefflide König, Sapandomad, die Heilige- Unterworfene, Khordad,
die Alleshervorbringung, Amerdad, bie Unſterblichkeit. (Khordad und
Amertan fieben im Dual, was fte nicht als doppelt angiebt, fondern als
verbunden zufammengebörend, was denn feltfem ausſteht bei ihrer Ver⸗
theilung auf zwei Tage.) Ich will hier weder vie Parſentradition noch
Plutarch's Auslegung beſprechen, denn man fleht aus dieſen Ramen zur
Genüge, wie fie gesichtet worden find. Wie hoch das Licht übrigens
geftellt ward, zeigt ſich auch bei den fünf Gahs, ben fünf Tage&geiten,
denn e8 heißt, daß Dem Gab Havan, der wen Sonnenaufgang Kid
Mittag umfaßte, drei und dreißig Genien zur Seite fländen, und dieſe
find feine andern, als die andern vier Gahs und vie neun und zwanzig
Genien ver Tage des Mondmonats. Die ſechs Schöpfungdtage feierte
man, jedoch war diefe Beier, Gahbanbar, durch das ganze Jahr ner-
theilt, und dauerte jedesmal fünf Tage, offenbar dem Licht zu Chrem,
womit oder woraus die Schöpfung begann, denn her Monat hatte
vier Ormuzotage und den Schluß machte wieder das Licht, denn ber
letzte Tag war der Anirantag, der Tag des Urlichts, und dieſe fünf Licht⸗
tage bilden die Feſtzeit der ſechs Schäpfungdfeiern. Letztere tragen frei⸗
lich mit ihrer Vertheilung ganz und gar das Gepraͤge einer Einrichtung,
die waitab von dem erſten natürlichen Verhältniß liegt. Wie ſehr man
übrigens am der Zahl ſieben hieng als einer heiligen, geht ans Vielen
auch Hei ven Berfern hervor, und führen wir die Hamkars ver Amfcha-
ſpands auf eine Dichtung zurüd, mie fie fi als natürlich ergiebt, fo
muß einmal ver Monat aus acht und zwanzig Tagen mit eimem Zuſatz⸗
tag beftannen haben, ver für fich gerechnet ward, al& nicht ven Amſcha⸗
ſpands gehbrend. Es heißt nämlich, ver Hamlars derſelben ſeyen es drei
mh zwanzig, und vieſe ſtad die auf vie erſten ſieben ſolgenden Tage, Die
Miscellen. 351
mit ihnen vie dreißig Tage des Monats geben, dad Jahr zu 360 Tagen
gerechnet. Nun haben aber fünf Amſchaſpands jeder drei Hamkars und
zwei haben deren vier, unter denen fogar Mithra gezählt wird. Die
urfprüngliche Dichtung verfuhr gewiß nicht fo, ſondern gab jedem Amſcha⸗
fpand drei Hamkars, währene nach der überlieferten Eintheilung dem
vierten und fünften bie vier ‚zugetheilt. werben. Daß dem Ormuzd bie
fogenannten Dee — d. i. Schöpfungstage des Monats, vie feine eigenen
find, zu Hamfars gegeben wurden, zeigt übrigens wie biefe Lehre von ven
Hamkars fpäter gemacht ifl, fo gut es gieng. Den zeugenven Stier fannte
Perſien au, und leitete jogar wie Schöpfung der Menfchen, Thiere und
Gewaͤchſe son ihm her, was Nichts weiter heißt, ala alles dieſes fey
erzeugt worden. Wird derſelbe doch fogar neben ven Amſchaſpands anges
rufen, denn es heißt im Igefchne: Ich rufe an und feiere Bahman, Ardi⸗
beheſcht, Schahriver, Sapandomap, Khordad und Amerdad, und ven Leib
des Stierd, und die Seele des Stierd, und dad Feuer ned Ormuzd, ven
ſchnellſten der Heiligen Unfterblichen.
Wie wir die Offenbarung dur Mofes auf dem Berge empfangen
fehben und die Höhen bei ven Semiten in der Religion befonverd wichtig
finden, fo auch giebt Ormuzd feine Offenbarung auf dem Berge. Im
Jeſcht Ormuzd heißt e8: Fur ven Beſitz des heiligen Worts beten wir
an die Einfiht Ormuzd. Für die Serfagung des Heiligen Worts beten
wir an die Zunge Ormuzd. Für die Verkündigung des heiligen Worte
beten wir an biefen Berg, welcher hegt und aufbewahrt die Einficht
Naht und Tag, zu Gunften derer, welche die Gabe des Opfers dar⸗
bringen.
Bei den Griechen warb das Feuer ald Duell der Kunſt und als
Bedingung des häuslichen Lebens und mithin der feiten Anſtedlung, folg⸗
lich auch ald eine Bürgfchaft des Staat verehrt, bei ven Semiten, ben
Uegyptern und Perſern nicht, fonvern bei diefen war e8 das Glement
des Licht, welches bei ihnen eine fo hohe Bebeutung hatte. Wie vie
mofaifche Lehre die Unterhaltung der ewigen Lampe im Haufe des Herrn
befahl, fo auch war bei den Perfern das Feuer ald Kichtelement ein
Hauptgegenftand der heiligften Verehrung, und darum war ed Sohn des
Lichts, des Ormuzd, und durfte nicht verunreinigt werben, felbft nicht
durch des Priefter Hauch. Im acdhtzehnten Fargard des Vendidad wirk
die Unterhaltung des Feuers alſo befohlen: Zur Zeit des Dritteld ver
Nacht ruft dad Feuer des Ormuzd ven Arbeiter, der das Leben verbreitet,
zu feiner Hülfe: Arbeiter, ver du das Leben verbreitefl, erhebe dich
gürte deine Kleives um, wafche deine Hände, nimm Holz und beinge es.
zu mir, mache mich firahlen, wit Hülfe gereinigten Holzes mit reinen
Hinden. Stehen nun die fieben Amſchaſpands und nad Feuer des
Ormuzd zufammen, jo bedeutet das nichts weiter als Licht, und ſteht der
352 Miscellen.
Stier damit verbunden, fo heißt das, es fey das Licht die Schöpfung,
die Erzeugung. Die Seele des Stierd aber kann nur ein Zufag feyn,
welcher die Zeugung als fortvauernd und unfterblich varftellt, und ver
Mythus, der Samen des Stierd ſey im Monde aufbewahrt, zeigt ung,
wie die Zeit, welche jeder Zeugung feftgefeßt ift, und welche durch ven
Mond beftimmt wird, ald das zur Geranreifung des Samens Nothwen-
dige betrachtet ward. Der Stier neben ven Amſchaſpands und dem
Ormuzd = Feuer läßt ſich demnach recht wohl vergleichen mit der DVerbin-
dung des Ptah und Apis zu Memphis, und mir werden auch das
Kalb der Semiten in ähnlichem Verhältnig zu Moloch um fo eher anneh-
men dürfen, wenn mir dieſer einfachen Idee auch anderwärts begegnen.
Rinder der Sonne in Thrinakia und auf Notheiland, wo fie mit Melkart-
Herakles als ihrem Räuber, dem fie aber eigen gehören, in Verbindung
treten, machen auch den Mithra gaogaotti (fiert. goyäti, Hirte) als den
Beftger zahlreicher Rinder begreiflich, und wenn Julius Firmicus in der
Schrift vom Irrthum den Mithra einen boum abactorem nennt, fo fann
in der Wahl des Ausdrucks ein Irrthum Statt gefunden haben, aber
von einem mit Ninvern in irgend einer Verbindung flehenden Mithra
bat Julius Firmtcus ficherlih eine Kunde gehabt.
Vergleichen wir noch die perfiiche Schöpfungsfage mit der mofaifchen
Lehre, fo Eönnen wir freilich jener Feine beflimmte Zeit zufchreiben, da
wir fle nur durch die Parfentrapition Fennen, über deren Entfiehung und
Ausbildung wir nicht unterrichtet find. Daß die Gahanbars andere Namen
haben, als die Amſchaſpands, ift fchon eine mißliche Sache, noch wie es
auch mit dieſer Trapition ſich verhalten mag, fie lautet fo: 1) Medio—⸗
zerem, Erfchaffung des Aether; 2) Medioſchem, Erfchaffung des
Waßers; 3) Petefhem, Erfchaffung der Erde; 4) Eiatbrem,
Erfhaffung der Bäume; 5) Mediareh, Erihaffung ver Stiere und
Heerden; 6) Hameſpethmedem, Erſchaffung ver Menfchen. Daneben
gab es freilich die Sage vom Stier, als dem, woher Menfchen, Thiere
und Pflanzen flammen.
Bei der Dürftigkeit ver Quellen, aus welchen mir unfere Kenntniße
der femitifchen Mythologie fchöpfen, find wir, wenn auch über die haupt-
fächlichften Gegenflände des Cults in nicht unerhebliher Weiſe unter-
richtet, jenoch in Vielem auf Namen befchränft und fiherlidh über Manches
ohne alle Kunde. Es ift nicht wohl denkbar, daß z. B. Aber Esmun,
den achten Patäfen, nicht eine Sage beftanven habe, weldye einen Mythus
über denſelben enthielt. Die Gleichheit in ver Auffaßung, daß vie Heilung
an das Licht geknüpft ward, finden wir bey den Griechen und den Per-
fern, wie den Indern. Agsklepios, des Lichtgotted Apollon's Sohn, aus
Feuer gebohren, und die Acwins in Indien, ver Sonne Sbhne, auf
Noßen, ſowie die Afpins in Perſten, ebenfalls auf Roßen, von welchen
Miscellen. 353
ſte gleich jenen ven Namen haben, flimmen in dem Urfprunge vom Licht
. überein, und find infofern mit Esmun zu vergleichen; daß die Aſpins
aber die Amſchaſpands Khordad und Amerdad gewejen, wie Bopp vers
muthet, ift zu zweifelhaft, wiewohl die Amſchaſpands zu den Patäfen
trefflih paßen würden.
Bon dem Hundöftern, welcher in Xegypten fo wichtig ift, und in
den griehifchen Mythen uns begegnet, vernehmen wir nichts bei ven
Semiten, es müßte denn Jemand den Kaleb mit der großen Traube für
eine Spur davon zu halten belieben. Den Griechen ift er ver verberblich
Sengende, aber auch ver Weinförvernde, den Aegyptern ver mohlthätige
MWaßerfpender, und als folchen finden wir ihn auch in Aften außer ven
Semiten, nämlich bei den Perfern. Der Stern Taſchter kann Eein
anderer feyn, ald der Sirius, der glänzende, und fein Name Fündigt ihn
fchon als folchen an, denn er bezeichnet vorzugsmeife ven Glaͤnzenden, weß⸗
halb auch im Sanferit tvachtri einer der Beinamen ver Sonne ift, von
wich, glänzend. Bon diefem Stern nun heißt ed im Jefcht Tafchter: wir
beten das glänzende (listrya) Geftirn an, das leuchtende, ftrahlenve, welches
die Heerden, die Hausthiere und die Menichen anrufen, welches das
Waßer auf der Erde verbreitet. Um die Zeit feines Aufgangs nämlich
mehrt fi das Waßer und ſchwillt z. B. der Tigrid an, fo daß er ein
Leben und Gedeihen fördernder Stern if. Darum gloffirt auch Nerio-
fengh ihn ganz richtig nach ver Parfentradition ald Stern des Negens,
folte er auch nicht grade Regen, fondern nur Waßer aus den Gebirgen
bringen. Der Hund, welcher die Brüde Tſchinevad bewacht, über welche
die Seelen in den Himmel eingehen, bezieht fich ficherlih auf nichts
Anderes, ald auf die Lebensidee, wie im ägyptifchen Anubis der Schafal
fie in Beziehung auf die Todten ausdrückt, und zwar das Waßer als
Lebensprincip betrachtet. (Im Vendidad heißt e8 von Ormuzd: O du, ver
du das Waßer aus dem See der großen Ufer fließen läßeft, bringe bier
ven Wind und die Wolken über den Todten) Hund und Hahn mußten
bei den PBerfern ven Todten anfehen, natürlich in Hinficht auf das Forts
leben ver Seele im Lichte des Behefcht, und hätte man bloß auf Wadı-
famfeit gefehen, gleichfam auf ein Wachen ver Seele, fo wäre doch wohl
eins dieſer Thiere zu dieſem Zwecke genug gewefen. Der Hahn aber
hat, wie der Hund auf das Lebenöprincip Hindeutete, wohl auch mehr
bezeichnen follen, als die bloße Idee des Wachens, denn da er daß erfte
Licht des Tages mit feinem Gefchrei anruft, fo eignete er fich, das
Erwachen des Lichtes und zum Lichte zu bezeichnen, und biefen Sinn
hat er hoͤchſt wahrfcheinlich als Thier des Asklepios (welchem auch ver
Hund gehört), da Licht und Glanz bei viefer Gottheit von wefentlicher
Beveutung find. Der Roßhahn auf perfifchen Tapeten, von welchem in
des Ariftophanes Fröſchen vie Nede ift, erflärt ſich als perftfche Thiercom-
IV. 23
354 Miscellen.
pofition aus dieſer Beveutung des Hahnd in Beziehung auf pad Leben,
wodurch er ſich ganz und gar eignete, in Verbindung mit vem Roß eine
Lebens⸗ und Genefungdivee audzubrüden, da die Aſpins, die von ber
Sonne flammenden, auf Roßen, welche der Sonne gehdren, reiten, und
Aerzte find, die Bedeutung des Roßes in dieſer Ihiercompofttion als zum
Hahn paßend darthun.
Die mofaifhe Schöpfungsgefchichte laͤßt Gott als Geift fprechen, und
das ausgefprochene Wort ruft die Dinge hervor. Diefe Anficht trennt
auf das Entfchienenfte den Moſaismus von dem Heidenthum, welches
zeugende Hervorbringung annimmt, und flelt kühn die Intelligenz und
den Geift als den Grund der auf eine göttliche Intelligenz Hinweifenven
Schöpfung auf. Damit ſteht ed denn im Zufammenhang, wenn es im
Anfange des Evangeliums Johannis Heißt: Im Anfang was das Wort,
und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Alle Dinge
find durch daſſelbige gemacht, und ohne daſſelbige iſt nichtd gemacht,
was gemacht ifl. Und das Wort ward Fleiſch und wohnte unter uns
u. f. w. Ob neben diefem Wort als der ſich äußernven göttlichen Intel-
ligenz das perfifche Honover als gleichbedeutend zu verftehen fey, mag
unerdrtert bleiben; daß aber vie Perjerlchre des Zoroaſter mit dem
Moſaismus auf völlig gleicher Stufe geiftiger Höhe in der Auffaffung
Gottes ald eines abfoluten Geiſtes ftehe, Tann wohl die oberflächliche
Anfchauung, wie fie der Seichtigfeit tiefphilofophifcher Forſchung im
Gebiete der Mythologie eigen zu feyn pflegt, behaupten, aber e8 bleibt
wahr, daß dem nicht fo ſey. Doch für die Vergleihung der perftfchen
Schöpfung mit der mofaifchen genügt ed, daß es von Ormuzd heißt, er
babe mit dem Amſchaſpands gefhaffen, daß das Licht ſelbſt unerfchaffen
fey, und daß unter ven Amſchaſpands Feiner if, welcher das Wort bezeich-
nen fönnte, oder den Schöpfungdausfprudy des Ormuzd. Ueber das Licht,
als eigentlichen Schöpfungsquel ift die fogenannte Zoroaſterlehre nicht
hinausgefommen, und das Licht ift ihr das Schaffende. Wenn außer
dem Honover dad Wort in der Boroafterlehre hoch geftellt iſt, und wir
finden es fehr hoch geſtellt, fo ifl darunter die Ormuzdlehre zu verftehen
und dad Gebet, fowie mad der Ormuzddiener zu wißen und auszuſprechen
hat. Der Ized Serofh, d. i. das Wort ift nichts weiter als die Perfo-
nification des. Wortes in diefer Hinficht. Don ihm beißt e8: Die Gebete,
welche Gunft erwerben, jeyen für Seroſch, ven heiligen, flarfen, deßen
Leib dad Wort if, deßen Schwerdt ſiegreich ift, den Diener des Herrn,
und für das Opfer und die Anrufung und für pas Gebet, welches Gunft
erwirbt, und für die Seegnung. Daraus erhellt deutlich, wie das Wort,
welches in Seroſch perfonificitt ift, zu verftehen fey. Daß der Gehorfam,
nämlich gegen die Ormuzdlehre damit zu verbinven fey, haben die Barfen
gemeint, denn nach) ihrer Irapition nennt Anquetil ven Seroſch gehorfam,
Miscellen. 3585
und auch Neriofenghb weißt auf den Gehorfam bin, fo daß alfo der
Menſch dem Worte des Ormuzd gehorfam ſeyn fol, welches vaher als
Ized ſelbſt dem Ormuzd geborfam if. Selbft ver Name Ahura⸗ maz- da
(Drmuzb), wenn er richtig durch Nerioſengh als großweiſer Herr geveutet
it, und die Sprache wiberfirebt viefer Deutung nicht, geht ficher mehr
auf die Weisheit der Ormuzdlehre, durch welche man die Devs befämpfte,
als auf irgend eine andere Weisheit.
Giebt und der Mofaismus feine irgend genaue und ausführliche
Nachricht über die Anftchten von dem Zuſtande nach dem Tode, welche
fiherlich unter den Semiten Statt gefunden haben, denn die Heraufbe⸗
ſchwörung von Samuel's Geift würde allein ſchon bemweifen, daß eine,
wie immerhin befchaffene Fortdauer des Menfchengeiftes in einer Unter-
welt unter ven Semiten geglaubt ward, fo dürfen wir doch vorausfegen,
daß eine befonvere Herrlichkeit nach dem Tode von ihnen nicht anges
nommen ward, denn eine ſolche würde fiherlih im Moſaismus beibehals
ten worden feyn. Schon die Annahme einer Unterwelt, welche das
Gefühl als ein dunkeles Schattenreich zu betrachten drängt, wäre einer
ſolchen Anfiht grade nicht angemeßen gewefen, denn auf Tartarud und
Elyfium wenigftend, wie fpätere Combination fie zufammenftellte, pürfte
man fi für eine frühere, der natürlichen Anfchauung und Empfindung
nähere Zeit nicht berufen. Daß aber auch dennoch die Semiten den
menfchlichen Geift nach dem Tode als MWefen göttlicher Art betrachtet
haben, dürfen wir vermuthen, denn daß fie das Geiflige anderd ald
göttliher Art aufgefapt hätten, ift nicht wohl zu denken. Bey den
Nömern waren die Laren, Manen, Lemurn*) Geifter, denen man die ihnen
zufommenven Opfer bringen mußte, deren Unterlaßung Gefahr von ihnen
drohte. Bey ven Perfern erfehen wir aus dem Namen ver Dews in der
Unterwelt, daß ihre ältere Anſicht von dieſen Dingen dahin gieng, es
fämen die Geiſter der Geftorbenen als göttliche Wefen in die dunfele
Unterwelt. Denn der Name der Dews bezeichnet fie ald Götter, und
erft ald man den Gegenſatz des Todes und der Todesnacht in der Unter»
welt zu der allervings ganz natürlichen Anftcht ausbilvete, daß fie ein
feinvlicher Gegenfat gegen das Leben und das Lebendlicht feyen, wurden
die Dews durchaus Feinde, und in die Unterwelt kamen nur vie Seelen
der Böfen, vie Seelen der Frommen aber in die Himmelsherrlichkeit,
und ed gab fortan einen Teufel, welcher zu den nütlichften und brauch⸗
*) Lemur ift aller Wahrfcheinlichfeit nach aus demur entflanden, wie lingua
aus dingua, levir aus devir, lacryma aus dacryma, und dieß demur
entfpricht dem Oriechifchen deuag, welches nicht den Leib als Stoff, fon:
bern der Geſtalt nach bezeichnet, was fein dem Kateinifchen instar ent:
fprechender Gebrauch zur Genüge darthut. 94.
356 Miscellen.
barften Erfinnungen gehört, wenn er auf die rechte Weile verwendet
wird. Mit dem Cherub, welchen die mofaifhen Schriften anerkennen,
fann man den perſiſchen fogenannten Sphinx vergleichen, den Stier mit
Bittigen und einem Menfchenhaupt. Der Stier bezeichnet die Vortpflan-
zung des Lebens, vie Fittige aber beveuten Schuß, fo daß er alfo vie
Welt durch Fortpflanzung vor Verddung ſchützt. Sein Bild ift daher ein
Lebensſinnbild, das fich wohl eignete, überall angebracht zu werben, wo
man an das Leben erinnern und die Todesidee entfernen wollte. Drum
hütet der Stier ven Pallaft zu Perfepolis, ſchmückt ven Tempel, wo ber
Gottesdienſt dem Leben lange Dauer und Seegen verfpricht, und bewacht
Even, wo e8 feinen Tod giebt, und den Baum des Lebens, welchen ver
Perfer in vem Baume Som befaß, der in dem Duell Ardviſur wuchs,
denn das Waßer ift ein LXebensprincip. Als man der Ormuzplehre, dem
lebendigen Worte hohen Werth für das Leben zufchrieb, benannte man
den Lehrer mit dem Namen des Lebensbaumes, ald ob er ein Lebens⸗
fpenver ſey, wie man den Nachfolger deſſelben Zarathuftra, d. i. Gold»
ftern benannte, wohl auf den durch Waßer das Leben fürvernden Sirius
damit hindeutend. *)
*) Eigentlich hätte Mithras in der femitifchen Mythologie in feinem Wirkungs⸗
freife dargeftellt werden follen, denn nach den Nefultaten, welche ſich mir
aus der genauen Betrachtung des Wenigen, was uns von ber perfifchen
Mythologie überliefert ift, ergeben Haben, kann diefer Gott nicht perfifchen
Urfprungs fein, fondern weißt auf die Semiten hin, aus Gründen, weldje
nicht als geringfügig gelten können. Aber wenn dieſe Gründe gehörig
entwidelt werden follen, Tann es nur in Verbindung mit dem, was nod)
von perfifcher Mythologie übrig ift, gefchehen, und fo muß es dem folgens
den Bande vorbehalten bleiben, nachzuweifen, daß er der femitifche Sonnens
und Lichtgutt gewefen, welcher dem Leben vorfleht, weßhalb er mit dem
zeugenden Stier (aud welchem die träumerifche Spielerei, unbefümmert
um Widerfinniges und Unmögliches, die Erde gemacht hat,) in Verbindung
ift, wie Btah mit Apis in Memphis und Herafles- Melfart mit den Sonnen
tindern, woraus ſich die Mithrasmpfterien entwidelten, und daß fein ſemi⸗
tifcher Sonnenfahn zum Dſchemſchids Becher ward, während der perfljche
Sonnengott mit Roßen fuhr. Daraus wird fih auch ergeben, wie grund⸗
108 die Herleitung des Chriftenthums aus den Mithrasmpyfterien fey, da
vielmehr der heidnifche Theil des Chriftentbums von der großen Mutter
deg Lebens, der Himmelsfünigin, die den Sohn zum Gemahl hat, entlehnt
iſt, weßhalb in diefem Theile defielben die Mutter mit dem Kinde fo bedeu⸗
fend hervortritt. Der Teufel und die Befeßenheit ftammt freilich von den
Perfern ber, denen fie durch eine fugenannte Offenbarung in der fcharfen
Ausprägung, worin fie erfcheinen, gefchenkt wurden zur Freude und zum
Glück vieler kommenden Gefchlechter. Eben fo flammt daher das jüngſte
Bericht.
357
Anmerkungen.
Zertfritif und Auslegung.
Nicht ale Schriftftellen, welche ſich auf die oben abgehandelten
mythologifchen Gegenftänve beziehen, find uns fehlerlos überliefert, manche
darunter aber fo arg verberbt, daß fle mit den vorhandenen Hülfsmitteln
[hwerlid auf eine ſichere und völlig überzeugende Weife hergeftellt
werben Fünnen. “Die verberbteften find zwar von der Art, daß wir aus
dem Zufammenhang erkennen, es feyen dadurch und Feine Nachrichten
verloren gegangen, welche über mefentlihe Dinge wichtige Auffchlüße
geben fünnten. Weil aber folche Stellen leicht mißbraucht werben, fo
will ich einige berfelben in dieſen Anmerkungen in der Kürze berühren
und einige Worte darüber jagen. Eine der allerverberbteften Stellen
findet ſich bei
Arnobius V. 27,
wo wir lefen Tisianes et bucures mauri et ovorum progenies di
Syri. Die Kirchenfchriftfieller eifern unter andern darüber, daß die Heiden
Thiere für Götter angefehen hätten, und die Worte ovorum progenies
zeigen, daß vie vorliegende Stelle einen joichen Inhalt Habe. Die ovorum
progenies find die Tauben, und mithin ift Semiramis gemeint. Neben
ven Tauben Eönnen als Thiere, welche für furifche Götter angefehen
werben Eonnten, nur noch die Fifche gelten. Nehmen wir nun dad ver-
verbte Wort TISIANES und bevenfen, daß progenies dabei geflanven
haben koͤnne, fo daß die Endungen CES und NES in einander gewirrt
werben konnten, fo wird Fein großes Bedenken ftattfinden können, PISCES
zu fchreiben. Da B und R oder P nicht fehr weit auseinander liegen,
und zu ovorum progenies eine vorhergehende progenies gehört, ſo wird
et pisces progenies maris (welches in mauri enthalten feyn kann) et [colum-
bae] ovorum progenies, dii Syri daraus, und dies genügt dem Sinne
volfommen, wie denn ein anderer Inhalt ſchlechterdings nach keinem ver=
nünftigen Grunde vermuthet werden kann. Betrachtet man bie vorhan⸗
benen durch Verrückung in finnlofe Worte vertheilten Buchflaben, und
vergleicht fie mit der vorgefchlagenen Veränderung, fo wird von biefer
Seite nichts derſelben im Wege ftehen.
Berner lefen wir über vie Göttermutter bei
358 Anmerlungen.
Arnobius V. 7:
Tunc arborem pinum, sub qua Atlis nomine spolieverat se viri, in anlrum
suum defert (sc. mater deüm), et sociatis planctibus cum Agdesti tundit et
sauciat pectus pausatae circum arboris robur.
Stemeh flug für das völlig finnlofe pausatae das neue Wort
lausatae vor, in ver Meinung, von lausus ober lausum (wenn es fo gehei⸗
fen haben follte) könne man ein Wort lausare herleiten. Bon einem
feltenen, alten Worte ein Zeitwort berzuleiten und in ven Text des
Arnobius einzufchieben, gehört unter die gemwagteften kritiſchen Aushülfen,
zumal wenn ein Wort fo wenig befannt ifl, vaß wir feine wahre Bedeu⸗
tung nur vermutben, nicht aber ficher wißen Fünnen. Schwerlicdh wird
Jemand im Stande jeyn, dad Wort lausus oder lausum anders, ald durch
Herleitung von laudere, dem Stamm von laus und dem abgeleiteten lau-
dare, erklären zu Eönnen, wie ſich das abjectivifche frausus von fraudere
zu den Vormen fraus und frandare findet. Es ift demnach nicht als aus⸗
gemacht anzufehen, daß es etwas Anderes als dad Lob des Todten beveute,
und es kann mit der parentatio verglichen werben. Wür pausatae bietet
ſich positae dar ald das einzige hier anwendbare Wort, melched durch
einen Schreibfehler in posatae ververbt gedankenlos in pausatae als eine
vermeintlich gewöhnlichere Form geändert ward.
Bon Demeter in der Gefchichte mit Baubo handelnd finden fich bei
Arnobius V. 27
bie Worte: quidnam quaeso in specu alio quid in pudendis fuit — quod— — —
Daß Hier für in specu entweder inspiciendum oder inspectandum zu
leſen fey, ift fo fiher, folte man meinen, daß e3 Jedem einleuchten
muß, und darum braucht es feines weiteren Redens darüber, zumal bier,
wo feine Polemif geübt werben fol. Alio quid ift durch Feine Erklärung
zu rechtfertigen, wie Jedermann auf den erflen Blick flieht, doch dürfte
bie Verbeßerung nicht weit zu fuchen ſeyn, venn lieſt man alioqui, was
war übrigens oder außerdem zu fehen ober zu betrachten, fo tft jebe
Schwierigkeit in dem Verflänpniß diefer Stelle gehoben.
In der Gefhichte des Attis erzählt
Ovidius (Fast. IV. 2333):
Hic furit; et credens thalami procumbere tectum,
Effugit, et cursu Dindyma summa petit.
Et modo, tolle faces; remove, modo, verbera, clamat.
Saepe Palaestinas iurat adesse deas.
Daß die Göttinnen, welche ver Raſende zu fehen glaubte, Feine anderen
ſeyn koͤnnen, ald die Furien, geht aus dem Worte furit hervor, und bie
Anmerfungen. 359
Fackeln und bie Schläge würbenfes beweifen, wenn es überhaupt eines
Bemeifes bevürfte. Paläftinifhe Furien finden vieleicht unter venen,
welche Mythologie träumen, flatt fie zu erforfchen, eifrige Freunde, aber
e8 gab ſolche nicht, und das Wort Palaestinas tft falfch, die Berichtigung
aber liegt nahe, denn nur die drei Buchſtaben e, t, n find unrichtig,
wahrfcheinlih aber durch vermeintlidde Verbeßerung entitanvden. Leſen
wir saepe palam visas iurat adesse deas, fo iſt dem Sinne vollfommen
genügt, und man ſieht leicht ein, wie bei einem auch nur Eleinen Verder⸗
ben der Wörter palam visas durch eine vermeintliche DVerbeßerung das
finnlofe Palaestinas Raum finden Fonnte. Zur Ausmalung diefer Raferet
gehört es, daß er die Furien leibhaft vor fi zu fehen glaubt, wiewohl
fie nur die Gebilve feiner Innern Zerrüttung find.
Da die Worte, welche wir bei
Porphyrius de Abstinentia Il. 27
Iefen, falfch verflanden worden find, fo möge eine kurze Erläuterung vers
felben hier nicht überflüßig erfcheinen. Es Heißt daſelbſt — xara mepiodor,
TG TOD vouiuov xapıv uynung, EuPvAıov alua Paivovor TrpÖG Tovg
Bauods, xainep räg nap anrois Ivoras Ebsipyodons TÜV iepav,
TOIG TEPIPPAVTNPLOLG ENPÜYUATI, EiTIG OLUATOG ApLıIUEIOV UETALTLOG.
Evrevdev 0dv ueraßaivorrss, dnaAdayua ps Tüs Ivoias Tüv
idiav EnoLÜYTO O@uATay TA TEV A0vındv fOmv OauaTa.
Die Bemerkung, an die Stelle der Menfchenopfer feyen die Thier-
opfer getreten, ift ganz richtig, wiewohl die Menfchenopfer nicht überall
ganz abgefchafft wurden. Was aber Porphyrius eigentlich fagen wil,
lautet dahin, daß der Cult infofern folgewinrig fey, ald man Mörder vom
Dpfer ausfchliefe und doch felbft durch die Menfchenopfer einen Mord
begehe. Das Wort apıSueiov iſt falfch, und ver Vorſchlag avyIpnneiov
zu lefen (denn der Vorſchlag aeSwiov iſt einer Erwähnung kaum werth)
ift nur fcheinbar gut, weil Menſchenmord nicht auf --immer von dem
Heiligthum und den heiligen Gebräuchen ausſchloß, fondern nur auf fo
lange, bis einer gereinigt worden war. Es genügt ein Beyfpiel aus des
Aefchylus Eumeniden (442):
ABsIoyyov eivaı Töv nadauvaiov YOLOG,
’EoT’ dv npög Avdpös aiuarog xaIapoiov
Zpayal xaSaundabnoı veoSnAoög Borov.
Das Wort ai bedarf übervied feinen Zufag, um von Mord verflanden
zu werben, wohl aber ift, damit Porphyrius die Wahrheit fagte, ein
Wort nöthig geweſen, welches ven Begriff des Ungereinigten ausbrüdte.
Darum darf man das verderbte ApıSusiov in Axadaprov ündern,
360 Anmert en. .
welches der Sinn erheifcht, und x verderbte Wort die Sylben
«p und ov darbietet, fowie ven Buchſtaben 3, denn daß dieſer letztere
verſchoben ift, kann diefer Aenvderung nicht im Wege ftehen, da nicht
wenige Corruptelen durch Verfchiebung der Buchftaben von ihrer rechten
Stelle entftanden find. So entfland aus apyadkov, rıxpöv bei Heſychius
oaAAdv, zıxpöv, indem APTA — in TPAA durch Buchſtabenver⸗
fegung mit den gewöhnlichen Verwechſelungen von T und T und von
A und A. .
In Betreff der Göttermutter, welche in ber Geftalt eined Steind
nah Nom gebracht worden war, lefen wir bei
Servms ad Aeneid. VI. 188
die Worte: acus matris deüm, womit bezeichnet werben fol nicht ihr
Weſen, fonvdern ihre Darftelung. Da diefe Scholien nicht um ihrer
eigenen Schönheit willen ein Gegenftand einer Texrtverbeßerung werben
fönnen, und aus der angeführten Stelle nichtd zu Iernen tft, fo Fönnte
man biefelbe auf ſich beruhen laßen. Dennoch bevarf es der Bemerfung,
daß eine Veränderung von acus in Agdus, welche Münter vorgefchlagen
bat, unmöglich ift, weil vie Gdttermutter in Nom ein vom Simmel
gefallener Stein geweſen feyn Tol, welcher mit dem Stein Agdus, von
welchem vie Römer bey Gelegenheit ihred Cults nie etwas erwähnen,
nichts gemein hat. Acus ift ein Bruchflüd eines Worts, und da lapis zu
ferne Liegt, fo vpürfte Fein Zweifel feyn, vaß [simul] ac [r] um hergeſtellt
werden müße. So finden wir in einer mythologifchen Notiz bei
Hyginus fab. 275
ein durch Verſtümmelung und nacdhmalige vermeinte Wieverherftelung
gänzlich verberbtes Wort. Es Heißt nämlih in der Aufzählung von
Städtegrünvern: Niles, Solis fillus, Carmentum. Eine Stadt Carmentum
gab und giebt ed nicht, fo wenig als einen Helios- Sohn Nilus. Fragen
wir, wo Helios eine beſonders heilige Stätte hatte, fo daß eine derartige
Erdichtung von Städtegründern einen Sohn defjelben zum Gründer erdich—
ten Eonnte, fo war ed Korinth, Corinthum aber liegt von dem ververbten
Carmentum nicht weit ab, und in Nilus dürfte demnach ein Stüd des
Namend Corinthus enthalten feyn, ver zwar Zeus Sohn genannt wird,
der aber, da bier von einer willführlichen Genealogie die Rede ift, wegen
Korinths Verhältnig zu Helios, von einem Andern zum Sohne dieſes
Gottes gedichtet werben Fonnte. Daß gerade Namen mythologifcher Per:
fonen fo häufig mißhandelt worven find, ift natürlich, da das kleinſte
Verſehen bier leicht meiter führt, ald bei mohlbefannten Wörtern. Wie
reich grade Hyginus an ganz verberbten Namen fey, meiß Jeder, wer
Anmerkungen. 361
feine Fabeln einmal durcdhgelefen hat. Den gänzlihen Wegfall eines
folchen |
Hyginus fab. 251
zeigt der Zufanımenhang auf eine unzmeifelhafte Weiſe. Es Heißt in
dieſer Babel, welche vie aufzählt, venen es vergönnt ward, aus der Unter⸗
welt zurüdzufehren, hinabgegangen feyen Ulysses Laertae filius, propter
patrem. Aeneas Anchisae filius, propter patrem. Scheffer jchlägt vor,
für das erfle propter patrem zu lefen propter matrem, Munder aber
möchte propter patriam gelefen wißen. So entftand gewiß ver Behler
nicht, fondern das zweite patrem veranlaßte das erfte, denn unmöglich ifl
es, daß einer ver Odyſſee entgegen je etwas Anderes hätte angeben
fonnen, als Ulyſſes ſey in die Unterwelt gegangen propter Tiresiam.
IV. 24
T.
Taautos 326.
Tagewaͤhlen 121.
Talos 280.
Tanais 270.
Tanit 270.
Taſchter 358.
Tempel 39.
Tempelgeraͤthe 60.
Teufel 155 flgg.
Thalath 265 Note.
Negifter.
Thamuz 242,
Thespiaden 295.
Top 145.
u.
Unſterblichkeit 145 figg.
Uſoos 327.
V.
Verſoͤhnungsfeſt 23 fig.
Dirbius 261 Note.
%
23.
Wachtelopfer 283.
Weißagung 91 fig.
Wunder 91 fig.
3.
Zadyk 280.
Zames 225.
Bauberei 91 fig.
Zoganes.269. _
Sophafemin 825.
Zoroaſter 356.