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Full text of "Die Mythologie der asiatischen Völker, herausg. von K. Schwenck"

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N 


8000249188 





„ve 


Die Mythologie 
Aſiatiſchen Völker, 


der 


Aegypter, Griechen, Nömer, German 
und Slaven, 


herausgegeben von 


Konrad Schwend. 


Dritter Band. 
Die Mythologie der Vegypter. 


Mit 13 Lithographirten Tafeln. 


IIND OCCEe»n- 





Frankfurt am Main. 
J. D Sauerlänvder’s Berlag. 
18A6. 


221. 2. Sb, 


Die 


Mythologie der Aegypter 
für 
Gebildete und die ftudirende Jugend, 


dargeftelft von 


Konrad Schwenk, 


Mit 18 lithographirten Tafeln. 


re 





Frankfurt am Main. 
3. D Sauerländer’s Verlag. 
1846. 


Ill. 


E inleitung 


Die Aegypter zeigen fih in Sprache und Ausdrucksweiſe mit den 
Semitiichen Stämmen Aflend verwandt und die Denkmäler verfelben reichen 
in ein hohes Alterthum hinauf, wenn man fle mit denen anderer Völker 
vergleiht. Nie wurde dieſes Volk aus feinem Sige an dem Nil ver- 
trieben, doch es erfuhr Fremdherrſchaft, indem längere Zeit ein Aftatifches 
Hirtenvolf, die Hykſos genannt, die Hauptgewalt im Lande hatte, bis es 
nad Aften zurüdging oder vertrieben ward. Später eroberten bie Perſer 
Aegyopten, ohne jedoch des Volkes Sitten, Gebräuche und Religion anzu- 
taften, und dann warb es ein Theil der Eroberungen Alexanders des 
Großen, ald welcher e8 dem Ptolemäud zufiel, bis e8 unter die Botmaͤßig⸗ 
feit der Römer kam. Aegyptens Gefchichte beginnt mit der Vereinigung 
yon Ober» und Unter = Uegypten, welche Theilungen des Landes aber ven 

beiden Konigreichen, die unter Menes vereinigt wurben, vorhergegangen 

fern mögen, vermögen wir nicht zu wißen. An ven Namen des Königes 
Seſoſtris fnüpfte Aegypten ven Glanz feiner Geſchichte, einen Eroberungs- 
zug durh Aften, außer diefem aber wird nur von Kämpfen mit den Afri- 
caniihen Nachbarn Oberägyptens gemeldet. Die Befchaffenheit des Bodens 
und des Klima ließ es zu, daß eine zahlreiche Bevölferung auf einem 
verhältnigmäßig kleinen Raum gedeihen konnte, wodurch die Aegypter 
vorzugsweiſe ein ackerbauendes Volk ſchon in früher Zeit wurden. Die 
alljährliche Ueberſchwemmung des Nil, welcher einen fruchtbaren Schlamm 
zurüdläßt, gewährte meift gute Erndten, welche von NRegengüßen und 
Hagel verjchont blieben, weil Aegypten Feine Gewitter Fennt und, nur 
felten Regen im unteren Theile des Landes hat. Die Ueberſchwemmung 
folgt auf ven Aufgang des Hundsſterns, welcher daher beobachtet ward, *) 
da fi ver Seegen des Jahres an venfelben Enüpfte, und fo famen die 
Aegnpter frühe zur Zeitrechnung und der genauen Kenntniß des Jahres, 
io wie fie auch auf die Meßkunſt geführt wurden, weil die Ueberſchwem⸗ 
mung ed nöthig machte, das Land richtig zu vermepen unter die Eigen- 
ıhümer. Jederzeit war die Herrfchaft Aegyptens eine königliche, doch war 
rieielbe nicht auf die Männer befchränft, ſondern auch Frauen werden ale 
Herrſcherinnen des Landes genannt, die Könige aber wurden, wenn es an 
einem Erben gebrach, entweder aus ber Zahl ver Priefter, over der Krieger 


*=) Auch andere Bölfer beobachteten diefes wichtige Geflirn. So meldet Mani⸗ 
lius (1. 387) von den Eiliciern, daß fie den Hundsflern vom Taurus beob⸗ 
achten, und von ihm auf das Jahr fchließen. 

1* 


A Einleitung. 


gewählt, *) und in dem alle, daß letzteres gefchah, ward der König zum 
Priefter geweiht. Er ward fogleidh von den Prieftern, fagt Clemens ver 
Alerandriner (©. 242) in die Weisheit eingeführt, welche in ven Mythen 
veriteckt if. In Theben und Memphis, ven. Hauptitädten von Ober= und 
Unter- Aegypten, warb der König gefrönt und jo ald Herrfcher ded ganzen 
Landes, welcher die weiße Krone des oberen und die rothe des unteren 
Landes vereint trug, eingeweiht. Die Infchrift des Steind von Roſette 
beweißt, daß die Krönung zu Memphis noch zur Zeit der Ptolemäer 
beftand, doch der Krönung zu Theben gevenft fie nit. Die Denkmäler 
zeigen Krbnungsfeierlichkeiten, welche Wilkinfon (Tafel 76) nah vem 
Denkmal zu Medinet-Habu (Theben) hat abbilden lagen. Botentauben 
werben in den Denfmalinfchriften geheißen, nach den vier Puncten, nämlich 
nah den vier Weltgegenden, zu fliegen, und zu melden, daß der Künig 
die Krone angenommen habe. Wir fehen da den König ſechs Aehren 
mit goloner Sichel abfchneiden und ein weißer Stier fteht vor ihm, jo 
wie auch das Bild des phallifhen Ammon fich in der Darſtellung befinvet. 
Der Scholiaft zu Germanicuß nennt den Ifistempel zu Memphis als ven 
Ort, wo der König den Thron beftieg, indem er fagt: in dem Tempel 
der Iſis **) war e8 Brauch, die Könige auf den Thron zu erheben, wo fie 
in die Heiligtümer zuerft eingeweiht wurden. ***) Auch durfte dem 
Stier Apis dad Joch bei dieſer Beier aufgelegt werden. Der König aber 
ward von dem Priefter der Iſis in das unbetrettbare Heiligtum geführt 
und mußte fchmören, weder einen Monat noch einen Tag einzufchalten, 
fonvdern e8 nach ven alten Herfommen bei ven 365 Tagen des Jahres 
bewenden zu laſſen. Wie ed mit der Thronbefteigung ver Königinnen, 
welche übrigens in den Kiften von Karnaf und Abydos gar nicht aufge- 
führt werben, gehalten ward, ift und unbefannt geblieben. 

Die Könige, welche priefterlihe Macht mit der weltlichen vereinigten 
(denn ſie fanden an der Spige des Cultus, brachten bei großer Feier das 
Opfer dar, hatten vie Oberleitung der Feſte und waren Herren der Pane— 
gyrien), wurden wie Wefen höherer Art angefehen, und Söhne von Göttern 
genannt, Sonnen, Söhne der Sonne. Ihr Geburtstag ward ald ein 
heiliger Tag gefeiert, wie der Stein von Roſette und belehrt. Weil viele 
Vergötterung der Könige und was in diefer Beziehung über fie ausgefagt 
wird, zur Erkenntniß Aegyptiſcher Denkmeije nicht ohne Bedeutung iſt, 


*) Syneſius ſagt zwar, die Aegyptiſchen Könige ſeyen gewählt worden, doch 
darf dies nur mit Cinfchränfung verftanden werden. 
**) Zwar heißt es, in dem Tempel bes Apis, der Zufammenhang aber zeigt, 
daß ſtatt Apis Iſis gelefen werden muß. 
***) Diodor (Bruchſtucke des 33. Buchs) nennt den Pallaft zu Memphis als 
Einweihungsort eines Ptolemäus, was aber nicht glaubwurdig if. 


@inleitung. 5) 


jo mögen bier einige Züge dieſer Verherrlichung erwähnt werben. In 
dem Rameſſeion zu Theben ftellt ver Gott Atmu den König Ramfes dem 
Gotte Muntu vor, welcher ihn an der Hand nimmt und fpridt: „komme 
zu den Himmlifhen Wohnungen, deinen Vater, den Herrn 
ver Ödtter zu fhauen, der dir eine lange Reihe von Tagen 
serleiben wird, die Welt zu regieren und auf dem Throne 
des Horus zu herrſchen.“ Der Gott Ammon-Ra fpridt: „Ammon⸗ 
Ra, der König der Götter, ver im Rameſſeion von Theben 
wohnt, ſpricht: Mein vielgeliebter Sohn und aus meinem 
Stamme, Herr der Welt, Ramſes, mein Herz freut ſich, 
indem ich deine guten Werke ſchaue; du haſt mir dies 
Gebäude geweiht, ich ſchenke dir ein reines Leben zu leben 
auf dem Throne des Seb.“ Ferner iſt daſelbſt zu leſen: „der 
gnädige Gott (nämlich der König) hat dieſes große Bauwerk 
geihaffen, er hat e8 errichtet durch feinen Arm, er der 
König Sonne, Schirmer der Geredhtigfeit, der von Ra 
gebilligt ift, ver Sohn der Sonne, der Freund des (Gottes) 
Ammon, Ramſes, der Vielgeliebte des Ammon-Ra, der 
Vielgeliebte ver Gdttin Mut (Mutter). In dem Panegyrienſaal, 
melder vem Amnıon geweiht ift, wird der König genannt: der mächtige 
Arueris, der glänzende Horuß, der Befiger ver Jahre. Die 
Bötter fprechen gegen ihn aus: ich gewähre, daß dein Bau fo 
dauerhaft fen, als der Himmel. Die lömenföpfige Goͤttin bebt 
die reche Hand gegen ven Kopf des Königs und fpridht: ich yabe dir 
dad Tiavem der Sonne bereitet, daß dieſer Selm auf 
deiner Ztirne bleibe, wohin ih ihn gefegt habe Sie ftelt 
den K'nig dem tbrenenden Ammon vor, welcher das Götterfrepter gegen 
ihn alt . u einer andern Durftellung giebt Ammon, begleitet von Mut, 
dem Ramſes vie Sichel der Schlucht, die Beitfche (daS Zeichen der Herr— 
(haft und ven Krummſtab mit den Werten: Empfange die Sicdel 
der Shladt, um die fremden VBölfer zu bändigen und ven 
Unlauteren daS Haupt abzufchneiden, nimm die Peitſche 
und den Krummftab, um Kyemi (Aegypten) zu beherrſchen. 
Im Innern des Rameffeion in einem Zimmer find vier Barfen abgebilvet, 
in einer jeden befindet fich ein verhüulltes Gättercapelldhen, auf ven Schul⸗ 
tern getragen von vier und zwanzig, Die geringeren von achtzeyn Prieftern. 
Die beiden erflen gehören ver Göttin Mutter (Mut) und dem Gotte 
Khunfu, Die beiden geringeren vem Rameſſes und feiner Gattin, vie alfo 
ih unter den Göttern befinden. Mut fügt: ih Eomme vem Könige 
der Gödtter, dem AmmoneRa, huldigend, dem Herrfder 
Aegyptens, auf daß er lange Jahre gewähre feinem Sohne, 
ber ihn liebt, vem Könige Ramſes. Khunfu aber fügt: wir 





8 Einleitung. 


im Süden von Oph (Theben), er bat ihn machen laſſen au: 
harten guten Steinen, um ein dauerhaftes Gebäude zı 
errichten, daß ift e8, was der Sohnder Sonne, Amenophis 
der Geliebte des Ammon-NRa gemadt hat. In den Sculpturen 
dieſes Palaftes zeigt Thoth der Königin, dem Weibe des Thuthmofis, m, 
daß Ammon ihr einen Sohn bewilligt habe, dann finvet fidy dieſelbe 
fhwanger dargeftelt, von ven Gottheiten Chnuphis und Hathor in das 
Gemach der Niederkunft geführt, und ferner erfcheint fie auf einem Bette, 
den Amenophis gebährend, von Frauen unterftüßt. Göttliche Wefen unter 
dem Bette erheben das Zeichen des Lebend gegen dad Kind. Der Gott 
Nil in blauer und rother Abbildung ftelt ven Eleinen Amenophis, fo mie 
den kleinen Gott Harkfa und andere Formen des kleinen Gottes Horus 
den großen Gottheiten Thebens vor. Dann ſieht man Ammon-Ra das 
Königsfind in feinen Armen halten und ihm Liebfofen. Werner wird der 
junge König von Ummon-NRa eingefegt, und die Schubgdttinnen von 
Ober- und Unter-Aegypten reichen ihm die Kronen diefer Reiche, Ihoth 
aber giebt ihm feinen Namen: Sonne, Kerr der Gerechtigkeit. 
Die Weihinſchrift des von Thuthmoſis gegründeten Tempels zu Amada 
lautet: per mohlthätige Gott, ver Herr ver Welt, der König, 
der Sohn der Sonne, der Lenfer der Geredhtigfeit Hat 
feine Ergebenheit bewiefen feinem Vater, vem Öotte Ra, 
dem Gotte der beiden Himmelsberge, und hat ihm dieſen 
Tempel auß hartem Stein errichtet. Er bat ed gethan, 
um für immer lebendig zu feyn. Amenophis fette ven Bau fort, 
Thuthmoſis der Vierte endete ihn, und eine der Infchriften Tautete: 
fiehe, waß der Gott Thoth fpridht, der Herr der göttlidhen 
Worte zu den andern Gdttern, welde in Thyri ihren Sitz 
haben: fommet herbei und betrachtet dieſe großen und 
reinen Öaben, gemadt für die Erbauung diefes Tempels, 
dburh den König Thuthmoſis feinem DBater, dem Gotte 
Ra, der geoffenbaret iftinvdem Himmel. 

Diefe Ausdrucksweiſe für vie Verberrlihung der Könige gieng auch 
auf die Ptolemäer über und auch Aleranver, der Sohn Alexanders des 
Großen, beißt in dem Pallaſt zu Luxor der Geliebte des Na, 
gebilligt von Ammon, der Sohn der Sonne, der zu Eyren 
feines Vaters Ammon-Ra ein SHeiligthum errichten ließ, und 
Theben ald göttlihe Perfonificatien fpriht zu ihm: fiehe, was 
Theben, die große Herrfherin ver Welt, fagt: wir haben 
alle Gegenden in deine Gewalt gegeben, wir haben dir 
Khemi (Aegypten), die Nährerin gegeben. Ammon aber fagt zu 
ihm: mir bewilligen, daß die Gebäude, weldhe du errichteft, 
fo dauerhaft feyen, als der Himmel. So gieng es mit der 


x 


@inleitung. 9 


Vergötterung der Könige fort bis zur Römerzeit, und noch die berühmte 
Kleovatra fehen wir zu Hermonthis in dieſer Weife verherrlicht, mo fie 
einen Tempel zum Andenken an ihre Nieverfunft mit Cäfarion weihte. 
Die Göttin Reto ift in der Eleinen Gella, welche in der Infchrift Ort 
ver Niederkunft genannt wird, dargeftellt, ven Harpira, (Horus die Sonne) 
gbährennd. Mehrere Göttinnen find un fie herum bemüht; eine holt das 
Kind aus dem Schooß, eine langt nach dem Kinde, um ed zu empfangen, 
von einer andern begleitet, und Ammon ift dabei, nebft ver Geburtögättin, 
jo wie fi} auch SKleopatra dabei befindet. In der großen Cella ſteht 
Reto vom Wochenbett auf, unterftüßt von der Geburtsgdttin.. Ammon 
reiht ihr Die Hand und die übrigen Sötter find dabei. Andere Bilder 
zeigen den Harpira, wie er vorgeftelt wird dem Ammon, Muntu, Ra, 
Phthah, Seb, welche ihm ihre Infignien geben, und Cäfarion ift dabei. 
In diefen Darftelungen wird offenbar SKleopatra mit der Göttin Reto, 
Caſarion mit dem Gotte Harpira verglichen. Selbft in ven Gräbern 
eriheint der König auf dem hinmlifchen Berge und wird auch im Tode 
ald Sonne betrachtet, nämlich wann dieſe in der untern Hemifphäre ift. 
En heißt es in einer Infchrift eines Thebiſchen Königsgrabes: fiehe, 
mas Dfiris, der Herr des Amenti, fagt: ich habe dir eine 
Wohnung bewilligt in dem heiligen Berge des Weiten, 
wie den andern großen Gdttern (nämlid den verftorbenen 
Königen), dir, vem Dfiris (fo hieß jeder Todte, König, Herr der 
Belt, ver du noch lebſt. Linls des Gingangs ift immer der König 
in feinem Schmude, welcher ſich dem fperberföpfigen Na varftellt und 
diefer Gott Spricht: wir bewilligen dir eine lange Reibe von 
Tagen, um zu berrfchen über die Welt und die königliche 
Macht des Horus auf Erven zu üben. Auch in der Römerzeit 
dauerte diefer Ton fort. So findet fi) im Sanctuarium eine Tempels 
zu Mevinet- Habu Kaifer Hadrian ältefter Sohn des Ammon 
genannt, und bietet feine Spenden dem Mluntu dar. Selbft vie Ehre 
eined Gdtterfchreind feben wir tem Könige gewährt. Auf dem Stein 
von Rofette heißt ed, dem Könige Ttolemäus, den Echüger Aegpptens, 
iele in jevem Tempel eine Bilviuu.e errichtet werden bei der Haupt— 
gettbeit, die ihm den Schild des Siegs darreidht, und die Bilpfäule fol 
üglih dreimal von den Prieftern verehrt werden, und fie foll wie die 
andern Götter in Allem gehalten feyn. Das Bild und der golone Edhrein 
des Könige Ptolemäus fol im angefebenften Tempel im Sanctuarium 
unter den andern Echreinen feyn, und in der Proreffion der Schreine fol 
ver des Gottes Epiphanes mitziehen, mit den golonen Königskronen 
drauf, jede mit dem Uräus verfeben, und fein Krönungspfchent in der 
Mitte derfelben. 
Ueber das Xeben der Könige meldet Diodor (1. 73), dag te einen 


10 Ginleitung. 


der drei Theile des Bodens, in welche Aegypten getheilt war, befaßen, um 
ihren Aufmand und ihre Regierung daraus zu beftreiten. Die Prieftei 
aber, erzählt derſelbe (70), ftehen ven Königen mit Rath bei und geben 
ihnen Anleitung und Belehrung, indem fie aus der Sternfunde und Opfer: 
fhau die Zukunft vorausfagen, und aus den in den heiligen Schriften 
aufgezeichneten Thaten die vorlefen, welche nüglich feyn Fünnen. (Da die 
Könige felbft zu Prieftern geweiht waren, fo kennte eine Bevormundung, 
wie die des Priefters über ven Laien ſich geftalten muß, nicht ftattfinven. ) 
Die Könige leben nicht, wie andere Alleinherrfcher, fondern befolgen gefeg- 
liche Borfchriften, nicht bloß in den Gefchäften, fondern auch in dem 
täglichen Leben. Kein erfaufter oner im Haufe gebohrener Sclave bedient 
fte, fonvdern die Söhne der edelſten Priefter, über zmanzig Jahre alt und 
durch Erziehung ausgezeichnet. Die Stunden ded Tags und der Nacht 
waren ihm für fein Iyun gefeglich beftinmt. Stand er bei Tagesanbruch 
auf, fo empfieng er vie auf die Regierung bezüglichen Echriften zur Beſor⸗ 
gung, dann mwufch er fi), legte ven königlichen Schmud an und opferte 
den Gättern. Wann dad Opferthier zum Altar geführt war, fo betete ver 
Erzpriefter an der Seite ded Königs, indem die Menge im Kreid umber 
ftand, mit lauter Stimme, die Götter möchten dem Könige, der feine 
Untergebenen gerecht befchüge, Geſundheit und alled Gute fchenfen. Da 
mußten auch die einzelnen Tugenden ded Königs gepriefen werden, wie er 
gotteöfürdhtig und gegen die Menſchen mild, wie er enthaltfam, gerecht, 
großherzig und dazu wahrhaftig, gutig im Geben und ein Herr aller feiner 
Leidenfchaften jey, welcher die Fehler mit geringeren als den verbienten 
Strafen ahnde und Wohlthaten mit größeren Belohnungen vergelte. Nach⸗ 
dem dieſes und anderes Aehnliches gefprochen war, verfluchte er die aus 
Unwißenheit begangenen Behler, wandte aber die Schuld und Rache nicht 
auf den König, fonvdern auf die Diener und Lehrer vefjelben. War dann 
das Opfer gut vollbracht und die Eingeweideſchau vom König vollendet, 
fo la8 der heilige Schreiber aus den heiligen Schriften ven Rath und die 
Thaten auögezeichneter Männer vor, dem Könige zum Vorbilde. Selbft 
zum Spazierengehen, zum Wachen, zum Schlafen bei feinem Weibe und 
überhaupt für Alles im Leben mar der König an Vorfchriften gebunden. 
Seine Nahrung mußte einfach feyn, er befam Kalb=- und Gänſe-Fleiſch 
und ein beflimmtes Maaß Wein, momit er fiy nicht überlaven Eonnte. 
Dafür ward er aber auch nad) feinem Tode gewaltig betrauert. Die 
Tempel wurden gefchloßen, die Opfer und Feſte zwei und fiebenzig Tage 
lang eingeftelt, vie Leute zerrißen ihre Kleiver, freuten Staub auf ihre 
Häupter und zogen zu zmei= bis vreihundert, Männer und Weiber, unter 
der Bruft mit Baummollenzeug gegürtet herum. In Trauerlievern ward 
das Lob des Todten gefungen, und man enthielt fi) während der Trauer- 
zeit des Pleifches und ded Brods, fo wie des Weind und aller Art von 


Einleitung. nn 


Aufwand, auch des Bades, ver Salbe, des Bette und ver ehelichen Vers 
einigung. War dann Alles zum Begräbniß herrlich zugerüftet, fo warb bie 
kihe am legten Tage an dem Eingang des Begräbnißes hingefegt und 
Gericht über das, was er gethan, gehalten, indem jeder die Erlaubniß hatte, 
ihn anzuflagen; die Priefter aber lobten ihn, indem fie Alles, was er Gutes 
vrrichtet hatte, Durchgiengen. Die zum Leichenbegängniße verfammelten 
tiefe Taufende aber riefen beifällig, wann fie hörten, daß er im Guten 
gelebt hatte, mo nicht, fo lärmten fie. 

Die Erzählung Diodord dürfen wir im Allgemeinen für glaubwürbig 
halten, daß aber die Könige nicht immer mit der Priefterfchaft, obgleich 
fie felbft Dazu gehörten, in einem ungetrübten Verhältniß fanden, giebt 
die Erzählung, welche Herodot bei ihnen hörte, an. Diefer nämlich melvet 
(2 124) und als eine der Mittheilungen, weldye ibm über die Aegyptiiche 
Geſchichte mitgetheilt ward, der König Cheops babe die Tempel in dem 
Rande gefchloßen und fein Bruder Chaephren, melcher ihm nachfolgte, habe 
fe auch gejchloßen gelußen, zufummen während eines Zeitraumd von 
humert und fechs Jahren. Wreilich ift dieſe Angabe nicht wahr, weil die 
Iempel zu fchließen und die Verehrung der Gdtter dadurdy einzuftellen, 
grabezu für einen König von Aegypten unmdglid war; aber eine folche 
Etzaͤhlung wäre auch nicht in Jemandes Sinn gefommen, wenn niemald 
wilden Königen und Priefterfchaften Mißhelligfeiten eingetretten wären. 

Die DVergdtterung des Königs eignete ſich recht gut für das Aegyp⸗ 
tige Boll, da es ftreng in Kaften eingetheilt war. Diefer waren, wie 
Herodot (2. 164) meldet, fteben; voran ftehen die Briefter, vanıı fommen 
vie Krieger, Rinderhirten, Suuhirten, Krämer, Dolmetjcher, Schiffer. 
Sonderbarerweife fehlen bier die Handwerker, und da die Saubirten ald 
anrein angeſehen wurden, fo darf vie Neihenfolge, in welcher Herovot die 
Kaſten aufzählt, nicht fo angeſehen werden, als hätten biefelben wirklich 
einen höheren Rang gehabt, ald z. B. die Krämer. Diodor, ein Erzähler, 
welcher häufig aus Herodot fchöpfte und dieſem durchaus nachfteht, melvet 
(1.73): ganz Aegypten ſey in drei Theile getheilt, einen babe ver König, 
den zweiten die Prieſter, aus deßen Ertrag fie die Opfer beforgen und 
bie Diener halten mußten, den dritten die Krieger, und dann giebt er au, 
außer dieſen gebe ed noch drei Kaften, nämlich die Hirten, Aderbauer 
und Handwerker, erbli von Vater auf Sohn, von welchen die Aderbauer 
Pachter Der Lanpbefiger find. Strabo (787) nennt überhaupt nur drei 
Kaſten, Priefter, Krieger und Feldbauer, und theilt den letzteren alle 
Künfte des Friedens und das Aufbringen der Einkünfte für den König’ 
wu. Der Hauptunterſchied war allerdings zwifchen Prieftern, SKriegern 
und dem übrigen Volk, und diefer mochte in der fpäteren Zeit, befonvers 
in den Tagen der Macenonifchen und Römifchen Herrfchaft gelten, daß 
aber auch das Volk noch in beſondere Kaften getheilt war, konnte Herodot, 


12 Einleitung. 


welcher Sitten und Gebräuche beobachtete, nicht bemerken, wenn es nid 
beftanden hätte. Auch ift die von ihm angegebene Zahl fieben ein 
durchaus glaubwürdige. Die dem Könige zunächft ſtehenden Prieſter wareı 
mit diefem zufammen die Beherrfcher des Volke, und alle fogenanntı: 
höhere Weisheit war das Eigenthum der Priefter. Lieber die Maaper 
gotteöfürchtig, fagt Herodot (2. 37), vor allen Menfchen find die Aegypter. 
und üben folgende Gebräuche. Aus ehernen Bechern trinfen fie, die fie 
jeven Tag ſcheuern, und nicht thut der eine Died, der andere aber nicht, 
fonvdern alle. Kleider tragen fie von Linnen, ſtets frifch gewafchen, wofür 
fie ganz beſonders forgen, und ſie befchneiven ſich der Reinlichfeit wegen, 
indem fie lieber rein als anftänvdig feyn wollen. Die Priefter aber 
fcheeren den ganzen Leib je ven dritten Tag, damit nicht eine Laus, noch 
fonft etwas Beſudelndes auf ihnen, die den Göttern dienen, fidy finden 
möge. Nur ein Linnenkleid tragen die Priefter und Schuhe aus Boblos, 
ein anderes Kleid aber, oder andere Schuhe zu tragen, ift ihnen nicht 
erlaubt. *) Sie wafchen ſich Ealt, zweimal an jedem Tage und zweimal 
in jeder Nacht, und erfüllen, um es kurz zu fagen, noch taufende anderer 
heiligen Gebräuche. Sie genießen aber auch nicht menig Guted, denn fie 
verzehren und verbrauchen nichts ven ihrem Eigenthum, fondern es wird 
ihnen heiliged Brod gebacken und jeglicher erhält täglid) eine Menge Rind: 
und Günfefleifch, auch wird ibnen Traubenwein gegeben, **) von &ifchen 
aber zu eßen ift ihnen nicht erlaubt. Boyhnen pflanzen die Aegypter nicht 
in ihrem Lande, und die da wachlen, Fauen fie weder roh, noch eßen jie 
felbige gekocht, die Priefter aber blicken fie nicht einmal an, da ſie dafür 
halten, es fey eine unreine Hülſenſrucht. Geweiht aber ift nicht einer 
einem jeden der Götter, fonvern viele, von denen einer Erzpriefter ift; 
wenn aber einer ftirbt, fo tritt fein Soyn an feine Stelle. (Daß vie 
Priefter nur linnene Kleider und Schuhe aus Bybles tragen durften, 
nicht aber eine Bedeckung von Wolle und Never, gefchay, weil Haare unt 
Haut des Thieres nicht dem ftrengen Begriff der höchſten Reinheit ent= 
fprachen, weßhalb überyaupt nichts Wolenes in den Tempel durfte, und 
feiner in wollenem Zeuge begriben ward, was unyeilig gemefen wäre, 
wie Herodot (2. 51) angiebt, obmoyl die Uegypter allgemein über einem 
linnenen Kleid einen weißen molienen Vtantel trugen.) Un ven Jagen 





*) Biinius (19. I) fagt, die baumwollenen Kleider feyen den Aegyptiſchen 
Prieftern um angenehiriten. 

*2) Die Sage war, vor ver Zeit Des Königs Pſammetichos hätten fie weder 
Mein getrunfen, noch den Göttern gefpendet, weil fie ihn fur das Blut 
derer gehalten, weldye Krieg gegen die Götter begonnen hatten, aus deren 
mit Erde vermifchten Leichen die Neben erwachſen feyen. So hätten ihm 
die Priefter erzählt, fagt Eudoxus bei Plutardy (6). 


Einleitung. 13 


feiliger Enthaltung dürfen die Priefter Fein Fleiſch eßen, fondern genießen 
ganz leichte Vögel, bemerkt Clemens der Alexandriner (S. 305) und 
Plutarch (5) meldet, daß fie, die überhaupt die meiften Hülfenfrücdhte, fo 
wie Schaaf= und Schweinefleifch vermieden, an ven Tagen heiliger Ent« 
haltung auch fein Sal; *) an den Speifen genofen. Auch bemerkt 
terfelbe (6), fle müßten fih an vielen Tagen des Weins enthalten, fo 
wie (8), daß fle die Zwiebel verabfcheuen und meiden, weil dieſes Gewächs 
fei abnehmendem Monde zunehme und weil es als durſterregend ber 
Enthaltfamfeit nicht foörderlich und als thränenerregend ver Feſtfeier hinderlich 
jed. (Daß die Priefter jedoch vie Zmiebel verabfcheuten als unrein, ift 
nicht gewiß, und wir jehen in den und gebliebenen bilvlichen Darftellungen 
einen Prieſter Zwiebeln opfernd, was nicht dafür fpricht. **) Die von 
Plutarch angegebenen Gründe aber find nur Deutungen, und zwar folche, 
die aller Wahrfcheinlichkeit entbehren.) 

Die Priefter, obgleich in ihrer Gefammtheit den höchften Rang nad) 
dem Könige einnehmend, waren unter fich nicht alle gleid an Würden, 
indem die Oberpriefter, von den Griechen auch Propheten genannt, eine 
höhere Würde hatten, als die andern. Clemens ver AUlerandriner (©. 242) 
bemerft in dieſer Hinficht: Die geheime Lehre, welche die Priefter befaßen, 
ward nur denen, die zur Königewürde gelangten, mitgetheilt, und denen 
von den Prieftern, welche durch Gefchlecht, Unterweifung und Erziehung 
die angefehenften waren. Wie weit die eigentlichen Erzpriefter an 
Auszeichnung den andern vorgiengen, geht aus folgender Erzählung Hero⸗ 
dots (2. 143) hervor: Als ver Gefchichtfchreiber Hekataios vormals zu 
heben von feiner Geſchlechtsabſtammung ſprach, und dieſe im fechözehnten 
Gliede auf einen Gott zurückführte, thaten die Prieſter des Zeus, was ſie 
auch bei mir, der ich nicht von Geſchlechtsabſtammung ſprach, gethan 
haben. In den großen Tempel führend zeigten und zählten ſie ſo viele 
Koloſſe, als ſie angaben; denn jeder Erzprieſter ſtellt dort bei ſeinem 
Leben ſein Bild auf, und ſie zeigten immer Sohn auf Vater folgend, 
und dem Hekataios ſagten ſie, von dieſen Koloſſen ſtammte immer ein 
Piromis von einem Piromis (vdieſes bedeutet einen edeln und wackern 


*) Derſelbe ſagt (32), Oſiris werde als Nil gedeutet, Typhon als das Meer, 
in welchem Oſiris, als in daſſelbe fallend, gleichſam zerrißen werde und 
umfomme. Deßhalb verabſcheuten die Prieſter das Meer, und nennten das Sulz 
den Schaum des Typhon, und dürften Fein Salz auf den Tifch ftellen. 
Auch redeten fie darum feine Sciffsleute an, und verabfcheuten die Filche. 
Meiter unten wird von der Enthaltung der Fifche und des Sulzes Die 
Rede feyn. 

*+*) Benfmäler aus der Zeit der fechszehnten Dynaftie zeigen Zwiebeln auf 
Altären, wiewohl felten. Zu Theben fieht man eınen Priefler im Leopard⸗ 
fell räuchernd vor einem Bundel Zwiebeln. 


16 Einleitung. 


gegangen, und wäre dieſes nun ald Mord oder als gejegliche Todtung de 
Verbrecherd gefaßt worden, die einzigen Arten, welche ed außer ven 
Mienfchenopfer geben kann, fo würde viejes Bild zu einem Prieſterſtege 
nicht getaugt haben, womit dad Opfer ald ein ver Gottheit darzubringen: 
des bezeichnet ward, fondern man hätte das Schlachten eined Thieres zu 
diejer Bezeichnung wählen müßen. Wohl aber eignete ſich ein Menſch, 
fobald der Stier nur der Stellvertretter veffelben war und an feiner Statı 
den Göttern dargebracht ward.) Kein Aegypter ißt von dem Kopf irgent 
eines Lebenvigen. Das Ausweiden und Verbrennen der Opfer aber ift 
bei dem einen Opfer fo, bei dem andern anders. 

Dad Glänzendſte bei der Beier der Aegypter waren ihre großen Auf- 
züge, bei welchen vie Oötterbilder in tragbaren Capellchen einhergetragen 
wurden, von welchen die Baftophoren, d. i. Capelldyenträger, ven Namen 
hatten, von welchen Clemens der Alexandriner in ver obenangeführten 
Stelle fagt, dag fie die ſechs Hermesſchriften über die Arzneimißenfchaft 
inne haben müßten. Un den Komaflen, *) fagt derfelbe (S. 242), trägt 
man im Aufzug golone Bilder, zwei Hunde, einen Sperber, und einen 
Ibis, und dieſe vier Thiere nennen fie vier Buchſtaben. Daß dieſes 
menigitend nicht ganz erfunden fey, beweijen vie Denkmäler, denn fo fehen 
wir in der Krönungsparftellung des Ramſes zu Medinet-Habu (bei Wil: 
finfon Tafel 76) die Bilder von Schafalen (und diefe nahmen die Griechen 
für Hunde), Sperbern und einem Hundsaffen, fo wie von einem Stier 
einhergetragen. Die Proceffton der Tragcapelle ded Gottes Phthah⸗-Sokari⸗ 
Oſiris ift zu Medinet-Habu dargeftelt, und es befindet fich der König 
dabei, welcher das Seil und das Maaß in ver Hand hält, und wann er 
der Capelle folgt, hat er die Spende in ver Hand. 

Mann die Menfchen den Göttern nahen und fte anbeten, fagt Dio⸗ 
dor (1. 43), Halten fle das Gras Agroftid in der Hand, und diefes war 
früher das hauptfächlichfte Nahrungsmittel für Menfchen und Thiere, von 
angenehmem Geſchmack. Das Vieh frißt es gern und wird davon fett, in 
alter Zeit aber follen die Uegypter von Kraut und Wurzeln, die in ven 
Sümpfen wuchſen, gelebt haben, und jener heilige Brauch eine Erinnerung 
an diefen Zuftand feyn. Die Darftellungen ver Denfmäler beftätigen viele 
Nachricht in feiner Weife. Altäre aber fehen wir abgebilvet mit Früchten 
darauf und Gänſen, welche zufammen ald ein gemwöhnliched Opfer galten. 
Die Tempel waren bedeutend, und Strabo (805) beichreibt uns ihre 


*) Syneſius (über die Borfehung, S. 94. I) giebt an, bei einer Koͤnigswahl 
fey die Gottheit zugegen geweirn, und die Komaſten, die Diener der 
Gottheit, und die übrigen Priefter und Propheten feyen da gewefen. Doch 
der Griedhifche Namen Kumaften, wie der der Komaſien paßt nicht für 
Hegypten. 


Einleitung. 17 


Bauart und Einrichtung alfo: An dem Eingang in das Seiligthum iſt ein 
feinener Boden von der Breite eines Plethrons (hundert Griechifche Fuß) 
oder auch fchmäler, umd Drei= oder viermal jo lang. Manchmal ift er auch 
größer und man nennt ihn den Lauf. Längs bin aber zu beiden Seiten 
find fleinene Sphingen aufgefteltt, zwanzig Ellen oder ein wenig mehr von 
einander entfernt. Nach den Sphingen kommt eine große Vorhalle, dann, 
mn man vorwärts gebt, noch eine und abermals eine, doch ift feine 
Zahl feftgefeht, weder für vie Sphingen noch für die Vorhallen, und e8 
it bei dem einen Tempel fo, bei dem andern anders, und fo ift es auch 
mit der Länge und Breite des Laufs. Nah den Vorhallen folgt ver 
Tempel mit einem großen und merfwürbigen Nortempel und einer ent- 
ſptechenden heiligen Cella, doch ift Feine Bilvfäule da, oder doch Feine 
menfchlichgeftaltete, fondern bie eines unvernünftigen Thieres. Zu beiden 
Seiten des Vortempels befinden ſich die fogenannten Flügel; viefe find 
mei mit dem Tempel gleich hohe Mauern, die im Anfang wenig mehr 
von einander abftehen, als die Breite des Tempeljodels ift, dann aber, 
wann man vormärtö geht, bis zu fünfzig over ſechszig Ellen von einander 
abweichen. Diefe Mauern haben große audgemeißelte Geftalten, ähnlich 
ben Tyrrheniſchen und ven jehr alten bei ven Griechen. Auch giebt es 
manchmal ein vielfäuliged Haus, wie in Memphis, von barbarifcher Bau⸗ 
art, denn außerdem, dag die Säulen groß, viele an Zahl und vielreihig 
find, Hat ed nichts Anmuthiges, noch Malerifches, fondern zeigt mehr eine 
zweckloſe Macherei. Clemens der Alexandriner (S. 92) fpricht von ben 
Lempeln, Propyläen, Vorhallen und Hainen der Aegypter ald etwas fehr 
Slängendem. Mit vielen Säulen, fagt er, find vie Höfe geſchmückt, die 
Binde aber glänzen von fremden Steinen und von Funftreicher Malerei, 
ber Tempel ſelbſt aber ftrahlt von Gold, Silber, Elektron und von bunten 
Steinen aus Indien und Aethiopien, und das innerfte Heiligtum ift 
mit gologeftickten Zeugen verhält. Kommt man hinein, um dad Gdtters 
bild zu fehen, fo ift ein Eapellchenträger oder ein anderer Priefter da mit 
ernſtem Blick, ein heiliges Lied fingend, und ninmt ein wenig die Umhül⸗ 
lung weg, um den Gott zu zeigen, wo man dann eine Kaße oder ein 
Krokodil, eine einheimifche Schlange, over fonft ein Thier erblickt, welches 
fh auf Purpurdecken mwält. Dan follte demnach glauben, es habe gar 
keine Bilpfäulen ver Götter gegeben, deren es jedoch viele gab, und von 
welhen Marrobius (7. 13) bemerkt, daß die Propheten venfelben den Herz⸗ 
finger ver Iinfen Hand mit Wohlgerüchen falten. Davon fol der Grund 
gewefen feyn, weil von dem Herzen ein Nerv in dieſen Finger laufe, weßhalb 
er auch der Ningfinger geworben fey, und weil er außerdem, wann er 


.zuſammengefaltet werde, die Zahl ſechs bezeichne, die durchaus vollkommen 


und göttlich fey. Die Denkmäler zeigen viefes Salben des SHerzfingerd 
nicht, wohl aber Priefter, welche mit dem Eleinen Singer der rechten Han 
IL 2 


18 Cinleitung. 


die Götterbilver falben. Das Bild des gebrehten Rads in den Griedhifche: 
Tempeln nennt Clemend der Ulerandriner (S. 243) von den Aegypterr 
entlebnt. 

Mir haben oben gefehen, daß ver dritte Theil des Xegyptifchen 
Bodens ein priefterliches Cigenthbum genannt ward, worauß fie den Gottes: 
bienft zu beftreiten hatten, daß aber die Tempeleinfünfte wenigftens in bei 
Zeit ver Macedoniſchen Herrfchaft nicht unangetaftet von Seiten der welt: 
lichen Macht geblieben, lehrt uns eine Infchrift (bei Letronne e. ©. 300) 
auf dem Sockel eines Obelisks zu Philä. Diefe lautet: vem Könige 
Ptolemäos und der Königin Kleopatra, der Frau, den mwohlthätigen Göt- 
tern, Gruß; die Priefter der Iſis, der größten Göttin in dem Abaton 
und auf Philä; da die nach Philä kommenden Strategen, Auffeher, 
Thebarchen, Föniglichen Schreiber, Auffeher ver Wächter, und alle andern 
dffentlichen Zeute und die Macht ihres Gefolged und die übrige Diener- 
[haft und zwingen, ihnen unfreiwillig Xeiftungen zu machen, und da es 
fo fommt, daß das Seiligthum geſchwächt wird, und wir in Gefahr 
gerathen, nicht das Nöthige zu haben zu den für euch und euere Kinder 
zu veranftaltenden Opfern und Spenven, fo bitten wir euch, größte Götter, 
wenn es euch beliebt, vem Numenius, euerem Verwandten und Epiftolo- 
grapben zu befeblen, an den Lochos, eueren Verwandten und Strategen 
der Thebais zu jchreiben, und nicht der Art zu beläftigen und feinem 
Andern zu geftatten, daß er es thue, und und bie gebührenden Dorumente 
darüber zu geben, worin wir die Erlaubniß zu erhalten bitten, daß wir 
euch eine Säule errichten dürfen, auf welche wir die und von euch bierin 
bewiefene Menfchenfreundlichkeit fchreiben, damit euere Gunft ftet3 im 
Andenken für alle Zeit ſey. Wann dies gefchieht, werden wir, fo wie 
dad Heiligtum der Iſis, auch darin eurer Wohlthat verpflichtet feyn. 
Daß ihre Bitte Gehör fand, geht aus der Errichtung der Säule hervor, 
und daß die Bedrückung dieſes Tempeld die Priefter nicht veranlaßt, vie 
Bedrücker anzuflagen, fondern nur von allzugroßen, das heilige Vermögen 
erfchöpfenden Anforderungen zu reden, deutet darauf hin, daß derartige 
Vorderungen, wenigftend zur Zeit der Macedoniſchen Herrfchaft, an Tempel 
gemacht zu werben pflegten. 

Ehe wir zur Mythologie übergehen, wollen wir Herodots Angaben 
über die Aegypter bemerfen; denn da die Mythologie fich nad) dem Geifte 
eines Volks geftaltet, fo ift e& gut, Leben und Art veffelben zu Fennen. 
Außer dem bereit3 Angeführten meldet er (2. 35): die Aegypter find, fo 
wie ihr Himmel anderer Art ift, und ihr Fluß von einer andern Befchaf- 
fenheit al8 andere Flüße, auch in Sitten und Gebräuchen das Gegentheil 
von andern Völfern. So find die Weiber auf dem Markt und treiben 
Handel und Gewerbe, die Männer aber figen zu Saus und meben, und 
die Aegypter weben fo, daß ſie ven Einfchlag nicht wie Antere von oben, 


Einleitung. 19 


iondern von unten einfchlagen. Die Männer tragen die Laften auf ven 
Köpfen, vie Weiber auf den Schultern, und die Weiber ſchlagen ihr 
Waßer im Stehen ab, die Männer im Sigen. Ihre Nothourft verrichten 
fie in den Häufern, und eßen auf der Straße, denn fie denken, was unan= 
fündig, aber nöthig ift, fol man im Verborgenen thun, wa8 aber nicht 
wanftändig ift, offen vor Allen. Prieſterdienſt verrichtet Fein Weib, weder 
bi einem Gotte noch bei einer Göttin, fondern nur Männer. *) Die 
Söhne brauchen ihre Eltern nicht zu ernähren, vie Töchter aber müßen 
8 tbun, auch wenn fie nicht wollen. Die Priefter ver Götter tragen 
anderswo langes Haar, in Aegypten ſchneiden fie es ab. Anderswo ſchnei⸗ 
vet man bei Trauer das Haar ab, die Aegypter aber laßen, wann einer 
ſtirbt, das Haar wachſen auf dem Haupt und am Kinn. Andere Menfchen 
leben vom Vieh getrennt, die Aegypter aber leben mit ihrem Vieh zufans 
men. Andere Ieben von Walzen und Gerfte, dem Uegypter aber gereicht 
es, wenn er davon lebt, zum Vorwurf; fie bereiten ihr Brod vielmehr 
aus Spelt, den Teig aber Fneten fie mit den Füßen und den Lehm mit 
den Händen, fo wie fie auch den Mift mit ven Händen aufnehmen. Sie 
befäjneiven fich und außer ihnen nur die, welche ed von ihnen gelernt 
haben. (Horapollo 1. 14 fagt, die Priefter feyen befchnitten, und bie 
Zempelleute pflegten es auch zu thun, und Ambroſtus 2. 11 nennt das vier- 
iehnte Lebensjahr als das bei ven Aegyptern zur Beſchneidung beftimmte. **) 
Der Mann Hat zwei Kleider, dad Weib nur eind. Die Seegelringe und 
Seegeltaue binden die Andern auswendig an, die Aegypter inwendig. Die 
hellenen fchreiben und rechnen von der Linken zur Rechten, die Aegypter 
von der Rechten zur Linken. Buchſtaben haben fle zweierlei, Die einen 
ald die heiligen, die andern für das Voll. Die geftorbenen Thiere 
begraben ſie; denn fie todten Feind. (Diefes ift nicht fo zu verftehen, als 
06 fie überhaupt keine Thiere getödtet hätten, denn fie opferten ja fort- 


*) In dem Ammonstempel jedoch fehlief ein dem Gotte geweihtes Weib von 
hoher Geburt, wie unten bemerkt werden wird, und die Denfmäler zeigen 
uns auch Frauen bei dem Gottesdienft mit dem Siſtrum und dem Lotus, 
Weihrauch und Libation darbringend, und zwar Königinnen, Mütter und 
Töchter der Könige, fo wie der Priefter, welche alfo nicht ganz ohne Thätig- 
feit bei dem @ultus geweſen jeyn Fünnen, wenn fie auch feine Priefterinnen 
waren. Der Stein von Rofette aber und die Papyrus zu Paris erwähnen 
der Prieflerinnen der Königinnen. 

*) Daß die Beichneidung bei den Negyptern allgemein war, kann nicht bezwei- 
felt werden, wohl aber, ob Jemand außer den Prieftern dazu ſtreng ver- 
pflichtet war. Nach Anarandrives bei Athenäus (S. 299) follte man freilich 
meinen, nur die Priefter feyen befchnitten gewefen. Das Mofaifche Gefeb 
beflimmt die Befchneidung auf acht Tage nach der Geburt, doch Abraham 
beſchneidet den Iſmael, als er dreizehn Jahre alt war. 

2% 


20 Ginleitung. 


währenn derſelben und ſchlachteten welche zu ihrer Nahrung, fondern ı 
muß fo gemeint feyn, daß fie Feine Thiere todt ſchlugen, fondern fie ven 
fihonten, außer zu jenem Gebraude.) 

Das Schwein Halten die Uegypter für ein unreines Thier, und wen 
einer auch nur im Vorübergehn ein Schwein berührt hat, fo badet er ft 
mit den Kleidern am Leibe im Fluß, und die Schweinhirten, obwohl fl 
eingebohrene Aegypter find, find die Einzigen, die in feinen Tempel bs 
ganzen Landes kommen dürfen. Auch giebt ihnen Niemand eine Tocht 
zum Weibe oder heurathet eine Tochter von ihnen, ſondern fte heurathe 
unter einander. Den andern Göttern dürfen ſie feine Schweine opfer 
fondern nur der Selene und dem Dionyfos (Dftris) am Vollmond um 
da eßen fie ihr Fleiſch. Darüber erzählen ſie eine Gefchichte, die abı 
Herodot, weil fie ſich auf göttlihe Dinge bezieht, nicht mitteilt. Dy 
Selene werden die Schweine auf folgende Art geopfert. Wenn das Th 
gefchlachtet ift, Tegen fie die Spike des Schwanzes nebſt der Milz und di 
Neghaut zufammen und beveden e8 mit dem Speck des Bauches, und ver 
brennen ed, das übrige Fleiſch aber eßen fte an diefem Tage, doch a 
einem andern Tage würde feiner davon een. Die Armen aber backe 
Schweine von Teig und opfern fie. Dem Dionyſos ſchlachtet jeder aı 
erften Feſttage, wo der Schmaus gehalten wird, ein Ferkel vor feine 
Ihüre, und dann muß der Schweinhirt, von welchem es gefauft ift, e 
wieder mitnehmen. 

Den Herven bringen die Aegypter Feine Todtenopfer. (Dies wa 
natürlich, denn fte hatten Feine Heroen, fondern ihre Könige wurden wi 
Götter betrachtet.) Sie haben Feftverfammlungen, nicht einmal im Jahrı 
fondern dieſe find häufig. Die Uegypter, welche in dem Ackerbaulant 
wohnen, üben ihr Gedächtniß vor allen Völkern, und find daher am fur 
digften in Gefchichten. Ihre Lebensweife ift fo befchaffen: ſte nehme 
monatlich drei Tage hinter einander Abführungsmittel, und jorgen dur 
Mittel des Speiend und durch Kiyftiere für ihre Gefundheit, in ver Me 
nung, alle Krankheiten fämen von den genoßenen Speifen ber. Son 
aber find die Aegypter nebft den Libyern die gefündveften Mtenfchen, wol 
wegen ber Jahreszeiten, welche ſich nicht verändern. Wein bereiten fte fü 
aus Gerfte, venn Neben wachen nicht bei ihnen. (In fpäterer Zeit ga 
ed Weinbau in dem Arfinoitifchen Bezirk, wie Strabo (809) bemerft. ® 
Die Fiſche eßen fie theild roh oder an der Sonne getrorfnet, theils gefalze: 
Bon den Vögeln egen fie Wachteln, Enten und das Eleinere Geflügel vol 
nachdem es eingefalzgen worben if. Die übrigen Vögel und die Fiſch 





*) In den unterirdifchen Gemächern zu Beni: Haffan fand Champollion, wie ı 
in dem fechsten der Aegyptiſchen Briefe bemerkt, die Weinzucht bargeftellt. 


Einleitung. 21 


mit Ausnahme der heiligen, eBen fie gebraten over gekocht. Bei ven 
Gaftmählern der Reichen trägt, wann das Ehen zu Ende ift, ein Mann 
ein bölzernes Todtenbild in einem Sarge herum, welches eine bis zwei 
Glen groß und ganz natürlich gearbeitet und gemalt ift, und zeigt ea 
jedem Gaft mit den Worten: ſchaue dieſen, und trinfe und ſey luſtig, 
denn wenn du tobt bift, jo wirft du ſeyn wie dieſer. Sie haben ihre 
volfsthümlichen Weifen und nehmen fremve nicht an. Unter andern merf- 
mirdigen Stüden haben fle ein Lied, welches auch in Phönikien und auf 
Kapros und andermwärtd gefungen wird, und bei jedem Volk anders heißt. 
Es ift wie der Linos der Hellenen, und heißt Maneros, welchen ſie von 
ihr gefungen haben. Sie fagten aber, Maneros fey des erften Königs 
einiger Sohn geweſen, der, frühzeitig geftorben, durch dieſen Stlagegefang 
geehrt werde, und es fey Dies ihr erfted und einziges Lied geweſen. (Dieſes 
fann nicht fo verftanden werben, als hätten die Aegypter außer dem 
Maneros gar keine Poeſte gehabt; denn die Lobeserhebungen der Könige 
kann man dahin rechnen, und folcher giebt e8 noch; fo hat Herr Sallier 
u Air zwei Papyrus mit folchen, und ein im Anfang verftümmelter ent⸗ 
halt dad Lob und Die Ihaten des großen Ramſes, in Form eines Dialogs 
jwiihen den Göttern und dem Könige, und der Text bemerft, er ſey 
geihrieben in dem neunten Jahre der Herrſchaft dieſes Ramſes im Monat 
Payni, wie Champollion im erften der Aegnptifchen Briefe angiebt. Auch 
mußte es heilige Sejänge für ven Bult geben, und ein Volkslied findet 
fih in ven unterirdifchen Gemächern von El-Kab, der alten Eileithyiaftabt, 
wo dargeſtellt iſt, wie Ochſen das Getraive außtreten, und ihr Führer 
ſingt dazu: „Dreſchet für euch, dreſchet für euch, o Ochſen, 
dreſchet für euch, dreſchet für euch, Scheffel für eure Herrn.) 
Das haben die Aegypter gemein mit ven Lakedaͤmoniern, daß jüngere Leute, 
wenn fie älteren begegnen, aus dem Wege gehen, und vor ihnen von 
ihtem Sige aufftehen. Ihre Art, fih auf der Straße zu grüßen, ift die, 
daß fle vor einander ſich tief bi zur Erbe verbeugen und die Hand dabei 
an das Knie herabfinfen laßen. Folgendes iſt auch eine Erfindung der 
Aegypter; jeder Monat und jeder Tag gehört einem Gott, und an mas 
für einem Tage einer gebohren ift, was dem begegnen, wie es mit ihm 
enden und wie er befchaffen ſeyn wird. Wunderzeichen finden jich bei 
men mehr denn bei allen andern Menſchen; denn wenn ein Wundere 
zichen gefchieht, jo fchreiben fie ven Ausgang auf, und gefchieht fpäter 
etwas dem Aehnliches, fo meinen fte, es werde eben fo audgehen. Die 
Echerfunft Hat bei ihnen fein Menfch, fonvern einige Götter, doch find 
ihre Weißagungen nicht alle auf die nämlihe Urt, ſondern verſchieden. 
(Wir wißen nur von der Weißagung durch Träume in dem Tempel und 
durch Beachtung von Knabenflimmen, wovon unten die Rebe feyn wird.) 
Die Heilkunſt aber ift bei ihnen fo getheilt, für jede Krankheit iſt ein 


22 Ginleitung. 


Arzt, und nicht einer für mehrere Krankheiten, Alles aber tft vol vo 
Aerzten, denn ed giebt Aerzte für die Augen, für den Kopf, für die Zähn 
für ven Bauch, für verborgene Krankheiten. 

Ihre Trauer und Beflattung ift folgende: weldden ein Menſch in 
Haufe ftirbt, der beachtet wird, bei denen befchmiert ſich das ganze meib 
liche Geſchlecht des Haufes Kopf und Gefiht mit Koth, und dann lage 
fie die Leiche im Haufe, fchweifen in der Stadt umher und fchlagen fi) 
aufgefchürzt, mit bloßem Bufen. Anprerfeits fchlagen fi auch die Männer 
die auch aufgefchürzt find. Wann fie dies gethan, bringen fie die Leich 
zum @inbaljamiren, wozu es eigene Leute giebt. Diefe zeigen hölzern 
gemalte Mufter vor, und wenn fte über ven Preis einig geworben find 
ſo behalten fie die Leiche da und machen fie zurecht. Auf das vorzüglichfti 
geichieht Died fo: zuerft ziehen fte mit einem gebogenen Eifen das Hirn 
durch die Najenlöcher heraus, theild aber auch durch das Eingießen von 
Mitteln. Dann fchneiden fie mit ſcharfem Wethiopifchem Stein in die 
Meiche und nehmen vie Eingeweide heraus, und haben fie Diefed gereinigt 
und mit Palmmein gefpült, dann thun fie geriebened Näucherwerk drauf. 
Hierauf füllen fie ven Bauch mit reinfter Myrrhe, Kaſia und dem andern 
Raͤucherwerk, Weihrauch ausgenommen, und nühen ihn wieder zu. Hernach 
legen fie die Leiche in Natron, und bergen fte fiebenzig Tage lang, doch 
länger dürfen fie e8 nicht thun. Nun wafchen fie viefelbe, ummideln fie 
mit Byſſos und beftreichen fie mit Gummi, deſſen fich die Aegypter oft 
flatt des Leims bedienen. Dann holen vie Angehörigen viefelbe, machen 
ein hölzernes Bild, menfhenähnlih, und thun fie hinein, worauf fle in 
dem Begräbniß aufrecht an die Wand geftellt wird. 

Mer ven großen Aufwand vermeidet und die mittlere Art wählt, 
läßt e3 fo machen: man füllt ven Bauch mit Gevernöl vermittelft einer 
Klyftierfprige, ohne ihn aufzufchneiden und etwas herauszunehmen, und 
legt die Leiche in Natron. Nach einer beftimmten Zeit Taßen fie dieſes 
Del wieder heraus und es führt die aufgelößten Eingeweide mit heraus. Das 
Natron aber verzehrt das Bleifh und von dem Todten bleibt nur Haut 
und Knochen. So wird die Leiche zurüdgegeben, ohne daß etwas weiter 
damit gemacht wird. Die dritte Art für die Armen befteht darin, daß 
man den Bauch mit einer Reinigung audfpült und die Leiche ftebenzig 
Tage in Natron legt. *) Die Weiber angefehener Männer aber, ober die 


*) Diodor (1. 91) giebt an, die erfte Einbalfamirungsart koſte ein Silber: 
talent, die zweite zwanzig Minen, die dritte aber fey fehr wohlfell. Auch 
meldet er, wann die Leiche auf den Boden gelegt fey, trette der Schreiber 
herzu und bezeichne an der linken Seite genau die Stelle für den Schnitt. 
Hierauf fchneide der Schnittmacher, wie er genannt werde, mit einem Aethio: 
pifchen Stein, fo weit in das Fleiſch, als es das Geſetz geftatte, und flüchte 


@inleitung. 23 


ihönen lagen fie erſt vrei bis vier Tage ftehen, ehe fie dieſelben den 
Balfamirern geben, damit fie feinen Mißbrauch mit venfelben treiben, 
was einmal gefchehen und von einem Gewerksgenoßen angezeigt worden 
feyn fol. (Die Königögräber, die man zu Theben gefunden, find von 
ausgezeichneter Art mit herrlichen Räumen und Säulen, die mit Sculptu= 
ten mit Derzeit noch frifch erhaltenen Farben verziert find, und die Pyramiden 
wurden von Königen auch nur zu Begräbnigen errichtet. *%) Die Leich- 


fogleich in eiligem Laufe, von den Anwefenden mit Steinwürfen und Ber: 
wünfchungen verfolgt, als ob fie den Frevel auf ihn wendeten. Die Gin: 
balfamirer aber feyen fehr geehrt, zu den Prieftern gefellt, und gleich diefen 
fünnten fie in das Heiligthum eintreiten. Bon biefen lange nun einer mit 
der Hand durch den Schnitt in den Leib, und hole die Eingeweide, Herz 
und Nieren ausgenommen, heraus, die balfamirt würden, fu wie der Leichnam 
über dreißig Tage mit Gevernöl und andern Dingen behandelt und dann 
mit Myrrhe und Kinamomon und fonfligen Sachen zurecht gemacht werde, 
fo vollfommen, daß man die bisherige Geſtalt genau erhalten fehe. Weß- 
halb viele Aegypter die Leichen ihrer Vorfahren in Eoftbaren Enpellchen bei 
fh behielten, und fo mit ihnen verfehrten. Servius zu Virgils Aeneide 
(6. 154) giebt an, es hätten die Philä benachbarten Aegypter ihre Todten 
nach der andern Seite Hingefchafft, fey aber einer im Fluße umgefommen, 
ohne daß man die Leiche zu finden vermocht, fo habe er nach hundert Jahren 
die Todtenehren erhalten. Doc, diefes fcheint nicht der Wahrheit gemäß. 
*) Strabo (808) jagt: vierzig Stadien von Memphis hinauf ift eine Anhöhe, 
auf welcher viele Pyramiden, Gräber der Könige find, von denen zwei zu 
den fieben Wunberwerfen gezählt werben. Sie find vieredig, und ihre Höhe, 
die um Weniges die Breite übertrifft, beträgt ein Stadium, und die eine ift 
ein wenig größer, als die andere. In der einen ift in der Seite nicht fehr 
weit oben ein Stein, weldden man heransnehmen kann, und durch Diele 
Deffnung gelangt man in einen frummen Gang, welcher zum Begräbniß 
führt. Etwas höher, als diefe nahe bei einander ſtehenden, befindet fich eine 
dritte weit Fleinere, deren Srrichtung aber mehr gefoftet hat, denn fie befteht 
bis zur Mitte aus ſchwarzem Aethiopifchem Stein, welcher fehr ſchwer zu 
bearbeiten ift. Diefe fol das Grabmal der Griechiſchen Buhlerin Rhodopis 
in Naufratis feyn, eines Geliebten des Chararos, des Bruders der Sappho 
(diefe nennt fie Doricha), welcher mit Wein nad) Naufratis handelte. Ueber 
fie wird erzählt: einft, ala fie badete, raubte ein Adler der Dienerin einen 
ihrer Schuhe, flog nah Memphis und ließ ihn auf den Schuoß des Königs 
fallen, welcher im Freien Recht ſprach. Der König durchforſchte nun das 
Land nad) der Beſitzerin des Schuhes, und als fie aufgefunden war, nahm 
er fie zum Weibe und errichtete ihr diefe Pyramide zum Grabmal. 

Diodor (1. 46) erwähnt der herrlichen Königsgräber zu Theben, deren 
in den Heiligen Schriften ſieben und vierzig verzeichnet und zur Zeit bes 
eritien Ptolemäus noch fiebenzehn vorhanden gewefen feyn follen, die aber 
meift, als Diodor in der Hundert=achtzigften Olympiade Aegypten durch⸗ 
teifte, zu Grunde gegangen waren. (Doch Strabo [816] bemerkt, über 


234 Ginlettung. 


name, welche feine eigenen Begräbnige bejaßen, erzählt Diodor (1. 92), 
erhielten in ihrer Wohnung eine Stelle, wo fie an die Wand geftellt 
wurden, eben fo die, welchen beim Todtengericht das Begräbniß verfagt 
ward ob ihrer Frevel oder Schulden halber, und manchmal wurben folche 
noch von den Enfeln in das Begräbnig gebradht, warn fie die Schulven 
bezahlt oder die Vergehungen berjelben gutgemacht haben. Auch nennt 
Diodor ed einen Aegyptiſchen Brauch, vie Leichen der Eltern zu Pfand 
zu geben, und wer dieſes Pfand nicht einlößte, galt für ſehr befchimpft 
und erhielt bey feinem Tode Fein Begräbnif. Herodot hat und diefen Punkt 
fo überliefert (2. 136): unter der Herrfchaft des Könige Mykeriuos war 
fein Geld im Verkehr in Aegypten und es warb das Gefeh gegeben, des 
Vaters Leiche zum Pfande zu fegen, um eine Schuld aufzunehmen, und 
Hinzugefügt ward, daß der Darleiher Gewalt haben follte über des Schulo- 
nerd ganzes Begräbniß. Die Strafe für den Pfandſetzer, welcher nicht 
bezahlen wollte, war, daß er nach dem Tode weder in feinem noch in 
einem andern Begräbniß beftattet werben durfte, noch irgend einer, ber 


dem Memneion daſelbſt feyen gegen vierzig in den Felſen gehauene Gräber 
der Könige, wunderbar zugerichtet, des Sehens werth. In denfelben meldeten 
Anfchriften auf Obelisfen von dem Reichthum und der Herrfchaft der dama⸗ 
ligen Könige, die fih bis zu den Skythen, Baftrern, Indern und dem jebigen 
Jonien erſtreckt Habe, fo wie von ber Menge ihrer Einkünfte und der Million 
ihres Heeres.) Dort fol auch zehn Stadien von den Gräbern der Kebs⸗ 
weiber des Zeus das Grab des Ofymandyas gewefen feyn, mit einer Ein: 
gangshalle aus buntem Stein, zwei Plethren Yang und fünf und vierzig 
Ellen Hoch, wodurch man in ein fäulenumgebenes Viereck gelangte, deßen 
Seiten jede vier Plethren groß waren, bie Säulen aber waren fechszehn 
Ellen Hoch und ftellten Thierbilder dar, aus einem Stein, von alter Art. 
Die zwei Klafter breite Dede war aus einem Stein, und mit Sternen auf 
Blau verziert. Daraus fam man in eine zweite Eingangshalle, der vorigen 
gleih und außerdem mit allerlei ausgemeißelten Bildern reich geſchmückt. 
Am Eingang follen drei Bildfäulen, ſämmtlich aus einem einzigen Stein 
von Syene gemacht, geweſen jeyn, eine figende, die größte in Aegypten, deren 
Fuß über fieben Ellen maß, die zwei andern Fleineren an ihren Kuieen, 
Mutter und Tochter vorftellend. An dem ungehenern Stein fol kein Flecken 
zu fehen gewefen feyn, und das Bild foll die Infchrift gehabt Haben: Sch 
bin Ofymandyas, der König der Könige, wer wißen will, wer ich bin und 
wo ich liege, der beflege eines meiner Werke. Auch foll noch ein anveres 
Bild feiner Mutter, zwanzig Ellen hoch aus einem einzigen Stein, dort 
geweſen feyn, mit dreifachen Eöniglihem Hauptfchmud, anzuzeigen, daß fie 
Tochter, Weib und Mutter eines Königs war. (Das fogenannte Grab des 
Ofymandyas hat nur den Namen Ramſes des Großen und zweier feiner 
Nachfolger, falle wir es in dem Namefleion annehmen dürfen. Wäre biefes 
nicht der Fall, fo muß es ein diefem fehr ähnliches Gebäude zu Theben 
geweſen feyn.) 


Einleitung. 25 


von ihm abflammte. Doc über die Beitattungsgebräuche Hat er uns nichts 
gemeldet, Diodor aber in der angeführten Stelle beichreibt viefelben alfo: 
vie Verwandten fegen für das Begräbnig einen Tag für die Richter und 
vie Verwandtſchaft feft und für Die Freunde des Derftorbenen. Dann 
Immen bie Nichter, über vierzig (ihre Zahl war zwei und vierzig) und 
jenen ſich jenfeits des See’s ihres Gau's in einen Halbfreis, die Todten⸗ 
barfe ift da, um den Sarg überzuführen, ehe diefer aber hineingethan 
kin, kann jeder, wer will, den Todten anflagen. Beweißt nun einer 
ven Richtern , daß derſelbe fchlecht gelebt habe, fo verfagen ihm die Rich⸗ 
ter da8 gewöhnliche Begräbniß. Erſcheint aber einer als ungerechter 
Ankläger, fo wird er ſchwer beſtraft. Wenn nun fein Anfläger auftritt 
over wenn die Anklage falich befunden wird, jo legen die Verwandten 
die Trauer ab, preifen den Todten, ald einen frommen, gerechten, mäßi⸗ 
gen Menfchen und bitten die Bötter, ihn zu den Brommen aufzunehmen. 
Auch das Volt flimmt in das Lob ein und preift ihn als einen, ver ewig 
wit den Frommen leben werde. Don den Königen aber fagt Diodor 
(1. 72), daß ihre Leiche im Eingang ihres Begräbnißes Hingeftellt ward, 
wo Gericht über fle gehalten wurde. Daß die Leichen nicht immer in die 
Gräber gebracht wurden, fondern auch in den Häufern blieben, bezeugen 
außer Diodor vie Papyrus. Den Todten murden ſolche Papyrus mitge- 
geben, welche eine Befchreibung von den Amenti und den Wanderungen 
ver Seele in vemfelben, wo fie von Dftris gerichtet wird, enthalten. 
Colder Papyrus find mehrere vorhanden, und der in Turin ift befonders 
vollſftändig. Wenn Lucian in feiner Schrift über die Trauer fagt, er 
babe gefehen, daß die aufbewahrten Leichen manchmal in das Speijezinnmer 
gebracht wurben, fo ftimmt das mit dem, was oben aus Herodot angeführt 
worden ift, ziemlich überein. Zuweilen blieb eine Leiche längere Zeit im 
Saufe, ohne daß es an einem Begräbniß für viefelbe fehlte, und eine 
Griechiſche Infchrift eines Mumienkaſtens aus ver Zeit Hadrians giebt 
an, daß gegen ein Jahr von dem Tode der darin enthaltenen Jungfrau 
bis zum Begräbnig verfloßen war (Wilkinfon 2. 2. 390). Die Denk⸗ 
mäler zeigen und Beftattungsproceffionen und Todtenbräuche (Wilfinfon 
Xafel 83 — 86), woraus man fteht, daß auch Palmzmweige dabei in ven 
Sünden getragen und auf ven Weg geftreut wurden; die Palmzmeige aber 
waren, wie unten nachgewieſen werben wird, Sinnbilder ver Jahre und 
bed Lebens, fo daß fie dem Todten in Beziehung auf das Fortleben im 
Amenti auf den Weg geftreut wurden. Auch Waßer warb in der Grab» 
proceſſion gefprengt, wie noch jebt in Aegypten und im Oſten, und dem 
Todten wurden Gaben von Früchten, Kuchen, Vögeln dargebracht, wie 
man noch in einem Thebijchen Grabe eine Tafel mit Kuchen und Vögeln 
ſieht, was auf die Goͤttlichkeit des Todten zu beziehen ift, dem man, wie 
einem Gotte, Gaben bringt. In einem Boot warb das Bild des Auges 


26 Einleitung. 


mitgeführt, welches auch an den Einfchnitt der Leiche geſetzt wurde, oft 
als Amulet diente, in den Gräbern niedergelegt ward und als ein Sinn 
bild Aegyptens galt. Wahrfcheinlich bedeutete das offene Auge das Leben, 
denn das Licht erbliden und leben, das Auge fchließen und fterben find 
Ausprüde, welche oft gleichbedeutend find. Der bei manchen Völkern 
verbreitete Brauch, den Tobten ein Stüd Geld in den Mund zu thun, 
fand auch, wie Wilkinfon bemerkt, bei ven Aegyptern flat. An dem 
Sarkophage fieht man dfterd den fogenannten Nilmeßer und ein anderes 
Zeichen, dad Knoten nicht unähnlich if, und melche abwechjelnd zwei und 
zwei bei Wilfinfon (Tafel 85) zu ſehen find. Diefe Zeichen werben 
zuweilen von den Mumien in den Händen gehalten, wie in dem Brittifchen 
Mufeum und anderwärtd zu fehen if. Daß diefe Zeichen auch an dem 
Schreine des Chnuphis vorkommen, zeigt, daß fie nicht bloß zum Schmud 
des Todtenfchreind dienten, fondern eine wejentlihde Bedeutung hatten, 
wie fih wohl auch ſchon von felbft verfteht. Der fogenannte Nilmeßer 
war dad Sinnbild der Beftändigfeit und gehörte vorzugsmeife dem Gotte 
Phthah, in deßen Mythologie die Rede davon feyn wird, und außerdem 
gehörte e3 einer Form des Oſiris. Alles bei ven Todten deutete auf 
Reben, Fortdauer, und fo ward auch die Baare öfters, gleich den Betten, 
mit Kopf und Fuß eined Xöwen geziert, denn der Löwe war ein Sinnbilo, 
welches fich auf das Leben bezog, wie unten erörtert werden wird. In 
den Gräbern hat man mit den Sarkophagen vier Gefüße gefunden, 
worin die Eingeweide der Todten waren, und diefe Gefüpe zeigen bie 
Köpfe der vier Todtengenien. Bei vornehmen Leuten waren biefelben 
von Alabafter over aus einem andern vorzüglichen Stoffe gemacht. Geringere 
nahmen einen geringeren Stoff, ald gebrannten Thon, Kalkſtein, gemaltes 
Holz; bei denen aber, wo die Eingeweide wieder in den Leib gefchoben 
wurden (mad bei zwei der von Herodot befchriebenen Arten des Einbal- 
famirend nicht gefchehen Eonnte), wie es fiheint, um die Koſten der Gefäße 
zu fparen, that man die vier Todtengenien aus Wachs over wohlriechenvdem 
Stoff gebildet und in Zeug gewidelt mit hinein, und bedeckte vie Deffnung 
mit einer bleiernen ‘Platte, worauf dad Auge oder zuweilen die vier Genien 
dargeftellt waren. Auch ift häufig auf ver Bruft der Mumie ein Käfer 
mit auögebreiteten Flügeln, und eben jo an diefer Stelle an der Mumien- 
umbüllung und dem Kaften. Zumeilen aber findet fih an dem Kaften 
flatt deßen der gefchwingte Sonnenfrei oder Sperber, ober ein widder⸗ 
fopfiger Geier ober Sperber, oder beide lebtere, oder der Geier mit dem 
Kopf eines Weibes, oder dem der Göttin Nutpe, over eine von dem Käfer 
getragene Sonnenfcheibe mit einem Sperber und dem Namen des Ra, 
des Sonnengotted, welche Bilder ſich alle auf den Begriff des Lebens, 
alfo auf die Fortdauer des Menfchen nach dem Tode beziehen. Nutpe 
mit auögebreiteten Schwingen kommt auch entweder auf ver Bruſt, ober 


Einleitung. 27 


boch irgend am Sarge vor (zuweilen mit ausgebreiteten Armen am Boden 
bed Inneren Kaftend), und manchmal unfaßt is die Füße der Mumie, 
und dabei fteht die Infchrift: „ich umarme deine Füße” Auch 
Dfiris, Nephthys, Anubis, Sokari und andere Öottheiten kommen häufig 
ii den Mumien vor. Die Uegypter, fagt Herodot (2. 123), find die 
een, welche die Behauptung aufgeftelt haben, vie Seele des Menſchen fey 
untterblich, und daß fie, wann der Leib flerbe, in ein Thier, welches 
gerade zu der Zeit gebohren werve, fahre, bis file nach Durchwanderung 
er Thiere des Landes und des Meeres und aller Vögel wieder in 
einen Menfchenleib, der gerade zu der Zeit gebohren werde, gelange, 
welche ganze Wanderung breitaufend Jahre dauere. *) (Die Griechen 
faßten die Lehre von der Seelenwanverung infofern nicht genau, ald nur 
die vor Oſtris in dem Amenti nicht gerechtfertigten Seelen zurüdgefandt 
wurden, und wären die Seelen bei dem Tode in Thierleiber übergegangen, 
dann hätte das Todtengericht Feinen Sinn gehabt.) 

Bon den in Unterägypten in ben Sümpfen lebenden Leuten giebt 
Herodot (2. 92) nody Folgendes als ihnen eigen an. Den in der Nil- 
überihwenmung wachſenden Lotus ſchneiden fie ab und trodnen ihn an 
der Sonne, worauf fie feine dem Mohn ähnlichen Körner zermalmen und 
Brod daraus machen, welches fie im euer röften. Die Wurzel vieles 
kotus ift auch genießbar, fie ift füß, rund und von der Größe eines 
Apfels. Auch wachen in dem Fluß andere Lilienarten, vofenähnliche, 
deren Frucht in einem neben der Wurzel aufſchießenden Kelche figt, welcher 
einer Wespenwabe gleicht. Die Körner, von der Größe des Dlivenferng, 
werden ſowohl frifch als auch getrodnet genoßen. Den in den Sümpfen 
wachſenden Byblos ſammeln fie, ſchneiden das Oberfte zu allerlei Gebrauch 
ab, das Unterfte aber, etwa von ber Länge einer Elle, eßen oder verfaufen 
fie, verfelbe aber wird, wenn man ihn recht wohlfchmedend haben will, 
in einem Ofen gebörtt. Manche ver Sumpfbewohner leben bloß von 
difhen, welche fie ausnehmen und an der Sonne trodnen. In dieſem 
Theile de3 Landes bat man nur Del son Silifyprion (Aegyptifch Kiki), 
welches in Griechenland wild wächſt. Sie füen ed an den Ufern ver Flüße 
und Seen, wo e3 reichlich trägt, aber nicht gut riecht. Der Samen mirb 
ausgepreßt oder geröftet und ausgekocht, und es ift dieſes Del zmar fett 
und gut zum Brennen, bat aber einen läftigen Geruch. Müden find in 
dieſen Gegenden in ungeheuerer Menge, vie nun oberhalb der Sümpfe 


*) Plato im Phädrus giebt zehntaufend Jahre als Zeit der Seelenwanberung 
an, und nur für den Philofophen, deßen Seele höher fleht, dreitauſend in 
breimaliger Wanderung, jede von taufend Jahren, nach welcher diefelbe in 
den Urzufland ihrer Reinheit zurüdgelangt. Theophraft aber jagt, zulegt 
gelange die Seele wieder in den alten Leib. 


28 Einleitung. 


wohnen, fchlafen oben in Thürmen, wo fie vor ihnen geborgen find, weil 
ſte wegen ver Winde nicht in die Höhe fliegen koͤnnen, die Leute aber 
in den Sümpfen ftellen ihre Fiſchnetze auf und fchlafen darunter. Ihre 
Laftfchiffe machen fie aus einem Gummi fchwigenden Dorn, woraus fie 
Stäbe ohngefähr zwei Ellen lang hauen, die fie dann dicht an einander 
um lange Pflöde befeftigen, Duerbalfen brüber legen, und die Fugen mit 
Byblos verftopfen. Das Steuer geht unten durch den Kiel durch, ver 
Maft ift auch von Dorn und das Seegel von Byblos. Stromauf werben 
fie gezogen, wenn nicht ein fehr flarfer Wind fte aufwärts treibt, firomab 
zieht fte ein vornungebundenes Flechtwerk von Tamarisfe mit Rohr zufammen- 
geflochten, während ein hinten angebundener ohngefähr zwei Pfund fchwerer 
Stein, der in das Wafler herab gelaffen wird, den Lauf lenkt. Diefer 
Fahrzeuge, deren manche viele taufend Pfund tragen, giebt es viele. 
Bisher, fagt Herodot, habe ich erzählt, was ich mit Augen gefehen, 
nun will ich die Aegyptiſche Gefchichte erzählen, wie ich fte gehort, unter: 
mifht mit manchem, mas ich gefehen. Menes, ver erfte König von 
Aegypten, erzählten die Priefter, habe Memphis mit Dämmen vor ver 
Ueberfchwemmung abgefchloßen, indem er die ſüdliche Biegung des Nil 
zugefchüttet und den Fluß mitten durch die Gebirge geleitet habe. Jetzt 
noch bauen die Perfer jährlih an dieſer Biegung des Flußes, der, wenn 
er durchbrache, Memphis zerftören köͤnnte. Menes babe nach Ausführung 
jener Arbeit Memphis gegründet, und außerhalb habe er einen See herum 
ausgegraben, gegen Norden und Weften vom Fluß aus. Nach diefem 
laſen mir die Priefter aus ihren Schriften die Namen von breihundert 
und dreißig Königen, darunter waren achtzehn Xethiopen und ein Weib 
aus Aegypten, die Nitofris, die zur Serrfchaft fam, als vie Aegypter 
ihren Bruder, den König getöptet hatten. Ihn zu rächen, machte fie ein 
großes unterirvifches Gemach, lud die Urheber des Morde in vaffelbe zum 
Gaftmahl und erfäufte fie, indem file den Fluß durch einen verborgenen 
Ganal hereinftrömen ließ. Sie felbft aber flürzte fi} in ein Gemach mit 
Alche, um der Rache zu entgehen. Bon den übrigen erzählten fte nichts 
Beſonderes, außer von Mörid, der eine Vorhalle des Hephäſtostempels 
baute und den großen See Möris grub, in welchem er Pyramiden baute. 
Nach diefen ward König Sefoftris, welcher, jo erzählten die Priefter, vom 
Arabifchen Meerbufen auszog mit langen Schiffen, und die Anwohner bed 
rothen Meeres beftegte, und immer meiter fuhr, bis er in ein Meer vol 
Untiefen fam. Zurüdgefehrt nahm er ein großes Heer und beftegte mit 
demfelben die Völker des feften Landes, und vertheivigte ſich ein Bolt 
tapfer, fo errichtete er eine Säule vafelbft und fehrieb den Sieg über das 
Volk darauf. Bei feigen Völkern fügte er aber zu der Infchrift eine 
weibliche Schaam zur Bezeichnung ihrer Feigheit. So zog er durch Aften 
bi8 nach Curopa, wo er die Skythen und Thraker übermältigte, und in 


— _— - —— - — — — — — 


Einleitung. 28 


den Ländern viefer Völfer fieht man noch die Säulen aufgerichtet, meiter- 
kin aber nicht. Nun kehrte er um, und ein Fleiner Theil feines Heeres 
blieb am Phafis, von ihm entweder zurüdgelafen, ober ſich von Ihm tren- 
end; denn Die Koldher find Aegypter, und als ich beide fragte, fo erin⸗ 
werten fich die Kolcher mehr ver Aegypter, als dieſe ver Kolcher, doch 
Insten fte, fie meinten, die Koldher feyen vom Heere des Sefoftris, und id) 
ſcloß es aus ihrer ſchwarzen Haut und ihrem wolligen Haar, und urfprüng- 
ii find Die Kolcher, Uegypter und Aethiopen die einzigen Völker, welche 
ſich beſchneiden. Die Phoͤniker und Syrer in Paläftina befennen felbft, 
es von den Aegyptern gelernt zu haben, und die Syrer am Thermodon 
und Parthenios und die Mafronen, ihre Nachbarn, jagen, fie hätten es 
vor nicht langer Zeit von den Kolchern gelernt. Die Phönifer aber, 
welhe mit den Griechen verkehren, haben vie Befchneidung nicht (Ambro⸗ 
fus 2. 11 nennt audy die Araber befchnitten). Die Kolcher machen auch 
vie Leinwand wie die Aegypter, und ihre Lebensweiſe und Sprache find 
einander ähnlih. Won den durch Sefoftrid errichteten Säulen find bie 
meitten nicht mehr vorhanden, doch in dem Sprifchen Paläftina habe Ich 
deren noch gefehen mit den Infchriften und jenem Bilde. Auch find zwei 
Bilder beffelben in Feld gehauen auf vem Weg von Epheſos nad Phofän, 
und dem von Sarded nah Smyrna, jedes fünf Spannen hoch, den Speer 
in der Rechten, ven Bogen in ver Linken, mit der übrigen NRüftung, und 
über die Bruft ift in beiliger Schrift eingehauen: ich habe dieſes 
Land mit meinen Armen gewonnen. Manche meinen irrig, es 
jmen Bilder des Memnon. Als Seſoſtris mit vielen Gefangenen heim— 
fehrte und zu Daphne bei Peluflon angefommen war, lud fein Bruber, 
welher Aegypten indeß verwaltet hatte, ihn und feine Söhne zum Eßen, 
umgab das Haus mit Holz und zündete ed an. Da rieth ihm fein Weib, 
von ihren ſechs Kindern zwei über das brennende Holz zu legen, um ſich 
über fte, wie über eine Brüde zu retten. Diefes gelang, und als hierauf 
Sefoftris an dem Bruder Rache genommen hatte, bediente er fich ver 
Gefangenen zu Arbeiten, um ungeheuere Steine zum SHeiligthum des 
Hephäftos in Memphis herbeizuführen, und das Land mit Gräben zu durch— 
ſchneiden, fo daß man nicht mehr darin reiten und fahren kann. Diefer 
König ſoll auch das Land unter die Aegypter vertheilt haben, fo daß jeder 
ein gleichgroßes viereckiges Stück befam, wovon er aber eine Abgabe ent- 
rihten mußte. Auf die Art mag die Feldmeßkunſt entflanden und von 
ba nach Griechenland gekommen feyn. Sefoftris war auch ver einzige König 
von Aegypten, welcher über Aethiopien geberrfcht hat, und vor dem Hephä⸗ 
fostempel errichtete er feine und feines Weibes Bildſäulen, dreißig Ellen 
hoch, und die feiner vier Kinder, zivanzig Ellen hoch. Als Dareios feine 
Bildſäule vor dieſelben ftellen wollte, Titt e8 ber Hephäftospriefter nicht, 
weil er dem Sefoftris nicht gleich an Thaten wäre, denn dieſer habe hie 


30 Ginleitung. 


Skythen beftegt, er aber nicht, und der Perferkönig fol dies mit Nach⸗ 
fiht aufgenommen haben. 

Auf Sefoftris folgte fein Sohn Pheron, ver bei einer hoben Nils 
überſchwemmung übermüthig feinen Speer in den Fluß fchleuderte und zur 
Strafe blind ward. Im eilften Jahre darauf erhielt er ein Orakel aus 
Buto, feine Strafzeit jey zu Ende, und er werde fein Geficht wieber 
erlangen, wenn er fi die Augen mit dem Waßer einer Frau wüſche, 
die niemals die Ehe gebrochen. Sein eigenes Weib und manche andere 
halfen ihm nicht, und er verbrannte fie allfammt in der Stadt Erythrebolos, 
und vermählte fich der, durch welche ihm das Geftcht hergeftellt worden 
war. Dann meihte er Gefchenke in alle Tempel, darunter zwei Obeliöfen 
in vem Seliosheiligthum von hundert Ellen Höhe und acht Ellen Breite. 
Dann Fam dad Reih an einen Memphitifchen Dann, Namens Proteud 
auf Griechiſch. Diefer hat jegt ſüdlich vom SKSephäftostempel zu Memphis 
ein ſchoͤnes Heiligthum, und um dieſes wohnen Phönifer aus Tyros, 
wovon der ganze Ort dad Lager der Tyrier heißt. In dem Proteud- 
Heiligthum ift ein Tempel ver fremden Aphrodite (in dieſer vermuthet 
Herodot die Helena, fle ift aber die Phoͤnikiſche Aftarte). Als ich nad) 
Helena fragte, erzählten die Priefter (welche von Selena nichts wißen 
fonnten, ald was fie von den Griechen hörten): Alexandros Fam vom 
Wind verfchlagen mit Helena nach Aegypten, in die Kanobifcdhe Mündung, 
nad) Taricheiä, wo der Heraklestempel ein Afyl für Selaven ift. Einige 
der Sclaven des Alexandros flüchteten in denſelben und entdeckten bed 
Alerandrod Srevel gegen Menelaos dem Thonis, dem Wächter ver Kano⸗ 
biſchen Mündung, welcher glei darüber an Proteus berichtete. Der 
König lieg nun ven Alexandros holen, weil er aber feinen durch Sturm 
verfchlagenen Fremdling tödten wollte, hielt er vie Helena zurüd, bis fie 
von Menelaos abgeholt werden würde. Diefer kam nad) der Eroberung 
Trojas, da die Troer immer gejagt hatten, fie befäßen vie Helena und 
ihre Schäße nicht, fondern diefe feyen in Aegypten, nach Memphis, ward 
gut aufgenommen und erbielt fein Weib mit Allem unverlebt zurüd. 
Doch als ihn darauf widrige Winde nicht zur See liegen, fchlachtete er 
zwei einheimifche Knaben zum Opfer, worüber vie Aegypter erbitterten 
und ihn verfolgten. Doch er entkam zu Schiff nach Libyen. Auf Proteus 
folgte Rampftnitod, melcher fehr reich war, fo daß nach ihm feiner ihm 
darin gleich Fam. Für feine Schäge ließ er an feinem Haus eine Schnaps 
fammer bauen, deren Baumeifter fte fo machte, daß man einen Stein 
herausnehmen Fonnte, mas er bald hernach bei feinem Tode feinen zwei 
Söhnen entdeckte. Diefe beraubten des Königs Schatz auf dem ihnen 
vom Vater entdeckten Wege, bid ver König Fußſchlingen legte, worin fich 
das nächftemal der eine der Brüder fieng, der dann feinen Bruder, um 
ihn nicht mit in das Ververben zu ziehen, bat, ihm ven Kopf abzufchneiben, 


= — — —— 


Einleitung. al 


und fo gejchah ed. Der König, um die Räuber zu enidecken, ließ bie 
Reihe an die Mauer hängen, und ftelte Wächter dazu, um zu beobachten, 
wer über die Leiche weinen oder Flagen würde. Die Mutter des Umge⸗ 
fommenen drang in ben noch Iebenden Sohn, ihr die Leiche zu verfchaffen, 
font würde fle dem Könige Anzeige machen. Diefer belud mehrere Efel 
mit BWeinfchläuchen und zug zu der Leiche, dffnete einige Schläuche, und 
als ver Wein herauslief, fchrie er und ſchlug fih an ven Kopf, als wiße 
er fih nicht zu helfen, die Wächter aber fiengen den Wein auf, und ala 
fie ihn fcheinbar beruhigt hatten, ſchenkte er ihnen noch einen Schlaud), 
und lie fich bereven, da zu bleiben und mitzutrinfen. Jetzt beraufchte er 
fe, fo daß fie einfchliefen, nahm die Leiche und fchor zum Spott den 
Wächtern die rechte Wange und brachte der Mutter den Leichnam. Da 
gab der König feine Tochter dffentlich preis, um ven Ihäter zu erwifchen; 
denn dieſe follte ſich von Jedem, der ihrer begehrte, zuvor bie Liftigfte, fo 
wie die ruchlofefte That erzählen lagen. Der Schatzdieb gieng nun auch 
m ihre, nachdem er dem Leichnam ven Arm abgefchnitten Hatte, ven er 
unter feinem Mantel mitnahm. Als er dann der Königstochter Alles 
erzählt Hatte und dieſe nach ihm griff, reichte er ihr im Dunkeln ven Arm 
des Todten Hin und entwifchte. Seht verfprach der König dem Dieb 
Verzeifung und eine Belohnung, wenn er fich ftelle, und wirflich gab er 
demfelben, al8 er ſich entvedt hatte, feine Tochter zur rau, als dem 
fügften Menfchen. Hernach, fagten fie, ftieg Rampſinitos in die Unterwelt 
und fpielte mit Demeter Würfel, bald gewinnen, bald verlierend, als er 
aber zurückkehrte, brachte er ein goldenes Handbuch von verfelben als 
Geſchenk mit Herauf, und die Zeit feines Hinabfteigend bis zu feiner 
Wiederkehr wird gefeiert. Bis auf diefen König, fagten fie, war Recht 
und Gerechtigkeit, fo wie Wohlſtand in Aegypten, fein Nachfolger Cheops 
aber ſchloß vie Tempel, hemmte die Opfer und legte dem Volk Arbeiten 
af. Es mußten melde Steine aus dem Arabifchen Gebirg an den Nil 
(haften, und andere von da an das Libyſche Gebirg, je hunderttaufend 
Menſchen drei Monate lang, und ſie mußten einen Weg fünf Stadien 
lang, zehn Klafter breit, und wo er am höochſten ift, acht Slafter hoch 
bauen von geglätteten Steinen, worin Bilder gegraben find. Hierauf 
wurden die Steine fortgefchafft, und darüber, wie über ver Errichtung der 
wierirdifchen Gemächer in dem Hügel, worauf die Pyramiden ftehen, 
welche Gemächer er ſich zum Begräbnig machen ließ auf einer Inſel, 
indem er einen Canal aus dem Nil darum leitete, verfloßen zehn Jahre. 
Die Pyramide felbft erforderte zwanzig Jahre, die von geglätteten Steinen, 
beren feiner unter dreißig Fuß groß ift, errichtet, vierfeitig iſt, jede Seite 
acht Plethren breit und eben fo hoch. Man erzählte, fe fey wie eine 
Treppe mit Stufen gebaut worden, fo daß das oberfte zuerft gebaut war, 
bad unterfte zuletzt, und es ift an verfelben angegeben, was die Arbeiter 


33 Einleitung. 


an Rettigen, Zwiebeln und Knoblauch verbraucht haben, was taufend uni 
fechshundert Silbertalente ausmacht. Cheops aber foll jo meit gegange 
ſeyn, daß er, um Geld zu erwerben, feine Tochter zur feilen Dirne machte 
die fih, um auch ein Denkmal zu haben, von jenem Liebhaber einen Stein 
fchenfen ließ, woraud die mittlere der Pyramiden, vor der großen, errichten 
ward, die an jeder Seite anderthalb Plethren breit if. Auf Cheops, ver 
fünfzig Jahre herrſchte, folgte Chephren, ver es eben fo machte, und eins 
Pyramide baute, nicht ganz jo groß und ohne unterirvifche Gemächer, 
die erfte Abtheilung aus buntem Aethiopiſchem Stein, vierzig Fuß Fleiner, 
denn die andern, dicht neben ver großen; doch ftehen beide auf dem 
nämlichen, ungefähr hundert Fuß hohen Hügel. Chephren herrfchte ſechs 
und fünfzig Jahre, und die Aegypter nennen beide Könige nicht gerne, 
und fie benennen fogar die Pyramiden nach dem Hirten Philitis, ver 
damals feine Heerde in diefer Gegend weidete. (Nah einem Hirten, 
welcher in jener Gegend feine Heerden weidete, hatten die Aegypter 
nimmermehr Pyramiden genannt, wohl aber mag darin ein Anflang an 
die Hykſos liegen.) 

Hierauf berrichte Cheop's Sohn Mykerinos, welcher die Tempel dffr 
nete, und den Drud der Arbeit von dem Wolfe nahm und gerechter war 
als alle andern Könige, weßhalb er vor allen im rühmlichften Andenken 
ſteht. Als ihm feine einzige Tochter geftorben war, erhielt er aus Buto 
das Orakel, er werde nur noch ſechs Jahre leben, und als er ſich gegen 
die Göttin in Buto beſchwerte, daß er, ver fromm fen, fo balo ſterben 
müße, während fein Vater und Oheim, die fo hart gehandelt, lange gelebt 
hätten, befam er die Antwort, grade darum müße er früh fterben, denn 
er babe nicht recht getban, weil Aegypten hundert und fünfzig Iahre lang . 
hätte unglücklich feyn folen. Nun zündete Mykerinos Nachts Lampen 
an, trank und war Iuftig Tag und Nacht und fchmärmte überall herum, 
wo Luft zu finden war, um das Orafel ver Lüge zu überführen, indem 
er die Nächte zu Tagen und fo aus fechd Jahren zwölfe machte. Die 
von ihm binterlaßene Pyramide ift zwanzig Fuß kleiner als die feines 
Vaters, drei Plethren breit, bis zur Hälfte aus Wethiopifhem Stein. 
Manche Griechen fchreiben ſie irrig ber Buhlerin Rhodopis zu, die aber 
unter Amaſis lebte *). Auf Mykerinos folgte Aſychis, ver die fchönfte 


*) Strabo (808) giebt an: fie foll das von den Liebhabern ciner Buhlerin, 
ber Geliebten des Chararos, eines Bruders der Sappho, welcher mit Lesbi- 
fhem Wein nah Naufratis handelte, errichtete Grab gewefen feyn. Andere 
nennen fie Rhodopis und fagen, als fle badete, Habe ein Adler einen ihrer 
Schuhe der Dienerin geraubt und nah Memphis gebracht, wo der König 
gerade unter freiem Himmel Recht ſprach, und diefem habe er den Schuh in 
den Schooß fallen laßen. Der König habe alsbald nach der Beflgerin des 
Schuhes forjchen laßen, fie, als fie aus Naufratis bergefchafft worden, zur 





Binleitung. 33 


Borballe des Hephaͤſtostempels in Memphis, die nach Oſten errichtete. 
Unter feiner Herrſchaft fehlte e3 an Geld in dem Verkehr, und dies Geſetz 
warb eingeführt, daß man die Leiche feined Vaters zu Pfand fegen 
fonnte, und Aſychis ließ eine Pyramide aus Vackſteinen machen, worauf 
die Worte fteben: Achte mich nicht gering gegen die fleinenen Pyramiden, 
denn ich übertreffe fte fo weit, wie Zeus die andern Götter. Denn eine 
Stange in den Sumpf ſteckend fanmelten fie was von Schlamm dran 
bingen blieb, machten Ziegel daraus und errichteten mich auf viefe Art. 
Hm folgte ein blinder Mann aus der Stadt Anyſis, Namens Anyfis, 
unter welchem der Aethiopenkönig Sabafod mit einem ftarfen Heer in 
bad Rand einfiel. Anyſis barg fih in ven Sümpfen, und ver Aethiope 
herrſchte an fünfzig Jahren. Diefer ließ keinen DVerbreiher Hinrichten, 
fondern fle mußten jeder die Stadt, mo er gebürtig war, durch Schutt 
erhöhen, nachdem fie ſchon durch das Gräbenziehen unter Sefoftris erhöht 
worden waren. Um meiften aber iſt Bubaſis erhöht worden. Endlich 
räumte Sakabos, es ftehe ein Mann bey ihm, und heiße ihn die Prien 
fer alle verfammeln und mitten burchfchneiden. Er hielt dies für eine 
von den Shttern kommende Verfuchung zum Brevel, und verließ Aegyp⸗ 
ten, da Ihm auch in Aethiopien geweißagt worden war, er werde fünfzig 
Sabre über Aegypten berrfchen und dieſe Zeit war jetzt um. Anyſis hatte 
indeß auf einer Infel gewohnt, die er mit Afche und Erve erhöht Hatte, 
von den Aegyptiern mit Nahrung verfehen, und fünfhundert Jahre lang 
fonnte Niemand dieſe Injel finden, bis fle zur Zeit des Amyrtäos ent« 
dedt warb. 

Dem Annfes folgte der Hephäftospriefter Setho8, welcher die Krieger- 
falle vernachläßigte, und ihnen ihre Weder, veren jeder zwölf worzügliche 
hatte, nahm. Da zog Sanacharibos, der König der Araber und Afiyrer 
mit einem flarfen Heer gegen Aegypten, aber bie Krieger weigerten nun 
den Dienſt. Hephäſtos aber verfprady feinem Priefter im Traume Hülfe, 
und diefer nahm von den andern Aegyptiern wer ihm folgen wollte, und 
Ingerte fich bey Peluſion. Nachts kam ein Haufe Mäufe unter die Feinde, 
jernagte Bogen, Köcher und die Schildhandhaben, fo daß dieſe am fole« 
genden Morgen wehrlos waren und flohen. Dieſes Königs Bilnfäule von 
Stein fleht bey dem Hephäftostempel mit einer Maus auf der Hand und 
ver Inſchrift: fieh mich an und fey fromm. So erzählten die Priefter und 
bewieſen, daß vom erften Könige bis auf Sethos vreihundert und ein und 





Gattin genommen und ihr nach dem Tode diefe Pyramide zum Grabmal 
gegeben. Manetho nannte dieſe Pyramide die von Nitofris erbaute, und 
fügte, diefe Königin fey die edelfte und fchönfte Frau ihrer Zeit, von heller 
Garbe, geweien, fo daß Zoega in ihr bie Rhodopis, die Rofenwangige, 
erfennt, bie zum Griechifchen Mährchen geworden. 

3 


34 Ginleitung. 


vierzig Menfchenalter (drei Menfchenalter zu hundert Jahren gerechne 
gewefen, in welcher Zeit Fein Gott in Menfchengeftalt geweien fey, ur 
weder früher noch fpäter unter den andern Königen habe fo etwas fta 
gefunden. Als der Gefchichtichreiber Hekatäos den Prieftern zu Thebe 
fein Geſchlecht durchgieng und e8 im ſechszehnten Gliede an einen Go 
fnüpfte, zeigten fie ihm wie mir in dem Tempet vreihundert und fün 
und vierzig Koloffe, die Crzpriefter bafelbfi, deren immer einer vor 
andern ftammte, Feiner aber von einem Gott oder Herod. Bor diefen aber 
fagten fie, hätten Götter in Aegypten geherrſcht, und von ihnen wäre fı 
einer der Gewalthaber geweſen, doch hätten fie mit den Menſchen zufam: 
men gelebt, zulegt aber habe Horus, der Sohn des Oſtris geherrfcht, 
welcher den Typhon bezwungen und feine Herrfchaft geenvigt habe. Bon 
Oftris aber bis auf König Amafls zählt man fünfzehntaufend Jahre. 
Nah Sethos fetten die Aegypter, ald fie frei geworden, zwölf 
Könige ein und theilten dad Land in zwölf Theile, dieſe Könige aber, die 
fih unter einander durch Heurathen verbanden, machten fich zum Geſetz, 
einander nicht zu vertreiben, noch daß einer mehr ald ver andere zu 
haben fuche, fonvern aufs befte befreundet zu feyn. Sie hatten nämlid 
einen Orafelfpruh im Anfang erhalten, daß der von ihnen über ganz 
Aegypten berrfchen werde, weldjer im Sephäftosheiligthume mit einer 
ehernen Schale fpenden werde. Ald gemeinfchaftliches Denkmal bauten fle 
das Labyrinth, oberhalb des See's Möris, nicht weit von Krokodilopolis, 
und biefes ift über alle Beichreibung, denn es hat zwölf bedeckte Höfe, 
mit einander gegenüber ftehenden Thoren, ſechs gen Norden und feche 
gen Süden im Zuſammenhang, und von augen umfchließt fie eine Mauer. 
Gemächer hat es zweierlei, unterirvifche und oben befindliche, zufammen 
dreitaufend, von jeder Art taufend und fünfhundert. Die oberen fah id), 
die unterirdifchen aber wollten die Aegygtiſchen Auffeher durchaus nicht 
zeigen, weil die Gräber der Könige darin feyen, welche das Labyrinth 
erbaut hätten, und die der heiligen Krokodile. Die Ausgänge durch die 
Gemaͤcher und die Windungen durch die Königshöfe find fehr mannig- 
faltig und bieten taufend und taufend Wunder dar, wenn man aus dem 
Königshof in die Zimmer, aus diefen in die ©alerieen, von bier in 
andre Gemächer und aus den Zimmern in andre Königähofe gebt. Dad} 
und Wand “find von Stein und die Wände voll eingemeißelter Zeichen, 
und jeder Königshof ift mit Säulen umgeben, meift mit weißem Stein, 
am Ende des Labyrinth aber in ver Ede fteht eine vierzig Klafter große 
Pyramide, worin große Thierbilder eingemeißelt find, ver Weg aber in 
diefelbe geht unter ver Erve. hin. (Strabo, 811, fagt: am See Möris ift 
das Labyrinth, ein den Pyramiden ähnliches Baumerf, und daneben dad 
Grabmal des Königs, feines Erbauers. Wer aber neben ver erften Ein- 
fahrt in den Canal vorwärts geht, findet einen ebenen tifchfärmigen Platz, 





Einleitung. 35 


ver einen Flecken enthält und einen Königebau, mit jo vielen Xheilen, 
ala vormald Bezirfe waren, denn foviele zufammenhängende, mit Säulen 
umgebene Königshöfe find da, alle in einer Reihe und einer Wand, vor 
welcher die Königähdfe liegen, und die Eingänge verfelben find ver Mauer 
gegenüber. Mor verfelben find viele lange bevedte Gänge, vie Erumme 
Wege durcheinander haben, fo daß feiner im Stande ift, ohne Führer 
Gin- und Ausgang der Königshöfe zu finden. Das Bewundernswerthteſte 
it, dap alle Deden ver Gemächer inımer nur aus einem Stein beftehen, 
und eben fo ift vie Breite der bedeckten Gänge mit Platten immer nur 
aus einem Stein bedeckt von gewaltiger Größe ohne irgend eine Zuthat 
von Holz oder anderm Stoffe. Steigt man auf das Dach, welches, als 
bei einem einftöcdigen Bau, nicht fehr hoch ift, fo fteht man eine Fläche 
von dergleichen Steinen und wendet man fi) von bier wieder zu den 
Königahöfen , fo Fann man fie auf Säulen, jede aus einen Stein, geftüßt 
feben, und die Wände find aus nicht weniger großen Steinen gemadit. 
Am Ende dieſes Gebäudes, welches über ein Stavium lang und breit 
ft, findet ſich dad Grabmal des Erbauers Ismandes, *) eine vieredige 
Pyramide, vier Plethren breit an jeder Seite und eben fo hoch. Sie 
fagen aber, es ſeyen fo viele Königähöfe erbaut worden, weil es Braud) 
geweſen, daß vafelbft die fümmtlichen Landestheile zufammen famen mit 
isren eigenen Prieftern und Opferthieren, zum Opfern, Befchenfen ver 
Götter und NRechtfprechen über die wichtigften Dinge. in jeder Landes⸗ 
theil aber gieng in den ihm beftimmten Konigshof.) 
Noch größere Verwunderung, fährt Herodot (149) fort, erregt der 
Ser Möris. Sein Umfang ift dreitaufend und fechshundert Stadien, und 
feine Länge geht von Nord nach Süd, feine größte Tiefe aber beträgt 
fünfzig Klafter. Ohngefähr in feiner Mitte ftehen zwei Pyramiven, fünfzig 





*) Diodor (1. 61) erzählt: Als nad) des Aethiopifchen Königs Actifanes Tode 
die Aegypter ihre Unabhängigfeit wieder gewonnen hatten, wählten fie ben 
Mendes zum Könige, den manche auch Marros nennen. Diefer führte Feine 
Kriegsthat aus, erbaute fih aber das Labyrinth zum Grabmal. Dann 
erzählt er (1. 89): einer der alten Könige, Menes, von feinen eigenen 
Hunden verfolgt, flüchtete in den See Möris, wo ein Krofobil ihn aufnahm 
und auf die andere Seite trug. Zum Danke baute er Krofodilftabt und 
ordnete Pflege und Verehrung der Krokodile an, und baute fich eine vier: 
edige Pyramide zum Grabmal, fo wie auch das Labyrinth. (men Heißt 
Aegyptifch gründen, Gebäude und Gründer, und smen gründen laßen ober 
bauen Iaßen.) Bon Abydos fagt Strabo (811): über diefer Stadt Tiegt 
das Memnoneion, ein herrlich gebauter Königspallaft in der Art des Laby- 
rinths, jedoch nicht fo vielfach, und wenn, wie man behauptet, Memnon 
bei den Aegyptern Jsmandes heißt, fo wäre auch das Labyrinth ein Mem⸗ 
noneion und das Werk des nämlichen Künftlers, von welchem die in Abydos 
und Theben find, denn auch da werden Memnoneien erwähnt. 


3% 


36 Einleitung. 


Klafter über dad Waßer ragend, und auf jeder ift ein fteinerner Kolo 
auf einem Thron. Der See erhält fein Waßer durch einen Canal au 
dem Nil, und ſechs Monate fließt er hinein, die andern ſechs Monat 
aber wieder zurüd in den Nil, und während dieſer ſechs Monat 
erträgt bie Bifcherei täglich ein Silbertalent für den Schatz, wenn haı 
Waßer aber wieder in den See läuft, nur zwanzig Minen. Die zmöl 
Könige nun herrfchten, und als fte einft im Hephäftostempel am legten Tag 
des Feſtes ſpenden wollten, brachte ihnen der Erzpriefter ihre golvenen 
Spentefchalen, doch aus Verſehen brachte er nur eilf. Als der binten- 
ftebende Pſammetichos Feine befam, beviente er fich feine ehernen Helms, 
wobei den andern gleich die Weißagung von der ehernen Schale einfiel, 
weßhalb fie ihn zwar als einen, ver ohne Abficht gehandelt, nicht tödteten, 
jedoch in die Sümpfe verbannten. Schon einmal hatte derfelbe vor Sabakos 
flüchten müßen, ver feinen Vater töbtete, 5i8 ihn nach dem Abzug des 
Aethiopen die Suiten aus Syrien zurüdholten. Pſammetichos befragte 
nun das Drafel zu Buto und erhielt die Antwort, es werde ihm Rache 
durch eherne, von der See herfommende Männer werden. Als nicht Lange 
darauf Karifhe und Joniſche Seeräuber ſich genöthigt fahen, in Aegypten 
zu landen, und eherne Rüftungen trugen, erkannte Pſammetichos, melchem 
mun meldete, eherne, zur See gefommene Männer plünverten das Land, 
die Männer des Orakelſpruchs in ihnen, warb fie an und vertrieb mit 
ihnen die andern eilf Könige. Wie er nun König des ganzen Landes 
war, baute er die ſüdliche Vorhalle des Hephäftustempeld zu Memphis, 
und den mit einem Säulengang umgebenen Hof des Apis daſelbſt. Den 
Jonern und Karern aber gab er Ländereien an ver Peluſiſchen Nilmün- 
dung, die man dad Luger nannte, und ließ Aegyptiſche Kinder Griechiſch 
von ihnen lernen, woher die jegigen Dolmetſcher in Aegypten flammen. 
Später verfegte Amafis dieſe Söloner nad Memphis und machte eine 
Leibwache gegen vie Uegypter daraus. Don ver Anftedelung diefer Soͤldner 
an war Verkehr zwifchen Aegyptern und Griechen, und man weiß bie 
Aegyptiſche Gefchichte von da an mit Zuverläßigfeit. Pſammetichos Herrichte 
vier und fünfzig Jahre, wovon er neun und zwanzig mit der Belagerung 
der großen Stadt Azotos in Syrien zubracdhte, bis er fie einnahm. 

Ihm folgte fein Sohn Nekos, welcher ven anal vom Nil in das 
rothe Meer begann, den Dareios fortfegte, fo breit, daß zwei Dreiruverer 
neben einander fahren Fünnen, und von einer Ränge, die vier Tage zur 
Vahrt erforderte. Hundert und zwanzig taufend Menfchen verloren unter 
König Nekos bei der Arbeit an dieſem Canal das Leben, und verfelbe 
fteltte fte ein, weil er einen Orafelfpruch befam, daß er zum Nuten ber 
Barbaren arbeite. Dreiruderer ließ er an dem nörblichen und dem rothen 
Meere machen, deren Werfte man noch flieht, und er beflegte die Syrer 
zu Land, und eroberte die große Stadt Kadyſtis, dad Gewand aber, worin 


Einleitung. 37 


er biefen Sieg erfochten, weihte er dem Apollon in Milet, und hinterließ 
bas Reich nach jechözehnjähriger Herrichaft feinem Sohne Pfammis, welcher 
ſchon nach ſechs Jahren flarb, nachdem er Krieg gegen Aethiopien geführt 
hatte. Ihm folgte fein Sohn Apried, welcher fünf und zwanzig Jahre 
herrſchte, und ein Heer gegen Sivon führte, und mit den Tyrern zur 
See kämpfte; ein Herr aber, welches er gegen Kyrene fandte, wurde 
geihlagen, und weil vie Aegypter glaubten, er habe die Leute dorthin 
geihidt, um fie aufzuopfern und um fo ficherer über die andern zu herrfchen, 
fo empdrten ſich die Zurüdgefehrten nebft ihren Breunden. Apries ſchickte 
ven Amaſis an fie ab, um fie zu beruhigen, fie machten aber dieſen zum 
König, worauf Apries den Patarbemis hinfandte, ihm den Amaſis lebendig 
zu bringen, und als er unverrichteter Sache zurüdfehrte, vemfelben im 
Zorn Nafe und Ohren abfchneiven lief. Die Mißhandlung eines fo 
angefehenen Mannes brachte die übrigen Aegypter nun auch zum Abfall, 
und Apried mußte nun mit feinen breißigtaufend Sölpnern gegen Amafis 
ziehen, ven er bei Momemphis traf. Obgleich die Sölpner tapfer ftritten, 
erlagen He doch der Uebermacht, *) Apried warb gefangen und nach Saiß 
gebracht, wo Amaſis die Königäburg bezog. Hier hielt ihn Amaſis anfangs 
gut, doch als vie Aegypter darüber unmwillig wurben, gab er ihn denfelben 
preis, und fie ermordeten und beftatteten ihn in dem Begräbniß feiner 
Väter in dem Heiligtum der Athena, wo alle Könige aus Sais beftattet 
wurden, und des Amaſis Grab ift auch daſelbſt, etwas weiter vom Tempels 
gemach entfernt, und befteht in einer großen Halle mit Säulen, vie Palm⸗ 
Kumen gleichen, und mit andern Serrlichkeiten geſchmückt. Darin ift ein 
mit zwei Ihürflügeln verfehener Verſchluß, worin der Sarg fi) befindet. 
Anfangs aber verachteten die AUegypter den Amaſis, der aus Siuph in dem 
Bezirk von Said gebürtig war, weil er ein Mann aus dem Volfe von 
einem nicht angefehenen Haufe war, doch fpäterhin gewann ihm fein 
Verſtand und feine Weisheit die Leute. Er ließ aus einem goldnen Buß 
beten ein Goͤtterbild machen, und als die Aegypter viefes verehrten, führte 
ee ihnen zu Gemüth, ed fey eben fo mit ihm gegangen, ver aus einem 
gemeinen Manne König geworden. Morgens bis zur Zeit, wo der Markt 
ſich füllt, arbeitete er tüchtig in feinen Obliegenheiten, dann aber trank 
und beluftigte er fi mit Späßen und Wigen, weil der Menfch, wie er 
fügte, ver Abfpannung bevürfe. Schon ald gemeiner Dann hatte er Trank 
amd Scherz geliebt und nicht viel gearbeitet, ſondern geftohlen, wann es ihm 
an den Mitteln gefehlt. Oft deßhalb zu Weißagungen geführt, erflärten 





*) Die Kriegerfafte belief fich auf viermal Hundert und gehntaufend Mann, von 
denen ber eine Theil Kalaflrier hieß, die an hundert und fechszigtuufend Mann 
betrugen, die andern hießen Hermotybier. Je taufend Dann von jeder Diefer 
Abtheilungen bilveten die Leibwache des Könige, welche jedes Jahr wechielte. 


38 Ginleitung. 


ihn manche für den Dieb, andere ſprachen ihn frei, und die Tempel dere 
welche ihn fälfchlih freigefprochen hatten, vernachläßigte er ald Köni, 
bewies aber denen, wo er überführt worden war, ald wahrhaftigen Weiße 
gungen, große Sorgfalt. Er baute eine bewundernöwerthe Vorhalle de 
Aehenetempels zu Said, weihte große Kolofje und Männerfphingen, un 
ließ ein Säuschen aud einem einzigen Stein von Elephantine herbenfchaffer 
ein und zwanzig Ellen lang, vierzehn breit, acht hoch, welches zweitaufen 
Schiffer in einer Zeit von drei Jahren nach Said fchafften, wo ed an 
Eingang des Heiligthums ſteht. Auch in andere angefehene Tempel weiht 
er fehenswürbige große Werfe, 3.3. ven fünf und fiebenzig Fuß Tangen 
auf dem Rüden liegenden Koloß vor dem Hephäftostempel zu Memphis 
in welcher Stadt er auch den großen Iſistempel erbaute. Unter feine 
Herrichaft fol Aegypten in der höchften Blüthe gewefen ſeyn und zmanzik 
taufend bewohnte Städte gehabt haben, und es wird ihm das Geſetz zuge: 
ſchrieben, daß ein jeder der Bezirföobrigfeit angeben mußte, wovon ei 
lebte, und daß, wer feinen rechtlichen Erwerb nachweiſen Tonnte, mit dem 
Tode beftraft ward. Mit den Griechen fland Amafid in freundlichem 
Verhältniß, und geftattete ihnen Niederlaßung in Naufratis, melches in 
alter Zeit der einzige Ort war, wo man landen durfte. Als die Amppif- 
tyonen den Tempel zu Delphi bauen ließen, fchenkte ihnen Amaſis taufend 
Pfund Alaun zu den Koften, und mit Kyrene ſchloß er ein Freundſchafts⸗ 
bündnig und nahm eines angefehenen Kyrenäers Tochter zum Weibe. 
Auch Weihgeſchenke ſandte Amaſis nach Kyrene, Lindos und Samos, und 
Kypros ward von ihm erobert und unterworfen. Ihm folgte nach einer 
vier und vierzigjährigen Herrſchaft ſein Sohn Pſammenitos, gegen welchen 
der Perferfönig Kambyfes heranzog und ihn bei Pelufion ſchlug. 

So Fam Xegypten unter Perſiſche Herrſchaft, aus ver es in die 
Makedoniſche übergieng, nach deren Sturz es Römifche Provinz ward; doch 
blieb Religion und Cult der Aegypter unangetaftet beſtehen, wenn gleich 
in Sarapid ein neuer Gott durch die Makedoniſche Herrſchaft hinzukam. 
Welchen Einfluß die Hykſos auf Erweiterung oder Ausbildung der Religion 
gehabt Haben Fönnten, ift und ganz verborgen geblieben, denn außerdem, 
was und die Griechen von alter Aegyptiſcher Gefchichte erzählen, find nur 
wenige Hülfsmittel vorhanden, die zu einer Einfiht in den Gang ihrer 
Geſchichte nicht, Hinreihen. Wenn Pſammetich und feine Nachfolger fi 
auf fremde Söldner ſtützten, fo zeigt dieſes ſchon ven Staat, der ald Kaften- 
flaat eingerichtet war, in einem ſchlimmen Verhältnif, das ohne gründliche 
Umwandlung der Einrichtungen nicht zum Guten führen konnte, fobalo 
ein flarfer Stoß von außen fan. Daß die Aegypter als Kaftenvolf nie 
zur Vreiheit des Geiftes gelangten, welche die Bedingung der Humanität 
und der wahren Weisheit ift, zeigt Alles, was wir von denſelben wißen. 
Die gepriefene Weisheit dieſes Volks beftand in der Kenntniß des Jahres, 


Einleitung. 39 


welche die Priefter hatten, die aber den Vierteltag nicht einfchalteten, 
damit, wie es heißt, vie Götterfefte allmählig den Kreis des Jahres durch⸗ 
laufen follten, worin eine große Weisheit nicht Liegen Fann. Die Geheim- 
haltung des Iſis-Oſirismythus in feiner Beveutung ald Myfterium, gab 
den Schein tiefer Einſicht in die göttlichen Dinge, und das Großartige 
ihrer Königsbauten, jo wie die Folojlalen Bilowerfe, in welchen aber, wie 
in allen andern nie ein Ideal dargeftelt ward, fondern nur eine große 
mechaniſche Vollendung erfcheint, trugen dazu bei, vie Aegypter den Grie= 
hen ſehr bedeutend erfcheinen zu laßen, bei dem hohen Alter, welches fie 
in Anfpruch nahnen. Ihre gefchichtliche Erinnerung reichte allerdings 
weiter hinauf, als die der Griechen, und nimmt man ihre Zeitrechnung 
nur fo, daß die Nilüberfhwenmung mit dem erften Tage des Monats 
Thoth beginnt, und darin lag ja der Grund, den Thoth zum erſten Monat 
des Jahres zu machen, jo gelangt man fchon damit zum Jahre 2782 vor 
unferer Zeitrechnung, und wie Solinus (32) fagt, begannen vie Aegyp⸗ 
tifchen Priefter fogar mit dem Aufgange des Sirius die Erfchaffung der 
Welt. Manethos, zur Zeit des eriten Ptolemäers, ordnete die Aegyptiſchen 
chronologiſchen Nachrichten, und da fällt der Beitand ver Welt 24838 Jahre 
vor ber Zeit des erften Königs Menes, welche fiebenzehn Hundsſternperioden 
ausmachen, worauf noch über fünftaufend Jahre für die Zeit der Könige 
folgen bis auf Alexander den Großen. In der vormenfchlichen Zeit 
berrfchten die Gdtter, nach Menethos zuerſt Hephäſtos, dann fein Sohn 
Helios, Agathodämon, Kronos, Oſiris und Iſis, Typhon, hierauf neun 
Salbgötter, Horos, Ares, Anubis, Herakles, Apollon, Ammon, Tithoes, 
Soſos, Zeus, wie bei Synkellos zu lefen ift, dann kam die dritte Götter- 
dynaſtie ver Halbgötter, welche mit Bites endigte. Hierauf folgte die erfte 
und die zweite Dynaftie der Halbgdtter in engerem Sinne, dann die dritte 
der Memppitifchen, die vierte der Thinitifchen Halbgötter, zulegt Die der 
halbgöttlichen Manen. Sehen mir auf vie Religion ver Xegypter, fo 
ergiebt fich Das, was zu unjerer Kenntniß gelangt ift, als eine gewöhnliche 
Naturreligion, welche fich nicht zu einer fchönen Mährchenwelt ausgebilvet 
bat, und nie eine fchöne Kunft hervortrieb und von einer tiefen philo— 
fophiichen Anfchauung kann eben fo wenig die Rede feyn, fondern was 
irgend Davon gefabelt worden ift, find fpäte träumerifche Auslegungen. 
Die darin hervortrettenden Hauptgedanfen find die des Lebens und ber 
Zeitordnung. Un Leben flebt der Aegypter die Götter an, und nach dem 
ode will er noch fortleben und thut es in der jenfeitigen Welt. Die 
Sauptgottheit ift ihm die große Mutter Natur, die Leben gebiert und 
erhält, die einen Gatten hat, welcher dieſes Leben mit ihr zeugt, und das 
Erzeugnig ift ihm das Seegensfind, welches er verehrt. Weil ohne die 
durch den Hundsſtern gebrachte Nilüberſchwemmung das Seegendfind nicht 
erzeugt werden Fonnte, fo war der Hundsſtern ein hochverehrter Gott, 
entweder felbft als Erzeuger, over ald Begleiter viefer Zeugung, und weil 


30 Einleitung. 


das Leben als ein Zeittheil erfcheint und als ein XTheilbaftfenn d 
Keit, deßen Dauer nach den Zeittheilen gemeßen wird, fo fleht ver Aegy 
ter um Jahre, wie um das Xeben, und vie Zeit mit ihrer beftimmt, 
feften Ordnung ift ebenfalls göttlich verehrt. Diele wenigen Hauptidee 
welche fi um Leben und Gedeihen vreben, bilden ven Kern der Aegy 
tifhen Mytbologie, haben jedoch Feine volksmäßige poetiihe Entwidelu 
erlangt, wie ed mit der Griechifchen Mythologie der Fall war, denn I! 
das Volk ven der Priefterfchaft bevormundet war, fo hatte es nicht de 
Standpunkt inne, auf welchem e8 die Götter zum Gegenftande einer fchöne 
Mährchenwelt hätte machen Fünnen. So ward denn auch Fein Ideal eim 
Gottheit gefchaffen, da nur ihre Naturivee in dem Cult feft gehalten warl 
und wiewohl fie menſchlich gedacht waren und menſchlich gebildet wurber 
fo übermog doch die Naturidee dad Menfchliche, fo daß legteres fich nid 
fo in ihnen entwidelte, um fittlide Kräfte und menfchlidhe Verhältniß 
und Eigenfchaften zum Ideale zu fleigern. Aber weil das Leben ik 
Hauptaugenmerk war, fo bildeten fie die Verhältnige ver Fortdauet nad 
dem Tode ſehr aus, und wie fte die Keiche felbft auf das forgfältigie 
behanvelten, fo Hatte ihre jenjeitige Welt auch ihre genaue und in 
Einzelne geordnete Eintheilung. Merkwürdig Eönnte es fcheinen, daß fid 
in der Aegyptiſchen Naturreligion ein Dualismus bildete, nämlich ein 
böfes Wefen, welches das gute Wefen verfolgt und verdirbt, doch iſt dieſet 
nur ein Schein, und berührt nidyt daß fittlihe Gebiet, in welches jene 
Dualismus eigentlidy gehört, welcher das Gute einem guten, das Böſe 
einem böjen Wefen zufchreibt. Denn der wohlthätige Hundsſtern, welcher 
die Nilüberfchmemmung brachte, ward im Lauf der Zeit zur Gottheit ber 
vor der Ueberſchwemmung hergehenden trodenen Site, während melde 
die Natur erftirbt, und fo ward dieſer Gott zum Mörver des Zeugungs⸗ 
gottes gevdichtet, und als 608 betrachtet, wiewohl er daneben dennoch in 
einzelnen Culten allezeit verehrt blieb. Die Aegyptiſchen Culte hiengen 
nämlich keineswegs fo zufammen, daß nicht jeder einzelne Cult einer Stadt 
oder eines Bezirks feine Berechtigung für ſich gehabt hätte. Gerade durch 
diefe Berechtigung der einzelnen Eulte erjcheint auch eine größere Mannig⸗ 
faltigfeit der Götter, ald wirklich in der Mythologie dem Weſen nach ent- 
halten war, denn die verfchievenen Formen einer und berfelben Gottheit 
und fo auch die verfchiendenenen Benennungen verfelben erhielten, wenn 
diefelbe Gottheit an dem einen Orte unter diefer Form und diefem Namen, 
an dem andern Orte unter anderer Form und anderem Namen verehrt 
ward, um fo leichter eine Selbftfländigfeit, vie fie zu gan beſonderen 
Weſen machte. 

Wenn wir auch nicht wißen, welche Entwickelungen die Aegyptiſche 
Mythologie durchlaufen habe, fo ſehen wir doch in dem Iſis⸗Ofiriscult 
und dem Mythus davon wenigſtens eine Neuerung in demſelben, und eine 
Hindeutung auf den verwandten Phinififhen Cult. Noch mehr wuͤrden 


Einleitung. | al 


wir in biefer Hinſicht wißen, Tünnte man meinen, wenn bie brei @btter- 
freife, von welchen Herodot fpricht, befannt wären, weil uns biefe, fo 
ſcheint es, drei Entwidelungen barbieten würden. Herodot fagt nämlich 
(2. 145) es gebe acht erſte Goͤtter, dann die zwolf zweiten, und drittens 
die von den zwölf herſtammenden. Don jeder Gattung nennt er auch 
einen Gott, und von der erften noch eine Göttin, von welcher unten vie 
Rede fenn wird, wir fünnen aber gar nicht beftimmen, weldye andern, als 
bie von Herodot genannten, in dieſe Kreife gehörten. Weber in einem 
@ult, noch auf einem Denkmal begegnen wir viefen fogenannten Bdtters 
freifen in irgend einer erfenntlichen Weife, und vie Gottheiten felbft bieten 
mit Ausnahme des DOfirid und der mit ihm in Verbindung ftehenven Gott⸗ 
heiten nichts bar, woraus fich auf ihre Abftammung von andern fhließen 
ließe; denn wenn eine Gottheit Sohn ver Sonne oder Tochter der Sonne 
genannt wird, fo braucht dies Feine Abftammung zu bezeichnen, fo wenig 
als wenn eine foldhe geradezu Sonne genannt wird, wie es ſo häufig 
geſchehen ift, weil beide Arten ver Bezeichnung nur den Föniglicdhen Glanz 
bezeugen koͤnnen, indem dieſe Ausdrücke wirklich im Uegyptifchen in biefer 
Geltung ſich Häufig vorfinden. Die Zahl der Gdtter des legten Kreifed 
nennt uns Herodot nicht, da er aber den Oſtris als einen verjelben nennt, 
fo fönnte man auf fünf fihließen, weil angegeben wird, er und noch vier 
fenen an ven fünf Epactentagen, an jenem berfelben einer, gebohren 
worden, indem Herodot aber fagt, bie legten feyen die, welche von ven 
zwoͤlf abſtammten, fo hätten außerdem noch welche dazu gehören fünnen, 
vie von andern Göttern des zweiten Kreiſes hergeleitet wurden. Warum 
man die erſten Götter auf acht *) beflimmte, bie zweiten auf zwölf, läßt 
fiy nicht erratben; denn für ſolche Zahlen Eünnen die Verhältniße der 
Beiteintheilung, es koͤnnen auch ftaatliche Cintheilungen und felbit noch 
andere Verhältniße mirfen. Die Aegypter weihten die Tage und die 
Monate ven Göttern, fagt Herodot, und in dem Mährchen von den fünf 


*) Seneca (Quaest. Nat. III. 16) jagt: die Aegypter nahmen vier Clemente 
an, und jedes Element nahmen fie zwiefach an, als männlich und weiblich. 
Die Luft galt ihnen als Wind männlich, als neblige und träge galt fle für 
weibliy. Männlich nennen fie das Waßer als Meer, jedes andere aber 
weiblih. Das Feuer ift ihnen männlich als Flamme, als unverlegendes 
Licht weiblih. Weitere Erde (Steine und Felfen) gilt für männlich, bie 
zum Anbau bearbeitbare für weiblich. Da hätten wir die acht erken Wötter, 
wenn biefe Angabe etwas mehr, als eine bloße Auslegung enthielte, welche 
obendrein der Auffaffung der Natur, wie wir derfelben in den Raturreligionen 
begegnen, nicht entipricht. Da in Memphis die Patäfen waren und die 
Phönifischen Patäfen mit Esmun auf acht angegeben werben, fo hätte man 
auch hier adıt Götter, aber acht Patäken in Aegypten find nicht zu beweifen ; 
denn wir erfahren ihre Zahl überhaupt nicht, und die der Phönififchen ift 
doch eigentlich fieben, wozu noch einer als Hellgott tritt. 


42 Einleitung. 


Zuſatztagen des Jahres fehen wir dieſe fünf Gottheiten als Geburtötage 
zugefchrieben.. Doch auf diefem Wege zeigt fi für die Zahl Acht Fein 
- und verftännlicher Grund, denn eine adhttägige Woche ift bei ven Aegyp⸗ 
tern nicht zu entveden, und wenn auch zu ſieben Patäfen ein achter gefügt : 
ward und den Namen des Achten führte (Esmun), fo Elärt uns viefes nicht 
auf, odgleih ein Drt den Namen Smun, (Acht) in Aegypten führte, 
wo Thoth als Herr von Smun verehrt ward. Eine ſtaatliche Eintheilung 
Aegyptents in acht Theile, auf welche eine Eintheilung in zmölf gefolgt 
wäre, ift nicht befannt, und fomit fehlt und jeder Boden, auf welchem eine 
Vermuthung über dieſe Zahl mit Wahrfcheinlichkeit aufgeſtellt werben 
könnte. Für die Zahl zwölf bieten fi die zwölf Monate dar, und der 
in der zweiten Götterreihe genannte Herakles kommt fogar ald Namen ' 
geber eines derjelben vor, denn fein Aegyptifcher Name war Chon (Khuns - 
fu) und der neunte Monat hieß Pachon, d. i. ver Chon= Monat, allein 
aus den Monatdnamen läßt fi keineswegs eine Götterreihe aufftellen, 
welche man mit einiger Wahrfcheinlichfeit als die von Herodot bezeichnete 
anjehen dürfte. Der erfte Monat heißt Thoth, und ift benannt nad 
dem Gotte dieſes Namens, den in die zweite Reihe zu ftellen Fein Grund 
erjcheint. Der Name des zweiten lautet Phaophi, d. i. der Große, wo 
wir alfo nicht wißen Fünnen, ob ein Gott und welcher etwa darunter 
zu verftehben ſey. Der vritte heißt Athyr (Sat=bor), mit welchem 
Namen eine Borm der Iſis bezeichnet ift, vie auch ſelbſt, ohne als 
befondere Form zu ericheinen, diefen Namen führt und in die dritte 
Reihe gehört. Der vierte Monat heißt Choiak oder wie die Papyrud 
enthalten, Choiach, womit feiner der Götternamen in Verbindung 
fteht. Der fünfte, Tybi genannt, könnte der Monat der Nilpferdgöttin 
feyn, die aber nur eine fi) auf Geburt und Leben beziehenne Form 
der Geburts- und Lebensgoͤttin ift, und einen befondern Cult nicht 
befaß, was doch hätte feyn follen, wenn fie ald Gottheit einer Reihe von 
zwölf Göttern aufgenommen war. Für den fechöten Monat Medir 
zeigt fi) Feine Benennung eines Gottes, für den ftebenten aber, ven 
Phamenoth, der Name der Göttin Menuthis, wie die riechen fie 
nannten, fo wie für den achten, ven Pharmuthi, der der Ermut, 
denn T=ser-muthig kommt ald ein Name der Iſis vor. Der neunte 
heißt, wie ſchon bemerkt worden, Pachon, nah dem Chon, den die 
Griechen für den Aegyptiſchen Herafles nahmen, ver zehnte aber ward 
Payni genannt, der eilfte Epiphi, mas möglichermweife den zweimal- 
großen, oder die Schlange, welche die Große genannt ward, bedeuten Fünnte, 
ohne daß wir im Stande wären, in diefem Falle mit Gewißheit zu beftim- 
men, worauf denn der Name zu beziehen wäre. Den zwölften, den 
Mefori, vermögen wir ebenfalld feinem Gotte zuzufchreiben, mögen wir 
diefed Wort in Me-fori over Mes-ori abtheilen, da wir in dem einen 
wie in bem andern Balle nur eine gekünttelte Ntamenneutung haben 


Einleitung. 43 


würden, ohne daß er auf einen Gott zurüdgeführt würde. Können wir 
darum nicht daran denken, mit den vorhandenen Monatönanıen einen Kreis 
von zwölf Göttern berzuftellen, welcher die von Herodot angegebene zweite 
Reihe enthalten würde, jo zeigt fih dagegen eine gefcdhichtliche Angabe, 
welche einen Zwölfgötterverein annehmen ließe, nämlidy die oben ermähnte 
Serrichaft der zwölf Könige, welche im Labyrinth zufammenfamen in ven 
zwölf Königöhöfen mit den Prieſtern der zwölf Landestheile, um zu opfern 
und Recht zu fprechen, wo aljo ven Göttern der zwölf Landestheile jeg- 
lichem von feinen Prieflern geopfert ward. In einer ähnlichen Weife, 
nämlich durch die zwölf Völferfchaften des Amphiktyonenbundes entftand 
in Griechenland ver Zmölfgätterverein, welcher aber nie eine wefentliche 
Beveutung hatte, und keinen Einfluß auf die Anfichten von den Gottheiten 
und auf ihre Verehrung ausübte. Doch wir Eünnen nicht behaupten, daß 
das angeführte Verhältnig in Aegypten den von Herodot angegebenen 
Zwölfgätterfreis hervorgerufen babe, denn wir haben außer ver Möglichkeit, 
daß es jo hätte feyn können, feinen Beweis dafür. Bei Manethos findet 
ſich auch vor den Halbgöttern im engeren Sinne in der Urzeit eine Drei⸗ 
theilung in ver Gdtterherrfchaft, aber man findet darin Feine acht erften 
und zwölf zmeiten Götter, wad bei der Kenntnig, welche verjelbe als 
Hegyptifcher Priefter von den Dingen der Religion haben Fonnte, zu 
beachten iſt. Rechnet man zu feiner eriten Reihe, welche fieben Gottheiten 
enthält, noch den Horos aus der folgenden Reihe hinzu, welcher allerdings 
mit Oftris, Iſis und Typhon zufammengehört, fo befommt man ziwar bie 
Zahl Acht, aber vie Göttin von Buto und Mendes, welche dem Herodot 
genannt wurden, ald zu ven acht Göttern gehörig, find nicht darunter, 
und Oſtris, welcher ihm als der dritten Reihe angehörig bezeichnet ward, 
findet fih unter den von Manethos angegebenen. Da uns aud) die Denk—⸗ 
mäler feinen Auffchluß darüber geben, und der hieratifche Kanon ded Turiner 
Papyrus nur eine der Manethonifchen ähnliche Kifte giebt, fo dürfen 
wir annehmen, jene drei dem Herodot angegebenen Götterreihen feyen für 
Glauben und Cult von Feiner hohen Bedeutung und eher in etivad 
Aeußerlichem begründet gewefen, ald in einem mefentlichen innern Ver—⸗ 
hältnig, d. h. in einer Anficht von den Gottheiten felbft und in Verän- 
derungen verfelben. 

So wie die Negypter nie ein Götterideal bilveten, eben fo wenig 
war Schönheit ihre Aufgabe bei der Darftelung ihrer Gottheiten, fondern 
fie opferten dieſe der Darftelung der Idee durch Sinnbilder; denn fehr 
viele ihrer Götter find zufammengefegt aus der menſchlichen Geftalt und 
dem Kopfe des Thiers, welches dem Gotte ald Sinnbild gehörte, jo wie 
ih auch die Geftalten diefer Thiere mit menſchlichem Haupte finden. 
Selbft die Namen ver Götter brachten fie dfterd an den Geftalten an 
durch Hieroglyphen, wie 3. B. Iſis einen Thron auf dem Haupte trägt, 
weil berfelbe hes heißt, welches auch ihr Aegyptiücher Name, wat wir 


aa Die Verehrung der Thiere. 


Nephthys ein Haus mit einem Korbe auf dem Kopfe bat, weil beide ihren 
aus zwei Theilen beſtehenden Namen bezeichnen. Daffelbe findet man bei 
Neith, Nutpe, Selt u. a. m. Da nun bei fo mancher Gottheit bie 
Bezeichnungen derſelben durch finnbilvliche Darftelungen auf einander 
gehäuft wurben, fo jehen die Götter mitunter fehr wunverlid aus. Das 
Bedeutendſte aber in diefen Darftelungen bleibt immer die Mifchung ber 
menschlichen und thierifchen Geftalt, jo wie im Aegyptiſchen Cult vie 
Thiere ſelbſt eine hochſt beveutende Stelle einnehmen, welche fie bei einem 
Volke, dad zu einer reinen menſchlichen Entwidlung gelangt, nicht behaup⸗ 
ten Tann, wohl aber bei einem von einer Priefterfafte bevormundeten 
geiftiggefnechteten Volke, wo alles höhere Geiftige zu einem tobten Mechas 
nismus erflarrt ift, den nie ein Strahl der Freiheit und ver Schönheit 
befcheint. Doch betrachten wir, da bei ven einzelnen Gottheiten die eins 
zelnen ihnen geweihten Thiere berührt werben follen, hier im Allgemeinen 


Die Verehrung der Thiere. 


Die Aegyyter erwiefen den zu Sinnbildern ihrer Gottheiten, ermähls 
ten Thieren volle göttlihe Ehre. Wo ein ſolches Sinnbild heilig verehrt 
warb, durfte die ganze Gattung nicht getöbtet werden, und Das heilige 
Thier ward felbft nach feinem Tode einbalfamirt und herrlich beftattet, 
wie denn bie Thiermumien in Aegygten zahlreich find. inige viefer 
Thiere, wie die Kühe, Kaben, ver Vogel Ibis waren allgemein durch 
dad ganze Land verehrt, Andere galten nur für heilig in dem Bezirk, 
welcher die Gottheit verehrte, deßen Sinnbild das Thier war, fo daß ein 
in dem einen Bezirfe Heilig verehrtes Thier in dem andern Bezirke 
gegeßen ward, worüber es in den Zeiten der römijchen Herrfchaft über 
Aegypten einigemal zu heftigen Auftritten zwijchen benachbarten verfchievene 
Thiere verehrenden Bezirfen Fam. Dieſes Alles jedoch wird bei Gelegen- 
heit der einzelnen Gottheiten bemerkt werden und es fol bier nur im 
Allgemeinen von dieſer Thierverehrung vie Rede ſeyn. Herodot (2. 65) 
meldet darüber: Aegypten iſt nicht reich an Thieren, alle aber, die Haus⸗ 
thiere und die wilden, die dort find, galten für heilig. (In viefer Allges 
gemeinheit ausgefprochen: ift Herodots Angabe nicht mahr, wohl aber 
mochte die mannigfaltige Thierverehrung,, welche fo viele Gattungen umfaßte, 
dem an dergleichen nicht gewöhnten Beobachter ven Eindruck machen, 
welchen Herodot in dem angeführten Ausſpruch an den Tag legt, morin 
e8 übergangen ift, daß mandje Thiere nur in einzelnen Bezirken heilig 
waren.) Wenn ich aber, fährt Herodot fort, fagen mollte, warum bie 
heiligen geweiht find, fo würde ich göttlihe Dinge berühren, was ich 
fehr ſcheue. Der Brauch mit ven Thieren aber verhält fi) alfo: es find 
Beforger ihrer Pflege und Wartung da, für jedes Thier beſondere, ſowohl 

männltche al8 weibliche, Aegypter, welche vielen Dient vom Water erhen. 


Die Verehrung der Thiere. 45 


Mm den Stäbten thut man diefen Thieren Gelübbe, und bie welche dem 
Gott, dem daß Thier gehört, das Gelübde thun, fiheeren ihren Kindern 
entweder den ganzen Kopf, oder den halben over auch den dritten Theil, 
und mägen das Saar mit Silber auf, und diefes befommt die Wärterin 
des Thieres, welches demſelben Fiſche dafür giebt, denn das ift ihre Nah⸗ 
mag. (Daß Fifche die einzige Nahrung ver beiligen Thiere geweſen, ift 
nicht möglich, denn ed find welche darunter, die man gar nicht mit 
Fiſchen füttern konnte, weßhalb wir vie Allgemeinheit dieſer Angabe 
beihränfen müßen. Was aber ven Brauch betrifft, ven Kindern den Kopf 
zu fcheeren und das Haar mit Silber aufzumägen, welches zur Pflege ver 
heiligen Thiere verwendet wurde, fo bezeichnet derſelbe die Loſung ve 
Hauptes der Kinder von dem Gotte, und gehört zu der Anficht, welche 
die Menfchenopfer hervorgebracht Hat. Man glaubte ein jegliches Haupt 
fen der Gottheit verfallen, und man mußte darum dad Kaupt von ihr 
föfen, welches, nach dieſem Braud durch einen dem Gewicht des Haupt⸗ 
Haares gleichen Silberbeitrag zur Ernährung des die Gottheit darftellenden 
Thieres gefchah.) Töptet einer eine viefer Thiere mit Willen, fo erleis 
det er die Todesſtrafe, thut er ed aber ohne e8 zu wollen, fo beflimmen 
ihm bie Priefter eine Buße. Wer jedoch einen Ibis oder einen Sperber 
(flatt des legteren nennt Diodor die Kae) tödtet, jey ed nun mit Willen 
oder nicht, der wird mit dem Tode beftraft. Bei Diodor (1. 84) leſen 
wir: die heiligen Thiere werden in geheiligtem Verſchluße gepflegt, und 
viele angefehene Männer bedienen ſie mit ver theuerften Nahrung. Sie 
befommen fehr feines Weizenmehl oder Graupen in Milch gefocht, Kuchen 
mancher Art mit Honig zubereitet, fo wie gefochtes und gebratenes Gänfes 
fleiſch. Den fleifchfreßenden Thieren merfen fle gefangene Vögel vor, 
und verwenven überhaupt viel auf vie Pflege, denn dieſe heiligen Thiere 
erhalten auch warme Bäder, werben mit ven beften Salben gefalbt, und 
beftändig mit Mohlgerüchen Beräuchert, befommen theuere Deden und ſchö⸗ 
nen Schmud und die fchönften Weibchen zu ihrem Vergnügen. Stirbt 
eins, fo wird es herrlich beftattet, jo zwar, daß zur Zeit des erften Pto⸗ 
lemaͤus der Beforger ver Apisleiche zu dem was aufgewendet werben Eonnte, 
noch fünfzig Talente von dem Könige borgte. Zu unferer Zeit, fagt Dio⸗ 
dor, haben manche der Wärter nicht weniger ald hundert Talente auf die 
Beitattung verwendet. Bel einzelnen heiligen Thieren ermähnt Herodot 
die Städte, wohin die Leiche viefer Thiergattung zum Begraben gebracht 
wurden, und ed waren dies die Orte, wo biefelben befonvers heilig 
verehrt waren. Uber die Mumien, melde man in Aegypten gefunven, 
zeigen, daß biefer Brauch nicht immer und allgemein fireng durchgeführt 
worden ift, da man Mumien folder Thiere auch anderwärtd ald an ben 
von Herodot bezeichneten Orten gefunden hat. Ja zumeilen finden fich 
verfchiedene Thiere in einem und demſelben Grabe, und auch Mumien 
folder Spiere giebt ed, bie und als heilig gar nicht bekannt gematuen 


A6 Die Verehrung der Thiere. 


find, fo zu Theben die Eule und die Schwalbe, welche ſich zwar in ven 
Hieroglyphen finden, jene um den Buchſtaben m zu bezeichnen, dieſe ven 
Buchflaben u oder das Wort ur, groß, flarf. Auch Ratten, vie nie al 
heilig erwähnt werden, oder auf den Denkmälern erfcheinen, findet man 
einbalfamirt. Strabo (812) bemerkt, daß die Aegypter in der Angabe 
der Urfahen, warum vie Thiere geheiligt worden ſeyen, nicht unter ein- 
ander übereinftimmten. Die Griechen aus einer Zeit, in welcher man 
profaifhe Erklärungen der mythologiſchen Dinge liebte, geben und im 
Beſondern fowohl dieſem Streben entſprechende Urſachen der Heiligung 
der einzelnen Thiere an, ald audy eine derartige allgemeine Erklärung bes 
Aegyptifchen Tihiervienftes, welche bei Diodor (1. 86) alfo lautet: da bie 
alten Aegypter wegen der Verwirrung des Heeres oft von den Nachbarn 
beftegt wurden, fo gaben fie den einzelnen Abtheilungen Zeichen und zwar 
die Thiere, welche fie jebt verehren, und vie Führer trugen dieſe Zeichen 
an Speeren, fo daß ein jeder nun wußte, wohin er gehörte. Weil nun 
dieſes zum Siege viel beitrug, fo erwiejen fie diefen Thieren ihren Dank, 
und es durfte fortan von denjenigen, welche zu Zeichen für das Heer 
gedient hatten, keines mehr getötet werben. Andere gaben die Nütlicd- 
feit der Thiere ald Grund ihrer Verehrung an, und wieder Andere 
nahmen an, was weniger profaifch lautet, vie Götter hätten fich im 
Anfang, da ihrer zu wenige waren gegenüber der Menge gewaltthätiger 
ruchlofer Menfchen, in Thiere verwandelt, um biefen zu entgehen. Aber 
als fie die Herrfchaft ver Welt befommen, hätten fie zum Danfe die Thiere, 
deren Geftalt fie angenommen hatten, verehren laßen. 

Ungeachtet der hoben Heiligkeit der Thiere, welche die Götter felbft 
vorftelen, meldet uns Plutarch (73) einen Brauch, wie er ungeläuterten 
- Begriffen von der Gottheit angemeßen ift, indem er meldet, bei brüdender 
Hige, welche Seuchen und fonft außerorventliches Verderben bringt, führen 
die Priefter in der Stille welche von den verehrten Thieren in dad Dunkel, 
drohen ihnen und fihreden fie zuerft, und läßt das Uebel nit nah, fo 
opfern fie dieſelben. 

Heroen, welchen man Todtenopfer hätte darbringen müßen, hatten 
die Uegypter nicht, wie Herodot (2. 50) angiebt und folglich Feine von 
Gottheiten mit Menfchen erzeugte halbgöttlihe Wefen. Zwar fagt Por: 
phyrius: im Flecken Anabis oder Anebis (Eufebius 3. 12) verehren fie 
einen Menfchen und verbrennen ihm Opferthiere auf dem Altar, vo 
eine jo fpäte Nachricht kann nicht dagegen angeführt werden, denn wenn 
3: B. Hadrian den Antinous göttlich verehren ließ, fo bildet das feinen 
Aegyptiſchen Heroendienſt. 


Erfte Abtbeilung. 


Ammon. 


In Oberägypten, dem älteften Theile des Landes hieß Die Haunpt⸗ 
Ast Thebe, wie die Griechen fie nannten, d. i. Api, groß, und mit bem 
wihlihen Artikel T-api, d. i. die Große, und öfter& ward die Thebaifche 
Mark das Land von Oph genannt, welcher Name verfelbe nach dem 
Remphitiſchen Dialekt gefprochen iſt. In diefer Qauptfladt nun warb ein 
Bott als Hauptgott verehrt, deßen Name von den Griechen Ammon 
geihrieben ward, mährend Die Infchriften der Denkmäler ihn in ver Form 
Ann, Amen enthalten. Der Aegyptifche Prieſter Manethos zur Zeit 
des erſten Ptolemäus jagte, ver Name Amun bedeute den DVerbüllten, 
die Verhüllung, wie Plutarch (9) berichtet, und nicht unähnlich Leiteten 
im Andere von emenst (Umenst), der Weften, her, und erklärten 
diejer Ableitung zu lieb den Gott für die untergehende Sonne, wie wir 
bei Macrobius in den Saturnalien (1. 21) Iefen, wo die Anficht, Ammon 
jeg die untergehende Sonne, den Kibyern zugefchrieben wird. (Jamblichus 
fagt, er zeuge und bringe das Verborgene an das Licht, Theodoret aber 
agt, Ammon fey der Geift, ver Alles durchdringt.) Der Abderite Heka⸗ 
äus aber gab an, wie ebenfalls bei Plutarch zu Iefen ift, dieſes Wort 
iene zum Anreden, wann einer den andern anruft, und ed werde jo ber 
tfte Gott, welcher mit dem Univerfum eins fey, angerufen, um fich zu 
tigen. Beide Erklärungen Eünnen in ver Aegyptiſchen Sprache wohlbe⸗ 
jründet feyn, ohne daß darum eine verfelben auf ven Namen des Gotted 
tichtig angewendet zu feyn braucht. Ein verhüllter, verborgener Gott, ber 
eben jo, wie Die andern Götter, im Bilde dargeftelt ward, Fonnte in dem 
Sinne, daß er der verborgene Gott in einem höheren Sinne gewefen, als 
die übrigen Götter, nicht ftattfinden, weil eben in einer foldden Annahme 
fein rechter Sinn liegt, welcher erft in fpäter Zeit ftattfinden fann, wo 
man philofophirend von den gleichſam Außerlichen Gdttern der Natur: 
religion, Die doch immer mehr oder minder ftarf mit den Theilen der 
Natur, die ihr Wirkungskreis find, iventifch erfcheinen, zu der Ivee von 
einem rein geiftigen, übernatürlichen, im Bilde nicht darftellbaren Gotte 
langt. In der Negyptifchen Mythologie tritt aber nie eine Läuterung 
son der Naturreligion zu einem reinen, geiftigen Gottesbegriff hervor, 
un follte der Ball ftatt gefunden haben, daß einzelne Menſchen ſolch 
einen Begriff hatten, fo ift dies, eben fo wenig als e8 zu unferer Kennt« 
niß gelangt ift, je von irgend einem Einfluß auf die Mythologie gewefen, 
fondern erft die ſpäte Griechifche Philofophie verfuchte ihre Deutungen 
an den Aegyptifchen Naturgottheiten. Wir mügen nun zwar unter ſolchen 
Umftänden die Bereutung des Namens Amun dahin geftellt ſeyn laßen, 

IL. .4 


50 Ammon. 


da zu einer Feſtſtellung deſſelben ein unbezweifelbarer Wortſtamm von 
einer für das Weſen des Gottes paßenden Bedeutung, vorhanden feyn 
müßte. Denn unmöglidy wäre e8 3. B. nicht, daß Amun eine Bedeutung 
gehabt hätte, welche mit dem Begriffe eines Vaters ftimmte; denn ein 
großer Philofoph, fagt Euftathius (zu des Dionyſius Erpbefchreibung 212), 
gab an, der Name Amun beveute Vater, und da Ariſtoteles über dieſe 
Namenform gefprochen hatte, wie Heſychius meldet, fo dürfen wir wohl 
ihm jene Auslegung zufchreiben. men mena heißt ägyptiſch fäugen, 
und mena die Amme, und koptiſch maani, moni und mit einem vorges 
trettenen a, amoni, *) weiden, fo daß man von diefem Wortitamm auds 
gehend auf einen Gott fehließen Eönnte, welcher als ernährender Vater, 
ald der Weidenve bezeichnet wäre, wie auch wahrfcheinlich der Göttername. 
Menzte, (Mendes) Man⸗-⸗tu oder Mun⸗tu, Nährer, Weidenver oder 
Schügender der Welt beveutet. Auch Eommt in den Thebifchen Tempeln 
neben dem männlichen Amun eine weibliche Göttin Amunt oder Teamunt 
d. i. die Amun genannt „Vorſteherin von Theben,‘ vor, mit ver Krone 
von Unterägypten auf dem Haupt, welche zumeilen an jeder Hand bad 
Zeichen des Waßers hat, wie es ſich auch bei ver Göttin Neith findet 
Da nun Ammon auch ald Herr der Waßerfpenvden, ver Ueberſchwemmung 
genannt wird, woher eben Aegypten die Nahrung Fam, fo märe es nicht 
unmöglich, daß man mit vem Namen Amun ven nährenvden, over vielleicht 
richtiger den |hügennen Gott, mit T=amun die nährende Mutter bezeichnet 
hätte, denn flatt T-amun geben andere bilvliche Darftlelungen dem Amun 
die Mu (Must), d. i. die Mutter, zur Tempelgenoßin. Doch das Zeichen 
des Waßers an Amunt’3 Händen darf nicht auf die Nilüberſchwemmung 
gebeutet werden; denn die Haltung der Hände abwärts bei diefer Göttin 
jowohl, ald bei Neith, wann dieſes Zeichen fich vorfinvet, hat die Bedeu⸗ 
tung der Verneinung nen, nein, nicht, und das Zeichen des Waßers 
bedeutet den Buchftaben n, fo dab alfo Amunt, wie Neith, in viefer 
Stellung mit diefem Zeichen verfehen den Buchftaben n oder vielmehr ein 
Wort, welches mit vemfelben beginnt, andeuten, und das möchte vielleicht 
der Name Neith felbft feyn, hieroglyphifch nt gefchrieben, d. i. n mit dem 
zugefügten weiblichen Urtifel. Wäre dies der Ball, dann wäre Amunt 
eine Neith genannt, wobei zu beachten, daß beide Göttinnen die Krone 
von Unterägypten tragen. 

Diefer Gott wird allgemein in den Legenden zu Theben der König 
der Götter genannt, und die Griechen nannten ihn Zeus, wie fie ven 
böchften der Gdtter zu benennen pflegten. **) Dabei ift aber zu bemerken, 


*) Daß im Altägyptifchen ein folches Verhältniß des a ſtatt finde, zeigen tef, 
atef, Vater, tun aufftehen, aufrichten, aten bauen. 
+%) Strabo (812) fagt, die Thebaner Hätten den Adler verehrt, und Diodor 


Ammon. 51 


daß von einem Aegyptiſchen Oötterftante, veßen Oberhaupt Ammon gemwejen 
wäre, wie Zeus der Herrſcher auf dem Olympos war, Feine Spur zu 
finden ift, und daß jener Titel alfo nur zur Auszeichnung für den Haupts 
gott von Thebe dient. Sein Wejen vermögen wir fo weit zu erfenuen, 
dap er Gott der Portpflanzung des Lebens war; denn der Widder war 
fein Sinnbild, und dieſer als Männchen der Schaafheerve ftellt vie Idee 
ver Fortpflanzung, der Befruchtung dar, wie denn in den alten Natur« 
religionen Fruchtbarkeit, Seegen und Gedeihen eine Sauptangelegenheit 
ausmachen. Ob aber Ammon ein Gott war, welcher als das göttliche 
Weſen irgend einer Sache, 3.8. des Himmels, des Lichts, ver Erde, des 
Waßers, auf die Fortpflanzung des Lebeus und auf Gedeihen wirfte, und 
dadurch zum Gotte der Fortpflanzung mit dem Sinnbilvde des Widders 
ward, ift aus den und gebliebenen Hulfsmitteln nicht zu erfennen. Darum 
müßen wir bei der Eigenfchaft, welche der Widder an ihm uns lehrt, 
ftehen bleiben. Durd) ven Widdergott waren den Bewohnern von Thebe und 
der Thebifchen Mark die Schanfe in fo weit heilig, daß man diefelben nicht 
tödten durfte, und natürlich fie auch dem Gotte nicht zum Opfer ſchlach— 
tete, jondern ihm Ziegen darbrachte, wie Herodot (2. 42) und melbet. *) 

Um zu erklären, warum der Anımon wibderföpftg fey, erzählten bie 
Aegypter den Griechen eine Legende, welche fie von einem wirflichen Feſt— 
gebrauch ohne große Mühe herleiteten. Herodot theilt uns viefelbe (2. 42) 
alfo mit: Herakles wollte durchaus den Zeus fehen, und dieſer wollte 
nicht von ihm gefehen feyn, endlich aber, als SHerafles nicht abliep 
zu bitten, erfand Zeus dieſes, daß er einen Widder aushäutete, fich ven 


(1. 87) bemerkt deßgleichen, in Theba ehrt man den Adler, weil er ein 
föniglicher Bogel zu ſeyn feheint und würdig des Zeus. Die Denkmäler 
geben diefer Angabe feine Beftättigung, und auch Mumien machen fie nicht 
wahrfcheinlich. Bei der Befchreibung des Apis nennt Herodot den Aoler 
als das auf dem Rücken des heiligen Stiers befindliche Zeichen, es ift aber 
auch dafür Feine Beftättigung zu finden, fondern wir Fennen nur den Geier 
als folches Zeichen. Auch in Theben finden ſich Mumien des Geiers, 
welcher dafelbft der Göttin Mut gehört haben muß, ale Sinnbild der 
Miütterlichkeit, und es wäre daher möglich, daß die Griechen, weldye in 
Theben ven Adler des Zeus fuchten, weil fie nun einmal den Ammon zum 
Zeus gedeutet hatten, den Geier mit dem Adler verwechſelten oder von den 
Aegyptern, welche von den Griechen in ihrem Ammon ben Zeus erfannt 
wißen wollten, getäufcht tunrden. Denn daß Griechifcher Einfluß eine Heili- 
gung des Adlers zu Theben bewirkt hätte, ift durchaus nicht wahrfcheinlich. 
2) Tortullian über das Pallium (3) nennt den Ammon reich an Schaafen, 
und Athanaflus nennt den Ammon in Libyen als Orafelgoft geradezu das 
Schaaf, das anderwärts gefchlachtet werde. Daß er auch wirklich als 
Widder auf der Dafe gebildet war, meldet Curtins in der weiter unten 
anzuführenden Stelle. 
4* 


83 Ymmon. 


abgefihnittenen Kopf vorbielt, das Bel umhaͤngte und ſich mun jo zeigte. 
Deshalb machen fle ſein Bilv widderkoͤpfig, und von ihnen haben es die 
Ammonier, die »on den Aegyptern und Aethiopen ſtammen, und von bem 
Gotte den Namen angenommen haben, benn auf Aegyptiſch beißt er 
Ammun. Die Widder werden nun darum als heilig nicht geopfert. Jedoch 
an einem Tage des Jahro, an nem Feſte des Zeus, ichlachten fie einen 
MWivder und häuten Ihn aus, dann befleiven fie dad Bild des Gottes 
mit nem Fell und nun bringen fie das Bild ned Herakles hinzu, und 
wann dieſes geſchehen ift, beklagen alle, die um ven Tempel finn, ven 
Widder und begraben ihn in einem heiligen Sarge. 

Daß und Herodot nicht meldet, zu welcher Zeit dad Feſt mit viefem 
beveutfamen Brauche gefeiert wird, ijt zu bedauern, denn für vie Deutung 
des letzteren würde gerade die Beflimmung der Zeit erſprießlich ſeyn, 
wiersohl der Sinn dieſes Feſtgebrauchs im Allgemeinen erkennbar ſcheint. 
Der Aegyptiſche Bott, welchen die Griechen mit dem Namen Heraklet 
bezeichneten, hieß, wie fle ebenfalld melden, Chen, und dieſer kann fein 
Mnverer fenn, als der in den Aegyptiſchen Denkmälern vorfommenk 
Khonfo oder Khunju, und dieſer war ein Tempelgenope bed Ammon, 
den man, und zwar in menjchlidher Seftalt, mit Mut, d. i. Mutter, und 
diefem Khunfu zufammen abgebilvet ſieht. Terfelbe ift ein Sonnengptt, 
und mag er nun in diefem Verbältnige zum Ammon gegolten haben ale 
durch die Kraft der Sonne wirfjam, over ald ein Gott der Zeit, worüber 
man unten nachſehen wolle, was über dieſe Gottheit gejagt ift, fo follte 
wohl der Brauch, dad Bild deſſelben vor den durch das frifche Widderfell 
gleichfam erneuerten Widvergott gebracht, diefen zu dem Seegen, welchen 
man von ihm erwartete und erflehte, ftärfen und antreiben, oder die Zeit 
bezeichnen, weldye mit dem Begriffe des Lebens zufammenfällt, wie unten 
erörtert werden wird. Zwar würde aus einer Zeitangabe weiter nichts 
zu fchliegen feyn, wenn alle Aegyptiſchen Feſte das ganze Jahr hätten 
durchlaufen müßen, wie e& bei dem Mangel des Schalttags gefchehen Eonnte. 

Die dem Ammon als Tempelgenoßin nahe gefellte Mut, d. i. die 
Mutter, zeigt ebenfalld, daß die Erzeugung die Hauptivee war, welche man 
in jeinem Tempel verehrte, und Daß der Seegen, welhen Mut den 
Menfchen gewähren follte, ver Gunft und Wirkſamkeit des Ammon beburfte. 
Zwar wurde diefem Gotte auch ein fterbliches Weib gegeben, ob man 
aber bei viefem Brauche von dem Gebanfen bed zeugenven Gotted aud« 
gieng, oder ob ein anderer Gedanke zu Grunde lag, ift für und aus dem, 
was überliefert wird, nicht mit Gewißheit zu folgern. Herodot (1. 182) 
erzählt von dem fogenannten Thurm des Belos zu Babylon, in dent legten 
Thurm (dad Ganze beitand aus acht Thürmen oder Abtheilungen überein- 
ander) ift ein großer Tempel, worin ein großes, wohlbereitetes Bett und 
daneben ein golvener Tifch fteht. Ein Bild ift aber nicht darin, auch 


mn 


—XXIA 


Ammoen 68 


ſchläft Niemand daſelbſt, außer manchmal eine inländiſche Frau, welche 
ber Bott, wie die Chaldäer erzählen, ſich ſelbſt ausgewählt hat. Dieſe 
Ehalväer erzählen auch, ver Gott komme zuweilen in ben Tempel unp 
fhlafe in dem Wett, jo wie die Aegypter von Iheben erzählen, wo auch 
ein Weib in dem Tempel des Thebifchen Zeus ſchläft. Diefe beiden 
Weiber follen nie mit einem Manne Gemeinfchaft haben. So auch wird 
zu Patara die Oberpriefterin des Gottes, wenn er da ift (denn nicht 
immer ift Weißagung dbafelbft) des Nachts in den Tempel mit einges 
ſchloßen. Aus dem nun, was von Babylon erzählt ift, möchte man 
ihliegen , daß diefer Brauch cher zu Ehren des Gottes flattfand, und 
ihn ale in dem Tempel vollftändig haufend darftellte, ald daß man dabei 
an den zeugenden Gott gedacht hätte. Strabo (816) meldet varüber, dem 
Zeus zu Thebä wird aus dem edelſten Gefchlecht die ſchönſte Jungfrau 
jur Prieflerin gegeben, dieſelbe treibt auch Buhlerei, bis fie ihre Reinigung 
bekommt, dan wird fie vermählt, zuvor aber wird Trauer um ſie gehalten 
nah der Zeit der Buhlerei. Diodorus (1. 47) gevenft der Gräber der 
Keböweiber des Zeus, zehn Stadien von dem Grabmal des Oſymaudyas 
entfernt. Wirklich finden ſich noch dieſe Gräber, und ihre Infchriften 
nennen fie die der Gattinnen des Ammon. Darin, daß diefe Gattinnen 
aus den edelſten Gefchlechtern genommen wurden, hat Herodots Bericht 
alle Glaubwürdigkeit, denn Die Töchter der Könige wurden zu dieſer Ehre 
erwählt. Daß ein ſolches Verhältniß aber eine hohe Ehre war, Tonnen 
wir auch aus folgendem erjeben: im Tempel des Thals El⸗ Aſſaſif, wo 
Amenenthes ven Ammon» Ra in ver heiligen Barke anbetet, hat er Pen 
Thutmoſis IN. hinter fih und ein reichgeſchmücktes weibliches Kind, und 
dieſes heißt Die Tochter des Königs, welchen fie Jiebt, die göttliche Gattin 
des Rasnefru, d. i. des Ra des Guten. 

Der menfchlich vargeftellte Ammon erfheint in ven Abbildungen der alten 
Denkmäler auch nat mit den fogenannten Ammonsfedern auf dem unteren 
Theil der Krone, ala phallifcher Gott von blauer Barbe, (der widderköpfige meäft 
grün) die rechte Hand an eine Peitfche haltend , welches Werkzeug dag Zeichen 
ber Herrschaft, der Gewalt war. Gerade eben jo ward der Zeugungsgott Khem 
zargeſtellt; fo daß beine einander ganz gleich fehen und nur durch Die ihnen 
bigefegten Namen zu unterfcheiven find. Das haben beide Zeugungsgott⸗ 
kiten auch wit einander gemein, daß ein jeder von ihnen den Beinamen 
Kae muts ef, d. i. Gemahl (Stier) feiner Mutter führt. Daß die Aeghp⸗ 
tiſche Mythologie an einem folchen Begriff feinen Anſtoß nahm, ergiebt fich aus 
des, was unten von dem fogenannten Ares erzählt ifl. Ob aber ber Name 
Samut= ef nur die angegebene und durchaus nicht eine andere Bedeutung 
haben könne, muß dahin geftellt feyn, und wenn ed nur Gemahl feiner 
Mutter beveuten kann, fo ift doch noch die Frage, ob es die urfprüngliche 
Anficht gewefen, oder ob fie einer weiteren Ausbildung ver Mythologie 


| 
—— Ammon. 


angehöre. Daß die Mutter, deren Gemahl Ammon geweſen jenn kann, 
feine andere ten als tie Göttin, melde Mur, d. i. Mutter genannt wir 
und feine Tempelgenogin war, ift natürlid. Galt viele als vie große 
Mutter, vie alles bervorbringt, ſo Eonnte fie auch ald vie Mutter ver 
Bötter und mithin als vie des Ammon gelten, und jollte fie fort un 
fort als vie Grzeugerin des immer wiederkehrenden Gedeihens und Lebens 
ericbeinen, To mußte ver Sohn ikr Gemabl werten. Tiefe Anficht if 
aber nicht eine durchaus notbmentige, denn man fonnte neben dem weiß 
lichen Weſen ver Natur, ala dem Sersorbringenten, auch ein männliches 
zeugendes Grundmeien annehmen, melches ſowie fie die vater= und mutter 
loſe Urmutter war, eben To ter vater= und mutter=loje Erzeuger war. 
Jede Bötterreibe, wie weit man auch ihre Abitammung rückwärts fort⸗ 
fegen wollte, mußte ja doch einmal mir einem erjten Anfang aufhören, 
(Daß man einen mutterloien Gott annahm, möchte bei den Aegpptern 
aus tem Namen eines ihrer Götter, aus vem des Atmu hervorgehen, 
denn vieler bereutet, Falls er aus At mu beitebt: Ohne Mutter ober 
mutterlos, fald man nicht annehmen will, diefe in tem angegebenmn 
Vale in ter Sprache vollfommen kegründete Bedeutung türfte auf ver 
Gott nicht angewendet werden und man mühe denſelben zur Zeit uner- 
Härt lagen. Im Rameſſeion kommt in ven Abbildungen Ramijes vor, 
thronent am Fuße des Thrond von Ammon Ra- Atmu, im Schatten 
des himmliſchen Lebensbaumes ver Periea, wie Champollion in feinen 
Briefen aus Aegspten 277 annimmt. Abgebilvet ift dieſe Darftellung bei 
Wilkinſon, Tafel 54. A. Aber daß Amun= Ra - Atmu zujammen gehöre, 
und daß nicht vielmehr Atmu ver Gott jew, welcher ven Namen be 
Rameſſes auf die Perfeafrucht fchreikt, ift nichts weniger ald gewiß, und 
wir Föünnen ten Gott Atmu, son welchem weiter unten die Rede fern 
wird, nicht für eine Form des Ammon ausgeben. Dann aber find mir 
auch nicht bereditigt, den Namen in At- mu zu zerlegen, denn es findet 
fh auch Tmu gejchrieben und zwiſchen tm Fann ein vofalifcher Laut 
gemejen ſeyn, To daß A=tumu eine richtigere Schreibung wäre, ald 
A= mu, wie denn das bieroglyphiſche Bild des Namens ven Laut Tum, 
Tumu audgevrüdt baten muß.) Da nun vie Göttin Mut oder Wutter 
unter dieſem Namen mit ten Göttern in Verbindung fam, mie mit 
Ammon zu Tbeben, io hätte es gefchehen Fönnen, daß man aus tem 
Gemahl ter Mutter ven Begriff des Gemahls jeiner Mutter entwidelt 
hätte. Weil uns jedoch nichts überliefert worden ift, was und zu einer 
Entiheidung über dieſen Punkt berechtigen Fönnte, jo müßen wir es bei 
der bloßen Kenntnißnahme von diejer Benennung beenden lagen. Denn 
ed liegt allervinge nabe, auch ven zeugenden Gott zu einem Sohn der 
alle erzeugenden Mutter Natur zu machen, fo daß fie zulegt das einzige 
Unerzeugte ift. 


Ammon. 55 


Die Denkmäler bieten und auch den Namen dieſes Gottes mit dem 
Zufape Ra dar, ald Ammon- Ra, d. i. Ammon= Sonne, und bdiefe 
Benennung findet fich häufig. Daraus aber folgt keineswegs eine Berech- 
tigung für und, dieſen Gott für einen Sonnengott zu halten, denn es 
kann auch Ammon = König bebeuten, was für ben hohen Götterfünig zu 
heben ganz paßend if. Daß die Könige den Namen Sonne führten, 
it oben fchon angegeben worben, und die AUnhängung des Names Na, 
um ven König zu bezeichnen, fo wie fie an und für fich nicht befremden 
fann, findet fih auch bei Horus in dem Namen Karphre, d. i. Har⸗ 
pisra, Horus die Sonne, d. h. Horus der König. Auch wenn Ammon 
unter dem Namen Num erfcheint, wird manchmal die Benennung Num⸗ra 
gebraucht. Sieht man die prunfoollen Titel ver Könige an, die fo oft 
insbefondere Sonne und noch obendrein Söhne der Sonne genannt worden, 
wad doch nur heißen fann, König, Sohn des Königs, fo erfcheint ein 
Immon= Sonne oder Num- Sonne, oder Horud= Sonne eine gemäßigte 
Berherrlichung des Sotted. Etwas ſchwungvoller lautet Ammons Titel 
n dem Tempel des Thal von El-Aſſaſif, der unter Amenenthes und 
Umenfid geweiht ward, denn hier betete man ihn an als Amun— 
Raspneb=-enne=fchet=en=to, d. i. Ammon= Sonne, der Herr der 
hrone und der Welt. Auch nennen ihn die Hieroglyphen: Kerr ver 
rei Regionen der Welt, himmlifcher over höchfter Herr. Uebrigens finvet 
H Ammon=-Ra auch fperberföpfig vargeftelt, und ba der Sperber ein 
sinnbild des Sonnengotte8 war, fo beveutet dieſe Darftellung nichts 
eiter ald die Benennung Ra, d. 5. Anımon=- Sonne, oder Ammon⸗ 
tönig. In dem Pallaft des Ramſes Meiamun giebt der fperberföpfige 
Immon die Sichel ded Krieged um vie Völker zu beflegen, und vie 
'egende lautet: Amun =» Ra bat gefagt: Mein Sohn, mein lieber Sproße, 
herr der Welt, Sonne, Wächter ver Gerechtigkeit, Freund Amun's u. f. w. 

Daß Ammon eine Weißagung zu Theben hatte, meldet Herodot 
2.58) und bemerft, fte fey der zu Dobona ähnlih, ohne jedoch zu 
richten, worin grade dieſe Aehnlichkeit beftand, ſondern erzählt flatt 
eßen, was die Priefter in Theben vorgaben, um die Griechen glauben 
u machen, ihr dodonäiſches Orakel ftamme von dem in Theben, was ein 
iteles Mährchen ift, denn wenn in Dodona etwas Fremdes zu dem 
tiechiichen getreten war, fo war es nichts Wegyptifches, fondern bie 
Srifche Himmelsgöttin mit ihren Tauben ald Dione-Aphrodite. Jene 
Briefter aber gaben vor, aus Theben feyen zwei heilige Brauen durch die 
Phönifer entführt worden, und fie hätten erfahren, vie eine verfelben fey 
ach Libyen verkauft worden, bie andere nach Hellad, und diefe Frauen 
un hätten die Weißagungen bei ven beiden Völkern zuerft errichtet. ALS 
jerovot ſie befragte, woher fie dad fo genau müßten, erwieberten fie 
hm, ſie hätten dieſen Frauen forgfältig nachgeforicht und Hätten Ke Wox 


56 Ammon 


nit gefunden, aber das Obengemeldete uber ſte erfahren. Die Prieftes 
tinnen zu Dodona, welche Herodot ebenfalls beftagte, giengen auf du 
Aegyptiſche Abſtammung ein und jtellten ſie etwas märchenhaft dar. Sie 
erzählten nämlich, es jenen zwei ſchwarze Tauben von Theben in Aegypien 
weggeflogen, vie eine nach Libmen, die andere aber fen nach Dodom 
gefommen, babe fih auf eine Eiche geſezt, und mir menidhlicher Stimme 
geiprochen, ed ſolle vajelbit eine Weigagung des Zens entfliehen, un 
dieſes al3 einen göttlichen Befehl anſehend, hätten fe eine geftiftet. Die 
nah Libyen geflogene Taube aber, erzählten jte, habe den Libyen 
befoblen, eine Meifagung des Ammon zu errihten Dieſer Erzählung 
flimmten tie übrigen Dodonäer Ted Heiligrbums kei Die einzige näher 
Nachricht über die Art mie im Heiligthum des Ammon geweißagt war, 
giebt und Strabo (814) und Euſtathins zu der poeriihen Geographie wi 
Dionvfind, (5. 211) indem er jagt: man erzählt, vie Weißagungen in 
dem Heiligtdum des Ammon fänden flatt durch Zeichen, durch Zuniden 
und verneinendes Nicken. Jamblichus über vie Mefterin (3) giebt u 
ald Aphutis von Loſander belagert ward, ſchickte Ammon Träume, 
worauf jener vie Belagerung aufbeb. 

Das Orufel auf der Dale, meldhes tem Ammon gehörte, muß aber. 
von Aegypten ausgegangen jeyn, wenn man nicht vermuthen mil, der 
Gott Ammon und fein Orafel ſey nach Theben und auf die Dafe von 
einem andern Volke gleichmäßig gelangt. Daß aber vie Ammonier, die 
Bewohner jener Date aus Aegoptern und Metbiopen gemifcht gemeien 
fegen, melvet Herodot (3. 26), welcher bemerkt, auf vem Wege von 
Aegopten bis zu diefer Oaſe, ſey eine andere, bewohnt von Samiern 
aus Aejchrionia, melde fieben Tagereifen von Theben entfernte Segen ( 
man Iniel der Seeligen genannt babe. Bon einem Sonnenquell bei ven 
Ammoniern hat Herodot (4. 181) vie Erzählung, er ſey Morgens lau, 
werde immer Fühler bis zur Mittagsftunte, wo man tie Gärten aus ihm 
bewäßere, und Dann verliere fich wieder vie fühle Beichaffenheit bis zum 
Abend, wo er wieder lau fer, und von ta an immer heißer werte, bis 
er zur Zeit der Mitternacht foche und ſprudele. Curtius (4. 7) jagt: es 
fey ein Dichter Kuin auf der Dafe, deßen Mitte mir einer dreifachen 
Mauer umgeben ſey, vie erfie habe Die Königäburg verſchloßen, die zweite 
die Weiber und Kinder nebſt ven Kebsweibern ver Könige, und bier jey 
auch das Orakel, vie legte Mauer aber habe ven Bezirk ver Trabanten 
und Waperträger verichlogen. Außerdem fen dort ein zweiter Hain des 
Ammon mit dem Sonnenquell. Der Gott aber fen nicht wie vie gemöhn- 
lichen Götrerbilder targeftellt, ſondern fen einem Widder ühmlih, and 
Smaragd und Erelfteinen zufammengefeht. Wann man ein Orakel begehre, 
19 werde dieſes Bild in einem vergolveten Schiffchen von ven Prieftern 
getragen, au welchem Schtffchen zu beinen Seiten viele filberne Schalen 


Ammon 87 


rabhingen, Hinter demfelben aber zögen einher Matronen und Jung⸗ 
men nach väterlichen Brauch ein unfünftliches Lied ſingend, um ben 
tt zu bewegen, daß er einen ficheren Spruch gemähre. Als Aleranber 
: Große binfam, warb er vom älteften Priefter ald Sohn augeredet, 
d biefer verficherte, fein Vater Zeus gebe ihm diefen Namen. Dann 
igte Alexander das Orakel und der Seher ertheilte ihm die Antwort. *) 
„5 Alerander für einen Sohn des Ammon erklärt ward, lag darin, 
5 der Widdergott Ammon fich eignete für das Makedoniſche Königs: 
chlecht, das dem Apollon Karneios, der ebenfalls ein Widdergott war, 
gehörte, fo daß Alexander ſich von dieſem berleiten Eonnte, mie denn 
n muthifcher Ahnherr Karanos vielleicht felbft nur ver Apollo Karneios 
r. Auch bei ven Griechen hätte e8 den Glauben, Ammon ſey Zeus, 
h beftärfen können, wenn es deßen beburfte, daß er Widdergott war, 
in auch tem Zeus war der Widdergott nicht fremd.) Mit dem Widder⸗ 
fe ward Ammon befonderd in der Thebifchen Mark und der Gegend 
über, bis über den zweiten SKatarraft (wo der Widderkopf als ein 
aulet galt) fo mie auf den Dafen vargeftelt, **) währenn er in Theben 
bft mehr in der menfchlichen Geftalt erfcheint, ohne daß dafür fih ein 
zigender Erklärungsgrund zeigt, man müßte es denn etwa annehmen, 
ber alten Königsftant habe man den König der Götter gerne in menfch- 
er Geftalt gebildet, um ver Wehnlichkeit mit ven Königen willen. In 
menfchlichen Geftalt gab man ihm die blaue Farbe, in ver Winder- 


*) Strabo (814) berichtet: Kallifihenes erzählt, Alerander fey befonders durch 
Ruhmliebe getrieben worden, das Drafel (des Ammon) zu befuchen, weil 
er vernommen, daß einit auch Perfeus und Herafles zu denifelben gegangen 
waren. Als er von Barätonion aus Hingesugen, Hätten ihn Supflürme 
überfallen, dennoch fey er vorwärts gegangen, habe fi in den Saubmwirbeln 
verirrt, ſey jedocdy durch einen Regen und zwei Raben, die ihn geführt, 
gerettet worden. Diefes lautet fchon wie Schmeichelei, und fo auch das 
Folgende: nämlich der Briefter habe dem Könige allein erlaubt, in der 
gewöhnlichen Kleidung in den Tempel zu tretten, den Andern aber habe er 
befohlen, ihre Kleider zu wechfeln und die Orafel außerhalb des Tempels 
zu Hören; nur Alerander folle im Tempel feyn. Die Orakelſprüche aber 
wurden nicht wie gu Delphi und bei ven Branchiden in Worten ertheilt, 
fondern meiftens durch Winfe und Zeichen, wie bei Homer (Iliade 1. 528): 

Alſo ſprach zuwinkend mit vunfelen Brawen Kronion, 


indem der Weißager den Ammon nachahmte. Nur eins habe derſelbe zu 
dem Könige mit Morten geſagt, nämlich, daß er der Sohn des Gottes ſey. 

*) Zu Ratopolis (Esneh) erfcheint Neph als Widder mit dem Uräus zwifchen 
den Hörnern, und in einigen Legenden folgt feinem Namen ber des Oſiris, 
des Ra, des Mui und eines andern Gottes, mit welchem Neph bei diefer 
Gelegenheit verbunden ift. Selten und nur In fpäter Zeit wird Neph mit 
zwei ober vier Widberföpfen gefunden. 


58 Ammon. 


geftalt zumeifl die grüne, wiewohl nicht fo, daß er nicht auch in dielq 
die blaue gehabt hätte. Welchen Sinn man mit viefen Barben verbank 
wird und nicht gemeldet, doch da Khem fchwarz beveutet, und dieſej 
Gott nicht ſchwarz, ſondern blau vargeftellt wird, fo ſcheint es faſt, als af 
die blaue Farbe das Dunkele überhaupt darftelen fol. Mit dem Nameg 
des Khem flimmt der von Aegypten, Khemi, felbft überein, weldel 
das ſchwarze Land bezeichnet, wahrfcheinli von dem ſchwarzen ode 
dunfelen fruchtbaren Boden im Gegenfaße des weißen dven Sandes, ode 
eines roöthlichen verbrannten Bodens. Es möchte demnach die Bermuthung 
erlaubt jeyn, daß die blaue Barbe des Ammon, fo mie die des Khem, 
den Begriff ver Fruchtbarkeit, des Gedeihens ausdrücken ſollte. Was die 
grüne Farbe betrifft, fo erklärt ſich viefe Leicht ebenfalls als vie be& 
Gedeihens, da fie die der Gewächſe ift. 

Gewöhnlich hat der mwidverföpfige Ammon den Namen Neph, ww: 
nicht ausfchlieglich, denn mit der Infchrift Amun-Ra verfehen, findet er 
fih audy blau, mit der Sonnenfcheibe und den Ammonsfedern, auf den 
Haupte das fogenannte Kukuphaſcepter von rother Farbe in ver Linken, vab- 
Zeichen des Lebens von gelber Farbe in der rechten, die eng anfchließenve 
Kleidung ift ebenfalls gelb mit einem roth und weißgeftreiften engans 
jchließenden Ueberzuge von den Lenden bi8 zu den Knieen, die Ammond 
hörner aber find grün. Diefes Bild ift thronend dargeſtellt und abges 
bildet in Champollion’8 Pantheon (1. Tafel 2). Defterd hat der Widder⸗ 
fopf des Gottes außer den gewundenen Hörnern an ber Seite des Kopft 
noch die ausgeftredten, etwas wellenförmigen Hörner, welche in ven Hier 
roglyphen als die der Schaafe erfcheinen, auf dem Stopf, und den Uräus, 
das Sinnbild der Königdwürde, darüber emporfteigend. (In den Grä 
erfcheint er in einem Götterboot, und hat die Schlange, die fonft fi 
Kopfſchmuck ift, über fih, und bei den Katarraften fand Wilkinſon 
(1. Serie 2. ©. 240) den Neph außer dem Uräus die Krone von Unter 
ägypten tragend.) Auch der Widder felbft ald Darftelung des Gottes mit 
goloner Sonnenfcheibe und den Ammonsfedern auf dem Kopf erfcheint 
grün auf Mumienvedeln. Neph gieng über in den Namen Kneph, 
woneben ſich Knuphis und zur Zeit der Römifchen Herrſchaft im 
Aegypten felbft in Iateinifcher Schrift Cenubis findet. Eines Tempels ve 
Knuphis *) erwähnt z. B. Strabo (817) zu Glephantine, und verfelbe 
zeigt in feinen Basreliefs ven Gott mit dem Widderkopf in dem großen 





*) Zu Esne ift ein Tempel des Knuphis von Ptolemäus Epiphanes mit Legenden 
von Slaudins, Titus, Domitian, Trajan, Antoninus und Septimius Severus, 
eine hieroglyphifche Infchrift aber zeigt, Haß das Sanctuarium aus ber Zeil 
Thuthmoſis III. herflammen muß. Das Monument von Bet:Ually bei 
Kalabihi war dem Ammon-Ra und dem Chnuphis geweiht. 


Ammon. 30 


Fraanzöſiſchen Werke über Aegypten (Antiq. I. Taf. 36. 1. 37. 2). Bei 
Diefem Tempel tft aud zu bemerken, daß er Säulen hat, welche Lotus- 
» fengel vorftellen, mad man nur noch an einem nunmehr von den Türfen 
I zerftörten Gileithyias Tempel bemerkte, fo wie in dem Palafte zu Kurna, 
welder dem Ammon geweiht ift, die Säulen des Porticud Bündel von 
Y Rotuöftengeln vorftellen, das Capitäl aber, eine Lotusfnospe. Ein dafelbft 
unter Alexander, dem Sohne Aleranverd des Großen, geweihter Tempel 
:, gehörte dene Chnuphis, der Sate und Anufe. (In der Gegend von Syene 
ps den Katarrakten zu, finden fih manche Anbetungen von Einzelnen 
oder Beamten, welche dem Chnuphis, der Sate und Anufe gelten, wie 
deren auch in die Felſen von Philä und in die auf der Straße von Philä 
nach Syene eingehauen find. Die Philä benachbarte Infel Snem (Begbe), 
welcher Name von Ombos bis Dakke in den Götterlegenden vorkommt, 
befonderö denen von Chnuphis und Hathor, war fehr heilig und ein Wall- 
fahrtsort Philä's. Der Tempel vieler Infel war dem Chnuphis und der 
Hathor geweiht, unter Amenophis II., denn ver jebige ift nur eine Erneue— 
rung des alten.) Auch die Namen Chnubis, Chnumis werben erwähnt, 
und Num wird ebenfalls gefunden. Lebterer Name darf aber nicht mit 
dem Namen Neph oder Kneph oder Knuphis verwechjelt werden, wenn 
wir auch nicht mit Gewißheit jagen koͤnnen, was für eine Bedeutung er 
babe. Horapollo (1. 21) fagt, die Aegypter hätten die Nilüberſchwem-⸗ 
- mung nun genannt, und Eoptifch bebeutet dieſes Wort einen tiefen Abgrund. 
- Diefer Gott nun findet fich wirklich Kerr der Ueberſchwemmung genannt, 
was für einen Gott der Zeugung und des Gedeihend recht gut paßt, ba 
aller Seegen in Aegypten von dem Waßer der Nilüberfchwemmung abhing. 
sh möchte es vielleicht etwas anftößig fcheinen, daß der Gott felbft 
aßer oder Ueberſchwemmung heißen fol. (Den Beinamen Nefru, ver 

R Qute, hatte Kneph gleich Ammon.) 
Den Ammon ald Kneph nun benußten die Neuplatonifer bei ihren 
Deutungen der Mythologie, und da er als fogenannter König der Götter, 
der für die Griechen die Stelle des Zeus einnahm, natürlich der Betrach⸗ 
8 tung ſehr hoch fiehen mußte, fo ward er bei dem bodenlofen fogenannten 
“ Bhilofophiren über die Mythologie endlich gar zu einer muftifchen Welt- 
lange. Zuerft legte man fein Weſen ald das des Hauches, des Geiftes 
a, wie wir bei Plutarch (36) und früher fchon bei Diodor (1. 12) 
‚ Mb, und zwar unterfcheiven dieſe Grübeleien fo, wie Plutarch weiter 
: (40) meldet, daß Oſiris der zeugende und nährenve, Serafles (Chon, 
Khunſu) der floßenvde und trennende, Ammon ver an= oder aufnehmenve 
Hauch over Geift fey. Den Neuplatonifern aber warb Kneph, welcher bei 
Plutarch, weil er die Schlange unter dieſem Namen ald hohe muüftifche 
Gottheit annahm, von Ammon ganz getrennt erfcheint, ver Demiurgos, 
d. i. der Werfmeifter, nämlich der weltfchaffende. Eufebius (3. 11) melnet 


60 Ammon. 























uns über ihn aus den Schriften des Porphyrius: „der Demiurgoß K 
ift menfchenähnlich, dunkelblau, er hat Gürtel und Scepter, buntes Gewa 
welches bis auf die Füße berabgeht und vie Beine find zufammengebrü 
auf dem Haupt aber bat er die goldne Sonnenſcheibe und die Fönigli 
ever.” Da haben wir ganz und gar eine Befchreibung des Ammon, 
ihn die Bilder zeigen. Dann fährt Porphyrius fort, die AUmmonsfedern, d 
wohl nichts weiter ald ein auszeichnender befonderer Föniglicher Ha 
ſchmuck ſeyn follten, erflärend: weil die Ueberlegung verborgen iſt und 
ſchwer zu finden, und weil fie Leben gebend und König ift und ſich inte 
gent bewegt, veßhalb hat er die Fever auf dem SHaupte. Diefer ® 
bradıte ein Ei aus feinem Munde hervor, woraus Phtha hervorgieng 
Ihm ift das Schaaf geweiht, weil die Alten Milch tranfen. Diefe Dar 
ftelung des Kneph zeigt und alfo ven Widdergott Ammon fo vollftändig, 
daß nichts fehlt, und dag Porphyrius auch des Schanfed erwähnt, welches 
dem Ammon geheiligt war, nicht weil die Alten Milch tranfen, fonbern 
weil der Widder das Sinnbild des Gottes war, und läßt feinen Zweifel übrig, 
daß die philofophifchen Deutungen zuerft an dem Ammon-Kneyh ſelbſt 
verfucht wurden. In dem folgenden Eapitel berichtet Eufebius von einem 
Bilde in Elephantine, einem männlichen Numpfe mit dem Widderkopfe, 
figend, blau von Barbe, das Königözeichen, nämlich den Uräus (Vaſilisk) 
und die Sonnenfcheibe auf dem Kopfe, zur Seite des Bildes aber ftand 
ein thönernes Gefäß, auf welchem ein Menfchenbilo war. (Auch bei Num 
fteht ein Waßergefäß, und viefes bezeichnet dad Waßer und mithin ven 
Namen Num. Jedoch das Bild des Menſchen auf dem Thongefäß bei 
Neph kann dieſe Beveutung nicht allein gehabt haben, falls man nicht dad 
Bild auf dem Gefüge als eine bloße beveutungslofe Ausſchmückung anfehen 
will. In ven Hieroglyphen (Monumens de V’Egypte et de la Nubie XX) 
ericheint dieſer widderküpfige Gott wor einer Töpferfcheibe figend um 
arbeitend. Died kann nicht fo auögelegt werben, als bilde er nur dad 
Gefäß, welches feine Namenhieroglyphe vorftellt, denn um biefe zu bezeichnen, 
hätte man ihm das Gefäß felbit geben müßen. Auch bedeutet ein Mann, 
welcher als Töpfer arbeitet, hieroglyphiſch bilden, errichten, bauen, fo daß 
alſo der Gott als Tapfer ein bildender Gott ift, ein erfchaffenner. Was 
er aber fchafft ift Leben und Gedeihen. Das Menfchenbiln jedoch auf 
jenem Gefäße mag die Beziehung des Menfchen zu dem Seegen des Gottes 
auöbrüden.) Diefes blaue Bild des Reph oder Kneph follte das Zuſam⸗ 
mentreffen der Sonne und des Mondes im Zeichen des Widders feyn, ed 
ift aber nicht3 weiter, als ein Bild des Neph, und dieſer Gott war in 
Aegypten um ein gutes Theil älter, als fi die Aufnahme oder Vildung 
des Thierkreiſes daſelbſt annehmen läßt. 

Bei der Deutung des Ammon Kneph, ald des Demiurgos, welcher 
das Ey aus feinem Munde bervorbrachte, blieb man nicht ftehen, ſondern 


Ammon. 6, 


in philofophirte eine Schlange Kneph heraus, über die und Euſebius 
. 10) aus Philo's Sanchuniathon, alfo einem verfälfchten fpäteren 
brifate alſo berichtet: vie Schlange als beſonders geiftig, von feuriger, 
neller Natur, die jih immer verjüngt, bis fie nah Erfüllung eines 
timmten Zeitmaaßes ſich in fich ſelbſt auflößt, wie Taautos (Thoth) in 
a beillgen Schriften gefchrieben, und melches Thier nicht durch natürs 
ben Tod ſtirbt, fondern nur durch Gewalt getroffen, galt ven Phönikern 
d guter Dämon, ven Aegyptern ale Kneph, dem fie einen Sperberfopf 
jeben, zur Bezeichnung des Wirkfamen vefjelben, und Epeis, der größte 
eropbant, der ein Sierogrammateud war, legte dad fo aus: Die 
blange mit dem Sperberfopf ift das erfte Göttliche, fle war fehr Tieblich, 
nn fie die Augen öffnete erfüllte fie in ihren erfigeborenen Bezirfe alles 
t Licht, und wann fie Diefelben fchloß, war es dunkel. Wann die 
gypter die Welt malen, fo malen fie einen runden Kreis, Luftfarbig 
d feuerfarbig und in der Mitte geftredt vie fperberföpfige Schlange, 
Ihe Figur zufammen vem Griechiihen © ähnlich ift, fo daß ver Kreis 
e Welt, die verbindende Schlange der gute Dämon if. (Plutarch 
&. 755) und Lampadius im Leben Heliogabald (28) fo wie Münzen, 
zeugen die Schlange ald Agathodämon in Aegypten.) Diefer Pſeudo⸗ 
anchuniathoniſchen Nachricht fügt Eufebius auch noch das Lob dieſer 
erberföpfigen Schlange, ald der ewigen, vie da ohne Theile und ohne 
atſtehung ift u. f. w., aus dem Pfeudo = Zorgafter bei. *) 


*) Bei Jamblichus (8. 3) heißt es, der Gott Emeph fey der Führer der himm⸗ 
lifchen Götter, und fey der fich felbit denfende und das Gedachte in fih 
fehrende Geift, vor ihm aber jey der Eifton, das Ungetheilte, gewejen, in 
welchem das erfte Denfende und das erfte Gedachte enthalten war. Das 
Wort Emeph ift ficherlich aus dem Worte Kneph verderbt worden durch Die 
Abfchreiber, denn es kann wohl Aegyptifh En-pe, Führer des Himmels, 
beißen, baraus hätten aber die Griechen nicht Emeph gebildet, fondern Eneph 
(fü Tießt Pierius ftatt Kneph bei Eufebins [3. 11]. Doch mit einem eta 
hätten fie Eneph nicht gefchrieben), oder Emph, Emphis. Mit dem Fort: 
(reiten der wilfführlichen Auslegungen mythologifcher Dinge und dem 
Hineintragen feichter philofophifcher Grübeleien in dieſelben, wo dann aller: 
jüngfte Bafelei für allerältefte Aegyptiſche Weisheit gelten follte, warb ben 
Aegyptern auch ein Kamephis als Urweſen gegeben. Stobäus führt in den 
Phyſicaliſchen Eclogen aus den falfchen Hermesfchriften an, wie Iſis gegen 
den Horus des Kamephis erwähnt, als des Ahnherrn, der älter als alle 
fey, und Damascius erwähnt des erften, zweiten und dritten Kamephis und 
bemerft, der jüngere Heraiscus habe angegeben, Helios fey der dritte 
Kamephis. Erfordert die Vollftändigfeit in der Angabe ber Meberlieferung 
deßen, was zu der Negyptifchen Mythologie gehörig angefehen werden Fünnte, 
wenn es auch nicht dazu gehört, dergleichen grundlofe Erfindungen einer 
fehr fpäten Zeit zu erwähnen, fo ift auch mit ber Erwähnung der Sue 


i 


63 Ammon. 













Ein Kreis mit einem Kreuz, um die vier Weltgegenden zu bezei 
findet ſich allerdings bei den Aegyptern, aber nicht auf Denfmälern 
Kreis mit der angeblichen wunderbaren Schlange, die ſich darin aus 
Bei den Phonikern, ſagt Macrobius (1. 9), wird die Welt darg 
durch eine in einen Kreid gewundene und fi) in den Schwanz bei 
Schlange, um anzudeuten, daß die Welt ſich aus fich felbit erhält un 
ſich zurüdzieht. In diefer Geftalt kommt fie in einem Berliner Pa 
vor, und in einem andern Papyrus umgiebt fie den jungen Horus, 
fie auch den Nilgott umgiebt, bei Wilkinfon Tafel 58. Die geflü 
Schlange mit der Krone von Oberägypten ſowohl ald mit dem Pf 
auf den Kopfe, findet ſich ebenfalld abgebilvet (bei Wilfinfon 2. ©. 
aber die dabei ftehenven Hieroginphen zeigen, daß ſie mit Kneph ni 
gemein haben, und ftatt der angegebenen geflügelten Schlange finvet 
auch in gleicher Bedeutung und mit derfelben Hieroglyphe ver Geier, : 
Bild der Mütterlichkeit, das Kufuphafrepter und das Zeichen des Le 
in den Krallen haltend, fo daß alfo dieſe Darftellungen anders 
gehören. Denn offenbar ift die Schlange als ein Agathodämon, d. 
ſchützender Genius angefehen worben, und fo bat Ober- und Unterägupf 
in der mit der Krone des Landes verfehenen Schlange feinen ſchützent 
guten Geift. Dies zeigt ganz deutlich die Beflügelung derfelben, denn in % 
Tlügeln koönnen wir in der Aegyptiſchen Mythologie Feine andere Bede 
tung ald Die des Schußes finden. Mit ihnen fehen wir Iſis den Off 
befhirnen, und Ma, die Gerechtigkeit, ift damit verfehen, weil in b 
Gerechtigkeit Schuß zu finden ift. Der Begriff dieſes Schuged aber gie 
von dem der fchirmenden Mütterlichfeit aus, deren Sinnbild ver Gel 
war, weßhalb es auch Feine geflügelte männliche Gottheit bei den Aegy 
tern gab, fondern nur die mütterlichde Göttin und die ſchützende Gerechti 
feit mit diefem Sinnbild dargeftelt worben find. Die Schlange aber he 
auch die Bedeutung des Schutes gehabt, mag fie ald ein Bild des König 
thums zu dieſer Eigenjchaft gefommen feyn, oder mag fie wegen die 
ihr zugefchriebenen Eigenſchaft ein Sinnbild des fchügenven, über bei 
Lande mwachenden Königsthums gemefen feyn. Halten wir und an hi 
Thatfache, wie fie aus den Ueberlieferungen der Griechen, wenn man bie| 
von ihren Deutungen entfleivet, und aus dem, was ſich durch die Denl 
mäler erkennen Täßt, hervor geht. Die Schlange Aspis (deren Mumie 
man in Theben findet) wird von den Aegyptern verehrt und der Käft 
als dunkele Bilder der göttlichen Macht, fagt Plutarch (74), und ma 


Genüge gethan, denn die Aegypter wußten nichts von Kamephen. Ob d 
Name Negyptens Khemi, welchen die Griechen Chemi ausſprachen, d 
Kamephifchen Afterweisheit zu Grunde Tag, oder nicht, kann ung gleid 
gültig jeyn. 


| 
| 
Ä 


Ammon. 63 


vergleicht die Aspis dem Stern, ald die nicht altere und ſich ohne Organe 
leiht bewege. Aelian (17.5) meldet nad) Phylarchos ebenfalld die große 
Berehrung, und wie zahm fie feven, fo dap fie ganz ald Hausthiere gefüte 
teri und gehalten wurden, und auf das Schnalzen mit ven Fingern herbei⸗ 
fimen. Derfelbe bemerkt (10. 31), die Aspis, welche Termuthis heiße, 
fei die heilige, und man befränge mit ihr dad Haupt der Iſisbilder. Diefe 
ſey auch nicht ſchlimm, und es heiße, fie verfchone die Guten und ftrafe 
bie Böfen, und Iſis ſende fie gegen die Frevler, und fie fey unfterblich. 
In den Tempeln, fagt er, baue man ihr an jeder Ede Gemächer und 
unterirdiſche Schlupfwinfel und lege ihr in Zwifchenräumen Kalbsfett zur 
Nahrung hin. Berner giebt er (6. 38) an, die Könige trügen die Aspis 
auf ihrem Diadem, um damit die Lnbeflegbarkeit ihrer Herrfchaft anzu- 
deuten, venn nie fey Iemand, den eine Aspis gebipen, heil davon gefom- 


men. Ein Gefchichtchen, welches Aelian (11. 32) erzählt, daß ein Bauer 


in einer Weinpflanzung aus Verſehen mit der Hacke eine Aspis mitten 
durchhieb, und wahnfinnig ward, bis Sarapis ſich feiner erbarmte und 
ihn heilte, zeigt, wie man bie Heiligkeit diefer Schlange anerfannte, doch 
nahm man eine Beinpfchaft zwijchen Aspis und Ichneumon an, wie es 
(3. 22) heißt, fo daß alſo die heiligen Thiere ihre Heiligkeit an einander 
nit gelten Tiepen. Zu Melite (vielleicht Metelis ohnweit Kanobus) 
it ein heiliger Drache in einem Thurm, und hat Pfleger und Diener, 
wie Aelian (11. 17) erzählt. Ein Tiſch mit einem Kruge fleht für ihn 
va, in welchem täglich Mehl mit Honigmeth gemengt wird, und wenn 
man am folgenden Tage zurückkommt, findet man den Krug leer. Einſt 
belaufchte ein Diener den Drachen beim Eßen, warb aber toll, bekannte 
feine That, verldr die Sprache und flarb bald darauf. Diefe Vabel gehört 
Ipiterer Zeit an, als die Schlange zum guten Dämon gemacht worden 
war. Lampridius erzählt von SHeliogabal (28): er hatte Aegyptiſche 
Shlangen zu Rom, weldde man dort die guten Dämonen nennt. Die 
Böttin Ann (Nennu) erfcheint (bei Wilkinfon Taf. 58) mit dem Uräus 
auf dem Kopf, aber auch mit dem Uräus als ihrem Kopf, und diefe Göttin 
war die Amme oder Pflegerin ver Föniglichen Knaben (renen heißt pflegen, 
warten, erziehen). Freilich koͤnnte, da fie den Uräus hat, dieſer ald das 
Konigthum bezeichnend, ihr Amt bei dem Konigshauſe andeuten, denn 
Mon in den älteften Tempeln erfcheint fie als eine ſolche Amme, wie 
ah Mut, Hathor und die Kuh es find. Doch ver geſchwingte Genius 
war auch der Uräus, fo daß allerdings diefer das ſchützende Königthum 
zu bezeichnen fcheint. In den Gräbern von Theben fteht man die Schlange 
als Bewacherin der Keltern und Gärten. Doch ob der Kreid mit dem 
Kreuz und folhe Schlangendarftellungen jene feichte Knephsmyſtik begün- 
Rigt Habe, Eönnen wir weder beftimmt bejahen, noch beftimmt verneinen. 
(Bon dem Kreife muß jedoch, als diefe Myſtik einmal beitand, ver Grnante, 


64 Ymmon. 


ven Kneph ald Schlange darin zu jegen, hergenommen jeyn, denn ber Kreiß 
mit dem Kreuze ward felbft als Kneph gedeutet, ala Weltgeift, als ver fich ſelbſt 
denfende und Gedanken in fi zufammenziehende, wie wenigftens Jamb⸗ 
lichus in der Schrift über die Aegpptifchen Myſterien (8. 3) berichtet.) 
Die Veranlagung aber, ſolche Gritbeleien an Kneph zu knüpfen, Fonnten 
fie nicht wohl ſeyn. Dieled hätte erftlich wegen des Uräus geſchehen 
fonnen, welhen Kneph eben jo wie andere Götter ald Zeichen der Könige 
ſchaft auf dem Haupte trug, oder zweitens gefchah es, und dieſes iſt bei 
weitem wahrfcheinlider wegen der heiligen Schlangen zu Iheben, wovon 
Herodot (2. 74) aljo erzählt: In der Gegend von Theben giebt « 
heilige Schlangen, welche den Menjchen nichts zu Leide thun. Gie find 
flein und haben zwei Körner, die oben aus tem Kopfe hervorwachſen. 
Wann fie fterben, beſtattet man fte in ven Heiligthun des Zeus (Ammon), 
denn fie find, wie fie fügen, dieſem Gotte heilig. *) Zuerſt fcheint, da 
fi} an die Schlange bei ven Griechen, und von Griechen gieng ja bir 
Myſtik aus, höhere geiftige Beziehungen knüpften, die Schlange des Gottes 
zu Iheben zu einer unfterblidhen gemacht worden, und ihr der Name 
de3 Gottes jelbft beigelegt worden zu jeyn. Grwägt man genauer, was 
und Plutarh (21) überliefert bat, fo dürfte wohl an dieſer Anficht nit 
zu zweifeln jeyn. Gr meldet nämlich: die Bewohner der Ihebifchen Mark 
gaben feinen Beitrag zur Ernährung ver heiligen Thiere, wad die übrigen 
Griechen thaten, und der Grund, welchen fie geltend machten, fol ver 
gewejen jeyn, daß ihr Gott Kneph unfterblich und ungeboren fey. Zuvoͤr⸗ 
derft ift zu bemerken, daß dieſes Vorgeben von dem Nichtbeitragen zur 
Unterhaltung der heiligen Ihiere Feine Glaubwürdigkeit hat und daß der 
Grund lächerlich feyn würde, wenn man den Ammon =Neph, ven Widder 
gott, welchem nothwendig heilige Widder gepflegt werden mußten, als den 
Gott betrachten wollte, der unfterblicher und ungeborener geweſen wäre, 
als 3. B. Mut feine Tempelgenogin, oder als Buto, die man unter bie 
acht alten Götter zählte. Sterbliche Götter hat es überhaupt nicht bei 
den Aegyptern gegeben, denn dem Sterben bes Dfiris folgt immer wieder 
ein Wieveraufleben, und jo ift jene Angabe, denn als in einem andern 
Sinne erfunden, zu betrachten. Die heilige Schlange nämlich felbft war 
zum Gotte Kneph erhoben worden, und da hatte man denn, wenn auf 
nicht in der Wirklichkeit und in dem Eult, in welchen jolche philofophifche 
Erfindungen nicht übergingen, ein Thier, welches ungeboren und unfterblid, 
welches der erfte und höchite Gott felbft war, fo daß man, in folchem 


*) Man findet die Hornfchlange einbaliamirt in der Thebifchen Nekropolis. 
Darin, daß fie unſchädlich fey, irrt Herobot, welchem dieſes wahrfcheinlid 
von ben Prieftern falfeh mitgetheilt ward. Diodor (1. 87) giebt fie ale 
tödtlich durch ihren Biß an. 


— — 


i 


Ammon. 65 


Beftge, allerdings keinen Beitrag für flerblihe Thiere der Götter leiſten 
zu müßen glauben konnte. Daß man der Schlange, ald man fie myftifch 
zum Gotte deutete, den Namen bed Gottes gab, Fanıı nicht befrempen, weil 
man ja eben das wahre Wefen des Gottes in der Schlange zu finden 
vermeinte, und mithin die Schlangengeftalt als Knephs wahre Geftalt 
amahm, fo daß fie nun der wahre Kneph war, nicht aber ver Gott mit 
ven Ammonsfedern oder mit dem Widderkopfe. Wenn Aelian in ber 
Naturgefchichte (10. 31) wirklich die richtige Kunde mittheilt, fo hieß auch 
die Schlange, womit dad Haupt der Iſis umgeben war, und melche bei 
ihr, wie bei den andern Göttern, die Bedeutung des Königthums hatte, 
gleich ver Göttin Thermuthis, denn daß dieſes nicht Name einer Schlange, 
fondern der der Göttin war, ift gewiß und bezeichnet wahrfcheinlich (t-er- 
nu-t) die große Mutter. Da hätten wir fogar ein Beifpiel, daß ber 
Name einer Gottheit auf ein mit ihr in Verbindung flehendes Tier 
übertragen worden wäre, und zwar ohne daß fich ein genügender Grund 
dafür zeigt. Doch muß man zugeben, daß dieſe Angabe Aelian's bezweifelt 
werben Eönne, als auf einer Verwechslung beruhend, die aus der Unbe— 
Tanntichaft mit dem Namen ver Göttin hervorgegangen feyn Eönnte. 

Es ergiebt fi demnach, daß die mit dem Namen des Gotted Kneph 
benannte Schlange nicht8 weiter als eine willführliche Erpichtung ber fpäten 
Philofophie fei, (Gnoftifer- Gemmen haben die Schlange und die Infchrift 
Knuphis) die fh nur darum an jenen Gott Fnüpfte, weil ihm Schlangen 
beilig waren nnd er ſich zugleih als fogenannter König der Götter 
eignete, zu dem Urgotte umgevichtet zu werden. Spätere Bilder zeigen 
ven Kneph an einer Töpferfcheibe arbeitend, und in Philä erfcheint er an 
einer der Ptolemäerzeit angehörenden Darſtellnng als den Ofiris in dieſer 
Weiſe bildend mit der Inſchriſt: „Nun, welcher auf der Scheibe vie 
göttlichen Glieder des Oſiris bildet, welcher in ber großen Halle des 
Lebens thront.” Auch wird er dort genannt „Num⸗ra, welcder vie 
Mütter bildet, die Erzeugerinnen der Götter,” und in einem Bilde aus 
der Römischen Zeit heißt er ‚ver Bildner aller Menfchen.‘‘ 

In dem von Porphyrius befchriebenen Bilde des Kneph, wovon oben 
die Rede war, hatte der Bott zufammengefchloßene Beine, und viefes 
Verhaͤltniß ift nicht ohne eine Auslegung geblieben, nachdem es entweder 
den Griechen, oder den Aegyptern felbft den Griechen gegenüber zu einer 
feinen Legende Veranlaßung gegeben hatte. Eudoxus nämlich meldet bei 
Plutarch (62), in der Götterlehre ver Aegypter heißt e8, Zeus habe, 
weil ihm Die Beine zuſammengewachſen waren, fo daß er nicht gehen 
fonnte, aus Schaamgefühl in der Einſamkeit gelebt, Iſis aber habe ihm 
die Beine auseinander gefchnitten und ihn zum Gehen fähig gemacht. *) 


*) Horapollo (2. 3) fügt, zwei zufammengefchloßene flehende Beine bezeichnen 
U. 8 


66 Ymmon. 















Die fpäte philofophifhe Deutung nun benußte dies, um einen ihrer w 
digen Sinn hineinzulegen, denn Plutarch fagt, es beveute Died, daß 
göttliche im Unfichtbaren für fich ſeyende Geift durch die Bewegung 3 
Zeugung fortgefehritten fey. Das mumienhafte Zufammenfchliegen 
Beine fehen wir bei dem thronenden Amun, ſowohl dem ohne, als d 
mit dem Widderkopf und zwar zufammengeichloßen durch eine von d 
Bruft bis auf die Füße gehende gelbe enganfchließenne Umhüllung, ü 
melcher von den Hüften bis zu den Knieen ein weiß und roth geftrei 
Stück Zeug feft zufammengezogen iſt. (Champollion Pantheon 1. Ta 
1 und 2.) Diefe mumienbafte Ginwidelung ſehen wir aber auch ke 
andern Gdttern, fo daß fie bei Ammon beveutet haben muß, was fie bei 
diefen beveutete, woraus ſich dad Nichtige jener Legende und die willführ 
lihe Spielerei ihrer Auslegung ergiebt. 

Nichts Wefentliches für Ammon Täßt fih gewinnen aus folgen 
Angaben ver Griechen. Plutarch (36) erzählt, Apepis, des Helios Brude 
fämpfte gegen Zeus, und Ofirid leiſtete dieſem Hülfe, wofür ihn dann | 
diefer zum Sohne annahm. Darauf hin Tapt fich nicht annehmen, Oflri 
habe in einem Aegyptiſchen Cult ven Ammon zum Vater gehabt, ſondern 
es jcheint bier eine Vermittelung zwifchen der Griechifchen und Aegyptiſchen 
Abkunft des Oſiris und Dionyfos eingetreten zu feyn. Da nämlich Dfiris | 
von den Griechen durchaus als ihr Dionyſos angenommen ward, Dionyfoß | 
aber ald Sohn des Zeus, wofür fie den Aegyptiſchen Ammon gelten ! 
liegen, feft ftand, fo half, weil nach Feiner Seite hin eine Aenderung 
möglich war, die Vermittlung, daß Ammon für geleiftete Dienfte ven ! 
Oſiris an Sohnes Statt annahm, vortrefflich aus. Für ven geleifteten 
Dienft aber hatte man an dem Dionyſos ald einem Beſieger der Giganten 
ein Vorbild; denn mit den fchlangenfüßigen Giganten ließ fich die Schlange 
Apopis, deren Name fte als Rieſig bezeichnet, vergleichen, und wenn biefe 
freilih in der Aegyptiſchen Mythologie nicht von Dfiris, ſondern von 
Horus befiegt und erlegt wird, fo war fie für eine freie Erfindung, welche 





den Lauf der Sonne in der Winterwende. Da Ammon nicht der Sonnen 
gott ift, fo Fann dies nicht auf ihn angewendet werben, will man jedoch 
deuten, fo fünnte man die Erklärung verfuchen, e8 bezeichnete diefe Stellung 
die Ruhe, fo daß der Zeugungsgott dadurch in der Zeit feiner Unthätigkeit 
bezeichnet werde, Iſis aber bringe ihn wieder zur Thätigfeit, wann er 
nämlich mit ihr, der großen Mutter, zeuge. Mit einer folchen Vermuthung 
aber gewinnen wir nichts, weil e8 eben nur Vermuthung ift, die durch nichts 
in ber Negyptifchen Diythologie wahrfcheinfich gemacht werden kann. Sagt 
doch Porphyrins bei Eufebius (3. 11): die Aegypter bilden die Welt als 
menfdliche Geftalt, deren Büße zufammen find, und die ein buntes Kleid 
von den Schultern bis zu den Füßen herab umgethan hat, auf dem Haupt 
aber eine goldene Sphäre trägt. Diefe Angabe bezeichnet die Erde, und 
, mithin ein weibliches Bild. 


Tr. 


Ammon. 67 


nur Anknüpfungspunfte fucht, ohne e8 mit ihnen allzu genau zu nehmen, 
Immerhin geeignet genug. Bei Diodor (1. 18) lefen wir: Oſiris grüns 
bete Thebä, und benannte file nach feiner Mutter, die Nachkommen aber 
bießen ſie Zeus- fladt oder Thebä, doch find die Aegyptiſchen Priefter 
niht einig Darüber, denn viele wollen, die Stadt fey ſpäter gegründet 
(von dem jüngeren Buſiris, was denn freilich doch auf Oſiris hinweiſt). 
Auch ſoll Oſtris feinen Eltern, dem Zeus und der Hera, einen großen 
pädhtigen Tempel erbaut, und Dazu zwei goldne Tempel, ben größeren 
dem Himmlifchen Zeus, den Fleineren feinem Vater, der dort herrfchte 
und Ammon genannt wird, fo mie auch den andern Göttern goldne 
Gapellen geweiht und Ehren eingerichtet haben. — Daß Amuns Ra in 
bildlicher Darftelung vorfommt, dem ODſtris darbringend, ſtellt venjelben 
nicht unter Oſtris, fondern bezeichnet nur, daß der Gott ver Zeugung 
ſelbſt dem allgemein verehrten Seegendgotte zu Gunften feines anerkannten 
Seegens mit einer Darbringung Ehre erweift. 

Da die Griechen in dem erften Gefang ver Iliade die Dichtung 
Hatten, Zeus gehe mit den Göttern zu den Xethiopen am Dfeanod zum 
Schmanfe, und fehre am zwölften Tage auf den Olympos zurüd, fo 
fehlt e8 in dem, was fie und von Ammon überliefern, auch nicht an 
einer diefer Stelle Homers entiprechenden Angabe. Alljährlich, fo fagt 
Diodor (1. 97) wird die Tragcapelle des Zeus bey ven Uegyptern über 
ven Fluß nad Afrika gebracht, und fehrt nach einigen Jagen, ald ob der 
Bott aus Aethiopien zurüdfehrte, wieder heim. Die Dichtung Homers, 
laut welcher Zeus bie Sera auf dem Joa umarmt, in eine goldne Wolfe 
gehüllt, während ver Berg Blumen fproßt, fol aber daher fommen, daß 
die Tragcapellen des Zeus und der Hera bei der Feſtfeier auf einen mit 
Blumen beftreuten Berg von den Prieftern gebracht werden. Euſtathius 
bemerft zu Homer: Manche jagen, daß in Diospolis (d. i. Zeuds fladt, 
wie die Griechen Thebaͤ auch benannten) ein großer Tempel des Zeus ift, aus 
welhem vie Uethiopen das Bild des Zeus und die ber andern Götter mit 
Ihm zu einer beftimmten Brift nehmen, damit auf der Seite von Libyen 
ferumziehen, und zwölf Tage lang, weil die Zahl ihrer Götter fo. groß 
iR, prächtige Aufzüge halten. — Ob je der Gebrauch flatt gefunden, 
mit dem Bilde des Ammon einen weiteren Feſtzug außerhalb des Gebietes 
f veranftalten, welcher viefen Angaben ver Griechen zu Grunde liegen 
Eimte, läßt fich nicht ermitteln, da die Denkmäler nichtd davon zeigen, 


,„ md wir nur auf die Griechiſchen Berichte verwiefen find. Wahrſcheinlich 


IR es gerade nicht, und es fcheint das Verlangen, die Homerifche Stelle 

mit Aegyptifcher Wirklichkeit in Uebereinſtimmung zu bringen, obgleich 

man diefe Homerifchen Aethiopen nicht hätte in Aegypten fuchen follen, 

die Feſtproceſſionen, bei welchen vie Götterbilver in Tragcapellen einher« 

isgen, in bem Maaße ausgedehnt zu haben, daß fie zur Erläuterung jener 
5* 


68 Ammon. 


Stelle paßten. (Da von den Procefflonen vie Rede ift, jo mag bier beis 
fäufig die Nachricht Diodor's (1. 57) ftehen, Sefoftris babe dem Gott in 
Thebä ein zweihundert und achtzig Ellen langes Schiff von Cedernhol; 
zum Gejchenfe geweiht; auswendig mit Gold, inwendig mit Silber übers 
zogen.) — In den Hieroglyphen hat man bemerkt, daß die des Namens 
Amun häufig verkehrt fliehen im Verhältniß zu dem Reſt ver Legende, 
d. h. in einer andern Richtung. 

Dem Ammon ald Zeug eine Hera zur Gattin zu geben, lag zwar 
den Griechen fehr nahe, doch hatten fie zur Zeit Herodots eine folde 
Befimmung noch nicht getroffen, denn diefer fagt (2. 50) ganz aus⸗ 
drüllih, Hera fey den Aegyptern unbefannt geweien. Wie fchon oben 
angegeben worden, hatte Ammon die Mu (Mut), vie Mutter zur 
Tempelgenopin, auf dem Haupt über dem ald Kopfihmud angebrachten 


eier, vem Sinnbild ver Mütterlichkeit, *) die Krone von Ober: und Unten: 


Aegypten, und wir fehen ven Khunfu bei ihnen ſtehen, auch findet ſich 
Amun, nebft der Amun (T=amun, oder Amun=t) zu Theben, genannt 
die in Theben Thronende, und bei ihnen ift Har-ke zu fchauen, mit 
der fogenannten. Soruslode am Haupte (melde Jugend bezeichnet) wie 
auch Khunfu diefelbe Hat, ohnerachtet er zugleich den Bart trägt. Im den 
Tempeln oberhalb Thebä, an den Katarrakten, wo Ammon unter bem 
Namen Neph und Num, Kneph, Knuphis verehrt ward, hat er die Sate 


und Anufe zu Tempelgenofinnen, und die Sate finden wir denn in 
fpäter Zeit allerdings als Hera erklärt. So leſen wir in einer oben mit. 


einer Bafe, zu jeder Seite mit einem Thyrſus verzierten Infchrift, (kei 
Letronne II. ©. 341) welche auf der fogenannten Dionyfosinfel bei bem 
erften Nilkatarraft (die eigentlich Setis hieß) gefunden worden: „Für bie 
Erhaltung des Ptolemäus und der Königin Kleopatra, feiner Schwefter, 
der mohlthätigen Götter und ihrer Kinder dem Chnubis, auch Ammon 
genannt, der Satis, auch Hera genannt, der Anukis, auch Heſtia 
genannt, dem Betempamentes, auch Dionyfos genannt, dem Peten 
fetes, auch Kronos genannt, dem Petenſenes, auch Hermes genannt, 
den großen Göttern und den andern Göttern, bei dem Katarrakt verehrt. 
In einer Tateinifchen Infchrift in ven Granitbrüchen zwifchen Syene und 





Philä ans der Zeit des Severus oder feiner nächften Nachfolger heißt ed: - 


dem Jupiter Sammon Chnubid, der Königin Juno, unter 
deren Schuß dieſer Berg ift. (Auch dieſe Infchrift giebt Letronne a. a. O.) 
In den Weihgeſchenken finden wir dieſe Göttin als Wärterin der Kinder, 
und da im Aegyptiſchen Sati Pfeil heißt, 10 erfcheint fie mit dem 
Pfeil in der Hieroglyphe, als dem Sinnbild ihres Namens, an ber 


*) Horapollo (1. 11) fagt: Eine Mutter darzuftellen, oder die Athena ober 
Hera, malen die Aegypter einen Geier, weil es in diefer Vögelgattung feine 
Maͤnnchen giebt, fondern die Weibchen yom Noruwinve heitusgter werten. 


Ammon. 68 


Krone aber hat fie die Kuhhörner, und ihre Farbe ift roth, während vie 
Böttinnen gewöhnlich gelb find. Die Namenlegende benennt fie Tochter 
des Ra, Herrin des Himmel. 

Mut oder Maut, Sate und Anufe Fönnen nicht anders ſeyn als 
Formen ver großen Naturgöttin, der großen Mutter, welche die Haupt⸗ 
Gottheit Aegyptens war, nnd als Iſis am beveutenpften hervortritt. Zu 
Dakkeh in Nubien heißt es über einer ver Thüren an einer Seite des 
Zempelö von dem Wethiopifhen Könige Ergamın: Sohn Neph's, 
geboren von Sate, genährt und gepflegt von Anufe, an 
der andern Seite aber heißt er: Sohn des Dfiris, geboren von 
His, genährt und gepflegt von Nephthys. Diefes iſt nun 
far nicht fo zu verftehen, als habe man bie genannten Gottheiten ganz 
ind gar für diejelben genommen, aber diefe weiblichen Gottheiten Fünnen 
auch nicht ald grundverfchieden betrachtet werden, fondern nur, wie 
jefagt, als verfchievene Formen eines Grundgedanken. Wäre dieſes nicht 
ver Val, dann würden wir wohl auch näher über fie berichtet worden 
jeygn, als es gefchehen if. Da Sate Sera feyn fol, wie oben. bemerkt 
worven ift, und da Sorapollo (1. 11) bemerft, die Aegypter hielten Hera 
für den untern Himmel, wie Athena für den oberen, fo wüßten wir, 
Fönnte man meinen, wer denn eigentlich Sate war. Allein dieſe Erklaͤ⸗ 
ungen beruhen ‚bloß auf Deutungen ver Griechen, welche ihre Hera und 
Athena fo erklärten, ohne einmal dazu berechtigt zu feyn, geſchweige daß 
te zu ihren Erklärungen der Sate und Neith berechtigt geweſen wären. 
Sat aber Horapollo unter der Hera die Sate gemeint, fo erfahren wir 
durch ihn, daß auch diefer ver Geier ald Bild der Mütterlichkeit gegeben 
ward, wie der Mu over Mau, denn er fagt, durch denſelben würden 
auh Hera und Athena bezeichnet, (was fo viel heißt, als daß jede der⸗ 
jelben Mut hieß), und bei Neith (Athena) findet ex ſich wirklich. Ders 
jelbe fagt auch, der Himmel werde durch) das nämliche Sinnbild bezeichnet, 
da die Aegypter den Himmel als weiblich betrachteten, als Erzeugerin 
von Sonne, Mond und Sternen. Wirklich ift der Simmel Pe mit dem 
weiblichen Artikel Tpe genannt, zuweilen ald weibliche Figur mit ausge⸗ 
frekten Armen dargeſtellt, in melcher Stellung fie ven Zodiak zu Esneh 
wie zu Dendera umfchliegt, und Dionumente haben in ihren Abtheilungen 
dieſe Göttin ald Krone. Aber weder Sate noch Neith Haben mit dieſer 
digur etwas zu ſchaffen. Porphyrius in der Schrift über die Enthaltfan- 
kit (2. 55) meldet nah Manethos, es feyen der Hera in Aegypten 
üglich drei Menfchen geopfert worden, die man gerade fo, wie die Thiere 
geprüft Habe, bis König Amofts dieſen ſchrecklichen Brauch abgefchafft. 

Wenn Anufe von den Fremden in einer fpäten Zeit mit der Heſtia, 
Veſta verglichen und als eine folche erklärt warb, fo ift dies als ein 
beliebiger Deutungsverfuch zu betrachten, wozu irgend eine uns nicht 
befannte Cigenthiimlichfeit, melde jedoch fehr gering geweſen \eyn tums, 


70 Ammon. 


hingereicht haben Fönnte. Was wir an ihr Beſonderes wahrnehmen, if 
ihr Kopfſchmuck, welcher aus dem unteren Theil der Krone mit einer 
Reihe langer und unbekannter Blätter (denn Federn fcheinen es nicht zu 
feyn) befteht. Etwas Nüberes über ven Begriff, welcher mit biefer Göttin 
gemeint war, Fönnte uns der Name lehren, doch wir wißen nicht, was 
das Wort ank bedeutete. Daß ed aber einen Inhalt hatte, der für mehrere 
Böttinnen ih eignete, fehen wir daraus, dag auch Neith den Beinamen 
Anuke hatte, und Nephthys, denn dieſe beißt in einer Inſchrift (bei 
Wilkinfon, Tafel 35. 2) Nebthi, die rettenve Scwefter Anuke. Um e 
nun nicht an einem Erflärungdverfuche der Deutung Anuke's als Heftia 
fehlen zu lagen, mag dieſe Infchrift zu einem folchen dienen. Nebthi 
bedeutet Herrin des Hauſes und dieſe würde ſich zu einer Bergleichung 
mit Heſtia haben gebrauchen laßen, da man diefe Griechiſche Gdttin nicht 
ganz unpaßend eine Herrin des Haufe hätte nennen fünnen, und ba bie, 
Griechen mit einer geringen Aehnlichkeit zwifchen ihren und den fremben 
Göttern fi begnügten, um fie mit einander zn vergleichen. Freilich ſteht 
aber entgegen, daß Nephthys wohl eine Anufe Heißt, daß aber darans 
nicht folgt, die Anufe, welche von den Griechen für Heflia genommen 
wurde, fey auch Nephthys genannt geweſen, wiewohl fie auch in der oben- 
angeführten Infchrift, welche zuerft Neph, Sate, Anufe, dann Oſtris, 
Is, Nephthys nennt, als dieſen gleichſtehend, auch an ber Stelle ver 
Nephthys flieht. Zu Maſchakit in Nubien ift oben in einem Fels eine 
Eapelle ver Anufe und der andern Befchüger Nubiens, geweiht von Pohl 
dem Verwalter diefer Gegend unter Ramſes dem Großen. Cr bittet vie 
Söttin, fie möge für immer die Libyer und die Nomaden unter bie 
Sandalen des Eroberers geben. 

Zu Latopolis (Esne) war Knuphis der Hauptgott, (benannt neb⸗ 
enstbo= ne, Herr des Landes Eöne, Schöpfer der Welt, Lebensgrund 
der göttlihen Wefenheiten, Stütze aller Welten u. f. w.), und Neith bie 
Hauptgöttin, worüber man die Mythologie der Neith nachfehen wolle. 
Nur das ſey hier bemerkt, daß ihm daſelbſt Sämereien, Blumen und 
Aehren dargebracht wurden, was beweift, daß Ammon Kunphis ſich auf 
ben Seegen des Wachsthums bezog, wie e8 bei dem Gotte der Zeugung 
zu erwarten ſteht. Ward die widderkoͤpfige Darftellung des Gottes mehr 
außerhalb Theben in ver oberen Gegend verehrt, fo zeigen doch auch die 
Widder zu Theben, daß man den menfchlich gebilveten Ammon vafelbft 
durchaus nicht ald Widdergott vergaß oder beyde Formen für verſchiedene 
Gottheiten hielt. Diefe Eoloffalen Widder, von zwanzig Buß Ränge, je 
aus einem Steine gemeißelt, verbanvden große Zugänge, und zmifchen 
ihnen befinden ſich die hauptfächlichften Denkmäler. Theben hieß auch 
Amunei, Wohnung des Amun, und eben fo hieß Sebua in Nubien. 





7ı 


Der Heguptifche Wan. Mendes. Sihem. 


In der Mendeſiſchen Mark verehrte man einen Gott, deßen heiliges 
hier der Bod war, weßhalb ihn die Griechen mit ihrem Pan verglichen 
und ihn fo benannten. Wegen dieſes Gottes opferten, fagt Herodot, (2. 46), 
die Aegypter außer den Ihebäern, Feine Böde und Ziegen, die Menvefier 
aber, wie verfelbe (2. 42) bemerkt, opferten Schaaf. Daß ver Bod 
aͤgyptiſch Mendes heiße, berichtet Herodot ebenfalls, doch hatte er fich 
darin durch eine falfhe Auffaffung täufchen laßen, denn dieſer Name 
bepeutet keineswegs den Bock und kann nur den Bor, welcher den Gott 
vorftellte, bezeichnet haben. Hieronymus (zu Jeſaias 46) fagt zwar, ver 
Bock habe Thmuis geheißen, aber viefes ijt nicht wahrfcheinlid), fonvern 
der Mendeſiſche Bod hieß auch Bock der Thmuiten, denn Thmuis war 
der Name ver Stadt, weldhe auch Mendes bieß, over wenn beive Namen 
verfchiedenen Städten angehören, einer Stadt verfelben Marf, und viefes 
iR am wahricheinlidhiten, denn unter andern fpricht der Name dafür, 
indem Thmurs nach der Mu benannt ift, mit dem Urtifel Inu, b. i. die 
Mutter, welches der Name der Göttin war, die man ald Mutter bezeichnen 
wollte. Die Mendefler nannten dem Herodot ihren Bodgott einen der 
acht erſten Götter, aber dieſer Gefchichtfchreiber, welcher fonft die wenigen 
Bötter, die er aud den drei Bdtterfreifen angiebt, ald dahin gehörig nennt, 
ohne dieſes als Das Vorgeben einer befonvdern Dertlichfeit zu bezeichnen, 
ſcheint faſt diefe Angabe nur in der Menvefifchen Mark vernommen zu 
haben, fo daB es dahin geftelt feyn muß, ob Mendes wirflidh in ven 
defagten Götterfreis gehörte. Dagegen aber ift zu bevenfen, daß die Men- 

deſier, wenn ein Kreis von acht Göttern feſt ftand und befannt war, es 
niht hätten wagen können, ihren Gott darunter zu rechnen, falld er nicht 
dazu gehörte. Nun gab aber fpäterhin Manethos (bei Synkellos) an, 
unter Kaiechos, dem König der zweiten Thinitiſchen Dynaftie feyen Apis 
in Memphis, Mneuis in Heliopolis und ver Mendeſiſche Bock für Götter 
geachtet worden, jo daß es faft fcheint, man habe wohl einen Kreis von 
aht erften Göttern angenommen, aber ihre Namen feyen nicht beftimmt 
gemefen, oder wenigftens nicht fo, daß nicht ein Theil der Aegypter es 
wagen Eonnte, feinen beimifchen Hauptgott für einen derfelben auszugeben. 
Die Bedeutung des Bockgottes kann Feine andere feyn, als die der 
Zengung, denn ver Bor tft ein Sinnbild verfelben, gleich dem Widder, 
und fomit treffen Amun und Mendes in ihrem Wefen überein. Iſt ver 
Rame Amun (Amn, Amen) ald den Nährenden bezeichnend zu erklären, 
wovon oben die Möglichkeit vargetban worden, und liegt dem Worte 
Mendes, ägyptifch Men=te, Mun⸗tu zu Grunde, welcher Name ald Göt« 
tename auf Denfmälern gefunden wird, und ein anderer ift nicht wohl 
m erwarten, jo wäre auch in ber Benennung eine große Arinliäiett 


72 Der Aegyptifhe Pan. Mendes Khem. 


zwifchen beiden Göttern, denn Men⸗te, Mun=tu fann Nährer, Gründer ver 
Welt heißen. Leider find die Denkmäler der Mendeſiſchen Mark zu 
runde gegangen, fo daß wir für die mythologifche Kunde der Unter⸗ 
ſtützung folcher ganz entbehren, und außerdem bieten die Denkmäler anderer 
Aegyptiſcher Marken nie einen Gott dar mit dem Kopfe eines Bocket, 
oder einen Bor, welcher einen Gott vorflelen Fönnte. Darum aber if 
an dem Mendeſiſchen Gotte nicht zu zweifeln, denn Herodot zu täufchen, 
war für die Aegypter Fein Grund da, und in Betreff des Verhältnipes, 
dag Schaafe geopfert wurden, die Ziegen aber nicht, hätte man ihn gar 
nicht täufchen Fünnen, und dieſes Verhältniß allein reicht fchon bin, bie 
Wahrheit von der Heiligkeit des Bockes und einem unter diefem Sinnbil 
verehrten Gotte der Zeugung zu beweifen. Dagegen Tann man fidh ve 
Zweifeld nicht wohl ermwehren, wann Herodot fagt, er werde mit einem 
Ziegenkopf und mit Bocksfüßen gebilvet, ‘die Aegypter aber geben an, fle 
glaubten nicht, daß er fo ausfehe, fondern wie die andern Götter, warum 
fie ihn aber fo darftellten, wiße er wohl, koͤnne es aber nicht gut fagen. 
Die Denkmäler zeigen Fein Beifpiel, daß eine Gotttheit in der angegebenen 
Weiſe, nämlihd an Kopf und Beinen mit dem ihr geweihten Thiere 
gemifcht worden wäre, fondern nur der Kopf deſſelben erfcheint auf menſch⸗ 
lihem Rumpfe. Zwar giebt es ſehr zufammengefehte Mifchbilvder in ver 
fpäteren Zeit, aber auch diefe fegen nur verfihiedene Sinnbilver zu einer 
Geftalt zufammen, um alle die zufammengehäuften Ideen in einem Bild 
anſchaulich zu machen, fie geben aber nicht dad nämliche Sinnbild in zwei 
verjchievenen Körpertheilen, d. h. fie bringen nicht zweimal das nämlicde 
Sinnbild an, um die nämliche Idee auszudrücken. Da nun Herobot nit 
ausdrücklich angiebt, daß er den bocksköpfigen und bodöfügigen Mtenves 
ſelbſt gefehen habe, fo wäre es immerhin möglich, daß er durch die Ver⸗ 
ehrung des Bocks an ven Pan erinnert, nach dieſem und deſſen Geftalt 
bei den Aegyptern gefragt babe, wo ed denn bei den Aegyptern nit 
fehlen Fonnte zu antworten, ſie hätten dieſen Griechifchen Gott, denn bie 
Götter ſollten ja, und auch die Benennungen, ſo wie vie heiligen Gebräude 
aus Aegypten zu den Griechen gefommen feyn. 

Weiter erzählt Herodot, daß die Menpefler die Ziegen verehrten, bie 
Bode aber mehr ald die Weibchen, und daß die Hirten verfelben in 
größeren Ehren flanden. Wann der heilige Bock, welcher ven Gott vor- 
ftellte, ftarb, fo ward er von der ganzen Mendeſiſchen Mark fehr betrauert, 
dieſer Bor aber fcheint für befonders zeugungsfräftig gegolten zu haben, 
denn wir lefen bei Clemens dem Alexandriner (Protr. ©. 9), wo er von 
den Liebesausſchweifungen des Zeus fpricht, die Bemerkung, dieſer Gott 
fey gegen Frauen fo brünftig gemwefen, wie der Bod der Thmurten gegen 
Ziegen, und Plutarch (Gryllus S. 989) giebt an, der Mendeſiſche Bod 
in Aegypten fol mit vielen ſchönen Frauen eingefchloßen, Feine Neigung 


—X 


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Der Aegyptiſche Pan. Mendes. Khem. 73 


zu ihnen haben, ſondern er iſt mehr für die Ziegen entbrannt. Aus Pin⸗ 
dars verlornen Gefängen aber meldet Strabo (S. 802) daß ſich Böͤcke zu 
Mendes mit Weibern vermiſchen und Herodot (2. 46) meldet: in der 
Mendeſiſchen Mark begab ſich zu meiner Zeit das Wunder: es ver⸗ 
wiihte fi ein Bock ganz Öffentlich mit einem Weibe, und alle Menfchen 
fuhren es. 

Dur dieſe Nachrichten ift der Bockgott der Mendefifchen Mark fo 
fer geftellt, dag der Mangel an. Denfmälern ihn nicht zweifelhaft machen 
kann, weil dieſe Nachrichten von fo bündiger Urt find, daß fle einer Unter⸗ 
fügung durch bilvliche Darftellungen weiter nicht bebürfen. Da wir aber 
aller weiteren Nachrichten über dieſen Gott entbehren, fo ift der Unter⸗ 
gang der Denkmäler viefed Bezirk von Aegypten ein Verluſt für die 
Mythologie, weil wir durch Bilder und Infchriften vielleicht belehrt worden 
waren, mit welchen Gottheiten der Menvefifche Gott in Verbindung ftand, 
und weil wir vielleicht durch fie noch manchen andern Aufichluß erhalten 
hätten. So bleibt und nur ein ungewißes Nathen über vie Tempelge- 
noßenſchaft des Mendes, denn eine folche ift nach dem, was man von 
andern Göttern weiß, zu vermuthen, und der Name Thmuis, welcher in 
Verbindung mit dieſem Gotte genannt wird, giebt eine Handhabe zu einer 
an und für fi} nicht unmahrjcheinlichen Vermuthbung. Die Göttin Mu, 

mit dem Artikel eben fo wohl Tmu ald Mut genannt, kann die Namen 
geberin von Thmuis gemwefen feyn, wie Paſcht die von Bubaſtis war, wie 
tie Stadt Chemmis nach Khem, Atarbechis nach ver Athor u. f. w. benannt 
war, und wir fünnten ven Xegyptifchen Namen Tmu-ei vermuthen, wie 
mh Theben und Sebua in Nubien von Amun, Umunsei benannt 
waren und Ptah=ei over Tei-ptha feinen Namen von Ptah Hatte. Wie 
Mu als Tempelgenogin zu Ammon gehörte und ſich gut dazu eignete, 
wire ſte auch fich trefflich für den Menpeftfchen Gott geeignet haben. 
Die lockend abet auch dieſe fich darbietende Spur zu einer wahrfchein- 
lien Vermuthung feyn mag, wir dürfen ihr dennoch, von allem, was zu 
einer Beftätigung erforberlich wäre, verlaßen, nicht vertrauen. - Eine zweite 
Vermuthung drängt fi) und aus ver oben angeführten Stelle Plutarchs 
auf, welche nämlich zu bemeifen fcheint, daß man dem Bockgott gleich wie 
em Wiodergott Ammon zu Thebä, fterbliche Frauen zu Gemahlinnen 
wihte, vie in feinem Tempel fchliefen. Läßt man diefen Sinn nidt 
gelten, To ift nicht wohl einzufehen, was Plutarch denn mit den fchönen, 
mit vem Bock eingefchloßenen Frauen eigentlich hat fagen wollen. Hätte 
aber Diefer Brauch flattgefunden, dann wäre es auch leicht erklärlich, woher 
dad entflanden wäre, was Pindar geſagt hatte, und felbft das ſchmutzige 
Beihichtchen, welches Herodot, aber keineswegs ald Augenzeuge, erzählt, 
könnte darauf zu beziehen feyn. Denn wie das DVerhältniß der Frauen 
zu Ammon übel gebeutet ward von denen, die es nicht erforichten, fo \aq 


7a Der Aegyptifhe Pan. Mendes. Khem. 


es bei dem Bockgotte noch näher, ed berabzuziehen und zum fchmukigen 
Mährchen zu machen. Doch auch dieſes müßen wir dahin geftellt feyn 
laßen, fo mwünfchenswerth ein Aufſchluß darüber auch wäre. Hätten wir 
für beide Vermuthungen die Beflätigung, dann würden beive Götter, ber 
Widdergott Ammon und der Bodgott Mendes, fo genau zufammentreffen, 
dag kaum ein Unterſchied zu bemerfen wäre, wie fie denn auch ihrem 
Weſen nad), wenn dieſes auch von verfchiedenen Grundlagen ausgegangen 
feyn follte, was und aber ganz vorborgen ift, genau übereinftimmen, dem 
beide find Zeugungsgdtter, nur daß der eine ven Befruchter der Schadfs 
heerde, den Wibder, der andere den DBefruchter der Ziegen, ven Bod zum 
Sinnbilde hat. Dadurch, daß es in der Medefifhen Mark wenig Weber 
bleibfel giebt, find wir ver Belehrung beraubt, welche Dentmäler um 
gewähren Eönnten. - 

Gehen wir auf diefem Gebietstheile ver Aegnptifchen Mythologie 
weiter, fo begegnen wir in der Thebanifchen Mark der Stadt Chemmis, *) 
(deren Weberbleibfel leider ſehr unvollfommen find), welche ihren Namen 
von ihrem Hauptgotte Khem hat, welcher mit vemfelben als ver ſchwaze 
bezeichnet if. Herodot befuchte dieſe Stadt und meldet bloß von ber . 
Verehrung des Perſeus dafelbft, als etwas Beachtenswerthem, und dieſes 
Schweigen Herodots über den Gott Khem beweiſt mwenigftens fo viel, daß 
diefer forgfältige Beobachter in Chemmis Feine für ihn nene Hauptgottheit 
zu finden vermeinte, wofür ihm aber die dortigen Priefter ihren Gott 
ausgaben, Fönnen wir zwar nicht errathen, doch haben fie ihm ſchwerlich 
etwas von einer befondern Verehrung, die nicht im Allgemeinen bei allen 
Böttern ftattgefunden hätte, vorgefagt, da wir ihn fonft dergleichen 
Befonverheiten treu berichten fehen. Auch ward dem Khem fo wenig wie 





*) Statt von dem Gotte Khem in Chemmis zu erzählen, berichtet Herobot 
(2. 91) von einem Griechiſchen Heros daſelbſt folgendermaßen : die Aegypter 
nehmen weder von den Hellenen, noch von einem andern Bolfe Gebräude 
an, aber im Bezirf von Thebä, nicht weit von Neapolis, liegt eine große 
Stadt, Namens Chemmis, wo ein vierediges Heiligthum des Perfeus, des 
Sohnes ber Danae ift, um welches herum PBalmbiume fliehen. Die fehr 
große Vorhalle ift aus Stein erbaut, und es flehen zwei große fleinene 
Menfchengeftalten darauf. In dem Umfange deffelben ift das Heilige Haus 
und darin flieht die Bildſäule des Perfeus. Dort nun fagen fie, Perfeus 
erfcheine oft Bei ihnen fowohl in dem Lande, als auch in dem Heiligthum, 
und man finde einen der Schuhe, die er getragen, zwei Ellen groß, und 
wann dieſer Schuh gefehen werde, fo fey ganz Negypten gefeegnet. Sie 
ehren aber den Perfeus auf Griechiſche Weife mit allen Arten von Kampfs 
fpielen, wobei fie Vieh, Mäntel und Häute zu Preifen feßen. Auf Herodots 
Trage, warum Chemmis allein in Aegypten den Perſeus ehre, gaben fie 
ihm an, derfelbe flamme aus diefer Stadt, denn Danaos und Lynkeus wären 


Der Aegyptiſche Pan. Mendes Khem. 78 


Mendes und dem Ammon ein allgemein Aeguptifches Feſt gefeiert 
er Zeit, als die ſechs großen allgemeinen Feſte gefeiert mwurben, und 
ir nicht wißen, ob etwa in früherer Zeit auch den genannten Göttern 
meine Feſte galten, fo wäre es vergeblich, es zu vermuthen, es hätten 
ı Göttern in älteren Zeiten eben ſolche allgemeine Feſte gefeiert 
en fönnen. Nach Herobot aber finden wir Chemmis von den Griechen 
polis (Stadt ded Ban) benannt, und fie müßen eine uns unbekannte 
nlaßung dazu gehabt haben, denn leider äußern fie fich nicht darüber, 
fie zu dieſer Benennung veranlaßte. In der Thebanifchen Mark ven 
zu sermuthen, Eonnte ihnen an und für ſich nicht einfallen, und das 
des Khem Fonnte fie nit auf den Gedanken bringen, da viefes 
Gott nicht in der Geftalt des Griechiſchen Pan zeigt, fondern dem 
ifchen Ammon fo gleih, daß auch nicht der geringfte Unterichied zu 
rken if. Daß aber die Griechen dieſen Khem in ver fogenannten 
opolis ald den Gott, den fie Ban nannten, im Auge hatten, zeigt 
das, was Stephanud der Byzantiner da vorbringt, wo er von Pano⸗ 
5 meldet. Seine Worte lauten: es ift dafelbft ein großes Bild des 
ted mit aufgerichtetem Zeugegliede, an fteben Singer lang, und e8 
ebt mit der rechten Hand eine Geifel gegen den Mond, deßen Bil, 
fie fügen, der Pan ſeyn fol. Den Mond zeigen die Bilder, melche 
yanden find, keineswegs, fondern vor ihm fteht Lotus auf einem Altar, 
ber das Zeichen des Erzeugtfeynd, der Geburt oder Fruchtbarkeit ift, 
hinter ihm zwei Bäume auf einem Geſtell, jo daß dad Vorgeben von 
ı Monde, der nirgends als ein Bild des Khem erfcheint, eitel ſeyn 
nte. Nicht unmahrfcheinlich ift es, daß die Aegyptiſchen Prieſter ſich 
em Gotte weihten, wovon Diodor (1. 88) alſo fpridt: ven Bod 


aus Chemmis gewefen und feyen nach Hellas gefchifft, und fle zählten dann 
von biefen bis auf Perfeus die Gefchlechter ber. Als er nach Libyen 
gegangen, um das Gorgohaupt zu holen, fey er nach Chemmis gekommen, 
babe den Namen der Stadt von feiner Mutter gewußt, feine Verwandten 
erfannt, und die Kampfiviele würden ihm auf fein Gebot gefeiert. Durch 
welche Berhältniße es gefchehen, daß ein Hervencult des Perfeus, oder wen 
immer bie Aegypter für denfelben ausgaben, nach jener Stadt gefommen fey, 
wird uns von Niemand gemeldet, Heroencult aber war nicht bei den 
Aegyptern, und Herodot (2. 50) fagt ausdrücklich, daß er ihnen fremd fey. 
Wenn daher die Aegypter in Chemmis wirklich) den Heros Perfeus mit 
Zodtenfpielen gefeiert hätten, fo würden fie aus uns ganz unbefannten 
runden eine ihrem Göttercult durchaus fremde und fogar widerfprechende 
Feier veranitaltet haben. Auch von einer Warte des Berfeus nach ber 
Bolbitinifchen Nilmündung, worauf die Feſtung der Milefler folgte, vers 
nehmen wir durch Strabo (801), und diefe läßt fih aus der Nähe eines 
Griechiſchen Ortes erflären. 


76 Der Hegyptifhe Pan. Mendes. Khem. 















verfegten fie wegen des Zeugegliedes unter die Götter, weil er ein 
zeugungdfräftiges Thier ifl. Die Aegyptifchen Priefler aber werben biejem 
Gotte zuerft geweiht. Die meiften weihen auch ihre Bilder mit aufges 
richtetem Zeugeglieve in die Tempel der Gottheit, zu danken für ihren 
Kinverfeegen. Uebrigens ift noch zu bemerken, daß Khem in den Hier⸗e⸗ 
glyphen Ka=mutsef, Gemahl feiner Mutter heißt, grade wie Amun, 
woraus hervorgeht, daß Mut in gleichem Berhältniß zu ihm fland, wie 
in Iheben zu Ammon, wad dem oben aus dem Namen Thmuis 
Beziehung auf Mendes als wahrjcheinlich Gefolgerten gleichfalls vollkommen 
entſpricht. 

Sollten die Griechen dieſen Khem als Pan erkennen, (Griechiſche 
Inſchriften an der Straße von Kofjuir nennen ihn den Pan von Thebä) 
fo mußte etwas vorhanden feyn, was dem Amun nicht gehörte, ven ft 
fonft darin hätten erblicken müßen, und wenn wir, von den gefchichtlichen 
Nachrichten in dieſer Sache verlaßen, und nad einer wahrfcheinlichen 
Veranlagung umſehen, fo bietet ſich und nur eine einzige dar, daß nämlid 
der Bock fein heiliges Thier geweſen ſeyn müße. Werbinden wir damit 
die Nachricht, daß die Verehrung des Bocks unter Kaiechos, dem Könige 
aus der zmeiten Thinitifchen Herrfcherreihe eingeführt worden fey, fe 
führt und Dies vielleicht zur Erklärung einer merfwürbigen, geſchichtlich 
nicht aufgehellten Thatſache. ES findet fi nämlich der Name Amuns 
Ra in Denfmälern fo angebracht, daß das Wort Amun an einer Stelle 
fteht, wo vorher ein anderes geftanden hat, welches man weggehauen hat, 
wie auf dem Obelisk des Lateran in Rom. Dazu fümmt, daß auch Denke 
mäler in gleicher Weife die Namen Amenophtis und Amenophis, 
der Thebanifhen Könige von der achtzehnten Dynaftie ebenfo behandelt 
zeigen, indem Amen an bie Stelle eines mweggehauenen Wort3 einges 
graben morben if. Eine Ausmärzung eines Götternamens muß in 
Aegypten, befonders für die ältere Zeit, höchſt fonvderbar fcheinen, da es 
eine Verwerfung der Gottheit, deren Namen vertilgt worven ift, voraus 
fest, da wir Doch fonft die Gottheiten jenes Landes friedlich neben einander 
beftehen ſehen, und feldft erft in ganz fpäter Zeit, ald Aegypten unter 
fremder Serrfchaft ftand, Feindſchaft eingetreten finden zwifchen ven 
Verehrern verfchievener heiligen Thiere und ſelbſt dies nur zwiſchen 
einzelnen Nachbarn, wie es ſcheint mit Hinzutretung oder wohl gar nad 
Boraudgehung anderer Neibereien und Gehäßigkeiten. Man Fönnte nun 
freilich vermuihen, ver verhaßte Typhon fey der Gott gewefen, deßen 
Name andgemärzt worden, aber erftlidh kann man ven Zufag Ra bei 
biefem nicht nachweifen, und wenn dies auch als ein geringerer Zweifel 
gegen eine ſolche Vermuthung betrachtet werden könnte, fo erjcheint doch 
degen Name Seth keineswegs als ein verhaßter, da ihn fonft ver Ptah⸗ 
priefter, weldyer als König genannt wird, (Sethos bei Herodot) ficher 


’ 


Der Aegyptiſche Pan. Mendes. Khem. 77 


nicht geführt haben Fünnte, wie denn auch verfelbe in ver zweiten Dynaftie 
ber Thiniten von dem fünften Könige (Sethene8) geführt ward, fo daß 
weder vor noch nach der Herrichaft der Sirtenfünige ein Grund gewefen 
zu ſeyn fcheint, weshalb man einen Königenamen aus Sethophthis und 
Sethophid umgeändert hätte. 

Bapen wir aber, von jeder fiheren Nachricht und jeder bilvlichen 
Datſtellung, aus welcher ein annehmbarer Schluß gemacht werben Fünnte, 
verlagen ind Auge, daß Mendes⸗Khem und Amun ihrem Wefen nad 
ad Zeugungsgdtter fich gleich fiehen, dag Khems Bild von Amuns 
phalliſchem Bilde nur durch die Infchrift unterfchieden werden kann und 
daß der Name Khem, der Schwarze, als ein Beimort einen Unterſchied 
im Wefen zu. bezeichnen nicht vermag, während es nicht ald ausgemacht 
gelten Tann, Amun oder Amen und Mendes Fünnten nicht der Haupt⸗ 
ſache nah, den gleihen Wortſtamm und die gleiche Bedeutung haben. 
Davon ausgehend, Fünnte man nun vermuthen, ed habe ein Theil ver 
Verehrer des Amun, des Widdergottes, durch und unbefannte Cinflüße 
bewogen, an die Stelle des Widders den Bor ald Sinnbild gefegt und 
fomit eine, wenn auch immerhin Kleine, Veränderung mit ver Verehrung 
dieſes Gottes vorgenommen, und fih in ver. Menveflihen Mark. des 
Namens Men mit dem Zufake von Te bebient, wie in fpäterer Zeit auch 
Men flatt Amen gefunden wird, in Chemmis aber einen Beinamen 
(Khem) vorgezogen, wie in der Thebanifchen Marf Knuphis und Num, 
Kneph vorzügliche Geltung erlangten. Bei dieſer Annahme wäre aud) 
vie Angabe verftändlih, ver Bud fey unter der zweiten Thinitifchen 
Dynaftie zur Verehrung gelangt, ohne daß die Mendeſier der Lüge zu 


: Fihen gewejen wären mit ihrer Angabe, ed gehöre ihr Gott Mendes unter 
die alten acht Götter. Denn es würde jene Nachricht, vie Manethos aus 


den alten aufgezeichneten Ueberlieferungen feines Volks fchöpfte, da zu 


- einer Erfindung diefer Nachricht in fpäterer Zeit durchaus Fein Grund 
: gedacht werden Tann, weil diefe Sache nichts in Aegypten verherrlichen 


fonnte, fich recht gut mit jener Behauptung der Menpefter vertragen. Es 
wäre ja dann ihr Gott ein alter Gott gewefen, nämlich Amun feldft, die 
feine Abänderung aber im Eult wäre und durch jene Nachricht gefchichtlich 
näher beftimmt. Die Verehrer des Widdergottes nun Tonnten bei einem 
ſolchen Verhältniß dahin kommen, in ihrem Gebiete den Namen, unter 
welchem der Gott in Chemmid mit einer Abweichung, die für fle anftöpig 
ſeyn mußte, nicht zu wollen, fo daß fle, um recht deutlich zu zeigen, daß fe 
die vorgefommene Veränderung nicht gelten ließen, an den Bildern, wo 
Khem fand, den Namen tilgten und Amun dafür hinfeßten, und eben 
ſo in ven Königdnamen auf ven Denfmälern verfuhren. Dies Tann erft am 
Ende der achtzehnten Dynaftie over in einer ver folgenven geſchehen feyn, 
und kann nicht feinen Grund in der DVertilgung des Khem = cults gehabt 


78 Der Aegyptiſche Pan. Mendes. Khem. 



















haben, denn berfelbe beitand ja bis in bie fpäten Zeiten herab, wohl 
aber ift e8 erflärlih, vap eifrige Thebaner die Königenamen in ver 
Denkmälern Änderten, um biefe Könige dem wahren Amun ganz zum J 
eignen, indem fie die Verehrung dieſes Gottes unter einem andern Sins 
bild ald dem des Widders nicht anerfennen wollten und daher ver 
Beinamen, unter welchem er die Verehrung ale Bod erhielt, verftichen. 
Uebrigens heißt der phallifche Amun aud) Amun=» Khem, und wenn anf 
Amun den Beinamen ded Schwarzen hätte führen Fünnen, ohne varım 
gerade mit dem Gotte zu Chemmis in einem Zufammenhange zu fliehen, 
fo ift diefe Benennung do zu dem Uebrigen, was dieſen Zufammenhamg 
glaubwürdig macht, hinzugenommen, nicht als beveutungslos zu überfchen. 
Mie Amun Ra, Sonne genannt wird, fo auch Khem in mandıs 
Legenden, und eben fo beißt er in zmei hieroglyphiſchen Legenden Sohr 
der Sonne, was gerade fo viel ift, denn mit der Benennung Sonne ode 
Sohn der Sonne wird einer ald König bezeichnet, da dieſe Titel bey den 
Aegyptern allgemein dieſe Geltung hatten. Wenn er nun audh in eine 
Legende Sohn der Iſis genannt ward, fo ift Iſis ald Mut genommen, 
und allerdings hieß fie fo, und da Amun und Khem den Namen Kamul 
oder Kamutef führen, Stier der Mutter oder Gemahl feiner Mutter, 
ift die Angabe, er ſey Sohn der Iſis ganz übereinflimmend mit viefem 
Verhältnip. 

Infchriften an der Straße von Koffair enthalten Gelüßse dem Khem 
geweiht, deren Griedhifche Ausvrüde ihn ven Pan von Theben nennen, 
woraus man ebenfallö deutlich erfieht, daß zwifchen dem phallifchen Khem I 
und dem phallifhen Amun eine Einerleiheit angenommen ward, vie 
jedoch allerdings etwas zu weit gieng, da der Bodgott nicht Thebifg Fi 
genannt werden darf, weil Widder und Bock beide fihieden. An ver 
Straße von Koffair ift Khem auch fperberföpfig (db. 1. als König) mit 
den Ammonsfedern, doch dieſe Darftelung ift Eeine gewöhnliche, und 
dazu ift fie aus ungewißer Zeit. 

Läßt man dieſe Erflärung der Verhältniße gelten, dann haben wir 
einen Zeugungsgott, der mit der großen Mutter, die Alles gebiert, zeugt, 
und welcher unter dem Sinnbilde des Widders verehrt ward, flatt deßen 
aber ein Theil der Verehrer dad Sinnbild des Bockes annahm, wodurch 
eine Spaltung bewirkt ward, die zwar nicht auf die zu Grunde Tiegende 
Idee und die menfchliche Darftelung des Gottes einwirkte, jenoch für den 
äußeren Schein zwei Gottheiten darbietet. Als ein Zeugegott ver Pflanzen 
welt wird Khem dadurch bezeichnet, daß feine Bilder von Bäumen und 
Pflanzen begleitet find, und ferner erfcheint ver König vor ihm und bringt 
ihm Kräuter des Bodens dar, auch fleht man venfelben vor ihm abgebilvet 
mit einer Senje in ver Hand, mähenn, fo wie er auch vor ihm pflügt. 
Bei dem Schreine des Gottes finvet fih ebenfalls ein Baum, welcher fih 





Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäſtos. 70 


ch in dem hieroglyphiſchen Namen Aegyptens, der mit dem des Khem 
reinfam, findet, denn Aegypten hieß, wie auch Plutarch (33) bemerkt, 
emi, dad Schwarzland, wegen feined fruchtbaren ſchwarzen Bodens. 
ch heißt Khem Ka-mut-utetra, Gemahl der Mutter, gezeugt von Ra. 
Die Griehifhe Infchrift zu: Panopolis, welche aus ver Zeit des 
fer Trajan ftammt, nennt den Pan und die Triphis die Hauptgott⸗ 
ten Des Ortes, und Wilkinfon (1. Serie 2. 265) nennt dieſe Göttin 
5 feine Tempelgenogin in der nach ihr benannten Stadt Athribie. 
je Göttin ift loͤwenkoͤpfig, und da wir die Lömenföpfige Göttin auch 
i, d. i. Mutter, benannt finden, fo ändert viefes durchans nicht die 
geftellte Anfiht von dem Weſen Khems und feinem Verhältniße zu 
Aegyptifchen Göttin Mutter. Der Tempel der Triphis zu Athribis 
r in der Ptolemäer Zeit gegründet, ober erweitert, und in der Nömers 
t ift ebenfalls daran gearbeitet worden, mie fi) aus ven Infchriften ergiebt. 


Ptah, Phthah, Der fogenannute Hephäſtos. 


Memphis, die Hauptſtadt von Unterägypten, hatte zum Hauptgotte 
en Ptah, oder nach Memphitiſchem Dialekt Phthah, welchen die Griechen 
ephäftos nannten, als ob er ihrem Feuergotte gleiche, und zuletzt wurde 
gar Teichtfinnig behauptet, Phtha beveute im Aegyptiſchen das Feuer, 
ie man aus des Clemens geiftlihen Reden (9. 6) erſehen kann. Diefes 
er ift fo wenig wahr, daß man nicht einmal fagen kann, diefer Name 
y Aegyptiſchen Urfprungs, denn es findet fi} in dem, was von ber 
eguptifchen Sprache erhalten ift, Fein Wort, womit er im Zufammen- 
ng ftehen Fünnte. Dagegen bietet und vie Sprache der Semiten ein 
ort dar, woher er ver Form nach nit unrichtig abgeleitet würde, 
mlich das Zeitwort patach, welches bedeutet: „hat geöffnet.” Sehen 
ir nun zuerft, was Herodot, der ältefte Berichterftatter, welchen wir über 
efen Gott Eennen, melvet. Er jagt (2. 99): Mened, ver erfte Künig 
n Aegypten, der Erbauer von Memphis, habe daſelbſt dad Heiligthum 
8 Hephäftos erbaut, welches fehr groß und merfwürbig ſey. Sefoftrid 
eißt e8 2.110) ftellte vor viefem Tempel Bilder auf, zwei verfelben, ihn und 
ine Frau darftellend, die er wegen feiner Rettung bei PBeluftum weihte, 
aren dreißig Ellen hoch, die aber feiner vier Kinver jedes zwanzig Ellen 
ob. König Rhampfinit, fo erzählt er weiter (2. 121), baute ven meftlichen 
Sorhof und ſetzte diefem zwei Säulen gegenüber, fünf und zwanzig Ellen 
ob, und die eine, die im Norden fteht, nennen die Aegypter Sommer 
nd beten fie an und thun ihr Gutes, Die andere, welche im Süden fteht, 
eißen fie Winter und thun ihr das Gegentheil. (Um viele Erklärung 
erſtehen zu fönnen, muß man, fheint ed, annehmen, daß die nörbliche 
u Saden, Die fünliche nach Norden gejehen habe.) Dann baute Kinig 


so Ptah, Phthah, der jogenaunte Hephäftos. 


Aſychis, fagt Herodot (2. 136), wie die Priefter angeben, die dſtliche Vor⸗ 
halle, welche bei weitem bie fhönfte und größte iſt, Amafis aber (2. 176) 
weihte ven fünf und flebenzig Fuß langen Koloß, welcher vor dem Tempel 
auf dem Rücken liegt, und auf derſelben Bafls ftehen zwei Koloffe, jever 
über zwanzig Buß hoch aus Aethiopiſchem Stein, der eine auf dieſer, ber 
andre auf jener Seite des Tempelgemachs. Wir jehen hieraus, wie die 
Aegyptiſchen Könige den Tempel dieſes Gottes die Reihe ver Zeiten hin 
durch ehrten. Auch Strabo (S. 807) erzählt und von einem aus einem 
einzigen Stein gearbeiteten Koloß in dem Dromod (d. i. der Lauf, bie J 
Bahn) vor dem Tempel und fagt, in dem Dromos würden Stierwettfämpfe 
veranftaltet und ed würden Stiere zu denfelben unterhalten, wie man fonf 
Roße zu Wettkämpfen halte. Loßgelaßen flürzten fie zum Kampfe, und 
der für den Sieger erklärte erhalte ven Preis. War nun Phthah ber 
Gott von Memphis, wie Amun der Gott von Theben, fo fommt er doch 
auch häufig in dem übrigen Aegypten in Verbindung mit andern Göttern 
vor und in Nubien hatte Phthahei oder Tiphthah, d. i. Phthahwohnung 
(iegt Ghirſche-huſſan) feinen Namen von diefem Gotte, der daſelbſt ein 
von Ramſes dem Großen geweihtes Heiligthum hatte, welcher König 
dort Sohn des Phthah und der Hathor hieß. \ 

Ueber die auf den Denkmälern noch erfichtliche Geftalt nes Gottes 
erzählt Herodot (3. 37): Kambyfes (der und ald raſend gefchilvdert wir) 
kam auch in das Heiligthum des Hephäſtos und verhöhnte ſehr deßen Bil. | 
Das Hephäftosbild aber ift ven Phönikiſchen Patäfen ſehr ähnlich, welche | 
die Phönifer auf den Vorbertheilen ihrer Triremen mit ſich herumführen J. 
Sie ftelen einen Pygmäen vor. Er ging auch in das SHeiligthum ber 
Kabeiren, wohinein zu geben feinem außer dem Prieſter erlaubt ifl, um F 
die Bilder derſelben verbrannte er auch, nachdem er vielen Spott damit 
getrieben hatte. Auch viefe find dem Hephäſtos ähnlich und follen Söhne I 
deſſelben feyn. 

Eine weitere Kunde über vie Geflalt und das Weſen des Phthah 
haben und die Griechen und Römer nicht überliefert, und fo müßen wir 
zu erratben fuchen, welcher Gott er gewefen ſey und warum ihn bie 
Griechen mit ihrem Hephäftos verglichen und fogar für dieſen Veuer- um 
Künftlergott ausgegeben haben. Weder zeigen bie auf den Denkmäler 
befindlichen Abbildungen auch nur die allergeringfte Spur, welche und 
bei ihm auf einen Feuergott führen Eönnte, noch bat die Meberlieferung 
irgend ein Wort aufbewahrt, welches auf einen Feuergott *) oder einen _ 





*) Zwar fagt Synkellos, daß Manethos angegeben habe, Hephäflst 
(Ptah) fcheine bei Nacht und bei Tag, und Habe darum Feine Zeit insbe 
fonbere, diefes ift aber ein Deutungsverfuch aus der Zeit des erften Ptole⸗ 
maͤus, welcher durch nichts unterflügt wird. 

\ 


Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäſtos. 81 


zott der Künſtler ſchließen ließe. Deßhalb ſind wir nicht berechtigt, ihn 
arum, weil es den Griechen paßend geſchienen hat, ihm den Namen des 
ephäſtos beizulegen, für eine Gottheit des Feuers zu halten. Sie thaten 
ie8 wohl darum, (und oft ſehen wir bei ihnen für ſolche Benennungen 
emder Gottheiten geringe Aehnlichfeiten genügend) weil fie in ihm einen 
tnbeiren erblidten, (melche fie mit ven Patäken fpäterhin für eins hielten) 
md Die Kabeiren ald Hephäſtiſch erkannten. Sie hätten ihn, Eünnte man 
agen, dann einen Kabeiren nennen follen, da doch Hephäſtos gar nicht die 
Beftalt eines Patäfen hat. Dagegen aber ift zu bemerfen, daß es galt, 
ie Griechifchen Hauptgottheiten in Aegypten zu finden, wobei die Negypter 
efällig halfen, und fo mußte denn der Patäfe Hephäftos felbft feyn, und 
tabeiren im innern Seiligthum, vie aber Herodot gefeben zu haben nicht 
ehauptet, zu Söhnen haben, von ähnlicher Geftalt wie die des Vaters. 

Bei der Aehnlichfeit des Namens und der Geftalt zwiſchen Phthah 
md den Phönikifchen Patäken, kann fein Zweifel über die nahe VBerwand- 
[haft dieſer Gottheiten feyn. Daß das eine Wolf viefelben von dem 
andern entlehnt habe, bezeugt Niemand im Altertum, und es wäre aller- 
dings nicht unmöglich, daß Aegypter und Phönifer fie gemeinjchaftlih aus 
einem Duell uralter Vorzeit gehabt hätten, aber wahrſcheinlich ift es nicht, 
fondern der Name und die Bedeutung, welche fie bei ven Phönifern, als 
Hauptſchutzgottheiten auf ihrer Schiffahrt hatten, Tprechen dafür, daß der 
Phthah von ihnen zu den Aegyptern gefommen fey. Die Verhältniße, 
unter welchen dieſes gefchehen ſeyn Fönnte, errathen zu wollen, würde zu 
nichts führen, da die einzige Spur, daß nämlich der mit Phthah in Ver⸗ 
bindung ſtehende Apis unter König Kaiechos aus der zweiten Thinitiſchen 
Dynaftie in Aegypten eingeführt worden fey, *) nicht binreicht, um die 
etwaige Behauptung, zu diefer Zeit fey auch jener Gott zu den Aegyptern 
gebracht worven, zu begründen. Die Aegypter freilich nahmen eine Ein⸗ 
führung dieſes Gotted nicht an, fondern wie fie ihm gleich von ihrem 
erften geſchichtlichen Könige Menes das Heiligtum zu Memphis gründen 
liegen, fo festen fie ihn auch an die Spite ihrer vier und zwanzig Jahr⸗ 
taufende umfaßenden Götterherrfchaft mit einer Zeit von neuntaufend 
Jahren. Wurum fie aber lebtered thaten, wird fich vielleicht aus ber 
Erklärung des Weſens dieſer Gottheit ergeben, wenn dieſelbe nicht unwahr⸗ 
ſcheinlich ſeyn fellte. 

Die Phönikiſchen Patäken waren, fo wird und aus dem Pfeudo- 
Sanchuniathon berichtet, von Cufebius (1. 10), fteben Söhne Sydyk's 


*) Bei Aelian (11. 10) heißt cs, eine nicht Allen befannte Angabe der Aegyp⸗ 
tifchen Bropheten ift die, daß der König Menis nad) einem Thier zur Ber: 
ehrung fuchend, den Stier vorzug als das ſchönſte. Artapanus bei Eufer 
bins (9. 27) fagt: Mephren fey der Einfuhrer des Stiereults geweien, |. unten. 

17/4 6 


82 Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäfos. 


oder Zadyk's, zu denen noch Esmun als achter Fam, welcher mit vem 
Arztgotte AsElepios verglichen ward. Daß bier die Zahl ver Patäfen 
mit fleben als einen gefchloßenen Kreis umfaßend gelten follte, get 
beftimmt au8 dem Namen Esmun hervor, denn diefer beveutet acht, mb 
man würde, wenn der Kreis nicht wirklich fleben umfaßt hätte, nicht wohl 
von einem achten reden Tonnen, dem man auch ein anderes Wefen alt 
den fieben zufchrieb; denn außer Esmun wird Feiner feiner Brüder je wit 
Asflepios verglichen, fo wenig als ihrem Vater Zadyk eine folche Eigen 
Schaft zugefchrieben wird. Das hebräifhe Wort Zadik, der Geredhte, zeigt 
uns, dag die Semitifchen Patäfen, die Kinder der Gerecdhtigfeit waren, 
Dieſes trifft ganz genau mit Phthah überein, neben welchem in ven Abbil⸗ 
dungen auf den Denfmälern die Göttin Da zu fehen ift, und Ma beißt 
im Negyptifchen Gerechtigkeit und Wahrheit. Daß die Patäfen aber Shhne 
der Gerechtigkeit heißen, kann nichts weiter bezeichnen, als daß ihr Weſen 
ein gerechtes ift, fo wie die neben Phthah ſtehende Ma daſſelbe bei ihm 
bedeutet. In den Legenden heißt er Herr der ma, ver Wahrheit md 
Geredhtigkeit, und eben fo nennt ihn Jamblichus (8. 3) den Herrn der 
Wahrheit, welcher in ihm den mit höoͤchſter Wahrheit und Kunft alles 
vollendenden Gott erkennt, welcher als Wächter ver Wahrheit und Wels 
heit, der die Kraft ver verborgenen Begriffe an das Licht bringt, Amun m) 
als MWohlthäter Ofiris heißt. Doch Fehren wir von biefen Träumen zum 
Phthah zurück. Diefer nun wird nicht immer als nadtes Kind Dargeftellt, fi 
fondern erfcheint auch in einer mumienhaften Umhüllung, aus ver ein 
glocken- oder Fapfelartige8 Ding am Naden herunterhängt, was fich auch fi 
bei andern in ähnlicher Umhüllung eben fo findet. Auf dem Haupte trägt 
er eine enganfchliegende Kappe und hält in ver Hand ven fogenanmtn 
Nilmefjer, (d. i. ein Werkzeug mit einer Reihe von gleichmäßigen in vie 
Queere gehenden Abtheilungszeichen), welcher ein Bild ver Beſtaͤndigkek 
war, und fih aud in einer Art der Darftelung des Oftris mit deßen 
Haupt verbunden zeigt. Gerechtigkeit und Beftänvigfeit find Begriffe, 
welche einander fehr nahe treten und bei dieſer Gottheit ficherlich ein 
und diefelbe Hauptfeite ihres Weſens bezeichnen follen. Auch ſteht Pink 
auf einer Elle. Was bedeutet aber die jogenannte Zwerggeſtalt, over dat 
Pogmäenhafte? Betrachten wir die erhaltenen Abbildungen des Phthah, 
welche nadt find, fo ſehen wir nichts weiter als ein mehr oder mind 
dickes Kind, und dürfen in ven Patäfen fowohl, als im Ptah Kinder 
erblidlen, die allerdings Leicht, wenn ihre Formen vol gehalten werden 
und von ungefchidter Sand gefertigt find, wie manches Patäkenbild auf 
Phönififchen Schiffen nicht gerade ein vorzügliches Kunftwerk gewefen fen 
mag, zwerghaft oder pygmäenartig erfcheinen mögen. 

Auf dem Haupte des Ptah finden wir ven Käfer, und diefer gehört 
ihm als eines feiner Zeichen, und Tann mit Sicherheit als noch einem . 







Btah, Phthah, der fogenannte Hephäſtos. 83 


rn Gotte gehörig, nicht nachgewieſen werden. ) Der Käfer galt 
r, daß er eine Eleine Kugel von Erde bilde und dieſe vor ſich Her 
3e, welche Kugel man denn auch, aber erft in fpäterer Zeit für ein 
der Welt nahm, wiewohl wir mit viefer Auslegung das Wefen des 
ı nicht erklären fünnen, da und nichts denſelben ald den Schöpfer 
Biloner ver Welt zeigt, wozu es auch feiner fieben Patäfen in Kinder⸗ 
t bedurft hätte. Diefer Auslegung, die noch obenvrein vorausfept, 
das hohe Altertum die Erde als eine runde Kugel angenommen 
‚ oder gar dad Weltall ald eine ſolche betrachtet habe, da fie doch 
nur eine der fpäteren Auslegungen ift, laßt fich jede andere zur 
e fielen, da e3 fi) darum Handelt, eine zu finden, welche zum Wefen 
Ptah paße und ſich überhaupt als geeignet ergebe. Es kann der 
r, welcher die Kugel vor ſich ber rollt, ein Sinnbild ſeyn des Gottes, 
ber die Sonnenkugel, denn biefe ward als eine runde Kugel dargeſtellt, 
yartö rollt, ver Bewegung des Himmeld entgegen; denn daß vie Sonne 
der Bewegung des Himmels entgegen bewege, ift eine fehr alte Wahre 
wung. **) Grklären wir daher ven Batäfen für ein Kind, weil an 





*) Unter ven heiligen Booten haben Manche zu ihrer finnbildlichen Verzierung 
den heiligen Käfer, überbedt von den Flügeln der beiden Ma; alfo ftellte 
man biefe beiden dem Phthah gehörigen Wefen zufammen und zwar fo, 
daß die Gerechtigfeit das, was der Käfer finnbildlich bedeutet, ſchützte. 

*) Sorapollo (1. 10) fagt: um das Gingeborne zu bezeichnen, oder bie Ent⸗ 
fehung, oder den Vater, oder die Welt, oder den Mann, malen fie den 
Käfer. Das Cingeborne, weil dies Gefchöpf ohne Mutter ifl; denn das 
Mäunchen bildet, wann es zeugen will, aus Rinderfoth eine Kugel von der 
Geſtalt der Welt, die es von Of nah Wet wälzt, felbft nach Oft blickend, 
wie die Welt fih von OR nach Weſt bewegt, während die Sterne ſich von 
Weſt nah Oſt bewegen. Diefe Kugel nun verfcharrt es acht und zwanzig 
Tage lang in die Erde, wie lange Zeit der Mond braucht, die zwölf Himmels: 
zeishen zu durchlaufen. Am neun und zwanzigften öffnet es die Kugel und 
wirft fie in das Waßer; denn an diefem Tage treffen Sonne und Mond, 
meint er, zufammen, und er ift der Geburtstag der Welt, und wann bie 
Kugel im Waßer geöffnet ift, Fommen die Käfer draus hervor. Entſtehung 
bezeichnet der Käfer eben deßhalb, den Vater aber, weil der Käfer nur einen 
Bater und nicht auch eine Mutter Hat; die Welt, weil feine Entftehung 
weltähnlich ift; ven Mann, weil es bei den Käfern Fein weibliches Gefchlecht 
giebt. Der Käferarten aber giebt es drei. Die erfle iſt Faßengeftaltig und 
Reahlenartig, weßhalb man fie der Sonne zum Sinnbild geweiht Hat, und 
es hat auch jeder Käfer dreißig Zehen, wie der Monat dreißig Tage. Die 
zweite Art iR zweihörnig und flierähnlich, welche dem Mond geheiligt ift, 
wie auch die Aegypter das Sternbild des Stiers für die Erhöhung ber 
Mondgottheitausgeben. Die dritte ift einhörnig und von befonderer Geftalt, 
welche fie dem Hermes, gleich dem Vogel Ibis, geweiht haben. Werner 
giebt Horapollo (1. 12) an: um ben Hephäftos (Phtha) varzutellen, malen 

6* 


sa Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäftos. 


jedem Morgen ver Tag neugeboren wird, und nehmen an, er ift der Gott 
des Tages. Plutarch (11) fagt und, daß die Aegyter die Sonne darſtellen 
ald ein aus Lotus neugebohrened Kind, momit fie ven Gedanken hätten 
ausdrücken wollen, es entzünde fi die Sonne aus dem Feuchten. De 
der Lotus das Bild der Entſtehung war, fo beveutet die angegebene Dass 
ftellung nichts weiter, als tie Sonne warb gebohren. Die Aegyptifchen 
Denfmäler zeigen auch wirflid ein Kind auf dem Lotus figend, mit dem 
Binger am Mund, aljo mit ber Gebärvde des Saugens, und bie bier 
glyphiſche Injchrift nennt es Hau, welches Wort den Tag bedeutet, um 
diefes ijt eben jene Darftellung, deren Plutarch gevenft, wobei zu bemerfex 
ift, daß die Benennung Tag zwedmäßiger iſt; denn ed ift ja nicht die 
ursprüngliche Erfchaffung der Sonne gemeint, fondern ihre tägliche Wieder 
geburt, fo daß ver Begriff des Tages dabei beſonders hervortritt. Wie 
nahe übrigens die Auffafung von der immer wieder erneuten Geburt de 
Tages oder der Sonne an jevem Morgen liege, ließe ſich leicht aud dem 
Gebrauch des Ausdrucks nachweiſen; ed mag aber ein einziges Beifpiel 
genügen von einem Dichter, deßen Ausprudsweife befonverd vorzüglich iſt 
Sophokles fagt in ven Tradjinierinnen (94): Helios, welchen vie fterbende 
Nacht gebiert und dann wieder zur Ruhe bringt. 

Nach dieſer Erklärung ift ver Name Patäke, Eröffner, leicht verſtaͤndlich; 





fie den Käfer und den Beier; um Athena (Reith) darzuftellen, den Geier 
und den Käfer, denn die Welt fcheint ihnen aus dem Männlichen un 
MWeiblihen zu beftehen. Diefe beiven Götter aber find allein bei ihnen 
mannweiblih. Plutarch (74) meint, der von den Aegyptern verehrte Käfer 
gehöre zu den dunkeln Bildern ver göttlichen Macht, denn er Habe fein 
Weibchen, fundern thue feinen Samen in ein von ihm felbft gemachte 
Kugelchen, und wälze diefes, indem er es entgegen tretend fortfloße, wie 
die Sonne gegen tie Bewegung des Himmels zu gehen fcheine, vom Unter: 
gange nah dem Aufgange. Well nun der Käfer fein Weibchen hat, fo 
haben, fagt derfelbe (10), die Krieger den Scarabäus auf ihren Ringen ald 
ein Zeichen der Mannheit. Clemens der Alerandriner in den bunte 
Schriften (5. S.237) giebt an: die andern Sterne ftellen fie wegen ihres 
fhrägen Laufes als Schlangen dar, die Sonne aber unter dem Bilde eine 
Kifers, da diefer eine runde Figur aus Rinderkoth bildet und fie mi 
entgegengefegtem Geficht rollt; auch heißt es, er bleibe fechs Monate unte 
ber Erde, die übrigen fechs bringe er auf derfelben zu, und er befame bie 
Kugel und zeuge fo; ein Räferweibchen aber gebe es nicht. Blinius (30. 11) 
fagt: der Käfer, welcher Kugeln rollt, weßwegen ein großer Theil Aegypten 
ihn unter den Gottheiten verehrt, weil er nach Apions Erflärung Aehnlichkeit 
in feinem Thun mit der Sonne hat. — Uebrigens fand man zu Theben 
einbaljamirte Käfer, und dargeftellt fieht man fle mit Köpfen von Menfchen, 
Eperbern, Widdern und Kuhen. Ev hat man auch als Sinnbild den 
Löwen mit dem Menſchen-, Widder- und Sperberfupf gebildet, fo daß man 
zwei Sinnbilder durch Thiere in eins verband. ä 





Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäftos. 85 


r eröffnet nämlih an jedem Morgen den Simmel, welchen die Nacht 
erdeckt, eingehüllt oder verſchloßen hatte Daß auch diefer Begriff ſich 
icht Darbiete, zeigt die Griechifche Dichtung von den Horen, welche ven 
immel, over was vaffelbe ift, ven idealen Olympos, welcher mit Pforten 
rfeben ift, täglih öffnen und wieder verfchließen. Die Patäfenzahl 
ieben erflärt fih auf dieſe Weife ebenfalls ganz leicht, denn fie ift im 
Rient und in Xegypten fchon in einem hohen Alterthum als die Zahl 
ner Zeitabtheilung als eine geheiligte Zahl befannt. Da man nämlich; fah, 
8 ver Mond ſich viermal in je fieben Tagen verändere, aus welchem 
erhältniß fich auch die Zeiteintheilung der Woche gebildet hat, fo ward 
efe Zahl eine geheiligte, und indem man die Patäfen als die täglichen 
immelseröffner als fieben Brüder nannte, hatte man fie al3 die Eröffner 
ler Tage bezeichnet, indem man fie damit zu Göttern aller der jiebentügigen 
eitfreife gemacht hatte. Die georpnete Zeit ift eine feſt beſtimmte Sache, 
we Ordnung iſt eine gefeglihe und Geftändige von einem richtigen und 
nwandelbaren Maafe, woraus fidh erklärt, warum der Grieche die Horen 
u Xochtern der Themis, d. i. der gefeglichen Ordnung madıte, und 
warum Ptah das Bild ver Beitänpigfeit Hat und auf der richtig meßenden 
Elle ſteht; venn die Ele war auch ein Sinnbild der Geredhtigfeit, und 
ie welche der Stolift in ven Aegyptiſchen Feſtzügen trug, hieß grade zu 
Sfle der Geredhtigfeit, fo wie audy die Geredhtigfeit ven Ptah zur Seite 
teyt. Gerechtigreit aber ift mit Geſetzlichkeit in vieler Hinficht eins, denn 
erecht ericheint, was richtig ift, und fo fann man alles, was bei einer 
Sache ald das Richtige angenommen wird‘ ein ©erechtes heipen. So 
ıennt die griechifche Infchrift des großen Sphinx die für Aegypten beite 
Höhe der Nilüberfhwemmung, die gerechte, was nach Griechiſchem Spracdh- 
ebrauch, die richtige beveutet, und Plutarch (43) bevient ſich des gleichen 
lusdrucks von dieſer Suche *). Iſt nun der Patäke das, wofür er 
rklärt werden zu müßen fcheint, fo verfteht man auch leicht eine Benennung 
ed Ptah, welche er in den Injchriften der Denkmäler zu Theben und 
Memphis führt, wo er nämlich der Herr der Panegyrien heißt, d. i. ver 
reißigjährigen Perioden; denn er ift dann Herr der Zeit und aller ihrer 
Beriopden. 

Wie ver Käfer die Kugel vor ſich hermälzt, fo mwälzt Ptah die Sonne 
ver fih ber, der Bewegung ded Himmels entgegen, und die Infchriften 
der Denkmäler fagen von ihm: Ptah, der fein Ei in dem Himmel wälgt. 





*) Dh Letronne in feinem Buche über die Infchriften in Aegypten Recht 
habe, wenn er annimmt, die Elle der Gerechtigfeit, welche der Stolift trug, 
fey die gefeßliche oder richtige Elle, wonach die Niluberfhwemmung gemeßen 
ward, muß dahin geftellt bleiben, wenn glei Sozomenus in feiner 
Kirchengefchichte (1. 8) den Nilmeßer eine Elle nennt. 


86 Btah, Phthah, der fogenannte Hepbäflss. 


Denielben Ausprud finden wir vom Sonnengott gebraucht, denn eine 
Inichrift nennt den Ma ‚Herr der beiven Welten, der in der Sonne 
fcheibe thront, der fein Ei bewegt, der geoffenbaret ift in dem Abgrunde 
des Himmels. Chen fo heißt auch Ra der Herr der Panegyrien. 

Por der Schöpfung der Welt war Feine geordnede Zeit, Kein Tag, 
und erft mit der Orbnung von Tag und Nacht, begann die Ordnung ber 
Welt. Die Mofaiihe Schöpfungdgefhichte fagt: Und Gott ſprach, & 
werde Licht, und es ward Lidht. Und Gott fah, daß das Licht gut wer 
Da ſchied Gott das Licht von der Finfternig. Und nannte das Licht Tag, 
und die Finfternig Nacht. Da warb aus Abend und Morgen der erfe 
Tag. Auch die Heſiodiſche Theogonie wußte nichts Anderes zu fagen, ald 
daß die Urnacht des Chaos ven lichten Aether und den Tag zuerft hervor 
brachte. Der Menſch vermag Fein Erſchaffenwerden zu denken, ohne ben 
Begriff der Zeit, fo wenig als er ein Seyn ohne benfelben aufzufaßen 
vermag, fo daß ihm Leben und Zeit zufammenfallen, und pas Leben fi 
ihm auf das innigfte an den Begriff ver Zeit Enüpft und mit ihn 
verſchmilzt. Tritt nun die Schoͤpfung mit dem Tag, d. 5. mit vem 
Anfang der georoneten Zeit, in die Wirklichkeit, dann iſt es nad ver 
oben verfuchten Erklärung vom Wefen ver Patäfen ganz natürlich, vaf 
man den Ptah an die Spike der Zeit ftellte, als ven erften in der Reihe 
der Götter, welche vor den menſchlichen Königen herrfchten. Daß man 
ihm eine Zeit von neuntaufend Jahren zutheilte, flimmt nicht mit ber 
gewöhnlichen Aegyptifchen Berechnung nach großen Zeiträumen, va fir ſ 
hiezu die Hundfternperiode nahmen, deren fle fiebenzehn auf vie Zeit vor M 
der menfchlichen Serrichaft rechneten. Es ift daher dieſe Zahl wiͤtahrucſ 
angenommen, oder fie beruht auf einer Urt ver Berechnung, und wen |l 
letzteres der Ball ift, fo find zwei Zahlen dabei im Spiele. Die Zahl |r 
drei nämlich bedeutete dem Aegypter die Vielheit, und auf dieſem Grund 
beruhen auch mohl ihre Zufammenftellungen von drei Gdttern in ber 
Tempeln; venn daß mit dieſer Vereinigung nicht immer der Gott, die fi 
Göttin als feine Gemahlin, und zum dritten ein Kind verfelben umfaßt 
wurde, zeigt ſchon zur Genüge die Dreiheit Kneph, Sate und Anuke, 
welche leßtere nicht für eine Tochter jener galt und auch nicht als Kin 
oder als jugendlih zu ihnen gefügt ward. Phthah war Herr der Pane⸗ 
gyrien, d. i. der breißigjährigen Perioden, und nehmen mir die Vielhei 
der Zahl Hundert, d. i. Dreibundert, fo erfüllt die Zeit der Hertſchaft 
des Ptah von der Schöpfung an, gerade den Raum von breihunbert 
Panegyrien. Doch dieſes dürfte nicht die richtige Vermuthung über bie 
Zahl der Herrichaftsjahre des Phthah ſeyn, fondern cher angenommen 
werben können, die Apisperiode von fünf und zwanzig Jahren fey mit ber 
Zahl der Tage des Jahres breihundert und ſechzig, mit Weglaßung ber 
Zufagtage, multiplieirt worden. Ein ſolches Verhaͤltniß würde wenigftend 





Ptah, Phthah, der fogenannte Hephäftos. 87 


für den Gott, welchem der Apis gehörte, geeignet geweſen feyn, fo daß 
er ein ganzes Jahr von Apisperioden regiert hätte. Wenn dies auch nicht 
bie Abficht gewefen feyn follte, den: Phthah gerade neuntaufend Jahre 
zuzuſchreiben, fo bliebe es dann allerdings einigermaßen auffallend, daß 
viefe Zahl eine begründete Berechnung zuläßt, von allen übrigen aber, 
welche den Goͤttern und Halbgöttern zugetheilt werven, Feine auf bekannte 
Berechnungen zurüdgeführt werden kann. Auf Ptah folgt in ver Götter« 
herrſchaft Ra, ven Andere auch geradezu an die Spige ftellten, eine 
Anficht, welche mit der von Ptah als dem zuerft herrfchenden Gotte 
genau genommen, auf eins herauskommt; denn e8 foll ja nichts weiter 
mit beiden ausgenrüdt werden, ald daß die Schöpfung mit dem Kichte 
begann, mit welchem die Zeit gefchaffen ward. Die aber, welche Phthah 
zuerft herrichen ließen, nannten nur den Ra feinen Sohn *), ver nad 
ihm geherrfcht Habe, welche alfo die Sonne zu einen Sohn des Tages, 
des Lichtes machen, und diefe Anſicht würde ſich recht gut mit der Mofai- 
ſchen Schöpfungsgefchichte vertragen, welche auch zuerft das Kicht und 
vurch daſſelbe den Tag erfchaffen läßt und die Schöpfung der Sonne fpäter 
fegt, mie auch der Grieche in Apollon und Ares und der Römer im 
Mars Lichtgötter befaßen, die nicht eigentliche Sonnengdtter waren. Mußte 
die Schöpfung mit dem Tage beginnen, weil der Menfch eben fo wenig 
ein Etwas ohne geit wie ohne Raum zu denken vermag, fo Fann nichts 
natürlicher feyn, als daß Phthah der Vater der Götter heißt, wie er in 
Infhriften genannt wird, (auf ven Heliopolitanifchen Obelist zu Nom 
nach Hermapions Erklärung) denn vor ihm, vor der Zeit konnte es nichts 
geben von beftimmter Form und individuellem Leben. 

Mit der Zeit verknüpft fih dem Menfchen vie Idee des Seynd und 
des Lebens, denn leben ift dad Seyn in der Zeit. Daher werben in ven 
Aegyptiſchen Denkmälern die Jahre eined auf den Palmzweig gejchrieben, 
welcher ald Sinnbild der Panegyrien ein Sinnbild der Zeit war, und 
dieſes beveutete einem gleichlam Lebensjahre zutheilen, wovon unten bei 
Thoth die Rede feyn wird. Der Keim im Mutterſchooße ift an die feftbe- 
Rimmte Zeit gebunden, er entwidelt fih in beftimmter Friſt, tritt zur 
gefeglichen Zeit an das Licht, und lebt fefte, beſtimmte Zeitfriften ala Kind- 
heit, Jugend, bis zum Manned =» und Greijenalter, und ſcheidet, wann er feine 
Reit, feine Jahre erfüllt hat, aus der Zeit und dem Leben. Eben fo 
dad Thier, und auch bei der Pflanzenwelt ift die Wirkung ver feftbe- 
ſtimmten Zeit zu erfennen. Daher ift der Herr der Zeit auch ein Kerr 
bes Lebens, und das Leben felbit erfcheint und wird angefchaut als eine 
Reihe won Zeit. 


*) Auch Cicero in der Schrift über die Natur der Götter nennt den 
Ptah als Vater des Ra (Vulcan als Bater der Sonne). 


Ss Ptah, Apis. 


Mit Ptah ſehen wir in Memphis den 
Apis.) 
verbunden, und wir müßen denſelben in ſeiner Bedeutung, die aus den 
Verhältnißen, welche wir von ihm wißen, erkannt werden muß, mit Ptah 
in Einklang zu bringen ſuchen. Wie der Widder, wie der Bock, ſo iſt 
der Stier ein Sinnbild der Zeugung, der Fortpflanzung des Lebens, weil 
er der Befruchter der Heerde if. Wenn daher neben dem Gotte dh‘ 
Tages, der Zeit, fi) dad Sinnbild der Bortpflanzung findet, fo deutet 
dieſes Sinnbild, der Apis, die Beziehung des Lebens zur Zeit, Ptah gegen 
über ven Apis, die Beziehung ber Zeit zum Leben an. Zuerſt müßen 
wir und verfihern, daß Apis wirklih ein Sinnbild der Bortpflanzung, 
der Zeugung gewefen; denn wenn gleich nichts anders erwartet werben 
zu koͤnnen ſcheint, fo ift er doch anders gedeutet worden. Die ficherften 
Gründe zur Erfenntnig folder mythologifchen Dinge finden wir in ven 
Gebräuchen, weldde in Beziehung auf fie beobachtet wurden. Hören wir 
daher, was und Tiodor (1. 85) erzählt: nach der Beftattuug des tobten 
Apis, fuchen die Priefter, welche dazu beftimmt find, ein Kalb, welches 
die nämlicyen Zeichen bat, wie der vorige, und wann fle es gefunden 
haben, fo läßt das Volk von der Trauer ab. Die Priefter aber, denen 
die Beſorgung defjelben obliegt, führen das Kalb zuerft in die Nilftadt, 
in welcher fie e& vierzig Tage lang füttern, dann thun fie ed in ein mit 
einem Gemache verſehenes Schiff, in welchem ein vergolvetes Häuöchen 
ift, und führen es wie einen Gott nad) Memphis in ven heiligen Bezirk 
des Hephäſtos (Solinus 132. nennt hundert Vorfteher, welche das Apiskalb 
nah Memphis bringen, doch Plinius, welchen Solinuß in dem was er 
über den Apis fagt, ausgefchrieben hat, melvet diefes nicht.) Während ver 
vorbenannten vierzig Tage, dürfen ed die Frauen fehen, vie fich vor dad 
Kalb ſtellen, und ihre Kleiver aufhebend, ihm ihre Schaam zeigen, 
hernach aber Dürfen fie nie wieder dieſem Gotte vor Augen Eommen. 
Diefe Meldung Diodors ift das Entfcheidenpfte, was uns über den Apis 
überliefert worven ift, abgerechnet feine Zufammenftelung und enge Vers 
bindung mit Ptah. Der derbe Brauch der Frauen zeigt ihn als Sinnbild 


*) Unter Kaiechos ward Apis nebſt Mneuis und dem Mendeſiſchen Bock zuerft 
verehrt nach Manethos bei Synfellos. Artapanus bei Eufebius (9. 27) 
fagt, Kephren, der Zeitgenoße des Moſes, habe den Apis zu göttlicher Ehre 
erhoben. Auch wird Diefe Erhebung unter Afeth, den zwei und breißigften 
König, der die fünf Zuſatztage zum Jahre fügte, geſetzt. In der fpäteren 
Römerzeit feheint man Memphis des Apis zu berauben Luft gehabt zu haben, 
denn Spartianus erzählt in dem Leben Hadriang (12), daß unter diefem 
Imperator Streit gewefen fey, wo Apis fich befinden fulle.. — Mumien von 
Stieren, wie von Kühen, hat man häufig zu Theben und anderwärts gefunden. 


Ptah, Apis. 89 


er Zeugung und Fortpflanzung, und es iſt nicht der Vermuthung Raum 
u geben, dieſer Brauch ſei eine Erfindung ſpäterer Zeit; denn er hätte 
uch Da nur entftehen fünnen, wenn man ben Apis ald das genannte 
Sinnbild betrachtete, und falls er es nicht von Anfang an war, iſt fein 
(8 genügend anzufehender Grund zu finden, welcher in fpäter Zeit eine 
olhe Anficht hätte veranlagen Eonnen. Vollkommen damit übereinftim- 
nend ift der Aufenthalt des Apisfalbes in ver Nilftant; Denn nirgends 
onnte das Sinnbild ded Seegend und der Fruchtbarkeit befer zum vollen 
Bedeiben heranwachſen und gleidyfam eingeweiht werven, ald in der Stadt 
es Neilos, von welchen: Aegypten unmittelbar feinen ganzen Seegen empfteng. 

Steht Apis ald Sinnbild der Bortpflanzung und des Lebens in feiner 

Beziehung zu Ptah, dem mahren Einne nad), in Beziehung zur Zeit, fo 
ag es nahe, das Leben vefjelben mit Der georoneten Zeit zu verbinden, 
nd eine Zeitorpnung, melche ſich ungefähr mit demſelben vertrug, mit 
bm zu verfnüpfen. Daher gab ed eine beſtimmte Friſt, über welche 
hinaus er nicht leben durfte, wie und Plutarch meldet, welcher (56) fügt, 
daß der Apis fünf mal fünf Jahre zu leben habe. Dies ift vie fünf und 
zwanzigjährige Apisperiode, welche ſich als Periode der Philippifchen Aera 
in ven Ptolemäiſchen Handtafeln (109) findet, fo wie im fechöten Buche 
des Almageft Tafeln find zur Berechnung ver mittleren Neu- und Voll: 
monde, weldye fünf und zwanzigjährige Räume umfaßen. Dieſes bezieht 
fi) auf die Monpphafen, die nach ſolchen Zwifcyenräumen wiederum aufs 
Neue mit den nämlichen Tagen des Uegyptifchen Jahres für längere Zeit 
zufammentrafen. Daß aber viefe Periode auch fonft beachtet ward, zeigt 
und vie Zahl der fogenannten KHermesfchriften bei Manethos, welcher 
diefelbe auf 36,525 angiebt, d. i. die fünf und zwanzigfache Summe der 
Hundäfternperiode. Die nämlihe Zahl wird den dreißig Dynaftien 
Aegyptens in hundert und dreizehn Gefchlechtern zugetheilt in der angeblich 
alten Ehronif bei Synfellos, und in diefer großen Zeit fol vie Bewegung 
des Thierfreifed vom Anfang des Widders bis wieder zurüd zu dieſem 
erfolgen. Das legtere Fann in älterer Zeit auf Zeitbeftimmungen in 
Aegypten nicht gewirft haben, venn die Bewegung des Thierfreifes, oder 
die Vorrückung der Nachtgleichen wird ald von Hipparch entdeckt angegeben, 
un für eine frühere Entdeckung liegen Eeine Bemeife vor. 

Die ältefte Nachricht über ven Apis ift die, welche und Herodot (3. 153) 
geht. Er fagt von dem Könige Pfammetichos: dieſer hat zu Memphis 
dem Apis einen Hof erbaut, worin dverfelbe, wann er erfcheint, ernährt 
wird, und der Hof ift ganz mit einem Säulengang umgeben und vol 
Bilder, doch flatt auf Säulen zu ruhen, ift derfelbe auf zwölf Ellen hohe 
Kolofie geftügt. Dann (3. 28) meldet Heropot, was man ihm über den 
Ayis erzählt habe, er fey nämlidy ganz der Griechifihe Epaphos, und ſey 
dad Kalb einer Kuh, die noch nicht im Stande fey, eine andere Frucht 


90 Ptah, Apip. 


zu empfangen, ein Strahl des Himmels aber berühre fie (felten wirb er 
gebohren und zwar durch himmlifches Feuer empfangen, jagt Pomponins 
Mela 1. 9), und davon gebähre fie den Apis. *) Diefes Kalb Kat 
folgende Zeichen: es ift ſchwarz und hat einen vieredigen (wenn es nid 
etwa bat heißen follen, einen dreiedigen) weißen Fleck auf der Stirme, 
auf dem Rüden aber das Bild eines Adlers, im Scweif zweifache Haar 
und einen Käfer auf oder an der Zunge Plinius (8. 71) aber fagt, 
der Käfer ſey unter der Zunge. 

Daß man in einem Fleiſchgewächſe an oder unter der Zunge einen: 
Käfer erblidte, wozu gewiß eine beveutende Nachhülfe der Einbildungs 
Eraft erforderlich war, Eonnte nur daher fommen, daß der Käfer dem Ptah 
gehörte, fo daß man meinte, ver Apis des Ptah müße denſelben ebenfahs 
haben. Was aber das von Herodot erwähnte Bild des Adlers auf vem 
Rücken des Apis betrifft, welches freilich nur von einer ftarfen Einbilnung 
Eraft darauf entvecft werden Fonnte, wenn man es durchaus fehen wollte, 
jo laͤßt fi) dagegen ein Zweifel ausfprechen. Im Befige der Miß Roger? 
befindet fih ein Apis von Bronze mit einem dreiedigen Fleck auf ber 
Stirne und der Sonnenfcheibe zwifchen den Hörnern, welcher vier Streifen 
von Verzierungen hat, die von dem Rüden an beiden Seiten über ven 
Leib ſich erftreden, wie man aus der Abbildung bei Wilkinfon fehen kan 
(Sitten und Gebräudhe des alten Aegyptens 1. Serie 2. ©. 349 um 2. 
©. 113). Auf zweien dieſer Streifen nun findet fi der Geier mit 
ausgebreiteten Schwingen, keineswegs aber der Adler, ven wir bei ben 
Aegyptern nicht ald Sinnbild einer Gottheit zugegeben oder verehrt finden. 
Er hätte bei dem Apis nicht einmal die Hieroglyphe für den Anfang 
feines Namens ſeyn Fünnen, da der Name des Aplerd mit einem a beganı, 
welches er daher vorftellen Eonnte, der des Apis aber mit einem h, bem 
Aegyptifch heißt er Hapi. Herodot Eonnte über dieſen Punkt fich ſelbſt 
um fo eher täufchen oder getäufcht werben, ald ihm, dem Hellenen, ber 
Adler ein Vogel war, den er leicht für heilig erfannte, wogegen der Geier 
in diefer Hinficht ihm fremd erfchien. Diefe Sache aber iſt nicht fo geringe 
fügig, dag fie etwa unferer Betrachtung nicht werth wäre; denn war 
wirklich der Adler ald ein Bild auf dem Rüden des Apid angenginmen, 
dann ift es für uns völlig unverflänplich, Liegt aber bei Herodot eis ‘ 
Täuſchung zu Grunde, und bat und das erhaltene oben erwähnte Bild in 
dem Geier nicht ein fpäter untergefchobenes, ſondern ſchon zu Herodot 
Zeit gültiges Apiszeihen aufbewahrt, wofür alle Wahrſcheinlichkeit ſpricht, 


*) Lucian fagt in der Schrift von den Opfern profaifcher und natürlicher, 
man wähle den Apis aus einer Rinderheerde, wo man einen vorzüglid 
fhönen und ausgezeichneten finde. Auch nennt ihn diefer Schrifieller den 
größten Gott der Aegypter. 





Ptah, Apis. o1 


fo ſtimmt dies vortrefflich mit dem Weſen des Apis überein, denn der 
Geier bezeichnete den Aegyptern die Mütterlichkeit, und hieroglyphiſch wird 
die Benennung des phalliſchen Zeugungsgottes Khem, Gemahl oder Stier 
der Mutter durch das Bild eines Stiers und eines Geiers dargeſtellt, 
welche ausdrücken: Ka-mut d. i. Stier der Mutter. Indem nun der 
Stier Apis das Bild des Geierd auf dem Rüden trägt, tft Stier und 
Mutter gleichiam vereinigt, und das Sinnbild der Zeugung in feiner 
ganzen Vollkommenheit bargeftelt. (Horapollo (1. 12) wie ſchon oben 
bemerft worden ift, nennt den Hephäftos (Ptah) felbft mannmweiblich und 
fagt, man male ven Käfer und Geier als fein Sinnbild zur Bezeichnung 
dieſes Verhältnißes. Die Denkmäler beftätigen zwar feine Darftellung des 
Ptah ala Geier oder mit dem Geier, aber dieſe Angabe eined nur mit 
Vorſicht zu gebrauchenden Schriftftelers darf und zur Beſtätigung des 
Geiers am Apis dienen.) Jene Hieroglyphe des Stierd und Geiers, indem 
fie ven Gott als mit der Mutter zeugend dbarftellt, zeigt aber auch im 
Allgemeinen, daß der Stier den Aegyptern ein Sinnbild der Zeugung 
und Befruchtung war. Auch die ſchwarze Barbe des Apis hat Beziehung 
auf Fruchtbarkeit, denn Aegypten hieß das fchmarze Land, und fein ſchwar⸗ 
zer Boden war ver fruchtbare, weßhalb auch der Gott der Zeugung und 
Fruchtbarkeit Khem, vd. i. der Schwarze, hieß. So wenig daher eine Kuh 
in Aegypten getödtet werden durfte, meil fie ald Sinnbild des Gebährens 
und Lebensſeegens geheiligt war, eben fo wenig durfte ein ſchwarzer Stier 
getöptet werben, und es mußten fogar die Stiere, weldde man opfern 
wollte, zuvor unterfucht werden, weil man feinen opfern durfte, der auch 
nur ein ſchwarzes Haar an fi hatte. Herodot (2. 38) erzählt darüber: 
Die (ſchwarzen) Stiere glauben fie dem Epaphos (Apis) heilig, weßhalb 
fie viefelben prüfen, und wenn man auch nur ein wenig ſchwarzes Haar 
an einem findet, fo gilt er nicht al8 rein zum Opfer. Der dazu verord- 
nete Priefter unterfucht pas Thier, wobei ed aufrecht geftelt und auf ven 
Rüden gelegt wird. Auch zieht er ihm die Zunge heraus, um zu fehen, 
06 fie frei jey von den Zeichen, vie fle nicht haben darf (nämlich ob fi 
nicht der Käfer daran finde, welchen Apis hat). Auch vie Haare des 
Schweifes unterſucht er, ob fie fo gewachſen find, wie fie feyn follen 
(d. h. ob fie nicht denen des Apis gleichen, denn der Stier, welcher dem 
Wis in einem Merkmal glich, galt als Theilhaber feiner Heiligkeit, und 
durfte nicht getöbtet werben). *) 





*) Die in den Sculpturen vorfommenden Stiere zum Opfer fowohl, wie zum 
Ehen, find ſchwarz und rothgeflecht, im Widerfpruch gegen Herodots Angabe. 
Daß Herodot in einer folden Sache als Augenzeuge der Hegyptifchen 
Gebräuche ſich getänfcht haben fullte, oder daß er in einer Sache, wobei ihn 
zu Häufdjen für bie Megypfer gar Fein Grund zu denken if, betrogen worten 


92 Ptah, Apis. 













Stellt man den Apis als Sinnbild der Zeugung mit dem Geier, dem 
Sinnbild der Mütterlichkeit, auf dem Rücken, dem Ptah zugefügt, als 
Memphitiſchen Cult zur Vergleichung mit dem Thebiſchen zuſammen, fs 
muß ſich einem gleich vie innere Einerleiheit verfelben aufpringen. In 
Theben ift der zeugende Ammon, der ein Kı= mut, ein Stier der Mutter 
heißt, mit Mut, d. i. der Mutter, zufammengeftellt. Was Stier u 
Geier in Memphis bedeuten, Zeugung und Mutterfchaft, ward in The 
durch zwei menfchliche Geftalten dargeftellt, und wie in Memphis Ptah 
ein Zeitgott in Beziehung zu der Zeugung und Geburt fteht, weil die 
Entwidelung des Keimd im Mutterfchooge und in der ganzen Natur an 
eine gefegmäßige, feftbeitinnmte Zeit gebunden ift, bis er zum Leben an 
das Licht und in Die Reihe der Tage, Monden und Jahre tritt, vie ihm 
auch zugemeßen find, fo fteht neben Ammon und Mut Khonfo in Theben, 
mit dem Zeichen der Beftändigfeit, und ganz wie ein Ptah dargeſtellt, 
welche Darftelung fchon beweißt, daß er in derfelben vie Idee des Ptah 
ausdrücken fol. 

Nach Herodot ward befonverd ein mondförmiges Zeichen am Als 
hervorgehoben, metches zu erwähnen dieſer Gefchichtfchreiber entweder nicht 
der Mühe mwerth hielt, oder nicht vermochte, weil es zu feiner Zeit noch 
nicht beftand. Daß uber die Zeichen des Apis in fpäterer Zeit gehäuft 
wurden, läßt fich nicht bezmeifeln. Plutarch (43) giebt an, der Apis fey 
dad befeelte Bild des Oſiris, und er entſtehe, wenn dad zeugenve Licht 
des Mondes die brünftige Kuh treffe, und darum babe ver Apis auch viele 
niondförmige Zeichen, vie ſchwarz umgeben feyen. Plinius (8. 71) nennt 
an der rechten Seite einen weißen led von der Geftalt des wachſenden. 
Mondes, und Ammianus Marcellinus (22. 14) fagt: dieſes fey unter den 
verfchiedenen Zeichen dad hauptſächlichſte. Doc Strabo (808) melde, 
lange nad SHerodot nur von einem weißen Fleck auf der GStirne und 
einigen weißen Flecken an dem Körper. Jedoch Aelian in feiner Natur 
geſchichte (11. 10) fagt, die Aegypter flimmten nicht mit Herodot um 
Ariftogorad über die Zeichen des Apis überein, fonvdern behaupteten, e& 
feyen deren neun und zwanzig, die fie auf die Sterne, die Nilüberfchwens 
mung, die Geftalt ver Welt u. f. w. zu deuten verftünden. Der Scholiaf 
des Ptolemäus weiß fogar von dem Wunder, daß ver Schweiß des Api 
mit dem Monde wuchs und abnahm; denn nicht bloß follte der Apis mit 
dem Dfiris in Verbindung ftehen, fondern man deutete ihn auch in 
Beziehung zum Monde. Diodor (1 21) giebt an, vie allen Aegypten 


fey, ift nicht anzunehmen, fondern wir müßen uns diefen Wiederfpruc fo 
erflären, daß wir die Farbe in diefen Sculpturen nach Belieben ohne 
Ruckſicht auf den heiligen Brauch für das Auge der Natur gemäß gewählt 
anfehen. 


Ptah, Apis. 93 


heiligen Stiere Apis und Mneuis feyen dem Oſiris geweiht, denn der 
Stier fey für den von Oſiris erfundenen Aderbau fehr nützlich. Bei ver 
ſtönigsweihe zu Memphis heißt es fogar bei dem Scholiaften des Germa- 
nicus, freilich einem fpäten Gewährdmann, werde dem Apis das Joch aufs 
jelegt und er damit geführt. Etwas fonderbar muß ed und fcheinen, daß 
bei den vielen Nachrichten über den Apis, dieſe fich fonft bei Feinem 
Schriftfteller findet, wa® und aber nicht berechtigt, fie geradezu für eine 
Erfindung zu halten.) Andere aber wollten, da der Stier Mneuis in 
beliopolis, d. i. Sonnenftadt, verehrt wurde, dieſer fey der Sonne geweiht 
ind Apis dem Mond, wie Theoppret in feiner dritten Rede an die Griechen 
agt, womit Ammianus Marrelinus (22. 14) übereinftimmt. Bei Eufebius 
3.13) beißt es, er fey dem Mond geweiht und trage Zeichen der Sonne 
nd des Mondes an fi, feine ſchwarze Farbe nämlih und der Käfer 
ınter der Zunge feyen die Zeichen der Sonne, der Halbmond an ihm 
das Zeichen des Mondes. Es ift Daher nicht zu verwundern, daß man 
bei jolchen Deutungen den Mneuid zum Vater des Apis, d. h. gemißer- 
maßen die Sonne zum Vater des Mondes *) machte, wie wir bei Plutardh 
(33) leſen, daß der dem Oftris heilige Mneuis (Plutarch blieb, wie man 
fiebt, dem Dfiris in Hinficht auf die heiligen Stiere treu) ald Vater des 
Apis galt, daß er auch ſchwarz geweſen und dem Apis zunächſt verehrt 
worden ſey. Warum aber ver Sohn den Vater an Ehren überragt habe, 
und das befeelte Bild des Oſiris, dem ja auch der Mneuis geweiht gewefen 
ſeyn follte, in höherem Grade war, als fein Vater, weiß uns Plutardy 
nicht zu fagen, und Doch ward dieſe Angabe durch das Verhältniß des 
Ra und Ptah zu einander nicht begünftigt. 

Auch Diodor (1. 8) giebt an, man fage, die Seele des Oſiris gebe 
in ven Apis über und wandere immer von einem Apis in den andern 
folgenden, und deßwegen werde er fo fehr verehrt, und dazu bemerft er, 
e8 werde noch vieles Andere von ihm erzählt, was Alles anzugeben zu 
weitläufig fey. Weber die Art, wie diefer Stier zu Memphis behanvelt 
ward, berichtet Plinius (8. 71), verfelbe habe zu Memphis zwei SHeilig- 
thümer, Gemächer genannt, vie dem Volk zu einer Weißagung dienten; 
denn wenn er bei feiner Ankunft in das eine gehe, fo fen vied eine 
glüdliche Vorbeveutung, gehe er aber in das andere, fo fey es ein fchlimmes 
Yichen. Den Leuten, fo fährt Plinind fort, weißngt er die Zukunft 
durch, daß er Sutter aus ihrer Hand annimmt, und Germanicus, **) 





*) Freilich bei Macrobius (1. 21) ift Apis ein Bild der Sonne, und dem 
Porphyrius bei Eufebius (3. 13) ift er wohl Sonne und Mond, wo nicht 
noch mehr, da er die Zeichen von Sonne und Mond an fi trägt. 

**) Auch Beipaflın befuchte den Apis, wie wir aus Suetonius’ Leben deſſelben (5) 
fehen, und Wlerander der Große opferte, fagt Arrian in. der Beichreibung 


9a Ptah, Apis. 

























deßen Sand er verfchmähte, ſtarb nicht lange nachher. (Lutatius zu dei 
Statius Thebais [3. 478] giebt an, es weißage der Apis die Zufunft pure 
die Bewegung feines Körperd und durch gewiße Zeichen, und Die 
Laertius [8. 9] erzählt eine Gefchichte ungefähr wie vie des Germanicus: 
Als nämlich Eudorus mit dem Priefter Ichnuphis zum Apis am, Tedig 
ihm dieſer ven Mantel, woraus die Priefter weißagten, er werbe b 9 
werden, aber fein hohes Alter erreichen. Wann er, der fonft n 
öffentlich zu fehen ift, ſich öffentlich zeigt, machen ihm Diener Play, uch 
es begleitet ihn eine Schaar von Knaben, die ein Lied zu feiner Ehr⸗ 
fingen, und wie plöglih von Begeiſterung ergriffen, weißagen fie Zukinfe 
tiges. Einmal im Jahre wird ihm eine Kuh gegeben, und es beißt, Dieg 
ebenfalls mit befonderen Zeichen verfehen, werde an dem nämlichen Tage 
wie Apis, gefunden, und flerbe an dem nämlichen. Jaͤhrlich wirft mad 
zu Memphis in die Phiale, d. i. die Schaale, wie eine Stelle im Mi 
heißt, eine goldene und eine filberne Schaale bei ver Geburtätagsfeier dab 
Apis, welche fieben Tage dauert, wobei das Wunber ftattfindet, daß bir 
Krokodile dieſe Zeit über Niemand antaften, die aber am achten Tage 
nach der fechsten Stunde ihre Wiloheit wieder befommen. Daß ver Api 
übrigens die Ehren, die man ihm erwies, verachtete, bemerkt Plutarch im 
Leben des Kleomened (©. 821) und wir haben feinen Grund, bares 
zu zweifeln. 

Ob vieler fpäte Bericht eines Romers vie Verhältniße genau des 
Wahrheit gemäß enthalte, kann bezweifelt werben, doch im Allgemeinen | 
darf man ihn nicht der Unwahrheit zeiben; denn daß der Apis auh a 
ben Bereich der Weißagung gezogen war, ſehen wir auch von Anbers & 
berichtet. Aelian fagt, daß Knaben vor feinem Hetligthum fpielend mr A 
Springend begeiftert mit Rhythmus Zukünftige prophezeien. Pauſaniati 
aber (7. 22) erzählt von ver Hermes» Weißagung zu Pharä in Achaia, 
ver davon Weggehenve halte fih die Ohren zu, und nehme, wann eꝛ 
berandgefommen und die Ohren wieder freigelaßen, die erfte Stimme, die 
er höre, ald Weißagung, und fol eine Weißagung fey auch in Dem 
Heiligthume des Apis bei den Aegyptern. Da es auch jonft in Aegypten 
vorfam, daß man auf die zufällig geiprochenen Worte von Knaben, wenn 
fte an heiliger Stätte waren, achtete und fie als Vorbeveutungen anſah, 
fo mag die angegebene Weißagung durch die Knaben darauf hinauslaufen. 

Strabo erzählt und: Es ift ein Hof vor dem Verſchluße des Apif, 
in melden Hofe ein zweiter Verfchluß fich befindet für die Mutter dieſes 
Stiered. In diefen Hof laßen fie den Apis zu gewißer Zeit, und befon- 


des Zugs defielben (1. 3) zu Memphis fowohl den andern Göttern, als 
auch dem Apis, und veranftaltete einen gumnifchen und muflfchen Wettkampf. 
Leider aber fagt ex uns nicht, was Alexander vera Anis qenhfent Kat. 


Ptah, Apis. 95 


vers, um ihn den Fremden zu zeigen; denn man fleht ihn ſowohl durch 
bie Thüre in dem Verfchluß, ald auch, wenn man will, außerhalb deſſelben. 
Doch wann er ein wenig in den Hof herumgefprungen ift, thut man ihn 
wieder in feinen Aufenthalt. Sein Heiligthum Tiegt aber bei dem bes 
dephaͤſtos. Aelians Erzählung (11. 10) flimmt nicht in Allem genau 
‚wet denen der Anderen überein, fie lautet nämlich alfo: Wann fich bei 
kn Aegyptern der Ruf verbreitet, ver Gott Apis fey gebohren, fo geben 
He von den heiligen Schreibern, bei welchen die Kenntniß feiner Zeichen 
wm Bater auf den Sohn vererbt, dorthin und errichten eine nach Oſten 
gefehrte Wohnung, worin fie ihn vier Monate lang mit Milch nähren. 
M er nun ſoweit herangewachfen, dann lommen beim Neumond die hei« 
Ngen Schreiber und Propheten, machen ein heilige Schiff und führen 
in auf demfelben nach Memphis (Hundert DVorfteher begleiten ihn in 
tefe Stadt, fagt Solinus 32), wo er eine angenehme Wohnung, Tiebliche 
Aufenthalts- und Spielpläge hat (Eudokia befchreibt fogar feine Krippe), 
md wo Wohnungen fchöner Kühe für ihn find, die er befpringt, wann 
er will. Auch iſt ein Brunnen dort und ein Duell für ihn, denn er 
wird wit aus dem Mil getränkt, weil deßen Waßer fett macht und er 
nicht fett ſeyn fol (was auch Plutarch 4 meldet). Herrlich aber wird 
mit Aufzügen, Opfern u. f. w. die Erfcheinung des neuen Gotted von ven 
Hegyptern gefeiert, der aber, in deßen Heerde er gebohren ift, gilt für 
Räcklich und wird bewundert. Die Aegypter vergleichen ven Apis mit 
Dros, dem Urheber aller Früchte und deuten auch feine Zeichen auf die 
Mannigfaltigkeit verfelben. Auch fonft noch fabeln fie Manches über ihn, 
jagt Aelian, eben fo wie Diodor. Wenn fie einen Apis fanden, fagt 
Ammianus Marcellinus, weißagten fie daraus Fruchtbarkeit des Feldes 
und mandherlei Gutes. 

Es iſt oben bemerkt worden, daß der Apis nur fünf und zwanzig 
Jahre leben durfte; dieſes aber meldet und zuerſt Plutarch, und wir haben 
anfer ver Apispetiode nichts, was dieſe Nachricht betätigen Ehnnte. Darum 
it fie aber nicht gerade zu bezweifeln, nur find wir nicht berechtigt, viefes 
Todten des Apis dem höheren Altertfum Aegyptens zuzufchreiben, fondern 
mäßen es dahin gefehlt ſeyn lapen, ob es ein uralter ober ein fpäter ein« 
gefährter Brauch geweſen fey. Diodor zwar erzählt (1. 84): als Ptole⸗ 
wind Lagi Aegypten in Beſitz genommen hatte, flarb der Apis vor Alter 
m Memphis. Der, welcher die Beftattung zu beforgen hatte, verwandte 
de dafür vorhandene bedeutende Summe darauf und borgte noch fünfzig 
Eilbertalente dazu von Ptolemäus. Diodor hat offenbar nichts von dem 
für ven Apis fefgefebten Alter gewußt, denn wenn man ihn bei ber 
Erreihung des fünf und zwanzigften Jahres töbtete, fo konnte man von 
dem früher fterbenven nicht jagen, er fey vor Alter geftorben. Auch Hero⸗ 
dot wußte nichto davon, benn das Toͤdten eines fo heiligen Thiered vote 


96 Ptah, Apis. 





















für ihn merkwürdig genug geweſen, um es zu melden. Doch folgt natürlich 
nicht daraus, daß es nicht dennoch hätte ſtattfinden können, ohne zur 
Kenntniß Herodots oder Diodors zu gelangen. 

Ueber die Beſtattung des Apis meldet Plutarch (35), welcher dag 
Bild des Oſiris in demſelben und in dem Oſtris den Dionyſos erblickte, 
und fagt, er wolle zwar das Geheime nicht enthüllen, was aber die Pr 
öffentlich bei ver Beftattung des Apis thun, wann fie feinen Leichnam 
einer Faͤhre bringen, fey nicht vom Bacchiſchen verfchieden, denn fie Hängk 
Rehfelle um, trügen Thyrſusſtäbe und fchrieen und bewegten fi, wie 
von Dionyſiſchem Orgiasmus Ergriffenen. Liegt hier nicht, wie es af 
gewiß fcheint, eine Täuſchung zu Grunde, fo wäre diefer Aufzug 
Griechiſchen Einfluß jo geftaltet worven; denn das Rehfell war 
priefterlihe Umbüllung der Aegypter, fonvdern dad Leoparpfel. 
nun fcheinen die Griechen mit ihrer Nebris verwechjelt zu Haben, weil fe 
an ihren Dionyfod dachten, wozu fie dann der Vollftändigfeit wegen den P 
Thyrſus fügten, flatt degen bei dem Aegyptiſchen Aufzug nur Palmzweige Wi 
oder Lotus feyn konnte. Plinius giebt und die Art an, wie der Ay 
getöptet worden feyn fol, indem er jagt, derſelbe dürfe eine beftimmie 
Zahl von Jahren nicht überleben, fey dieſe erreicht, dann werde er getöäte 
durch Untertauchen im Duell der ‘Priefter, und es werde bis zur Auffiw 
dung eines neuen getrauert mit gefchorenem Haupte, doch pflege man balı 
wieder einen neuen zu finden. Ammianus Marcelinus fügt hinzu, and ii 
bie Kuh des Apis werde zu gleicher Zeit getüdtet. Als einen Brauch der a 
Apisbeftattung berichtet Diodor (1. 96), Hermes führe nad) einer alten 
Einrichtung die Leiche des Apis wohin, und übergebe fie dann einen 
welcher die Maske der Karberos habe. Wenn wirklich ein ähnliches 
fahren eingehalten worden ift, jo müßen wir annehmen, Anubis Habe 
Leiche der T=am (Te- uom) d. i. der Berjchlingerin, denn dieſe verg 
man mit den Kerberos, übergeben. Paufaniad (1. 18) jagt: bei ven 
Aegyptern find viele Tempel des Serapis, den glänzenpften haben bie 
Alerandriner, der ältefte ift zu Memphis, in welchen weder Fremde, noch J 
felbft die Priefter gehen vürfen, bevor fie den Apis beftattet haben, um 
fo ſpricht auch Clemens der Alexandriner in feinen Schriften vermifchten 
Inhalts von der Beftattung des Apis, worauf er Sarapid werde, dem 
darauf läuft Doch die Angabe des Paujaniad hinaus. Mebrigens meldet 
Paul Lucas in feiner legten Reife (1. 345) bei dem Flecken Sacara fleige 
man durch einen Brunnen hinab und komme in unterirbifche Grüfte, wo 
man einbalfamirte Stiere in vergolveten und gemalten Mumienfaften finde. 
Trotz dieſer Nachricht bleibt und ein Zweifel über die Beftattung des 
Apis, wie ed nämlich damit gehalten wurde in vem Falle, daß er ki 
Erreichung des fünfundzwanzigjährigen Alter getödtet wurde, und wie es 
dann mit der Trauer um ihn beichaffen war. 


Ptah, Apis. 97 


Bon Kambyfes erzählten vie Aegypter dem Herodot (3. 27), als er 
‚ah Memphis fam und das Breudenfeft über den gerade angefommenen 
neuen Apis ſah, meinte er, dieſes gelte dem Untergange feines gegen die 
: Immonier audgefandten Heered. Darüber nun fey er fo wüthend gewor⸗ 
vn, daß er dem Apis den Dolch in ven Bauch ftoßen wollte, jedoch nur 
a Schenfel traf, woran aber das Thier in feinem Seiligthume ftarb. 
VBahnfinn fey die Folge feiner Frevelthat gewefen, und fypäter habe er 
ih Beim Auffteigen auf das Pferd mit feinem eigenen Dolch in ven 
Echenkel verwundet, und zwar an der nämlichen Stelle, wo er ven Apis 
ſjerwundet hatte und an biefer Wunde fey er geftorben. Noch übler als 
Rambyfes gieng der Perfiiche König Ochus mit dem heiligen Stiere um, 
sie und Plutarch (11) berichtet; denn er tödtete ihn nicht nur, fondern 
peißte ihn auch, und vergütterte dagegen den bei den Aegyptern verhaßten 
el, wie Aelian (10. 28) angiebt. 

Am Buße der Mumiendedel findet fich zuweilen ein ſchwarzer Stier 
nit dem Halbmond oder einem weißen led an Hüfte, Nafe, um die 
Augen und an den Schenfeln, weldyer einen Leichnam mit einem rotben 
Mantel bevedt fortfchafft, eilig nach ven Weiten. Manchmal ift viefe 
Darflelung an einer in einem Grabe befindlichen Tafel zu fehen. Wilfin- 
fon (1. 359) fah ein Bild an einem Denkmal an der Geite eines Bergs, 
inen Stier mit der Sonnenfcheibe und Federn zwifchen ven Hörnern, und 
yarüber die Injchrift „Ptah-Sokari-Oſiris,“ der Gott des Weften, von 
ver entgegengelegten Seite eine vom Berg herfommenvde Kuh mit einem 
ihnlichen Kopfſchmuck und den langen Hörnern, wie fie Athor gemöhnlich 
yat. Ueber viefer aber findet ſich ver Name ver Iſis als Infchrift. Ptah⸗ 
Safari - Dfiris ift eine Vermifchung von Ptah und Ofiris, wie denn auch 
Ptah in ver Stellung des Oſiris mit den fledigen Kleid des Ofiris um 
die Schultern und dem Federnſchmuck mit der Sonnenfcheibe auf dem 
Saupte, zwei fogenannte Kufuphafcepter in den Händen über der Bruft 
haltend, abgebilnet worven iſt (bei Wilkinfon Tafel 23, wo Ma neben 
vem Ptah fteht). Gerade wie auch Sarapis, jedoch ohne flediges Fell 
und mit Geißel und Krummftab vargeftelt if. (Bei Wilfinfon Tafel 31) 
Gleicht nun in diefer Darftelung Ptah dem Oftris, fo gleicht dieſer wiever- 
um jenem, indem er auch mit dem Zeichen ver Beſtändigkeit auf dem 
Saupte dargeftelt ward, wie auch Ptah im Bilde zu fehen ift, und zwar 
fo, daß dieſes Zeichen ſelbſt über fein Geficht geht. Diefer Stier, welcher 
den Todten trägt nad) Welten, d. i. nach dem Todtenreich, ift der Meber- 
ſchrift nach zu urtheilen ver Apis des Ptah, und dieſem Gotte wird eine 
Verbindung mit dem Tode zugefchrieben. Da er Herr der Zeit und bed 
Lebens in der Zeit ift, fo ift es natürlich, ihn, ohne ihn gerade zu einem 
Todedgotte vorzugsweife zu machen, mit den Ende des irpifchen Lebens 


in Verbindung zu bringen, und weil in der Aegyptiſchen Mythologte Med 
IN. 7 




















98 Ptah, Apis. 


bei dem Tode aufer der DVerfchlingerin Tam oder Teuom auf ein neue 
Leben deutet, den Stier des Ptah, ald Sinnbild der Bortpflanzung u 
des Lebens den Geftorbenen zum Leben im Amenti bringen zu lafen, w 
er dem Sinnbild des Gebährens, der Kuh begegnet, die der Iſis, der eig 
gebährenden Mutter gehört, weldye dem Abgeftorbenen immer wieder neun 
Leben folgen läßt. Solche Vermifchungen von Göttern aber, wie bie 
Ptah und Oſiris, treffen nur einzelne Eigenfchaften verfelben, in 
fie übereinftimmen, bemeifen aber nicht eine nähere Verwandtſchaft Ike 
ganzen Welend. Was der Name des Apis bedeute und warum der Stier 
des Ptah venfelben führe, läßt fih nicht mit Gewißheit fagen. Aegyptig 
lautete er hapi und wir finden ‚das nämliche Wort in dem Namen ' 
Nil, hapi-mau, was obngefähr, da das zweite Wort Waßer beveutet, 
viel heißen muß als Herr ver Waßer over ähnliches; ſodann finden wir 
auch einen hapi- Osiris, mit Stierfopf und dem Sonnenfreid zwiſchen bes 
Hörnern. Das Aegyptiſche hap heißt richten (koptiſch hap, hep) und d 
fünnte daher wohl hapi Gericht und Richter bedeuten; wie man aber diefen 
Begriff auf den Stier des Ptah, auf ven Nil und den ftierföpfigen Of 
anwenden £önnte, leuchtet nicht ein. Daß dennod der Name hapi damit 
zufammenhängen könne, ift möglich, falls der Begriff des Richters in einen 
weiteren Sinne als ver eined Ordners, Herricherd, genommen worden 
wäre *) Wir thun aber am beften viefen Namen fo lange auf 14 
beruhen zu lagen, bis fich eine unzweifelhafte Erklärung veffelben entdecken 
läßt. Ueber die berührte Verbindung der Idee des Todes mit Ptah fol 
am Ende dieſes Artikes noch ein Wort folgen. 

Kehren wir zum Ptah zurüd, fo dürfen wir der Erzählung Heron 
(2. 141) nicht vergeßen, da fie den Schein haben kann, und über 
weitered Sinnbild des Ptah zu belehren. Unter den Königen näm 
weldye aus dem Prieſterſtande auf den Thron gefegt wurden, befand 
Sethos, der MPriefter des Hephäſtos. Diefer behandelte, fo lautet de 
Sage, die Krieger geringfchäßig, und nahm ihnen ihre Xänvereien. As 
nun aber Sanadharib, der König der Araber und Aſſyrer heranzog und 
bie Krieger nicht fechten wollten, gieng er in feiner Noth in ven Tempel 
des Gottes, und Elagte demfelben feine Rage. Darüber fdhlief er ein mu 
träumte, der Gott trete zu ihm heran und ermuthige ihn, gegen Wr 
Beind zu ziehen, denn er werde ihm helfen. Im DBertrauen auf dieſt 
Traumerfcheinung machte fi) der König mit den Uegyptern, die ihm treu 
blieben, auf und zog nach Pelufium, wo ver Eingang in das Land if, 


*) Reuvens (lettre 3. p.50) fand in einem Bupyrus erwähnt: Oſor⸗Apis und 
Dior Mneuis, wie er fagt, was aber wohl, wie auch anderwärts das vers 
meinte Oſor, Sefor heißen wird, d. i. Zührer, oder gleiche Bedeutung hat, 
fu daß beide heilige Stiere den Namen des Fuhrers haben. 


Ptah, Apis. 90 


und lagerte ſich daſelbſt mit ſeinen Leuten, beſtehend aus Handwerkern, 
Krämern und den Müßigen des Markts. In der Nacht Fam dann ein 
Heer von Mäufen unter die Feinde, die ihnen Köcher, Bogen und pie 
Handhaben der Schilde zernagten, fo daß viefelben, als fie fih anı andern 
Morgen wehrlos fahen, die Flucht ergriffen. Herodot fah die Bilpfäule 
dieſes Königs bei dem Tempel des Hephäſtos aufgeftellt, welche eine 
Mans auf der Hand trug und mit folgender Injchrift verfehen war: Sieh 
mich an, und ſey fromm. Diefe Erzählung mag erfunden worden fern, 
am die Maus auf der Hand ded Sethos nebit der Infchrift zu erklären, 
wie und denn die Griedyiihe Mythologie des Apollon eine ähnliche 
Grzählung darbietet, um vie Heiligkeit der Maus zn erklären. Wiemohl 
zun Mumien von Mäufen und Ratten gefunden worden find, fo fennen 
wir doch nur ein Beifpiel von ver Seiligfeit der Mäufe in Aegypten, 
and zwar nur der Spigmäufe, welche der Gdttin in Buto heilig waren. 
Kökte Herodot eine Spigmaus in der auf der Hand des Sethos befinplichen 
erkaunt, fo würde er e8 ficherlich bemerft haben, und fo fcheint es eine 
ſolche nicht geweſen zu ſeyn. Sogar aber, wenn e8 eine ſolche geweſen 
wäre, vürften wir fie fchwerlich dem Ptah zueignen und auf eine Verbin⸗ 
bung befielben mit ver Bdttin zu Buto ſchließen; denn weder fann dies 
Thier fonft bei Ptah nachgewielen werden, noch läßt fi) von den, was 
vas Bild des Sethos darbot, geradezu auf den Gott, deßen Prieſter er 
geweien, fchliefen. Somit müßen wir die Maus auf der Hand des Sethoß 
mnerflärt lagen, und können fie nicht mit Ptah als ein Sinnbild einer 
feiner Gigenichaften gelten laßen, fo lange fich nicht ein beßerer Beweis 
dafũr finvet, als vie von Herodot überlieferte Sage. *) Eben jo wenig 
sermdgen wir es zu beftinmen, ob Aelian (12. 7) Recht habe, indem er 
-angiebt, die Aegypter hätten ven Löwen dem Hephäſtos geweiht, weil er 
sin feuriges Ihier fey; denn diefer Schriftfteller einer fpäteren Zeit gehört 


*) In der Bibel wird uns im erftien Buche Samuels (5. 4) erzählt, daß die 
Philifter, als fle den Kindern Ifraels die Bundeslade genommen, und dafür 
durch Bottes Hand an heimlichen Orten gefchlagen wurden, ihre Wahrſager 
befragten, wie fle das Mebel los werden follten, und daß diefe ihnen aufs 
gaben, die Bundeslade zurückzuſtellen und folgendes Schuldopfer dazu zu 
fügen: fünf goldene Aerfe und fünf goldene Mäufe, nach der Zahl der funf 
Furſten der Philiſter; „denn es ift einerlei Plage geweſen über euch Alle, 
und über eure Zürften. So müßet ihre nun machen gleiche Geſtalt euren 
Aerſen und euren Mäufen, die euer Land verderbet haben, daß ihr dem 
Bott Iſraels die Ehre gebet.“ In der vorhergehenden Erzählung ift fein 
Wort von Mäufen, welche das Land der Philifter heimgefucht Hätten, fondern 
einzig und allein von der Plage an beimlichen Orten, und es fcheint au 
bier die Mans eine finnbildliche Bedeutung gehabt zu haben, wie zu Vuto 
bie Spitzmaus ein Sinnbild der Göttin war. 

7* 


100 Ptah, Apis. 






















nicht zu den vorzüglichen Gewährsmännern, und außer ibm meldet Niemand, 
dag der Löwe den Ptah gehört habe. Der Grund, ed fey die feurige 
Natur dieſes Thiered die Urfache diefer Verbindung gewefen, ift in fe 
weit wenigſtens faljch, al8 Aelian den Veuergott meint, was Ptah durch⸗ Mi 
aus nicht war. 
Ein anderes Sinnbild aber fommt weiter bei dieſem Gotte in Betracht ie 
welches vollfonmen zu den oben erörterten Wefen des Gottes vortrefflich 
paßt und durch ein anderes Sinnbild unterftügt wird. Wir finden nämlii; 
auf ven Denfmälern einen frofchköpfigen Gott, welcher einen Käfer übe 
fih, und das Götterfcepter, und das Zeichen des Lebend in den Händeg 
hat (Wilkinfon Tafel 25). Der Käfer ift ein fichered Kennzeichen j 
Ptah, und er gehört, wie ſchon oben bemerkt worden ift, feinem anverek 
Gotte an, welcher als ein eigenthümlicher Gott erfcheint, denn bei va 
vielen Beinamen der Götter Täpt fi) von einem bloßen Namen durchau 
fein Schluß auf einen befonveren Gott ziehen, fondern wir haben öfter 
nur in einem foldyen eine befondere Benennung eines Gottes, vefen 
gewöhnlicher oder allgemeiner Name anders lautet. Darum find wi 
berechtigt, den Ptah anzunehmen, wann uns ein Bild einen Gott mit deu 
Käfer zeigt, e8 müßte denn ein foldyes durch andere Zuthaten und infchrift 
lihe Angaben als entſchieden einen andern Gott darſtellend erfcheinen. 
Diefer Fall Eönnte bei dem frofchföpfigen Gotte allerdings ſtattgefunden 
haben, wenn der Froſch mit dem Weſen des Ptah unvereinbar wäre M, 
Wir finden diefed Thier an ven Palmzmeig des wie Ptah vargeftellten 
Khunfu und an dem des Thoth unten fitend, der Palmzmweig aber frei, 
die Zeit dar, und hat gleihen Namen mit dem Jahr, denn beive heifen 
rempa. Sn fofern nun der Brofch ſtets an dem Bilde der Jahre erfchei 
ift e8 gar nicht gevenfbar, daß er nicht eine Beziehung zu venfelbe 
gleichviel melche, gehabt habe, und da Ptah ver Herr der Panegyrien, 
deren Sinnbild jener Palınzweig mit dem Froſche ift, heißt, und nach der 
obigen Erklärung eine Gottheit der Zeit ift, fo muß der Froſch ale en 
paßendes Sinnbild für ihn gelten. Horapollo fagt, dieſes Thier ftelle ven 
menfdhlichen Embryo vor, *) aber dieſe Angabe feheint eine fpäte Deutung 
zu enthalten und dem alten Aegypten ganz fremd zu feyn; doch Tommi 
für die Sache nichts auf die Richtigkeit oder Unrichtigfeit dieſer Auslegung 
an, denn die Thatſache fteht feit, daß ver Froſch ſtets am Sinnbild ve 
Sabre und Perioden ift, und fich daher für den Gott der Zeit und dei 
Lebens, den Seren der Perioden eignet. Wilkinfon (1. 257) giebt an, 
ein Mann mit aufgehobenen Armen fey dfters ein Emblem des Ptah, 


*) Horapollo (1. 25) fügt: den noch nicht ganz entwicelten Menfchen darzu⸗ 
ftellen, malen fie den Froſch, weil derfelbe aus dem Schlamme des Flußes 
entfteht, fo daß man ihn zuweilen halb Froſch und Halb erdartig fieht. 


Ptah, Apis. 101 


und wenn dies wahr wäre, fo würden bie in der Hieroglyphe des frofch- 
föpfigen Gotted vorkommenden aufgehobenen Arme dahin zu beziehen feyn, 
jener Dann aber trefflich paßen ; denn in den Hieroglyphen bedeutet ein 
Mann mit aufgehobenen Armen, den Panegyrienzweig auf ven SKopfe, 
und auch ohne diefen Zweig, haa-n-rempa, d. i. Freude der Sahre, und 
feine Bezeichnung koͤnnte für Ptah geeigneter feyn. 

Eine Gottheit, welche die Sonnenfcheibe mit dem Uräus auf dem 
Saupte, oder ohne diefe mit dem Käfer über dem Haupte erfcheint, führt 
ben Namen To⸗ra, d. i. To⸗Sonne, alfo To die Sonne, wie Ammon 
auch Ammon=ra heißt, nämlich als König, als Glänzender, Herrlicher, 
mit der Sonne verglichen. To Fann die Welt bedeuten; aber daß viefes 
Wort das nämliche fey, welches in vem Wort Tora enthalten ift, kann man 
nicht behaupten. Er findet fich in den Todtenpapyrus und auf Monu—⸗ 
menten, und bat auch die Inſchrift To-Nute, d. i. der Gott To, fo wie 
er auch Vater der Bdtter genannt wird und in einer Barke ſich 
befindet. Diefelbe Benennung hat auch Ptah, und nehmen wir ven Käfer 
dazu, fo fühlt man ſich veranlaßt, Tora für einen der Namen des Ptah 
zu halten. 

Der Patäke Phthah erfcheint gewöhnlich grün, doch auch weiß, und 
Champollion im Pantheon (1. Tafel 8) giebt drei Bilder des Phthah— 
Sofari, gelb, die rechte Hand an die Peitſche erhoben und mit der linfen 
den Phallus haltend, während das eine dieſer Bilder neben ven Menfchen- 
fopf noch den Sperberfopf hat mit den Widderhörnern, der Sonnenfdheibe 
und den Federn über den Köpfen. Das Halten des Schaamglievdes erklärt 
Sorapollo (2. 7) als das Bild ver Enthaltfamkeit, und es iſt nicht zu 
bezweifeln, daß dieſe Deutung richtig ſey, weil die Geberve des Haltend 
geeignet ift, Hemmung auözubruden. Die gelbe Farbe iſt den Göttinnen 
eigen, aber durchaus nicht den Gettern, und wir finden diefelbe noch bei 
einem Amun, von weldhem Champollion im Pantheon (1. Tafel 5) eine 
Abbildung gegeben hat nach einem Bruchſtücke eined Manufiript3 des 
Herrn Duboid. Diefer ift ein blauer Käfer, der zu feinen Flügeln noch 
die Sperberflügel hat, nekit einem gelben Krokodil- und Löwenfchwanz, 
gelben Menfchenbeinen, vier gelben Menfchenarmen, den einen nach der 
Beitfche haltend, mit einem andern Kufufafcepter vereinigt mit dem foge- 
nannten Nilmeßer und ven Zeichen des Lebens, menſchlichem gelbem 
Kopf, gelben Wipverhörnern mit Sonnenfcheiben und Federn darauf, auf 
welchen fich der Uräus befindet. Diefe wunverliche gelbe Mifchfigur hält 
nun ebenfalld das Glied mit einer der linken Hände. So ſehen wir denn 
diefe in der Zeugung gehemmte Figur mit der Farbe der Göttinnen darge— 
fellt, und in jenem wunverlichen Mifchbilde Phthah und Amun zu einem 

Wefen zufammengewirrt, ftatt daß Phthah gleih Khunfu neben Amun, 
deßen Zeugung unter ver Obhut und dem Einfluß des Phthah ſteht, hätte 


102 Ptah, Api—s 











geſtellt ſeyn ſollen. Was man damit bezweckte, die Zeugung bei Ans 
und Phthah gehemmt darzuſtellen, und ob es damit zufammenbänge, 
fie mit der Farbe der Göttinnen, gleihfam in unmännlichem Stande 
gemalt wurten, ift und unbefannt. Der Phthah⸗-Sokari, als weiße Figw, 
fteht audy auf der oben angegebenen Tafel auf einem Krofopil, bat 
Käfer über dem Kopfe, und hält zwei Schlangen in den beiden A 
Bei ver mannigfachen Anwendung des Sinnbilvded der Schlange läßt 
fih nicht mit Gewißheit angeben, was fie in den Armen des P 
Sokari bedeute. 

Wir haben nun zum Schluß noch Figuren zu betrachten, welche 
bie Patäken erinnern durch ihre kleine zwerghafte Geſtalt. Kinder aw 
Größe, mit lockigen Bärten, thieriſch abſtehenden Ohren, haͤßlich aufge⸗ 
ſperrtem Munde und ſchlaff herabhängendem Zeugegliede bieten ſie einen 
widerlichen Anblick dar. Einige find ſogar thieriſch geſchwänzt und tragen 
Meßer in den Händen, wie ſie die Teuom, die Verſchlingerin hat, und 
fo erblicken wir dieſen Zwerg in ſpäter Zeit dargeſtellt, gewaffnet wmit 
Schild und Schwerdt, wie einen Nömifchen Krieger. Um die Idee web 
Todes audzubrüden, hatte man die Teuom gebildet, theils ganz aub 
verfchlingenven Tieren zuſammengeſetzt, theils aus Menſchen⸗ und Thier⸗ 
geftalt gemiſcht. Es iſt daher nicht wahrfcheinlih, daß wir in vielen 
Viguren der häßlichen Zwerge geradezu noch einmal bie Idee des ver 
ſchlingenden Todes haben, noch viel weniger die des Kriege; Denn ein 
gewaffneter, häßlicher Zwerg eignet ſich nicht zu einem Kriegsgott, zw 
welchem es eines Fräftigen Manned over Jünglings bedarf, mochte max 
auch etwa das Wilde und Furchtbare des Krieges durch eine verzerris, 
furdhtbare Gefichtsbildung ausprüden. Daß diefe Figuren außerdem nick 
verfchienene Ideen ausprüden follen, fondern fi ſämmtlich auf eine 
beziehen, wie die verfchiedenen Darftellungen ver Teuon auch nur eins 
und dieſelbe Idee zur Erſcheinung bringen können, ift durchaus wahr⸗ 
fcheinlih, und dann muß das fchlaff herabhangende Zeugungdglien ale 
für die ausgedrückte Ivee nicht unmefentlich in derſelben feine genügende 
Erklärung finden. Nehmen wir vie SKinvergeftalten ver Aegyptiſchen 
Mythologie, fo finden wir nur den jungen Horus ald Kind und außen 
ihm die Sonne ald jungen Tag bei Plutarch, fo wie ven hau, dem Aag 
auch dem Namen nah, nebft ven Patäfen, ven Tagen, wie fie oben 
erklärt worden find. Mit den Patäfen nun möchten wohl viefe Zwerge 
in ihrem Wefen zu vergleichen feyn und fi auf bie Zeit beziehen, 
nämlich fo, daß fie die alten Tage beveuten, welche das Leben zu Cube 
führen. War einmal der Tag als ein Kind im bilvlihen Ausdruck feit 
ſtehend, und das Bild des Hau verbürgt diefe Darftellung mit Gewiß⸗ 
heit, fo blieben für vie alten Tage, d. i. die Tage des Alters, in welchen 
bad Lebende raſch dem Tode zueilt, ebenfalls Feine anderen Darſtellungen, 


Ptah, AUpte. 103 


[8 durch ſolche Kinvergeftalten, aber mit den Zeichen des Alters und 
# den Sinnbilvern der Zeritörung verſehen. So erklärt ſich ver alte 
art und das jchlaffhangenvde Zeugeglied ald Zeichen, daß die zeugende 
venskraft erlofchen ift, vie häplichen, fragenhaften Gefichter aber bezeichnen 
3 Widerliche und Drohende ver Zerfiörung durch den Top, worauf auch 
ie Waffen deuten. Sie Fünnen felbft als böfe, angreifenne Feinde 
iſcheinen, gegen welche Feine Abwehr gelingt, und fo liegt der Zwerg 
it dent Schwerbt und Schild, welcher ganz wie ein Krieger auftritt, 
dt außer dem Bereich diefer Idee. Daß eine Mythologie, melche die 
we ver Zeit und des Lebens als einer georpneten Zeitreihe mit dem 
age als dem eigentlihen Wejen ver Zeit und ihrem Maaße, ohne 
eichen man die Zeit nicht zu haben meinte, verband, mit dem Alter 
e Idee alter Tage zu verknüpfen geneigt feyn könnte, kann man nicht 
‚meifeln, und da die fraglichen Geſtalten fo erklärt werden Eönnen, 
beint dieſe Anficht wirklich ftatt gefunden zu haben. Eine andere Auflö« 
ang wird ſchwerlich leicht zu finden fegn, weil für den Top felbft, mit 
xhen Idee dieſe Biguren dann allervingd in einem naben Zufanımenhange 
Reben würden, ohne gerade damit genau überein zu flimmen, eine gınz 
andere Form angenommen worden war, wie denn auch die Zwerggeftalt 
ar denjelben weder geeignet fcheint noch genügend geveutet werden Fönnte. 
tagt man vie hier verfuchte Erklärung gelten, fo hätten wir außer ven 
igentlichen Patäfen nody eine Urt von Patäken, die wie jene Xebend- 
Bottheiten , fo Todeögottheiten find, bei mweldyen die Erlöfchung der Zeuge 
raft angedeutet ift, um zu bezeichnen, daß es dem Ende zu geht, wie 
wi den eigentlichen Patäfen, ver Stier mit dem Geier auf dem Rüden 
teht, ald Sinnbild der Zeugung und ded Lebend. Nimmt man aber das 
hagliche mit Bartloden verſehene Bild für eine Darftelung des Thieris 
hen, und allertings fehen diefe Befichter wie eine Miichung von Men⸗ 
hen und Thiergeſicht aus, fo würvden fie vielleicht richtiger bezeichnet ale 
vie Tage, weldye dad Leben verfchlingen, (denn ihr aufgejperrter Mund 
nöchte bildlich bezeichnen, wad der Name der Verfchlingerin befagt); denn 
vie die Tage das Leben geben und man die Tage durchlebt, fo nehmen 
fe e8 auch, und fie brauditen daher nicht gerade die alten Tage zu feyn, 
Iondern konnten ald allgemeiner gefaßt gelten. Einen verfelben ſehen wir 
wit umgehängtem Lömwenfel, viefes aber zu erklären, fehlt es und an 
eisen ficheren Ausgangspunfte. Zwar ließe ſich der Löwe mit ven PBatäfen 
In Verbindung bringen, und eine fcheinbare Erklärung diefer Erfcheinung 
geben, aber diefelbe fteht zu vereinzelt, fo daß man ſich Feine befonvere 
Wahrſcheinlichkeit von einer Erklärung verfpredyen darf. Auch ift Das 
Alter viefes Bilds, welches ſich auf einem Thongefäß des Herren Käftner 
in Rom finpet, nicht mit Gewißheit anzugeben, und doch möchte das Alter 
bei einer Deutung dieſes Bilds von einigem Gewicht feyn. Uebrigens 






104 Bubaſtis. 


erwähnt Clemens der Alexandriner in den bunten Schriften (5. ©. 242) 
als finnbilvliche Zeichen in der Vorhalle des Amuntempels, ein Knäbe 
als Bild des Entftehens, einen Greis ald Bild des Vergehens, was zw 
wenigften zeigt, daß die Aegypter derartige Ideen in Bildern barftellte 
Bei Wilkinfon (Tafel 43 a) fehen wir ein Bild, welches aus fpäter Zei 
zu flammen das Anſehen hat, enthaltend den jugendlichen Gott mit 
Horuslode, in jeder Hand zwei Schlangen und einen Scorpion, dazu 
der Linken einen Köwen, in der Rechten ein Thier, das einem Reh glei 
oder einem Steinbod. Diefer junge Gott fteht auf zwei Krokodilen, u 
eine Reihe Eleiner Bilder, die Scorpiongdttin Serf, eine Schlange haltern 
Phthah als Patäfe, die Apt, die Nilpferbgättin, haltend Scorpion wi 
Schlange, Neith, Ihoth, Sebaf u. f. w. umgeben venfelben, über feine 
Kopfe aber ift ein Geficht, wie die oben beſchriebenen. Es ſcheint, m 
hat hier ven Horus ald das neue, junge Leben unter dad Bild ver o 
Zeit geftelt, um den Gedanken auszuprüden, daß dad Alter ſtets dur 
neues, junges Leben befiegt und erfegt wird, wie man grell das dl 
Geficht mit der Kinderlocke verbunden ſieht bei Wilfinfon (Tafel A ed) 
Diefer alte, häßliche Kopf würde fih für die fogenannten Typhonier, 
die fich auf Geburt bezogen, und von welchen unten die Rede feyn win; 
Schlecht geeignet haben, wenn nicht dieſe oder eine ähnliche Idee daml 
hätte ausegedrückt werden follen, und doch bilvet diefe Figur die Capitäle in dei 
Typhonien, 3. B. zu Tentyris und fonft. Geſchwänzt findet fich viefl 
Geftalt au, in jeder Hand ein Werkzeug wie ein Meer, aber au 
ohne dies Werkzeug mit einem Kopfſchmuck, wie der ver Anufe, und in 
anbetender Haltung vor dem jungen Horus, und es heißt von ibm, aM 
bete feinen Herrn an. Die Hieroglyphe hat den Namen bs, alfo Bey 
und eined Gottes Befa gevenft Ammianus Marcellinus (19. 12), welde 
fagt, am Ende der Thebais Liegt Abydus *), wo einft dad Orakel ve 
brelich fogenannten Befa war. Da wir aber von diefem gar nichts weiter 
wißen, jo fünnen wir ihn nidyt mit der gefchwänzten Figur, von melden 
hier die Rede ift, für einen und denſelben nehmen, zumal da mir bis 
Bedeutung ded Namens nicht kennen. 













Bubaftis. 


Zu Bubaſtis oder Bubaſtos warb die von den Griechen Bubaftid 
genannte und von diefen mit der Griechifchen Artemis verglichene und 
daher auch Artemis genannte Göttin verehrt, welche nach den Infchriften 


*) Weil Photius den H:ladius einen Befantinoer nennt, fo meint Cafaubon 
zu des Spartianus Hadrian (14), auch Antinvpolis Habe einft den Namen 
Beſa gehabt. 


Bubaſtis. 108 


ıfcht Heißt und jener Stadt den Namen gegeben bat. Daß fte bier 
mittelbar auf den Ptah folgt, gejchieht darum, weil die Infchriften fie 
er⸗Ptah, die den Ptah Liebende, und die Herrin von Memphis nennen, 
d da fich Feine genauere und engere Verbindung mit einer andern 
guptiichen Gottheit zeigt, fo ift die ihr angewiefene Stelle Feine ganz 
waſſende für fie, und vielleicht ergiebt fih aus dem Folgenden, daß ſie 
sflich mythologiſch mit Ptah zufammen gehört. 

Die ältefte Nachricht über dieſe Göttin lefen wir bei Herodot (2. 156), 
(her erzählt: Bei dem Heiligthum ver Leto in Buto ift eine ſchwim⸗ 
nde Infel, Chemmis genannt. Ich fah fie aber nicht ſchwimmen over 

bewegen und wunberte mich zu hören, daß es ſchwimmende Infeln 
e. Auf diefer ift ein großer Tempel des Apollon (Horus) nebft drei 
ären, auch find Palmbäume darauf und andere, Fruchtbäume fomohl 
wilde. Ueber dieſe Infel erzählen die Aegypter, Leto befam den Apollon 
Iſis, um ihn zu bewahren, und barg ihn auf der ſchwimmenden Infel, 
Typhon alles durchſuchte nach dem Sohne des Oſiris. Apollon und 
temis aber fagen ſie, feyen Kinder des Dionyfos und der Iſis, und 
to habe fie gerettet und gepflegt. Auf dieſe Darftelung hat das Beitreben, 
Aegyptiſchen und Griechiſchen Götter als dieſelben zu betrachten, ein= 
sirft, und da die Verbindung von Oſiris und Iſis nur den Jahres— 
jen erzeugte, fo läßt fich bezweifeln, daß Pafcht urfprüngli eine Tochter 

Oſiris war, während fie allerdings zu einer Tochter ver Iſtis ſich 
ren Tonnte. *) 

Ihr Wefen zu beflimmen, haben wir wenige Sülfdmittel, denn nur 
Beftgebrauh und das Thier, welches ihr Sinnbild war, fo wie die 
rgleichung mit Artemis, find dieſe Hülfsmittel, außer welchen wir von 
em Bingerzeig über diefe Göttin verlaßen find; denn ihren Namen zu 
ten vermögen wir nicht aus dem, was von der Xegyptifchen Sprache 
alten iſt. Ihr Feſt gehörte zu ven ſechs großen allgemeinen Veften der 
gupter und wird und von Herodot alfo befchrieben: Wann fie nad 
ibaſtis fahren, fchiffen Männer und Weiber zufammen eine große Menge 
der Gefchleihter in jevem Bahrzeuge. Von den Weibern haben welche 


*) Juvenalis hat fie, wie es fcheint, nicht als Geburtsgättin angefehen; denn 
er fagt in den Satyren (15. 8): Ganze Städte verehren den Hund, Feiner 
die Diana, er müßte denn etwa an die Negyptifche Artemis gerade nicht 
gedacht Haben. Dagegen ſagt Nikarch in der Griechifchen Anthologie: fo 
geht die Verehrung der Bubaflis unter, denn wenn Jemand fo gebähren 
wird, wie diefe, wer Fümmert fi) dann noch um bie Göttin. Ovid (Liebes: 
gedichte II. 13. 19) fagt, Iſis helfe den Gebährenden und fey eine Gilei- 
thyia. Er fann darin Recht haben, ohne daß diefes für die Erflärung ber 
Paſcht irgend etwas zu bedeuten hat. 


106 Bubafte. 




























Klappern und Flappern bamit, und von den Männern blaſen welde 
der Flöte während der ganzen Fahrt, die übrigen Frauen und Mine 
aber fingen und Elatfchen in die Hände. Wann fie aber binfchiffene 
eine andere Stadt kommen, fo ftoßen fie mit dem Fahrzeug an das Zi 
und machen es fo: einige, Weiber tbun, wie ſchon gefagt, andere mi 
neden, indem fte fchreien, die Weiber in der Stadt, andere tanzen, aucupe 
ftehen auf und entblößen ſich, die Kleiver aufhebenn. So madıen fie 
jeder Stadt am Fluße. Wann ſie aber nach Bubaftis kommen, feiern fie 
Veft mit großen Opfern, und e8 wird mehr Iraubenwein dabei verzehrt, 
im ganzen übrigen Jahr, und kommen zufammen Männer und We EI 
ohne die Kinder, an fiebenmalhunderttaufend, wie die Einheimifchen fu < 
Aus diefer Befchreibung gebt hervor, daß das Feſt der Paſcht 
allgemeines, fehr befuchtes und fehr fröhliches war, und daß die WoblE 12 
diefer Göttin eine allgemeine, große und zur Freude flimmenve feyn must 
Der Brauch der Frauen, wie er oben befchrieben if, deutet in fer & 
derben Natürlichkeit auf Kortpflanzung oder Geburt und ein anderer &@4 
defielben ift nicht wohl möglih. Da die Griechen diefe Gottheit als 
mid gelten liegen, fo mußte eine Aehnlichfeit, groß oder Elein, vorbumm 
ſeyn, und wahrlich, die Vergleihung mit Artemis und jener Geftgebnem 20 
flimmen vortrefflich überein: Artemis war durchaus die Göttin der Gewan 
die Schügerin der Frauen, und dieſes galt allgemein in Griechenland, = 
Pafcht, durch jenen Brauch als Geburtsgättin erkenntlich, konnte mit Mi 
vergliden werden. Cine Göttin der Geburt eignet fich zur DVerbinde 
mit Ptah, denn der Herr ver Zeit ift der Herr des Lebens. Der Keim 
im Mutterfchooße entwidelt ſich und tritt an das Licht im Laufe ein 
feftbeflimmten, gefeglihen Friſt. Ptah hat ald Herr der georpneten geſep 
lien Zeit eine große Gewalt über die Keime, die unter ver Obhut de 
Geburtögdttin ftehen, und fo ift Pafcht mit Recht eine Mer⸗VPiah, vos 
Ptah-Liebende, und heißt mit Recht eine Herrin von Memphis, als eim 
dem Ptah innig verbundene, welche Verbindung aber nicht von der M 
ift, daß fie die Gemahlin wäre, mit melcher er einen Seegen für we 
Uegypter erzeugte, denn unter feiner Herrſchaft entwidelt fi ja nur dad 
werdende Leben, welches die Geburtägdttin ſchirmt und glücklich an ie 
Licht fordert, welches ebenfalls dem Ptah gehört, um unter deßen Obket 
die Bahn der Zeitlichkeit zu durchwandern. Paſcht ift fagenfüpfig und die 
Katze war ihr heiliges Thier, und zwar allgemein ein. jehr heiliges Thier, 
wie ed mohl das Thier einer fo wichtigen Oottheit jeyn mußte. Herodot 
(2. 66) erzählt und von demſelben: wiewohl ed viele Handtbiere giebt, 
fo würde ed doch noch mehr derſelben geben, wenn es mit den Kapen 
nit alfo ſich verhielte: Wann die Weibchen geboren haben, Iaufen fie 
niht mehr zu den Männchen, vie deßwegen ven Weibchen die Jungen 
rauben und fie töten, worauf die Weibchen wieder zu ihnen Tommen, da 


Bubaſtis. 207 


Ihier gern Jungen hat. Wann aber eine Beueräbrunft entfteht, 
tes ih alfo mit den Katzen auf wunderbare Weife: Die Aegypter 
aufeinander und geben Acht auf die Katzen, um das Köfchen unbe- 
vie Katzen aber jchlüpfen zwifchen den Menfchen bin und flürzen 
ı dad Feuer. Wann dieſes gefchieht, werden die Aegypter von großer 
rergriffen. Stirbt aber eine Kae von felbft in einem Haufe, fo 
m fih alle Bewohner vefjelben vie Brauen. Die geftorbenen Kagen 
ı in heilige Häufer gebracht und dann einbalfamirt in Bubaſtis 
un. So meit Herodot. Diodor (1. 83) erzählt, wer ein heiliges 
mit Willen töbtet, wird mit dem Tode beftraft, wer aber eine Kabe 
einen Ibis tödtet, ſey es mit Willen, fey es gegen feinen Willen, 
id son der zufammenftrömenden Menge oft ohne Urtheilsſpruch auf 
raufamfte zu Tode gebracht. Darum bleiben die, welche ein ſolches 
hier erbliclen, aus Burcht weit weg von ihm, und rufen laut mit 
gen und DBetheuerungen, daß fie e8 todt gefunden haben. Die 
eEcheu in Betreff viefer Thiere ift jo tief gewurzelt, daß, als König 
Bis von den Römern noch nicht zu ihrem Sreund erklärt war, und 
Bel den aus Italien Anweſenden allen Eifer bewies und bemüht 
um feinen Grund zu einer Klage zu geben, eine burch einen 
getoͤdtete Kae, dennoch einen wilden Ausbruch hervorrief. Wie⸗ 
iefer die Katze nicht mit Willen getödtet hatte, jo ftrömte doch das 
der Wohnung des Thäters zufammen, und weder bie vom Könige 
itten Vornehmen, noch die Furcht vor Nom, vermochten den Mann 
1, was Diodor felbft bei feinem Aufenthalt in Aegypten gefehen zu 
erfihert. Zur Erklärung ver Heiligkeit der Kate leſen wir bei 
ı (63) folgende gefucdhte Deutung: fie ftele nämlih den Mond 
jen ihrer Buntheit, ihrer Thätigkeit bei Nacht und ihrer Brucht- 
denn fie gebähre erft ein Junges, dann zwei, drei, vier und fünf 
n auf einmal bis zu fleben, fo daß fie im Ganzen acht und 
gebähre, welches die Zahl der Tage des Mondmonats iſt. Diefes 
nt Plutarch, vielleicht etwas mythiſch, dagegen ſcheine das ftatt 
1, daß die Pupille der Katze vol und weit werde beim Vollmond 
n wieder ſich verkleinere und an Glanz verliere bei abnehmenvdem 
Terner meint Plutardy (73), die Kabe, die verehrt werde, gehöre 
e dunkeln Bilder der göttlichen Macht und es werde von berfelben 
t, fie empfange durch bad Ohr und gebähre durch den Mund, 
Bild der Rede fei. Zu bemerken ift aber, daß man auch anberb- 
ilſamirte Katzen begrub; denn man hat ſolche Mumien anderwärts 
„ 3.8. bei der von Griechen Artemisgrotte benannten Grotte, wo 
| ein SHeiligthum hatte. *) Defterd auch finden ſich ihre Mumien 


hampollion im. fechsten feiner Aegyptiſchen Briefe fagt, dieſe fogenannte 


108 Bubaſtis. 












zufammen mit einbalſamirten Hunden, te ob wir dieſe Verbindung fi 
zufällig oder aus einer Idee, weldhe beide Sinnbilder verband, 
gangen halten dürfen, iſt ſchwer zu enticheinen, da wir in ver Mothe 
einer Verbindung beider nicht begegnen. 
Wir fennen den Grund nidt, *) weldyer tie Katze zu einem bei 
Thiere gemacht bat, und müßen und vaber an ter Kenntniß biejer X 
ſache genügen lagen. (Vermuthen aber dürfen wir, und fogar mit 
hoben Grave von Wahricheinlichkeit, daß vie Kage ein Sinnbild des Lie 
und feiner Strablen war, und bag fie mitkin ald Sinnbild einer Gi 
diefe mit dem Licht und jeinen Strablen in Beziebung darſtellte. % 
Göttin der Geburt, melde vie Keime reift und die reifgemorvenen au 
Licht fördert, fteht infofern mit dem Lichte in Verbindung, und der Nimm: 
nannte vie Geburtsgdttin geradezu Lucina, d. i. Lichtgöttin. Die näbe 
Erörterung mag unten in der Mythologie des Sonnengotted, wo von 
Ginnbilde des Löwen gehandelt wird, folgen, um die Wiederholung f 
fparen.) Sehen wir in ver Göttin Paſcht durch Feſtbrauch und durch M 
DVergleichung mit Artemis eine Geburtögdttin, und trifft ihre Verbiubung 
mit Ptah fehr gut damit überein, fo dürfen wir annehmen, daß in Arge 
ten die Kate das Sinnbild der Geburtägdttin war, und als foldyes finnes 
wir fie noch einmal, zwar fern von Aegupten, was uns aber zum wenigſten p 
zeigen Eönnte, daß dieſes Thier fich zu einem folchen Sinnbild eigndei 
Allein wenn wir dieſelbe auch fern von Aegypten finden, fo fcheint W 
doch in diefer Eigenſchaft mit der Aegyptiſchen gleichen Urfprung zu haben 
In Theben, in Böotien nämlich, ehrte man die Galinthias, d. i. die Per 
fonification der Rabe, ober des Wiefeld (denn im Griechifchen gaf 


Artemis =» Grotte fey Beni- Haffan -el-aamar gegenüber in ven Felſa 
gehauen, und diefes Heiligthum fey begonnen unter Thuthmofis IV., fors 
gefegt duch Manduei. Es enthalte Bildniße der Bubaſtis und umke 
Begräbniße der Kapen, theils in den Felfen gehauen; eins fey aus der Zeit 
Aleranders, des Sohnes Aleranders des Großen. Bor dem Heiligthum fine 
fi) eine Reihe von Kagenmumien in Matten eingefchlagen und untermißht 
mit einigen Hundsmumien; weiter zwifchen dem Thal und dem Nil in eirer 
den Ebene gäbe es zwei Niederlagen von Kabenmumien in Padeten md 
mit Sand zwei Ruß body, übervedt. | 

*) Wer Bafcht für eine nur den Aegyptern eigene und ihr Sinnbild als vor " 
den Negyptern erfunden anfehen wollte, würde in der Sprache einen Zuſam⸗ 
menhang zwifchen diefem Thier und der Geburt finden; denn chan heiß ' 
gebohren werden und chau die Katze (eben fo schau). Zwar fügt Ste 
phbanus der Byzantiner, die Kage heiße Aegyptiſch Bubaſtos, und 
davon habe die Stadt ihren Namen, ebenfo wie die Göttin; allein biefed 
beruht auf einer irrigen Annahme, wie wir auch oben gefehen haben, daß 
man irrig annahm, Phthas {ey der Name des Teuere. 


Bubaſtis. 100 


Ihe Wort, um Kate, Wieſel, Marder zu bezeichnen) *), als welche vie 
urt des Herakles befördert habe, alfo einzig und allein ald Geburtö- 
n, und zwar fommt fonft in Griechenland feine Spur davon meiter 
noraus man fchließen darf, daß die Kate den übrigen Griechen nicht 
ein folches Sinnbild galt, und daß daſſelbe allein zu Herakles gehörte. 
ſkles in Theben aber war eigentlih der Tyriſche Melkart, von den 
chen Melifertes genannt, ald deßen Mutter man die Kadmostochter 
betrachtete, und keineswegs ein einheimifcher Gott oder Heros, fon- 
er ward auch mit dem Griechiſchen Heros verfchmolen. Diefer 
fart mag auch der Mittelpunkt der Sage von der Gründung Thebens 
, den Phönifer Kadmos ſeyn; denn dieſe Sage hat durch den Melis 
8 wenigftend fo viel Halt, daß ein Phönififcher Cult in Theben 
: abgeläugnet werben Fann, fo wenig ald auf der Infel Thaſos. War 
die Verehrung der Kabenperfonification Galinthiad in Iheben auf 
Torifchen Gott befchränkt, fo dürfen wir annehmen, die Kate habe zu 
lEart, bei den Phönikern in dem Verhältniß geftanden, in welchem 
ſcht zu Ptah bei den Xegyptern fand. Dazu kommt nun, daß die 
iehen im Khunſu der Aegypter den SHerafles erfennen wollten, und 
3 Herodot die Wahrheit zu erforfchen, fich nicht zu dem Herakles, dem 
pen der Dorier wandte, fondern nach Tyrus und nach der Infel Thaſos, 
der Tyriſche Melfart verehrt ward. Diefer Khunfu aber wird ganz 
, gar wie Ptah dargeſtellt und ift mit der Jugendlocke verfehen zu 
un und Mut geitellt, ven Gotte der Zeugung und der Mutter, wie 
ih zu dem Stiere der Zeugung, der das Bild der Mutter an ſich trägt. _ 
iPtah ift hinreichender Grund zu glauben, daß er der Phönififche Patäfe 
‚ und da nun der Name Paſcht ebenfalld aus dem, was wir von ber 
zyptiſchen Sprache wißen, nicht erklärt werden kann, gerade fo wenig 
: der des Ptah, fo möchte daraus zu folgern feyn, daß Pafcht zu Ptah 
dre, und daß die Klage, die auch zu Melfart gehört, in dem Phöni- 
ben Patäkencult einheimifch gewefen ſey ald Sinnbild der Geburt. 
hft fonderbar aber muß es uns bei der gar nicht zu bezweifelnden 
Ben Heiligkeit der Kate vorkommen, wenn Sextus Empiricus (Pyrrh. 
pot. 3. 24) fagt, zu Alexandria fey die Katze dem Horus geopfert 
wen. Daß Paſcht auh Mut, dv. i. die Mutter, in Infchriften ihrer 
ver genannt wird, giebt einen meiteren Auffchluß über ihr Weſen nicht 


*) Plutarch (74) erwähnt, und andere gebrauchen eben der Hegyptifchen Ber: 
ehruug der Katze erwähnend, das Wort gale, welches Kage und Wiefel 
beveutet, indem Plutarch die Kabe nebft dem Käfer und der Avis als 
dunfle Bilder der göttlichen Macht nennt, Porphyrius Kage, Käfer und 
Krofodil Sinnbilver der Sonne, Jamblichus Katze, Hund und Kynos⸗ 
tephalns Ginnbilber bes Mondes. 


110 Bubaſtis. 


an bie Hand. Einen andern Namen derſelben, Menhi *), vermi 
wir nicht mit Gewißheit zu deuten, eben fo wenig wie ihre Bener 

Tuer Heku; denn ed heißt zwar tuer, die Große, aber das letzere Wed 
fann mehrere Beveutungen haben. Ihre Bilder haben entweder bloß 
Uräus auf dem Katzenkopf als Zeichen ver Eöniglihen Wärbe, ober 
Sonnenfheibe mit den Uräus, was dafjelbe in verflärkter Weile aubdri 
Man findet fie auch mit menſchlichem Haupte, mit dem Kopfichuud 
welcher bei Hathor gewöhnlich ift, nämlich der Sonnenfcheibe zwi 

Kuhhörnern. 

Das Heiligthum der Bubaſtis befchreibt Herodot (2. 138) alfo: * 
Eingang ausgenommen, ift e8 ganz eine Infel, denn ed laufen Grk 
aus dem Nil dahin, hundert Fuß breit, mit Bäumen befdhattet, fie lau 
aber nicht in einander, fondern von beiden Seiten nur bi8 an ven Cu 
gang. Die Vorballe ift zehn Klafter hoch und iſt geſchmückt mit fei 
Ellen hohen Bildern, die der Rede werth find. Da das Heiligthum mitte 
in der Stadt ift, wird es überall, wo man herumgeht, gefehen, beun WW 
die Stadt dur Schutt erhöht worven ift, dad SHeiligthyum aber umkege E 
rüht ftehen blieb, wie es von Anfang an gemacht war, fo ift es dem BAR 
ausgefegt. Um daſſelbe geht eine Mauer, in welche Bilder eingehamm i 
find, und innerhalb der Mauer ift ein Hain von fehr hohen Bäumer a 
einen großen Tempel gepflanzt, worin fi das Bild der Böttin befink 
Diefes Heiligthum ift aber ein Stadium breit und eben fo lang, und 
dem Eingange führt ein drei Stadien langer gepflafteter Weg, ver 
Often über ven Markt läuft, vier Pletheen breit mit himmelhohen Bär 
zu beiden Seiten, und verfelbe Weg führt zu dem Tempel des Ser 
Auch einer Weißagung der Bubaſtis gedenkt Herodot (2. 82), jedoch of 
ihrer Ginrichtung, oder der Art, wie man die Zukunft hier erkundete, 8 
erwähnen. Zu Bubaſtis aber war fie nicht allein verehrt, fondern We 
erfcheint auch unter den Tempelgottheiten Thebens und Oberägyptens, u. 
die von den Griechen fogenannte Artemisgrotte hatte von ihr viefen Name 
wo ſie als Loͤwengoͤttin fich zu erweifen ſcheint. Zu Memphis aber iR ſe 
mit Phthah in Verbindung. Zuweilen bat Paſcht in den Hieroginphes 
hinter ihrem Namen flatt der Kape den Löwen, und da bie Aegypter uf \ 
eine löwenföpfige Göttin gleich wie einen löwenfäpfigen Gott hatten, f 
geht aus jener Anwendung des Löwen an ber Stelle der Katze bera, 
dag die finnbilvliche Beveutung beider Thiere eine und viefelbe gemein 
fey. In Brongebilvern, die jedoch häufig einer jpäteren Zeit angehören, 













*) Menhai (wie Wilfinfon den Namen lieft) Fönnte aus ma-n-ha (Ekoptiſch 
hai, hei) entitanvden feyn, fo daß diefer Name von ber Liebe des Gatten zu 
erklären wäre, eine Bezeichnung, welche für eine Geburtsgoͤttin nicht unpaßend 
zu ſeyn Scheint. Doch diefe Namensform kann nicht gelten. 


Bubafis. 111 


iR Paſcht nicht ſelten dargeſtellt mit dem Siſtrum in ber rechten Hand, 
ia ver linfen einen Lowenkopf haltend, über welchem fi) die Sonnen- 
ſcheibe mit dem Uräus befindet, und zumeilen hat fie einen Korb in dem 
Arm. Was fol das Siftrum in der Hand diefer Göttin? Wir Fönnen 
: Neiem Klapperwerkzeug Feine andere finnbilvliche Bedeutung zufchreiben, 
daß es durch feinen Ton die feindlichen Wefen vericheuchen fol, und 
a in der Aegyptifchen Mythologie die feindlichen Wefen, die mit dem 
Gifrum, das vorzugsweife over wohl richtiger allein dem Jſisdienſte 
angehört, Leine anderen feyn fünnen, als die, weldhe das Gedeihen und 
ven Seegen der Natur hemmen, fo muß fi) wohl auch in der Bubaſtis 
Band dies Werkzeug auf vie Verfheudyung der den Seegen hemmenden 
feindlichen Weſen beziehen, und Bubaſtis alfo eine den Seegen foͤrdernde 
Böttin feyn. Nimmt man dazu, daß das Siftrun der Iſis mit einem 
Rapenfopfe geihmüdt war, fo ergiebt ſich auch daraus, daß bie Kake 
in Sinnbild des Naturfeegend, der Vortpflanzung war; denn an dem 
ben Tinfeegen fcheuchenden Werkzeuge fann dies Sinnbild füglich nichts 
vaßender bezeichnen, ald ben Seegen, zu deßen Borberung das ganze 
Wertzeng dienen follte. Cine fagenfüpfige Göttin mit dem Namen Nta 
findet fih in den älteften Denfmälern von Ober- und Unterägypten, befons 
ders in der Nähe ver Pyramiden. Wenn diefelbe nicht bloß eine nur 
umter befonderem Namen verehrte Bubaſtis war, fo iit fie doch ſchwerlich 
was Anderes, ald eine Göttin, welche in viefer Katzenbildung vie gleiche 
Bedeutung, wie jene hat. Die Menhi erſcheint auch, obgleich dieſer 
Name auch zu dem der Bubaſtis gefügt wird, als löwenföpfige Göttin 
mit der Sonnenfcheibe und dem Uräus, uud findet ſich zu Theben in ven 
alten Pharaonen⸗Denkmaälern, gerade wie auch Hak, Haft fo erfcheint, 
weicher Namen aber auch einer menſchlich gebilpdeten Göttin mit dem 
Subhorfopfihnnd gegeben wird, fo wie auch Iſis Hak heißt, wenn ſie die 
Attribute viefer Göttin trägt. Auch Mu wird löwenföpfig dargeftelt und 
bat ebenfalls ven Beinamen Hak bei Wilkinfon Tafel 27) Da nun 
Bubaflis die Große ver Haf heißt, fo iſt es deutlih, daß ihr Die der 
Mu und der Iſis ebenfalld zukommende Eigenſchaft, welche mit dieſem 
Namen bezeichnet worden ift, in einem hohen Grabe zugefchrieben warb. 
Unter den Thebifhen Tempelgottheiten erjcheint auch eine loͤwen⸗ 
Iyige Böttin mit Sonnenfcheibe und Uräus auf dem Haupt, und führt 
ven Ramen Tefnu, Tefnt Wilkinfon vermutbet, das heutige Tofnis 
in der Thebais zwilchen Esneh und Gebelayn, ſei die Aphroditopolis der 
Griechen, und ber Urfprung des Namens komme von Tefnu. Sie heißt 
Tochter der Sonne, und findet ſich auch mit Menfchenkopf, Sonnenſcheibe, 
Sörnern und ever, und auf der Dafe erfcheint fie mit Bogen und Pfeil 
in der Hand und mit einem Auge auf dem Haupt, welche Bildung aber 
lit und ungewoͤhnlich iſt 


112 Bubafte. 
















Eben fo war Triphis oder Athribis eine Löwenköpfige Gbuin 
Athribis, weldes feinen Namen von ihr hatte. Wilfinfon fagt auch, 
Chemnis habe fte fi) gefunden, und fie fei eine Tempelgenoßin Rh 

Da der Löwe ägyptifch rabu heißt, fo ift die Göttin mit dem anges 
führten Namen, welder ven weiblichen Artikel t vor ſich hat, als vie 
Lowin bezeichnet, und dieſe Göttin ift ebenfalls nur eine Form der | 
welche ven übrigen lömenföpfigen Bormen zu Grunde liegt. Zu Athribu ſj 
wurde auch, wie Strabo (813) meldet, die Spigmaus verehrt, welde 
ihre Sauptverehrung zu Buto Hatte, und dieſes weißt auf einen Ideen 
Zufammenhang zwifchen den Töwenföpfigen Göttinnen und der Buto hie, 

Iſt nun bei Bubaftis zur Vergleichung mit der Griechifchen Art 
nur die Beziehung beider zu ven Geburten annehmbar, und würde Bubafli, 
wenn wir fte nicht als Geburtögdttin wollten gelten laßen, unverftänplid. 
feyn, fo erkannten doch die Griechen auch noch die Beziehung zur Gebun, 
in einer andern Aegyptiſchen Göttin, welde fie geradezu Eilei 
nannten, ſo wie fie der Stadt, worin fie beſonders hoch verehrt wark,; 
den Namen Eileithyiaftant gaben. Strabo (817) erwähnt derfelben mb 
des Tempels der Göttin int oberen Aegypten, und Diodor (1. 12) neu 
unter den alten Göttern, welche Städte in Aegypten gegründet, We 
Eileithyia. Diefe Göttin erhielt nah Manethos' Angabe bei Plutard 
(73) in alter Zeit in den Hundsſtagen Menfchenopfer, und zwar wu 
ihr Typhoniſche, d. i. rothhaarige Menfchen verbrannt, deren Afche ie 
die Luft geftreut ward. Daß dieſe Göttin nicht weiter war, als eine 
Form der großen Mutter, um welche ſich vorzugsweiſe die Aegyptiſche 
Mythologie dreht, dürfen wir vorausfegen, und finden diefe Vorau⸗—⸗ 
fegung durch Ueberlieferung und Bild beftätigt, denn fie ward mit dem 
Geier over unter deßen Bild dargeftellt, welcher die MütterlichFeit bezeichnet 
Eufebins (3. 12) fagt nach Porphyrius, das dritte Licht des Monde 
wird in Eileithyiaſtadt verehrt; das Bild ift ein fliegender Geier, deßen 
Vittige aus herrlichen Steinen gemacht find. Diefe Geierbilvung bedeutet 
die zeugende und haucherwedende Monpfraft; denn die Geier follen alle 
Weibchen feyn und vom Wind empfangen. Was nun die Auslegung 
diefer Göttin ald Mond betrifft, fo gehört viefe der fpäteren Zeit au, 
und ift falſch; daß aber der Geier die Göttin darſtellte, zeigen die Denk 
mäler. Wir fehen fte (bei Wilkinſon Tafel 52) als Geier mit ausge 
breiteten Schwingen, auf dem Kopf die obere Krone mit zwei Strauß 
federn zu den Seiten, in den Krallen Siegel und die Feder auf ber. 
Stange haltend, over ald Geier mit vem Siegel. Außerdem aber ift ſie 
al8 Schlange mit Geierflügeln, und der Krone von Oberägypten, fo wie 
mit der von Ober- und Unterägypten dargeftelt. Auch als Geier mit 
Schlangenkopf an Särgen und dem Zeichen im Naden, welches wir bei 
Ptah und andern jehen, over ala bloße gefrönte Schlange, das Kukupha⸗ 


| 
| 


y Bubaſtis. 113 


Seepter haltend, oder als Geier mit Siegel und Kukuphaſcepter. In 
nenſchlicher Geſtalt erſcheint ſie, mit dem Geier als Kopfſchmuck und ver 
Krone von Oberägypten mit und ohne die Straußfedern, in der Linken 
das Zeichen des Lebens, in der Rechten das Lotuß= oder Kufuphafcepter ; 
und ihr Name heißt Sbn, Suben oder Sub, Seneb, welder auch ver 
sen Eileithyiaſtadt (jegt El» Kab) oder der Gegend, worin dieje lag, 
geweien feyn muß, da die Hieroglyphen fie die Herrin von Guben 
oder Seneb nennen. Wann fie die Herrin von Sebn war, fo koͤnnen 
mehrere der Darftellungen, welche fte als ſchützend oder mit den Zeichen 
ver Herrfchaft darftellten, darauf bezogen werven, fo daß fie auch als 
Schußgeift des Landes in dieſen Darftellungen aufgefaßt werden kann. 
Daß fie auch mit dem Hathorkopfſchmuck vorfommt, darf uns nicht im 
Seringften befremden, denn das Sinnbild der Kuh eignet fih für die 
nütterliche Göttin deö Gebährene Bündel von Lotusftingeln ftellten vie 
Säulen, und Lotus die Gapitäle eines Eileithyiatempel8 vor, welcher vor 
wicht Ianger Zeit von den Türfen zerflört worvden iſt, (Champollion im 
zwamigften feiner Briefe aus Aegypten bemerft dies), mad auch an einen 
Pallaſt u Kurna und am Chnuphistempel zu Elephantina fi fand. Für 
Cileithyia war der Lotus gut gewählt, da er ein Sinnbild der Geburt, 
bes Entſtehens war. In Eileithyiaſtadt hatte Suben den Krofopilgott 
Sebak zum Tempelgenogen, und in dem Tempel zu Hermonthis, welcher 
yon Cleopatra zum Anvenfen an ihre Entbindung von Cäfarion gemeiht 
war, erfcheint Suben in der Nieverfunftscella, wo Muntu’d Gattin Ratho 
son Harphre entbunden wird. Mehrere Göttinnen find um Ratho bemüht, 
eine holt das Kind aus dem Schooß, eine reicht Hin, um es zu empfan⸗ 
gen von einer andern begleitet, und Ammon nebft Suben find dabei. In 
der großen Cella fteht Ratho vom Wochenbette auf, unterftügt von Suben, 
Ammon reicht ihr die Sand, und die übrigen Götter find dabei. 

Mir Eönnen bei fo vürftigen Nachrichten und dem wenig Charafteri« 
ſtiſchen, was die Darflelungen ver Suben uns bieten, von diefer Form 
der großen Mutter nichts Näheres wißen; es fcheint aber, dag man fie 
ya ber Form zu rechnen bat, welche fie ven Griechen auch als Aphrodite 
und ald Hera erfcheinen ließ, nämlich als Göttin der Liebe, ver Ehe, 
vr Geburt. Wenn wir bei Porphyriud im zweiten Buch feiner Schrift 
über die Enthaltung vom Fleiſche lefen, man babe in Heliopolis ver 
dera an einem Tage drei Menfchen geopfert, die wie die Kälber geprüft 
und mit dem Siegel verfehen worden feyen, bis Amoſis dieſes Opfer 
abgefhafft und MWachsfiguren an die Stelle gefegt habe, fo dürfen wir 
ſchwerlich an viefe fogenannte Hera in einem andern Sinne denken, als 
dem, daß fie ſich auf die Geburten bezogen habe. Wie man das Leben 
der Rinder over ihr Haupt von der Gottheit lößte, fo hat man ver Eilei- 
thyia Menfchennpfer dargebracht, fie zu fühnen, daß fe nicht Unttucte 

All. 8 

















114 Der Aegyptiſche Serakles oder Ehon (Khunfu). 


barfeit kommen ober die Geburten ververben lief. Amoſis der DI 
mit welchem bie achtzehnte Königepynaftie beginnt, folgte auf vie 
fremde Hirtendynaftie, und ed wäre mdglih, daß die Menfchenopfer 
Heliopolis fremden Urfprungs gewefen wären, die mit dem Stun 
fremden Herrſchaft Befeitigt worden wären, doch durfen wir es 
behaupten, weil Menſchenopfer überhaupt in den alten Maturreligi 
gefunden werben, und wir demnach feinen genügenden Grund 
zu behaupten, fie feyen den Aegyptern nicht eigen geweien, ſondern 
der Frembe zugebracht werben. 


Der Aegyptiſche Herakles oder Chon (Khunſu 


Die Griechen erwähnten eines Aegyptiſchen Herafles, und fänden wi 
nit in dem fogenannten großen Gtymologifum den Aegyptifchen Name 
deſſelben unter der Form Chon und bei Gratofthenes in der von Synfeld 
aufbewahrten Lifte Uegyptifcher Könige die Namen Sempfos, erklärt kung 
Seraflive, und Semphufrates, erklärt durch Herakles Harpofratss (d 
heißt nur Herafled das Kind): jo wüßten wir fürwahr nicht, welchen 
Negsptifchen Gott die Griechen unter jener Benennung gemeint Hätte: 
Aus diefen beiden Nachrichten erfehen wir aber, daß fle den Khun⸗ſu 
meinten, wie er in ven SHieroglyphen heißt, und aus Eratoſthenes erſehen 
wir, daß die Griechen dieſen Namen nicht nur Chon, fondern auch Se] 
ausfprechen hoͤrten, was leicht feyn Fonnte, weil bei ven Aegyptern & 
fch, f, wechſelten; denn fo heißt chau und schau die Kae, und sche 
eben fo wie saau die Sau. Die Bedeutung des Namens Khunfu aber 
wißen wir nicht, und Fünnten nur ungewige Vermuthungen darüber 
anftellen, die uns nicht über das Wefen dieſes Gottes aufklären würpen. ®) 





*) Unter den Bermuthungen, die man etwa anflellen Fönnte, würbe wie} 
bie zu den weniger unwahrfcheinlichen gehören, welche den Ramen Khuar, 
Chon vor chen, führen, ableiten würde; denn abgefehen davon, daß ein folder 
Name zu feinem Weſen als eines Zeitgottes des Lebens ſich eignen wir, 
ließe fih auch noch eine Autorität dafür, daß er wirklich Führer gehelfer 
habe, beibringen. Nämlich in der Eratofthenifchen Lifte Bei Synkellos IR 
wir den Königsnamen Sefortofls überfegt durch Hermes oder Herakles Mt 
Starte. Run heißt aber sesor Führer, und Gratofihenes mußte wenig 
flens irgend eine Beranlaßung haben, um in dem Führer einen Herallch 
d. i. Chon, zu vermuthen. Dabei ift zu bemerfen, daß er ſchwauken konnt 
in der Auslegung zwifchen Herafles (Rhunfu) und Hermes (Thoth), welder 
ein Gott der Zeit if, der gleich Khunfu das Jahres- und Panegyrienbild, 
den PRalmzweig, in der Hand hält und Jahre einzeichnet. Beide haben alle 
ben Namen ber Führer gehabt, und fünnen ihn gehabt haben als Führe 
ber Zettyerioden, als Herren ver Jahre. Bel Suntelios nennt Afrikam⸗ 


Dev Aegyptiſche Herakles oder Choun (Khunfe). 118 


Serobot (2. 43) erzählt, daß die Aegypter ihm gefagt, Herakles fey 
e der zwölf Götter (aljo einer aus der zweiten Götterreihe, die auf 
acht alten folgte); doch von dem andern Herakles, den die Sellenen 
en, Eonnte Herodot nirgendd in Aegypten etwas erfahren. Nach 
7 Meinung ift der Name des Herakles aus Aegypten entlehnt, weil 
[be bei den Aegyptern ein uralter Gott iſt; denn mie dieſe felber 
n, bemerkt der Griechiſche Geſchichtſchreiber, find es fiebenzehntaufend 
re von der zweiten Götterreihe 6i8 zu dem König Amaſis. Um fidh 
m zu erkundigen, ſchiffte Herodot nach Tyrus, weil dort ein fehr 
ger Tempel des Herakles war, und er fah denfelben, reich an Weih⸗ 
ſenken, und hörte von ven Prieſtern, diefer Tempel ſey bei ver 
nung von Tyrus erbaut worden und ftehe ſchon zmeitaufend und 
hundert Jahre. Auch ſah er in Tyrus noch einen Tempel des Herakles, 
Ger ven Beinamen des Thaſiſchen Hatte. Werner befuchte er den 
wel des Herakles auf der Infel Thaſus, den, wie er hörte, vie Phöniker, 
de die Europa juchten, gegründet hatten, welche auch die Gründer ver 
it Thafus feyn follten. In Tyrus hieß der Gott, welchem die Griechen 
| Ramen ihres Heros gaben, Melkart, Griechifch Melikertes, ven fie 
en Sohn der Kavmod=- Tochter Ino zu Theben nannten, wo Herakles 
ohren ſeyn fol. Doch viefen Melifertes verehrten die Griechen als 
na Heros auf dem Iſthmus mit den Iſthmiſchen Spielen, fo wie fle 
als Palämon zu einem Meergotte machten, was ver Phönififche Pataͤke 
fern war, als er auf ven Schiffen als Schüger mitgeführt ward, 
rend er als wahrer ausländischer Gott unter dem Namen Serafles 
liche göttlihe Ehren empfing Kann uns nun fein Zweifel fenn, 
Khunſu dieſer Gott fey, fo fragt es ſich, was er denn nun eigentlich 
ein Gott gewejen fey, und um dieſes zu errathen, venn leider kann 
vom Errathen die Rede feyn, müßen wir das Wenige, was ftch und 
bietet, näher betrachten In heben ſteht er neben Amun und Mut, 
3 wie Ptah ausſehend, in der Mumienhülle und mit dem Zeichen der 
kämdigkeit in ven Haänden. Obwohl er den Gdtterbart hat, ift er doch 
ch die fogenannte Horuslocke als jugendlich vargeftelt. Als Legenve 
ihlte man (wie ſchon oben in der Mythologie des Amun angeführt 
wen iſt), um Herodot ven Widderkopf des Amun zu erklären, Herakles 
x dieſen fehen wollen, doch ver Gott habe jih in ein Widderfell 


aus deu Manethonifchen LKiften in ber zwei und zwanzigften Dynaflie einen 
Oſorcho (der bei Sufebius Oſorthon heißt; das Königsfchild aber nennt ihn 
Usrkna oder Uarkn, alfo Oſorkon) mit dem Zuſatz, welchen die Aegypter 
Herafles nennen. Hier muß ein ähnliches Verhältniß flattfinden. Hieß 
der Priefter Oſar-ſiph in Heliopolis, von welchem Sofephus ſpricht, nach 
bem Gutte baſelbſt fo IR Usr als ein Name des Ra za wermuthen. 

8" 


118 Der Aegyptiſche Herakles oder Chon (Khunfı). 


fagt: mit ver heiligfien und höchften Verehrung feiern ihn die Argyyte 
und verehren ihn über alles Menſchengedenken hinaus, als einen ver a6 
Anfangs entbehrt. Da man fpäter ven Herakles als Sonnengott ventelt 
fo follte der Aegyptiſche Gott natürlidd auch ein Sonnengott feyn, u 
als ſolchen erklärt ihn Macrobius; damit aber darf nicht die Na 
Plutarchs verwechfelt werben, welcher (41) fagt: vie Aegypter geben ai 
Herakles hauſe in der Sonne und bewege ſich mit verfelben herum, 
Hermes aber mit dem Monde. Der Patäfe zu Memphis dat eine Baztg 
wie andere Goͤtter au), und wenn wir feine Varke des Khunfu in ha 
Denfmälern abgebildet finden, fo Tann viefed vie Angabe ver Aegypu 
von welcher Plutarch melpet, nicht beeinträchtigen. War er ein Pati, 
und war der Patäfe der jeden Morgen neugebohrene Bott des Xages, fe 
fonnte er wohl als der in der Sonne hauſende und mit ihr herumwan 
delnde angenommen werben, da ja, modte man aud die Begriffe Tg 
und Sonne jcheiden, fie nicht fo zu fcheiden waren, daß nicht der Tag 
mit der Sonne im Zufammenhang befinplich hätte gelten müßen. Die 
beſagt zulegt doc) auch die Abftammung des Sonnengotted von dem Beil 
fen, von welcher oben die Rede war, benn dieſe beveutet: es wire I 
und dann ſcheint vie Sonne. Daß man den Khunfu als Zeitgott betradgtei, 
beweißt auch der Halbmond, welchen er glei Thoth auf nem Hau 
trägt, über welchem ſich ver Sonnenfreid befindet, und ferner beweißt 4 
feine Darftelung mit dem Palmzweig in der Hand, auf welchen er bh 
Jahre fehreibt gleich Thoth; denn diefe Handlung bezieht fi) nur auf de 
Zeit und fann nur von einem Gotte der Zeit vollzogen werden. Khuufs 
führt in den hieroglyphiſchen Infchriften auch den Beinamen Nefru = Atey, 
welcheö beißen kann der Gute der Darbringung, oder auch der dem Gutes 
dargebradhte. Sehen wir auf den Namen Imatep, welchen ver ver 
ven Griechen als Asklepios aufgefaßte Patäke führt, jo ift pie Bedeutunz 
der Gute der Darbringung die wahrfcheinlichere, doch ift Ihre 
Deutung ſchwer und ungewiß. Vermuthen laßt fich mit einiger, wen 
auh nicht vieler Wahrfcheinlicjkeit, daß vie Darbringung fi) auf be 
Perioden beziehe, an meldyen Die Darbringungen ftattfanden, fo daß bie 
Darbringung das Feſt der Periode bezeichnet, die Perioden aber gehoͤren 
dem Gott, der die Jahre auf den Iahres= oder Panegnrienzweig einfchreit. 
So fehen wir auch zwei Figuren anbetenn bargeftelt bei Wilkinfon 
(1.292), bei jeder einen Stern, bei der einen über dem Haupt, bei der andern 
vor derfelben, welcher nichts anders darftellen kann als vie Periode, welche zur 
Anbetung, zum heiligen Feſte beftimmt iſt. Auch der Phönix, das Bild der 
Hundsſternperiode iſt in anbetender Stellung gebildet worden und ein Stern 
ift neben ihm als Zeichen ver Periove, ja der Mann in anbetender Stellung 
ift die Hieroglyphe für den Ausdruck ha-u-renpa, Freude der Jahre. 
9 Anbetung und Periode find daher innig verwandt, und fo Laßt fi} auch die 














































Der Aegptiſche Herakles oder Chon (Khuzfu). 219 


sbringung, die ja mit ber Anbetung werbunden, ober wenn wen «8 fo 
drücken wid, eine gefleigerte Anbetung if, mit ver Periode verbinden. 

Bum Schluße haben wis nody der Angabe Herodots (2. 113) zu 
enfen, bei der Kanobiſchen Mündung des Nil zu Taricheiä fiche ein 
npel des Herakles am Dieereöufer, und wenn ein Sclave, wen er auch 
dren möge, in venjelben flüchte und fich mit ven heiligen Zeichen 
eichne und dem Gotte fchenfe, fo dürfe ihn Niemand anrübren. Es 
int nicht, daß dieſer Herafles der Aegyptiſche Chon ſey, fonvern daß 
ben in Aegypten Handel treibenden Griechen gehörte, und mithin ber 
echifche Herakles geweien. *) Auch einer Weißagung des Aegyptifchen 
akles gevenft Herodot (2. 84), meldet aber nicht, wie fie befchaffen 
efen und vielleidht darf man dieſe Weißagung dem Tempel zu Taridyelä 
hreiben und dem Khunſu abiprechen. Wenn Macrobius in ven Saturs 
ien (1. 20) fagt, die Aegypter gäben durch die Mannigfaltigkeit ihrer 
igen Gebräuche fund, daß Herakles ver in Allem und durch Alles 
kende Sonnengott jey, fo kann dieſes der Anficht über Khunfu Feine 
währ geben, ba dieſer Schriftfteler der fpäteren Zeit jo giemlich in 
em Gotte einen Sonnengott erblidte. In Cicero's Schrift über vie 
te der Gbiter lefen wir, Herakles ſey ein Sohn des Nil geweien und 
e die Phrygiſchen Schriften verfaßt. Herodot (2. 43) glaubte ed ben 
jopteen fogar, daß Amphitryon und Alkmene vie Eltern des Griechiſchen 
08 Herakles aus Aegypten flamınten. 

Wir wollen hier einer Aegyptiſchen Gottheit gebenfen, welcher eine 
immte Stelle anzuweiſen nicht möglich iſt, weil wir ihr Weſen nicht 


*) Gerade dieſe Gegend in Aegypten war den handeltreibenden Geiechen anges 
wieſen. Nachdem Herodot ſchon von Paris geſagt (2. 16), er ſey mit Helena 
in die Kanobifche Nilmüundung eingelaufen und nach Taricheiä gefommen, 
erzählt er (2. 178): Amaſis liebte die Griechen fehr und erzeigte ihnen 
Wohlthaten. Denen, die nad Aegypten famen, verſtattete er, fi in Nau⸗ 
kratis niederzulaßen, denen aber, welche nur Schifffahrt nach Aegypten treiben 
wollten, gewährte er Land, um Altäre und Heiligthümer für ihre Götter 
zu errichten, Das größte diefer Heiligthümer, fo wie das berühmtefte, if 
das Hellenien, auf gemeinfchaftliche Koften errichtet von den Jonern von 
Chios, Teos, Phofka und Klazumenä, dann von den Dorern von Rhodos, 
Knidos, Halikarnaſſos und Bhafelis, drittens von den Aeolern aus Mitylene, 
welche Staͤdte auch den Safenvorfleher von Naukratis ernennen, Die Negi- 
neten haben dem Zeus, die Samier Der Hera, die Mileßer dem Apollyn 
bafelbR ein Heiligthum errichtet. Außer Naufratis gab es in ber alien 
Beit feinen Handelshafen Aegyptens, und wenn einer in eine andese Nil- 
mündung einlief, fo mußte er fehwören, daß er nicht anders gefonnt, und 
dann in die Kanobifhe Mündung fahren; fo aber dies der Wind nicht 
zuließ, mußten die Waaren in Kähnen um das Delta herum nah Raus 
kratis gefyafft werben. 


120 . Der Aegyptifhe Asflepios oder Imatep. 


fennen, nämlich des von den Griechen fogenannten Antaios, nach welchen 
fle eine oſtliche Stadt Oberägnptens Antäopolis nannten. Wir vürfer 
ihn bier feines Namens wegen berühren, weil Khunfu als Aegyyptiſcher 
Herakles galt, und vie Griechen den Herakles zum Beſieger eined Antägf 
dichteten, welcher ein Rieſe Libyens gewefen, jedoch ver Gott von Antäg 
polis nidyt gewefen feyn kann. Gin Tempel dieſes Gottes in benannte 
Stadt, zur Zeit der Ptolemäer mit einem Vortempel erweitert, trägt de 
Infchrift: König Ptolemäud und SKleopatra u. f. w., diefen Bortempd 
dem Antäos und feinen Tempelgenogen. Die Cäfaren Aurelius, Antonia 
und Verus haben ven SKarnied wieverherftellen lagen. Demnach reich 
feine Verehrung in vie legten Zeiten des Heidenthums herab. Diode 
(1. 17) nennt den Antäus ald den, welchem Oſiris bei feinem Yu 
Libyen und Aethiopien zu verwalten anvertraute, während Herakles dk 
oberite Leitung des ganzen Reiches hatte; doch fpricht verfelbe erzähle 
(21) von dem Antäud« Kleden, ver feinen Nımen von dem zu des Oſtril 
Zeit durch Herakles gezüchtigten Untäud habe. Daß der gräcifirte Name 
aus dem Beinamen einer Uegyptifchen Gottheit, welche unter demſelbes 
zu Untäopolid verehrt ward, gebilvet fey, ift nicht zu bezweifeln, aber mie 
diefer Beiname gelautet habe und welcher Gottheit er eigen gewefen, iſ 
ſchwer zu errathen; denn wollte man Nte als ſolchen annehmen, in der Beder⸗ 
tung Bührer der Welt, fo bietet Feine hieroglyphiſche Infchrift dieſes Wort 
dar, und doch muß jener ohngefähr fo gelautet haben, weil fonft ber 
gräcifirte Name nicht auf das Aegyptifche zurüd zu führen iſt. 
















Der Aegyptiſche Asklepios oder Imatep 
(ISmutbos). 


Elemens der Ulerandriner erwähnt des Memphitifchen Asklepios un 
Ammianus Marcellinus (22. 14) nennt Memphis herrlich durch die Gegen 
wart der Gottheit des Aesculapius. Bei Hieronymus in dem Leben bei 
Hilarion (IV. 2. ©. 80) leſen wir von einem SJüngling: er gieng nah 
Memphis, um nad) Bekennung feiner Wunde, mit magifchen Künften 
bewaffnet zu der Jungfrau zurüdzufehren. Daher Fam er nach einem 
Jahre, von den Sehern des Aesculapius belehrt, zurüd, indem er trachtele 
fein unzüchtiges Vorhaben gegen die Jungfrau auszuführen. In ben 
falfhen Sermesfchriften bei Stobäuß (Eclog. Phys. S. 117) beißt e&, 
Asklepiod, genannt Imuthes, der Sohn des Pan und der Hepbäftobule. 

Dieje Nachrichten find fpät und geben feinen näheren Auffchluß; aber 
der ebenfalls fehr fpäte Synefius in feinem Lobe der Kahlföpfigfeit (©. 73), 
giebt und eine Nachricht, welche uns ſchon ver Erfennung dieſes foge- 
nannten Asklepios näher führt. Ex melnet nämlich, ein Gott wird von 


Mile m um 


Der Aegyptiſche Asklepios oder Imatep. 131 


} 


ben Aegyptern gar nicht verborgen gehalten, fonvern findet ſich ganz dffent- 
lich, naͤmlich Asklepios, weldden man kahler fehen Tann als eine Moͤr⸗ 
ſerkeule. Man bat dieſen Gott in ven Denkmälern gefunden, und Salt 
beftimmte ihn zuerft zu Philä, wo ihm ein kleines Heiligthum geweiht 
war mit einer Griechifchen Infchrift. Asklepios, welcher ift Imuthos, 
Sohn des Hephäftos, und auch die Hieroglyphen nennen ihn Sohn des 
Phthah. Zu Memphis, jo müßen wir der fohriftliden Weberlieferung 
glauben, war er zwar beſonders verehrt, doch findet er fich al8 ein Tempel» 
genoße an den Sculpturen von Tempeln von Philä an bis zum untern 
Delta, jedoch mehr in ven Tempeln aus der Zeit der Ptolemäer ald aus 
ber ver Pharaonen. Die Bilder zeigen ihn mit einer enganfchließenvden 
Kappe ohne Schmuck (wie auch Ptah erjcheint) und in den Händen bat 
er das Götterfcepter und das Zeichen des Lebens (was ihn nicht aus⸗ 
geichnet, da dieſe beiden Dinge allen Gottheiten zufommen). Genannt 
wird er Imatep, oder nach Memphifchen Dialekt, Imothph, Sohn des Ptah. 
Der Name Imatep heißt: „ich komme mit zur Darbringung,‘ und biefes 
Wort atep over memphitiſch othph finvet ſich auch in Aegyptiſchen Namen 
angehängt. 

Man ließ es jenoch in der fpäten Yabelei, wie fie uns in des Hermes 
Trismegiftod Dialog mit Asklepios begegnet, nicht bei dem einen Aegyp⸗ 
tiſchen Asklepios bewenden, fonvdern nahm zwei des Namend an, fo daß 
ber erfte ald Großvater des zweiten galt, und Erfinder der Arzneikunde 
war, der befondere Ehren empfing in einem Berg an der Libyichen Nils 
feite ohnmweit der Krokodilſtadt, wo er begraben feyn fol. Fragen wir 
nun, wer biefer Imatep, den man ald einen Seilgott in fpäterer Zeit 
gelten ließ, eigentlid war, fo fann und faum ein Zweifel feyn, in ihm 
einen Patäken zu erkennen, da er patäfenartig im Bilde erfcheint mit ber 
dem Ptah eigenen Kappe, Sohn veffelben heißt (und bei Herodot lefen 
wir von Söhnen des Ptah zu Memphis, die er Kabiren nennt, die aber 
Batäfen find) und in Memphis, den Sige Ptah’3 vorzugsweife zu Haufe 
war. Aus Herodots Stillſchweigen über einen Aegyptifchen Asklepios geht 
bervor, daß man zur Zeit veffelben noch nicht daran gedacht hatte einen 
Patäfen zu Memphis mit jenem Griechifchen Gotte zu vergleichen. Sobald 
wir von Patäfen in Aegypten fprechen, müßen wir und an die Phönifi- 
(hen Patäfen, mit welchen fie entweder eins, oder mwenigftend auf das 
engfte verwandt waren, erinnern. Bei den -Phönififchen nun finden wir 
wirklich auch einen fogenannten Asklepios, Esſsmun, d. i. der Achte genannt, 
alio zu den fieben Patäfen des Zeitabfchnittö einer, welcher ald Heilgott 
gedeutet ward. Damascius fagt in dem Leben des Iſidorus, (bei 
Photius S. 1074) ver Asklepios von Berytus (in Syrien) ift weder Grie- 
chiſch noch Aegyptifch, fondern Phönikifch; denn Sadyk hatte Söhne, geheißen 
Diofuren und Kabiren, ber achte biefer war Ezmun, d. i. WNeeyxb. 




















123 Der Aegyptiſche Asklepiot oder Imatep. 


So ſehen wir denn auch bei den Phonikiſchen Patäken einen als Heilgeu 
anerkannten, wie fpät auch immerhin viele Annahme ſtatt gefunden ha 
mag. Wenn wir bei Tacitus in den Geſchichten (4. 84) lefen, daß Vie 
den Serapis für einen Aedculapius hielten, weil er die Kranken heile, ſe 
darf und Died nicht irren, da es nur als ein falſches Nathen derer, 
den Serapis nicht zu deuten wußten, anzufeben ift. Bei Paufaniad (2.2 
lefen wir von Seiligthümern des Asklepies und der Iſis zu Stenchrei; 
müßen und aber hüten an eine Auslegung des Serapid als Asklepios 
denken, welche Baufaniad, wenn er fie auch etwa gefannt haben f 
nicht angenonmen bat, wie fi) aud der Art feiner Erwähnung piefe 
Gottes an andern Stellen ergiebt. Er alſo meint nicht ein Heiligthun 
des Asklepios und ver Iſis als verhundener Götter. Eben fo wenig ald 
aus diefen Nachrichten Serapis ald Asklepios fich ergiebt, vermag uns hi 
Nachricht Aelians (16. 30), zur Zeit des Ptolemäus Euergeted fey in ven 
Zempel des Asklepios eine fehr große Schlange ernährt worden, irgen 
eine Gewähr zu geben. Denn wenn er auch einer Serapistempel gemeint 
haben follte, fo hätte er einem Irrthume gehuldigt, welcher durch den 
Beitritt eines fo unfritifchen Schriftſtellers kein Gewicht erlangen kam. 
Warum aber ftellte eine fpätere Zeit einen Patälen zu Memphis mi 
dem Asklepios zufammen? Damasſscius giebt die Erklärung von (sms, 
als beveute dieſes Wort (schmin) heiß, was möglidh if, wonah & 
denn fo wegen der Lebendswärme genaunt worden ſey; auch follte ge 
Esmun, welcher ganz ſprachgemäß der Achte genannt ward, das Feuer nl 
Dunkel angezündet haben, und ein Gott des Feuers, ber Wärme hai 
denn allerdings zu einem SHeilgotte werden koͤnnen, da man vie Wärme 
als ein Lebensprincip anſehen Fann. Dagegen ift zu bemerken, daß bie 
Erklärung auf einer nicht feftfiehenden Wortveutung un» einer VBermifcyung 
der Sephäftiichen Kabiren, die man ald Veuergötter betrachtete, mit Des 
Patäken beruht, alfo auf ſchwachen und falfchen Gränden. Der Patike 
als Tagesgott, als Gott der Zeit und des Lebens, von deßen Wirkfamtelt 
alle folgenden Tage zu erwarten waren, fo wie jeder gegenwärtige Aug 
unter feinem Schuß fand, mochte ſich mohl auch zu einem in ver Krank 
beit, die ja auch vielfach an eine Zeitreihe gebunden ift, helfenden Got 
eignen, und es märe möglidh, daß man auf diefen Grund bin einen Patb 
fen wählte, um ihn mit Asklepios zu vergleichen gu einer Zeit, wo mm : 
die Griechiſchen Goͤtter in noch reicherem Maaße in Aegypten finden 
wollte, ald man es zu Herodots Zeit that. ( 
Bei Khunfu, welcher der Bute der Darbringung iſt, wie Imatep, 
der zur Darbringung Kommende, ift ermähnt worden, daß er Seſor, v. I 
Führer, geheißen babe, nadı des Eratoſthenes Angabe. Nun finden wir 
in ber Manethonifchen Liſte der dritten Diynaftie ver Memphitiſchen 
Könige bei Synkellos, den zweiten Konig Selertans EoCGUch Toſarthroc, 


Der Sonnengott Ra. 133 


ie ber fechste fülfchlich Tofertats angegeben ift, ſtatt Sefortafls) genannt, 
r neun und zwanzig Jahre regiert habe, und von ven Aegyptern Usfles 
os genannt worden fei, wegen ber Heilkunde, und auch das Bauen 
it gehauenen Steinen erfunden babe. Es ift ein gewiß nicht zu über⸗ 
yendes Zufammentreifen, bei Khunfu ven Namen zu finden, an melden 
au als Koͤnigsnamen genommen, die Arzneifunde Enüpfte und von einem 
sälepios ſprach. Das ein König für Asklepios fei gehalten worden, iſt 
uchaus fabelhaft, und es ift vielmehr wahricheinlih, daß wie Sefortafid 
n ftarfen Herakles bei ven Auslegern bedeuten Fonnte, vderfelbe Name 
ch ven flarfen Asklepios für Die Außleger zu bezeichnen geeignet war, 
Daß Khunſu und Imatep beive den Namen des Führers Hatten. 


Der Sonnunengott Ne. 


Der Hauptſitz des Sonnengotted, den Manethos einen Sohn bes 
hihah nannte, des Ma, mit dem Artikel Pi-Ra, Memphitiſch Phra, 
ſenannt Herr ver beiden Welten, der in der Sonnenfcheibe thront, ber 
ein Ei bewegt, der geoffenbaret ift in dem Abgrunde de Himmels, ber 
Berr ver PBanegyrien (auf Denfmälern zu Iheben und Memphis), war zu 
zeliopolis, wie die Griechen dieſe Stadt nannten, d. i. Sonnenftabt, in 
re Bibel On genannt, welches mit dem Aegyptiſchen Worte un glänzen, 
rahlen, koptiſch wein, uain, lang, Licht überein zu kommen fcheint. 
och Heißt an (koptiſch uon) aud) eröffnen, und dieſes Wort dürfte eher 
Infprüche machen, ver Stadt ven Namen gegeben zu haben, als jene®. 
Ye Stadt muß in dem einen wie dein andern Yale, den Namen von 
em Gotte erhalten haben, und ob man nun das Wort un ald Glanz 
der ald Eröffnung will gelten laſſen, fo paßt e8 für den Sonnengott, 
er ala Eröffner nämli ein Eröffner des Himmels an jevem Morgen ift. 
Daß man aber daß letztere gelten laße, als das Nichtigere, dafuͤr fpricht 
ver Beiname un, welchen Oſtris führt; denn diefer hieß un-nefru, d. i. 
ver gute Sröffner; denn der gute Glänzende kann er nicht wohl geheißen 
haben, während er allerdings ein guter Erdffner ver feeligen Wohnungen 
im Amenti ald Todtenrichter war. Uber fonverbar erfcheint ed, Daß bie 
Stadt nicht von dem Hauptnamen des Gotted Ra benannt war, fondern 
bon einem Zunamen, man müßte denn glauben, wozu und aber nichts 
berechtigt, der Name Na fei jünger als ver Name Un, und fei an deßen 
Stelle getretten. *%) Plinius (6. 29) nennt als die Gründer diefer Stadt 





9) Vielleicht laͤßt fih aus dem Namen Un vie zweifelhafte Yigur eben am 
Tam oder Tetam, dem Scevter der Götter, erflären. Horapollo (1. 55) 
fagt, die Danfbarfeit darzuftellen, malen fle den Kufaphavogel, ber feinen 
Elteen, wann fie alt geworben, ihre Mühe vergilt, una daher vleat verieihe 


124 Der Sonnengott Ra. 










Araber, während Joſephus in der Gejchichte des Jüdiſchen Kriegs (7. 3%) 

fie vom Sohenpriefter Oniad erbaut nennt, was wohl zulegt nichts weist 

enthalten wird, als eine bloße auf den Namen gegründete Vermuthunggp 
Daß das Feſt des Na zu Heliopolis eined der ſechs allgemeinen Feſte baagt 
Aegypter war, meldet und Herodot (2.59), bemerft jedoch nichts bee 
deres, fonvern giebt nur (2. 63) an, es giengen die Leute nach f 
Stadt, um zu opfern, und die gemöhnlichen Weftgebräucdhe zu feiern. D 
Plutarch (6) giebt an, die Verehrer des Gottes in Heliopolis bring 
durchaus feinen Wein in feinen Tempel, va es fich nicht gezieme, W 
Tag zu trinfen, vor den Augen des Herrn und Könige. Wenn Plutas 
und einen Brauch, der wirklich ftatt gefunden, in ven angeführten Work 
überliefert hat, fo müßen wir dieſen allerdings als etwas Eigenthümlichchp 
betrachten, Fünnen aber nicht annehmen, der angegebene Grund fei wahr 
denn wenn gar fein Wein in den Tempel des Ra kommen vurfte, Kl 
fonnte dem Gotte feine Weinfpende vargebracht werden, und dieſes m 
einen tieferen Grund gehabt haben, als jenen bloß von der vermeinieW 
Scidlicykeit hergenommenen. Meldet und doch Plutarch (30) noch einen 
ähnlichen Brauch, indem er fagt, wann die Aegypter der Sonne opfern 
wird dad Gold entfernt und der Efel verachtet. Wie felfam auch die 
Entfernung des Goldes erfcheinen mag, da man denfen follte, dieſch 
feurig glänzende Metall eigne ſich vorzüglih, um der Sonne geweiht gi 

werben, fo zeigt doch die hinzugefügte Nachricht von dem Efel, wei 
feinen Zweifel zuläßt, daß Plutarch etwas Glaubwürdiged melnet. Das 
Gold erſchien durch feine Barbe gleich dem rötblichen Eſel Typhoniſch 


auch zum Schmur der Götterſcepter. Daß aber nicht ein Vogelkopf am 
Bötterfcepter fey, jondern der eines vierfüßigen Thiers, lehrt der Augenſcheit, 
und Wilfinfon überzeugte fich auch davon. Betrachten wir die Abbildungen 
des Hafen bei den Aegyptern, dann Fann fein Zweifel feyn, daß es eis 
Hafenfopf fey. Diefes Thier bedeutete, wie Horapollo (1.26) ſagt, das Oeffuen, 
alfo un, und wirflich vertritt der Hafe auch den Budhflaben u in der 
Hierogiyphen. War nun der Hafe ein Sınnbild des Eröffners Ra, fü 
fonnte er an der Spike des Götterfcepters das Königliche bezeichnen; denR 
Sonne und König find ja eins, weil man den König Sonne oder Sehr 
der Sonne nannte. Die Götter konnten alfo auch diefes Zeichen erhalten, 
um ihr Königthum anzudeuten, wie fie Sperber und Sonnenfcheibe zu dieſen 
Zweck hatten. In Todtengegenfländen kommen, wie Wilfinfon (2. 176) 
meldet, göttliche Weſen mit Hafenföpfen vor, was beweißt, daß dieſes Thier 
ein Sinnbild gewefen fey, und da in die Angabe Horapollo’s Fein Mif 
rauen zu feßen ift, weil fie ver Sprache und der Art, diefe durch Hieros 
glyphen auszudrüden, angemeßen ift, fo dürfen wir dieſe göftlichen Weſen 
als Eröffner anfehen, fey es, daß fle fih auf Eröffnung der Zeitperioden, 
oder der feeligen Wohnungen für die Todten beziehen, wie Oſiris der gute 
Gröffner beißt. Auch Seb führt ven Beinamen Un, der Srüfer. 


{ 


Der Sonnengott Ra. 135 


d wollte man von der Sonne ein feegenreiches Wirken erflehen, fo 
ste man alles, was an den verberblihen Typhoniſchen Brand 
nnerte, entfernen, weßhalb denn der Eſel überhaupt ein verachtetes 
ier war, während das fchöne Metal im Allgemeinen im höchften 
erthe fland, und nur in Diefem einzelnen, wegen der feiner Barbe geges 
sen Bedeutung, als von übler Vorbeveutung betrachtet ward. Kine 
liche Bewandniß mag ed mit vem Wein in Beziehung auf die Sonne 
jabt haben, mag man nun die röthliche Farbe oder was fonft in 
tracht gezogen haben. Bekanntlich ward Aegypten von Herodot der Wein 
13 abgefprochen, doch bezeugt derſelbe ebenfalls, daß dort welcher 
Ben ward. Plutarch aber giebt an, vor dem Könige Pſammetichus 
ten die Aegyptiichen Könige feinen Wein getrunfen, *) weil er, wie man 
e, aus dem DBlute derer, welche die Götter befämpft hätten, entſtan⸗ 
ı fei._Man leitete ihn aljo von Typhon her, doch mag dies zum Theil 
nigftens erfunden feyn, um den Nichtgenug des Weins in früheren 
iten zu erklären; denn hätte der Wein durchaus für Typhoniſch gegol« 
a, fo hätten die Aegyptifchen Priefter zum wenigftend, wo nicht alle 
egypter, ſich deſſelben enthalten müßen. Doch mag auch vie röthliche 
arbe des Weins mitgewirkt haben, um ihn als ein Erzeugnig aus Blut 
Betrachten, und im SHebräifchen heißt von chamar roth feyn, chemer 
er Wein und chamor der Eſel, was freilich für Aegypten nichts beweißt, 
och zeigt, Daß die Farbe beider Dinge nicht ald zu weit von einander 
ftehend angeſehen warb. 

Der Sperber, heilig gehalten und verehrt in Sierafopolis, d. i. 
perberſtadt, Eileithyiaftadnt gegenüber, wie und Strabo (817) melbet, 
ar ein Sinnbild des Ra, welcher mit dem Sperberfopfe, jeltner ganz 
8 Sperber, doch auch mit Menfchenhaupt und Sonnenfcheibe dargeſtellt 
ard. Indeßen auch die andern Götter, die durchaus Feine Götter der Sonne 
aren, finden fi mit dem Sperberfopfe abgebildet, wodurch fie bildlich 
8 Sonnen, als glänzende Könige dargeftelt werden. Die glänzende 
sonne war nämlich in Aegypten gewählt worden, zur Bezeichnung des 
tönigsglanzed, weßhalb auch der König Phra hies, d. i. Ra mit dem 
tännlichen Artikel, woraus der biblifhe Name Pharao entflanven  ift, 
falls dies Wort nicht aus Ph⸗uro, der König, gebildet ward) und 
Sohn der Sonne, welcher Titel gewöhnlich vem Namen des Königs voraus 
ht. So 3. B. beißt es auf dem Obelisk des Namefjed (bei Ammianus 
Rarcellinus), der mächtige Phra, der glänzende Sohn ver Sonne. Daher 
eichnet der Sperberkopf, als von dem Sinnbilde des Na entlehnt, ven 


— 


*), Die Geneſis ſpricht freilich vom Weintrinken des Könige in Aegypten in 
einer älteren Zeit, und die Denfmäler zeigen Spenden in einer folchen, bie 
auch dem Ra bargebradt wurben. 


2126 Der Sonnengott Ma. 


welchem er gegeben wird, als einen König, ja der König findet fid | 
zu Theben ald Sperber vor Ammon ſtehend, der ihm dad Zeichen 
Lebens an den Schnabel hält, und hinter dem Sperber ift Die Song 
fheibe mit dem Uräus abgebildet (bei Wilkinfon 1. &. 288), und mg 
fo dient die Sonnenfcheibe auf dem Haupte aus gleihem Grunde m - 
nämlihen Bezeichnung. Da nun auch der Uräus die Bedeutung 
Koͤnigthums Hat, fo bietet die Vereinigung von Sperberfopf, Song 
fcheibe und Uräus, welche fich öfters findet, die Ivee des Könige 
dreimal vereint dar, und gerabe bei Ra felbft iſt dieſe Darfiellung ug 
falls zu finden. Warum dem Ra der Sperber geweiht war, wie 
nicht; denn als ein Sinnbild feines Namens, wie z. B. ver Siam 
Thron als eine Hieroglyphe ihres Namens zugetheilt ward, kann em 
nicht wohl zugewiefen worven feyn, da fein Aegyptifcher Name bak I - 
Horapollo (1. 6) fagt, er gehöre der Sonne, weil er vor allen BA 
fcharf gegen die Sonnenftrahlen blicke, weshalb auch vie Uerzte zur Ass 
heilung Sperberfraut gebrauchten. Plutarch (51) nennt den Oſtris 
ben Sperber dargeftellt, weil diefer Vogel fcharf jehe, fehnell fliege, wu 
Nahrung brauche; auch folle er auf Leihen Erde werfen, und wa 
aus dem Nil trinke, die ever gerade aufridhten, nach dem Trinken 
niederlagen, zum Zeichen, daß nicht ein Krokodil ihn geraubt habe. 
Diodor (1. 87) wird, ohne Rüdfidht auf die Sonne, feine Heiligkeit 24 
erklärt, daß er Scorpionen, gebörnte Schlangen und anderes Un 
vertilge, oder weil die Seher ihn als Weißagevogel gebrauchten und 
feiner Beobachtung den Aegyptern die Zukunft vorherfagten (Drafel 
dem Vogelflug find bei den Aegyptern nidyt befannt), oder man gab 
was denn etwas mythiſcher lautet, in alter Zeit babe viefer Vogel ch 
Buch mit einem Purpurfaden umwunden, ven Prieftern nad Toehe 
gebracht, worin der Dienft und die Verehrung ver Götter aufgezeichn 
waren. Defwegen follten auch die heiligen Schreiber eine Purpurbin 
tragen und eine Sperberfever auf dem Haupte haben. Xelian (11. 3 
giebt als Aegyptifchen Glauben an, wann ber Sperber fterbe und ei 
bloße Sesle werde, fo weißage er und fenve Träume Doch dies fie 
wahrlih nicht wie altäggptifcher Glaube, fondern wie eine fpäte Gr 
dung aus. Weiter fagt verfelbe, daß die Aegypter behaupteten, zumell 
ericheine bei ihnen ein breibeiniger Sperber. Dan Eünnte vermutben, | 
fei wirklih eine ſolche Bildung zur Bezeichnung einer Idee gedicht 
worden, da Schönheit, Natürlichkeit und Wahrfcheinlichfeit in den Aegy 
tifchen Darftelungen ver Idee zu weichen pflegen, und in Beziehung a 
die Sonne, lag allervingd ver Gedanke einer Dreitheilung (Morge 
Mittag, Abend) nahe; doch wird Aelians Angabe vdurdy feine der vorhai 
denen bilvlihen Darftelungen bewieſen. Da dieſer Schriftfteler di 
Sorus für den Apollon und dieſen für sinen Sonnengatt hält, fo gie 





Der Sonnengott Na. 1987 


h 


‚ @ (10. 14) an, ver Sperber fei dem Horus geweiht, und es fcheine dies 
geſchehen zu ſeyn, weil er in die Sonnenftrahlen blickt und hoch fliegt, 
k amd weil er auch ein Feind der Schlangen, Scorpionen und derartigen 
Umgrieferd jei. Die Tentyriten, fo heißt es bei demſelben Schriftftefler, 
(10.24) ehrten den Sperber, und um fie, die das Krofovil nicht ehrten, 
Haben fingen, zu ärgern, fpießten vie Bewohner von Koptos, die Ver- 
eher des Krokodils, öfters den Sperber, und er fol den Tentyriten ein 
Bih des Jeuers geweſen feyn, wie das Krokodil jenen ein Bild des 
Üohers war. Letzteres fcheint nur um des Gegenfages willen erfunden; 
Sem allernings find Waßer und Feuer eben fo ftarfe Gegenfäge, wie vie 
gegenfeitigen Befinnungen der Tentyriten und Koptiten, und da das Kro⸗ 
Bedil allerdings ein Sinnbild des Waßers war, fo mochte man ihm ein 
Sinnbild des Feuers entgegen ftellen zu müßen vermeinen, ven Tenty⸗ 
felbft aber konnte es nicht verborgen feyn, welchem Gotte ver 
tber gemeiht mar. Ob es wahr fei, was Xellan (12. 4) meldet, daß 
Wiekt Vogel beim Herannahen ver Nilüberichwenmung das Gefieder 
werke, und ob dies etwas zu feiner SHeilighaltung beigetragen habe, 
wu dehin geftellt bleiben. Uebrigens bezeichnet der Sperber auch vie 
Geh, und viefe feben wir auf den Denfmälern als Sperber, mit dem 
Beibentopfe abgebildei. Horapollo (1. 17) fagt darüber, der Sperber 
ll die Seele dar, infofern verfelbe im Aegyptiſchen Baieth heißt, welcher 
Han Seele und Herz bedeutet, denn bai heißt Seele, eth Herz (het, hali 
feißt Herz); das Herz aber tft bei den Aegyptern der Einfchluß der Seele, 
Web der Name beveutet alfo beberzte Seele. Wegen viefer Beziehung zur 
Gecle trinkt der Sperber durchaus Fein Waßer, fondern Blut, momit 
uch die Seele genährt wird. Daß der Sperber Baieth geheißen, müßte, 
venn es wirklich flatt gefunden hätte, in fpätere Zeit fallen, denn jein 
dame war bak, aber eö wäre doch möglich, daß weil in dieſem Namen 
le Sylbe ba enthalten war, welche die Seele beveutet, er ein Sinnbilv 
IE Seele geworden wäre, wie in fpäterer Zeit ver Ziegenbod, welcher 
s heißt, auch die Seele bezeichnete. Auf viefe Weile hätte der Sperber 
u der Vogel der Sonne werden Eünnen, weil Sonnenlicht und Leben, 
te im Gegentbeil Naht und Top in der Vorſtellung ſich berühren. 
ebrigens ift noch zu bemerken, daß Strabo (818) zu Philä, wo Aethiopen 
ad Aegypter zufammen wohnten, eined heiligen Vogels erwähnt, der ein 
iperber feyn follte, jedoch größer als der gewöhnliche war, und fi 
scch fein buntes Gefieder unterfchled. Er ward für einen Aethiopiſchen 
jogel ausgegeben, und wenn einer farb, heißt ed, fo warb er durch 
nen andern aus Xethiopien erſetzt. Wir Tonnen nicht zweifeln, daß 
ieſer Vogel wirklich ein Sperber war, und in Philä dürfen wir und ihn 
auf ven Horus bezogen denken. 
Wis Phitbab zu Memppis ben ſchwarzen Stier Ayis Yatte, ſo Ra» 


ETESENSNpeaF2E wu 


138 Der Sonnengott Re. 


Heliopolis den ſchwarzen Stier Mneuis (mit der Sonnenfcheibe und Feden 
auf dem Kopie dargeftelt), der wie Strabo (805) angiebt, in eime 


Tempelgemache des Gottes fih befand. Wiemohl viefer Stier nicht (iR 


angefehen war, wie der zu Memphis, und feine fo audgebreitete Berüt 
heit genoß (Ammianus Marcellinuß jagt, er ift der Sonne geweiht ml 
es wird nichts Merfwürdiged über ihn erzählt), jo galt er Manchen 
wie fhon oben angegeben worden ift, für den Vater des Apis. Im 
tönnen wir, mie in dem Apis, nichts anderes als ein Sinnbild 
Zeugung nnd Bortpflanzung erbliden, weldyes man tem lebenmwertenke 


und ſeegenſpendenden Eonnengotte zugefügt hat. Aelian ı11. 11) er 


und, von den Aegyptern gehürt zu haben, daß König Bokchoris um 
Leute zu ärgern, einen wilden Stier gegen den Mneuis geführt hat 
Als beide Stiere einander zu Gefichte befommen, hätten fie gebrüllt, w 
der herzugebradhte jey auf den Mneuis lodgeftürzt, dabei aber mit 
Horn in einen Perfeaflamm gerannt, worauf ihn der Mneuid von 
Seite her durchftoßen habe. Wie unbedeutend dieſes Mährchen audy «a 


jeben mag, fo ift doch nur vie Erzählung oberflächlich, der innere Gehak: 


jedoch ift Acht mythologifh. Der Berfea- baum war ein Sinnbife 1. 
Lebens, und gehörte ver Hathor, der Gebährerin und Liebeögöttin, weiße 


das Leben und die Bortpflanzung verbürgt, welche Uuterbrechung ode | 


Gefahr au der Zeugung drohen möge. Der Sinn jened Mährde 
befagt demnach, daß der Angriff auf die Bortpflanzung und Zeugung 6 
dem unvertilgbaren Leben fcheitere, denn ber Perſeabaum beveutet 1 
demielben das Leben, welches fih ſtets unvertilgbar wieder erneuert. 3 


Eufebius (3. 13) wird der Stier Mneuid folgendermaßen beichrieben: CE 


it fehr groß und fehr ſchwarz, weil die Sonne ſchwarz madıt; die Haau 


des Schweifd und des Körpers find auswärts gefträußt, anders wie I 
den übrigen Stieren, weil die Sonne dem Himmel entgegen geht. G 
hat große Hoden, weil die Hige Liebe weckt und die Sonne befruchtend iſ 

Don einem dritten heiligen Stiere, welcher auf die Sonne zu beziehen 


ift, meldet und Aelian (12. 11), Indem er fagt: Es verehren die Aegypter 


auch einen ſchwarzen Stier und nennen ihn Onuphis, der Name des Ortes 
aber, wo er gehalten wird, iſt rauh auszufprechen. (Diefer Drt war 
Hermonthis, wo Muntu mit Ratho und Harphra vie Kauptgottheiten I 
Tempeld waren, und einen Namen wie Hermonthis zu rauh zu finden 
und Ihn darum ganz zu verfchweigen, gehörte zu ven lächerlichen Zierereien 
der fpäten Sophiften.) Seine Haare find nad) der Gegenfeite der Haar 
anderer Stiere gekehrt, und er iſt fehr groß und frißt Mediſches Krast 
(Klee). Macrobius (1. 21) aber giebt an: zu Hermonthis in dem praäch⸗ 
tigen Tempel des Apollo (dad wäre nach der Griechifchen Anſicht Horus, 
in fpäterer Zeit als Sonnengstt geltend bei Griechen und Römern) ehren 
Re einen ber Sonne geweihten Stier, vem fe ven Beinamen Vakis (ober 


Der Sonnengott Na. 139 


Bacis) geben, audgeftattet mit Wundern, welche zu ver Befchaffenheit der 
Bonne paßen. Denn man verfichert, daß feine Farbe von Stunde zu 
Stunde wechfele, und daß feine Haare ſich nad) der entgegengefegten 
Richtung fträuben, wie ſie bei den übrigen Ihieren ſtehen. Darum wird 
= für ein Bild der Sonne gehalten, weldhe gegen die Bewegung ber 
Belt fich bewegt. Hier fehen wir viefelbe Idee in der Deutung befolgt, 
weile bei dem Mneuis angenommen ifl, und welche wir bei dem Käfer 
bs Phthah als Inhalt dieſes Sinnbilvs angenommen haben. Daß Onuphis 
md Pacis oder Bacid nur zwei Namen eines und deſſelben Stieres feyen, 
# Mar, und mit Onuphis wird er, falls der Name genau überliefert ift, 
zeichnet, wie Heliopolis felbft, welches On hieß (un entweber Eröffnung, 
wer Glanz) und uphis Fünnte wie in andern Namen aus Othph, Atep, 
.t. Darbringung, entſtanden feyn, und dieſes Wort ift als Namenendung 
mb als Theil von Benennungen nicht felten. Pakis aber oder Bafis kann 
Iu8 pe-ka, der Stier, entftanden feyn, und der Onuphis würde damit 
werzugämweife oder ſchlechtweg der Stier genannt. Zwar fagt Wilfinfon 
(2. 197), in den Hieroglyphen erfcheine diefer Name in der Form basch; 
wa er aber weder die Hieroglyphe mittheilt, noch etwas Näheres darüber 
fagt, fo müßen wir feine Angabe auf ſich beruhen lagen. 

Wir kommen nun zu einem vielleicht zweifelhaften Sinnbild der 
Gonne, zum Löwen, welcher allerdings ein Sinnbild der Sonne gewefen 
gu ſeyn ſcheint. Horapollo (1. 10) fagt: zu Heliopolis findet fih eine 
Bitofäule des Gottes, welche Fatengeftaltet iſt; und vorher giebt er von 
ver Katze, um fie ald für die Sonne geeignet nachzuweifen, an, bie 
männliche Kate ändere die Pupille gemäß dem Kauf ver Sonne; beim 
Yufgang derſelben vehne fie fi) aus, Mittags werde fie rund, und wann 
He Sonne untergehen molle, erfcheine die Pupille dunkler. Einen katzen⸗ 
Üipfigen Bott bieten die Aegyptiſchen Denkmäler nicht dar, und anzu« 
sehmen, Horapollo verwechlele ein Bild ver Bubaftis mit einem Bilde 
des Sonnengotted, ift minder wahrſcheinlich, ald anzunehmen, er babe 
einen Löwenföpfigen Gott, und einen foldhen bieten die Denkmäler dar, 
mit einem katzenkoͤpfigen verwechfelt; denn jo ift dad Bild ver Paſcht 
faum von dem der löwenköpfigen Göttin zu unterfcheiven. Der Lowe 
war wirklich ein heilige8 Thier in Aegypten, und ward befonderd zu 
Leontopolis, d. i. Lowenſtadt, gepflegt, wie Diodor (1. 84) es ung bezeugt. 
Zur Zeit, als der Ihierfreis erfunden und zu allgemeiner Kenntniß 
gefommen war, beutete man dieſe Verehrung auf das Sternbiln des Löwen. 
&o Iefen wir bei Plutarch (38): die Aegypter verehren den Lowen und 
Ihmüden mit Köwenrachen die Tempelthüren, weil im Zeichen des Löwen 
der Mil überfließt. Uebereinſtimmend damit bemerft der Scholiaft zu 
Aratos (152): das Sternbild des Löwen weihten fie der Sonne; denn 


Mm diefer Zeit Reigt ber MI und der Hundsſtern geht auf, weldger ver 
ID. 9 


130 Der Sonnengott Ka. 


Ifis Heilig if. Maerobius in den Saturnalien (1. 21) giebt i 
Aegypter hätten ven Löwen der Sonne geweiht und wegen feiner | 
Stärke dahin im Thierkreis gefept, wo die Sonne im Jahresli 
heißeften glühe. Auch hätten fie das Zeichen des Lowen dad Hi 
Eonne genannt, weil dies Thier fein Wefen aus der Sonne zu 
fcheine. Dürfen wir und auf Aelian verlaßen, dann fünnte freif 
Zweifel darüber jeyn, daß der Löme dem Sonnengotte gehörte; den 
erzählt (12. 7): zu Groß⸗Heliopolis in ven Propyläen des Gotk 
man Löowen, die denen, welchen der Gott gnäpig fey, mandjes Zu 
im Schlaf weißagen, und Meineidige auf ver Stelle ftrafen. (Den 4 
Theil des Löwen follen vie Aegypter auf dad Beuer, ven binte 
das Waßer beziehen, welche Auslegung auf die Annahme, daß das 
HA des Loͤwen die Nilüberfchwemmung bringe, gegründet zu ſeyn 
Empedokles meinte, auch bei ver Seelenwanverung fey e3 für den V 
am beften, wenn feine Seele in einen Löwen wandere, fo wie, 
in eine Pflanze wandern müße, der Lorbeer dazu am vorzüglich 
fie fey. Auch Proflus fagte, manche Thiere feyen folarifch, wie di 
Huf ven Denkmälern finden wir die Sonnenfcheibe mit dem Zeit 
Lebens auf zwei fißende Löwen geftüßt, und ſolche Löwen als € 
träger dienten au zu Amuleten und Zierrathen, und der Ring, 
fie befeftigt waren, ftellte die Sonne vor; doch flatt des Kopfe 
Löwen findet ſich auch einmal ein Kuhfopf. Uebrigens gab es in Q 
feine Löwen, fondern fie wurden nur zur Verehrung gehalten; der { 
dieſer Verehrung aber war Leontopolis, d. i. die Loͤwenſtadt. Zu 
findet jich der Löwe auf dem Schrein des Ibis, welcher dem Thoth 
und hat die Sonnenjcheibe zur Verberrlihung auf dem Kopfe, ein 
kephalos aber, welcher ebenfalls dem Thoth gehört, betet zu ihm 
Sinnbild des Zeitgottes Thoth kann nicht wohl etwas anders « 
als was auf die Zeit Beziehung hat, Sonne und Mond aber, nad 
die Zeit gemeßen wird, und welche gewißermaßen die Schöpfer t 
find, eignen fih zu Gegenſtänden, um von dem Sinnbilde des 
angebetet zu werden. (Daß Horapollo, Proflos, Macrobius den 
ein Sinnbild der Sonne nennen, ift nicht beſonders in Anfchlag zu I 
weil diefe gewiß vom Sternbild des Löwen ausgiengen.) *) 
Gehörte der Löwe dem Ra, fo kann das Sternbild des Löwer 
nichts zu thun haben; denn der Thierfreis ift ſchwerlich fo alt in A 
als vie Verehrung des Loͤwen. Was die Veranlagung gewefe 
koͤnnte, dieſes Thier der Sonne zn weihen, Eönnen wir nicht mit Be 
heit fagen, weil Niemand es überliefert Hat; aber höchſt wahrſt 


*) So viele Mumien von Thieren man auch hat, fo find doch noch fe 
Löwen aufgefunden worben. 


Der Sonnengott Ra 131 
















fette die Narbe dieſes Thiers die Veranlaßung dazu hergegeben, und daß 
ger von feiner Farbe der glänzende bieß, zeigt vie Aegyptiſche Sprache; 
wenn anfer dem Namen rabu hat er auch den Namen maau, koptiſch mui 
send mau, und Eoptifch mue heißt glänzen. So fehen wir in der Griechifchen 
Rothologie ven Wolf wegen feiner Farbe ver LKichtgottheit zugetheilt, und 
R ver Negpptifchen den Schafal dem brennenden Hundsſtern. Auch bie 
Denhaare Eonnten bei dem Katengefchleht zum Sinnbild der Lichtftrahlen 
acht werden, und darin fände ed vieleicht feine Erklärung, daß bie 
Bade der Geburtsgöttin gehörte, welche die Keime des Lebens nach erlangter 
eife an das Licht bringt, mweßhalb die Geburtsgdttin bei den Römern 
Eueina, d. i. Lichtgöttin, hieß. Hören wir, was Horapollo (1. 17— 21) 
über den Löwen bemerkt: Wollen vie Uegypter den Mutb varftellen, fo 
mealm fie einen Löwen; denn er hat ein großes Haupt, feurige Augen, 
une Seficht rings mit ftrahlenartigen Haaren befegt, ähnlich ver Sonne; 
Barum jegen fie auch Löwen unter den Thron des Horos, welcher vie 
Come if. (In der fpäten Ptolemäer- und Nömerzeit zeigen die Denf- 
ln allerdings den Harpokrates auf dem Thron von Lowen getragen 
and af dem Rücken von Löwen, wie bei Rojellini Tafel 18 zu ſehen ift.) 
Elirfe fiellen fie durch das Vordertheil des Löwen dar, den Wachfamen 
ur des Lowen Haupt, meil er wachenn die Augen fchließt, fchlafenn fte 
ponen hält, weßhalb fie auch den Schlößern ver Tempel Löwen zugefügt. 
Eben fo dient der Löwe zur Darftelung des Burchtburen. Auch zur 
Bezeihnung der Nilüberſchwemmung gebrauchen fie den Löwen, weil der 
Nil übertritt, wann die Sonne im Zeichen des Löwen ift, und dann zuweilen 
bie doppelte Höhe erreicht, weßhalb auch die alten Vorfteher der heiligen 
Werke vie Rinnen und Canäle ver heiligen Quellen lümenfürmig machen 
ießen. Auch in diefen Erklärungen fol in Beziehung auf die Sonne das 
Sternbild des Löwen und der Eintritt der Sonne in daſſelbe das Wefent- 
iche ſeyn, und die Nilüberſchwemmung, welche die Aegypter Doch ganz 
md gar von dem Hundsftern abhängig dachten. Sollte wirklich die Sonne 
m Zeichen des Löwen in Beziehung auf die Nilüberfchwemmung je in 
Negnpten gegolten haben, fo würde viefes nur eine Neuerung in ziemlich 
päter Zeit gewefen feyn. Allein auch ohne zu dem Sternbilde feine 
Zuflucht zu nehmen, bietet ſich uns eine ganz dem Geiſte der Aegnptifchen 
Mythologie und ihrer Verfahrungsmweife, Sinnbilder anzuwenden, gemäße 
Deutung dar. ft der Löwe ein Bild des Lichts, fo läßt er fih als ein 
hier des Sonnengotted und ald ein Sinnbild des Lebens erklären: Daß 
r aber als ein Bild des Lichts in Aegypten gegolten habe, beweifen 
Bilder, denn es findet fich ein Tömwenföpfiger Gott, der auch ven Löwen 
um bierogInphifchen Zeichen bat und Mau, d. i. Glanz, heißt (bei 
Wilkinſon Taf. 71). Zwar ift er in Sculpturen felten und nicht fehr alt. 
(Zu Denderah aus ber Ptolemäer⸗ und Römerzeit, au zu Debod hei 
9% 


132 Der Sonnengott Ra, Sphinr. 

















Ammon, welchem Cäſar varbringt, und im füblichen Aethiopien in 
Nähe des heutigen Shenty fand Wilfinfon (2. S 171) den lowenkdp 
Gott, der eine Hauptitelle in den großen Tempel von Wady mali 
einnahm; er ift in einer Proceifion der Götter Ra, Neph, Phthah, welch 
der König darbringt, der erfte. An der Seite des Propyläums iſt ch 
Schlange mit einem Löwenfopf und Menfchenarmen, ſich aus einem | 
erhebend, und in dem Fleineren Tempel des nämlichen Ortes ift ein € 
mit drei Löwenföpfen und zwei Paar Armen. Auch die Ueberrefte 
Wady Benat zeigen den Lömengott. Diejer Mau [Mu, Mui] de 
Sohn des Ra, Npe, Führer des Himmels, und hat die Straußfeder, 
Zeichen der Ma, und iſt audy ein Uinterweltögott. Im Rameſſeion fin! 
fi) al8 die darin wohnenden Götter, Ammon, Phthah, Ra, Atmu, M 
Seb, Paſcht, Hathor, nebft Thoth und Ma und dem Wächter der Kimi 
lifchen Pforten.) Berner bat ein Gott mit Menfchenkopf, worüber 
die Sonnenfcheibe mit Uräud findet, den Löwen zum hieroglyph 
Zeichen, und Fönnte hierher gehören. Auch Paſcht hat zuweilen flatt N 
Kate den Löwen zum hieroglyphiſchen Zeichen, und Mut, Triphis, Tefal 
find Löwenföpfige Göttinnen, deren Bedeutung mit dem Wefen der Pafl 
in naher Verwandtſchaft ftehen muß. Nehmen wir nun an, daß Kauf 
und Löwe durch Fichte Farbe, runden Kopf und die ftrahlenartigen Berl 
haare, wie auch noch indbejondere der Löwe durch die Mähne um fei 
Kopf, die Lichtſtrahlen, das Licht darzuftellen erwählt wurden, dann erfl 
es fih, warum die Geburtögöttin Fagenföpfig war, oder löwenföpfig, w 
warum die Mu, die Mutter, in verfelben Geftalt erfcheint. Licht 
Keben find aber verwandt, wie Licht und Zeit und Zeit und Xeben; b 
gebohren werden ift an das Licht treten, Leben ift im Lichte feyn, 
Tageslicht fehen, und fterben ift das Licht verlaßen und ver Nacht U 
Todes anheimfallen, fo wie die Zeitlichfeit verlaßen; denn man durchle 
die Zeit und faßt das Leben als eine Reihe von Zeit, die für den Todte 
nicht mehr beftebt. Fällt nun bei ven löwenfüpfigen Göttinnen die | 
von Licht und Leben zufammen, fo kann auch das Sinnbild der Son 
zugleich ein Sinnbild des Lebens feyn, und ein foldhes Licht und Leben 
andeutended Bild eignete fih zum Schmud der Tempelthüren, und um 
die Rinnen und Canäle zu verzieren, durch melche das gedeihliche, leben⸗ 
weckende Waßer geleitet ward. Auf dieje Weife läßt fi) denn aud alt 
ein Sinnbild des jeegensreichen Lichtes der Sonne dad Miſchbild erklären, 
welche8 unter dem Namen 


Spbhbing 


befannt iſt. Diefer Name ift von Griechen wegen ihrer Ihebanifchen 
Sphinr, die aber weiblich war, auf dad Aegyptifche Sinnbild übertragen 
worben; benn die Aegypter nannten es neb, d. i. Kerr. Herxodot (2. 175) 


Der Sonnengott Ra, Sphinz. 133 


meldet von Amaſis, daß er zu Sais die herrliche Vorhalle des Neith- 
Zempels baute und Koloſſe und Münnerfphingen weihte. Wir wißen 
auch fonft, daß dieſe Geftalten vor den Tempeln in ganzen Reihen aufges 
Belt wurden, jo daß man durch fie hindurch in den Tempel gieng. 
Bilutarch (9), welcher die Anſicht Hatte, die Sphinx bezeichne das Räthfels 
hafte, fagt: durch Aufftelung der Sphingen vor den Tempeln wollte man 
des Dunfle und Räthfelhafte der heiligen Weisheit bezeichnen. Clemens 
Der Alexandriner in den bunten Schriften (5. S. 240) ift verfelben 
‚Meinung ; ; denn auch er fagt: die Aegypter haben die Sphingen vor ven 
Seiligthümern aufgeftellt, um das Näthfelhafte ihrer heiligen Lehre damit 
anzudeuten; doch fügt er hinzu: vielleicht au, um damit audzubrüden, 
daß man das Göttliche Lieben und fürchten müße, lieben als mild und 
gnädig den Frommen, fürchten ald unerbittlich gerecht gegen die Gottlofen; 
kenn vie Sphinr vereinigt dad Bild des wilden Ihiers und des Menfchen. 
Paß die Aegypter an vergleichen nie dachten, verfteht fi) wahrlih von 
Kit, da nur der Hinblid auf die Griehifhe Sphinx die Griechen zu 
fh einer Meinung bringen konnte. Was aber Clemens ver Alerans 
kriner nun gar von der Liebe und Furcht fagt, ift fchon dadurch widers 
Test, daß ftatt der Löwen mit Männerföpfen auch bloße Löwen reihenweife 
yor den Iempeln aufgeftelt wurden, wie zu Starnaf, woraus erhellt, daß 
ber Löwe jelbft dad Sinnbild war, und daß der Menfchenfopf nur hinzus 
‚sefügt ward, um ihm als ein göttliches Weſen zu bezeichnen, was, obgleich 
‚ga Thier die Gottheit felbft beveuten Eonnte, doch audy durch Mifchung 
Eder Geſtalt geihah, und zwar auch fo, daß die thierifche Geftalt mit einem 
Menichenkopf gebildet warb, wie wir z.B. den Amun-Ra ale Sperber . 
mit Menfchenfopf finden, eben fo vie Hathor. Aber nicht bloß Loͤwen 
wit Menſchenkoͤpfen ftellten die Uegypter auf, fondern vie Ueberrefte ihrer 
Denkmäler geben und noch Löwen mit Wipverföpfen zn ſchauen, und dazu 
welche mit Sperberföpfen, und flatt der Lowen finden wir auch Widder 
in Reiben vor dem Zugang zu dem Tempel aufgeftelt. Auch ven König 
ſehen wir, gleich wie er als Sperber vargeftellt war, alfo als Sonne, eben fo 
als Sphinx dargeftellt vor dem fperberföpfigen Gotte bei Wilkinfon 
(1. ©. 288), und zwar hat er in jeder DVorvertate dad Waßergefäß; 
Waßer aber bezeichnet Leben, wie denn Hathor und Nutpe den Seelen 
Waßer zufchütten, damit fie eben genießen. Diefe Darftelung des Königs, 
ber felbft eine Sonne, ein Sohn der Sonne ift, unter dem Bilde des 
Löwen, wenn wir diefen nicht ald Sinnbild der Sonne bezweifeln, würde 
ſich vann erklären, wie fich feine Darftellung unter vem Bilde ded Sperberg 
erklärt. Es ſcheint auch ver Xöme felbft als finnbilvliche Bezeichnung des 
Königthumd zumeilen bei den Königen abgebildet worden zu feyn, und 
daher fcheinen die Mährchen zu ſtammen von Löwen, weldye den Königen 
in den Schlachten helfend zur Seite flanvden. Sp erzählt Diodor (1. 48) 


134 Der Sonnengott Ra, Sphinr. 












von dem fogenannten Grabmal des Oſymandyas: auf der erflen Seite 
der König dargeftellt, wie er eine vom Fluß umftrömte Dauer belage 
und voran fämpft gegen die Feinde, mit einem Löwen, welcher entfegf 
mitfämpft. Lömwenköpfige Statuen finten fih in ven Trümmern W 
Memnoniumd und zwei Eoloffale Sphinre mit Menichenköpfen, den Kbu 
Amenophis darftelenn. Zu Uadi Effebua find Sphinre in ver X 
des von Seſoſtris dem Na geweihten Tempels, welcher zugleich 
Phthah gehörte. 

Der Käfer, weldher nur als ein Sinnbiln des Phthah mit Gewißhe 
angejehen werven Fann, wird auch ald der Sonne eigen genannt 
Porphyrios und Horapollo (1. 10), und er findet ſich abgebilvet, W 
Sonnenfugel über fih mit den Vorberbeinen haltend. Möglich wäre 
gewefen, daß er auch ald Sinnbild des Na betrachtet worden wäre, be 
beweifen läßt es fih nicht. Zwar fehen wir eine Darftellung 
Wilkinfon Tafel 29), wo die Sonnenfcheibe auf dem Sonnenberge x 
und der fperberfüpfige Ra mit Kufuphafcepter und Peitſche in derſe 
fißt, während darüber ein Käfer in einem Kreife fich befindet, an weldgen 
fi) daS Zeichen des Lebens und dad Kufuphafcepter herabhängend befiubets 
ob aber diefed Bild für einen Beweis, daß der Käfer auch dem Ra gebiet 
babe, gelten Eönne, mag troß des Anfcheins dahin geftellt bleiben. Be 
der Käfer durch das Nollen der Kugel die der Bewegung des Himmel 
entgegengefegte Bewegung der Sonne bezeichnet, fo paßt er natürlich ebe 
fo gut für den Ra, als für den Phthah, welcher als Tageögott eben wege 
des Lauf der Sonne am Tage jened Sinnbild hat, und von dem ch 
heißt, er bewege fein Ei im Simmel, fo wie es auch vom Na heißt, er 
bewege fein Ei. Das Ei aber war bei ven Aegyptern ein Sinnbilo für 
den Urfprung einer Sadje, und da das Ei, welches Ra bewegt, nid 
anders jeyn Tann, als die Sonne, fo wird dieſe der Urfprung des Ra mit 
jenem Ausdruck genannt. In fo fern nun die Sonne Urfprung oe 
bildlich Ei des Ra, ift derſelbe nicht die Sonne felbft, wiewohl es auf 
von ihm heißt: ver in der Sonnenſcheibe thront, fondern er ift der Licht 
gott ded Tages, gleich dem Phthah, wenn wir recht berichtet werben, ein 
Kind. Bildlich ftellten die Uegypter, fagt Plutarch (11), vie Sonne bar 
ald ein aus dem Lotus neugebohrenes Kind, womit fie ausdrücken wollten, 
daß die Sonne ſich aus dem Beuchten entzünde. Diefe Auslegung iR 
nicht richtig, denn aus dem Lotus gebohren werben, heißt eben nichts 
mehr, als gebohren werben, da dieſe Pflanze ein Sinnbild des Gebährend 
war, meßhalb die Göttinnen ein Scepter trugen, woran oben Lotus war. 
Mag Plutarh den Ra mit dem Hau, dem Tage, verwechfelt haben, over 
nicht, jo thut das wenig zur Sache, weil Sonne uud Tag ald Begriffe 
einander fehr nahe liegen. Iſt Mau mit der Straußfever auf dem Kopfe 
wirklich Na unter einem feiner Beinamen, fo gleicht er auch im biefer 


- 
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Der Gonnengott Ra, Sphinx. 135 


ziebung dem Phthah, neben welchem die Ma fteht, und dieſe Feder 
: Gerechtigkeit beveuret vie feite Gejetlichkeit der Zeit, die ja nach ver 
anne, wie nach dem Monde, gemeßen und gewißermaßen durch fie erzeugt 
rd, weßhalb auch Ra ein Herr ver Panegyrien beißt. Bei Phthah ift 
on bemerkt worven, dag Munde nicht den Hephäftos zuerft und dann 
sen Sohn Helios herrſchen ließen, fondern den legteren an die Spite 
s Bötterberrfchaft ftellten;; denn follte die Weltfchöpfung und die beberrfchte 
nung derſelben mit dem Kichte und dem Tage in feiner geregelten 
iederkehr beflehen, fo Fam wenig darauf an, ob man die Sonne, oder 
ı Phthah dazu wählte, die ja fo nahe mit einander verwandt find, daß 
in manchen Punkten ganz und gar zufammentreffen müßen. Bei 
odor (1. 11) wird Helios unter die acht alten Götter gezählt, und 
agt, die Aegypter hätten zuerſt ald die zwei ewigen und älteiten Götter 
mne und Mond angenomnen und Dfirid und Iſis genannt. Diefe 
gabe aber enthält Feine Aegyptiſche Meythologie, fondern eine fpäte 
stende Anficht von derſelben, da ja die Gättin, weldye die Griechen als 
tanptiiche Selene nannten, gar nichts mit dem Monde zu fchaffen hatte, 
we welchen eine Gottheit, die ihm eigen gewefen wäre, wie Ra es der 
jonne war, bei ven Aegyptern nicht gefunden wird. *) 
Zwei Obelisfen, erzählt Herodot (2. 111) weihte der König Pheron, 
5 er nach zehnjähriger Vlindheit fein Geſicht wieder befommen hatte, 
m Selioötempyel, jeden hundert Ellen hoch, acht Ellen breit, aus einem 
gigen Stein einen jeden. Plinius (36. 8. 9) fagt über die Obelisfen: 
us Syenitifhem Stein machten die Könige mit einem gewißen Wetteifer 
r Gottheit der Sonne geweihte Säulen, welche fie Obeliöfen nannten; 
: ftelen die Strahlen derfelben dar und Died wird mit dem Aegyptiſchen 
amen bezeichnet. (Wir wißen dieſen Uegyptifhen Namen nicht; hat aber 
erodot, welcher den Obelisk Obelos, d. i. Spieß, nennt, dieſen Griechi⸗ 
ven Namen gewählt, weil er einen dem Klange nach ähnlichen im Aegyp⸗ 
ihen hörte, dann müßte in diefer Sprache das Wort uben, Strahl, einen 
heil des Namens ausgemacht haben, und uben-ra, d. i. Sonnenftrahl, 
üßte ihm uben-Ia gelautet haben, wie auch die Griechen dad Aegyptifche 
tantu=ra zu Manduli8 machten, weil ihnen dad r, wie es häufig im 
optifchen in 1 übergegangen ift, wie I lautete.) Plinius erzählt weiter: 
rt erite, welcher einen Obelisk errichtete, war der zu Heliopolis herr⸗ 


*) So kann es auch durchaus nicht als eine Aegyptifche Lehre gelten, was 
Samblichus (8. 3) fagt: die Kraft über die Elemente der Zeugung und die 
acht Kräfte, die vier männlichen und vier weiblichen, gehört dem Helios, 
bie aber über die Natur im Zeugen dem Mond. Dergleichen Anfichten find 
überhaupt nicht aus der Mythologie alter Völfer gewonnen worden, ſondern 
von den fpäten Philoſophen erfonnen und der Mythologie aufgebürdet, 












138 Der Sonnengott Ra, Sphinr. 


fol flatt gefunden haben, wie Plutarch (79) angiebt, weil Harz die Lug 
reinigt, Myrrhe die von der Sonne ermedten Dünfte zur Mittagägeif 
vertreibt, und weil dad Kyphi der Nacht angemeßen fei, indem die Lufk 
zur Nacdhtzeit gemifcht ift, wie das Kyphi auch gemilcht ift, und zwar ang 
ſechszehn Beftandtheilen, aus Honig, Wein, Roſinen, Kyperos, Saul 
Myrrhe, Asphaltos = vorn, Seleli, Maſtix, Asphalt, Binfe, Ampf 
Eleinerem und größerem Wachholder, Kardamomum und Calmus. Diekg 
Dinge nun wurden nicht fo ohne weiteres zufammengemifcht, fondern a 
wurden denen, die es bereiteten, während der Miſchung die heiligz8 
Schriften vorgelefen. (Es gab auch ein Kyphi, welches man trank, wei 
es für ein Reinigungsmittel der Eingeweide galt.) Er 
Macrobind in den Saturnalien (1. 21) melvet, die Aegypter hätten 
die Sonnenbilver geflügelt gemalt, das eine dunkel, dad andere Hell, unkäk 
das belle heiße das obere, das dunfele das untere, nämlich vie Son 
in der oberen und in der unteren Hemiſphäre. Ra al8 Gott, findet 
nit auf den Denfmälern geflügelt gebilvet, fondern ald Mann | 
Sperberkopf, die Sonnenfcheibe mit Uräus auf demfelben oder mit Sperbet 
kopf, Winderhörnern, Sonnenfcheibe und dem mit zwei Straußfeden 
verfebenen Hauptſchmuck, wie ihn auch Kneph oder Oftris trägt, oe 
bloß ald Mann mit der Sonnenfheibe und dem Uräus darauf. DU 
Sonnenfcheibe felbft aber fehen wir vargeftelt auf dem Sonnenberge mk 
bem Zeichen des Lebens auf dem Rüden zweier Löwen ruhend, oder auf 
dem Sonnenberg mit Ra darin und einem Käfer darüber in einem Kreife, 
an dem das Zeichen des Lebens und dad Scepter hängen. Als einer 
bloßen Sonnenfreid, von welchem Strahlen ausgehen, vor welchem ver 
König, die Königin und Ihre Kinder anbeten, fehen wir fie bei Wilkinfon 
(Tafel 30). Die Strahlen find wie dünne Arme gebildet und enven is 
angevdeutete Hände, von welchen eine dem Könige dad Zeichen des Lebens 
nah dem Munde reidht. Der Name viefed Sonnenfreifes, welcher auf 
vier Regionen oder Kreifen zu ſchauen ift, womit wohl die vier Welt 
Gegenden angedeutet find, ift Atn-Ra, unter welchem die Sonne befon- 
ders in den Grotten von Tel el Amarna verehrt war, wo ſich des Königs 
Name weggefrast findet. (Der Name Atn=ra bedeutet aber Sonnfdeibe.) 
Auch fehen wir fie untergehend (bei Wilkinfon Tafel 20) auf vem Sonner 
berg, aufgenommen in den Urmen der Mutter Erve, die ohne Kopf, nur 
mit Armen und Brüften erfcheint, während die grad- und blumen. 
bewachfene Erde mit Streifen vol Augenpunften den Reſt bildet und ein 
Weib mit dem Auge an dem Gewande anbetet. Die Sonnenfcheibe mit zwei 
Vlügeln nach jever der beiden Seiten auögefpreitet (und zuweilen mit zwei 
Uräus verfehen) ward über Tempelthüren und an Haudgeräthen angebradt, 
und galt ald ein fihügender Genius. In dem Bilde des Himmels, (bei 
Wilkinfon Tafel 55) einem Weibe, welches in unvollkommener, verzerrter 


| 


Der SGonnengott Ra, Sphinr. 1398 


Bildung, mit ven Armen und Beinen zweimal wiederholt, eine Flaͤche 
umfpannt, auf welcher Sterne angebradht find und drei Sonnenfdeiben, 
mit einem Weihe ald Erde darunter, in deren Nähe zwei jener Sonnen 
ſcheiben fich befinden, während die britte ganz oben ift (alfo Morgen, 
Mittag, Abend) zeigt auch außer jener geflügelten Scheibe, vie ſich 
viermal angebracht finvet, zwei weibliche kleine Bilder, deren jede eine 
Gonnenfcheibe in einem Boot hält. Die Sonne nämlid fchifft nad. 
N Aegyptiſcher Vorftellung in einem Boote, wie auch Plutardy (34) meldet, 
welcher jagt, bei den Aegyptern fahren Sonne und Mond in Schiffen, 
Jvwas beveutet, daß Alles aus dem Waßer entſtehe. Diefe Erklärung ift 
aber nicht richtig, denn wie bei den Griechen die Gdtter Wagen haben, 
worauf fie fahren, fo haben fie in Aegypten, dem Lande ded Nil und 
feiner Canäle, durchweg Boote, worauf fie fahren, und es hat biefer 
Brauch nicht die Entftehung aus dem Waßer zum Grunde. Den Griechen 
ſank die Sonne in dad Meer, und fie glaubten, daß fie aus demfelben 
auffeige; bei ven Aegyptern aber fehen wir die Sonne in die Arme ber 
Erde finfen, uud nicht3 zeigt ſich, was darauf deuten koͤnnte, daß fie 
Morgend aus dem Waßer emporftiege. Porphyrius bei Eufebius (3. 11) 
#. fagt, bie Aegypter hätten die Sonne zuweilen unter dem Bilde eined 
Menſchen dargeſtellt, welcher ein auf einem Krokodil liegendes Schiff beiteigt. 
Die Priefter zu Heliopolis haben bei den Griechen einmal den Ruf 

großer Weisheit gehabt, doch zu Strabo's Zeit war es damit zu Ende; 
benn diejer erzählt (805), zu feiner Zeit fey diefe Stadt verdvet gewefen, 
und der Tempel babe manche Spuren ver Verwüftung gehabt, die man 
dem Kambyfes zufchrieb. Noch aber habe man dort die großen Käufer 
gefeben, worin die Priefter wohnten, denn vor alter Zeit folle viefe 
Stadt ein Wohnort der in Bhilofophie und Aftronomie erfahrenen Priefter 
geweien jeyn, zu feiner Zeit aber feyen biefe Priefter und ihre Kenntniße 
auögeftorben gewefen, und es hätten ſich nur noch die Beforger der Opfer 
dort befunden, und diejenigen, weldye ven Fremden die Tempelfachen 
erklärten. Dem von Alerandria hinauffahrenden Stadthalter Aelius Gallus 
folgte ein folcher Priefter, Chäremon mit Namen, der foldherlei Kennt- 
nie zu befigen vorgab, aber er wurbe meift ausgelacht, als ein Prahler 
und Nichtöwißer. In Heliopolis, führt Strabo fort, waren aud) die 
Säufer noch zu ſehen, worin Platon und Eudoxos gewohnt, die dort 
drei oder nach Andern dreizehn Jahre (mach Diogenes Laertius 8. 87. 
ſechszehn Monate) vermweilt, um von den Prieftern zu lernen; denn biefe 
in der Kenntniß der bimmlifchen Dinge bemanderten, aber geheimniß- 
vollen und nicht gern mittheilenden Leute, vermochten fie nur durch Zeit 
und achtſame Behandlung dahin zu bringen, daß fie ihnen Einiges mit- 
theilten, das meifte aber hielten diefelben geheim. So kannten fie 3. 2. 
ben Ueberfhuß des Jahres über breihundert fünf und fechzig Tage, doch 


> te En ei 


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140 Der Sonnengott Ra, Sphinr. 


















blieb e8 den Griechen unbekannt, bis die neueren Sternkundigen ed am 
der Ueberfeßung der Priefterfchriften lernten. 

In Eölefyrien gab es auch ein Heliopolis (Baal⸗bek, d. i. Stakt 
des Baal), und wad und Marrobius in den Saturnalien (1. 23) Dave 
berichtet, vervient in Beziehung auf den Aegyptiſchen Ra beachtet a, 
werben. Er fagt: die Affyrier verehren vie Sonne auf das feierlichfte 
Heliopolis, und dad Bild diefes Gottes iſt aus der Aegyptifchen Heliop 
genommen zur Zeit, ald Senemurid oder Senepos über die Aegypter 
herrfchte, und e8 ward in die Syriſche Stadt gebradht durch Opias, 
Gefandten des Affyrifchen Königs Deleboris, und durch Aegyptiſche Prieſter, 
an deren Spite Partemetid ftand, und lange bei den Affyriern gehalten, 
wanderte er nachmald nach Seliopolid. Warum es fo gefchehen, 
welche Weiſe es aus Aegypten gefommen, an die Stelle, wo es jekt 
findet, gelangt, und warum ed mehr mit Affyrifchem, als Aegyptiſ 
Eulte geehrt werde, fand Macrobius nicht ver Mühe werth zu berich 
doch meldet er, das goldene, unbärtige Bild fey ſtehend und halte in 
nach Fuhrmannsweiſe erhobenen Rechten eine Peitfche, in der Linken be 
Blig und Aehren. Dieſes Bild aber wird auf einer Bahre getragen, 
und die erften Männer pflegten darunter zu treten, mit gefdyorenem Haupu 
und rein durch längere Enthaltfamkeit, die ed dann von göttlichen Geiſu 
getrieben bintrugen nicht nach freiem Willen, fonvdern, wohin fie der Gl: 
trieb. Diefen Gott ziehen auch Abweſende fchriftlih zu Rathe, 
erhalten fchriftliche Antwort. Ein Sonnengott mit dem Blige ift nick 
Aegyptiſch; denn die Mythologie dieſes Volkes weiß nichts von den Blige: 
und Gewitter, und wieviel an dem angegebenen Zuſammenhang des Gottel 
zu Vaalbek mit vem Ra in Aegypten wahr fey, fünnen wir, da näher 
Angaben fehlen, nicht entfcheiven. 

Da der König mit der Sonne verglichen ward, fo ſehen wir in ben 
Gräbern von Theben die Sonne in ihrem Lauf in der obern und unters 
Hemifphäre abgebilvet. In fo fern diefe Bilder zum wenigften in Beziehung 
auf Aegyptiſche Darftelungsweije nicht ohne Belehrung find, verpienen fe 
unfere Betrachtung. | 

Der Lauf der Sonne alfo durch die ſämmtlichen Stunden findet fih 
dargeftelt in den Gräbern ver Könige zu Theben, jedoch bezweckt biele 
Darftelung in dem Lauf der Sonne ven Lebenslauf des Königs, der nad 
dem bilvlichen Ausdruck eine Sonne der Welt war, darzuftellen durch ven 
auf der Sonne in der oberen Hemifphäre, und feine Laufbahn nad) vem 
Tode durch den Kauf der Sonne in der untern Hemiſphäre. An der Ein 
gangapforte zum Grabe des Ramſes (mie Champollion in dem breizehnten 
der Aegyptiſchen Briefe ausführlich es befchreibt) zeigt das Baßrelief ver 
Leifte über der Thüre, einen gelben Discus mit der winderföpfigen Sonne, 
‚von dem Fnieenden König angebetet, vecht? von dem Diskus ift Nephthye, 


Der Sonnengott Ra, Sphinr. 1a1 


links Iſis, und zur Seite der Sonne in dem Diskus ift der Käfer, das 
Bild der Sonnenbewegung, der König aber kniet auf dem Sonnenberg, 
auf welchen auch die Füße der beiven Gdttinnen auftreten. An der Dede 
des erften Gangs find die Verfprechungen aufgezeichnet, welche dem König 
für fein irpifches Leben gemacht worden und was ihm in den bimmlifchen 
Regionen zu Theil werden wird. Dann fieht man den Disfus von Oft 
nah Weſt gerichtet, welcher durch ein Krokodil bezeichnet if, und man lieft 
bie Namen von fünf und fiebenzig göttlihen Wefen, welche ven fünf und 
febenzig Unterabtheilungen ver Unterwelt vorftehen, und Anrufungen an 
biefelben. In einem darauf folgenden Fleinen Saale find dieſe Gottheiten 
eingehauen und gemalt, und vor und nad) ihnen find die fünf und fieben- 
zig Abtheilungen der Unterwelt und ihrer Bewohner dargejtelt. Die 
Wände ver folgenden Gänge und Säle (faft immer die nad) Oſten) find 
wit einer langen Reihe von Gemälden bevedt, welche ven Gang der Sonne 
in der obern Hemiſphäre darftellen, die entgegengefegten haben den Gang 
der Sonne in der untern Hemifphäre, und die Gemälde, weldye für die 
obere gemacht worden find, zerfallen in zwölf Theile, jedesmal angedeutet 
durch eine Pforte, welche durch eine große Schlange bewacht wird. Diefe 
find die zwölf Pforten der zwölf Tagesftunden. Die Schlangen haben 
bezeichnende Namen, als Tekho, Bunfengefiht, Abento, Korn ber 
Belt u. a. m. und dabei ftehen die Worte: (die Schlange) wohnt über 
s diefer großen Pforte und öffnet fie dem Gotte der Sonne. An ver erften 
" Pforte finden fich die vier und zwanzig Stunden des ganzen Taged menſch⸗ 
' fh mit einem Stern auf dem Haupte abgebildet und gegen ein Grab 
wandelnd. In den Abtheilungen aber der zwölf Tagesſtunden ſchifft die 
Sonnenbarke auf dem bimmlifchen Fluße, und Götter ftehen ihr nach eins 
ander bei. Auch die bimmlifchen Wohnungen, welche der Gott durch⸗ 
wandert, find dargeftellt und die jeder ver Tagesſtunden zugehörigen Scenen. 
In ver erſten Stunde fegt fi) die Barfe in Bewegung und empfängt die 
Anbetung der Gottheiten des Oft. In der zweiten Stunde erfcheint bie 
Schlange Apep (Apophis) Bruder und Feind der Sonne, überwacht von 
Atmu. In der dritten Stunde kommt die Sonne in die Limmlifche Zone, 
wo fich das Loos der Seelen enticheivet über die Körper, welche fie in 
isren neuen Wanderungen bewohnen follen. Atmu ift dafeldft, auf dem 
Richterftuhl, wägend auf der Wage die menfchlichen Seelen, die nach eins 
ander fich darſtellen. ine fieht man verurtbeilt und dieſe wird in einer 
Barfe auf die Erde zurüdgeführt in Geftalt einer großen Sau mit der 
Unterfchrift Gefräßigfeit, von Hunddaffen mit Ruthen gefchlagen, und 
nah einer von Anubis bewachten Pforte zufahrend. In der fünften 
Stunde fommt die Sonne zu den gerechtfertigten Seelen, die von ihren 
Wanderungen ausruhen. Sie haben die Straußfever, das Bild der Gerech⸗ 
tigkeit auf Dem Kopfe unb bieten ben Bdttern Gaben dar, yaer ylüten 















142 Der Sonnengott Ra, Sphinr. 


unter der Aufficht des Herrn der Freude des Herzens Früchte von 
den himmlischen Bäumen, andere aber haben Sicheln in den Hänven 
es ift dabei zu lefen: fie bringen Spenden var von Waßer un 
Gaben von der Frucht des Feldes der Herrlidkeit, fi 
halten eine Sidhel und erndten die Velder, die ihr Theil 
find. Der Gott der Sonne fagt zu ihnen: nehmet eure Sicheln 
erndtet euere Frucht, tragt fie in euere Wohnungen 
genießet fie und bietet fie den Bdttern ald reine Gabe da 
Außerdem fieht man fie baden, ſchwimmen, fpielen in einem großen 
des himmlischen Waßers unter der Aufficht des Gottes des himmliſt 
Waßers. In den folgenden Stunden bereiten fidy die Bötter, die Schlang 
Apep, ven Feind der Sonne zu bekämpfen, fie waffnen ſich mit Speer, 
Negen, denn dad Ungeheuer wohnt in ven Wapern, worauf die So 
barfe fährt, fie machen Stride zurecht, dad Ungeheuer wird gefangen 
in Bande gefchlagen, man zieht es aus dem Strome vermittelt 
Tau’, welches ihm die Göttin Serf (die Sforpiongöttin) am Halfe befefig, 
und an welchem zwölf Götter ziehen, unterflügt von einer Mafchine, welche 
der Gott Seb handhabt, welchem vie Gottheiten ver vier Weltgegenbes 
beiftehen. Dann kommt von unten eine gewaltige Hand, erfaßt den Str 
und bändigt das Llingeheuer. In der eilften Stunde ift die Schlange 
erwürgt und die Sonne befindet ſich am Horizont, Nutpe zeigt fih uf 
der Oberfläche der himmlifhen Waßer, ftehend auf dem Kopfe i 
Sohnes Oſiris, deßen Leib ſich in eine Windung endet, und fie empfang 
die Barke des Sonnengottes, welchen der Gott des himmliſchen Waßer 
bald in feinen Armen aufnimmt. 

Gegenüber find die zwölf Nachtftunden. Der Gott ift ſchwarz um 
durchläuft die fünf und fiebenzig Abtheilungen, denen Götter von allerid 
Geftalt mit Schwerbtern bewaffnet vorftehen, und mo man ſchuldige Seelen 
auf mancherlei Art beitraft ſieht. Meiſt erfcheinen viefe DBeftraften in 
menſchlicher Geftalt, zumeilen auch in der Geftalt eines Kraniche oder 
eined Sperberd mit Menjchenkopf. (Damit werden fie aber nur al 
Seelen, nicht als Beftrafte oder Böje dargeftellt, venn das gewöhnliche 
Bild der Seele ift der Sperber mit Menfchenkopf.) Ihre Farbe ift fhwan. 
Einige find an Pfähle angebunden, und die Wächter ſchwingen ihre 
Schwerter, Andere find aufgehängt, fo daß der Kopf unten ift, Diefe, die 
Hände auf die Bruft gebunden und ten Kopf abgejchnitten, ziehen in 
langen Reihen hin, Iene, vie Hände auf den Rüden gebunden, fchleifen 
ihr aus der Bruſt bervortretendes Herz auf der Erde, und Andere werben 
in großen Kefleln gejotten, entweder in Menfchen= oder Vogel Geftalt, 
oder auch nur als Köpfe und Herzen. Mit manchen dieſer Seelen if 
zugleich ver Fächer, das Bild bebaglicher Ruhe, in den Keßel geworfen, 
und in jeder Abtheilung if die Verdammung und die Strafe aufgezeichnet. 


u‘ 


— 


Der Sonnengott Ra, Sphinz. 143 


„Diefe feindplihen Seelen ſchauen nicht unfern Gott, wann 
er die Strahlen feiner Scheibe leuchten läßt, fie wohnen 
niht mehr auf der Erde, und hören nit mehr die Stimme 
bes großen Gottes, wann er ihre Gegenden durchzieht. Bei 
der gegenüberftehenden Darftellung der glücklichen Seelen lieft man: Sie 
haben Gnade gefunden vor den Augen des großen Öotteß, 
fie wohnen in den Wohnungen des Ruhms, wo man daß 
Simmlifche Leben lebt, vie Leiber, welche fie verlaffen 
Saben, werden fürimmerinibren Oräbernruben, währen» 
fie ſelbſt der Gegenwart des höchſten Gottes genießen 
werden. (Da in dieſen Darftelungen der König ald Sonne und höchfter 
Gott im Leben und nad dem Tode gemeint ift, jo find die Ausprüde, 
welche ſich auf ven Gott beziehen, in dieſem Sinne zu verftehen.) Außer 
diefer Darftelung des Sonnenlaufd, bezogen auf Himmel und Unterwelt 
im fittliden Sinne, befindet fi) auf Gang⸗ und Zimmerdecken des näm⸗ 
lihen Grabes die aftronomifche Darſtellung vefjelben. 

Der Himmel, ald Weib gebilvet, mit Sternen überfä’t, in gevehnter 
Gehalt, mit Leib, Armen und Füßen einen großen Raum umſpannend, 
gebiert die Sonne, als ein Kind mit dem Finger im Munde, eingefchloßen 
in eine rothe Sonnenfcheibe. Der Gott Mui in der Barke, erhebt vie 
Arme, um den jungen Gott in biefelbe zu thun, und nachdem das Kind 
son zwei Goͤttinnen gepflegt worden, fährt die Barfe mit ihm auf dem 
bimmlifchen Waßer dahin, welches von Oft nach Weft fließt, mo es ein 
weites Becken bilvet, in welches ein Arm des Flußes geht, der in der 
untern Hemifphäre von Weit nah Oft fi ergießt. Jede Stunde des 
Tages ift durch eine rothe Sonnenfcheibe bezeichnet auf dem Leibe des 
Himmels, und in dem Gemälde durch zwölf Barfen, in welchen ver Son 
nengott fährt mit einem Gefolge, melched in jeder Stunde ein anderes 
fl, und ihn auf den beiden Ufern des himmliſchen Stromes begleitet. In 
der erften Stunde, wo die Barfe ſich in Bewegung febt, beweilen Geifter 
dem Gotte Ehre, welcher in feinem Capellchen ſteht, das fich mitten in ber 
Barfe befindet. Die Göttin Sri ift am Vorvertheil, Seb mit dem Hafen- 
fopf (melcher veßen Namen Un, Eröffner bezeichnet) hat eine lange 
Stange, veren er fih um diefachte Stunde bevient, wann die Sonne nad 
Weften zu neigt, um die Waßertiefe zu erforfchen. Horus ift der Barfen- 
führer, und hat den Hf=uer (ven großen over ftarfen Hek, d. i. Herrſcher, 
eine Form des Horus) bei ſich, und der fperberföpfige Hau (d. i. der Tag) 
fteuert, fo wie fih auch die Neb=ua, d. i. die Herrin der Barke, dafelbft 
befindet, und ver Wächter ver Wendekreiſe. An ven Ufern find die Gott⸗ 
heiten, welche jeder Stunde vorftehen, dargeftellt, und beten die Sonne 
bei ihrem Dorüberziehen an. Bei ver zweiten Stunde erfcheinen die 
Seelen der Könige, an ihrer Spite einen König Ramſes und gehen ben 


ran, oder Tmu, oder Atumm. 






vun 
up Ja der sierten, fünften und jechöten Stunde hilft viefer 
Pie: ee — welche Jagd auf den in den Waßern verborgenen 
un N nr in der jiebenten und achten Stunde zieht die Bark 
Kup te in ungnaen ver Seeligen vorbei, die in Gärten beftehen, w 
x“ SS rsprrertigte Seelen in den Schatten der Bäume Luftwandelr 
ger ar dem Weiten nähert, unterſucht Seb beſtändig ben 
v Ufer aufgeſtellte Götter richten den Lauf derſelben, um kr 
an m N große Becken des Weiten gewendet, erjcheint fie is p 


Scaurbaͤre, und wird nun die zwölf Nachtſtunden von Weh 
j Saeuruckdoczogen, wie die Nilſchiffe aufwmärts gezogen werben. Der 
Ts „ar üt in feiner Gapelle verſchloßen und Ma, vie Göttin, welde 
nn zum Amenti gehört, ift noch allein in der Barke, nebſt tem 
mm welcher am Cingang der Kapelle fteht. Die Gottheiten, vum 
Rufe gezogen wird, wechſeln mit jeder Stunde. 
u a | nmielben Grabe finden ſich auch Gonftellationtstafeln für ak 
on sat Monats, und die Angabe der Eonftellationdeinflüße, berm } 
—RE im dreizehnten der Aegyptiſchen Briefe aus dem Monat Tybi 
. —** veßte Hälfte, Orion hat Einfluß auf das linke Ohr. Grfs 
de Orion hat Einfluß auf den linken Arm. Zweite Stunde, 
rin Mi Ginfluß auf das Herz. Dritte Stunde, Anfang ver Conftelles 
wink Nr wei Sterne, hat Einfluß auf das linfe Ohr. Fünfte Stunde, 
Exerne des Flußes haben Einfluß anf dad Herz. Sechste Stunde, der 
a des wöwen hat Einfluß auf das Herz. Neunte Stunde, die Diener 
ya Verdertheile des Mente (die Vorverfüße des Mente) haben Einfluf 
zwi den Tinfen Arm. Zehnte Stunde, der Mente bat Einfluß auf das 
nee Auge. Eilfte Stunde, die Diener deö Mente haben Einfluß auf ben 
sten Arm. Zwölfte Stunde, der Fuß der Sau hat Einfluß auf ben 
snfen Arm. Diodor (1. 49) meldet von dem Grabmal des Oſymandyak, 
surin ſey ein goloner Ring von drei hundert fünf und ſechzig Ellen, eine 
ae dick, eingetheilt in die Tage des Jahres mit Anmerkung der Aufe und 
Untergänge der Sterne, nebft ihrer Bedeutung. Diefer Ring aber je 
durch Kambyſes und die Perfer weggenommen worden. 


sw 


Atmu, oder Tmu, oder Atumu. 


Dieier Gott war eine widhtige Form eines ver Aegyptifchen Götter, 
wir find aber, da nur die Denkmäler Aegyptens und mit ihm nothoärftig 
bekannt machen, nicht im Stande, mit einiger Beftimmtheit zu jagen, welcher 
Gottheit Form er gewejen fey. Ihn auf den Sonnengott folgen zu laßen, 
ift daher aud Fein genügenvder Grund, doch weil ed ven, wenn auf 
ſchwachen Schein haben könnte, er jey ver Gott der Nacht, over eine Form 


Atmu, oder Tmu, oder Atumu. 145 


bes Sonnengottd bei Naht, fo mag er diefe Stelle einnehmen. Wir 
eben ihn abgebilvet mit der Krone Oberägnptens und der von Unterägyps 
en daneben (auch ohne Krone, nur mit einer Kappe); auch flieht man 
hn in einem Boote führend, wo eine Enieende Figur ihm das Bild ver 
Ra entgegen hält, während Thoth, Hathor und Ma vorn in dem Boote 
tehen, welches Horus fteuert, und ald das des Thoth, des Herrn der acht 
Regionen genannt wird, oder ald das des Sohnes des Oſiris. Auf dem 
bordertheile deſſelben fitt eine Schwalbe, die jedoch felten vorfommt, ſich 
ber auch eben fo in dem Boote des Na findet und hieroglyphifch die 
jebeutung der Stärfe bat. Die Geftalt Atmu's ift immer menfchlic und 
ine Sarbe ift rot gleich ver ves Ra. An Obelisfen und in Weihinfchriften 
ct man: Ra, Herrder Jahre gleih Atmu; aus einem biera- 
hen Papyrus aber führt Champollion die Stelle an: Mein rechter 
‚empel gehört vem Geift der Sonne am Tage, mein linfer Tempel dem 
Beift Atmu's in der Nacht, und wie oben aus dem Turiner Todtenpapnrus 
meeführt worden ift, findet fich in einer Unterweltsfcene der Himmel des 
Ra abgebildet, ftrahlend, unter demfelben aber der von Hundsaffen ange— 
betete nicht ſtrahlende Himmel Atmu’s, und dieſes möchte auf den Nacht- 
Simmel deuten. Daß jenes Boot, wovon die Rede war, fih auf fein 
Berhaͤltniß zum Amenti beziehe, ift Elar, fo wie die Gräber zeigen, daß 
æ* daſelbſt eine wichtige Stelle einnahm. In Darftelungen aus der Zeit 
ver Ptolemäer und der Römer trägt der Bootömann des Atmu den Kros 
kodilſchwanz auf dem Kopf, welcher hieroglyphiſch Them, ſchwarz, 
bedeutet, und fich zu dem Begriffe der Nacht oder der Unterwelt eignet. 

Diefer Gott, meint Champollion, fey der Namengeber von Heroon⸗ 
polis, weil Infchriften Könige erzeugt von Atmu nennen und Hermapion 
in der Deutung des Obelisken bei Ammianus Marcelinus von dem 
Könige Rameſſes jagt, er heiße Sohn des Heron. Auch Wilkinfon (2. 28) 
M der Anficht, daß Atmu der Heron fey, von weldhem jene Stadt den 
Ramen habe, und glaubt darin eine Beftätigung zu finden, daß ein Denk⸗ 
mal in den Bergen, welches von einer alten Stadt in der Nähe von 
Seroonpolis herfommt, den Atmu nebft Phthah, Ter und Rameſſes dem 
Großen zeigt. Die Griechen fahen, wie der Name zeigt, in Heroonpolis 
die Stadt der Heroen; doc dieſes beruht in fo weit auf einem Mißver- 
ſtäͤndniß, als die Aegypter Heroen im Griechifchen Sinne nicht Fannten, einen 
deroen aber, von welchem jene am Arabiſchen Meerbufen gelegene Stabt 
benannt worden wäre, finden wir meiter nicht, und koͤnnen nicht wohl auf 
einen Hr⸗un rathen, d. i. Horus der Erdffner, denn vie Ausfprache dieſes 
Namens lautete in der Zufammenfegung bei den Griechen Har, nicht aber 
Ser, fo daß für das Rathen nur das Wort Un, Gröffner, Eröffnung 
übrig Hliebe mit dem vorgefegten Er, meldyes wir in dem Namen I =er- 
must und von den Griechen mit dem Hauche auögefprochen in vem Namen 

OL 10 


146 YAımu, oter Tmu, oder Atumn. 














ter Muntu⸗- ſtadt, Her=membid finden. Fiege man nun ven Atmu fie 
eine Ferm des Ra gelten, io könnte er als Gröffner beachtet worder 
ieen in Beziehung auf tie Zeit: denn alle Zeitrerieren bis auf Pie Stu 
pen berab, werten erüitner, dech dieſes Alles wäre nur ein Ratben, welde 

e3 an einem Beweiſe feblt. 

Auch fAnter man Amu mit tem Beinamen Reim, d. i. der Gr 
und als ſolcher beißt er Schüger rer Welt eder ter zwei Regionen v 
Aegypten. (Tenn wiercbl Amu verzüglich in Unterägopten verebrt war 
ſo batte er tech einen Haurtig in ven Aegoptiſchen Iempeln.) Auf 
Haupte trägt dieſer Nefru tie Letusblume, un? Rufupbalcenter und 
in ten Handen, over er bat zwei Federn auf tem Saupte, Die auf eine 
Stange ſteben une an welder zwei giedenartige Zeichen bängen, wi 
Phibab und antere eins im Naden kängen baben, und ein Scepter, deßes 
Spise genau tiefem Kopfichmuck entipricht, nebit dem Zeichen des Lebe 
it in ſeinen Händen, oder wınn er ten Letus auf tem Haupte bat, ib 
jeine Hände herabgeſenkt und leer, und er ftebt an einem Zeichen, welchch 
eine Gürtelichleife zu ſeyn scheine (Wilfinien Tafel 48). Auch fuel! 
man den Nefru auf dem Rüden eines Köwen ſitebend, und in einer Ye 
nung zu Karnak heißt er ter Sebn ver Barcht, was mit jeiner Stel 
auf vem Löwen zuiammenkängen kann, aber nicht mug. Wilfinfon aid 
an, er babe ifn in ven Thebiſchen Gräbern mir einem Sinnbilde 
Tores gefunden. 

In ven Thebiſchen Gräbern findet mın drei fnieenbe iperberföfe 
und drei fnieende ſchakalkoöͤpfige Gottheiten, welche vie linfe Han? an WE 
Bruft drücken, vie rechte aber als geballte Zauft in vie Höhe weitan- 
kolend ſtrecken, ald mollten fie ſich an die Bruſt ichlagen, wie es bei we 
Trauer vorfam. Dieſe jtellten vie mit Horus und Anubis verfnüpfle 
Lebensidee dar, welche dem Torten die Fortvauer in einer antern Well 
verbürgt, und ſind nur eine Anwendung vieler Gottheiten, vie wir bei 
Wilfinion (Tafel 60) abgebilvet ſehen. Zwei ſolche iperberföpfige Götter 
nebft den ichafalföpfigen une andern Göttern, führen zu Mevinet Habe 
den König Rameſſes IH. ver Den Gott des Tempels, wo fie die VBepentung | 
von Xebensführern haben; venn von dem Gotte des Tempeld erwartet ver 
König Xeben, und dieſe Bürgen des Lebens führen ihn dahin. Nun 
eriheinen auch dieſelben iperber= und jchafal- fopfigen Götter zumeifen, 
wie ſie oben bejchrieben worden find, vor Atmu, und dieſes deutet auf 
Atmu, als Lebensverleiher im Amenti. 

Auf einer Saͤule des Vortempels zu Esneh (Latopolis) iſt unter den 
am Neumond des Monats Choiak darzubringenden Opfern verzeichnet: 
eine Gans ten Göttern Ra, Atmu, Ter, fo wie den übrigen Tempel⸗ 
Söttern. Im Rameſſeion, wo Ammon an der Spike ver Götter fleht, 
findet ſich Atmu zufammen mit Phthah, Ra, Mui, Seh, Paſcht, Hathor, 


Muntu. 147 


ſo wie auch Thoth und Ma, nebft vem Wächter der himmlifchen Pforten 
aſelbſt dargeſtellt ſind. Auch findet fi) in ven Gemälden unter andern 
Refru- Atmu, Atmu und Muntu. Zu Mevinet- Habu halten fih Atmu 
md Hathor an der Hand und führen den König Thuthmofid zum Lebens— 
um, wo Ammon deßen Namen auf die Blätter ſchreibt, fprechend: 
Bein Sohn, Befeftiger ver Welt, ich feße deinen Namen 
auf den Baum Afch (vie Perſea) im Pallafte ver Sonne (d. i. 
des Königs), und fünf und zwanzig Götter find dabei in zwei Reihen, 
8 die großen Goͤtter Thebend. Mehr ale das Angegebene wißen wir 
ww jett nicht von Atmu, und demnach müßen wir ed als ungemiß 
mfeben, welcher Gott unter ven Namen und der Form deſſelben eigentlich 
ſemeint fey. 





Muntnu. 


Kermonthis hatte feinen Namen von dem Gotte Muntu, oder einen 
Wien gleichbeveutenden, denn er befteht aus ven Wörtern Er (von den 
Griechen mit dem Hauch ausgefprochen) und Munt, und Muntu Fann 
Hirte, Schüßer der Welt bedeuten. Die Griechen nannten dieſen Gott 
Menpulis, *) welcher Name aus Muntu=ra entfland, denn das r de 
Sortes Ra gieng in I über (wiewohl e8 im Koptifchen bei diefem Worte 
wicht geſchehen if.) Gewöhnlich wird Muntu Sohn des Ra genannt, 
‚dargeftellt mit dem Sperberkopf, worauf fi) die Sonnenfcheibe mit ven 
Ammonsfedern befindet, und daß er Fein geringer Gott gewefen, gebt 
ſewohl aus dieſer Bildung hervor, als auch daraus, daß in ven Hiero⸗ 
‚eisphen der König manchmal ein Muntu gegen die fremden Völker 
‚genannt wird, was nichtö anders bedeuten Fann, als daß er ein Schüßer 
gegen die Feinde fey. Im Rameſſeion heißt ed vom König: er zeigt 
feinen fiegreihen Arm, wie Muntu, und in andern Denfmä- 
‚len Heißt e8: feine Sand ift auf feinen Wegen, wie Mun- 
itusra. Ramſes fagt: ich bin für Aegypten, was der Gott 
NRuntu gemefen. Zu Huadi-Halfa, eine halbe Stunde von dem 
‚ meiten Katarraft ift in dem unter Amenophis IE errichteten Ammons⸗ 
fempel eine Säule, welche ven Muntu vorftellt, der dem Könige Ofor- 
taſen alle Völker von Nubien überliefert. Zu Kalabſchi (Talmis) in 
Nubien, wo Muntu- Ra Ortögottheit war, reden vie Infchriften von 








*) Die Griechifche Ausfprache Man-dulis würde eine Ableitung diefes Namens 
von Ma⸗n⸗to, d.i. Gerechtigkeit der Melt, begünftigen, und daß ein Gott 
in Yegypten fo benannt wäre, fünnte nicht befremden. Doch wir gewinnen 
weder mit der einen, noch mit ber andern Namendeutung die Erflärung von 
ben Weſen des Gottes. 


10* 


148 Muntu. 


feinem Roß. Zu Hermonthis zeigen ihn die Denkmäler als Hauptgotth 

zuſammen mit der Göttin Ratet, d. i. Sonne der Welt, *) welche d 
Sonnenſcheibe und die Hörner auf dem Haupte trägt, mit und ohne d 
Uräus (Wilkinſon Tafel 68), und in den Händen Lotusſcepter und Leben 
oder Die eine Hand gefenft, die andere wie zur Anbetung gehoben, u 

Harpire, Harphre, d. i. Horus die Sonne (naͤmlich Horus ver König 
ift der jugendliche Gott dafelbft, welcher entweder ald Sohn, over Pfle 
ling der Ratet galt. Daß fle Mutter ded Harpira geweien, in dem» 

der berühmten Kleopatra ihr gemeihten Tempel, zeigen die Bilder deſſelben 
melde in dem Niederkunftsgemache die Geburt des jungen Gottes da 
ftelen, wovon oben die Rede gewesen ift. 

Mer num diefer jperberföpfige Muntu zu Hermonthis und Hermonthi 
gegenüber, zu Tuphium (wo Muntu Ratet und Harphre einen Tem 
hatten) fo wie zu Talmis gewefen, Fönnen wir nicht mit Beftimmthe 
fügen; doch zum Errathen zeigen fi} nur zwei Spuren, indem Str 
(817) meldet: nach Theben kommt die Stadt Hermonthis, in weld 
Upollon verehrt wird und Zeus, auch hier wird ein beiliger Stier unter 
halten. Alfo ward Ammon dafelbft verehrt und Horus, denn diefer Kiel 
den Griechen Apollon. Wir fünnen nun annehmen, Muntu fey Hormk 
und da er zu Kalabfohi, wie Champoliion im eilften feiner Aegyptifckeg 
Briefe bemerft, Gemahl feiner Mutter beißt, fo fey er Gatte der große 
Mutter (unter dem Namen Ratet) und zeuge mit ihr den Harphre. Alleh 
zu Kalabſchi fol er Vater des Maluli, d. i. des Mandulis feyn, 
Champollion behauptet, welcher bemerkt, des Maluli Genealogie je 
dafelbft in fünfzig Bareliefd enthalten, fo daß alfo Muntu, Muntum, 
der Sohn der Ratet, nicht ihr Gatte wäre. Auch bemerkt verfelbe, daß 
diefer Maluli ganz in der Form von Khunfu zu Kalabſchi erfcheine, um 
Herr von Talmis (Kalabſchi) heiße. Der Tempel, von welchem bier vie 
Rede ift, ftammt. aus der Nömifchen Zeit, als Auguftus herrfchte, uns 
wir fünnen Horus nicht in der Aegyptiſchen Mythologie, weder aus fchrifte 
lihen Nachrichten der Beobachter, noch aus den Denkmälern ald Gemafl 
der Mutter nachweifen, und es widerſtrebt dieſes auch gänzlich dem ia 
Hermonthis Dargeitellten; denn wenn Horus dafelbft der Gatte der Natel 
gemefen wäre, welche ven Horus= König gebiert, fo wäre er, dem biejer : 
junge Gott vorgeftellt wird, Vater und Sohn zugleich geweſen, was wit 
fonft nicht finden. Die Farbe des Muntu ift roth, die des Horus aber 
weiß. Strabo meint daher den jungen Horus, wenn er von Apollon zu 











+) Der Name Sonne der Welt fcheint ſich vecht gut für eine Göttin zu 
eignen, da aber Ra männlich war, fo Fünnte man Anſtoß nehmen an be 
Vebertragung dieſes Namens auf eine Göttin. Wirflich bietet fih auf 
noch eine Auslegung dar; denn Nastet ann auch heiten Thor, Vforte der Well, 


= ” 


- rn. 


— 


Muntu. 149 


Hermonthis Spricht, oder börte den Namen des Muntu nicht, und glaubte 
in dem fperberföpfigen Gott, den Horus zu fehen, was aber nicht wahr 
ſcheinlich iſt. Daß auch Anımon zu Hermontbid verehrt ward, koͤnnen 
wir glauben, denn er war wenigfitend mit der Eileithyia bei der Geburt 
des Horud zugegen, und dad Kind ward fodann dem Ammon, Muntu, 
Ra, Phthah und Seb vorgeitellt. 

Seine rothe Barbe, wiewohl diefe allein nicht entſcheiden Fünnte, 
laßt eher auf eine Form des Ra fihliegen, welcher ebenfalls fperberfüpfig 
und roth ift, und eine lateinifche Inſchrift zu Kalabſchi fcheint ven Manz 


dulis zur Sonne zu machen. Zu Seliopoli8 war der ſchwarze Etier 


Mneuid im Heiligthum ded Ra, und zu Hermonthis verehrten, wie 
Aelian (13. 11) erzählt, vie Aegypter einen fchmwarzen Stier Namens 
Dnuphis. Zwar fagt er, megen der Nauhigfeit des Namens, Fonnte er 
ven Ort, wo Onuphi verehrt werde, nicht außfprechen, daß aber Her⸗ 


monthis gemeint ſey, läßt fich nicht bezweifeln, denn gerade diejer Name 


war den affectirten Sophiften zu rauh, weshalb ihn Ariftives in feiner 
Derlamation über Aegypten abfürzte und Hermes fchrieb: und Pocock's 
Beſchteibung von Aegypten (2. 4) weißt das Bild des Stierd auf den 
Ruinen des SHorustempeld nah. Mit Horus findet fi} der Stier nicht 
verbunden, fondern nur mit Phthah und Ra, und Macrobius (1. 21) 
fagt: zu Hermonthis verehren fie den der Sonne geweihten Stier Bacis, 
in dem prächtigen Apollotempel, und diefer Stier fol Wunder an fid 
haben, welche dem Weſen der Sonne entſprechen. Stündlich ändert er 
die Farbe, und feine Haare find gegen den Stridy gewachſen, ungzeigend, 
ven der Welt entgegengefegten Gang der Sonne. Zu Debu in Nubien 
erblickt man freilich den Mandulis neben Seb und Nutpe mit dem Oſiris— 
Hauptſchmack, und er ward Herr von Philä genannt; aber dieſes Ver— 
hältnig berechtigt nicht, ihn als eine Form des Oſiris anzufehen. In den 
Belien von Philä ift eine Anbetung ver Neith und des Muntu einge- 
hauen, fo wie eine des Ammon, der Sate nnd des Muntu. Im Namef- 
feion fieht man den "König eine Darbringung veranftalten dem Ammon, 
dem phallifchen Ammon, ver Mu, ven Khunfu, dem Phthah und dem 
Muntu, und ferner fiehbt man dafeldft Ramſes den Großen durch Atmu 
dem Muntu vorgeftelt. In dem fleinen Tempel, in einem Thal hinter 
dem Amenophion, fteht man in ven Darſtellungen des Propylon Ptole- 
mäus Soter II feine Darbringung, rechts der Hathor, dem Ammon, der 
Mu und dem Khunfu veranftalten, Tinf3 der Mu, dem Muntu,. der 
Ratet und dem Harphre, und zmar auf der Seite, welche nach Sernion- 
this zu gerichtet ift, (zu Theben findet man den Muntu auch außerdem. 
In dem von Euergeted II und feiner Schwefter Kleopatra dem Thoth 
errichteten Tempel, ohnmeit des Namefjeions, ift im Sanctuarium Ammon 
mit Mu und SKhunfu, und zmweitend Muntu mit Ratet und Hoxvhxe, 


150 Der Mond. 















und in dem aus der Nömerzeit ftammenvden Tempel, füblich vom Sippe 
drom, bringt Kaifer Hadrian feine Gaben dem Muntu und Ammon va 
Aus dem, was bier aufgezählt it, gebt hervor, daß fo wenig wi 
mit Beftimmtheit den Gott angeben können, welder unter dem Name 
Muntu als eine befondere Form erjcheint, er eher eine Form des Sonn 
gotted war, ald des Horus, und daß leßtered anzunehmen, allzu wii 
führlih if. Sat Champollion zu Kalabſchi recht gefehen und Manpulll 
wirklich die Form des Khunfu gehabt, fo würden wir einigermaßen u 
für berechtigt halten dürfen, ihn dieſem an Welen gleich zu fehen (meld 
ebenfalls mit dem Sperberkopf erfcheint) und ihn für eine Form % 
Sonnengotte8 zu halten, in dem Sinne der Patäfen, als Gottheit 
Zeit und Eröffner verfelben. Er würde dann zu Ratet gefügt ſeyn, 
Khunfu zu Mut und Ammon, d. i. alö der die Zeit der Geburt lenken 
Gott; denn daß er Vater des Harphre fey, wird nicht gemelvet. — 
Stier Onuphis Fünnte jelbft feinem Namen nah, der Eröffner feyn, 
un öffnen heißt, und außer dem Phthah und Ra, hat keine Gottheit 
Stier, mweldher in Hermonthid weder dem von Strabo genannten Anm 
und Horus, noch der Ratet gehören kann, und daher faum einer ander 
Gottheit zugejchrieben werden darf, ald dem Muntu, der nach viel 
Annahme eine phthahartige Form des Ra wäre und die Zeit zur Ham 
bedeutung hätte. *) 


Der Mond. 


Die Griechen fprechen zwar von einer Göttin Selene, d. i. Mom, 
in Aegypten, dieſes gefchah aber nur aus einer irrigen Anftcht verfelben, 
indem fie ihre Deutung einer Aegyptifchen Göttin als eine Tihatfache au 
fprachen. Daß es eine Mondgdttin nicht wohl geben Fonnte in der Mythos 
Iogie dieſes Volkes, geht daraus hervor, daß der Name des Mondes ach, 
koptiſch ioh, ooh, männlichen Gefchlechtes ift. Eine eigentliche Mondgottheit 
läßt fich bei den Aegyptern überhaupt nicht entdecken und nur Beziehungen 
ber Zeitgottheiten Thoth und Khunfu, die die Mondſichel auf ven Kopfe 
tragen, gewahren wir, Eünnen aber feinen verfelben für einen Mondgott 


*) Daß der Name Muntu und der des Mendes zufammentreffen, ift hoͤchſt 
wahrfcheinlih, aber daß beide als eine und diefelbe Gottheit zu betrachten 
feyen, ift es nicht. Amgefehrt müßte es für eine jedes genügenden rundes 
entbehrende Srflärung gelten, wenn auf die bloße Namensähnlichfeit hin 
eine foldhe Zufammenftellung gewagt würde. Denn mag nun der Name 
bedeuten Schuß der Welt, oder Gerechtigfeit der Welt, oder was er fonfl 
bezeichnen mag, fo ift die Bedeutung von ſolch' einer Befchaffenheit, daß fe 
mehr als einem Gotte zufommen kann. 


Der Mon». 151 


erflären, d. i. für einen Gott, der fich zu dem Monde fo verhalten hätte, 
wie der Sonnengott zu ber Sonne. Xelian (2. 38) fagt, der Ibis fey 
dem Mond heilig und brüte feine Eier aus in fo viel Tagen, als verfelbe 
zu⸗ und abnimmt (audy gebe er nicht aus Aegypten). Der Ibi8 war 


dem Thoth heilig, woran aber Aelian fchwerlich dachte, fo daß dieſe Angabe 
.auf nichts weiter beruhen bürfte, als auf einem Verſuche, die große Heilig- 


keit des Ibis zu erklären. Wo in den Denfmälern der Mond bei einer 


Darſtellung genannt wird, ift eine männliche Geftalt, nie eine weibliche 


zu fehen. Wäre daher ein Mondgott in Aegypten verehrt worden, wie 
san daraud den Schluß zi@hen Fünnte, fo würde ed unbegreiflich bleiven, 


“daß die Griechen, welche in Aegypten waren, und wie Herodot es ſich 
angelegen ſeyn ließen, Sand und Gitten, Religion und Gebräuche zu 


» 
> 


erforfchen und ſich nach Allem zu erfundigen, und von einer Selene 


' melden, alfo in einer Göttin die Mondgöttin zu erfennen vermeinten, die 


für fie aber höchſt bemerkenswerthe Thatſache einer männlichen Gottheit 
dea Mondes nie fennen lernten, und daß es fpäter ven Nömern eben fo 
geng. Statt zu glauben, Herodot und die andern Griechen hätten aus 
Stumpfheit oder Nachläßigkeit ven Mondgott nicht bemerkt, und fein Cult 
ſey ihnen verborgen geblieben, fünnen wir fie in Gegentheil als gewichtige 
Beugen betrachten gegen die Annahme einer wirklichen Mondgottheit, vie 
ausſchließlich dieſem Geſtirn angehört hätte, und deren materielle Wirkung 
durch dieſes Geftirn Gegenfland der Verehrung in einem Mondeultus 
gewejen wäre. Der Vollmond wurde gefeiert, dies Eunnte aber dem 
Geftirn gelten, ohne daß ein wirflicher Mondgott dabei im Epiele war. 
Herodot (2. 47) erzählt und: am Vollmond werden der Selene Schweine 
geopfert, wie auch dem Dfiris; warum aber diefes unreine Thier, welches 
bei diefer Gelegenheit auch gegeßen ward, zu diefem Opfer diente, hatte 
einen Grund, welchen Heredot wußte, den aber anzugeben er nicht für 
vet hielt. Wer das Schwein opferte, nahm die Spitze des Schwanzes, 
die Milz und dad Netz zuſammen, bevecte es mit dem fänmtlichen im 
Bauche befindlichen Bett, und verbrannte es dann; das Fleifch aber ward 
an dem nämlichen Tage des Vollmonds, fonft aber durchaus nicht gegeßen. 
Die Armen, welche zu bürftig waren, brachten an diefem Iage Schweindjen 
aus Mehl gemacht zum Opfer. Daß aber diefes Opfer nicht an jedem 
Vollmonde, ſondern nur einmal im Jahre ftattfand, bemerkt Aelian (10. 16), 
indem er dazu fügt, die Aegypter hätten geglaubt, das Schwein fey der 
Sonne und dem Monde fehr verhaßt, und wann Plutarch (8) bemerkt, 
dad Schwein werde einmal am Vollmond geopfert, fo mag damit ebenfalls 
einmal im Jahre gemeint feyn. 

Die Selene, welcher dies Opfer galt, möchte eher die Göttin Erve 
gewefen feyn, als eine andere Gottheit. Wenn aber da8 Schwein alljährlich 
um Opfer gebracht ward, troßven daß ed fonft ein unreines und durchaus 


1523 der Monn. 


vermiedenes Thier war, fo muß dies und fonderbar erſcheinen. W 
verabfcheut aber das Schwein war, fehen wir aus Herodot (2. 47), welches 
erzählt, wenn einer im Vorbeigehen mit dem Kleid an ein Schwein ftreifi 
geht er an den Fluß und fpült ſich darin ab, die Saubirten aber, 
eingeborne Aegypter find, dürfen allein von allen in kein SHeiligtfu 
und feiner giebt ihnen feine Tochter, oder heurathet eine von ihnen. A 
heilige Sage über die Unreinheit dieſes Thiers überliefert und Plutarch (8 
Typhon habe am Vollmond ein Schwein verfolgt, und dabei den Hl; 
Sarg gefunden, worin der Leib des Oſtris lag, und habe biefen 
einander geftört und umher geftreut. Diejenigen, welchen fol’ ein 
Erklärung nicht genehm war, verfielen auf eine fomboliide Deutu 
profaifcher Art. Sie fagten nämlich, es hätten die Alten die Scywelger 
und das Wohlleben unter dieſem Bilde verworfen, wie auch zu Theba ii 
dem Heiligthume eine Säule ftehe, worauf Tlüche gegen ven König Met 
aufgezeichnet feyen, welcher zuerft die Aegypter von der alten einfat 
Lebensweile abwendig gemacht habe. Noch Andere leiten die VBerwerfe 
diefes Thieres daher, daß es fich beſonders bei untergehendem Mon 
begatte, und daß, wer jeine Milch trinke, von dem Ausſatz befallen werke 
welche Tegtere Anficht Aelian (10. 16) den Manethos zufchreibt, 
er bemerkt, daß alle Aftaten viefes Uebel haften. Wie fehr man al 
hin und her rieth, zeigt auch das Nathen des Eudoxus bei Aelian; dem 
biefer meinte, die Aegypter hätten die Schweine nicht geopfert aus Schonung, 
weil man fie nach der Ausfaat heerdenweiſe gebraucht habe, um die Truck 
in den feuchten Boden einzutreten, während umgefehrt die Athener in vem 
Myſterien die Schweine geopfert haben follen, weil fie die Saat zermühlten. 
Daß aber die Aegypter die Schweine wirklich zum Cintreten ver € 
und ferner auch zum Austreten der reifen Frucht gebrauchten, bemerkt 
auch Herodot (2. 14). Darum nun hätten fie gefchont, aber nicht alß: 
unrein betrachtet werden fünnen. Ein fo durchaus für unrein geltendes 
Thier hätte gar nicht geopfert werven Fünnen, wenn nicht feine Unreinheit 
einen veligidfen Grund gehabt hätte, welcher in dem einzelnen alle vor 
einem andern religiöfen Grunde zurüdftand. So wie ed dem Oſtris geopfert 
ward, fo wahrfcheinlich der großen Mutter, von den Griechen als Selene 
angefehen, und wenn wir in einer folchen Sache einer VBermuthung Raum 
geben dürfen, fo möchte die Unreinheit des Schweind in Aegypten ald 
dem Iſis-Oſiriscult angehörig zu vermuthen feyn, fo daß fie erft galt, 
ald dieſer ausgebildet war. Daß aber auf deßen Ausbildung Aftatifcher 
Einfluß ftatt gefunden babe, ift höchſt wahrfcheinlich, und dieſem Einfluß 
möchte aud) die Unreinheit des Schweins in Aegypten zuzufchreiben feyn. 
Der fterbende Gatte der großen Mutter ift in der Aegyptiſchen Mytho⸗ 
logie nur in Oſtris befannt, der Afiatifche Gatte der großen Göttin aber, 
Adonis, wird von einem Eber getddtet. 



















je 





1858 


Der il. 


Da Aegypten der Nilüberfchmemmung feine Fruchtbarkeit verbanft, 
Eonnte e3 nicht fehlen, daß dieſer Seegensftrom verehrt ward, und fo 
n wir benn auch von den Nilprieftern bei Herodot (2. 90): Findet 
n einen Aegypter oder einen Fremden, der durch ein Krokodil ober 
sh ven Fluß felbft umgefommen ift, fo müßen ihn die, bei deren Stabt 
an das Land gekommen ift, balfamiren und auf das befte hergerichtet 
ben heiligen Gräbern beflatten. Keiner aber, weder von feinen Ver⸗ 
ndten, noch Freunden, darf ihn anrühren, fonvdern die Priefter des 
ilos begraben ihn eigenhändig, als fey er mehr, ald ein Menfchen- 
hnam. Auch Heliodor erwähnt (2. ©. 110) der Nilpriefter bei ven 
tarraften. Auch hieß eine Stadt die Nilftadt, in welcher das Apiskalb 
sig Tage gehalten wurde, wie oben erzählt worden ift, und in welcher 
8 Stephanus der Byzantiner einen Tempel des Nil bezeugt. 

In den Hieroglyphen wird er Hapi-Mau genannt. Das erfte 
hert ift daffelbe, welches den Stier in Memphis benennt, und auch einer 
er vier Todtengenien heißt Sapi; Mau aber heißt: Waßer; denn maaı, 
ber mu, foptifh mou, may, moy, mo bedeutet Waßer. *) Seine 
ksennung: „Vater der Väter ver Götter“ ftellt ihn aber keineswegs fo 
x, ald ob vie Aegypter in ihm überhaupt den Urgrund aller Dinge 
blickt hätten nach einer Naturphilofophie, weldde in dem Waßer das 
relement ver erfchaffenen Dinge erblict, ſondern fte bezeichnet ihn nur 
8 den Segensftrom Aegyptens, ohne weldyen die alljährliche Wieder- 
burt des Jahresfeegens und das Leben nicht ſtattfinden würden. Das 
zaßer gilt als Lebensquell in Aegypten, aber als materieller Grund der 
aterielen Dinge läßt es ficdy nicht nacdhweifen. Im den heiligen Hymnen 
ard er, wie Gregor von Nazianz in einer Rede (39. ©. 626) fagt, als 
x an Aehren reiche Geber der Früchte angerufen, und Chryfoflomus in 
ner Homilie erwähnt des Opfers, welches beim Steigen des Nils darge- 
sacht ward. Der Rhetor Ariftives aber (S. 93. b) bemerkt, die Aegypter 
ätten nicht höher verehrt, ald den Nil, auf welchen faft alle ihre 
eierlichfeiten gegangen wären, und Xriflänet der Nhetor (wie Nonnus 





*) Man Fünnte den Namen Hapi-Man überfehen: Richter der Waßer, und 
biefer Begriff würde für den Gott des Nil nicht gerade ungeeignet feyn, 
mag man den Ausbrud allgemein verftehen, fo daß er den Herrn der Waßer, 
ber Ueberſchwemmung bedeute, oder insbefondere ihn auf die Ueberſchwem⸗ 
mung beziehen, ale eine, die nach einem richtigen, beftimmten Maaße ftatt- 
findet, wann fie zum Seegen des Landes wirfen fol. Daß jedoch bie 
Aegypter den Nilgott wirklich) mit diefem Namen als einen Richter ber 
Waßer bezeichneten, koͤnnen wir nicht behaupten. 


k 


* 
zu Gregor angiebt 2. ©. 529) meldete, an dem Sr nf 


1864 Der Nil. 


famen alle Männer und Weider an dffentlichen Orten 
und äßen es dafelbft, verunftalteten gemeinfame Reihentän 
dem Nil diefelben Hymnen, welche fie dem Zeus zu fingen p 
Niketad Serronius zu Gregor von Nazianz (39. ©. 1019) 
daß das Nilfeft mit der fchmugigften und abfcheulichften 9 
gefeiert worden fey, wovon aber Libanius in feiner Rede fü 
nichtö bemerkt, indem er erzählt: fie bewirthen ven Nil mit ı 
und damit er die Felder überflute, veranftalten fie jene % 
die nur zu beflimmter Friſt von denen, die dazu verordnet 
richtet werden dürfen, weil fonft ver Nil nicht fteigen und ül 
Da die, welche auch dieje Beier fehr gerne aufgehoben hätten, bi 
fo huben fie viefelbe nicht auf, fondern litten ed, daß der 9 
MWeife mit einem Mahl bewirthet wurde. Heliodor (9. ©. 
vom Nilfeft fo: die Niloen, das größte Aegyptifche Welt, w 
ber Sommer = Sonnenwende gefeiert, wann der Fluß zu waı 
und ed wird vor allen andern mit großem Eifer gefeiert, 
Nil für den größten Gott halten, indem dieſer Fluß mit ven 
Wirkſamkeit wetteifert, ihr Land ftetd ohne Negen wäperı 
Myſterien Kundigen halten den Nil für den Oſiris und 
His. Das Nilfeft aber begehen fie mit Opfern und Weihen un 
Auch Aelian (11. 10) erwähnt der Opfer, Tänze, Gaftmahle, 
dem Steigen des Nil. (In der Injchrift des großen Sphinn 
heißt die Meberfchwenmung des Nil das Auffteigen des Go 
Abgebilvet ſehen wir ihn mit Waßerpflanzgen auf dem 
jeder Hand ein Waßergefüß Haltend, bei Wilfinfon (Tafel 3 
eine Schlange umgiebt ihn unter Felſen, auf melden ver @ 
Sperber fiten. Im Tempel zu Luxor giebt eö zwei Bilder, d 
das andere roth; die rothe Geftalt trägt auf den Händen das N 
den dritten, den Sohn der Königin Mautmſchoi, und ein 
blaue Geftalt folgt nad), die rechte Hand wie zum Anbeten 
haltend, in ver Linken ein Bündel von Zeichen des Ne 
Auch ward er dargeftellt ala fetter Menjch, blau, Waßerpfla 
Haupt, in den Händen Stengel und Blumen, oder man | 
Königsthron binden mit Stengeln zweier Waßerpflanzen, d 
Herrichaft von Oberägypten, die andere die von Unterägy 
(Wilkinfon Tafel 56. 57). Thoth fteht öfterd bei ihm in ben 
der Vaſis feulpirter Wände der Tempel, mo er verfiel 
befonvderd Blumen und Früchte bringt. Zu Silfilis ift er 
Phthah als dritte Tempelgottheit zufammen, in der in den F 
Enpelle, und heißt in ver hieroglyphiſchen Inſchrift Hap 
König bringt den genannten Gottheiten eine Spende bar. 




















Der Nil 185 


Bett der König den Ammon, die Mu und den Khunfu an, welche ſich 
he dort befinden.) Dieje und noch zwei Gapellen waren von Ramſes 
gm Nil geweiht, welcher König in der Infchrift heißt: der mächtige 
Brueris, der Sohn der Sonne, geliebt von Hapi-mau, 
em Vater ver Götter, *) und diefer wird mit dem himmlischen Waßer 
lichen. Eine große Grotte daſelbſt unter Horus aus der achtzehnten 
maftie begonnen, follte, wie die unter viefem Könige gemachten Sculpturen 
Bi nichriften zeigen, ein Tempel werden für Ammon, den Nil und 
x Schal, Plinius (36. 7) erwähnt einer Nilftatue aus Bafalt mit 
tzehn um ihn her fpielenden Kindern, deren Zahl vie fechszehn Ellen 
Rus hochſten Steigung bezeichne. Veſpaſian hatte dieſes Bild in ven 
riedendlempel geweiht, und es finvet fih jetzt im Vatican ein 
pihet. Diefes Bild des Nil aber ruht auf einem Sphinx. Daß bie 
Auer defielben aus fchmarzem Stein gemacht wurden, bemerkt Pauſanias 
24), angeblich, weil ver Fluß aus Aethiopien herabfommt. ines 
weile des Nil, um welchen vie Stnäbchen fpielen, gedenkt Philo— 
il. 5). **) 

de Märchen, welche uns über den Nil überliefert worden, ſind es 
Per ji, und ſte find unbedeutend. Als Pheron, des Seſoſtris Sohn, 
Mi Herodot (2. 111), die Herrſchaft führte, wuchs der Fluß achtzehn 
en hoch und ein Sturm trieb ihn zu ftarfen Wellen. Der König in 
Mnnigem Uebermuth nahm einen Speer und fchleuverte ihn mitten in 
We Wirbel des Flußes, worauf er an den Augen erfranfte und blind 
Kar. Im eilften Iahre erhielt er eine Weißagung aus Buto, er werde 
Wi Yugenlicht wieder erlangen, wenn er fich die Augen mit dem Waßer 
ner Grau wüfche, welche nie die Ehe gebrochen. Als er darauf fein 
Bfiht wieder erlangt hatte, weihte er zum Danke Gefchenfe in alle 
mpel, worunter die zwei Obeliöfen des SHeliostempeld zu Heliopolis 
ſonders bemerfenswerth find; die Verehrung des Gottes von Heliopolis 
er war ihm vom Orakel zu Buto, wie Diodor (1. 59) angiebt, aus- 
üflih empfohlen. Das zweite Märchen erzählt Diodor (1. 50). Er 





*) Cicero in der Schrift über die Natur der Götter nennt öfters einen Gott 
Sohn des Nilus, um den Aegyptifchen von den Griechen mit dem Namen 
eines ihrer damit verglichenen Gottes benannten Gott zu bezeichnen; aber 
dies ſoll wohl den Gott nur als Hegyptifch angeben; denn troß des Namens: 
Vater der Götter, wird Fein Gott in den Hieroglyphen Sohn des Nil 
genannt, und es läßt fich nicht wohl denfen, daß Griechen und Römer 
Söhne des Nil gefannt Hätten, ohne daß die Denfmäler eine Spur von 
ſolchen enthielten. 

++) Die Aufzählung könnte noch vergrößert werden, duch es gemügt, auf Welckers 
Anmerkung zu diefer Stelle des Philoſtratus zu verweifen, fo wie auf Jakobs 
zu berjelben. 


186 Der Nil 


fagt nämlich, Memphis habe feinen Namen von dem ber Tocht 
Königs Uchores, und diefe fey von dem Nil in Gtiergeftalt 
worden und habe ihm den Aegyptos gebohren. Dieſes Tautet 
Aegyptiſch, ſondern Griehifh, da die Uegypter von derartigen Hero 
ihrer Diythylogie nichts mußten; und daß fie den Nil als Stier geig 
und in dieſer Geſtalt verehrt hätten, ift ebenfalls nicht nadızu 
(Vieleicht aber ift eine falfhe Deutung des Apis, al! des Nil 
Veranlaßung gewefen, ven Nil zum Stier zu machen. Bei Diovor ( 
heißt e3, diefer Bluß babe auch) den Namen Adler gehabt, und au 
Angabe könnte fi von dem Apis berfchreiben, welcher nach Herod 
Bild des Adlers auf vem Rüden hatte, was, wie oben bemerkt wnd 
ift, auf einer Verwechslung des Geier mit dem Adler beruht.) 
Wiewohl die Verehrung des Nil außer Zmeifel fteht, fo iſt dod 
felbe nur der Perfonification des Stroms, deßen Seegen von der DI 
Wichtigkeit war, erwiefen worden, und diefe kann, wie hoch fie audy 
nicht al8 eine Gottheit gleicher Art mit Amun, Khem, Phthah g 
haben, da diefe Perfonification nicht das Waßer ald Clement u 
fondern nur den einzelnen Strom. *) Herodot (2. 72) bemerft, e 
Fifchottern in dem Nil, welche für heilig gälten, und es feyen 3 












Fiſchen der Lepdotos und der Aal heilig und zwar dem Nil, wie au 
Fuchsgans, deren Heiligkeit bei Aelian (10. 16) daher erflärt wird,! 
fte ihre Jungen liebe und ihre Aeltern ehre, was freilich gar nicht zu 
Aegyptiſchen Thierverehrung paßt, als welche keine Spur von ſolchen 
lichen Urſachen zur Heiligung der Thiere zeigt. Fiſchottern aber giebl 
in Aegypten nicht und Ammianus Marcelinus (22. 14) nennt ven Hydt 
eine Art Ichneumon, ftatt der Enhydris, der Fiſchotter des Herodot.“ 

Ein Arm des Nil befam den Namen des Agathopämon, ded gu 
Genius, nämlich der Kanobifche, welcher ſich durch vie Herakleot 
Mündung ergießt, wiewohl bei Ptolemäus (4. 5) auch der Nil felbft 
Agathodämon genannt wird. Diefer Name Eonnte dem ganzen Nil ı 
dem von der Stadt Kanobus genannten Nilarm gegeben werben, als al 
was Schuß und Schirm gewährt, oder was Seegen und Gedeihen bringt 
einem guten Genius perfonificirt werden fonnte. Don der Stadt Kanı 
wurde nad) der Zeit des Herodot gedichtet, fie fei von den Spartanen 


*) Da diefer Strom nicht durch Negen, welcher in Aegypten fiel, wuchs 
zu der Höhe gelangte, durch welche er das Land befruchtete, fo ift es 
zu verwundern, wenn wir von feiner Abftammung nichts erfahren, daß 
gar fein Märchen vorhanden ift, welches den Einfluß des Hundsſterns 
den Nil mythiſch angäbe, möchte weniger einem Verluſt eines fo 
Märchens zugufchreiben feyn, als überhaupt dem Mangel an Mythenbil' 
bei den Aegyptern. 


Der Nil 187 





















Ahren de3 Ranobus benannt worden, welcher ald Steuermann mit Menes 
8 nach Aegypten gefommen, durch einen Sturm auf der Rückfahrt von 
Mroja dorthin verfchlagen, und die nächfte Nilmündung fey dem Herakles 
weit, wie wir bei Tacitus in den Jahrbüchern (2. 60) lefen. Herodot 

2. 116) erzählt Schon von Paris, daß er in die Kanobiſche Nilmündung 
Helena eingefahren fey, welche Dichtung darauf beruht, daß dieſelbe 
Menden allein in ven älteren Zeiten zugänglich war. Diefer erbichtete 
Peremann Kanobus nun gelangte außer der Ehre, Namengeber ver 
ht zu werden, von welcher er felbft ven Namen befommen hatte, auch 
ganz fpäter Zeit zu göttlicher oder Herven = Verehrung (wir erfahren 
fe Art nicht) ; denn Epiphanins (2. S. 109) fagt: Kanobus, des Mene- 
a Steuermann und fein Weib Menuthis, melde in Alexandria 
Rorıben find, werden am Geſtade verehrt, zehn Meilen von der Stadt. 
# Eyiphanius meldet Niemand und etwas von diefer Verehrung des 

Perernanns. Menuthis aber war eine Aegyptiſche Göttin, über welche 
Pius (3. S. 1093) fagt: in ihrem Tempel hätten die Frauen von 
Ach ergriffen, der Schnam und Sittfamfeit vergeßen. Wie man ven 
und am Ende gar vergötterten Kanobus und die Menuthis 
den bringen konnte, gebt daraus hervor, daß ed in ver Nähe ber 

Pax Kanobus einen Bleden des Namens Menuthid gab, wie wir bei 
mus dem Byzantiner Iefen. Freilich Eünnte viefer Flecken und ver- 
hen in die Göttin Menutbis, von welcher nur Epiphanius melbet, 
Kan Zweifel zu feben, doch die Aegyptiſche Mythologie ift fo reich an 
amen, daß eine fo ſpäte Erwähnung eines foldhen ihn gerade nicht ver« 
Hg machen kann. *) Wir lernen fehr viele verfelben allein aus den 
Venkmälern kennen, die wir jedoch in dieſem Falle nicht zu Rathe ziehen 
Banen, weil fie an dieſem Orte gänzlich fehlen. Cinen Gott Kanobus 
Roach Fannten die Aegypter nicht, und jenen Nilarm zu einem Agatho- 
imon zu erklären, dachte Niemand zu Herodots Zeit, und es muß ala 
me fpäte Anftcht gelten. Zu glauben, es habe Kanobus feinen Namen 
m Chnuphis, und viefer ſey der fpäter als Agathodämon geveutete Gott 
weſen, würde nichts welter als eine willkührliche, auf eine Aehnlichkeit 
d Namens, denn Gleichheit findet nicht flatt, gebaute Annahme feyn. 


*) Der Berfuch, den Namen Menuthis zu deuten, würde uns zu feiner irgend 
ficheren Anficht führen fünnen; denn wenn man ihn auf ma und nut zurück⸗ 
führte, und von der Gerechtigfeit, oder Wahrheit, oder wohl auch von der 
Liebe der Gottheit deutete, fo würden wir nichts gewonnen haben. Wer 
ben Namen von der Localität allein verftehen wollte, dürfte fih es am Ende 
einfallen laßen, an ma, welches den Ort bedeutet, zu denken und Menuthis 
Ort der Gottheit zu überfegen. Beßer aber ift es, fo ganz Unficheres auf 
fich beruhen zu laßen. 






Ehe wir zu dem Hundsſſtern und ber Iſis⸗Oſirismythologie über- 
Ihen, haben wir zwei Göttinnen zu betrachten, welche zwar wahrfcheinlich 
we befondere Formen der großen Mutter find und daher mit Iſis zufam- 
geftelt werden Fünnten; weil jedoch die Nachrichten über dieſe beiden, 
wu und Neith, nicht binreichen, um ihnen mit Sicherheit eine Stelle 
Wanmeifen, fo ift es beßer jede für fich zu betrachten, ohne über ſie ent⸗ 
ferien zu wollen. 


But 


Zu Buto, einer großen Stadt an der Sebennytifchen Mündung des 
Kl ®) verehrten Die Aegypter eine Göttin, welche für vie Griechifche 
Ma anögegeben ward, und von Herodot unter die acht alten Gottheiten 
aihlt wird. Derjelbe meldet uns auch (2. 59), es fey ihr Feſt eines 
er ſechs allgemeinen Feſte gewefen, doch fagt er nichtd weiter darüber, 
& daf die Leute nach Buto gegangen feyen, um dort ihr Opfer zu vers 
ben. Auch meldet Herodot (2. 83), dag die Weißagung der Göttin zu 
ıto, die von den Aegyptern am höchſten geachtete gemwefen fey, und er 
hreibt das dortige Heiligthum (2. 155) alfo, nachdem er bemerft bat, 
| zu Buto auch ein Heiligthum des Apollon und der Artemis fey: der 
npel ver Xeto, in welchem die Weißagung fich befindet, ift groß und 
einen Vorhof, zehn Klafter hoch. Was mir aber von dem dort zu 
benden das größte Wunder fcheint, will ich fagen. Es tft in dieſem 
iligthum ein Tempel der Leto aus einem Stein gemacht, vierzig Ellen 
b und breit, die Dachbedeckung aber ift ein anderer Stein, welcher ein 
e Ellen großes Geftms hat. **) Neben vem Heiligthum ift ein tiefer 
d breiter See mit der Injel Chemmis, die ſchwimmend feyn fol, worauf 
0 den Apollon, den Sohn der Iſis vor Typhon rettete und verbarg. 
lutarch [38] giebt an: Horus ift vie alles erbaltende und nährenve 
itterung und Luftmifchung der umgebenden Luft, welchen Leto in den 
„mpfen um Butos erzogen haben fol.) 





*) Stephanns der Byzantiner fagt: Buto, von welcher Leto Buto genannt 
ward. Letoftadt, Stadt in Aegypten, im Gebiet von Memphis, wo bie 
Pyramiden find und das Heiligthum der Leto, 

*) Letronne bemerft, daß diefe vier Gllen, der zehnte Theil der Höhe biefes 
Tempels, die Höhe des Karnies find, da in den Negyptiichen Denkmälern 
das Karnies den neunten over zehnten Theil ber ganzen Höhe hoch ifl. 

U, | 11 


ı 
163 Buto. 


In dieſer Erzählung erſcheint Buto als eine Pflegerin des 9 
welcher den Griechen für Apollon galt; und da Iſis die Mutter des 
für Demeter ausgegeben ward, alſo nicht mit Leto verglichen vr 
fo verglih man die Pflegerin des Aegyptiſchen Gottes mit der M 
des ihm gleichgeftelten Griechifchen. Gerade darin aber möchte ver A 
liegen, dag fie nur eine befonvdere Form der großen Mutter ſey; 
ihre Beziehung zu Horus muß ald eine gewiße Thatſache gelten, weil 
eine fo wenig genügende Vermittelung der Verhältniße, um fte mig 
zu vergleichen, ganz unerflärlich bleiben würde. Dazu kommt ned] 
uns Herodot (2. 67) meldet, ed würden bie tobten Sperber nad 
gebracht und daſelbſt begraben. Der Sperber gehört Feiner Gorll 
fondern dem Ra und dem Horus, fo wie auch einige andere Götte 
den Sperberfopfe dargeftellt wurden. ine Göttin fann daher nım 
mittelbare Beziehung zu ihm haben, indem fte nämlich in Bezichmg 
einem Sperbergotte ſteht. So hat Hathor, wegen des Horus den 
in einem Kaufe zum bierogInphifhen Zeichen, weil fie „das irpifch 
des Horus“ heißt, und fie erfcheint fogar ald Sperber mit Menfı 
(worauf fih die Kuhhörner mit der Sonnenfcheibe dazwiſchen be 
bei Wilkinfon (Tafel 36). Buto aljo wird durch das Begräbn 
Sperber in dem ben Griechen von den Aegyptern angegebenen De 
zum Horus beftätigt, und erfcheint demnach, wie Hathor eine %o 
großen Mutter neben Iſis ift, die aber auch Hathor hieß und mithin, 
foldye war, ebenfalls ald die Göttin, welcher man Dank für den Seg 
gott Horus ſchuldete. Daß der Name ver Göttin, der dem der Stadt gh 
Buto gelautet habe ift nicht im geringften wahrfcheinlich, ſondern wi 
Goͤttin Pacht von den Griechen mit dem Namen der Stadt Bul 
benannt ward, und wie Bufirid aus dem Worte Bu und dem Namen 
Oſiris zufammengefegt ift, fo daß Bu *) Stadt, Ort oder irgend ı 
derartiges beveutet, jo iſt Faum zu zweifeln, daß Buto aus Bu un 
zufammengefegt fey, und daß die Goͤttin To geheißen habe. Wir fi 
dieſes Wort auch wirklich ald Götternamen; denn fo giebt es einen 
To⸗-ra und eine Göttin Nato (Rate=t, wörtlich überfegt, Sonne 
Melt oder au Tibor der Welt); welches aber feine Bedeutung in T 
Namen fey, ift durchaus zweifelhaft. To (tu, te) heißt die Welt 
Grove, das Land, welches ganz gut für die große Mutter, die als Sf 
gefeiertften erfcheint, fich eignen würde, daß fie aber jo benannt wi 
fey, läßt fih nicht näher begründen. **) 








*) Heſychius ſagt: butoi bedeute Gräber. Ob dieſes ein Deutungsve 
oder nur eine irrige Angabe fey, mag dahingeftellt feyn. 

**) Doch iſt zu bemerken, daB Bu und To nicht die einzigen Beftandtheile ' 
Namens nothwendig gewefen feyn müßen; denn wie bie Griechen aus 


Buto. 163 














Außer den Sperbern, wovon oben bie Rede war, wurden bie Spitz⸗ 
re, wie Herodot (2. 67) angiebt, ebenfalls nach Buto gefchafft und 
ſelbſt beſtattet. Diefes Thier haben wir ald das zu betrachten, welches 
= Gottin heilig war, aber nicht ihr allein, wie es fcheint, fondern auch 
pr löwenköpfigen Triphis oder Athribis, wie oben in der Mytbologie der 
Bis bemerkt worden iſt. Plutarch (©. 670) giebt an, die Aegypter 
die Spitzmaus geheiligt, weil jie blind ſey und weil die Finſterniß 
BR ſeh als das Licht. Auch werde die Spigmaus von ten Mäufen in 
fünften Geburt geboren am Neumond, und bei der Unfichtbarwerdung 
M Mondes verfleinere fich ihre Leber. Auch bei Jamblichus (6. 5) wird 
ie Spizmaus nebft dem Hund und dem Hundsaffen auf ven Mond bezogen. 
Meſe Deutungdverfuche von der Heiligkeit ver Spigmaus find nicht gelun- 
az nennen; da wir aber nidyt wißen, wie die Spitzmaus von den 
gaptern genannt ward, ſie auch nicht in den Hieroglyphen finden und 
Re ſo wenig dieſe Göttin in den Darftelungen ver Denkmäler nachzu- 
Won vermögen, fo wäre es vergebliche Mühe, Vermuthungen über diefes 
Milb anzuſtellen, welches man in Aegypten nicht abgebildet findet. 
»in Ama aber finden fich in Theben von zwei Arten verfelben, deren eine 
u feier I als die bekannte Art. Daß aber Buto die Göttin der Nacht 
ein ſey, beruht auf gar nichts; für die Griechen aber berubte es auf 
er falſchen Anſicht von ihrer Goͤttin Leto, mit welcher Buto zu vere 
tgleihen, ein verfehlter Verſuch war. 
Aelian (10. 47) giebt an, ver Ichneumon folle ver Leto und den 
EEleithyien heilig feyn, und er fey von den Herafleopoliten verehrt worden. 
Herodot aber fagt (2. 67) nichts weiter als: die Hunde begräbt jeder in 
feiner Stadt, in heiligen Särgen, und wie die Hunde, fo werden audy die 
Shneumon begraben. Daß aber die Herafleopoliten den Ichneumon vers 
ehrt hätten, geben auch Strabo (812) und Clemens der Ulerandriner 
(3.11) an, fo daß an feiner Heiligkeit nicht zu zweifeln if. Er galt 
ld ein Feind des Krofopil; denn Diodor (1. 87) erzählt: er zerftöre die 
Eier deſſelben, Erieche dem ſchlafenden in ven offenen Rachen und zerbeiße 
fine Eingeweive; bei Aelian (6. 38) aber heißt e8 auch, er zerflüre bie 
Gier ver Afpis, um feinen Jungen die Fünftigen Feinde wegzufchaffen. *) 





Hfiri Buflris machten, fo Fonnten fie auch aus einem Worte Bu⸗ht⸗to Buto 
madyen, und die Göttin hätte daher auch Hat⸗-to, Het⸗to, oder ähnlich 
heißen fünnen. Doc wir mußen ung bis jegt befcheivden, es dahin geftellt 
feyn zu laßen, wie fle wirflich geheißen habe. 

*) Letronne meint, der Sphinx habe mit Leto in Verbindung geftinden, da 
Buflris zu Letopolis gehörte, und ein Arrian hatte auf die Tage des Sphinx 
geſchrieben: der Goͤttin Leto die reinfte Dienerin (alfo Sphinx weiblich 
nehmend). Diefe Gründe find nicht hinreichend zu einer fo wichtigen Annahme; 

11 * 


164 




















Neith, die Aegyptiſche Athene. 


Zu Said in Unterägnpten war eine Göttin als Hauptgdttin v 
welche die Griechen mit ihrer Athena verglichen und ganz und gar 
diefelbe gelten ließen. Ihr Name lautet bei Plato in Timäus (©. 
Neith *), in den Hieroglyphen wird er Nt gefchrieben und erjcheint 
Nit in vem Namen der Königin Nitofris, welchen Eratofthenes durch 
‚reihe Athena überfegte, und welcher wirklich flegreihe Neith b 
Plutarh (62) giebt an: es benennten die Aegypter dfterd die Iſis 
dem Namen der Athena (der Neith), welcher bedeute: ‚ich Fam von 
ſelbſt“ **) und allervingd heißt na im Negyptifchen Eommen, doch 
angehängte t kann nicht heißen von mir felbft, ſondern iſt nur ver 
liche Artikel, welcher eben fo nacdhgefegt wird, wie er am Anfange 
Wortes ſteht. Darum fünnen wir an Plutarchs Angabe nicht gl 
und müßen fie dahin geftellt feyn Ingen. Ihr hierogInphifches Zeiche 
ein Gegenftand, welcher ohngefähr wie eine Walze geformt, an 
Enden je zwei auswärts gebogene Hafen hat und ihren Namen he 
fönnte, da fle dieſes Bild auch auf dem Kopfe trägt, wie Iſts ihr N 
bild, den Thron, Nephthys in gleihem Sinne dad Haus, Self den 
pion u. f. w. Man bat darin eine Weberlade ſehen wollen, weil mm 
wirklich eine Athena in ihr zu haben meinte, welcher freilich eine fo 
geziemen würde, doch ift dieſe Anficht nur als ein Einfall fo lange 
betrachten, bi8 eine Weberlade von diefer Form irgenpwo in Aegyp 
oder auf dem Erdkreis nachgewieſen iſt. Dazu fommt nun, daß dies n 
liche Werkzeug als Hieroglyphifches Zeichen des Gottes vorkommt, wel 
auch den Löwen zur Hieroglyphe Hat und felbft öfter mit dem Löwen 


denn was ein Arrian von dem Sphinx ſich dachte, kann nichts beweife 
Hat doch Balbillus auch die Sonne angebetet als „den Auffeher un 
Netter bei uns,“ nämlich den Buflriten, und Letronne hält den doı 
gefundenen Tempel für den der Sonne, fo daß alfo eine andere Gotthe 
für den Sphinx dafelbft nicht fehlt, falls es einer bedürfte. 

*) Paufanias (9. 12) nennt die Göttin fälfhlich Sais und eben fo Chara 
bei Tzeßes zu Lyfophron (3) und in den Chiliaden (V. 657). Um Sal 
als der Athena recht geeignet zu erflären, haben welche den Namen vo 
dem Hebräifchen sait, Dive, hergeleitet, vamil es eine Olivenſtadt fey, wa 
auf Athen paßt, nicht auf Sais. Die Bewohner von Unterägypten, faı 
Herodot (2. 94), hatten Del aus Silifyprion oder Sefam, weil fie keir 
Delbäume hatten, und Diodor (1. 47) fchreibt dem Negyptifchen Hermi 
die Erfindung des Dels zu, nicht der Athena. 

**) Cicero in der Schrift „über die Natur der Götter” nennt fie eine Tochter de 
Nil, wie e8 auch Arnobius thut, und Cicero pflegt diefe Abftammung be 
Megyptifchen Göttern zu geben. 


Neitb, die Aegyptiſche Athena. 105 


'opfe vorkommt (Wilkinfon Tafel 71). Was follte nun viefer Gott mit 
iner Weberlave thun? Daß aber Neith eine Weberin gemefen fey, ift 
ir die Aegyptiſche Mythologie eine fo feltfame Sache, daß fie, wenn es 
dgar mit aller Sicherheit beiwiefen märe, einen unbegreiflichen und uner⸗ 
lien Punft dieſer Mythologie bilden würbe. *) Wäre fogar viefes 
Bid das einer Weberlave, fo hätten wir doch nicht auf eine mebenve 
Reith zu ſchließen, ſondern es ald ein hieroglyphifches Bild ihres Namens 
w vermuthen, fo daß wir auf einen mit dem Buchſtaben n anfangenven . 
Bamen ver Weberlave zu fchliegen hätten. Don einem dieſer Göttin 
fweihten Thiere ift nie die Rede; denn wenn Sorapollo (1. 11) fagt, der 
deier bezeichne die Athena und vie Hera, weil er den Himmel bezeidjne, 
lihena aber fey der obere (Herrin ver oberen Region heißt fie in Xegen- 
en, was aber nicht den oberen Himmel bedeutet) Hera der untere Him— 
nel, fo ift Dies nur in fofern wahr, als ver Geier, das Bild der Miütter- 
Ileit auch ver Neith zukam; denn ſie heißt auch Mutter der Götter over 
Wittin Mutter. Derfelbe fagt (1. 13): den Hephäſtos varzuftellen, malen 
die Aegypter einen Käfer und einen Geier, die Athena aber ftellen fie 
dar durch einen Geier und einen Käfer, denn fie glauben, die Welt beitehe 
ans dem Männlichen und dem Weiblichen, und dieſe beiden Gottheiten 
Bi allein bei ihnen mannweiblih. In hieroglyphiſchen Manuferipten 
Indet ſich eine mannweiblihe Göttin, am vollftändigften zufammengefett 
m einem von Belzoni aus Aegypten mitgebrachten, woraus Champollion 
ke im Pantheon (1. Tafel 6. 2) bat abbilden laßen; Göttin mit dem 
Bichent, gelb, vie Beine roth befleinet, unten fehen gelbe Lömwentagen 
beroor, und ein rother Phallus deutet die Mannheit an, die Arme find 
ausgeftrecft und ungeheure Flügel fpreiten fi) aus, rechtd an dem Haupte 
ragt ein Löwenhaupt mit zwei Federn, links ein Geierfopf mit der unteren 
Krone und beißt in ver Infchrift Mut, d. i. die Mutter. Daß Mut 
Iwenföpfig vorkommt, ift oben fchon bemerft worden, der Geier gehört 
ir, und jo haben wir in diefem Bilde die mit ihren Sinnbildern zufams 
mengefegte große Mutter, phalifch gebildet in einer fpäteren Zeit, um 
anudeuten, daß die Mutter Natur das zeugende und gebährende Princiy 
in fich vereinige. Da nun aber dieſes Wefen nicht Neith genannt wird, 
fo mag Horapollo's Angabe auf einer fpäten Deutung derfelben beruhen; 
denn wenn auch Neith nur eine befonvere Borm der großen Mutter 





+) Die Griechen waren fo fehr von dem Gebanfen an ihre webende Athena 
erfüllt, wenn fie der Negyptifchen Göttin gedachten, daß man bei Euftathius 
zur Iliade (1. ©. 31) lieft: zuerſt webte ein Aegyptiſches Weib fißend, 
weßhalb auch die Negypter das Bild der Athena figend machten. Sie machten 
das Bild figend fowohl, als flehend, und es ift durchaus Fein Schluß auf 
irgend eine Eigenfchaft der Göttin daraus zu ziehen. 


166 Neith, die Aegyptifge Athene 




















geweien ſeyn mag, fo muß fie doch eben ald eine beſondere Form 
fehben werden. Wir jeben fie auh im Bilde (bei Willinfon Tafel 
beide Hände abwärts geftredt, mit dem Zeichen bes Waßers baran, 
Tamun zu Theben ericheint; was aber viejes bei beiden Böttinnen 
möge und in wie fern man fie in dieſer Hinſicht mit einander verg 
dürfe, ift ungewig. Nur jo viel wigen wir, daß dieſes Zeichen ven 
ftaben n bedeutet, und da der Name Neith hieroglyphiſch mt Lautet, 
aber der weibliche Artikel if, fo kann dieſes Zeichen bei Neith ihre Nam 
hieroglyphe feyn. 

Die fpätere Zeit wollte, beſonders mit Rückſicht auf die Athena, 
Neith zu etwas machen, wozu dad Wenige, was wir von ihr wißen, 
berechtigt, und woran die Aegypter in dem Sinne, wie es uns die 
darftellen, wohl nie gedacht haben. Plutarh (9) melvet: zu Sais 
der Tempel ver Athena, vie man auch für Ifis Hält, die Infchrift: 
bin Ulles, was da mard, was da ift, und mas da feyn wird, und 
Peplos hat Fein Sterblidyer enthüllt.“ Dieſes kann gar nicht altä 
feyn, denn die Aegypter wußten nicht von dem Peplod, welcher von 
Griechiſchen Göttin aus Athen nah Sais in diefe Infchrift ü 
worden if. Wir fonnen nicht fagen, ob Proflus, welder fie für die 
bewegende Kraft ver Natur erflärt, wie Athenagorad® (©. 24 b) für 
überall verbreiteten Geift, dies gefühlt Habe; er giebt aber zu Pi 
Timäus viefe Injchrift folgenvermeile: Ich bin das Seiende, das W 
und das Geworvene. Meinen Chiton (Rod) hat Feiner enthüllt, vie 
die ich gebahr, ward Helios. Da wäre nun wohl ver Athenifche P 
befeitigt, damit aber audy die unkennlich machende Berhüllung, und 
Rock, die allgemeine, nicht unkenntlich machende Verhüllung, von deu 
MWegnahme zu reven lächerlich und abgejchmadt zugleich iſt, an vie Stel 
gefegt, aber gewonnen ift damit nichts für die Infchrift, fondern Did 
erfcheint al8 ein ſpätes, nichts erklärendes Machwerk. ben fo werd 
werth ift das, was Jamblichus (8. 5) angiebt, daß Bity in dem Temp 
zu Sais den Namen der Gottheit, welche die ganze Welt durchdring 
gelefen habe, denn Athena war ja die Weisheit, und ver Geift ift ja de 
alled durchdringende, fo Daß es ſich für tie fpäten Erflärer und Deut 
nicht fehlen konnte, vielen Geift in Said zu finden. *) AL man de 


em — nn et 


*) Bon dem Tempel zu Sais giebt Plutardy (32) an, in dem Veſtibulu 
deffelben finde fich gemeißelt ein Kind, ein Greis, dann ein Eperber, weit 
bin ein Fiſch, zulegt ein Yiilpferd, und als die Bedeutung diefer Geftaltı 
giebt er an, das Kind bezeichne den Nufgang, der Greis den Untergang, d 
Eperber Gott, der Fiſch den Haß, das Nitpferd die Unverfchämtheit (dem 
es foll feinen Erzeuger tödten und ſich dann mit feiner Erzeugerin begatten 
Diefe Deutung if nicht wahrfcheinlich; denn da wir den Sperber auch at 


Reith, die Aegyptiſche Athene. 167 


Nhierkreis in ven Bereich ver Mythologie zog, gieng die Göttin von Sais 
ht leer aus, denn bei Proflus (1. 30) heißt es, ihr gehöre der Widder 
Thierfreis und ver Aequinoctialeirkel, wo die meifte bewegende Kraft 
u AU fen. Diefes ſcheint noch eine Unterftügung darin gehabt zu haben, 
daß das Schaaf zu Sais ein geheiligted Thier war; denn Strabo (812) 
bet, daß dies Thier dort verehrt ward, und Clemens der Ulerandriner 
ia feiner Srmahnungsichrift (S. 11) ftellt vie dortige Verehrung ver zu 
Meben gleich. *) Wie das gefommen fey, ift und verborgen, denn dieſes 
Ihier war nur dem Ammon geheiligt, und wenn Plutarch (72) vie Lyko⸗ 
goliten, die Verehrer des Wolfs die Einzigen nennt, welche die Schaafe 
höen, fo ift dieſes nicht richtig, denn Herodot meldet ausdrücklich (2. 42) 
3 die Mendeſier Schaafe opferten. 

Hören wir, was Herodot uns über diefe Göttin und ihre Verehrung 
Sais überliefert hat. Er gedenkt (2. 175) ihres Tempels, von Amufts 
einer bewundernöwertben Vorhalle geſchmückt, und von demfelben mit 
fen und Männeriphinren geziert, welcher König auch von Gles 
hentine ein Häuschen aus einem einzigen Stein, vier und zwanzig Ellen 
„lang, vierzehn breit und acht hoch, herbeifchaffen ließ, woran zweitaufend 
be Ochifer drei Sabre lang zu thun hatten, und welches an ven Eingang 
des Heiligthums geftelt ward. Daß es nicht in dem Heiligthbum ſtand, 
Veranlaßung zu der Sage, der Vorfteher der Arbeit habe, als das 
Häuschen gezogen ward, gefeufzt, wegen ver langen Zeit, die auf das 
Bert, deßen er überprüßig geworven, verwendet werden, und Amafis 
babe dies für eine üble Vorbeveutung genommen. Andre aber fagten, e8 
» fen nicht in den Tempel gethan worden, weil einer von denen, vie ed 

mit den Hebeln fortarbeiteten, erjchlagen ward. Auch war ein auf dem 

Rüden liegender Koloß von Stein vor diefen Heiligthum. Weiter gevenft 
- Serodot (2. 28) des heiligen Tempelfchages vafelbft und (2. 169) des 
königlichen Begräbnißes in ven Heiligthum, nahe bei den Saale zur 
Rinfen, (dad Grab des Königs Pſammetiches in dem Heiligthum erwähnt 
Strabo 802), und erwähnt das Grabmal des Amafis im Tempelhofe, 

























dem Kopfe der Neith fehen, fo mag er Beziehung zu ihr in dieſer Dar: 
ftellung gehabt haben; der Fiſch Latus aber ward verehrt, wo auch Neith 
verehrt ward, in Latopolis, und das Nilpferd bezieht fih auf den Nil; was 
aber das Kind und den Greis angeht, fo ift die Angabe Plutarchs zu allges 
mein, um darüber ein einigermaßen wahrfcheinliches Urtheil zu füllen, wie 
denn überhanpt auf diefe Beichreibung hin feine fichere Deutung zu gründen ift. 

*) Obgleich es nichts beweift, fo iſt es doch ein eigenes Zuſammentreffen, daß 
es bei Manethos heißt: unter Bokchoris, dem Suiten, weldyer als die vier 
und zwanzigfte Dynaſtie ausfullend genannt wird, Habe ein Lamm gefprocen. 
Man kann fih kaum erwehren, anzunehmen, das Lamm fey fur dieſes 
Wunder gewählt worden, weil das Schaaf zu Suis verehrt wurd. 


168 Neith, die Aegyptiſche Athena 














beſtehend aus einer Halle mit Säulen, von ber @eftalt ver Palmbau 
umgeben und mit Zierrathen geihmüdt, und was weit wichtiger iR, ; 
erwähnt (2. 170) in dem Umfang des Heiligthums das Grab ein 
Gewißen, (worunter er den Oſiris verfteht, welchen Athenagoras nennt) 
diht an der ganzen Wand der Athene, und fagt: ed fliehen ref 
Obelisfen in dem Heiligthum, und ift ein See dabei mit ſteinerner Gi 
fagung von der Größe des Delifchen See's, auf weldhem fie Nacht de 
ſtellen, was jenem begegnet iſt und was ſie Mofterien nennen. (Straße 
803, Sagt: ein wenig oberhalb Sais fey dag Heiligthum des Din 
worin er liegen folle.) 

Diefed Verhältniß zeigt und Neith in einer innigen Beziehung zM 
Ofiris, ver als zerrigener Gott bei ihr im Grabe ruht, aus welchem alt 
jährlidy zu neuem Leben auferjieht, ven Jahresjeegen mit ver großenge' 
Mutter erzeugen. Neith verhält fi bier jo nahe zu Oſiris, wie WW 
Göttin von Buto ſich zu Horus verhält, und es ift nicht zu verwundes 
dag man fie für Iſis genommen bat, indem man dieſe, wie aus Pius 
oben angeführt worven ift, üfters Neith benannte. Betrachten wir sus® 
ihr Feſt zu Said, welches zu den ſechs allgemeinen Feſten gehörte, u? 
welches Herodot (2. 62) alfo befchreibt: zu Said in einer gewißen 
zum Opfer zufammen Eommend, zünvden Alle viele Lampen rund um vie 
Häufer unter freiem Himmel an, *) die Lampen aber find Schaalen mit 
Salz und Del angefüllt, worauf fi) ein Docht befindet, welcher die ganze 
Nacht über brennt, und das Veit bat ven Namen Lampenbrand. Diejes 
nigen von den Aegyptern, welde nicht zu der Beftverfammlung kommen, 
wachen während der Nacht des Opferd und zünvden ebenfalls Alle zu Haus - 
Lampen an, und fo brennen fie nicht nur zu Sals, fondern in ganz 
Aegypten. Weßhalb aber dieſe Nacht die Lichter und die Verehrung hat, 
darüber giebt e8 eine heilige Sage. 

In diefer Angabe haben wir ftatt willführliher Auslegungen un 
aus Deutung entiprungener Behauptungen eine ächte Religionsnachricht, 


*) Clemens ber Alerandriner (239) nennt den Tempel (oder das Bild) ber 
Athena einen HypäthrossTempel (oder ein Bild im Breien), und Baufa: 
nias (9. 12) fagt, der Altar und das Bild der Athena Onga (Onka) fey 
en hypaithro zu Theben, und diefes habe Kadmos geweiht, wiewohl mande 
gemeint, diefe Athena ſtamme aus Aegypten, was fich als falfch erweile 
weil fie Ouga nad) der Phöniz'ſchen Sprache, nit Sais nad) der Aegyp⸗ 
tifhen heiße. Der Name von Sais war nie der der fogenannten Aegyp⸗ 
tifchen Athena, und Onfa war ein Griecdhifcher Name ver Göttin de 
Griechen, von der Phönicien nich!s wußte. Der Hypäthros- Tempel aber 
fann zu feinem Beweife dienen, die Aegyptiſche und die Thebifche Göttin 
in eins zufammen zu wirren, und Phönicien als die Vermittlerin beider 
Culte anzunehmen. 


Keith, die Aegyptiſche Athena. 108 













m ber obigen ebenfalls Achten von ver Zerreifung des Oſiris ftimmt. 
M der Göttin zu Sars warb der todte Dfiris beftattet, bis er wieder 
Bee. Daß der Gott aus dem Reiche des Todes, der Nacht, zum 
hät wieberfehre, zu neuem Leben erwacht, Eonnte nicht beßer durch eine 
ihe Darftelung ausgedrücdt werden, als durch die Lampennacht von 
Bi, und ganz Aegypten, denn wäre nicht ein von ganz Aegypten ver« 
un Gott der Gegenſtand dieſer Lampenfeier geweſen, fondern die 
fin Neith in Sais, dann hätte es nicht geſchehen können, daß man 
handerwärts ald dort, Lampen angezündet hätte. Im PBreien mupten 
brennen, denn es fehrte dad Leben in vie Natur zurüd, welches ver- 
FYxben gewefen war. Die Bedeutung des Salzes in den Lampen bei 
zen heiligen Befte muß wefentlid) auf das Wievererwachen des Oſiris 
gangen ſeyn, doch kann es zweifelhaft feheinen, welden Sinn man 
it verbunden babe. An Tagen ver Enthaltung durften die Priefter 
Sal; genießen, und es fiheint, daß man vemfelben eine Liebe für- 
me Kraft zufchrieb, oder dag man dad Meer, woraus Salz kommt, 
pa iberhaupt das Waßer, als das Element des Lebens angefehen, wozu 
A dem paßen würde, daß die Priefter an ven Tagen ver Enthaltung 
Band Kine Fiſche eßen durften. So erfcheint denn Neith ganz und gar 
eine in Beziehung zu Dflris, zu dem Tod und Wiedererwachen der 

r ſtehende Göttin, alfo ald eine Form der großen Mutter. 

Gerade das Lampenfeft nun Fann der Anlaß geweſen feyn, vie Reith 
wit der Griechifchen Athena, mit welcher fie ficherlich gar nichts in ihrer 
eutung gemein hatte, zu vergleichen; denn dieſe war eine Veuergättin, 
eher in Athen der Badellauf gefeiert wurde. Bei der leichten Art, 
ie die Griechen fremde Götter ald den ihrigen glei annahmen, reichte 
n einzelner Umftand von ſolcher Beichaffenheit Hin, um vie Gleichheit 
ten zu laßen, denn man gieng nicht von einem Zweifel oder einer 
üfung aus, fondern fuchte nur nach irgend einem gleichftellenven Umftanv. 
var bietet fich auf den Denfmälern noch etwas dar, mas die Griechen 
der Neith ihre Athena erblicken laßen Eonnte, fie erfcheint nämlich mit 
gen und Pfeilen in der Hand; ob dies aber vie Veranlagung zu jener 
nahme, oder auch nur eine Beitärfung darin war, Fann nicht darge⸗ 
in werden, weil fein Grieche und gemelvet bat, warum fie die Aegyp⸗ 
he Göttin für ihre Athena hielten. Cine Eriegerifche Göttin vermag 
8 jene Bewaffnung nicht zu bemeifen, wiewohl und Proflus zum Timäus 
fihert, Neith und Athene feyen beide weile und Eriegrifch, denn den Pfeil 
mt auch Sate ald Namenbilv, und wir find, da wir über die Bedeu⸗ 
ng nicht belehrt find, nicht berechtigt, eine Auslegung, die in dem 
brigen, was wir von der Göttin wißen, feine Stüge findet, zu verfuchen. 

Neith führt auch den Beinamen Ank, (Unufe) und von ihrer Vers 
tung zu Latopolis, wo der Fiſch Latus verehrt ward, ſpricht Strabo 


















170 Netth, die Aegyptifge Athena. 


(814), ohne jedoch irgend eine nähere Auskunft zu geben. Einer Weipfagu 
der Neith gedenkt Herodot (2. 82), wie zu Buto auch eine war. Ay 
Tuer, d. i. die Große, Mächtige wird fie genannt, und die Kuh, w 
die Sonne erzeugt. Werner wird fie dargeftellt, zwei Krokodile ernähre 
Obgleich zu Said ald Hauptgöttin verehrt, findet fte fi doch auch 
andern Aegyptifchen Städten, aber nicht ald die Hauptgottheit. In The 
ift fie dargeftellt, die Huldigung ver Eroberer empfangend, welche 
Beflegten zu ihren Füßen führen. Zu Latopoli& war fie die Temp 
genogin des Knuphis, und Fam dafelbft unter nıehreren Namen vor, 
Menhi, Tnebuu, unter welchen Namen fie auch befonvere Zefte & 
ald Tnebuu am drei und zmwanzigften des Monats Athyr, als Me 
am fünf und zwanzigften deſſelben Monate. Auf einer Säule des B 
tempeld vafelbft fleht aufgezeichnet: Am Neumond des Monat Chaeu 
findet Panegyrie und Darbringung flatt in dem Tempel des Kuuyfl 
des Seren von Esne; man ftellt die heiligen Zierratfen aus und br 
dar Brod, Wein, andere Plüßigfeiten, Ochſen, Gänfe; man bri 
Salben und Wohlgerüche dar dem Gotte Knuphis und der Bättin fi 
Genofin, dann Milch vem Knuphis; den übrigen Tempelgottbeiten b 
man dar, eine Gans der Göttin Menhi, eine Sand ver Goͤttin Nei 
eine Gand dem DOftris, eine Sand dem Khunfu und dem Thoth, 
Gans den Göttern Phre, Atmu, Thore, fo wie den übrigen in 
Tempel verehrten Göttern; dann bringt man Sämereien, Blumen 
Aehren dem Herrn, dem Knuphis, dem Herrfcher von Esne dar, m 
ruft ihn an. Unter den Tempelgottbeiten war auch Yfid, die am d 
Bigften des Athyr ein Feſt hatte, fo wie der junge Gott Hake, der 
wie Knuphi am erften des Monats Choiak eine Panegyrie Hatte. Ned 
obiger Ungabe follte ed fcheinen, Neith fey nur Tempelgottheit mit ve 
andern gewejen, nicht aber vie Genofin des Knuphis, welche insbefonvere 
erwähnt wird; doch dem iſt nicht fo, denn Strabo melvdet von dieſer 
Stadt, Neith fey dort verehrt worden, und mußte daher gehört haben, 
daß fie die Hauptgöttin fey, denn fonft wäre feine Nachricht ſinnlos, weil 
er ohne allen Grund aus mehreren Göttinen, eine würde herausgegriffen 
haben, um fie zu nennen. Bei einem fo fonverbaren, ihm gar nidyt ze 
zutrauenden Verfahren, hätte er wenigitend doch die berühmtefte und 
befanntefte diefer Tempelgdttinnen nennen müßen, und da würde feine 
für ihn ven Vorzug vor Iſis gehabt haben. Daß aber eine und dieſelbe 
Bättin, unter mehreren Namen, befonverd in dem nämlichen Tempel 
vorfomme, darf nicht befrempden, weil eine Gottheit unter jedem ihret 
Namen, in einer befondern Eigenfchaft erfchien, und in diefer eine eigen» 
thümliche Form ihres Weſens war, die der Anbetung beburfte. Da jedoch 
Neith nach der Tempelgefährtin des Knuphis benannt ward, fo dürfte 
daraus hervorgehen, daß fie als Genoßin des Gottes in dem Tempel 


Keith, die Aegyptiſche Athena. 171 


wit einem andern Namen benannt warb, vielleicht mit dem der Mu, ber 
Mutter, welche jede Böttin, die den Geiler zum Sinnbild hatte, erhalten 
Tonnte. Im welcher Beziehung der Fiſch Latus, ver zu den Nilfiichen 
zehoͤrte, zu dem Culte in Esne fland, wißen wir zwar nicht, müßen 
saßer annehmen, daß dieſe Beziehung bedeutend war, weil die Stadt von 
* Verehrung dieſes Fiſches den Namen bekam. Jeder Nilſiſch konnte 
ein Sinnbild des ſeegensreichen Waßers ſeyn, und in Culten, welche ſich 
nf den Naturſeegen bezogen, eine paßende Stelle finden; es konnten 
auch mit den einzelnen Arten beſondere Ideen verfnüft werden, 
[he ven einen für diefen, den andern für jenen Eult geeignet erfcheinen 
Aeßen. Das aber darf uns für ficher gelten, daß wir in Latopolis eine 
Vorm der großen Aegyptiſchen Mutter in Neith mit Ammon =» Knuphis 
:gerbunden ſehen, wie in Maut mit Ammon in Theben verbunden, oder 
ia ber Thebais den Knuphis mit Sate. 

} Oben war die Rede davon, daß Neith aud vie Kuh genannt wird, 







welche die Sonne gebiert, und in Said tft von einer Kuh vie Rebe, bie 
auf viefe Benennung zu beziehen, wir uns hüten müßen. Herodot (2. 129) 
erzahlt nämlich von dem frommen und gerechten Könige: obwohl er gegen 
des Bolt mild war, traf ihn das Unglüd, dag ihm die Tochter, fein 
Einziges Kind farb. Darüber grämte er fich fehr und begrub fie auf eine 
werfwürdige Art, indem er eine hölzerne Kuh machen lieg, vie vergolvet 
ward, und in welcher er die Tochter beftattete. Diefe Kuh ward nicht 
"mter die Erbe gebracht, ſondern war noch zu Herodots Zeit zu ſehen in 
der königlichen Burg zu Said, in einem fhöngefchmüdten Gemache. Jeden 
Tag verbrennt man Näuchermerf vabel, und jede Nacht brennt eine 
Lampe bei der Kuh. Nicht weit davon in einem andern Gemache, fteben 
die Bilder von den Keböweibern des My erinos, wie die Priefter zu Said 
mählten, nadte hölzerne Kolofie, ohngefähr zwanzig an Zahl. Manche 
emählten von diefer Kuh und von den Kolcffen, daß Myferincd von Kiebe 
entbrannt, feiner eigenen Tochter Gewalt angetban, worauf fie fi 
erhängt, und er fie in viefer Kuh beftattet habe. Die Mutter aber habe 
den Dienerinnen, welche ihre Tochter dem Vater verrathen hätten, bie 
Hinde abgefchnitten, und ed wäre ihren Bildern eben fo gefchehen, wie 
ihnen ſelbſt. 

Aber das ift thöriges Gerede, fagt Herodot, denn ich habe es felber 
geichen, daß ihnen die Hände vor Alter abgefallen, und noch zu meiner 
Zeit Tagen fie zu ihren Füßen. Diefe Kuh nun ift ganz mit einem Pur- 

; Purmantel bedeckt, nur Hald und Kopf, ftarf vergolvet, fehen hervor, 
und fie Hat eine goldne Sonnenſcheibe zwiſchen den Hörnern. Sie fteht 
aber nicht, fondern liegt auf ven Knieen, und hat die Größe einer wirfs 
lichen Kub. Jährlich wird fie aus dem Gemache heraudgetragen, wann 
fh die Aegypter an die Bruft fchlagen, wegen des Gottes (nämlich des 














172 Neith, die Aegyptiſche Athena. 


Oftris, den Herodot bei viefer Gelegenheit nicht nennen will.) Darüber 
daß fie jährlih einmal an dad Tageslicht getragen wird, erzählte ma 
es geichehe, weil des Mykerinos Tochter ihren Vater beim Sterben 
gebeten hätte, daß er fie einmal im Jahre die Sonne fehen lafe. Mag 
man auch Ifis eine Neith genannt Haben, fo ift doch Oſiris mit ve 
Neith zu Said und anderwärtd nicht fo zu verbinden, wie mit Iſis, 
jene Kuh gebt offenbar nur die Jus, die Gattin des Oſiris an. Neith al 
mütterliche Göttin, ald Gebärerin, fann eben fo gut wie Iſis, eine Auf 
genannt werben, wie jede mütterliche Göttin die Kuhhörner zum Koy 
ſchmuck erhalten kann; denn dieſes Sinnbild bezeichnet fie als eine Gebäß 
rende, wie der Geier ald eine mütterlie. Geht aber die Sonne Mow 
gend, wann fie fih am Horizont erhebt, aus dem Schooße der große 
Mutter, ald neugeboren am Himmel empor, fo kann Neith vie Kuh fes 
welche die Sonne gebiert, falls dieſer Ausdruck die wirkliche Se 
meinte, und wir fehen ihr Bild mit dem auf einem Geſtell ſitzene 
Sperber auf dem Kopf (bei Wilkinfon Tafel 38), gerade wie Athen, 
und die Göttin des Weiten, welche vie Sonne Abends in ihrem 
Schooße aufnimmt, und fo ſcheint denn Reith nicht nur die Gebärerin 
der Sonne am Morgen, fondern auch die Aufnehmerin am Abend geweſen 
zu feyn. Der junge Safe, welcher in dem Knuphistempel zu Esne war, 
erfcheint im Bilde ganz ald junger Horus, ald Kind mit der Lode, dem! 
Finger am Munde, der Gebärde des Säugend, das Zeichen des Lebens, 
und Geißel und Krummftab, die Zeichen der Herrſchaft in der Linfen. 
Diefer Gott ift alfo ver junge Horus, mit dem Zeichen der Herrichaft, | 
wie er au ala Abi, d. i. Helfer, auf dem Lotus fitzend erjcheint. 
MWahrfcheinlich beveutet fein Name Ik den Herrſcher, denn dies Wort 
heißt Herrſcher und hk, hak heißt berrfhen. So heißt der junge Horus 
auch Pnebto, d. i. der Herr der Welt, und der Name ift ganz geeignet 
für ihn. Uber Horus ift nicht ald Sohn des Knuphid und der Neith zu 
bemweifen, fondern wir müßen annehmen, daß er fih in dem Tempel zu 
Esne befand, wie Ofirid und Iſis und andere Götter, die daſelbſt ver 
Verehrung einen reichen Verein darboten. *) 


.—_. — 


*) In der Verwandlungsgeſchichte der Götter in Aegypten, welche Antoninus 
Liberalis (28) nach Nicander erzählt, wußte man von keiner Verwandlung 
der Athena, ſondern dieſe nebſt Zeus blieb zurück. Auch die, welche den 
Zeus fi verwandeln ließen, wußten für Athena fein Thier, wie es fiheint, 
zu finden, und nahmen vielleicht an ver Eule Anſtoß für Aegypten, wiewohl 
fie fonft, wie wir aus Ovid fehen, ſich nicht feheuten, die Griechiſchen Sinn: 
bilder in diefer Babel zu benugen. 


Dritte Abtbeilung. 





Die Gottheiten Des SBundsfterns. 


Ehe wir zu den Gottheiten des Hundsſterns übergehen, wollen wir 

un dem Hundöftern ausgegangene Fabel vom Vogel Phönir betradhten. 

ot (2. 13) erzählt viefelbe alfo: Es giebt einen heiligen Vogel in 
bien, Namens Phönir, ich babe ihn aber nicht gefehen, außer im 

e; denn er kommt ſehr felten, nämlich, wie die Leute in Heliopolis 

‚ alle fünfhunvdert Jahre einmal, und zwar komme er dann nur, 

n fein Vater geftorben fey. Seinem Bilde nad) flieht er folgender» 
Wben aus: ein Theil des Geſieders ift golven, ber andere roth, und er 
ehr fehr an Größe und Beftalt dem Adler. Diefer Vogel macht es 
Mu felgende Art, fagen fie, was mir nicht glaublich Tautet: aus Arabien 
bamend, bringe er feinen Vater in Myrrhen eingehüllt und beftatte ihn 
in Seiligthum des Helios. Er bringe ihn aber alfo: erft bilve er aus 
ein @i, fo groß, als er es zu tragen im Stande fey, dann 

Yrfuche er fi) im Tragen veffelben, und wenn er es verfucht habe, höle 
das Ei aus, lege den Vater hinein und made es mit Myrrhen wieder 
„und feine Schwere fey nun wie zuvor, worauf er es in das Heilig- 
ım des Helios in Aegypten bringe. So weit Herodot. Die Abbildungen 
Phoönix zeigen ihn theils als Mann mit Flügeln in betenver Stellung, 
f einer halben Kugel, mit einem Federbuſch auf dem Kopf und begleitet 
ı einem Stern, over ald Vogel mit Händen in betender Stellung, von 
em Stern begleitet, auf einer halben Kugel. Der Stern beveutet ald 
eroglyphe Zeitabfchnitt nach Sternen, und folglich beim Phönix die 
mpöfternperigde, und die anbetende Stellung kann ebenfalls auch auf 
Periode bezogen werben; denn vie Perioden werden gefeiert und find 
onverd heilig; vie Beier aber Fann durch Anbetung bezeichnet werben. 
18 Hieroglyphe beveutet der Phönix die Reinheit.) Die fünfhundert 
hre aber, von welchen Herodot fpricht, find nicht richtig, und andere 
ben die richtige Zahl ver Periode 1461 an. Hören wir, wad Tacitus 
ven Jahrbüchern (6. 28) meldet: Unter dem Conſulate des Paulus 
ibius und Lucius Bitellius (zur Zeit des Tiberius) Fam nad einer 
ngen Reihe von Jahrhunderten der Vogel Phönir nach Aegypten, und 
b ven Gelehrteſten der Einheimifchen und der Griechen Stoff, viel über 
8 Wunder zu reden. Worüber fie einftimmig find, und einiges, was 
ht ausgemacht, aber zu hören nicht abermigig ift, will ich angeben. 
eilig ift dieſes Geſchöͤpf der Sonne und an Geſicht, wie an Buntheit 
r Federn, von den übrigen Vögeln verfchieden nach Vebereinftimmung 


176 Die Gottheiten des Hundsfterns. 


derer, die feine Geftalt befchrieben haben. Ueber die Zahl de 
wird munnigfach berichtet, am verbreitetften aber ift die Zahl v 
hundert, doch giebt es weldye, die 1461 angeben. Die frübere 
der erfte unter Sejoftris, dann unter Amaſis, hierauf unter den 
Ptolemäer nach Heliopolis geflogen feyn, von vielen den neuen 
bemundernden Vögeln begleitet. Aber die alte Zeit ift dunke 
zwifchen Piolemäus und Tiberius find weniger als zweihundert um 
Jahre verfloßen, wephalb einige dieſen Phonir für einen falfchen 
der weder aus dem Lande der Araber gefommen, noch etwas von 
fih gehabt, was die alte Erzählung überliefert bat. Es heißt 

. wann die Zahl feiner Jahre zu Ende ift und der Top ihm naht, 
er in feinem Lande ein Neft, theilt vemfelben feine Zeugefraft mit, 
ein Sunges entfteht, welches herangewachſen zuerft vie Beftatt 
Vaters feine Sorge ſeyn läßt, und das nicht, wie es fidy trifft, 

wenn es fih mit einem Gewicht von Myrrhen in weiten Flu— 
und ſich der Laft gewachſen gefühlt, ven väterlichen Leib aufnin 
den Altar der Sonne bringt und verbrennt. Wir fehen au 
Erzählung, dag man die richtige Zahl ver 1461 Jahre der Hui 
periode auch angab und fomit dad wahre Weſen des Phonir 

unter der bildlichen Darftellung und in ver Mythe von ver Err 
diefer großen Periode. Aus Arabien follte er fommen zum Helio 
war die verbreitetite Sage, aber die fpätere Zeit änderte daran. 

Tatius (3. 25) fagt, er fey Aethiopifch, von ver Größe des Pi 
Schöner, als diefer, fein Gefieder ift golden und purpurn, die ( 
nachahmend, er felbft dunfelfarbig und roftg, mit dem Sonnent 
dem Haupt. Stirbt er nach langer Zeit, fo bringt ihn fein S 
Aethiopien in den wohlriechenpften Myrrhen nach Seliopolis von 
Vögeln begleitet, und mwartet dort auf die Diener des Gottes; dam 
ein Priefter aud dem innern Seiligthum und prüft den Vogel ı 
darin befinvlichen Befchreibung, und hat er vie Prüfung beftande 
beftatten ihn die Söhne der Heliospriefter. Statt Aethiopien nenn 
ftratus in dem Leben des Apollonius (3. 49) Indien, wo der Ph 
aufhält, und alle fünfhundert Jahre nad) Aegypten zieht, wo er 
Nilquellen fih in ein Neft aus Aromen fest und in dieſem voı 
verzehrt wird, vorher fein Todtenlied ſingend. Plinius (10. 2) 
wann er fih in dem Neft aus Kaflı und Weihrauch verbranı 
-entftehe aus den Gebeinen und dem Marfe zuerft ein kleiner 
woraus ein junger Vogel werde. Aehnlich reden noch mehrere der 
Schriftfteler über den, Phönix, doch geben ſie nicht von dem B 
Abweichendes an, Yooraus ein zu dieſer Babel hinzuzufegenver 
gewinnen wäre, fo daß es vergeblich feyn würde, ihre Worte anz 
Die Darftelung des Phönte findet fih in den Denfmälern ver ad 


Thoth, der Aegyptiſche Hermes 177 


gaſtte, und flieht man den König den Phönix halten, fo beveutet dieſes 
a lingere Zeit, nämlich daß er längere Zeit abweſend feyn werde. 


Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 


Bie die Negypter ihr Jahr mit dem Hundsftern begannen, fo war 
h der erſte Monat dem Gotte deſſelben geweiht, vem Thoth, und hieß 
a ſo, wie der Gott. *) Die Griechen verglichen denſelben mit ihrem 
gen, und fie Eonnten, da fie ſich überhaupt bei ſolchen Vergleichungen 
Feiner fehr geringen, oft ganz unbedeutenden Uehnlichfeit begnügten, 
9 um fo leichter, als bei Thoth mehrere Eigenfchaften fich fanden, 
reine mit denen des Hermes Aehnlichkeit haben. Da die Zeitrechnung 
} für den Aegypter an den Hundsſtern Enüpfte, fo war Thoth der Gott 
x Zeit, und diefe Eigenfchaft ift in der Aegyptiſchen Mythologie die am 
Beinen bei ihm hervortretende, in welcher er ſtets erfcheint. Die wichtige 
antnig der Zeitrechnung machte ven Thoth zu dem Gotte der Kenntniße 
K den Griechen, zumal da er eben wegen jener Kenntniß zu einem 
RN geworden war, den man mit dem Schreibzeug abbilnete, weil er 
When aufzufchreiben Hatte. Was fein Name beveute, ift nicht mit 
Meet zu jagen; daß er aber eine Nebenform von Sothis, wie ber 
Ferhiſtern hieß (oder von Seth), fey, ift nicht wahrfcheinlich, weil ein 
Wei! zwiſchen s und t im WUegsptifchen nicht zu beweifen if. Sein 
Rpentlicher Name ift Tt, tet oder tut, und koͤnnte den Sprecher bedeuten; 
m wahrſcheinlichſten aber beveutet er von tut, einrichten, feftitellen, ven 
Fefkefler, Oroner, nämlic; den Ordner oder Beftfteller ver Zeit. 

As Gott der Zeit fehen wir ihn auf ven Denfmälern mit vem Mond 
if dem Haupte dargeftellt, gleich dem Khunfu, weil der Mond ein Maaß 
t Beit für den Menfchen ift, aber ein Gott des Mondes war er nicht 
dem Sinne wie Ra ein Gott der Sonne wur, wie ed denn in der 
Iyptiſchen Mythologie überhaupt Feine wirkflidde Monpgottheit von mates 
ler Einwirkung giebt. Er ift alfo nur als Zeitgott in Verbindung mit 
Monde, infofern die Zeit durch dieſen beftimmt wird, er bewirkt aber 
tö von dem, was etwa dem Mondeinfluße zugefchrieben ward, weil er 
t das göttliche Wefen dieſes Geftirnd war. Plutarch (41) giebt an, die 
ypter fagten, daß Herafles in der Sonne haufend, mit vieler ſich herum⸗ 















— 


) Eicero in der Schrift über die Natur der Goͤtter (3. 22) fagt, Mercurius 
fey der Sohn des Nil, deßen Namen zu nennen die Negypter für ungeleglich 
halten. Jeder Aegyptiſche Gott, von welchem Fein beftimmter Vater ange: 
geben ward, erfcheint bei Cicero als Sohn des Nil, worauf aber nicht als 
Aegyptiſche Genealogie zu rechnen ift, da es vielleicht nur bedeutet, ſolch ein 
Bott fey Aegyptiſch. Wenn Arnobius daflelbe fügt, wie Cicero, fo hat er 
es von diefem entlehnt und kann nicht als zweiter Zeuge gelten. 

J. 12 


178 Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 


bewege, Hermes aber mit dem Monde. Thoth fährt aber auch im 
licher Darftellung die zwei Hälften der Sonnenfcheibe, in ver oberen # 
Na, Atmu, Mau, Tefnu und ein fünfter Gott, in der unteren Dut 
Oſiris, Iſis, Nephthys, Horus. Diefes Bild bringt jedoch den Thot n 
in eine Beziehung zur Sonne, mit welcher er nichts gemein hat. Ma, 
der Mond als eine wirkliche Perfonification des Geftirnd erfchein, wie 
den Gräbern bei dem Rameſſeion, wo er dem Ra gegenüber fteht 
er auch den wirklichen Namen des Monde aah. Champollion fat, 
felbe erfcheine dfterd im Gefolge de8 Ammon, und er giebt feimm % 
grün mit der Kappe des Ptah und ver Horudlode zugleih, fo vmoie 
dem Scepter des Ptah. Diefe Darftelung kann ihn nur in Be zieh 
auf die Zeit darftellen, gleich einem Patäken, und im Gefolge UML ımım 
muß er denfelben Sinn haben, wie der bei demfelben befindliche „SCH 
Man flieht auch in den Gräbern die Monpperfonification in einem 
figen mit dem Scepter, angebetet von zwei Kynodfephalen, ſo we er 
ſtehend erfcheint angebetet von zwei Seelen und zwei Kynodfephalere. 
nicht bloß der Mond wird von Kynoskephalen angebetet, fondern izg AM 
nomijchen Gegenftänvden erfcheint dieſes Thier auch üfterd in einem ? 
vor der Sonne in betender Stellung Auch im Amenti, wo Thot ! 
findet fidy der Kynodfephatos und man ſieht ihn oben auf ver Waage 7 
Gericht3 fiten, und wird eine Seele verdammt ihrer Sünden wegerz 
Schwein in das irvifche Leben zurückgebracht zu werben, fo fehen wir 
Kynoskephalos in dem Boote bei diefer Seele, fie zurüdführenp. umekl 
aud) fieht man dies Thier auf einem Threne fiten mit einem Fein" 
Ibis in der Hand, alio mit einem Sinnbilve Thoths (zu Medinet⸗ Habs 
über dem mittleren Thorwege des Amuntempels find Kynoskephale, und ein 
Reihe vderfelben ziert den Karnied des großen Ratempels zu Ibſambul⸗ 
An den beiden Seiten der Piedeſtale der Obelisken von Luxor ſtehen vict 
derſelben in anbetender Stellung, aus welchem Allem erhellt, wie beden 
tend diefed Sinnbild bei ven Aegyptern war. Juvenal (15. 4) ermähll 
des Kynoskephalos ald zu Thebä verehrt, und in der Thebifchen Nekrope⸗ 
lis hatten die heiligen Affen ihren befonveren Platz. Ihre Mumien habt 
die figende Stellung, welche und auch die Sculpturen zeigen, und der 
Kynoskephaloskopf bildet den Dedel einer der vier Vaſen in den Gräbern, 
welche die Eingeweide enthalten, wo er den Todtengenius Hapi vorftelt 
Doch nicht bloß zu Theben finden ſich Mumien veffelben, fonvern auf 
andermwärt®. 

Der Kynoskephalos, d. i. der hundskoͤpfige Affe, ift ein Sinnbild ve 
Qundsfternd und der daran gefnüpften Zeit, und darım iſt er auch mit 
Thoth verbunden, und findet ſich mit dem Schreibgeräth gleich dieſem und 
das nämliche Amt verrichtenn. Wenn nun viefes Zeitſinnbild zum Monte 
betet, jo betet er um Zeit, er betet um Monate und dadurch bewirkte 






























Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 179 


Jahre, und um anderes beten auch die Seelen nicht zum Monde; denn 
end fe wollen Zeit, weil Zeit haben fo viel ald Leben haben bedeutet, 
fe aber wollen die Zeit, die Sabre in dem Leben jenfeits. Horapollo 
(1.14) fagt, mit dem Kynoskephalos ftellen fie den Mond dar, over ben 
Erhfreid, eder Die Schrift, oder ven Priefter, oder ven Zorn, *) oder DaB 
Chrinmen. Den Mond ftellen fie durch ihn dar, weil dieſes Thier eine 
Seapathie mit dem Zufammentreffen des Monde mit der Sonne hat, 
Yan wann der Mond mit der Sonne zufammentrifft und dunkel wirh, 

an blickt der männliche Kynoskephalos nicht und ißt nicht, fondern fenft 
Weräßt den Kopf, gleichwie den Raub des Mondes betrauernd, das Weib- 
en aber, außer daß es nicht fieht und ed wie das Männchen macht, 
elommt Menftruation. Drum werden bis auf die heutige Zeit Kynos⸗ 
kephale in ven SHeiligthümern gehalten, um durch fie die Zeit ver Con⸗ 
Merlin von Sonne und Mond zu erfahren. Den Erdkreis aber ftellen 
burh ihn dar, weil die alten Gegenden der Erde an Zahl zwei und 
eng geweien feyn follen, die Kynoskephale aber in ven Heiligthümern 
gl und gepflegt, fterben nicht wie vie übrigen Thiere an einem Tage, 
foren tagweife ftirbt an ihnen ein Theil nach dem andern und wird 
von den Vrieftern begraben, während ver übrige Leib noch lebt, und dies 
Mt wei und fiebenzig Tage lang fo fort, wo dann das Thier ganz flirht. 

Die Shrift fielen fie durch ihm dar, weil es eine Familie der Kynoske⸗ 
phalen giebt, welche die Aegyptiſche Schrift verſteht. Wann daher ein 
Kynoßfephalos zuerft in ein Heiligthum gebracht wird, giebt ihm ber Prie⸗ 
fer eine Schreibtafel nebft Rohr und Tinte, umezu erforfchen, ob er zu 
ver ſchriftverſtehenden Familie gehöre und fchreiben Eönne. Auch ift dies 
hier dem Hermes geweiht, ver alle Schriften Fennt. Den Priefter bezeich- 
ae man Durch ihn, weil er von Natur Feine Fifche ißt, gleich den Pries 
fern und befchnitten zur Welt kommt, wie fich auch die Priefter befchneiven. 
den Zorn ſtellt das Thier dar, weil ed vor allen jähzornig ift, dad Schwims 
Men aber, weil die andern Thiere durch das Schwimmen fymugig werben, 
diejes nicht. Weiter bemerkt Sorapollo (1. 15): den Aufgang des Mondes 
Helfen fie durch ven Kynoskephalos dar, flehend die Hände zum Himmel 
erbebend, auf dem Kopf das Königszeichen. Die Zeit der Tag- und Nachts 
gleiche jtellen fie durch dieſes Thier dar, indem fie ed figend bilden, denn 
während der Aequinoctien urinirt es zwölfmal am Tag und eben fo viel- 
mal mährend der Nacht, jede Stunde einmal, weßhalb auch die Aegypter 
auf ihren Waßeruhren nicht unpaßend den fitenden Kynoskephalos bilven, 
aus deßen Schaamglied das Waßer fließt. **) 


— — 


*) Nicht der Kynoskephalos iſt das Bild des Zorns, ſondern der Pavian. 

*#) Die Uebertragung des Kynoskephalos auf die Aequinoctien ſcheint von feiner 
Stelle auf der Wage im Amenti bergenommen zu feyn. 

12* 


















180 Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 


Auch aus dieſen Angaben Horapollo's, welche freilich mit einige 
unmwahren Deutungen vermijcht find, geht hervor, daß der Kynosfephale 
fih auf die Zeit bezog und ganz geeignet war zu Thoth zu gehören, zums 
da fie beide den Hundsſtern zum Urfprung hatten. Gerade bei dem ſchre 
benden Kunosfephalos zeigt es fich deutlich, daß die dem Aegyptiſche 
Hermes zugefchrießene Weisheit von der Chronologie und Zeitfenntni 
audgieng, und daß dieſe mithin der Grund war, worauf das Tuftiyg 
Gebäude der großen Kenntnige Thoths aufgeführt warb, an melde vi 
Griechen mehr glaubten, ald wir es bei den alten Negyptern anzunehme 
berechtigt find, bei welchen er nirgends in Beziehung zu einer ander 
Kenntniß, als der des Schreibens und der Zeit erfcheint. Der Kynt 
fephalos vertritt nicht nur die Stelle des Thoth, fondern er wird fogar f 
genannt; denn er kommt dargeftellt vor mit der Inſchrift: Thoth, eg 
Herr der Schrift. Bei Diovdor (1. 14. 16) wo Thoth und Oſiris 
Menichen angenommen find, lejen wir, Oſiris ehrte den Hermes, wel 
vieled Nützliche verſtand; denn er erfand die articulirte Sprache und d 
Benennung vieler Dinge, die Buchſtaben, er ordnete die Gdtterverehrung 
und Opfer, beobachtete die Ordnung der Sterne und die Natur und Hape 
monie der Töne, er erfand die Paläflra und Körperaudbildung, fo wit 
das Del (dies dichteten die Griechen, weil dad Del in ver Paläfltıe 
gebraucht ward), ferner die dreijaitige Leyer (die drei Saiten hatte, w 
es drei Jahreszeiten giebt) und war Hierogrammateuß, d. i. heiliger Schreis 
ber des Oſiris, der ihn auch, als er feinen großen Zug unternahm, der 
Iſis zum Rathgeber zurüdlieg. Wie wenig manchmal bei ſolchen Angaben 
mit ftrenger olgerichtigfeit von den Griechen, welche fie vorbradhten, ver⸗ 
fahren ward, zeigt eben dieſe Stelle Diodors, welcher freilich um Folge» ' 
richtigfeit überhaupt wenig befümmert ift; denn er fügt (1. 81), die Aegype ' 
ter hätten weder die Kuünfte der Paläftra, noch die Muſik getrieben, weil 
fie geglaubt hätten, fie feyen entnervend, und jagt doch, daß der Aegyptiſche 
Hermes fie erfunden babe. *) Auch berichtet Diodor (1. 94) dag Mneuis, 
der erite Gefeggeber ver Aegupter, feine Satzungen von Hermes empfangen 
habe. Auch gab ed Hermeöfchriften, von welchen Clemens der Alerandriner 
in den bunten Schriften (6. S.269) melvet: eine enthält Gefänge ver 
Götter, eine zweite die Vorfchriften des Koͤnigslebens, vier enthalten die 
Kunde der Beftirne, eine handelt von der Ordnung der als nicht irtend 


*) Blato im Phadrus (S. 278) fügt, zu Naufratis in Aegypten fey ein alter 
Bott, welchem der Ibis heilig ſey, der heiße Theuth, fey Erfinder der Zahl 
und der Rechnung, der Geometrie und ver Aftronomie, des Brett: un 
Wurfelſpiels und der Echrift, damals habe über ganz Aegypten der König 
Thamus in Theben geherrfcht, zu welchem Theuth gegangen fey und ihm 
feine Kunfte gezeigt habe. 


Thoth, der Aegyptiſche Hermes, 181 


‚ericheinenden Sterne, die zweite über Leuchtung und Vereinigung von 
Sonne und Mond, die beiden andern von den Aufgängen. Dann nennt 
er wei und vierzig nothwendige Hermesſchriften (morunter aber die ſechs 
angegebenen gehören) von welchen ſechs und dreißig die ganze Aegyptiſche 
Bhilofophie umfaßen und von den Prieftern theilweife nach ihrem Amte 
auswendig gelernt werben, ſechs aber den Götternifchen - Trägern zufallen 
wo ärztlich find, ald die da handeln vom Körperbau und von Krankheiten, 
yon Inftrumenten und Heilmitteln, von den Augen und das legte von den 
‚weiblichen Dingen. Don dieſer mäßigen Zahl, welche auch vie Zahl ver 
Lodtenrichter ift, und die heilige Zahl fieben fechsmal enthält, ſchritt man 
zu unmäßigen; denn bei Jamblichus (8. 1) leſen wir, Seleufus habe dem 
Hermes zwanzigtaufend Bücher zugefchrieben, was auch Julius Firmicus 
Hat, Manetho8 aber hat eine noch größere, jedoch paßendere Zahl, weil 
fe auf etwas beruht, er nennt nämlich 36,525, worin bie Hundsſtern⸗ 

de fünf und zwanzigmal enthalten ift. 

War nun der Hunddaffe, wegen feiner Aehnlichfeit mit dem Hundsſtern 
a Hund, ein Sinnbild deſſelben und gehörte zu Thoth, fo ſollte man meinen, 
der Hund ſelbſt müße es auch gemefen feyn, doch die Denfmäler zeigen 
überhaupt nie den Hund als das Sinnbild einer Gottheit. Wollte man 
aber aus dieſem Umftand fchließen, der Hund habe feine Beziehung zu 
einer ver Aegnptifchen Gottheiten gehabt, fo würde der Schluß falſch feyn; 
denn wir mwißen, daß auch der Hund zu den heiligen Thieren gehörte. 
Herodot (67) fagt von diefem Thiere im Allgemeinen, jeder begrabe vie 
geftorbenen Hunde in feiner Stadt in heiligen Särgen, was zeigt, daß 
ihre Heiligkeit allgemein anerkannt war. Es gab aber auch eine Stat 
Kynopolis, d. i. Hundsſtadt, welche von ihrer Verehrung den Namen hatte, 
und die Verletzung ded Hundes als eine tiefe Kränfung aufnahm. BPlu- 
tarch (72) erzählt in dieſer Hinficht: als die Kynopoliten einft einen Oxy— 
rynchos (Fiſch Spitzſchnauze) gegeben, aßen die Oxyrynchiten einen Hund, 
und beide geriethen in einen heftigen Kampf darüber, ſo daß die Roͤmer 
ſich gendthigt ſahen, ſie mit Gewalt zur Ruhe zu bringen. Während nun 
bei Aelian (10. 45) die Verehrung des Hundes ganz richtig von Manchen 
der Wichtigkeit des Hundsſternes für Aegypten zugeſchrieben wird, wurde 
fie nach gewoͤhnlicher proſaiſcher Art auch von der Nützlichkeit erklärt. So 
leſen wir bei Diodor (1. 87), der Hund diene zur Jagd und zum Wachen, 
und darum werde Anubis hundskoͤpfig dargeſtellt, weil er den Oſiris und 
bie Iſis bewacht habe, und von Andern werde erzählt, Hunde hätten die 
Ms, als fle den Oſtris fuchte, geführt, und die wilden Thiere und die 
Begegnenden abgewehrt, und hätten heulend treulich fuchen helfen, weßhalb 
am Iſisfeſt Hunde vor dem Wufzug hergiengen. War der Hund dem 
Thoth gemeiht? Plutarch (11) fagt, die Aegypter nennen den Hund nicht 
eigentlich Hermes, ſondern wegen feiner Wachfamfeit und Verftänvigfeit, 







182 Thoth, der AUegyptifde Hermes. 


indem er das Befreundete und Feindliche unterfcheidet, eignen fie ihn des 
verfländigen Gotte zu. Da man Hermes und Anubis fo fehr in fpäter 
Zeit mit einander vermifchte, daß man einen Herm⸗anubis nannte, | 
fiheint ed, daß man darum den Hund dem Ihoth zufchrieb, welcher au 
auf den Denkmälern dem Anubis nicht zugehört; denn ver Schafal I 
fein Ihier, ven aber die Griechen und Römer, wegen der Aehnlicyke 
damit verwechjelten, weil ihnen der Hund befannter war. Einer Hunkt 
fterngottheit aber muß der Hund einmal geweiht geweſen ſeyn, weil 
fonft in Uegypten fein Kynopoli8 hätte geben Eönnen. Ja bei Plutar 
(44) lefen wir: vor Alters fland der Hund in der größten Ehre ü 
Aegypten ; ald aber Kambyſes den Apis tödtete und binwarf, rührte fe 
Thier ihn an, außer dem Hunde, der dadurch aufhörte geehrt zu fe 
Dies Iautet feltfam; denn wie Fonnte ein Thier verachtet ſeyn, welches 
dem Aufzug des Iflöfeftes vorangieng. Man müßte denn eva annehr 
Schafale feien in diefem Zuge gemweien, und Griechen und Römer Dig 
diefe immer mit Hunden verwechlelt, und die Hundsſtadt fey eigentil 
eine Schafalftapt, wo Anubis befonders verehrt ward. Aber ſchwer if 
zu glauben, daß die Griechen, welche fich wohl über ven Anubis täufg 
fonnten, weil in der Sache felbft eine DVeranlafung dazu Tag, da 
Hund ſich zum Begleiter eignet, nicht der Schafal, ſich auch über viefe 
Thier felbft getäufcht haben follten. Unter den allgemein verehrten Thie 
ren nennt fogar Strabo (812) den Hund zwifchen Rind und Katze. 

Für die Schrift Hatte man jedoch noch eine Perfonification, wel 
die Herrin der Schrift heißt. Im Rhameſſeion findet fi) an dem Bücher 
gemache linf8 an der Thüre Thoth, rechts dieſe Göttin mit Namen SA 
und mit dem Titel Herrin der Schrift, Vorfigerin des Bücherfald. Deu 
Thoth folgt ein Gott, welcher ein Auge auf dem SKopfe hat, und die 
Inſchrift nennt ihn das Gehör, er Hält ein Schreibzeug, als wolle er 
ſchreiben, was er hört. Es handelt fich alfo in viefer bilvlichen Darſiel⸗ 
fung um das Aufzeichnen des Gefehenen und Gehörten. In demſelben 
Gebäude ift Rhamſes vargeftelt, thronend am Fuße des Thrones von 
Atmu, in dem Schatten eined Perſea⸗baums, ver ald ein Lebensbaun 
galt. Sffh, die Ghttin des Schreibens, fchreibt in Gegenwart des Thoth 
den Vornamen des Rhamſes auf die Perfeafrucht, Thoth ven Eigennamen 
und Atmu jagt, fomme, ich ſchreibe deinen Namen für eine lange Reihe 
von Tagen, damit er auf dem göttlichen Baume fey, und er ſchreibt eben 
falls des Königs Vornamen auf die Perſeafrucht. Man findet die Abbil⸗ 
dung dieſer Darftelung bei Wilkinfon (Tafel 54 a). Sie zeichnet auf 
an dem Palmzweig die Jahre des Lebens und trägt felbft ven Palmzweig 
der Panegyrien und bemerkt vie Zahl der Panegyrien des Königs, welcher 
ein Herr der Panegyrien war, fo wie fie auch die Begebenheiten aufzeich⸗ 
net. Man flieht fie mit dem Leopardfell, welches die Priefter trugen und 











Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 183 


des ein Sinnbild des Ofiris war (Wilkinfon Tafel 54), und mit fieben 
sablen auf einer Stange, welche auf ihrem Haupte fteht, über den 
rahlen aber find zwei umgefehrte Hörner (zwei oder drei Andeutungen 
ı Hörnern ftehen auch unter ihrem Namen), und flatt der ſieben Strah⸗ 
. flieht man audy fünf, was aber einer Vernachläßigung anzugehören 
ant, da die hieroglyphiſche Infchrift auch da die fünf Strahlen zeigt, 
vie fieben fi auf dem Kopfe ver Göttin befinden. Diefer aber, ihr 
nytſchmuck, dürfte wohl nicht8 weiter als das Bild ihred Namens feyn, da 
h, sefech im Aegyptiſchen fieben heißt, und vieles Verfahren, den Namen 
sch ein andeutendes oder auch ihn ausdrückendes Bild der Gottheit auf 
Haupt zu feßen, dfterd vorfommt. Doch Fönnten dieſe Strahlen aud) 
ß einen Stern vorftellen, welcher auch mit fünf Strahlen gebilvet wird, 
» bloß den Anfungsbudhftaben ihres Namens beveuten; denn der Stern 
bt siu, und auch dies Verfahren Eommt vor, wie z. B. Seb die Gand 
dem Kopf trägt, weil ihr Name gleicy dem feinigen mit einem s anfieng. 
ine grüne Porzellanfigur, im Beſitze des Herrn Käftner zu Rom, ftellt 
w ibisföpfige Göttin dar. Sollte dies vielleicht die eben befprochene 
in ſeyn, die gleiche Thätigkeit mit dem ibisföpfigen Thoth hat?) 

So wie diefe Göttin den Palmzweig der Panegyrien oder das 
ild des Jahres in der Hand hat, und die Jahre hineinfchreibt, fo hat 
h Thoth diefen Zweig und wird dadurch als ein Gott der Zeit bezeichnet, *) 
Rals jolcher ift er auch von Einfluß auf das Leben; denn wer den 
men eines Königs auf die Frucht des Lebensbaumd fchreibt, giebt 
ıfelben ein längeres Leben, und wer die Jahre eines auf ven Palm- 
ig fchreibt, thut daſſelbe. Oben bei Gelegenheit des Khunfu ift ſchon 
; diefem Zweige die Rede gewefen, und von dem Froſche, von dem 
| er emporragt, an welchem Froſche unten ein Petichaft over Siegel 

Mas dieſe beiden hinzugefügten Bilder beveuten, ift ungewiß; denn 
3 den Froſch betrifft, fo ift Horapollo’8 oben angegebene Deutung nur 
Mißtrauen anzufehen, und fie empfiehlt fi) wenig, über das Siegel 
r laßt fi) eben fo wenig etwas Sicheres fügen, denn ed beveutet 
ır als Hieroglyphe verfchließen, zufammenbinvden und auch verfammeln, 


*) Horapollo (1. 3) giebt an: um das Jahr darzuftellen, malen die Aegypter 
eine Balme, weil diefer Baum allein unter allen andern bei jedem Mond— 
aufgang einen neuen Zweig treibt und fo das Jahr durch zwölf Zweige 
genau bezeichnet. Berner bemerft er (1. 4): um den Monat darzuftellen, 
malen fie einen Palmzweig. Borphyrius fagt (4. 7), der Palmzweig habe 
bai geheißen, und im Griechifchen findet fih das aus der Griechiſchen 
Sprache nicht zu erflärende Wort bais in diefem Sinne. Im Aegyptiſchen 
aber heißt hai Seele. Eine fpäte Fabelei giebt an, in den Schriften der 
Babylonier würden der Palme dreihundert und fechzig Nugen zugefchrieben, 
welche Zuhl das Jahr ohne die fünf Zufagtage umfaßt. 


184 Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 


ob es aber an dem Tanegsrienzweige die Bedeutung der Berfi 
habe, over eine andere und unbefannte, muß dahin geftellt 6 
Außer dem Thoth, führen noch andere Götter dieſen Zweig, 
einem Könige Herrlichkeit verleihen, wie bie beiden @&ötter, ‘ 
Rameſſes die doppelte Krone Aegyptens auffegen bei Wilfinfon (Ta 
Gin Sinnbild des Thoth war der Ibis (eine Stadt Ibeum, g 
von Hermopolis zeigt das Itinerarium Antonind), und darum e 
er mit dem Ibiskopfe, fo wie denn dieſer Vogel zur Einbalſamirni 
Beftattung nach Hermopolis, der Stadt des Thoth gebracht warll 
und Serodot (2. 67) meldet. (Es haben ſich noch Mumien, mandg 
menfchlicher Form gefunden.) Um feine Seiligfeit zu erklären, gd 
vor, er vertilge die Schlangen, und Herodot (2. 75) erzählt darif 
ift eine Gegend Arabiend in der Nähe von Buto, wohin ich reift 
Kunde von den geflügelten Schlangen zu befommen. Dort ſah ich $ 
und Gräten von Schlangen in unfägliher Menge, von allerlei 
Der Ort, mo ſich diefe befanden, ift ein enger Gebirgöpaß, ver 
große, mit der Ebene von Aegypten zufammenhängenvde Ebene führ 
Sage aber lautet, im Frühjahre kämen geflügelte Schlangen aus 9 
nach Aegypten geflogen, und vie Ibis zögen ihnen bi8 zu jenem G 
paß entgegen und bien fie todt, und deßwegen, fagen die Araber, 
der Ibis fo fehr von den Aegyptern verehrt, und die Negypter fi 
bei. Diefer Vogel war aber fo heilig, daß nur noch der Sperbt 
darin gleich fand, denn wie Herodot (2. 65) fagt, hatte, wer ein 
Thier aus Verſehen töbtete, nur eine ihm von den Prieftern auf 
Strafe zu zahlen, wer aber einen Ibis oder Sperber töptete, ol 
fäglih oder aus Verſehen, ver mußte fterben. (Diodor 1. 83 nem 
Ibis und die Kage als die durchaus unverleglichen Thiere.) Da ma 
Bernichtung der Schlangen, welche obenvrein dem Ibis vielleich 
nicht zufommt, nicht für hinreichend hielt, vie hohe Ehre deſſel 
begründen, fo fchrieb man ihm auch die Erfindung des Klyftierd zu 
man ihn auf eine Art fi reinigen gefehen, welche zur Anwendung be 
ftier’5 führte, wie Plutarch (75) angiebt, welcher auch meldet, t 
Priefter zu ihrer Reinigung da fi Wafer holten, wo fle eine 
trinfen geſehen, weil dieſer Vogel nur reines Waßer trinke. Audı | 
jo belehrt und der das nämlihe (7. 45) erzählende Aelian (2. 3 
Ab= und Zu=nahme des Mondes Eennen, und fol mit mehr oder 


*) Da das Petſchaft auch in der Form des Zeichens vorfommt, welches 
Goͤtterhand zu fehen ift und die Bedeutung des Lebens hat, geftal 
ein Kreuz mit einer runden Handhabe: fo ift vielleicht dieſes Zeich 
das Siegel eins und daſſelbe und die Bedeutung deffelben am Bal 
die nämliche, fo daß es auch hier Zeichen des Lebens ift. 

















Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 185 


frunzuehmen vemfelben folgen, und bei einer Monpfinfterniß fol er 
Füngen ſchließen, nie der nämliche Schriftfteller (10.29) außer andern 
nichten Babeleien angiebt. *) Der Mond war nun einmal in fpäterer 
Pit dad allgemeine Erklärungsmittel, und fo durfte er natürlihd auch 
Mdem 363 nicht fehlen, doch ift vieles Sinnbild Thoths damit nicht 
art, für welches fih und nur eine Erklärung darbietet, fo dag wenn 
Pr nicht genügen ſollte, ſchwer abzufehen ift, mie mit den zur Zeit vors 
kenen Hülfsmitteln, eine andere zu verfuchen wäre. Wir müßen 
mid ben Thoth, als dem Gotte ver Zeit, zunächft bei dem, mas ihm 
Einnbilb gegeben wird, eine Beziehung zur Zeit vermuthen, over ein 
innbild des Hundsſterns felbft, wovon fein Wefen audgegangen iſt. 
Ine ſolche Zeitbeziehung fcheint denn auch bei dem Ibis wirklich von 
weiten feines Namens her, ſich zu ergeben; venn heb heißt im Aegyp⸗ 
men der bis, und eben fo heißt vie Feftverfammlung, fo daß mithin 
BI die Feftverfammlung bezeichnen konnte, als ein ihren Namen 
Fellendes Bild; und fieht man im Thoth den Herrn der Beftverfamm- 
Mn, ſo hätte ihm der Ibis deßhalb geweiht werden Fonnen. Kein 
Me in dem Maaße Herr der Panegyrien, wie Thoth, und nichts 
Pr dem Aegypter wichtiger, als viefelben, da es ein hoher Titel ber 
Pe iſt, Seren der Panegyrien zu heißen. Die Hieroglyphe nun für 

kebi, die Panegyrie ift die Zelthütte, und es hätte dieſe gewählt 
erden Finnen, um bei Thoth zu bezeichnen, daß ihm, dem Zeitgotte, 
Wie Perioden gehören; wollte man aber ein Thier wählen, die man fo 
Fre zu Sinnbildern der Götter wählte, fo gab es feines, welches durch 
kin Weſen dieſes DVerhältnig hätte ausprüden fünnen, und nur der Ibis 
jmd fi tauglich dazu, vermöge feines Namens, welcher die Sache 
unnte.** Bei diefer hohen Heiligkeit der Panegyrien, welche nicht die 





*) Plutarch (S. 738) giebt an: weil Hermes die Schrift erfand, machten bie 
Aegypter den Ibis zum eriten Buchflaben, nämlicy dem erften des Monats 
Thoth, alfo zum ©, welchen Buchftaben er vorftellt, indem er den Schnabel 
in die Bruflfedern ſteckt. Daß diefe Epielerei angenommen war, fehen wir 
aus Marcianus Capella (Bud II. $. 178). Horapollo (1. 36) fagt, Durch 
den Ibis flelle man das Herz dar, weil er dem Hermes, dem Herrn des 
Herzens und der Vernunft geweiht und an und für fi) dem Herzen ähnlich 
jey, worüber e8 bei den Aegyptern manche Rede gebe. Zur Verherrlichung 
aber des Ibis, heißt es bei Horapollo (2. 81), wenn man mit einer Ibis— 
fever das Krokodil berühre, erflarre es zur Unbeweglichfeit, und Aelian 
(1. 38) fügt, die Schlangen fürdhteten die Feder des Ibis. 

*) Savigny in feiner Naturgefchichte und Mythologie des Ibis (Paris 1805) 
fügt, wie Schneider zu Aelian (10. 29) daraus anführt, die beiden Ibis— 
arten fämen mit dem wachfenden Nil nad) Aegypten und zögen nach feiner 
Abnahme wieder fort; fie fuchten fih Würmer und Fifchchen im Schlamm 





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Aleil wind und au Trete Seo an Seavelben befinter, “ Song 
be veriuet jublen, dieies Sirzzu auf Seine Ihärigfen m Som 
zn doch darf dies nidet geſcheren, denn wir feben ibn ım BT 
Wansrndu lo und ehne Straußfeder auf tem Nbiäfepfe in ter zu 
sonne Naperus. Betrachtet man ein Amt im Amer: 1 
anf dad Sinnbild Der Gerechtigkennbei der Ausübung 1:3 
nn eöo beſtebt einzig und alleın darin, daß er alä der En 
s Bea Fed Ferien gewogen wird, Den Befund aufzeidz M 
re RNichter auf dem Threne ige, das Urtbeil ver En: 
a op vem ıbm von Thoth mitgerbeilten Befunde, ruhe B 
son ibin daber als tem Zeitgotte gehören. ze 
nnd eunbeſtimmtes, gerecht geordnetes Verhälmiß tz. 
rpm Zınne Die Ma neben den Phthah, ven Zum 
‘a deeier Verbindung des Theth mit der Ma, d.d 
. tapsıt und Gerechtigkeit it, erklärt ſich, was X 
sim Monat Thoth erzablt: Am neungebntd 
tt nee dem Hermes ein Feſt, und geniegen Keni 
mehr ie Wabrbeit ift ſüß. Daß aber bieie I 
arte tag auf Die Wahrheit der Zeit, vie in 
ey tete pad an richtigem, gerechtem Maaße, fü 
mn nen bass sewadrend, iſt bei dem Gotte ver Zeit 
Der glei) diefem als Zeitgett ı 
Noetpeblun Hbohbaub at warnt Vrrindung geſtanden, wird durd 
e ton mabohnan Pens ed Daraus nicht ſchließen, daß 
Rachen Vonal gas wie Herodot (2. 138) meldet, n 








| LE a1 ee ya Pr Sr 


rn en das Zablangen und Skorrione an. Da büfte frei 
Vogrel. Weiber ib han Can, tion des Mil kommt, dem Hundsſte 
at Merken htatı qwsanmmengeitellt werden fünnen; a 
Bo den wir mn in Magbauny aut Die Perioden ober bie Zeit a 
ah der Moe ber Melubernbwe emmung geweſen, wird durd 

ern nie Weiſe augebentei. 


Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 187 


ermutbung einer ſolchen Beziehung allerdings dadurch angeregt 
s muß. Wem die Gottheit Zeit giebt, dem giebt fie Leben, und 
en wir Thoth und ven fperberföpfigen Gott, Leben über Ameno- 
ven Dritten ausgießen (Wilkinfon Tafel 77). Im Toptenbuch heißt 
gr der göttlichen Worte und Nechtfertiger des Oſiris (fo heißt nämlich 
gerechte Verftorbene) gegen feine Feinde, was leicht zu verftehen üft, 
6 dad Ergebniß der Seelenwägung für den Richter Oſiris auffchreibt. 
opoli8 an der Südgränze der Heptanomis war die Stadt, wo 
) vorzüglich feinen Sik hatte (auf Mumien heißt er in ver Ibis⸗ 
ı Herr von Hermopolis), weßhalb ſie von den Griechen vielen 
befam (und daſelbſt war auch der Kynoskephalos befonvders heilig, 
nah Apion, die Priefter zu Hermopolis einen Ibis gezeigt haben 
welhen fie für unfterblid” ausgaben). Sie hieß Schmun, d. i. 
weßhalb auch Thoth Herr der Acht hieß, und Kerr ver acht Regi⸗ 
Randes Nu. Welches Land Nu benannt ward, und warum jene 
Yen Namen der achten führte, wißen wir nicht, dürfen uns aber 
maßen, wegen dieſes Namens den Phönififhen Esmun, den 
Atifen in Thoth erblicken zu wollen, denn weder der Name von 
‚, noch die acht Regionen des Landes Nu reichen bin, um ihn 
en Patäfen zu machen. #) In Nubien zu Dakkeh, dem alten 
‚ ward Thoth wenigftens in fpäteren Zeiten vorzüglich verehrt. 
apollion (Briefe 11) ſetzt den älteften Theil des vortigen Tempels 
"den König Ergamun, alfo nach der ſechs und zwanzigften Dynaftie, 
nter des Kambyſes Herrfchaft Nubien nicht mehr Aegypten gehorchte. 
ete3 der GErfte, deßen Sohn Philopator und Enfel Euergeted der 
e, festen den Bau fort. Auguftus forgte für die Sculpturen im 
n, ohne fie jedoch zu beendigen. Diefer Tempel war geweiht dem 
‚ dem Herren von Pfelfis, die Griechifche Infchrift einer Weihung 
tronne (©. 370) jagt: dem größten Gott Hermes Pautnubis, der 
änze Aegyptens und Wethiopiend hat. Sein Bilo ift menfchliche 
mit vier Federn auf den Haupt, in der Rechten das Zeichen des 
‚in der Linken das Kufuphafcepter von einer Schlange umwunden, 
Scorpion daran (der Name des Ortes Serk, Self veveutet Scor- 
oben drauf die vom Uräus ummundene Sonnenfcdeibe ; die Hiero- 
ı aber nennen Tet pnnbs (bei Wilkinfon Tafel 46), d. i. der von 
der Nubes, alfo bloß eine lanpfchaftliche Bezeichnung. Schon auß 
hlange, die fein Scepter ummindet, geht hervor, daß in der Anficht 
iefjem Thoth, Rüdficht auf den Griechifchen Hermes genommen 











Der falfhe Sanchuniathon, welcher ihn Taautos nennt, macht ihn zwar zu 
einem Phönifer, aber zu feinem Patäfen, fondern zu einem, welcher mit 
Krunos nach Aegypten gefommen. 


188 Thoth, der Aegyptiſche Hermes. 




















worten, und daß wir mithin in dem beichriebenen Bilde nicht bie 
Aegyptiſche Idee haben. Zu Dakkeh ift auch noch ver Reſt ein 
Thoth von Möris erbauten Tempeld. Auf der Infel Sate heißt 
der Infchrift, mo ihn mit Knuphis, Oflris, Sate, Anufe eine W 
gemacht wird Ptnſns, Petenfened, d. i. Herrfcher von Seneß, alfo 
fal8 von einer Lokalität. Ohnweit des Pallaftes des Ramſes M 
findet fi ein Tempel, weldyen Euergetes UI. und feine Schweſter 
patra „ihrem Vater’ dem Thoth geweiht haben, und ed ift ver 
noch vorfindliche Tempel, welcher viefem Gotte insbeſondere gemeiht 
Des Gotted Bilder find ibisföpfig und er heißt: Thoth = peho-en 
d. i. das Angeficht des Ibis, und Setem, als Richter, Anh 
MWahrheit. In diefem Tempel ward auch die Göttin Nemau 
geziert mit dem Kopfſchmuck des Geier und einem Schrein b 
Ueber der Thüre ded Sanctuarium bringt Ptolomäus feine Ga 
Ammon, der Mu und dem Khunfu, fo wie zmweitend dem Thoth 
Nemau. Diefe beiden werden auch als in Mantbom wohnend 
welches alfo der Name viejes Theild von Theben war. Zu © 
Nubien hieß er Knephs Sohn, wie Wilkinfon angiebt, auch fol 
fommen, daß er Vater des Ofirid genannt wird, weldye Bene 
aber keineswegs als altäguptifchen Genealogien angehdrig zu betrachten 
fonvdern für fpätere, vereinzelte Combinationen gelten müßen. &. 
auch, wie Plutarch (3) meldet, Vater der Iſis, und zu Hermopolis 
die erfte ver Mufen (von Aegyptiſchen Mufen ift freilich nichts be 
is und Gerechtigfeit, weil jie die Sieraphoren und Sieraftolen in 
göttlichen Dingen unterweilt. Diefes feheint auf fpäterer Vermiſ 
der Ifis und der Ma, welche zu Thoth, ver ihre Straußfeder auf 
Haupte trägt, ſich eignet, zu beruhen. (Im Griechifcher Dichtung W 
aber Iſis fogar Tochter des Prometheus genannt, womit man fie’ 
meife bezeichnen will, und jo hätten Griechen fie auch zur Tochter 
meifen Hermes machen fünnen; weil aber Sermopolid damit gem 
wird, fo hat Died weniger Wahrfcheinlichfeit, fondern fie fcheint, 
gefagt, mit der Ma verwechjelt worden zu fern.) Zu Samneh bei 
fih auch ein Tempelbild (der Tempel ftammt aus der Zeit des zw 
Sefortofis) welches eine menschliche Geftalt ift, mit dem Zeichen des Le 
in der Rechten, dem Kufuphafcepter in der Linfen dargeſtellt, wie 
Yegyptifhen find, wenn fie ohne alle ſinnbildliche Zeichen darge 
wurden, und die Hieroglyphe benennt ihn Tet- un. Tet fann Hand Hi 
und un Öffnen; aber was diefe Bezeichnung bei einem Aegyptifchen € 
bedeuten fol, ift nicht zu fagen, da man einer ähnlichen bei fi 
begegnet. Da nun mehrere Gottheiten Cröffner heißen, wie O 
Seb, fo fünnte auch Thoth fo genannt jeyn, ohne dag wir gerade wi 
ala was für ein Eröffner er zu Samneh betrachtet warb, wo er Kn 


Seh und Nutpe (Kronod und Rhea). 189 . 


m bieß. Die vier Ibiskoͤpfige Beftalten aber, welche die Pförtner der 
; Simmeldgegeden im Amenti find, haben Beziehung zum Thoth und 
vald Genien feines Weſens zu betradyten; dieſe aber find vermöge 
h Amtes Erdffner der vier Pforten, an welchen fie fi befinden. 
um Clemens der Alerandriner in den bunten Schriften (1. ©. 144) 
hermes einen Thebäer nennt, läßt fih nicht beflimmen, da eine 
re Verehrung deſſelben in Theben nicht befannt ift. 

In ganz fpäter Zeit, als die Weisheit Thoths zur höchften gebichtet 
war, warb Hermes Trismegiftus, d. i. der dreimal Größte als 
R Gott gewöhnlich genannt, und dieſe Benennung gründet ſich auf 
Art, im Negyptifchen vie Steigerung auszudrücken, welches auch 
h Wiederholung des Beiworts geſchah, und fo bieß Thoth nefru, 
A, nelru, der Gute, Gute, Gute, d. i. der Beſte. Im älteren Denk⸗ 
pn aber fommt dies Beimort von ihm nur zweimal, nicht vreimal vor. 
eier Infchrift Des Steind von Roſette, heißt er der Große, in 
Bien aus dem zweiten Jahrhundert nach Chriftus heißt er der Größte, 
Milo aber in ver untergefchobenen Zueignung der Sothis des 
Me, wahrjcheinlich aus dem dritten Sahrhundert n. EC.) Sonverbar 
A, bad Syneſius (von der Vorjehung ©. 101) bemerft, die Aegypter 
a den Hermes zwiefach gebildet, indem fie einen Jüngling neben 
a Oreiö geftellt. Die Aegyptiſchen Denkmäler zeigen eine foldhe Dar- 
ng nicht. Noch munderlicher lautet, was Plutarch (22) angiebt, er 
nämlich, die Aegypter erzählen, Hermes babe den einen der beiden 
Re kurz oder verfrüppelt. (Die Denfmäler beftätigen viefe Angabe 
Rt fo wenig, als die von dem zmwiefach gebilveten Hermes, und welcher 
anfe mit dieſer vielleicht fypät erfundenen Vorſtellung ausgedrückt 
ven follte, ift für und völlig räthfelhaft; denn daß man dem Thoth 
ı verfrüppelten Arm zugefchrieben haben möchte, weil er in manchen 
ſtellungen ver Denfmäler mit der linfen Hand fchreibt, läßt fich nicht 
vieler Wahrfcheinlichkeit vermutben, weil in ſolchen Darftelungen 
rechte Arm nicht verrenft oder verfrüppelt erfcheint.) 


Seb und Nutpe (Kronos und Nben). 


Bon einem Kronos und einer Rhea bei den Aegyptern weiß Herodot 
nichts, denn er fchweigt ganz von ihnen, aber Plutarch (12) erzählt 
von denſelben. Ald nämlich Rhea, fo meldet er, ſich heimlich mit 
308 vereint hatte, fluchte Helios, welchem es nicht entgangen war, fte 
weder in einem Monat, noch in einem Jahr gebähren. Aber Hermes 
fih ver Göttin auch in Liebe vereinigt und dann Würfel mit ber 
me gejpielt haben, welcher er in dieſem Spiel den fiebenzigften Theil 
3 jeden Tages abgewann, fo daß er fünf Tage auf die dreihundert 
fechzig erhielt, die er nun dem Jahre als die Zuſatztage hinzufügte. 

















190 Seb und Nutpe (Kronod und Rhea). 


An diefen gebahr denn nun Rhea die fünf Götter, deren @i 
feftlih begangen werden, und zwar in folgender Reihe: am 
gebahr fie den Dfirid, am zweiten den Aruerid (den Manche 
Manche ven älteren Horus nennen, von weldyem aber Andere f 
fey ein Sohn des Oſiris und der Iſis, die ſchon im Mutterleib 
geliebt und umarmt hätten), am britten den Typhon, nicht zu rei 
und nicht auf dem rechten Wege; denn er fprang aus ver Seit 
am vierten Tage ſodann gebahr fie die Ifls, ganz im Feuchten; al 
endlich Nephthns, welche auch Ende, und Aphrodite, fo wie di 
genannt wird. Helios nun fol der Vater des Ofiris und Aruerl 
feyn, Hermes der der Iſis und Kronos der Vater des Typhon 
Nephthys, weßhalb auch den Königen der dritte der Zufaßtage für 
galt, an welchem fie weder einen Beſcheid ertheilten, noch ihre 
vor Nacht pflegten. Nephthys aber vermählte fid, mit ihrem Bruder 
In diefem Mährchen befigen wir zwar Feine tiefe Weisheit ver ‘ 
doch ift es nicht ohne einige Rückſicht auf Aegyptiſche Mythologie: 
Die fünf Zufaktage werden mit Recht ald durch Thoth dem Jahre 
angegeben; denn er ift der Gott der Zeitperioden und der 
derfelben, und da diefe Zufagtage gleih allen andern Gottheiter 
waren, fo war es eine nicht fern abliegende Dichtung, den Gru 
zu fuchen, daß dieſe Gottheiten an den ihnen gewidmeten Tagen 
worden feyen. Bei einer das Sonnenjahr betreffenden Anordnun 
Tage zum Gegenftand hat, die ja in des Helios Macht find, fo 
ohne ihn nicht gevenfbar, konnte Helios nicht übergangen merdi 
batte dad Jahr bislang nur dreihundert und fechözgig Tage ur 
mußte der Gott der Zeit auf irgend eine Weife fünf dazu fchai 
weil der Mond das Maaß der Zeitperioden des Jahres ift, jo n 
diefem abgewonnen, um dem Eonnenjahre zugefügt zu werden. | 
Helios Vater des Ofiris und des Aruerid zu nennen, war fein ( 
ver Aegyptifchen Mythologie vorhanden, und diefe Angabe muß 
ald ein Zufag angefehen werden, son welchem wir nicht mit Bef 
fagen Fünnen, ob er auf einer Erflärung verfuchenden Anſicht 
(welche den Dfiris und Arueris zu Kindern der Sonne machen 3 
meinte, weil die Sonne den Jahreöfeegen bewirken hilft, und X 
Laufe ded Jahres vom Tode erwacht und ihm wieder verfällt), 
in da8 Märchen gebracht ſey, weil man zur Erklärung der fünf } 
einen Zorn des Helios dichtete, und um diefen zu begründen, bi: 
welche die gebohren, denen dieſe Tage geweiht find, zu feine 
machte, deßen Untreue feinen Zorn reiste und jenen Fluch vi 
Don den Kindern nun, welche die untreue Gattin gebahr, auch if 
und gerade die beiden erften zuzufchreiben, lag nahe und konn 
ohne gerade einen anderweitigen Erklärungsverſuch einzumifche: 


Seb und Nutpe (Kronos und Rhea). 191 


men werden. Dem Seb gehören nach diefem Mährchen nur Typhon 
Nephthys als Kinder, und die Iſis wird dem Hermes⸗-Thoth zuge- 
k UrfprüngliH war Typhon als Gott einer diefer fünf Tage noch 
hder böfe Gott; denn diefem würde man feinen folchen Tag geweiht 
en, fo wenig ald man ihn zum Gatten der Nephthys, einer guten 
Kin, würde gebichtet haben zu einer Zeit, wo alles Arge und Verderb⸗ 
bfir Tophonifch galt. Die Iſis zu einer Tochter des Thoth zu dichten, 
leicht eine fehr geringfügige Spielerei feyn, um fie ald eine Göttin 
Weisheit darzuftellen, aus welchem Grunde fie fogar ald eine Tochter 
Hrometheus erfcheint. Plutarch (3), indem er die Spielerei mit dem 
men ber Iſis vorbringt, daß diefer das Wißen, die Kenntniß beveute, 
Iob er aus der Griechifchen Sprache flanıme, in welcher er allerdings 
gedeutet werden fönnte, fagt, vie Wahrheit diefer Deutung werde aud) 
ah bekräftigt, daß Viele die Iſis eine Tochter des Hermes, Diele fie 
aohter des Prometheus *) nannten, von welchen viefer der Erfinder 
heit und der Vorſicht, jener der Erfinder Des Schriftwefend und 
Rif jey. Deßhalb benannten ſie auch in Hermopolis die erfte von 
Fllen ſowohl Iſis als Gerechtigkeit, weil fie die Weisheit fey und 
‘lihen Dinge diejenigen lehre, welche in Wahrheit und mit Recht 
Rpboren und Sieraftolen genannt würden. (Die erfte ver Mufen und 
hauch vie legte, denn auch die Aegypter hatten Feine Mufen, war, 
fhon oben bemerkt ift, ficherlich Keine andere in Hermopolis, als 
Ra, die Gerechtigkeit, welche auch Thoth gehörte.) So mag es gefome 
feyn, daß Auslegungsfpielerei vie Iſis zu einer Tochter des Thoth 
e; denn fchwerer zu glauben ift ed, daß man fie zur Tochter des 
tes gemacht babe, weil man die Iſis zur Sothis, zum Hundsſtern 
, und das Jahr, wie Sorapollo (1. 3) bemerkt, durch das Bild der 
arftelte. Das Jahr hätte man allerdings für eine Tochter Thothö 
n Eönnen, doch welche Anjicht auch jene Genealogie veranlagt haben 
weder ift fie für alt anzuerkennen, noch ift fie nach ven wahren Ver⸗ 
jen der Xegyptifchen Mythologie erfonnen. 
Benn wir bei Macrobius in den Saturnalien (1. 7) leſen, unter 
yerrfchaft der Ptolemäer hätten die Aegypter nur dur) Zwang 
igt, ven Saturnud und Surapid aufgenommen, und zwar nur außer- 
brer Stadtmauern, fo Efönnen wir diefe Angabe nicht von dem mit 
riechifchen Kronos für eind genommenen Seb verftehen; denn dieſer 
in wirklicher Aegyptifcher Gott und Tempelgenoße. Die Hieroglyphen 
ı ihn Vater der Götter, fo wie er in venfelben auch Water des 
beißt, und Oſtris wird Sohn des Seb und der Nutpe genannt. 
er aber auch der jüngfte ver Goͤtter genannt wird, und doch der 







Dafür hatte er den Antiffeives zum Gewähromann, wie er (37) angiebt. 


1923 Seb und Nutpe (Kronos und Rhea). 


Vater der allgemein verehrten Gdtter war, mochte vie Griechen ( | 
es mit dem Vergleichen ihrer Gottheiten mit fremden gar nicht 

nahmen, fondern wenn aud) Großes entgegenfland, Kleines zur Err 

ihres Zweckes gelten liegen) dahin führen, in ihm den Kronos zu 

welchen Heflod in der Theogonie den jüngften ver Titanen nennt. | 
leicht ift felbft ver allgemeine Ausdruck „Vater der Götter‘ nur vom 
Göttern des Jahredfeegend zu verftehen, welche vie allgemein v 

und in gewißen Betracht vorzugsweiſe die Götter waren. So wi 

Nil Vater der Götter genannt, und es fcheint natürlich dieſe Vaten 
auf die Götter des Jahresſeegens zu beſchränken. Dargeſtellt finde 
den Seb auf dad einfachfte, bloß menschliche Geftalt ohne Kopfidg 
mit einer bloßen Kappe (oder mit dem Pchent) und mit dem Ku! 
fcepter und dem Zeichen des Lebens, over eben jo mit der Gand ai 
Kopf, welche nichts weiter ald ein hieroglyphiſches Zeichen bei ihm iftzg 
fein Name wird bieroglypbijch durch die Gans, welche das ſ oder bie j 
fa bezeichnet, und durch ein Bein, welches b beveutet, gejchrieben. EJ 
läßt fich nichtö Näheres gewinnen über die Anftcht, welche feinem Veit 
Grunde gelegen. Die Hieroglyphe nennt ihn au Un, d. i. Oeffner | 
ift das darauf folgende Wort noch unerklärt, der Hafe aber bege 
das Oeffnen, und das Wort wird mit dem Hafen und dem Zeihei 
Waßers, welches n beveutet, gefchrieben, und fo muß wohl Seb ver Ot 
gemeint feyn, wenn in ven Thebifchen Königägräbern in der Darftd 
des Laufd der Sonne, welche in die zwölf Stunden abgetheilt ift, | 
mit einem Haſenkopf erfcheint, wie ſchon oben erwähnt worden ifl. $ 
aus Fonnen wir das Wefen Sebs nicht erfehen, man müßte denn annehn 
e8 fey ein Gott, welcher ver Sonne den Weg bahne over öffne, wozu 
die eben angeführte Handlung und ſchwerlich berechtigen dürfte. Dap 
Sebs Jahre eine lange Zeit beveuten, dürfen wir nidyt überfeben, d 
auf jeden Kal mefentlih if. In den Formeln nämlich, worin auf Ne 
tifchen Denkmälern die Götter zu den Königen fprecdhen, kommt der ! 
druck vor: „ich gebe dir die Jahre Sebs.“ Da ſich bei den Aegy 
in Sinficht auf die Zeit alled um den Hundsſtern, mit dem fie ihr 
begonnen, und auf die Hundsſternperiode bezog, fo ift ed der Wahrid 
lichkeit gemäß, daß die Jahre Sebs auf ven Hundsſtern zu beziehen fi 
Sein Name fönnte den Weifen bedeuten, wäre er aber vorzugämei 
genannt worden, fo würden wir von Sebs Weisheit irgend eine | 
finden, aber auch nicht die allergeringfte ift zu entveden. Sab over 
ift aber auch der Name des Schafald und des Wolfe, und wir bi 
diefen eher ald den des Gotted annehmen und in ihm den Hundsſter 
anerfennen. Bei Plutarch (44) lefen wir: Manchen bdäucht der Au 
Kronos zu feyn, und weil er Alles aus ſich erzeugt und fehwanger ! 
ift, ven Namen bes Hundes zu haben (Eyein heißt nämlich im Griechi 


Seb und Nutpe (Kronos und Rhea). 298 


wanger und Eyon der Hund). Diejed würde auf Seb angewandt ben 
auhis ihm gleichftellen, wenn e8 auf einer Meberlieferung ver Aegypti⸗ 
ben Mythologie beruhte; dieſes ift jedoch nicht der Val, fondern wir 
Bben darin nur einen Erflärungsverfuch, welcher ven Kronos als Zeit 
M der Ableitung der Griechifchen Benennung des Hundes verglich und 
hait fpiefte. Doch einen andern ald den Hundäfterngott koͤnnen wir nicht 
Yen Seh vermuthen; denn ein anderer kann nicht wohl der Vater ver 
feyn, weil den Aegyptern vie Gottheiten, welche von Seb und 
abſtammen, ſich auf den durch den Hundöftern vermittelft ver Nil- 
mmung gebrachten Seegen beziehen, fo daß, wie fchon oben 
worden ift, auch der Nil ein Vater der Götter heißt. Unter den 
Sebs kommt freilich Typhon, welcher auch der Hundsſtern ift, 
dech ſteht dieſes Verhältniß nicht im Mindeſten der Deutung Sebs 
des hundsſternes entgegen; denn fo iſt auch der Hundsſtern Anubis 
der Iſis, weil ſie zu Sothis gedichtet warb, und eigentlich iſt er 
Rythus nicht ein Sohn des Oſtris, ſondern ein Sohn des Typhon. 
kutpe trägt ein Waßergefäß auf dem Haupte, welches ein Namens- 
#; denn es bedeutet das Waßer und ven Buchftaben n (die Ueber⸗ 
ng beißt nun, Nu heißt Waßer, tpe der Himmel). In den Grab- 
ericheint fie dfterd, ftehend in Dem Syfomorusbaum, welcher 
Fpmeiht und ein Lebensbaum war, und fie hält ein Gefäß, aus dem 
Vaßer gießt, welches der Verftorbene und feine Freunde auffangen, fo 
"die Seele ald Vogel mit Menfchenkopf. Auch bat fie einen Korb mit 
Srüchten dieſes Lebensbaums und die Nilpferbgöttin Eommt in ihrer 
ngluphe wor. Sie iſt alfo eine Leben gebende Göttin, welche Trank 
Speife des Lebens den Seelen giebt, wie auch Hathor aus dem Per- 
um, welcher die Brüchte des Lebens trägt, Waßer gießt, das von der 
° aufgefangen wird. Waßer ift das Leben weckende und ohne den 
väre Fein Leben in Aegypten, darum ift die Leben wedenve Göttin 
Nilpferd= oder Krofodilgdttin, und tritt fo unter dem Sinnbild des 
ıfferd auf, wann ſie die Geburt fördert oder das Gebohrene geveihen 
Nutpe ift alfo eine Lebensgöttin, d. h. eine Form der Aegyp⸗ 
ı großen Mutter, welche Leben giebt und fordert. Sie heißt Gebä- 
der Götter, Herrin des Himmels, Tochter der Sonne, welche beide 
nungen nur verberrlichenn find; denn jene Göttin Fann Herrin des 
ıeld heißen, wie jeder Gott Herr des Himmels, und Sohn over Toch⸗ 
er Sonne heißen, bezeichnet ven Föniglichen Glanz. Sie ift die 
nde Amme, wie Iſis und Hathor, und erfcheint in ver Hieroglyphe 
ind am Bufen nährend, und in einer Hieroglyphe erfcheint fie als 
Beichügerin ver Geburt und Erziehung ver Kinder. Da fi die Nil- 
geftalt auch in der Hieroglyphe der Iftd findet, da mo ſte mit Kuh 
und Hathorkopfſchmuck erfcheint, das Kind am Bufen nährend, fo 
13 


198 Sebal. 


Thebais wegen des Amun, gewiß Das Zeichen boͤchfler Goöttlichkeit war, und de 
Ausdruck ter dem Widder zugeſchriebenen Zeugekraft. Auch Heißt er ind 
Hiereglvphen, Kerr ver oberen Gegend, des Landes Ru, und in Thet 
findet ſich ſein Wil wirterföpiig. Zu Ombos aber war fein Eult 
Hauprcult, ter Tempel ®) war ter Länge nad in zwei Theile getheillp 
bat auf vem Fries Ten Sat, ten Agatbodaämon (tie Sonnenkugel af 
zwei Schwingen) zweimal auf ter naͤmlichen Linie, entfprechend ven beine 
in ten Tempel fübrenten Thüren, und eins ter beiten Adyta des Te 
pels, das rechte war dem Schaf, dad untere dem Arueris geweiht, al 
die tortigen Gottbeiten waren Sebaf, Sutber, Kbunfu, Arueris, Ife 
neitu (?. i. vie Schweſter des Guten). und Pnebto, dv. i. der Her 
Melt. Alle dieſe bezieben jib auf ten Naturieegen und das Get 
Tas Leben. In Römiſcher Zeit ward Sebaf ter jüngfle ver GM 
genannt: auf welcher Trutung dieſes aber beruhen möge, ift nid 
keftimmen, denn in einem Weſen liegt fein Anlaß dazu. Ob man 
Kronos in ibm erklidt babe, welcher das jüngfte von ten Kindern 
Simmel un? ver Erde in ver Griechiſchen Theogonie heißt, und ob 
deßwegen ter jüngſte ter Götter genannt werten, mas durch Griechiſche 
Ginfup bätte geibeben müßen, mag tabin gejtellt bleiben. AN 

zeigen Münzen ven Arſinoe (Kroforilopolid) ven Kronos mit dem Kral 
fovil in ter rechten Sand, und eben jo jiebt man ibn auf einer zu Alen 
andria gejchlagenen Medaille Antonind. (Bei Glemend vem Alerandrinek 
im fünften Buche ver Lunten Schriften wird das Krofopil ein Bild der 
Zeit genannt.) 

Don tem Krokodil leſen wir ald eine Angabe ver Aegypter bei 
Aelian (10. 21), es trage feine Gier ſechzig Tage, lege ſechzig Eier, und 
brüte fie in eben io vielen Tagen aus, auch babe es ſechzig Rückenwirbel 
und eben io viele Sehnen. So vielmal auch lege es Gier und lebe fr 
viele Jabre, babe sechzig Zähne, und verſtecke ſich jährlich fechzig Tage 
in einen Schlupfrinfel, obne Nabrung zu nehmen. Jamblichus (5. 8) 
beziebt dieſe Zahl auf vie Sonne, und da fie gerade zmei Monate auß 
macht, io mug ein Verbalmig, weldes mit dem Hundsſtern und der | 
Nilüberſchwemmung zufammenbängt, damit gemeint jeyn. Die Sculpturen 
zeigen auch Krokodile mir Flügeln und Sperberfopf, alſo das Krofotil 
ald König wie Sebak-ra, und ſchützend, da die Flügel Zeichen de 
Schuged find. 







— — — — — 
— — — 


*) Dieſer Tempel ward begonnen von Cpiphanes, fortgeſetzt durch Philomelor 
und Euergetes II., und hat Basreliefs zum Theil aus der Jeit der Kleo⸗ 
patra und des Soter II.; doch war dieſer Tempel nur eine Grneuerung ib 
alten Sebaf- Tempels aus der Zeit des Thuthmofis IH. 


198 


| 
‘Der Aegyptiſche Ares zu Papremis und Ranpu. 


Der von den Xegyptern zu Papremis verehrte Gott, welcher für 
8 von ben Griechen angefehen warb, gehörte zu denen, deren Feſt 
dt ein Iofaled war, fonvdern zu welchem auch die übrigen Aegypter 
nen, wie Serobot (2. 59 und 63) und melvet. Außer mit Opfern, 
w das Feſt dieſes Gottes mit einem höchft fonderbaren Brauche gefeiert, 
w wann die Sonne fiy zum Untergange neigte, beſchäftigten fic einige 
ige Priefter mit dem Götterbilvde, die Mehrzahl aber ftand am Eins 
g ded Tempels mit hölzernen Keulen, Anvere aber, welche ihr Gelübde 
brachten, über taufend Männer, fanden mit Prügeln in den Händen, 
immen gedrängt auf der andern Seite. Das in einem vergolveten 
aschen von Holz befindliche Bild nun brachten ſie am Abend vor dem 
te fort in ein anderes heiliges Haus. Die menigen nun, welche bei 
s Bilde geblieben waren, zogen einen vierrädrigen Wagen, worauf das 
Bpelchen, mit dem Bilde darin, fland, die aber, welche fi) im Vor⸗ 

befanden, wollten fie nicht einlaßen, vie Gelübvevollbringer aber 
Ken dem Gott und fchlugen auf jene los, und ed gab einen tüchtigen 
keügellanıpf, wobei fie fich die Köpfe zerfchlugen, fo daß wohl mancher 
sden Wunden ftarb; doch fagten die Aegypter, es fterbe Feiner daran. 
[8 Legende über den Urfprung dieſes Gebrauchs, erzählten die dortigen 
ate, in vdiefem Tempel habe die Mutter des Ares gewohnt, und als 
felbe, der von der Mutter entfernt erzogen worden, zum Manne ber- 
igewachſen, jey er gekommen und babe der Mutter beimohnen wollen. 
ie Diener der Mutter nun, als welche ihn vorher noch nie gejehen, 
itten ihn nicht Hineingehen Tafjen gewollt, fondern abgewehrt, da habe 
Leute aus der Stadt geholt, die Diener hart gezüchtigt, und darauf 
yer zu der Mutter hineingegangen. Zu dem Andenfen an dieſe Bege- 
mbeit fey denn an dem Weite des Ares dieſe Prügelei eingeführt worden. 
mE diefer Tempel zu Papremis eine Weißagung gehabt habe, giebt 
erodot (2. 82) an, ohne jedoch etwas Näheres von derfelben zu berichten. 

Aus diefer Erzählung erjehen wir, daß wir in dem fogenannten 
re8 von PBapremis, einen Zeugungdgott anzunehmen haben, welcher wie 
ıhrere Aegnptifche Zeugungsgötter ein Kamutef, d. i. Gemahl feiner 
Rutter war, und daß die ihm verbundene Göttin eine Mu, d. i. Mutter 
ar, nämlich die unter mehreren Kormen und Namen in Aegypten allge- 
ein verehrte große Mutter der Natur, die Duelle alles Xebend und 
Ned Seegend. Aber zu erfahren, welcher Zeugungdgott diefer Gemahl der 
open Mutter gewefen, ift fehwer. Zu vieler Erforfchung fehlen uns alfe 
ihere Nachrichten, bis auf eine einzige, welche jedoch entfcheidend ſeyn Dürfte. 
erodot (2. 71) meldet nämlich, das Nilpfero jey heilig in dem Bezirk 
apremis, fonft aber nicht. Heilig waren die Thiere nur in Beziehung auf 


Der Aegyptifche Ares zu Papremis und Ranpu. OL 


m bringt, welcher die Erde zu reichlicher Hervorbringung befruchtet. 
rügelſcene aber iſt eine fo ſonderbare Sache, daß ſie für einen 
en Brauch in einer feegensreichen Sache, wie die Vereinigung eines 
Be, gleichviel welches, mit der Aegyptiſchen Mutter, die immer bie 
Ben zum Grunde hatte, höchſt feltfam erfcheint. Man Fonnte den 
Ben Seegendgott nur abhalten wollen, weil er der Mutter in irgend 
















Bergen mit ihr zu zeugen. Dan fann diefen Brauch, der in 
en in feiner Urt einzig dafteht, nicht niit einiger Gewißheit erklären, 
Ber doch vermuthen, daß mit feiner Ankunft etwas eintrat, was für 
tter ald eine unangenehme Sache erfcheinen mußte, mag man nun 
Hike, oder die Nilüberfchmemmung, welche die Mutter fo lange 
Ben Wapern bevedt angelehen haben. Denkmäler von Papremis 
it vorhanden und jo können wir von diefer Seite Feine Belehrung 
Ben, und wißen Darum auch nicht, welchen Namen ver Gott daſelbſt 
habe. Einen feiner Namen aber, ven er auch zu Papremis hätte 
innen, ohne dag wir und erlauben dürfen zu fagen, er habe ihn 
habt, Scheinen wir in dem Namen Anpu zu haben. Wir ent- 
der bilvlichen Darftellung des Gottes, welchem das Nilpferd in der 
Bapremis heilig war; aber Eleine Biguren mit dem Nilpferdskopf 
ebranntem Thon finden ſich vor, und liefern wenigftens einen Beweis 
Vorhandenſeyn eines in folcher Geftalt gebildeten Gottes. 

Diefen Gott, mit dem hieroglyphiſchen Namen Rnpu fehen wir mit 
Khängtem Köcher, Schild und Speer in ver Kinfen, in der Rechten 
e Etreitaxt ſchwingend ftehen, die obere Krone, an welcher neben ein 
wlienfopf hervorblict, auf dem Haupte (MWilkinfon Tafel 69, wo aud 
folgenden Figuren abgebildet find), oder auf dem Throne figen, ven 
ild mit der Linfen gefaßt, mit ver Nechten die Streitart ſchwingend, 
obere Krone mit einem Band umgeben (neben Gazellenkopf), auf dem 
ipte, und Lotus vor ihm, hinter ihm die Feder auf der Stange an 
Zeichen des Lebens gebunden. Berner fehen wir eine im Brittifchen 
feum befindliche Gruppe: der phallifche Khem fleht va, in der Mitte 
eine Göttin auf dem Löwen (zumeilen auf zwei Krofopilen) ſtehend, 
in der Rechten Lotus hält, in ver Linfen zwei Schlangen, und zur 
en biefer Göttin fchreitet Anpu, den Speer in der Rechten, das 
ben des Lebens in der Linken, das Haupt bloß mit einen Band 
eben, neben dran ein Gazellenfopf, herein auf die Göttin zu, und in 
bindung mit diefer Gruppe find fechtenne Perſonen. Diefer Rnpu, 
ber nur in Gemälden, nidyt aber in Aegyptiſchen Tempeln kommt, 
eint ganz deutlich ald ein Kriegögott, und zugleich als ein mit dem 
ere zu der Göttin Eommenver Zeugegott; denn das daneben ſtehende 
liſche Bild des Khem zeigt, daß hier von Zeugung bie Rebe ift, und 


ber Lotus in ber Hand ber Getin bezeichnet ſie als Gebäheerin. In 
beiten antern Bilvern bezeidinet ibn bie obere Krone als König von Di 
ägnpten, und ter Lotus kann Dberagopten bereuten. Es ſcheint, daß di 
Get ver nämlidhe ijer, welder als Ares von Papremis genannt ww 
warum er aber ald ein Kriegsgon eridheint, läßt ſich nicht beflimmen, 
ein ſolches Verbälinig nidyt in ver Natur eined Zeugungsgottes liegt. 

Könnten wir kei Anpu ven ibm zugegebenen Kopf ver Ga 
erklären, jo würten wir vielleicht dadurch in ver Auffagung dieſes Gem- 
geförtert werten; tieled vermögen wir aber nicht. Wir finden ihren SER 
auh am Vordertheile des Boots des Phthab⸗Sokari, wigen aber audigge 
dieſem Berbältnige ibre Bereutung nicht, und ihr Aegyptiſcher Names 
giebt und feinen Aufſchluß. Ja bei Horapollo (1. 49) lefen wir: um 
Unreinheit tarzufiellen, malen tie Aegspter die Gazelle, weil fie, wowa 
ter Mond zum Aufgange jcdhreite, lärme, und mit ven Vorverbeinen 
Erde aufwühle und ihre Augen hineinſtecke, um den Mondaufgang 
zu ſehen. Eben jo mache fie eö bei Aufgang ter Sonne, weßhalb 
die alten Könige dieſes Tbier zur genauen Wahrnehmung des Aufge 
wie eine Sonnenuhr gebraudyt hätten, und vie Prieſter opferten es al 
ohne Unterjuchung feiner Reinbeit,; wo ed Waper finde, trübe es daſſeclit 
mit feinem Munde und milde Schlamm darunter und werfe Staub 
feinen Zügen hinein, damit fein anderes Thier davon trinken Eönne. ° 
dieſer mährchenbaften Beichreitung von dem Thun ver Gazelle läßt Ti 
nicht begreifen, wie dieſelbe mit einer Gottheit in Verbindung kommen 
fonnte, und doch ſehen wir fie bei zwei verichiedenen Göttern angewendet. 
Dermögen wir audy nicht die Gazelle zu erklären, fo haben wir doch u 
fennbar in Anpu einen Gott, wie ibn Herodot ald Ares in PBapremib. 
beichrieben bat, und welder durch das Nilpferd, jo wie durch den alle 
Jahre einmal wiederfehrenten Ritus feiner Ankunft aus der Fremde fd 
paßend ald Hundsſterngott deuten läßt. 

Uebrigens findet fih auch eine Kriegägdttin dargeſtellt (Wilfinfen 
Tafel 70), auf dem Throne figend, Schild und Speer in der Rechten, 
mit der Linfen die Streitart fchwingend, auf dem Haupt die Krone von 
Oberägypten mit den beiven Federn zur Seite, und dem hieroglyphiſchen 
Namen Ant over Anta. Diefe ift aber nicht Aegyptiſch, ſondern es if 
die Afiatifche Anaitis, über deren Aufnahme in die Aegyptiſche Goͤtterdar⸗ 
flellungen wir nichts Näheres wißen; auch ift fie felten zu finden und —, 
Wilkinſon fah fle in feinem der Tempel. | 















KR ub. 
Die Denkmäler bieten und einen Gott dar, weldyer ein ganz unbe 
fanntes Thier zum Zeichen hat, mit deßen Kopf er dfterd erfcheint. Der 
Kopf diejes Ihieres ift ſchmal, länglich und etwas gebogen und hat zwei 


Nub. 203 















arf abgeftumpfte Ohren, oder Hörner, wenn man ber Wahrfcheinlichkeit 
tgegen, lieber diefe darin erblicken will, für welchen Fall ihm aber die 
x fehlen würben, fo daß es dann ein noch feltfameres Thier feyn 

je. Die Hieroglyphen nennen ihn Nub, d. i. Gold, und auf dem 
pelisf von Luxor heißt er Sohn der Nutpe, fo wie ein Siegel im 
jet des Herrn Käftner zu Rom ihn mit Oſiris, Iſis, Arueris, Nephthys 
B den dritten Sohn der Nutpe zeigt. Tie hölzernen Cubitus, die zu 
his gefunden worden, haben die Namen Seb und Nutye und dann 
BB ihrer Kinder Oſiris, Iſis, Nub, Nephthys, Arverid. In den Sculps- 
Ben zu Karnak fehen wir ihn den König im Bogenſchießen unterrichten, 
mie berfelbe ebenfalls von den fperberföpfigen Gott unterrichtet wird 
alfinfon Tafel 39) und fehen ihn zugleich mit dem fperberfüpfigen Gott 
Rameſſes dem Großen die Krone von Obers und Unterägyten auf- 
Ba (Wilkinfon Tafel 78), wobei er gleich dem fperberföpfigen Gott ven 
Mnzweig mit Froſch und Siegel in der Hand hält. Auf ver folgenven 
(79) fehen wir ein Bild des fogenannten Memnoniums, wo der 
durch feinen Namen und fein Thier bezeichnet ift, fonft aber nur 
U vn beiden Armen auf einem Stab angedeutet if, dem König, ber 
I mumienhafter Hülle dafteht, mit ver Krone von Unterägypten auf dem 
heryt ven Panegyrienzweig in den Händen, und die Glode, over was es 
wii, im Naden aus der Umhüllung hervorhängen hat, das Zeichen 
5 Leben? zum Munde reichen. 

Aber nicht bloß mit dem Kopfe des ung unbekannten Thieres fehen 
ir ihn, fondern er findet fich auch mit dem Sperberfopfe, neben welchem 
r jenes Thiers hervorragt, woraus man erfieht, wie fehr jener als feine 
genthümliche Bezeichnung galt. So ift er abgebildet bei Wilkinfon 
tafel 38), und darüber ift in länglichem Kreife, wie der Königsſchild 
8 Namens geftaltet, ebenfalls feine Verbindung mit den ſchon oben 
nannten Göttern angegeben; denn da figt er abgebildet zwijchen Neph⸗ 
8 und Iſis einerfeits, und Horus und Oſtris andrerfeits. Es kann 
irnach gar Fein Zweifel feyn, dag Nub oder Nubi, der Sohn Nutpe's, 
7 zu ihren fünf Kindern gehört, verfelbe Gott fey, welcher unter ver 
on den Griechen Typhon benannten Borm zu einem böfen Wefen umge—⸗ 
det ward. Er war der feegendreiche Gott des Hundsſterns, der Leben 
rahte und der Golone hieß, der in den Gartouchen des Oſtris und anderer 
haraonen anftatt des Oſiris eingeführt ward, und in Oberägypten als 
hr hoher Gott erfcheint, fo wie er auch in den hieroglypifchen Legenven 
wöhnlich Herr der oberen Gegend heißt, doch auch von den Zeichen 
nterägyptens begleitet ift, und in den Panegyrien bei den Zeichen 
felben, als Scylangen, nördlichen Waßerpflanzen und dem Genius von 
iterägypten erfcheint. Als man Typhons Bilder zerftörte, ließ man die 
8 Nub beftehen, woraus erhellt, daß man ihn unter diefem Namen für 


2304 Typbon. 












eine befonbere Form und ein anderes Weſen nahm, was er aber nicht‘ 
Das Thier, welches ver Naturgefchichte unbekannt if, können wir 
errathen. Sollte ed eine Giraffe feyn, fo war biefe den Aegyptern u 
unbekannt, es Hat fich jelbit eine Biraffenmumie gefunden und fie 
fi) abgebildet, aber nicht mit dieſen abgeftugten Ohren. *) Wollte 
annehmen, es fey der fabelhafte Greif, fo findet ſich auch viefer abgeb 
aber ebenfall8 nicht mit ſolchen Ohren. Der Greif aber bezeichnete 
Typhon unter dem Namen bar, welcher Aegyptiſch für Bal fteht; 
er ift nicht Aegyptiſch, ſondern Aftatiich und beißt Herr. Wie die A 
ter dazu Famen, dem Typhon den Titel Herr aus Aften zu entlehnen, 
ein fremdes, gar nicht exiſtirendes Gefchöpf ver Einbildungskraft 
Zeichen des Gotted unter diefem Namen zu machen, Fünnen wir mit! 
vorhandenen Hülfsmitteln nicht ergründen. 


Typhon. 


Mit dem Namen Thphon benannten die Griechen den Aegypti 
Gott, welcher ald das böje Wefen angefehen ward, dem man bie 
flörung des Lebens der Natur zufchrieb, indem fle venfelben mit i 
Typhon, der Perfonification ded ververbliden Sturmd und wilder N 
ausbruͤche verglichen. **) Diefer Gott war der Gott des Hundsſt 
welcher Aegypten den Seegen der Nilüberfchwenmung bringt, ohne werd 
das Land nicht beftehen ann, und in fo fern war er ein ſeegensreich 
hochverehrter Gott, und blieb dies auch unter einigen feiner Namen Ü 


*) Für die Giraffe würde fprechen, daB die abgeſtutzten Ohren oder Hör 
allerdings Aehnlichfeit mit den Hörnern berfelben haben, und daß m 
annehmen Fönnte, die Abbildung fey nach einer Form gefchehen, die m 
angenommen habe, als man das Thier noch wenig gefannt. Man fin 
die Giraffe mit dem Schafal in den Sculpturen von Hermonthis den Kä 
anbetend, alfo die Bewegung der Sonne am Himmel, die Zeit, und d 
zeigt auf den Hundsſtern; denn der Schafal ift Sinnbild des Hundsſter 
und da die Giraffe eine Hieroglyphe des Typhon ift, fo ſehen wir hier I 
Hundsftern die Zeit anbetend, Wie der Phönix, das Sinnbild der Hun 
ſternperiode, dieſe felbft anbetend dargeftellt wird. Könnte man ſich aufe 
richtige Ueberlieferung bei Plinius verlaßen, fu würde man das Thier ! 
Nub für die Giraffe Halten wollen als Namenhieroglyphe des Nub; de 
diefer fagt (8. 18), die Aethivpen nennten die Giraffe Nabis oder Nabus 

‚rt) Plutarch (29) bemerkt, in den Phrygifchen Schriften gelte Typhon für ei 
Sohn des Iſiſchen Herafles, und die Pythagoräifche Zahlenlehre Tieß i 
in der geraden Zahl ſechs und fünfzig gebohren werden, fo wie ihm I 
Sehsundfünfzige gehörte, womit Plutarch die dämoniſche Kraft angeer 
glaubt. Daß ihm unter den Sternen der Bär gehöre, meldet ebenfe 
Plutarch (21), doch dies Alles ift Deutung und Kombination einer fpä 
Zeit, die mit Negyptifchen Glauben und Eult nichts gemein Hat. 


Typhon. 205 


In einigen Formen. Doch in der Ausbildung des Iſts⸗Oſiris Dienftes, 
je welchem die Trauer über vie alle Jahre abſterbende Natur in ver 
gyptiſchen Mythologie Eingang fand, ward der Hundäftern dazu beftinmt, 
Ber Thter der Natur zu feyn, durch trodene, unfruditbare Hitze, und 
yon ward Typhon als ein Gott der ungefunden, böfen Hiße, welche in 
Jegypten einen Theil des Jahres herricht, angefehen, und wurde zu einem 
Ihe Veſen, deßen Andenken auf Denfmälern man verfolgte und aud- 
Biete, da er als der Feind und Tödter des Oſiris galt. Bei Reuvens 
1.5. 39) iſt eine Anrufung an ihn, als den „welcher zerftört 
ph veröbet,” und er bat den Beinamen „ver welcher in Bewegung feßt 
we unüberwinvlich if.” Der Aegyptiſche Name ober wenigftend einer 
er Sauptnamen lautete Seth, wie Plutarh (41) angiebt, weldher 
MM als leberwältigenden bezeichnet haben fol; allein es ift nicht zu zwei—⸗ 
Fir, daß verfelbe mit dem Namen des Hundsſterns Sothis, wie bie 

e Form lautet, zufammengehört. (set heißt glänzen und heißt 

‚ euer, und daß der Hundsſtern der Glänzende oder der Feurige 
yeerıt worden, iſt ganz natürlich. *) Nah Manethos bemerkt Plutarch 
(49), Tuphon habe auch Bebon geheißen, welchen jedoch Andere für 
inen Öefährten deſſelben audgegeben hätten, und biefer Name bebveute 
aberniß. (Der Leöbier Hellanicus bey Athenäus (S. 680) nennt ihn 
abys, indem er erzählt, die Götter in Aegypten hätten ihre Kränze 
m Saupte genommen, als fie ven Babys, welcher Typhon jey, die 
srfchaft führen gefehen.) Dan fleht bier, wie bei dem vorigen Nanıen, 
j man ſich bemühte, in Typhons Namen ſchlimme Beveutungen zu finden, 
doch erft ven Namen hätten eigen ſeyn können, welche man ihm gab, 
ch der merfwürbigen, mit ihm vorgegangenen Umwandlung, aus einem 
ten in einen böfen Gott, doch ift dieſes Beftreben nicht annehmbar, und 
m muß auf feiner Hut feyn, vergleihen Angaben zu trauen, wo fie 
y nicht durch ungezwungene Beweiſe, als richtig ergeben. Statt einer 
limmen Bedeutung, fcheint im Gegentheil feinem Namen Bebon, eine 












*) Daß der Name Seth einft dem verehrten Gotte angehörte, geht fchon daraus 
hervor, daß einer der Könige Sethos genannt ward, und die Verehrung 
diefes Gottes gab der weftlich von Pelufium gelegenen Stadt, welche die 
Griechen Klein-Herafleopolis nannten, den Namen Sethro, d. i. Thor des 
Seth. Ward Seth noch daſelbſt verehrt zur Zeit, als die Griechen den 
Ort Herafleopolis nannten, fo würde wahrfcheinlich diefer von ihnen ale 
Herakles aufgefaßt worden ſeyn; denn es läßt fich nicht wohl anders annehmen, 
als daß fie die Stadt nad dem dafelbft verehrten Hauptgotte benannten. 
Was fie aber veranlaßen Fonnte, in diefem Zalle ven Seth für Herafles zu 
halten, oder warum etwa bie Aegypter ihnen benfelben dafür ausgegeben, 
ift nicht zu errathen. Um fo räthjelhafter ift diefes, weil fich die Darftellung 
bes Seth als der des Chon (Khunſu) ähnlich nicht Teicht vorausfegen läßt, 
und ſchon angenommen war, Chon fey Herafles. 


2306 Typhon. 


gute eigen zu ſeyn, nämlich die ver Nilüberſchwemmung, denn baka 
tif bebe, bebi, bebu) heißt fließen, ergiegen, ausgießen. Einen 4 
Namen Smy nennt und Plutarh (62) ebenfalls, und fagt, viefal 
die heftige Einhaltung, Gegenftrebung beveutet haben. Ob dieſe DA 
mehr Glauben verviene, ald die beiden andern, kann man füglid 6 
feln, doch läßt er ſich nicht mit Wahrfcheinlichkeit deuten. 

Diefer ſchlimme Gott nun war röthlih, wie und Plutarch 
meldet, und dieſe Farbe mußten, fagt ebenverfelbe (31), vie Ü 
haben, welche geopfert werben durften, (womit Diodor, 1. 88 ül 
fimmt), fo daß fein ſchwarzes und Fein weißes Haar an ihm geil 
werden durfte. Der rund davon war, wie oben in der Mytholog 
Apis Thon bemerkt worden ift, daß Stiere, welche dem Apis g 
für Heilig galten, und darum nicht geopfert werben durften, wogeg 
rothen Stiere ald Typhoniſch angelehen wurden, und mithin nicht & 
werden mußten. Der röthliche Ejel aber gehörte dem Typhon xu 
was daraus zu erfehen ift, daß derfelbe, wie Plutardy (30) erzählt 
handelt wurde, weil er rot wie Typhon ift; denn Typhon wazel 
mit Opfern gefühnt, daß er mild werde, aber an gemwißen Feſten 
er berabgewürdigt und verhöhnt, und an diefen wurden auch die 
baarigen Menfchen ald ITyphonifche mißhandelt, und der Eſel ward 
ed zu Koptos zu gefchehen pflegte, von einer Anhöhe herabgeftürzl 
zu Bufirid und zu Lykopolis gebrauchte man fogar durchaus Feine 4 
pete, weil ihr Klang mit der Stimme des Eſels Aehnlichkeit hat, 
zu diefen beiden Städten fügt Uelian (10. 28) noch Abydos, we 
beſonders angeiehenes Grab des Oſiris mar, hinzu. In den Dlonaten 9 
und Phaophi bildete man auf den Opferkuchen einen gebundenen Ejel, 
bei dem Opfer ver Sonne wurden die Verehrer ermahnt, Fein Golv ! 
fi zu tragen und Feinem Efel Futter zu geben Diefen Haß gegen den 
zu erflären, fagten Manche, Typhon fly aus den Treffen mit Horu 
einem Gfel entronnen und fieben Tage lang geflohen, nach welcher { 
er, wie fpäte Sabelei hinzufügte, die Söhne SHierofolymus und J 
erzeugt babe. Letzteres Fam ficherlidh von Judenfeinden ber, melche 
Volk vom böfen Typhon aus Aegypten herleiten wollten. Die Dent 
zeigen einen efelföpfigen Gott, jedoch felten. Wilfinfon fah ihn zu 
dem alten Tuphium in der Thebaid, ohnmeit Hermonthis, doch 
Mumien haben fi nicht gefunden. Aber Epiphanius fagt in der € 
gegen vie Kegereien (1093), man begehe dem Efel auf den Name 
Serh, des Typhon, Weihen, fo daß aljo Nachricht gewefen fegn 


*) Es ſcheint faR, daß bei dem Golde an ven Nub, den Goldnen, gedacht w 
und daß man diefen, welcher freilich der nämliche Gott, wie Typhon 
bei tiefem Opfer als ten Typhonifchen Gott betrachtet habe. Dod 
fih fein Beweis liefern, daß es mehr als ein Schein fey. 


Typhon. 207 























r einem Cult, in welchem der Efel in Ehren geblieben war. Daraus, 
ij der Glel fo fehr verhaßt war, geht hervor, daß er ein Hauptſinn⸗ 
ild des Typhon geweſen ſeyn muß, gleich dem Krokodil und dem Nils 
Iferd, welche ebenfalls herabgewürbigt wurden, und nur durch die Einzel⸗ 
WBerehrung befonderer Formen dieſes Gottes an einigen wenigen Orten 
M Anſehn blieben. Die röthliche Farbe des Eſels kam bei ver Verach⸗ 
Hang dieſes Thieres wohl zu Statten, doch darf man ed nicht als gewiß 
Beate, daß vaflelbe ihm wegen feiner röthlichen Barbe geweiht morden 
. Inar hätte dieſe Farbe hinreichen Fonnen, un es dem Typhon zuzu⸗ 
Men, aber wie dem Ammon ver zeugende Widder, dem Mendes oder 
m der zeugende Bock zugetheilt ward, um fie ald Zeugungsgätter zu 
ihnen, fo konnte dem zeugenden Typhon der Efel in gleichem Sinne 
| heil werden, da er fi) ganz dazu eignet, und von den Aegyptern 
P eugungsthier angefehen ward, die auch ven Phallus zum Bilde 
ad Namens im machten, und den Stier ka ald zeugenven auch ka- iu 
Oben ift von zwei Säulen in Memphid die Rede gewefen, deren 
en Sommer vorftellte, wie Herodot ſich erzählen ließ, die andere 
WR Binter, welche von den Aegyptern verwünfcht ward. Man fünnte 
an af die Vermuthung kommen, Typhon fey der böfe Gott des Win- 
’, da wir in der Aegyptiſchen Mythologie nur von einem böfen Gotte 
Prem. Diefe Vermuthung aber ift nicht zuläßig, denn die rothe Farbe 
M bey Typhon hinlänglich bezeugt, und viefe kann in der Naturreligion 
Mur auf Hige und Brand, durchaus nicht auf den Winter gehen. Sprädhe 
ber auch nicht Alles, was den Typhon angeht, fo wie fein Name Set 
fh gegen ven Winter: fo muß man jene Angabe von der Winterfäule 
zu Memphis, als auf einer falfchen Erklärung beruhend, anfehen, weil 
Aegppten feinen Winter hat, da der Jahreeiten in diefem Lande nur 
drei find, die der Nilüberfchwemmung, zweitens die des Wachsthums und 
ber Erndte, und drittens die ver ungefunvden Kite, welche allein dem 
Typhon zugeeignet worden feyn kann, al8 er zu einem böfen Gott umge= 
vondelt ward. Plutarch (33) fagt in diefer Hinftcht: die weiferen Priefter 
alten den Oſiris für das Veuchtigfeitsprincip, als Princip der Zeugung, 
nd den Typhon für das Trockene, Feurige, weßhalb er rotbgelb, gelblich, 
nd weßhalb dieſe Farbe zumiver ift; denn fle reden nicht gerne Leute 
on diefer Barbe an, und geben nicht mit ihnen um. Da wo nun Typhon 
iht mehr in einzelnen Culten verehrt ward, ftelte man ihn als das 
fe Wefen dar, welches von Horus befämpft wird. In Hermonthis, fagt 
lutarch (50), war ein Bild des Typhon, ein Nilyferd, auf welchem 
n gegen eine Schlange Fämpfenvder Sperber fteht, (welcher den Horus 
zeichnet), und in ein Krofopil fol ſich Typhon verwandelt haben, und 
dem Horus entgangen ſeyn. Wann am ftebenten des Monats Typhi 
opfert wird, welches Tag die Ankunft der Iſis aus Phönicien heißt, 


















208 Typhon. 


wird ein gefeßeltes Nilpferd auf dem Opferkuchen dargeſtellt. Alles Schlim 
und Arge in der Thier- und Pflanzenwelt, und was gethan wird w 
fich begiebt, gilt für Typhoniſch. Daß dieſe Anfiht in Beziehung « 
das Krokodil und das Nilpferd unrichtig jey, geht aus dem, was obaml 
über dieſe Thiere bemerkt worden ift, zur Genüge hervor. 

Zu Koptos, meldet Plutarh (53), fol ein Bild des Horus fe 
welches in der einen Hand das Zeugeglied des Typhon Halt. DI 
Gebärve bezeichnet, wie Horapollo (2. 7) angiebt, Enthaltfamfeit; ef 
hemmt Horus, der Befleger des Typhon, die Zeugefraft vefjelben, ı 
nicht3 anderes bezeichnen fann, ald daß Typhon's Wirken, die Erzeugm 
des Boͤſen, durch Horus überwältigt und gehenmt if. Plutarch fi 
hinzu, man fage, daß Hermes die Sehnen des Typhon genommen f 
und fie ald Saiten gebraudye. Diefe Sage kann nicht ächt Aegyptiſch fe 
weil Thoth Feine Leyer befitt und nichts damit zu fchaffen Hat, ob f 
aber überhaupt einen genügenden Sinn babe, iſt nidt mit Gewigheig 
fagen; denn fie Fünnte eine feichte Uebertragung der Griechiſchen My 
feyn, nach welcher Typhon dem überwundenen Zeus die Sehnen and 
fihneivet, die dann von Hermes entwendet und dem Zeus wieder eingefel; 
werden. Denn wollte man annehmen, der Sinn jener Babel folle je 
dag Typhon durch Thoth, den Gott des Hundsſterns, welcher die M 
überſchwemmung bringt, feiner böfen Kraft beraubt werde, fo iſt erſtlich 
jene Babel fpät, und wenn nicht geradezu von Griechen erfunden, voii 
mit Rückſicht auf fie, und zweitens galt Thoth nur als Zeitgott, und be 
Hundsftern hatte in dieſer Form ſchon in alter Zeit nicht die Nilüber 
ſchwemmung zur Aufgabe. Lieft man bei Apollonius dem Rhodier (2. 1215), 
Typhon Liege in dem Serbonifchen See verfenft, fo ift dad nur von bem 
Griechiſchen Typhon zu verftehen und geht ven wahren Aegyptiſchen nid 
an. Nigivius bei dem Scholiaften des Germanicus (S. 120) fagt, Typhen 
fey von Apollo (d. i. Horus) mit dem Blitz erichlagen worben (da es in 
der Uegyptifhen Mythologie Feine Blitze und Feine bligenden Gottheiten 
giebt, jo ift Died fremde Erfindung) in dem Tempel zu Memphis, wo bie 
Könige zum Thron gelangten, und vorher erzählt er, die Götter hätten 
nach achtzehn Tagen ven Beſchluß über ven Typhon gefaßt, daß er getoͤdtet 
werben folle, und noch heutige Tages würden diefe achtzehn Tage jährlid 
gefeiert, und wer an dieſen Tagen gebohren werde, bleibe nicht am Leben 

Typhon's Weib war Nephthys (Nebthi), d. i. die Herrin De 
Hauſes, und in der Gefchichte der Aufeinanverfolge der Könige hieß es, 
wie Plutarch (38) angiebt, fle fey anfangs unfruchtbar gewefen. Diele 
gebiert ven Anubis, Doch die Sage gab an, aber wohl erft, als Typhon 
zum böfen Gott und Verfolger feines Bruders Oſiris gevichtet worden 
war, Oſiris habe venfelben mit feiner Schweſter Nephthys erzeugt, und 
zwar ſey es aus Irrthum gefchehen, wie wir bei Plutarch (14) leſen, 

ma, Inden er gemeint habe, vie Iſis zu umarmen. Nephthys nun Habe va? 


Typhon. 200 







bchen aus Furcht vor Typhon ausgeſetzt, Typhon aber habe, meldet 
tarch (38), aus dem von Oſiris zurückgelaßenen Kranz von Melilotus 
Ehebruch erkannt. Dieſe Erzaͤhlung von dem Ehebruch der Nephthys 
wit Ofiris iſt in nichts begründet, als in der Vermittelung der Angaben 
einerjeitö, Anubis fey ein Sohn des Ofiris, und andererſeits, er fey ein 
Sohn der Nephthys. Don dieſer Göttin, weldye die Gattin ihres Bruders 
Kyphon gewefen ſeyn fol, wie Iſis die ihres Bruders Dfiris, welche vier 
Beitheiten Geſchwiſter waren, wißen wir nichts Ausfuhrlicyes. Ihr Name 
net fie als die Herrin des Hauſes, und fie trägt denfelben hiero- 
Beil dargeftellt auf dem Kopf, nämlid einen Korb, weldyer Herr, 
Jerrin beveutet, auf dem Bilde eines Kaufed, wie man ed angenonmen 
hatte. Sie ericheint dfterd mit ihrer Schweſter Iſis zujanımen. In 
Zodtengegenftänven ſieht man die Iſis zu Häupten des Todten, die Nephthys 
gs Süßen deſſelben ftehen, und im Amenti ift fie mit Ofirid und Iſis 
wfommen. In ven Gräbern finvet man öfters auf blauem gebranntem 
Zn Ifis, Nephthys und den Horus ald Kind. Audy fteht fie ihrer 
Eieiter in ven Todtenbräuchen des Oſiris bei und heißt auch Nephthys, 
wie ittende Schweiter, Göttin Anufe. Betrachtet man dieſes und bedenkt, 
def son der Schweſter in der Aegyptiſchen Mythologie nur bei Ofiris 
‚ Ve Rebe ift und day fie nur in Beziehung auf ihn hülfreih und rettend 
fen kann, wie wir auch den Oſiris von der Iſis mit ihren Fittigen 
‚seihüßt vargeftellt fehen, währenn bei den andern Gottheiten nichts Aehn⸗ 
liches vorkommt, betrachtet man, wie gejagt, diefen Umftand, dann wird 
nan geneigt feyn, Nephthys für eine Form der Iſis zu halten, und in 
Betreff des Anubis wird man in diefer Annahme dadurch beſtärkt, daß 
dieſer auch ein Sohn der Iſis genannt wird auf einem Mumienkaſten des 
Kern Salt. Berner dadurch, daß der Hunpsftern, Sothid, der Iſis 
wehörte, und daß auch, wie Wilkinfon gefehen hat, Nephthys mit demfelben 
. serbunden vorkommt, wenn gleich felten. Auch dad dient zur Beftärfung 
wieſer Anficht, daß ver auf dem Siftrum befinpliche Kopf bald ver ver Iſis, 
bald der der Nephthys war, daß alfo Beide in Beziehung auf viefes dem 
 Möcult zugehörende Werkzeug für gleich galten. Erjcheint auf ven Munien- 
Taften Iſis gewöhnlidd am Haupte des Todten und Nephthys an den 
Süßen, fo ift auch dieſes Fein entfcheidenver Trennungdgrund für ung; 
denn man flebt auch an andern Mumienfaften die Iſis zu den Füßen des 
Iodten mit der Infchrift: ich umarme deine Füße. Die Miyfterien 
Aegyptens, wovon die Griechen ung melden, find immer Ift8- Miyfterien, 
and doch ſpricht Epiphanius (S. 1093) davon, dag Manche in die 
Myſterien der Nephthys eingeweiht würden, was und fehr auffallen müßte 
ohne die Annahme, dag Iſis eigentlich Nephthys jelber fey. Bei Julius 
Birmicus (im Anfange feiner Schrift über den Irrthum u. f. w.) beißt 
8 fogar: Iſis ift die Schmwefter, Oſiris der Bruder, Typhon der Gatte. 
UI. J 14 






310 Typhoon. 


Als dieſer entdeckt Hatte, dag feine Battin Iſis durch die unreine Teva] 
Schaft des Oſiris verführt worden, töptete er den Oſtris und zerftüdte 
glienmeife. Hätte es feft geftanven, daß Nephthys eine ganz andere G 
als Iſis und daß ihr Gatte Typhon geweien, jo wäre es wahrlid fd 
zu bemeifen, wie die Sage, welche Julius Firmicus berichtet, & 
entfiehen Ffünnen. Wollte man annehmen, er over ein Anderer babe 
is aus Irrthum flatt der Nephthys genannt, fo ſteht dem entgegen, 
Oſiris der Bruder heißt; denn wenn dieſer Bruder der Nephthys ger 
worden wäre, jo würde auf die vollftändige Angabe von den Göttern 
fünf Zufagtage NRüdfidyt genommen jeyn, und da hätte auh Taf 




















der Schwefter gar nicht vorangeftellt, und wenn von Schwefter und 2 
in der Aegyptiſchen Mythologie in hervorhebender Weile die Rebe: 
werden Iſis und Oſtiris ſtets darunter verſtanden. Auch fagt Sl 
Firmicus, Ifi8 habe fih ihre Schmefter Nephthns und den Spürer Anl 
zugefellt, waS zur Genüge beweilt, daß er in den obigen Worten nicht W 
Iſis und Nephthys aus einem Verſehen vermechlelt habe. In ver Graih 
feene des Nefruntep, eines Ammon = Priefterd, zu Theben, ftehen vie Bilvexi 
der Iſis und Nephthys hinter dem Altare, auf welchem der Priefter Weiht 
rauch brennt, fo daß fie zufanımen verehrt wurden. Die Denkmäler gebe 
was nicht vom geringften Gewicht ift, die Iſis mit dem hieroglyphiſchesJ. 
Zeichen der Nephthys auf dem Haupte, welches, da es nur ven Nameni 

Nephthys bezeichnet, ſie demnach alſo benennt. Bei Wilkinfon finvet ſich 
eine folche Darftellung (Tafel 34). Daß Iſts und Nephthys zuſammen 
vorfommen, Eünnte glauben machen, fte müßten jede eine beſondere Odttin 
ſeyn; aber in der Aegyptiſchen Diythologie darf man eine ſolche Anſicht 
nicht zu einem Beweife gebrauchen wollen, weil vie Aegypter eine und 
diefelbe Gottheit in ihren verfchievenen Eigenfchaften neben einanver za 
fielen nicht vermieden, mwodurdy denn, wenn die Namen der verſchiedenen 
Eigenfchaften ohne den Hauptnamen genannt wurben, alsbald eine befonvere 
Form erfcheint, welche mehr oder weniger, je nach dem Maaße ver Eigen 
ſchaft, eine eigenthümfiche göttlihe Perfönlichfeit wird, bi8 zu dem Grabe, 
daß am Ende vergeßen wird, von welcher Wurzel aus folh ein Neben 
zweig fich gebilnet habe. Wie alt die Dichtung fey, von welcher oben bie 
Rede war, wißen wir nicht, doch in dieſer, welche die Kinerleiheit ver 
Iſis und Nephthys deutlich vurchleuchten laßt, fehen wir eine Trennung 
angenommen, fünnen aber kaum bezweifeln, daß Typhon Gatte der großen 
Mutter gewefen, wie er es als Sebaf und ald Nilpferdgott zu Papremis 
und ald Renpu geblieben ift, fo daß Anubis eigentlich als Sohn ber 
großen Mutter galt, erzeugt von Typhon, bis Oſiris den wohlthätigen 
Bott zum Sohne befam, weil man von dem böfen Typhon nichts Gute 
und Wohlthätiges herleiten konnte und wollte. 


Anubis. 211 














In den Deutungen, welche und überliefert find, wird Iſis (bei Plus 
eh) 44) für das, mad oberhalb der Erde ift, für die obere Region augs 
Jezgeben, Nephthys aber für das, was unier der Erde und unfichtbar 
für die untere Region, und Anubis ſoll ver beide berührende und 
Mennende Horizont feyn, darum zu einem Hunde gemacht, weil der Hund 
ah gut bei Tag und Nacht fieht. Man deutete Nephthys auch ala dag 
wa, wie Plutarch (12) angiebt, und wie er (38) fagt, ald die äußerſten 
wm Meer gränzgenvden Theile Aegyptens, weßhalb fie, va Typhon als 
M Reer geveutet wurde und Oſiris als der Nil, die Gattin des Typhon 
We, mit welcher Oſiris durch die Nilüberſchwemmung zeuge, mas durch 
Eprofen der Gewächſe, worunter der Melilotus fey, fichtbar were. 
Aphrodite follte fie feyn, und felbft als Nike, als Siegesgättin, ward 
F gedeutet, wie Plutarch (12) angiebt. Warum fie ald Enve geveutet 
9, laͤßt ich nicht mit Gewißheit fagen, doch wird fie auch als die am 
Wen der fünf Zufastage Gebohrene angegeben. Sollte vielleicht die 
Üktin des Werften, wo der Amenti ift, und wo die Sonne untergebt, 
meint jeyn, und follte der Amenti dad Haus feyn, die Wohnung, wo 
"die Herrin ift, d. h. folltd fie die Ifis in der Beziehung zum Amenti 
eezöweile darftellen? Daß fie ald Nife geveutet ward, kommt wahre 
heinlih von der Auffaffung einer Neußerlichfeit ber. Wo der Grieche 
se geflügelte Göttin ſah, Tag an am nächiten an die Nife zu denken, 
iche bei ihnen die geflügelte Göttin war. In der Aegyptiſchen Mytho⸗ 
je aber bedeuten vie Flügel Beſchützung, es ſind die Schwingen des 
eiers, welcher dad Sinnbild der ſchützenden Mutter iſt, und fo ſehen 
r die Iſis, wann, fie den Oſiris ſchirmt, geflügelt, und die Fittige zu 
nem Schu um ihn breitend. So erfcheint auf Ma, vie Gerechtigkeit 
# den ſchützenden Slügeln verfehen und der gute Geniud, der ſchirmen⸗ 
n Hat. Nun wird auch Nephthys, wie oben ſchon bemerkt worden ift, 
e hülfreiche, die ſchützende Schwefter genannt, natürlid die den Oſiris 
jükende, und mo ſie als folche dargeſtellt wurde, konnte ed kaum auf 
re andere Weile, ald durch Blügel geſchehen; denn eine andere Art 
nnen wir wenigftend in ver Uegyptifchen Darftellung nicht. 


Anubis. 


Anubis, Aegyptiſch Anpu, Anupu genannt, ift eine Perjoni- 
ation des Hundsſterns, und wird immer fchafalföpfig oder durch den 
heazzen Schafal felbft vargeftelt. Warum die Aegypter ven Hundöftern 
sch den Schafal und nicht durch den Hund darftellten, wißen wir nicht; 
xh die Griechen nahmen diefen Schafal für einen Hund, weil fie wohl 
m biefem in der Mythologie wußten, aber nichts von dem ihnen jehr 
enig bekannten Schafal, und die Aegypter, denen ed ganz recht war, 
enn die Griechen das Ihrige in Aegypten wieder zu finden glaubten und 

14 *. 





219 Anubie. 


annahmen, ihre Vorfahren hätten es aus dieſem Lande entlehnt, Tief 
fie in diefer Hinficht unbelehrtt. Für einen, welcher ven Schafal nu 
genau Fennt, wird Anubid immer hundskdpfig erfcheinen; denn ver * 
ſchied zwiſchen den Köpfen beider iſt nicht groß. Wurde wirklich Anuf 
in Kynopolis, der Hundsſtadt, wie Strabo (812), Stephanus der Baus 
tiner fagt und Münzen es zeigen, verehrt, wo ver Hund ein heiliges T 
war, über welches Griechen und Römer (denn auch die Römer nanınt 
den Anubi8 einen Hundskopf) fih nicht täufchen Eonnten, fo mußte 
vollends von der Unterſuchung, ob der vermeinte Hundskopf auch wit 
einer fey, abhalten. Diele Form der Hundsſterngottheit ift in ber 
Dftrisfage der Iſis ſowohl, als dem Oftris im Amenti gefellt, und bes i 
Wichtigkeit des Hundsſterns für die Hervorbringung ver Genigf ® ! 
Aegypten, für melde er die Nilüberfchwemmung bringt, iſt es eine 

fo einfache als natürlihde Dichtung. Er bilft der Iſis den verler 
umgefommenen Oſtris fuchen, denn mit Hülfe des Hundäfterns fint 

den wieder, der mit ihr den Seegen für Aegypten zeugt, wann bie ı 

bene Zeugefraft durch die Nilüberſchwemmung erftarkt if. Im As! 
aber ift er als ein Diener mit dem Wägen ver Seele beichäftigt, 
man fteht ihn auch bei der Mumie ſtehend vargeftellt, über deren Hac 
noch die Seele ſchwebt; denn wie er Seelenwäger ift, fo ift er auch MU 
Seelenführer zu betrachten. Bei Montfaucon (2. Tafel 128) ift Ans 
auf ein Krofopil trettend abgebilvet. Apuleius (11) fpriht von An: 
mit ſchwarzem Geficht, wie wir ihn abgebilvet fehen, aber auch von dene 
felben mit dem goldnen Geſicht, ven Heroldſtab und ven Palmzweig tragenk- 
Da man in fpäterer Zeit diejen Diener gleih dem Thoth mit Herma 
verglich und Hermanubid nannte, fo mag der Fall vorgefommen feyn, uf 
Griedhifcher Einfluß dem Anubis neben Thoths Palmzweig ven Herolvief 
des Hermes gab, ober vieleicht den Palmzweig als Heroldſtab ausgeftatiet, 
wie wir es in der fpäten Darftelung des Thoth fehen. (Die Abrarım 
der Gnoftifer zeigen wirklich den Anubi8 mit dem Heroldsſtab des Germeb 
und dem Heraklesknoten daran.) Die Denfmäler zeigen jedoch einen folden 
Anubis nicht und eben fo wenig einen mit golonem Geficht, das ihm 
vielleicht dur; Namendeutung angevichtet oder auch vielleicht Hier und ba 
in Aufzügen gegeben warb, (Apulejus Ipricht von einem Iſisaufzug zu 
Kenchreä bei Korinth); denn jene Nachricht geradezu für eine Tügenbafte 
Erfindung des Meberliefererö zu erklären, find wir nicht beredhtigt. *) De 
man ihn allgemein Anubis bei ven Schriftftellern genannt finvet, fo konnte 
man allerdings daran denken, ihn für den golvenen zu erklären, weil nab 


*) Plinius (33. 9), indem er davon fpricht, wie man Metallmifchuugen made, 
fagt, Aegypten färbt das Silber, um auf den Gefäßen feinen Anubis zu 
jehen; ob aber dies auf Goldfarbe gehe, muß bahingeftellt bleiben, obgleich 
es wahrſcheinlich if. 


Anubis. 213 











Gh heißt, und der Hundsſterngott hatte ja, wie oben vorgefommen iſt, 
‚Me Namen des Goldenen. Doch Anubis heißt in Wirklichkeit nicht ver 
Zehen, weil diefer Name nicht ganz richtig ift und eigentlih Anupis 

Kö müßte, wie die hieroglyphiſchen Infchriften zeigen, welche ihn ſtets 
np, Anpu nennen. Zu bemerken aber ift, daß an glänzend, gelblich, 
Men, bezeichnet (koptiſch ansi, auan, auon) fo daß es moͤglich märe, wenn 
uw nicht wahrfcheinlich, man Habe auf dieſen Theil feines Namens 
Meet, um ihn für ven Golonen zu erklären. Wahrſcheinlich aber ift es 

a nit, weil man bei dem Worte an wohl eher an Glanz over 
it, ald an Bold gedacht haben mag. Schafaldmumien haben ſich 
ge Eslopolis gleich Wolfsmumien daſelbſt gefunden. Wilfinfon giebt an, 
en Anubis auch widderköpfig gefunden zu haben, was alfo eine Mifchung 
Wit dem Thebifchen Ammonsthier zeigt und für den Anubis nichts befon- 
ſeres zu beveuten hat, da der Widderkopf und die Hörner, wie ber Spere 
Merk ſo vielfältig angewendet wurden. Plutarch fagt (61), dem Herma⸗ 
Wu werde manchmal ein weißer, manchmal ein gelber Hahn geopfert. 
Sei finnte man die Wachfamkeit des Hahns im Auge gehabt haben, 
Welle fh für den Hermes⸗Anubis eignete; aber daß diefer Brauch der 
map Aegyptiſchen Mythologie angehöre, ift nicht zu ermweilen, und bie 
Sefefgeinlichkeit ſpricht keineswegs dafür. 

Unter den vier Genien der Unterwelt beißt einer Siu Mutef, d. i. 
Kern feiner Mutter und bat einen Kopf, welcher mehr einem Wolfskopf 
8 dem eines Schakals gleicht, und wirklich findet fich auch der Wolf in 
* Hegyptifchen Mythologie. Daß er ein heiliges Thier war, geht ſchon 
Genüge daraus hervor, daß eine Stadt Lykopolis, d. i. Wolfftadt, hieß, 
er alfo gehalten und verehrt ward. Diodor (1. 88) fagt, er werbe 
um verehrt, weil Ofiris in Wolfsgeftalt der Iſis und dem Horus gegen 
Typhon aus der Unterwelt zu Hülfe gefommen fey. (Syneſius [©. 115] 
vet ein Drafel, welches ven Aegyptern Befreiung verfpricht, wann 
us den Wolf ftatt des Löwen zu Hülfe nehmen würbe; wer aber ber 
If fey, war eine heilige Sage, welche nicht ausgeplaudert werben durfte. 
e nicht bloß in foldhen Erzählungen, ſondern auch im Feſtgebrauch 
, von diefem geheiligten Thier gemeldet. Herodot (2. 122) erzählt: 
die Zeit, wann Rhampſinit in die Unterwelt gefliegen, bis zu feiner 
ehr feiern Die Uegypter ein Feſt (e8 warb noch zu Herodots Zeit 
iert), mo bie Priefter einen Mantel weben, ihn einem der ihrigen 
ängen und ihm die Augen verbinden. Dann führen fie ihn auf den 
ı nach dem Iftötempel, welcher zwanzig Stabien von Memphis ents 
t Liegt, und zwei Wölfe geleiten ihn, wie fle fagten, nach dem Tempel 
bringen ihn auch wieder an die vorige Stelle zurüd. (Den Iſistempel 
Nemphis nennt Herodot [2. 176] ein Werk, welches von König Amaſis 
ut, groß und fehendwerth vor allen fey; aber jener Brauch muß weit 
dad Alter diefes Tempels reihen.) Zu Lyfopolis fand man Mumien 


914 Thueris. 


























von Wölfen und Schakalen, wiewohl Herodot (2. 67) ſagt, vie Bar 
die nicht viel größer find, als die Büchfe, begraben fte da, wo fie fie finde 
und da der Aegyptiſche Wolf, wie auch Ariftoteles in der Thiergeſch 
(8. 23) fagt, kleiner als der Griehifhe war (Plinius 8. 22 giebe | 
Africa und Aegypten brächten Fleine und träge Wölfe hervor, und 
Einfon beftätigt dies, welcher nie mehr ald zwei zufammen fah), fo 
der Schakal und der Wolf, welche nahe genug zufammen treffen, e ine 
mythologiſche Bedeutung gehabt haben. Beine heißen Acgyptiih sb, 
auch der Wolf im Hebräiſchen heißt; doch hieß der Wolf auch | 
(£optiih wonsch), was an das Wort un. ftrahlen over dffnen, exwin ;q 
Gehörte der Wolf zu verfelben Bezeichnung, wozu der Schafal 4 
dann würden jene Wölfe, welche in den Iſistempel geleiten, dad Bel 3 
des Anubis, in die Unterwelt zu geleiten, mit Recht verſehen; denn 
Nachahmung des Rhampſinit, welcher in die Unterwelt gegangen war, Ki „ 
einen Gang in den Amenti darftellen, und der Siu Mutef Einnte 1 
ein Wolfsfopf jeyn ohne dem Anubis fremd zu feyn. Stern feiner M 
aber Eonnte der Hundoſterngott heißen, da der Hundsſtern ver IHRE 5 
theilt ward. *) 
Thueris. 

Eines Kebsweibes des Typhon, Namens Thueris, wird in 
ſpäten Erzählung gedacht, über welche wir bei Plutarch (19) leſen: 
der Kampf zwiſchen Horus und Typhon ausgebrochen, giengen viele 3 
Horus über, und auch des Typhon Kebsweib Thueris, Fam zu ihm; 
Schlange aber, welche fie verfolgte, warb von des Horus Leuten nienFaue " 
gehauen, weßhalb fie jegt noch, fagt Plutarch, ein Seil mitten Ginweriu 
und zerhauen. Dieje Thueris ergiebt fih ganz und gar als eine zu Torgau 
gehörige Göttin, die wir unter dem Namen Thueris, Aegyptiſch Ta⸗ 
d. i. die Starke, oder Apt, d. i. die Große over Hohe, in ven for 
nannten Typhonien ver Aegyptiſchen Tempel abgebildet ſehen. Di 
Typhonien erflärt Champollion für den heiligen Tempeltheil, wo WE 
Söttin des Tempels gebiert, und giebt diefem Raum den Namen Maui 
In dem zu Edfu ift Kindheit und Erziehung des Hor⸗ſent⸗ to bargefelt ſe 
fo wie Euergeted der zweite als Kind. '.Diefe Thueris nun, oder Ay, 
ericheint entweder als aufrechtfiehendes weibliches Nilpferd, vie eine Ham 


*) Die profaifche Erklärung der Heiligfeit des Wolfe lantete, wie wir am ie 
Divdor (1. 88) fehen, dahin, er werde verehrt wegen feiner Verwaudtſcha 4 
mit dem Hunde, mit welchem er ſich auch vermifche. Als mythifchen Grud 
der Aegypter felbft giebt Diodor an, bei einem Einbruch der Aethiopen In 
Aegypten hätten fi große Schaaren von Wölfen eingeftellt und pas feind⸗ 
liche Heer bis über Slephantina hinaus verfolgt; deßhalb Habe der Ayla 
politifche Bezirk feinen Namen von ihnen. (Plutarch [72] fagt, die Ayla 
politen hätten die Schaafe gegeßen, wonach fie alfo den Widdergott nich 
verehrt Hätten.) 


Thueris. 215 


mem Krokodil, welches auf dem Schmanze fteht, in der andern eine 
Meier und drei Sterne hinter dem Kopf, oder bloß als aufrecht⸗ 
web Nilpferd, mit dem meßerartigen Werkzeug, over eben fo mit 
Haus, den Ruhhörnern, dem Globus, dem Uräus, und einem Etreif 
em einen Horn, der es zu einen Monpftreif macht, over als Nils 
mit Brauenfopf, vdenfelben Schmud auf vem Haupt, in der Sand 
Zeichen ded Lebens tragend, oder ald weibliche Nilpferd mit Kro⸗ 
if und dem vollſtändigen Hathorkopfſchmuck, in ver Hand ein Werks 
haltend, welches obngefähr einer Scheere gleicht. Auch war dieſe 
in old Mutter durch den Geier bezeichnet, und hat das Bild des 
8 mit einem Löwen varin in ber Hieroglyphe. In den Hiero⸗ 
ſen der Iſis kommt das aufrechtſtehende Nilpferd mit einem nicht zu 
amenden Zeichen auf dem Kopfe vor, eben fo in’ der Hieroglyphe 
Autpe, two es beidemal dad der Scheere ähnliche Werkzeug hält. So 
ver Gott des Hundsſterns als Nilpferd und Krofopil, wegen ver von 
gebrachten Nilüberfchwemmung erfcheint, eben fo wird die große 
m in Beziehung auf dieſe Ueberſchwemmung unter dem Bilde ver 
iinnbilver wirklich vargeftellt, obwohl der natürlihen Anſchauung 
B, die Nilüberſchwemmung das Zeugenve ift, und ihr Sinnbild daher 
nännlich, nicht auch weiblich vorkommen ſollte. Doch liegt es aud 
arſtellung nicht fern, dem männlichen Nilpferd und Krokodil vie 
‚in gleicher Geftalt zu geben, wie vie Griechifche Mythologie der 
rt, mit welcher der Roßegott Pofeivon die Despoina in Arkabien 
‚ die Roßegeftalt gab, vie ihrem Weſen völlig fremd ift, da fie 
feidvon, als dem Gotte des Waßers zukommt, Demeter aber Göttin 
ve iſt. Da jedoch viefe Thueris eine Leben gebenve Göttin ift, 
ihr die Nilpferdsgeftalt und ver Krofopilkopf in fo fern zu, als 
ißer dad Xeben bezeichnet, wann Nutpe oder Hathor Waßer aus⸗ 
welches die Seelen auffangen, und fo mag die Thueris, oder 
oder Nutpe, in fo fern dieſe das Bild der Thueris in ihren 
phen haben, vorzugsweiſe als eine Geburtögdttin, eine Eileithyia 
porden feyn, und in diefem Sinne mag ber Entbindungdraum der 
diefe Geftalten der Göttin empfangen haben. Zu Silftlis iſt fie 

von Thoth und einer Göttin, welche Wilkinfon (1. 429) für 
yalt, und die Gattin Rameſſes des Großen hält zwei Siftren vor 
n; auch ſah Wilkinfon eine Darftelung dieſer Göttin, wo fie mit 
ia und Hathor zufammen erfcheint. Wir haben in ihr demnach 
m der Gattin des Typhon, die fein Keböweib in der Sage werden 
fobald man die Nephthys, welche ald fein Weib galt, zu einer 
en Göttin machte; allein die große Mutter, wenn fie auch unter 
ı Namen und in verfchievenen Eigenfchaften erjcheint, die aber 
amal weit auseinander liegen, war immer vie nämliche Göttin. 
Geftalt der Thueris over Apt, iſt dargeſtellt in einem aſtronomi⸗ 


Hathor. 


Hathor, Auge der Sonne und Tochter des Ra genannt (zur Ver⸗ 
herrlichung, da der Titel Sohn der Sonne oder Tochter der Sonne den 
Blınz des Königthums bezeichnet), ift zwar feine andere Böttin als Iſis 
elbſt, die Mutter des Horus; weil aber diefe Göttin unter dem angeges 
enen Namen den Griechen, welche darin die Aegyptiſche Aphrodite zu 
zbliden vermeinten und fie daher mit diefem Namen ihrer Mythologie 
enannten, als eine eigene Gottheit erfchien, fo mag von ihr befonvers vie 
Rebe feyn, weil für das mythologifche Verftännnig nichts darauf ankommt, 
v6 dies geichehe, oder ob diefer Name und was daran ſich Fnüpft, mit 
em, was von Iſis folgen wird, abgehandelt werde. Da die Griechen 
Mech auch Iſis unter ihrem Hauptnamen als eine Aphrodite auffaßten, 
ei Cudoxus bei Plutarch (52), welcher fagte, Iſis walte ver Liebe. 
MVlutarch (56) bemerkt, Iſis habe auch Athyri geheißen, was die weltliche 
Behnung des Horus beveuten fol. Da Athyri nichts anders ald eine 
gräcifirte Borm des Namend Hathor ift, welcher in Hat⸗hor zerfällt, fo 
iR Plutarchs Angabe, daß fie ihren Namen in Beziehung auf ven Horus 
babe, ganz richtig; wad aber dad Wort hat in dieſer Zufammenfegung 
bedeute, ift nicht mit Gewißheit zu fagen und man findet ven Horus aud) 
Hor⸗hat benannt. Die Namenshieroginphe ver Hathor fpricht ganz und 
gar für die von Plutarch angegebene Deutung; denn dieſe beſteht in einem 
Haus, worin ein Sperber, dad Bild des Horus ſich befindet. Sie wurde 
aber, was ganz natürlich ift, fo fehr in ihrer Beziehung zu Horus, ald 
ver vorberrfchenven, aufgefaßt, daß man fie fogar ald Sperber mit Men- 
ſchenkopf (morauf die Kuhhörner mit der Sonnenfcheibe dazwifchen gebildet 
find) darftellte, wie fie bei Wilkinfon (Tafel 36) zu fehen ifl. Bon biefer 
Göttin hieß ver dritte Monat des Aegpptifchen Jahres Athyr, wie das 
Briehifche Etymologicum aus Orion angiebt, welcher fagte, der Monat 
heiße Athyr nach Athor, welches ver Aegyptifche Name der Aphrodite fey. 
deſychius fagt, Athyr fey bei ven Aegyptern ein Monat, und die Kuh, 
worin zwar gefehlt ift, der Fehler aber einen naheliegenden Grund hat; 
denn gerade unter dem Namen Hathor befaß Iſis vorzüglich die Kuh als 
heiliges Sinnbild. 

Die Bedeutung dieſes Sinnbilds ift Elar. Die Kuh ward als Gebäh- 
terin und Nährerin zur Darftelung der gebährenden und ernährenden 
gtoßen Mutter gewählt und dieſer geheiligt, und daher Fam es, daß jede 
Göttin, indem man ihr die Kuhhörner auf das Haupt ſetzte, damit ald 


2230 Hathor. 






















eine gebährende und mütterliche bezeichnet ward, weßhalb man fo mand 
Bild der Gdttinnen mit diefen Hörnern ausgeftattet fieht, zwifchen weld 
fih die Sonnenfugel ald das Sinnbild des Königthumd findet. H 
(2. 41) meldet: Kühe dürfen die Aegypter nicht opfern *), da fie ver 
heilig find, und alle Negypter dieſe auf gleiche Weife vor allem Vieh 
weitem am meiften verehren. Deßhalb Füßt aud Fein Aegypter, 
Mann noch Weib, einen Hellenen auf ven Mund, noch bevient er 
ded Meßers, oder der Bratſpieße oder des Keßels eines Hellenen, oder 
von einem reinen Stier, wenn ed von einem Sellenifhen Meßer geid 
ten iſt. Die geftorbenen Rinder aber begraben fie auf diefe Weife: 
weiblichen werfen fie in ven Fluß, die männlichen vergraben fie vor 
Städten, fo daß das eine Horn oder auch beide zum Zeichen hervorf 
Wann fie nun verfault find und die beftimmte Zeit gefommen tft, 
erfcheint eine Barke aus der auf der Infel Proſopitis im Delta Liegen 
Stadt Atarbechid, wo ein Aphroditetempel ift, (Strabo 802 fagt, im fi 
fopitifchen Bezirk fei die Stadt der Aphropite), bei jeder Stadt, ik 
viele aus Atarbechis, die einen hierhin, die andern dorthin fahren. Ne 
dem fie dann die Gebeine audgegraben, führen fie fie weg und begraili 
fie an einem Ort. (In wie weit Herodotd Angabe fireng der Wahrfl 
gemäß oder zu befchränfen jey, Fönnen wir in Ermangelung andenweitig 
Nachrichten nicht beitimmen. Uuf feinen Val aber war das, was M 
meldet, jederzeit ohne Ausnahme; denn man hat zu Theben und ande 
wärts Mumien von Kühen ſowohl als von Stieren gefunden.) 


Die Rinder alfo famen nach Atarbechis, welche Stadt ihren Namd 
von Hathor hat; denn Atar ift der Name Hathor, da die Griechen vas U 
in Aegyptiſchen Namen ausließen, wie fie Oros flatt Horus, Ar=veris, ſtall 
Har- ur oder uer fagten, Iſis ftatt Hes, Oſtris ftatt Hesiri, und fomit zeigt 
ſich auch durdy die Sorge, welche der Hathorftabt für die Rinder oblag, 
daß die Aprodite Hathor die Iſis war, welcher vie Kuh als Sinnbik: 
gehörte. Wie ſtreng es aber mit dem Nichttödten der Kühe gehalten mark; 
geht für und aus dem, was Herodot (2. 18) überliefert hat, hervor. Einſt, 
erzählt ex, wollten die Bewohner von Marna und Apis, zweien Aegyptiichen 
Städten an der Gränze von Libyen, welchen es eine zu fchwere Laft zu 
feyn fchien, Feine Kühe eBen zu dürfen, Feine Aegypter, ſondern Libyer 
feygn. Sie fandten daher zum Ammonifchen Drafel und erklärten, fie 
hätten nichts mit den Aegyptern gemein, denn fie wohnten nicht im Delta 
und flimmten nicht mit ihnen überein, und deßwegen wollten fie, es fole 
ihnen erlaubt feyn, von Allem zu eben. Der Gott aber gab ed nicht im 


*) Porphyrius über die Enthaltfamfeit (IT. 11) faat auch von den Phöniciern, 
daß fie durchaus das Fleifch der Kuh nicht aßen. 


Hathor. 221 


w fagte, Aegypten fey, was ver Nil bewäßere, und Aegypter ſeyen bie, 
relche unterhalb Elephantina wohnen und das Waßer des Flußes trinken. 

Sp wie nun Hathor mit den Kubhörnern und der Sonnenfcdeibe 
Bazoiichen dargeftellt wurde, wozu noch öfter zwei lange Federn, oder zwei 
Puraußfedern als Schmud Eommen, erfcheint fie auch mit dem Kuhkopf, 
FM Kuh mit Menichenkopf, Hörnern und Uräus, und felbft ald Kuh mit 
hem Schmud der Sonnenicheibe und ben Federn. (In der älteren Zeit 
ue die Hathorkuh die langen Federn, Hathor aber felten vor der Ptole⸗ 
it, und ed maren biefe Federn ein Schmudf der Königinnen in der 
taonenzeit.) Diefe Kuh ward fogar dargeftelt aus der Perfea, dem 
Bendbaume hervorkommend, von welchem Plutarch (63) fagt: von den 
Beasptiihen Gewächſen foll vie Perſea ver Iſis am meiften geweiht gewefen 
u, weil ihre Frucht dem Herzen, ihr Blatt der Zunge gleicht. Wir 
aben fhon oben gefehen, daß die Uegypter die Perſea zum Lebensbaum 














mt hatten, und jo ift ed eine natürliche Darftellung, vie Kuh des 
a dem Baume des Lebens hervortreten zu laßen, wodurch ver 
trif des Lebens, un welchen es fich in viefer Darftelung handelt, vere 
It auögenrüct wird. Die Hathorkuh aber erfcheint nicht von Farbe 
ww andere Kühe, fondern mit Flecken überfäet, welche Grad und Gewächſe 
Heilen, fo daß fie alio damit bezeichnet ift, ald Die Gdttin, welche vie 
hͤchſe hervorbringt, ald Die Erve, und fogar der Perfeaftamm ift mit 
feſchen Flecken uͤberdeckt. Der Frauenkopf mit Kuhohren an den Säulen- 
eepitälen zu Tentyrid, Ibfambul und andenrärts mag ebenfalld Hathor 
borſtellen. Auch unter dem Namen Hathor war Iſis die Göttin des 
Beiten, wo die Erde die Sonne aufnimmt nnd der Amenti if. So ſieht 
san fie dargeftellt mit dem auf der Fahne ded Weiten figenden Sperber, 
eben welchem eine Straußfever ift, welches Bild den Weften bezeichnet, 
uf dem Haupte, fo daß demnach dieſe Hieroglyphe ſie tie Göttin des 
Beiten nennt. Ein Papyrus nennt fie auch) Sme over Mei im Lotus 
nd Waßer des Welten (und Neith im Oſten). In Theben war fie die 
dättin des Weſtens von Theben, weldyer daher den Namen Pathyris hatte, 
.t. der Hathorbezirf und die hinter dem Weftberg hervorfommenve Kuh 
er Denkmäler fönnen wir ald die Hathorkuh anfehben. Auch fie giebt 
en Seelen Leben, man ſieht fie in Gräbern dargeſtellt figend auf dem 
ebensbaum, Waßer gießend, welches unten eine Seele auffängt. 

Zu Theben, Memphis und fonft wird fe die Herrin von Het genannt, 
nd Nutpe führt denfelben Namen, und diefer war in der Aegyptiſchen 
henennung von Groß -Apollonopolis, welches jegt Edfu heißt, wo Hathor 
it Horhat und Hor=fent=to verehrt ward. Auch heißt fie Herrin von 
Shmun. Zu Tentyris, einem Kauptorte ihres Cults, erjcheint fie ven 
jorus unter dem Namen Abi, d. i. Helfer, nährend, wie man Iſis mit 
em Kuhhaupt und dem Hathorkopfſchmuck ihn an der Bruſt naͤhrend fleht. 


29323 Rathor. 


Des Iſistempel befand ſich hinter dem der Aphrodite zu XTentyris, fi 
Strabo (815), fo daß alſo Iſis in viefer Stadt Tempel unter zweien ihri 
Ramen hatte. Nach dem Iſistempel aber erwähnt Strabo der fogenunntil 
Typhonien. An dem Hathortenipel zu Denverah ftellen vie Gapitäfe 
Bortempels vier Frauenkoͤpfe dar, über welchen der Würfel einen Tu 
vorſtellt, aljo Hathorköpfe. in Eoloffaler Kopf der Art ift im Ark 
des Vortempels, ein foldher auch an dem bintern Bebäude in ver DELL 
fo wie an vielen Orten. Zu Tentyra war der Iſistempel Kleiner al 
Hathortempel, aljo ward die Eigenjchaft, welche Iſts als Hathor 5 
vorzugsweiſe in biefer Stadt vereht; auf der Infel Philaͤ dagegen ge ii 
der Haupttempel dem Iſis⸗Oſiriscult, der Tleinere aber, welcher 
öftlich vor dem großen fland, gehörte der Hathor, wie ſchon aus den 
tälen zu ſehen it, und die Infchrift beſagt, nach welcher Ptolemiu 
Eleopatra ihn der Aphropite weihen. Der Tempel zu Debud war ge= 
von Atharammon (um die Zeit des Ergamenes) dem Ammon, dem IM 
von Tebut und der Hathor, und nachträglich dem Oſiris und ver Sie 
diefer Tempel war fortgejegt worden unter Auguftus und Tiberius, SM! 
jedoch beendigt zu werden. Aelian (10. 27) giebt an: in dem Bei" vage 
Hermopolid lag ver Flecken Chufai, wo Aphrodite Urania verehrt SUME 
und eben bafelbft verehrte man eine Kuh, welche dieſer Gottin für Heil 
gegolten haben ſoll. Diefe Kuh ſoll beſonders brünftig feyn, fo daß A 
das Gebrüll eines Stiered ſchon aus einer Entfernung von dreißig Stac 
hört. Zu Momemphis, giebt Strabo (803) an, werde Aphropite verehs 
und eine heilige Kuh gehalten, Diodor aber (1. 97) erzählt, bei Momen® 
phis ſolle ed ein Velo geben, welches man dad der goldenen Apbreie 
nenne. Oberhalb Memphis, meldet Strabo (809), lag Aphroditeſtadt in 
dem Theil, welchen man Arabien nannte, und dort ward eine weiße heilig „” 
Kuh gehalten. Zu Karnaf jteht man Hathor bei Phthah, und zu Her⸗ 
monthis zeigt fie den jungen Horus dem Muntu. Zu Senem bei Phi, \ 
wo fie einen Tempel hatte, wird fie Herrin aller Götter genannt. Ya 
ihrem Tempel in Philä aus fpäterer Zeit fäugt fie ven Horus und heit 
Amme, Gattin, welhe Himmel und Erde mit ihren Wohlthaten erfüllt 
Zu Ombos neben Sebaf und Khunfu ift fie fchon oben erwähnt worven.' 
Zu Abſchek (Ibſambul) erjcheint fie in dem von der Gattin Ramſes veh 
Großen geweihten Tempel ald eine Kub in einem Boot, über weldyem 
Waßerpflanzen gewölbt find, der König und die Königin bringen ihr 
Blumen und Spenden dar, und an dem oberen Ende des Allerheiligften 
im Tempel ift dad Vordertheil einer Kuh mit ver Sonnenfcheibe und ben 
Hathorfedern, die Infchrift aber lautet: Hathor vie Herrin von Abufchel, : 
dem Ausland; denn Abufchef lag außerhalb Aegypten, wiewohl es von 
den Pharaonen beherricht ward. 
Daß die Griechen dieſe Form der Iſis für eine Aphrodite nahmen, 






















Sathor. 293 
















Miee ihnen nahe Tiegen, wenn Hathor eine Mutter des Lebens war, und 
ſolche war fie; doch an die Aphrodite der Homerifchen Poefte und 
andern Briechifchen Poeſie darf man dabei nicht denken, ſondern an 
Aphrodite Urania, wie wir fte im Peloponnes, auf Kypros, Kythere 
Rn Sicilien auf dem Berge Eryx verehrt fehen, fo daß Aelian in ver 
a angeführten Stelle ſich nur vollſtändig ausdrückt, wenn er viele 
Jetiſche Böttin eine Aphrodite Urania nennt. Hatbor aber ift nicht 
keint in der Erzählung Herodots (2. 112), welche angiebt, der Aegyp⸗ 
Me Adnig Proteus aus Memphis habe in viefer Stadt ein ſchoͤnes Hei⸗ 
yon gehabt, füdlich dem Hephbäftostempel gelegen. Um daſſelbe herum 
men Phöniker von Tyrus, und man nannte dieſen Ort das Lager ber 
Bier. In dieſem Heiligthum des Proteus war der Tempel der fremden 
hrodite welche Herodot darum für die Helena hält, weil Aphrodite fonft 
den Beinamen der Fremden bat. Strabo (807) bemerkt über viefe 
a, daß Manche fie für die Selene hielten. Daß fie Feine andere 
a als die große Syriſche Göttin, die Aftarte, läßt fich nicht bezwei⸗ 
Mid die Auslegung, fie fey eine Monpgöttin, gehört der fpäteren 
m der Griechen an. Aber wie gejagt, Hathor war biefelbe nicht, 
Rmivrüklich fremd und zwar eine Göttin der Tyrier genannt wird. 
”Sathor aber wirklih auch als Göttin der Kiebesfreude genommen 
%, zeigen die ihr in den Infchriften gegebenen DBenennungen einer 
m des Scherzed und des Tanzes, jo wie auch, daß fie Stride in dent 
halt, die fich füglich als Stride ver Liebe deuten lagen. Au 
Tamburin gab man ihr in die Hand. Wenn Plinius fagt, ver Planet 
ms gehöre der Iſis, fo ift das eine fpäte Anſicht, welche vielleicht nicht 
geringfte Beziehung auf vie als Aphrodite geveutete Hathor hat. 
Haben wir num gefehen, daß die Kuh das eigentliche Bild ver Hathor 
(und in den Iodtenpapyrus trägt eine heilige Kuh dieſen Namen), fo 
gnet und doch noch ein Geſchoͤpf, welches, wenn es auch nicht ihr 
nbild geradezu geweſen ſeyn ſollte, doch Beziehung zu ihr erhielt. Aber 
egegnet und nicht auf ven Aegyptiſchen Denfmälern, fondem in Bronze« 
en und im Tempel der großen Dafe. Es ift diefes der Fiſch Oxyrynchos, 
her fih in einem Bronzebild mit den auf dem Haufe befinvlichen Kuh⸗ 
ern, zwifchen welchen die Sonnenfcheibe ſich befindet, nebft dem Uräus 
‚ alfo mit dem Kopfſchmuck der Hathor, ald ein göttliher Fiſch zeigt. 
vem Tempel der Dafe ift er abgebildet und unter ihm die Hieroglyphe 
Namens der Hathor, dad Haus mit dem Sperber, abgebildet bei Wil- 
n (2. ©. 250). Wie alt dieſe Darftelungen feyen, vermag man nicht 
seftimmen; aber daß dieſer Fiſch in einer fpäten Zeit der Hathor 
bt worden ſey, ift fo wenig wahrfcheinlih, daß man ed faum für 
ih Halten kann. Wir finden in Uegypten Heiligkeit ver Fiſche und 
de der Oxyrynchos wird in der Iſis⸗Oſirisſage genannt; dieſe Sage 


294 Sathor. 
e 


aber ift eine bedeutende Umänderung der Aegyptiſchen Mytho 
nicht von innen heraus ftatt gefunden, ſondern durch den Einfluß 
Aften blühenden Cults ver großen Naturgdttin, welcher auch die 
als ein Hauptfinnbilo geweiht waren, megen ber Beziehung ded 
zu den SHervorbringungen der Natur. Dieſem nämlichen Einfluß u 
wir berechtigt feyn, was von Verehrung der Fifche in Aegypten vorke 
zuzuſchreiben; denn nur in dem Kreife der Iſisſage ift die R 
folhen, nicht aber in dem, was man als ältere Form ver Aegh 
Mythologie betrachten darf. Strabo (812) fagt, die Aegypter 
den Lepidotos (Schuppenfiih) und den Oxyrynchos (Spigichnauge), Sg 
der Aleranpriner (S. 11) nennt den Fiſch Phagros zu Syene v 
(einer Stadt Phagroriopolis in Unterägypten gedenkt Strabo 803] 
den Fiſch Mäoted zu Elephantina, wie auch Aelian (10. 19) am 
welcher fagt, daß fie dad Anfchwellen des Nil verfünden, mas wohl 
Erklärung ihrer Heiligkeit feyn fol, ven Schuppenfifh aber und 
nennt Herodot (2. 72) als dem Nil geheiligt.. Zu viefen it n 
Fiſch Latos zu fügen, der in Latopolis, welches feinen Namen u 
hatte, beilig war. 

Plutarch (7 und 18) erzählt und: nicht aller Seefifche enthalkt 
alle Aegypter, fondern einiger. So enthalten fich vie Oryryndhite 
mit der Angel gefangenen Fiſche; denn ſie verehren den Dryr 
genannten Fiſch und beforgen nun, ein folcher möge an die Angel g 
men feyn. Aelian (10. 46) fügt hinzu, die Oryryndhiten gäben vor, 
Fiſch ſey aus den Wunden des Oſiris entflanden. Die Syeniten ent 
fidh des Phagros; denn er fiheint mit dem wachjenden Nil zu fo 
um feine Zunahme zu melden. Die Priefter enthalten fih aller i 
und während die andern Aegypter am neunten Tage des erften V 
vor ihren Thüren gebratene Fiſche eßen, verbrennen die Priefter die 
vor ihren Thüren. Dieſes gefchieht aus einem heiligen Grunde, we 
Zepivotod, Phagrod und Oxyrynchos von dem zerflüdten, in der 
geworfenen Oſiris gefoftet hatten, weßhalb auch vieje von ben eg! 
am meiften verjlucht werden. Zweitens aber ift ver Fiſch eine überf 
Speije, und überhaupt glauben fie, dad Meer flamme vom Feuer uı 
fein Elentent, ſondern fey ein Auswurf, der verporben und Eranfhaı 
Glemens der Alexandriner (S. 305) bemerkt auch über die Vriefter, 
rühren fie nicht an, aus andern Gründen der Sage, beſonders aber, 
ihr Genuß fchlaffes Fleiſch macht. In diefen Angaben ift ver Grunt 
die Prieſter Leine Fiſche aßen, weil fie fchlaffes Fleiſch machten, ein 
deutenvder Erklaͤrungsverſuch, daß aber die Aegypter ven Lepidotos, 
grod und Oxyrynchos beſonders verflucdht hätten, ein faliches Mäh 
weil ed unmöglih if, daß ein heilig verehrter Fiſch geradezu ve 
worden wäre Man wollte aber erklären, warum ſich die Brief 


Sathor. 225 


ganz enthielten, und ganz eben fo gieng es mit dem Verſuche 
liren, warum fich die Priefter an den Tagen ver Enthaltfamtfeit 
sales enthalten mußten. Plutarch (32) fagt in dieſer Hinſicht: 
I werde ald Nil gedeutet, Typhon als Meer (beives ift faliche 
ing) in welches fallend ver Nil zerrißen werde und umfonme. 
r verabicheuten die Priefter das Meer und nennten das Salz den 
m Typhons und dürften fein Salz auf ven Tifh flellen, auch 
a fie darum Feine Schiffsleute an und verabfcheuten deßwegen 
Bid, und fein Bild diene zur Bezeichnung des Haßes. Dazu 
Plutarh, daß die Potbagoräer (Pythagoras ſollte ja Weißheit 
tgupten gelernt haben) dad Meer vie Thräne des Kronos nennten, 
tend, ed fey nicht rein und und nicht verwandt. Ob der Fiſch im 
meinen ein Bild des Haßes gewefen, muß man durchaus bezweifeln, 
an dem einen Orte dieſe, an dem andern eine andere Gattung 
geweien, und man auch Fiſchmumien in den Gräbern findet und in 
alpturen der Thebiſchen Gräber fogar eine Gottheit mit dem Fiſch⸗ 
ws nicht auffallen Fann; denn da mehrere Fiſche geradezu heilig 
ho müßte es eher auffallen, ihnen gar nicht in den aus ben 
und der menfchlichen Geftalt zujammengefegten Darftellungen ver 
fen zu begegnen. Aber dieſer Biichgottheit ihre Stelle anzumeifen 
vas Näheres darüber zu fagen, ift unmöglich, über ihre Bedeutung 
jemeinen aber kann faun ein Zweifel feyn. Den Tod umgab ber 
r durchaus mit den Bildern des Lebens und ber Bortpflanzung, 
ewige Leben ver Seele bezüglich, und fo ift an ein Bild des 
welches ver Fiſch geweſen feyn fol, in den Gräbern nicht zu 
wohl aber an ein Bild ver Vortpflanzung und des Lebens, ala 
ver Bifch gewiß in Aegypten verehrt warb, weil aus dem Waßer 
n feimt, weßhalb ja des Oſiris Schaam bei jeiner Zerftüdelung 
Baper fommt; denn wann die Natur erftirbt, lebt Die Zeugefraft 
er fort. 
aus, daß Hathor mit andern Gottheiten in Verbindung gefunden 
nicht immer zu ſchließen, daß fie mit der Gottheit, bei welder 
efindet, in einem beſondern Verhältniß geftanden habe; denn die 
n finden fi) auch zuſammen ohne ein foldyed. So find Hathor 
u zu Mevinet- Habu zufammen, halten ſich an der Hand und 
n König Thuthmoſis zum Lebensbaum, auf depen Blätter Ammon 
amen fchreibt, währen fünf und zwanzig Götter in zwei Reihen 
find. Hier erfcheint fie als Lebensmutter, und Atmu muß eben« 
e Beziehung zum Leben haben, doc fie ift Atmus Gattin nicht. 
ıphi8 fand Champollion (Aegyptiſche Briefe 4) Spuren eine 
durch Ramſes den Großen dem Phthah und der Hathor geweiht. 
Eleinen Tempel in dem Thal hinter vem Amenophion, wo Ammon, 
15 


2236 Iſis, Oſiris, Horus. 











v 


Mut und Khunſu und zweitens auf der Seite nach Hermonthis die d 
Gottheiten, Muntu, Ratet und Harpira verehrt wurden, war Sather . 
ber Ma Hauptgoͤttin; denn biefe beiden empfangen bie erften Darbringung 
Die Infchrift Tautet jedoch: der König, Gott Epiphanes, der 
Phthah Ter Bewährte, das lebende Bild des Ammoın=- 
der Geliebte der Gdtter und der Bdttinnen Mutter, 
DVielgeliebte vesAmmonsra bat dieſes Gebäude ausfi 
laßen zur Ehre des Ammonsrau.f.w, um für immer 
Lebens theilhaft zn jeyn. Aber an ver linken Seite laute 
Infhrift: der Sohn der Sonne, Ptolemäud der im 
Lebende, der von Phthah geliebte Gott u. f. w. der | 
geliebte ver Hathor, hat dieſes Gebäude ausführen Tommi 
zur Ehre feiner Mutter, der Herrfherin des Weiten, 
für immer des Lebens theilhaft zu ſeyn. Ferner beim 
Oattin des Königs (Kleopatra, die Vielgeliebte ver Ma) die Herr 7 
rin des Weften (vd. i. eine Hathor; denn Hathor ift Göttin des 

und des Amenti, und darum ift Ma, vie Gerechtigkeit, die Gottic 
Amenti mit ihr in Verbindung). In dem Tempel ſelbſt findet kam 
Infrift: Zur Ehre feiner Mutter Hathor, der Herrſch 
des Weiten. 

(Die Todtenbüher zeigen fleben Kühe und einen Stier, und F 
wir auch diefe Kühe nicht geradezu ald Bilder ver. Hathor betramd 
müßen, fo koͤnnen ſie doc faum anders in den Amenti gefommen fe 
denn als Bilder der gebährenden Göttin, von welcher auch im A 
die Fortdauer des Lebens abhängt. Abends empfängt die Mutter Gi 
die zur Nuhe gehende Sonne im Weften, und Morgens gebiert 
wieder die Sonne ald jungen Tag; wenn daher dad Verhältniß and 
gedrückt werden fol, es gebähre die Kuh, das Sinnbild ver End 
die fleben Tage des Wiertelmonats, fo kann dieſes nur durch ſiebe 
Kinder derfelben ausgedrückt werden, falls vie Tage felbft dvargeſtel 
werben follen, und anvererfeitd durch fleben Kühe, wann das Gebährr 
der Tage oder ihre Urfprung Zwer der Darftellung feyn fol. Da e 
aber fein Leben giebt ohne Zeit, fo muß auh im Amenti für da 
dortige Leben Zeit in ununterbrochener Reihe fen.) 


Sfis, Dfiris, Horus. 


Der Eult ver Iſis, welcher ven Oſiris und Horus in fich einfchliek 
war der allgemeine, an feinen bejondern Ort gebundene des ganze 
Negyptenlandes, wie Herodot (2. 12) meldet. Don den Griechen ab 


$fi8, Oſiris, Horus. 227 


x Jis Demeter, Oſiris Dionyſos und Horus Apollon genannt. Die 
ſelben zu Grunde liegende Idee, welche zum Mythus ausgebildet 
den iſt, zeigt ſich als eine ſehr einfache, und als diejenige, welche 
chaupt der Aegyptiſchen Raturreligion als ihr vorzüglichſter Gedanke 
nit Naͤmlich die große Mutter Natur gebiert alle Jahre ven 
‚gen, dehßen alle Gefchöpfe bedürfen, fie ift vie Mutter und Nährerin 
Allem, und hat einen Gatten, welcher diefen Seegen mit ihr erzeugt. 
dorm aber, in welcher vie Aegyptiſche Naturreligion in dem Iſiscult 
eint, ift die jüngfte (mie denn Herodot belehrt ward, Oſiris gehöre 
ı dritten Götterfreife an, welcher der legte war) und trägt das Gepräge 
8 fremden Einflußes, welcher ald ein Aflatifcher bezeichnet werben 
n. Diefer fremve Beſtandtheil ift der Tod des Oſtris und die Trauer 
Ms, welches Verhältnig außerdem in der Aegyptiſchen Mythologie 
ſt zu finden iſt, jedoch dem Cult ver Aftatifchen großen Mutter in dem 
hes von Adonis und Aphrodite zugehört, und mithin aus Aften nach 
men gebracht feyn muß. Der Iſismythus nun ſelbſt nennt Phöni- 
Kl das Land, wohin der todte Dftris gekommen fey, und woher 
Wi Reiche geholt habe, was nicht eine fpäte gräcifirte Sage feyn 
W, weil die Rückkehr der Iſis aus Phönicien im Cult vorfam. Diefer 
nß auf die Aegyptifche Mythologie muß, wiewohl wir die Zeit genau 
efimmen, nicht vermögen, als ein alter angefehen werben, benn bie 
mäler fegen viefen Mythus über taufend Jahre vor unferer Zeitrech« 
hinauf. Durch die Aufnahme vom Tode des Oftris in den Cult, 
t Aegypten aus einem guten Gott, einen bdfen, nämlich den argen 
n, welcher vorher der Seegensgott der Nilüberfhwenmung gewefen 
und nunmehr der Mörder des Oſtris ward. Gin ſolches Verhältnig 
einer alten Naturreligion höchſt merkwürdig; denn feine verfelben, 
fih unter den Semiten, den alten Uegyptern, den Griechen und 
n entwidelt haben, Fennt den Dualidmus von einem guten und 
böfen Gotte, fondern der nämliche Gott gewährt Seegen und fenvet 
ben, fo daß man feine Gnade erfleht und feinen Zorn fühnt. Wie- 
un Typhon in einzelnen Gulten fein altes Recht ald Seegendgott 
tete unter einigen feiner Namen, fo ward er doch im Allgemeinen, 
er die Nilüberihwemmung bringende Hundöſterngott zn bleiben, 
iotte der ungefunden, trodenen Hige, welche längere Zeit vor ver 
rſchwemmung zerftörend wirft, gevichtet, und verlor fo fehr alles 
eines Weſens, daß er ein durchaus böfer, ververblicher Gott ward, 
dem guten Gotte, dem Oſiris nachitelt und das Leben ver Natur 

Diefer Dualismus hat aber auch dad Eigenthümliche, daß fih 
ttliche Idee dabei geltend gemacht hat, over jemald daran geknüpft 
it, denn nur was in der Natur Schäpliche8 und Nachtheiliges 
id, galt für Typhoniſch, aber im Gebiete des Sittlichen hat dieſes 

15* 


228 Iſis, Oſiris, Horn. 


keine Stelle, und er übte weder Einfluß noch Herrſchaft über die S 
aus, um dieſe in das Verderben zu bringen. 

Was der Name der Iſis, Aegyptiſch hes, bedeute, Eönnen wir 
mit Gewißheit ſagen; da aber der Thron ihr Namenſinnbild iſt, 
fie Häufig auf dem Kopfe trägt, *) und alſo hes heißt, fo Fönnte ſie 
die thronende Göttin bezeichnet feyn, doch heißt auch hes fingen, 
das Bett führt denfelben Namen. Unter folden Umftänden müßen ı 
natürlich eine genaue Beftimmung unterlaßen.**) Tauſend und taufendn 
nennt Plutarh (53) die ©öttin, und eine große Menge von vo 
nungen diefer Hauptgöttin Aegyptens kann nicht bezweifelt werden. dr d 
nennt und dieſer Schriftiteller nur wenige derfelben, ald (56) RM 1 
Mutter, Methyer, was Fülle und Urfache beveuten fol, aber num 
Mut=uer, große Mutter, entftanden feyn fann, und brittend Ath 
was aus dem Namen Hathor gräcifirt ift, und irdiſches Haus des m 
erklärt wird. Unter ihren Namen ijt noch einer, unter welde—um 
befonvders eine eigene Geltung gehabt haben mug, nämlid Term 
denn der Niların der Sebenytifchen Mündung heißt bei Ptolenäus ll 
der Thermuthiſche, und Aelian nennt die Adpis der Ifisbilver Tamm 
this ; fo aber fann die Schlange nur von der Göttin ſelbſt heißen, 
der auch bei Iojephus die Königdtochter heißt, weldhe ven Moſes* 
dem Waßer rettet. Diejer Name ift aus er mit dem weiblichen A 
t-er und mu-t Mutter gebildet, und der achte Monat Pharmuthi — 
von diefer Er-mut genannt jeyn, denn er zeigt den Artikel pha- 
ermut als Bejtanptheile feines Namens, wie der Monat Phamenoth 
der Menut, Menuthis, feinen Namen bat. Als Göttin mit dem God 
pion, heißt fie Serk (Selk), zu Pſelkis beſonders verehrt; und mag N 
Serk auch als eine befondere Form erfcheinen, fo fann fie doch nur dB 


— 


*) Aelian (10. 31) nennt das Haupt der Ifis mit der Aspis befränzt, u 
mit Geierfedern geſchmuͤckt. Der Geier zeigt fie ald Mutter, der Uräus al 
Königin, und fie hat dies mit andern Göttinnen gemein, worüber ob 
ſchon öfters die Rede war. Sieht man fie mit dem Kopfichmud der Nephtät 
und der Hathor, ſo waren diefe nur Formen der Iſis, wie in der Myth 
logie derfelben bemerft worden if. Manchmal bat Ifis ven Geier a 
Kopfbedeckung, was Aelian (10. 22) faͤlſchlich auf die Iſis befchränft. 3 
Philä aber ericheint fle auch mit der Waßerpflanze auf dem Haupte. 

++) Manche Ausleger erklärten, wie wir aus Diodor (1. II) erfehen, ven Nam 
Sfts, als bedeute er Alt, indem fie meinten, fie heiße fo als die ewig 
alte Zeugung; denn fie fei der Mond, weßhalb fie Hörner Habe, die fie au 
noch darum habe, weil ihr die Kuh geweiht fey. Aegyptiſch bedeutet: 
den Vorfahr, und Foptifch Heißt as, es, alt; aber viefes Wort, obgleich ı 
zur Beflätigung einer Meinung von Iſis dienen follte, hat mit ihre 
Namen nicht irgend eine Berwandtfchaft. 


Iſis, Oſiris, Horus. 290 




















Me dorm der großen Mutter angefehen werden, und da Iſis ebenfalls 
We große Mutter ift, fo eignet fich die Benennung Iſis⸗-Serk ganz gut. 
he Bedeutung des Sforpions jedoch ift unbekannt. Auch heißt Iſis vie 
Rähtige, vie Hek, was wohl Serrfcherin bedeutet, und Sothis, Hunds⸗ 
ern, in welhen ihre Seele gefommen feyn follte, wie Horus in ven 
Prion, Typhon in das Bärengeftirn. An dem fogenannten Memnonium 
heben ift ver heliafifche Aufgang des Sirius unter dem Namen und 
x Geftalt ver Iſis dargeſtellt, mobei die zmülf Monate in drei Abthei⸗ 
gen fih finden, als die vier Monate der Waßerpflanzen, vie vier des 
gend und Die vier des Waßers. Iſt nun der Thron auf ihrem 
upte nihtö weiter, als das Zeichen ihres Namens, fo ift dagegen die 
h ihr wirkliches Sinnbild, um ſie als die gebährenne, mütterliche 
wettin zu bezeichhnen. Das Bild der Iſis, fagt Herodot (2. 41), ift 
dar das eines Weibes, hat aber Rindshoͤrner, wie Io gebildet wird. 
Br ſehen fie auch wirklich nicht bloß mit dem Kopfſchmuck, von welchem 
PR vr Hathor die Rede gewefen ift, ſondern feldft mit dem Kuhfopf, 
Wehen Heinen Horus fäugt; aber fie erfcheint auch nur mit dem 
Fire uf dem Kopf, und wir finden in ihren Sierogiyphen das Bild 
Ber Nhferbgöttin, deren Bedeutung oben fchon erörtert wordon iſt. Leber 
We heiligkeit der Kuh, woraus die der Iſis hervorgeht, ift die Rede gewejen, 
pa der Mnthologie der Hathor. (Da fie die heiligfte, Höchfte Gdttin war, 
PP mußte natürlich ihr Sinnbild auch allgemein in der höchften Heiligkeit 
Pin; ob aber die Heiligkeit der Iſis wirklich fo weit gewirkt habe, daß 
" Diodor (1.26) fagt, die Königin höher geehrt ward, ald der König 
Su das MWeib in den Ehepacten vie Herrfchaft über den Mann erhielt, 
vollen wir dahin geftellt ſeyn lafien, denn der Gewährömann ift Feine 
here Bürgfchaft. *) Wenn wir Iſis geflügelt fehen in ven Abbildungen 
id mit ihren Schwingen den Oſiris beſchützen, fo erfcheint fie da mit 
n Zeichen des Schutzes, den Geierfittigen, weil der Geier das Bild ver 
utter war, und diefe eine ſchützende ift. Sie heißt daher auch eine 
hügerin ihres Bruders, und wir fehen fie denfelben auch als Ptah- 
fari- Ofiris beſchützen. Die Koptiten ehrten und vergötterten bie 
blihen Gazellen, als Thiere der Iſis, die männlichen aber opferten 
fagt Aelian (10. 23.) Wir haben oben gefehen, daß Renpu die 
sefle hat, man findet fie auch (falls man das Bild nicht für einen 


*) Diefer höheren Ehre der Königinnen entfpricht es eben nicht, daß in den 
Königsliften der Tempel zu Theben und Abydos die Königinnen nicht 
erfcheinen, wiewohl deren geherrfcht haben. Da Iſis die Schwelter des 
Ofiris war, weil beide einer Gdtterreihe angehörten, die man als Gefchwifter 
dichtete, fo heißt es bei Diodor (1. 26), daß in Aegypten die Gefchwifter 
einander geheurathet hätten, weil es der Iſis fo gut geglüdt fey. 


230 Jtiis, Diiris, Horus. 


Steinbod nehmen mil), an dem Boote des Phrhab, ohne vie Anwe 
tung dieſes Thieres, ald eines Sinnbiles erklären zu können. Horape 
hätte es nicht für ein Sinnbild io übler Art ausgeben Eönnen, als er 
getban! wie oben bemerkt worden ift, falls es in einer nur etwas ve 
breiteten Verebrung geflanten. Die Tentmäler beitätigen nidht, 
Helian tagt, welcher ein ipäter und nicht boch anzuichlagender Gewäh 
mann if. Gin Sinnbild ver Iſis aber mug der Sforpion geweſen jene 
Zu Pielkis war die Skorpiongöttin, eine Gortheit mit dem Sforpion ff 
dem Haupte, welcher ihren Namen bezeichner, denn fie hieß Serk, Sei 
und jo beißt der Skorpion, von ibr aber mag Pſelkis die Stadt 
Selk ven Namen haben; denn tie Eelf für eine Gottheit zu nehme 
welche nur als Ortögdrtin gerichtet worden wäre, gebt nicht an, weil Si 
in Amenti vorfommt, und der Sforpien dfters Ifis-Serk genannt wi 
Auch fommt fie in ver oben bejchrießenen Tarftellung des Sonnen 
vor, wo fie der großen Schlange das Tau um den Hals ſchlingt, Wü 
fürwahr fein Werf einer bloßen Ortsgöttin ill. In den Sieroglg 
eines Thebiſchen DMumienfaftend, ver jest zu Bodchyddan ift, heißt dich 
Göttin Tochter ver Sonne, was nichts weiter bedeutet, als Königie 
Kommt nun auch ter Skorpion unter ven im Amenti erjtochenen Thieren 
als jchänliches und böjed vor, wie Krokodil, Schlange und Schlange af 
dem Ejel, ſo bält doch auch der oben beſchriebene Horus Schlangen u 
Skorpione in den Hänten, und in ber ihn umgebenden Einfagung fickt 
Serf mit dem Skorpion ftatt des Kopfes, eine Schlange baltend, ud 
dad Zeichen des Lebens ift vor ihr, io wie der Skorpion felbft mit der 
Kuhhörnern, zwijchen melchen ver Sonnenfreis ift, ebenfalld in ver Ei 
faßung vorfommt und Iſis-Serk benannt ift. Die Nilpferdsgöttin halt 
dajelbit Schlange und Sforpion, und eben To die löwenköpfige. Diefeb 
zeigt deutlich, daß ver Sforpion gleich ver Schlange, dem Krokodil, vem 
Nilpferd uuter die Thiere gebörte, welche als Sinnbilvder für Gottheiten 
dienten, um eine jeegendreihe Wirfung verielben auszudrücken, auch ein 
guted Sinnbild war, und zwar der jeegendreichen großen Mutter, mitht 
auch der Iſis. Zu Koptos, jagt Aelian (10. 23), ward Iſis mit Trauer 
dienſt rerebrt von den rauen, und vieje waren durch Die Gnade der 
Göttin, mann fie ihr trauerten, von ten Sforpionen verfchont, mochten 
fie auf ter Erde ichlafen, mochten fie barfuß gehen, ja wenn jie auf 
einen Zforpion traten, verlegte er ſie nicht. Dieſes Mährchen zeigt bie 
Ins ebenfalls ald Skorpiongöttin; warum man aber eine Eigenjchaft ober 
ein Verhaͤliniß ter großen Mutter mit vielem Geichöpf bezeichnete, ift 
tunfel. Ten Zfiris nennt Plutarch (33) ſchwarz, ven Horus aber weil, 
ven Tophon roth, tie Iſis aber ward buntgefleivet genannt, ald Erde; 
tod jeben wir nur jo tie Erve jelbft und die Kuh Hathor in ten 
Tenfmälern. 


Ifis, Ofiris, Horum 931 


Der Name des Oſiris, Aegyptiſch Hesiri, *) bezeichnet biefen ala 
t Augapfel oder das Auge der Iſis, und hieroglyphiſch wird daher fein 
me mit dem Thron und dem Auge geſchrieben. Cine folche Benen- 
ig kann Feine befondere Kigenfchaft ausprüden, fonvern muß eine 
neichelhafte feyn. So finden wir Atmu, Auge der Götter genannt, 
ı eine Sdttin Auge ver Sonne. In den Todtenbüchern führt dieſer 
t der Namen fehr viele, (häufig geben fie ein Verzeichniß von neun 
vierzig Namen deſſelben, und in den Hieroglyphen heißt er Herr des 
Ren, Herr von Abydus, Herr der Welt, Herr des Lebens, ewiger 
rſcher, König der Götter). Doc meil es von ihm nur eine Form 
‚in fo weit naͤmlich, dag man nicht aus verfchievenen Eigenſchaften 
ihm Bormen fo ausprägte, daß fie ald andere Gottheiten erfchienen, 
e8 bey den Hundsfterngottheiten gefchehen ift, fo machten fich Feine 
nen fo geltenn, daß fle das Uebergewicht über den Namen Oſiris 
men hätten, und er unter einem ſolchen, als ein felbftfländiger 
t verehrt worden wäre, bei deßen Verehrung man nicht gevacht hätte, 
Oſiris zu verehren. Sein Name Auge ver Iſis veranlaßte, ihm 
» Auge zur Bezeichnung zu geben, und Dinge, welche mit Punkten 
vet waren, die man ald Augen bezeichnen Fünnte. So fehen wir denn 
| mit Augen überfäete Leopardfell in feiner Hieroglyphe als fein Zeichen, 
ches im Reich der Todten, wo er ald Richter auf dem Throne 
„ vor ihn an einem Stod aufgehängt ft, um ihn ald dad Auge zu 
tichnen. Er ſelbſt bat in manchen Darftellungen die Kleidung mit 
ben Augen vorftellenden Flecken überdeckt, und die Priefter trugen bei 
lichen Handlungen das Leopardfell, wie auch der König, wann er als 
bepriefter auftrat, woher wahrfcheinlic dad mit ähnlichen Flecken vers 
ene Rehfell im Griehifhen Dionyfoscult ftammt; denn bei der Auß- 
dung deflelben ward der DOftriscult benugt. Das Leopardfell war e8 
er nicht allein, womit Oftris bezeichnet war, denn wir fehen neben ihm 
& einen mit Flecken reichlich bevedten Fiſch an einer Stange aufge- 
ngt, woraus erhellt, daß bei dem Leoparden in feiner Beziehung zu 
ſiris nichts weiter berüdfichtigt ward, als jene Flecken. Don Thieren 


*) Die Griechen nennen ihn immer Oſiris, wiewohl SHellanifus von ben 
Prieftern gehört hatte, er heiße nicht fo, ſondern Hyſiris, nach Plutarchs 
Bericht (34), welcher Leßtere uns (10) belehrt, Oftris bedeute nach Manchen 
vieläugig von os, viel, und iri, Auge, und diefes giebt auch Diodor (1. 11) 
als die Bedeutung des Namens an. Daß dies falfch fey, lehren die Hiero⸗ 
glyphen, und asch oder osch, viel, findet fih nur im Koptifchen, und 
entfpricht dem Aegyptiſchen cha, viele, was mit hes nichts gemein Bat. 
Hermelas erklärte bei Piutarch (37) jedoch ganz anders; denn er fagte, 
Oſiris bedeute den Starfen. 
















2323 Sfis, Dfiris, Sormi. 


finden wir den Reiher (ben genannt) mit Oflris in Verbindung, 
wir fehen ven Gott mit vem Neiherfopf (abgebildet bei Wilkinfon T 
35), auf welchem vie Schaafhörner find, an den Enden mit bem 
geſchmuͤckt, und darüber ver Kopfſchmuck des Oſtris, welcher in ver o 
Krone mit einer Straußfever zu jeder Seite beftebt, und bier in 
Lotusblume endigt. Peitiche und Krummſtab, feine gewöhnlichen 
bute, bat er in den Händen und iſt mumienartig bargeftellt. Unter 
Gewächſen ift ihm die Tamaridfe geweiht, ägnptifch aser (koptiſch 
genannt, und mir haben diefen Baum, koptiſch schenosi, Tamarisken 
ald ven Lebensbaum des Oſtris zu betrachten, während ber nä 
Lebendbaum ver großen Mutter, die Perfea oder Syfomore war, 

füße Brüchte gaben. Zu Byblus in Phönicien war in einer Tama 
der Leib des ermorbeten Oſiris aufbewahrt geblieben; fein Grab weh 

von berfelben überfchattet, und in dem heiligen Gemache des Tempe ah 
Inſel Philä, findet fie fich dargeftelt, fo wie fie in einem Tleinen 6; 
zu Kleindiospolis, wo ber Reiher in ihren Zweigen figt, den Namen id 
Oſiris begleitet. Auf ver Infel Philä fiup zwei Priefter zu beiden Seit 
und begiegen fie mit Waßer. (Die Griechen nahmen, weil ihnen Ofidt 
ganz und gar als ihr Dionyſos galt, die Tamaridfe für den Dionyſiſchen 
Epheu, und fagten, der Epheu heiße Chenoftris, wie Plutarch (37) fagt, 
was Gewächs des Dfirid bedeuten follte, fo daß fie auch laut Dioder 
(1. 11) den Epheu eine Erfindung des Oſiris nannten. Chenoftris aber 
heißt nicht Gewächs des Oſiris, ſondern chenaser heißt Tamariskenbaum, 
und der Epheu war dem Dfirid nicht geweiht, und konnte es nicht fern, 
weil dieſes Gewächs in Aegypten nidyt war.) Daß vie Tamariske ein 
Bild ſeyn follte des auch unter dem jcheinbareu Abfterben fortlebenven 
und immer wieder zu neuer Kraft kommenden Gottes, dürfen wir annehmen; 
denn fo waren die Perſea und die Sykomore auch Xebensbäume, weil fie 
immer und immer wieder ſüße Nahrung fprofen. Die Bedeutung des 
Reihers ift nicht klar, er lebt in bebauten Gefilden und folgt dem Pflug, 
weßhalb er von den Sranzofen gardeboeuf genannt wird; auch frißt er 
die Würmer und Inſecten des frifchaufgerißenen Bodens. Wollte man 
nun annehmen, weil Oſiris der Vater der Saat ift, habe man ihm ven 
Reiber, der angegebenen Eigenjchaften wegen, geweiht, fo wäre das nicht 
geradezu unmöglich zu nennen, aber wahrfcheinlich ift es nicht, ſondern 
biefem Vogel jcheint eine Eigenfchaft beigelegt gewefen zu feyn, oder er 
diente als Hieroglyphe zu einer ſolchen, welche man auch dem Oftris bei⸗ 
legte und an ihm durch den Reiher bezeichnete. Wenn Plutarch (5) fagt, 
überall fehe man das Bild des Oſiris menſchlich geftaltet, mit aufgerich⸗ 
tetem Zeugeglieve, und man befleive es mit einem feuerfarbenen Gewande, 
(mad auf fein Weſen ald Sonne zu beziehen fey), fo beflätigen vie Denk 
mäler viefe Angabe durchaus nicht. Doch davon fol weiter unten bie 


sfts, Dfiris, Soruß. 233 


ve ſeyn. Plutarch (51) fagt auch, Oſiris werde durch den Sperber 
tgeſtellt, und wir finden zwar dieſen Gott unter andern, wohl aud 
mal jperberföpfig gebildet, doch auf den Denfmälern ift Horus, nicht 
eis unter dem Bilde des Sperbers zu ſehen. Daß das Auge und 
spter ihn bezeichne, wie Plutarch (10) angiebt, (Macrobius 1. 21 jagt, 
Sonnengott Oſiris werde mit dem mit einem Auge verjehenen Scepter 
ichnet, er, der mit Föniglicher Gewalt von oben auf Alles herab⸗ 
fe), ift in fo fern wahr, als er das Auge zum bierogipphifchen Zeichen 
und nebft ver Peitfche, dem Zeichen der Herrichaft, den Krummſtab 
t, ald das ihm eigene Scepter, welches die Augen bezeichnenven 
fen Hat, und wahrſcheinlich vom Hirtenftab entlehnt ift. *) 


8) Die Deutungen bes Oſiris, welche wir bei den Griechen finden, find, wenn 
auch nicht immer der Sache nach ganz verwerflich, doch alle unerwielen 
und unerweislich; denn es ift nichts in der Mythologie diefes Gottes ent: 
halten, was hinreichen Fünnte, um mit Beftinnmtheit darzuthun, daß diefer 
oder jener Theil der Natur, wie 3. B. das Wußer oder die Sonne u. |. w., 
in ihm als das Zeugende zu einer Gottheit perfonificirt worden wäre. 
Nanche erflärten ihn für den Nil, und diefe beriefen fich, fagt Plutarch (32), 
darauf, daß in ber heiligen Kronvsflage diefer als Vater des Oſiris Flage, 
fein auf der linfen Seite gebohrener Sohn komme auf der rechten Seite 
um. Die Aegypter nämlich hielten den DOften für das Antli der Welt, 
den Norden für rechts, den Suven fir links; der Nil aber geht von Süden 
nach Norden. Am fiebenzehnten des Monats Athyr ift Vollmond, fagt 
Plutarch (42), und Ofiris foll da umgefonmen feyn, fagt er (39), weil der 
Nil jegt abnimmt, wobei denn Typhon als Trodenheit erflärt wird, wodurch 
der Mil fich verkleinert, und die Nethiopenfönigin, welche dem Typhon hilft, 
als Südwind gilt, der die nach Nethivpien ziehenden Wolfen abhält, welche 
den Nil nühren. Die weiferen Priefter, führt Plutarch (33) fort, hielten 
den DOftris nicht für den Nil, und den Typhon nicht für das Meer, in 
welchem der Nil gleichfam feinen Tod findet (und wahrlich, wie hätte man 
ben Tod des Flußes, fein gänzliches Verſchwinden und Wiederfinden in 
Trauer und Freude feiern Ffünnen, da er das ganze Jahr hindurch fchiffbar 
war und Jedermann fein Waßer franf!), fondern fie nannten nicht nur den 
Nil, vielmehr jedes Naß einen Ausfluß des Oftris. Andere, heißt es weiter (34), 
erklärten den Oſiris für den Okeanos und Iſis für Tethys (gewiß mit 
Rückſicht auf die Griechiſche Mythologie, welche diefe zu den älteften Göttern 
macht, oder weil der Nil als Dfeanos gedeutet ward). Auch fullte Ofiris 
darum ſchwarz feyn, weil die Feuchtigfeit ſchwarz macht, z. B. die Erbe, 
die Zeuge, die Wolfen. Iſis war für eine foldye Auslegung die von dem 
Nil genegte Erde, aber Fein weiterer Theil derfelben, und ihr Erzeugniß, 
der Horus, galt nicht als Seegensfind der Erde, ſondern als Beichaffenheit 
der Atmofphäre, die Alles erhält.und nährt; und daß er zu Buto erzogen 
fey, deuteten fie davon, daß dort die vom Nil genetzte Erde die Luft mit 
Feuchtigkeit erfüllt. 

Wollten nın die Einen, Oſiris fey das Waßer, fo wollten Andere, er 


231 Iſis, Oſiris, Soru. 


































Oſiris erzeugt mit der Iſis den Horus, Aegyptiſch hr, von den Grieche 


ſey die Sonne und Iſis der Mond, wie Plutarch (52) berichtet, und bie 
leiteten feinen Namen iv ab, daß fie O für den Artifel annahmen m 
Siris aus Seirios gebildet glaubten (diefe müßen Griechen gewefen feyi; 
denn einem Aegypter fonnte O nicht für den Artikel gelten). Auch gab HE 
eine Auslegung, welche, wie uns Plutarch (41) meldet, den Typhon fr 
folarifh erflärte (Manche fchrieben ihm, heißt es [51], die Sonnenfdelk 
zu) und ben Oſiris für Iunariich, weil ber Mond ein feuchtes zeugendei, 
Licht habe, die Sonne ein austrodnenves. Diefe Anſicht vom Mondligk 
mag, außer den auf die Mondhörner leicht zu deutenden Kuhhörnern, aut; 
bei der Iſis mitgewirft haben, ſie als Mond zu erflären, wiewohl ein ange 
nommener Einfluß des Monde auf die Geburt jede Göttin derſelben de 
nach einer Deutung Suchenden als Mondgöttin erfcheinen laßen Fonzk. 
Denen nun, welche Ifis ale Mond auslegten, fehlte es auch nicht an dam 
Deutung ihres Trauerfleids; denn diefes flellte nun dar die Berbergungs 
und Befchattungen, womit fle der Sonne, diefe fuchend, folgt, und da M 
auch den Liebespingen vorftınd, und der Mond, wie Plutarch (52) fagt, 
auch für diefe angerufen warb, fo beftütigte fich den Erflärern ihre Deutung 
auch dadurch. Bei Oſiris wußten die Erklärer aber außer ber fenchten 
zeugenden Natur nod) andere Beweife für ihre Deutung zu finden, wie uns 
Plutarch (43 flg.) meldet. Man machte ven Todtenfaften für die Beftattung 
des Oftris fihelfürmig, wie der Mond ift, wann er fi der Sonne nähe 
und fi verbirgt. Auch follte das Wuchfen des Nils mit dem Monde in 
Berbindung ftehen; denn feine höchfte Höhe bei Elephantine komme, heißt 
es, auf acht und zwanzig Tage, in wie vielen Tagen der Mond feinen 
Umlauf macht, zu Memphis aber komme feine Höhe auf vierzehn Ellen, 
was der Zeit des Neumonds entfpricht, bei Mendes und Xois, wo er am 
niedrigften if, fomme feine Höhe auf ſechs Ellen, in wie viel Tagen ber 
Mondkreis Halb wirt. (So kleinlich wurden diefe Deutungen durchgeführt, 
um falſche Erklärungen genau zu beweifen.) Alles für den Mond Oftis 
zufammen fuchend, fanden fie zu weiterer Beſtätigung, daß Apis, welder 
das befeelte Bild diefes Gottes feyn follte, vom Mondſtrahle gezengt werke, 
und ein mondförmiges Zeichen habe. Ja der Mond wurde für die Mu 
der Welt erflärt und infofern für mannweiblich, als er gedeutet warb v 
der Sonne empfangend und wieder befruchtenn, wo denn Horus ale bie 
irdifche Welt galt. Dem Monpofiris gegenüber war es etwas fchwer, feinen 
Feind Typhon zu deuten, doch man wußte fich zu Helfen, und erklärte ihn, 
wie Plutarch ſagt, für den Erpfchatten, welcher den Mond verfinftert. San; 
anders meinten Manche den Oftris deuten zu müßen, welche fagten, er werde 
begraben, wann das Saamenkorn in die Erde gefenkt wird, laut Plutarch (65). 
Die Hermesfchriften gaben den Horus für die Kraft des Sonnenlanfes und 
den Oſiris für die des Windes aus, die auch Sarapis und Aegyptiſch Sothi 
heiße, wie Plutarch (61) angiebt, was das Empfangen, Schwangerſeyn 
bedeute. Tertullian erklärte den Ofiris für das Jahr in feiner Wiederkehr 
und Porphyrius bei Eufebius (3. 11) für die Kraft der Früchte, ober 
die des Nil. 


Iſis, Dfiris, Horus. 235 


entweder Horos, Oros, oder Har⸗Ar⸗ genannt *), melcher Fein anderer 
Gott jeyn Fann, ald der alle Jahre von der großen Mutter gebohrene 
Seegen des Jahre, dad Seegenskind, von welchem das Heil der Menfchen 
abhängt. Was fein Name beveute, Täßt fich nicht mit Gewißheit fagen; 
benn es fehlt an einem hieroglyphiſchen Zeichen, melches vielleicht und auf 
bie Spur des rechten Wortes führen könnte. Möglich wäre e8, daß er 
ber Erfchienene bieße, ver fihtbar gewordene Gott; denn her 
bieß offenbaren, und eine foldye Benennung würde bei diefem Gott, auf 
deßen Erſcheinung alle barrten, eine paßende feyn. Auch findet dieſe 
Erklärung eine Stüße in ver Angabe Plutarchs, welcher (56) meldet: ven 
Horus pflegen fie Kaimis zu nennen, was bedeuten fol Gefehener, 
und daß dieſe Angabe nicht ganz falſch feyn müße, ift gewiß, denn mi 
Beißt ſehen und ka-mi fann heißen dargebracht dem Sehen. Mag biefe 
Ableitung aber auch zu bezweifeln feyn, fo fehen wir doch, daß man e8 
Wei dieſem Gotte nicht für ungehörig hielt, ihn, den Gefehenen, ven Geof- 
Wubarten oder zur Ericheinung gefommenen zu heißen. Die Griechen 
wannten den jungen Horus in fpäterer Zeit (nicht vor ven Ptolemäern) 
Sarpofrates, welche Benennung jedoch vie Denkmäler nicht enthalten, und 
weil der junge Horus ald Kind dargeftelt ward mit dem Pinger am 
Munde, welches die bilvliche Bezeichnung des Saugens war, alfo das Kind 
ald ein ſäugendes bezeichnete, fo dichtete eine fpäte Zeit, dieſe Gebärbe 
nicht verftebenn, einen Harpokrates, als einen Gott des Stillſchweigens, 
und wiewohl die Darftelungen ver Denkmäler nicht dazu beredhtigen, dem 
Horuskinde lahme Beine anzudichten, fo mußte doch Harpokrates, aufgefapt 
als ein noch zum Gehen zu ſchwaches Kind, lahme Beine haben, wie wir 
bei Plutarch (68) Iefen. Da man einmal dieſes Mährchen vom Gotte 
des Stillfehweigend mit den lahmen Beinen aus Mißverftand gevichtet 
hatte, fo wußte man auch Rath zu fchaffen für die Urſache ver Lahmheit; 
denn man bichtete weiter, wie wir bei Plutarch (19) lefen, es habe Oſtris 
sach feinem Tode die Iſis umarmt, und aus diefer Umarmung fey Harpo⸗ 
bu entfprungen. Ueber feine Geburt aber weiß Plutarch (65) zu 
erzählen, Iſis babe, als fie mit ihm fchmanger war, am fechsten des 
Monats Phaophi ein Amulet umgehängt (dad Amulet ver Iſis fol wahre 
Stimme beveuten, fagt Plutarch 68), und ihn zur Zeit der Winter- 
wende gebohren, das Wochenbett aber werde nach dem Frühlingsäquinoctium 
gefeiert. Man bradıte ibm die Bohnenerftlinge und im Monat Mefori 
Sülfenfrucht dar, wobei man ſprach: die Zunge ift Glück, die Zunge ift 
Dämon. Ja manche deuteten deßhalb ven Harpofrates als Hülfenfrucht, 
wie Plutarch (65) bemerkt. Man hätte allerdings verſchiedene Gaben der 





*) Die Griechen ftellten diefen Namen mit ihrem Worte hora zuſammen, 
welches die Zeit, ven Brühling, die Hore bedeutet. 


236 Iſis, Oſiris, Horus. 


Natur zu verſchiedenen Kindern der Iſis machen koͤnnen, und fo au 
Hülfenfruht von dem Getraide fcheiden mögen, wie wir in der Gr 
fhen Mythologie bei Demeter die Gabe der Bohnen in Arkavien bef 
hervorgehoben fehen als eine eigene neben ver Gabe des Getraives, 
Böttin fie hauptlächlich war; aber die Aegyptifche Mythologie Eennt 
ein Seegensbild der großen Mutter, ven Horus, welcher, wie wir aus li 
Namen Harpofrates fehen, auch, wenn gleich nicht in den Denfmälz 
Horus dad Kind (Harspaschrut) genannt ward. Wenn e8 nun audge 
Plutarch Heißt, vemfelben fey die Perfea (die Uegyptifche Mandel) gem 
geweien, fo heißt das nichts weiter, alö der Baum des Lebens; venwa 
Perfea war ein foldyer, fey dem Horus, ald dem Lebendgotte geweiht, 
ein 2ebendgott war der Jahresfeegen, den Oſtiris mit Iſis erzeugt, % 
die Nilüberſchwemmung die durch den Typhonifchen Brand abgeftcse 
Zeugefraft ver Natur wieder in dad Leben gerufen hat. Schon am dre« 
ften des Monats Epiphi, welches ver vorlegte der Aegyptifchen Ve 
ift, feierte man den Geburtötag der Augen des Horus, wann Sonn 
Mond zufammentreffen, denn Sonne und Mond follen die Augewt 
Horus feyn, wie und Plutardy (52) melvet. Diefe Feier ned Zufami 
treffend beider zeitbeftimmenven Geftirne am letzten Tage des Eyiyhf 
feinen guten Grund darin, daß ed daß legte Zufammentreffen verfelben 
vor dem Aufgange des Sirius, weldyer die Nilüberſchwemmung brä 
ohne die Horus nicht erzeugt werden Fonnte. Der Ausdruck aber, weld 
Sonne und Mond die Augen des Horus nennt, ift für und fehr fremt, | 
Aegyptifchen aber muß eine foldye Bezeichnung nicht felten gemefen ed 
denn fo lefen wir auch bei Plutarch (55) Typhon Tolle das eine Au 
des Horus gejchlagen, ein anvdermal gar es herausgerißen und verfchlung 
und dann der Sonne wiedergegeben haben. (In dem von Champolli 
veröffentlichen Papyrus heißt ed, Her=uer, Herr der Sonnengeifter, 1 
mwohlthätige Auge der Sonne. Dieſes Elingt noch feltfamer und frem 
als jener Ausdruck) Sonderbar auch lautet es für und, daß nach Ma 
thos, wie Plutarch (62) berichtet, ver Magnet Horusfnochen, und ' 
Eiſen Typhonsknochen geheißen haben fol. 

Don einem andern Namen des Horus, welchen mir nicht volftän 
verftehen, hören wir auch durch die Griechen, ohne ihn in den De 
mälern zu finden. Arſaphes lautet vieler, wie Plutar (37) berich 
indem er erzählt: Arifton, welcher vie Colonie der Athener ſchrieb, fi 
auf einen Brief des Alexarchos, in welchem angegeben wird, des 8 
und der Iſis Sohn Dionyfos heiße bei ven Aegyptern nicht Oſiris, fond 
Arſaphes, welcher Name die Männlichkeit, vie Tüchtigfeit bezeichne. 2 
die Griechen den Her-ur, Ar-ueris nannten, fo ift auch in Arfanhes 
Sylbe Ar nichts anders, als der Name des Horus; denn gerade in! 

gg imenfegung fagten die Griechen Ar ftatt Horus. Was das auf 





Iſis, Dfiris, Horus. 237 


ende ſaphes bedeute, wißen wir nicht. Als Arueris wird Horus als 
Große, Herrliche bezeichnet; denn ur (koptiſch uer) bedeutet groß, 
xtlich, und dieſen ſehen wir in den Denfmälern mit dem Sperberkopf, 
dem Pſchent darauf, Kukuphaſcepter und Zeichen des Lebens haltend, 
er Leben ausgießend, und auch Nub, d. i. der Goldne, genannt zur 
Wezeichnung feiner Herrlichkeit. Er fol nach ver oben in der Mythologie 
8 Seh angegebenen Genealogie ein Sohn des Ra und der Nutpe und 
gear ver ältere Bruder des Oſiris jeyn (in der hieroglyphiſchen Legende 
Phila heißt er Sohn von Seb und Nutpe, dargeftellt ald Sperberiphinr, 
&i. wohl ald König), oder, da er nun einmal nach der Mythologie, wie 
e ſich in der Iſisſage feftgeftellt hatte, ein Sohn ver Iſis feyn mußte, 
Ben Oſiris und Iſis ihn, als fie noch im Mutterleib beifammen waren, 
pa Siehe ergriffen, mit einander gezeugt haben. Es gab jedoch nur einen 
u, das Seegenskind der Iſis, gezeugt von Oftrie, und die Trennung 
joe it nur ein Deutungdverfuch, welcher ven großen Horus von 
ſaut dem Kinde, fcheiden wollte, und aus zwei Formen des nämlichen 
u zwei Sottheiten, dem wahren Sinne ded Mythus ganz zumider, 
An. Denn daß der fperberföpfige große Horus Fein anderer fey, 
a Seegenskind, würde, wenn es überhaupt eined Beweiſes bevürfte, 
u Sathor beweifen. Diefe heißt die irdifche Wohnung des Horus, 
R der Name geveutet wird, und ihre Hieroglyphe ift dad Haus mit 
en Sperber darin, fo daß alfo der Sperber den Horus, welchen Hathor 
met, bezeichnet, und an ihrer Bruft fehen wir dad Seegenskind, gerade 
Me an der Bruft der Iſis, fie ift die Kuh, die Gebärerin und Nährerin 
Ws Lebens, wie Iſis, da fie ja nichts als eine Korm verfelben, ober viefe 
Göttin unter einem ihrer Namen if. Der Sperber aber ward zum Sinn- 
bilde des Horus genommen, weil er als Sinnbild des Na den Königd- 
Hanz bezeichnet, fo daß Horus mit dem Sperberfopf Horus der König ifl. 
Daß aber Aruerid auch als der angefeben ward, welcher fpäter Harpo⸗ 
intes hieß, geht daraus hervor, daß ed in dem Mährchen heißt, Typhon 
den Uruerid wegen feiner Erzeugung als unehelich angeklagt, und 

e jey lahm in dem Dunfel gebohren. Demnad Liegen auch die, welche 
on Arueris fabelten, ihn für lahm gelten, was auf das Kind geht, welches 
un ald Harpokrates von einem älteren Horus fcheiden wollte. Edfu, wo 
jorhat, Hor⸗ſent⸗to, d. i. Horus, Rächer over Stüge ver Welt, und Hathor 
erehrt wurden, *) hatte feinen Namen von Horus; Ev ift nämlich aus dem 
ten Hat entftanden, und dieſen Namen hatte Horus als ein Beſchützer, 
ind trägt unter demfelben die Krone von Ober- und Unterägypten, und 
eiſcheint als Sperber, fo wie auch ver befchwingte Globus Hat genannt 
wird als Bejchüger, und in ven Tempeln ver Ptolemäerzeit fieht man ven 



















*) Strabo (817) fagt: zu Hermunthis wird Zeus und Apollon verehrt. 


238 Iſis, Dfiris, Horus. 










Hat beſchwingt mit dem Speer und dem Pſchent. Als Beſchützer erſchei 
Horus auch, wo er mit Thoth, oder dem Nil ſich findet, wann ver Thrd 
des Königs mit Waßerpflanzen gebunden wird, fo wie wann er fpert 
föpfig die Zeichen von Xeben und Macht über den König bei ver Krönung 
ausgießt mit dem Thoth oder Nub, in welchen Scenen er für Oben 
ägypten, Nub für Linterägypten erfcheint. (Der gefchmingte mit venff 
Uräus umgebene Globus, welcher Geierflügel bat, ift zwar auch Hat, d.Lf 
Schüber, Fann aber nicht als Horus genommen werden. Eben fo 
Scarabäus, der die Sonnenfugel mit ven Vorderfüßen tragenn hält, um, 
der Sperber, den man über dem opfernden König und fonft ſchwebenn 
erblidt. Denn Horus ift zwar auch Hat, Schüber, aber die Sinnbilden 
des Schußes, over der gute Genius, wenn man dieſen Namen gebraudeng 
wi, Fünnen darum nicht für den Horus gelten.) Zu Edfu oder Gre 
Apollinopolis erfcheint Horus mit dem Kömwenfopf und Discus und if" 
den Affen in der Hand. (Er fteht in einem Boot und vor ihm find The, | 
Iſis, Nephthys und zwei andere Gdttinnen, in der Stellung Betender uk 
er durchbohrt das Haupt des Apep mit dem Speer.) Diefer Lömwentft, 
ſtellt ihn bildlich als Sonne, d. i. König dar, wie der Sperberfphine a} 
Phild. Der Aruerid oder Horus mit dem Sperberfopf kommt in bei! 
Unterwelt eben fo gut vor wie Horus dad Kind oder Harpofrates, und ia 
beiden Geftalten bezieht er fi auf dad Leben; denn der Tode findet t 
Amenti, wenn er zugelaßen wird, Leben. Als fperberföpfiger Horus fühl; 
er die Seele, welche ihr Urtheil empfangen hat, vor den Oſtris, auch fiel 
er dem Anubis bei der Gerichtöwage bei, und der gleiche Sinn, welden 
Horus in diefen Beziehungen hat, findet fi} in dem Sperber, ver in ver 
Gräbern auf hölzernen Tafeln und zumeilen an den Mumienkaſten abge 
bildet ifl. Da Horus ald das erzeugte Leben, das Leben jelbft ift und ver 
Seegen, der zur Herrſchaft gelangt über ven Uinfeegen, fo ift er ein König, 
mit dem man die Könige vergleicht. Als Harfe findet fi Horus i 
Theben zu Amun und Tamun geftelt auf Denfmälern ver achtzehntt 
Dynaſtie, gebildet wie Harpofrates und ald Pnebto, d. i. Herr der Wei 
zu Ombos, wo er mit Aroerid und ITfontnefru zufammen erfcheint, d. 
mit Iſis, weldde mit dem Namen t- fent=nefru, die Schwefter des Guten 
genannt wird, d. i. des Oſiris; denn dieſer ift der Gute. War nun einer 
feit8 Horus das Kind mit der Gebärde des Säugend und der Jugend⸗ 
Iode *), fo mußte man doch auch andererſeits einen größeren, einen 







*) Da Horus, von den Griechen Apollon genannt, als Sonnengott gedeutet 
ward, und man biefe Kinderlode fo falfch verftand, daB man annahm, et 
fey an der linken Seite des Hauptes gejchoren, weil dieſe Lode an de 
rechten war, deutete man diefes alfo: die Sonne, auch wann fie von und 
nicht gefehen werbe, habe die Kraft, ſich wieder zu erheben, wie das abge: 


Iſis, Dfiris, Horus. 239 


tigen Horus darſtellen; denn er räcıte ja feinen Vater am Typhon, 
ug Diefen im Kampfe und ward König, welcher in der Babel von ver 
terherrfchaft die letzte Zeit dverfelben über Aegypten herrfchte. *) 


fhorene Haar fi wieder aus den verbliebenen Wurzeln erhebt, und die 
Kraft der Sonne wachfe wieder aus ihrem fchwachen Zuftande, wann fie, 
zum Winterſolſtitium gefommen, wie wir bei Macrobins (1. 21) lefen. — 
Daß die fpäte Zeit den Horus als einen Priapus anfah, fehen wir Bei 
Suidas unter dem Worte Priapus, wo es heißt, Horus fey mit dieſem 
einerlei. Allerdings fommt auch das Beifpiel eines Priapifchen Horus vor 
zu Denderah bei Burton (Excerpte Tafel 26), der aber nicht alt feyn Fann. 

*) Bei Horapollo (I. 8) Tefen wir: um den Ares und die Aphrodite darzuftellen, 
malen fie zwei Sperber, von denen fie das Männchen dem Ares, das Weibchen 
der Nphrodite vergleichen, weil bei den übrigen Gefchöpfen das Weibchen 
nicht jederzeit den Männchen zu Willen ift, wie das Sperberweibchen; denn 
wenn es breißigmal am Tage zu Willen war, fo iſt es dem Männchen, 
wenn es wiederum von ihm gerufen wird, dennoch folgfam. Deßhalb nennen 
die Aegypter jede dem Manne willführige Brau eine Aphrodite, eine nicht 
willfährige aber nennen fie nicht fu. Sie weihten darum auch den Sperber 
der Sonne, weil er die Zahl dreißig in feiner Bereinigung mit dem 
Weibchen erfüllt. 

Auf andere Weife bezeichnen fie den Ares und die Aphrodite, indem fie 
zwei Krähen malen; denn die Krähe erzeugt zivei Gier, woraus Männchen 
und Weibchen entitehen, die verwittmet fich nicht mit andern verbinden, 
fondern bis zum Tode einfam bleiben. Daher iſt das Begegnen einer 
einzelnen Krähe das Omen einer Verwittwung. 

Hier haben wir ein Stückchen Negyptifcher Mythologie, angefertigt in 
fpäter Zeit ohne große Anftrengung. In dem mit der Aphrobite, d. i. 
Hathor, verbundenen Ares Fünnen wir feinen andern Gott, dem der Sperber 
gehörte, fuchen wollen, als den Horus, und auf diefes Zeugniß hin wüßten 
wir alfo, wer der Aegyptiſche Ares geweien wäre, der Gemahl feiner Mutter, 
der auch den Speer führt, und fih alfo zu einem Ares eignet. Aber 
Aegypten wußte von Horus als dem Gatten der Hathor nichts, und dieſer 
Ares ift nur eine Griechifche Deutung; weil der Grieche in Ares den Gatten 
der Aphrodite (oder ihren Buhlen) fah, fo ward für die Negyptifche foges 
nannte Aphrodite ein Battle angenommen und als Ares angefehen, freilich 
ſehr ſpät und ſehr feiht. Der Sperber ftellte außerdem bie Hathor gar 
nicht ihrem Weſen nad) dar; denn er war nur ihre Namenshieroglyphe, die 
den Horus darftellte, deßen Namen in dem ihrigen enthalten ifl. Weil man 
nun einen Sperbergott fand, und zwar den, der allerdings mit Hathor, aber 
als Sohn und Pflegling in Verbindung war, fo machte man daraus den 
Gatten Ares. Die Krähe aber gehörte dem Horus fo wenig, wie ber Hathor, 
und fommt in der Aegnptifchen Mythologie nicht vor. In der Griechifchen 
gehört fie der Hera, vielleicht weil fle durch ihren Namen korone auf den 
Namen kore, das Mähchen, anfpielte, und die Griechen bettelten im Namen 
der Kraͤhe (welches Bettellienchen von Athenäus aufbewahrt if), was zu 
Kolophon geichah, jedoch vielleicht in Beziehung auf Apollon. Wir müßen 


210 Sfis, Dfiris, Horu. 


Plutarch (8) meldet anferdem von einem Zöglinge der Iſid, indem 
erzählt, daß die Aegyptiſchen Prieiter die Zwiebel vermieden hätten, v 
Diktys, der Zögling ver Ifld, nach einer Zwiebel greifend, in ven Flh 
gefallen und umgekommen ſev. 

Der Iſis-Oſirismythus ift der einzige Aegyptiiche Mythus von einigegge! 
Umfang; wir befigen ibn aber nur in Griechifcher Weberlieferung, un 
Iefen ihn am vollitänpigften bei Plutarch (13 und weiter) folgennermapei® 
erzählt: Oſiris befreite, als er zur Herrſchaft gelangte, die Aegypter ı 
ihrem thierartigen Leben, lehrte ven Anbau ver Früchte, gab Gefeke I 
führte Gotteöverehrung ein. Dann z0g er durch die Welt, und entwilder 
die Menfchen durch Belehrung und durch Poefie und Muſik, währenn fein 
Gattin Iſis zu Haufe herrſchte. Typhon aber verſchwor fih mit zwei wu! 
fiebenzig Genogen und der Königin Ajo von Xethiopien, und ließ eig 
Kaflen von der Größe des Oſiris aufs herrlichfte machen und venf Ka: 
ald ver nach Haus zurüdgefehrte Ofiris bei ihm zum Mahle war, berief 
bringen. Die Gäfte bemunderten den Kaften und Typhon verſprach yaı 
felben demjenigen, weldyer hinein paßen würde. Als Feiner von 
Andern, welche es verfuchten, hineinpaßte, legte ſich zulegt Oftris hines;| 
und nun that Typhon ſchnell den Dedel varauf, Töthete den Kaften gi 
und warf ihn in den Nil, welcher ihn durch die Tanaitifhe Mündung ig 
das Meer führte, weßhalb dieſe Nilmündung bei den Aegyptern verwänft 
ift. Dieſes aber geſchah am fiebenzehnten Tage des Monats Athyr, — 
diefer Zeit warb der Schrein der Ifid getragen) wann die Sonne bu 
ten Scorpion wandert, im acht und zwanzigften Jahre ver Herrfchaft obes $: 
des Lebens des Oſtris, wie Andere fagen. (Den jlebenzehnten verwünfchten 
auch die Pythagoräer, bemerkt Plutardh.) 

Als die Pane und die Satyrn, welche um Chemmis wohnen, ber 
Tod des Oſiris erfahren hatten, jagten fie den Menfchen Schredien dami 
ein, woher man denn plößliche Schreden Banifche nennt. Sobald Iſ 
die Kunde vernahm, legte fie ein Trauergewand an und ſchnitt ſich ein 
Locke ab an der Stätte, welche jet Kopto Heißt, von dem Griechiſch 
Worte foptein, fihneiven, wogegen aber Anvere meinen, Kopto bebeni 







daher, was bei Horapollo den Aegyptern angebichtet wird, als von ben 
Griechen in feichter Erdichtung auf Aegypten übertragen betrachten, nad 
fünnen nichts daraus für den Horus, fo wenig wie für Hathor gewinnen. 
Für eine etwaige Bedeutjamfeit der Krähe bei ten Aegyptern bietet Aelian { 
(6. 7) noch die Erzählung dar: bei tem See Möris, wo Krokodilſtadt if, 
zeigt man das Grab einer Krähe. Der König Marres nämlich hatte eine 
iehr zahme Krähe, tie ihm aufs ſchnellſte alle Botjchaften beforgte und 
verftand, wohin fie gefchict ward. Diefe nun ehrte Marres, als fe geſtorben 
war, mit einem Grab und einer Denkſäule. Herodot wußte freilich von 
biefer Denffänle einer Krähe nichts und Strabo eben fo wenig. 


fie, Dfiris, Horus. 91 


kmaubung. Bon Angft erfüllt fchmweifte die Obttin nun überall herum 
6b forfchte, bis ihr endlich Knaben, welche die Sache gefehen hatten, vie 
Imündung zeigten, durch welche die Genoßen des Typhon ven Kaften in 
ı Meer binaudgefandt. Daher fol denn auch der Glaube an die weißn- 
de Kraft der Knaben flammen, und wenn fie in Tempelräumen fpielend 
zufällige Wort fprechen, gilt diejes als Vorbeveutung. Berner erfuhr 
I, daß Ofiris die Nephthys umarmt hatte, in ver Meinung, es fey Iſis, 
» erfannte die Wahrheit aus dem Melilotußfranze, den er bei ber 
mefter zurüdgelaßen hatte. Da nun Nephthys aus Furcht vor dem 
tten Typhon das aus der Umarmung des Dftris gebohrene Knaͤbchen 
ubis ausgeſetzt Hatte, fo fuchte Iſis dafjelbe mit Hülfe ſpürender Hunde 
f, erzog ed und nahm es zu ihrer Begleitung und ihrem Schuge mit 
.» %) Endlich hörte fie, der Kaften ſey bei Byblos von dem Meere 
Bgeipült worden und die Wallung Habe ihn fanft in eine Heideſtaude 
amarisfe) getrieben. Diefe wuchs herrlich zu einem Baume auf, und 
uſchloß den Kaften, jo daß er ganz darin verborgen war, der bortige 
Nig aber, des Baumes Größe bewundernd, hieb den Theil ab, welcher 
or Raften einfchloß und machte eine Säule feines Haufe daraus. (Im 
Rybelevienft warb das Attesbild an eine Bichte gehängt, dieſe dann abges 
Isuen und in ven Tempel ver Göttin getragen.) Iſis nun gelangte nad 
8 und fette fich dafelbft weinend an einen Duell, ohne mit Jemand 
ſprechen; al8 aber die Dienerinnen der Königin Famen, grüßte te dies 
ben, ordnete ihnen das Haar und gab ihrem LKeibe einen lieblichen Duft, 
soburch die Königin beivogen ward, die Iſis holen zu laßen und ihr die 
Inziehung ihres Knäbchens anzuvertrauen. Jener König nun hieß Mal- 
andros. (Diefer Name ift halb phöniciich, Halb griechiſch und beveutet 
Kinig= Mann, woraus erhellt, daß er erfunden ift, nur um einen Namen 
a der Babel zu haben, ohne in dem Naturmythus eine befondere Eigen- 
haft auszubrüden.) Die Königin aber hieß Aftarte (viefer Name ift 
gen von großer Bedeutung; denn er nennt und die große Sprifche 
Be melche unter dem Namen der Aphrodite zu den Griechen Fam, 
welche ver Iſis ihrem Weſen nad) als große Naturmutter auf das 
Innigfte verwandt ift); doch Andere nannten dieſe Königin Saoſis 
er Nemanun, was im Griechifchen ohngefähr vie Athenäifche beveu- 
ten würde. 





— — — — 


*) Eudoxus bei Plutarch (21) ſagt: die Griechen nannten den Hundoſtern 
Hund der Ifis, die Aegypter aber Sothiés, und Plutarch (38) ſelbſt bemerkt, 
der Sirius gehöre der Iſis. Bei Diodor (1. 81) Heißt es, die Hunde 
dienten dem Oſiris und der Iſis zur leiblichen Bewachung und führten 
ſchirmend die Iſis, als fle den Ofiris fuchte, und darum gehen am Sfisfefte 
bie Hunde voran. 

16 


242 Iſis, Oſiris, HSorum. 








So pflegte und nährte denn Iſis nun das Köonigskind zu Byble 
indem fie ihm den Singer in den Mund ftedte. (Diefes iſt die Gebäe 
des Säugend, welches im Bilde damit bezeichnet wird.) Nachts aber läuter 
fie es im Feuer von dem GSterblichen feines Leibes und flog oft al 
Schwalbe *) zu jener Säule und klagte. Doch vie Königin belauſch 
die Iſis in ihrem Ihun, und als fie ihr Kind in dem euer erblidiggl 
brach fie aus in Gefchrei und verhinderte fo die Unfterblichfeit deſſelben 
Iſis aber, als fie ſich entvect fah, forderte jene Säule, welche den Kafle 
des Oſiris einfchloß, zum Lohne, und erbielt fie. Dann löfte fie Teidk 
das Holz ded Baumes von dem Kaften, widelte e8 in gefalbtes Linz 
und gab ed dem Könige und der Königin, und ed ward fortan vafelbft I 
dem Tempel der Iſis verehrt. Sie aber warf fih an dem Kaften nick 
und jammerte fo heftig, daß der jüngere Sohn des Königs davon ſta 
mit dem älteren aber und mit dem Kaſten begab fie fih zu Schiff, m 
da der Fluß Phaͤdros gegen Morgen rauberen Wind erhub, trodnete 
ihn im Zorne aus. Sobald nun aber Iſis ruhig für ſich war, dffnete f N 
den Kaften, Eüßte das Angeſicht des Todten und nebte es mit i 
Thränen. Der Königsknabe aus Byblus Fam während dem ſtill Hinte 
ihrem Rüden herbei und fchaute ihr zu, worüber fte fi fo zornig ume: 
blickte, daß verfelbe vor Schreden farb. Doch Andere fagen, er fey ü 
das Meer gefallen. Er wird jedoch wegen der Göttin geehrt; venn 5 
fol ver bei vem Gaftmahle befungene Maneros ſeyn. Manche nanntz 
den Knaben jedoch nicht Maneros, ſondern Paläftinos oder Pelufios; d 
ihn aber Maneros nannten, fagten, er ſey der Erfinder der Muſik gemefen. 
Andere dagegen behaupteten, der Maneros fey bloß ein Aegyptifcher Zursfl" 
bei dem Ehen und Trinfen, weldyer bedeute, dad möge gefeegnet ſeyn f" 
ALS Iſis Hierauf zu ihrem Sohne Horus nad) Butos gieng, und beau,T 
Kaften bei Seite geftellt hatte, ſoll Typhon auf der Jagd bei Monpfchele F" 
darauf geftoßen feyn, ven Leichnam erfannt und in vierzehn Stüde zerrißen J 
baben, die er dann zerftreute. Iſis, Sobald fie e8 erfuhr, durchfchiffte, d * 
ſelben ſuchend, in einem aus Papyrus gemachten Nachen vie Sümpf 
woher ed kommen fol, daß vie Krokodile um der Göttin willen vie E 


— 0 DM ea U 






*) Die Schwalbenflage finden wir bei den Griechen im Mährchen als eine 
Klage um das Abfterben des blühenden Lebens, gleich der Nachtigallflage; 
doch in Aegypten ift Feine Spur davon. Die Schwalbe fommt zwar auf 
in den Hieroglyphen der Iſis vor, aber fie hat nur eine Wortbedeutung; 
denn fle bezeichnet fie als die große Göttin, als eine Tasur (Thueris). 
Weßhalb man biefen Vogel zur Darftellung diefes Begriffes und Worte 
gewählt Habe, ift ung nicht deutlich; denn fle Heißt nicht ur, fondern men. 

*#) Pollux (&. 7) nennt ihn den Erfinder des Landbaues und einen Schüler 
der Mufen. 


Iſis, Ofirid, Sorund 943 






russ Nahen Schiffennen nicht angreifen. Da die Göttin nun jenes 
bene Stüd begrub, fo giebt es eben fo viele Oftrisgräber; doch 
labere fagten, ſie habe ven einzelnen Stävten die Bilder des Ofiris geges 
m, als feyen fie ver Leib deſſelben, damit er um fo zahlreichere Ehren 
de, und Daß wenn Typhon über den Horus fliegen und das Grab fuchen 
Nte, er dann, wann ihn fo viele gezeigt werden würden, am Auffinden 
B reghten Grabes verzweifeln möchte. Nur die Scham des Oſtris fand 
is nicht; denn fle mar in den Nil geworfen worden, und vie Fifche 
yagros und Oxyrynchos hatten fie gefreßen, weßhalb die Aegypter viefe 
ſche am meiften verwünſchen. Um die Scham zu erfegen, bildete JIſis 
rn Phallus, welchen fie an dem Feſte gebrauchen. Hierauf erfchien Oftris 
mem Sohne Horus aus der Unterwelt, und leitete ihn zum Kampfe 
gen den Typhon an, und fragte ihn dann, was er für dad Schönfte 
We, worauf der Sohn antwortete, er halte für das Schönfte, Vater und 
Better zu rächen. Dann fragte er ihm weiter, welches ver Ihiere er für 
Mi nüglichfte zum Kampfe halte, und befam zur Antwort, das Roß, und 
a vie Frage, warum er nicht den Löwen genannt habe, antwortete Horus, 
ver Lowe ſey nüßlich, wann man Hülfe nöthig habe, das Roß aber, um 
zu flicben und ven Feind zu verderben. Da nun freute ſich Oſiris und 
Weit ven Horus für genug vorbereitet zu dem Kampfe. Als es nun dazu 

men war, giengen Mehrere von Typhon zu Horud über, und Darunter 
Er Thuerig, dad Kebsweib Typhons; des Horus Leute aber 
Weteten die Schlange, welche Thueris verfolgte. Daber ift ed noch ein 
Brauch, ein Seil in die Mitte hinzumerfen und es zu zerhauen. Der 
Ramyf [in welchem nach Diodor (1. 88) Oſiris der Iſis und dem Horus 
in Wolfögeftalt aus der Unterwelt zu Hülfe kam *)] währte mehrere Tage, 
Serus jiegte und Typhon ward gebunden ver Iſis übergeben, viefe jedoch 
catließ ihn, morüber Horus fo erzürnte, daß er Hand an Die Mutter legte 
a ihr den koͤniglichen Schmuck von Haupte riß, wofür dann Hermes 
einen aus einem Kuhhaupt beftehenden Helm aufiegte. Als nun aber 
n den Horus wegen unehelicher Geburt anflagte, warb verjelbe von 
Göttern für rechtmäßig erklärt, und jener ward noch in zwei Treffen 
von ihn beftegt. Iſis jedoch gebahr, von Oſiris nach feinem Tode umarmt, 
den unzeitigen, jchwachbeinigen Harpokrates. 

Diefes, fagt Plutarch (20), find die SHauptzüge des Mythus, mit _ 
VWeglaßung defen, was am übelften zu fugen ift. Leider jedoch ift dieſer 
— fein rein Aegyptiſcher in der Form, wie ihn Plutarch erzählt hat, 










%) Syneſius (S. 115) meldet ein Orafel, weldjes den Aegyptern Befreiung 
verfpricht, wann Horus den Wolf flatt des Löwen zu Hülfe nehmen würde; 
wer aber der Wolf fey, war eine heilige Sage, welche nicht ausgeplauderd 
werben durfte. 

16® 


Jar Iſis, Dfiris, Soruf. 


fondern er ift der Griedhifchen Auffaßung Aegyptiſcher Mythologie 
paßt, wiewohl er immerhin in diefer Form noch weit beßer dargeſtellt 
ala in der Gefchichte bei Diodor (1. 17), wo es heißt: Ofiris fa 
ein Heer, um die Welt zu durchziehen und ven Weinbau, fo wie 
Saat von Weizen und Gerfte zu lehren. Die Herrſchaft übertrug er 
bie Zeit feiner Abweſenheit der Iſis, feinem Weibe, und fegte vericll 
den Hermes ald einen NRathgeber zur Seite, zu dem Feldherrn fg 
Landes aber machte er feinen Derwandten, ven flarfen tapfern Gera 
und zu Landpflegern feßte er über den Theil, ver nach Phönicien zu — 
den Buflris, über ven Theil aber, welcher nach Aethiopien und Libya 
liegt, ven Antaiod. Dann zog er fort mit feinem Bruder Apollon 
Horus als Bruder des Ofiris), der den Lorbeer erfand, fo wie A 
felbft den Epheu erfunden Hatte, welcher ibm daher auch Heilig = 
im Aegyptifchen dad Gewächs des Oſiris heißen fol. Auf feinem 
nahm er feine Söhne mit fi, den Anubis, welder ein Gurz 
umbängte, und den Mafedon, ver einen Wolfäfopfhelm trug, und €“ 
auch den in Aegypten hoch verehrten Pan, nach welchem Chemmo— 
Pansſtadt, benannt ift, mitziehen, fo wie ferner den weinkfundigen TI 
und ben getraivefunpigen Triptolemos. Bei feinem Bortziehen geloed 
fein Saar bis zu feiner Rückkehr nach Haufe wachſen zu laßen, wohe 
Aegyptiſche Brauch flamımt, bei Reifen das Haar bis zur Nachhaufel 
nicht zu fcheeren. Sein Zug gieng nun zuerft nach Nethiopien, wo 
Satyrn zu ihm fließen, da er Muſik und Lachen liebte, weßhalb er q 
die neun Mufen bei fich Hatte, die von Apollon angeführt wurven. Ja 
überfhwemmte ver Nil zur Zeit, ald der Sirius aufgieng, Aegyok 
befonvderd da, wo Prometheus Landpfleger war, und faft alle Menſq 
kamen um, weßhalb ver Fluß ven Namen des Adlers befam; doch Heral 
dämmte ihn ein, und daher flammt denn die Babel, Herakles habe \ 
Adler des Prometheus getödtet. Der Zug des Ofiris aber gieng bis n 
Indien, dann durch Aften nach Europa, wo er in Thrafien den Lykur 
tödtete und den Maron, welcher hernach Maronnia gründete, zurüdl 
ſo wie den Mafevon in Mafenonien. Den Triptolemos aber fchidte 
von da aus nach Attika, und Eehrte beim, mo er dann zum Gotte wi 
welchem Iſis und Hermes zuerft opferten und Myſterien einrichteten. 
Wir fehen aus dieſer Erzählung, wie vie fpäteren Griechen ı 
Aegypter Alles in dem Oſirismythus zufammenhäuften, um den Zug 
Dionyſos nach Indien, welcher felbft vem Zuge Alexanders des Bro 
nachgebildet war, und was den Griechifchen Dionyfos betraf, in 
Aegyptiſchen Mythologie anzubringen, und felbft ver Macedonifchen Hı 
[haft wegen einen Macevon zum Sohne des Oſiris machten. Ob 
Aegyptiſche Sage je von einem Zuge des Oſiris wußte, bürfen ! 
bezweifeln, weil nichts barauf deutet in dem, was wir wirklich als 


I3fis, Oſiris, Soruß, 235 























X logie bes Oſtris betrachten Tonnen. Betrachten wir die Züge, welche 
ver Erzaͤhlung als beachtbar hervortreten, fo ergiebt ſich, daß ver 
Wrempihus ſich Durch Phöniciichen Einfluß gebilvet hat, und zwar müßen 
Bir dieſen den Mythus von dem Tode des Gottes zufchreiben, weil 
em bie Aegyptiſche Mythologie Feinen Tod eines Gottes kennt. 
Deß Dfiri heim Baftmahle in den Todtenfaften gelegt wird und fo zu 
unde geht, ift in fofern ven Aegyptiſchen Brauche gemäß gevichtet, als 
Geſtnaͤhlern eine Mumie, oder ein Todtenfaften in das Gemach gebracht 
war, und man koͤnnte jagen, es lag die Dichtung um fo näher, weil jeder 
He ein Dfiris hieß. Das Lied Maneros ward ebenfalls bei Gaftmählern 
nungen und enthielt vie Klage um vie geftorbene Natur in der Form 
mer Klage um den geitorbenen Königsfohn, wie aus der Sage deutlich 
wong. Diefer follte ein Aegypter feyn, weil vie Klage um dieſen 
nicht aus Aegypten ſtammte, ſondern er war der Phönicifche Königs» 
PR, veren jedoch die Sage in der Geftalt, wie fie Plutarch erzählt, ohne 

m zwei fterben läßt. Lieft man bie leichtfertige Darftelung ver 
We Ofehiige bei Diodor, dann kann es nicht befremben, bei Plutarch auch 
va hliftinus als ven geftorbenen Königsfohn zu finden; denn flatt 
Mekin PBalaftina um der Juden willen in die Sage zu bringen, lag 
ER ferne, ſodald man einmal nicht an dem Urfprünglichen fefthielt. Die 
eh der Genoßen Typhons hat eine Beziehung auf die Zeit der unges 
EEE Sie; doch warum gerade die Zahl zwei und fiebenzig gewählt 
Feen, ift uns nicht klar; denn fie umfaßt zwei Monate (welche breißig 
Tage jeder hatte) und zwölf Tage, was eine feltfame Rechnung in ber 
Mythologie ausmacht, die übervies auf Feinem feftftehenden natürlichen 
Beitwerhältnig beruht. *#) Wir finden die Zahl ſechs und fleben ange- 








e) Es läßt fich nicht annehmen, daß, weil es fih in dieſer Sage um einen 
Tod Handelt, die Zahl der Trauertage in den Gefährten des Typhon perfoni- 
ficirt worden fey; denn erftlich ift es fein der Sache befonders angemeßener 
Gedanke, die Tage der Binbalfamirung und ber Trauer zu Mördern zu 
dichten, und zweitens giebt Herodot diefe zu flebenzig an, eine Zahl, welche 
zu bezweifeln nicht der geringite Grund vorhanden ifl, und die auch durch 
die Bibel beftätigt wird. Im erſten Buche Mofe (50) heißt es: und 
Joſeph befahl feinen Knechten, den Aerzten, baß fie feinen 
Bater falbeten, und die Aerzte falbeten Ifrael, bis daß 
vierzig Tage um waren; denn fo lange währten die Salbe 
tage, und bie Aegypter beweineten ihn fiebenzig Tage. Daß 
bier die Zahl fieben als eine heilige zu Grunde liege, drängt fich leicht auf, 
und ebendafelbft heißt es (Vers 10) von der Beſtattung: Joſeph trug über 
feinen Bater Leid fleben Tage. Diefe flebenzig Tage dürfen daher nicht mit 
ver Zahl zwei und flebenzig, welche wir bei den Gefährten Typhons nicht 
als willführlich betrachten fünnen, als verwechfelt angefehen werben. 












346 Sfis, Dfirid, Horn. 


wendet, um größere Zahlen durch fie zu begrümten, z. B. zwei und vierf 
Todienrichter; aber was ſechs und zwölf mulriplicirt bei Topbon und Df 
für eine Bereutung haben Fönnten, iſt tunfel. Ohne Bereutung je 
war tiefe Zabl ficherlich nicht, jo wenig als vie ver Jahre des DE 
welcher acht und zwanzig Jahre lebt (over berricht), denn io flieht 
auf ter Iniel Rkilä viele Zahl feiner Jabre durch acht und zwanzig Lot 
pflanzen vargeitellt, wa8 viermal fieben ausmacht, während die Städe, Wi 
welche er zerripen wird, vie Hälfte feiner Lebensjahre, vierzehn, sie 
zweimal fieben, beträgt. Anzunebmen, viele Zablen ſeyen ohne e 
beſondere Abficht gemählt, wie ter Zufall ed gewollt babe, uns 
Möglidyfeit, vie Zabl jieben varin zu finzen, jey eben audy nur ein € 
des Zufalld, gebt durchaus nit an, tenn wo die Mythologie 
anwendet, find Dieje immer entweder in ter Sache begründet, oder es 
zum wenigſten Rückficht auf eine jegenannte heilige Zahl genom 
Plutarch (42) giebt vie Erklärung, um vie Auslegung des Dfiris alsll 
Mendes zu unterftügen: viele Zahl acht und zwanzig ſey in ver S 
weil der Mond in jo vielen Tagen feinen Umlauf vollbringe, und er iu 
am fiebenzehnten geitorben, meil ta meiſt Vollmond jes, und in vi 
Stüde jey er zerrigen werten, weil der Mond io viele Tage vom 2 
mond bis zum Neumond untergehe. Der todte Dfiris mußte in St 
zerrißen werten, wenn man die verichiedenen Gräber deſſelben in Aegyrich 
als den wirklichen Leib des Gottes enthaltend gelten laßen wollte, uuh 
weil tie abgeftorbene Natur durch Waper wieder befruchtet wird, daß fe 
neu erblühe und grüne, jo war bie Tichtung, des Dfiris Scham ſey ia 
den Nil geworfen worden, eine ver Sadıe ganz gemäfe. Wenn wir abe 
bei Diovor lefen (1. 21), Typhon habe Ten ermordeten Dfiris in fect 
und zwanzig Stücke zerrigen, und jedem feiner Genoßen eins gegeben, bi 
auf die Scham, welche er in ven Fluß warf, weil feiner der Genoßen 
fie haben wollte, To ift dieſe Zahl zmar eine abmeichende, doch ſteht Dioder 
in Beziehung auf muthologiiche Ueberlieferung hinter Plutarch zurüd, um 
wir würden nad) Diodor auch nur ſechs und zwanzig Genopen des Topf 
haben, welche Zahl aus feinem ver jonftigen Aegyptiſchen Zahlenverbält 
nipe zu erklären if. Bei Diodor finden wir überhaupt das Beſtreben, 
alles Mythiſche jo zu wenden, daß ed als ein Hiftorifches erſcheine, wodurch 
tenn natürlid) manches muthiih Bedeutſame verwiſcht ward. Er erzählt 
bie ganze Todesſage des Oſiris fo: Den Tod des Oſiris hielten nach alter 
Ueberlieferung die Priefter geheim, doch im Laufe ver Zeit warb das Bers 
heimlidyte ausgeplaudert. Cie fagen nämlich, Oſiris, welcher Aegypten 
geſezlich beberrichte, ward von jeinem gewaltjamen, gottlofen Bruder 
Typhon getäbtet, welcher ven Leichnam in ſechs und zwanzig Stüde zerrif 
und jedem jeiner Genopen eins gab, um fie zu Theilnehmern jeiner 
Srevelthat zu machen, damit er an ihnen zuverläßige Stügen feiner Herr⸗ 


fies, Ofſiris, Horu z. %47 


ft Hätte. Iſis aber rächte mit Horus Hülfe den Mord, töbtete den 
phon und gewann die Herrfchaft. Der Kampf fand flatt bei vem Flecken, 
(dyer nach dem von Herakles gezüchtigten Antaios benannt ift und nach 
abien zu Liegt. Iſis fuchte nun alle Theile des Oſtris zufammen, fand 
7 die Scham nicht, und indem fie das Grab ihres Gatten ungefannt, 
oc von allen Aegyptern geehrt machen wollte, verfuhr fie alfo: fie 
chte aus Aromen und Wachs um jedes der Stüde ein Bild des Oſtris, 
ief dann die Priefter ftammmeife, und ließ fie fchwören, keinem zu 
:nbaren, was fte ihnen anvertrauen würde. Dann gab fie ihnen einzeln 
Oſſtrisbild als das allein wahre zur Beftattung, und ermahnte fie zu 
tlicher Verehrung veflelben, fo wie, daß fte eins von ihren Thieren, 
(yes fie wollten, heiligen und dein Oſtris gleich verehren, nach feinem 
de aber eben fo beitatten follten. So ift e8 denn gefommen, daß jebe 
tefterichaft meint, bei ihr fey Oſtris begraben, und daß ſie bei ver 
Mattung der heiligen Thiere die Trauer über den Oſtris erneuern. 

Die Gräber nun des Oſiris und die Klage um ihn waren ein Haupte 
el des allgemeinen Aegyptiſchen Cults. Plutarch (20) fagt, die Opfers 
fer hat ein trauriges, düfteres Anfehen, vie Tempel find theils freie, ein« 
ſchloßene Plätze und offene, helle Laufbahnen, anverntheild aber haben 
» heimliche, dunkele Gemäcdher unter der Erde. Abydos und Memphis 
ichten beſonders Anfprüche, dad wahre Grab des Oſiris zu befigen und 
ließen fidy viele reiche, angelehene Uegypter in Abydos begraben, um 
i Dfiriß beftattet zu feyn (Herr von Abydos heißt er In den Hierogly⸗ 
en). Strabo (814) meldet von diefer Stadt: in Abydos verehren fte 
n Ofiris, e8 darf aber In feinem Tempel kein Sänger over Flötenbläfer, 
er @itherfpieler dem Gott ein Vorfpiel machen, mie es bei den andern 
dttern gefchieht. *) Memphis machte feinen Apis geltend, al8 wohne 
: Seele des Gotted darin, und man beutete den Namen ver Stadt, al 
wichne er den Hafen des Guten oder auch das Grab des Dfiris. (Eines 
Ben, prächtigen Ifistempeld zu Memphis, vom Könige Amaſis erbaut, 
denkt Herodot [2. 176]. Und hätte man wirklich geglaubt, die Seele des 
ſiris wohne in dem Apis, fo würde dieſer Stier doch wohl richtiger in 
m Umfange dieſes Ifistempeld gemohnt haben, ald in den des Phthah, 
id wenn man feine Seele in dem lebendigen Stier hatte, fo würden 
rüber des Gotted und die Klage um ihn feltfam gewefen feyn. Noch 


*) Bei Jamblichus (V. 8) Tefen wir die Drohung: den Himmel anfchlagen, 
oder das Verborgene der Iſis veröffentlichen, oder das Geheime in 
Abydos zeigen, oder die Barfe hemmen, oder die Glieder des Oftris 
dem Typhon aus einander fireuen. Und es fagt derfelbe im flebenten Capitel, 
bie Chaldäer hätten derartige Drohungen nicht, aber bie Aegypter bedienten 
ſich ihrer. 


2346 fi, Oſiris, Sorus, 


wendet, um größere Zahlen durch fie zu begründen, 3. B. zwei und 
Todtenrichter; aber was ſechs und zwölf multiplicirt bei Typhon und 
für eine Bedeutung haben Eönnten, ift dunkel. Ohne Bedeutung 
war diefe Zahl ficherlidy nicht, fo wenig ald die der Jahre des 
welcher acht und zwanzig Jahre lebt (oder herrſcht); denn fo ſieht 
auf der Infel Philä diefe Zahl feiner Jahre durch acht und zwanzig ®, 
pflanzen dargeftellt, was viermal fieben ausmacht, während die Stud 
weldye er zerrißen wird, die Hälfte feiner Lebensjahre, vierzehn, 
zweimal fieben, beträgt. Anzunehmen, diefe Zahlen feyen ohne 
befonvdere Abſicht gewählt, wie der Zufall es gemollt habe, um 
Möglicykeit, die Zahl fieben darin zu finden, fey eben auch nur eimm ı 
des Zufalls, geht durchaus nicht an; denn wo die Mythologie Z 
anmendet, find dieſe immer entweder in ver Sache begründet, ode 
zum wenigſten NRüdficht auf eine fogenannte Heilige Zahl genou 
Plutarch (42) giebt vie Erklärung, um die Auslegung des Ofiris al 
Mondes zu unterftügen: biefe Zahl acht und zwanzig fey in ve ( 
weil der Mond in fo vielen Tagen feinen Umlauf vollbringe, unv e 
am fiebenzehnten geftorben, weil da meift Vollmond fey, und in wid 
Stüde fey er zerrißen worden, weil der Mond fo viele Tage vom M 
mond bis zum Neumond untergehe. Der todte Oſiris mußte in #4 
zerrißen werben, wenn nıan die verſchiedenen Gräber veffelben in Aegyſ 
ald den wirklichen Leib des Gottes enthaltend gelten laßen wollte, 1 
weil die abgeftorbene Natur durch Waßer mieder befruchtet wird, daß 
neu erblühe und grüne, fo war die Dichtung, des Ofiris Scham ey 
den Nil geworfen worden, eine ver Sache ganz gemäße. Wenn wir dl 
bei Diodor leſen (1. 21), Typhon habe den ermordeten Oſtris in fe 
und zwanzig Stüde zerrißen, und jedem feiner Genoßen eind gegeben, 
auf die Scham, welche er in den Fluß warf, weil feiner der Geng 
fie haben mollte, fo ift dieſe Zahl zwar eine abweichende, doch fteht Di 
in Beziehung auf mythologifche Weberlieferung hinter Plutarch zurüd, 
wir würden nach Diodor auch nur ſechs und zwanzig Genoßen des Tiyy 
baben, weldhe Zahl aus feinem der fonftigen Aegyptifhen Zahlenvert 
niße zu erklären if. Bei Diodor finden wir überhaupt dad Beftre 
alles Mythiſche fo zu wenden, daß e8 als ein Hiftorifches erfcheine, wod 
denn natürlich” manches mythiſch Bedeutſame verwiſcht ward. Er er; 
die ganze Todesſage des Dfiris fo: Den Tod des Oſiris hielten nach 
Meberlieferung die Priefter geheim, doch im Laufe der Zeit warb das? 
heimlichte ausgeplaudert. Sie fagen nämlich, Oſiris, welcher Aegy 
gefeglich beherrfchte, ward von feinem gewaltjamen, gottlofen Brı 
Ayphon getöbtet, welcher ven Leichnam in ſechs und zwanzig Stüde ze 
und jedem feiner Genoßen eins gab, um fie zu Theilnehmern fe 
Frevelthat zu machen, damit er an ihnen zuverläßige Stügen feiner He 


Iſis, Oſiris, Soruß %47 


k hätte. Iſis aber rächte mit Horus Hülfe den Mord, töbtete ben 
bon und gewann die Herrfchaft. Der Kampf fand flatt bei dem Flecken, 
melde nach dem von Herakles gezüchtigten Antaios benannt ift und nach 
bien zu Liegt. Iſis fuchte nun alle Theile des Oſtris zufammen, fand 
bie Scham nicht, und indem fie dad Grab ihres Gatten ungelannt, 
och von allen Aegyptern geehrt machen wollte, verfuhr fie alſo: ſie 
ahte aus Aromen und Wachs um jedes der Stüde ein Bild des Oftrig, 
Berief dann die Prieſter ſtammweiſe, und ließ fie fchmwören, keinem zu 
enbaren, was fte ihnen anvertrauen würde. Dann gab fie ihnen einzeln 
in Ofirisbild als das allein wahre zur Beſtattung, und ermahnte fie zu 
tliher Verehrung veffelben, fo wie, daß fte eins von ihren Thieren, 
Ahes fie wollten, heiligen und dem Oſiris gleich verehren, nad feinem 
ede aber eben fo beftatten follten. So ift es denn gefommen, daß jede 
erterihaft meint, bei ihr fey Oſtris begraben, und daß fte bei ver 
Büttung der heiligen Thiere die Irauer über den Oſiris erneuern. 
de Gräber nun des Oftrid und die Klage um ihn waren ein Saupts 
> DE allgemeinen Aegyptiſchen Cults. Plutarch (20) fagt, die Opfers 
Br hat ein trauriges, düfteres Anfehen, die Tempel find theil8 freie, ein« 
Mboßene Plätze und offene, helle Laufbahnen, anderntheils aber haben 
F heinliche, dunkele Gemächer unter der Erde. Abydos und Memphis 
ahten beſonders Anſprüche, das wahre Grab des Oſiris zu beſitzen und 
R ließen ſich viele reiche, angeſehene Aegypter in Abydos begraben, um 
Ofris beſtattet zu ſeyn (Herr von Abydos heißt er in den Hierogly⸗ 
Wen). Strabo (814) meldet von dieſer Stadt: in Abydos verehren fie 
hen Ofiris, e8 darf aber in feinem Tempel fein Sänger oder Floͤtenbläſer, 
der Githerfpieler dem Gott ein DVorfpiel machen, wie es bei den andern 
Kitern gefchieht. *) Memphis machte feinen Apis geltend, als wohne 
e Seele des Gottes darin, und man beutete den Namen der Stadt, als 
eidhne er den Hafen des Guten oder auch dad Grab des Oſiris. (Eines 
Wen, prächtigen Iftstempeld zu Memphis, vom Könige Amaſis erbaut, 
enkt Herodot [2. 176]. Und hätte man wirflich geglaubt, die Seele des 
ri wohne in dem Apis, fo würde diefer Stier doch mohl richtiger in 
a Umfange dieſes Iftstempeld gewohnt haben, als in dem des Phthah, 
) wenn man feine Seele in dem lebendigen Stier hatte, fo würben 
ber des Gottes und die Klage um ihn feltfam geweſen feyn. No 

















*) Bei Jamblichus (V. 8) Tefen wir die Drohung: den Himmel anfchlagen, 
oder das DVerborgene der Iſis veröffentlihen, oder das Geheime in 
Abydos zeigen, oder die Barfe hemmen, oder die Glieder des Oſtris 
dem Typhon aus einander freuen. Und es fagt derfelbe im fiebenien Enpitel, 
bie Chaldäer hätten derartige Drohungen nicht, aber die Aegypter bedienten 
ſich ihrer. ' 


248 Iſis, Oſiris, Sorns. 
























feltfamer aber wäre das Wiederaufleben des Gottes geweſen, wobei bei 
Stier die Seele, welche ihn in diefen alle zu einem heiligen gemadipe 
hätte, verlieren mußte.) in Ofirisgrab auf der Infel Phila, eigendligpie 
auf einen Inſelchen bei Phil, galt als vorzüglich heilig; vie Infel wer 
unbetretbar und unzugänglich, fo daß Feine Vögel, hieß es, dahin flogendrh 
und feine Vifche daran ſchwammen. Nur zu einer beftimmten Zeit Tchiffieg 
die Priefter dahin, verrichteten die Todtenopfer und begränzten dad Gral 
welches von dem Gewächs Methive befchattet war, das höher wächſt al 
ein Delbaum. (Dieſes Gewächs, wenn man ed auch bier nicht als Tam 
riöfe genannt findet, war doch Fein anderes, al8 diefer Baum; denn map: 
fiebt ihn in dem heiligen Gemach zu Philä vargeftellt, wie fchon ob: 
bemerft worden ift.) Oſiris Tod und fein Scheiven von der Erbe Bi 
abgebildet in einem Fleinen Gemache bei dem weftlichen Upytum des Tem: 
peld, und acht und zwanzig Xotudpflanzen zeigen die Zahl feiner Lebe 
jahre an; fein Scheiven in die andere Welt ift bezeichnet durch die Go 
und Genien, welche ven Leichengebräuchen vorftehen, und er felbft Hat we}, 
Kopfbedeckung, mit welcher er als Richter im Amenti erfcheint, vie oßew}, 
Krone mit den beiden Straußfedern. Diodor (1. 22) erzählt nach des 
profaifchen, hiftorifirenden Art, welche er immer befolgt, Iſis, die Königin, ı 
habe nad) des Ofiris Tod trefflich geherrfcht, und fey dann zu Memphih 4, 
begraben und göttlid verehrt worden, wofelbft ihre Capelle in dem Heilige 
thume des Hephäftos gezeigt werde. Manche aber gäben vor, dieſe @ötter |, 
feyen nicht zu Memphis begraben, fonvdern an der Gränze von WUethiopien 1 
und Aegypten auf der Nilinfel bei Philä, und dieſe heiße davon dal 
heilige Feld. Dafelbft ift ein Grab des Oſiris, welches von den Prieſtern 
Aegyptens allgemein verehrt wird, und es find drei hundert und jecdhzig 
Kannen allva, welche von eigend dazu verorbneten Prieftern jeden Tag | 
mit Milch gefüllt werden, und fie wehflagen die Namen der Götter anrufen. 
Deßhalb wird die Infel nicht von andern, fondern nur von den Prieſtern 
betreten, und alle Bewohner des Thebifchen Bezirks haben Eeinen höheren 
Schwur, ald bei dem in Philä Tiegenven Oſiris. Damit ift zu vergleichen 
was Diodor (1. 97) von Afanthos erzählt, einer Stadt, welche hundert 
und zwanzig Stadien weit von Memphid entfernt lag (und, wie Strabe 
[809] angiebt, einen Oftristempel hatte, welcher wohl richtiger ein Iſis⸗ 
tempel heißen würde). Dafelbft, fo heißt e8 bei ihm, war ein Faß, in 
welches täglich dreihundert und fechzig Priefter Nilwaßer trugen, das Faß 
aber war durchloͤchert, und in einer dafelbft ftattfindenden Feftverfammlung 
flocht einer ein Seil, Hinter ihm aber fanden meldye, die feine Arbeit 
wieder auflöften. Das Füllen der dreihundert und fechzig Kannen mit 
Milch zu Philä, und das Waßerfchöpfen ver dreihundert und ſechzig Prie- 
fer zu Akanthos muß, wie von felbft einleuchtet, einen und venfelben 
Sinn gehabt haben. Die Zahl weiſt deutlich auf dad Sonnenjahr ohne 


Sfis, Oſiris, Horus. 248 


% fünf Zufagtage, und wenn dieſe Handlung ſich auf die Seit bezog, wie 
ar nicht zu zweifeln ift, fo erklärt ſich das damit zu Akanthos verbundene 
lechten des Seil, welches vorne geflochten, Hinten wieber aufgelöft wird. 
ie Zeit erzeugt ſich fort und fort vorwärts oder wird erzeugt; aber kaum 
geugt, geht fie dahin und wird ald Vergangenheit rückwärts gleichlam 
leder aufgeldjt. Schade aber ift e8, daß wir das Alter viefes Gebrauchs 
cht kennen, fondern bloß durch Diovorus davon vernehmen, und daß wir 
en fo wenig erfahren, ob derſelbe mit dem Oftriscult in Verbindung 
md. Dieſes hätte der Ball recht wohl feyn koͤnnen; denn die Zeit, vie 
‚ihrem Fortſchreiten als das Leben in feinem Fortſchreiten galt, ift in 
m Naturcult, welcher fih auf das Leben bezieht, Höchft wichtig, und In 
m Sahresverlauf farb Oftris und lebte wieder auf, fo daß bei feinem 
ult der Jahreöverlauf ganz fachgemäß als ein Wichtiges behandelt worden 
are. 
Nach des Eudoxus Angabe bei Plutarch (21) war, während viele 
däaber genannt wurden, das wahre und ächte Grab des Gottes zu Buffris, 
wege Stadt auch zugleich fein Geburtsort feyn follte und deren Namen 
a Grab des Oſiris gedeutet ward. *) Daß dieſer Name wirklich) aus 
Busheftri gebildet fey, wird durch den Namen Bus baftis beftätigt und 
sohl auch durch den Namen Buto, daß er aber Grab des Offris bepeute, 
ſt eben wegen der beiden andern angeführten Namen nicht wahrfcheinlih, 
ondern eher ift zu vermutben, er bedeute Stadt oder Wohnung des Oſiris. 
Bon Buflris, welches mitten in dem Delta gelegen war, meldet Herobot 
2. 59), daß es eines von den fechd großen gemeinfamen Feſten ber 
Aegypter gehabt habe, und daß der größte Tempel ver Iſis darin geweſen 
ſey. Das Opfer aber, welches zu Buſtris bargebracht wurde, befchreibt 
er alfo: nachdem fie gefaftet und gebetet, jchlachten fie ven Stier, ziehen 
ihm das Fell ab und nehmen den Magen heraus, laßen aber vie Einge⸗ 
weide und das Yett darin, und ſchneiden die Schenkel, vie Hüftknochen, 
be Vorderbuge und den Hals ab. Alsdann füllen fie ven Leib des 
Btieres an, mit reinem Brod, Honig, Roſinen, Veigen, Weihrauch, 
Myrrhen und mit fonftigem NRäucherwerf, morauf fie ihn verbrennen, 
Indem fte fehr viel Del hinzugießen. Während dann das Opfer verbrannt 
wird, ſchlagen fich Ale an die Bruft, und hierauf verzehren ſie, was von 


*) Die Griechen erzählten, Buſiris ſey ein König gewefen, welcher bei einer 
Dürre die Weißagung erhielt, er folle jährlich dem Zeus einen Fremden 
opfern ; als er aber den Herafles opfern wollte, fprengte biefer feine Bande 
und tödtete ihn. Diodor (1. 88) Teitet die Fabel vom Buflris, als dem 
Dpferer der Fremden, davon ab, daß in alter Zeit am Grabe des Oftris 
(und der Name Buflris bedeute diefes) von den Künigen Typhunifche 
Menſchen geopfert worden jeyen. 


250 fie, Dftris, Horn 


dem Opfer übrig geblieben if. Warum ſie fih an die Bruft ſchlages 
durfte der fromme Herodot nicht ausplaudern,, doch meldet er ung (2.61% 8 
daß die in Aegypten wohnenden Karer es noch ärger mit biefer Tran 
trieben, als vie Aegypter, indem fie fih mit einem Meßer vie Stimm 
zerfchnitten, woran man fte als Fremdlinge erfennen konnte. Daß wi" 
Trauer zu Buſiris den Tod des Oſiris zum Gegenftand Hatte, if gem 
Diodor (1. 85) weiß noch etwas zuzufügen, indem er meldet: Cinigk 
geben auch an, Iſis habe die von Typhon zeritüdten Glieder des Of 
in eine hölzerne Kuh getban, die mit Byſſus umgeben war, und ba 
diefe Kuh nach Buftris gebracht. An und für fich ift dieſes eine ſeht 
richtige Mythologie; denn da die Kuh das Bild der gebährenden Mut 
Natur ift, die alles Geftorbene empfängt, und aus der alle neue Le— 
wieder gebohren wird, fo konnten des tobten Oſiris Glieder ver A 
anvertraut werden, damit fie wieder, mann die Zeit gefommen, 
gebohren würden, wie Horus die Hathor, die Kuh zum irpiichen Hugh 
hat, d. h. Kind und Pflegling verfelben iſt; doch wir Fünnen auf viip! 
bloße Meldung Diodors hin, dieſen Gedanken als wirklich in der Yoga | 
tifhen Mythologie vorgefommen, nicht annehmen. Kein Anderer meld 
etwa Aehnliches, und die Denkmäler zeigen nicht der Art, in Bejie⸗ 
bung auf Oftris, da in der Iſis⸗Ofirisſage nicht Oftris, fondern Sormb | 
von Iſis gebohren wird. . 
Sämmtliche Gräber des Oſiris in Aegypten zu bezeichnen, find wir 
nicht mehr im Stande; zu den vier genannten aber, koͤnnen wir das zu 
Said fügen, morüber Herodot (2. 170) melvet, invem er von dem Hei⸗ 
ligthum der Neith daſelbſt fpricht: e8 ift in dem Heiligthum zu Said dab | 
Grab eined Gewißen, hinter dem Tempel längs der Mauer. In dem 
Heiligthum find Obelisfen und ein Ereiöfürmiger mit einer Mauer einge 
fhloßener See, von der Größe des See's auf der Infel Delos, auf 
welchem fle Nachts das, mad jenem Gewißen (dem Oſtris) wiederfahren 
ift, vorftellen, und mas fie Mofterien nennen. Daraus erfehen wir alje, i 
daß das Leiden des Oſiris auch wirklich dargeftellt ward, und zwar auf * 
dem Waßer, wonach es fcheint, daß dad Waßer noch mehr Bedeutung 
in biefem Mythus Hatte, als ed in ver Erzählung von der Scham bed 
Dfiris hat. Auf ver Barke ward der Todte in den Amenti gebracht, fo 
glaubte man, und es könnte wohl bei der Darftellung des Todes, welchen 
Oſiris auf dem See zu Said erleivet, auch dieſe Idee mit im Spiele 
geweſen feyn; denn follte fein Tod vollftännig dargeftellt werden, fo müßte 
er auch, wie ed fcheint, in den Amenti gebracht werden. Dazu flimmt 
auch die Nacht, welche die Zeit jener Darftelung war, denn wie glänzend 
immerhin die Einbilpdungsfraft die Wohnungen der verftorbenen Gerechten, 
welche das Gericht beſtanden hatten, dichten mochte, fo ift Doch der Amenti 
im Weften, wo die Sonne untergeht, und Nadıt und Top find verwandt 











= 3 o = — m a 
—_@ m - ıE 


Ifre, Oſiris, Sornd. 251 


bie Uinterwelt, was der Amenti ven Aegyptern ebenfalls war. Daß 
ich eine Beftattung des Oſiris an den Trauerfeften vorfam, iſt auß 
zu erſehen, was Plutarch (24) angiebt, denn er fagt, das Holz 
Todtenfaften ward geichnitten, dad Linnen zerrifen (natürlich zum 
pideln der Mumie), und Todtenfpende ward dargebracht. Daß vie 
e von der Tochter ver Mykerinos zu Said, weldye in einer hölzernen 
oldeten Kuh begraben war, fi) auf den Yfiscuft daſelbſt beziehe, ift 
ı oben in ver Mythologie der Neith erzählt worden, fo daß biefe 
e bier nicht wiederholt zu werben braucht. *) 
An dem fiebenzehnten des Monats Athyr fol Oſiris den Tod erlitten ° 
n, und ſchon am neunzehnten deſſelben Monats, zur Zeit, wo bie 
berfhemmung zu Ende zu feyn pflegte, gieng man, wie Plutarch 
) angiebt, zu vem Meere hinab, und die Stoliften, d. i. die Bekleider 
Büdtterbilter, trugen fanınıt den Prieftern die heilige Kifte mit dem 
enen Gefäße darin hinaus, in weldes dann Trinfwaßer gegoßen 
b; Die Anmwefenvden aber erhuben ein Geſchrei, Oſiris fey gefunden. 
e Sormel lautete, wie Athenagoras (S. 24) und Yulius Birmicus 


*) Weil DOfiris ganz dem Dionyfos gleichen und in Allem dieſer Gott feyn 
follte, fo mußte er auch zum Gotte von Nyfa gedichtet werden, worüber wir 
bei Divdor (1. 27) Folgendes lefen: Manche fegen die Gräber des Oftris 
und der Iſis (Ifisgräber gab es nicht, doch Diodor fleht in den Göttern 
nur vergötterte Menfchen) nad Nyſa in Arabien, und jagen, es feyen bafelbft 
zwei Säulen für Beide errichtet mit heiliger Schrift, und bie der Iſts laute: 
ich bin Iſis, die Königin diefes Kandes, von Hermes unterwiefen, und was 
ich gefeglich verordnet habe, fann Keiner Töfen. Ich bin des jüngften 
Gottes Kronos ältefte Tochter. Ich bin das Weib und die Schwefter des 
Königs Ofiris. Ich bin es, die den Menfchen zuerft die Frucht gefunden 
hat. Ich bin die Mutter des Königes Horos. Ich bin die in dem Hunde 
fiern aufitehenvde (der Hundsftern hat zwei Sterne, deren einer der Iſis 
gehört und fo heißt, der andere aber eigentlich Sirius genannt wird). Sch 
habe Bubaſtos gegründet, fey gegrüßt Aegypten, fey gegrüßt du meine 
Nährerin. Auf der Säule des Oflris fland: Mein Vater iſt der jüngfte 
Gott Kronos, ich aber bin Dfiris, jener König, der ein Heer in alle Welt 
führte, bis in Indiens unbewohnbare Länder und zum fernen Nord, bis zu 
den Quellen des Ifter und in die anderen Länder bis hin zum Okeanos. 
Sch bin des Kronos älteſter Sohn und bin entiproßen aus einem fchönen 
edeln Ei, und bin ein dem Tage verwandter Samen, und es iſt fein Ort 
des Grofreifes, wohin ich nicht gekommen bin, Allen meine Wohlthaten 
vertheilend. Das Weitere ift auf der Säule verborben, und läßt fich nicht 
lefen. Doch über das Grab der Götter Herrfcht Zwiefvalt, weil die Priefter 
nichts ausplaudern dürfen. Und nicht nur foll Oftris zu Nyſa begraben, 
fondern auch, wie derfelbe Grzähler (1. 14) angiebt, erzogen worden ſeyn 
und den Wein erfunden haben, wie es fih für den Gott paßte, der ganz 
zum Dionyfos gedichtet worden war, 


3ſis, Oſiris, Hornet. 


über den Irrthum (S. 5), nebſt dem Scholiaſten des Juvenalis (8. ER 


fagen, wir haben ihn gefunden, wir wünſchen Glück.) Dann ward frud 


bare Erde mit Waßer vermifht, Arome und köſtliche Näucherwerkgäk 
wurden darunter gemengt, und man machte ein mondförmiges Bildchen 
daraus, welches dann befleivet und gefchmüct ward, um, wie Pluterl 
vernahm, oder auch felbft einzufehen glaubte, anzudeuten, dag Oftris u 
Iſis dad Wefen des Waßers und der Erde feyen. Daß in diefem Brawl 
angedeutet ward, bie Erde gebähre ihren Seegen, wann fie vom Wafeg 
getränft werde, und daß die Arome nur zur Beierlichfeit dienten, um Wi 
Erve als heilig zu behandeln, ergiebt ſich veutlih aus dem Erzählt 
Die Zufammendrängung von Trauer um den Tod des Oſiris und x 
der Wiederfindung des Gottes, darf und als unnatürlich nicht befremde 
denn es handelte fi um die Darftelung und Feier der Sache, nicht 
eine genaue Begleitung der natürlichen Verhältniße durch den @ult, we 
eine lange Trauerzeit, unterbrochen durch die eintretende Nilüberjchmeng 
mung eingetreten wäre, welcher dann nad langer Unterbrechung 


Ende 


Oſiris gefolgt wäre. 


2 = Em m N IE m BE 


der Nilüberfchmemmung, das Freudenfeſt ver Wiederfindung MER 


Ganz und gar eben fo wie mit diefer Zuſammen 


' 


brängung bei Oſiris, fand es ftatt bei Adonis in dem Phönicifchen Eulkd, 
deßen Einwirkung auf den Aegyptifchen wir anzunehmen gebrungen find. \ ' 
Hat nun Plutarch Tod und Wiederfinden auf ven flebenzehnten und neuns 


— nn 0 ne — — — — — 


*) In wiefern und ob bildliche Darſtellungen der Wiederkehr des Oſiris falle l 


fanden in dramatiſchen Aufzügen, wißen wir nicht; denn daB bei jenen— 
Zuge, wo der Ruf ertönte: wir haben ihn gefunden, Oftris felbft dargeſte F 
worden wäre, erfahren wir nicht, bei Macrobius aber leſen wir im bei 


Saturnalien (1.18) etwas der Art, was jedoch feltfam lautet. Die Aegypier, 
meldet er (dem Oftris ein Divnyfos, als Sonnengott aufgefaßt, war), flellten 
den Bott zur Zeit des Winterfolftitiums Elein dar, und brachten ihn dan 
an einem beflimmten Tage in das innere Heiligtum, im Frühjahr wurde 
er SJüngling, dann zur Zeit des Sommerfolftitiums ein Mann mit bem 
Bart, und endlid ein reis. Diefes paßt nicht auf den Oſiris und bie 
Aegyptifchen Berhältniße, wo zur Zeit des Sommerfolflitiums die Nils 
überfhwemmung herannahte, durch welche Oſtris nicht zu einem Greiſe 
werben Fonnte, fondern paßt für einen Sonnengott eines andern Landes. 
Auch würde das Zerreißen des Oſiris dann nnmögli in der Dichtung 
gewefen feyn, die Klage um ihn und das Suchen feinen Sinn gehabt Haben, 
und der Mythus, wie der Cult, nicht Habe flattfinden können; denn ein 
Greis braucht nicht zerrißen zu werden, da er vor Alter flirbt, und nad 
ihm zu fuchen, bat feinen für die Naturreligion geeigneten Zweck. Oben 
brein findet ſich nach diefer Angabe eigentlich gar Feine Zeit, während welcher 
Ofiris todt geweſen wäre. Faſt fcheint es, als beruhe diefe ganze Nachricht 
auf Verwechfelungen; denn den Oftris des Aegyptiſchen Cults kann fle nicht 
zum Inhalt haben. 


a 


Iſis, Oſiris, Soruß. 253 


zehnten Athyr geſetzt, fo kommen wir doch in Zmeifel durch das, was er 
weiter jagt. Er giebt nämlih an, vier Tage lang währe bie Trauer, 
wem fiebenzehnten an, zur Zeit, wann die Nächte länger würden und bie 
Kraft des Lichts abnehme, und die Prieſter verrichteten dann finftere 
Gebräuche, und zeigten der Göttin Bild, eine vergolpete Kuh in einer 
ſchwarzen Byſſushülle (Die Kuh in Trauer ift natürlich die Göttin, 
weldye um ven todten Gatten trauert.) Die Auslegurg der vier Trauer⸗ 
inge Tautet nun jo bei Plutarch, ſie betrauern erftlich ven Nil, ver abge- 
nommen, zweitens die Norbwinde, welche von den Südwinden verbrängt 
werden, drittend den Tag, ver Eleiner ald die Nacht ift, und vierten 
De table, der Blätter beraubte Erde. Betrauerten fie wirklich die Zeit, 
im welche vie Trauer fiel, dann hätte der Freudentag nicht darauf folgen 
nen, weßhalb viefe gefuchte Auslegung Feiner Wiverlegung bedarf, 
umgefehrt, war der Freudentag auf die rechte Zeit verlegt, wann 
Nilüberfchwemmung zu Ende ift, wo dad neue Aufleben der Erde 
Meinnt, während die böfe Zeit, wo die Erde verödet war, vor die Nils 
"Weierihmemmung fällt. Aber wie find vom flebenzehnten Athyr bis zum 
; weunphnten vier Trauertage möglich? Offenbar widerſpricht ſich Plutarch 
> fl in den Angaben über die Zeit, und wir find nicht im Stande, 
Aieſen Widerſpruch aufzuhellen. Ehe jedoch Oſiris gefunden war, warb 
er gefucht; doch von diefem Suchen fehlt und eine Befchreibung, es muß 
aber dem der Iſis geglichen haben, welche ihn fucht von Anubis begleitet, 
welcher allerdings der rechte Begleiter war, denn ohne daß der Hundäftern bie 
Nilüberſchwemmung bringt, würde Iſis den todten Gatten nicht wieder 
en, und er würde nicht wieder zum Leben erwert werden. Minucius 
x (21) fchilvert eine ſolche Darftelung: Iſis betrauert mit ihrem 
Sundöfopf und den Fahlen Prieflern ihren verlornen Sohn, jammert und 
ſucht, und bald, mann fie ihr Knäbchen gefunven, freut ſich Iſis, die 
Briefter jubeln und der Hundskopf als Binder brüftet fih. In die geit 
vor der Wiederfindung, gehört auch das Siftrum (Aegyptiſch schesch 
"er seschesch), dad Klappermwerfzeug ver Iſis. Mit dieſem, fagt Plutarch 
(63), wird Typhon gefcheucdht, es hat oben eine runde Spige, darauf ift 
eine Kae mit menfchlichem Antlitz gebildet, unten aber, unterhalb deßen, 
was den Elappernvden Ton hervorbrachte, war das Bild der Iſts, zumellen 
aber das der Nephthys. Das Klappern folte ein DVerfcheuchen bewirken, 
wie man durch Betöfe und Geſchrei ftört und ſcheucht; die Bilder dieſes 
Werkzeugs aber zeigen die gebährende Gdttin und die Göttin der Geburt, 
welche Die Kate zum Sinnbild hat. Unfruchtbarkeit und Verddung fchafft 
Typhon, er zerftört die zeugende Kraft, aber durch Bebähren wird dieſe 
Verddung wieder aufhören, und darum wird Typhon mit biefem Bilde 
verjagt. Es iſt dieſes ganz dem Griechifchen und Römifchen Braudye 
gleich, welches ven Phallus als Sinnbiln der Zeugung zur Abwendung 

















254 Iſis, Oſiris, Soruk 


boͤſen Zaubers, welcher in der Unfruchtbarkeit beſtand, anwandte, nk 
daß in Aegypten, wo man allen Seegen von der großen Mutter erwartet 
das Weib und das Gebähren der Unfruchtbarkeit entgegenſtellte. Wam 
Iſis den Oſiris wiederbekommt, dann iſt Typhon überwunden, ſagt Pluferk 
(40), natürlich durch Horus, den Rächer feines Vaters; doch wißen wil 
nicht, ob ſolch ein Kampf an dem Trauer⸗ und Wiedernfidungsfeſt bull” 
geftellt ward, und es fiheint nicht der Ball geweien zu fen, ba WE 
Mythus nicht darauf hinweiſt und nichts davon erwähnt wird. Nach ben 
natürlichen Verhältnig, welches dem Mythus zu Grunde Tiegt, A 
diefes auch nicht gefchehen, aber eben vaffelbe würde auch bei freu" 
Beobachtung überhaupt einen Kampf des; Horus mit dem Typhon nie 
ulaßen; denn Oſiris ftirbt durch den Typhoniſchen Brand, nachdem | 
den Horus erzeugt bat, aber nicht nur bie Zeugungsfraft, ſondern 
Erzeugte ift während jener Zeit der Hitze, tobt, doch der Mythus, 
er die natürliden Dinge zu Geſchichten macht , die dem menfchlide 
Leben und Thun gemäß find, rechnet nicht in dieſem Sinne genau, fo 
dern dichtet, Horus beftegt ven Typhon und rächt feinen DBater, weil x 
Zeit, wo der Jahreöfeegen gedeiht, vie Zeit des ververblichen Brant 
vorüber und die Herrfchaft Typhons geendigt ift. m 
Einen andern Gebrauh in Beziehung auf dad Suchen des Oft 

giebt Plutarch (52) an, fie tragen, fagt er, eine Kuh fiebenmal um de 
Tempel, und Oftrisfuhung heißt der Umlauf der Sonne, indem bie 
Göttin des Winterwaßers begehrt; fo vielmal aber tragen fie vie Au 
herum, weil die Sonne von ver Winterwende im fiebenten Monat g 
Sonnenwende gelangt. Plutarch nimmt bei Gelegenheit viefer Nachricht d 
Oſiris für die Sonne, was er nicht ift, und behandelt die Zeit 
Winterwenvde nicht den Verhältnigen Aegyptens gemäß; denn Iſis begehl 
zu diefer Zeit fein Winterwaßer, da ſolches dort nicht zu finden ift, FM 
wenig ald der Winter felbfl. Um viefe Zeit auch kann fie ven Oflri® 
nicht fuchen, daß er mit ihr den Jahresfeegen zeuge, denn im Monat 
Athyr ward gefäet, und um die Zeit der Wintermende wird das Sem 
genskind Harpofrates bereitd gebohren. Es kann daher nur ein Brauch 
gemefen feyn, welcher fih auf das Gedeihen des Seegenskindes bezog. 
Die Zahl fieben aber ift eine fogenannte heilige Zahl in Aegypten, und 
braucht daher eine nähere Bedeutung bei dieſem Brauche nicht zu haben. 
Der Brauch felbft aber, um dieſe Zeit, bat etwas Sonderbares für und, 
was vielleicht nicht der Tal wäre, wenn wir genauer davon unterrichtet 
wären. Da fi) das Feſt der Trauer mit dem der Freude verbunden fand, 
obgleih beide, wenn man ſich der Natur mit den fie betreffenden 
Bräuchen genau angefchloßen hätte, getrennt geweſen wären, fo fanden 
Manche, weil im Athyr gefäet wurde, darin einen Grund für die Erflä 
rung, Oſiris werbe begraben, wann das Samenkorn in die Erbe gefenft 










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Iſis, Dfirts, Sorusß. 255 


erde, wie Plutarch (65) angiebt, welcher auch felbft (70) vermuthet, 
fe Trauerfefte bezögen ſich auf das DVerbergen der Früchte. 
Sp beftimmt nun Oſtiris der Bruder und Gatte der Iſis ift, welcher 
a Tod erleidet, und Richter im Amenti ift, fo finden wir doch bei 
lutarch und fpäter den Horus ebenfalld getöptet, und den Oſtiris flatt 
8 Horus Sohn der Iſis genannt. Während Plutarch (36) nur davon 
sicht, Dionyſos (Ofiris) fey von Zeus ald Sohn adoptirt worden, weil 
ihm im SKampfe gegen ven Apopis beigeftanden, Fannte er doch auch 
e Annahme, Dionyfos fey ein Sohn des Zeus und der Iſis, wie ſchon 
ben bemerkt worden ift, wo von ven Nanıen Arfaphes die Rede war, 
ud bei Lactantius (1. 21) heißt es: der Knabe Oſtris wird mit Weh⸗ 
age von der Mutter geſucht. Da fchlagen fich die Priefter mit dem von 
jzaaren glatt gereinigten Leibe mit Jammern an die Bruft, wie die Mutter 
Abſt, als fie ihren Sohn verlor, gethan hatte, dann wird der Knabe, 
beit) ala wäre er gefunden, Hervorgeführt, und die Trauer verwanbelt 
WM in Freude. Daß aber Lactantiud fih nicht in dem Namen etwa 
wart, oder Sohn und Gatte verwechſelt babe, zeigt ſowohl feine Dars 
ſtellang der Sache; denn die trauernde Iſis fucht allerdings nur ven 
Dfis; als auch zeigt «3 Mincius Felix (21), welcher eben fo aus ver 
hen Duelle erzählt: Iſis betrauert den verlohrenen Sohn, fucht ihn, 
wu bald freut fie fich über den Gefundenen. Auch Diodor weiß von 
dem todten Sohne der Iſis, nennt ihn aber wenigftend Horus, Indem er 
Wählt (1. 25), Iſis fey eine Aerztin und erfcheine mit hülfreichem Rathe 
Traume, auch habe fie das Unfterblichfeitsmittel erfunden, wodurch fie 
Ben Sohn Horus, welchem die Titanen nachgeftellt, und den fie tovt im 
gefunden, wieder lebendig und unfterblich gemacht. Daß aber der 
bed Horus ebenfalls angenommen worden war, ſagt auch Plutarch (20), 
m er bemerkt, er übergehe in feiner Erzählung von Iſis und den 
Begebenheiten, welche fih an fie fnüpfen, die Enthauptung der Iſis und 
Ne Zerftückelung des Horus, als Dinge, die zu erzählen, man am erften 
eine heilige Scheu trage. Was nun die Enthauptung des Iſis betrifft, 
‘fo kann diefe durchaus nur ein Mährchen feyn, melches dem Aegyptifchen 
Olauben völlig fremd war; denn die große Mutter Natur verwittwet in 
Mer Aegyptiſchen Mythologie und wird in Trauer verfegt, und es wäre 
‚auch möglich gemefen, daß man das Sterben ihres Kindes aufgenommen 
Kite als ein zu DBetrauernves, fie felbft aber konnte nicht ebenfalls als 
Kmordet gedichtet werden, und außer diefer Nachricht Plutarchs giebt es 
ch feine darüber. Weit entfernt, einen Zug aus ber Naturreligion zu 
ithalten, dürfte diefes Mähren nichts feyn, als ein feichter Verſuch, 
das Kuhhaupt der Iſis zu deuten. Wir haben oben fihon gefehen, daß 
die fpäte Erzählung des Iſis⸗Oſtrismythus angiebt: Horus, erbittert über 
feine Mutter, weil fie den belegten Typhon entlaßen, habe ihr den koͤnig⸗ 










256 Iſis, Oſiris, Sorums. 


lichen Kopfſchmuck abgerißen und Hermes ihr dafür den Kuhke 
aufgeſetzt. Dieſes iſt ebenfalls nichts weiter, als ein Verſuch, den | 
kopf der Iſis zu erklären, und zwar einer von der ſpäten Axt, welch 
Sachen zum menſchlichen Verhältnige gemildert darzuftellen bem 

Zmwifchen ver großen Mutter und ihrem Seegenskinde kannte die 

logie feinen Streit und Fonnte ihn auch auf dem Wege der natiı 
Verhältnige nicht ervichten. Der befte Beweis demnach für die 
unbegründete Ervichtung der Enthauptung der Ift8 Tiegt eben darm 
man feinen andern Anfnüpfungspunft zu finden wußte, als dem, 
ihres eigenen Sohnes. Wie kam ed aber, daß man in der fpäte 
entwever ven Horus zum Zerftücten machte, oder den Oſiris zum ( 
der Iſis, damit fie ihr Kind beflage und ſuche? Durch die Den! 
gewinnen wir hierüber feinen Aufſchluß, und wenn wir in biefe 
acht und zwanzig Lebensjahre des Dftris durch eben fo viele Lotusb 
angebeutet finden, fo laßen fie und menigftend nicht auf einen ald J 
zerrißenen Oſiris fchließen, mie denn auch feine Darftellung ve 
im Einvlihen Alter vorhanden ift Es giebt nur einen Punkt 
fpäteren Zeit, zur Anfnüpfung diefer mythologifchen Neuerung, dere: 
greifen in ven wirflichen Cult ver Aegypter wir aber nicht ergründe 
eben fo wenig irgend nachmeifen koͤnnen, nämlich den Sarapispienfl 
Sarapis, der feegendreihe Dionyſos⸗Hades durch die Macedoniſche 
fhaft nach Aegypten gefommen war und als der Hauptſeegensg 
Alerandria verehrt ward, galt er fortan als der Spender des Naturfi 
und trat mit der Iſis zufammen, wodurch Oſiris als Erzeuger des S 
und Gatte der Iſis zurücgefegt werden mußte. Deßhalb verſucht 
die Deutung, den Sarapis ald den Oſtris zu erflären, da er bei 
Neuerung allerdings feine Stelle einnahm. Diefer Gott aber waı 
zerrißener, und an ibn konnte man das Trauerfeft nicht knüpfen 
Art, daß er felbft Gegenftand der Trauer gemefen wäre. Die 
war jedoch ein fo wefentlicher Beftandtheil des Iflscults, daß fle gaı 
aus demjelben gefchieden werben Fonnte, ohne ihm gänzlich zu zei 
Wer daher den Sarapis = Jfiscult annahm, konnte nicht mehr ven zer 
Gatten der Iſis betrauern und tie Gdttin nicht mehr den im Tot 
ſchwundenen Gemahl ſuchen lagen, fonvern fte mußte ihr Kind bet 
und wiederfinden, wie ed in dem Griechiſchen Dionyfoscult ebenfal 
Kind der großen Mutter war. Diefes Kind nun fehen wir von den 
Oſtris genannt, weil vie Weberlieferung von dem zerrißenen Ofte 
ftand, von den Andern Horus, weil diefer in der Aegyptiſchen Dept 
wirklich der Sohn der Iſis war. Ob aber die Aegypter felbft ni 
Allgemeinen dem älteren Cult folgten und feinen Mythus feft £ 
vermögen wir zwar nicht zu beflimmen, doc ift es höchft wahrfah 
daß menigftend an manchem Orte das Alte feit gehalten wurde. 


IſJſis, Oſiris, Horus. 257 


Di ve Beugumgsgdtter Ammon, Khem, ver Ares zu Papremis, Gemahle 
a Mutter heißen, Fönnte man ftch verfucht fühlen, auch ven Oſiris für 
Me Sohn und Gatten ber Iſis zu halten, mo denn die Trauer der Iſis 
m Sohn nicht eine Neuerung feyn würde. Diefer Anficht aber 
Merſpricht die Veberlieferung und widerfprechen die Denkmäler; venn in 
Feſen Halle hätte nicht Ofiris ver Gemahl und Horus ver Sohn feyn 
Bam, welche die Denfmäler, mit der Ueberlicferung zufammenftimmenb, 
a alt eine und diefelbe Gottheit ericheinen laßen. Auch heißt Oſtris 
Bemahl der Mutter, mie jene eben erwähnten Götter. Dagegen hatte 

R Sejang Maneros die Trauer um einen frühzeitig verftorbenen Königs- 

fa zum Gegenftand, und man Fönnte daraus einen Schluß ziehen, ver 

Me Trauercult betreffe einen Stnaben, und dieſer fey Fein anderer, als 

eb. Herodot (2. 79) meldet uns über dieſes Lied alfo: Die Aegypter 
— ihre eigenen Weiſen und nehmen fremde nicht an. Unter andern 

Ben fie ein Lied, welches auch in Phönicien, auf Kypros und anders 
gelungen wird, und überall einen andern Namen hat. Es ift gerade 
Wehr Linos bei ven Hellenen; vie Aegypter aber haben ihn von jeher 
"pay, und er heißt bei ihnen Maneros. Cie fagten aber, dieſer Maneros 
"ER einige Sohn des erften Aegyptiſchen Königs gewefen, welcher 
iin geſtorben ſey, und dieſen habe man durch das Klagelied geehrt, 
A ihr erſtes und einziges Lied geweſen. Allein vie Klagegeſänge, 
runter der Maneros gehört, beſangen nicht den Tod eines Kindes, 
dem den eines Jünglings in der Blüthe ver Jahre ganz fachgemäß; 
Zn bie Natur blüht auf und dann erit ftirbt fie wieder ab, fo daß die 
age um bie abfterbende Natur am paßendſten und ſchoͤnſten eine Klage 
Rein ſchönes blühendes Leben, nicht um ein unmündiges Kind iſt. Das 
Meicifche Lied konnte nur um den reizenden Adonis, ven ſchönen Jüngling 
Biwen, melcher Gatte der Aphrodite war, und ein anderes Fonnte nicht 
if ypros vernommen werden. Der verwandte Munerod, den wir gerade 
dem Aegyptiſchen Mythus finden, da, wo von Phönicien die Rede ift, 
nn den Königsfohn nicht als Kind gemeint haben, fonvdern in ver 
lüthe der Jahre. Nun fol zwar Oſtris im acht und zwangzigften Jahre 
s Alters geftorben feyn, aber vieles beruht auf Zahlenverhältnißen, die 
m für fich zu betrachten bat, und welche um fo weniger ſich zu ent« 
deln gehinvert waren, ald man in dem Maneroslied den Oſiris nicht 
nnte, fondern ficherlich ven Maneros, den Königsſohn. 

Als Gott der Zeugung, mußte Oſiris mit dem Phalus in Verbin⸗ 
ng fommen, und wir haben oben gefehen, wie e8 heißt, Iſis habe den 
jallus erfunden, zum Erſatz ver von. Typhon in den Nil gemors 
en Scham des Oſiris. Wir finden nun auch Phalliihe Aufzüge in 
»gypten, wie in Griechenland, worüber Herodot (2. 48) alfo berichtet: 
it Ausnahme der Schweine, feiern die Aegypter das Dionyſosfeſt 
III. 17 








258 Iſis, Oſiris, Sorusß. 


(Oſirisfeſt) faſt eben fo, wie die Hellenen, doch ſtatt ber 

haben fie andere Bilder, ohngefähr eine Elle lang, welche mit 
Schnur gezogen werden; die Weiber tragen ſie in den Slecken 
und das Schamglied hebt fich beſtändig, und iſt nicht viel kleiner 
der ubrige Leib. Voran geht ein Pfeifer, hinter dieſem aber die Mi 
welche den Dionyſos befingen. Warum ber aber ein größeres Glich 
und daffelbe am ganzen Leibe allein bemegt, ift eine heilige Sage 
erzäblt Herodot, Plutarch (36) aber giebt an, am Feſte ber Pam 
werde ein Bild berumgetragen mit einem vreifachen Pyallus, und y 
bemerft er vor diefer Nachricht, e8 gehe den Opfern im Zuge das WE 
gefäß zu Ehren des Oſiris voran, und mit dem Feigenblatt flella 
den König und den Süden dar, und erflärten es ald Netzung une 
gung von Allem, und es jcheine an Beichaffenheit dem Schamg 
gleichen. (Die Sykomore ftellte auch Aegypten dar, als das Lam 
Baumd; denn man hatte dieſen Baum gewählt, um damit alle Bi: 
bezeichnen, weil die Syfemore vorzugäweile der Baum Negypteram 
In fpäterer Zeit aber jehen wir den Oſtris als Gott ver De} 
genannt; denn Plutarch [35] fagt: die Oftrisverehrer pürfen feinem 
baum verderben und feinen Waßerquell verftopfen, doch als altägg 
oder auch nur als Acht Aegyptiſch laͤßt fich viefe Angabe nicht erw 
Daß man aber überall phalliiche Bilder des Dfiris fehe, bemerft er 
ebenfalls. Die Denkmäler zeigen und nur den Ammon und ben, 
phalifch, nicht aber den Dfiris, und bei dieſem zeigen fie auch mu 
Tamariske und ven Lotus; es fcheint daher Plutarch die phallifchen | 
irrthümlich für Oftrisbilder genommen zu haben, woraus aber nid 
dag das Pamylienbilo nicht ein Bild des Oſiris fey; denn dieſes we 
Feſtbild und bezog ſich auf ven Seegen des Oſiris, war aber, auf 
dem Feſte, weder im Gebrauch, noch zu fehen; denn Plutarch (77) m 
dad Bild des Ofiris werde nur einmal im Jahre hervorgenommen 
dann wieder hingelegt und wohl verwahrt, währenn die Iſisbild 
gebraucht würden. Da nun bdiefes in die Myflerien gehörte, fo da 
und nicht wundern, es nicht in ven Denfmälern zu finden, und ol 
Plutarh nicht das Vorkommen des Peigenlaubs in der Procefflon 
brüdfich bezeugt, fo ift Doch die Erwähnung deſſelben in der angefi 
Stelle von der Art, daß man fie nicht begreift, wenn er nicht fagen ı 
es komme dabei vor. Der Zeugungsgott Khem hat diefen Baum, ı 
ſcheint, und auch Aegypten wird damit bezeichnet, und an dem 
welches die Zeugung des Oſtiris feierte, würde das Laub deffelben ge 
geweſen ſeyn, um eben den Sinn des Feſtes auszudrüden. Daran I! 
man zwar auch denken, es ſey dem Feſte des Oſtris der Zeugun 
Ammon oder Khem zugefügt worden, um ben Sinn bed Feſtes « 
brüden, wie wir das Bild des Zeugungdgottes fehen in der Darfe 


Sfis, Oſiris, Soruß. 258 


gr Kenpu zu der Göttin hereintritt, und wo biefes Bild nichts weiter 
hentet, ald dag Nenpu mit der Göttin zeugen werde. Doch daß der 
a in der Feier dem Oſiris gehört habe, ift nicht zu bezweifeln, 
Ban ihn auch die Darftellungen der Denkmäler nicht in dieſer Bildung 
gen, ſondern in folchen, welche andern feiner Beziehungen entiprechen. 
DR ver Nähe der Nekropolis von Theben, bemerft Wilkinfon, bat man 
lie Figuren mit Frucht gefüllt in der Erde gefunden, welche nad 
BR Kopfſchmuck und dem Geſicht von grünem Wachs den Oſirls barzu- 
Jen ſcheinen) Ueber die Pamylien weiß uns Plutarch (12) eine kleine 
Bere zu erzaͤhlen: nämlich ein gewißer Pamyles hoͤrte, als er Waßer 
ve Heiligthum des Ammon zu Theben holte, eine Stimme, welche 
befahl, zu rufen: ver große König, der Wohlthäter Oftris ift gebohren, 
kefwegen habe verfelbe ven Dfiris von Kronos empfangen und aufges 
Br um werde ihm das Pamplienfeit gefeiert. Meber ven Pampyles 
pr wir wenig außer viefem; denn wir lefen nur noch bei Heſychius 
Potius im Wörterbuch), Paamyles fey ein Aegyptifcher Priapus- 
u, d. i. Phallifcher, Gott, und aus den Giganten des jüngeren 
JE ward ein Vers angeführt, welcher ven Paamyles *) nebit dem 
ng nennt. 


Dirfen wir die eben erwähnten mit Frucht gefüllten Figuren ber 
Kepoliß yon Theben wirklich für Bilder des Oſiris Halten, fo paßt die 
Brecht gut Dazu; denn er ift der Vater Saat. In der Erzählung 
08 (1. 14), wo die Götter Menſchen find und alles Griechiiche und 

Bepptiiche Durch einander gemengt wird, heißt es, Ofiris habe die Menſchen⸗ 
Jerei aufhören gemacht, da feine Gattin und Schmefter Iſis Waizen 
Gerſte, die unbeachtet wild wuchſen, gefunden und er den Landbau 

habe, woher der alte (fonft von Niemand bei den Aegyptern 
welbete) Brauch flamme, dag man zur Zeit der Erndte die Erſtlinge 
eseinge, bei ver Garbe Elage und die Iſis anrufe. Berner ſtamme es 
er, daß in einigen Städten am Ifisfefte unter anderem auch Gefäße 
t Walzen und Gerfte in dem Aufjuge getragen würben, fo wie denn 
B auch (gleich ver Demeter) Gefepgeberin geweſen fey. Bei einem fo 
Ingen Gemwährsmanne für vie Aegyptiſche Mythologie, als Diodor, 
her jedoch nicht als gefliffentlich Lügenhaft zu betrachten ift, laͤßt ſich 


*) Diefen Namen auf den Oftris felbft zu beziehen, liegt nahe, und bie 
Zufammenftellung mit dem Sofari würde dazu flimmen, weil Oftris ein 
Sofari iſt; doch verftehen wir den Namen nicht; denn wenn wir auch ben 
Artikel pa davon fcheiden, fu bleibt der Neft ganz unficher, wofür eine 
Ableitung von mer, lieben, koptiſch melit, ©eliebter, zu den gewagten und 
mithin unfruchtbaren gehören würde. 

17 * 


200 Iſis, Oſiris, Soruß. 


nicht ſagen, wie viel an jener Nachricht wahr ſey, wohl aber w 
Darbringung der Erſtlingsfrüchte für den Oſiris geeignet ſeyn. 
Aus einigen Nachrichten geht hervor, daß in dem Cult um, 
Anfiht von Oſiris noch Manches gewelen fey, mad den Gott noch 
als bloß beim Sterben und Wiedergefundenwerden zum Gegenflund | 
und jedoch nur kurz überliefert wird, fo daß wir nidht im Stande 
einen Zufammenhang berzuftellen, und Manches, mad dazu gehören 
mag und wohl gar nicht überliefert feyn. Herodot (2. 47) melbet: 
ſchlachtet dem Dionyfos an den erften Tage des Vollmondfeſtes, w 
das Schweinefleifch vom Opfer ver Monpgdttin gegeßen wird, ein 
vor feiner Thüre und ber Schmeinhirt muß ed dann wieder mitn 
Da daB Schwein in Uegypten unrein war, fo ift es als etwas fehr 
deres anzufehen, daß den Oſiris Ferkel gefchlachtet werben, und 
eine eigene Bewandniß damit hatte, geht aud dem Zufammentreffen 
Opferd mit dem der fogenannten Monpgöttin am Vollmondfeſte 
Im Monate Tybi, welcher der fünfte war, ver zweite nach ber 
feierte man die Ankunft der Iſis aus Phönicien, und der Tag hieß 
der Its aus Phönicien. An diefem Befte war auf dem Opferku 
gefeßeltes Nilpferd abgebildet, wie wir bei Plutarch (50) lefen, anzu 
dag Typhon, welchem das Nilpferd gehörte, gebänpigt fen. zu 
Monat nad diefem Befte, im Phamenoth, wie Plutarch (22) an 
feierte man ein Feſt, welches man ven Eingang des Oftris in ven M 
nannte. Jedoch nicht nur in den Mond gieng Oſiris, fondern es { 
auch bei Plutarh (52), in den heiligen Oftrisgefängen wird ver in 
Armen der Sonne Berborgene angerufen. ; 
Von Feſten der Iſis, welche fich nicht auf die Trauer und das nd 
finden des Gatten bezogen, geben ung weder die alten Schriftfteller 
bie Denkmäler Kunde, und von der Feier des Horus wißen wir aud wi 
Befondered. Daß viefer eine Weißagung hatte, bemerft Herodot (2.1 
doch dieſes war etwas Gemwöhnliches, und Fommt bei mancher Got 
vor, wie denn auch nichts Näheres darüber gemeldet wird. Zu 9 
war er als fperberföpfiger Gott und als Kind dem Oſtris und ver 
gefelt, zu Hermonthid unter dem Namen Harpire, Harphre, d. i. H 
die Sonne, nämlich Horus der König, dem Muntu und der Athor. 1 
dem Namen Harka, d. i. Horus der Dargebrachte, dem Ammon 
der Amunt (Tamun) zu Theben, ald Horhat und Horfentto, d. i. K 
der Rächer der Welt (oder Stüge ver Welt), ver Hathor zu Groß- A 
nopolis, jegt Edfu, welches Ep aus Hat entftanden iſt, in den Steinbri 
bei Mahfara dem Thoth und der Nehimu. Zu Buto war fein Pfle 
und auf ber dortigen Infel Chenmis, wie ſchon in der Mythologi 
Buto angegeben worden ift, und Epiphanius (S. 1092) melvet von e 
Left daſelbſt alfo: die, welche im Bezirk von Buto den Harpokrates na 











Iſis, Oſiris, Horus. 361 


Männer, an Alter Schon vorgerüdt. Diefe begehen an einem beftimns 
deſttage des Monats tolle und raſende Gebräuche des Horus, von dem 
mon getrieben. Denn da tragen alle Bürger, abgelebte Greife wie 
palinge, nebft ven Prieitern des Horus und Sarpofrates, die am ganzen 
geihoren find, eine felavifche, kindiſche und abſcheuliche Echau herum. 
Ion Oſiris als Sokari Oſiris oder Ptah Sofari Oſiris war in der 
Isgie des Phthah die Rede; da wir aber den Namen Sofari nicht 
finnen, fo ift es ungewiß, in welcher Hinſicht man den Phthah 
Diris vermifchte und in melcher Eigenfchaft fie den Namen Sofari 
Eine Göttin Merſokar, d. i. die den Sofari Liebende, findet fich 
en Rinigegräbern zu Theben und beißt „Herrin der unteren Regionen.‘ 
högt den Disfus und Die Hörner auf dem Haupte, und fcheint mit 
Denennung als im Umenti wirkſam bezeichnet zu feyn, wie man 
‚ah vermuthen möchte, daß ſich Ptah⸗Sokari, Sokari⸗Oſiris und 
olari⸗Oſiris auf die Unterwelt beziehen. 
MW und Oflris nennt Herodot (2. 123) die Herrfcher der Unterwelt 
Jutarch (78) bemerkt, daß vie Priefter den Oſiris den Gott der 
nannten und biefe heißt bei vemfelben (29) Amenthes, was 
Ber joll den Gebenvden und Empfangenden. Der Namen des Amenti 
fit zufammen mit dem des Welten, Ament, und mag zu dem Worte 
s, verhüllen, gehören; denn im Weften wird das Licht verhüllt, und 
de Sonne hinabſinkt, ift der geeignete Ort für das Todtenreich. So 
ber Todte auf einer Barfe nach dem Begräbniß geführt ward, fo wird 
Seele nach dem Amenti hingeſchifft, wo fie vor dem Richter Oſiris 
gift wird, um ein gerechte Urtheil zu empfangen. Ma, die Perfoni- 
Kien der Gerechtigkeit, mit der Straußfener auf dem Haupte, findet fich 
einfach oder auch zweimal abgebilvet, weßhalb aud der Ort des 
rihtz der Saal der doppelten Gerechtigfeit heißt, nämlich der belohnen- 
ı and beftrafenden. (Man erblickt fie auch einmal ohne Kopf, jedoch 
der Straußfeder, welche ftets ihre Zeichen ift, und als Bild ohne 
f nennt fie auch Diovor (1. 96). Der Tote erfcheint vor ihr mit 
ner Haltung.) Das Herz des Todten in einem herzartigen Gefäße 
gewogen, und zwar ift das Bild der Ma in der andern Schale der 
e; denn das Herz des Todten wird nach Gerechtigkeit geprüft, und 
h fchreibt das Ergebniß auf, während Oſtris weiß, mumienbaft, die 
e Oberägyptens mit der Straußfeder an jener Seite auf dem Haupte, 
Ramenfinnbild, das Leopardfell vor fih, mit Geißel und Krummſtab 
n Händen, auf dem Throne fibt, welcher im Waßer fteht (moraus 
fproßt) und mit Waßerpflanzen geziert if. (Waßer und Lotus 
men Leben und Geburt.) Zumeilen find Iſis und Nephthys bei Oftris. 
ver Capelle, worin DOftris figt, fteht ein Altar mit Opfergaben und 
darüber, und die Am, d. i. die Verfchlingerin, (Am⸗n-amenti, 





























2064 Iſis, Dfiris, Soruß 


fertigt, dann wird ſie in einer Barke zurüdgeicdhafft, wie wir eine fai 
in Geſtalt eines Schmeind, als dem Bilte der Gefräßigkeit zurüdgef 
feben, von einem Kynoskephales, ver jte jchlägt, begleitet: Auh ie 
man einen Dann mit einer Art hinter der verfloßenen Seele ven B zupeı 
weghauen, was bedeuten fol, dag die Verbindung zwiſchen dem Unger 
fertigten und dem Amenti ganz abgebrochen if. Da wir den Todten 
fehen mit einer Straußfeder, dem Bilde ver Gerechtigkeit in jeder ia 
oder mit der Straußfeder auf dem Kopfe, oder indem er das Gefüge ı 
feinen Herzen am Halje hängend trägt, To ſcheint dieſe Bezeihnungg I 
gerechtfertigten Torten anzuzeigen. Die, welche aufgenommen find, yabe 
das Leben, und mir ſehen Hathor jomobl ald Nutpe in dem Bauıme £ 
Lebens jiten und der Seele das Waßer ned Lebens Herabgiegen und 
Lebensfrucht für jie in ver Hand haltend. Oben, mo der Lauf der Som 
in Beziehung auf ven König beichrieben it, war die Rede von einer Ber 
ftellung ber zum Himmel gelangten Seelen, weldye dort die Frucht 
ihren Sicheln abjchneiven und nach irdiicher Weife leben; denn ein ande 
als dem irdiſchen analoges Neben vermag die Phantajie nicht zu fchaffe 
Der Amenti war in Abtbeilungen getheilt, welche die Seele zu dur 
wandern hatte, und man gab den Todten ein eigened ausführliches Buh 
tarüber, jo daß wir noch mehrere dieſer Toptenbücher befigen, welche nicht 
ale ganz gleidy jinn, fonvdern an Vollſtändigkeit zum Theil von einander 
abweichen. Tem in Turin befindlichen gebührt ein vorzüglicher Rang, | 
wiewohl auch darin Aelteres und Epäteres gemijcht iſt. Sein Titel if: 
Anfang der Kapitel von der Erjcheinung im Kichte des Oſiris. Das fünf 
zehnte Kapitel enthält Lobpreiſungen des Ra und des Atmu. Das Bil; 
aber zu vemjelben ftellt ven Ra dar, vor welchem Lotus fteht, und hinter 
ihm jind Atmu und Ter in der Barke, welche der Todte anbetet; über 
dem Todten, hinter welchen jein Weib figt, während jein Sohn Spende 
vor ibm audgiept in einer weiteren Darftellung, find die Himmel des 
Atmu und des ftrablennen Ra. Den Himmel des Atmu beten Hunde 
affen an. In dem achtzehnten Kapitel wird Thoth in zehn Abjchnitten 
angerufen mit ver wiererfebrenten Bormel: D Thoth, Rechtfertiger des 
Oſiris gegen Teine Feinde, vechtfertige ten Oſiris (jener Todte, ber in 
Gerechtigkeit verjtorben war, erbielt ven Namen Oſiris) gegen feine Feinde, 
wie du rechtfertigit ven Oſiris gegen jeine Feinde vor den großen Tetnetſu; 
dann folgt die Beſtimmung, wo dieje Ternetju jich aufhalten, von denen 
die vier des Dfiris ald vie vier Todtengenien (Amſet u. ſ. w.) am bekann⸗ 
teften fin. Dann werden zehn Gegenden des Himmeld genannt, ald 
Ben, Ebut, Tetu u. ſ. w. Im Pen find Atmu, Mu, Tefnu; im Ebut 
Dfiris, Iſis, Nephthys und ein fchafalfüpfiger Gott; im Tetu Oftris, I, 
Nephthys und Horus; im Hauchemchem Thoth, Oſtris, Anubis u. ſ. w. 
Im erſten Abſchnitt werden vor den Tetnetſu im Pen auch die des Ra 


yfis, Dfiris, Soruk 2085; 


vu Dirt, im legten hinter denen in Menu zufammen bie Tetnetfu jedes 
ettel uud jeder Böttin genannt. Zwiſchen ver dritten und vierten 
Gegen wird im neunzehnten Kapitel noch der Sonnenberg eingefchoben, 
fo nf, fait der zehn, eilf Abtheilungen herausfommen, während eine, 
welter Abfaßung dieſer Abtheilungen vierzehn hat. Won Kapitel 31 bis 42 
fd vie Bekämpfung der Typhoniſchen Thiere, Krokodil, Skorpion, 
bu Eſel (oder vielmehr der Schlange, welche auf einem Eifel figt) 
her⸗ netet, und das legte Kapitel zählt die Glieder des Merftorbenen 
2 beſtimmten Göttern zu beſonderem Schutz empfohlen find. Die 
 Imen ſind den vier Tetnetſu des Oſiris, den vier Toptengenien, geweiht. 
Weiterhin opfert der Verftorbene ven Bewohnern ver himmlifchen Gegenden, 
auf den himmlischen Waßern, adert, fäet, erndtet, driſcht auf ven 
ihen Belvdern, welche von Waßer umgeben und danılt durchfchnitten 
Dann kommt das Gericht, und dieſes Kapitel führt die Ueberfchrift: 
* Erldſung im Saale der doppelten Gerechtigkeit. (Die bildliche 
ng iſt oben angegeben worden.) Kapitel 141 bis 142 enthält 
Imnliften von Göttern, welchen ver Verftorbene Opfer bringt, und in 
u leberichriften mwernen Ulle ala befondere Namen oder Yormen des 
I bezeichnet: Ofiris im Amenti, Herr von Abydos. Na der beiden 
en. Nenpe (der Nil), Vater der Sdtter. Ma, Tochter der Sonne. 
ara, die Sonnenbarfe. Atmu und Tera, alle anderen großen, alle 
ren Fleinen Götter. Horus, der Herr des Pſchents. Mu und 
nu. Seb und Nutpe. Die fieben heiligen Kühe und der Stier. 
heiligen Ruder und die vier Tetnetfu des Oſiris, eine Menge 
hiedener himmlifchen Wohnungen, dazmwifchen Hathor und Thoth. Die 
nde Tabelle beginnt mit hundert Beinamen des Oſiris, dann fommen 
re Namen, und am Ende noch zwölf Beinamen des Oſiris, fpäter 
ugefügt mit den Bezeichnungen: Dfiris auf allen feinen 
onen, Dfiris in allen feinen Hallen, Oſiris mit allen 
en Namen, Dftris mit allen feinen Diademen, Oſiris 
allen feinen Sigen. Kapitel 144 werben fleben Ari und ein 
zwanzig Sebchet (Namen himmlifcher Wohnungen) aufgezählt, dann 
fünfzehn Sebchet und wieder fleben Ari. Kapitel 148 erfcheint Oftris 
Numienforn mit Sperberfopf und Schaafhörnern, umfaßt von Ement, 
Goͤttin des Weften, und man fleht auch die vier Ruder der vier 
melögegenvden. Im folgenden Kapitel Eommen Anrufungen von vier- 
bimmlifhen Orten, Aatu genannt. Zuletzt finden ſich pantheiftifche 
tellungen, und im Texte wird Ammon genannt, ohne, wie jonft, mit 
n anderen Gotte iventiftcirt zu feyn. *) 


) Zepfius, der Herausgeber des Turiner Todtenbuchs, meint, es flamme nad 
Hieroglyphen und Stil aus ber Blüthezeit des zweiten Aegyptiſchen Reichs 


@ 









366 fie, Ofiris, Soruk 


Die Priefter Hatten alfo das Jenſeits in viele Raͤume getheilt, 
zwei und vierzig Bdtter (welche in dem Turiner Todtenbuche auf ©. 
genannt werben) hatten Jever feine himmliſche Wohnung, und Jever 
eine Sünde zu prüfen, von denen fich der Todte zu reinigen fucht. Aegyp 
hatte aber nicht fo viele Götter im eigentlichen Sinne des Wortes, 
man nach dem Tobtenbucdhe annehmen müßte, und nach den Dentmä 
fondern die verfchievenen Formen einer und berfelben Gottheit 
befondern Namen gelten da als befonvere Gottheiten. Die Gerichtäfe 
finden fi auch auf Denfmälern vargeftellt, 3. B. zu Theben in dem 
Tempel hinter dem fogenannten Memnonium, welcher der Hathor g 
war von Ptolemäus Soter I. Ma ift hier zweimal dargeſtellt. 


aus dem fünfzehnten bis breizehnten Jahrhundert v. Chr., aus welcher 
der größte Theil der Pharaonifchen Bapyrusliteratur in hieroglyphiſcher 
bieratifcher Schrift herſtamme. 





Fünfte Abtheilung. 


0} 


Sarapis. 


Sarapis, mie ihn die Griechiſchen, Serapis, wie ihn bie Lateini⸗ 
fin Schriftfteller zu nennen pflegen, war ein zu Alexandria hochvers 
Ahtter Gott, jedoch nicht Aegyptiſchen, ſondern Griedhifchen Urfprungs, 
km er war der Hellenifche Unterweltsgott, der Seegenfpenvder PBluton, 
mit dem Scheffel auf dem Haupte, welcher anzeigt, daß der Herrſcher ber 
Unterwelt vie Nahrung aus der Tiefe ver Erve fproßen läßt und reichen 
Segen gewährt. Durch die Herrfchaft ver Ptolemäer ward er nach Alerandrien 
erfest, und das übrige Aegypten nahm ihn nur notbgebrungen an, wie 
Rarrobius (1. 7) berichtet, indem er fagt: durch die Ptolemäer gedrängt, 
umen die Aegypter den Kronos und Sarapis, nad der Weiſe ber 
Uerandriner, bei welchen fie vorzüglich verehrt wurden, in ihre Vereh- 
mauf; Doch gehorchten fie dem Befehle nur fo, daß fte ihre Religions» 
kbräuche dabei nicht verlegten. Weil die Uegypter nämlich ihre Gdtter 
ht mit Thieren oder Blut fühnen vürfen, (mas fte allervings thaten), 
dern nur mit Weihrauch, fo errichteten fie, da dieſen eingewanberten 
sttern Opferthiere gefchlachtet werden mußten, bie Tempel berfelben 
ßerhalb der Stadtmauern, damit fie zwar biefelben mit den gebüh- 
wen Opfern verehrten, ihre ftäbtifchen Tempel jedoch nicht mit Blut 
ſudelten. Ueberhaupt follen fte ven Serapid höchft ungern und nur 
thgedrungen angenommen haben, und fein Cult blühte auch vorzüglich 
Sriehifchen und NRömifchen Orten, d. i. ſolchen in Aegypten, wo fi 
: Griechen und Römer vorzüglich aufhielten, als in Alexandria, Kanobos, 
ıtinoopolis, Berenife, an einigen Orten der Dafe, in Nitrotis. 

Die Legende nun über die Einführung viefes Gottes zu Alerandria 
utet bei Tacitus in den Gefchichten (4. 83) alfo: Als König Ptole- 
ins, der erfle Gründer des Aegyptiſch-Macedoniſchen Reiche, Alex⸗ 
drin mit Mauern umgeben hatte und Tempel erbaute, und die Relis 
onen einführte, erfchien ihm in dem Traum ein ausgezeichnet ſchoͤner, 
yermenfchlich= großer Süngling, welcher ihn ermahnte, nah dem Pontus 
ſenden, und fein Bild holen zu laßen; dieſes werbe nem Reiche zum 
fü gebeihen, und die Stätte, welche ihn aufnehmen würde, werde 
05 und herrlich werden. Zugleich fah er dieſen Jüngling unter vielem 
euer fih gen Himmel erheben. Ptolemäus theilte biefe Erfcheinung 
n Prieftern, welche fich auf verlei Dinge verftehen, mit, und da die⸗ 
Iben ven Pontus und die auswärtigen Sachen zu wenig fannten, fo 
fragte er den Athener Timothens aus dem Gefchlecht der Eumolpiven, 


270 Sarapis 







den er als Oberpriefler aus Eleuſis hatte kommen laßen, über bie 
gion und die Gottheit, welche ihm erfchienen war. Als Timothen® | 
folchen, die im Pontus geweſen waren, nachforfchte, erfuhr er von Sk 
und dem bafelbft allberühmten Tempel des Pluton, welchem dort au 
weibliches Bild, von den meiften Perfephone genannt, beigegebern ı 
Ptolemäuß jedoch auf andere Dinge gerichtet, Tieß die Sache almähCag 
Dergeßenheit gerathen, bis eine zweite Erſcheinung, fchredlicher und x 
gender als die erfte, ihm ſelbſt und feinem Reiche den Untergang ko 
wenn er dad Befohlene nicht ausrichten würbe. Da fandte er Boten 
Geſchenke an den damaligen König von Sinope, den Skydrothemis, Ay 
jedoch unterwegs ven Pythiſchen Apollo befragen follten, ver ihn x 
Antwort gab, fie follten hingehen und feines Vaters Bild holerm „ 
feiner Schwefter aber dort lagen. Als fie nad Sinope Tamen, 

fih Skydrothemis bald von ven Geſchenken und Verfprechungen der 
angelodt, bald fürdhtete er die Gottheit und die Drohungen feine 1 
ftrebenden Volks, worüber drei Jahre vergiengen. Doch Ptolema mu 
nicht ab, vermehrte vie Gefchenfe und vergrößerte vie Zahl feiner —E 
und Skydrothemis hatte eine drohende Erfcheinung, daß er nide 
zögern ſolle. Mancherlei Unheil, Krankheiten, offenbarer Ss 
drängten ihn täglih, und als er eine Volksverſammlung berief, 

er die Befehle ver Gottheit, feine und des Ptolemäus Geſchichte ze 
drängenven Mebel darlegte, winerftrebte das Volk, fürditete den Got” 
zugeben und umringte ven Tempel. Da fol nun der Gott ſelbſt a F 
am Geftade haltenden Schiffe gegangen ſeyn, und fchon in brei e- 
gelangten fie nach Alerandria, wo dem Gotte ein der Stadt gerc— 
Tempel an dem Orte Rhakotis erbaut ward. Un diefem Orte war 
Alters eine Capelle des Serapid und ber Iſis geweien. Anvere ſag 
der Gott fey unter dem dritten Ptolemäus aus Seleucia in Sy 
geholt worden; und wieder Andere, er fey aus Memphis geholt. 
dem Gotte aber wollten manche ben Asklepios erblidden, weil er 1 
Kranken heile, Andere ven Oſtris, Viele ven Zeus, als ven Herr al? 
Dinge, die Meiften aber den Pluton aus feinen Kennzeichen, ober we 
fie fo aus Dunflerem fehloßen. 

In der Hauptfadhe flimmt Clemens ver Aleranpriner mit dem ve! 
Tacitus Crzählten überein, doch jagt er (S. 14), es hätten welche vn 
höchft verehrten Sarapis als nicht von Menſchenhand gemacht angegeben 
berjelbe aber fey nach ver Erzählung Einiger dem Ptolemäos Philavelphe 
von den Sinopern geſchenkt worden, zum Danke dafür, daß er fie in eim 
Hungersnoth mit Getraive unterftüßt habe, und ver König habe das ir 
Pomp nah Alexandria gebrachte Bild Plutons, denn dieſen ſtelle es vor 
auf der Höhe Rhakotis, wo auch Sarapis verehrt worben, aufgeſtelll 
Glemens nennt den Iſidorus als den Ginzigen, welcher angegeben, e 


Sarapie. gm 


Vj ine vieles Bild aus Seleucia, und Ptolemaͤus habe es von dort für 
Bw He Straiteunterflügung in ber Noth erhalten. Aber Athenodorus erzählte: 
Saal Sefofris von feinem großen Zuge nach Aegypten zurüdtehrte und 
ae Künſtler kommen Tieß, hieß er fle den Oſtris, feinen Ahn, herrlich 
a und Bryaris fertigte ihn aus gemifchtem Stoffe, aus Gold, Silber, 
u, Eiim, Blei, Zinn, Saphir, Hämatit, Smaragd, Topas. Was nun 
den Derfertigen des Oſiris und bes Apis übrig blieb, mifchte der 
sure untereinander und bildete daraus den Sarapis, deßen Name aus 
= Ani entſtand. 
Diefes erbärmliche Mährchen will eigentlich nur den Sarapis in eim 
ee Alterthum hinauf rüden und den Namen von Oflris und Apis 
Der eigentliche Charakter der Legende aber iſt nur in ver 
ung des Taeitus erhalten, und vie Herleitung des Alerandriniichen 
ie aus Memphis, ift dem gewöhnlichen Beſtreben zugufchreiben, in 
MA untthologiſchen Dingen alles für recht alt, und beſonders dem Beftreben 
ER Uegiptex, alles Mythologiſche auch bei den Griechen für urfprünglid 
iſch auszugeben. Daß aber gerade Memphis dazu auserſehen ward, 
Mn der Fremde eingeführten Gott ge Alexandria, wo die Makedoniſche 
def ft ihren Sig hatte, aus dieſer t berzuleiten, mag daher kommen, 
u Apis in dieſer Stadt fein Heiligthum hatte. Denn fobald man 
a Rumen des Sarapis, ald aus dem des Apis entflanden, deutete, 
‚game man mit feinem Urfprung nach Memphis, und auch die, welche 
Ha nicht von Ofiris und Apis ableiteten, blieben doch zum heil bei 
J ben pie ſtehen, und erklärten, wie wir bei Plutarch (29) Iefen, den 
Gariyid nicht für einen Gott, fondern für ven Sarg (griechiſch soros) des 
Th Pauſanias (1. 18) fagt: das glänzenpfte Heiligtfum bes Sarapis 
Rp Aerandria, das Altefte aber zu Memphis, in welches weder Fremde, 
ad auch die Priefter gehen duͤrfen, ehe fie ven Apis beflatten. Wann 
Pe aber den Apis beſtatten, bemerkt Plutacch, da dffnen fie zu Memphis 
W Pforten ver Vergeßenheit und ver Wehklage, die einen bumpfen, rauhen 
In hören laßen. Ariſtippos fügte, der Argeier Apis habe Memphis 
gründet und Ariftäos der Argeier bemerkte, verfelbe ſey Sarapis zube⸗ 
sannt worden, wie Glemend ver Alerandriner in den bunten Schriften 
(6. 139) meldet, woraus zu erfehen, wie die Fabelei durchaus den Apis 
zu Memphis als Sarapis feſthielt. uftathius zu der Geographie des 
Dionyflus, welcher (255) den Sarapis zu Alexandria, ven großen Sing- 
piſchen Zeus nennt, fagt, Sinopifch beveute Mempbitifch, denn Sinopion 
heiße ein Berg bei Memphis. 

Eine andere Sage, welche Plutarch (28) aufbewahrt, Iautete dahin, 
ein gewißer weit umher gewanderter Softbios habe dem Ptolemaͤos Soter, 
als er nicht wußte, wo er ven im Traum erfchienenen Gott fuchen follte, 
ben Koloß von Sinope angegeben, worauf Soteles und Dionyfos hinge⸗ 














tragt 'M 





973 | Sarapis. 


ſandt wurden, welche nach langer Zeit und mit Mühe, nicht ohn 
lichen Beiſtand das Bild entwendet und zu dem Könige gebracht. 
hätten nun Timotheos der Dolmetſch und der Sebennyte Manethoß 
Könige gejagt, diefer Gott ſey Sarapis, d. i. Pluton, denn jenen 
befam er erft in Aegypten, weil Pluton daſelbſt Sarapis beißt, u 
"hätten dieſes gefchloßen aus dem Kerberos und der Schlange, ven 
zeichen oder Attributen des Gottes. Plutarch meint nun, weil 
‘oder Hades Dionyfos fey, diefer aber Oſiris, fo fey Sarapis Ofiris, 
findet aber feinen fterbenden Sarapis, wie Oſiris fortwährend ber fi 
Gott war, fondern dieſer erft unter der Makedoniſchen Herrfchaft en 
führte Gott, von welchem vor derſelben feine Rede iſt, nahm in ſu 
feine Stelle ein, als er in Alexandria der Seegensgott war, und eba 
wie Oſtris ein Gott der Unterwelt. Sein Name kann nicht aus 
Namen Oſiris und Apis entflanvden ſeyn; denn eine ſolche Namenver- 
melung fonnte weder Manethod angeben, nody würde man einen fo 
tigen Namen, wie den des Oſiris bis zur Unfenntlichfeit verberbt p_ 
denn da das Wort Heftri, wie es eigentlich heißt, aus hes und iri b 
fo würde man von dem erftepu: das s behalten haben, und ir— 
Auge, in ar entftellt, ift ganz undenfbar. Zwar findet ſich ver Name 
Heſiri, aber Hapi heißt auch einer der Todtengenien, und es ift Num 
Stierd zu Memphis; die Bedeutung dieſes Wortes Fann fern: der Ri 
Da die fpäte Zeit eine Zeit der Deutung war, fo verſchonte 
auch nicht den Sarapis, und er ward für den Sonnengott erklärt, Fo 
für den Nil oder den hHöchften Gott unter dem Namen Zeus. 1 


*) Plutarch (29) fagt: wenn der Name des Sarapis Aeguptifch ift, To gla. 
ich, er bedeutet Heiterfeit und Freude, indem ich es daraus fchließe, 1 
bie Aegypter das Freudenfeſt sairei nennen. SJablonsfy, welcher in $ 
Sarapis den Nilmeßer zu fehen vermeinte, leitet den Namen von s 
Säule, und api, Zahl. Gälte es eine bloß fcheinbare Erklärung zu gel 
fo könnte man fügen, Manethos habe den Griechifchen Gott zu einem 9 
figer des Toptengerichts gemacht; denn Jeder derfelben hat etwas in 
Händen, was dem Schilfblatt der Hieroglyphe gleicht, und das Rohr | 
sar, ſo daß sar-hapi Rohr: Richter heißen Fünnte. Dergleichen aber | 
fih auch Teicht als völlig willführlich nachweifen; denn das Schilfblatt 
Hieroglyphe hieß ak und bezeichnete den Buchftaben a. Mehrere He 
fhriften des Hieronymus bieten zu dem Namen des Könige Seſonchoſis 
Bemerkung, der Bater des Senscoris fey Siparis gewefen, der nach feiı 
Tode vergöttert und Sarapis genannt worden fey. Die Chriſten erflä 
fogar diefen Gott für den Sofeph der Bibel, wie wir aus Suidas erfel 
und bei Julius Maternus wird fein Name von Abrahams Weib Sara 
Apis abgeleitet, als eines Abfümmlings der Sara. Kaifer Hadrian faf 
ihm den Gott der Juden und Chriſten. 


Sarapis. 273 


Wäriften Iauten gewöhnlich, dem Zeus Helios, dem großen Sarapis, 
8 Haraklides Pontikus nannte ihn richtig Pluton.) So fagt Suidas: 
Bantte halten den Sarapis für Zeus, Andere für den Nil, weil er ven 
Fheſſel auf dem Haupt Hat und vie Elle oder das Waßermaaß führt, 
der Rhetor Ariftives im zweiten Jahrhundert unferer Zeitrechnung 
Win der Rede auf den Sarapis, diefer bringt den Nil zur Zeit des 
ner, vieler führt die Winterftürme herbei, und eben fo geben ihn 
Mn und Sokrates in der Kirchengeichichte für den DBringer ver Nil- 
eſhwemmung aus. Nufinus (2. 30) fagt, man trug dad Nilmaaß zum 
pl deß Sarapis, als dem des Urhebers der Nilüberfchwenmung, zur 
hen Zeit aber brachte man es jeit Conftantin dem Großen in bie 
X, wie Sozomenus in der Kirchengefchichte (1. 8) angiebt. (Derfelbe 
Bit (5. 3), daß Julian der Apoftat das Nilmaaß wieder in den Sara- 
Pete bringen ließ, Theodoſius ver Große aber zerftürte den Sarapis- 
el zu Alerandria oder Kanobos, wie Eunapius [S. 63] angiebt.) Auf 
fan Alexandriniſchen Münze bei Pignorius (S. 81) findet fi der Nil 
Gheeii mir dem Scheffel und Füllhorn ein Schilf haltend und mit ver 
IM auf der einen Seite: dem Gott Nil, auf der anderen: dem Gott 
Sa. Eine Inſchrift des Sarapis von Kanobus lautet: dem Zeus 
M dem großen Sarapis zu Kanobos und allen Göttern weihte Sara⸗ 
| einer ver heiligen Diener ded Antinous, und zu Maharrafah in 
ien fand Burkhardt die Infchrift: Ich habe die taufenpnamige Iſis 
: ten Helios Sarapis angebetet. Porphyrius bei Eufebius (3. 11) fagt, 
Pepih habe ein Purpurgewand als Bild feines unter die Erde hinab⸗ 
felenden Lichts. Athenodor dagegen bei Clemens dem Alexandriner 
(€ 32) jagt, die Sarapisbilvder feyen blau und dunkel, und Macrobius 
(19) fagt, vie obere Sonne bilden die Aegnpter heil, vie untere blau, 
Avbius aber erflärt (1. 20) ven Sarapis für die Sonne und befchreibt 
"A Kerberos des Gottes zu Alexandria. Diefer, fagte er, babe in ber 
Bite ven Lowenkopf gehabt, welcher der größte geweſen fen, zur rechten 
fr ein ſchmeichelnder Hundskopf, zur linken der eines Wolfs geweſen, 
me Schlange aber habe fie umfchlungen, deren Kopf fich an die das Thier 
einftigende Mechte des Gottes gerichtet habe. Dem Kuprifchen König 
Hofreon foll der Gott felbft auf Befragen geantwortet haben in einem 
hafelfpruch, ver Himmel fey fein Haupt, das Meer fein Leib, die Erbe 
ine Füße und feine Ohren feyen im Aether. Hier ſehen wir, wie zulegt 
arapis der moftifchen Deutung als der höchfte Gott erſchien. Daß Feuer 
d Waßer in den Bereiche viefes hohen Gottes gewefen, meldet Por- 
grius in der Schrift über die Enthaltfamfeit, indem er fagt, bei dem 
effnen des Sarapistempels ift Dienft des Feuers und des Waßers, ber 
mnovde fpenvet Waßer und zeigt Feuer, auf der Schwelle ftehend und 
n Gott rufend in Agyptifher Sprache. 
N 18 























974 Sarapis. 


Sarapis trat mit Iſis zuſammen, und für die Verehrer 
war nun der Griechifche Gott eigentlich das, was Ofiris ni 
(Plutarch [27] fagt, Sarapis ift Pluton, Iſis Perfephaffa), welcher 

nicht befeitigt ward, ohne dag wir eine einigermaßen genaue Kunde d 
haben, welche Stelle. ihm die Sarapis⸗Iſis⸗-Verehrer anmiefen. (Ag 
[10. 23] bemerkt, daß der Ejel ven Verehrern des Sarapis ebenfallß.| 
haßt gemefen, fo wie die Gazelle, welche gegen die Sonne gekehrt, ı 
Nothdurft verrichtet. Alfo warb Typhon, dem ver Ejel gehörte, auch: 
Sarapid verhaßt betrachtet, wie dem Dftrid.) Daß aber viele W 
Ceegenögottheiten zufammen verehrt wurden, geht ſchon daraus bei 
daß e8 in der Legende heißt, auf der Höhe Rhakotis fey ſchon vor U 
ein Tempel des Sarapid und der Iſis geweſen, und auf diefe Berbim 
pürfen wir e8 beziehen, wenn Macrobius fagt, Ifis fey mit verbund 
Religion verehrt worden. Don der Verehrung zu Rom fagt Barre 
Auguftinud (18. 5), in allen Tempeln, wo Iſis und Sarapis va 
wurden, ftand das Bild mit dem an bie Lippen gebrüdten Winger, we 
zu mahnen fihien, man möge ſchweigen. Demnach hätte man das Seeg 
find aus ver Verbindung von Sarapid und Iſis hergeleitet, und. 
dieſes der Yal war, mußte die Trauer der Iſis dem Kinde gelten. 
Nom war die Neigung zu diefem Culte ſtark, welcher ſich au) in Grie 
land verbreitete, doch der Nömifche Senat fchritt ſchon im Jahre 219 
unferer Zeitrechnung gegen venfelben ein, und ließ pie Tempel ver. 
und des Serapid nieverreißen, fo wie auch wieder 53 v. Chr. ein Sen 
befehl ergieng, die von Privatleuten errichteten Tempel in der Stad 
zerftören.. Doch baute man deren wiederum nach Cäſars Tod, aber Aı 
ſtus verbot die Aegnptifchen Göttervienfte in dem Umkreis einer P 
von der Stadt. Tiberius fchritt ſchon wieder gegen Negyptifche und 3 
fhe Bräuche ein, wie Suetonius in feinem Leben (36) melvet, und 9 
tu8 in den Jahrbüchern (2. 85). Allein Serapis und Iſis blieben ı 
verbannt und waren nicht zu verdrängen, doch war, wie Dig im vierzig 
Buche feiner Gefchichte meldet, der Serapistempel außerhalb ver S 
In Aegypten ermähnt der Rhetor Ariftives zwei und vierzig Sarapisten 
Oberhalb Philä, zu Parembole, war ein Tempel ver Iſis und des Sarı 
Auf der großen Dafe zu Kyſis trägt ein Propylon die Infchrift: 
Trajan u. ſ. w., dem Serapis und der Iſis, den größten Götl 
(Zetronne II. 4.) An dem Weg nad) der Korinthifchen Burg erwähnt 
faniad (2. 4) des Tempels des Kanobiſchen Sarapid und eines zwe 
Sarapidtempels, fo wie eines der Iſis Pelagia, vd. i. ver Meer-Ifie. 1 
felbe (2. 34) nennt einen Tempel der Hermionenfer, da, wo ihre frü 
Stadt war, Sarapid und Iſis gehörig, mit einer Mauerumgebung, 


N und Perſephone⸗-Myſterien gefeiert wurden. Auch geben 


eine8 Sarapistempels zu Sparta und (7. 21) zweier zu Patrl 





Sarapie. 278 


Sala, fo wie (1. 18) eines zu Athen, mit dem Zufag, daß bie Athener 
"fen Goſt von dem König Ptolemäos befonmen hätten. 
Daß Manche den Gott für den Asflepios erklärten, zeigt fchon 
gfam, wie derfelbe wegen Heilungen befragt ward. Gtrabon (602) 
Serichtet: zu Kanobos ift ein fehr heilig geehrter Tempel des Sarapig, 
er Heilungen gewährt, fo daß auch die anfehnlichften Männer darauf 
- yertrauen , unb entweder für fich in diefem Tempel fchlafen, oder Anvere 
f für diefelben thun. Es fchreiben auch welche die Heilungen auf, Andere 
ber die Demährungen der daſigen Orakelſprüche. Diefes Traumorakels 
geenlt auch Plutarch (27). [Der Verehrung des Sarapid im Natrone 
Seit erwähnt Strabo (803) und fagt, an diefem Orte in Negypten 
werde ein Schaaf geopfert, fo wie er auch des Tempels zu Memphis an 
x fehr fandigen Drte gedenft (807)]. Sogar als Thierarzt bemährte 
diefer Gott, denn er beilte, wie und Aelian (11. 31) erzählt, durch 
Angabe eines Mittelö, das blinde Auge eines Pfernes, welches Thier 
Amräber fo entzüdt war, daß es fich feinem Netter zum Dank an deßen 
Murſtufen wälzte. Derfelbe erzählt (11. 32), wie ein Landmann, welcher 
bei der Arbeit in der Weinpflanzung aus Verſehen eine Schlange von 
ber feiligen Art durchhieb und darüber mahnfinnig ward, von feinen 
-Berwandten zu dem Sarapid gebracht und von biefem geheilt mwurbe. 
Semer (11. 34) berichtet er, daß ein treuer Verehrer dieſes Gottes, 
welchen fein Weib mit Schlangeneiern vergiftet hatte, von dem Gotte 
angewiejen warb, eine lebende Muräne in ein Gefäß zu thun, und feine 
Sand hinein zu jeden. Berner (11. 35) zu Nero's Zeit babe er einen, 
welcher Blut ſpie und die Schwindſucht hatte, durch Stierblut geheilt, 
ww einen andern Schwinpfüchtigen durch Ejelsmilh. Suetonius erzählt 
im Leben des Beipafianus (7), ein Blinder und ein Lahmer feyen in 
Uexandria zu Deipaftan gekommen, nachdem Sarapis fie im Traume 
belehrt Hatte, und hätten ihn gebeten, der Blinde, er möge ihm auf die 
Augen fpeien, ver Lahme, er möge ihm an die :Beine treten, denn fo 
würden fie geneſen. Veſpaſian vollzog die Bitte, und die Heilung war 
sollbracht. Die in Rom gefunvenen Statuen weichen ab von ben Gries 
Sich» Aegyptiichen, welche Iegteren ven Griechifchen Gott mit der Bil⸗ 
bung des Dflrid vereinten. 













> 


18* 


276 


s Berfonificationen. 


Unter den PBerjoniflcationen der Aegypter, weldde ums beten in 


geworben find, Fommt am häuflgften vor 


Ma, 


welche vie Gerechtigkeit bezeichnet, fo wie aud) die Wahrheit mit bie 
Worte benannt wird. Sie heißt ſtets eine Tochter der Sonne (man 
mal auch Haupt oder Lenkerin der Götter), und ift eine Genoßin 
Thoth, welcher ver Diener der Gerechtigkeit im Amenti ift, wo audi 
eine Hauptſtelle bei dem Gerichte angewieſen ift, indem das Herz % 
Verftorbenen mit ihrem Bilde gemogen wird, um zu ſehen, ob es gere 
befunden werde. Ihr jinnbilvliches Zeichen ift die Straußfeder, und 
oben fchon bemerkt worden ift, warb fie auch ohne Kopf abgebilvet, 
mit der Straußfeder auf dem Rumpfe, worin aber fein bejonderer Dege 
ausgedrückt ift; denn mir finden manche Aegyptiſche Darfiellungen 
Gottheiten, weldye den menjchlichen Leib ohne Kopf dur das Sinnbll 


ber darzuftellenden Gottheit ergänzen. Anders verhält es fih mit bem, 
was Diovor (1. 48) angibt, daß der Richter ihr Bild mit gefchloßenen J 


Augen am Halje hängen habe, denn daß damit vie ohne Anfehen ver 
Perſon entſcheidende Gerechtigkeit gemeint fen, ift natürlich. Warum 


Ä 


die Straußfeder zum Sinnbilde der Gerechtigkeit gewählt worden fey, IR} 


und unbefannt. (Bei Horapollo (2. 118) heißt ed: den Allen gleiche 
Recht ertheilenden Mann bezeichnen fie durch eine Straußfeder, denn 
diejer Vogel bat vor allen andern die Blügelfevern gleih. Daß aber 
diefer Erflärungsverfuhh das Rechte treffe, ift nicht mwahrfcheinlicdh.) Da 
die Straußfeder auch den Weften bezeichnet, fo Eünnte fogar dieſe Bebew 
tung die eigentliche jeyn, und Ma wegen des Amenti fie erhalten haben. 
Zuweilen wird fle, wie ebenfalls jchon oben bemerkt worben ift, zwiefach 
dargeftelt, um vie belohnende und beftrafende Gerechtigkeit anſchaulich 
zu machen, und es werben ihr Zlügel gegeben, welche als Geierflägel 
erſcheinen, womit man den mütterlichen Schuß bezeichnete. Statt Ma 
boppelt zu bilden, gab man ihr auch, um denſelben Begriff zu bezeichnen, 
welchen vie doppelte Geftalt ausprüden jollte, zwei Straußfedern auf det 
Saupt, oder deutete fie bloß durch zwei Straußfedern an. Plutarch (3) 
nennt zwei Mufen zu Hermopolis, Ifſis und vie Geredhtigkeit, womit er 
die Ma meinen muß. In wiefern jedoch dieſelbe zu Hermopolis als eine 
mit der Helleniſchen Muſe zu vergleichende Göttin erfchienen ſeyn mag, 
wird und durch nichts aufgeklärt; eine Mufenperjonification aber begegnet 
und bei den Aegyptern nicht. Außer im Amenti erfcheint fie mythologiſch 
am wichtigften bei Phthah, wovon in der Mythologie dieſes Gotteh 
gehandelt worden if. Auch finden wir fie in Verbindung mit Hathor 


Berfonifteationen. 277 


erehrt in dem diefer Göttin von Ptolemäus Soter II. in einem Thal 
inter dem Memnonium errichteten Eleinen Tempel, wo das rechte Sanctua⸗ 
um der Hathor, das linke der Dia geweiht war, deßen Bilder fich auf 
re Obliegenheiten im Amenti beziehen. Die Urſache dieſer Verbindung 
nn feine andere feyn, als daß Hathor bier als Göttin des Weften, wie 
: auch in der Weihinſchrift heißt, die im Welten vorzugsweife wirfenve 
dttin zur Seite Hat. An einem Mumienkaften des Brittifhen Mufeum 
Kheint fie als ein Scepter, oben mit einer Straußfeder, mit zwei Armen 
se Leiche tragend. Ein anderes Bild zeigt fie aus einem Berg hervor- 
hend, und dem Todten zwei finnbilvliche Gegenſtände vorweiſend. 

Bei dem Anhören ver Klagen trug der oberfte Richter ein kleines 
fo der Da, und berührte ven, welcher Recht in ver Klageſache bekam, 
it demselben. Auch haben die Könige fte oft in der Sand und bieten 
: den Gdttern dar, fo wie fle Ma⸗liebende, oder Dia » geliebte heißen, um 
ve Gerechtigkeit zu bezeichnen. Die Aegypter aber trugen in ihrem Bruſt⸗ 
Ude Das Bild des Ra (der Sonne) und der Ma. 

Einer zu Thoth gehörenden Perfoniftcation, welche vie Zeitperigpen 
leich Thoth lenkt und fchreibt, tft in ver Mythologie dieſes Gottes gedacht 
seven, fo wie ſchon 

Un, 


e Berfonificatin ver Stunde, erwähnt worden iſt in ber Mythologie des 
a. Diefer Perfonificationen giebt es vier und zwanzig, zwdlf für den 
39 und eben fo viele für die Nacht. Ein Stern über dem Haupte 
zeidmete dieſelbe, doc) findet man ſie nicht in Tempeln dargeftellt, fondern 
ı Gräbern und an Sarkophagen, wo der Todte zu den zwölf Stunden 
5 Tags und der Nacht der Reihe nach betet over ihnen barbringt. 
Better wißen wir nichts von diefer Perfonification, welche weiblich ift 

Auch das Jahr Hatte eine Perfonification, welche weiblich ift, und 
elche wir hieroglyphiſch 


Rpe oder Npi 


mannt finden, abgekürzt aus Nenpe, wie das Jahr heißt. Diefe Göttin 
ägt den Palmzmweig, das Sinnbild des Jahre, womit die Palme gleichen 
tumen führt, auf dem Haupt, und hat das Lotosſcepter und dad Zeichen 
5 Xebend in ven Händen. 

Die Herrſchaft Hat eine Perfonification in der Goͤttin 


eb, 


elche zu Medinet Habu im Tempel des Ramefes III. unter diefem Namen 
efunden wird; ſie trägt ven Geier ald Kopfbedeckung und das Bild bes 
dnigsthums den Uräus, fo wie ven Diskus und Die Hörner. Wir Fönnen 










278 Berfontficationen. 


nicht entfcheiden, ob man vielleicht die große Mutter in dieſer Weiſe al- 
Herrin darftellte, fondern müßen in Ermangelung näherer Belehrung und‘ 
damit begnügen, biefe Geftalt ihrer Benennung gemäß als eine Perſoni⸗ 
fication der Herrſchaft zu betrachten. 

Eine Perfonification de8 Landes unter dem Namen 


Kahi, 


d. i. Land, findet ſich als Göttin mit dem hieroglyphiſchen Zeichen 
Landes und des gepflügten Landes auf dem Haupte, und fie ward g 
Mutter aller Regionen, fo wie man den Oſten und Werften Aegyp 
(Willinfon I. 2. 49) weiblich vargeftellt findet, auf dem Throne fi 
weiblich mit dem Kufuphafcepter und dem Zeichen des Lebens, die Oftgän 
tin auf dem Haupte tragend den Altar mit Darbringungen, die Weftgd 
den Sperber auf der Stange und die Straußfeder. Zum hieroglyphiſchen 
Zeichen haben beide dad Bild des Hügels, welche Gegend beveutet, und 
die Weftgöttin Heißt Königin des Himmels, Herrin der Götter, und öftert 
trägt fie das Zeichen des bebauten Landes. Ihre beſondere Wichtigkeit J 
hat fie durch den Amenti. 


Khemi. 


Aegypten ſelbſt, Khemi, d. i. das ſchwarze Land, wird dargeſtellt als 
Goͤttin, das Kukuphaſcepter mit der Straußfeder daran auf dem Haupte 
tragend, ſo wie die Hieroglyphe des bebauten Landes. In der einen 
Hand hält ſie Speer, Bogen und Pfeile, in der andern die Streitaxt und 
das Zeichen des Lebens. Alſo wird Aegypten dargeſtellt mit den Zeichen 
der Herrſchaft, Gerechtigkeit und der kriegeriſchen Tüchtigkeit. Die beiden 
geflügelten Schlangen mit der Krone von Ober⸗ und Unterägypten kann 
man nicht geradezu Perfonificationen nennen, da fie Sinnbilver ter fchügen« 
den Herrfchaft von Ober= und Unterägnpten find, wie ver Geier ein ſolches 
ſchützendes Sinnbild ift, wovon ſchon oben die Rede gewefen if. Auf 
Städte ſehen wir als Göttinnen perfoniflcirt. 


Thbeben. 


Ape, Tape, die Große, erfcheint unter Diefem Namen im Ammon 
tempel zu Karnaf, und beißt die mächtige Mutter der Götter. Ihrem 
Namen folgt das hierogInphifche Zeichen der Krippe (ap), womit heben 
bezeichnet ward, und fie trägt daſſelbe auch manchmal, ihren Namen anzus 
deuten, auf dem Haupte, deßen gewöhnlicher Kopfſchmuck in dem Discus 
mit den Sathorhörnern befteht. Zumellen hat fie das Kufuphafcepter alb 
Zeichen der Herrſchaft, zuweilen das Lotusfrepter der Göttinnen. (In 
den Legenden heißt Theben das Land ver Throne, als alte Hauptftabt.) 


Unbeftimmte Gottheiten. 279 


Tentyris. 


Auch diefe Stadt fehen wir als Göttin perfoniftcirt, doch etwas befon- 
deres Bemerfendwerthes ift über ſie nicht zu fagen. 
In dem Pallafte zu Kurna finden fich zwanzig Fleine Gemälde, melde 
abwechſelnd den Nil in feinen verfchievenen Zuſtänden und die Göttinnen, 
welhe Aegypten während jedem Monat fchüben, darſtellen und Ramſes 
z den Großen bie Gaben des Waherd und des Landes barreichen mit den 
Borten: „wir geben dir die Hervorbringungen beftimmt zu den Darbrin- 
en für die Goͤtter, damit du die Panegyrien des Hauſes deines Vaters 
n Fannft, weil vu ein Sohn bift, der feinen Vater liebt, wie Horus, 
welher den feinigen gerächt hat.‘ Diefe Geftalten fünnen nur als 
Berfonificationen des Nil und des Landes Aegypten betrachtet werben. 









Unbeftimmte Gottbeiten. 


Bei den vielen Namen und Darftelungen der Aegyptiſchen Gott« 
feiten trifft e8 fich, daß wir manche der Namen fowohl, ald ver Darftel- 
Bingen nicht mit einiger Beftimmtheit zu erfennen vermögen und baher 
sicht zu fagen wißen, welcher Gottheiten Formen, oder ob fie ganz felbit- 
fändige Formen feyen. So fieht man in ven älteften Tempeln 


Mer, 


.h. die Geliebte, mit vem Lotus auf dem Kopfe, und in den Panegyrien 
MR fe immer vor dem Könige, welcher ein Gefäß und vie Peitfche trägt, 
ig der Unterwelt erfcheint fie mit Krokodil- und LXömwenföpfen, und trägt 
He Sonnenfdheibe und die Ammonsfedern. Doch in diefer Darftellung 
fommt ſie felten vor, und nur in Leichengegenftänden. Man fteht Mer 
bei Wilkinfon (Tafel 67) mit der wie zu einer Darbringung audge- 
Aredten Sand. 

Bei Wilkinfon (Tafel 72) fehen wir eine Göttin, die Hände wie 
anbetend vor fich haltend, mit einem Auge auf dem Kopfe, Doch das 
| Zeichen ihres Namens iſt unentziffert. Das Auge kommt im Namen 
Aegyptens vor; und auf dem Stein von Roſeite, wie auch anderwärts, 
heist Aegypten das Land des Auges und des Baumes (Tegtered gewöhn- 
licher in älteren Denfmälern. Mit diefem Baum aber ift die Syfomore 
gemeint, die zum Lebensbaum und dem Ideal eined nährenden Baumes 
gedichtet ward). Jene Göttin ift dfterd anbetend vor andern Gottheiten 
in PBtolemäifchen und Nömifchen Tempeln und auch zu Eofu. Das. Auge 
aber ward in Aegypten fo mannigfaltig angewandt, in ven Todtenge⸗ 
bräuchen, in Gräbern, auf Sarkophagen, Booten, Verzierungen, auf Stein- 


380 Unbeflimmte Gottheiten. 














und Töpferwaaren, daß man wohl feine Bedeutſamkeit daraus fieht, 

über die Göttin, von welcher hier vie Rede ift, um fo weniger 

beſtimmte Anſicht faßen kann. Mit verfelben Hieroglyphe finvet fich 

Goͤttin thronend, mit Lotusſcepter und Leben, und einem Kopfſchmuck 
Blättern. (Champollion Pantheon Tafel 20, welcher fie für Ipe 
Goͤttin des Himmels, erklärt.) 

Zu Denverah und Philä findet fih die Abbildung einer [ham 
föpfigen Göttin, Namend Hh, mit dem Xotusfcepter und dem Je i 
des Lebens in den Händen, und der Scheibe über nem Schlangenkop F. 

Eine andere Göttin mit der Scheibe und den Hbrnern, ohne Fi 
ein weiteres Zeichen, vie ebenfald das Lotusfvepter und das Zeichen A 
Lebens hält, heißt Bi und hat eine Schlange zum hieroglyphiſchen Zeig 
(Wilkinfon Tafel 59). Als Schlange bewadht fie die Thürmwege ver Grg 
fammern, welche die Behaufungen des Himmels varſtellen. 

Eine Söttin Pi hat Disfus und Hörner, findet ſich zu Den 
und Theben, fo wie auch zu Esneh, wo ihre Hieroglyphen aber 
ſchieden find. 

Unter vem Namen Tff findet fich in den alten Tempeln eine G 
dargeftellt mit der Sonnenfheibe und den Hörnern, und Tochter 
Sonne genannt (bei Wilkinfon Tafel 64). 

Eine Goͤttin, welche als Hieroglyphe einen Schild auf vem Haupt 
trägt mit zwei ſich kreuzenden Pfeilen, hält ein Kind auf der einen Hank, 
gegen welches fie vie andere hinhält (bei Wilkinfon Tafel 65). 

Zu Denverah heißt eine Göttin, weldde Nemau, oder ähnlich benannt 
wird, Herrin der acht Regionen des Landes, Herrfcherin von Xentyrig, 
und ferner Tochter der Sonne. Sie erfcheint entweder mit ber Sonnen⸗ 
fheibe und den Hörnern, over trägt ein Gefäß auf vem Haupt, worauf 
fi) manchmal Waperpflanzen erheben. (Das Wort mau, Waßer, ſchein 
in dem Namen enthalten zu feyn (bei Wilkinfon Tafel 66). Das Gefäß 
auf dem Haupte ſcheint ihren Namen zu bezeichnen, und i mu bedeutct 
ein Waßergefäß, fo daß dieſe Göttin ähnlich wie Nutpe benannt und 
durch den Hauptſchmuck bezeichnet ift. 

Cine Kubgdttin, d. i. eine Göttin mit Kuhkopf, der Sonnenfcheibe, 
den Hörnern und Federn, T-ah genannt, d. i. die Kuh, finden wir abge 
bildet bei Wilkinfon (Tafel 60); fte heißt Beugerin der Sonne, win I 
zuweilen iventificirt mit Neith, deren Name vor dem ihrigen bergeht. 

Eine fhlangenföpfige Göttin, Hoph genannt, kommt im Amenti vor. 


at 


Renen. 
Renen, uräuskoͤpfig oder mit dem Uräus auf dem Haupt, if 
vorzugsweife die Nährerin, Pflegerin junger Bürften und eine Vorſteherin 
der Gärten, und ihr Name bezeichnet fie ald Nährerin, Pflegerin (renen, 


Unbefimmte Gottheiten. 201 













en, plegen). Auch als Schlange mit den langen Federn, dem 
8 und den Hoͤrnern wird ſie dargeſtellt. Im Amenti bei ver 
| ſcene figt fe als Kleine Figur nebft dem Si, welcher Name 
ohn beveutet, an ber Wage, und bezeichnet vafelbft den Begriff des 
wengebobtenen Lebens, welches dem Todten zu Theil wird, bargeftellt 
vard einen Sohn und die Pflegerin. Beide zufammen haben daher im 
I biefelbe Bedeutung, welche die Anweſenheit des jungen Horus 
ft hat. 

Pit zwei Vaſen in den Händen findet fich eine Göttin, welche hiero- 
5 ME, Mkt genannt wird (bei Wilkinfon Tafel 70), welches 
nd Bedeutung wir nicht Eennen; denn das hieroglyphiſche Zeichen 
u kann auch mm’ gelefen werden, fo daß viefelbe auch Muk (Menef, 
er Meneft) heißen Eönnte, und daß fie fo Heiße, ift wahricheinlicher, 
ber Name Mi. Man wird dadurch an den Namen der Mnhi erinnert. 


Onuris. 


Ein Griechiſcher Papyrus des Leidener Muſeums (herausgegeben von 
ns, S. 122), der aus Memphis ſtammt, und ungefähr dem zweiten 
Weunvdert n. Chr. angehdrt, erzählt einen Traum des Königs Nektanebos 
u dem fechözehnten Jahre feiner Regierung in der Nacht vom 21. zum 
. Bharmutbi, den er zu Memphis hatte, nachdem er zu den Göttern 
Enthüllung ver Zukunft gebetet. Er fah und hörte, daß Onuris in 
Sötterverfammlung zu Iſis fagte, er habe nach ihrem Befehl das 
id bisher tadellos beſchirmt, und Neftanebos babe auch biöher in aller 
fe Sorge für ihn gehabt, doch der Föniglihe Beamte Samautos 
nachläßige fein Heiligthum, er fey außer feinem Tempel, und die Werke 
Adyton feyen nur halb vollendet. Iſis antwortete nichte. Der König 
B hierauf den Erzpriefter und die Propheten des Onurid zu Sebennytod 
men, und fragte fie, was noch fehle, und ald er vernommen, auf ven 
einarbeiten fenen die hieroglyphiſchen Infchriften noch nicht eingehauen, 
rd die Arbeit an Peteſis von Aphroditopolis verbungen, melcher fich 
(eich nach Sebennytod begab, mehr, um dort unthätig zu leben, als 
nd an das Werk zu legen. Als er dort am fünften Athyr am fünlichen 
eile des Tempeld mit dem Könige umbergieng . . . . (bier iſt die 
nofchrift abgebrochen). Im Namen von Sebennytos, mo Onuris verehrt 
rd, iſt Seb durch Griechiſche Ausfprache an die Stelle von Sem S 
zeten, und wenn die Stadt von einer Gottheit ven Namen hatte, fo 
fie nah Sem, alfo nach dem Aegyptiſchen Herakles, benannt worden, 
8 und veranlaßen Eönnte, in Onuris einen Beinamen dieſes Gottes 
zunehmen. Mit foldy unficheren Vermuthungen gewinnen wir jedoch 
ne Ginftcht in die Aegnptiiche Mythologie; denn ein bloßer Name ohne 
jend ein Sinnbild, ohne Nachricht über Cult, ohne weitere Angabe über 


282 Undbeftimmte Gottheiten. 


Eigenſchaften, abgerechnet, dag Onuris Aegypten fchüge, was von j 
Gotte gefagt werden kann, läßt fih nur millführlich einem ver 
zufchreiben. Die Deutung des Wortes, wenn ed ganz richtig über 
worden if, wäre Un, Erdffner, und Ur, ftark, groß, mächtig, -M 
denn auch nicht genügen koͤnnte, das Wefen des Gottes zu beftimmer 


Sefr. Sat. Schildfrötenföpfige Göttin 


Wir finden in den Aegyptifchen Darftelungen manche zufam 
gelegte Bilder (befonderd in ven Denkmälern ver ftebenzehnten Dyna 
die wir nicht näher beftimmen köͤnnen. Wenn wir Löwen mit M 
von Schlangen und Sperbern, ober mit Flügeln finden, fo mögen 
wohl nicht geradezu irren, wenn wir eine Verbindung der Ideen, w 
biefen Sinnbilvern einzeln zufommen, darin vermuthen, Tonnen 
ihren Zwed und ihre beſondere Beziehung keineswegs genau ver] 
Als bis jeßt noch unverftanden finden wir den geflügelten Leib 
vierfüßigen Thiers, das einen Sperberfopf hat und den Namen 
führt. Eben fo ein anderes Bild, Sperberfopf, Lömenleib, in eine 3 
blume endigend, als ein weiblihes Weſen, Saf genannt. Küh 
Menfhenköpfen möchten wohl der Hathor⸗Iſis angehören. Eine 
Frötenköpfige Göttin findet fi unter den Gottheiten ver. Gräber, 
follte die Schilpfröte eine Hieroglyphe des Namend verjelben ge: 
feyn, fo koͤnnen wir aus diefer Vorausfegung nicht zum Verftäi 
gewinnen; denn biefes Thier hieß apsch, und hätte die Göttin fo gehe 
was anzunehmen und übrigens nichtd berechtigt, fo wüßten wir damit’ 
nichts Näheres von derſelben. 


Smot, Sob, Av, Spot? 


Wilkinfon giebt Tafel 65. 2 eine Gottheit, die den Halbmond 
Globus auf vem Koyfe Hat, oder auch bloß den Globus, und Ser: 
der acht Regionen von No heißt. Da eine Statue, welche koptiſch 
heißt, ihre Hieroglyphe ift, fo meint Wilkinfon, die Gottheit heiße € 
Ein Gott in ven Pharaonifchen Tempeln zu Medinet Habu (Tafel 6 
fol Hoh oder Hohp heißen, ein anderer in den Königögräbern zu TI 
(Tafel 65. 3) Spot, oder Sptet, und Tafel 65. 2 ift ein ftierköt 
Gott, ven Wilkinfon Ao nennt, abgebildet. Andere Bilder (Tafel € 
und 66. 2) wagt er gar nicht zu benennen. 





















Aethiopien. 


Sudlich von den Aegyptern wohnten Aethiopen, wie die Griechen 
eſchwatzen Völker nannten und ein Theil der Aegypter felbft befland 
m Vethiopen. Da diefe Länder, je weiter ſie ſich nach Süden erftredten, 
io fabelbafter waren, fo tft nur wenig über ihren Götterglauben 
Kannt, und auch dieſes Wenige ift nicht als vollkommen ſicher anzufehen. 
Bat kam nur bis Elephantina, erzält und aber (2. 29) von Hören⸗ 
A, von da gehe es vier Tagereiſen durch Krümmungen bis zur Infel 
mpio, die halb von Aegyptern, halb von Aethiopen bewohnt fey, und 
8 ſey ein von wandernden Aethiopen ummohnter See. Don bier reife 
m wegen der Klippen im Nil vierzig Tage zu Land, fahre dann wieder 
Mg auf dem Fluß und gelange nun zu der großen Stadt Meroe, welche 
Saupiftadt aller Nethiopen feyn folle. Den Bewohnern werden nur 
Gitter, die fte hoch ehren, zugefchrieben, Zeus und Dionyſos. Zeus 
Aa Orakel dafelbft, und auf deßen Geheiß führet fie Krieg ganz nad 
a Ausſpruch. Don diefer Stadt, heißt es, kommt man nach einer 
rm gleicher Länge, wie bie von Elephantina nach Meroe ift, zu 
I Deberläufern, Asmach genannt, d. 5. die dem König zur Linken 
om. Diefe waren zweimal hundert und vierzig taufend Aegypter 
u der Ariegerkafte, die, als fie unter König Pfammetich drei Jahre zu 

eating als Wache gegen die Aethiopen geflanden und nicht abgeldft 
ven, zu ven Aethiopen giengen und fich bei ihnen nieberließen, und 
u ihnen follen die Aethiopen Aegyptiſche Sitten angenommen haben. 
‚Otrabon (17. 786) fagt nach Eratoſthenes von den Abgefallenen, fie 
wehren auf einer Infel oberhalb Meroe, hießen Sembriten, d. i. Anfümms 
Bag, und hätten eine Frau zur Königin, gehorchten jenoch dem Könige 
we Meroe. Dorher (16. 770) berichtet er nach Artemiboros, vie Flücht⸗ 
me hätten das Binnenland Teneſis bewohnt nebft der Nilinfel, und unter 
ver Königin habe Meroe geſtanden; doch viefes ift nicht glaublich. Da 
5 Aegyptifche Delta von oben her allmählig wie e8 anwuchs, bevölkert 
den zu ſeyn fcheint und die Aegypter zum Theil Uethiopen waren, fo 
gen die Negyptifchen Sitten bei ven Nethiopen zum Theil gemeinfchaft- 
re und nicht gerade angenommene feyn. Daß Zeus und Dionyfos in 
oe Amun und Oftris geweſen feyen, ift möglich, doch kann es nicht 
t Gewißheit behauptet werben, da jede nähere Angabe fehlt, und war 
Iris Dort verehrt, fo bleibt es fonverbar, daß fie die Its nicht aud) 
ten verehrt haben. 

Bon ven Tanglebenven Aethiopen am ſüdlichen Meer meldet Herodot 
17), bei ihnen fey der Tifch der Sonne; damit verhalte ed fih fo: 
: der Stadt ift eine Wiefe mit gefochtem Bleifch von allen vierfüßigen 
ieren, dies legen Nachts die Leute hin, an welchen die Reihe ift, und 


284 Aethiopien. 
















bei Tag ißt es, wer will; doch ſagen ſie dort, das Fleiſch komme a 
Erde hervor. (Hier ſehen wir ein Mährchen von einem Lande glüdfi 
Menfchen, vie lange Ieben und denen, wie wir fagen würden, bie 
tenen Tauben in ven Mund fliegen, oder denen die Sonne alleze 
Tiſch gedeckt Hat, wo fie nur zuzugreifen brauchen, durch einen 
Wunbererklärungsverfuch Hiftoriftrt.) Weiter meldet Herodot (20), | 
Aethiopen folten auch die fhönften und größten von allen Menfchen| 
von andern Gebräuchen und Sitten, ald bie übrigen, fo 3.8. w 
größte und ftärkite von ihnen König. Ihr Leben bringen fie gew 
auf hundert und zwanzig Jahre, und Manche noch darüber, ihre 
aber fol gekochtes Fleiſch ſeyn und Milh ihr Trank. Sie Hatten 
Duelle, wer ſich daraus wuſch, befam einen Glanz, ald wie von 
und fie roch nad) Beildden. Ihr Waßer aber war ſo ſchwach, daß 

weder Holz, noch was leichter als Holz iſt, darin ſchwimmt, ſondern 
untergeht. (Herodot meint, der Gebrauch dieſer Quelle mache, daß 
Menſchen fo lang leben.) An Gold find ſie fo reich, denn Erz ba 
gar nicht, daß ihre Gefangenen mit goldenen Ketten gefepelt im 
Gefängnigen fiten. Ihre Begräbnige aber folen von Kryſtall feyn; 
fie die Leiche getrodinet auf Aegyptifche, oder eine andere Art, überz 
fie diefelbe mit Gyps und malen fie, daß fie fo natürlich wie 
augfteht, und dann ftellen fte fie in einen ausgehöhlten Kryſtall, ver 
ſehr häufig und fchön gegraben wird. Ein Jahr lang behalten die 
wandten diefe Säule im Haus, und bringen ven Verftorbenen vie € 
von Allem dar, und opfern ihm Weihrauch, hernach bringen fie vie S 
vor die Stadt und ftellen fie dort auf. 

Aus diefer mährchenhaften Erzählung laßt ſich nichts zur Bene 
der Gdtterverehrung der Aethiopen gewinnen, nicht einmal das, daß 
bie Sonne verehrt hätten; denn da man in dem Süden ein glüdfeeli 
Volk vichtete, fo lag es nahe, die Sonne zur Urheberin viefer 
feeligfeit anzunehmen. Was aber die Erzählung von ven Keichnas 
betrifft, fo mag darin wahr feyn, daß die Aethiopen ihre Leichen einl 
famirten und auch Todtenopfer brachten, aber fabelhaft Elingt auch d 
im Ganzen. 

Diodor fchreibt (2. 55) von den Xethiopen, die am Meere wol 
fie hätten den alten Brauch, ihr Land zu reinigen durch Menſcheno 
und zwar durch Fremde, und durch die Orakel fey es zwanzig Menfd 
alter hindurch feftgefegt, daß dieſe Reinigung durch zwei Menfchen f 
finde. Diefe aber hätten fle, nachdem am Ufer ein großes Feſt gef 
und Opfer bargebracdht worden, befränzt in einem Schiffhen dem 1 
übergeben, fo daß fie alfo gleichfam ver Verfügung der Götter anl 
geftelt und ver blutige Brauch gemilvert geweſen wäre. Nah DI 
(3. 2) machten vie Aethiopen eben fo gut wie die Aegypter Anſpruch 


Aethiopien. 285 


ſehr Hohes Altertum, und fuchten zu beweifen, daß fle das älteſte 
E fegen, fo wie fle auch das frömmfte Volk feyn wollten und den 
ner dafür zum Zeugen nahmen. Aegypten, aus dem Nilichlamm 
Kvet, geben fle vor, fey eine von Dftris ausgeführte Colonie der 
Wiopen, und die Aegyptiſchen Bräuche ſeyen meift Aethiopiſch, 3. B. 
Bfie ihre Könige für Bötter hielten und fo viel auf bie Tobtenbe- 
g verwendeten, ferner die Urt, wie fte die Bilpfäulen machen und 
ilige Schrift, welche in Uethiopien ganz allgemein fey. Ihre Priefter 
even jo gefhoren, trügen gleiche Kleidung, und das Scepter ftelle 
ki ihnen einen Pflug vor, melches ihre Könige trügen, die auch 
Hüte hätten, auslaufend in ein nabelförmiges Ende mit der Schlange 
umwunden. Der König wird aus ben Prieftern fo gewählt, vaß 
vorzüglichften aus fich auslefen, und wen dann ber nach dem Brauch 
ug herumgetragene Gott wählt, der wird von dem Volk als König 
men und gleich wie ein Gott verehrt. Er lebt aber nach beftimmter 
ft und regiert nach Geſetzen; doch Fein Menſch wird bei ihnen 
km Tode beftraft, fondern dem Verbrecher wird burch einen Diener 
en des Todes geſchickt, worauf fich derſelbe felbft tödtet; entfliehen 
hf er nicht außer Landes. 
de Priefler in Meroe, ſchreibt Diodor weiter (6), find fehr mächtig, 
wann e8 ihnen beliebt, heißen fie ven König fterben, und geben ihr 
für einen Befehl der Gdtter aus. Doch ver Aethiopenfünig Erga- 
‚iur Zeit des zweiten Ptolemäus, wiberfegte fih, mit Griechifcher 
g vertraut, zuerft vem Befehl ver Priefter. Cr drang mit einem 
Soldaten in ven unbetretbaren Ort ein, wo der goldne Tempel 
Aethiopen fand, tödtete fämmtliche Prieſter, vernichtete den alten 
ich, und richtete ed nun nach feinen Gutvünfen ein. 
& giebt, fährt Diodor (8) fort, auch andere zahlreiche Aethiopen 
an den Ufern des Nil, jo wie auf feinen Infeln, und in ver Nähe 
‚ theils im Innern von Afrika, die aber vermildert find. Die 
Wr Meroe hinaus follen von den Göttern eine zwiefache Anſicht Haben, 
ill einige, al8 Sonne, Mond und die ganze Welt feyen ewig, anbere 
thlih, Die wegen ihrer Tugenden und Wohlthaten unfterbliche Ehre 
kngt hätten, als Iſis, Pan, Herafles, Zeus. Einige wenige Aethiopen 
⁊ ſollen an feine Götter glauben und vor der aufgebenden Sonne, fie 
den ärgften Feind fehimpfend, zu den Sümpfen flüchten. Manche 
fen ihre Todten in ven Fluß, Andere bewahren fie in einem Glas⸗ 
zug zu Haufe auf, Andere begraben fie in irvenen Särgen um bie 
wel ber, und ver Eid bei den Todten gilt für den größten. Einige 
len die Schönften zu Königen, Andere die forgfältigften Thierwaͤrter, 
wünden dieſe auch das Volk gut pflegen, Andere die Neichften, well 
e am Teichteften die Armen unterflügen koͤnnen, und noch Anvere 















286 Libyen Nafamonen. 


fache an, fagt aber, fie verehrten einen Unfterblichen, aller Dinge 
und einen Sterblichen, der aber namenlos und unbekannt ſey. Die 
tbäter und Könige hielten fie allgemein für Götter, die Könige fä 
Beihüger Aller, die andern Wohlthäter für die befondern Götter: 
denen fie Gutes erwiejen hatten. In Meroe verehrten fie, außer «ı 
andern barbarifchen Gotte, ven Herafles, Ban und die id. Der e 
bei den Todten galt den Aethiopen für den heiligſten. 

Bei Aelian in der Naturgeſchichte (7. 40) ſehen wir, daß gern 
den Xriftofleon als feinen Gewährsmann anführend, erzählte, e8 g 
Aetbiopifches Volk, über welches ein Hund die Herrfchaft führe, u 
fie gehorchen; wann er Enurre, müßten fie, daß er bei guter Zaun 
wann er belle, erfennten fte feinen Zorn. Ob dieſes Mährdhen 
erfunden fey, oder aus einem Mißverſtändniß entflanden, dem 
Mythologiſches zu Grunde gelegen, 3. B. eine Bildung, wie die des A 
läßt ſich, da jede weitere Nachricht fehlt, nicht ermitteln. 


wählen die Tapferften. Strabon (17. 22) giebt daſſelbe in ber : 


2ibyen. 


An Aegypten gränzte Libyen; aber wenig erfahren wir vo 
Stämmen, die dieſes Land bewohnten, und weder ihre Geſchichte no« 
Gotteöverehrung ift und genügend überliefert worden. Herodot 
(4.167), e8 gebe viele und mancherlei Libyſche Völker, den Aeg 
zunächft wohnen die Adyrmachiden, mit Aegyptifchen Sitten, ihre 2 
aber tragen um jegliches Bein ein ehernes Band, laßen die Haare wi 
und wenn eine eine Laus fängt, beißt fie fie tobt und wirft fie weg, 
bie andern Libyer nicht thun; auch bringen fle die zu verheurath 
Jungfrauen ihrem Könige, welcher die ihm gefallenden zu ſchwächer 
Recht hat. Dann folgen die Giligammen, an welche die Asbyften fl 
die am meiften von den Libyern mit vier Roßen fahren und fe 
Kyrenäer, ihre Nachbarn, nachahmen. Weitlih von diefen wohne 
Auschiſen über Barka, an Sitten denen gleich, die über Kyrene wo 
und mitten in ihrem Lande ift das Fleine Volk der Kabaler. | 
folgen. vie 


Naſamonen, 


von welchen wir denn einen mythologiſchen Zug erfahren. Son 
treiben dieſelben ihre Heerden an das Meeresufer und gehen zur D 
erndte nach Augila in das Land hinauf. Auch trocknen ſie ſich Heuſchr 
mahlen ſie und genießen ſie in Milch gemiſcht, und es gilt bei ihne 
Vielweiberei; nimmt aber einer die. erſte Frau, fo iſt dieſelbe in 























Nafamonen. 887 


atnacht den Bäften preißgegeben, vie ihr dann alle ein Geſchenk geben. 
fe ſchwoͤren ihren Eid bei ven gerechteften und trefflichfien Männern, 
unter ihnen gelebt haben und legen dabei ihre Hände auf das Grab 
Zehen. Ihre Weißagung iſt folgender Art: fie gehen zu ven Gräbern 
et Borfahren und ‚beten, dann legen fte fich darauf zum Schlafe, und 
fe träumen, gilt ald Weißagung. (Diefer Eid und dieſe Weißagung 
um Slauben an die Wirkſamkeit ver Geifter der Todten, wovon man 
deghypten keine Spur findet.) Bündnige fchließen fle, indem einer aus 
Sand des andern trinkt, und wenn e8 ihnen an einer Flüßigkeit fehlt, 
amen fie Staub von den Boden auf und leden ihn aus ber Hand. 
ꝛ Rachbarn waren die Polen. Als der Südwind ihnen das Waßer 
Brdnet hatte, zogen fie, beißt es, gegen venjelben in Kampf, doch 
jr verfchüttete fte unter dem Sande und die Nafamonen nahmen ihr 
het in Beſitz. 

Sudlich uber den Naſamonen im Lande der wilden Thiere wohnen 
je Sormanten, die alle Gemeinſchaft mit andern Menſchen fliehen und 
We Waffen find, fo daß fie ſich nicht vertheinigen können. Weftlich ven 
Samen wohnen die Maken, welche ven Kopf bis auf einen Scheitellamm 
Mer, und im Kampf Straußfelle zur Abwehr tragen. Dort fließt ver 
Kay, der vom Hügel ver Chariten kommt, ver einzigen mit Wald 
Maechſenen Höhe Libyens. An die Malen ftoßen vie Gindanen, beren 
jeder Ieverne Bänder um die Knöchel tragen; denn fo oft ein Dann 
er m, thut fle folch ein Band an, und welche die meiften hat, gilt 
e FI bie vorzüglichfte, als die am meiften von den Männern geliebte. Auf 
art Kifte, die von den Gindanen in dad Meer hinausgeht, wohnen bie 
| ‚ die ganz von Lotos leben, einer Frucht von der Größe des 
m Pet, und an Süfigkeit den Datteln ähnlich, aus welcher fie auch einen 
bereiten. An dieſe gränzen die Machlyer, welche auch Lotos efen, 
I nicht fo, wie jene, und fie wohnen bis zum Fluß Triton, ver ſich 
is den See Tritonid ergießt, um welchen vie Machlyer und Aufeer bloß 
bar den Fluß Triton getrennt wohnen. Die Machlyer laßen das Haar 
am Sinterkopfe, die Aufeer am Vorderkopfe wachſen. Sie feiern jährlich 
ber Athene ein Feſt, an welchem ſich ihre Jungfrauen in zwei Haufen 
Maren, die gegen einander fämpfen mit Steinen und Stöden zu Ehren 
Idee Randeögdttin Athene nach der Väter Sitte, wie fie fagen. Die an 
kn Wunden fterben, heißen fie erlogene Sungfrauen, die Tapferfte aber 
Kir mit einem Korintbifchen Helm und Griechiſcher Rüſtung geſchmückt 
m auf einem Wagen um ven See gefahren. Die Athene nennen fte 
ine Tochter des Poſeidon und der Tritonis, die ſich gegen ihren 
Bater erzürnt und dem Zeus übergeben hätte, ver fie auch als Tochter 
genommen. Uebrigens leben fte wie das Vieh, in Weibergemeinfchaft, 
md wenn ein Kind heranmwächft, wird in ber, alle drei Monate gehal« 


2 Naſamonen. 


tenen Männerverfammlung ber für den Vater deſſelben erklaͤrt, dem 
am meiften gleicht. 

(Die Athene kam durch die Griechiſche Colonie nach Libyen, 
wenn ein Libyſches Volk fie verehrte, fo bat es biefelbe von ben Griech 
angenommen, und eben fo verhält ed fi mit Pofeivon. Zwar 
Herodot (2. 50) über diefen Gott, vie Hellenen hätten ihn durch 
Libyer kennen gelernt, denn den Namen des Pofeivon babe zuerft Rt 
mand außer den Libyern gefannt, und dieſe hätten auch ven Gott x 
jeher verehrt. Diefe Angabe darf nicht irren, denn Poſeidons Name | 
Griechiſch, und durch die Griechifche Colonie nad) Libyen gekommen, % 
dem der Athene und des Triton, nebft vem See Tritonis, welche übe 
der Tritonifchen Göttin folgten.) 

Landeinwärts von dieſen wandernden Libyern der Meeresküfte Ri 
Land der wilden Thiere, und drüber ein Sandſtrich von Thebä 
Aegypten, bis zu den Säulen des Herakles, wo ohngefähr alle ; 
Tagereifen weit fih Salzftüde auf Hügeln finden, aus denen ein Ou 
von faltem, fügem Waßer fprudelt, von Menfchen ummohnt. Zuerſt ze 
Tagereifen von Thebä wohnen die Ammonier, und zehen Tagereifen weite 
findet fi Augila, wohin die Nafanıonen zur Dattelerndte fommen. 
gleicher Entfernung Eommen dann die Garamanten, ein großes und tüd 
tiges Volk, welches Erde auf dad Salz trägt und Getraide darauf zieh 
und da giebt ed die rückwärts weidenden Rinder, denn weil ihre Horn 
vorwärts gebogen find, müßen fie rückwärts weinen, und ſie haben ef 
biete, harte Haut. Dieſes Volk macht mit vierfpännigen Wagen Ja— 
auf die Aethiopen, die in Höhlen wohnen, am fchnellften von allen Me 
fen laufen, fih von Schlangen, Eidechſen und ſolchem Gethier nährenf 
und feine Sprache, die einer andern ähnlich wäre, haben, ſondern w 
die Slevermäufe fchwirren. In gleicher Entfernung von dieſen wohnd 
die Ataranten, von denen feiner einen bejfondern Namen hat. DIE 
fluden der Sonne und fchelten fle, wann ſie Hoch fteht, wegen ihre 
Hitze. Dann fommt man in gleicher Weite an einen ummohnten Sale 
hügel, der an ven Atlas ftößt, welcher ſchmal und von allen Seiten 
sund, fo hoch ſeyn fol, daß man feinen ſtets von Wolken bedeckten 
Gipfel nicht fteht, werer im Sommer noch im Winter, und er fol die 
Säule des Himmels feyn, an dem die Utlanten wohnen, die von nid 
Lebendigem eßen und nicht träumen; von ba ift auch bi zu ven Säulen 
des Herakles, alle zehen Tagereifen weit eine Stätte mit Sal, wo Men“ 
[hen wohnen in Häufern aus Salz, welches weiß und purpurfarb gegraben 
wird, und weil ed bort nie regnet, zu Käufern gebraucht wird. Nah 
Mittag zu aber ift eine völlige Wüfte, wo felbft Fein Thier zu finden If. 

Die wanderndern Hirtenvölfer von Aegypten bis zum See Tritonkt, 
eßen Bleifh und trinken Milch. Da fie fein Kubfleifch efen, aus dem⸗ 


















Nafamonen. 2389 






















ı Grunde, wie bie Aegypter, und auch feine Schweine ziehen, fo 
giebt fich ein Einfluß Aegyptifcher Religion bei ihnen daraus, wo nicht 
e urjprüngliche Verwandtſchaft. (Auch in Kyrene, fagt Herodot [4. 186], 
Men die Frauen Fein Kubfleifh eßen und faften der Iſis zu Ehren, 
b feiern ihr DOpferfefte.) Die Weiber ver Barkäer eßen außer dem 
Ahfleiſch, auch Fein Schweinefleiſch. 

Weſtlich vom See Tritonid, find die Libyer Feine Hirten und haben 
dere Sitten. Die Libyfchen Hirten, ob alle, kann Herodot nicht fagen, 
anen ihren Kindern, wann jte vier Jahre alt find, die Scheitelnerven 
ungewafchner Schaafwolle aus, manche auch die an den Schläfen, 
fie feinen falten Schweiß am Saupte befommen, und fte find bie 
fändeftien Leute, die Herodot kannte. Befommen die Kinder bei dieſem 
men Krämpfe, fo werben fie mit Bocksurin befprengt. Das Opfer 
2 Sirtenvölfer gefchieht fo: ſte ſchneiden ein Stüdchen von dem Ohr 
RB Opferthiers, und werfen es über das Haus und drehen dann dem 
Mer den Hals um. Der Sonne und dem Mond opfern fie alle, bie 
m den See Tritonid aber vorzüglich der Athene, dem Triton und dem 
Bekilen, (da die Libyerinnen leverne Kleidung mit Riemen-Troddeln tragen, 
m Biegenfelle mit rothen Troddeln, fo meint Herodot, die Aegis ver 
Bene ſtamme bei ven Griechen daher. Wenn diefe Tracht um den 
See Tritonis ſtattfand, und nicht allgemeine Nationaltracht war, dann 
IR anzunehmen, daß fie viefelbe zu Ehren ver Athene annahmen, als fe 
jelbe von den Griechen empfingen). Bet ven Opfern ſchreien die 
Hbmerinnen hell auf und machen es fehr fchön, was auch bei den Griechen 
elta. Die Todten beftatten vie Sirtenvölfer, wie die Griechen, außer 
en Rafamonen, die erftlih, wann einer ftirbt, Ihn aufrichten, damit er 
Wi auf dem Rüden liegend fterbe, und ihn dann im Sitzen begraben. 
Behtih nun von Triton find zuerft die nderbauenden Maxyer, die die 
infe Seite des Kopfes ſcheeren und ſich den Leib mit Mennig beftreichen, 
usb von Trojanern abzuflamnen vorgeben, und von hieran ift Libyen 
ud bat mehr wilde Thiere, worüber Fabelhaftes erzählt wird. 

Alles Mythologifhe, was wir demnach von den Libyern wißen, 
beläuft fich alfo auf Folgendes: fle opfern der Sonne und dem Mond, 
ß. i. ven von den Griechen dafür erklärten Gottheiten), fie eBen Fein 
Auh- und Schweinefleifch wie die Aegygter; die Nafamonen glauben an 
be Wirkfamkeit ver Geifter ihrer verftorbenen Vorfahren und die um 
den See Tritond wohnen, haben von den Griechen den Cult ver Athene 
und des Poſeidon angenonımen. Nach dem, mas Herodot von ihnen 
erzählt bat, läßt fi, wie es ohnedies bei wandernden Hirtenvölkern 
nicht wohl anders feyn kann, eine Mythologie in reicher Ausbildung nicht 
erwarten. 


II. 19 





Anmerfungen. 


» 


— — — — 


S. 34. Den Aegyptiſchen Namen des Labyrinthes kennen wir 
da die Griechen ſich dafür des ihrigen, wohl zuerſt dem Kretiſchen 
rinth gehdrigen, bedienten. Die Form des Wortes gehört einem Do 
Dialekt an; denn in der Attiſchen Sprache würde dieſer Name Lam 
gelautet haben; nämlich dieſer Name bezeichnet eigentlich ein Gängewen 
ravpa, Gang, Gaße, und das Lauriſche Bergwerk in Attika hatt 
Benennung eben nur als Bergwerk. So beſtimmt nun auch H 
das Labyrinth als mit zmdlf Koͤnigshöfen verſehen angiebt, er, 1 
felbft gefehen, und vie fünfzehnhundert Gemächer, vie über ver Er 
befanden, durchwandert hatte, jo wiberfpricht doch die Nachricht, 
uns Strabo giebt, dieſer Zahl der Königshöfe, denn bei ihm be 
(787): die erfte Eintheilung des Landes war Die in Nomen, Ihebal 
hielt zehn, das Land im Delta zehn, das mittlere Land fechszehn 
Einigen aber gab es fo viele Nomen ald Königshöfe im Labyrintf 
deren find weniger. Strabo kann nicht wohl eine andere Zahl n 
als fieben und zwanzig, zehn für Thebais, zehn für das Delta, fieb 
die Heptanomid. Den Herodot eined Irrthums zeihen in einer 
welche er genau befehen hatte, und zwar in einer Sache, wo das 
audreichte zur genauen Kenntniß, ohne daß falfche Berichte einen @ 
hätten haben Tonnen, ift nicht möglich, weßhalb entweder nichts 
bleibt, ald anzunehmen, daß nad) Herodots Zeit an dem Gebäude ge 
mworben, oder daß Strabo nur zwölf Nomen meine, was geradezu unn 
fiheint, oder daß er das Labyrinth befchrieben habe, ohne darin g 
zu feyn, oder anzunehmen, daß die zwölf Höfe, welche Herodot 
beftanden haben, jedoch nicht die waren, welche Strabo nennt, f 
beide verſchiedene Abtheilungen meinen. (Zieht man beide Zahleı 
den 1500 Gemächern über der Erde ab, jo erhält man als Reſt vie 
der Hundäfternperiovpe, 1461, die Gemächer unter ber Erde aber v 
dann, wenn fle ganz ven oberen entjprachen, daſſelbe Verhältniß 
haben. Db aber eine ſolche Berechnung angeftellt, d. h. eine Bezi 
des Labyrinths auf die Hundsſternperiode gefucht werben bürfe, ı 
wohl eher zu verneinen ald zu bejahen feyn.) Die Befchreibung, 
wir bei Plinius und Diodor lefen, beruht auf Feiner Kritif und el 
wenig auf einer Unterfuchung an Ort und Stelle, und ift daher 
geeignet zu einer Berichtigung Herodots oder Strabos. In ven ° 
thonifchen Kiften wird Lachares in ver zwölften Dynaftie als Erbau 
Labyrinths genannt, das er ſich zum Grabmal beftimmt Habe, un 


Anmerfltungen. 291 















zius beißt dieſer Lamaris, in ver Armenifchen Ueberfegung Lampares. 
Jes ſtimmt freilich nicht mit Herodot; allein eben fo wenig als Herodots 
Hählung der Wahrheit gemäß zu feyn braucht, eben fo wenig läßt ſich 
fimmt annehmen, Manethos Angabe enthalte fie. Herodot jagt in feiner 
Mählung, es fey ihm verweigert worden, bie unterirbifchen Gemächer zu 
Ichen, weil nebft den heiligen Krofopilen vie Könige darin begraben feyen, 
Ache das Labyrinth apxnv erbaut hätten, doch dieſes läßt nicht fchließen 
f frühere Erbauer; denn Herodot nimmt ganz beftimmt als ihm ange- 
Ben die zwölf Könige als die erſten und einzigen Erbauer des Labyrinths 
Dieſes Wort bedeutet aber hier nicht anfangs in dem gewöhnlichen 
une, fondern einft, wie in den Worten (1.86) os 7Ade dpxav 6 
Mer. Bei Pliniud (36. 13) heißt ed: das Labyrinth fey von Petefuchis 
wi Kinigen erbaut worden, oder von Titboed. Demoteled nenne e8 den 
Beat des Motherudis, Lykeas das Grab des Möris, mehrere gäben es 
F ein Heiligthum der Sonne aus, und Died werde am meiften geglaubt. 
Miſer Slaube, wie er ficher und gewiß falſch war, mag einer fehr fpäten 
Se als bloße Vermuthung zugehört haben. Wer aber das Labyrinth 
wullih erbaut habe, und welches der urfprüngliche Zweck einer fo großen 
Solsge geweſen fen, läßt fih aus dem, was unferer Nachforfchung bie 
FH zugänglich geweſen ift, nicht ermitteln. 
©. 68. Herodot (2. 50) fagt, die Namen des Poſeidon und der 
Mistkuren, fo wie die der Hera, Heſtia, Themis, der Chariten und der 
Sereiden flammten nicht von den Aegyptern, die der übrigen Götter aber 
fen immer in Aegypten einheimifch gewefen, und dieſes fage er, wie es 
We Aegypter fagten. Unmdglih kann Herodots Angabe fo verftanden 
werden, als ob dieſe Namen zwar nicht aus Aegypten flammten, jedoch 
Wefe Gottheiten in Aegypten geweſen feyen, daß fie alſo eine ver Hera 
feiche Gottin gehabt hätten, daß aber der Name Gera nicht Aegyptifchen 
Ifprungs fey. Die Griehifhen Namen, welche Herodot nennt, hält er 
kinedwegs für Uegnptifche, denn er weiß die Aegyptiſchen Namen, fondern 
e erklärt, Daß ihm die Aegypter Feine Gottheiten zu nennen wußten, 
weiche vie Stelle der genannten Gottheiten einnehmen und mithin für die 
Borbilder der Griechifchen auögegeben werden konnten. Dem Herodot 
mußten alfo die Aegypter Feine Göttin, welche der Hera entſprach, anzu- 
geben, was fie ficher nicht verſäumt hätten. Diefes ift für die Formen 
ver großen Mutter, welche mit Ammon verbunden waren, widhtig, und 
Ye fpätere Annahme einer Hera und Heſtia Fann nur ald ein gezwun- 
gener Auslegungöverfuch gelten. Um fo beftimmter tritt die Unthunlichkeit, 
dem Ammon eine Hera zur Seite zu ftellen, hervor, wenn man betrachtet, 
daß Formen der großen Mutter ohne Bedenken für Athena, Leto, Artemis 
angegeben wurden, wie gezwungen auch diefe Deutungen feyn mochten. 
In Hinficht auf die Themis aber ift Herodots Nachricht auffallend, weil 
19* 


| 


298 Anmerfungen. 


fih die Göttin Ma zur Vergleichung mit berfelben varbietet, fi 
Herodot fih nach der etwaigen Wegyptifchen Themis in einer 
erkundigt haben muß, welche vie Aegypter veranlaßte, fie nicht für 
Ma auszugeben, die ſich allerdings ganz gut eignet, mit der Griechl 
Dife verglichen zu werden. Leider erfahren wir nicht, ob ſich Hal 
auch nach ven Horen, den Moiren und Erinnyen erfundigte, und w 
Gottheiten in dieſem alle ihm vie Aegypter angegeben. f 

©. 71. Plutarh (73) Hat die Worte ißıs xar iepa war = 
niparos, abros 6 "Anıg oörn OR Yap vor Ev Mevönrı vol 
xarlodoıv. Diefe Stelle Tann unmdglich als richtig betrachtet w 
denn nicht adros 6 Anıs war der Bor in Menves, fondern na 
hätte diefer auch Apis heißen Fünnen, weil ver Apis, ven Plutarch 
adbros bervorhebt, nur der allgemein befannte Stier in Memphis 
kann; es iſt daher nach dem Worte "Anıs, welches ven Stier in Meg 
bezeichnet, der Name des Bockes in Mendes auögefallen, und es 
demnach eine Lücke im Text angedeutet werden, die mit xai 6 ME 
auszufüllen ſeyn dürfte, wenn gleih auch Duovis möglich (doc 
wahrſcheinlich) ift. 

©. 114. Wir leſen in Betreff des Aegyptiſchen Herakles eine YA 
die durch die Denkmäler bei dem Namen Shunfu nicht beftätigt 1 
fühnen Vermuthungen aber einen weiten Spielraum geben Fünnte. 2 
ninus Liberalis (28) erzählt nämlih nach Nicanvder: Typhon griff 
Götter an, und fie flohen aus Angft nach Aegypten, fo dag Athene 
Zeus allein blieben, doch Typhon verfolgte die Fliehenden, vie fich, 
ihm zu entgehen, in Thiere verwandelten. Apollon ward zum Spe 
Hermes zum Ibis, Ured zum Schuppenfifch, Artemis zur Kate, Dig 
zum Bod, Herakles zum Hirſchkalb, Hephäftos zum Stier, Leto zur € 
maus. Für den Zeus hätte fich der Widder zur Verwandlung dargeb 
und Ovid Täßt ihn auch In feiner Erzählung ſich in venjelben verwant 
doch in Nicanders Darftelung mochte dies wohl darum nicht angenon 
feyn, weil der wilde Typhon der allmächtigen und allweifen Gottheit ıı 
liegen follte, worin denn auch der Grund zu fuchen feyn dürfte, ma 
Athena, die Göttin der Weisheit, bei Zeus blieb. Die übrigen © 
nun verwandeln ſich in die Thiere, welche Sinnbilder der vermein 
ihnen entfprechenden Aegyptiſchen Gottheiten waren, doch vermochten 
Griechen es nicht bei allen durchzuführen, und die Darftelung wi 
daher, was den Griechifchen Göttern entſprach. Ares warb in ei 
Schuppenfifch verwandelt, weil dieſer für den Gott des Kriegs, mel 
ben Panzer trägt, durch feine Schuppen geeignet erſchien; denn anzunehn 
diefer Fiſch fey wirklich dem Aegyptiſchen Gotte, den die Griechen ? 
nannten, geweiht geweſen, wäre willkührlich, da Herodot von dem? 
zu Papremis erzählt, jedoch nichts davon weiß, daß ihm der Schuppen] 


Anmertungen. 1.05 


ı gewefen, fonvern diefen dem Nil geweiht nennt, während Plutarch 
fagt, die Aegypter hätten dieſen Kifch, fo wie den Phagros und 
ynchos beſonders verabicheut, weil fle von der in den Nil geiworfenen 
m des Oſiris gekoſtet. Tür den Oſiris, in welchem bie Griechen 
Dionyfos fahen, blieb ihnen Fein anderes Thier als der Bor, weil 
Stier dem Hephäftos zufallen mußte, wegen des Apis in Memphis; vie 
pter felbft hatten Fein Thier zum Sinnbild des Oſitris gewählt, was 
für ven alljährlich abfterbenden und wiederkehrenden Gott nicht wohl 
ma, abgeſehen davon, daß der Iſis-Oſtriscult durch fremden Einfluß 
Geftaltung gewonnen haben Fonnte Nun aber fommen wir zum 
kles, der fich in ein Hirfchfalb verwandelt haben fol, wozu die Griechen 
wen Mythen Feine Veranlagung hatten, wozu ihn aber auch der Gott 
fu, in fo weit er unter dieſem Namen auf den Denfmälern erfcheint, 
gab. Doch eine Gottheit, welche die Antilope oder Gazelle over ein 
ihes Thier zum Sinnbilo hat, findet fih, und ed ift oben davon bie 
: gemefen. Diefe Gottheit nun, könnte man meinen, habe der im 
e gehabt, welcher gebichtet, Herakles habe fih in ein Hirfchfalb ver- 
beit, und da es feft fteht, daß Thon, Khunfu den Griechen ald Heraf- 
jalt, jo würde man bei einer folchen Anficht dahin geführt, in jenem 
e ven Khunfu zu erbliden. Aber unauflöslich wären vie Schwierig- 
1, wenn man den Gott, welcher das eben angeführte Sinnbild Hatte, 
Khnnfu unter anderem Namen halten wollte. Daß aber vie Griechen 
Thier ein Hirfchfalb genannt haben würben, iſt felbft nicht einmal 
warten, wir dürfen vielmehr annehmen, daß fle ed mit vem Namen 
e bezeichnet haben würden. Iſt e8 jedoch unmöglich, im Aegyptifchen 
Thier zu entveden, welches den Chon als Sinnbild gebient hätte oder 
ihm in Verbindung fland, und eben fo unmdglidh, in der Griechifchen 
hologie ein Thierfinnbild für den Herakles zu finden, fo bleibt vie 
ıbe jener Verwandlung räthfelhaft und unbegreifüh. Wegen ver, 
m Heros zugefchriebenen Gefräßigfeit warb in einer fpäteren Zeit der 
el Laros (eine gefräßige Move) mit ihm in eine Verbindung gebracht, 
von dem Torifchen Herafles wird eine feltfame Wachtelgefchichte 
ihnt, Daß er nämlich einmal durch den Geruch einer Wachtel wieder 
das Leben gebracht worden ſey. Wollte man nun annehmen, ftatt 
5 fey Aapo zu lefen, fo wäre diefe Annahme fehr kühn und darum 
abrfcheinlich, weil des Herafles Verbindung mit dem Larod mehr eine 
elerei zu nennen ift, als eine finnbiloliche Bezeichnung. Wäre an eine 
derung des Wortes EAAS zu denken, fo würde bie in das Wort 
vrı vielleicht wahrfcheinlicher feyn; denn Das Lowenfell, melches ber 
8 trug, Fonnte in Grmangelung eines Ihm gemeihten Thieres veran⸗ 
en, eine Verwandlung deſſelben in einen Löwen anzunehnen, die im 
jantenfampf dem Dionyſos zugefchrieben ward. Aus einer etwaigen 


294 AYnmerfungen. 




















Mieverherftelung des durch Verſtümmelung ververbten Wortes Adon 
fann jedoch EAAGS hervorgehen; denn nähme man an, es fey in Ako y 
ſtümmelt und dieſes gar in eAo verfeßt, welche Art von Corruptelen gen 
nicht fehr felten ift, fo würde eben nur EAAG ſich der Wiederherſtellu 
welche an ver legten Born verſucht ward, dargeboten haben. Wenn jeb 
folhe Vermuthungen ald unfichere und wenig wahrſcheinliche Conjectus 
zur Aufhellung dieſes fchwierigen Problems nicht führen fünnen, fo bü 
wir doch jede etwaige Zufammenftelung des Khunfu mit dem G 
welcher die Gazelle oder Antilope zum Sinnbild bat, fo lange abweifg 
bis eine Webereinftimmung verfelben ficherer begründet wird, als ed 
der angeführten Stelle des Antoninus Liberalis gefchehen Eann. 


©. 156. Manetho8 meldete, wie wir aus Synfellos erfehen, um 
Nephercheres fole der Nil eilf Tage lang mit Honig gemifcht gefl 
feyn. Wiewohl diefes fabelhaft lautet, fo ſcheint es doch nicht der Myth 
logie anbeimzufallen und mit ihr in irgend einer Verbindung zu ftebg 
Horapollo (1. 21) giebt an, die Nilüberfäwemmung, nun genannt, wet 
dargeftelt zwiveilen durch einen Köwen, over drei große Waßergefäße, oW 
durch Himmel und Erve, welche Waßer fprudelt. Die vrei Krüge a 
bebeuteten die drei Anfichten über die Nilüberfchwennmung, daß nämli 
Aegypten felbft das Waßer hervorbringe, oder daß e8 aus dem Ocean 
flamme, oder daß Negengüße in Xethiopien die Ueberſchwemmung vera 
laßten. Diefe Audlegung ift falfh; denn wenn die drei Krüge wi 
‚zur Bezeichnung der Nilüberſchwemmung dienten, fo ift durch dieſe Ze 
nur die Größe ausgebrüdt, weil drei die Mehrheit im Wegyptifche 
bezeichnet. Mögen vie Aegypter ven Proteus ver Griechen auf den 3] 
Gratofthenifchen König Phuoro, wozu bemerkt wird, er bedeute Neil 
bezogen haben, fo ift Died nur eine ärmliche Auskunft, um ein Waßen 
weſen zu einem Aegyptiſchen Könige zu machen, denn die Mythe von 
Proteus ift rein Griehifh, und die Aegypter hatten weder Cinfluf 
darauf, noch beſaßen ſie eine ähnliche Zabel. 


©. 182. Obgleich die Angaben Horapollog für die Aegyptiſche Mythos 
Ingie nicht in allen Stüden gelten können, fo find fle doch in einzelnen 
Punkten nicht ohne Werth. So ſcheint au), was (1. 39) über ven Hunt 
gefagt wird, nicht ganz der Beachtung unwerth zu feyn, wie wunderlid 
e8 auch im Allgemeinen lauten mag. Es heißt nämlich: wann fie ber 
heiligen Schreiber, oder den Propheten, oder den Todtenbeſtatter, ode: 
die Milz, oder den Geruch, oder das Lachen, ober das Niefen, oder bi: 
Obrigkeit, ober den Richter varftelen wollen, malen fie ven Hund. Dei 
heiligen Schreiber ftellen fie fo dar, weil, wer ein volfommener heilige 
Schreiber werden will, fich viel üben und beftändig bellen und fi wit! 
benehbmen muß, feinem willfahrend, wie die Hunde. Den Propbetert 


Anmerfungen. 205 


der Hund vor den andern Thieren auf vie Götterbilver *) feft hin⸗ 
aut, wie ver Prophet. Den Beftatter ver heiligen Thiere, weil der- 
ide die von ihm beforgten Geftalten nackt und aufgefchnitten ſieht. Die 
Milz, weil der Hund allein von den übrigen Thieren fie am leichteflen 
Mt, und durch die Milz ftirbt oder rafend wird, und die, welche ihn ein— 
Mallamiren, warn fie ihrem Ende fich zuneigen, meift milzfüchtig werben, 
Bean der Geruch des aufgefchnittenen Hundes ſteckt fie an. Geruch, Lachen 
we Niefen wird durch den Hund dargeftellt, weil die ganz Milzfüchtigen 
riechen, noch lachen, noch niefen Eönnen. 


Was den heiligen Schreiber betrifft, fo fönnte ver Hund ihn zwar 
seh wegen feiner Wachſamkeit als treuer Diener bezeichnen; es hätte 
auch dieſes Sinnbild gewählt werden koͤnnen megen des Thoth, 
ein heiliger Schreiber war. 
©. 236. Arfaphes läßt ſich fo wenig deuten, daß man vermuthen 
Bee, der Name ſey nicht ganz richtig angegeben; wäre biefes aber 
ich der Val, dann würde man fich nicht fehr bevenfen müßen, ven 
Sean Har-si-hes, d.i. Horus, Sohn der Iſis, als den anzufehen, 
wer den unverftänblichen bei Plutarch veranlagt hätte. So fagt auch 
Fatarch, Oſiris heiße Omphis, und dieſes beveute den Guten, was aber 
Br nicht feyn kann; denn nefru heißt gut, und es koͤnnte, wie Wilfinfon 
rnuthet hat, Omphis unrichtig angegeben feyn flatt eines aus Un und 
ru gräcifirten Namens, welcher ven guten Eröffner, oder ven Erdffner 
we Guten beveuten würde, was Oſiris allerdings war, und wie er aud) 
benannt wurde. 

©. 257. Maneros ver Königsfohn flarb frühzeitig, und das Lied, 
velhes nach ihm benannt ift, enthält die Klage um ihn. Es fteht nicht 
m erwarten, daß in Aegypten ein anderer als Oſiris beflagt worden fey, 
kan der Aegyptiſche Trauercult betraf allein feinen Tod. Die Klage un 
Im mußte natürlich der Adonisklage gleichen, und fein Tod als ein 
füheitiger erfcheinen, da in ihm das blühende, grünenve Leben ver 
Natur hinſtarb, was als die traurige, feinvliche Zerftöürung des Lebens 
An feiner frifchen Kraft und Blüthe erfchien. Daß Maneros Königsfohn 

heißt, iſt mythiſch, doch es fragt fh, ob das Lied Maneros hieß und 

m Königsfohn, weil man einen Namen veffelben nicht wußte, fpäter 






















— 


h *) Da es mir nicht vergönnt ift, eine andere Ausgabe des Horapollo einzufehen, 
als die von Pauw, fo kann ich nur fagen, wie mir die falfche Lesart Ad 
etwa geändert werden zu müßen feheint, nämlich in aönde, fü daß dem Hund 
jugefchrieben wird, die unfichtbaren Götter, warn fie wo anweſend find, zu 
erblicken. Doch dürfte dies «AA zu ſtreichen feyn, wie frühere Herausgeber 
vermuthet haben. 


296 Anmertungen. 


durch Verwechslung eben fo genannt ward, over ob das Lied nad 
Namen bed darin Beklagten hieß. Das Lebtere ift am wahrſcheinli 
aber ven Namen zu deuten, und feine Beftandtheile aus den gräs 
Worte herauszufinden, vermögen wir nicht mit Sicherheit, fo lang 
ihm in den Hieroglyphen nicht begegnen. Vermuthen Fann man, 
man ed für zuläßig halt, in einer folden Sache zu dieſem unfl 
Mittel zu greifen, es fey ma-n-ari, die Wahrheit des Wachend od, 
Wächter, dad Aegyptiſche Wort geweſen, moraus die Grieche 
Namen Maneros gemacht haben. Dftris wäre dann der Wächte 
Geißel und Krummſtab, und wirklich wird das Wort ari, wachen, A 
bieroglgphifh Durch einen Dann mit Geißel uud Krummftab darg 
Plutarch (17) fagt zwar, Manche hätten angegeben, dad Wort M 
ſey ein Zuruf beim Gaftmahl, und bebeute, möge und dies 
da feyn oder erfcheinen. Wörtlich Eonnte dieſe Bedeutung nicht E 
ſeyn, denn es fiheint für dieſe Erklärung ma-u-her angenommen 
woraus das gräcijtrte Maneros entflanden, und dieſes würde heiße 
Wahrheit over Gerechtigfeit der Offenbarung, was nicht ungeeignet 
denn der alle Jahre wieder erſcheinende over fich offenbarenvde Dfirie 
allerdings den Namen Wahrheit der Offenbarung erhalten Eünnen. 
archos nannte den Maneros (bei Heſychius) den erften Schüle 
Magier, der dadurch in aller Menfhen Mund gefommen. Dies if, 
genommen, ein Wiverfpruch in fich felbft, denn da die Magier Me 
find, fo wäre es feltfam, daß ihr erfter Schüler bloß als folcher in 
Menſchen Mund gekommen wäre, und da ihn Plutarch wie au 9 
einen Schüler der Mufen nennen, fo mag Valeſius Recht haben, n 
bei Heſychius für uaywv, yovoav gelefen wißen will. ' 


Negifte 


A. 
247. 


ı 283. 
mon 238. 


fig. 
61. 

59 figg. 
3. 


J. 
Arueris 237. 
es 235. 
236. 
41. 


112, 
19. 
28. 


umu 54.144 fgg. 


Di 280. 
Bock 71. 


Bubaftis 10% flgg. 


Buflris 249. 
Buto 161 flgg. 


©. 


Canopus 156 flgg. 


Chemmis 76. 

Chenofiri 232. 
Chnumis 59. 

Ehnuphis 59. 
Chon 114. 


D. 
Diltys 240. 


E. 
Eileithyia 112. 
Eſel 206. 
Esmun 82. 187. 


F. 
Feige 258. 
Fiſche 225. 
Froſch 100. 


G. 
Gazelle 202. 229. 
Geier 68. 
Giraffe 204. 
Goͤtterkreiſe 41. 


H. 
Hake 170. 172. 
Hapi 263. 
Hapimau 153. 


r. 


Harka 68. 260. 
Harphre, Harpira 148. 
Harpokrates 235. 
Haſe 124. 

Hat 238. 

Hathor 219 flgg. 
Hau 84. 

Hek 229. 

Hekuer 143. 

Herakles 119. 
Hermesfchriften 181. 
Hermes Trismegiftos 189. 
Hermonthis 147. 
Heron 145. 

Hes 228. 

Heſtri 231. 

5h 280. 

Himmel 143. 

Hoph 280. 

Horhat 237. 
Horfentto 237. 
Huros 226. 234 flgg. 
Hund 181. 

Hundsaffe 178. 


J. 
Ibis 184. 
Ichneumon 163. 
Imatep 120. 
Imuthos 120. 
Iſis 226 flgg. 


K. 
Käfer 83. 
Kahi 278. 
Kaimis 235. 
Kamephis 61. 
20 


Kanobus 156. 
Kaften 11. 
Kate 106. 
Kebhfenuf 263. 
Khem 74 fig. 
Khemi 278. 
Khunju 114. 
Kneph 58. 
Knuphis 58, 
König & flgg. 
Krähe 239. 
Krokodil 195. 
Kuh 219 fig. 
Kynoskephalos 178. 
Kyphi 137 fig. 


8. 


Labyrinth 34, 
Lampenfeft 168. 
Latus 167. 
Leopardfell 231. 
Libyen 286. 
Löwe 129. 


Ma 82. 276. 
Malkandros 241. 
Manpulis 187. 
Maneros 242, 295. 
Mau 131. 

Maus 99. 

Mendes 71 fig. 
Menhi 110. 
Menſchenopfer 112. 
Menuthie 157. 
Mer 279. 

Merve 283 flg. 
Meriofar 261. 
Methive 247. 
Meihyer 228. 


ME, Mit oder Mnit 281. 


Mneuis 128, 
Monate 2. 
Mond 150. 


Negifter. 


Mu 52. 68. 
Mui 132. 

Mumien 22. 
Muntu 147. 
Mut 52. 68. 


N. ° 
Nafamonen 286. 
Neb 277. 
Nebua 183. 
Neith 164 flag. 
Nemau 280. 
Neph 98. 
Nephthys 208. 
Nil 158. 
Nilpferd 200. 
Nilſtadt 88. 
Npe 132. 

Nub 202 fig. 
Rum 59. 
Nutpe 189 flgg. 


O. 


Obelisken 135. 

Omphis 295. 

On 123. 

Onuphis 128. 

Onuris 281. 

Opfer 14 flg. 

Orakel des Ammon 55. 

Ofiris 226 flgg. 

Ofirismyſterien zu Sals. 
168. 

Oxyrynchos 223. 


P. 
Pakis 128. 
Palaͤſtinos 242. 
Palme 183. 
Pamyles 259. 
Pamylien, Baamylien 
259. 
Paſcht 184 flgg. 
Pataͤken 79 flgg. 


Pavian 179. 
Beluflos 242. 
Perſea 128. 221. 
Berfeus 74. 
Phallus 257. 
Pharao 125. 
Phönir 175. 
Phthah 79 flgg. 
Pi 280. 

Prieſter 11. 
Ptah 79 figg. 
Ptah⸗Sokari⸗Oſiris 
Pyramiden 23. 


0 


Ra 123. 

Ranpu 199. 
Ratet 148. 
Ratho 148. 
Reiher 232. 
Renen 280. 
Rhampfinit 213. 
Rhodopis 32 fig. 
Rpe, Rpi 277. 


S. 
Sais 164. 
Sak 282. 
Salz 13. 169. 
Sarapis 269 figg. 
Sate 68. 
Schaf 51. 
Schafal 211. 
Schlange 62. 
Schmun 187. 
Schwalbe 242. 
Schwein 20. 151. 
Seb 189. 
Sebak 194. 
Seelenwanberung 27. 
Sefr 282. 
Self 230. 
Semphufrates 114. 
Serf 230. 
©eth 205. 


132. 


ns 163. 


fer 15. 
113. 
82. 


re 258. 


[2 


Negifter. 


T. 
Tah 280. 


Tamariske 232. 241. 


Tamun 50. 

Tefnu 111. 
Tempel 17. 
Tentyris 279. 

Ter 101. 

Tetnetſu 264. 
Thebä 49. 278. 
Thermuthis 228. 
Ihierverehrung 44. 
Thmuis 73, 
Thoth 177 flgg. 
Thueris 170. 214. 


Tmu, Tumu 54. 184. 


Tora 101. 


Drudfehler. 


Seite 33. Zeile 25 Annfes lies Anyſis. 


Tpe 69. 
Triphis 112. , 
Tſſ. 280. 


Typhon 204 flgg. 


Typbonien 214. 


u. 
Un 123. 277. 


Widder 51. 
Wolf 213. 


3. 
Zadyk 82. 
Zwiebel 18. 


18 Lampadius lies Lampridius. 


2 


Bildertafelu 


Diefe Bilder find aus Wilfinfon’3 Manners x. entnommen, 
Ausnahme des auf der eilften Tafel befindlichen Todtengerichts, wo 
die im Turiner Todtenbuch enthaltene Darftelung in verkleinertem $ 
ftabe wiebergiebt. Auf der zweiten Tafel ift flatt Khem fülfhlih Kd 
gedrudt worden, und die Anveutung des Phallifchen im Drude ganz 
gefallen, und eben fo an ver Geftalt des Phthah auf der dritten 
(dritte Figur der oberen Reihe). Auf ver fechäten Tafel ift ftatt Nepb: 
fäaälſchlich Nephth gevrudt. Da die Hinzufügung von Bildern nöthig 
fo mußten fte doch auf das Nothwendigfte befchränft bleiben, und me 
Mehreres begehrt, muß Wilfinfon’s Werk ober Rofellini’s M 
mente zur Sand nehmen. 





Geprudt bei 3. D. Sauerländer. 

















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DSaurrländers Verla iu Brarkfırızn. 








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Die Mythologie 


Aſiatiſchen Völker, 
der 


Aegypter, Griechen, Nömer, Germa 
und Slaven, 


herausgegeben von 


Konrad Schwenk, 


— — ——— 
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Vierter Band. 
Die Mythologie der Semiten. 


IDOL 


Frankfurt am Main. 
3. D Sauerlänver’s Berlag. 
1849. 


— —— — —— Fe 


Die | 
Muythologie der Semiten 
Gebildete und die ſtudirende Jugend, 


dargeſtellt von 


Konrad Schwenck. 


Frankfurt am Main. 
J. D. Sauerländer's Verlag. 
1849. 


Vorwort. 


— — 


Dieſer Band ſollte zur Herbſtmeſſe 1847 erſcheinen nnd 
war fertig geſchrieben im Frühling deſſelben Jahres. 


NK. ©. 





Einleitung 





Höben und Saite. 


Als Götter des Himmels galten den Semiten ihre Götter, wie denn 
ul auch Baal-Semen, d. t. Herr des Himmeld und Aflaroth Königin 
’ Himmeld genannt werben. Darum murben vorzugswelje Anhöhen und- 
rge, auf welden man dem Himmel und folglid den Göttern deſſelben 
ver zu feyn glaubte, zur Verehrung der Götter als die geeignetflen Orte 
äblt, fo fehr, daß im alten Teflament die Höhen gleichbedeutend find 
Goͤtzendienſt. So heißt e8 Moſe (III. 26. 30): ih will eure Höhen 
ilgen und eure Bilder ausrotten, und (IV. 33. 52): ihr folt alle ihre 
len und alle ihre gegoßenen Bilder umbringen und alle ihre Höhen 
ifgen. Auch (Mofe V. 12. 2) heißt es: verflöret alle Derter, da die 
ven, bie ihr einnehmen werbet, ihren Göttern gebienet haben, es fey 
hoben Bergen, auf Hügeln, ober unter grünen Bäumen; reißet um 
Altäre, zerbrechet ihre Säulen, verbrennet mit Feuer ihre Haine. Im 
n Buche der Könige (3. 2) Iefen wir: das Volk opferte noch (zur 
: Salomp’8) auf den Höhen, denn es war noch Fein Haus gebauet 
Namen ded Herrn, und von Salomo felbft heißt es, er wandelte 
‚ den Sitten feines Vaters David, ohne daß er auf Höhen opferte 
räucherte. Wie wir daſelbſt (V. 4) leſen, gab es eine Opferhöhe 
ovah's zu Gibeon, und es ift daher von jenen Opfern des iſraelitiſchen 
[8 auf Höhen nicht erweislih, daß fie damit den Götzen dienten, 
an im erften Buche der Chronik [33. 17] leſen wir von den Sfraeliten: 
 opferte das Volk auf den Höhen, wiewohl dem Herrn, ihrem Gott, 
‘Samuel [Il. 15. 30 flg.]: David gieng den Delberg hinan, und da er 
die Höhe Fam, da man Gott pflegte anzubeten); wohl aber gilt dies 
. Salomo, denn im erflen Buche der Könige (11. 5) heißt es: alfo 
welte Salomo (als er alt war) Aſtoreth, dem Gott deren von Zidon 
h, und Milcolm, dem Gräuel der Ammoniter, und V.7: da bauete 
lomo eine Höhe Samos, dem Gräuel der Moabiter, auf vem Berge, der 
Jerufalem Tieget und Moloch, dem Gräuel der Ammoniter. Don Jero- 
m aber wird (12. 31 und 32) erzählt: er machte auch ein Hauß der 
hen und fliftete zu Bethel die Priefter der Höhen, die er gemacht ‚hatte. 
ner heißt ed (14. 22 flg.): und Juba that, was dem Herren übel geflel — 
n fie baueten ihnen auch Höhen, Säulen und Haine auf allen Höhen 
unter allen grünen Bäumen; vom Könige Ahas erzählt das zweite 
IV. 1 


2 Höhen und Haine. 


Buch der Könige (16. 4): und that Opfer und räucherte auf ven Höhen 
und auf den Hügeln und unter allen grünen Bäumen. Ebenvafelbft (17. 9) 
heißt e8: die Kinder Iſraels baueten Höhen in allen Stäbten, richteten 
Säulen auf und Haine auf allen hohen Hügeln und unter allen grünen 
Bäumen. Berner (2. 32): fle machten ihnen Prieſter auf ven Höhen aus 
den Unterften unter ihnen, und thaten fle in die Käufer auf ven Höhen. 
Auch von Manaffe, Hisklad Sohn, heißt es (21. 1) er habe wieder Höhen 
gebaut, dem Baal Altäre errichtet und Haine gemacht. Jofla aber (23. 5) 
that ed ab, zu räudyern auf den Höhen, ließ den Hain aus dem Haufe 
des Herrn führen und verbrennen, und warf den Staub auf die Gräber 
‚der gemeinen Leute, und brach ab bie Käufer, darinnen die Weiber wirkten 
Häufer zum Hain, und brach ab die Höhen in den Thoren, die in ber 
Thüre des Thores waren. 

Wie es ſich mit ven Höhen in den Städten verhielt, wien wir nicht 
genau, und müßen und beſcheiden zuzugeben, daß fogenannte Höhen, welche 
an der Thür eines Thores waren, vielleicht nur diefen Namen hatten, ohne 
daß fle hoch errichtet waren, fo daß nur die Zurüflung zum Eult gleid 
der auf wirfliden AUnhöhen, und ihre Beflimmung für die nämlichen 
Gottheiten und die Gleichheit des daſelbſt ſtattfindenden Goͤtterdienſtes ven 
Namen veranlaßte. Daß man auf Dächern Altäre errichtete, ſehen wir 
aus dem zweiten Buche der Könige, wo (23. 12) von Jofia erzählt wird, 
dag er die Altäre auf dem Dache im Saal Ahas, die die Könige von 
Juda gemacht Hatten, abbrach. *) Diefe waren denn allerdings Altäre 
auf Höhen, und ber adıtftödige Thurm des Bel zu Babylon, von welchem 
Herodot und erzählt, deßen unten näher gedacht werden wird, war audh 
eine Höhe. Geradezu aber heißt ein Altar mit feiner Zurüflung eine 
Höhe im zweiten Buche der Könige (23. V 15): Auch den Altar zu 
Beth EI, vie Höhe, die Jerobeam gemacht hatte, der Sohn Nebat's, ver 
Iſrael fündigen machte, denſelben Altar brach Iofla ab, und die Höhe; 
und verbrannte die Höhe und machte fie zu Staub, und verbrannte ben 
Satin. So wenig wir die Höhen in den Städten genau beflimmen fünnen, 
eben fo wenig ift e8 ganz Far, wie ſich die Häufer der Höhen in ben 
Städten zu den fogenannten Höhen felbft verhielten, ob z. B. diefe Häufer 
daneben errichtet, oder die Höhen in biefen felbft oder auf ihren Dächern 
angebracht waren. Solche Häufer aber gab ed, denn von Iofla heißt e8 
(23. 19): er that auch weg alle Häufer der Höhen in den Städten Samaria. 
Bei Ieremia (17. 3) heißt es: Höhen, beides auf Bergen und Feldern, 





*) Zephanja (1. 5): die aufden Dächern des Himmels Heer änbeten, die es 
anbeten und fchwören doch bei dem Herrn und zugleich bei Malchom. 
Seremia (32. 2): — da file auf den Dächern dem Baal geräuchert und 
andern Göttern Tranfopfer geopfert. 


. 


Höhen und SHaine. 3 


und (19. 4) fagt er von dem Thal des Sohnes Hinnom, fie hätten es 
vol unſchuldigen Blutes gemacht und dem Baal Höhen gebaut, ihre 
Kinder zu verbrennen, dem Baal zum Brandopfer, und von diefen Baals- 
höhen im Thal Ben Hinnom ſpricht er noch einmal (32. 35). Solche 
Höhen nun auf Feldern und in einem Thale, fo wie in der Thür des 
Thors einer Stadt koͤnnen faum etwas anders gewefen feyn als, wie 
gelagt, die Einrichtung, mie fle auf wirflihen Anhoͤhen flattfand. *) 
In Griechenland finden wir denfelben Gedanken von dem Verhältniß ver 
Berge zu der Gottheit ded Himmels. Auf dem Olympus, dem Berge 
Theſſaliens, der neben der Dichtung von feiner Herrlichkeit, doch bie 
Spuren des wirklichen Bergs behielt, haufte Zeus, der Himmeldkoͤnig, 
mit ven Gdttern. Die Spite des Deta war dem Zeus geweiht, und auf 
ven Joa fährt er herab. Auch bei den Iſraeliten haftete für den Dienft 
Jehovah's dieſe Anflcht von dem DVerhältnig der Berge zu dem Gotte im 
Himmel. Moſe I. (22. 2) heißt es: Gott fprah zu Abraham: nimm 
Saat, deinen einigen Sohn, und gehe in das Land Morija und opfere 
iin vafeldft zum Brandopfer auf einem Berge, ben ich bir fagen werde. 
Mofe IL. (3. 1) heißt es: Moſe — fam an den Berg Gottes, Horeb, 
und (12) Bott Ipra zu Mofe: — wenn du mein Volk aus Aegypten 
geführt Haft, werdet ihr Gott opfern auf dieſem Berge. Ebendaſelbſt 
(19. 3) wird von Mofe gefagt, er fey auf den Berg Sinai zu Gott 
geftiegen, und Gott habe ihm vom Berge gerufen, und (24. 1) dann 
beißt e8 meiter: Gott fprach zu Mofe: fteige herauf zum Seren, bu und 
Aaron, Nadab und Abihu und bie flebenzig Aelteſten Iſraels und betet 
an von ferne. Mofe V. (27. 4): wenn ihr über ven Jordan gehet, fo 
folt ihr Steine aufrichten auf dem Berge Ebal, und mit Kalk tünchen 
(morauf nämlich die Worte des Geſetzes gefchrieben werben follten), und 
font daſelbſt dem Herrn einen fleinernen Altar bauen. Weiter ward bafelbft 
(B. 12) gefagt, daß ſechs Stämme Ifraeld auf dem Berge Griſim fliehen 
folten, um das Volk zu fegnen, und ſechs auf dem Berge Ebal, um zu 
fluchen. In demfelben Buche (33. 2) wird gefagt: der Herr iſt von Sinat 
gekommen und tft ihnen aufgegangen von Seir (dem Epomitergebirge) ; 
er ift bervorgebrocdhen von dem Berge Paran. Der Tempel zu Ierufalem 
war auf einer Anhöhe erbaut und wir Iefen im zweiten Buche der Chronik 
(3. 1): und Salomo fing an zu bauen dad Haus ded Herrn zu Jerufalem, 


*) Gzechiel (16. 23 flg.): Meber alle deine Bosheit baueteft du bir Bergkirchen, 
und machteft Bergaltäre auf allen Gaßen. Diefe Stelle feheint deutlich 

zu zeigen, was bie fogenannten Höhen auf Feldern, in Thälern und zum 
Theil in Städten gewefen feyen. Baft noch näher beflimmenb heißt es 
daſelbſt V. 25: und vorne an auf allen Straßen baueteft bu beine 


Bergaltäre. 
, 1* 


A | Höhen und Haine. . 


auf dem Berge Morija, ver David, feinem Vater, gezeiget war. Ezechiel 
(43. 12) wo er von dem neuen Tempel fpricht, jagt: das ſoll aber das 
Geſetz des Haufes fein: auf der Höhe des Berges, fo weit es 
umfangen hat, foll e8 das Allerheiligfte ſeyn; das iſt das Gefeh des 
Haufes. Ehe aber dieſer Tempel errichtet war, befand ſich die Bundeslade 
auf der Höhe zu Gibeon, wie wir ebenvafelöft (1. 3) Iefen: daß fie 
hingiengen, Salomo und die ganze Gemeine mit ihm, zu ber Höhe, bie 
zu Gibeon war; denn daſelbſt war die Hütte des Stifts Gottes, vie 
Mofe, der Knecht des Herrn, gemacht hatte In ver Wüſte. (Im erſten 
Buche der Könige [3. 4] heißt ed von Salomo: und der König gieng bin 
gen Gibeon, daſelbſt zu opfern; denn es war eine herrliche Höhe. 
Und Salomo opferte taufend Branvopfer auf demfelben Altar.) Als 
etwas fi von ſelbſt Verſtehendes nennt dad erfle Buch der SKtönige bie 
Höhen zum Gottedbienft in den Worten (3. V. 2): das Volf opferte noch 
auf den Höhen, denn es war noch fein Haus gebauet dem Namen des 
Herrn. Im erften Buche Samuelis (9) wird erzählt, ald Saul, feines 
Baters Efelinnen fuchenn in das Land Zuph Fam, und fein Diener ihm 
rietb, den Mann Gottes Samuel zu fragen, erkundigte er ſich nach dieſem 
bei Dirnen, die Waßer vor der Stadt bolten, und viefe fagten ihm: eile, 
denn er ift heute in die Stadt gefommen, weil das Wolf heute. zu opfern 
bat auf der Höhe. 

Mir fehen daraus, daß vie Ifraeliten, fo fehr auch der Dienft auf 
ven Höhen als ein heidniſcher gräuelhaft erfcheint, doch felbft ven Jehovah—⸗ 
dienft auf der Höhe übten. Ja, felbft das ift für dieſe Anſicht von ben 
Bergen und Anhöhen zu beachten, daß der erite höchſte Priefter Aaron 
auf einem Berge flirbt, wie wir Mofe IV. (20. 28) Iefen, mo e8 heißt: 
Mofe z0g Aaron feine Kleider aus — und Aaron flarb daſelbſt oben auf 
dem Berge, nämli auf dem Berge Hor, wohin Mofe ihn auf Gottes 
Befehl führte. Eben fo befiehlt Gott Mofe (V. 32. 49 flg.): gebe auf 
das Gebirge Abarim, auf den Berg Nebo, und flirb auf dem Berge, 
gleichwie dein Bruder Aaron flarb auf dem Berge Hor; diefer Nebo aber 
war gerade bie Spige bed Gebirges Pisga, wie es ebenpafeldft (34. 1) 
heist. Don Aaron wird und nun nicht gejagt, wo man ihn beflattete, 
oder ob dies überhaupt geſchah, wiewohl wir es vorausfegen müßen; von 
Mofe aber wird gemelvet (34. 6), daß er im Thal begraben ward, obgleich 
nie jemand erfahren, wo fein Grab war. Wir fehen bier, daß ver höchfte 
Priefter und der Mann Gotted auf Bergen fterben und koͤnnen, va 
wenigſtens Mofe im Thal begraben wird, nicht annehmen, man habe 
dem Grabe auf der Höhe einen Werth beigelegt, ſondern die Beveutung 
liegt in dem Sterben felbit auf vem Berge. Kaum läßt ſich dies anvers 
erklären, al8 daß ein Sterben in größerer Nähe des im Himmel wohnenden 
Gottes damit gemeint fey; ob aber auch ein Aufgenommenmwerven ber 


Höhen und SHaine. 5 


Seele in den Himmel, müßen wir in fo meit dahingeſtellt feyn laßen, als 
wir überhaupt über ven Zuſtand der Seele nad dem Tode Feine irgend 
genügende Erflärung in dem alten Teflamente vorfinden. Daß jedoch 
das Aufgenommenmwerven eined Menichen in den Himmel ven Ipeen, in 
welchen ſich das alte Teſtament bewegt, nicht eben ganz fremd war, zeigt 
bie Erzählung von dem wunderbaren Scheiden Elia's, von welchen es im 
weiten Buche der Könige (2. 11) heißt: ſiehe, da kam ein feuriger 
Wagen mit feurigen Roßen und Elia fuhr alfo in Wetter gen Himmel. 
Erſchien nun Gott Mofe auf Bergen, fo Iefen wir ähnlich bei den Pro- 
pheten, daß Gott auf die Höhen der Erbe tritt. Amos (4. 13) fagt: 
denn fiehe, er iſt e8, der vie Berge macht, ven Wind ſchaffet und zeiget 
dem Menſchen, was er reden fol. Er macht die Morgenröthe und die 
Finſterniß, er tritt auf den Höhen ver Erde. Eben fo lautet es bei 
Micha (1. 3): denn flehe, der Herr wird ausgehen aus feinem Ort und 
berabfahren und treten auf die Höhen im Lande. 

Mit den Höhen, wie wir gefehen haben, werben fehr häufig die Haine 
genannt als die Drte des Götzendienſtes, und wiewohl die Sfraeliten auch 
auf Bergen und Höhen dem Jehovah dienten, fo waren doch die Haine 
von feinem Dienft verbannt, und wir lefen als Gebot Gottes bey Moie 
(V. 16. 21): du foAft feinen Hain pflanzen bei dem Altare des Herrn. 
Bor Mofe fand ſich der Altar des Herrn auch wohl in einem Hain, denn 
von Abraham heißt es (Mofe 1. 13. V. 18): er mohnete im Hain Maure, 
ber zu Hebron ifl, und bauete daſelbſt dem Herrn einen Altar. Ja Abra⸗ 
ham pflanzte felbft einen Hain. Cr hatte, fo wird erzählt (Mofe I. Kap. 21), 
einen Brunnen gegraben, den ihm Abimelech wegnahm; doch fühnten fie 
ſich aus und machten darüber einen feierlichen Bund, woher vie Stätte 
Berfaba heißt. Abraham aber pflanzte daſelbſt Bäume und predigte dort 
von dem Namen des Herrn, des emigen Gotted. Diefe Bäume waren, 
wie gar nicht zu zweifeln ift, zu Ehren Gottes als heiliger Hain, um bie 
Stätte dem Herrn zu weihen, gepflanzt. Daß in dem Göttercult der 
Griechen und Römer und anderer Völker Haine häufig waren, iſt befannt 
genug. Doch wir fehen auch einzelne Bäume, als zu gleichem Zwecke wie 
die Haine dienend, genannt; denn wenn es fo oft heißt: „und unter allen 
grünen Bäumen,” fo iſt damit fhwerlich jedesmal ein ganzer Hain gemeint. 
So lefen wir bei Ezechiel (6. 13) von Gögenaltären auf allen Hügeln und 
oben auf allen Bergen, und unter allen grünen Bäunen und unter 
allen dicken Eichen, an welchen Orten fie allerlei Götzen füßes 
Räuchopfer thaten. Berner ebenbafelbft (20. 28), wo ſie einen hohen 
Hügel oder dicken Baum erfahen, daſelbſt opferten fle ihre Opfer und 
brachten dahin ihre feinpfeligen Gaben, und räucherten dafeldft ihren füßen 
Geruch und goßen daſelbſt ihre Trankopfer. Hoſea (4. 13) fagt: oben 
auf den Bergen opfern fie und auf den Hügeln räuchern fie unter den 


6 Höhen und Haine. 


Eichen, Linden und Buchen, denn die haben feine Schatten. 
Diefe Stellen deuten darauf, daß auch einzelne flattlide Bäume gewählt 
wurden, um unter ihnen Opfer zu verrichten, jo gut als in den Sainen 
ſelbſt. Wir vermögen nidht zu fagen, warum man Haine und Bäume zu 
diefem Zwecke mählte; doch muß diefe Wahl in dem menfdlichen Gefühle 
wohl begründet gemeien ſeyn, ba biefer Brauch fi} bey fo ganz verfchie- 
denen Bölfern weit verbreitet findet. Mit diefem Brauche, Bäume zu 
wählen, um ven Göttern unter ihnen zu dienen, ifl zu vergleidhen, daß 
es Zaubereichen gab, wie dad Buch der Richter deutli und unzweifelhaft 
angiebt, wo es (9. 5) zuerft heißt: und ed verfammelten ſich ale Männer 
yon Sichem und machten Abimelech zum Könige bey ver hohen Eiche, vie 
zu Sichem fleht; und dann (Vers 37): ftehe, ein Volk fommt hierniever ” 
aus dem Mittel des Landes, und ein Haufe fommt auf dem Wege zur 
BZaubereihe. Daß man dem Holz oder den Wurzeln und Blättern der 
Eiche an und für fi) eine Zauberfraft zugefchrieben hätte, wird nirgends 
erwähnt, und wir finden nie viefelben ald Zaubermittel angewendet, weß⸗ 
halb es wahrfcheinlich if, daß die Zaubereiche nur dazu diente, um unter 
ihr Zauberei zu treiben, weil ſich ein Glaube des Göttlihen mit ihr 
verfnüpfte. Iſt diefes, wie es fcheint, der Val, dann trifft vie Wahl 
des Baumes zum Zauberbaum nahe zufammen mit feiner Wahl zum 
Goͤtterdienſt. 

Wie haben oben geſehen, daß Häuſer mit den Höhen verbunden 
waren, fowohl mit den wirklichen, als auch mit den fogenannten in ven 
Städten, und daß dieſes auch mit ven Hainen flattfand, erfehen wir aus 
dem alten Teflament. Ob die Häufer der Höhen wirkliche Tempel waren, 
vermögen wir nicht mit Beftimmtheit zu ergründen, und wißen alſo aud 
nit, ob fie die Bilder der Götter, denen man opferte, enthielten, oder 
ob fle zum Zwede, das für die Opfer Nöthige darin zu verwahren, oder 
wozu fonft, errichtet waren. Ueber die Käufer der Haine haben wir nur 
eine Nachricht im zweiten Bude der Könige (23. 7), wo es von Jofla 
heißt: und er brach ab die Häufer der Hurer, die an dem Haufe des 
Heren waren, barinnen die Weiber wirkten Häufer zum Hain. Demnad 
wurden Zelthütten in den Hainen aufgefchlagen, over bei den Bäumen, 
wo Götterbienft flattfand, und wir dürfen vermuthen, daß fle einen ähn- 
lihen Zwed hatten, wie die Käufer ver Höhen. Daß aber Weiber, vie 
an dem Haufe des Herrn wohnten, foldhe Kainhäufer wirkten, zeigt, daß 
man nicht jeved Zeug zu denfelben nehmen zu vürfen glaubte, fondern 
baß der heilige Zweck erforberte, dieſe Zelte von eigend dazu beftellten 
Brauen in der Nähe und in Berbindung mit einem Heiligthum wirfen zu 
lagen, wie z. B. in Athen ver Peplos der Palas von Jungfrauen auf 
ber Burg gewebt wurde. Die Angabe, es feyen Häufer ber Hurer, wie 
kuther überfegt, gewefen, barf uns nicht glauben machen, es babe fi 


Höhen und Haine. 7 


nit fo verhalten, denn daß Käufer der Cinäden mit dem Heiligthum 
wiammenbiengen, worin zugleih Weiber jene Arbeit zu heiligem Zweck 
versichteten,, führt darauf, den Cinädismus, als in ver Naturreligion ver 
heidniſchen Semiten vorkommend, zu betrachten, wie er in dem Cult des 
Dionyfos ſich vorfindet. Daß die heidniſchen Semiten au) an Bädhen 
und in Gärten ihren Eult feterten, fcheint fi aus Worten Jeſaia's zu 
ergeben. Wir leſen bei ihm (57. 5): die ihr in der Brunft zu dem 
Bögen Taufet unter alle grüne Bäume, und fchlachtet die Kinder an den 
Bihen unter ven Felsflippen. Und (V. 6): dein Weien ifl an 
ven glatten Bachſteinen, viefelbigen find dein Theil; venjelbigen 
fhütteft du dein Tranfopfer, da du dein Speisopfer opferſt. Dann 
(66. 3): die fih Heiligen und reinigen in den Gärten, einer bier, 
ver andere da, und eßen Schweinefleifh, Gräuel und Mäufe. 


Bethel. Bätylien. 


Wir finden bei den Semiten den Gebrauch geheiligter Steine, welche 
mit Del geſalbt wurden, und das alte Teflament giebt als Namen eines 
derartigen Steines dad Wort Beth=el an, was beveutet Haus des Herrn. 
Die ältefte Nachricht darüber findet fi im erften Buche Mofe (28. 10 flgg.), 
wo Folgendes erzählt wird: Jakob z0g aus von Berfaba, und reifete gen 
Saran, und Fam an einen Ort, ba blieb er über Nacht. Und er nahm 
einen Stein und legte ihn zu feinen Häupten, und legte fi} ſchlafen. Und 
ihm träumete, und fiehe, eine Leiter fland auf Erven, die rührete mit ver 
Spige an den Himmel, und flehe, vie Engel Gottes fliegen daran auf 
und nieder; und der Herr fland oben darauf und ſprach: Ich Bin der 
Herr un. f. w. Da nun Jakob von feinem Schlaf aufwachte, ſprach er: 
gewiglih ift der Herr an diefem Ort, und ich wußte ed nicht; und fürd- 
tete ſich und fpradh: wie heilig ift dieſe Stätte! Hier ift nichts anderes, 
denn Gottes Haus, und hier iſt die Pforte des Himmels. Und Jakob 
fland des Morgens frühe auf und nahm den Stein, den er zu feinen 
Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Mal, und goß Del 
Darauf, und hieß die Stätte Beihel (d. I. Haus Gottes); vorhin hieß fonft 
die Stadt Aus. Lind Jakob that ein Gelübde, und fpradh: fo Gott wird 
mit mir feyn u. f. w., fo fol der Herr mein Gott feyn, und dieſer Stein, 
ven ich aufgerichtet Habe zu einem Mal, foll ein Gotteshaus werben. 
Berner wird (35, 1. 6. 7. 9. 14 flg.) erzählt: und Gott fprach zu Jakob: 
made dich auf, und ziehe gen Bethel, und mohne daſelbſt, und mache 
dafelbft einen Alter dem Gott, der dir erfchien, da du floheft vor deinem 
Bruder Eſau. — Alfo Fam Iafob gen Lus im Lande Ganaan, bie ba 
Bethel heißt, und bauete vafeldft einen Altar, und hieß die Stätte EI 
Bethel, darum, dag ihm bafelbft Gott geoffenbaret war, da er floh vor 
feinem Bruder. — Und Gott erfchien Jakob abermal und fegnete ihn — 
Jakob aber richtete ein fleinern Mal auf an den Ort, da er mit ihm 
geredet hatte, und goß Tranfopfer darauf und begoß ihn mit Del. Und 
Jakob hieß den Drt, da Gott mit ibm geredet hatte, Bethel. *) 

Hier fehen wir einen Stein errichten zu einem Mal Gottes, und 
Tranfopfer darauf gießen und ihn mit Del falben, und mehr als ein 
Mal, als ein Gott geheiligter Stein, fann ein Bätylos oder Bethel nie 
geweſen ſeyn; denn hätte man ihn, gleich einer Statue, als ein Bilb 


*) Paufanias (VIL. 22. 3) erzählt von Pharä in Achaja, es fländen ganz 
nahe bey dem Bilde des Hermes dreißig vieredige Steine, welche von 





Bethel. Bätylien. 9 


eined Gottes, als einen Gott betrachtet, fo würde er den Namen Gottes 
sefommen Haben, während doch nur ber allgemeine Name Bethel over 
Bätylos für alle gilt. WIN man ihn mit etwas vergleihen, fo könnte 
vies noch am erſten mit einem Altare eined Gottes geſchehen; doch iſt es 
am beften, einfach dabey ſtehen zu bleiben, daß er ein heiliges und ver⸗ 
ehrtes Mal Gottes ſey, bey welchem man ſich in einem gleichen Berbältnig 
zur Gottheit betrachtete, wie bei einem Altar, in einem Tempel, over 
ionft an einem gottgeweihten Orte. Plinius (37. 51) fagt, die Bätyle 
ſeyen ſchwarz und rund, und mit ihnen würden Stäbte und Flotten 
erobert; daß fie e8 aber alle geweſen feyen, wird damit nicht bewiefen, 
und e8 gab deren fo manche an verſchiedenen Orten, daß es wohl ſeyn 
fann, daß fie weder alle von einer Farbe noch Geftalt waren. Die Kaaba 
u Mekka, die nod von den Moslims verehrt wird, ift ſchwarz. Die 
Iritere Zeit mit ihren Deutungen und ihrer Wunderfucht Tieß vie Bethel⸗ 
feine nicht unverfchont. Damascius im Leben des Iſidorus bei Phottus 
(Schrift 242. ©. 557) erzählt: es heißt, bei Heliupolis in Syrien fey 
Aflepiades auf den Berg des Libanon hinaufgegangen und habe viele 
von den fogenannten Batylien over Baͤtylen gefehen, über welche er 
Tauſendfaches wunderfabelt, was einer unfrommen Zunge würdig ifl. 
Ebendaſelbſt (S. 568) wird welter erzählt: ich fah ven Bätylos durch bie 
Ruft fih bewegen, und einmal in die Gewande gehüllt, und endlich einmal 
auch in den Händen des Bedienenden getragen. Der den Bätylos Bedie⸗ 
nende aber hieß Euſebios, welcher auch erzählte, es fey ihm einmal 
plöglih unerwartet die Begierde gekommen, zur Mitternacht von der Stadt 
Emefa ganz meit in das Gebirg zu gehen, wo ein alter Tempel ver 
Abena flebt. Als er fehr fehnel an ven Fuß des Berges gekommen, 
habe er fi zum Ausruhen gefept und eine Beuerfugel plöglih aus ber 
Höhe herabfahren geſehen und einen großen Löwen bei der Scheibe ſtehend. 





ben Pharäern verehrt würden, die einem jeglichen den Namen eines 
Gottes gäben; in ven alten Zeiten aber feyen von allen Hellenen unbe: 
arbeitete Steine flatt der Statuen göttlich verehrt worden. Diefen Braud 
darf man durchaus nicht mit dem der Bethelfteine vergleichen, denn es ift 
ganz einerlei, was für ein Bil fih ein Volk von einer Gottheit mache, 
ob es dazu einen rohen Stein oder Stod, ob es eine menfchliche Geſtalt 
ober eine andere gearbeitete Figur dazu erwähle. Diz einmal erwählte 
Form dient zur finnlichen Darftellung des Gottes felbft, und finnliche 
Auffaßung erblickt in der gewählten Geftalt tie Gottheit und giebt ihr 
den Namen berfelben. Da nun diefes bey dem Bethelftein nicht flattfand,. 
der nie den Namen eines Gottes erhielt und mithin auch feinen barftellte, 
fondern nur als heiliger Gegenfland diente, wo man Gott verehrte, fo 
wäre es ganz falfch, jene griechifchen rohen Darftellungen ‚der Götter mit 
ven Bethelfteinen zu vergleichen. 


210 Bethel Bätylien 


Dieſer ſey bald verſchwunden, er aber jelbit ſey zu der Kugel, vie bereits 
erlofcgen geweien, gelaufen, und habe fie, nie ein Bätylos gewejen, 
genommen und geforſcht, welches Gottes fie jen, und fie babe geiagt, fie 
feg ver Bätolos des Golen (als GEdlen aber verehrten die Helinpoliten im 
dem Heiligtum des Zeus eine Geſtalt des Löwen). Er babe dann ihn 
nach Haufe gebracht, indem er- in derſelben Nacht nicht weniger als zwei⸗ 
hundert und zehn Stadien gemacht babe. Gufebios war jedoch nicht Herr 
der Bewegung des Bätylos, jo wie Andere der Bewegung Anderer, ſondern 
diefer verlangte und begehrte‘ und der hörte auf wie Orakelworte. Mit 
diefen und vielen Verartigen Faſeleien beichreibt der ver Bätylien in Wahr⸗ 
beit Würdige den Stein und jein Ausjehen, venn er fagt, es ſei eine 
genaue Kugel geweien, weiplih von Barbe, eine Spanne im Diameter 
baltend, doch zuweilen warb fie größer oder Fleiner, und ein anbermal 
purpurfarbig.. Auch fagt er uns, es ſey auf dem Steine eine Schrift . 
geichrieben mit Zinnoberfarbe, durch welche er dem Forſchenden dad 
geſuchte Drafel gab und eine leife ziſchende Stimme hören ließ, welde 
Euſebios auslegte. Indem nun dieſer nidhtige Menſch dieſes und taufend 
anderes Sinnlojed über den Bätylos wunderfabelt, fügt er hinzu: ich bielt 
den Bätylos für göttlicher, Iſidoros aber vielmehr für daͤmoniſch, denn ed 
fey irgend ein Dämon, der ibn bewege, weder einer von ben ſchaͤdlichen, 
noch von den ſehr materiellen, jedoch auch nicht vor den in den immate- 
riellen Zufland gelangten, oder den burdjans reinen. Bon nen Batylen 
fey der eine dieſem, ver andere einem andern Gotte gewidmet, dem 
Kronod, dem Zeus, dem Helios, den anvern Göttern. 

In dem Orphiſchen Gedichte über die Steine lefen wir ben von 
Photius aufbewahrten Faſeleien ähnliche, dem kindiſch wunderfüchtigen 
Blauben einer in geifliger Hinfidht heruntergefommenen Zeit ganz ange» 
meßen. Es heißt (DB. 354): Phöbos Apollon gab ihm einen redenden Stein, 
einen wahrhaftigen Eifenftein, welchen e8 ven andern Menfchen gefiel, ven 
bejeelten Bergftein zu benennen, rund, etwas rauh, feſt, von ſchwarzer 
Farbe und dicht. Rings im Kreife herum ziehen ſich an vemfelben überall 
rungelartige Adern vraufgeftreift. Dreimal ſieben Tage vermied Helenod 
das ehelihe Lager und dad gemeinichaftlide Bad, und blieb unbefledt 
von der Speife befeelter Geichöpfe: den mit Geift begabten Stein aber 
wuſch er in immerfließendem Waßer, und hegte ihn, wie ein Kind, in 
weidden Gewanden, und wie einen Gott, ihn mit Opfern fühnend, machte 
er den Stein mit fehr mächtigen Gefängen lebendig. An reinem Orte im 
Haufe Licht auf den Leuchtern anzündenp, pflegte er ihn in feinen Händen, 
den göttlichen Stein erhebend, glei wie eine Mutter ihr unmündiges 
Söhnlein in ven Armen hält. Und du, wenn bu die dämonifche Stimme 
hören willſt, mache e8 fo, damit du das Wunder in veinem Geiſte erfenneft; 
denn wenn bu dich recht gemüht haft, ihn in ven Händen ſchwingend, 
wird er plötlicd die Stimme eines neugebohrnen Kindes erheben, das um 


Bethel. Bätylien. 11 


Rilch auf dem Schooße der Amme ſchreit. Du mußt ihn aber mit Aus⸗ 
dauer ſchwingen, daß du nicht, von Furcht erlahmenn, ihn aus den Haͤnden 
- af den Boden wirfſt und argen Zorn der Unfterblichen erregeft. Brage 
in aber um Weißagung, und er wird bir alles ver Wahrheit gemäß 
fgen. Dann, wann bu ihn Idfeft, bringe ihn deinen Augen nahe und 
ſchaue, denn du wirft erkennen, wie er wunderbar ausathmet und verfühlt. 
So fagte Helenos, Laomedon's Sohn, den Atreiden ven Tag der Einnahme 
Troja's vorher, dem wahrſagenden Steine vertrauend. Dir aber enthülle 
ich noch eine andere Kraft des Eiſenſteins, er fehügt nämlich auf das 
volfommenfte gegen Schlangen. 

Das Bethel over den Bätylos muß man burdhaus von den Meteors 
feinen, Wunverfteinen und denen, die als Gottheiten betrachtet wurden, 
auf das beflimmtefte fcheiden, denn es ift nur eine Stätte des Herrn, wo 
verfelbe fichtbar ericheint oder unſichtbar wohnt, nach ven befchränften 
Begriffen, und wie man, um eine Sache deutlich zu machen, auch Dinge 
von einer gewiflen Aehnlichkeit, wenn auch dieſe nicht nahe zutrifft, ver⸗ 
gleiden mag, fo fann man nicht ganz ungehörig dad Bethel mit einem 
Zempel, felbft mit einem Altar vergleichen, wiewohl der leßtere gerade nicht 
eine Stätte der Gottheit if. Man glaubte jedoch, die Gottheit gebraudhe 
ven Tempel als ihr Haus und fey dem Altar nicht ferne, weßhalb er ja 
auch al8 eine unverlegliche Zufluchtsftätte diente. Cine andere Helligkeit 
hatte auch das Bethel nicht, und falfche Deutung und falſche Benennung 
it e8, wenn ein anderer Stein, ald welcher eine Stätte der Gottheit war, 
Bätylo8 von Späteren benannt ward. 

Auch andere Gevächtnipfteine und ſolche, die zu Zeichen dienten, 
muß man davon unterſcheiden. Wir erfahren zwar nur ſehr wenig von 
ſolchen, daß fle aber mit dem Semitifchen Heidenthum zufammenbiengen 
und leicht eine abgottiſche Verehrung veranlagen konnten, erhellt aus 
ihrem Verbote für die Kinder Sfrael; denn ed heißt im dritten Buche 
Mofe (26. 1): Ihr ſollt keinen Bögen, noch Bild, Feine Säule auf- 
tihten, feinen Malftein feßen, daß ihr davor anbetet. Eben jo wird 
im fünften Buche (16. 21) verboten, eine Säule aufjurichten. Dod 
Samuel ſetzt einen Gevädhtnipftein, wie im erflen Buche Samuel’s 
(7. 11 flg.) erzählt wird: da zogen die Männer Ifrael aus Mizpa, und 
jagten die Philifter, und ſchlugen ſie bis unter Berh Car. Da nahm 
Samuel einen Stein, und ſetzte ihn zwiſchen Mizpa und Sen, und bieß 
ihn Eben Ger (vd. i. Stein ver Hülfe) und ſprach: bis hieher hat und 
der Herr geholfen. 

Als Semitifher (Phönikifcher) Name des Bethels (Bätylod) wirb 
Abadir angegeben. Auguftinus (Brief 44) fagt, zu Carthago gebe es 
Priefter, die Encaddires, und Gütter, die Abbadires hießen. Priscian (1) 
fagt, Abdir iſt eine Art Stein, und (5) Abadir iſt ein Gott, auch heißt 
fo der Stein, den Saturnus flatt des Jupiter verfohlungen haben fol, 


f 


12 Bethel. Bätpylien. 


den die Griechen Bätylos nennen. Wir Fönnen nicht fagen, wann biefer 
Name zuerft gebraucht ward, und ob denn die Phöniker ven Namen Bethel 
nie gebrauchten; daran aber koͤnnen wir zweifeln, daß die Phoͤniker und 
die Carthager, ihre Eolonie, das wahre Bethel je Abadir genannt haben. 

Zu Delphi, wie und Paufantas (10. 24. 5) berichtet, war, wenn 
man von dem Denkmal des Neoptolemos binaufgieng, ein Stein zu fehen, 
der nicht groß war, und welchen man täglich mit Del begoß, und worauf 
man an jevem Feſte unbearbeitete Wolle that; ver Glaube aber war, es 
fey diefed der Stein, meldher dem Kronos flatt feines Sohnes Zeus zu 
verfchlingen gegeben worden war, und ben er wieder erbrach. Da bas 
Delpkifche Orakel eigentlich dem Zeus gehörte, dem Apollon vafelbft als 
Prophet diente, fo wäre es möglih, daß man darum zum Andenken an 
den Stein, welchen Kronos ftatt feiner verfchlungen hatte, dieſen Stein 
zu Delphi nahe bey'm Tempel aufftelte und verehrte, jedoch fo, daß er 
zu einem Bätylos gemacht warb, wie das tägliche Salben mit Del zeigt. 
Do als gewiß laͤßt fich dies nicht betrachten, ‘und es Fünnte wohl feyn, 
dag man, als die Bätyle bekannt wurden, meinte, ein folcher eigne fd, 
in dem Bereiche des wichtigen Delphifchen Tempels aufgeftelt zu werben, 
was nicht befonders frühe geicheben feyn mag, da wir erſt durch Paufaniad 
davon erfahren. Hatte man einen foldden Baͤtylos aufgeftellt, fo lag dem 
Griechen die Deutung, es fey der von Kronos verſchlungene und wieder 
erbrochene Stein, fehr nahe. Der Feſtgebrauch jedoch, rohe Wolle zur 
Hülle des Steins anzuwenden, iſt wenigſtens dieſer Deutung deſſelben 
nicht angepaßt. Denn Rhea hatte, wie der Mythus ſagt, den Stein, 
welchen ſie ſtatt des Zeus ihrem kinderverſchlingenden Gatten reichte, in 
ein Ziegenfell gewickelt, und dieſes hatte der Mythus gewählt, weil bie 
Ziege ald ein Namenfumbol des in Zeus’ Gewalt ſtehenden Wetterflurms 
angenommen war und baher mehrfach bey ihm in Anwendung Fam. Hätte 
man daher dieſen Stein wirklich ald den, in jenem Mythus vorfommenpen 
am Feſte darſtellen wollen, fo würde dieſes am beften, follte man meinen, 
durch die Umwickelung mit einem Siegenfelle geſchehen feyn, während bie 
Umwindung mit Wolle bey den Griechen nur eine allgemeine Heiligung 
feyn Eonnte, wie der vielfache Gebrauch wollener Binden zeigt. Bey ben 
Semiten wird ver Bethelſtein nie ald mit Wolle umwunden Trwähnt, und 
es if} daher bey dem in Delphi diefer Brauch als ein durch die Griechen 
nah ihren Begriffen binzugefügter zu betrachten. Ja bey den Semiten 
würde eine folhe Anwendung der Wolle vielleicht felbft ald eine Enthei- 
ligung gegolten haben, da mir wenigftend bey ven Ifraeliten vie Wolle 
in fo weit unrein finden, daß die Priefler durchaus ein Linnenzeug zunächft 
am Leibe haben mußten, und bey den Aegyptern war ebenfalld diejer 
thieriſche Stoff als ein unreiner unzuläßig, wenigftens für die Kleidung, 
welche den Leib zunächft bedeckte. 








13 


Kefte, 


Weber allgemeine Befte ver Götter bei den Semiten erfahren wir nur 
Einige durch das alte Teflament, wo von den drei Feſten der Sfraeliten 
gemeldet wird, die von ber Art find, daß wir ähnliche bei den andern 
Semitiſchen Stämmen nicht ohne einige Wahrfcheinlichfeit vermuthen dürfen. 
Die Iiraeliten mußten jeden Tag Gott verehrten und zwar mit einem Opfer. 
Im vierten Buche Mofe (28) Heißt es: der Herr rebete mit Mofe — 
fprih zu ihnen: Das find die Opfer, die ihr dem Herrn opfern follt, 
jährige Lämmer, die ohne Wandel find täglich zwei zum täglichen Brands 
opfer, ein Lamm des Morgens, das andere zwifchen Abends; dazu einen 
zehnten Epha Semmelmehl zum Speisopfer, mit Del gemenget, das 
geflogen ift, eines vierten Tiheild vom Hin. Dazu fein Trankopfer, je 
zu einem Lamm ein Viertheil vom Hin. Im Heiligthum fol man den 
Dein des Trankopfers opfern dem Herrn. Alſo ward für jeve Nacht und 
für jeven Tag geopfert, und die andern Opfer wurben über diefes hinaus 
weiter geopfert. Am firengften aber feierte der Ifraelite wöchentlich ven 
Sabbath, und diefen ebenfalls bei den übrigen Semiten zu vermutben, 
find wir nicht berechtigt. Diefer Sabbath Eehrte alle fieben Tage wieder, 
und diefe Zahl war auch bei andern Völkern außer den Jfraeliten eine 
heilige oder feierliche. Da der Mond alle fleben Tage verändert erfcheint, 
fo beruht die Heiligkeit dieſer Zahl auf dieſem Verhältniß; denn ber 
Mond ift das Maaß der Zeit, und die Ordnung der Zeit, mit der alles 
Werden und Vergehen, welches darnach gemeßen wird, zufammenhängt, 
war bey mehreren alten Völkern als göttliche Orpnung der Welt Gegen- 
fand der Feier. Die Iiraeliten Enüpften bie Setligung des ftebenten Tages 
hiſtoriſch an die Erfchaffung der Welt, indem ſie dieſen Tag zu einem 
Ruhetage und zur Gottesverehrung beflimmten, weil Gott vie Welt in 
ſechs Tagen ſchuf und am flebenten ruhte. Sechs Tage, heißt es im 
zweiten Buche Mofe (35) folt ihr arbeiten; den flebenten Tag aber ſollt 
ihr Heilig Halten, einen Sabbath der Ruhe des Herrn. Wer barinnen 
arbeitet, ver fol flerben. Ihr ſollt kein Feuer anzünden am Sabbathtage 
in allen euren Wohnungen. *) Wir begegnen daher dieſer Zahl wegen 





*) Die Auslegung, welche die Schriftgelehrten von biefer Stelle gemacht haben, 
und wie fle überhaupt das Gebot der Sabbathefeier erflärt haben, iſt 
fehr fpipfindig. Wenn das Gebot Tautet: ihr follt am Sabbath Fein 
Teuer anzünden in allen euren Wohnungen, fo tft daſſelbe feinem Wort: 
laute nach klar und leicht zu verſtehen. Diefes iſt nun ausgelegt worben, 
daß der Jude am Sabbath Fein Feuer anrühren dürfe, daß er aber buch 


14 Vefte. 


ihrer Heiligung öfterd; denn fo wird Noah von Gott befohlen (Mofe I. 7) 
von dem reinen Vieh je fleben und fleben, ein Männlein und fein Fraͤulein, 


Nichtjuden Feuer in feiner Wohnung dürfe beforgen laßen. Aber dieſe 
willführliche Spitzfindigkeit treibt durch ihre kecke Verwechſelung, wodurch 
ſie ein nicht Gebotenes an die Stelle des Gebotenen ſchiebt, geradezu mit 
der heiligen Satzung einen komiſchen Spott. Feuer in den Wohnungen 
zu haben iſt rund heraus verboten und nicht erlaubt für den Fall, daß 
ein Jude es durch einen Nichtjuden anzünden und unterhalten Iäßt. 
Dagegen ift das Anzünden und Unterhalten des Feuers am Subbath 
außer der Wohnung in dem heiligen Gefeb durchaus nicht verboten, und 
ber Priefter beforgte die immer brennende Lampe am Abend und Morgen 
des Sabbaths fu gut, wie an jedem andern Tage. Am Sabbath wurde 
das tägliche Opfer Abends und Morgens und dazu das Sabbathsopfer 
geihlachtet, dad dem Herrn davon als Brandopfer zufommende verbrannt 
und das übrige Fleifch zubereitet, was mit Feuer gefchah, gegeßen. Das 
Gebot: ihr ſollt am Sabbath Fein Feuer in allen euren Wohnungen haben, 
hätte, wenn man den Sinn in’s Auge faßt und den Zwed, der damit 
erreicht werben follte, betrachtet, eben fo gut lauten Fönnen: ihr follt 
am Sabbath Verfammlung Halten und vor dem Herrn, eurem Gott, eßen 
und fröhlich feyn über allem, das ihr und euer Haus bringt. Dieß wird im 
Allgemeinen, ohne daß der Sabbath genannt ift, befohlen im fünften Buche 
Mofe (12. 3.7), und Hinzugefügt (DB. 11): Wenn der Herr einen Ort 
erwählet, follt ihr dafelbft Hinbringen eure Opfer und Zehnten, und follt 
fröhlich feyn vor dem Herrn, ihr und eure Söhne und Töchter, Knechte 
und Mägde, und die Leviten, die in euren Thoren find. Hüte dich, daß 
du nicht deine Brandopfer opferft an allen Orten, bie du fieheft, fondern 
an dem Ort, den der Herr erwählet im irgend einem beiner Stämme. 
Doch magft.du fchlachten und Fleifch eßen in allen deinen Thoren, aber 
nichts, was ein Opfer des Heren if. (Auch wer weitab wohnte, mußte, 
was er geheiligt oder gelobt Hatte, zur Wohnung des Herren bringen.) 
Am Sabbath aber mußte Berfammlung feyn, und es follte jever vor dem 
Herrn eßen, da jeder zu opfern Hatte, und von dem Opfer aß, was nicht 
Gottes oder der Priefter Antheil war. Der Zwed mochte vorzüglich ber 
feyn, daß dem Haug zur Abgötterei gefleuert werbe, welchem die Erlaubniß, 
überall zu opfern, wo der Einzelne gewollt hätte, Vorſchub geleiftet Haben 
würde. So bezeichnet Jeſaia heinnifche Opfer mit den Worten (65. V. 3): 
ihr opfert in den Gärten und räuchert auf den Biegelfleinen. Da das 
Feueranzünden und die Unterhaltung des Feuers am Sabbath außer dem 
Haufe nirgends verboten war, beides aber unläugbar ſtattfand, fo ergiebt 
ſich daraus, wie verkehrt die Schriftgelehrten jene Stelle des Heiligen 
GBefebes ausgelegt haben. Daß die Juden beym Zuge durch die JBüfle 
am Sabbath insgemein Feuer handhabten und die Speifebereitung vor⸗ 
nahmen, ergiebt ih aus der Erzählung im zweiten Buche Mofe (16): 
die Kinder Ifrael follten das Engelbrod (wie es Pfalm 78. B. 25 genannt 
wird), das Man, welches fie fammelten, täglich aufeßen, und als einige 
etwas für den andern Tag übrig ließen, wuchlen Würmer darin. Am 


Feſte. 15 


in die Arche zu nehmen, und von ven Vögeln je ſieben und ſieben. Dann 
heißt e8 von der kommenden Sündflut: nad) ſieben Tagen wird e8 regnen. 
Als Noah eine Taube aus der Arche gefchickt hatte, um zu erfahren, wie 
es mit ber Flut ſtehe, und dieſe wieder Fam, ſchickte er nach fieben Tagen 
wieder eine Taube hinaus (8), die ein Delblatt brachte, dann nach aber- 
mals fieben Tagen eine, welche nicht wieder Fam. In den Mofatfchen 
Sagungen lefen wir (Il. 21): So du einen Ebräifchen Knecht Faufft, der 
fol dir ſechs Jahre dienen; im ftebenten Jahre fol er frei ledig ausgeben. 
Hier fehen wir denn beutlih auf bie Arbeitswoche und ven Sabbath 
Rüdfiht genommen. Ein Sabbathfahr tritt audy fehr beſtimmt hervor in 
ver Satung (II. 23): Sechs Jahre ſollſt du dad Land befäen, und feine 
Früchte einfammeln. Im flebenten Jahre ſollſt du es ruhen und Tiegen 
lagen, daß die Armen unter deinem Volke davon eßen, und mas übers 
bleibet, laß das Wild auf dem Felde eßen. Alfo ſollſt vu auch thun mit 
einem Weinberge und Delberge. Weiterhin (IM. 25.) beißt es: Im 
fiebenten Jahre foll das Land feine große Beier dem 
Herrn feiern, darinnen du dein Feld nicht befäen, noch deinen Wein- 
ſtock beſchneiden ſollft. Was aber von ihm felber nach deiner Erndte waͤchſt, 
fon du nicht erndten, und die Trauben, fo ohne deine Arbeit wachen, 
ſollſt du nicht leſen; dieweil ed ein Feierjahr iſt des Landes. 
Sondern die Feier des Landes ſollt ihr darum halten, daß du davon eßeſt, 


fechsten Tage aber mußten fie das Doppelte ſammeln, um am Sabbath 
zu feiern, und dieß blieb gut. Diefes Man aber warb gebaden over gekocht, 
und Mofe fagte am fechsten Tage: was ihr baden wollt, das badet, und 
was ihr Fochen wollt, das kochet; was aber übrig ift, das laßet bleiben, 
daß es behalten werde bis morgen. Am andern Tage war das Hebrig- 
gelaßene noch gut, und Mofe ſprach: eBet das heute. Da nun am Tage 
vor dem Sabbath nur der Theil, der an demfelben gegeßen werben follte, 
zubereitet warb, der andere aber unbereitet aufbewahrt blieb, Feineswegs 
aber geboten ward, ihn ungefocht und ungebaden zu eßen, fo ift Fein 
Zweifel, daß die Leute im Lager ihr Eßen am Sabbath mit Feuer bereiteten. 
Am Sabbath war zwar Dienflarbeit unterfagt, man fieht aber daraus, 
daß die Zubereitung bes täglichen Eßen's nicht als Dienftarbeit bezeichnet 
war, fo wenig als vie Zubereitung des Opferfleifches zum Ehen am 
Sabbath. Auch das Reifen am Sabbath war nicht unbedingt verboten; 
denn als ein Weib, deßen Kind geftorben war, zu dem Propheten Gliſa, 
um Hülfe zu fuchen, gehen wollte, fprach ihr Mann zu ihr: Warum 
wit du zu ihm? Iſt doch heute nicht Neumond noch Sabbath. (So 
erzählt das zweite Buch der Könige Kay. &). Diefe Rede hätte nicht 
Rattfinden Tönnen, wenn nicht an Neumonden oder Sabbathen die Reife 
zu einem Propheten oder Manne Gottes Hätte ſtattfinden Tonnen, ober 
zuweilen Statt gefunden hätte, wahrfcheinlich um den heiligen Tag bey ihm 
zu feiern in größerer Heiligung. 


16 Feſte. 


dein Knecht, deine Magd, dein Taglöhner, dein Hausgenoß, dein Fremd⸗ 
ling bey dir, dein Vieh, und die Thiere in deinem Lande; alle Früchte 
ſollen Speiſe ſeyn. Und du ſollſt zählen ſolcher Feierjahre ſteben, daß 
ſieben Jahre fiebenmal gezählet werben, und die Zeit ver fieben Feierjahre 
machen neun und vierzig Jahre. Da ſollſt du die Pofaune lagen blafen 
durch alles euer Land am zehnten Tage des flebenten Monats, eben am 
Tage der Verfühnung. Und ihr follt das fünfzigfte Jahr Heiligen, und follt 
es ein Erlapjahr heißen im Lande, allen, die darinnen wohnen; denn es 
ift euer Haljahr, da fol ein jeglicher bey euch wieder zu feiner Habe 
und zu feinem Geflecht fommen. Denn das fünfzigfte Jahr iſt euer 
Halljahr; ihr ſollt nit faen, auch was von ihm felber wächſt, nicht : 
erndten, auch was ohne Arbeit wählt im Weinberge, nicht lefen. Denn 
das Halljahr fol euch Heilig feyn. (Dieſes Haljahr alſo feierte ven 
abgelaufenen Kreis der fiebenmal fleben Jahre, gleichſam als eine Woche 
von fiebenjährigen Zeitkreifen.) Jakob diente dem Laban um feine Tochter 
Nahel fieben Jahre (I. 29), und da ihm diefer die Lea heimlich übergiebt, 
fo dient er nochmals ſieben Jahre, um Rahel zu erhalten. Als fpäterhin 
Jakob von Laban entweicht, jagt ihm verfelbe fieben Tagereifen nach (31), 
und als Jakob feinem älteren Bruder Efau naht (33), neigt er fich fleben- 
mal vor vdemfelben zur Erde. Auch in Pharao’d Traum (41) berricht 
diefe Zahl, denn er träumt von fleben fetten und ſieben mageren Kühen. 
Um Jakob dauert die Todtenklage an der Tenne Atad fieben Tage (59). 
Als Mofe das Waßer des Nil in Blut verwandelt (I. 7), währte es 
fieben Tage lang, daß der Herr den Strom ſchlug, wie der Ausdruck 
lautet. Am Paffabfeft müßen die Ifraeliten fleben Tage lang ungefäuertes 
Brod epen (I. 15). Von den heiligen Kleivern Aaron's heißt es (II. 29): 
Melcher unter feinen Söhnen an feiner Statt Priefler wird, der fol fie 
fieben Tage anziehen, daß er gehe in die Hütte des Stifts, zu dienen im 
Heiligen. Eben fo heißt es daſelbſt von Aaron's und feiner Söhne Ein- 
feßung in das Prieftertfum, daß Gott Mofe befahl: Steben Tage foüft 
du ihre Hände füllen. Sieben Tage folft du den Altar verfühnen und 
ihn weihen. Der Leuchter ver Stiftshütte hatte fleben Lampen (II. 25). 
Die Wöchnerin, welche einen Knaben gebohren, ift fieben Tage lang 
unrein (III. 12). Iſt einer des Ausſatzes verpädtig, Heißt ed (MI. 13): 
fo fol ihn der Priefter verfchließen fleben Tage, und findet er ihn dann 
noch nicht geeignet, um für rein erflärt zu werben, fo verfchließt er ihn 
abermals fleben Tage, worauf er entweber für rein, oder unrein erklärt 
wird. If aber einer vom Ausſatz gereinigt, fo fo er dennoch fieben 
Tage außer feiner Hütte im Lager bleiben, und am flebenten eine Reini⸗ 
gung vornehmen durch Ubfcheeren ver Haare, Kleiverwaichen und Baden. 
Eben fo mußte, wer an einem Fluß litt, fleben Tage nachher, als er 
davon frei geworven., feine Kleider waſchen und ſich baden (II. 15), und 


Feſte. 17 


ebendaſelbſt heißt es, daß ein Weib während der Menſtruation ſieben Tage 
für unrein galt. Wer einen Todten anrührt, iſt ſieben Tage lang unrein, 
und muß fih am dritten und fliebenten Tage mit Sprengwaßer reinigen. 
Eben fo viele Zeit iſt unrein, wer einen Tobten mit feinem Schmwerbte 
anrührte, oder ein Menichengebein oder ein Grab (IV. 19). Das Laub⸗ 
bhüttenfeft im flebenten Monat dauert fleben Tage (23). Am Sabbath 
aber, beißt e8 (IV. 28), mußten zweijährige Lämmer mit ihrem Speis⸗ 
und Tranfopfer, über das täglihe Brandopfer geopfert werben. 

Diefe weitgehende SHeiligung ber Zahl fieben liegt audy größeren 
Zahlen zu Grunde. Denn da die Zahl zehn eine beſondere Geltung hatte, 
wie es ſich ſchon Hinlänglid aus der Anordnung ergiebt, daß der foge- 
nannte Zehnte in der Mofaifchen Satzung befohlen war, daß für das 
Pafjahfeft dad Lamm am zehnten des Monatd ausgewählt ward, fo war 
biefe Zahl flebenmal genommen ebenfalls eine feierliche. Die Trauer und 
das Weinen um Jakob dauert flebenzig Tage (I. 50). Als Mofe dem 
Herrn Plagte, daß er allein vie Lenfung des Volks zu ſchwer finde 
(IV. 11), gebietet ihm ver Herr, flebenzig der WUelteften unter ven Amts 
ieuten zu wählen, auf bie er dann vor der Stiftöhütte von dem @eifle 
Moſe's Iegt, daß fie mweißagen und Mofe die Laſt des Volkes tragen helfen. 
Außer der Heiligung der Mondveränderungen von je fleben Tagen, war 
ber Neumond geheiligt und wurde gefeiert. Im vierten Buche Moſe (28)... 
heißt es: des erflen Tages euerer Monate folt ihr vem Herrn ein Brand⸗ 
opfer opfern, zween junge Barren, einen Widder, fleben jährige Lämmer 
ohne Wandel. Und je drei Zehnten Semmelmehl zum Speidopfer mit Del 
gemenget, zu einem Barren, und zwo Zehnten zu einem Widder, und einen 
Zehnten zu einem Lamm, und ihr Trankopfer fol fenn ein halb Hin 
Dein. zum Barren, ein Drittheil zu einem Widder, ein Viertheil zu einem 
Lamm. Dazu fol man einen Biegenbod zum Sünbopfer dem Herrn 
machen. Und fo leſen wir (Samuel I. 20) von David, daß er zu 
Jonathan, dem Sohn des Königs Saul fagt: Siehe, morgen iſt ber 
Neumond, da ich mit dem König zu Tifch figen follte; fo laß mich, daß 
ich mich auf dem Felde verberge bis an ven Abend des dritten Tages. 
Am erſten Tage ſprach Saul nichts, als man David bey dem Epek 
vermißte, doch des andern Tages des Neumonden, als derſelbe 
wiederum nicht bey Tiſch erſchien, fragte er nach ihm. Im zweiten Buche 
der Chronik (8) heißt es von Salomo: Von dem an opferte Salomo dem 
Herrn Brandopfer auf dem Altare des Herrn, den er gebauet hatte vor 
der Halle; ein jegliches auf ſeinen Tag zu opfern, nach dem Gebot Moſe, 
auf die Sabbathe, Neumonden und beſtimmte Zeiten des Jahres drei⸗ 
mal. Jeſaia (1) ſagt, der Herr ſpricht: Der Neumonden und Sabbathe, 
da ihr zuſammenkommt, und Mühe und Angſt habt, derer mag ich nicht. 


Meine Seele ift feind euren Neumonden und Sahreszeiten. Czechiel (46) 
IV. 2 


18 Feſte. 


meldet uns: das Brandopfer, ſo der Fuͤrſt vor dem Herrn opfern ſoll am 
Sabbathtage, fol ſeyn ſechs Laͤmmer, die ohne Wandel feyen, und ein 
Widder ohne Wandel. Am Neumonden aber fol er einen jungen 
Farren opfern, der ohne Wandel jey, und ſechs Lämmer und einen Widder, 
auh ohne Wandel. (So feben wir das Opfer der Neumondfeier etwas 
größer als das des Sabbath8.) Hoſea (5. 7) fagt, Ifrael Strafe weißagend: ' 
Sie verachten den Herrn und zeugen fremde Kinder. Darum wird fie 
auch der Neumond freßen mit ihrem Erbthell. 

Betradhten wir bie drei Feſte, von denen ed (Mofe 1. 23) Heißt: 
Dreimal im Jahre follen erfcheinen vor dem Herrn, dem Herrſcher, alle 
deine Mannsbilder; (V. 16) heißt ed: Dreimal des Jahres fol alles, mas 
männlich ift unter dir, vor dem Herrn, deinem Gott, erfcheinen, an ber 
Stätte, die der Herr erwählen wird: Auf's Feſt der ungefäuerten Brode, 
auf's Feſt der Wochen, und auf's Feſt ver Laubhuͤtten. Es fol aber nicht 
leer vor dem Herrn erfcheinen, ein jeglicher nach der Babe feiner Hand, 
nah dem Segen, den der Kerr, dein Gott, gegeben bat. Daß erfte 
biefer Feſte war das Paffahfeft, d. i. Veft des Ausgangs, und ward im 
Frühjahr In dem erftlen Monate des Jahres, dem Abib, d. i. Monat des 
Grünens oder der Gerftenähren, gefeiert. Der wahre Sinn dieſes Feſtes 
war der Uebergang in dad neue Jahr, und man wählte nicht ven Neu- 
mond dazu, fondern ven Vollmond zur Beier, ald ob viejes zum Zeitmaaß 
dienende Geftirn zu feiner volfommenen Erſcheinung gelangt feyn müße, 
um da8 dur den Mond beftimmte neue Jahr in Wahrheit feiern zu 
fünnen. *) Ein Lamm warb gegeßen, deßen Blut dienen follte, vie 
Menſchen zu fühnen und vor dem Zorne Gotted zu bewahren, und bie 
Iſraeliten genoßen ungefäuertes Brod als eine heilige Speife; denn Gott 
gebietet (11. 23): Du folft das Blut meines Opfers nicht neben dem 
Sauerteig opfern, oder (wie e8 34 heißt) auf dem gefäuerten Brod. Die 
Siraeliten feierten aber mit diefem Feſt ihren Auszug aus Xegypten, und 
‚10 galt ihnen das Ausgangsfeſt aus dem alten in das neue Jahr als Erinne- 
rungsfeft einer gefchichtlichen Begebenheit, und ihr mit dem Fruühling 
beginnenved Jahr, womit e8 auch bei andern Völfern begann, fieng ihnen 
mit dem Abib an, dem Monat des Grünens, eben megen jener gefchicht- 
lihen Begebenheit. Wir Iefen (Mofe I. 12): Der Herr ſprach zu Mofe 
und Aaron: Diefer Monat fol bey euch der erfte feyn, und von ihm 
font ihr die Monate des Jahre anheben. Am zehnten Tage biefes Monats 
nehme ein jeglicher ein Lamm, mo ein Hausvater ift, je ein Lamm zu 





*) 68 war alfo flatt eines Neumonpfefles ein Vollmondfeſt. So gab es in 

Rom eine Bollmondfeier das ganze Jahr hindurch, nämlich an den Idus, 

der Monathälfte, wo dem Supiter, dem Stumelstönig, bem Gotte bes 
Lichts, das Idusſchaaf geopfert ward. 





Feſte. 19 


einem Hauſe. Wo ihrer aber in einem Hauſe zum Lamm zu wenig ſind; 
fo nehme er es und fein nächſter Nachbar an feinem Haufe, bis ihrer fo 
viel wird, daß fie dad Lamm aufegen mögen. Ihr ſollt aber ein foldhes 
Lamm nehmen, daran fein Fehler if, ein Männlein, und eines Jahres 
alt; von den Lämmern und Ziegen folt ihr es nehmen. Und follt es 
behalten bis auf den vierzehnten Tag des Monats. Und ein jegliches 
Häuflein im ganzen Iſrael fol es ſchlachten zwifchen Abends. Und follt 
feines Blutö nehmen, und beide Pfoften an ver Thür, und 
bie oberfie Schwelle damit Heftreihen, an den Häufern, 
barinnen fie es eßen. Und ſollt alfo Fleiſch eßen in verfelben Nacht, 
am euer gebraten, und ungefäuertes Brod, und follt es mit bitteren 
Saljen (Kräutern) een. Ihr follt es nicht roh eßen, noch mit Waßer 
gefotten, fondern am Beuer gebraten, fein Haupt mit feinen 
Shenteln und Eingeweide. Und follt nichts davon überlaßen bis 
morgen; wo aber etwas überbleiber bis morgen, folt ihr's mit Weuer 
verbrennen. Um eure Lenden follt ihr gegürtet feyn, und eure Schube 
an eueren Füßen haben, und Stäbe in eueren Händen; und ſollt ed eßen, 
ald die Hinmegeilen, denn es iſt des Herrn Pafjah. Denn ih will in 
berfelben Nacht durch Aegyptenland gehen, und alle Erfigeburt fchlagen, 
beydes unter Menfchen und Vieh. Und das Blut fol euer Zeichen feyn 
an den Häufern, darinnen ihr ſeyd, daß, wenn ich dad Blut fehe, ich 
vor euch übergehe. Und follt dieſen Tag haben zum Gedächtniß, und ſollt 
ihn feiern dem Herrn zum Feſt, ihr und alle eure Nachkommen, zur 
ewigen Weife. Sieben Tage folt ihr ungefänerted Brod een. Der erfle 
Tad fol heilig feyn, daß ihr zufammen fommet, und ver fiebente fol auch 
heilig feyn, daß ihr zufammen kommet. Keine Arbeit ſollt ihr barinnen 
tun, ohne was zur Speife gehdret für allerlei Seelen, daſſelbe allein 

möget ihr für euch thun. 
Das Gebot des Herren lautete alſo dahin, daß das Paſſah mit 
ungefänertem Brode gefelert werde; die weitere Erzählung aber ſucht 
die Entftehung des Gebrauchs in dem gefchichtlichen Verlauf und macht 
in zu einer Grinnerung daran. Es heißt nämlich (I. 12. 37): Alfo 
jogen aus die Kinder Ifrael, und fie bufen aus dem rohen Teige, ven 
fe aus Aegypten brachten, ungefäuerte Kuchen; denn es war nicht gefäuert, 
weil fie aus Egypten gefloßen wurden, und Eonnten nicht verziehen, und 
hatten ihnen fonft keine Zehrung zubereitet. Das Wichtigfte des Paſſah⸗ 
fefle8 war das Blut des Opfers, weldyes die Menfchen, vie in das neue 
Jahr eingetreten waren, fchügen follte; welches Gott ald eine Sühne 
annehmen follte, damit e8 die Stelle des menfchlichen Lebens vertrete. 
Mithin war ed ein hoͤchſt wichtiges Feſt, und dieſe Stellvertretung des 
Menjchenlebens durch DOpferblut, um vom Love errettet zu werben, als 
Hauptinhalt des Pafjahfeftes, if ver Grund, warum Chrifti flellvertretender, 

2* 


20 Feſte. 


ſuͤhnender Opfertod damit zufammenhängt. Un dem Tage, mo das Pafjah- 
lamm gegeben warb, feste Chriſtus feinen Leib und fein Blut als fühnenpe 
Stellvertretung für das Menichenleben ein, und da durch die Sünde ber 
Tod in die Welt gefommen war, und Chriftus aller Welt Schuld fühnte 
und hinunterfuhr in das Reich des Todes und ihn beftegte, fo war fortan 
fein ftelivertretendes Opfer mehr nöthig, und in dem heiligen Abendmahl, 
welches das wahre Sühnungsfarrament der riftlidden Kirche iſt, genießt 
der Ehrift unter der Geſtalt des Brodes den todten blutleeren Leib Chriſti 
ftatt des todten blutleeren Leibes des Lammes, deßen Genuß ber alte 
Bund vorſchrieb, und unter der Geſtalt des Weines das ſühnende Blut 
Chriſti, durch deßen Vergießung die Sühne bewirkt war, ſtatt des Schutzes, 
weldhen das Paſſahlamm den Befennern des alten Bundes gewährte. *) . 

Bon dem Paſſahlamm durfte fein Fremder eßen (II. 12), wohl aber 
ein fremder Knecht, falls er befchnitten war. Doch weiterhin (IV. 9) heißt 
e8: Und wenn ein Srembling bey euch wohnet, der fol auch dem Herrn 
Paſſah halten, und ſoll's halten nad der Sapung und Recht des Paffab. 
Diefe Sagung fol euch gleidy feyn, den Fremden, wie des Landes Ein- 
heimischen. Bey der großen Heiligkeit dieſes allgemeinen Feſtes war auch 
vorgefehen, wie ed im Balle der Verhinderung des Einzelnen gehalten 
werden koͤnne; denn fo lefen wir (Mofe IV. 9): Wenn Jemand unrein 
über einem Todten, oder ferne über Feld ift, over unter Freunden, ber 
fol dennoch dem Herrn Paflah Halten; aber doch im andern Monat am 
vierzehnten Tage zwifchen Abende. Wer aber rein und nicht über Feld 


m — — — — 


*) Wäre für den wahrhaft gläubigen Katholiken die Unfehlbarkeit des Pabſtes 
und der Kirche nicht ein eben fo wunderbares Myfterium, als der ftell: 
vertretende Tod Chrifli, fo würde er nicht wohl im Stande feyn, zu 
glauben, daß er, ohne das Blut Chrifli unter der Geſtalt des Weines zu 
genießen, des Sacraments vollfländig theilhaft werde. Denn ohne jene 
Unfehlbarfeit der Kirche würde ihm als Erflärungsgrund nur bie platte 
ſcholaſtiſche Suphifterei bleiben, da der Leib aus Fleiſch und Blut beftehe, 
fo genieße, wer den Leib erhalte, das Blut mit demfelben. So wenig 
folch fcholaftifcher Wib an einem wunderbaren Myfterium geübt werben 
darf, fo wenig wäre er auch in diefem Falle anwendbar, weil der Leib 
Chrifti an die Stelle des Lammes im alten Bund getreten iſt, weßhalb 
Chriſtus auch das Lamm Heißt, das der Welt Sünden trägt. Der Leib 
des Lammes aber war des Blutes ganz baar beym heiligen Paſſahmahl, 
und das Blut diente abgefondert von ihm zur Sühne. Eben fo wenig 
genießt der Chriſt im Heiligen Sacrament den lebendigen Leib Chriſti, 
fondern den todten, deßen Blut vergoßen iſt; denn daß Chrifli Leib tobt 
und fein Blut vergoßen war, hat die Welt vom Tod erlöft. Doch da bie 
fatholifche Kirche unter der Infpiration des heiligen Geiftes fteht, fo hat 
fie in ihrer Einrichtung nicht fehlen können, und ba der Priefter das 
Blut ChHriftt genießt und zufolge feiner Heiligen Weihe vollgültig von 
Sünden freifpricht, fo ift dem Katholifen hinlänglich genügt. 


Feſte. 21 


iR, und laͤßt anſtehen, das Paſſah zu halten, deß Seele ſoll ausgerottet 
werden von ſeinem Volk; darum, daß er ſeine Gabe dem Herrn nicht 
gebracht bat zu feiner Zeit. Er ſoll feine Sünde tragen. Uebrigens iſt 
noch zu bemerken, daß wenn auch nur ber erfte und flebente Tag ein 
Sabbath war, wo die Ifraeliten zufamnen kommen mußten, doch bie 
fieben Tage hindurch dem Herrn geopfert werden mußte (III. 23), und 
zwar, wie wir (IV. 28) lefen, am erften Tag zween junge Barren, ein 
Widder, fieben jährige Kammer, mit ihren Speisopfern von brei Zehnten 
Semmelmehl mit Del gemenget zu einem Barren, von zwei Zehnten für 
ven Widder, und von einem für je ein Lamm, nebft einem Bod als 
Sänvopfer, und zwar am Morgen über das tägliche Branbopfer. Nach 
biefer Weile, wird weiter erzählt, folt ihr alle Tage, die fleben Tage 
lang, das Brod opfern, zum Opfer des fügen Geruchs dem Herrn, über 
bad tägliche Brandopfer, dazu fein Trankopfer. Eben fo heißt es vorher: 
Der Herr redete mit Mofe: — Die Dpfer meines Brobes, welches mein 
Dpfer des fügen Geruchs ift, ſollt ihr halten zu feinen Zeiten, daß ihr 
mir's opfert. Diefes Opfer des Brodes iſt aber das Paſſah⸗Brandopfer. 
Da im Monat Abib die Gerftenerndte war (Abib ſoll felbft auch bie 
reifende Aehre bezeichnen), fo wäre es möglich, daß fi} auch eine Idee 
von Erndtefeſt mit dem Pafſah verfnüpft hätte, wiewohl jede nähere 
Andeutung davon fehlt. 

Die beiden andern Befte waren Danffefte für die Erndtegaben, von 
denen e8 heißt (Mofe I. 34): Das Feſt ver Wochen ſollſt du Halten mit 
den Erftlingen ver Weizenerndte; und das Feſt der Einfammlung, wenn 
das Jahr um if. Vorher (II. 23) wird das Feſt der Wochen dad Feſt 
der erſten Erndte der Früchte genannt, die auf dem Felde gefäet find, und 
ebenvafelöft wird befohlen: Das Erflling von der erften Frucht auf beinem 
Felde folft din bringen in das Haus des Herrn deines Gottes. An biefe 
Sruchterfllinge Enüpft ſich das Feſt ver Wochen, welches Dank» und Sühn«- 
fet zugleich war, und davon ven Namen hat, daß es fieben Wochen nach 
der Darbringung diejer Erfllinge gefeiert ward. Die Gebräude waren 
folgende (MI. 23), von Gott eingefegt mit ven Worten: Wenn ihr in's 
Rand Fommt, das ich euch geben werde, und werbet es erndten, fo folt 
ifr eine Garbe ver Eıfllinge eurer Erndte zu dem Priefter bringen. Da 
fol die Garbe gewebet werden (meihend bewegt werben) vor dem Herrn, 
daß es für euch angenehm fey; folches fol aber ver Priefter thun des 
andern Tages nach dem Sabbath, nämlich des Pafjahfeftes. Und ſollt des 
Tages, da eure Barbe gewebet wird, ein Brandopfer dem Kern thun von 
einem Lamm, dad ohne Wandel und jährig fey, fammt dem Speisopfer, 
imo Sehnten Semmelmehl mit Del gemenget, zum Opfer dem Herrn 
eines füßen Geruchs; dazu das Tranfopfer ein Viertheil Hin Wein. Und 
follt Fein neues Brod, noch Sangen, noch Korn zuvor eßen, bi8 auf den 
Tag, da ihr eurem Gott Opfer bringe. Das ſoll ein Recht ſeyn euern 


22 Hefte. 


Nachkommen in allen euern Wohnungen. Darnach ſollt ihr zählen vom 
andern Tage des Sabbaths, da ihr die Webegarbe brachtet, fieben 
ganzer Sabbathe, bis an den andern Tag des flebenten Sabbathe, nämlich 
fünfzig Tage ſollt ihr zählen, und neues Speidopfer dem Herrn opfern. 
Und folt es aus allen euern Wohnungen opfern, nämlich zwei Webe- 
brode von zwo Zehnten Semmelmehl, gefäuert und gebaden zu Erfllingen 
dem Herrn. Und folt herzubringen, neben eueım Brod, fieben jährige 
Lämmer ohne Wandel, und einen jungen Barren und zween Widder. 
Das fol des Herrn Brandopfer, Speidopfer und Xranfopfer feyn (das 
Tranfopfer ift übergangen): das iſt ein Opfer eines füßen Geruchs dem 
Herrn. Dazu ſollt ihr machen einen Ziegenbod zum Sünbopfer, und 
zwei jährige Lämmer zum Danfopfer. Und der Prieſter foll es weben 
fammt dem Brod der Erfilinge vor dem Herrn, und ben zweien Lämmern, 
und fol dem Herrn heilig und des Priefters feyn. Und follt dieſen Tag 
ausrufen, denn er fol unter euch heilig feyn, da Ihr zufammen Eommet, 
feine Dienftarbeit follet ihr thun. Da die Erndte des Getraided in den 
erften Monat, ven Abib, flel, ver obngefähr unferm April entjpricht, fo 
warb von dem Pafſſahſabbath an gerechnet, und es follten fieben Sabbathe 
herum feyn, wegen der Heiligkeit ver Zahl fieben, fo daß der fünfzigfte 
Tag das Feſt ver Wochen war. Es entſprach aljo ver Zeit nach dem 
chriſtlichen Feſt der Pfingften, das aber außer ver Zeit nichts mit dem 
Beft des alten Bundes gemein, hat. 

Im Herbſte fand das dritte allgemeine Feſt flatt als Beier der Ein⸗ 
fammlung, wann die Erndte ganz vollendet war, und es hieß das Laub⸗ 
hüttenfeſt. Wir leſen (Mofe III. 23): Am fünfzehnten Tage des flebenten 
Monats ift das Feſt der Laubhütten fieben Tage dem Herrn. Der erfte 
Tag fol heilig beißen, daß ihr zufammen fommet; feine Dienftarbeit follt 
ihr thun. Und ber Tag der Erfilinge, heißt es (IV. 28), menn ihr opfert 
dad neue Speidopfer dem Herrn, wenn eure Wochen um find, ſoll Heilig 
beißen u. f. w. Sieben Tage follt ihr dem Herrn opfern; der achte Tag 
fol auch heilig heißen, daß ihe zufammen fommet, und follt euer Opfer 
dem Herrn thun; denn es ift der Verfammlungdtag, feine Dienftarbeit 
folt ihr thun. So folt ihr nun am fünfzehnten Tage des flebenten 
Monats, wenn ihr das Einfommen vom Lande eingebracht habt, dad Feſt 
bes Seren halten fieben Tage lang. Und folt am erſten Tage Früchte 
nehmen von fhönen Bäumen, Palmzmeige, und Mayen von bidten 
Bäumen und Bachweiden, und fleben Tage fröhlich feyn vor dem Herrn, 
euerm Gott. Sieben Tage jollt ihr in Laubhütten wohnen; wer ein- 
heimisch ift in Ifrael, ver fol in Kaubhütten wohnen. Daß eure Nach⸗ 
kommen wißen, wie ich vie Kinder Iſrael habe laßen in Hütten wohnen, 
da ich fie aus Aegyptenland führete.e So knüpfte man alfo auch biefes 
Beft gleih dem Pafjahfeft an den Auszug aus Aegypten und gab ihm 
neben ber Bedeutung, bie es als Erndtefeſt hatte, noch eine geſchichtliche 


- 


Feſte. 23 


Beziehung. Die Opferfeier dieſes Beftes aber wird alfo befchriehen 
(IV. 29): Und folt dem Herrn Brandopfer thun, zum Opfer des füßen 
Geruchs dem Herrn, dreizehn junge Barren, zween Widder, vierzehn jährige 
Laäͤmmer ohne Wandel, fammt ihrem Speisopfer, drei Zehnten Semmel⸗ 
mehl mit Del gemenget, je zu einem ber breizehn Barren, zween Zehnten 
je zu einem ber zween Widder, und einen Zehnten je zu einem ber vier- 
zehn Lämmer; dazu einen Ziegenbod zum Sündopfer, über das tägliche 
Brandopfer, mit feinem Speisopfer und feinem Trankopfer Am andern 
Tage zwölf junge Barren, zmeen Widder, vierzehn jährige Lämmer ohne 
Wandel, mit ihrem Speisopfer und Tranfopfer zu den Barren, zu ben 
Widdern und zu den Lämmern, in ihrer Zahl, nad ihrem Recht; dazu 
einen Ziegenbod zum Sündopfer, über das tägliche Branvopfer mit feinem 
Speiäopfer und mit feinem Tranfopfer. Am dritten Tage eilf Barren, 
jmeen Widder, vierzehn jährige Lämmer ohne Wandel mit ihren Speis- 
opfern und Tranfopfern. Und fo warb das Opfer fortgefegt, indem täglich 
bie Zahl der Barren um einen abnahm, fo daß am flebenten Tage fleben 
Sarren, wegen ber Heiligkeit viefer Zahl, geopfert wurden; das andere 
Opfer aber blieb fich gleich, denn da das gewöhnliche Opfer zu den Barren 
in einem Widder und fleben jührigen Lämmern befland, fo verboppelte 
man biefe Zahl für diefes Feſt, und begann es mit dreizehn Barren, um 
am flebenten Tage die heilige Zahl fieben zu haben, bey einer täglichen 
Verminderung um einen. Am achten Tage aber war ein Sabbath, an 
weldem ein Barr, ein Widder und fieben jährige Lämmer zum Brand⸗ 
opfer geopfert wurden mit ihren Speis- und Tranfopfern, nebft einem 
Bock ald Sündopfer. 

Wie das Feſt ver Wochen nicht bloß ein Danffefl war, jondern auch 
Verſoͤhnung damit verbunden war, fo gieng dem Laubhüttenfeft eine Ver⸗ 
ſohnung vorher, und zwar fünf Tage vor demſelben, gerade wie das 
Vaſſahlamm fünf Tage, bevor ed geſchlachtet ward, ausgewählt wurde. 
Als gleichgültig dürfen wir die Wahl ver Zahlen zehen und fünf nicht 
betrachten, wenn wir auch den Grund nicht wißen, welcher fie beiligte. 
Schon oben fahen wir, wie die Zahl zehen nicht unwichtig fey, und auch 
in der Erzählung von der Sünpflut tritt fie hervor. Viermal zehen Tage 
und Nächte regnet e8, nach viermal zehen Tagen ſchickt Noah einen Raben 
aus der Arche, und da die Flut am flebenzehnten Tage des zmeiten 
Monat3 begann und die Erve erft am fieben und zwanzigſten des zweiten 
Monats im folgenden Monat endete (denn es iſt ganz willführlidh, dieſe 
Zahl in die Zahl flebenzehen verändern zu wollen), *) fo Hatte vie Blut 


— — 


*) Eher wäre ein Grund die Stelle Mofe I. 7. 24. zu ändern, wo es heißt: 
Am flebenten des fiebenten Monats ließ ſich der Kaften nieder auf dem 
Ararat; und doch möchte es auch hier zu ändern bevenflich feyn; denn 
die Zahlen deuten auf eine Zufammenftellung, welche Späteres mit Frü⸗ 


24 Seite. 


ein Jahr und zehen Monate gedauert. Auch die Zahl fünf ergiebt fidh 
als eine wichtige. Wollte Jemand ein Thier, das er dem Herrn gelobt 
Hatte, das aber unrein geworden war und darum nicht geopfert werben 
fonnte, Iöfen, nachdem ed ber Priefter geichägt hatte, fo mußte er ben 
fünften Theil des Geldes über die Schägung zahlen (Il. 27). Eben viefes 
Verhaͤltniß fand flatt, wenn einer fein dem Seren geheiligtes Haus ober 
einen dem Herrn geheiligten Ader Idfen wollte. Die Erfigeburt des 
Viehes war ſchon an und für fi dem Herrn geweiht und warb ihm 
daher nicht beſonders gelobt; war fie aber unrein, jo mußte man fie loͤſen 


und ebenfalls den Bünften über die Schägung geben, und wenn er dieſes 


nicht thun wollte, fo ward das Thier verkauft. Selbſt wenn Jemand 
feinen Zehnten loͤſen wollte, mußte er den Bünften varüber geben. Wer 
fih an etwas vergriff, wad dem Herrn geweiht war, hatte einen Widder, 
welcher zwei Sedel werth war, als Schuldopfer zu geben, ven Schaben 
gu erfegen und den Bünften darüber zu entrichten (1. 5% Wer etwas 
ihm Anyertrautes abläugnete, oder etwad mit Gewalt oder Unrecht an ſich 
brachte, over etwas Gefundene mit einem falſchen Eide verläugnete, hatte 
einen Widder als Schuldopfer zu geben, die Sache felbft zu erſtatten und 
den Bünften darüber zu bezahlen. Die Uegypter, heißt e8 (I. 47), mußten 
dem Pharao von dem Getraide, welches fie bauten, den Fünften geben. 
Diefes Berföhnungdfeft am zehnten des fiebenten Monats, wo ber 
Prieſter das Volk durch ein Sünpopfer von feinen Sünden reinigte, war 
ein beſonders wichtiges und heiliges Feſt, und der einzige im alten Bunde 
feſtgeſetzte Faſttag. *) Eo heißt (Ill. 16): Am zehnten Tage des fiebenten 


herem ohne vollfommenen Ginflang vereint. Nachdem es vierzig Tage 
und Nächte geregnet hat, fleht das Waßer Hundert und fünfzig Tage, alfo 
fünf Monate, und am flebenzehnten bes flebenten Monats kommt fchen 
die Arche auf den aus dem Waßer bereits hervorragenden Ararat. Am 
erſten Tage des zehnten Monats fahen die Spiken anderer Berge aus dem 
Maßer, und am erften Tage des erſten Monats fah Noah, daB ber Erd⸗ 
boden troden war, und unmittelbar weiter heißt es (Mofe L 6. V. 14): 
Alfo ward die Erde ganz troden, am fleben und zwanzigflen Tage bes 
andern Monats. Diefe Zahlen entfprechen einander Feineswegs, fondern 
es fcheint eine Zählung der Sündflutzeit mit dem erflen Tage bes erften 
Monats begonnen und mit Ablauf des Sahres ihr Ende angenommen zu 
haben, wpgegen eine andere von einer andern Zählung ausgieng, bie 
dann beyde in der Darftellung, welche wir jeßt haben, zufammenfloßen. 
“) Wenn ein Befenner bes neuen Bundes faften wollte, um Bott damit wegen 
feiner Sünden zu verfühnen, oder glauben wollte, das Faſten Fönnte zu 
feiner Seeligfeit irgend etwas, und wäre ed auch noch fo wenig, bey: 
tragen, fo würde er am Blauben des neuen Bundes zweifeln, da Chriſti 
ſtellvertretendes Blut die Sünde ber Menſchen gefühnt bat, infoweit burch 
fie der Tod in die Welt gefommen ift, fo wie ber Tob durch Chriſti Tod 
bezwungen if. Da aber Chriſti verfühnennes, fiellvertretendes Blut nur 


Feſte. 25 


Monats ſollt ihr euern Leib cafleyen und fein Werk thun, er fey einhei⸗ 
milch oder fremd. Denn an biefem Tage geſchiehet eure Verföühnung, daß 
ihr gereiniget werdet; von allen euern Sünden mwerbet Ihr gereiniget vor 
vem Herrn. Darum fol es euch der größte Sabbath feyn, und Ihr 
folt euern Leib demuͤthigen. Dann wird, wo dieſes Tages weiterhin 
gedacht wird (IV. 29), genau dad Opfer angegeben, welches am Sabbath 
bed Blaſend bargebradht warb, und deßen Beichreibung zunächſt folgt, 
welche nicht ganz mit der III. 16. übereinftimmt, venn hier werben bie 
fieben Laͤmmer nicht angegeben, jedoch die widhtigen Gebräuche aufgezählt, 
welche recht deutlich zeigen, wie auf das Opfertbier, als ven Stellvertreter, 
die Schuld des Menſchen geladen ward. Wir lefen nämlich vafelbft: Und 
der Herr redete mit Mofe: Sage deinem Bruder Aaron, daß er nicht 
allerlei Zeit in das inwendige Heiligthum gehe Hinter nen Vorhang vor 
ven Gnabenfluhl, der auf der Lade ift, daß er nicht flerbe; denn ich wi 
in einer Wolfe ericheinen auf dem Gnadenſtuhl. Sondern damit fol er 
bineingehen, mit einem jungen Barren zum Sünvopfer, und mit einem 
Widder zum Brandopfer. Und foll den heiligen leinenen Mod anlegen, 
und leinen Niederwand an feinem Fleiſch haben, und fi mit einem 
leinenen Gürtel gürten, und den leinenen Hut aufhaben, denn das find 
bie Heiligen Kleiver, und fol fein Fleiſch mit Waßer baden und fie 
anlegen. Und fol von der Gemeine der Kinder Ifrael zween Ziegenböre 
nebmen zum Sünbopfer, und einen Widder zum Branvopfer. Und Aaron 
fol den Barren, fein Sünvopfer, herzubringen, und fi und fein Haus 
verſöhnen; und darnach die zween Börde nehmen, und vor den Herrn 
Rellen, vor der Thür der Hütte des Stift. Und fol das Loos werfen 
über die zween Böde; ein Loos dem Herrn, und das andere dem ledigen 
Bock. Und fol ven Bod, auf welchen des Herrn Loos fällt, opfern zum 
Sündopfer. Aber den Bord, auf welchen das Loos des Lenigen fällt, fol 
er lebendig vor den Seren fielen, daß er ihn verfühne, und laße den 
ledigen Bor in die Wüfle. Und alfo fol er den Barren feines Sünd- 
opferd berzubringen, und fih und fein Haus verfühnen, und fol ihn 
ſchlachten. Und fol einen Napf vol Glut nehmen vom Altar, der vor 
bem Herrn flehet, und die Sand voll zerftoßenes Raͤuchwerk, und bineln 
binter den Vorhang bringen, und das Raͤuchwerk auf’ Teuer thun vor 
vem Herrn, daß der Nebel vom Raͤuchwerk den Gnadenſtuhl bevede, ber 
auf dem Zeugniß if, daß er nicht flerbe. Und fol des Bluis vom Barren 
nehmen, und mit feinem Finger gegen ben Önabenftuhl fprengen vorne an; 


die fündhafte Natur des Menfchen von dem Tode zum ewigen Leben erlöft 
hat, der Menfch aber für alle Sünden, bie er begeht, verantwortlich 
bleibt, und fle nur durch wahre Neue verführen kann, fo kann für bie 
Bekenner des neuen Bundes, wenn fie wahrhaft glänbig find, das Faſten 
nur als eine thätige Reue für wirklich begangene Sünden gelten. 


26 Feſte. 


fiebenmal fol er alſo vor dem Gnadenſtuhl mit feinem Finger vom 
Blut fprengen. Darnach fol er den Bad, des Volkes Sünbopfer, ſchlach⸗ 
ten, und feines Blutes hinein bringen hinter den Vorhang, und fol mit 
feinem Blut thun, wie er mit bes Barren Blut gethan hat, und damit 
auch fprengen vorne gegen den Gnabenftufl; und fol alfo verfdhnen das 
Heiligtum von der Unreinigfeit der Kinder Ifrael, und von ihrer Ueber⸗ 
tretung in allen ihren Sünven. Alſo fol er thun der Hütte des Stifte; 
denn fie find unrein, die umher liegen. Kein Menſch fol in ver Hütte 
des Stifts feyn, wenn er bineingebet zu verfühnen im Heiligthum, bis 
er herausgehe; und fol alfo verfühnen fih und fein Haus und bie 
ganze Gemeine Iſrael. Und wenn er berausgehet zum Altare, ber vor 
dem Herrn ftebet, fo er ihn verfühnen, und fol des Blutes vom Barren, 
und des Blutes vom Bord nehmen, und auf. des Altare8 Hörner umher 
thun. Und fol mit feinem Singer vom Blute darauf ſprengen fiebenmal, 
und ihn reinigen und Heiligen von der Unreinigfeit der Kinder Ifrael. 
Und menn er vollbradht bat das Verſoͤhnen des Heiligthums, und ber 
Hütte des Stifts und des Altard; fo foll er ven lebendigen Bod 
berzubringen. Da foll denn Aaron feine beyden Hände 
auf fein Haupt legen, und befennen auf ihn alle Miße— 
that der Kinder Iſrael, und alle ihre Mebertretung in 
allen ihren Sünden; und Soll fie dem Boyd aufdas Haupt 
legen, und ihn dur einen Mann, der vorhanden ift, in 
die Wüfte laufen laßen. Daß alfo ver Bod alle ihre Miße— 
that auf ihm in eine Wildniß trage, und laße ihn in die 
MWüfte. Und Naron fol in vie Hütte ded Stift gehen, und außziehen 
bie leinenen Kleider, die er anzog, da er in dad Heiligthum gieng, und 
ſoll fie daſelbſt Tagen. Und fol fein Sleifh mit Waßer baden: an heiliger 
Stätte, und feine eigenen Kleiver anthun, und herausgeben, und fein 
Branbopfer, und des Volkes Branvopfer machen, und beydes, fi) und das 
Volk, verfühnen, und das Bett vom Sündopfer auf dem Altar anzünden. 
. Der aber den lebigen Bod hat audgeführet, fol feine Kleider wafchen, 
und fein Bleifh mit Waßer baden, und darnach ind Lager fommen. Den 
Barren des Sündopferd und den Bod des Sündopfers, welcher Blut in 
da8 Heiligthum zu verfühnen gebracht wird, fol man binausführen vor 
dad Lager, und mit Feuer verbrennen, beydes, ihre Haut, Fleiſch und 
Mifl. Und der fie verbrennet, fol feine Kleiver waſchen, und fein Fleiſch 
mit Waßer baden, und darnach ind Lager kommen. 

Auch der erfle Tag des flebenten Monats, in welchem das Volk, 
bevor es für die Erndte den Herrn, den Verleiher dieſes Segens, feierte, 
verföhnt ward, gehörte unter die heiligen Feſte. Wir lefen (III. 23): Am 
erften Tage des flebenten Monats ſollt ihr den heiligen Sabbath 
des Blafens zum Geväcdhtniß Halten, da ihr zufammen kommet; da follt 
ihr Leine Dienfibarfeit thun und ſollt dem Herrn opfern. Zu welchem 


Feſte. 27 


Gedaͤchtniß dieſer Tag gefeiert ward, wißen wir nicht; denn wo er weiter⸗ 
hin erwaͤhnt wird (IV. 29), heißt es bloß: Dieſer Tag ſoll bey euch heilig 
heißen, es iſt euer Trompetentag. Das an demſelben ſtattfindende Opfer 
wird an dieſer Stelle alſo beſchrieben: Und ſollt Brandopfer thun zum 
füpen Geruch dem Herrn, einen jungen Barren, einen Widder, fieben 
jährige Lämmer ohne Wandel. Dazu ihr Speisopfer, drei Zehnten 
Semmelmehl mit Del gemenget zu dem Barren, zwo Zehnten zu vem 
Widder, und einen Zehnten auf ein jegliches Kamm ver fleben Lämmer; 
auch ‚einen Ziegenbod zum Sündopfer euch zu verfühnen; über das Brands 
opfer des Monats und fein Speidopfer, und über das tägliche Branpopfer 
mit feinem Speisopfer, und mit ihrein Trankopfer, nach ihrem Recht zum 
fügen Geruch. Das iſt ein Opfer dem Herrn. Außer jenem Fafltag 
ſetzte das Mofaifhe Gebot Feinen feft, doch kam ed vor, daß man bei 
Gelegenheit Bott durch Faſten mwohlgefällig zu feyn vermeinte. So heißt 
es im erſten Buche Samuelis (7. V. 6), daß Samuel die Kinder Ifrael 
von dem Heidenthum abgebracht, und zu ihnen gefagt: DVerfammelt das 
ganze Iſrael gen Mizpa, daß ih für euch bitte zum Herrn. Und fie famen 
wufammen gen Mispa, und fchöpften Waßer und goßen ed aus vor dem 
Heren (nämlich zur Reinigung), und fafteten venfelben Tag, und ſprachen 
daſelbſt: Wir Haben dem Herrn gefündiget. Alfo richtete Samuel die 
Kinder Ifrael zu Miıpa. Jeremia fagt (36. V. 9): Es begab fi im 
fünften Jahre Iojafim’s, des Königs von Juda, im neunten Monat, daß 
man ein Baften verfündigte vor dem Herrn allem Volk zu Ierufalem, und 
allem Volk, dad aus den Städten Juda gen Ierufalem fommt.- Auch leſen 
wir im erſten Buche der Chronik (11. V. 12), daß die Kinder Ifrael 
fieben Tage fafteten, als fie Saul’ und feiner Söhne Leichname aus der 
Gewalt ver Philifter geholt und unter der Eiche zu Jabes begraben Hatten. 
Bei dem Propheten Ioel (1. V. 13) Heißt es: Beguͤrtet euch und Elaget, 
ihr Priefter, heulet, ihr Diener des Altares, gehet hinein und lieget in 
Siden, ihr Diener meines Gottes; denn es ift beyves, Speidopfer und 
Zrankopfer, vom Haufe eures Gottes weg. Heiliget ein Baften, rufet bie 
Gemeine zufammen, verfammelt die Aelteſten und ale Einwohner bed 
Landes zum Kaufe des Herrn, und fihreiet zu ihm. Und (2.15): Blafet 
mit Pofaunen zu Zion, heiliget ein Faſten, rufet die Gemeine zufammen. 
Nach vem Exil aber hielten die Juden mehrere Bafttage, welche beſtimmt 
waren und jährlich wiederkehrten. Sacharja jagt (7. B.5): Und des 
Heren Zebaoth Wort gefchah zu mir: Sage allem Volk und den Prieftern: 
Da ihr faftetet und Leid truget im fünften und flebenten Monat dieſe 
flebenzig Jahre lang, habt ihr mir gefaflet? und (8. V. 19): So ſpricht 
ver Herr Zebaoth: Die Zaflen ded,vierten, fünften, fiebenten und zehnten 
Monats follen dem Haufe Juda zur Freude und Wonne und zu fröhlichen 
Jahresfeſten werben; allein liebet Wahrheit und Frieden. 





Dpfer und Eult. 


» 

Das Opfer war, wie bey andern Völkern, fo auch bey den Semiten . 
ein fehr bedeutender Theil ihrer Götterverehrung, und blieb es auch bey 
den Sfraeliten für ihre Verehrung des alleinigen Gotted. Unter ven Opfern 
aber nahm das Darbringen des thlerifchen Lebens eine Höcdhft wichtige 
Stelle ein, und ed gehörte dazu aud das Menſchenopfer. Was von ber 
Natur aus dem Menfchen Burchtbares und Verderbliches widerfuhr, Seuchen, 
verfengende Glut, die Mißwachs und Hunger mit fi brachte, und was 
fonft allem Leben Untergang Drohendes über ihn kam, fchrieb er gött« 
lihem Zorn über Sünden zu, weldye die Gottheit mit Tod und Untergang 
ftrafen wolle, und hoffte durch Darbringung eines einzelnen Menſchenlebens 
Verfühnung zu bewirken, und die übrigen von dem Verderben zu befreien. 
Diefem Brauche aber warb bey den Völkern vielfältig dad XThieropfer 
untergefchoben, fo daß man meinte, mit des Thieres Leben das menſch⸗ 
liche Leben Töfen zu Fönnen. So war denn Blut das von Sünden Löfende 
und Neinigende, weil man ed als den Sig und Duell des Lebens betrach⸗ 
tete. Denn fo beißt e8 bey Mofe (IM. 17. V. 11): Des Leibes Leben ift 
im Blut, *) und ich babe ed euch zum Altar gegeben, daß eure Seelen 
damit verföhnet werden. Denn das Blut ift die Verföhnung für. 
das Leben. Darum durfte der Ifraelite durchaus fein Blut eßen. 
(Moſe II. 3. B.17.) Das Blut, beißt ed (V. 12. V. 23), iſt wie Seele, 
darum folft du die Seele nicht mit dem Fleiſch eßen, und ebendaſelbſt 
(B. 27) leſen wir die Worte: Das Blut deines Opfers folft du gießen auf 
den Altar des Herrn, deines Gottes, und das Fleiſch eßen. **) Und 


*) Diefelbe Anficht galt bei den Griechen. So fehen wir in ber Opnffee. 

”*) Wie beflimmt auch immerhin die genaue Beobachtung des Gottesvienftes in 
den Geboten des Mofaismus anbefohlen war, fo nehmen wir doch wahr, 
daß in einer Zeit, welche noch Lebenpigkeit des Glaubens zuließ, ein 
unbefangenes Denken über den Unwerth bloßer Werkheiligfeit und eine 
richtige Würdigung des Glaubens, als eines Gehorſams gegen Guttes 
Gebote und! eines diefem gemäßen Lebenswandels flattfand. In den 
Pfalmen Iefen wir (40. B. 7): Herr, groß find deine Wunder. Opfer 
und Speisopfer gefallen dir nicht; aber die Ohren Haft du mir aufgethan. 
Du willſt weder Brandopfer noch Sündopfer. Deinen Willen thue ich 
gern, und bein Geſetz Habe ich in meinem Herzen. (50. V.7): Ich, Gott, 
bin dein Gott. Deines Opfers halber ftrafe ich dich nicht; find doch beine 
Brandopfer fonft immer vor mir. Meineft du, daß ich Ochfenfleifch eßen 
wolle, oder Bodsblut trinken? Opfere Gott Danf, und bezahle dem 
Höchften deine Gelübbe. Und rufe mich an in der Noth: fo will ich dich 


Opfer und Eult. 29 


(1. 9. 4): Eßet das Fleiſch nicht, das noch lebet in feinem Blut; fo daß 
man bei dem geſchlachteten Thiere jo lange ein Leben darin gelten ließ, 
wie lange Blut darin war. 

Die Altefte Spur ver Menfchenopfer im alten Teſtament ift in ber 
Geſchichte Abraham's enthalten (Mofe I. 22), ald der Herr zu Abraham 
ſprach: Nimm Ifaaf, deinen Sohn, den du lieb Haft, und gehe in das 
Land Morija, und opfere ihn daſelbſt zum Brandopfer, auf einem Berge, 
den ih dir fagen werde. Abraham machte fi} auf, baute einen Altar, 
legte daB Holz darauf, band feinen Sohn Iſaak, legte ihn auf ven Altar 
oben auf dad Holz, und redte feine Hand aus, und faßete das Meßer, 
bag er feinen Sohn ſchlachtete. Da rief ibm der Engel des Herrn vom 
Himmel, und ſprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. 
Er ſprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und thue ihm nichts. 


erreiten, fo follft du mich preifen. Wer Danf opfert, der preifet mich; 
und das iſt der Weg, daß ich ihm zeige das Heil Gottes. (51. V. 18): 
Du Haft nicht Luft zum Opfer, ich wollte dir's fonft wohl geben, und 
Brandopfer gefallen dir nicht. Die Opfer, die Gott gefallen, find ein 
geängſteter Geiſt; ein geängftetes und zerfchlagenes Herz wirft du, Gott, 
nicht verachten. (69. B.31): Ich will den Namen Gottes loben mit 
eiuem Liede, und will ihn hochehren mit Dank. Das wird dem Herrn 
beßer gefallen, denn ein Farr, der Hörner und Klauen Bat. In den 
Sprüden Salomo's (21) Heißt es: Wohl und recht thun ift dem Herrn 
lieber, denn Opfer. Der Gottlofen Opfer ift ein Gräuel, denn fle werden 
in Sünden geopfert; und Sirach fagt (35. B. 3): Wer Gott danft, das 
ik das rechte Semmelopfer. Merkwürdig lauten die Worte Jeſaia's 
(66. 2): Meine Hand Hat Alles gemacht, was da ift, fpricht ber Herr, 
Ich fehe aber an den Elenden, und der zerbrochenen Geiſtes ift, und ber 
fih fürchtet vor meinem Wort. Denn wer einen Ochfen fchlachtet, ift 
eben als der einen Mann erfchlüge. Wer ein Schaaf opfert, iſt als der 
einem Hund den Hals bräce. Wer Speisopfer bringt, ift ale der Sans 
blut opfert. Wer des Weihranchs gedenket, ift ale der das Unrecht lobt. 
Faſt noch merfwürdiger lauten die Worte Ieremia’s (7. B. 21): So 
fpricht der Herr Zebaoth, der Gott Iſraels: Thut eure Brandopfer und 
andere Opfer zu Haus, und freßet Fleiſch. Denn ich habe euren Vätern 
des Tages, da ich fie aus Egyptenland führte, weder gefagt noch geboten 
von Brandopfern und anderen Opfern; fondern dies gebot ich ihnen, und 

ſprach: Gehorchet meinem Wort, fo will ich euer Bott feyn, und ihr follt 
mein Volk feyn; und wandelt auf allen Wegen, bie ich euch gebiete, anf 
daß es euch wohl gehe. Im erften Buche Samuel’s (15. 22) wird fehr 
ſchoͤn und fromm gejagt: Meine du, baß der Herr mehr Luft habe am 
Opfer und Brandopfer, ale am Gehorfam der Stimme des Herrn? Siehe, 
Gehorfam ift beßer, denn Opfer, und Aufmerfen beßer, denn das Fett 
von Widdern; denn Ungehorfam iſt eine Zaubereifünde, und Wiberftreben 
iſt Abgötterei und Goͤtzendienſt. Weil du nun des Herrn Wort verworfen 
Haft, Hat er dich auch verworfen. 


30 Opfer und Eult. 


Denn nun weiß ich, daß du Gott fürdhteft, und haft deines einigen Sohnes 
nicht verfchonet um meinetwillen. Da bob Abraham feine Augen auf, 
und ſah einen Widder hinter ihm in der Hede mit feinen Hörnern bangen; 
und gieng bin und nahm ben Widder, und opferte ihn zum Branbopfer 
an feine® Sohnes Statt. Hier haben wir neben der unverfennbaren Spur 
der Menfchenopfer die Erſetzung derſelben durch das Thieropfer. 

Ein wirklich vollbrachtes Menfchenopfer, welches bey den Ifraeliten 
zur Zeit der Richter dem Jehovah dargebracht wurbe, bietet und bie 
Gefchichte des Richters Jephthah dar. Die Ammoniter führten Krieg wider 
die Iſraeliten (Richter 11). Da kam der Geift des Herrn auf Jephthah 
und zog auf die Kinder Ammon, und er gelobte dem Herrn ein Gelübde, 
und ſprach: Giebſt du die Kinder Ammon in meine Hand; was zu meiner 
Hausthür heraus mir entgegen gehet, wenn ih mit Brieden wieder komme 
von den Kindern Ammon, dad fol des Herrn fein, und will's zum Brand⸗ 
opfer opfern. (Darin If ein Menfchenopfer deutlich genug gelobt.) Er 
flegte, und da er kam zu feinem Haufe, ſiehe, da gehet feine Tochter 
beraus, ihm entgegen mit Paufen und Reigen; und fie war ein einiges 
Kind, und er hatte fonft Feinen Sohn noch Tochter. Und da er ſie fah, 
zerriß er feine Kleider, und ſprach: Ach, meine Tochter, wie beugeft bu 
mid, und betrübeft mich! denn ich habe meinen Mund aufgethan gegen 
den Herrn, und fann e8 nicht widerrufen. Sie aber ſprach: Mein Vater, 
haft du deinen Mund aufgethan gegen den Herrn, fo thue mir, wie e8 
aus deinem Munde gegangen iſt; nachdem der Herr dich gerochen hat an 
einen Beinden, ven Kindern Ammon. Und fie ſprach zu ihrem Dater: 
Du wollteſt mir das thun, daß du mich laßeſt zween Monate, daß ich von 
binnen hinabgehe auf die Berge, und meine Jungfrauſchaft bemweine mit 
meinen Gefpielen. Cr ſprach: Gehe hin; und ließ file zween Monate 
geben. Da gieng fie bin, und beweinete ihre Jungfraufchaft auf den 
Bergen. Und nach zween Monaten kam fie wieder zu ihrem Bater. Und 
er that ihr, wie er gelobet hatte; und fie war nie feines Mannes ſchuldig 
geworden. Und ward eine Gewohnheit in Ifrael, daß die Töchter Ifraels 
jährlich hingehen, zu Flagen die Tochter Jephthah, des Jahrs vier Tage. 
(Hätten wir die Worte der Klage, jo würben uns biefe einen wünfdhens- 
wertben Aufſchluß über viefen merkwürdigen Brauch geben; aber nirgends 
werden fie erwähnt, und wir erfahren eben jo wenig, wann dieſer Braud) 
erloſchen iſt, und vermögen auch nicht den Grund, weßhalb dieſe Klage 
vier Tage währte, zu erratben.) 

Sp oft die Ifraeliten das Heidenthum annahmen, und es geſchah 
dieſes oft, nahmen fie auch Theil an ven Menfchenopfern, over wenigftens 
an einem Bilde verfelben, welches an vie Stelle der wirklichen getreten 
war. Die beinnifchen Semiten in Canaan, unter welchen die Siraeliten 
wohnten, und ihre Nachbarn brachten dem Moloch Menſchen als Brand⸗ 


Dpfer und Eult. 3 


opfer dar, und im Thale des Sohnes Hinnom bey Ierufalem, wo vie 
Stämme Juda und Benjamin zufammengrängten, wurben viefe heidniſchen 
Opfer von den Ifraeliten begangen. Schon im dritten Buche Moſe 
(18. V. 21) wird den Jfraeliten geboten: Du ſollſt deines Samens nicht 
geben, daß ed dem Moledy verbrannt werde, daß du nicht entheiligeft ven 
Namen deines Gotted. Ebendaſelbſt (20. V. 2) Heißt es: Welcher unter 
ben Kindern Ifrael, oder ein Brempling, ver in Iſrael wohnt, feines 
Samend dem Molech giebt, der fol des Todes flerben, das Volk im 
Lande fol ihn fleinigen; und (V. 12. V. 31): Du folft nicht wie die 
Heiden an dem Herrn thun; denn fie haben ihren Göttern gethan alle, 
was dem Herrn ein Gräuel iſt, und das er haßet; denn fie haben auch 
ihre Söhne und Töchter mit Teuer verbrannt ihren Göttern. Don dem 
Könige Salomo meldet das erfle Buch der Könige (11. 7), er babe eine 
Höhe gebaut vem Mole, dieſe aber Eonnte ohne jene Opfer nicht feyn. 
Vom Könige Ahas erzählt dad zweite Buch der Könige (16. 3): er ließ 
feinen Sohn durch dad Feuer gehen, nad) den Gräueln der Heiden, die 
ver Herr vor den Kindern Iſrael vertrieben hatte. Ebendaſelbſt (17. V. 17) 
heißt e8 von den Siraeliten: fie ließen ihre Söhne und Töchter durchs 
Feuer gehen und giengen mit Weißagen und Zaubern um. König Iofla 
(23. 10) verunreinigte aber dad Tophetb im Thale der Kinder Hinnom, 
daß Niemand feinen Sohn over feine Tochter dem Molech durch Weuer 
geben ließe. Von Hiskia's Sohn, dem Könige Manafle, aber meldet die 
Chronik (LI. 23), daß er feine Söhne durchs Feuer gehen ließ im Thale 
des Sohnes Hinnom. Der Prophet Ieremia fagt (7. B.31), die Kinder 
Iſraels hätten Altäre Topheth's im Thale Ben Hinnom, daß fle ihre Söhne 
und Töchter verbrennten. Und meiter (19. V. 4. 5) fagt er, fle hätten 
dad Thal Hinnom vol unſchuldigen Blutes gemacht, und dem Baal Höhen 
gebaut, ihre Kinder zu verbrennen, dem Baal zu Brandopfern; und eben- 
daſelbſt Heißt es, fie Hätten Höhen des Baal gebaut im Thale Ben Hinnom, 
und ihre Söhne und Töchter dem Molech verbrannt. Auch der Prophet 
Ezechiel Ipricht von ven Sfraeliten (16. 20): Daß du nahmeft deine Söhne 
und Töchter, die du mir (Gott) gezeuget batteft, und opferteft fie den- 
felben (ven Goͤtzen) zu freßen. Daß du mir meine Kinder fchlacdhteteft, 
und Täßeft fie venfelben verbrennen. Werner (20. V. 26) fagt Gott: I 
verwarf die Kinder Ifrael mit ihrem Opfer, da Ste alle Erfigeburt 
durch's Feuer verbrannten. — (2.36): Weil du denn vergiepeft 
das Blut deiner Kinder, welche du ihnen opferft. In dem Buche von der 
Weisheit Salomo’8 (12. 3 flgg.) wird von Gott gejagt: Denn da du feind 
wareft den vorigen Einwohnern deines heiligen Landes, darum, daß fle 
feindfelige Werke begiengen mit Zaubern, und wollteſt durch unjerer Väter 
Sände vertilgen vie ungdttlihen Opferer und unbarmberzigen Moͤrder 
ihrer Söhne, die da Menfchenfleifh fragen und ‚gräuliches Blut offen, 


32 Dpfer und Cult. 


damit fie dir Gottesdienſt erzeigen wollten; und bie, fo Eltern waren, 
erwürgeten die Seelen, fo feine Hülfe hatten. Eben fo (14. 23) beißt es 
von der Ausartung der Erkenntniß Gottes: Denn entweder fie würgen ihre 
Kinder zum Opfer, oder pflegen Gottesvienft, ver nicht zu fagen ifl, ober 
halten wüthige Freßerei nach ungewöhnlicher Weile. In ven Pfalmen 
wird ebenfalls davon Erwähnung getban (106. V. 37): Und ſie opferten 
ihre Söhne und Töchter den Teufeln und vergoßen unſchuldiges Blut, 
das Blut ihrer Söhne und Töchter, die fie opferten ven Goͤtzen Canaan's. 

Während fo oft von dem wirklichen Opfer die Rede ift, enthalten 
die Stellen in der Schrift von den Königen ven Ausorud: Tief feine 
Söhne und Töchter durch's Feuer geben, und foll man darunter verftehen, 
fie feyen mit Feuer verbrannt worden, fo ift der Ausdruck gewißlich etwas 
fonderbar, um die ſchreckliche Sache milder varzuftellen, welche ja doch 
als eine Sünde jener Könige und ald ein ſchweres Vergehen gegen Gott 
gelten folte, wo denn eine Milvderung des Ausorudd eben micht zu 
erwarten if. Daß aber die Menfchenopfer abgefchafft geweien wären, fo 
dag man den Brauch des Gehens durch Feuer ald ein Bild verjelben an 
ihre Stelle gefegt hätte, laßen die Stellen, weldye oben aus den Propheten 
u. f. mw. angeführt worben find, nicht zu, und wenn nicht dad Verbrennen 
unter jenem Ausdruck zu verftehen ift, fo bleibt nur übrig, ſich das Ver⸗ 
bältnig fo zu denken, daß jene Opfer zwar fortbeftanden, daß aber zur 
Einschränkung dverfelben eine bildliche Ausübung daneben erfunden warb. 
Wie es aber auch ſich damit verhalten mag, das alte Teftament bezeugt 
hinlaͤnglich das furdhtbare Menfchenopfer. Daß dieſelben beflimmt waren, 
im Allgemeinen ohne befondere Veranlaßung dargebracht zu werben, gebt 
Ion, abgefeben von der Natur der Sache, daß nämlich der Gottheit 
gebührende Opfer ihre beflimmten Zeiten haben müßen, wo fle ohne eine 
weitere, durch befondere Umſtaͤnde herbeigeführte Veranlaßung dargebradht 
werben, aud den allgemein gehaltenen Ausdrücken hervor, welche e8 ſchlecht⸗ 
weg ald heidnifchen Brauch angeben, Söhne und Töchter durch's Feuer 
gehen zu lagen. Ja alle Erfigeburt der Menfchen hätte ſelbſt nach ber 
Moſaiſchen Sagung geopfert werden müßen, da fie dem Herrn gehörte, wäre 
bey den Sfraeliten nicht eine Löfung eingetreten. Es heißt (Mofe li. 13): 
Heilige mir alle Erfigeburt, die allerlei Mutter bricht, bey den Kindern 
Iſrael, beydes unter den Menfchen und dem Vieh; venn fie find mein. 
Du ſollſt ausfondern dem Herrn alles, was die Mutter bricht, und bie 
Erfigeburt unter vem Vieh, das ein Männlein iſt. Die Erfigeburt vom 
Eſel font du Tdfen mit einem Schaaf; wo bu es aber nicht loͤſeſt, fo 
brich ihm das Genid. Aber alle Menfhengeburt unter deinen 
Kindern follfi du Idfen. (Als Grund diefer Darbringung der Erft- 
geburt wird angegeben: denn da Pharao hart war, erſchlug der Herr alle 
Erfigeburt in Ggyptenland, von der Menfchen Erfigeburt an, bis an bie 


Dpfer und Cult. 33 


GErfigeburt des Viehes.) Shen fo heißt ed (34. V. 20) weiter: Alle Erft- 
geburt deiner Söhne font du loͤſen. Als Zeit der Opferung der Erft« 
geburt finden wir den achten Tag angegeben (22. B. 30): Deinen erften 
Sohn fol du mir geben. So ſollſt vu auch thun mit deinem Ochſen 
und Schaf. Sieben Tage laß ed bey feiner Mutter feyn, 
am achten Tage follfi du mir’! geben. Ueber die Löfung wird 
und berichtet (Moe IV. 18): Alles, das feine Mutter bricht unter allem 
Sleifh, das fie dem Herrn bringen, ed ſey ein Menſch oder Vieh, fol 
bein feyn; doch daß du die erfte Menſchenfrucht löfen laßeſt, und die erfle 
Frucht eined unreinen Viehes auch loͤſen laßeſt. Sie ſollen's aber loͤſen, 
wenn's einen Monat alt iſt; und ſollſt ed zu loͤſen geben um Geld, um 
fünf Sedel, nad dem Sedel des Heiligthumd, der gilt zwanzig Gera. 
Aber die erfte Frucht eines Dchfen, oder Lamms, oder Ziege, folft du 
nicht zu löfen geben, denn fie find heilig; ihr Blut folft vu fprengen auf 
ven Altar, und ihr Fett foUft du anzünden zum Opfer des fügen Geruch 
dem Herrn. (Es läßt fidy nicht mit Gewißheit fagen, wie ſich mit diefen 
Ausfprüchen ein anderer Ausfpruch vertrage, der aljo lautet [V. 15. V. 19]: 
Du ſollſt nicht adern mit dem Erftling deiner Ochſen, und nicht befcheeren 
bie Erfilinge deine Schafe. Bor dem Herrn, deinem Gott, folft du fie 
eben jährlih an der Stätte, die der Herr erwählet, du und dein Haus. 
Wenn ed aber einen Fehler hat, daß es hinket, oder blind ift, oder fonft 
irgend einen böfen Behler hat; fo ſollſt du es nicht opfern dem Herrn, 
deinem Gott. Sondern in deinem Thore ſollſt du es eßen, du feyeft 
unrein oder rein, wie ein Reh und Hirſch. Allein daß du feines Blutes 
nicht eßeft; fondern auf die Erde giepeft wie Waßer. Hier iſt die Rede 
von einem Opfer, das nidht am achten Tage, fondern jährlich flattfindet.) 

Eine befondere Opferung, durch ein Gelübde veranlaßt, ift die oben 
angegebene Darbringung der Tochter Jephthah's, und einen ähnlichen Tall 
erwähnt das zweite Buch der Könige (III). Als vie Könige von Juda 
und Iſrael nebft vem Könige der Edomiter die Moabiter befämpften, und 
ver Moabiter König ſah, daß ihm der Streit zu flarf war, nahm er 
fiebenhundert Mann zu fih, die das Schwert auszogen, heraus zu reißen 
wider den König Edoms (vie Monbiter waren in ver Stadt belagert); 
aber fie konnten nicht. Da nahm er feinen erfien Sohn, der an feiner 
Statt follte König werden, und opferte ihn zum Brandopfer auf der 
Mauer. *) Da ward Ifrael fehr zornig, daß fie von ihm abzogen, und 
fehreten wieder zum Lande. Wir fünnen feinen Zweifel darein fegen, daß 





*) Als die fieben Helden Theben belagerten, weißagte Teireſias, die Stabt 
werde gerettet, wenn ſich Einer aus dem Gefchledyte der Sparten aufopfere; 
da ging Menöfeus, des Kreon Sohn, oben auf die Mauer und toͤdtete fi. 
Apollodor (3. 6), Scholien zu Curipides Phöniffen (913). 

IV. 3 


34 Opfer und Cult. 


ſolche Menfchenopfer als Darbringungen zu beflimmten Zeiten fowohl, als 
auch bey befonderen Veranlaßungen durch alle Semitifhe Stämme ver- 
breitet waren, auch wenn es nicht ausdrücklich von allen Stämmen gemeldet 
wird, da died nur ber Dürftigkeit der auf und gelangten Nachrichten über 
diefelben zuzufchreiben if. Von den nad Canaan verpflanzten Völkern. 
zur Zeit, als die Kinder Ifraeld in die Gefangenſchaft geführt wurden, 
meldet und das zweite Buch der Könige (16. V. 31): Die von Sepharvaim 
verbrannten ihre Söhne, dem Adramelech und Anamelech, den Göttern 
derer von Sepharvalm. Bon den Phönifern meldet Porphyrius in der 
Schrift über die Enthaltfamfeit vom Fleiſche: Die Phöniker opferten in 
großen Gefahren bes Kriegs, oder der Dürre, oder der Seuchen einen der 
Liebften mweihend dem Kronod (d. i. dem Moloch), und die Phönikifche 
Geſchichte, melde Sanchuniathon fchrieb und der Byblier Philo in das 
Griechiſche überfegte, iſt voll von folden Opfern. Kleitarchos zu Platon’8 
Minos (©. 315) fagte, die Phönifer und beſonders die Karthager, bie 
den Kronos verehren, geloben, wann fie etwas Bedeutendes wünſchen, dem 
Gott eins ihrer Kinder. Die Karthager, Abkoͤmmlinge ver Phöniker in 
Tyrus, entjagten den Menfchenopfern nicht bis in die fpätefte Zeit ihres 
Staates. Juſtinus in der Gefchichte (18. 6) erzählt: Sie opferten Menjchen 
wie O:pfertbiere, und brachten Unmündige (meldyes Alter auch der Feinde 
Mitleid erwedt) zu den Altären, den Frieden der Bdtter mit dem Blute 
derer erflehend, für deren Leben die Götter zumeift gebeten zu werben 
pflegen. Derfelbe erzählt (19. 1), Darius babe, ald er Griechenland 
befämpfen wollte, Hülfsvölker von Karthago verlangt, und befohlen, fie 
folten fi der Menfchenopfer enthalten, Fein Hundefleifh eßen, und ihre 
Todten nicht in der Erde verfcharren, fondern verbrennen. Die Kar⸗ 
thager hätten ihm zwar feine Hülfe geleiflet, das Uebrige jedoch befolgt. 
Diefe Erzählung ift zwar nicht zu glauben, doch zeigt fie den Gebraud) 
der Menjchenopfer. Orofius (4. 6), welcher die aus Juflinus vorgebrachte 
Angabe volflänvdig vor Augen hatte, nennt die Peft ald einen Grund für 
Menfchenopfer, und fagt, daß die Opfer gefund und fehlerlos feyn mußten, 
was fi aber bey allen Opfern von ſelbſt verfteht, da der Gottheit ein 
franfes und fehlerhafte Opfer darzubringen, ein fchwerer Frevel gewefen 
wäre. Zu diefen Menfchenopfern follen die Karthager Kinder heimlich 
gekauft und ernährt haben, fagt Diodor, der Sicilier (20. 14), indem er 
erzählt, als Agathofles Karthago belagerte, glaubten die Karthager, Kronod 
zürne ihnen, weil fie, die vormals ihre vorzüglichften Kinder viefem Gott 
opferten, heimlich gefaufte und aufgezogene bargebradyt hätten, und bey 
veranftalteter Unterſuchung habe man foldye unterfchobene Opfer entvedt. 
(Plutarch in der Schrift über den Aberglauben [20] bemerkt, daß bie 
Karthager Kinder zum Opfern fauften, wie Laͤmmer oder junge Vögel.) 
Um diefen Behler gut zu machen, erzählt Diodor weiter, hätten fie jetzt 


Dpfer und Eult. 35 


zweihundert ber angelehenften Knaben ausgewählt und Öffentlich geopfert 
Andere, die man beſchuldigte, gaben ſich freiwillig zum Opfer bin, und 
zwar nicht weniger al8 dreihundert. *) Lactantius (1. 21) erwähnt dieſes 
Opfers der zweihundert Knaben aus ven Geſchichten des Pescennius Feſtus, 
fo daß wir um fo weniger an der Erzählung des Diovor, als einer ver- 
breiteten, zweifeln dürfen. Derfelbe (13. 86) erzählt und ein zweites 
Beyfpiel: Hamilkar und Hannibal, die Feldherren ver Kartbager in Sicilien, 
belagerten Agrigent, und um die Stadt enger einzufchließen, befahlen fte 
ben Soldaten, die Grabmäler wegzufchaffen, und die Erdaufmürfe bis zu 
ven Mauern felbft zu errichten. Wegen ver großen Menge der Hände, 
war das Werk bald vollbracht; aber eine große Gewißensfurcht befiel das 
Heer, denn Theron's Grabmal, welches fehr hoch war, wurde vom Blitze 
getroffen, und einige Seher widverftrebten feiner Wegſchaffung, und alsbald 
befiel eine Seuche das Heer, an der auch Hannibal flarb. Auch meldeten 
vie Wachen, ed erſchienen Nachts die Geſpenſter der Todten, worauf 
Hamilkar, die Menge in Gewigensfurdt ſehend, zuerfi das Wegichaffen 
ver Srabmäler einflelte, und dann nach heimatlidher Weife die Götter 
fühnte, dem Kronos einen Knaben opfernd, und dem Poſeidon eine Menge 
Opfer in das Meer verſenkend. Auch Ennius, im erſten Buche feiner 
poetifhen Annalen, fagte: Die Bunier pflegten ihre Knaben zu opfern, 
und Silius Italicus (4. 767) bemerkt: Bey den Völkern, weldhe vie Ein 
wandererin Dido gründete, war ed Brauch, durch Mord der Götter Gunſt 
zu erfleben, und auf brennende Ultäre, ſchrecklich iſt es zu jagen, Eleine 
Söhne zu legen. Auch Platon im Minos (S. 315) fagt: Die Karthager 
opfern, ala bey ihnen heilig und gefehlich, eigene Söhne dem Kronos. Ein 
Beyipiel, wie die Karthager auch den Göttern Menſchen zum Dankopfer 
darbrachten, erzählt Diodor (20. 65): Als fie das nach Afrifa übergejegte 
Heer des Agathokles beflegt hatten, opferten fie die fchönften Gefangenen 
des Nachts; der Wind trieb aber das Beuer des Altars in das Zelt des 
Gottes, und es verbreitete fi) von da fo ſtark, daß die größte Verwirrung 
entftand, welche die Griechen benugten, fo daß die Karthager unter 
ſchweren Verluften in die Stadt flüchteten. 

Daß diefe Opfer der Karthager nicht bloß einzeln gelobt, oder in 
Folge beſonderer Veranlaßung dargebracht wurden, fondern auch als ſtehende 


*) Qufebins in feiner Lobrede auf Conſtantin (13) führt dieſe Stelle Diodor's 
an, fagt aber fälfhlich, die Karthager hätten den zweihundert andere brei- 
Hundert Hinzugefügt. Dies mag als ein Beyſpiel gelten, wie eilfertig 
öfters die Nachrichten der Kirchenfchriftftellee aus den Geſchichten der 
alten Bölfer entnommen find, und wie ihre mythologiſchen Bemerfungen 
nicht immer als durchaus gegründet gelten fünnen, und doch find fie leider 
manchmal als Duelle unumgänglich zu benugen, wobey aber häufig 
bedacht werben muß, daß diefer Quell trüb ſeyn könne. 

3* 


80 Opfer und Cult. 


Opfer, deren Zeit beſtimmt war, ſtattfanden, verſteht ſich eigentlich von 
ſelbſt; denn wenn vie Gottheit durch ſolche vorzugsweiſe zu verfühnen und 
zur Gunft zu flimmen war, fo mußten fie mit der Verehrung vderfelben 
verbunden feyn. Daß ed aber fo geweſen fey, wird und noch ausdrücklich 
bezeugt. Silius Italicus (4. 770) fagt von ihnen: Das jährliche Loos 
brachte den Iammerfall wieder, und Porpbyrius in der oben angeführten 
Schrift bemerkt (11. 27): Bis jegt opfern nicht allein in Arkadien an ven 
Lykaͤen und zu Kartbago dem Kronos Alle dffentlihd Menſchen, fondern 
zum Gedaͤchtniß des Brauches beiprengen fie periodiſch bie Altäre mit 
But. Als jährlide Opfer bezeichnet die Menichenopfer ver Phöniker 
Eufebius in der Lobreve auf Conftuntin (13): Das Opfer der Kinder 
aber fand zu Kartbago auf folgende Art flatt, wie wir bey Diodor 
(20. 14) lefen: Sie hatten eine eherne Bildfäule des Kronos, welche bie 
Hände audgeftredt hielt, die hohle Hand nad) oben gewendet und nad 
dem Boden zu geneigt, fo daß da8 darauf gelegte Kind herunter roflte 
und in einen mit Beuer gefüllten Schlund fiel. *) Klitarh (an vem 
oben angeführten Orte) nennt die Bildſäule glühend, indem er fagt: Die 
eherne Bilpfäule des Kronos verbrennt das Kind, indem aber die Flamme 
den Körper angreift, ziehen fich Glieder und Leib zufammen, und fletfchend 
gleicht e8 einem Lachenden, bis es zujammengeichrumpft in den Ofen 
binabrollt, und davon heißt ein fletſchendes Lachen ein Sarbonifches, meil 
die Lachenden daran fterben. **) Daß man diefes Fletſchen des Geſichté 
als Lachen deutete, war nothwendig, denn es durfte nichts Trauriges das 
Opfer oder Feft eines Gottes flören. Wir fehen dieſes auch ausprüdlich 
bemerkt in Betreff des Ifraelitiichen Gottesdienſtes; denn wir leſen (Nebes 
mia 8. 3.9): Nehemia und Efra, der Priefter und die Leviten ſprachen 
zu allem Volke: Diefer Tag ift heilig dem Herrn, euerm Gott; darum 
ſeyd nidht traurig und weinet nicht. Denn alles Volk weinete, 
da file die Worte des Geſetzes höreten — und die Leviten flileten alles 
Wolf, und fprachen: Seyd ftille, denn der Tag ift heilig, befümmert euch 
nit. So meldet auch Joſephus (11. 5), daß am Belle zu meinen den 
Sfraeliten unterfagt war. Erflärte man nun die Gebärde der Kinver, 
welche geopfert murden, für eine freundliche, fo wandte man au, wie 
Minucius Felix (S. 291) fagt, Mittel an, ihr Schreien zu verhüten, 


*) Diodor meint bei diefer Gelegenheit die Hellenifche Fabel von Kronos, der 
feine eigenen Kinder verfchlungen, ſcheine in diefem Brauche der Karthager 
bewahrt. Diefes ift irrig, denn jene Babel hat mit diefen Menfchenopfern 
nichts gemein. 

”s) Die Scholien zur Odyſſee (20. 302) und Photius in dem Wörterbuch geben 
diefe Nachricht Klitarch's ohne mehr von ihm anzuführen, und Suidas 
hat diefelbe Stelle abgekürzt in der Stelle, wo er von dem Sarbonifchen 
Lachen fpricht. 


Opfer und Cult, 87 


indem man mit Schmeicheln und Küßen ihr Gefchrei unterbrüdte. (Ter⸗ 
tullian [9] bemerkt daſſelbe) Damit aber war es noch nicht genug, fon« 
bern des Kindes Mutter mußte dabey flehen, wie Plutarch in der Schrift 
über den Aberglauben (S. 171) melvet, ohne Thränen und ohne Seufzen. 
Wenn eine nun feufzte oder weinte, verlor fle die Ehre, und dad Kind 
ward nicht minder geopfert. Vor dem Gottedbild aber erfüllte Alles ein 
Getoͤſe der Blöten Blaſenden und Paufen Schlagenvden, damit Fein Weh⸗ 
klageton vernehmlich werden Fünne Don diefem Schlagen der Pauken 
hieß bey den Jiraeliten die Dpferftätte im Thale Ben Hinnom Topheth, 
von dem Hebräiſchen taphaph, hat geichlagen, toph, Paufe (als gefchlagenes 
Inflrument). 

Wir haben oben gefehen, bag man erzählte, Darius babe die Kars 
thager von den Menſchenopfern abgebracht; glaublicher aber ift, daß @elo 
von Syrafus die überwundenen Karthager nöthigte, den Menichenopfern 
zu entfagen, wie Theophraſt in feiner Schrift über die Tyrrhener berichtete 
(Scholien zu Pindar's zweiter Pythiſchen Hymne B. 3), und von dieſer 
oder einer ähnlichen zeitweiligen Einſtellung dieſes Opfers meldet au 
Porphyrius (I. 56). Sie kehrten jedoch zu dem altgemohnten Brauche 
zurück, und er dauerte bis in fpäte Zeit; denn wir lefen bey Tertullian 
(Apologie 9): Kinder wurden in Africa dem Saturn dffentlih geopfert 
bi8 zu des Tiberius Proconfulat, welder die Priefler an den Bäumen 
ihres Tempels freuzigen ließ dur die Nömifchen Solvaten. Ob Tiberius 
diefe8 that oder ein Anderer, denn von Tiberius läßt es ſich nicht gewiß 
fagen, da er mwenigftend nicht Proconful von Africa gewefen ift, fo mag 
an der Sache felbft doch nicht ganz gezweifelt werden. Indgeheim aber 
dauerte, wie Tertullian fagt, das Opfer fort, denn wir lefen ald That⸗ 
ſache bei Dionyfius von Halifarnaß (1. 38), daß die Opfer flattfanden, fo 
lange Tyrus und Karthago dauerte, und Quintus Curtius meldet (4. 3) 
von Tyrus, als Alexander dieſe Stadt belagerte, fey darauf angetragen 
worden, das viele Jahrhunderte lang unterlaßene Opfer, daß nämlich ein 
freigebohrener Knabe dem Saturnus gevpfert wurde, wieder vorzunehmen, 
weiches die Karthager bis zum Untergang ihrer Stadt fortgefegt haben 
folen. Hätten ſich nicht vie Aelteflen der Stadt wiverfegt, fo würde der 
Antrag geflegt haben. 

Da die Semiten jedoch auch Thiere opferten, fo war, abgeſehen von 
ven Erſtlingen derſelben, melde, wie auch die Erfllinge ver Früchte, der 
Gottheit gehörten, welche ven Seegen gab, das Ihieropfer doch theilmeife 
an die Stelle des Menfchenopferd getreten, und bie Gottheit empfleng 
theilweife, und felbft zum größeren Theile das Thierleben ftatt des Menſchen⸗ 
lebens. Auf das Thierhaupt ward daher auch die Sünde des Menichen 
gelegt, damit es dieſen von der- Schuld und ihrer Strafe befreie. Wie 
ver Gebrauch. bey den Kindern Iſrael war an ihrem großen Verfühnungd- 


38 Dpfer und Cult. 


tag ift oben, wo von dieſem Feſte die Rede mar, beichrieben worben. Da 
faben wir, daß der Bock vorzugsweiſe dad Thier war, auf welches bie 
Sünde der Ifraeliten gelegt ward. Doch der Einzelne, welcher ſich wegen 
einer Sünde mit Gott verfühnen wollte und mußte, Hatte ein durch das 
heilige Geſetz dazu beftimmtes Thier. Der Priefler, der Kürft und ber 
gemeine Mann unterfchieven ſich aud in diefer Hinſicht. Wir Tefen 
(Mofe II. 4): So ein Priefter, der gefalbet tft, fünbigen würde, daß er 
das Volk ärgerte; der fol für feine Sünde einen jungen Barren bringen, 
der ohne Wandel fey, dem Herrn zum Gündopfer. Und fol den Farren 
vor die Thüre der Hütte des Stiftes bringen vor dem Herrn, und feine 
Hand auf veffelben Haupt Tegen, und fchlachten vor dem Herrn, und ber 
Priefter, ver gefalbet ift, fol des Barren Blut nehmen und in die Hütte 
des Stiftes bringen. Und fol feinen Finger in das Blut tunfen, und 
dann fiebenmal fprengen vor dem Herrn, vor dem Vorhang im Hei⸗ 
ligen. Und fol deſſelben Blutes thun auf die Hörner des NRäucdhaltares, 
ber vor dem Herrn in der Hütte des Stiftes ſteht; und alles Blut gießen 
an den Boden des Brandopfer-Altares, der vor der Thüre der Hütte 
bes Stiftes ſteht. Und alles Fett des Sünbopfers fol er haben, nämlid 
das Fett am Eingeweide, die zwo Nieren mit dem Bette, das daran ifl, 
an den Lenden, und das Neb über ver Leber, an den Nieren abgerißen, 
und fol es anzünden auf dem Branbopfer- Altar. Aber das Zell des 
Barren mit allem Bleifche, fammt dem Kopf und Schenkel, und das Ein- 
geweide und den Mift foll er hinausführen außer dem Lager, an eine 
reine Stätte, da man die Afche hinjchüttet, und ſoll e8 verbrennen auf 
dem Holze mit Feuer. 

Wenn ed eine ganze Gemeine in Sfrael verfehben würbe, und bie 
That vor ihren Augen verborgen wäre, daß fie irgend wider ein Gebot 
bes Herrn gethan hätten, das fie nicht thun follten, und ſich alfo verfchul- 
beten, und darnady ihrer Sünde inne würden; follen fie einen jungen 
Barren barbringen zum Sündopfer, und vor die Thüre der Hütte des 
Stiftes fielen. Und die Aelteften von der Gemeine follen ihre Hände 
auf fein Haupt legen vor dem Herrn, und den Farren fchlacdhten vor dem 
Herrn. Und der Priefter, ver gefalbet ift, foll des Blutes vom Farren 
in die Hütte des Stiftes bringen, und mit feinem Finger barein tunfen, 
und jiebenmal fprengen vor dem Kern, vor dem Vorhang, und fol 
des Bluts auf vie Hörner des Altares thun, der vor dem Herrn flehet in 
ber Hütte des Stifts, und weiter thun, wie er mit dem Sünbopfer bes 
Priefters thut. Und fol alfo ver Priefter fie verföhnen, fo wird es ihnen 
vergeben. Wenn aber ein Yürft fünbiget und. wird feiner Sünde inne; 
ber fol zum Opfer bringen einen Ziegenbod ohne Wandel, und feine 
Hand auf des Bockes Haupt legen, und ihn ſchlachten an der Stätte, ba 
man bie Drandopfer fchladhtet. Da fol dann der Priefler des Blutes 


Dpfer und Eult. 39 


von dem Sündopfer nehmen mit feinem Finger, und auf die Hörner des 
Branbopfers Altares thun, und das andere Blut an den Boden des Brand« 
opfer⸗Altares gießen. Aber alles fein Fett fol er auf dem Altar anzünden. 
Und fol alfo der Priefter feine Sünde verfühnen, fo wird es ihm vers 
geben. Wenn es aber eine Seele vom gemeinen Volk verflehet, und 
fündiget, vie fol zum Opfer eine Biege bringen, und es fol gethan 
werden, wie bey dem Sündopfer des Bürften. Wird er aber ein Schaf 
zum Sündopfer bringen, fo bringe er ein meibliches, ohne Wandel. An 
ven Feſten, wie wir oben gefehen haben, wurde unter den übrigen Opfern 
auch ein Bock ald Sündopfer dargebracht. Daß aber die Sündopfer nicht 
alle als ganz gleich betrachtet wurden, ſehen wir daraus, daß nicht alle 
gänzlih verbrannt und zwar an einer befondern, außerhalb befindlichen 
Stätte verbrannt wurden, fondern daß die PBriefter von einem Theile ders 
jelben aßen. Die Satung darüber lautet (Mofe III. 6): An ver Stätte, 
da du das Brandopfer ſchlachteſt, folft du auch dos Sündopfer ſchlachten 
vor dem Herrn; das iſt dad allerheiligſte. Der Prieſter, der das Sünd⸗ 
opfer thut, ſoll es eßen an heiliger Stätte, im Vorhofe der Hütte des 
Stiftes. Niemand fol feines Fleiſches anrühren, er ſey denn gemeibet, 
und wer von feinem Blut ein Kleid befprenget, der fol dad befprengete 
Stück waſchen an Heiliger Stätte. Und den Topf, darinnen es gekocht iſt, 
fol man zerbrechen. If e8 aber ein eherner Topf, fo fol man ihn 
fdeuern und mit Waßer fpülen. Was männlidh ift unter den Prieflern, 
fol davon eßen; denn es ift das allerbeiligfte. Aber alles das Sünd- 
opfer, deß Blut in die Hütte des Stiftes gebracht wird, zu 
verföhnen im Heiligen, fol man nicht efen, fondern mit Feuer verbrennen. 
Den Grund dafür, daß die Priefler auch dad Sündopfer aßen, finden wir 
alfo angegeben (Mof. I. 10): Und Mofe fuchte den Bold des Sünd⸗ 
opferd, und fand ihn verbrannt, und ward zornig über Aaron's Söhne, 
und fprah: Warum habt ihr das Sündopfer nicht gegeßen an heiliger 
Stätte? denn es das allerbeiligite ift, und er hat's euch gegeben, daß Ihr 
die Mißethat der Gemeine tragen follt, daß ihr fie ver 
fühnet vor vem Herrn. Siehe, fein Blut ift nicht gefommen in das 
Heilige hinein. Ihr foltet e8 im Heiligen gegeßen haben, wie mir 
geboten if. Aaron aber fprah zu Mofe: Siehe, heute haben fie ihr 
Sündopfer und ihr Brandopfer vor dem Herrn geopfert, und es ift mir 
alfo gegangen, wie vu ſieheſt; und ich follte een heute von dem Sünd⸗ 
opfer, ſollte das dem Herrn gefallen? Da das Mofe hörete, Tieß er's ihm 
gefallen. 

Neben dem allgemeinen großen Sünbopfer am Verföhnungstag, und 
ven Opfern für Berfündigung an den Geboten Gottes hatten die Ifraeliten 
noch befondere Schulvopfer. Genaue Kunde darüber findet fih in ben 
heiligen Sagungen (Mofe Ill. 5), wo es heißt: Wenn eine Seele jündigen 


20 Dpfer und Eult. b 


würde, daß er einen Fluch höret,; und er deß Zeuge iſt, oder geſehen, 
oder erfahren hat, und nicht angefaget; ver iſt einer Mißethat fchulvig. 
Oder wenn eine Seele etwas Unreines anrühret, ed fey ein Aad eines 
unreinen Thiers, orer Viehes, oder Oewürmd, und müßte es nicht; der iſt 
unrein und hat ſich verfchuldet. Oper wenn er einen unreinen Menfchen 
anrührt, in was für Unreinigfeit der Menſch unrein werden fann, und 
wüßte es nicht, und wird es inne; ver hat ſich verfchuldet. Oder wenn 
eine Seele fchwöret, daß ihn aus dem Mund entführet, Schaden oder 
Gutes zu thun (wie denn einem Menſchen ein Schwur entfahren mag, 
ebe er e8 bedacht), und wird es inne; der hat fih an der einem vers 
ſchuldet. Und er fol für feine Edyuld diefer feiner Sünde bringen eine 
Schaf» oder Ziegene Mutter zum Sündopfer; fo fol ihm der Prieſter 
feine Sünde verfühnen. Vermag er aber nicht ein Schaf; fo bringe er 
dem Herrn zwo Turteltauben oder zwo junge Tauben, die erfte zum Sünds 
opfer, die andere zum Brantopfer. Und bringe fle dem Briefter. Der fol 
die erfte zum Sundopfer machen, und ihr den Kopf abfneipen hinter dem 
Genid, und nicht abbrechen; und fprenge mit dem Blute des Sündopferd 
an die Seite des Altard, und laße dad übrige Blut audbluten an des 
Altares Boden. Das ift das Süntopfer. Die andere fol er zum Brands 
opfer machen, nad feinem Rechte. Dermag er aber nicht zmo Turtels 
tauben oder zwo junge Tauben, fo bringe er einen zehnten Theil Epha 
Semmelmehl zum Süntopfer. Er foll aber fein Del darauf 
legen, noch Weihrauch darauf thun; denn es iſt ein Sünd⸗ 
opfer. Der Prieſter aber fol eine Handvoll davon nehmen zum Gedaͤcht⸗ 
nip, und anzünten auf dem Qltare zum euer dem Herrn. Das iſt ein 
Sündopfer, und der Priefler fol alfo feine Sünde ihm verföhnen, und 
das Semmelmetl fol des Prieſters feyn, wie ein Speiscpfer. Wenn fi 
eine Seele vergreifet und verfündiget an dem, das dem Herrn gemeibet 
if; fol fie ihre Schuldopfer dem Herrn bringen, einen Widder ohne 
Wandel von der Heerde, der zween Sedel Silbers werth fey, nad) dem 
Sedel des Heiligthums. Dazu was er gefündiget hat an dem Gemweiheten, 
fol er wiedergeben, und den fünften Theil darüber geben. Wenn eine 
Seele fündiget, und thut mider irgend ein Gebot ded Herrn, die, hat fidh 
verſchuldet, und fol bringen einen Widder, der eines Schulpopfers werth 
if. (Da die Sündopfer, von welchen oben die Rede war, die Berfün- 
digung gegen irgend ein Gebot des Herrn zum Gegenftanve der Verföhnung 
hatten, fo ift es dunkel, was bier mit einer Verichuldung, die auch eine 
Sünde gegen irgend ein Gebot des Herrn zum Inhalte bat, gemeint fey.) 
Wenn eine Seele fündigen würde, und fi an dem Herrn vergreifen, 
dag er feinem Nebenmenſchen verläugnet, was er ihm befohlen bat, over 
. das ihm zu treuer Hand gethan iſt, oder das er mit Gewalt genommen, 
oder mir Unrecht an ſich gebracht, over, das verloren iſt, gefunden hat, 


Dpfer und Eult. a1 


und Täugnet ſolches mit einem falihen Cide; fo foll er wiedergeben, 
worüber er den falſchen Eid gethan hat, dazu den fünften Theil darüber, 
an dem Tage, wann er fein Schulvopfer giebt. Aber für feine Schuld 
fol er dem Herrn zu dem Prieſter einen Widder bringen, ber eines 
Schuldopfers werth iſt. Das Schulvopfer aber ward (Kap. 7) eben io 
gecpfert, wie das Sündopfer, und eben fo vom Priefler gegeßen, wie 
oben angegeben. 

Das gewdhnlide Thieropfer, welches Einer dem Herrn barbradhte, 
wird ein Brandopfer genannt, worüber wir lefen (Mofe III. 1): Welcher 
unter euch dem Herrn ein Opfer thun will, ber thue ed von dem Vieh, 
von Rindern und Schafen Wil er ein Brandopfer thun von 
Rindern, fo opfere er ein Männlein, das ohne Wandel fey, vor der Thüre 
der Hütte des Stifts; und lege feine Hand auf des Brandopfers Haupt; 
jo wird e8 angenehm feyn und ihn verföhnen. Und fol es ſchlachten, 
und die Priefter follen das Blut auf ven Ultar vor der Hütte des Stiftes 
fprengen, und man fol ibm die Haut abziehen, und es fol in Stüde 
jerhauen werben, und die Priefter follen die Stüde, nämlid den Kopf 
und dad Bett auf das Holz des Altared legen. Die Eingemweive aber 
und die Schenfel fol man waſchen, und der Priefler fol dus Alles 
anzünden zum Brandopfer. Will er aber von Schafen und Ziegen ein 
Brandopfer thun, fo opfere er ein Männlein, das ohne Wandel fey. Und 
ſoll es fchlachten zur Seite des Ultared, gegen Mitternadht. Will er aber 
von Vögeln dem Herrn ein Branvopfer tbun, fo thue er es von Turtels 
tauben over von jungen Tauben. Und ver Priefter fol es zu dem Altare 
bringen und ihm den Kopf abfneipen, und fein Blut ausbluten lapen an 
ver Wand des Altard. Und feinen Kropf mit feinen Berern fol man 
neben ten Altar gegen den Morgen auf den Afchenhaufen werfen. Und 
fod feine Flügel fpalten, aber nicht abbrechen. Und alfo foll es ber 
Priefter anzünden auf dem Altare zum Branvopfer. Ueber das Brand⸗ 
opfer aber lautete die Satzung (Kap. 6): Das Brandopfer fol brennen 
auf dem Ultare, die ganze Nacht bis an den Morgen; es ſoll aber allein 
des Altares Beuer darauf brennen. Und der Priefter fol feinen leinenen 
Rod anziehen, und die leinene Niederwand an feinen Leib; und fol die 
Aſche aufheben, die das Feuer des Brandopferd gemacht hat, und fol fie 
neben den Altar fchütten. Und fol feine Kleider darnach ausziehen, und 
die Aſche Hinaustragen, außer dem Lager an eine reine Stätte. Das 
Feuer auf dem Altare fol brennen, und nimmer verlöfchen; ver Priefler 
fol alle Morgen Holz darauf anzünden, und oben darauf das Brandopfer 
jurichten, und das Bett der Danfopfer darauf anzünden. Ewig foll das 
euer auf dem Altare brennen, und nimmer verlöfden. 
Das Fell des Branvopfers befam der Priefler, der es geopfert Hatte. 

Das Speisopfer kommt oft in Verbindung mit anderen Opfern 


40 Opfer 


würde, daß er einen Fluch höre . 
over erfabren bat, und nidt an: 

Oder wenn eine Seele etwas u 

unreinen Thiere, over Biehed, c — 

unrein und bat ſich verſchuldet 

anrührt, in was für Unreini, - 
müßte ed nicht, und wird es 

eine Seele ſchwoͤret, daß ik: 

Gutes zu thun (mie denn e - 
ebe er e8 bedacht), und mi: \ 
ſchuldet. Und er fol für 
Schaf- oder Ziegen- Mur 
feine Sünde verfühnen. 
dem Herrn zwo Turteltan 
opfer, die andere zum B 

tie erfte zum Süntepie 
Genid, und nicht abbı 

an die Geite des Alı 
Altared Boden. Dar 

epfer machen, nadı 

tauben oder zwo j- 
Semmelmebl zum 

Tegen, noch © 

opfer. Dir Pr 

niß, und anzün 

Sündopfer, w 

das Semmeln 

eine Seele v 

iſt; ſoll fü 

Wandel ve 

Seckel dit 

fol er ı 

Seele fi — m 
verſchul 
iR. € - 
digung 
hatten 
Sund 
Wenn 
daß er 
das il, 










ur Dpfer und Cult. 43 







ien euern Wohnungen, daß ihr Fein Bett noch Blut 
ınfopfer wird ein Lobopfer (d. t. ein Opfer zum Lobe 
r erwähnt (Rap. 7), und es heißt: Wollen fie ein 
'oflen fie ungefäuerte Kuchen opfern, mit Del gemenget, 
Fo iben mit Del beftrihen, und geröflete Semmelfuchen 
Ste follen aber ſolches Opfer thun, auf einem Kuchen 
ede, zum Robopfer feines Danfopferd. Und foll einen 
sem Seren zur Hebe opfern; und fol bes Priefters feyn, 
Dankopfers fprenget. Und das Fleiſch des Lobopfers 
onfer fol deſſelben Tages gegeßen werben, ba es geopfert 
übrig gelaßen werden, 5i6 an ven Morgen, es ſey ein 
elwiiges Opfer, fo aber etwas überbleibet auf ven andern 
an 28 dor efen. Aber was vom geopferten Bleifch über« 
ten Tage, fol mit Beuer verbrannt werden. Und mo 
eltten Tage wird efen von feinem Danfopfer, ver wird nicht 
05 € wird ihm auch nicht zugerechnet werden, fonbern 
Orämel feyn, und welde Seele davon efen wird, die ft 
at ſchuldig. Und das Fleiſch, dad etwas Unreined anrähret, 
geßen, fondern mit euer verbrannt werden. Wer reines 
ser fol des Fleiſches eßen. Und welche Seele een wird von 
des Danfopfers, dad dem Herrn zugehöret; derſelben Unzeinig« 
F ihr, und fie wird auögerottet werden von Ihrem Volle. Wer 
: ein Dankopfer thun will, der fol auch mitbringen, was zum 
* dem Seren gehöret. Gr fol es aber mit feiner Hand herzu⸗ 
namlich das Bett an ver Bruft, fammt der Bruft, daß fle eine 
erden vor dem Herrn. Und der Priefler fol das Fett anzünden 
= Mar, und die Bruft fol Aaron's und feiner Söhne feyn. Und 
die Schulter follen fie dem Prieſter geben zur Hebe von ihren 
fern. Die Hebeſchulter aber und die Webebruft bed Dankopferd 
and die Toͤchter der Priefter eßen. 
-t Menigung gehörten in manchen Fällen auch Opfer, doch führten 
nicht den Namen der Reinigungsopfer, fondern galten ald Brand« 
ser, Gündopfer, Schuldopfer. So mar die Wöchnerin, nad 
heiligen Gagung (Mofe II. 12), fleben Tage unrein, wenn fie ein 
Wlein gebohren, und mußte drei und dreißig Tage zu Haufe bleiben, 
daß fe nicht zum Helligthume kommen durfte. Hatte fie ein Magdlein 
"ehren, fo war fie vierzehen Tage unrein und mußte ſechs und ſechzig 
Zus sa Haufe bleiben. (Alfo hatte ein Maͤdchen nur ven halben Werth 





machet euch zu allerlei nu; aber eben follt ihr es nic. Denn wer das 
Fett iBet vom Dich, das dem Herrn zum Opfer gegeben if; 
biefelbe Seele ſoll ausgerottet werben von ihrem Bolle, 


43 Opfer und Cult. 


vor, wozu dann noch bad Trankopfer gefügt ward, doch in der Heiligen 
Sagung fommt es als felbfiftländiges Opfer vor (Moſe III. 2), und es 
heißt daſelbſt: Wenn eine Seele dem Herrn ein Speidopfer thun will; 
fo fol e8 von Semmelmehl feyn, und fol Del darauf gießen, und Weih- 
rauch darauf legen. Der Priefler fol feine Hand voll nehmen von dem 
Mebl und Del, fammt ven ganzen Weihrauch, und anzünden zum Gedächt⸗ 
niß auf dem Altare. Das Uebrige aber fol Aaron's und feiner Söhne 
feyn. Das fol das allerheiligfte feyn von den Feuern des Herrn. Wil 
er aber fein Speisopfer thun von Gebackenem im Ofen; fo nehme er 
Kuchen von Semmelmehl ungefäuert, mit Del gemenget, und ungefäuerte 
laden mit Del beftrichen. Iſt aber dein Speisopfer etwas vom Gebackenen 
in ver Pfanne, fo foll e8 von ungefäuertem Semmelmehl mit Del gemenget 
feyn; und folft e8 in Stüde zertheilen und Del darauf gießen, fo iſt e8 
ein Speilsopfer. Iſt aber dein Speisopfer etwas auf dem Roſt geröftet, 
fo foOR du e8 von Semmelmehl mit Del machen, und der Prieſter fol 
deffelben Speisopfer8 heben zum Gedaͤchtniß und anzünden auf dem Altare. 
Das Uebrige aber fol Aaron’s und feiner Söhne ſeyn. Alle Speisopfer 
font ihr ohne Sauerteig maden; denn fein Sauerteig nod 
Honig foll darunter. Aber zum Erfiling follt ihr fie dem 
Herrn bringen; aber auf feinen Altar follen fie Eommen 
zum füßen Gerud. Alle deine Speisopfer folft zu falzen, und dein 
Speisopfer foll nimmer ohne Salz des Bundes deines 
Gottes ſeyn; denn in allem deinem Opfer follfi vu Sal; 
opfern. Wilft vu aber ein Speißopfer dem Herrn thun von den erften 
Früchten; ſollſt du die Sangen am euer gebörrt Flein zerftoßen, und follft 
Del darauf thun und Weihrauch darauf legen. Alles Speisopfer aber gehörte 
dem Priefter (Kap. 7). Am Tage feiner Salbung hatte der Priefler audy 
ein Speidopfer, ein Zehntel Epha Semmelmehl mit Del in einer Pfanne 
gerdftet in Stüden, die eine Hälfte des Morgens, die andere des Abends, 
darzubringen. Dies aber wurde ganz verbrannt und nicht gegeßen (Kap. 6). 

Wer ein Danfopfer bringen wollte (Mofe II. 3), nahm einen 
Ochſen oder eine Kuh, over einen Schöps oder ein Schaf, oder ein 
Lämmlein oder eine Ziege, legte dem Thiere die Hand auf das Haupt 
und fchlacdhtete es vor der GStiftshütte, der Priefter fprengte dad Blut auf 
den Altar, nahm das Fett ver Eingeweide, die Nieren mit ihrem fett, 
und dad Nek an den Nieren abgerigen (vom Lamm aud ben ganzen 
Schwanz vom Rüden abgerigen), und verbrannte es auf dem Altare. 
(Bei Gelegenheit viefes Opfers wird in ver heiligen Sagung bemerkt: 
Alles Bett iſt des Herrn. *) Das fey eine ewige Sitte bey euern 


*) Meiterhin (Kap. 7) Heißt es: Ihr follt fein Fett eBen von Ochfen, Zimmern 
und Ziegen. Aber das Fett vom Nas, und was vom Wild zerrißen if, 


Dpfer und Eult. 43 


Nachkommen, in allen euern Wohnungen, daß ihr Fein Bett noch Blut 
eßet.) Mit dem Danfopfer wird ein Lobopfer (d. i. ein Opfer zum Lobe 
der Güte des Herrn) erwähnt (Kap. 7), und e8 heißt: Wollen fie ein 
Lobopfer thun; fo follen fie ungefäuerte Kuchen opfern, mit Del gemenget, 
und ungefäuerte laden mit Del beſtrichen, und geröflete Semmelfuchen 
mit Del gemenget. Sie follen aber ſolches Opfer thun, auf einem Kuchen 
von gefäuertem Brode, zum Xobopfer feines Danfopferd. nd fol einen 
von denen allen dem Herrn zur Hebe opfern; und fol des Prieſters feyn, 
der das Blut des Danfopferd fprenget. Und das Fleiſch des Lobopfers 
in feinem Danfopfer fol deſſelben Tages gegeßen werden, da es geopfert 
it, und nichts übrig gelaßen werben, bi8 an den Morgen, es fey ein 
Gelübde oder freimilliges Opfer, fo aber etwas überbleibet auf den andern 
Tag, fo fol man es dor eßen. Aber was vom geopferten Fleiſch über- 
bleibet am dritten Tage, fol mit euer verbrannt werden. Und mo 
Jemand am dritten Tage wird eßen von feinem Dankopfer, der wird nicht 
angenehm ſeyn; e8 wird ihm auch nicht zugerechnet werben, fondern 
es wird ein Bräuel feyn, und welche Seele davon efen wird, bie ift 
einer Mißethat ſchuldig. Und das Bleifh, das etwas Unreines anrühret, 
fol nicht gegeßen, ſondern mit euer verbrannt werden. Wer reines 
Leibes iſt, der fol des Bleifches epen. Und welche Seele eßen wird von 
dem Fleiſche des Dankopfers, das dem Herrn zugehdret; berfelben Unreinig⸗ 
feit fey auf ihr, und fie wird ausgerottet werden von Ihrem Volke. Wer 
dem Herrn ein Dankopfer thun will, der fol auch mitbringen, was zum 
Danfopfer dem Herrn gehöret. Er fol es aber mit feiner Hand herzu⸗ 
bringen: naͤmlich das Fett an der Bruft, fammt der Bruft, daß fie eine 
Mebe werden vor dem Herrn. Und der Prieſter fol das Bett anzünden 
auf dem Altar, und die Bruft fol Aaron’s und feiner Söhne feyn. Und 
bie rechte Schulter follen fie dem Priefter geben zur Hebe von ihren 
Dankopfern. Die Hebefchulter aber und die Webebruft des Dankopfers 
durften auch die Töchter der Priefter eßen. 

Zur Renigung gehörten in manchen Fällen auch Opfer, doch führten 
biefe nicht den Namen der NReinigungsopfer, fondern galten ald Brand« 
opfer, Sündopfer, Schuldopfer. So war die Wöchnerin, nad) 
ber heiligen Sagung (Moſe III. 12), fleben Tage unrein, wenn fie ein 
Rnäblein gebohren, und mußte drei und dreißig Tage zu Haufe bleiben, 
fo daß fle nicht zum Heiligthume kommen durfte. Hatte fie ein Mägplein 
gebohren, fo war fie vierzehen Tage unrein und mußte ſechs und fechzig 
Tage zu Haufe bleiben. (Alſo hatte ein Mäpchen nur den halben Werth 


machet euch zu allerlei nuß; aber eßen follt ihr es nicht. Denn wer das 
Feit ißet vom Vieh, das dem Herrn zum Opfer gegeben iſt; 
dieſelbe Seele ſoll ausgerottet werden von ihrem Volke. 


48 Dpfer und Eult. 


eines Knäbchens vor Bott.) Dann fol fie ein jähriges Lamm bringen 
zum Brandopfer, und eine junge Taube oder Turteltaube zum Sündopfer. 
Vermag aber ihre Hand nicht ein Schaf, fo nehme fie zwo Turteltauben, 
oder zwo junge Tauben, die eine zum Brandopfer, die andere zum Sünds 
opfer; fo fol fie der Briefter verföhnen, daß fle rein merde. Den Aut» 
füßigen hatte der Priefter zu verjchließen und von fieben zu fieben Tagen 
zu befeben, und wenn er ihn geheilt findet, fol er ihn reinigen (Kap. 14), 
und fol gebieten dem, der zu reinigen ifl, daß er zween lebenvige Vögel 
nehme, die da rein find, und Cedernholz, und rofinfarbige Wolle, und 
Diop. Und fol gebieten, den einen Vogel zu fchlachten in einem irdenen 
Gefäß, am fließenden Waßer. Und fol den lebendigen Vogel nehmen 
mit dem Cedernholz, rofinfarbener Wolle und Yſop, *) und in bes 
geſchlachteten Vogels Blut tunfen am fliegenden Waßer, und befprengen 
den, der vom Audfage zu reinigen ift fiebenmal; und reinige ihn alfo, 
und laße den lebendigen Vogel ins Freie fliegen. Der Gereinigte aber 
fol feine Kleider wafchen, und alle feine Haare abfcheeren, und fi mit 
Waßer baden; fo ift er rein. Darnach gehe er ind Lager; doch fol er 
außer feiner Hütte fieben Tage bleiben. Uup am flebenten Tage fol er 
alle feine Haare abfcheeren, auf dem Haupt, am Bart, an den Augen 
braunen, und fol feine Kleiver waſchen, und fein Bleifh im Waßer 
baden ; fo ift er rein. Und am achten Zuge foll er zwei Lämmer nehmen 
ohne Wandel, und ein jähriges Schaf ohne Wandel, und drei Zebnten 
Semmelmehl zum Speisopfer mit Del gemenget, und ein Log Del. Da 
fol der Priefter denſelben Gereinigten und dieſe Dinge ftellen vor ven 
Herrn, vor der Thüre der Hütte des Stift. Und fol das eine Lamm 
nehmen, und zum Schuldopfer opfern mit dem Log Del; und fol 
foldhe8 vor dem Herrn weben, und darnach das Lamm fchlachten, da man 
da8 Sündopfer und Brandopfer fchladhtet, nämlih an Heiliger Etätte; 
denn wie das Süntopfer, alfo iſt auch dad Schuldopfer des Priefters; 
denn es ift das allerheiligfie. Und ter Priefter fol des Blutes nehmen 
vom Schuldopfer, und dem Bereinigten auf ven Rnörpel ded reiten 
Ohres thun, und auf ven Daumen feiner reiten Sand, 
und auf den großen Zehen feines rechten Fußes. Darnach 
fol er des Deld aus dem Log nehmen, und in feine (ded Prieſters) Linke 
Hand giefen; und mit feinem rechten Zinger in dad Del tunfen, und 


*) Späterhin wurde dem Dfop geradezu reinigende Kraft zugeſchrieben, und 
der Stoicder Chäremon giebt bey Porphyrius über die Enthaltfamfeit 
(4. 7) an, die Negyptifchen Briefter hätten an den Tagen heiliger Ents 
haltung fein Brod genoßen, fonft aber es mit Dfop zufammen geftoßen 
genoßen, weil diefer die Kraft deffelben zum großen Theile fchwäche. 
Freilich gehört diefe Angabe einer fpäten Zeit fchwacher und grüblerifcher 
Myſtik an. 


Dpfer und Cult. 45 


fprengen mit feinem Binger das Del fiebenmal vor dem Herrn. Das 
übrige Del aber in feiner Hand fol er dem Gereinigten auf den Knörpel 
des rechten Ohres thun, und auf den rechten Daumen und auf den großen 
Beben des rechten Fußes oben auf dad Blut des Schulvopfers. Das 
übrige Del aber in feiner Hand fol er auf des Gereinigten Haupt thun, 
und ihn verfühnen vor dem Herrn. Und fol dad Sündopfer maden, 
und den @ereinigten verföhnen feiner Unreinigfeit halben; 
und fol darnach dad Brandopfer ſchlachten, und fol es auf dem Altar 
opfern fammt dem Speidopfer, und ihn verfühnen; fo iſt er rein. If er 
aber arm, fo nehme er ein Lamm zum Schulpopfer, und einen Zehnten 
Semmelmehl mit Del gemenget zum Speisopfer, und einen Log Del, und 
wo Zurteltauben, oder zwo junge Tauben, daß eine fey ein Sünbopfer, 
die andere ein Brandopfer. (Den Ausſatz glaubte man auch an Kleidern, 
wollenen ſowohl als leinenen, und an Bellen zu bemerfen [Kap. 13], und 
in diefem ale ſchloß fie der Priefter ein und befah fie von fleben zu 
fieben Tagen, und vergieng das Mahl, fo befland die Neinigung im 
Waſchen und Abreigen vefjelben; wenn dies aber ven Fleck nicht vertrieb, 
fo mußte es als ausfägig verbrannt werden.) Auch Häufer galten für 
ausfägig (Kup. 14), wenn fih an den Wänden gelbe oder röthlidhe Grüb⸗ 
fein zeigten, weldye nach innen fragen. Der Priefter verfchloß ein ſolches 
Haus fieben Tage lang, und wenn diefe Flecken nicht vergangen waren, 
wurben die angefreßenen Steine herausgebrodyen, und vor der Stadt an 
einen  unreinen Ort geworfen, das Haus inwendig abgeſchabt und neu 
beworfen, famen aber die Flecken wieder, dann ward das Haus nieder- 
gerifen, und der Schutt hinausgefchafft an einen unreinen Ort. Gieng 
Giner, während das Haus durch den Priefter verfchloßen war, hinein, fo 
ward er unrein, und wer barinnen lag ober aß, mußte feine Kleider 
waſchen. Erklaͤrte jedoch der Prieſter das Haus für rein, fo nahm er 
um Sündopfer für bad Haus zween Vögel, Cedernholz, rofin- 
farbene Wolle und Dfop, und verfuhr damit wie bey einen ausfägigen 
Menſchen. Hatte ein Menich einen Fluß, fo war er unrein, und wer 
mit ihm in Berührung fam, warb auch unrein bis auf den Abend, und 
mußte baden und feine Kleider wafchen; irvene Gefäße, die der mit Fluß 
BYehaftete anrührte, mußte man zerbrechen, hölzerne Gefäße aber mit 
Waßer fpülen. Ward er von dem Liebel befreit, jo mußte er fieben Tage 
darauf feine Kleider waſchen und fi in fließendem Waßer baden, am 
achten Tag aber zwo Turteltauben over zmo junge Tauben zur Stifts⸗ 
bütte bringen, die eine zum Sündopfer, die andere zum Branbopfer. 

Gin befonderes Neinigungsopfer war das, woraus Sprengmaßer zur 
Entfündigung bereitet ward. Wir leſen (Mofe IV. 19): Der Herr fprady 
zu Mofe und Aaron, diefe Weile fol ein Beleg feyn, das der Herr 
geboten Hat. . Sage den Kindern Ifrael, daß fie zu bir führen eine zöth« 


26 Dpfer und Gult. 


fihe Kub, an der fein Behler fey, und auf die noch nie fein Soc 
gefommen ifl. Lind der Priefler fol fie hinaus vor das Lager führen, 
und daſelbſt vor ihm ſchlachten lagen, und fol des Blutes mit feinem 
Binger nehmen, und ſtracks gegen die Hütte des Stiftes fprengen, und bie 
Kuh vor ihm verbrennen lagen, beydes, ihr Bel und ihr Fleiſch, dazu 
ihr Blut fammt ihrem Miſt; und fol Cedernholz und Yſop und rofin- 
farbene Wolle auf die brennende Kub werfen. Und er fol feine Kleiver 
wachen und feinen Xeib baden, und unrein fein bis an den Abend, und 
eben fo der, welder fie verbrannt hat. Und ein reiner Mann foll die 
Aſche von der Kuh aufraffen, und fie fehütten außer dem Lager an eine 
reine Stätte, daß fie vafelbft verwahret werde, für die @emeine zum 
Sprengwaßer, denn es ift ein Sünvopfer. Und der die Afche aufgerafft 
bat, fol feine Kleiver waſchen, und unrein feyn bi8 an den Abend. Dies 
fol ein ewiges Recht ſeyn den Kindern Ifrael und den Fremdlingen, die 
unter euch wohnen. Wer nun irgend einen todten Menfchen anrühret, 
der wird fieben Tage unrein feyn; der fol fi Hiermit entfünvigen am 
dritten und am fiebenten Tage. Wenn ein foldher fih nit entfündigen 
wollte, fo verunreinigt er die Wohnung des Herrn, und foldhe Seele fol 
audgerottet werden. So follen fie nun für den Unreinen nehmen von 
diefer Aſche, und fließendes Waßer darauf thun in ein Gefäß, und ein 
reiner Mann fol Yſop nehmen und ind Waßer tunfen und befprengen 
die Hütte, worin Einer geftorben, und alle Geräthe, und alle Seelen, die 
darinnen find; aljo auch den, der eines Todten Bein, oder Erichlagenen, 
oder Todten, oder Grab angerühret hat. Und diefer fol feine Kleiver 
waſchen und fi} baden, fo wird er am Abende des fiebenten Tages rein. 
Eben fo fol der, welcher gefprengt hat, feine Kleiver wafchen. Und wer 
das Sprengwaßer anrühret, fol unrein feyn bis an den Abend, und Alles, 
was er anrühret, wird unrein werben, und welche Seele er anrühren wird, 
fol unrein feyn bis an den Abend. Auch die LXeviten wurden bey ihrer 
Einweihung mit Sündwaßer befprengt (IV. 8). 

Für vergoßenes Menfchenblut galt Feine Verföhnung (IV. 35). Wer 
blutſchuldig if, der ſchändet das Land, und das Land Tann vom Blute 
nicht verfühnet werden, das barinnen vergoßen wird, ohne durch das Blut 
deß, der e8 vergoßen bat. Wenn man nun einen Erichlagenen findet im 
Felde (V. 21), ſollen die Aelteſten und Richter hinausgehen, und von 
dem Erſchlagenen meßen an die Städte, die umher liegen. Die Aelteften 
dann der naͤchſten Stabt follen eine junge Kuh, auf der noch Fein Jod 
war, nehmen und fie binabführen in einen Fiefigen Grund, ver weber 
gearbeitet noch befäet if, und daſelbſt ihr den Hals abbauen. Da ſollen 
herzukommen die Prieſter, die Kinder Levi, und alle Aelteſten ver Stadt 
zu dem Erſchlagenen, und ihre Hände mwafchen über die junge Kuh, und 
ſollen jagen: unfere Hände haben died Blut nicht vergoßen, alfo haben’s 
au unjere Augen nicht gefehen. Sey gnaͤdig deinem Volk Sfrael, pas 


Opfer und Cult. 47 


du, der Kerr, erlöfet Haft, lege nicht das unfchuldige Blut auf dein Volt 
Iſrael. So werden ſie über dem Blute verföhnet feyn. 

Das Eiferopfer und Rügeopfer fund flatt, wenn Jemand 
wegen einer Sache eiferte und eine Mißethat rügte. Das einzige Beyfpiel 
feiner Anwendung findet fi jedoch in der heiligen Satzung (IV. 5), bey 
dem Verdachte weiblicher Untreue. Wenn fi, beißt ed, eines Mannes 
Weib verliefe und an ihm verfündigte, und der Mann hat fie nicht darin 
ergriffen und kann ſie nicht überführen, und ver Eifergeift entzündet ihn, 
fo fol er fie zum Priefter bringen, und ein Opfer über fie bringen, den 
Zehnten Epha Gerftenmehl, und fol fein Del darauf gießen, noch Weih« 
rauch darauf thun. Denn es ift ein Ciferopfer und Rügeopſer, das 
Mißethat rüget. Da fol fle der Prieftey herzuführen, und vor ven Herrn 
fielen, und des heiligen Waßers nehmen in ein irdenes Gefäß, und 
Staub vom Boden der Wohnung ind Waher thun, und fol das Weib 
vor den Herrn flellen, und ihr Haupt entblößen, und das Nügeopfer, das 
ein Eiferopfer iſt, auf ihre Hand legen. Und der Priefler fol in feiner 
Hand bitteres, verfluchtes Waper haben; und fol das Weib beichwören, 
und zu ihr fagen: Haft du dich nicht von deinem Manne verlaufen, daß 
du dich verunreiniget haft; fo follen bir dieſe bitteren, verfluchten Waßer 
nicht ſchaden. So du dich aber verlaufen Haft, fege der Herr did zum 
Fluch und Schwur unter deinem Bolfe, daß der Herr deine Hüfte 
ſchwinden und deinen Bauch fchmellen laße. So gehe nun das verfludhte 
Waßer in deinen Leib; und das Weib fol fagen: Umen, Amen. Alſo 
fol der Priefler dieſe Flüche auf einen Zettel fchreiben, und mit dem 
bitteren Waßer abmafchen, und fol dem Weibe von dem bitteren vers 
fluchten Waßer zu trinken geben. Dann fol er von ihrer Hand das Eifer- 
opfer nehmen, und zum Speidopfer vor dem Herrn weben, und auf dem 
Altar opfern, nämli: foll er eine Sand voll des Speidopferd nehmen zu 
ihrem Ruͤgeopfer, und auf dem Altar anzünden, und darnach dem Weibe 
bad Waßer zu trinfen geben. 

Hebeopfer waren freiwillig dargebrachte Opfer, 3. B. die Gegen 
fände, welche dienten, vie Stiftshütte mit allem Zubehdr zu errichten, 
und die Priefler zu kleiden (Mofe li. 25). (Die Schulter des Opfer- 
thieres, welche dem Priefter gehörte, hieß Hebeſchulter, und das Opfer 
ber Priefterweihe, womit Einer zum Priefter eingelegt warb, war, obgleidy 
es Büllopfer hieß, ein Hebeopfer, wie wir es genannt ſehen [Mofe II. 29], 
und wir lejfen: Die Hebeopfer follen des Herrn feyn von den Kindern 
Iſrael an ihren Dankopfern und Hebeopfern. Den Namen hatten 
e von dem Heben der dargebrachten Gegenflände.) Die Erſtlinge⸗ 
Opfer aber mußten von dem Lebendigen und den Gewächſen dargebracht 
werden. War ein Thier unrein (von den Menſchen iſt oben die Rebe 
gewefen), fo konnte man es nicht opfern, und der Beſitzer durfte es loͤſen, 
indem er den fünften Theil über die prieflerliche Schägung dafür gab. 


28 Dpfer und Enlt. 


Loͤſte er es nicht, fo ward ed ald Eigenthum des Herrn verfauft (II. 27). 
Die Crfllinge der Erndte wurden zweimal bargebradht, einmal vie ver 
Gerſtenerndte während des Paflahfefled, die der ganzen Erndte fieben 
Wochen nachher. Die heilige Sapung ift angeführt in der Abtheilung 
von den Feſten. (Im fünften Buche Mofe [26] Iefen wir: Wenn du in 
das gelobte Land kommſt, ſollſt du nehmen allerlei erfle Früchte des Landes, 
und follf fie in einen Korb legen und bingehen an den Drt, den ver 
Herr erwählen wird. Und der Priefler fol ven Korb vor dem Altare 
nievderfegen, und du ſollſt die Früchte laßen vor dem Herrn und anbeten, 
und froͤhlich feyn über alles Bute, das dir der Herr gegeben bat. Im 
vierten Buche [15] lefen wir: Wenn ihr in das Land kommt, darein ich 
euch bringen werve, daß ihr eßet des Brods im Lande; folt ihr dem 
Herrn eine Hebe geben; nämlich eure Teigs Erfllinge follt ihr einen 
Kuchen zur Hebe geben; wie die Hebe von der Scheune.) 

Zur Einweihung der Priefler waren Opfer erforverlih, eben fo zur 
Einweihung des Heiligthumes. Diefe find angegeben in der Abtbeilung 
von den Prieftern und den Tempeln. Gelübde find als Gelegenheitd- 
opfer zu betrachten; doch gab ed Beflimmungen barüber in der heiligen 
Sagung, die alfo lauten (IV. 6): Wenn ein Mann oder Weib ein jon- 
derliches Gelübde thut dem Herrn, fih zu enthalten; ver foll ſich des 
Weins und flarfen Getränk enthalten, Weineßig oder flarfen Getränfs 
Gffig foll er audy nicht trinken, audy nichts, das aus Weindeeren gemacht 
wird; er foll weder frifhe noch dürre Weinbeeren eßen, fo lange foldyes 
fein Gelübve währt; auch fol er nichts eßen, das man vom Weinſtock 
madet, weder Wein- Kern noch Hülfen.. So lange die Zeit feines 
Gelübdes währet, foll fein Scheermeßer über fein Haupt fahren, denn er 
ift Heilig, und fol das Haar auf feinem Haupte laßen frei wachſen. Die 
ganze Zeit über, die er dem Herrn gelobt hat, foll er zu feinem Todten 
gehen. Er fol fih auch nidht verunreinigen an dem Tode feines Vaters 
oder feiner Mutter, feined Bruders ober feiner Schwefler; denn das 
Gelübde feines Gottes ift auf feinem Haupt. Und wo Jemand vor ihm 
unverſehens ploͤtzlich flirbt, da wird das Haupt feines Gelübdes verun- 
reinigt; darum foll er fein Haupt befheeren am Tage feiner Reinigung, 
d. i. am flebenten Tag. Und am achten foll er zwo Turteltauben bringen, 
oder zwo junge Tauben, und der Priefter foll eine zum Sündopfer, die 
andere zum Brandopfer machen und ihn verjüßnen, daß er fih an einem 
Todten verfündiget bat, und alſo fein Haupt deſſelben Tages heiligen, daß 
er dem Seren die Zeit feined Gelübdes aushalte. Und foll ein jühriges 
Lamm bringen zum Schuldopfer. Aber die vorigen Tage follen umſanß 
feyn. Wenn die Zeit feines Gelübdes aus ift, fo fol man ihn bringe 
vor die Thüre der Hütte des Stifts. Und er fol bringen ein jähriges 
Lamm zum Brandopfer, und ein jähriges Schaf zum Sünpopfer, und 
einen Widder zum Dankopfer, und einen Korb mit ungeläuerten Kuchen 


Opfer und Cult. 49 


von Semmelmehl mit Del gemenget, und ungefäuerte laden mit Del 
beftrihen, und ihre Speißopfer und Tranfopfer. Und der Priefter fol 
fein Sündopfer und fein Brandopfer maden. Und ten Widder fol er 
zum Danfopfer maden ſammt dem Korbe mit dem ungefäuerten Brod; 
und fol auch fein Speidopfer und fein Tranfopfer machen. Und foll dem 
Verlobten dad Haupt feines Gelübdes befcheeren vor der Thüre der Hütte 
des Stifid, und fol das Haupthaar nehmen, und aufs Feuer werfen, das 
unter dem Dankopfer ifl. Und fol den gefodhten Bug nehmen von dem 
Widder, und einen ungefäuerten Kuchen aus dem Korb, und einen unges 
fäuerten laden; und fol’8 dem Verlobten auf feine Hände legen, und 
f00’8 vor dem Herrn weben. Das ift heilig dem Priefler, fammt der 
Mebebruft und der Hebefchulter. Darnach mag der Berlobte Wein trinken. 
Das ift das Gele des Verlobten, ver fein Opfer dem Herrn gelobet, von 
wegen feines Gelübdes; außer dem, was er fonft vermag, wie er gelobt 
hat, fol er thun, nach dem Geſetze feines Gelübdes. Bey was für befon- 
veren Gelegenheiten vergleichen Gelübde, wo der Menſch felbft dem Herrn 
geweiht war, gethan wurten, erfahren wir nicht. Außer diefen, auf kürzere 
Zeit Geweibten, gab es welche, die für immer geweiht waren, vie aber 
beyde Nafiräer (d. i. Abgeſonderte, Auserleſene) hießen. Joſeph wird 
im erſten Buche Moſe (49) ein Naſir unter feinen Brüdern genannt, 
und Simfon war ein folder. Da feine Eltern, beißt e8 im Buche der 
Richter (13), kinderlos waren, erfdien der Engel des Herrn den Weib 
und meldete ihm: du wirft einen Sohn gebähren, ven fein Scheermeßer 
fol aufs Haupt kommen, denn der Knabe wird ein Verlobter Gottes feyn 
bon Muiterleibe ; fo Hüte di nun, dag du nicht Wein noch flarfes 
Getränke trinkeſt, und nichts Unreines eßeſt. Ihr Gutte bat nun 
den Herren, den Mann Gottes noch einmal zu fenden, damit er ihn 
beiehre, wad er mit dem Knaben thun fole, und der Engel erichlen 
wieder und belehrte ihn, daß der Knabe nicht? mas vom Weinftod kommt 
und nichts Unreines eßen, und weder Wein noch ftarfes Getränfe trinken 
ſolle. Simfon warb vom Geifte des Herrn getrieben und hatte eine über- 
menfhliche Stärke, diefe aber war durch feine Haare bedingt. Als ihm 
diefe im Schlaf abgefchnitten wurden (und zwar bie ſieben Loden, heißt 
e8 Kap. 16) durch feine Feinde, die Philifter, ward er wie ein anderer 
Menſch, und erſt mit dem Wiederwachſen der Haare fehrte feine Stärke 
zurück. Diefe Stärke war eine Ausnahme, denn von andern Nafträern 
wird dergleichen nicht gemeldet. Mebrigens ift wenig die Rede von ihnen; 
das Verhaͤltniß aber, als ein heiliges, hat wohl lange fortbeſtanden, denn 

lefen wir bey dem Propheten Amos (2. 11): Ih habe aus euren 
Hindern Propheten erwedet, und Nafaräer aus euren Sünglingen. Iſt 
es nicht alfo, fpricht der Herr? Und ihr gebet den Nafaräern Wein zu 
trinfen und gebietet den Propheten: ihr folt nicht weißagen. Als in 

IV. 4 


50 Opfer und Eult. 


fpäterer Zeit der Gottespienft des Herrn zu Miſpath durch vie Maccabäer 
wieder eingerichtet ward (Maccab. I. 3. 49), brachte man dahin vie Bücher 
des Gejeged, die priefterlichen Kleider, vie Erftlinge und Zebnten, und 
machte Nazaräer, welche ihre beftimmte Zeit halten mußten. (Alſo foldye, von 
weldyen die oben aus den vierten Buche Mofe angeführte Stelle handelt.) 
Außer dieſem eigenthümlichen Gelübvde, welches ein Menfchenopfer 
edler Art ven Herrn weibte, gab ed noch eine andere Art von Gelübben, 
welche zwar den Menfchen zum Gegenfland hatten, jedoch durch Abjchäz- 
zung und Bezahlung gelöft wurden. Die heilige Sagung meldet darüber 
(Mose III. 27): Wenn Jemand dem Herrn ein beſonderes Gelübde thut, 
daß er feinen Leib fhäget: fo fol das die Schagung feyn: ein Manns⸗ 
bild, zwanzig Jahre alt, bis ins fechszigfte Jahr, ſollſt du ſchätzen auf fünfzig 
filberne Sedel, nad) dem Sedel des Heiligthums; ein Weibshilo auf 
dreißig Sedel. Don fünf Jahren bis auf zwanzig folft du ihn fchägen 
auf zwanzig Sedel, ein Mannsbild; ein Weibsbild aber auf zehen Sedel. 
Von einem Monat 5i8 auf fünf Jahre ſollſt du ihn fehägen auf fünf 
Seel, ein Mannsbild; ein Weibsbild aber auf drei Sedel. Iſt er aber 
ſechszig Iahre alt und darüber, fo ſollſt du ihn ſchätzen auf fünfzehen Seckel, 
ein Manndbild; ein Weibsbild aber auf zehen Sedel. If er aber zu arm 
zu folder Schägung, fo fol er fi vor den Priefter fielen, und der 
Priefter fol ihn fhäten, nad) dem deß Hand, der gelobet hat, erwerben 
fann. Iſt es aber ein Vieh, dad man dem Herren opfern fann; Alles, 
was man de dem Herın giebt, ift heilig. Man ſoll's nicht wechjeln nody 
wandeln, ein Guted um ein Böfes, over ein Böjes um ein Gutes. Wird's 
aber Jemand mechjeln, ein Vieh um dad andere, fo follen fle beype dem 
Herrn heilig feyn. Iſt aber das Thier unrein, fo fol es ver Priefter 
ſchätzen, und es ſoll bey des Prieſters Schägen bleiben. Will's aber 
Jemand loͤſen, der ſoll den Fünften über die Schätzung geben. Wenn 
Jemand fein Haus dem Herrn heiliget, dad fol der Priefler ſchätzen, und 
wer ed löfen will, fol den Bünften über die Schägung geben. SHeiligt 
Einer einen Ader, fo fol er nach dem Ertrage mit Rüdfiht auf das 
Halljahr gefchägt werden, und wi ihn Einer nicht löfen, fondern er 
verkauft ihn, fo fol er ihn nicht mehr loͤſen. Da nun der Uder im 
Haljahr an den alten Eigenthümer zuüdfiel, fo Fam ein foldyer, ver 
geheiligt, aber nicht geldjt war, an den Herrn, und ward bed Priefterd 
Erbgut. Das DVerbannen war ein Gelübde, welches nicht geldft werden 
fonnte. Daher heißt ed (ebenpafeläft)‘ Man fol fein Verbanntes ver- 
faufen, noch löfen, das Iemand dem Herrn verbannet, von Allen, das 
fein iſt, es ſeyen Menfchen, Vieh, oder Erbader; denn alles Verbannte, 
ift dad Mlerbeiligfte dem Herrn. Man foll auch feinen verbannten 
Menſchen loͤſen, ſondern er foll des Todes fterben. Solche Verbannen 
fand mit ganzen feindlichen Städten flatt, die den Herrn ald ein Opfer 
dargebracht wurden. So ſprach Injua (Buch Iofua 6), als er den Angriff 


Opfer und Eult. Sl 


auf Jericho befahl: Dieſe Stadt und Alles, was darinnen ift, fol dem 
Herrn verbannet fein. Hütet euch vor dem DVerbannten, daß ihr euch 
nit verbannet, fo ihr ded Verbannten etwad nehmet, und machet das 
Luger Iſrael's verbannet, und bringet es in Unglück. Aber alles Silber 
und Gold fummt den ehbernen und eifernen Geräthe, fol dem Herrn 
geheiligt fein, daß es zu des Herrn Schatz komme. Als fie die Stadt 
gewonnen, verbanneten fie Alles mit der Schärfe des Schwerbted, beyde, 
Mann und Weib, jung und alt, Ochfen, Schafe und Efel. Uber vie 
Stadt verbrannten fie mit Yeuer, und Ales, was darinnen war. Allein 
dad Silber und Gold, und eberne und eiferne Geräthe thaten fie zum 
Schatz in das Haus des Herrn. Da verfluchte Joſua die Stätte, wo die 
Stadt gewefen war, für immer. Doch Einer der Iiraeliten hatte fi an 
dem Verbrannten vergriffen, einen Mantel und Silber und Gold genommen, 
und in feiner Hütte vericharrt. Als es entdeckt ward, führten fle den 
Mann fammt dem Silber und Gold und Mantel, feine Söhne und 
Töchter, feine Ochſen und Eſel und Schafe, feine Hütte und Alles, was 
er hatte, in das Thal Achor. Und Joſua ſprach: Weil du uns betrübet 
haft, fo betrübe di der Herr an diefem Tage. Und dad ganze Iſrael 
feinigten ihn, und verbrannten fie mit Feuer. Und da fie fie gefleiniget 
hatten, machten fie über fie einen großen Steinhaufen, der bleibet bis 
auf diefen Tag. Als Jofua weiter zog, ward die Stadt Ai verbannt, 
mit Ausnahme ver Beute und des Viehes, weldye zur Vertheilung beſtimmt 
wurden, bie Stadt felbft aber warb verbrannt. 

Bin Gelübne Eonnte nicht gebrochen werden, doch nur der Selb— 
fändige ward dadurch unldslich gebunden. Wenn ein Weibsbild (Heißt 
e8 Mofe IV. 30) dem Herrn ein Gelübde thut, und fi} verbindet, weil 
fie in ihres Vaters Haus, und im Magdthum if, und ihr Vater, der e8 
erfährt, Schmweiget dazu, fo gilt ihr Gelübde; wehrt er es aber an dem 
Tage, wenn er's böret, fo gilt es nicht, und ver Herr wird ihr gnäpig 
feyn, weil der Vater ihr gewehret bat. Hat fie einen Mahn, fo fann 
biefer eben fo ihr Gelübde wehren. ine Wittme aber over eine Ders 
flogene muß halten, was fie gelobt kat. Dem Gelübde ded Geſindes kann 
ver Hausherr wehren. 

Der fogenannte Zehnten ift ebenfalls als ein dem Herrn geweihtes 
Opfer zu betrachten; denn er mußte vor dem Herrn gegeßen„merben 
(Mofe V. 12), und was die Priefter erhielten, galt auch als ein dem 
Seren Geopferted. Daß es auch jährliche Opfer der einzelnen Gefchlechter 
gab (deren Zweck die Verfühnung des Kern für das einzelne Geſchlecht 
ſeyn mußte), fehen wir aus ver Erzählung im erften Bude Samuelis 
(20. 6), wo e8 heißt: Wird dein Vater nah mir fragen, fo ſprich: 
David bat mich, daß er gen Berblehem, zu feiner Stadt, laufen möchte; 
denn es if ein jährlies Opfer daſelbſt dem ganzen Geſchlechte. Die 

4 


523 Dpfer und Eult. 


Gelegenheitsepfer waren nidht Telten, denn Glüd erforterte Dank, Unter: 
nehmungen ein Erflehen des göttlihen Schutzes, und ſonſt Manches gab 
Veranlagung, Gott ein Opfer darzubringen Die Tranfopfer find als die bey 
den Opfern vorfommenden Spenden zu betrachten, welche auch in Griechen⸗ 
land und Rom durchaus gebräudlich waren. Sie beitanden bloß aus Wein. 

Am Feſte, am Eabbath, ſollte Verſammlung feyn vor dem Herrn, 
und das Opfer jollte da gegegen werten. Tamit die Kinder Iirael nicht 
im Einzelnen für fih, wo es ihnen gut tünfte, cpferten, war dad Gebot 
firenge, welches Tautet (Moſe IM. 17. 3): Wer einen Ochfen, oder Lamm, 
oder Ziege ſchlachtet, und ed nicht vor die Thüre der Hütte des Stiftes 
bringet, daß ed dem Herrn zum Opfer gebracht werde, der fol des 
Blutes ſchuldig fen, als der Blut -vergoßen bat, und foll audgerottet 
werden. Demnach maren die Opfer mit Eßen verbunden bei den Kindern 
Sirael. Im erfien Buche Samuelis (Kap. 9) fagen dem nad) Samuel 
foridenvden Saul Waßer holende Dirnen: Wenn ihr in die Stadt fommt, 
werdet ihr ihn finden, ebe denn er binauf gebet auf die Höhe zu eßen. 
Denn dad Volk wird nicht epen, bis er komme; fintemal er fegnet das 
Opfer, darnach efen die, jo gelaten find. Als nun Saul den Samuel 
gefunten hatte, nahm diefer ibn und jeinen Diener, und führete fie in 
die Eplaube, und feste fie oben an unter die, fo geladen waren, derer 
waren bei treigig Mann. Und Samuel fprady zu tem Koh: Gieb ber 
dad Stud, das ih Dir gab und befahl: du ſollteſt es bei dir behalten. 
Da trug der Koch eine Schulter auf, und das daran bieng. Und er legte 
ed vor Saul und fprady: Siehe, das ift übergeblieben, lege vor dich, und 
ig; denn ed ift auf dich behalten, eben auf diefe Zeit, da ih dad 
Volk !ud. Eben fo bey den Semitiſchen Heiten, wie auch Gzechiel 
bezeugt (18. 6): Der auf den Bergen nicht ißet, der feine Augen nit 
aufhebet zu den Bogen des Hauſes Iſrael, und (22. 9): Verräther find 
in dir, auf daß fie Blut vergiegen. Sie eben auf den Bergen, und 
handeln muthwillig in dir, und im Palm (118. 28) beißt es: Sie biengen 
fi an Baal Peor, und afen von den Opfern der todten Bößen. Der 
Cult des Herren ſollte froͤhlich ſeyn, und nichts Trübes und Trauriged 
dazu gelangen. Muflf war mit vemjelben verbunden, doch wur dieſelbe 
in den älteren Zeiten nicht fehr mannigfaltig, fonvdern befland in Poſaunen 
oder Trompeten, die von den Prieflern geblafen wurden (Mofe IV. 10): 
Menn Thr fröhlich ſeyd an euren Feſten und in euren Netimonden; folt 
ihr mit den Trompeten blafen über eure Brandopfer und Danfopfer, daß 
ed euch zum Gedächtniß fey vor euerm Gott. Auch fam beym Reigen 
die Paufe vor (Mofe li. 15. 20): Mirjam, die Prophetin, nahm eine 
Pauke in die Hand, und alle Weiber folgten ihr nady hinaus mit Paufen 
am Reigen. Und Mirjam fang ihnen vor: Laßet und dem Herrn fingen 
u. f. w. Der Pofaunen, die mit den Trompeten als eins zu betradhten 
And. erwähnen auch vie Pialmen (Bi. 4): Blaſet im Neumonven die 


d. 


Dpfer und Eule. 53 


Pofaunen in unferm Feſte der Laubrüſte. David und Sammel führten 
bie Saitenfpiele beym Gottesdienſt ein, und errichteten ten Chor ver 
Sänger mit Harfen, Pfaltern, Combeln; Doch wurden dadurd die Trom« 
peten oder Pofaunen nicht abgeſchafft. Wir Iefen im zweiten Buche ver 
Chronik (29. 27): Und Hiskia hieß fie Branvopfer thun, auf tem Altar. 
Und um die Zeit, da man anfteng dad Branvopfer, fieng auch an der 
Gefang des Herrin, und die Trompeten, und auf mandherlei Saitenfpielen 
David's, des Königs Ifrael. Und die ganze Gemeine betete an; und der 
Gelang der Sänger, und dad Trompeten der Trompeter mährete Alles, 
bis das Brandepfer ausgerichtet war. Auch gab es Procefflonen im Heilig« 
thume, denn in den Palmen (68. 25) heißt ed: Man ftebet, Gott, wie 
du einberzieheft, wie du, mein ®ott und König, einherziebeft im Heilig— 
thume. Die Sänger geben vorher, darnach die Spielleute unter den 
Mägden, die da paufen. (Vielleicht nach dem Vorbilde der Mirjam.) Bey 
den Semitifhen Heiden zu Babylon erwähnt dad Buch Baruch (6. 3) 
dad Tragen der Götter in Proceſſton: Unterdeß aber wervet ihr frhen zu 
Babel, daß man auf ven Achſeln iragen wird den filbernen, goldenen und 
hößgernen Gdgen. Und wenn ihr fehet das Volf, dad vor= und nachgehet, 
vie Goͤtzen anbeten, fo fpredyet In euerm Kerzen: Herr, dich fol man 
anbeten. Daß an Velten audy der Altar, mitunter menigftend, geſchmückt 
ward, erhellt aus den Worten (Pſalm 118. 27): Schmüdet das Feſt mit 
Mayen (d. i. Zweigen) bi8 an die Hörner des Altares. 

Die Peierlichkeit, unter meldyer das Volk Sfrael ven Bund mit Gott 
ſchloß, erzählt das zweite Bud Mole (24) alfo: Mofe ichrieb alle Worte 
des Herrn, und machte fi) des Morgens frühe auf, und bauete einen 
Altar unten am Berge, mit zmölf Säulen, nad) den zwölf Stämmen 
Iſrael's; und fendete Sünglinge, daß fle Brandopfer darauf opferten, und 
Danfopfer dem Herrn, von Barren. Und Mofe nahm die Hälfte des 
Bluts, und that es in ein Beden; die andere Hälfte fprengete er auf den 
Altar. Und nahm dad Bud des Bundes, und lad ed vor den Ohren 
des Volks. Und da fie ſprachen: Alles, mas der Herr gefagt hat, wollen 
wir thun und gehorchen; da nahm Mofe das Blut, und fprengete das 
Volk damit, und ſprach: Sehet, das ift Blut ded Bundes, den ber Herr 
mit euch macht, über allen dieſen Worten. Zur Befräftigung eines 
Bundes ſehen wir die Blutmeihe angewendet, fonft wird gewöhnlich ein 
Zeichen, gleichſam zur Erinnerung, welches den Bund in das Gedachtniß 
rufen ſoll, angewendet. Als Gott mit Noah einen Bund machte, daß er 
nie wieder eine Suͤndfluth wolle kommen laßen, ſetzte er den Regenbogen 
zum Bundeszeichen (Mofe I. 9. 13). Als Abraham neun und neunzig 
Jahre alt war, erfchien ihm Gott, und machte einen Bund mit ihm, daß 
er ihm und feinem Samen dad Land Canaan zu emigem Beflge geben 
wolle, und dad Zeichen des Bundes ſolle die Beſchneidung feyn, daß 
jegliches Knäblein acht Tage nach der Geburt befchnitten würde (Kap. 17). 


5A Opfer und Euft. 


Vorher fchon Hatte der Herr (15) wegen Canaan einen Bund mit Abra⸗ 
ham gemacht, und alfo bekräftigt: Er ſprach zu Abraham: Bringe mir 
eine vreijährige Kuh, und eine vreijährige Ziege, und einen dreijährigen 
Widder, und eine Turteftaube, und eine junge Taube. Und er brachte 
ihm foldhes Alles, und zertheilte e8 mitten von einander, und legte ein 
Theil gegen das andere über, aber die Vögel zertbeilte er nicht. Und 
das Gevdgel fiel auf vie Aaſe; aber Abraham ſcheuchte fie davon. Da 
nun die Sonne untergegangen war, fiel ein tiefer Schlaf auf Abraham, 
und Schreden und große Binfterniß überfiel ihn. Da ſprach Gott zu 
Abraham — und machte einen Bund mit ihm. Abraham, um einen 
Bund mit Abimeleh zu machen (21. 27), nahm Schafe und Rinder 
und gab fie AUbimeleh, und ftellete dar fieben Laäͤmmer beſonders und 
fprah: Sieben Lämmer folit du von meiner Hand nehmen, daß fie mir 
zum Zeugniß feyen, daß ich diefen Brunnen gegraben habe. Als Laban 
fi) mit Jafob ausſöhnte (31. 44), ſchließen fie einen Bund. Jakob 
nahm einen Stein, und richtete ibn auf zu einem Mal, und Iprad zu 
feinen Brüdern: Leſet Steine auf. Und fie nahmen Steine, und machten 
einen Haufen, und aßen auf demfelben Haufen. Da ſprach Laban: Der 
Haufe fey heute Zeuge zwiſchen mir und dir, unn fei eine Warte; ver 
Herr fehe drein zwiidhen mir und dir, wenn wir von einander fommen, 
wo du meine Töchter beleivigeft, oder andere Weiber dazu nimmft über 
meine Töchter. Es ift bier fein Menſch mit und; fiehe aber, Gott ifl 
der Zeuge zwiihen mir und dir. Derfelbe Haufe fei Zeuge, und das 
Mal ſey auch Zeuge, wo ich herüber fahre zu dir, oder du herüber fähreft 
zu mir über diefen Haufen und Mal, zu beſchädigen. Der Gott Abra> 
bam’d, und ber Gott Nahor'd, und der Gott ihrer Väter fey Richter 
zwilchen und. Und Jakob ſchwur ihm bei der Burcht feines Waters Iſaak. 
Und Jakob opferte auf dem Berg, und lud feine Brüder zum Een. Lind 
da fie gegeßen hatten, blieben fie auf dem Berg über Nadıt. 

Jeder Schwur ftand unter Gotted Schuß, doch waren manchmal noch 
befräftigende Gebräuche damit verknüpft. So fagt Abraham in feinem 
hoben Alter zu feinem älteften Knechte (Mofe I. 24. 2): Lege deine Hand 
unter meine Hüfte, und ſchwöre mir bei dem Herrn, dem Gott des 
Himmeld und ter Erde. Chen fo läßt (47) Jakob feinen Sohn Iofeph 
bie Sand unter feine Hüfte legen, um ihm zu verfpredhen, ihn nicht in 
Aegypten zu begraben. 

Die Beſchneidung war die unerläßliche Bedingung für die Kinder. 
Sfrael, um des Bundes, den Gott mit ihnen gemacht hatte, theilhaft zu 
werden, denn Gott felbft Hatte es fo angeorbnet. Die Aegypter hatten 
aud) dieſen Brauch, und eben fo vie für eine Colonie derſelben geltenden 
Kolder. Herodot fagt (II. 104): Die Kolcher, Aegypter und Aethiopen 
find urfprünglid die einzigen Völker, welche ſich befchneivden. Die Phö- 
nifer und die Syrer in Paläflina befennen, daß ſie es von ven Aegypten 


Opfer und Euflt. 55 


gelernt haben, die Syrer aber am Thermodon und Parthenios, und die 
Nachbarn derielben geben an, daß fie es erft vor Eurzer Zeit von den 
Kolhern gelernt hätten. Die Phönifer, melde mit den Hellenen vers 
fehren, beſchneiden fih nit. Die Semitiichen Heiden Ganaan’d und die 
Philiſter hatten die Beſchneidung nicht; fo fagt z. B. Jonathan von den 
Philiftern (Samuel I. 14. 6): Laß uns hinübergehen zu dem Lager dieſer 
Unbeſchnittenen; und ebendaſelbſt (17. 26) heißt ed: Wer ift ver Philiſter, 
diefer Unbefchnittene? Bei ven Heiden mag ſich ver Brauch auf die Sühne 
durch Blut beziehen, durdy die man Unfegen abwenden, Gegen und 
Srucdtbarfeit erwerben wollte, und man mochte, da der Phallus das Bild 
ver Bruchtbarfeit war, die Beſchneidung als ein Opfer von Menfchen für 
beſonders wirffam halten, jo daß ed das Menichenopfer felbft vertreten 
fonnte,; denn ed ward in vieler Weile eines Seglichen Blut ver Gottheit 
geopfert. Der Gläubige des Moſaismus bat jedoch vieles blutige Opfer 
ald ein Gebot Gottes zu halten, ohne e8 zu erklären. Auch bey Bäumen 
- fand ein Brauch flatt, den man mit dieſem verglih. Eines der Gebote 
Gotted lautet nämlich (Moſe II. 19 23): Wenn ihr ind Land fommet 
und allerlei Bäume pflanzet, Davon man ifer: folt ihr verjelben Vorhaut 
beichneiden, und ihre Früchte. Drei Jahre folt ihr fie unbeichnitten 
abten, daß ihr fie nicht eßet. Im vierten Jahr aber folen alle ibre 
Brüchte heilig und gepriefen feyn vem Herrn. Im fünften Jahr aber 
jolt ihr vie Früchte eßen, und fie einiammeln. 

Die Heiligkeit Gotted erforterte, dan Alles, was fih ihm nabte, 
heilig und rein fey, weßbalb fib denn der Begriff der Reinigfeit bey ven 
iraeliten auf das Strengfte ausgebilter hatte. Sollte der Xeib und die 
Kleivung von aller Unreinheit frei feyn, fo folte auch jelbft dad Shen an 
Reinheitövorfchriften gebunden feyn. Neben dem Gebote zum Beyfpiele 
(Mofe 11. 19. 10 und 15): Gehe Hin zum Volf, und heilige fie heute 
und morgen, daß fie ihre Kleider walchen, und bereit feyen auf-den dritten 
Tag; und Keiner nahe fih zum Weibe, denn am dritten Tage wird der 
Herr herabfahren auf ven Berg Sinai; finyer ſich ein fehr genaues Geſetz 
über reine und unreine Thiere (Mofe II. 11): Wer eined unreinen 
Thiers Aas anrührte, war unrein bi8 an den Abend und mußte fidh mit 
Waßer reinigen; aber auch des reinen Thiers Aas vrrunreinigte eben fo. 
Als allgemeine Sapung ift ausgeſprochen (Mofe II. 22. 31): Ihr folt 
heilige Leute vor mir feyn; darum folt ihr Fein Fleiſch eBen, dad auf 
dem Felde von Thieren zerrißen ifl, fondern vor die Hunde werfen. 
Dagegen heißt ed (Il. 11. 39): Wenn ein Thier flirbt, dad ihr eßen 
möget, wer von folhem Aas ißet, der fol fein Kleid wafchen, und wird 
unrein feyn bis an den Abend, fo daß dieſes Een nicht mehr veruns 
reinigte, als die Berührung. Don Thieren des Landes durften fie eßen 
alle, welche wiederfäuen und gefpaltene Klauen haben; die aber nicht, 
weldhe nur eine von beyden Eigenſchaften haben, und darum war ver⸗ 


56 Opfer und Eult. 


boten: Stameel, Kaninchen, Haafe, Schwein. Bon Fiſchen waren die mit 
Floßfedern und Schuppen erlaubt zu een, und unter den Vögeln durften 
nicht gegeßen werden: Adler, Habicht, Fiſchaar, Beier, Weihe, Rabe, 
Strauß, Nachteule, Kukuk, Sperber, Käuzlein, Schwan, Uhu, Fledermaus, 
Nohrdommel, Storch, Reiher, Heher, Wiedehopf, Schwalbe. Berner war 
verboten, was fih reget unter den Bögeln und gebet auf vier Füßen, 
mit Ausnahme der vierfüßigen DBögel, die nicht mit zwei Beinen auf der 
Erde hüpfen, als da finn: Arbe, Selaam, Hargol, Hagab. Berboten 


waren die Thiere, die auf Tappen gehen, auch die auf Erden kriechen, 


als: Wiefel, Maus, Krödte, Igel, Mol, Eidechs, Blindſchleich, Maul: 
wurf, und Alles, was auf Erden fchleidht, orer auf dem Baudhe Friedht, 
auch wenn e8 dabei auf vier oder mehr Füßen gebt. Alles, was folcdher 
Thiere Aas berührt, ward unrein, ſogar wenn ed naßer Samen iſt, den 
man gefäet bat; denn den trodenen verunreinigte es nicht, und eben fo 
wenig Brunnen, Eiflernen und Teiche. Bett vom Befte durfte nicht auf 
den nächſten Tag übrig bleiben (Mofe II. 23. 18), als ob es durch biefe 
furze Zeit unrein würde. Auch lagen viefen Geboten mandymal ſcheuvolle 
Empfindungen zu Grunde, weldye nidht von dem Begriff einer Unreinheit 
und eine Wiverwillend gegen die Sade an und für fi audgiengen. 
So heißt es (Mofe II. 23.19): Du foift das Bödlein nicht kochen, fo 
lang e8 jäugt. (II. 20. 14): Wenn Jemand ein Weib nimmt und ihre 
Mutter dazu, der bat ein Laſter verwirft; man fol ibn mit Feuer ver- 
brennen, und fie beyve au, daß fein Laſter fey unter euch. Unnatur 
in der Verirrung des Gefchlechtötriebes war bey ſchwerer Strafe verboten, 
der Tod fland darauf. Bon fihöner mitleiviger Scheu zeugt das Gebot 
(Ill. 22. 28): Ochſe oder Lamm fol man nidyt mit feinem Jungen auf 
einen Tag ſchlachten. (V. 22. 6): Wenn du findeft ein Vogelneſt mit 
Jungen oder mit Eiern, und die Mutter darauf, fo ſollſt du nicht die 
Mutter mit den Jungen nehmen, fonvern fie fliegen laßen, und bie 


Jungen nehmen, auf daß dir’! wohl gehe, und du lange lebeſt. Unrein 


galt die Vermifchung der Natur und jede Verfehrung verfelben, als 
würben dadurch die Werfe des Herrn befudelt. Nicht nur Mifchthiere, 
fondern ſelbſt Mijchkleiver u. a. m. waren verboten. (MI. 19. 19): Du 
foAft dein Vieh nicht Tagen mit allerlei Vieh zu fhaffen haben; und dein 
Feld nicht befäen mit allerlei Samen, und fein Kleiv an dich kommen 
lagen, das mit Wolle und Leinen gemenget if. (V. 22. 10): Du fol 
nit adern zugleih mit einem Ochſen und Eſel. Gin Weib fol nicht 
Manndgeräthe, und ein Mann fol nicht Weiberfleiver anthun, denn wer 
ſolches thut, ver ift dem Herrn ein Gräuel. 





.d 


87 


Tempel ‚ Altäre, Gerätbe, Bilder. 


Wie wir nur wenig von der Religion und dem Eult der Semitifchen 
Völker erfahren, fo auch von ihren Tempeln, ımd wir müßen von dem 
vurh den König Salomo zu Jerufalem erbauten Tempel auf vie ver 
anderen Semiten ſchließen, was uns aber zu thun erlaube ift, weil ver 
Jiraelitifhe Cult ſich zwar weſenilich durch den Gegenſtand der Anbetung, 
nicht aber eben fo durch feine äußere Einrichtung unterfchievn. Als Haupt⸗ 
fahe de8 Tempels dürfen wir überall bey diefen Völkern vorausfegen ein 
innere8 Gemach als Ullerbeiligftes, imo die Gottheit wohnte, und welches 
baher dem Volke nidyt zugänglid war. Auch mußten alle Tempel Altäre 
haben, auf weldyen die Opfer dargebracht wurden, und wenn ed AUltäre 
oßne Tempel geben Eonnte, fo doch nicht umgekehrt, denn zur Verehrung 
der Gottbeit gehörte durchaus ein Altar. Daher werden Altäre fchon 
früher als Tempel erwähnt, z. B. als Noah aus dem Kaften gieng 
(Mofe I. 8), bauete er dem Herrn einen Altar und opferte Brandopfer. 
Don Abraham wird erzählt (IL. 12. 7): Da erfchien ter Herr Abraham und 
ſprach: Deinem Samen will ich dieß Rand geben. Und er bauete daſelbſt 
dem Herrn einen Altar, der ihm erihienen war. Darnach zog er in die 
Nähe von Bethel, und bauete daſelbſt dem Herrn einen Altar, und pres 
bigte von dem Namen des Herrn. Bei dem Zuge der Klinver Iſrael aus 
Aegypten nad) Canaan fchlug Joſua die AUmalefiter, indem Mofe auf einer 
Höhe feine Hände emporbielt (MI. 17). Darauf baute Mofe einen Altar 
daſelbſft, und bie ihn: Der Herr Nifft (d. i. der Herr ift das Zeichen, 
das Welpzeichen over die Fahne). Denn er ſprach: Es iſt ein Malzeichen 
bey dem Stuhle des Heren, daß der Herr ftreiten wird wider Amalef 
von Kind zu Kinvedfind. Auf dem Berge Sinai fagt Gott zu Mofe 
(I. 20): @inen Altar von Erde made mir, darauf du opferfl. Denn 
an welchem Ort ich meines Namens Gevächtnig fliften werde, da will 
ih zu dir fommen und dich fegnen. Und fo du mir einen fleinernen 
Altar willſt machen, folft du ihn niht von gebauenen Steinen 
bauen; denn wo du mit deinem Meer darüber fähreft, fo wirft du ihn 
entweihen. Du ſollſt au nidt auf Stufen zu meinem Altare fleigen, 
dag nicht deine Scham aufgevedet werde vor ihm. 

Herumziebende Sirtenvölfer, welche feinen Tempel haben Fonnten, 
mochten Altäre aus Erde oder unbehauenen Steinen leicht errichten, ihren 
Bötterbildern aber Zelthütten zur Wohnung maden, und auch die Ifrae⸗ 
liten auf ihrem Zuge nach Canaan errichteten auf den Befehl des Herrn 
eine Art Zelthütte und zugleich Bretterhütte zur Wohnung Gotted, um 


60 Tempel, Altäre, Gerätbe, Bilder. 


Der Brandopferaltar (27), der zu der Stiftöhütte gehörte, war von 
Foͤrenholz, fünf Ellen lang, eben fo breit und drei Ellen hoch, mit Erz 
überzogen, hatte vier Hörner an den vier Eden und war umgeben mit 
einem netzaͤrtigen Erjgitter, das bis zur Mitte feiner Höhe reichte. Man 
trug ihn mit erzüberzogenen Yörenflangen, die durch vier Erzringe giengen, 
und die dazu gehörigen Afchentöpfe, Schaufeln, Beden, Bleifhgabeln und 
Kohlpfannen waren von Erz. Außer dieſem hatte die Stiftshütte einen 
Räuchaltar von Förenholz mit Gold überzogen, eine Elle lang, eben fo 
breit, und zwei Ellen hoch mit vier Hörnern und einem Kranze von Gold, 
unter welchem an beyden Seiten fih zwei goldene Ringe befanden zum 
Tragen mit golvüberzogenen Börenftangen. Er ftand vor dem Vorhange 
des Allerheiligften, und der Priefler räudherte jenen Morgen und Abend 
darauf, mann er die Nampen zurichtete, zu nichts Anderem aber durfte er 
gebraucht werben, felbft nicht zu einem andern Räuchopfer, und die Hörner 
diefes Altares wurden jährlih einmal mit dem Blute des Sünpopfers am 
Verſöhnungéfeſt entjünrigt. Das Näuchmerf aber beftand aus Balſam, 
Stacten, Galben und reinem Weitraudy zu gleichen Theilen, zerftoßen 
und untereinander gemengt, und ed durfte daffelbe zu einem andern 
Gebrauch, ald für diefen Altar, nicht zubereitet werden; denn fo lautete 
die Drohung: Wer ein foldhed maden wird, Daß er damit räuchere, ver 
wird audgerottet werden aus feinem Volke. Zmifchen der Stiftshütte und 
dem Altare befand fidy ein ehernes Handfaß mit einem ebernen Fuße, 
worin Waßer war für vie Priefler, welche fid) Hände und Füße waſchen 
mußten, ebe fie in die GStiftshütte oder zum Näudyaltare traten (30). 
Diefe Wohnung des Herrn hatte auch einen Hof, einen Umhang von 
weißer Seide, gegen Mittag und Mitternacht von je hundert Ellen Breite, 
mit je zwanzig Säulen, deren Buße von Erz waren, vie Knäufe aber mit 


Tiſch, auf welchem die Brode ausgeftellt find, weil die Windhauche von 
Norden her die nährendften find. Die heilige Lade zeigt die der Einſicht 
erfennbare Welt an, die der Menge verborgen und verfchloßen ift. Jene 
goldenen Bilder, deren jedes fechsflügelig ift, bedeuten die beyden Bärinnen, 
wie Manche wollen, vder, was eher der Fall feyn mag, die beyden 
Hemifphären, und der Name Cherubim bedeutet viele Erfenntniß. Zwölf 
Flügel haben beyde, und bedeuten durch den Thierfreis, und die durch 
denfelben gehende Zeit, die wahrnehmbare Melt. In dieem Tone geht 
es weiter fort, aber ed mag das angefuhrte Stück diefer Auslegung 
genügen, die Art von Deutungen, welche eine fpäte Zeit verfuchte, zu 
bezeichnen. Natürlich) machten die Leute, welche dergleichen vorbrachten, 
Anfprüce darauf, philofophifh in die vorliegenden Gegenſtände einzus 
bringen und ihren Sinn zu erfennen. Der unbefungene Lefer aber wird 
aus dieſen unnüßen, faft findifchen Hirngefpinnften erfennen, daß jene 
Leute eben nicht viel gefcheidter waren, als unfere neumopdifchen Mytho⸗ 
logiephilofophirer mit ihrem Findifchen und dummen PBlunder. 


Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 61 


ifren Reifen von Silber. Gegen Abend war er fünfzig Ellen breit 
und hatte zehen Säulen, gegen Morgen war er in drei Theile getheilt, 
an jeder Seite fünfzehn Ellen breit mit je drei Säulen; bie Mitte aber 
als Thor hatte einen Vorhang, zwanzig Ellen breit, von weißer und 
gelber Seide, Scharlaken und Roſinroth, mit vier Säulen auf ebernen 
Füßen, fo wie au alle Nägel der Hütte und des Hofes von Erz waren. 
Die Höhe dieſes Hofes betrug fünf Ellen. Wie der Priefler durch Sal- 
bung gebeiligt ward und ver DBethelftein zu einer Gedächtnißſtätte der 
Gottheit, jo auch viele Wohnung des Herrn und ihr Geräthe. Diefes 
Salböl ward bereitet von einem Hin Del, fünfhundert Sedel der evelften 
Myrrben, eben fo viel Eaften, halb fo viel Cinnamet und halb jo viel 
Kalmus, und ed wurde damit die Hütte, die Lade, der Tiſch mit feinen 
Geräthen, der Leuchter mit feinem Geräthe, der Räuchaltar, der Brands 
opferaltar mit feinem Geräthe und das Handfaß gefalbt und geweiht, fo 
daß fein Ungeweihter fie anrühren bürfte. Dieſes Salböl durfte zu nichts 
Anderem gebraucht werden, und auch eine anderweitige Zubereitung mar 
unterfagt und dem Uebertreter tie Ausrottung von feinem Volke gedroht. 
Zur Herflellung dieſes Heiligthumes ward dem ganzen Volk eine Hebe 
anbefohlen, d. I. ein freimiliges Opfer; zur Unterhaltung der Hütte und 
des Gottesvienftes aber mußte Jeder, wenn die Kinder Iſrael gezählt 
wurden zur Verfühnung feiner Seele (denn Zählen war bedenklich und 
fonnte Verderben bringen), als Hebeopfer einen halben Sedel geben, 
und der Reiche durfte nicht mehr, der Arme nicht weniger geben. Zur 
Einweihung dieſes Heiligthums opferten die zwölf Oberften der Stämme 
Iſrael während zwölf Tagen, jeder an einem Tage eine filberne Schüffel, 
hundert und dreißig Sedel werth, eine filberne Schale, ftebenzig Sedel 
werth, beyde voll Semmelmehl mit Del gemenget zum Speißopfer; dazu 
einen goldenen Löffel, zehen Sedel Goldes werth, vol Räuchwerf; einen 
Vurren, einen Wider, ein jühriges Lamm zum Brandopfer; einen Ziegen- 
bo zum Sündopfer, und zum Danfopfer zwei Rinder, fünf Widder, fünf 
Bode und fünf jährige Lämmer. 

Zogen die Kinder Ifrael weiter, fo gieng der Priefter in die Hütte, 
nahm den Vorhang ab, "und widelte die Lade darein, wand die Dede von 
Dachsfellen herum, breitete eine gelbe Dede darüber und legte die Stangen 
dazu; auf den Schaubrodtifch breitete er ebenfalls eine gelbe Dre, und 
legte die Geräthe und das tägliche Schaubrod dazu, that eine rofinrothe 
Dede darüber und zulegt eine Dede von Dachöfelen, und legte vie 
Stangen dazu, und eben fo wurden der Leuchter, ver Räuchaltar und alle 
Geräthe in gelbe Deden mit Dachsfelldecken varüber gewidelt; doch über 
den Brandopferaltar fam, nachdem die Aſche davon gefegt war, eine 
Scharlachdecke, mit ver Dachsfeldede darüber. Der Stamm Kahaths unter 
den Leviten mußte dann die eingewidelten Heiligtümer tragen, und der 


62 Tempel, Altäre, Gerätbe, Bilder. 


Stamm Gerfon hatte die Teppiche der Hütte und des Hofe, und was dazu 
gehörte, fortzufchaffen (IV. 4), der Stamm Merari aber die Bretter, 
Säulen, Riegel und Nägel. Zu diefer Fortſchaffung erhielt ver Stamm 
Gerfon zwei Wagen (IV. 7) und vier Rinder, der Etamm Merari vier 
Wagen und acht Rinder, melde die zmölf Oberflen der Stämme als ein 
Opfer dargebracht hatten. Die Aufrichtung der Stiftshütte befahl Gott 
auf den erften Tag des erflen Monatd (I. 40. 2). 

Gin wirflider Tempel ward bey den Sfraeliten erfl erbaut durch 
David’d Sohn, den König Salomo, in einer Zeit von fleben Jahren 
(erftes Buch der Könige, 6), und biefer war ſechszig Ellen lang, zwanzig 
breit und dreißig hoch, vorn mit einer zehen Ellen breiten Halle von 
zwanzig Ellen Länge, und hatte Benfler, die auswendig enge, inwendig 
weit waren. Ringd um Tempel und Chor lief ein Umgang mit einer 
Außenwand, und der unterfle Gang war fünf Ellen weit, ver mittelfte 
ſechs, der dritte fleben, denn er legte Balken außen am Haus umper, 
daß fle nicht an der Wand des Haufes fi hielten. Un ver rechten Seite 
mitten am Haufe war ein Thüre, wo man auf einer fleinernen Wenvel- 
treppe hinauf gieng auf den Mittelgang, und von dieſem auf den dritten. 
Oben auf dem ganzen Haufe herum war ein Gang, fünf Een body, und 
e8 war mit Cedernholz gevedt, wie es auch aus Cedern- und Tannenholz 
mit einem Grunde von gehauenen Steinen erbaut war, inwendig mit 
Gevernholz getäfelt, mit geprehten Knoten und Blumenwerf, daß man 
feinen Stein ſah, und das ganze Haus war inmwendig vergoldet. Selbſt 
die Thürangeln im Wferkeiligften und an der Thüre des Haufes des 
Zempeld waren von Gold. Der Chor und das Allerheiligfte befanden ſich 
binten aus Cedernholz, und betrugen zwanzig Ellen (an Ränge, Weite 
und Höhe), aljo den britten Theil der Länge, und waren mit lauterem 
Gold überzogen; vergolvete Riegel aber liefen vor vemfelben ber, und 
davor fland der Altar von Cedernholz mit Gold überzogen; im Chore 
felöft aber, wo die Lade fand, maren zwei Cherubim von Delbaumbolz, 
jeder zehen Ellen body, und von einem der audgebreiteten Flügel bis zur 
" Spige des andern zehen Ellen breit, vergoldet, welche die ganze Breite 
des Chord einnahmen, und an allen Wänvden des Haufed war Schnig- 
werf, Cherubim, Palmen und Blumenwerk inwendig und auswendig. 
Der Boden des Hauſes war Inwendig und auswendig mit Goldblech über- 
zogen. Am ingange ded Chores waren zwei Thüren von Oelbaumholz 
mit fünfeligen Pfoften mit Schnigwerf, welches Cherubim, Palmen und 
Blumenwerk vorftellte, und fie waren mit Golvbleh überzogen. Im 
Eingange des Tempels fanden vieredige Pfoften von Oelbaumholz und 
fanden ſich zwei Thüren von Tannenholz, jede von zwei Blügeln, ebenfalls 
mit Cherubim, Palmen und Blumenwerf geziert, und mit Gold überzogen. 
Auch hatte der Tempel einen Hof von drei Reihen gehauener Steine und 


Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 63 


einer Reihe gehobelter Cedern. Bor die Tempelballe ſetzte Salomo rechts 
und links eine eherne Säule, jede achtzehen Ellen hoch, zwölf Ellen von 
Umfang, mit einem fünf Ellen hoben ehernen. Knauf, vier Ellen did 
(mie die Rofen vor der Halle), woran ſich ſieben geflochtene Reifen, wie 
Ketten, befanden. Um den mittelften Neif am Bauche des Knaufes Tiefen 
zwei Reiben Granatäpfel, oben und unten am Reife, zweihundert an 
Zahl. Zum Wafchen der Prieſter ließ der König ein fogenanntes Meer 
aud Erz, von der Dice einer Hand, zmweitaufend Bath haltend, giefen, 
zeben Ellen weit von einem Rand zum andern, mit zwei Reihen Knoten 
am Rande; diefer aber war wie eined Bechers Rand, wie eine aufges 
gangene Roſe, und ed ward auf zwölf eherne Rinder geftelt, vie je brei 
nad den vier Weltgegenden fahen, die Hintertheile nad) innen gekehrt. 
Auch lieg Salomo zeben Keßel aus Erz gießen, vier Ellen groß und 
vierzig Bath haltend, und fie auf eherne Geftühle flellen, die vier Ellen 
lang und breit und drei Ellen hoch waren, und vier anderthalb Ellen 
hohe Räder hatten. An den Seiten der Geftühle aber waren Leiſten oben 
und unten und Füßchen daran, zwifchen den Leiſten Löwen, Ochſen und 
Cherubim. Der Hals mitten auf dem Geflühle war eine Elle hoch und 
rund, anderthalb Ellen von Umfang, mit Verzierungen in vieredigen 
Beldern zwifchen Leiſten, gerade in der Mitte der Höhe, ringäherum, 
beftebend in Cherubim, Löwen und PBalmbäumen. Berner wurden Töpfe, 
Schaufeln, Beden von Erz gemacht, dann ein goldener Altar und ein 
goldener Schaubrodtiſch, und zeben goldene, mit Blumen, Lampen und 
Schnäuzen verfehene Leuchter, fünf rechts, fünf links vor dem Chor, und 
überdie8 goldene Schalen, Schüffeln, Beden, Löffel und Pfannen. 

Als Alles beendigt war, that Salome, was fein Vater David an 
Silber und Gold und an Gefäßen geheiligt hatte, in den Tempelſchatz 
und weihte ihn ein, indem er alle Aelteſten und Oberften der Stämme 
- and Fürſten der Väter nach Jeruſalem Fommen lieg, die Bundeslade aus 
der Stadt David’s, die auf der Höhe Zion war, in den Tempel auf ber 
Höhe Morija zu bringen. Die Priefter und Leviten fchafften dieſe und 
die Stiftshütte mit allem Geräthe dahin, und Salomo gieng mit der 
ganzen Gemeine vor der Lade her, und fie opferten Schafe und Rinder, 
fo viel, daß man fie nicht zählen fonnte. Als die Priefter die Lade mit 
den zwei fleinernen Geſetztafeln in dad Allerheiligfte gebracht Hatten und 
berausgiengen, erfüllte eine Wolfe da8 Haus des Herrn (IV. 8), daß 
die Priefter nicht leben und ihres Amtes pflegen Fonnten, denn die Herr⸗ 
lichkeit des Herrn erfüllte das Haus. Da ſprach Salomo: Der Herr hat 
geredet, er wolle im Dunkeln wohnen, und wandte fich zur Gemeine und 
fegnete fte, und die ganze Gemeine fland. Hierauf trat er vor den Altar 
gegen die ganze Gemeine, breitete feine Hände aus gen Simmel und 
betete zu Bott. (Das zweite Buch der Chronik [7] fügt Hinzu: Und ba 


64 Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 


Salon audgebetet hatte, fiel ein Feuer vom Himmel, und verzehrete das 
Brandopfer und andere Opfer, und die Herrlichkeit des Herrn erfüllete 
das Haud. Auch fuhen ale Kinder Ifrael das Teuer berabfallen, und 
die Herrlichkeit ded Herrn über dem Hauie, und fielen auf ihr Antlig 
-und bettten an. Bey der Einweihung des Tempels flanden die Leviten, 
fo wird hier erzählt, mit den Saitenfpielen und fangen Pfalmen Daviv’s, 
und die Priefter bliefen Trompeten gegen ibnen.) Dann opferte der König 
und dad Volk Danfopfer, und das des Königs belief fih auf zwei und 
zwanzig taufend Ochſen, und hundert und zwanzig taufend Schafe. Nun 
weihte er an demfelben Tage den Mittelbof vor dem Tempel, mit Brand⸗, 
Speis⸗ und Danfopfern daſelbſt; denn der eherne Altar, der vor dem 
Herrn fland, war zu klein für alle dieſe Opfer. Auch machte der König 
mit ganz Ifrael ein Beft, eine große Verſammlung fieben Tage und noch 
fieben Tage. (Das zweite Buch der Chronik [7] giebt an, daß die Ein- 
‚weihung des Altares fieben Tage gedauert, und das Feſt weitere fieben 
Tage ) 

Als Ierufalem Hauptfiß des jüdiſchen Reiches durch David geworben 
war, hatte dieſer König auf der Höhe Zion eine Hütte errichtet für bie 
Lade, deren Name war (fo wird in dem zweiten Bucdhe- Samuelid [6] 
angegeben): Der Name des Herrn Zebaoth wohnet darauf über ven 
Cherubim. Vorher war fie zu Giben, in dem Haufe Abi⸗Nadab's, und 
David fammelte alle junge Mannſchaft in Iirael, dreißig taufend, und 
hole fie daſelbſt ab. Damals aber ward fie nicht getragen, ſondern auf 
einem neuen Wagen gefahren, den Abi⸗Nadab's Söhne, Uſa und Ahio, 
trieben, welcher legtere vor ver Lade hergieng; David aber und das ganze 
Haus Iſrael fpielten vor dem Herrn ber mit allerlei Saitenfpiel von 
Tannenholz, mit Harfen und Pfaltern und Pauken und Schellen und 
Eymbeln. Und da fie famen zur Tenne Nachon's, griff Ufa zu und hielt 
die Lade, denn die Rinder traten beifeit aus. Da ergrimmte der Zorn - 
des Herrn über Uſa, und Gott flug ihn daſelbſt um feines Frevels 
willen, daß er flarb. David ward betrübt und fürdhtete ſich, fo daß er 
die Lade nicht nach Ierufalem zu bringen fi getraute, fondern Tieß fie 
im Haufe Obed-Edom's, des Gathiterd. Als nun aber der Herr biefen 
und fein ganzes Haus feegnete, gieng der König nad drei Monaten bin, 
fie abzuholen. (Diesmal jedoch Tieß er fie, wie Mofe geboten hatte, durch 
die Leviten tragen, Chronik I. 16.) Und da fie einher zogen ſechs Gänge, 
opferte man einen Ochſen und ein fettes Schaf. (Die Chronik fagt: Da 
Gott den Keviten half, die die Lade des Herrn trugen, opferte man ſieben 
Varren und fleben Widder.) Und David tanzte mit aller Macht vor dem 
Herrn ber in einem leinenen Leibrock, und unter Jauchzen und Pofaunen 
(Trompeten, Gymbeln, Pfaltern und Harfen) zog die Lade bin, und bie 
tragenden Leviten und bie Sänger hatten leinene Kleiver an. Davip’s 


Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 65 


Weibe Michal, melde ihren Gatten tanzen ſah und fpringen, kam es 
verächtlich vor, und fie fpottete fein, und fprach zu ihm: Wie herrlich 
ift Heute der König von Iſrael gemeien, ver ſich vor den Mägden feiner 
Knechte entblößet hat, wie fi die loſen Leute entblößen. David aber 
ſprach: Ich will vor dem Herrn fpielen, der mich ermählet hat, ein Fürft 
zu ſeyn über Iſrael; und will noch geringer werden denn alfo, und will 
niedrig feyn in meinen Augen, und mit ven Mägven, davon du gerebet 
baft, zu Ehren werden, und befam fein Kind. Die Lade aber ward in 
der dazu errichteten Hütte aufgeftelt, und David opferte Brandopfer und 
Dantopfer, fegnete das Volk alsdann im Namen des Herrn Zebaoth, 
und tbeilte aus allem Volke, Mann und Weib, jedem einen Brodfuchen, 
ein Stück Tleifh und ein Nöfel Wein. In fpäter Zeit, ald König 
Antiohud über vie Juden berrichte und pas Heidenthum in dem Tempel 
zu Ierufalem eingeführt war, wurde verjelbe als ein Tempel des Olym⸗ 
piſchen Zeus, fo wie der Tempel auf Garizim als einer des gaftlichen 
Zeus geweiht, weil Fremde (Gäfte) daſelbſt wohnten (Marcabäer II. 6). 
Die Juden aber hielten wieder Gottesvienft zu Miſpath, wie vor geiten, 
ebe der Tempel erbaut war; ald jevod Judas Maccabäus Ierufalem 
eroberte, ließ er, wiemwohl der Feind noch in der Burg war, das Heilig⸗ 
thum reinigen, durch Priefter, welche dem heiligen Geſetze treu geblieben 
waren (Maccabäer I. 4). Diefe trugen den Gräuel und die unreinen 
Steine weg an unbeilige Drte. Den entweihten Altar ri man zufammen, 
und bewahrte die Steine bey dem Tempel an einem befondern Orte, bis 
ein Prophet fäme, der anzeigte, was man damit thun follte Nun bauten 
fie au8 neuen unbehauenen Steinen, dem Geſetze gemäß, einen andern 
Altar, und erneueten alle Geräthe, worauf das Einmweihungsfefl des neuen 
Altar acht Tage gefeiert und der Tempel mit goldenen SKränzen und 
Schildern gefhmüdt ward. Auch für die Zufunft wurde der fünf und 
zwanzigfte ded Monates Casleu, an welchem dieſes Feſt begonnen hatte, 
beſtimmt, um an ihm zu beginnen, die achttägige Beier des Altares mit 
Freuden und Danffagung zu begehen. Das Opfer aber warb mit Gefang, 
Pfeifen, Harfen und Enmbeln angerichtet, und an den Beften trugen fie 
Maien und grüne Zweige und Palmen. 

Zu dem Opfer gab es ein geheiligtes Teuer des Tempels, wenigflene 
in fpäterer Zeit, wie wir aus dem zweiten Buche der Maccabäer erfehen; 
denn als der Tempel gereinigt war (Kap. 10), nahmen fie Feuerſteine 
und ſchlugen Feuer zum Opfer. Zu dieſer Zeit ward auch erzählt, daß 
Nehemia nach ver Gefangenschaft an dem nämlichen Tage des Monates 
Easleu das Beuer gefunden babe, als er Tempel und Altar wieder 
herſtellte. Als nämlich die Sfraeliten nach Perſien mweggeführt wurden 
(Maccab. I. 1), verftedten vie Prieſter das Beuer vom Altar in eine 
tiefe trockene Grube, daß ed Niemand erführe. Nehemia nun fehidte die 

IV. 5 


66 Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 


Nachkommen diefer Priefter, es zu fuchen. Aber wie fie uns berichtet 
haben, haben fie fein Feuer, fonbern ein dickes Waßer gefunden. Daffelbe 
bieg er ſie fchöpfen, und ald er zum Opfer bereit war, über das Holz 
und dad Opfer gießen, und als dies geſchehen und die Sonne wohl ber- 
aufgefommen war, zündete fi} ein großes Feuer an, welches das Opfer 
verbrannte. Das übrige Waßer hieß Nehemia auf die großen Steine 
gießen; da gieng auch eine Flamme auf, ward aber von dem Beuer auf 
dem Altare verzehrt. Eben fo erzählte man damals (Kap. 2), daß ver 
Prophet Jeremia denen, die weggeführt wurden, gebeißen habe, das Feuer 
mitzunehmen, jo wie die Hütte des Stifts und die Lade. Als fie nun 
an den Berg famen, morauf Mofe geweien, fand Jeremia eine Höhle, 
darein verſteckte er die Hütte, die Lade und den Räudaltar, und verfchloß 
das Loch. Bey ter Tempelreinigung und neuen Einweihung durch König 
Hisfia und König Joſia ift feine Rede von dem Feuer, fo wenig, als in 
dem Buche von Nehemia over Eira. 

Daß der Tempel Palmen und Delzweige batte, erfahren wir aus 
dem erflen Buche der Maccabäer, denn es heißt (IT. 14) von dem abge- 
falenen Sobenpriefter Alcinus, er fey zu dem Könige Demetriud gezogen, 
und habe ihm eine goldene Krone und Palmen und Delzweige gebracht, 
welche in den Tempel gehörten. (I. 13. wird nur die goldene Krone mit 
den Palmen genannt.) Palmzweige dienten auch bey freudigen Belegen: 
heiten, z. B. ald Simeon, der Maccabäer, die Burg zu Serufalem wieder 
erobert. hatte, zog er hinein mit Lobgefang und Palmenzweigen und allerlei 
Saitenfpiel (Maccab. I. 13). Ob die Sfraeliten mit ven Palmen eine 
ee ausdrücken wollten, und ob, wenn dieſes der Ball gewefen, eine 
folhe aus ihrer Vorzeit herſtammte, over ob fie folhe nur als einen 
Schmuck betrachteten, Tann man aus ihren Ueberlieferungen nit erfehen. 
Bey den Aegyptern hatte die Palme eine wichtige Bereutung, denn fie 
bezeichnete dad Jahr, und Fam daher bey Zeitfeflen und auch fonft häufig 
vor, und da alles Leben nach der georbneten Zeit gerechnet wird, fo war 
die Palme eind ver bedeutendſten Sinnbilder. Ob nun diefe Palmen, 
die zum Tempelfchmude dienten, und die Delzweige und Granatäpfel bloß 
zum Schmuck angebradjt waren, over nicht, müßen wir, wie gejagt, dahin- 
geftelt fein Taßen. Daß der Delzweig ein Sinnbild ded Friedens bey 
mehreren alten Völfern war, ift befannt, und die Taube, weldhe Noah 
aus dem Kaften ließ (Tauben galten ald Boten, 3. B. durchaus in 
Aegypten), brachte, als das Gewäßer fich fenfte, einen Delzweig, was 
als Sinnbild des Friedens nach fo großer Zerflörung ſich recht gut eignen 
würde. Die Cherubim dienten in dem Allerheiligſten zum Schmude des 
Gnadenſtuhls, und waren, wie wir gelefen haben, auch außerdem ein 
Hauptſſchmuck in dem Tempel. Diefe aber hatten urfprünglich eine finn- 
bildliche Bedeutung, welche jenoch für und zweifelhaft geworben iſt, weil 


Tempel, Altäre, Gerätbe, Bilder. 67 


a8 Grundweſen ihrer Geftalt uns nirgends angegeben wird. *) Im erften 
Buche Moje (3. 24) Heißt e8 zwar: Gott lagerte vor dem Garten Even 


2) Gering ift die Zahl der Sinnbilder, welche wir bey den Semiten finden, 
was entweder daran liegt, daß wirklich die Zahl derfelben nicht größer 
war, oder daß bey den hoͤchſt mangelhaften Nachrichten manche für ung 
verborgen geblieben find. Daß wir bey der munnigfaltigen Berührung 
der Semiten mit den Negyptern, das Hegyptifche Sinnbild des Lebeng, 
das fogenannte Henkelkreuz, ehemals Nilfchlüßel genannt, nicht bey den 
Semiten finden, fann einigermaßen fonderbar erfcheinen. Diefes Sinnbild 
ift fo Schwer zu erflären, daß nur unfichere Bermuthungen darüber vor: 
gebracht werben Fünnen, weßhalb ich es unterlagen habe, meine Ber: 
muthung über die Entſtehung beffelben in meiner Darftellung der Aegyp⸗ 
tifhen Mythologie vorzubringen. Wegen einer Abhandlung des Herrn 
Lajard in Paris, deren Inhalt ich nicht glimpflicher behandeln kann, als 
wenn ich ihn mit Stillfehiweigen übergehe, will ich nachträglich in dieſer 
Note meine Conjectur, aber als nichts weiter, denn eine unflchere Ber: 
muthung, vorbringen. Wir fehen den PBalmzweig in Aegypten als ein 
Sinnbild des Jahres und der Jahresperioden, der Panegyrien; um Jahre 
aber fleht der Aegypter, und das bedeutet um Leben, weil das Leben als 
Zeitvauer erfcheint. An dieſem Panegyrienzweige fehen wir das Siegel 
unten, und es ift diefes ganz das Zeichen des Lebens ohne die Spike 
daran. Das Siegel kann nie etwas Anderes bezeichnen, als Befräftigung, 
Beftätigung, beftätigenden Abſchluß einer Sache, und am Panegyrien- 
zweige angebracht, muß feine Bedeutung die des beflimmten, beftätigten, 
feft abgefchloßenen Zeitraumes feyn. Sehen wir noch den Froſch daneben 
fiten, fo muß diefer freilich auch eine finnbilvliche Bedeutung gehabt 
haben, und es fcheint, daß er das Wiedererwachen des Jahres, weil er 
bey demfelben aus dem Schlamme, worin er verftedt lag, hervorkriecht, 
bezeichnet habe. Sp fehen wir in den Verwandlungsgefchichten (Anto⸗ 
ninus Liberalis 35), Hirten von Leto in Lyfien in Fröfche verwandelt, 
und ed mag dieſem Mährchen, dem ein Gefchichtchen von Wölfen, bem 
Sinnbilde des Lyfifchen Lichtgottes vorhergeht, der Froſch als Sinnbild 
diefes Gottes, der als Drachentönter, Bellerophontes, im Frühling auf 
dem geflügelten Roße durch die Luft reitet, und die Chimaira, das 
Namenfinnbild der winterlichen Gießbäche, vertilgt, zu Grunde liegen, 
ihn als Srühlingsgott bezeichnend. Doch dem fey, wie ihm wolle, für 
das Zeichen des Lebens fcheint das Siegel am Panegyrienzweige den Theil 
zu bilden, woran es gefaßt wird, und die Spiße fcheint aus dem Zweig 
entfprungen zu feyn, fo daß es eine Fleine Andeutung des Jahreszweiges 
mit dem Siegel ift, und fo das Zeichen zuerſt des Jahres, dann bes 
Lebens felbft, fu daß, wenn die Götter diefes Zeichen über einen König aus⸗ 
gießen, wie es uns Aegyptifche Denkmäler zeigen, fie Jahre des Lebens 
über ihn ausgießen. Den Delzweig fehen wir, zum wenigften in ber 
Geſchichte Noah's, als ein Sinnbild des Friedens; denn eine Taube (bie 
Taube galt in Aegypten als Botin), welche Noah aus ber Arche fchict, 
fommt mit einem Oelzweige zurück, und dieſer bezeichnet das nahende 

* 


68 Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 


den Cherub mit einem bloßen hauenden Schwerbte, und dieſer Eherub 
muß al& ein Engel Gottes gelten, d. h. diefer Name ift hier gemählt flatt 
des Namens Engel, doch waren die Cherubim urfprünglich Feine Engel, 
welche es als felbftändige, perfünlidhe Geifter im Moſaismus gar nicht 
gab, fondern eine fpätere Zeit, des Wefend der Cherubim unfundig, faßte 
fie als foldde auf. Sie hatten Blügel, welche cin Sinnbilv des Schußes 
bey den Orientalen waren, daher die große Mutter Natur, welche alles 
Leben fchügt, die Iſts bey dem Aegypter Flügel hatte, vie fonft daſelbſt 
feiner ®ottheit zufamen, außer noch der Schlange, als dem Sinnbild 
eined ſchützenden Genius, welcher der Genius des lebenſchützenden Landes 
felbfi war. In dem Sinne des Schuges find daher auch mohl bem 
Cherub die Flügel gegebeh worden. Ueber die Geftalt erfahren wir nur 
Weniges, und diefes zeigt und eine Mifchgeftalt. Ezechiel (41. 18), wo 
er von einem in einer Viſton erblichten Tempel des Herrn fpridht, erzählt: 
Am ganzen Haufe herum, von unten bid oben, an der Thür und an den 
Mänden waren Cherubim, und Palmlaubwerk darunter, und jeder Cherub 
hatte zmeen Köpfe; auf einer Seite wie eines Menfchen, auf der andern 
Seite wie ein Löwenkopf. In einer andern Viſton (Kap. 10) deſſelben 
Propheten heißt es: Gehe hinein zwifchen die Räder unter den Cherub, 
und faße die Hände voll glühender Kohlen, fo zwifchen den Cherubim 
find, und freue fle über die Stadt, und die SHerrlichfeit des Herrn erhob 
fi) von dem Cherub, und man hörte die Flügel der Cherubim rauſchen 
bis heraus vor den Vorhof, und der Mann trat bey dad Rad, und der 
Cherub firedte feine Hand heraus zwifchen ven Cherubim zum Feuer, und 
gab ed dem Mann, und erfhien an ben Cherubim glei wie eines 
Menfchen Hand unter ihren Flügeln. Und ich fah vier Räder, bey einem 
jeden Cherub eins, anzufehen wie ein Türkis. Wenn fte geben follten, 
fo fonnten fie an alle vier Derter gehen, und durften ſich nicht herum⸗ 
lenfen, wenn fie giengen; fondern wohin das erfte gieng, da giengen fie 
hinnach, fammt ihrem ganzen Leibe, Rüden, Händen und Flügeln. Und 


Ende der Sündflut. Weil Oel flets als ein befonders Sänftigendes, 
Milderndes gegolten hat, fo finden wir auch den Delzweig als Sinnbild 
des Milden, Sanften, des Friedens zu allgemeiner Geltung gelangt. Der 
PBalmzweig war, wie oben bemerft worden, in Aegypten das Sinnbild 
des Jahres, und da die Bäume alljährlich neue Zweige treiben, fo war 
es ganz natürlich, zur Bezeichnung des Jahres den Baumzweig zu wählen. 
Oben haben wir gefehen, daß Palmen nebft Blumenwerf unter die Tempel: 
verzierungen der Sfraeliten gehören, und wenn Chriftus bey feinem in: 
zuge, wie das neue Teftament meldet, Palmen geftreut werben, fo liegt 
diefem Brauche fiherlich eine Bedeutung zu Grunde, welche damit finn- 
bildlich ausgedrücdt wird, und noch heutzutage hat der Palmzweig bey 
den gläubigen Iſraeliten feine Geltung nicht verloren. 


Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 69 


die Räder waren vol Augen, um und um, und ed rief unter den Rädern: 
Balgal. Ein jegliches Hatte vier Angefichter; das erfte Angeficht war wie 
ein Cherub, das andere ein Menfch (alfo hatte der Cherub Fein Menſchen⸗ 
geficht), das dritte ein Löwe, das vierte ein Adler. Und die Cherubim 
Ihwebten empor. Wenn die Cherubim giengen und die Flügel ſchwingend 
fi) von der Erve erhoben, fo giengen und erhoben fi) die Räder audh; 
denn ed war ein lebendiger Wind in ihnen. Das iſt das Thier, das ich 
unter dem Gott Ifrael ſah am Waßer Chebar, und merkte, daß e8 
Cherubim wären: da ein jegliches vier Angefichter hatte und vier Flügel, 
und unter den Flügeln glei) wie Menichenhände. Diefe Angabe belehrt 
und ganz genau, denn in der Viſion am Waßer Chebar (Kap. 1) heißt 
e8: Siebe, es kam ein ungeftümer Wind von Mitternacht mit einer 
großen Wolfe vol Feuer, und mitten in dem Teuer war ed hell wie 
Licht, und darinnen war e8 geftaltet wie vier Thiere, und unter ihnen 
Eines Geftalt wie ein Menſch; und ein jegliches hatte vier Angeftchter 
und vier Flügel, und ihre Beine flanvden gerade, aber ihre Füße waren 
gleih wie runde Füße, und glänzten wie Erz; und hatten Menſchenhände 
unter ihren Flügeln, und wenn ſie giengen, durften fie fi} nicht herum- 
Ienfen, fondern giengen ſtracks vor ſich. Ihre Angefichter zur rechten Seite 
waren gleih einem Menfchen und Löwen; aber zur linken Seite gleich 
einem Dchjen und Adler. Und ihre Angeftchter und Flügel waren oben- 
ber zertheilet, daß je zween Flügel zuſammenſchlugen, und mit zweien 
Blügeln ihren Leib bedeckten. Sie giengen aber, wohin ver Wind fland, 
und die Thiere waren anzufehen wie feurige Kohlen, und ed fland ein 
Rad bey ihnen, anzufehen wie vier Räder. 

Wir erfehen hieraus, dag der Cherub in feiner eigentlichen @eftalt, 
mit einem Kopfe, Fein menſchliches Antlig hatte, und da Ezechiel in 
ben Mifchgeflalten aus dem einen Kopfe den Cherub erfannte, und das 
eine Mal vie vier Köpfe als die eines Menfchen, Loͤwen, Cherubs und 
Adlers, das andere Mal als die eines Menjchen, Löwen, Ochſen und 
Adlers bezeichnet, fo iſt es außer Zweifel, daß ver Cherub einen Stier- 
kopf hatte. Hätte er vier Beine gehabt, fo würde Ezechiel es wohl in 
ver Beichreibung bemerft haben, fo daß es fcheint, wir dürfen annehmen, 
der Cherub fey eine menſchliche Geftalt mit Stierfopf und Blügeln 
gewefen, deren Füße aber tbierifch endeten, entweder mit Thierflauen, 
oder anderen Thierfüßen. Auch Menfchenarme und Hände ſcheint der 
Cherub gehabt zu haben, denn von dem einen wirklichen Cherub fagt der 
Prophet, als verſtehe es fich von felbft, er habe feine Hände ausgeftredt; 
von den Mifchgeftalten zufammengefegterer Art aber fagt er: und erſchien 
an ven Cherubim gleich wie eines Menfchen Hand unter ihren Flügeln. 
Solche zufammengefegte Geftalten, weldye die Gottheit menſchlich mit dem 
fie als Sinnbild bezeichnenden Thierkopfe darſtellten, bietet Aegypten in 


70 Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 


dem reichflen Maaße dar, und eben fo zeigen die Denfmäler dieſes Landes 
die Häufung verfchievener Thierfymbole in einer Geftalt, und auch Berften 
hatte feltfame Zufammenfegungen von Thieren in Bildern, fo daß bie 
Viſion Ezechiel's für eine ſolche Häufung durch Gefehenes vorbereitet war. 
Den Stierkopf fonnte man zur Zufammenfegung ald Bild einer Gottheit 
nur dann wählen, wenn ber Stier dad Sinnbild derfelben war, und 
diefer war ein wmeitverbreiteted Sinnbild der Befruchtung, welches ven 
Sfraeliten wohl befannt war und von ihnen, fo oft fie zum Heidenthum 
abftelen, verehrt wurde. Als Mofe auf dem Sinai (mo er vierzig Tage 
und Nächte ohne Nahrung vermeilte und die zwei fleinernen, mit dem 
Finger Gottes gefchriebenen Tafeln der zehen Gebote erhielt) den Ifrae- 
liten zu lange zögerte, fpradhen fte zu Aaron (I. 32): Mache und Götter, 
die vor und hergeben, denn wir wißen nicht, was Moſe widerfahren ifl. 
Da lieh fih Aaron allen Goldſchmuck geben, goß daraus ein Kalb, und 
fie ſprachen: Das find deine Götter, Ifrael, die di aus Aegyptenland 
geführet haben. Dann baute Aaron einen Altar, und ließ für den 
nächſten Tag ein Feſt des Herrn ausrufen, an dem er Branvopfer und 
Danfopfer darbrachte, und das Volk ſchmauſte und führte Reihentänze auf. 
Doch Mofe eilte berzu und warf im Zorne die Gefehtafeln an den Boden, 
daß fte zerbrachen (Bott verzieb es ihm und gab ihm, als er wieder auf 
den Berg Fam, andere, die aber Mofe fchrieb, 34. V. 28), und zermalmte 
und verbrannte das goldene Kalb, da der Herr darüber erzürnt war, fo 
daß es demnach hHeidnifh war. Für den, meldyer glaubt, daß Gott 
wirklih zu Mofe alle die Worte gefprochen, welche als Gotted Worte im 
Pentateuch angeführt werden, muß ed ſchwer verflänvlich feyn, daß Gott 
biefes heidniſche Sinnbild an die Lade, welche vie Gefegtafeln einfchließt, 
und an den darauf befinplichen Thron Gottes zu ſtellen befiehlt. Befonders 
verehrte Samaria, zum Heidenthum abgefallen, dad Kalb. Der Prophet 
Hoſea fagt (8. 5): Dein Kalb, Samaria, verflößt der Herr, ein Werf- 
mann bat e8 gemacht; darum fol das Kalb Samaria gepülvert werben. 
Berner (10. 5): Die Einwohner zu Samaria forgen für die Kälber zu 
Beth⸗Aven. Ja das Kalb iſt in Aſſyrien gebracht, zum Gefchenfe dem 
Könige zu Jareb; und (13. 2): Sie predigen von ven Bögen: Wer vie 
Kälber Füßen will, ver fol Menſchen opfern, biefelbigen werben haben 
die Morgenmwolfe und den Thau, der frühe fällt. Don König Ierobeam 
erzählt das erfle Buch der Könige (12. 28): Er machte zwei goldene 
Kälber und ſprach zu Ifrael: Siehe, da find beine Götter, die dich aus 
Aegyptenland geführet haben, und er fette eins zu Bethel, und dad andere 
that er gen Dan. Don dem Könige Jehu heißt es im zweiten Buche ber 
Könige (10. 19): Er vertilgte die Baalsviener zu Samaria, doch von 
den goldenen Kälbern zu Bethel und Dan ließ er nicht ab. Ob die 
Kinder Iſrael diefen Hang zum Kalb aus Aegypten mit nach Ganaan 


Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 7ı 


brachten, benn in Aegypten warb der Apis verehrt, oder ob er älter ala 
ihre Einwanderung in Uegypten war, Fünnen wir nicht beflimmen, wies 
wohl der Prophet Ezechiel angiebt (16), daß die Jfraeliten Aegyptiſche 
Abgdtterei getrieben, fo wie Aſſyriſche, und (20 und 23), daß fe fchon 
in Aegypten felbft fi ven dortigen Götzendienſt ergeben hätten. Der 
Anwendung der Cherubim fland ed übrigend wohl nidyt fern in ber 
Bedeutung, daß dad Gefäß für die Prieftermafchung auf zwölf ehernen 
Rindern rubte. 

Die Flügel, als ein Bild des Schuges, mögen davon entlehnt feyn, 
daß der Vogel feine Jungen mit feinen Flügeln bevedt und fchirmt, wie 
ben Ausdruck des Dedens auch Ezechiel (28. 14) gebraudt: Du bift wie 
ein Cherub, der fih weit ausbreitet und decket. Es liegt viefes 
Bild jehr nahe, und wir fehen ed auch im alten Teflament angewendet 
in bildlicher Rde. In den Pfalmen beißt e8 (1.7. 8): Befchirme mich 
unter dem Schatten deiner Flügel. Abermals (63. 8): Unter vem Schatten 
veiner Flügel. (91. 4): Gott wird dich mit feinen Fittigen decken, und 
beine Zuverficht wird ſeyn unter feinen Flügeln. 

Dad Heiligthum der Kinder Jfrael hatte außer den Cherubim noch 
ein Sinnbild, deßen weder bey Errichtung der Stiftöhütte, noch bey dem 
Tempel Erwähnung gefchieht, und welches der fromme König Hiskia als 
heidniſch anſah. Wir leſen nämlich im zweiten Bude der Könige (18. 4): 
Hisfia zerftieß die eherne Schlange, die Mofe gemacht hatte; denn bis 
zu der Zeit hatten ihr die Kinder Iſrael geräuchert, und man hieß fie 
Nehuhftan (d. i. die Cherne). Für den Gläubigen des Mofaismus fann 
Hiskia's That nicht anders als hochſt bedenklich erfcheinen, denn im vierten 
Buche Mofe (21) wird erzählt: Das Volk redete wider Gott und Mofe; 
ba fandte der Herr feurige Schlangen, die bifen ſie, daß Viele flarben. 
AS das Volk Reue zeigte, bat Mofe für vafjelbe, und der Herr ſprach 
u ihm: Made dir eine eherne Schlange, und richte fie zum Zeichen 
auf; wer gebifen ift, und flieht fie an, ver fol leben. Da machte Moſe 
eine eherne Schlange, und wenn Jemanden eine Schlange biß, fo fah er 
die eberne Schlange an, und blieb leben. Diefe Schlangen heißen auf 
hebräifch Seraphim von dem Zeitworte saraplı, hat gebrannt, weil ihr 
Big einen brennenden Durft erzeugt, weßhalb fie auch im Griechifchen 
bie brennenden Schlangen heißen. Daß demnach die Seraphim, d. 1. bie 
brennenden Schlangen, als ein göttliches Sinnbild göttlihe Verehrung 
bey den Kindern Ifrael hatten, ift außer Zweifel, und wenn eine fpätere 
Zeit eine Art Engel daraus erbicdhtete, fo iſt dies gar nicht in dem 
Mofaismus Öegzündet , fondern gehört ver aus Perſien herſtammenden 
Anfiht von den Engeln an. Während die Cherubim aufs haͤufigſte 
erwähnt werben, ift es Jeſaia allein, welcher (6. 2) der Serapbim, in 
Verbindung mit Gott, als zu ihm gehöriger Wefen gevenft: Des Jahres, 


72 Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 


da König Ufla flarb, ſah ich den Herrn fiten auf einem Hohen und 
erbabenen Stuhl, und fein Saum füllete den Tempel. Seraphim flanden 
über ihm, ein jeglicher Hatte ſechs Slügel; mit zweien dedten fie ihr 
Antlig, mit zweien ihre Füße, und mit zweien flogen fle. Und einer rief 
zum andern, und fpradh: Seilig, heilig, heilig iſt ver Herr Zebaoth; 
alle Lande find feiner Ehre vol; daß die Ueberfchwellen bebten von ver 
Stimme ihres Rufens, und das Haus ward vol Rau. Und es flog 
der Seraphim einer zu mir, und hatte eine glühende Kohle in der Hand, 
die er mit der Zange vom Altare nahm; und rührete meinen Mund und 
fprah: Siehe, Hiemit find deine Kippen gerühret, daß deine Mißethat 
von dir genommen werde, und beine Sünde verfühnet fey. So fehen 
wir bier bey diefem Propheten die Seraphim genannt im Verhältniße zu 
Gott, wie fonft überall vie Cherubim erwähnt werden, Fünnen aber auß 
der Beichreibung, welche Blügel und Hände angiebt, die von Jeſaia in 
feiner Viſton geſehene Geftalt nicht beflimmen. Die Schlange hat viel- 
fältige Anwendung in dem heidniſchen Glauben der alten Völker gefunden, 
und in Aegypten galt fie, geflügelt und mit den Kronen des Landes auf 
dem Haupte dargeſtellt, als guter Landesgenius, ericheint häufig in ber 
Aegyptiſchen Mythologie, und ed gab audy fchlangenföpfige Götter in der⸗ 
felben. Auch meldet eine altieftamentlidhe Schrift vom Drachen, den bie 
zu Babel anbeteten. In welchem Sinne vie Sfraeliten die eherne Schlange 
Mofe zur Zeit, als Hiskia fie zerflürte, verehrten, Fönnen wir nidjt 
erratben; wa8 aber ven Propheten Jeſaia veranlaßte, uns dieſe brennenden 
Schlangen mit Händen vorzuführen und fingen zu laßen, eben fo wenig. 

Durch Mebertritt zum Heidenthume waren auch Sonnenroße in dem 
Heiligthume zu Ierufalem. Softa, heißt e8 im zweiten Buche der Könige 
(23. 11), that ab die Roße, welde die Könige Juda hatten der Sonne 
gefekt im ingange des Herrn Haufes, und die Wagen ver Sonne ver« 
brannte er mit euer. 

So wie in der Stiftshütte und im Tempel ein Alerbeiligfted, das 
eigentliche Haus der Gottheit, war, fo müßen wir es uns überall venfen; 
denn man nahm an, bie Gottheit fey in dem Tempel anweſend, und wie 
ber bildloſe Gott auf den Gnadenſtuhl Fam, als feinen Thron, fe war 
bey den Heiden daſelbſt ein Goͤtterbild, over doch ebenfalls die Wohnung 
ber Gottheit. Nicht nur, daß Gott in der Stiftöähütte erfcheint, wird er 
auch ald im Tempel anwefend und gleichfam va wohnend gedacht. SPfal« 
men geben und die Ausprüce (18. 7); Gott erböret meine Stimme von 
feinem Tempel; (20. 3): Er ſende vir Hülfe vom Heiligthum und flärfe 
dich aus Zion; (76. 3): Zu Salem ift fein Gezelt, unngfeine Wohnung 
zu Zion. Diefe befchränfte Auffaffungsweife zeigt ſich auch darin, daß 
man eine Gottheit als auf ein Land befchränft annahm, und gewißer- 
maßen an ben Boden gefeßelt, fo daß fle nur auf dieſem verehrt werben 


Tempel, Altäre, Geräthe, Bilder. 73 


- fönnte. Zur Zeit des Propheten Clifa ward Naeman, der Feldhaupi⸗ 
mann bed Königs von Syrien, audfägig, und Fam, von diefem Propheten 
börend, zu ihm, daß er ihn heile (zweites Buch der Könige, Kap. 5), und 
als er vor feiner Thüre war, ließ ihm Elifa herausfagen, er folle fi 
fiebenmal im Jordan mwafchen. Dieb half, und Naeman wollte ibm 
jegt eine Belohnung aufnöthigen, aber er nahm fle nicht an. Da ſprach 
Naeman:- Möchte deinem Knechte nicht gegeben werben dieſer Erde eine 
Laſt, fo viel zwei Maulthiere tragen? Denn dein Knecht will nicht mehr 
anderen Göttern opfern, fondern dem Herrn; daß der Herr deinem Knechte 
darinnen wolle gnädig feyn, wo ich anbete im Haufe Rimmon's, wenn 
mein Herr ind Haus Rimmon’d gehet, daſelbſt anzubeten, und er fid 
an meine Hand lehnet. Alfo glaubte viefer Syrer dem Gott Iſraels nur 
auf Ifraelitifher Erde opfern zu Fünnen. Im erften Buche der Könige 
(20), ale Ahab mit dem Syriſchen Könige Ben Hadad Krieg führte, 
und biefer gefchlagen mar, fpracdhen feine Leute zu ihm: Ihre Götter 
find Berggötter, darum haben fie und angewonnen. O, daß wir mit 
ifnen auf ver Ebene flreiten müßten! Was gilt's, wir wollten ihnen 
angewinnen ? 

Die Bilder flelten entweder die Götter in Mienfchengeftalt, ober in 
einer aus dieſer und einem der Gottheit zum Sinnbilde dienenden Thiere 
gemifchten dar, over das Sinnbild der Gottheit allein. Wir Iefen über 
folhe Sinnbilver im Allgemeinen in dem Buche von der Weidheit Salomo's 
(15. 18): Dazu ehren fte die allerfeinpfeligften Thiere, welde, fo man 
fie gegen andere unvernünftige Thiere bält, find fie viel ärger. Denn fie 
find nicht lieblich, wie andere Thiere, die fein anzufehen find, und find 
von Gott weder gelobet, noch gefegnet. Darum wurden fie mit verfelbigen 
gleichen billig geplaget, und wurden durch die Menge der boͤſen Würmer 
gemartert. (Died gebt freilih auf den Aegyptiſchen Thierbienft, in 
welhem auch das Krofopil als Heilig gepflegt ward; doch die Kinder 
Iſrael verfielen in folhe Abgdtterei, und fle war den anderen Semiten 
nicht fremd.) Ezechiel (8. 10) fpricht von allerlei Bilonigen ver Würmer 
und Thiere und allerlei Bögen des Hauſes Ifrael, allenthalben umher 
an die Wand gemacht. Die Bilder wurden, wie z. B. dad goldene Kalb, 
theils aus eveln, theild andern Metallen, over auch Holz over Stein 
gemacht, und ed waren auch fchöne Kleider für fie vorhanden. Wir leſen 
im Alten Teftamente (Chronik I. Kap. 28): Ahas machte gegoßene Bilder 
Baalim. Jeſaia (2. 20) ſpricht von filbernen und goldenen Göten, und 
(30. 22) von den überfilberten Gögen und den goldenen Kleidern der 
Bilder. Seremia (10. 9) nennt Holzbilver mit Silber und Gold über« 
zogen, und mit gelber Seide und Purpur angethan. Daniel nennt (5. 4) 
goldene, filberne, eberne, eiferne, hölzerne und fleinerne Götter. Im 
Buche Baruch heißt ed (6. 9): Die Pfaffen flehlen das Gold und Silber 


7A Tempel, Altäre, Gerätbe, Bilder. 


von den Götzen, und ſchmücken die filbernen, goldenen und hölzernen 
Goͤtzen mit Kleidern; und wenn man ihnen ein Purpurkleid anziehet, ſo 
muß man ihnen den Staub abmwildhen , und er trägt einen Scepter in ber 
Hand, mie ein König, Er har auch ein Schwerbt und eine Urt in ver 
Hand, er kann ſich aber der Diebe und Räuber nicht erwehren. Wenn 
man fie in ihre Häuslein ſetzt, werben fie vol Staub von den Füßen 
derer, die bineingehen. Sie zünden ihnen Lampen an, und derer viel 
mehr, denn fie für ſich feldft anzünden, und ſehen doch nichts. Linter 
ihrem Angeftchte find fie Schwarz vom Rauch im Haufe. Und die Nadht- 
eulen, Schwalben und andere Vögel fegen ſich auf ihre Köpfe, deßgleichen 
auch die Kapen. 

Die Tempel wurden auch mit Beute geſchmückt, die man der Gott- 
beit weihte. Als Saul im Kampfe gegen die Philifter durch Selbfimord 
umgefommen war, zogen fie ihm die Waffen ab, ließen ihren Sieg in 
den Häufern der Götter verfünden und legten feinen Harniſch in daß 
Haus Aſtharoth's, mie das erfle Bud) Samueliß (31) erzählt. Das erfte 
Buch der Chronik (1) giebt an, fie Hätten feine Waffen in dad Haus 
ihres Gotted gelegt, und feinen Schädel an dad Haus Dagon’d (einer 
ihrer Gottheiten) geheftet. Die Schäge der Tempel flogen aus freimilligen 
Gaben und beflimmtem Cinfommen, auch dienten die Tempel zur fidyeren 
Aufbewahrung des Vermögens der Wittmen und Waifen und Privatleute. 
Wir lefen im erflen Buche ver Maccabäer (10), daß der König Deme- 
trius von Syrien an die Juden ſchreibt: Die drei Vogteien im Lande 
Samaria und Galiläa, fo zu Judäa gehören, follen Niemand unterthan 
feyn, denn allein dem Hohenpriefter, daß man wiße, daß er allein Kerr 
darüber fey. Die Stadt Ptolemais und die Landſchaft, jo dazu gehört, 
gebe ich dem Tempel zu Ierufalem, zu den Koflen, die auf bad Opfer 
geben. Ih wi auch jährlich fünfzehn taufend Sedel Silber von meinem 
eigenen Einkommen verfchaffen zum Gebäude des Tempeld. Und was id) 
von Alters her aus meinen Aemtern ſchuldig geweien, zum Tempel zu 
geben, das fol ihnen forthin gereichet werben. Und bie fünftaufend 
Sedel Silber, welche meine Amtleute von des Tempels Binfommen ent- 
wendet haben, follen den Prieſtern wiederum jährlidy folgen. Es fol ber 
Tempel auch diefe Freiheit haben: Wer in meinem ganzen Königreid 
eine Strafe verwirket hat und fliehet in ven Tempel, der fol da ficher 
feyn mit Leib und Gut. (Aſyle waren die heidniſchen Tempel indgemein.) 
Zum Gebäude und Beßerung des Tempels will der König die Koften 
auch Iegen von feinem eigenen Einkommen. Das zweite Buch der Macca⸗ 
bier erzählt uns (3): Simon, der Vogt des Tempels, ein Benjaminiter, 
war dem Sohenpriefter Onias feind und gieng zum Saupimanne von 
Nieder Syrien und Phönicien, und fagte zu ihm, wie ber Ootteöfaften 
zu IJerufalem über die Maaßen reich von Gold wäre, und fehr viel übrig, 


Tempel, Altäre, Gerätbe, Bilder. 75 


das man nicht zum Opfer bedürfte. Da verorpnete der König feinen 
Kämmerer, das Gold zu holen; der Hoheprieſter aber fagte demfelben: 
Es ift ein Theil Hinter und gelegt zu treuer Sand, das Wittwen und 
Waiſen gehöret. Das andere ift des Tobias Hyrcanus, welcher ein treff⸗ 
liher Mann war. Als der Kämmerer ed dennoch nehmen wollte, Tagen 
die Priefter in ihrem heiligen Schmude vor dem Altar, und riefen Gott 
im Himmel an, ver felbft geboten hat, daß man die Beilage nicht fol 
veruntreuen, daß er den Leuten das Ihre, fo fie an den Drt zu treuen 
Händen beygelegt hatten, wollte erhalten. 

Die Gdtterbilder wurden, um Sieg zu verleihen, auch mit in ven 
Krieg genommen. So erzählt das erfte Buch ber Ehronif (15. 12): 
Ald David die Philifter zu Baal Prazim gefchlagen hatte, ließen fle ihre 
Götter bey der Flucht daſelbſt und David verbrannte fie. 


76 


Briefter. 


Zum Dienſte der Gottheit hatten die Semiten eine zahlreiche gehei⸗ 
ligte Schaar von Prieflern, denn der Dienfl war von der Art, daß er 
Viele befchäftigte und mehr als eine Klafje geweihter Diener nöthig hatte. 
In Aegypten waren ber Abtheilungen der Priefterfchaft mehrere, doch 
zerfielen fte in zwei Hauptklaſſen, bie der eigentlien Prieſter oder Pro- 
pheten, und vie der dienenden Priefler. Bey ven Aflatifhen Semiten 
laͤßt der Mangel an Nachrichten nit zu, die Eintheilung genauer zu 
beflimmen; denn nur von den Prieftern des Moſaismus erfahren wir bie 
Verhaͤltniße, und fehen fie, wie ed auch für die Anbern fich zu verftehen 
fheint, in die Kinder Aaron's, als die eigentlichen Prieſter und in die 
Keviten, weldye unter den Kindern Aaron's dienten, eingetheil. An ver 
Spige aber fland der Hoheprieſter als Vorſteher ver gefammten Priefter- 
fhaft und des Gottesdienfled. Aaron, der Bruder Moſe, des Mannes 
Gottes, der in Aegypten mit Mofe die Wunder verrichtete, wird von 
Bott zum Priefter beflimmt für dad Volk Iſrael, dad ein priefterliches 
Königreih und ein heiliges Volk feyn follte (Moſe II. 19. 6). Da Alles, 
was man in die Nähe des Herrn brachte, nämlid zur Wohnung Gottes 
oder zum Ultare, rein feyn mußte, fo war natürlich für den Priefler die 
höcdhfte Reinheit eine firenge Bedingung; die Kleidung war vorgefchrieben, 
und ohne Weihe Eonnte er nicht dienen. Wir leſen im zweiten Buche 
Mofe (28), daß Bott zu Mofe fpriht: Du ſollſt Aaron, deinen Bruder, 
und feine Söhne nehmen, daß er mein Pierfter fen, und ihm heilige 
Kleider machen lagen, die herrlich und ſchön feyen zu feiner Weihe: das 
Schildlein, den Leibrod, ſeiden Rod, engen Rod, Hut und Gürtel. 
Den Leibrod follen fie machen von Gold, gelber Seide, Scharlafen, Rofin- 
roth und gezwirnter weißer Seide, Fünfllih, daß er auf beyden Achſeln 
zufammengefüget und an beyden Seiten zufammengebunden werde. Don 
demſelben Stoffe fol der Gurt feyn. Und ſollſt zween Onychſteine nehmen, 
und darauf graben die Namen der Kinder Ifrael; auf jeglichen ſechs 
Namen, nad) der Ordnung ihres Alters; und fie follen mit Gold umber 
gefaßet werden. Und folft fie auf die Schultern des Leibrodes Heften, 
dag Aaron die Namen auf feinen Schultern trage vor dem Herrn zum 
Gedaächtniß. Und folft goldene Spangen maden, und zmo Ketten von 
feinem Gold, und ſollſt fie an die Spangen thun. Das Amtsfchilplein 
foüft vu machen von demfelben Stoffe, wie den Leibrod, vieredigt und 
zwiefach, eine Hand breit lang und breit, mit vier Reihen Steine in 
Gold gefaßt, in der erflen Reihe fey ein Sarder, Topafer, Smaragd; in 


PBriefter. 77 


der zweiten ein Rubin, Saphir, Demant; in der dritten ein Lynkurer, 
Achat, Amethyſt; in der vierten ein Türkis, Onych, Jaſpis. Und follen 
nad den Namen ber zwölf Stämme Ifrael flehen, gegraben vom Stein« 
Schneider. An dem Schildlein follen vier goldene Ringe feyn, und 8 
fol mit goldenen Ketten und Spangen auf die Schultern des Leibrockes 
gehefltet werden, und unten durch goldene Ringe am Leibrocke mit den 
auf der unteren Sinterfeite befinvlichen Ringen durch eine gelbe Schnur 
an den Leibrod feſtmachen, daß es hart anliege. Alſo fol Aaron die 
Namen der Kinder Ifrael tragen in dem Amtfchilplein auf feinem Herzen, 
wenn er in bad Heilige gebet, zum Gedächtniß vor dem Kern allezeit. 
Und ſollſt in das Amtsfchildlein thun Licht und Recht, daß fie auf dem 
Herzen Aaron's ſeyen, wenn er eingehet vor dem Kern. Du folft ven 
ſeidenen Rock unter den Leibrod machen ganz von gelber Seide, oben 
mitten inne ein Loch, und um dies eine Borte, und unten am Saume 
Granatäpfel von gelber Seide, Scharlafen, Roftnrotb um und um, und 
zwiſchen je zwei verfelben je eine goldene Schelle. Und Aaron fol ihn 
anhaben, daß man feinen Klang höre, wenn er aus- und eingehet in 
das Heilige vor dem Herrn, auf daß er nicht flerbe. (Damit alfo Gott 
glei wißen möge, es fey der Priefter.) *) Du folft auch ein Schildblatt 
machen von feinem Gold und darin die Heiligkeit des Herrn audgraben 
(39. 30: Sie madten auch dad Stirnblatt an ver heiligen Krone- von 
feinem Gold, und gruben Schrift darein: Die Heiligkeit des Herrn), und 
ed an eine gelbe Schnur heften vorn an den Hut, auf der Stirn 
Aaron's, daß alfo Aaron trage die Mißethat des Heiligen, dad die Kinder 
Sirael heiligen in allen Gaben ihrer Heiligang; und es fol allewege an 
feiner Stirn ſeyn, daß er fie verföhne vor dem Herrn. Du folft den 
engen Rod machen. von meißer Seide, und einen Hut von weißer Seide, 
und einen gefticten Gürtel. Und den Söhnen Aaron's ſollſt du Röcke, 
Gürtel und Hauben maden, vie herrlih und fchön feyen. Und folft 
Aaron und feine Söhne falben, und ihre Hände füllen (nämlich mit 
einem Opfer) und fie weihen, daß fie meine Priefter jeyen. Und ſollft 
ihnen leinene Nieverkleiver machen, zu beveden die Schaam, von ben 
genden bi8 an die Hüften, wenn fie in die Hütte des Stifte gehen, oder 
binzutreten zu dem Altare, daß fe nicht ihre Mißethat tragen und flerben 
müßen. Die heiligen Kleiver aber z0g der Priefler aus, wenn er aus 
dem Heiligthume gieng, worüber wir bey Ezechiel (40. 17) Iefen: Wenn 
fie durch die Thore des inneren Vorhofes gehen wollen, follen fie leinene 


*) Im Buche Jeſus Sirach heißt es (85. 11): Und hieng viel goldene Schellen 
und Rnäufe umher an ihn, daß es Flänge, wenn er aus= und eingienge, 
und der Klang gehöret würde im Heiligthume, damit feines Volkes vor 
Bott gedacht würde. 


78 Priefter. 


Kleider anziehen, und nichts Wollenes anhaben, weil fie in den Thoren 
im inneren Vorhofe dienen. Und follen leinenen Schmud auf ihrem 
Haupte haben, und leinenes Nieverfleiv um ihre Lenden, und follen fich 
nicht gürten im Schweiße. Und wenn fle etwa zu einem äußeren Vorhofe 
zum Volke herausgehen; follen fie die Kleider, darin fle gevienet haben, 
ausziehen, und biefelben in die Kammern des Heiligthumes legen, und 
andere Kleider anziehen, und das Volk nicht heiligen in ihren eigenen 
Kleivern. 

Die Einweihung Aaron's, als des Hohenpriefterd und feiner Söhne, 
ift alfo befohlen (II. 29): Nimm einen jungen Farren und zween Wipber 
obne Wandel, ungefäuerte® Brod und ungefäuerte Kuchen mit Del 
gemenget, und ungefäuerte Fladen mit Del gefalbet, Alles von Walzen- 
mebl. Und folft Aaron und feine Söhne vor die Thüre der Hütte des 
Stiftes führen, und mit Waßer waſchen, und mit ven heiligen Kleidern 
anziehen, und folft Aaron ven Hut mit der heiligen Krone auflegen, 
und Salböl auf fein Haupt fchütten und ihn falben. Und folft Aaron 
und feinen Söhnen die Hände füllen, ven Barren herzuführen, und fie 
follen ihre Hände auf des Barren Haupt legen, und folft dieſen fchlachten, 
ung feines Blutes nehmen und auf des Altares Hörner thun mit deinem 
Binger, und alles andere Blut an des Altared Boden fehütten. Und 
ſollſt alles Fett der Eingeweide, das Neb, und die zwo Nieren mit dem 
Bett auf dem Altar anzünden. Uber des Barren Fleiſch, Bel und Miſt 
font du außen vor dem Lager verbrennen; denn es ift ein Sünpopfer. 
Auf des einen Wivdders Haupt follen Aaron und feine Söhne ihre Hände 
legen, dann ſollſt du ihn ſchlachten, und feines Blutes rings auf ven 
Altar fprengen, und du folft ihn zerlegen, Eingeweide und Schenfel 
waſchen, und auf die Stüde und das Haupt legen, und den ganzen 
Widder zum Brandopfer anzünden. Auf des anderen Widders Haupt 
follen Aaron und feine Söhne ihre Hände legen, und ſollſt ihn ſchlachten 
und ihnen feines Bluts auf den rechten Obrfnörpel tbun, und auf ben 
Daumen der rechten Hand und auf den großen Zehen des rechten Fußes; 
und ſollſt bad Blut rings auf den Altar fprengen. Und folft des Bluts 
auf dem Altar nehmen, und Salböl, und Naron und feine Söhne und 
ihre Kleider befprengen. Darnach folft du nehmen das Fett von dem 
Widder, ven Schwanz, das Fett der Eingeweive, das Netz, die zwo Nieren 
mit dem Bett, und die rechte Schulter (denn es ift ein Widder der Fülle), 
und ein Brod, und einen Delfucdhen, und einen laden aus dem Korbe 
des ungefäuerten Brodes, der vor dem Herrn flehet; und lege es Alles 
auf die Hände Aaron's und feiner Söhne, und webe (d. i. weihe es mit 
einer Bewegung ober Erhebung) dem Herrn. Darnach nimm's von ihren 
Händen und zünde ed an zum Brandopfer. Und folft vie Bruft vom 
Widder der Bülle Aaron's vor dem Herrn weben; das fol dein Theil 


Vriefter 79 


ſeyn; und ſollſt alfo Heiligen die Webehruft und vie Hebefchulter, vie 
gewebet und gehebet find von dem Widder der Fülle Aaron's und feiner 
Söhne. Und fol Aaron's und feiner Söhne feyn, zur ewigen Weife, 
von den Kindern Iſrael; denn ed ift ein Hebeopfer, und dieſe follen bes 
Herrn feyn an ihren Danfopfern und Hebeopfern. Aber vie heiligen 
Kleiver Aaron's ſollen ſeine Söhne haben nad ihm, daß fle darinnen 
gefalbet und ihre Hände gefüllet werden. Welcher unter feinen Söhnen 
an feiner Statt Priefter (d. i. Hohepriefter) wird, ver fol fle fieben Tage 
anziehen, daß er gehe in die Hütte des Stifte, zu dienen im Heiligen. 
Du ſollft aber nehmen den Widder der Füllung, und fein Fleiſch an 
einem heiligen Drte kochen, und Aaron mit feinen Söhnen fol e8 efen, 
fammt dem Brod im Korbe, vor der Thüre der Hütte des Stiftes. Kein 
Anderer fol es een, denn es ift heilig. Wo aber etwas überbleibet von 
vem Sleifche der Füllung und dem Brode bis an den Morgen, folft vu 
8 verbrennen. Sieben Tage folft du ihre Hände füllen, und täglich 
einen Barren Schlachten zum Sünpopfer, zur Verfühnung (Kap. 40. V. 35. 
fagt Mofe zu ihnen: Und folt in fieben Tagen nit ausgehen von ber 
Thüre der Hütte ded Stiftd, und folt Tag und Nacht bleiben, und auf 
vie Hut des Herrn warten, daß ihr nicht fterbet). Und ſollſt ven Altar 
enifündigen, wenn du ihn verföhneft, und folft ihn falben, daß er gemeihet 
werde. (II. 8. lefen wir: Mofe nahm das Salböl, und falbete die 
Wohnung und Alles, was darinnen war, und meihete ed; und fprengte 
damit flebenmal auf den Altar, und falbte ihn mit allem feinem Geräthe, 
dad Handfaß mit feinem Fuße, daß es geweihet würde.) Sieben Tage 
font du den Altar verfühnen und weihen, und wer ihn anrühren will, 
ver fol geweibet feyn. Und Aaron und feine Söhne follen dieſe Salbung 
baben zum ewigen Prieftertbume, bey ihren Nachkommen (Kap. 40). Kände 
und Füße müßen die Priefter waſchen, wenn fie in die Hütte des Stiftes 
gehen, oder hinzutreten zum Altar, und fo thaten Uaron und feine Söhne 
bey ihrer Einweihung. Am achten Tage (II. 9), als Aaron’8 und feiner 
Söhne Weihe vollendet war, brachte er ein junges Kalb zum Sünbopfer 
var, und einen Widder zum Brandopfer, und machte beyde Opfer und 
verföhnte fi und das Volk, und machte dann das Sündopfer des Volfes, 
beftebenn in einem Ziegenbod, und dad Brandopfer (ein Kalb und Schaf, 
beyve jährig) und, dazu ein Danfopfer von einem Ochſen und einem 
Widder, nebft dem Speidopfer, und dann feegnete er das Wolf. (Ind 
Mofe und Aaron giengen in die Hütte des Stifts, und da fle wieder 
berausgiengen, feegneten fle das Voll. Da erfihien die Herrlichkeit des 
Herrn allem Volke. Denn dad Feuer fam aus von dem Herrn, und 
verzehrte auf dem Altare das Brandopfer und das Fett. Da das alles 
Volt ſah, frohlodten fie, und fielen auf ihr Antlig. Und die Söhne 
Aaron's, Nadab und Abihu, nahmen ein jeglicher feinen Napf, und thaten 


so PBriefter. 


euer verein, und legten Näuchwerf darauf, und brachten das fremde 
euer vor den Seren, das er ihnen niit geboten hatte. Da fuhr ein 
Fener aud von dem Herrn, und verzehrete fie, daß fie flarben vor dem 
Herrn.) Aber ver Hohepriefter follte felbft nicht ohne Weiteres in das 
innere Heiligthum geben, denn es heißt (III. 16. 2): Sage Aaron, daß 
er nicht allerlei Zeit in das inwendige Heiligtfum gehe, daß er nicht 
fterbe,; denn ih will in einer Wolfe ericheinen auf dem Gnadenſtuhle. 
Sondern damit fo er bineingehen, mit einem jungen Barren zum Sünd- 
opfer, und mit einem Widder zum Brandopfer. Und fol vie heilige 
Kleivung anhaben, und fein Fleifh mit Waßer baven. 

Der Reinheit ded Priefterd wivderftrebte vie Todtentrauer, weil ber 
Tobte verunreinigte. Daher heißt es (10. 6), als Aaron's zwei Söhne, 
wie fo eben angegeben morden, umgefommen waren: Mofe ſprach zu 
Aaron und feinen überbliebenen Söhnen: Ihr folt eure Häupter nicht 
blößen, noch eure Kleider zerreißen, daß ihr nicht flerbet, und ber Zorn 
über die ganze Gemeine komme. Laßet eure Brüder ded ganzen Haufes 
Ifrael weinen über dieſen Brand, den der Herr getban hat. Ihr aber 
folt nicht ausgehen von der Thüre der Hütte des Stifts; ihr möchtet 
fterben.” Denn das Salböl des Herrn iſt auf eu. Weiterhin jedoch 
(Rap. 21) Heißt ed: Bin Priefter fol fi an feinem Todten verunreinigen, 
obne an feinem Blutsfreunde, ald an Mutter, Vater, Sohn, 
Tochter, Bruder, und an feiner Schwefter, vie noch eine Jungfrau und 
noch bey ihm if. Nur der Hohepriefter fol zu feinem Todten fommen, 
und fol fi) weber über Vater noch Mutter verunreinigen. Aus dem 
Heiligthume fol er nicht gehen, daß er nicht entheilige das Heiligthum 
feined Gottes; denn bie Heilige Krone, dad Salböl feines Gottes ift auf 
ihm. Eine Jungfrau fol er zum Weibe nehmen, aber feine Wittwe 
(Ezechiel fagt 44. 22: Und folt zur Che nehmen Jungfrauen over - 
eines Priefters nahgelafene Wittwe) noch Verſtoßene, noch 
Geſchwächte, noh Hure. Auch die andern Priefler mußten Sungfrauen 
heirathen, und felbft die Tochter des Priefterd Eonnte ven Vater verun⸗ 
reinigen. Daher war es beftimmt (21. 9): Wenn eines Priefterd Tochter 
anfängt zu Huren, die fol man mit Beuer verbrennen; venn fie hat 
ihren Vater geſchändet. Zu dem heiligen Dienfte ward aus Aaron's 
Nachkommen jedoch fein Behlerhafter zugelaßen, denn nur Reines und 
Unverlegted darf vor den Herrn. Daher heißt es (21. 17): Wenn an 
Jemand deines Samend in euern Geſchlechtern ein Fehler if, ver fol 
nicht herzutreten, daß er das Brod feines Gottes opfere, er fey blind, 
lahm, mit einer fjeltfamen Nafe, mit ungewöhnlichdem Glieve, oder der 
an einem Buß oder Hand gebrechlich ift, oder hoͤckericht ifl, over ein Bell 
auf dem Auge Hat, ober fcheel, oder grinbicdht, oder fchabicht, oder der 
gebrochen iſt. Doch fol er das Brod feines Gottes efen, beydes, von 


Priefter. sı 


dem heiligen und dem allerheiligften. Aber zum Vorhange fol er nicht 
fommen, noch zum Altare nahen. Wer jedoch unter Aaron's Nachkommen 
unrein war durch Ausſatz oder Fluß, durfte nicht davon eßen, bis er zein 
geworden war, und wer fonfl durch eine Berührung oder Unreinigfeit 
unrein war, blieb ed bis zum Abende, badete feinen Leib, und durfte 
dann nad Sonnenuntergang davon eßen (22), „denn es ift feine Nahe 
rung.’ Kein Anderer fol von dem Heiligen eßen, noch des Prieſters 
Hausgenoß, noch Taglöhner. Wenn aber der Priefter eine Seele um 
fein Geld Faufet, der mag davon efen, und was ihm in feinem Kaufe 
geboren wird, das mag auch von feinem Brod efen. Wenn aber des 
Priefters Tochter eined Fremden Weib wird, die fol nicht von der heis 
ligen Hebe eßen. Wird fle aber eine Wittwe, over audgeftoßen, und bat 
feinen Samen, und fommt wieder zu ihres Vaters Haufe, fo foll fie 
eben von ihres Vaters Brod. Wer's verſtehet und fonft von dem Heiligen 
iget, ver fol das fünfte Theil dazu thun, und dem Priefter geben fammt 
vem Heiligen. Die Priefter ſollen ſich (21. 5) feine Platte machen auf 
ihrem Haupte (Ezechiel jagt 44. 20: Ihr Haupt follen ſie nicht befcheeren, 
und ſollen auch nicht die Haare frei wachſen laßen; ſondern follen bie 
Saare umher verfchneiven), noch ihren Bart abjcheeren, und an ihrem 
Leibe fein Mal pfegen. (Im fünften Buche Mofe 14. 1. heißt es von 
allen Ifraeliten: Ihr ſeyd Kinder des Herrn, eured Gottes; ihr ſollt 
euch nicht Male ftechen, noch kahl fcheeren über ven Augen, über einen 
Todten; denn du bift ein heiliges Volk dem Herrn; und 23. 1. wird 
geboten: Es fol fein Zerftoßener, noch Berfchnittener in die Gemeine 
des Herrn kommen, aud Fein Hurenkind ſelbſt nach dem zehenten Gliede.) 
Des Weins und flarfen Getränfes mußte fi der Priefler enthalten, 
wenn er in bie Hütte des Stiftes gieng, damit er Heilige und Unhei⸗ 
ligeg, Reines und Unreines unterfcheiven und die Kinver Ifrael alle 
Gebote Gottes lehren fünne (III. 10). 

Ueber die weiteren Öbliegenheiten der Prieſter, welche ven Gottes⸗ 
bienft verrichteten, leſen wir (II. 24): Gott ſprach zu Mofe: Gebiete 
den Kindern Iirael, daß fie zu dir bringen geftoßenes Tautered Baumöl 
zu Lichtern, dad oben in vie Lampen täglich gethan werde, außen vor den 
Vorhang des Zeugnißes in ver Hütte des Gtifts. Und Aaron ſoll's 
zurichten des Abends und des Morgens vor dem Herrn täglihd. Er fol 
aber die Lampen auf dem feinen Leuchter zurichten vor dem Herrn täglich. 
Und folft Semmelmepl nehmen, und davon zwölf Kuchen baden, zwo 
Zehnten fol ein Kuchen haben. Und folft fie legen je ſechs auf eine 
Shit, auf den feinen Tiſch vor dem Herrn. Und folft auf viefelben 
legen reinen Weihrauch, daß es feyen Dankbrode zum Teuer dem Herrn. 
Ale Sabbathe für und für fol er fie zurichten vor dem Herrn, von ben 
Kindern Ifrael, zum ewigen Bund. Und follen Aaron's und feiner 

IV. 6 


s2 Priefter. 


Söhne feyn, die follen fle eßen an Heiliger Stätte, denn das ift fein 
allerbeiligfted von den Opfern des Seren zum ewigen Rechte. Das 
Urteil über Verunreinigung und Unreinheit, ald Ausſatz u. f. m., ferner 
alle Einweihung, der Eid und was irgend mit dem Goͤttlichen zufammen- 
hieng, gehörte dem SPriefter. 

Wiewohl die Prieſter Feinen Theil vom Lande Canaan bekamen, jo 
fehlte e8 ihnen doch an nichts. Der Herr ſprach zu Aaron (IV. 18): 
Du fonft in ihrem Lande nichts heftigen, auch Fein Theil unter ihnen 
haben; venn Id bin dein Theil und dein Erbgut unter den Kindern 
Iſrael. Ich habe dir gegeben meine Hebeopfer, von Allem, das die 
Kinder Ifrael heiligen. Das folft du haben von dem allerheiligften, das 
fie opfern: Alle ihre Gaben mit allem ihrem Speidopfer, und mit allem 
ihrem Sünbopfer, und mit allem ihrem Schuldopfer. Am allerbeiligften 
Orte ſollſt du es eßen, was männlich if, fol davon eßen, denn ed fol 
bir heilig feyn. Ih Habe auch dad Hebeopfer ihrer Gabe, an allen 
MWebeopfern dir und deinen Söhnen und. deinen Töchtern gegeben; wer 
rein ift in deinem Haufe, ver fol davon eßen. Alles befte Del und 
allen beſten Moft und Korn ihrer Erſtlinge, die fie dem Herrn geben, 
babe ich dir gegeben. Die erfte Frucht alles dep, das in ihrem Land ifl, 
dad fle dem Herrn bringen, fol dein feyn; wer rein iſt in deinem Haufe, 
fol davon efen. Alles Verbannte in Ifrael fol dein feyn. Alle Erft- 
geburt, es jey ein Menſch oder Vieh, fol dein ſeyn; doch daß du bie 
erſte Menfchenfrucht loͤſen Taßeft, und die erfle Frucht eines unreinen 
Viehes auch löſen laßeſt. Sie ſollen's aber Iöfen, wenn’ einen Monat 
alt ift, um fünf Sedel des SHeiligtbums. Uber die erfte Frucht eines 
Ochfen oder Lamms over Ziege, folft vu nicht zu loͤſen geben, fondern 
opfern. Ihr Fleiſch fol dein feyn, wie au die Webehruft und vie 
rechte Schulter dein if. Auch erhielten die Priefter ven Zehnten von 
den Leviten. Don der Striegäbeute Fam, was dem Herrn geweiht ward 
an die Priefter, und wir fehen (IV. 31) ein Beifpiel, daß ihnen eind 
von fünfhundert zugetheilt ward. (Das Geld der Sündopfer und Schuld⸗ 
opfer gehörte dem Priefter. Zweites Buch ver Könige 12. V. 16.) 

Zumellen werben alle Diener des Herrn, die zum heiligen Dienfte 
verordnet waren, Leviten genannt; dies aber hebt vie Unteroronung ber 
eigentlichen Leviten unter vie Vriefter nicht auf. Als verwandt erfcheinen 
beyde Abtheilungen, denn vom Levitengefchlechte Kahath flammten Mofe 
und Xaron (IV. 26). Beyde Abtheilungen erhielten Bey ver Befignahme 
Canaan's fein Erbtheil, und ihre Gefammtzahl betrug damals bey ber 
Zählung drei und zwanzig taufend männliche Stammglieder von einem 
Jahr und darüber. Gleih von Anfang an befiehlt der Moſaismus die 
Unterordnung, wie wir leſen (II. 38): Gottesdienſt der Leiten unter ber 
Sand Ithamar's, Aaron's des Prieflers, Sohnes; und (IV. 3): Gott 


PBriefter. s3 


ſprach zu Mofe: Bringe ven Stamm Levi herzu und ftelle fie vor Aaron, 
daß fie ihm dienen, und feiner und der ganzen Gemeine Hut warten vor 
der Hütte des Stiftes, zu dienen am Dienfte ver Wohnung, und warten 
alles Geräthbes der Hütte des Stifts. Und folft vie Leviten Aaron 
und feinen Söhnen zuorpnen zum Geſchenke von den Kindern 
Iſrael. Aaron aber und feine Söhne folft du fegen, daß fie ihres 
Vriefterthumes warten. Wo ein Sremder fi herzu thut, Der 
ſoll fterben. Siehe, ich Habe die LKeviten genommen für alle Erft- 
geburt. Die LXeviten aber theilten fih in brei Geſchlechter, Kahath, 
Gerfon und Merart, und der Dienft war unter fie nach dieſen Geſchlech⸗ 
tern vertheilt. Das Geſchlecht ver Gerfoniter, heißt e8 (IV. 3), ‚fol fi 
Ingern hinter der Wohnung gegen den Abend, und file follen warten ber 
Wohnung (wo ein Fremder ſich dazu machet, der fol flerben, 1. V. 51) 
und der Hütte, und ihrer Deden und des Tuchs in der Tihüre ver Hütte 
des Stiftes, des Umhangs am Vorhof, und ded Tuchs in der Thüre des 
Vorhofs, welcher um die Wohnung und den Altar hergehet, und feiner 
Seile, und Alles, was zu feinem Dienfte gehöret. Die Kahathiter follen 
fi) lagern an die Seite der Wohnung gegen Mittag, und follen warten 
ver Lade, des Tifches, des Leuchterd, des Altard und alles Geräthes des 
Heiligthums, und des Tuch, und mad zu feinem Dienfte gehöret. Die 
Geſchlechter Merari follen fich lagern an die Seite ver Wohnung gegen 
Mitternacht, und jollen warten ber Bretter und Riegel und Säulen und 
Süße der Wohnung, dazu der Säulen um den Vorhof mit den Füßen 
und Nägeln und Seilen. Uber vor der Wohnung und vor ber Hütte 
des Stifte gegen Morgen follen fidy lagern Moſe und Aaron und feine 
Söhne, daß fie des Heiligthbumes warten und der Kinder Iſrael. Wenn 
fh ein Fremder herzuthut, ver fol flerben. Und ver Herr ſprach zu 
Mofe: Zähle ale Erfigeburt, mad männlih ift, und folft vie Leviten 
nir audfondern für ale Erflgeburt ver Kinver Ifrael, und der Leviten 
Vieh für alle Erftgeburt unter dem Vieh der Kinder Ifrael. Die Erfte 
geburten über die Zahl ver Leviten folft du laßen, und je fünf Sedel 
vom Haupte nehmen, und died Geld geben Aaron und feinen Söhnen. 
Wiewohl den Kahathitern der Dienfl ver Lade, des Altars u. f. w. oblag, 
durften fle doch das Heiligthum weder anrühren, noch unbedeckt ſchauen, 
fondern die Priefter mußten Alles vor ihrer Berührung und Anfchauung 
wahren. (Kap. 18. fagt Gott zu Uaron: Zu dem Geräthe des Heilige 
thums und zu dem Altare follen fie ſich nicht machen, daß nicht beyde, 
fie und ihr flerbet.) Bey dem Zuge in ver Wüfte erhielten vie beyden 
andern Stämme Wagen, um da, was file zu beforgen hatten, fortzu« 
Ihaffen, die Kahathiter aber mußten auf den Schultern tragen, weil fte 
ein heiliges Amt hatten (7. 9). Die Einweihung ber Xeviten war fo, 
daß fie dem Herrn ald ein Opfer vargebracdht wurben. Der Herr ſprach 
6* 


sa PBriefter. 


zu Maſe (8. 7): Du ſollſt Suͤndwaßer auf fie fprengen, und follen alle 
ihre Haare rein abfcheeren, und ihre Kleider waſchen; fo find fie rein. 
Dann follen fie nehmen einen jungen Barren und fein Speidopfer, Semmel- 
mehl mit Del gemenget; und einen andern jungen Barren foNft du zum 
Sündopfer nehmen. Und folft die Leviten vor die Hütte des Stiftes 
bringen, und die ganze Gemeine der Kinder Iſrael verſammeln; und bie 
Keviten vor den Herrn bringen, und die Kinder Iſrael follen 
ihre Hände auf die Xeviten legen. Und Aaron fol file vor dem 
Herrn weben, und ſie follen ihre Hände aufd Haupt der Barren legen; 
und einer fol zum Sündopfer, ber andere zum Brandopfer gemadıt 
werden. Ich gab fie zum Geſchenk Aaron und feinen Söhnen, daß fie 
dieneten in der Hütte des Stiftes, die Kinder Iſrael zu verfühnen, auf 
dag nicht unter den Kindern Iſrael fey eine Plage, fo fle fi nahen 
wollten zum Seiligthum. Ihr Alter fehen wir beſtimmt (8. 24): Bon 
fünf und zwanzig Jahren und darüber taugen fie zum Heer und Dienft 
in der Hütte des Stift; aber von dem fünfzigften Jahr an follen fie 
ledig jeyn von Amte des Dienftes, und follen nicht mehr dienen, ſondern 
auf den Dienft ihrer Brüder warten, des Amts aber follen fie nicht 
pflegen. (Im vierten Kapitel wird thr Dienftalter beflimmt von dreißig 
Jahren bis fünfzig, und eben fo im erften Buche der Ehronif 24. 3.) 
Auch die Leviten befamen fein Erbgut (IV. 18), fondern alle Zehnten, 
ihred Amtes zu pflegen, und aller Kinder Ifraeld Mißethat zu tragen. 
Sie mußten aber dem Kern als Hebeopfer ven Zehnten von dem Zehnten 
für die Priefter geben, welches geachtet wird, als gäben fie Korn aus der 
Scheune und Fülle aus der Kelter. Daß ihnen ein AntHeil der Kriegs⸗ 
beute fo gut wie den Prieftern zufam, fehen wir aus einem Beyſpiele 
(IV. 31), wo ihnen eind von fünfzig aus dem Theile der Gemeine 
gegeben wird. Obgleich nun die Leviten Fein Erbgut befamen, fo erhielten 
fie doch Städte. Der Herr fprah zu Mofe (Kap. 35): Gebiete ven 
Kindern Ifrael, daß ſie ven Leviten Städte geben, von ihren Erbgütern, 
da file wohnen mögen; dazu die Vorſtädte, daß fie darin ihr Vieh und 
Gut und allerlei Thiere haben. Die Weite aber der Vorftäpte fol taufend 
Ehen außer der Stadtmauer umher haben. So folt ihr nun meßen 
außen an der Stadt nad) jeder Gegend zmweitaufend Ellen, daß vie Stadt 
im Mittel fey. Alle Stäpte, vie ihr ven Leviten gebet, follen feyn acht 
und vierzig mit ihren Vorſtädten, und folt berfelben deſto mehr geben 
von denen, die viel befigen, und deſto weniger von denen, die wenig 
befiten. Und unter den Städten, die ihr ven Leviten gebt, folt ihr ſechs 
Freiſtädte geben, drei dieſſeits des Jordans und drei im Lande Canaan, 
daß dahin fliehe, wer einen Todtſchlag gethan hat, nämlich einen unfrei⸗ 
willigen. Wo aber Jemand feinen Nächften mit Liſt erwürget, heißt es 
(1. 21) als Befehl Gottes, folft du denfelben von meinem Altare nehmen, 


Priefter. 85 


dag man ihn tödte. (Selbſt ein Ochſe, welcher Einen todt ftößt, fol 
gefleinigt werden, und fein Herr foll, wenn er wußte, daß er ftößig fey, 
und verwahrte ihn nicht, fierben, falls man nicht Geld als Löfung feines 
Lebens annahm.) Aus der Freiſtadt durfte der Topdfchläger nur vor das 
Gericht der Gemeine geben, vie über feine That erfannte, und war er 
wieder in dieſelbe entlaßen, fo verfiel er dem Bluträcher, wenn er fidh 
wieder herausmagte. Erft bey dem Tode des Hohenpriefterd, unter welchem 
er fi) geflüchtet hatte, war er frei und durfte wieder zum Lande feines 
Erbgutes fommen. Don dem NRüdfalle ver verkauften Güter an ven erb- 
lihen Befiger im Halljahre waren die Häufer in den Städten auöges 
nommen; biefe burfte der Derfäufer während eines Jahres nach dem 
Verfaufe löfen, dann aber blieben fie für immer den Käufern und ihren 
Nahfommen (I. 25). Die Städte der Leviten aber, und die Käufer in 
ven Städten, worin ihr Habe war, mochten immer gelöft werden, und 
wer etwas von den Leviten ldjte, mußte es im Halljahre verlaßen, weil 
die Käufer in den Städten Ihre Habe unter den Kindern Ifrael waren. 
Dad Feld vor ihren Städten durfte man nicht verfaufen, denn e8 war 
ihr Eigenthum für immer. Im fünften Buche Mofe (14) Iefen mir: 
Und der Levit, der in deinem Thor ift, vu follft ihn nicht verlaßen, denn 
er hat kein Theil noch Erbe mit dir. Ueber drei Jahre follft du aus: 
londern alle Zehnten veined Einkommens deſſelben Jahrs, und follft es 
fen in deinem Thore: So fol fommen ver Kevit, und ber Fremdling 
und der Waife und die Wittwe, die in deinem Thore find; und efen 
und ſich fättigen, auf daß dich der Herr fegne. Man follte denken, daß 
bie Leviten, vie alle Zehnten erhielten, im Ginzelnen eine ſolche Mild— 
thätigfeit anzufprechen nicht nöthig gehabt hätten. Eben daſelbſt lefen wir 
das Gebot: Du folft alle Jahre den Zehnten alles Cinfommend deiner 
Saat eßen vor dem Herrn, an dem Orte, den er ermählet, daß fein 
Name dafelbft wohne, und den Zehnten von der Erſtgeburt deiner Rinder 
und Schafe. (Der Zehnte gehörte jedoch den Xeviten, und alle männliche 
Erfigeburt dem Herrn.) Wenn aber des Weges dir zuviel ift, daß bu es 
nicht hintragen fannft, fo gieb ed um Geld und gehe an den Ort, den 
Gott erwählet bat, und Faufe, was deine Seele gelüftet, und iß daſelbſt 
bor dem Herrn und fey fröhlih, du und dein Haus. Werner heißt es 
bafel6ft (18): ‚Die Priefter, die Leviten,“ als fey Eein Unterſchied, und 
weiterhin: Wenn ein Levit fommt aus irgend einem deiner Thore, oder 
fonft irgend aus ganz Ifrael, da er ein Gaft iſt; und fommt nad 
aller Luſt feiner Seele an den Ort, den ver Herr ermählet bat, daß er 
biene, wie alle feine Brüber, die bafelbfi vor dem Herrn ſtehen: die 
ofen gleichen Theil zu eßen haben, über das er hat von dem ver- 
fauften Gut feiner Bäter. Als vem Priefler von dem Opfer 
gehörig wird aber genannt der Arm, beyde Baden und ver Wanft, fo 


® 


S6 | PBriefter. 


wie die Erfllinge des Korns, Moſts, Oels und das Erftling von der 
Schur der Schafe. Im zweiten Buche der Könige (25) iſt die Rebe 
von einem Priefter der erflen Orbnung und einem Priefler der andern 
Ordnung und von Thürhütern. Es hatten die Leviten nach ihren Geſchlech⸗ 
tern Vorſteher, wenigftend zur Zeit David's, denn als diefer die Tape 
des Herrn in feine Stadt bringen wollte, rief er vie Prieſter und bie 
Leviten, und zwar bie Oberften berfelben; dieſer Oberften aber der Leviten 
waren es fech8, der Priefter aber zwei, und bie Leviten trugen die Lade 
an Stangen auf ihren Schultern. Bey dieſer Gelegenheit ließ David 
durch die Oberften Sänger unter den Leviten beftellen mit Saitenfpielen, 
Pſaltern, Harfen und hellen Eymbeln, und fle wurden unter einen Sang⸗ 
meifter geftellt, vie Trompeten aber wurden von den Prieflern geblafen. 
Auch Thürhüter der Lade waren die Xeviten. 

David ordnete aufs neue die Priefter und Leviten, deren er acht und 
dreißig taufend Männer von dreißig Jahren und barüber fand (erftes 
Bud) der Chronif 24). *) Davon verorbnete er vier und zwanzigtaufend, 
die das Werf am Haufe des Heren (am Tempelbau) trieben, fechötaufend 
zu Amtleuten und Richtern, viertaufend zu Thorhütern und viertaufend zu 


*) Im zehenten Kapitel wird erzählt von Aufzeichnung der Kinder Iſrael, die 
gen Babel weggeführt wurden, darunter die Leviten, die waren Pförtner 
and Sullum der Oberfte derfelben, denn bisher hatten am Thore des 
Königs gegen den Aufgang gewartet die Kinder Levi mit Lagern. Die 
Korahiter, die Brüder Sullum’s, warteten an der Schwelle der Hütte, 
und ihre Väter im Lager des Herrn, daß fie warteten bes Einganges. 
Diefer Aller waren zweihundert und zwölf, gerechnet in ihren Dürfern. 
Es waren aber foldde Thorwärter, die David und Samuel durch ihren 
Glauben ftifteten, gegen die vier Winde geftellt. Ihre Brüder aber waren 
auf ihren Dörfern, daß fie hereinfämen, je des flebenten Tags, allezeit 
bey ihnen zu feyn. Denn die Leviten waren dieſen vielerlei oberften 
Thorhütern vertraut, und fie waren über die Kaftlen und Schäge im 
Haufe Gottes. Auch blieben fie über Nacht um das Haus Gottes; denn 
es gebührete ihnen die Hut, daß fie alle Morgen aufthaten. (Die Worte 
des Pſalms [134. 1]: Lobet den Herrn, alle Knechte des Herrn, die ihr 
Rehet des Nachts im Haufe des Herrn, müßen fich auf eine folche Wache 
beziehen, da der Mofaismus feinen nächtlichen Gottesdienſt Hatte.) Etliche 
aus ihnen waren über das Geräthe des Amtes; denn fie trugen es 
gezählet aus und ein. Etliche waren beftellt über die Gefäße, und über 
alles heilige ©eräthe, über Semmelmehl, Wein, Del, Weihraud, Räud- 
werf. Aber der Briefter Kinder machten Etliche das NRäuchwerf. Dem 
eriten Sohne Sallum’8 waren vertrauet die Pfannen. Aus den Kaha- 
thitern aber, ihren Brüdern, waren über die Schaubrode zuzurichten, 
daß fie fie alle Sabbath bereiteten. Das find die Sänger, die Häupter 
unfer den Bätern der Leviten, über die Kaften ausgefondert; denn Tag 
und Nacht waren fie darob im Gefchäfte. 


Priefter. 87 


Sängern mit Saitenfptelen. Auch wurben bie Leviten von zwanzig Jahren 
und drüber gezählet, weldye die Wohnung nicht tragen durften, fonvern 
unter der Hand der Kinder Aaron’ dienen follten im Haufe des Herrn, 
im Hof und zu den Kaften, und zur Reinigung, und zu allerlei Heilig« 
thum, und zum Schaubrode, zum Semmelmehl, zum Speidopfer, zu unge« 
jäuerten Fladen, zur Pfanne, zu Nöflen, und zu allem Gewicht und 
Maß; und zu flehen des Morgens, zu danfen und zu loben den Herrn, 
des Abends au alfo, und alle Branvopfer dem Herrn zu opfern auf 
bie Sabbathen, Neumonden und Befte, nach der Zahl und Gebühr, alle- 
wege vor dem Herrn. Die beyden Stämme der Söhne Aaron's orbnete 
er fo: ſechszehn aus den Kindern Eleaſar's zu Oberflen, und acht aus 
den Kindern Ithamar's, und zwar durchs Roos, fo daß diefe die Oberften 
waren im Heiligthum und die Oberften vor Gott. Die Sänger werben 
Propheten genannt (Kap. 26) und waren aus drei Stämmen abgefondert, 
dem Stamm Aſſaph, der da meißagte bey dem Könige, dem Stamm 
Jedithun mit Harfen, und diefe meißagten zu vanfen und zu loben den 
Herrn, und drittens dem Stamme Heman, Heman aber war der Schauer 
des Königs in den Worten Gottes (Kap. 22. wird auch Gab ein Schauer 
Daviv’8 genannt), und diefe Alle, an der Zahl zweihundert acht und 
achtzig, allefammt Meifter, hatten zu fingen mit Cymbeln, Pfaltern und 
Sarfen im Haufe des Herrn, und diefe Iooften um ihr Amt, der Looſe 
aber waren vier und zwanzig, wodurch immer je zwölf vereinigt wurden, 
welhe Zahl wohl nicht ohne Beziehung auf die Zahl der zwölf Stämme 
Iiraeld war. Auch die Thorhüter, Schagbewahrer, Amtleute, und die dem 
Könige dienten, waren genau georonet (Kap. 27). 

Zur Zeit des Königs Hiskia fehen wir einmal die Leviten am Werfe 
ber Priefter. Hiskia ließ ein großes Opfer halten (Chronif IL. Kap. 19), 
und der Priefter waren zu wenig und konnten nicht allen Brandopfern 
bie Haut abziehen; darum nahmen fie ihre Brüder, die Leviten, bis das 
Werk audgerichtet ward, und bis fih die Priefter Heiligten. Denn die 
Leviten find leichter zu Heiligen, als vie Prieſter. Als hernach das Paſſah 
gefeiert ward, ſchlachteten die Leviten dad Paſſah für Alle, die nidht rein 
waren, daß fle vem Herrn geheiligt würden; denn da dad Feſt ſchon in 
feiner für Unreine beflimmten letzten Zrift, im zweiten Monate gefeiert 
ward, fo war ein weiteres DVerfchieben dem Geſetze zuwider. Doch feierte 
man diesmal, um e8 recht herrlich zu machen, nachdem bie gefeglichen 
fieben Tage herum waren, abermals fieben Tage, und die Leviten und 
Priefter Tobten den Herrn alle Tage mit flarfen Saitenfpielen. Als 
Opferfihlächter fehen wir aud die Leviten beym Paſſah zur Zeit bed 
Königs Joſia. Diefer entfernte den heidnifchen Eult, und hieß bie Leviten 
die Lade in den Tempel thun, doch nicht auf den Schultern tragen. 
(Chronik II. 35. Bon den Xeviten heißt es bier, daß fie ganz Iſrael 


88 Briefter. 


lehren.) Der König gab zu dem Pafjah für den gemeinen Mann dreißig— 
taufend Lämmer und Ziegen und dreitaufend Rinder von feinem Gute. 
Die Fürften im Haufe Gottes unter den Prieftern, deren drei genannt 
werben, gaben für das Volf und für die Vriefler und Leviten zweitaufend 
und fehöhundert Lämmer und dreihundert Rinder, vie Oberſten aber ber 
Leviten, deren drei mit ihren drei Brüdern genannt werden, gaben zur 
Hebe den Leviten zum Paſſah fünftaufend Lämmer und Ziegen und fünf— 
hundert Rinder. Und fie fchladhteten das Paſſah, und die Priefler nahmen 
von ihren Händen und fprengeten, und vie Leviten zogen ihnen die Haut 
ab. Und thaten die Branpopfer davon, daß fie ed gäben unter die Theile 
der Väter Häufer in ihren gemeinen Kaufen, dem Herrn zu opfern. So 
taten fie mit den Rindern au. Und fie Fochten dad Paſſah am Beuer, 
wie fidy gebühret. Uber was geheiliget war, kochten fie in Töpfen, Keſſeln 
und Pfannen; und fie machten es eilend für den gemeinen Haufen. Dar- 
nach bereiteten fie auch für fih und für die Prieſter. Denn die Priefter 
fhaflten an dem Brandopfer und Betten bis in die Nacht. Darum mußten 
die Leviten für fih und für die Prieſter zubereiten. Und die Sänger 
flanden an ihrer Stätte und die Thorhüter an allen Thoren, und wichen 
nit von ihrem Amte; denn die Leviten, ihre Brüder, bereiteten zu für 
fie. Als Nehemia den Gottespienft wieder ordnete nach ver Beſiegung 
durch die Babylonier, bradhte er zur Einweihung der Mauern Jerufalem’s, 
die wieber hergeftelt wurden, vie Leviten aus allen ihren Orten zufammen, 
zu halten Einweihung, in Sreuden, mit Danfen, mit Singen, mit Cym⸗ 
bein, Bfaltern und Harfen (Nehemia 12). Und e8 verfammelten fid} vie 
Sänger von den Nedern und Höfen, denn fie hatten fih Höfe gebauet 
um Serufalem her. Und die Priefter und Leviten reinigten ſich und das 
Bolf und die Thore und die Mauer, und die Fürften Juda fliegen auf 
die Mauer, und zwei große Dankchöre giengen auf der Mauer, der eine 
zum Miftthor, und Hinter ihm giengen Bürften und etliche ver Priefter 
Kinder mit Trompeten und mit Saitenfpielen, und Efra der Schriftgelehrte 
gieng vor ihnen ber. Der andere Chor mit der Hälfte der Bürften und 
mit Nehemia gieng nach dem Waßerthore zu, und zulegt trafen fle beym 
Kerfertbore zufammen, und die Sänger fangen laut. Und es wurden 
befielben Tages große Opfer geopfert, und waren fröhlih. Zu der Zeit 
wurden verorpnet Männer über die Schagfäflen, darinnen die Heben, 
Erſtlinge und Zehnten waren, daß ſie fammeln follten von den Aedern 
und um die Städte, audzutheilen nach dem Gefege für die Priefter und 
Leviten. Und ganz Ifrael gab ven Sängern und Thorhütern einen jeg« 
lien Tag zu Nehemia's Zeit fein Theil; und fie gaben Geheiligtes für ' 
bie Zeviten, die Leviten aber gaben Geheiligtes für die Kinder Aaron’s. 
(Priefter werben beyde, die Prieſter und Xeviten, benannt bey Ezechiel 
[40. V. 45 und 46., 43. V. 19], welder von ven Keviten fagt [44. 10], 


Ein... 


Briefter. 89 


fie duͤrften nicht in das Heiligthum kommen, weil ſie ſammt Iſrael irre 
gegangen nach ihren Götzen, darum ſollen fie ihre Sünde tragen, fie 
folen aber an den Aemtern, den Thüren des Haules, und dem Haufe 
bienen; und follen nur das Brandopfer, und andere Opfer, fo dad Volt 
berzubringet, fchladhten, und vor den Prieftern ftehen, daß ſie ihnen dienen.) 

Neben ven Prieſtern und Leviten nennt das erſte Buch der Chronik 
(10. 2) die Nethinim. Auch im Bud Eira (2. 43., 7. 7) werben fie 
genannt, und es heißt (2. 70. und eben fo Nebemia 7. 73) von ihnen: 
Afo fegten fi die Priefter und die Leviten, und Etliche des Volks, und 
bie Sänger, und die Thorhüter, und die Nethinim in ihre Städte, 
und alles Sfrael in feine Städte. Eben fo werben fie bey Nehemia 
(3. 26) erwähnt, wo es heißt: Die Nethinim aber wohneten an Ophel 
bis an das Waßerthor (zu Ierufalem) gegen Morgen, da der Thurm 
herausſiehet. Sie waren ven Leviten zum Dienfle zugegeben. Era (8. 20) 
beißt ed: Und von den Nethinim, die David und die Yürften gaben zu 
dienen den Leviten. Zu ihnen muß Salomo noch andere Diener gefügt 
baben, denn wir leſen (Eſra 2. 58. Nehemia 7. 60): Aller Nethinim 
und Kinder der Knechte Salomo's waren zufammen breifundert und zwei 
und neunzig, und da (Eſra 8. 20) die damalige Zahl der Nethinim allein 
auf zweihundert und zwanzig angegeben wird, fo war die Zahl der Knechte 
Sulomo’8 geringer, nämlich Hundert und zwei und flebenzig. Joſephus in 
jeinen Alterthümern (11. 5. 1.) nennt fie Hierodulen, d. i. Heiligthums—⸗ 
klaven, doch ihren Dienft fennen wir nicht, und daß fie von David ein⸗ 
gefeßt worden, fo wie andere Diener zu ihnen von Salomo, zeigt, daß 
fie Obliegenheiten hatten, vie vorher nicht beflimmt angeoronet waren. 
Don Dienern niedriger Art Iefen wir allerdings ſchon im Bude Jofua 
(9. 20), wo es von den Gibeoniten Heißt: Und die Oberſten fpradhen: 
Laßet fie leben, daß fle Holzhauer und Waßerträger ſeyen ber ganzen 
Gemeine — Knedhte, die Holz bauen und Waßer tragen zum Haufe 
Gottes. Ihr Name bezeichnet fie als Webergebene, nämlich zum Dienft 
Mebergebene (natan, bat gegeben, übergeben). 

Was für ein Verhältnig es bewirkte, daß ein Rinzelner einen Priefter 
hatte, wird und nicht gemelvet, wohl aber die Sache. Im erflen Buche 
Samueli8 (20. 25) beißt es nämlih: Zadok und Ab-Jathar waren 
Priefter, dazu war Ira, der Jairiter, David's Priefler. Don einem Mann 
auf dem Gebirg Ephraim, mit Namen Mia, erzählt dad Buch der 
Richter (17), er gab feiner Mutter Geld, welches ihr gehörte, fie wollte 
es aber nicht wieder haben, weil fie es - für ihren Sohn dem Herrn 
geheiligt hatte, um ein Bildniß und einen Abgott davon zu machen. Wie 
der Sohn e8 ihr aber auforängte, gab fie dem Goldſchmied zweihundert 
Silberlinge, der machte ihr ein Bild und Abgott, dad war darnach im 
Haufe Micha. Und Micha hatte alfo ein Gotteshaus, und machte einen 


90 PBriefter. 


Leibrock und Heiligthum, und füllete feiner Söhne einem die Hand (d. i. 
er machte ihn zum Priefler durch das Füllopfer), daß er fein Priefter 
ward. Es Fam aber ein Levit aus Bethlehem, und Micha ſprach zu ihm: 
Bleibe bey mir, du folft mein Vater und mein Prieſter feyn; ih will 
dir jährlich zehen Silberlinge, und benannte Kleider, und beine Nahrung 
geben. Und ver Levit blieb bey ihm, und Micha füllete ihm die Hand, 
daß er fein Priefter ward, und ſprach: Nun weiß ich, daß mir der Herr 
wohltfun wird, weil ich einen Xeviten zum Priefter habe. Die Kinder 
Dan aber nahmen das Bild und Heiligthum fammt dem Priefler meg, 
und als fie Lais erobert hatten und ſich daſelbſt nieverliegen, richteten 
fie das Bild für fih auf. Und Jonathan, der Sohn Gerfon’d, und feine 
Söhne waren Priefter unter dem Stamme ver Daniter, bis an die Zeit, 
da file aus dem Lande weggeführt worden. Und festen alfo unter ſich 
das Bild Micha, das er gemacht hatte, fo lange, als das Haus Gottes 
war zu Sily. 

Der Moſaismus Tieß nur Priefler zum Gottesvienfte zu, der heib- 
nifhe Dienft der Semiten fchloß die rauen wentgftens nicht von aller 
Thätigfeit bey ver Gotteöverehrung aus. Wir erfahren zwar nicht geradezu, 
daß es Priefterinnen gegeben, welche für bie weibliche Gottheit, die große 
Mutter Natur nicht ungeeignet gewefen feyn würden; doch berichtet und 
dad Alte Teftament wenigftens Folgendes (Samuel I. 2. 22): Weiber 
dienten vor der Thüre der Hütte des Stiftes. (Baruch 6. 28): Die 
Weiber pflegen ver filbernen, goldenen und hölzernen Bögen. Und die 
Prieſter fiten in ihren Tempeln, mit weiten Chorröden, fcheeren ben 
Bart ab, und tragen Platten, fiben da mit bloßen Köpfen, heulen und 
fihreien vor ihren Götzen, wie man pflegt in der Todten Begängnißen. 
Die Weiber aber figen. vor den ‚Kirchen mit Striden umgürtet, und 
dringen Obft zum Opfer. Und wenn Jemand vorüber gehet, und eine 
von ihnen hinwegnimmt, und bey ihr jchläft, rühmet fle ſich wider bie 
Andere, daß Iene nicht fey werth gemefen, wie fie, daß ihr der Gurt 
aufgelöfet würde. Diefes Fam im Moylittadienfte vor, und es galt demnach 
jeves Weib, wenigſtens in dieſem Eult, als der Bdttin geweiht. Auch 
war im Heiligthume des Baal zu Babylon ein Weib dem Gotte geweiht. 
Ganz von aller Thätigfeit waren die Brauen auch nicht bey den Kindern 
Iſrael ausgefchloßen; denn wir fehen Mirjam, Aaron's Schwefter, an 
der Spike der Frauen einen Neigen aufführen mit Paufen und Lobge— 
fang, Gott zu ehren, und in den Pfalmen (68. 26) heißt ed von einer 
Proceſſion im Heiligthume: Die Sänger gehen vorher, darnach die Spiel- 
leute unter den Mägben, die da paufen. 





91 


Weißagung Zauberei. Wunder. 


Die Weißagung *) fol dem Menfchen ven göttlichen Willen Fund 
tbun, damit er, darüber belehrt, nicht irre, oder fie fol ihm den Rath 
ver Gottheit verfchaffen, z. B. durch welche Mittel eine Krankheit befeitigt, 
ein Unglüd entfernt werben könne, oder die Folgen eined Unternehmens 
und die Zukunft offenbaren. So wie in Griechenland und Italien, in 
Aegypten und fonft an Weißagung geglaubt ward, fo auch bey den 
Semiten, unb die Schriften des alten Teſtamentes geben fattiam Kunde 
davon. Als ein vorzüglicher Theil dieſer Weißagung erfcheint die Offen- 
barung der Gottheit im Iraume, welche auch in dem Glauben der Iſrae⸗ 
liten galt, wie fi$ aus manchen in der Abtheilung von der Erfcheinung 
ver Gottheit angeführten Fällen ergiebt. Wenn aber die Träume einer 
Auslegung beburften, fo konnte dieſes nur durch einen mit einer von 
Gott verliehenen Kraft Begabten geichehen. Diefed wollen vie Worte 
Jojeph’3 in Aegypten fagen, der als feine Mitgefangenen, ver Schenke 
und der Bäder des Pharao, geträumt hatten und traurig waren, auf 
feine Frage nah dem Grund ihrer Traurigkeit, die Antwort erhielt 
(Moie I. 40): Es Hat und geträumet, und wir haben Niemand, ver es 
und auslege; worauf er fprah: Auslegen gehört Gott zu, doch 
erzaͤhlet mir's, und als er ihre Träume vernommen, deutete er fie. Die 
Deutung gieng in Erfüllung, und eben fo der Traum ded Pharao, welchen 
er fpäter deutete. Als Pharao den Iofeph zur Deutung feines Traumes 
hatte Holen Tagen, fprah er zu ihm (I 41): Mir Hat ein Traum 
seträumet, und iſt Niemand, ver ihn deuten Tann; ich habe aber gehöret 
von Dir fagen, wenn du einen Traum höreft, fo kannſt du ihn deuten. 
Jofeph antwortete Pharao und fprah: Das ſtehet bey mir nicht; 
Bott wird doch Pharao Gutes weißagen Eben fo träumte 
Joſeph feine Zukunft (Mofe I. 37), als er noch zu Haufe bey feinem 
Vater war, aber fo, daß diefe bildlich angeveutet war, und mithin einer 
Deutung bedurfte, gerade wie es mit ven Träumen ber Ball war, melde 
er in Aegypten deutete. Die Weißager aber wurden betrachtet ald von 


*) Die fpätere Zeit unterließ nicht, die in ein fehr Hohes Alterthum zurüd- 
gehende Weißagung nach ihren verfchiedenen Arten unter Völker, als 
deren Grfinder zu veriheilen. So Iefen wir bey Clemens Aleranbrinus 
im erften Buche der bunten Schriften (S. 132): Die Karer follen die 
Weißagung aus Sternen, die Phryger aus dem Bogelflug erfunden, bie 
Tusker die Opferſchau verftanden haben, die Iſaurer und Araber bie 
Yugurien, die Telmifenfer die Traumweißagung. 


92 MWeißagung Zauberei. Wunper. 


einem höheren Geifte durchdrungen, durch weldhen fie mit der Gotiheit 
in folder Verbindung flanden, daß diefe fi durch fie als ihr Werkzeug 
offenbarte. Wenn Abraham (1: 7) ein Prophet heißt (Bott ſprach zu 
Abimeleh im Traume: Gieb dem Manne fein Weib wieder, denn er ift 
ein Prophet, und lag ihn für dich bitten), fo ift der DVerfehr ver Er;- 
väter mit Gott von folder Art, daß ed gar nicht anders feyn Eonnte, 
ald daß der Gelft Gotted mit und auf ihm war. Sein Gebet zu Gott 
wird erhört, und Gott heilt Abimelech und fein Weib und feine Mägde, 
daß fie Kinder gebaren. Daß es aber fhon in alter Zeit angenommen 
war, man koͤnne Gott fragen, zeigt, was (1. 25) von Rebecca gefagt wird 
(für die fi) Gott durch Iſaak Hatte erbitien laßen, daß fie ſchwanger 
ward): Und fie gieng bin, den Herrn zu fragen, und ver Herr fpradh zu 
ihr. Es kann dies faum anders gefchehen ſeyn, ald daß der Herr ihre 
Srage durch einen Weißager beantwortet babe. Daß Iofeph, deßen 
Thätigkeit nur in einem Gott zugejchriebenen Traumauslegen beftebt, fo 
weit file ung erzählt wird, auh aus einem Becher weißagt, fteht 
bey den Kindern Ifrael ganz. vereinzelt da. Als nämlich Joſeph's Brüder 
in der Noth nad} Aegypten gefommen waren, Getraive zu Faufen, Tieß 
er, um fle zu verfudhen, den filbernen Becher, woraus er zu trinfen 
pflegte, in ven Getraivefad des Jüngften legen, und ihnen nachjagen und 
fie ergreifen, um ihnen vorzubalten, daß fie den Becher, woraus er 
trinke und womit er meißage, geftohlen hätten. 

Von Mofe wird geradezu gefagt, daß ver Geiſt der Weißagung in 
ihm gewefen fey; denn als die Kinder Ifrael auf dem Zuge durch die 
Wüſte murreten (IV. 11) und Gott die Murrenden durch Beuer ver⸗ 
zehrte, ward Mofe gebeugt von der Laſt, und Flagte Gott, indem er 
erklärte: Ich vermag das Volk nicht allein Alles ertragen, denn es ift mir 
zu ſchwer. Da befahl ihm der Herr flebenzig aus ven Xelteflen, vie 
Amtleute waren, zur GStiftähütte zu bringen. Als dies gefchehen, Tam 
der Herr hernieder in ber Wolfe und redete mit ibm, und nahm des 
Beiftes, der auf ihm war, und legte ihn auf die fiebenzig 
älteften Männer. Und da der Geift auf ihnen rubete, 
weißagten fie, und höreten nidt auf. Zwei diefer Xelteften, 
welde nicht zur Stiftshütte gefommen waren, hatten viefelbe Gabe 
empfangen. Daß foldye göttlichbegabte Menſchen nicht bloß prophetiich 
reveten, ſondern mitunter auch zur Ausführung göttliher Wunder, ober 
zur Servorrufung berfelben dienten, fehben wir an dem Beyfpiele Mofe. 
Bey der Bewirfung folher Wunder fehen wir auch Werkzeuge angemenbet, 
ald ob der Herr in fie die Kraft des Hervorrufens des Wunders gelegt 
bätte. Als Mofe von Gott erfohren war, die Kinder Ifrael aus Aegypten 
zu führen, und zagte, die Sendung zu übernehmen, weil das Wolf feine 
Sendung nicht glauben würbe (II. 4), hieß ihn Gott ven Stab, melden 


MWeißagung Zauberei. Wunper. 93 


er in der Hand hielt, hinwerfen, und dieſer ward zur Schlange, die Gott 
ihn dann am Schwanze faßen hieß, worauf fie wieder zum Stabe warb. 
Ehen fo hieß er ihn feine Hand in den Bufen ſtecken und herausziehen, 
und fie war ausfägig, und er hieß ſie ihn abermals in den Buſen ſtecken, 
und fie war wieder rein. Diefe Wunder ſollte Mofe vor dem Volke, 
wenn e8 feine Sendung nit glauben wollte, vollführen, und wenn fie 
biefen noch nicht glauben folten, folte er Waßer aus dem Strome 
nebmen und ed auf das trodene Land gießen, wo ed zu Blut werben 
mürde. Dann fagt der Herr: Und diefen Stab nimm in deine 
Sand, damit du Zeiden thun ſollſt. (Es wird derfelbe [4] 
geradezu der Stab Gottes genannt.) Wie nun Mofe und Aaron den 
Pharao baten, das Volk in die Wüfte ziehen zu lagen, um dem Herrn 
vafelbft zu opfern, dieſer aber es abſchlug und die Kinder Iſrael noch 
ſchwerer beorücden Tief, giengen Mofe und Aaron auf Gottes Befehl 
wieder vor ihn (7), um ihm Gotted Willen zu verkünden, daß er die 
Kinder Ifrael folle ziehen laßen. Diefer forderte zum Beweis ihrer gött- 
lihen Sendung Wunder von ihnen, und Uaron warf feinen Stab, der 
zur Schlange ward, worauf Pharao die Aegyptiſchen Weifen und Zauberer 
fommen ließ, die mit Beſchwörung vaffelbe thaten. Ein Jeglicher warf 
feinen Stab, da wurden Schlangen daraus; aber Aaron's Stab verfchlang 
ihre Stäbe (I. 7). Dann fchlugen Mofe und Aaron dad Waßer mit 
dem Stab (Aaron handelt ald des Mofe Prophet), und der Strom, wie 
alles Waßer in Aegypten, ward Blut; aber die Negyptifhen Zauberer 
bemwirften dafjelbe mit ihrem Beſchwoören, und es währete fleben Tage, 
baß der Herr den Strom ſchlug. Dann redte Aaron feine Hand 
mit dem Stab über die Waßer in Aegypten, und kamen Bröfche herauf, 
bag das Land bedeckt ward. Da thaten die Zauberer auch alfo mit 
ihrem Beſchwören (II. 8). Hierauf redte Aaron feine Hand aus mit 
feinem Stab, und- flug in den Staub, und ed wurden Läufe an den 
Menſchen und an dem Vieh; aller Staub des Landes ward Käufe. Die 
Zauberer verſuchten ed auch, daß fie Käufe herausbrächten, aber fie fonnten 
nit, und fpradhen zu Pharao: Das ift Gotted Finger. As Pharao 
immer noch verftoct blieb, fandte der Herr Ungeziefer in dad Land, und 
ala auch dieſes nichts Half, ließ der Herr das Vieh der Aegypter flerben; 
boh Pharao blieb verflocdt. Da nahmen Moſe und Aaron ihre Hände 
vol Ruß, und traten vor Pharao, und Mofe fprengete ihn gen Simmel. 
Da fuhren auf böfe ſchwarze Blattern an Menfchen und Vieh, alfo daß 
die Zauberer nicht Eonnten vor Mofe ftehen, denn ed waren an ben 
Bauberern eben fo wohl böfe Blattern, ald an allen Uegyptern. Auch 
bie Half nichts, und nun reckte Mofe feinen Stab gen Simmel, und ber 
Herr Tieß donnern und bageln, daß das Teuer auf die Erve Schoß. Auf 
Pharao's Bitten und fein Verjprechen, nadhzugeben, gieng Mofe zur Stadt 


94 MWeifagung Zauberei. Wunper. 


hinaus, und breitete feine Hände gegen den Herrn, und der Donner und 
Hagel höreten auf, und der Negen troff nicht mehr auf Erven. Pharao 
hielt fein Verſprechen nicht; darum redte Mofe feinen Stab über Aegyp⸗ 
tenland, und der Herr trieb einen Oſtwind ind Land den ganzen Tag 
und die ganze Naht, und des Morgens führete der Oſtwind die Heu- 
ſchrecken her, die das Land bedeckten und verfinfterten, und was der Hagel 
übrig gelaßen hatte, wegfraßen. Auf ein neues Berfprechen des Pharao 
bittet Mofe den Herrn, der fie nun durch einen Weſtwind in dad Schilf- 
meer warf. Doch wienerum beirogen redte Mofe feine Hand gen Simmel, 
da ward eine vide Binfterniß in ganz Aegyptenland drei Tage, doch erft 
als der Herr alle Erfigeburt tödtete, ließ Pharao die Kinder Ifrael ziehen. 
Als nun diefelben an das rothe Meer kamen, und Pharao ihnen nach—⸗ 
jagte, da redte Mofe feine Hand (mit dem Stab) über dad Meer, und 
der Herr ließ es hinwegfahren durch einen ſtarken Oſtwind die ganze 
Naht, und machte dad Meer iroden, und die Waßper theileten ſich von 
einander (II. 14). Und die Kinder Iirael giengen hinein, mitten ind 
Meer auf dem Trodenen,; und das Waßer war ihnen für Mauern, zur 
Rechten und zur Linken. Die Uegypter folgten nad, da reckte Moſe feine 
Hand über dad Meer, das fi nun wieder füllte, und erfäufte die 
Aegypter. 

Nachdem Gott die Kinder Ifrael in der Wüſte dadurch getränft Hatte, 
daß er dem Mofe einen Baum zeigte, womit er das bittere Waßer zu Mara 
füß madte, und ihren Hunger geftilt durch das Man, welches er als 
einen Thau kommen ließ, *) den die Kinder Iſrael Morgens fanden, 
und durch Schwärme von Wadhteln, die er ihnen fandte, **) gerietben 
ſie beym Weiterziehen wiederum in Waßermangel und zanften mit Mofe 


*) Mofe fagte: Es iſt das Brod, das euch der Herr zu eßen gegeben hat. 
Das ift e8 aber, das euch der Herr geboten hat: Ein Ieglicher fammle 
deß, fo viel er für fi eßen mag; und nehme ein Gomer auf ein jeg- 
liches Haupt, nach der Zahl der Seelen in feiner Hütte. Und die Kinder 
Sirael thaten alfo, und fammelten, Einer viel, der Andere wenig. Aber 
da man’s mit dem Gomer maß, fand der nicht drüber, der viel gefammelt 
hatte, fondern ein Seglicher hatte gefammelt, fo viel er für fich eßen 
modte. Und Mofe fprach zu ihnen: Niemand laße davon etwas übrig 
bis morgen. Aber fie gehorchten Mofe nicht, und Etliche ließen davon 
übrig bis morgen; da mwuchfen Würmer darinnen, und ward flinfend. 
Am fechsten Tag aber fammelten fie zweifältig für den Sabbath, und 
biefes warb nicht flinfend. Gtliche aber, die aus dem Lager giengen am 
Sabbath, um Man zu fammeln, fanden nichts (II. 16). 

**) ‚Da fuhr aus ber Wind von dem Herrn, und ließ Wachteln 
kommen vom Meer, und ftreueten fie über das Lager; hier eine Tagereife 
lang, dort eine Tagereife lang um das Lager her, zwo Ellen hoch über 
der Erde.“ (IV. 11.) 


Weißagung Zauberei. Wunper. 95 


(1. 17). Diefer fohrie zu dem Herrn, und ber Herr ſprach - zu ihm: 
Gehe vorhin vor dem Volk, und nimm etliche Uelteften von Ifrael mit 
dir; und nimm deinen Stab in beine Hand, damit du dad Waßer 
ſchlugeſt, und gehe hin. Siehe, ich will dafeldft flehen vor dir auf einem 
Fels in Horeb; da ſollſt du den Fels fchlagen, fo wird Waßer heraus 
laufen, daß das Volk trinke Und fo geichah ed. Hier fehen wir bey 
ven Wundern, die Gott durch den Menſchen, auf welchen ver göttliche 
Geift und feine Kraft ruht, verrichtet, als Aeußerlichkeit die Anwendung 
eines Stab8, und das Ausreden des Armes wie des Stabs, oder Daß 
Schlagen mit vemfelben, mit Ausnahme des Wunders der Beftbeulen, 
welhe durch geworfenen Ruß bewirkt werben. In einer andern Weiſe 
jeben wir (II. 17) bey folgender Gelegenheit dad Erheben der Hände 
eines ſolchen Mannes wunderbar wirffam. Moſe ſchickte Joſua in den 
Kampf wider die Umnlefiter, und gieng mit Uaron und Hur auf bie 
Spike ded Hügeld. Und dieweil Mofe feine Hände emporbielt, flegte 
Iſrael; wenn er aber feine Hand nieverließ, flegte Amalek. Aber vie 
Hände Moje waren ſchwer; darım nahmen fie einen Stein, und legten 
ihn unter ihn, daß er fi darauf ſetzte. Aaron aber und Hur unter- 
bielten feine Hände, auf jeglicher Seite Einer. Alfo blieben feine Hände 
feif, Did die Sonne untergieng. Und Joſua dämpfte den Amalek und 
fein Volk durch des Schwerdtes Schärfe. Als Korah mit feiner Rotte 
fh gegen Mofe empörte, fo wie gegen Naron wegen des Prieſterthums, 
indem er meinte, die ganze Gemeine fey überall heilig, und ber Herr 
ſey unter ihnen (IV. 16), ließ Mofe venfelben mit feinem Anhange 
Pfannen nehmen und Räuchwerk darauf, um vor dem Herrn zu räucdhern, 
und die Erde verfchlang die andern, die Räudyernvden aber wurden von 
Beuer verzehrt, das vom Herrn ausfuhr. Als das Wolf darüber murtte, 
ergeimmte der Herr und ließ den Tod darunter wüthen; da nahm Aaron 
die Pfanne, that Feuer vom Altare darauf und Räuchwerk hinein, und 
lief mitten unter die Gemeine, und räudherte und verföhnte das Volk. 
Da ward der Plage gewehret. Hier wird alfo dem Räuchern mit heiligem 
Feuer vom Altare, verrichtet durch einen Priefler des Herrn, der bie 
heilige Weihe hat, das DVertreiben einer Seuche zugefchrieben, und das 
Wunder entfpricht dem natürlichen Brauche des Näucherns bey Seuchen. *) 
Um jedoch zu beweifen, daß Gott wirklich den Aaron ermwählt habe, ließ 
Moſe auf des Herrn Befehl ſich von zwölf Fürſten Ifraeld (nah den 
zwolf Stämmen) von einem jenen einen Steden geben, und fchrieb ven 
Namen vefjelben darauf, und darunter war ein Steden Aaron's. Diefe 


*) Diefes Wunder aber natürlich erflären wollen, geht nicht an, denn es kann 
überhaupt fein Wunder natürlich erflärt werden, fondern Wunder muß 
man entweder glauben, oder der Erzählung den Glauben verfagen. 


96 MWeißagung Zauberei. Wunder. 


nun legte er vor den Herrn in der Hütte des Zeugnißes. Des Morgens 
aber, da Mofe in die Hütte des Zeugnißes gieng, fand er den Steden 
Aaron’, des Haufes Levi, grünen, und die Blüthe aufgegangen, und 
Mandeln tragen... Nachdem Jever feinen Steden wieder erhalten batte, 
ward Aaron's Wunperfleden wieder vor dad Zeugniß in der Stiftähütte 
gebradht, um als ein Zeichen aufbewahrt zu bleiben. 

Bey einem ferneren Murren der Kinder Ifrael (IV. 21) fandte der 
Herr feurige Schlangen unter fie; Mofe aber bat für fie, und auf Gottes 
Befehl machte er dann eine eherne Schlange, und richtete fie auf zum 
Zeichen, "und wenn Jemanden eine Schlange biß, fo fah er vie eherne 
Schlange an, und blieb leben. Daß die Semitifchen Heiden Weißager, 
Zauberer und Zeichendeuter hatten, bezeugen uns die Moſaiſchen Schriften, 
welche gegen biefelben eifern. So heißt es unter den Geboten Gottes 
(II. 31): Ihr folt eudy nicht wenden zu den Wahrfagern, und forfchet 
nidht von den Zeidhendeutern, daß ihr nicht an ihnen verunreiniget werdet. 
(IV. 23) wird an den Kindern Ifrael gerühmt: Denn es ift fein Zauberer 
in Jakob, und fein Wahrfager in Ifrael. (Don den Zauberern in Aegyps 
ten, von weldyen oben die Rede war, läßt fih ebenfalls auf ven Glauben 
der Semitifchen Heiden im Allgemeinen fchließen; denn wenn ed auf 
befondere Verfchienenheiten giebt in ſolchen Dingen, fo haben fie doch im 
Allgemeinen viel miteinander gemein.) Zu dem Bereiche viefer Weißagung 
gehörte die Beobachtung der Vögel, die auch bey Griechen und Römern 
fo wichtig waren; denn wir lefen unter den Geboten Gottes ebendaſelbſt: 
Ihr folt nicht auf Vogelgefchrei achten, nody Tage wählen. Das Leptere 
berubte darauf, daß man glaubte, Tage für gut, andere für fchlimm 
halten zu müßen, welches Berhältnig auch bey Griechen und Römern 
erfcheint, und daß man zu feinem Thun die guten Tage ausmählte. Im 
fünften Bude (13) wird von Gott geboten: Wenn ein Prophet 
oder Träumer unter euch wird aufflehen, und giebt dir ein Zeichen 
oder Wunder; und das Zeichen oder Wunder kommt, davon er dir gejagt 
bat, und ſpricht: Laß und andern Göttern folgen, die ihr nicht Fennet, 
und ihnen dienen; fo folft du nicht gehorchen ven Worten foldhed Pro⸗ 
pheten, oder Träumers; denn der Herr euer Gott verſucht euch, daß er 
erfahre, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele Tieb habt. 
Der Prophet aber oder der Träumer fol fterben, darum, daß er eu 
von dem Kern, euerm Gott, abzufallen gelehret. Am audführlichften 
wird und berichtet (IV. 22 flgg.), wie durch einen Weißager ein Fluch 
audgefprochen werben follte. Als nämlich die Kinder Ifrael den Moabitern 
näher kamen, fandte ihr König Balaf Boten zu Bileam, der zu Pethor 
am Euphrat wohnte, er folle Eommen und ihm dad Volk Iſrael ver 
fluchen; denn ih weiß, ließ er fagen, daß welchen du fegneft, ber iſt 
gefegnet, und weldhen bu verflucheft, ver ift verflucht. Die Boten aber 


MWetpagung Zauberei. Wunder. 97 


hatten den Lohn des Wahrfagens in ihren Händen. Bileam hieß fie 
über Nacht bleiben, damit er zuvor den Willen des Herrn erfahre. Gott 
kam zu Bileam und verbot ihm ven Fluch; doch Balak ſandte wiederum 
Boten, und zwar größere und herrlichere, denn die erften waren. Bileam 
antwortete diefen: Wenn mir Balaf fein Haus vol Silberd und Goldes 
gäbe, fo könnte ich doch nicht übergehen dad Wort des Herrn, meineß 
Botted; und fomit hieß er auch diefe über Nacht bleiben, damit er den 
Willen des Herrn erfahre. Gott Fam nun des Nachts zu ihm und hieß 
ihn binzieben, und als er zu Balak Fam, fagte er ihm, er koͤnne nichts 
Anderes reden, als was ihm Gott in ven Mund gebe, dad müße er reden. 
Des Morgend? nun nahm Balaf den Bileam, und führte ihn auf die 
Höhe Baal's, daß er von da das Volk Iſrael überjehen Eünne. (Es follte 
alfo der Fluch über das, was der Fluchende unmittelbar vor fidh fah, 
wirken.) Bileam hieß dann Balak fleben Altäre bauen, und fieben Barren 
nebſt ſieben Widdern herbeyfchaffen, worauf fle auf je einem Altare je 
einen Barren und einen Widder opferten. Balak blieb nun beym Brands 
opfer, und Bileam gieng hin, Gott zu begegnen, und er begegnete ihm, 
und Gott gab ihm Worte in den Sinn, welche Ifrael fegneten. Da 
führte Balak den Bileam auf einen freien Plab auf der Höhe Pidga, von 
wo er das Ende des Volkes Ifrael, aber nicht da8 ganze fehen Fonnte, um 
ihm dort zu fluchen. Auch wurden hier wieder fleben Altäre errichtet, bie 
Opfer gebracht, er fuchte Gott, und diefer gab ihm abermals Segen für 
Jrael in den Sinn. Zum dritten führte Balak den Bileam auf bie 
Höhe Peor's, und wiederholte auf jteben Altären die Opfer; doch auch Hier 
fühlte fi Bileam vom Herrn getrieben, Sitael zu fegnen, und ohne, 
wie vormals, nach den Zauberern zu gehen, richtete er fein 
Angeftcht auf vie Kinder Ifrael und fegnete fie. Weiterhin nennt fidy 
Yileam den Mann, dem die Augen gedffnet find, den Hörer göttlicher 
Rede, und der die Erfenntnig hat des Höchſten, der vie Offenbarung 
des Allmaͤchtigen flieht, und dem die Augen geöffnet werden, wenn er 
niederfniet. 

Auch von Prophetinnen bey den SIfraeliten meldet der Pentateuch. 
So wird Mirjam die Schwefter des Mofe und Uaron (II. 15) eine Pro⸗ 
phetin genannt, die, ald vie Aegypter bey ver Verfolgung der Kinder 
Sirael im Meer umgefommen waren, einen Reigen mit Paufenmuflf 
anführte, und das Lob des Herren fang. Als Mirjam und Aaron (IV. 12) 
wider Moſe murrten, weil er eine Mohrin zum Weibe genommen, fpradyen 
fe: Redet denn der Herr allein durch Mofe? Redet er 
nicht auch durch und? Da Fam der Herr hernieder, und fprad zu 
ifnen: If Iemand unter euch ein Prophet des Herrn, dem will ich mid) 
fund machen in einem Geficht, oder will mit ihm reden im Traum. 


Aber nicht alfo mein Knecht Mofe, mündlich rede ich mit ihm. Daß die 
IV. 7 


98 Weifagung Zauberei. Wunper. 


Semitifhen Heiden Prophetinnen, Wahrfagerinnen und Banberinnen 
hatten, wird, wie es fi vorausfegen läßt, ebenfalls bezeugt, venn eines 
der Gebote Gottes, die Moſe empfängt (I. 22), lautet: Die Zauberinnen 
fonft du nicht Teben lagen; und (IM. 20. 27) weiter heißt ed: Wenn ein 
Mann oder Weib ein Wahrfager over Zeichenveuter feyn wird, die follen 
des Todes flerben, man fol fie fleinigen, ihr Blut fey auf ihnen. 

Nah Mofe erfcheinen erſt wieder die Propheten, zur Zeit ver Zere 
yüttung der Kinder Ifrael ald eigentlihe von Gott mit dem Geiſt erfüllte 
Männer, durch die er zu dem Volke fprah, um ed zu beßern. Doch 
fehlte e8 nie ganz an Menfchen, weldye auch nach Mofe in viefer Hinficht 
bedeutend waren, wenn fle auch diefem nachſtanden. Gleich nach ihm war 
"fein Nachfolger Joſua ein gemeihter Mann, denn wir lefen (Mofe IV. 27): 
Der Herr fprad zu Mofe: Nimm Jofua, der ein Mann iſt, in welchem 
der Geift ift, und lege deine Hände auf ihn, und ftelle ihn vor ven 
Priefler Eleafar, und vor die ganze Gemeine, und lege deine Herrlichkeit 
auf ihn, daß ibm gehorche die ganze Gemeine. Und er fol treten vor 
den Priefter Eleafar, ver fol für ihn rathfragen, durch die Weife des 
Lichtes vor dem Herrn. Darum heißt e8 au (Joſua 1): Der Ser 
fprah zu Joſua; und als er mit dem Volt an den Jordan gekommen 
war, Eannte er ven Willen des Herrn; denn er fagte zu dem Molke: 
Heiliget euch, denn morgen wird der Herr ein Wunder unter euch thun. 
Und der Herr fprah zu Joſua: Heute will ih anfangen, dich groß zu 
machen vor dem ganzen Ifrael, daß fle wißen, wie ich mit Mofe geweſen 
bin, alfo auch mit dir fey. Wie nun die Priefter mit ver Bundeslade 
in den Iordan traten, da blieb das Waßer oberhalb ihrer flehen, und 
floß unterhalb ihrer fort, fo daß ganz Ifrael troden durch den Jordan 
gieng. Dies Wunder geihbab am zehbenten Tage des erften 
Monats, und auf Gottes Befehl Hatte Joſua zwölf Steine aus dem 
Bette des Jordan zum Gedächtniße nehmen laßen, vie er zu Gilgal auf- 
richtete, fo wie er auch zwölf Steine im Jordan ſelbſt aufrichtete, nad 
der Zahl der Stämme der Kinder Ifrael. (Zu Gilgal war die Stiftöhütte 
zur Zeit Samuel’d, unter den Richtern aber war heidniſcher Cult daſelbſt, 
und dann wieder unter den SKönigen Ufias, Jotham und Ahas.) Als 
Joſua bey Jericho war (5), ward er, feine Augen aufhebend, gewaht, 
dag ein Mann gegen ihm fland, und hatte ein bloßes Schwerbt in feiner 
Hand. Joſua ſprach: Gebdreft vu und an, ober unferen Feinden? Er 
ſprach: Nein, fonvern ich bin ein Fürft über das Heer des Herrn, und 
bin jegt gefommen. Da fiel Iofua auf fein Angefiht zur Erbe, und 
betete an, und ſprach zu ihm: Was faget mein Herr feinem Knechte? 
Und der Bürft über dad Heer des Herrn ſprach zu Joſua: Ziehe deine 
Schuhe aus von deinen Füßen; denn die Stätte, darauf du fteheft, if 
heilig. Da Iericho feft war und wohl verwahrt vor den Kindern Ifrael, 


Weißagung Zauberei. Wunder. 99 


fprach der Herr zu Joſua (6): Siehe da, ich habe Jericho fammt ihrem 
König und den Kriegdleuten in deine Hand gegeben. Laß alle Kriegs⸗ 
männer rings um bie Stadt ber gehen einmal, und thue ſechs Tage alfo. 
Am flebenten Tag aber laß die Priefler ftieben Pofaunen des Halljahres 
nehmen vor der Lade her, und gebet deſſelben Tages ftebenmal um bie 
Stadt, und laß die Priefter die Pofaunen blafen. Und wenn man des 
Salljahres Horn bläfet, und tönet, daß ihr die Pofaunen höret, fo fol 
bad ganze Wolf ein großes Feldgeſchrei machen; fo werben ver Stadt 
Mauern umfallen, und das Volk fol hHineinfallen. *) So geſchah es, 
und Jericho's Mauern fielen um, und die Stadt ward zerftört. Alfo war 
der Herr mit Joſua. Doc da fih Einer an dem Gott geweihten Beute⸗ 
gut der Stabt vergriff, ward das gegen die Stadt Ai gefandte Heer 
geſchlagen, und als Jofua dem Herrn Flagte, fpradh diefer zu ihm, daß 
ſich Iſrael verfündigt habe, und daß ein Stamm nad} dem andern herzu⸗ 
fommen folle, damit der Herr den Stamm treffe, dem der Trevler ange⸗ 
höre, der mit Teuer verbrannt werden müße. Der Frevler ward fo ent- 
det, gefleinigt und dann mit feinen Söhnen und Töchtern, feinem Vieh 
und feiner Habe verbrannt. Dann ſprach Gott zu Joſua (10) und hieß 
ihn die Stadt Ai nehmen und zerflören, worauf fi Gibeon untermwarf, 
und als die Amoriter diefe Stadt angriffen, hieß Gott den Joſua getroft 
flreiten, und ſchreckte die Feinde, daß fe flohen, und töptete Viele mit 
Hagel vom Himmel. Da redete Joſua mit dem Herrn und rief dann: 
Sonne, ftehe FIN zu Gibeon, und Mond im Thal Ajalon! Da fand 
Sonne und Mond fi, dab fih das Volk an feinen Feinden rächete. 
Die Sonne fland mitten am Himmel und verzog unterzugehen beynabe 
einen ganzen Tag. Und e8 war fein Tag dieſem gleidy, weder zuvor, noch 
darnach, da der Herr der Stimme eined Mannes gehorchte; 
denn der Herr ftritt für Ifrael. 

Nach Joſua's Tode verfielen die Kinder Iſrael zur Zeit der Richter 
in dad Heidenthum der unter ihnen wohnenden und benachbarten Stämme. 
Doch der Herr verließ fle nicht ganz, fonvern neben der Strafe ließ er 
ihnen auch Gnade angedeihen, und gab ihnen Richter, in weldyen der 
Geift war. So heißt e8 im Buche der Richter (3. 9): Da ſchrieen bie 


*) Da die Thätigfeit der Kinder Iſrael bey dieſer Friegerifchen Unternehmung 
fleben Tage Hintereinander dauert, fo war der Sabbath darunter, und 
da fie auf Gottes Befehl unter einem geweihten Führer, der mit Gott 
in Gemeinſchaft war, ausgeführt ward, fu ergiebt fich, daß die Friegerifchen 
Unternehmungen nicht unter die Dienftarbeit gehören, welche der Herr 
am Sabbath verboten Hatte. Daraus erhellt, daß die Schriftgelehrten in 
Sirael mit ihrer Beſtimmung der Sabbathfeier, die auch eine folde Thä⸗ 
tigfeit nicht zuläßt, fpißfindig verfahren find, aber nicht Gottes Gebot 
richtig ausgelegt haben. . 

7 


100 Weifagung Zauberei. Wunder. 


Kinder Ifrael zu dem Herrn; und der Herr grwedte ihnen einen Heiland, 
der fie erlöfete, Athniel, ven Sohn Kenad. Und der Geifl des Herrn 
war in ibm, und er ward Richter in Iſrael. Und der Herr gab ven 
König zu Syrien in feine Hand. Nah deßen Tod fielen fie wieder von 
Gott ab, und erbuldeten Dienftbarfeit, bis der Herr EChud ermwedte, ben 
Sohn Gera. Dann fam Samgar, ver fehöhundere Philifter mit einem 
Ochſenſtecken ſchlug und Ifrael erlöjete. Hierauf war die Prophetin 
Debora, das Eheweib des Lapidoth, Nichterin, und unter ikrer Ober- 
leitung wurden die Cananiter geichlagen. Als die Kinver Ifrael von den 
Midianitern bebrängt wurden, fandte ihnen der Herr einen Propheten, 
und ein Engel des Herrn fam zu Gideon, der gerade Walzen draſch, und 
forderte ihn auf, Iſrael von den Midianitern zu erlöfen; und ald Gideon 
dem Engel ein Opfer bolte, reckte derfelbe den Steden aus, den er in 
der Hand hatte, und rührete mit der Spike das Fleiſch und das unge- 
fäuerte Mehl an. Und das Teuer fuhr aus dem Fels, und verzebrete 
das Fleifh und das ungefäuerte Mehl. Und ver Engel des Herrn ver: 
ſchwand. Gideon ſprach: O Herr, habe ich alfo einen Engel des Herrn 
von Angeficht gefehben? Aber ver Herr fprach zu ihm: Fürchte dich nicht, 
du wirft nicht flerben; und Gidon baute daſelbſt einen Altar. Und in 
berfelbigen Nacht fprady der Herr zu ihm. Als nun Gideon fi dem 
Feind entgegenflelte, zog der Geifl des Herrn ihn an, und er 
pra zu Gott: Willſt du Ifrael durch meine Hand erlöfen, fo will ih 
ein Bel mit der Wolle auf die Tenne legen, Wird der Thau auf dem 
Tel allein jeyn und auf der ganzen Erde troden, fo will ich merken, 
dag du Iſrael erlöfen wirft dur) meine Hand. Und da er des andern 
Morgens frühe aufflann, brüdte er ven Thau aus von dem Fell, uns 
füllete eine Schale vol des Wafersd. Und Gideon ſprach zu Gott: Dein 
Zorn ergrimme nidyt wider mich, daß ich noch einmal reve. Ich will es 
nur noch einmal verfudden mit dem Tel. Es fey allein auf vem Zelle 
troden, und Thau auf der ganzen Erbe. Und Gott that aljo viefelbe 
Naht, daß troden war allein auf dem Bell, und Thau auf der ganzen 
Erde. Der Herr aber hieß Gideon mit nur wenigem Volke gegen bie 
Midianiter ziehen, und erſchien ihm dann in der Nacht, ihn zu heißen, 
zum Lager ber Veinde zu gehen, wo er Einen feinen Traum erzählen 
hörte, der dem Gideon Sieg bedeutete. Nah Gideon's Tod brachte 
Abgdtterei die Kinder Ifrael unter die Gewalt der Vhilifler und Ammo- 
niter; da fle aber wiever den Herrn antiefen, fam ber Geifl des Herrn 
auf Jephthah, und dieſer befiegte die Ammoniter (11). Nach diefem warb 
Simjon vom Geiſte des Herrn getrieben, Iſrael von ver Gewalt ber 
Philiſter zu erlöfen; viefer aber war ein Naziräer, und ein Engel des 
Seren verkündete feine Geburt (13). Als ihm einft ein junger Löwe 
bruͤllend entgegenfam, gerieth der Geift des Herrn über Ihn, und er zerriß 


Weißagung. Zauberei. Wunder. 101 


ihn, obgleich er nichts in feiner Sand hatte (14). Dann als die Philifter 
iin in ihre Gewalt befommen und mit zween neuen Striden gebunden 
batten, gerieth ber Geift des Herrn über ihn, und die Stride an feinen 
Armen wurden wie Baden, die dad Feuer verfenget hat, daß die Bande 
an feinen Händen zerfhmolzen. Und er fand einen faulen Efelsfinnbaden, 
nahm ihn und ſchlug damit taufend Dann. Da ihn aber fehr vürftete, 
tief er den Herrn an, und Gott fpaltete einen Badenzahn in dem Kinn⸗ 
baden, daß Waßer herausgieng. Nachmals gelobte ein unfruchtbares 
Weib dem Herrn, wenn er ihr einen Sohn verleihen würde, biefen fein 
Leben lang, und daß Fein Scheermeßer auf fein Haupt fommen folle. 
Diefes Weib gebar den Samuel, und ald er von ver Mutter Bruft ent- 
wöhnt war, braditen ihn die Neltern mit einem Opfer von drei Farren, 
einem Epha Mehl und einer Flaſche Wein in das Haus des Herrn zu 
Silo, und übergaben ihn dem Priefter (Samuel I. 1), deßen Diener er 
nun war, umgürtet mit einem Teinenen Leibrode. Da dieſer Briefter 
Eli ungeratbene Söhne hatte, Fam ein Mann Gottes zu ihm (2) 
und verfünbete ihm ven Willen Gottes, daß feine Söhne beyde auf einen 
Tag flerben würden, und daß der Herr ſich einen treuen Priefter erwecken 
werde (womit Samuel gemeint iſt). Yu diefer Zeit aber (3) war des 
Herrn Wort theuer, und war wenig Weißagung. Und es begab fidy, 
daß Eli's Augen anftengen, dunkel zu werden, und Samuel hatte ſich 
geleget im Tempel des Herrn, da die Lade Gottes war, ehe denn die 
Rampe Gottes erlofh. Da rief ver Herr den Samuel, ver, weil er ben 
Herrn noch nicht kannte, weil ihm deßen Wort noch nicht geoffenbaret 
war, meinte, Eli babe ihm gerufen, und zu dieſem bingieng. Als dies 
zu dritten Male gefchehen, merfte Eli, daß der Herr gerufen habe, und 
fügte e8 ihm. Da trat der Herr dahin, und rief zum vierten Male: 
Samuel! und diefer antwortete nun: Rede, denn bein Knecht höret; 
Bott aber melvete ihm, daß er das Haus Eli firafen werde. Samuel 
aber nahm zu, und der Here war mit ihm, und es fiel Feind unter allen 
feinen Worten auf bie Erbe, und ganz Ifrael erfannte, dag Samuel ein 
treuer Prophet des Herrn war. Und der Herr erfchien hinfort 
u Silo, denn der Herr war Samuel geoffenbaret worden 
zu Silo dur dad Wort des Herrn. Und Samuel fieng an zu 
prebigen dem ganzen Ifrael. Zu diefer Zeit wurben die Ifraeliten von 
den Philiftern gefchlagen; doch ver Herr erhörte Samuel, als er ihm zu 
Mizpa opferte und ihn antief, und als vie Philifter vie dort Verſammelten 
angriffen, ließ der Herr donnern einen großen Donner, und fchredte bie 
Philifter, daß fie von Sfrael gefchlagen wurden, und die Hand des Herrn 
war wider bie Bhilifter, fo lange Samuel lebte (7). ALS viefer alt war 
und feine Söhne zu Richtern einfegte, begehrten die Kinder Iſrael einen 
König, und Samuel gab ihnen einen, da der Kerr es ihm befahl, und 


102 MWeifagung Zauberei. Wunder. 


diefer war Saul, der Sohn des Kis (9). ALS dieſer nämli von feinem 
Pater ausgeſchickt ward, verlorene Efelinnen zu ſuchen, und ſie nicht 
finden fonnte, wollte er im Lande Zuph umkehren; ver ihn begleitende 
Knabe aber ſprach: Siehe, es iſt ein berühmter Mann Gottes in viefer 
Stadt; Alles, was er fagt, das geſchiehet. Vielleicht fagt er uns unfern 
Weg. Saul aber fprah: Wenn wir bingehen, was bringen wir dem 
Manne? Was haben wir? Der Knabe antwortete: Ich habe ein Vier⸗ 
theil eines filbernen Sedels bey mir, den wollen wir dem Manne 
Gottes geben. Vorzeiten in Iſrael, wenn man gieng Gott 
zu fragen, ſprach man: Kommet, laſſet und geben zu dem 
Sehber. Denn die man jegt Propheten beißt, hieß man 
vorzeiten Seher. Wie fie nun binauf zur Stadt famen, gieng 
Samuel (ver Seher) heraus, um auf die Höhe zu gehen und das Opfer 
des Volkes daſelbſt zu fegnen, und zu eßen. Aber ver Herr hatte Samuel 
feinen Ohren geoffenbaret einen Tag zuvor, er wolle ihm morgen einen 
Mann fenden, den jolle er zum Fürſten falben, daß er Ifrael erlöfe von 
der Philifter Hand; und ald Samuel Saul anfah, fagte ihm der Herr: 
Siehe, das ft ver Mann. Da nahm ihn Samuel mit auf die Höhe zum 
Ehen, des andern Tags aber falbte er ihn, Del auf fein Haupt gießen 
(10), zum König, und fagte ihm vorher, was ihm zunächſt begegnen 
würbe, und ald Saul von Samuel gieng, gab ibm Gott ein anderes 
Herz Saul fam an den Hügel Gottes, da Fam ihm ein Haufen Pro- 
pheten von ber Höhe herab entgegen, und vor ihnen her ein Pfalter, 
und Paufen, und Pfeifen und Harfen, und fie meißagten, und der Geift 
Gottes gerietb über Saul, daß er unter ihnen weißagte. Als nun Saul 
die Herrſchaft übernahm, ermahnte Samuel das Volk zur Verehrung des 
Herrn, und rief zur Bezeugung feiner Rede den Herrn an, baß er folle 
donnern und regnen laßen, und der Herr Tieß donnern und regnen (12). 
Da fürdhtete dad ganze Volk fehr ven Herrn und Samuel, und fpracdhen 
Ale zu Samuel: Bitte für deine Sinechte den Herrn, deinen Gott, daß 
wir nicht flerben. Weil Saul des Herrn Geboten nicht gehorfam war, 
ward er verworfen, und der Herr befahl dem Samuel, den Sohn Jſai's, 
David zu falben, und der Geift des Herrin gerieth über David von dem 
Tag an und fernerhin. Der Geift aber des Herrn wi von 
Saul, und ein böſer Geift vom Herrn madte ihn fehr 
unruhig (16). (Die Diener rathen Saul, Einen holen zu laßen, der 
auf der Harfe wohl fpielen könne, auf daß, wenn ver böfe Geiſt Gottes 
über ihn fomme, er fpiele, und es beßer mit ibm werde. Da ward 
David geholt, und wenn nun der Geift Gottes über Saul fam, fpielte 
David auf der Harfe, und e8 ward dann befer mit Saul, und ver böfe 
Geift wid von ihm.) Als Saul ven David verfolgte (19), entflob dieſer 
zu Samuel, und als er Boten hinfandte, ihn von dort zu holen, fahen 


Weifagung Zauberei. Wunper. 103 


biefe zween Chöre Propheten meißagen, und Samuel war ihr Auffeher. 
Da fam ver Geift Gottes auf die Boten Saul’d, daß fie auch meißagten. 
Saul fandte andere Boten, die weißagten auch, und eben fo die dritten. 
Nun gieng er felbft Hin, aber der Geifl Gottes fam auch auf ihn, und 
er gieng einher und meißagte, und zog auch feine Kleiver aus, und 
weißagte auch vor Samuel, und fiel bloß nieder den ganzen Tag und bie 
ganze Nacht. Nach Samuel’ Tod hatte Saul die Wahrfager und Zeichen 
deuter aus dem Lande vertrieben *) (28), doch als er nun in Furcht 
vor dem Heere der Philifter den Herrn ratbfragte, antmortete der Herr 
ihm nicht, weder durch Träume, noh durchs Licht, no 
burh Propheten. In feiner Noth gieng Saul nad Endor, wo eine 
Wahrfagerin war, der er Sicherheit verſprach. Bon ihr verlangte er, 
daß fie ihm Samuel von den Todten heraufbringe, und fie that ed; doch 
Saul Eonnte den Geiſt nicht fehen, neigte ſich aber mit feinem NAntlige 
zur Erde und betete an. Samuel aber ſprach zu Saul: Warum haft du 
mid unruhig gemacht, daß du mich beraufbringen Täßeft? Was willſt du 
mid fragen, weil der Herr von Dir gemichen und dein Feind geworben 
if? Der Herr wird bir thun, wie er durch mich geredet hat. Morgen 
wirft du und deine Söhne mit mir feyn. **) 

Nah Saul’d Tode warb David König, und der Herr war mit ihm 
(Samuel I. 5) und Tieß ihn über die Philifter fliegen; als aber dieſe 
zum zweiten Male gegen ihn zogen, und er wiederum den Herrn fragte, 
gab ihm diefer die Stelle an, wo er die Philifter fchlagen folle, in der 
Nähe von Maulbeerbäumen, und fprah: Wenn du hören wirft das 
Rauſchen auf den Wipfeln der Maulbeerbäume einhergehen, fo eile dich; 
denn der Herr iſt dann ausgegangen vor dir ber, zu fchlagen das Heer 
ver PBhilifter. Unter David gab es auch wieder Propheten, denn wir 
leſen (MI. 7), daß Nathan ver Prophet zu der Zeit wirkſam war, und 
daß Nachts das Wort des Herrn zu ihm Fam. Auch fandte diefen der 
Herr an David, ihm eine Strafpredigt wegen feiner Sünden zu halten 
(12), und der König übergab ihm bie Leitung feined Sohnes Salomo, 
vem er auch die Nachfolge in ver Herrfchaft erwarb. Der Prophet Gad 


*) Diefe zu dulden, war, wie wir oben gefehen haben, von Gott verboten, 
und Saul hätte demnach recht gehandelt. Doch Hatte er nicht recht 
gehandelt, und es muß von dem, welcher beyde Angaben in Einklang 
bringen will, angenommen werben, nur bie heibnifchen feyen verboten 
gewefen, die Ifraelitifchen aber feyen von Bolt erweckt gewefen. 

*s) Im erſten Buche der Chronik heißt es abweichend (11. 13): Alfo flarb 
Saul in feiner Mißethat, die er wider den Herrn gethan hatte an dem 
Worte des Herrn, das er nicht hielt, auch daß er die Wahrfagerin fragte, 
und fragte den Herrn nicht. Darum tödtete er ihn und wandte 
das Königreich zu David. 


104 MWeigagung Zauberei. Wunder. 


wird David's Seher genannt (II. 24), und ald David auf ven Einfall 
gefommen war, fein Volk zu zählen, ergieng das Wort bed barüber 
erzürnten Seren zu Gab, dem Könige die Wahl zu geben, ob er zur 
Strafe fleben Jahre Theuerung im Lande haben wolle, oder drei Monate 
vor feinen Widerſachern fliehen, oder eine breitägige Per im Lande haben 
wolle. David wählte die Peſt, und der Herr fandte den Engel des Wer- 
derbens, ver ſich bey vie Tenne des Arafna ſtellte und feine Sand über 
Serufalem auöftredte, und David ſah den Engel und bekannte feine 
Sünde und bat den Herrn für dad Volk; Gap aber hieß ihn auf dieſer 
Tenne einen Altar errichten und Opfer darbringen, und Gott ließ fi 
verfühnen. *) Auch dem Salomo, der ja ein Gefaldter des Herrn war, 
erfhien der Herr im Traum (Könige I. 3), und ald derfelbe den Tempel 
zu Serufalem gegründet und geweiht hatte, erjchien ihm ber Herr zum 
zweiten Mal (9), und verfprad ihm, wenn er Gotte8 Gebote halte, 
Segen. **) Dennod ergab fi} Saloıno der Abgätterei, und der Prophet 


*) Im erften Buche der Chronif (22. 27) heißt es: Und ber Herr fprach zum 
Engel, daß er fein Schwerbt in feine Scheibe Fehrete. 

%%) Im zweiten Buche Samuelis (7) wird erzählt, David habe dem Herrn ein 
Haus bauen wollen, der Herr aber habe durch den Propheten Nathan 
dies unterfagt, und verfündigt, daß der Herr ihm ein Haus machen 
wolle, mit den Worten: Wenn nun deine Zeit hin ifl, daß du 
mit deinen Bätern [hlafen liegeft; will ic deinen Samen 
nach dir erweden, der von deinem Leibe fommen foll, dem 
will ih fein Reich beffätigen. Der foll meinem Namen 
ein Haus bauen, und ih will den Stuhl feines König: 
reiches beflätigen ewiglich. Diefe Worte werden von ben Deutern 
des Alten Teſtaments als eine Weißagung auf den in Chriſtus erfchienenen 
Meffias gedeutet. Nun lauten aber die weiteren Worte des Herrn, bie 
Nathan verfündigt in Betreff diefes Nachkommens David’s: Ich will fein 
Bater feyn und er foll mein Sohn feyn. Wenn er eine Mißethat 
thut, will ih ihn mit Menfhenruthen und mit der Men 
ſchenkinder Schlägen firafen. Aber meine Barmherzigkeit 
follnigtvon ihm entwandt werden, wie ich fie entwendet 
habe von Saul, den ih vor dir babe hinweggenommen. 
Wie diefe Worte Chriſti würdig feyen, ift nicht einzufehen, indem fe 
vielmehr feiner ganz unwürdig fcheinen, weil etwaige Mißethaten Chriſti 
und menfchliche Strafe derfelben nicht denkbar find, und es auch nicht 
gut Tautet, daß er mehr Barmherzigkeit finden folle, als Saul. David 
verfland unter diefem Nachkommen feinen Sohn Salomo, wie uns im 
erften Buche der Chronik (23) erzählt wird, bereitete den Bau vor und 
beauftragte feinen Sohn mit der Ausführung nad feinem, des Vaters 
Tod, und gab demfelben als Urfache diefer Verzögerung an: Das Wort 
des Herrn fam zu mir, und ſprach: Du Haft viel Blut vergoßen, und 
große Kriege geführet, darum fol du meinem Namen nicht ein Haus 
bauen, weil du fo viel Blut auf die Erde vergoßen haft vor mir. Siehe, 


Weißagung Zauberei. Wunper. 105 


Ahia übertrug auf den Befehl des Herrn die Herrſchaft über zehen 
Stämme auf Jerobeam, und als nad Salomo’d Tod diefer König von 
Srael ward, und Rehabeam, Salomo’3 Sohn, der König von Juda, 
gegen ihn flreiten wollte, fam das Wort Gotted zu Semaja, dem Manne 
Gottes, den Rehabeam von feinem Vorhaben abzumahnen. Doch Ierobeam 
führte den Gögendienft in Ifrael ein, da er aber zu Bethel am Xltare 
Rand zu räuchern (13), da kam ein Mann Gotte® von Juda (Namens 
Jeddi) durch dad Wort des Herrn gen Bethel, und rief durch das Wort 
des Herrn wider den Altar: Altar, Altar! fo fpricht ver Herr: Siehe, 
e8 wird ein Sohn dem Haufe David’8 geboren werben, mit Namen Jofla, 
ver wird auf bir opfern die Priefter der Höhen, die auf bir räuchern, 
und wird Menfchenbeine auf dir verbrennen. Und er gab des Tags ein 
Wunder, und ſprach: Das iſt dad Wunder, daß ſolches der Herr gerebet 
bat: Siehe, der Altar wird reißen und die Afche verfchüttet werven, die 
darauf if. Der König aber redte feine Hand aus, und ſprach: Greifet 
ihn. Und feine Hand verporrete, und Eonnte fie nicht wieder an fidh 
ziehen, und der Altar riß und die Afche ward verfchüttet. Da fprach der 
König zu dem Manne Gottes: Bitte dad Ungeficht des Herrn, deines 
Gotted, und bitte für mid), daß meine Hand wieder zu mir fomme. Da 
bat der Mann Gottes das Angefiht des Herrn, und des Könige Hand 
ward, wie fie vorhin war, und ber König wollte den Mann Gottes zu 
Haufe bewirthen, ver aber fagte: Wenn du mir auch dein halbe Haus 
gaͤbeft, fo kaͤme ich doch nicht mit dir; denn alfo iſt mir geboten durch 
des Herrn Wort: Du ſollſt fein Brod eßen und Fein Waßer trinken, 


der Sohn, der dir geboren full werden, ber wird ein ruhiger Mann feyn; 
denn ih will ihn ruhen laßen von allen feinen Beinden umher; denn er 
fol Salomo heißen; denn ich will Frieden und Ruhe geben über Iſrael 
fein Lebenlang. Der foll meinem Namen ein Haus bauen. Gr foll mein 
Sohn feyn, und ich will fein Vater feyn. Und ich will feinen Fönig- 
lichen Stuhl über Iſrael beftätigen ewiglih. Nach vollendetem Bau, fo 
lefen wir im zweiten Buche der Könige (9), erfchien der Herr dem 
Salomo und ſprach: Ich habe dies Haus geheiliget, das bu gebauet 
haft, daß ich meinen Namen daſelbſt Hinfege ewiglich, und meine Augen 
und mein Herz follen da fein allewege. Im zweiten Buche der Ehronif 
(5 und 7) heißt es von ber Ginweihung des Tempels: Da ward das 
Haus erfüllet mit einer Wolfe, daß die Priefter nicht flehen Fonnten, zu 
dienen vor ber Wolfe, denn die Herrlichfeit des Herrn erfüllete das Haus 
Gottes. Und da Salumo ausgebetet hatte, fiel ein Feuer vom Himmel, 
und verzehrete das Brandopfer und andere Opfer; und die Herrlichkeit 
des Herrn erfüllete das Haus, daß die Prieſter nicht Fonnten hineingehen 


in das Haus bes Herrn. So beftätigte alfo der Herr den Tempelbau : B 


durch Salomo, den er dem Könige David auszuführen nicht erlaubt Hatte, 
und von einer Weißagung auf den Meſſias ift Feine Rebe. 


106 Weipagung Zauberei. Wunder. 


und nicht wieder durch den Weg kommen, den bu gegangen bifl. Es 
wohnte aber ein alter Prophet zu Bethel, ver, ald er dies hörte, dem 
Manne nadıritt, und ihn bey einer Eiche fand. Er forderte ihn auf, 
umzufehren und mit ihm zu eßen, und als derſelbe nicht wollte, fagte er 
zu ibm: Sch bin auch ein Prophet, wie du, und ein Engel hat mit mir 
geredet durch des Herrn Wort, und gefagt: Bühre ihn wieder mit bir 
beim, daß er Brod eße und Waßer trinke. Er log ihm aber. Der Mann 
Gottes folgte ihm nun; da fie aber zu Tifche faßen, kam das Wort des 
Herrn zum Propheten von Bethel, und er ſchrie den Mann Gottes an: 
Darum, daß du dem Munde des Herrn bift ungehorfam gemejen, fol 
dein Keichnam nicht in deiner Väter Grab kommen. Sobald aber der 
Mann Gottes wegzog, warb er von einem Löwen zerrißen. 

Als Jerobeam's Sohn krank war (14), fandte er fein Weib in 
Berfleivung zum Propheten Ahia nah Silo, ihm zeben Brovde und 
Kuchen und einen Krug Honig zu bringen, und ihn wegen des Knaben 
zu fragen. Ahia aber Eonnte nicht fehen, denn feine Augen flarreten vor 
Alter; jedoch der Herr fagte ihm, wer fonımen werde, und gab ihm an, 
was er fagen fole. Er ließ nun Ierobeam das Unglüd melden, welches 
über ihn kommen werde wegen feiner Abgötterei, und daß das Kind 
fterben werde, Sobald das Weib den Buß wieder in die Stadt fegen 
werde. Nach dem Tode Jerobeam's und Rehabeam's ward die Verwirrung 
arg, und die Abgötterei war häufig. In diefer Zeit lefen wir (16) vom 
Propheten Jehu, und (17) von dem Propheten Elia, dem Thisbiter auß 
Gilead, welcher dem Ahab weißagte, es fol diefe Jahre weder Thau noch 
Regen kommen, ich ſage es denn. Und das Wort des Herrn kam zu 
Elia, daß er weggehen und ſich am Bache Crith verbergen ſolle, und 
ſollſt vom Bache trinken, und ich habe den Raben geboten, daß ſie dich 
daſelbſt ſollen verſorgen. So that Elia, und die Raben brachten ihm 
Brod und Fleiſch des Morgens und des Abends. Als ver Bach ver- 
trocknete, wies ihn das Wort des Herrn an eine Wittwe zu Zarpath, die 
er fand, als ſte Holz auflas, und er ſprach zu ihr: Hole mir ein wenig 
Waßer im Gefäße, daß ich trinke. Da ſie aber hingieng zu holen, ſprach 
er zu ihr: Bringe mir aud einen Bißen Brod mit. Sie fprah: So 
wabr der Herr, dein Gott, lebet, ich habe nichts Gebackenes, ohne eine 
Hand vol Mehl im Cad und ein wenig Del im Krug. Und fiehe, ich 
babe ein Holz oder zwei aufgelefen, und gehe binein, und will mir und 
meinem Sohne zurichten, daß wir eßen und flerben. Elia aber ſprach zu 
ihr: Würchte dich nicht, gehe Hin und mache ed, mie du gefagt haft; doch 
made mir am erflen ein kleines Bebadened davon und bringe mir's 

heraus; dir aber und beinem Sohne folft du darnach aud machen. 
"Denn alfo fpricht der Herr, ver Gott Iſraels: Das Mehl im Cap foll 
nicht verzehret werben, und dem Delkruge fol nichts mangeln, bis auf 


Meigagung Zauberei. Wunper. 107 


ven Tag, ba ber Herr regnen laßen wird auf Erven. So gefchah e8; 
nah diefen Gefchichten aber mard des Weibes Sohn Eranf, und feine 
Krankheit ward fo fehr Hart, daß fein Odem mehr in ihm blieb. Und 
fe fprach zu Elia: Was habe idy mit dir zu ſchaffen, vu Mann Gottes? 
Du bift zu mir bereingefommen, daß meiner Mifethat 
gedaht und mein Sohn getddtet würde Er ſprach zu ihr: 
Bieb mir ber deinen Sohn. Und er nahm ihn von ihrem Schooß, und 
gieng hinauf auf den Saal, da er wohnete, und legte ihn auf fein Bett. 
Und rief den Herrn an und ſprach: Herr, mein Gott, haft du auch der 
Wittwe, bey ver ich ein Gaft bin, fo übel getban, daß du ihren Sohn 
todteft? Und er map fi über vem Kinde dreimal, und rief 
ben Herrn an, und ſprach: Herr, mein Bott, laß die Seele 
dieſes Kindes wieder zu ihm fommen! Und der Herr erhörete 
bie Stimme Elia; und bie Seele des Kindes Fam wieder zu ihm, und 
ward Lebendige Und Ella nahm das Kind, und brachte es hinab vom 
Saal ins Haus, und gab es feiner Mutter, und ſprach: Siehe da, dein 
Sohn lebet. Und dad Weib fprad zu Elia: Nun erkenne ih, daß du 
ein Mann Gottes bift, und des Herrn Wort in deinem Mund ift Wahrs 
beit. Und über eine lange Zeit fam dad Wort des Herrn zu Elia (18), 
im britten Jahr, und ſprach: Gehe hin und zeige dich Ahab, daß ich 
regnen laße auf Erven. Und Elia gieng bin, daß er fih Ahab zeigte 
Es war aber eine große Theurung zu Samaria. Und Ahab rief Obapja, 
feinen Hofmeiſter. (Obadja aber fürdhtete den Kern fehr. Denn da 
Sfebel die Propheten des Herren audrottete, nahm Obadja hundert Pro- 
pheten und verſteckte fie in der Höhle, hier fünfzig und da fünfzig, und 
verforgete fie mit Brod und Waßer.) So fprad nun Ahab zu Obapja: 
Ziehe durchs Land zu allen Waßerbrunnen und Bächen, ob wir möchten 
Heu finden und vie Roſſe und Maulthiere erhalten, daß nicht alles Vieh 
umfomme. Und fte theilten ſich ins Land, daß fle e8 durchzöͤgen. Ahab 
zog allein auf einen Weg, und Obadja audy allein den andern Weg. 
Da nun Obadja auf dem Wege war, ſiehe, da begegnete ihm Elia; und 
da er ihn Eannte, fiel er auf fein Antlig und ſprach: Bif du nicht mein 
Ser Elia? Er fprah: Ya, gehe bin und fage deinem Herrn: Siebe, 
Elia ift Hier. Er aber fprah: Was habe ich gefündiget, daß du deinen 
Knecht willſt in die Hände Ahab’3 geben, daß er mich töbte? So wahr 
ver Herr, dein Gott, Iebet, es ift Fein Boll noch Königreih, dahin mein 
Herr nicht gefandt hat, dich zu fuchen. Wenn ich nun hingienge von bir, 
fo würde did der Geiſt ved Herrn wegnehmen, weiß nicht 
wohin; und wenn id dann käme, und fagte es Ahab an, und fünbe 
dich nicht, fo erwürgete er mich. Elia ſprach: So wahr ver Herr Zebaoth 
lebet, vor dem ich fiehe, ich will mich ihm heute zeigen. Da gieng 
Obadja Hin Ahab entgegen und fagte es ihm an, und Ahab gieng hin 


108 Weißagung Zauberei. Wunder. 


Elia entgegen, und fprad zu ihm: Bift du, der Iſrael verwirret? Er 
aber ſprach: Ich verwirre Iſrael nicht, fondern bu und beined Vaters 
Haus, damit, daß ihr bed Herrn Gebote verlaßen habet, und wandelt 
Baalim nah. Wohlan, fo fende nun hin, und verfammle zu mir dad 
ganze Ifrael auf den Berg Garmel, und die vierhundert und 
fünfzig Propheten Baal’s, aud die vierhundert Propke- 
ten des Hain, die vom Tifh Iſebel's eßen. Alfo fandte 
Ahab Hin unter alle Kinder Iſrael, und verfammelte die Propheten auf 
den Berg Carmel. Da trat Elia zu allem Volk, und ſprach: Wie lange 
hinket ihr auf beyden Seiten? If der Herr Gott, fo wandelt ihm nad; 
ift e8 aber Baal, fo wandelt ihm nad. Und das Volk antwortete ihm 
nichts. Da fprah Elia zum Volk: Ih bin allein übergeblieben, ein 
Prophet des Herrn, aber der Propheten Baal’8 find vierhundert und 
fünfzig Mann. So gebet und nun zween Barren, und laßet fie erwählen 
einen Barren, und ihn zerflüden und aufs Holz legen, und fein Teuer 
daran legen, fo will ich den andern Barren nehmen, und aufs Holz legen, 
und auch fein euer daran legen. So rufet ibr an den Namen eured 
Gottes, und ich will den Namen des Herın anrufen. Weldyer Gott nun 
mit euer antworten wird, ver fey Gott. Die Propheten Baal’d nahmen 
den Barren und richteten zu, und riefen an den Namen Baal's von 
Morgen bis an den Mittag: Baal, erhöre und! Aber es war da Feine 
Stimme, noch Antwort. Und fie binften um den Altar, den 
fie gemadt hatten. Da ed nun Mittag warb, fpottete ihrer Elia, 
und fprah: Rufet laut, denn er if ein Gott; er dichtet, over hat zu 
ſchaffen, oder ift über Feld, oder fchläft vielleicht, daß er aufwache. Und 
fie riefen laut, und rigten fi mit Meflern und Pfriemen nad) ihrer 
Weiſe, bis daß ihr Blut hernach gieng. Da aber der Mittag vergangen 
war, weißagten fie, bis daß man dad Speidopfer thun ſollte; und war 
da feine Stimme, noch Antwort, noch Aufmerfen. Da rief Elia das 
Volk zu fi und heilete den Altar, der zerbrodhen war. Und nahm 
zwölf Steine nad) der Zahl der Stämme ver Kinder Jakob's, und bauete 
von den Steinen einen Altar im Namen ded Herrn, und machte um den 
Altar her eine Grube, zwei Kornmaß breit, und richtete das Holz zu, 
und zerflückte den Barren, und legte ihn aufs Holz, und ſprach: Holet 
vier Cad Waßer vol, und giefet es auf dad Brandopfer und auf das 
Holz. Und fprah: Thut es noch einmal. Und fie thaten es noch einmal. 
Und er ſprach: Thut es zum dritten Mal. Und ſie thaten es zum dritten 
Mal. Und das Waßer lief um den Altar her, und vie Grube ward aud) 
vol Waßer. Und da die Zeit war, Speidopfer zu opfern, trat Elia, ber 
Prophet, herzu und rief Gott an. Da fiel das Feuer des Herrn herab, 
und fraß Branvopfer, Holz, Steine und Erde, und leckte das Waper auf 
in der Grube. Da das alles Volk fah, fiel es auf fein Angeficht, und 


Weißagung. Zauberei. Wunper. 109 


fprachen: Der Herr iſt Bott! Elia aber fprach zu ihnen: Greifet vie 
Propheten Baal's, und fle griffen fle, und Elia führte fie hinab an den 
Bah Kidron, und fdhlachtete fie daſelbſt, und Sprach zu Ahab: Ziehe 
hinauf und ig und trint, denn ed rauſchet, ald wollte ed fehr regnen. 
Glia aber _gieng auf des Carmels Spike, und büdte fi zur Erbe, und 
that fein Haupt zwifchen feine Kniee, *) und ſprach zu feinem Knaben: 
Gehe hinauf und fchaue zum Meere zu. Er gieng hinauf und fchauete, 
und fprah: Es ift nichts da: Er ſprach: Gehe wieder hin fiebenmal. 
Und im fiebenten Male fprah er: Siehe, es gehet eine Fleine Wolfe 
auf aus dem Meere, wie eined Mannes Hand. Und ehe man zufah, 
ward der Himmel ſchwarz von Wolfen und Wind, und fam ein großer 
Regen. Und die Hand ded Herrn Fam über Elia, und er gürtete feine 
Lenden und Tief vor Ahab hin, bis er Fanf gen Jeſreel. 

Iſebel aber drohte (19) Elia ven Ton, und er gieng in vie Wüfle 
eine Tagereife weit, feßte fi unter eine Wachholder, und bat, daß feine 
Seele ftürbe, legte ſich und fchlief. Und flehe, der Engel rührete ihn, 
und ſprach zu ihm: Siebe auf und if. Und er ſah fih um, und flehe, 
zu feinen Häupten lag ein geröftetes Brod und eine Kanne mit Waßer. 
Und da er gegeßen und getrunfen hatte, legte er fich wieder ſchlafen. 
Und der Engel des Herrn fam zum andern Mal, und rührete ihn und 
ſprach: Stehe auf, und if; denn du haft einen großen Weg vor bir. 
Und er fland auf und aß und tranf, und gieng durd Kraft derfelben 
Speife vierzig Tage und vierzig Nächte, **) bis an den Berg Gottes 
Horeb. Und Fam daſelbſt in eine Höhle und blieb dafeldft über Nacht. 
Und fiehe, das Wort des Herrn Fam zu ihm, und es ſprach zu ihm: 
Gehe heraus, und tritt auf den Berg vor den Herrn. Und fiehe, der 
Herr gieng vorüber, und ein großer, flarfer Wind, der die Berge zerriß 
und bie Felſen zerbrady, vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht 
im Winde. Nah dem Winde aber Fam ein Erpbeben, aber der Herr 
war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erbbeben fam ein Beuer, aber 
der Herr war nicht im euer. Und nad dem Beuer Fam ein ftilles, 
fanfte8® Saufen. Da dad Elia hörete, verhüflete er fein Antlig mit 
feinem Mantel, und gieng heraus und trat in die Thüre der Höhle. 
Und fiehe, da fam eine Stimme zu ihm, und fprah: Was Haft du Hier 
zu thun, Elia? Er ſprach: Ich habe um den Herrn geeifert, denn bie 
Kinder Ifrael haben deinen Bund verlaßen, deine Altäre zerbrodyen, deine 
Propheten mit dem Schwerbt erwürget, und id} bin allein übergeblieben, 
und fe flehen darnach, daß fie mir das Leben nehmen. Aber ver Herr 
Iprach zu ihm: Gehe nad Damascud und falbe Hafael zum König über 


*) Diefe Stellung zur Bewirfung des Regens wird fonft nirgends erwähnt. 
**) Gben fo lange ift Mofes auf dem Sinai ohne Nahrung. 


110 MWeißagung Zauberei. Wunder. 


Syrien, und Jehu zum König über Ifrael, und Elifa zum Propheten an 
deine Statt. Und er gieng von dannen und fand &lija, daß er pflügete 
mit zwölf Jochen. Und Elia gieng zu ibm und warf feinen Mantel 
auf ihn. Er aber ließ die Rinder und Tief Elta nad, und fpradh: 
Laß mich meinen Vater und meine Mutter küßen, fo wi ih bir nach⸗ 
folgen. Er ſprach zu ihm: Gebe hin und Eomme wieder, denn ich habe 
etwad mit dir zu tun. Und er lief wiener von ihm, und opferte ein 
Joch Rinder und kochte das Fleiſch und gab es dem Volk. Und machte 
fih auf und folgte Elia nach und dienete ihm. 

Obgleich Ahab den Bund des Herrn nidht hielt, fo Fam doch, als er 
von den Syrern befriegt ward, ein Prophet zu ihm (20) und melvet im 


. Namen des Herrn ven Sieg, und Iſrael flegte, und dann Fam wieber 


ein Prophet und meldet ihm“, daB die Syrer nad einem Jahre wieder 
fommen würden. So geſchah ed, und da trat wieder ein Mann Gottes 
zu Ahab und meldete ihm den Sieg; ald er aber nad) dem Siege mit 
dem Könige der Syrer einen Bund machte, melbete ihm ein Mann unter 
den Kindern ber Propheten Verderben. Ahab und fein Weib Iſebel 
fuhren fort zu fündigen. Da fandte ver Herr Elia bin (21), ihm und 
feinem Weibe dad Strafgericht Gotted anzufündigen; doch da Ahab Buße 
tbat und fi} vemüthigte, fo blieb das Unglüd feine Haufes bey feinen 
Lebzeiten verfchoben. Nach drei Jahren (22) vereinte fly der König von 
Juda mit Ahab gegen die Syrer, und Ahab verfammelte Propheten bey 
vierhundert Mann, die zum Kampfe rietben. Es war aber noch ein 
Prophet, Micha, von dem man den Herrn fragen mag; doch Ahab war 
ihm gram, denn er weißagte ihm nur Böjes. Dennoch ließ man ihn 
rufen, und er weißagte Böfes und ſprach: Höre dad Wort des Herrn: 
Ich ſah den Herrn fiben auf feinem Stuhl und alles bimmlifche Heer 
neben ihm flehen zu feiner Rechten und Linken. Und ver Herr fpradh: 
Wer will Ahab überreven, daß er hinaufziehe und falle zu Ramoth in 
Gilead? Und Einer fagte died, der Andere das. Da gieng ein @eift 
heraus und trat vor den Herrn, und ſprach: Ich will ihn überreben. 
Der Herr ſprach zu ihm: Womit? Er fprah: Ich will ausgehen, und 
will ein falfyer Geiſt fegn in aller feiner Propheten 
Munde. Er ſprach: Du folft ihn überreden und ed ausrichten, gebe 
aus und thue alſo. Da trat herzu Zedekia, und flug Micha auf ven 
Barden, und fprah: Wie? Iſt der Geift des Herrn von mir gewichen, 
daß er mit dir redet? Der König aber befahl, Micha in den Kerker zu 
fegen bey Brod und Waßer, bis er mit Frieden wiederfomme. Er kam 
nit mit Frieden zurück, fonvdern fiel in dem Kampfe Sein Sohn 
Ahasja fandte, ald er nad einem Falle Frank darniever Tag, zum Baal 
Sebub, dem ort zu Efron um Weißagung; aber ver Engel des Herrn 
jandte Elia den Boten entgegen, ver ihnen fagte, daß ber König flerben 


Weißagung. Zauberei. Wunper. ı 


folle, und als fie dieſem den Mann beichrieben, daß er eine raube Haut 
anbabe und einen levernen Gürtel um feine Lenden, erfannte er ben 
Elia in ihm. (Der Prophet Sacharja prophezeit [13. 4] von einer 
begern Zukunft: Denn es fol zu der Zeit geichehen, daß die Propheten 
mit Schanden beftehen mit ihren Geſichten, und follen niht mehr 
einen rauhen Mantel anziehen, damit fie betrügen. Zu 
ver Zeit, heißt es bey demſelben [B. 13. 2], ſpricht der Herr: Dazu 
wid ih au die Propheten und unreinen Beifter aus dem 
Lande treiben. Daß alfo gehen fol, wenn Jemand weiter weißaget, 
folen fein Bater und feine Mutter zu ihm fagen: Du folft nicht leben, 
venn du redeſt falfh im Namen des Herrn; und werben alfo Vater und 
Mutter, die ihn gezeuget haben, ihn zerftehen, wenn er weißaget.) *) 
Der König fandte nun einen Hauptmann mit fünfzig Mann nad Elia, 
ber oben auf dem Berge ſaß. Diefer Sprach zu ihm: Du Mann Gotteß, 
ver König fagt, du folft berabfommen. Elia antwortete: Bin id ein 
Mann Gottes, fo falle Feuer vom Himmel und freße dich und deine 
Fünfzig. Da fiel Feuer vom Himmel und fraß ihn und feine Bünfzig. 
Der König fandte einen Zweiten, mit dem ed eben fo gieng. Der Dritte 
aber beugte feine Kniee vor Elta und flehte um Gnade. Da hieß ver 
Engel des Herrn den Elia mit dem Hauptmanne geben, und er fagte 
nun dem Könige felbfl, daß er fterben müße (Könige Il. 1). Wunverbar 
war das Ende dieſes großen Propheten. Als der Herr ihn im Wetter 
gen Himmel holen wollte (2), gieng er mit Elifa von Gilgal gen Bethel, 
wofelbft der Propheten Kinder herausfamen, und zu @lifa fpradhen: 
Weißt du auch, daß der Herr wird deinen Herrn heute von deinen 
Häupten nehmen? Er aber ſprach: Ich weiß ed auch wohl, fchweiget 
nur flile. Don Bethel fandte der Herr ven Elia gen Jericho, wo der 
Propheten Kinder gleichfalls herausfamen und wie die zu Bethel mit 
Elifa ſprachen. Bon Jericho fandte der Herr den Elia an den Jordan, 
und fünfzig Männer unter der Propheten Kindern giengen bin, und traten 
gegenüber von ferne. Am Iordan nahm Elia feinen Mantel, und midelte 
ihn zufammen, und flug ind Waßer; das theilte fi) auf beyden Seiten, 
dag die Beyden troden durchhin giengen. Drüben fprach Elia zu Elifa: 
Bitte, was ich Dir thun fol, ebe ih von dir genommen werde. Eile 
ſprach: Daß dein Geiſt bey mir fey zwiefältig. Er fprah: Du Haft ein 


*) Zur Zeit des Propheten Sacharja hatten ſich demnach die gewöhnlichen 
zahlreichen Propheten verfchlechtert, und der Geift des Herrn ruhte nicht 
auf ihnen, ober die Einfiht in dergleichen Dinge war Manchem 
gefommen. Doch dies Letztere kann der nicht fagen, welcher den Sacharja 
für einen Propheten hält, den der Geift des Herrn trieb; denn in biefem 
Falle redete er nicht aus Einficht, fondern wie es ihm Gott eingab. 


112 MWeißpagung Zauberei. Wunper. 


Hartes gebeten, doch fo du mich fehen mirft, wenn ich von bir genommen 
werde, fo wird es Ja ſeyn; wo nicht, fo wird ed nicht feyn. Und ba fie 
miteinander giengen, und er redete, flehe, da kam ein feuriger Wagen 
mit feurigen Roßen, und ſchieden die Beyden von einander, und Efia 
fuhr alfo im Wetter gen Himmel. Eliſa aber fah ed und ſchrie und 
zerriß feine Kleider, und hob auf den Mantel Eliä, der ihm entfallen 
war, und fehrete um. Am Jordan fchlug er mit dem Mantel ind Waßer, 
und ſprach: Wo ift nun der Herr, der Bott Eliä? Da theilte ſich das 
Wafer, und Elifa gieng hindurch. Zu Jericho aber fagten ver Propheten 
Kinder: Der Geift Eliä ruhet auf Elifa, und giengen ihm entgegen und 
beteten an zur Erde. Und die Männer der Stadt fpradhen zu ihm: 
Siehe, es iſt gut wohnen in biefer Stadt; aber es ift 658 Waßer, und 
das Land unfruchtbar. Er ſprach: Bringet mir eine neue Schale, und 
thuet Salz darein. Damit gieng er zu der Duelle und warf das Salz 
hinein, fprehend: So ſpricht der Herr: Ich Habe dies Waßer gejund 
gemadht, ed fol binfort Sein Tod noch Linfrudhtbarfeit daher kommen. 
Als er nach Bethel gieng, kamen Knaben aus der Stadt heraus, und 
fpotteten ihn: Kahlkopf, komm herauf! Kahlkopf, fomm herauf! Und er 
wandte fH um und fluchte ihnen im Namen des Herrn. Da Famen 
zmeen Bären aus dem Wald und zerrißen ver Kinder zwei und vierzig. 
Hernach z0g der König Iſraels, Ioram mit dem König von Juda und 
dem von Edom gegen die Moabiter, und nad) fieben Tagereifen mangelte 
Waßer, weßhalb fie fi an Elifa wandten; ver aber ſagte zum König 
von Ifrael: Gehe bin zu den Propheten deines Vaters, und zu den Pro» 
pheten deiner Mutter; wenn ich nicht Iofaphat, den König Juda, anfähe, 
ih wollte dich nicht anfehen, nody achten. So bringet mir nun einen 
Spielmann. Und da der Spielmann auf den Saiten fpielte, 
fam die Hand des Herrn auf ihn; und er ſprach: So fpridht ver 
Herr: Machet bier und da Gräben an biefem Bade. Denn fo fpridht 
der Herr: Ihr wervet feinen Wind noch Regen fehen; dennoch fol ber 
Bach voll Waßer werden; ver Herr wird auch die Moabiter in eure 
Hände geben. Des Morgens aber, fiehe, da Fam ein Gewäßer von Edom, 
und füllete das Land mit Waßer. 

M Hierauf that Elifa fünf Wunder (4). Die Wittwe eines Propheten 
jammerte ihn, daß der Schuloherr ihre Söhne zu Knechten nehmen wolle, 
daß fie aber nichts mehr habe, denn einen Delfrug. Er bieß ſie viele 
Gefäße leihen und bey verfchloßenen Thüren mit ihren beyven Söhnen 
dad Del in alle Gefäße gießen. Alle füllten fi, und ver Erlös dafür 
zahlte ihre Schuld. Zu Sunem bewirthete oft eine reihe Frau den hei- 
ligen Mann, und er wohnte bey ir. Da fie feinen Sohn hatte, fo 
bewirkte fein Segen, daß fle einen befam; doch ald er groß geworben, 
ftarb er, und die Mutter z0g zu Glifa auf ven Berg Carmel, bielt ihn 


MWeipagung Zauberei. Wunder. 113 


bey feinen Büßen und Flagte ihre Noth. Da ſprach Elifa zu feinem 
Knaben: Gürte deine Lenvden, und nimm meinen Stab in beine Hand, 
und gehe bin (fo dir Iemand begegnet, fo grüße ihn nicht, und grüßet 
dic) Iemand, fo danfe ibm nicht), und lege meinen Stab auf des Knaben 
Antlid. Da aber die Mutter nicht von Eliſa abließ, gieng er mit ihr, 
und der Knabe gieng voraus und legte den Stab auf das Antlik des 
Todten; doch es Half nichts. Da gieng Elifa hinein, fchloß die Thüre 
zu und betete zu dem Herrn, ftieg hinauf und legte fi auf das Kind, 
feinen Mund auf des Kindes Mund, feine Augen auf deßen Augen, 
feine Hände auf deßen Hände, und breitete ſich alfo über ihn, daß bes 
Kindes Leib warm ward. Er ftand aber wieder auf, und gieng im Haufe 
einmal bieher und daher, und flieg hinauf, und breitete ſich über ihn. 
Da ſchnaubte ver Knabe fiebenmal, darnach that der Knabe feine 
Augen auf. Als er dann wieder gen Gilgal fam, war große Theuerung 
im Lande, und er befahl feinem Knaben, einen großen Topf beyzufegen, 
um Gemüfe für die Kinder der Propheten zu kochen. Da gieng Einer 
bin, Kraut zu holen, fand Coloquinten und ſchnitt fie in den Topf, daß; 
die davon aßen, fchrieen: D Mann Gottes, der Top im Topf! Er ließ 
Mehl bringen, that ed in den Topf, und nun Fonnten fie dad Gemüfe 
efen. Es Fam ein Dann und brachte ihm Erſtlinge Brodes, zwanzig 
Gerftenbrove und neu Getraide, und er hieß feinen Diener es dem Volke 
geben; dieſer aber fagte: Was fol ich hundert Männern an dem geben? 
Elifa ſprach: Gieb dem Volke, daß fie eßen; denn fo ſpricht ver Herr: 
Man wird eben, und ed wird übrig bleiben; und fie aßen, und es blieb 
noh übrig. Naeman, der Feldhauptmann ded Königs von Syrien, ber 
ausſätzig war, hörte von dem großen Propheten Elifa, und fam zu ihm, 
Hülfe zu fuchen (5). Eliſa trat nicht zu ihm heraus, fondern ließ ihm 
fügen, er fole fih fiebenmal im Jordan waſchen, und als dies 
geiheben, warb er rein, und er Eehrte um und wollte ven Mann Gottes 
belohnen; doch diefer nahm nichts an. Uber der Diener des Propheten 
lief Naemann nad, und nahm ihm etwas ab, was Elifa fogleich innerlich 
ſchaute, worauf er diefen mit Ausſatz heimſuchte. Hierauf gieng er mit 
den Kindern der Propheten an den Jordan, Holz zu Wohnungen zu 
holen, und es fiel daſelbſt Einem das Eifen ind Waßer; Glifa flieg mit 
einem Holz in dad Waßer, und das Eiſen ſchwamm. MUB dann die 
Syrer Krieg gegen Ifrael führten, fagte Clifa dem König Ifraeld alle 
UAnfchläge der Syrer, die nun ihn zu fangen trachteten, und in der Nacht 
bie Stabt, worin er war, umzingelten. Zu dem Diener, ver ihm dies 
meldete, ſprach er: Fürchte dich nicht, denn derer ift mehr, die bey und 
find, denn derer, die bey ihnen find. Und Glifa betete: Kerr, üffne 
ihm die Augen, daß er ſehe. Da öffnete ‚ver Herr dem Knaben vie 
Augen, und fiehe, da war ver Berg voN feuriger Roße und Wagen um 
IV. 8 


114 Weißagung. Zauberei. Wunder. 


Elifa war. Da nun die Syrer zu ihm herabfamen, betete Elifa: Herr, 
fchlage died Volk mit Blinpheit. Und er fchlug fie mit Blindheit. Und 
Elifa Sprach zu ihnen: Dies ift nicht der Weg, noch die Stadt. Folget 
mir nach, ich will euch führen zu dem Wanne, den ihr fuchet, und führete 
fie gen Samaria. Dort ſprach Elija: Herr, dffne diefen die Augen; und 
der Herr dffnete ihnen die Augen, und fie fahen ſich mitten in Samaria. 
Der König Ifraeld fragte nun: Mein Vater, fol ich fie fchlagen? Er 
ſprach: Du ſollſt fie nicht ſchlagen. Seße ihnen Brod und Waßer vor, 
daß fie eßen und trinfen, und laß fie zu ihrem Seren ziehen. So gefchah 
es, und ſeitdem kamen die Kriegdleute der Syrer nicht mehr in das 
Land Iſrael. 

Nachmals belagerten die Eyrer Samaria, wo die Qungerdnoth vie 
höchfte Stufe erreichte; Eliſa aber weißagte vie Hülfe des Herrn, und 
diefer brachte einen Schreden unter vie Syrer, daß fie flohen, und alle 
Noth endete. Hernach weißagte er eine fiebenjährige Theuerung. 
Auch zog er gen Damascus, und weißagte dem Franfen Könige feine 
Genefung und feinen Tod. Darauf fandte er einen Propheten zu Jehu 
und ließ ihn falben zum Könige, und dieſer rottete dad Haus Ahab aus. 
Als Elifa Frank war zum Tode (13), Fam der König Ioad zu ihm und 
weinte, Eliſa aber fprah: Ninm den Bogen und Pfeile, ſpanne ven 
Bogen; und er fpannte ihn, und Elifa Iegte feine Hand auf des Königs 
Hand und ſprach: Thue das Venfter auf gegen Morgen und fchieße; und 
als er ſchoß, ſprach Elifa: in Pfeil des Heild vom Herrn, ein Pfeil 
des Heild wider die Syrer. Dann fprah er: Nimm die Pfeile, und 
als er fie nahm, ſprach er: Schlage vie Erve; und er ſchlug dreimal, und 
fand ſtille. Da ward der Mann Gottes zornig und ſprach: Hättefl bu 
fünf= over ſechsmal gefchlagen, fo würdeſt du die Syrer gefhlagen haben, 
bis fie aufgerieben wären; nun aber wirft vu fie preimal fchlagen. Da 
aber Elifa geftorben war, fielen die Moabiter ind Land, und es begab 
fih, daß fie einen Mann begruben; va fie aber vie Kriegsleute fahen, 
warfen fie ven Mann in Elifä Grab. Und da er hinein fam und Elifä 
Gebeine anrührete, wurd er lebendig, und trat auf feine Füße. 

Nun kamen die Kinder Ifrael in vie Gewalt ver Aſſyrer (welcher 
die Babylonifche Gefangenſchaft folgte), und es traten nad und nad 
die Propheten auf, deren Schriften im Alten Teflament enthalten find. 
Hiskia (19), von Sanherib bevrängt, wandte fih an Sefaia, ven Pro 
pheten, und betete zum Kern, und in ver Nacht fuhr aus der Engel bei 
Herrn, und ſchlug im Lager von Aflyrien hundert und fünf und adıtzig 
taufend Mann. Da Hiskia krank war, meißagte Jeſaia ihm Genefung, 
body er begehrte ein Zeichen, und Jeſaia flellte ihm frei, als Zeichen zu 
wählen, ob der Schatten zehen Stufen vorwärts oder rückwärts gehen 
ſolle, und er wählte, daß er zurücd gehe. Jeſaia rief ven Gern an, und 


Weißagung. Zauberei. Wunper. 115 


der Schatten am Zeiger gieng zehen Stufen, die er niedermärt3 gegangen 
war, zurüd. Später, zur Zeit des Königes Joſta (22), gab e8 eine 
Brophetin, Salum’s Weib Hulda, die der König rathfragen ließ. Als 
Nehemia ven Tempel und Dienfl des Herrn wieder berfiellte, wird bie 
Prophetin Noadja ermähnt. Die Heiden fuchten ihn nämlich zu hindern 
und abzufchreden (Kap. 6). Semaja wollte ihn bereden, ſich in ben 
Tempel einzufchliegen, um Sicherheit zu ſuchen; Nehemia aber that es 
nicht. Denn ich merfte wohl, fagt Nehemia, daß ihn Gott nicht gefandt 
hatte. Denn er fagte wohl Weißagung auf mich, aber Tobia und Sane- 
ballal Hatten ihm Geld gegeben, auf daß ih mich fürchten follte und 
fündigen, daß fie ein böfes Gefchrei hätten, damit fie mich Täftern möchten. 
Gedenke, mein Gott, des Tobla und Saneballat'8 nach dieſen feinen 
Werfen; auch der Prophetin Noadja, und der andern Propheten, vie mid 
wollten. abſchrecken. Jeſaia fagt von fih (8): Der Herr ſprach zu mir: 
Nimm vor dich einen großen Brief, und fehreib darauf mit Menfchen- 
griffel: Raubebald, Eilebeute. Und ih nahm zu mir zween treue Zeugen, 
den Priefter Uria und Sadarja. Und gieng zu einer Prophetin, vie ward 
ſchwanger und gebar einen Sohn. Und der Herr ſprach zu mir: Nenne 
ihn Raubebalv, Eilebeute. Nach dem reinen Mofaismus hätte man 
Prophetinnen nicht erwarten follen, weil dem Weibe Fein priefterliches 
Amt zufam. 
Jeremia (2. 8) fagt als Worte Gottes: Die Priefter gedachten nicht: 
Wo ift der Herr? und bie Gelehrten achteten meiner nicht; und bie 
Hirten führten die Leute von mir; und die Propheten weißagten vom 
Baal, und hiengen an den unnügen Gdgen. In den Klagelievern (2. 9) 
aber heißt es won Iſrael: Ihre Könige und Fürften find unter ven Heiden, 
da fie das Geſetz nicht üben Fünnen, und ihre Propheten fein Geſicht von 
dem Herren haben. Iefaia nennt feine Weißagung über Ifrael ein Geficht, 
und redet im Namen des Herrn, auch fagt er: Der Herr ſprach zu Jeſaia. 
Auch Ieremia fagt nur: Es gefchah des Herrn Wort zu mir: Pürchte 
dich nicht, denn ich bin bei dir. Und der Herr reckte feine Sand aus 
und rührete meinen Mund, und fprach: Siehe, ich lege meine Worte in 
deinen Mund (1). Gehe bin und prebige dffentlich zu Ierufalem; aber 
eine befonvere Erſcheinung Gotted giebt er nicht an. Nur Weniges führt 
er als Geftht an: Des Herrn Wort fprah zu mir: Was fieheft vu? 
Ich ſprach: Ich fehe einen wadern Stab. Und ber Herr ſprach: Du 
baft recht geſehen; venn ich will wader feyn über mein Wort, daß ich es 
thue. Und es gefchah des Herrn Wort zum andern Mal zu mir: Was 
fiebeft du? Ich ſprach: Ich fehe einen heißen ſiedenden Topf von Mitter- 
nacht ber. Und der Herr fprah: Von Mitternacht wird das Unglüd 
ausbrechen über Alle, die im Lande wohnen. Jeremia ſprach (14): Ad, 
Herr, die Propheten fagen: Ihr werbet Fein Schwerdt fehen, und Feine 
8* 


116 Weißagung. Zauberei Wunder. 


Theuerung bey euch haben, fondern ich will euch guten Frieden geben an 
diefem Ort. Und der Herr ſprach zu mir: Die Propheten weißagen falſch 
in meinem Namen; idy habe fie nicht gefandt, fie predigen auch falfche 
Geſichte, Deutung, Abgdtterei und ihres Herzens Trügerei. Solche Pro— 
pheten follen fterben durch Schwerdt und Hunger, und das Volk, dem fie. 
weißagen, follen vom Schwerbt und Hunger auf ven Gaßen zu Jerufalem 
bin und ber liegen, daß fie Niemand begraben wird. Und ein ander Mal 
ſprach der Herr (23): Beyde, Propheten und PBriefter, find Schälfe, und 
finde auch in meinem Kaufe ihre Bosheit. Darum ift ihr Weg, wie ein 
glatter Weg im Finſtern, darauf fie gleiten und fallen. Zwar bey ven 
Propheten zu Samaria jah ich Thorbeit, daß fte mweißagten durch Baal. 
Aber bey den Propheten zu Ierufalem fah ich Gräuel, wie fie ehebrechen 
und gehen mit Lügen um, und von den Propheten vafelbft kommt Heuchelei 
aus ind ganze Land. Sie betrügen euch, denn fie predigen ihres Herzens 
Sefiht, und nit aus des Herrn Munde Sie fprehen: Mir hat 
geträumet, und wollen, daß mein Volk meined Namend vergepe über 
ihren Träumen, bie Einer dem Andern predigt. Don dem Propheten 
Sananja von Gibeon meldet Jeremia (28), daß er im Kaufe des Herrn 
in Gegenwart ver Priefter und alles Volfes die Rückkehr aus ver Baby⸗ 
loniſchen Gefangenfchaft gemweißagt babe, aber ver Herr ließ Jeremia dem 
Hananja jagen: Der Herr bat did nicht gefandt, und du haft gemacht, daß 
dies Volk auf Lügen fich verläßt, darum folft du dies Jahr fterben, und er 
ftarb deſſelbigen Jahres. Da Jeremia wegen feiner Weißagungen Ungemad 
erfuhr, wollte er nicht mehr predigen. Aber, fagt er (20), es ward in 
meinem Herzen wie ein brennendes Feuer in meinen Gebeinen verfchloßen, 
dag ich es nicht leiden konnte; und wäre fchier vergangen. 

Der Prophet Ezechiel fah die Herrlichkeit des Herrn (1), inmitten 
von vier Cherubim, Einer in Menfchengeftalt, und über den Cherubim war 
e8 geftaltet, wie der Himmel, als ein Kryftal, fchredlich, gerade oben über 
ihnen auödgebreitet, und er hörte die Flügel raufchen, wie große Waßer, 
und mie ein Getöne des Allmächtigen, wenn fie giengen, und wie ein 
Getümmel in einem Heere. Wenn fie aber ſtille flanven, fo ließen fie 
ihre Flügel nieder, und da donnerte es im Himmel oben über ihnen. 
Und über dem Himmel war eö geftaltet, wie ein Saphir, gleich wie ein 
Stuhl, und auf demfelben faß Einer, wie ein Menfch geftaltet. Und ed 
war hell, mie Licht, und inwendig war es geftaltet, wie ein Feuer um 
und um. Don feinen Zenden über fi und unter fich fah ich ed wie 
Teuer glänzen um und um. Gleich wie der Regenbogen ftehet in den 
Wolfen, alfo glänzte e8 um und um. Dies war das Anfehen ver Herr⸗ 
Tichfeit de8 Seren. Und da ich e8 gefeben hatte, fiel ich auf mein Ange— 
fiht, und hörete Einen reden. Und er fprach zu mir: Du Menfchentind, 
ich fende dich zu den Kindern Ifrael, du folft ihnen mein Wort fagen. 


MWeißagung Zauberei. Wunder. 117 


Thue deinen Mund auf, und if, was ich dir geben werde. Und ich fa, 
und fiehe, da war eine Hand gegen mir ausgeſtreckt, vie hatte einen 
zufammengelegten Brief. Den breitete fie aus vor mir, und er war 
befchrieben auswendig und inwendig; und ſtand darinnen gefchrieben: 
Klage, Ah und Web. Und er fprah zu mir: Du Menfchenkind, vu 
mußt diefen Brief in deinen Leib eßen und deinen Bauch damit füllen. 
Da aß ich ihn, und er war in meinem Munde fo ſüß als KSonig. Und 
er ſprach: Gehe hin zu den Gefangenen deines Wolfe, und previge ihnen. 
Und ein Wind Hob mich auf, und ich hörete hinter mir ein Getöne, wie 
eines großen Erdbebens: Gelobet fey die Herrlichkeit de Herren an ihrem 
Drt. Und war ein Raufchen von den Flügeln ver Thiere, die fih an ein— 
ander küßeten; und aud) das Raßeln der Räder, fo hart bey ihnen waren; 
und dad Getöne eines großen Erdbebens. Da bob mid ver Wind ayf, 
und führete mi) weg. Und ich fuhr dahin, und erſchrak fehr; aber des 
Herrn Hand hielt mich feſt. Und ich Fam zu ven Gefangenen, die am 
Waßer Chebar wohneten, da die Mandeln flanden, im Monat Abib; und 
fegte mich bey fie, die da faßen, und blieb vafeldft unter ihnen fleben 
Tage ganz traurig. Und da die fieben Tage um waren, gefchah des Herrn 
Wort zu mir, und des Herrn Hand fam über mich und ſprach: Mache 
dih auf und gehe hinaus in das Feld, da will ich mit dir reden. Und 
ih gieng hinaus in das Feld; und fiehe, da ſtand die Herrlichfeit des 
Herrn dafelbft, wie ich fie am Waßer Chebar gefehen hatte, und ich fiel 
nieder auf mein Angeſicht. Und ich ward erquicet, und trat auf meine 
Süße. Und es begab fih im fechöten Jahr, am fünften Tage des fechöten 
Monates, daß ich faß in meinem Haufe, und die Alten aus Juda faßen 
vor mir; daſelbſt fiel die Hand des Herrn auf mid. Und fiehe, ich fah, 
daß von feinen Lenden herunterwärtd war gleich wie euer; aber oben 
über feinen Lenden war es lichthelle; und reckte aus gleich wie eine Hand, 
und ergriff mich bey dem Haare meines Hauptes. Da führete mich ein 
Wind zwifchen Himmel und Erde, und bradyte mich gen Jeruſalem in 
einem göttlichen Geſicht; und ftehe, da war die Kerrlichfeit des Gottes 
Iſraels, mie ich ſie zuvor gefehen hatte im Feld, und er Tieß mich fehen 
die Gräuel der Abgdtterei ver Kinder Ifrael (8). Und er rief mit lauter 
Stimme: Es ift nahe gefommen die Keimfuchung der Stadt. Und ftehe, 
ed kamen ſechs Männer vom Oberthore ber, das gegen Mitternacht flebet, 
und ein jeglicher hatte ein ſchädlich Waffen in feiner Hand. Uber es war 
Einer unter ihnen, ver hatte Leinwand an, und ein Schreibzeug an feiner 
Seite. Und fie giengen hinein, und traten neben den ehernen Altar. 
Und die Herrlichfeit des Gottes Ifraeld erhob fi) von dem Cherub, über 
dem fle war, zu der Schwelle am Haufe, und rief den, der die Leinwand 
anhatte, und ſprach: Gehe durch die Stadt Jerufalem, und zeichne an bie 
Stirn die Leute, fo da feufzen und jammern über alle Gräuel, fo darinnen 


a \ 


118 MWeißagung Zauberei. Wunper, 


gefchehen. Zu Ienen aber ſprach er, daß ich es hörete: Gehet viefem 
nach durch die Stadt, und fihlaget darein. Erwürget beyves, Alt und 
Yung; aber die das Zeichen an ſich Haben, derer follt ihr Keinen anrühren. ' 
Dann ſah Ezechiel die Viſion, welde angegeben ift in dem Artikel: 
Tempel u. f. w. Hierauf fagt er (11): Und mich hob ein Wind auf und 
brachte mich zum Thor am Haufe des Herrn, dad gegen Morgen ſtehet; 
und fiehe, unter dem Thore waren fünf und zwanzig Männer, und ver 
Herr Sprach zu mir: Du ſollſt wider fie meißagen. Lind der Geift des 
Heren fiel auf mich und fprach zu mir: Sprich: So fagt der Herr u. f. w. 
Da ſchwungen die Cherubim ihre Flügel, und die Räder giengen neben 
ihnen, und vie Herrlichkeit des Gotted Ifraeld war oben über ihnen. Und 
die Herrlichkeit des Herrn erhob fih aus der Stadt, und flellete ſich auf 
den Berg, der gegen Morgen vor der Stadt liegt. Und ein Wind hob 
mi auf, und bradyte mich im Geſicht und im Geifl Gottes in Chalväa 
zu den Gefangenen. Und das Gefiht, fo ich gefehen hatte, verſchwand 
vor mir. (37): Und des Herrn Hand fam über mich, und führete mich 
hinaus im Geifte des Herren, und ftellete mich auf ein weites Feld, das 
voller Beine Tag, und ſprach: Meineft vu, daß viefe Beine wieder lebendig 
werden? Und ich ſprach: Weißage von dieſen Beinen, und fpridh: Ihr 
verborreten Beine, hoͤret des Kern Wort. So ſpricht der Herr Herr von 
diefen Gebeinen: Siehe, ih will einen Odem in eudy bringen, daß ihr 
folt Tebendig werden. Ich will euch Adern geben, und Fleiſch laßen über 
eudy wachen, und mit Haut überziehen. Und ich meißagte, wie mir 
befohlen war; und ſiehe, da rauſchte ed und regte fi; und vie Gebeine 
famen wieder zufammen, ein Jegliches zu feinem Gebein, und es wuchfen - 
Adern und Fleiſch darauf, und er überzog fie mit Haut; e8 war aber 
noch Fein Odem in ihnen. Und er ſprach zu mir: Weißage zum Winpe: 
So fpridht der Herr Herr: Wind, komm herzu aus ven vier Winden, 
und blafe diefe Getöpteten an, daß ſie wieder lebendig werben. Und ich 
weißagte, wie er mir befohlen hatte. Da kam Opvem in fie, und fie 
wurden wieder lebendig, und richteten fi auf ihre Füße. Und ihrer war 
ein fehr groß Seer. 

Diefe Viſionen Ezechiel’8 geben uns befonvers ein gutes Bild von 
dem, was man unter prophetifchen Viſionen bey den Kindern Ifrael zu 
verfiehen hat, und wie wir uns den Geiſtesſchwung der Propheten zu 
denken Haben. Daß die prophetifhe Aufregung eine heftige, felbft ſchmerz⸗ 
liche jey, haben mir oben bey Jeremia gefehen. 

Bon dem Propheten Dantel heißt e8 (1. 17): Gott gab ihm Verſtand 
in allen Gefichten und Träumen. Nebucapnezar hatte (2) einen Traum, 
der ihn erfchredte, und forderte die Weifen auf, ihn feinen Traum zu 
fagen und zu deuten; da fie es aber nicht Eonnten, befahl er Alle zu 
töbten. Daniel, welcher aud unter vie Weifen gezählt ward, erhielt auf 


MWeifagung Zauberei. Wunper. 119 


Bitten von Gott Nachts ein Geſicht im Traume, welches ihm des Königs 
Traum und deßen Deutung offenbarte, und ald er Nebucadnezar feinen 
Traum erzählt und geveutet hatte, ward er zum Würften über das ganze 
Zand zu Babel und zum Oberften über alle Weifen vafelbft geſetzt. Als 
Darius, der Perfifche König, herrſchte, ward Daniel einer der drei Yürften, 
welche über vie Landvögte herrfchten (6), und mard aus Neid von den 
Fürften und Lanpvögten verfolgt, und feine Srömmigfeit, daß er dreimal 
ded Tags auf die Kniee fiel und zu Gott betete, gab ihnen Deranlaßung, 
daß der König ihn, wiemohl ungern, in ven Graben der Löwen einfchliegen 
tie. Diefe fragen ihn nicht, und als der König am andern Morgen 
hinfam und nach Daniel rief, antwortete diefer: Mein Gott bat feinen 
Engel geſandt, ver den Löwen ven Rachen zugebalten hat. Da ward 
Daniel aud dem Graben gelaßen, feine Unfläger aber wurden hineinges 
worfen und von den Löwen zermalmt. Die Gefichte, welche Daniel fah, 
find Fräftig vargeflelt. Auch zu den Propheten Hoſea, Joel, Amos, 
Abadja gefhah das Wort des Herrn, und fie weißagten das Schidfal 
Iſtaels zum Theil in Geſichten; dem Propheten Jona aber begab es fi) 
etwad jeltfam. Als das Wort des Herrn zu ihm geſchah, floh er vor 
dem Seren and Meer und gieng in ein Schiff; aber ver Herr fandte ein 
Wetter, daß die Schiffer in Angft kamen; Jona jedoch fchlief. Weil man 
glaubte, das Schiff ſchwebe in Gefahr um Eines willen, ver fih darauf 
befände, ward gelooft, und das Loos traf Jona, den man fofort Ind Waßer 
warf, ald man das Land nicht erreichen Eonnte. Der Herr aber verfchaffte 
einen großen Fiſch, den Jona zu. verfchlingen, und in des Fiſches Bauch 
war er drei Tage und drei Nächte, und betete zu Gott. Und ver Herr 
ſprach zum Fiſch, und verfelbe fpie Jona aus and Land, zu dem nun bes 
Herrn Wort gefchah, der Stadt Ninive zu weißagen, nad) vierzig Tagen 
werde fie untergehen, was aber, weil die Stadt Reue zeigte, unterblieb. 
Jona aber verbroß bie fehr, und er betete um feinen Tod; ber Kerr aber 
ſprach zu ihm: Meineft du, daß du billig zürneft? Und Jona gieng 
hinaus, machte ſich eine Hütte, wo ex ſich hinfegte, um dad, was ber 
Stadt wiverfahren würde, zu erwarten. Da ließ ver Herr einen Kürbis 
wahfen, der dem Propheten Schatten gab; doch Tieß er ihn am nächften 
Morgen von einem Wurme ftechen, daß er verdorrte. Da wünſchte ſich 
Jona wieder, ald ihm die Sonne auf das Haupt brannte, ven Tod, und 
der Herr ſprach zu ihm: Dich jammert ver Kürbis, daran du nicht gear- 
beitet haft, und mich follte nicht jammern Ninive, in welcher find hundert 
und zwanzig taufend Menfchen, die nicht wißen Unterſchied, was rechts 
der links ift, dazu auch viele TIhiere? Die übrigen Propheten weißagen 
durch den Herrn, Sacharja aber befchreibt auch Gefichte, vie er hatte. 
So fehen wir denn, wie ver Glaube an einen erhöhten Seelenzuftand, 
der zum Weißagen und zu Viſtonen trieb, auch bey ven Semiten fehr 


120 Weißagung Zauberei. Wunder. 


verbreitet war, und auch dem weiblichen Geſchlechte foldye Begeifterung 
zugefhrieben ward. Neben viefer Weißagung war die durd) Träume eine 
der verbreitetften. In dem Obigen find die Träume ſchon oft genannt 
worden. Bey Ioel (3. 1) lefen wir, daß der Kerr fagt: Und nach dieſem 
will ich meinen Geift audgießen über alles Sleifh, und eure Söhne und 
Tochter folen weißagen; eure Aelteſten follen Träume haben, und eure 
Sünglinge follen Gefihte fehen. Don den Zeichendeutern erfahren 
wir wenig, eben fo von den andern Arten ver Weißagung. Im fünften 
Buche Mofe (17. 10) heißt ed: Daß nidyt unter dir gefunden werde, ver 
feinen Sohn oder Tochter durchs Feuer gehen laße, over ein Weißager 
oder ein Tagewähler, oder der auf Vogelgefchrei achtet, over ein 
Zauberer, over Bſeſchwörer, oder Wahrfager, over Zeichen 
deuter, ober der die Todten frage. Auch Jeremia fagt (27. 9): 
Gehorchet nicht euren Propheten, Weißagern, Traumdeutern, Tagewählern 
und Zauberern, denn fie weißagen euch falſch; und (29. 8): Gehorchet 
euren Träumen nicht, die euch träumen. (Derfelbe fagt [23]: Der Herr 
ſprach: Ich höre es wohl, daß die Propheten predigen, und falſch weißagen 
in meinem Namen, und fprehen: Dir hat geträumet, mir hat geträumet. 
Ein Prophet, ver Träume hat, der predige Träume; wer aber mein Wort 
bat, der predige mein Wort recht. Siehe, ich will an die, fo falfche 
Träume weißagen) Welche Zeichen als die zur Deutung vorzüglid) 
geeigneten galten, erfahren wir nicht, denn wir Iefen nur bey Soel 
(3. 3 und 20) folgennes Wenige: Ih will Wunderzeihen geben im 
Himmel und auf Erden; nämlih Blut, Feuer und Rauchdampf. Die 
Sonne fol in Finſterniß, und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe 
denn der große und fchredliche Tag des Herrn fommt. Sonne und Mond 
werben verfinftert und die Sterne werden ihren Schein verhalten. Bey 
Jeremia (10. 2) wird geboten: Ihr folt euch nicht fürchten vor ven 
Beiden des Himmels, wie die Heiden fih fürchten. Im zweiten 
Buche der Könige (21) beißt e8 von Manafle, Hiskia's Sohn: Er achtete 
auf Bogelgefhrei und Zeichen, und hielt Wahrfager und Zeichen- 
beuter. Das Beichmören bey den Semiten wird und nur angeführt, gehört 
aber unter die Gattung von Glauben, der man auch bier eine große 
Geltung und weite DBerbreitung zutrauen darf. Ein fehr gewöhnlicher 
Zweig des Beſchwoörens war die Schlangenbeihwörung. Jeremia fagt 
(8. 17): Schlangen und Bafllisfen, die nicht befchworen find; und im 
. Buche Sirach (12. 13) werden die Schlangenbeichwörer erwähnt. Im 
Prediger Salomo (10. 11) Tefen wir: Eine Schlange, die unbefchworen 
fit, und weiterhin (58. 6) nennt er die Schlangenbefcdhwörer. Zur 
Beſchwörung müßen wir wohl das Heraufrufen eines Todten, die Nekro— 
mantie, rechnen, wovon das SHeraufrufen des todten Samuel durch Das 
Bauberweib zu Endor, auf Begehren des Königs Saul, ein Beyſpiel 


Weäeißagung. Zauberei. Wunder. 121 


gewährt. Vielleicht meint auch Iefala (65) Aehnliches in ven Worten: 
Dpfert in ven Gärten, und räucdjert auf ven Ziegelfteinen, wohnt unter 
ven Gräbern, und hält fih in den Höhlen. Benfpiele, die mit dem 
Namen ver Zauberei benannt wären, gewährt uns das Alte Teftament 
nicht, außer den Wundern der Uegyptifchen Priefter, woraus wir aber 
genugfam erjehen, was man unter Zauberei verftand. Das Mofaifche 
Geſetz befahl (I. 22. 18): Die Zauberinnen folft du nicht Teben laßen; 
und dad Buch von der Weisheit Salomo’3 fagt (12. 4): Daß fie feind- 
felige Werke begiengen mit Zaubern u. f. w., und fpricht (17. 7) von 
dem Gaufelmerf ver Nefromantie.e. Das Tagewählen war in dem 
Glauben begründet, daß die Tage unter Einflüßen ftänvden, und daß daher 
manche derſelben jchlimm feyen, an denen man etwas zu unternehmen ver- 
meiden müße. Auch bey ven Griechen und Römern finden wir bviefen 
Glauben, ver hauptfächlich mit dem aftrologifhen Wahne zufammenhängt. 
Ben Jeſaia (2. 6) heißt ed: Sind Tagemwähler, wie die Philifter, und 
(57. 1): Ihr Kinder der Tagemwählerin. Daß aber viefer Brauch auf 
die Philifter einzufchränfen ſey, ift nicht anzunehmen, ſondern fle werben 
wohl nur als die benachbarten Heiden genannt. Sagt doch auch Micha 
(5): Affur Hat Zauberer, Zeichenveuter, Kaine, und diefe waren dennoch) 
audy bey den unter den Kindern Iſrael lebenden und benachbarten Heiden. 
Auch heißt es bey SIefaia (47. 12): Babel, tritt auf mit beinen 
Beſchwörern und mit der Menge deiner Zauberer, laß bertreten und bir 
helfen die Meiſter des Himmelslaufs und die Sternguder, die nad) den 
Monaten rechnen, was über dich fommen werde. Dieſes Berechnen gehört 
aber, wenigftend im weiteren Sinne, unter die Tagewählerei, woran wahr- 
ſcheinlich die Chalväer, welche Aftronomie verftanden und Aftrologie trieben, 
den größten Antheil hatten, falls es nicht geradezu von ihnen ausgieng. 
Bon dem Weißagen durch Vögel erfahren wir außer dem, daß es beftand, 
gar nichts. ine Weißagung durchs Loos haben wir oben in ver Geſchichte 
des Propheten Jona geſehen, und bey Ezechiel leſen wir (21. 21): Der 
König zu Babel wird fih an die Wegfcheide ftellen, daß er ihm 
wahrjagen laße, mit ven Pfeilen um das Loos ſchieße, feinen 
Abgott frage, und ſchaue vie Leber an. (Diefe Erwähnung von der 
Bedeutung eines Kreuzmeges beym Wahrfagen, und vie Eingeweideſchau 
it Die einzige, welche wir über die Semiten haben.) In den Sprüchen 
Salomy’3 (16. 33) fleht: Loos wird geworfen in den Schooß; aber ed 
fällt, wie der Herr will. 





122 


Bon der Art, wie die Gottbeit den Menfchen 
erfcheint und fich ibnen offenbart. 


Um die Anficht Tennen zu lernen, welche die Semiten von einer 
Erfcheinung der Gottheit, die dem Menfchen zu Theil werve, hatten, fehlen 
und alle Hülfsmittel, bi3 auf das Alte Teftament, von deßen Angaben 
wir nur fagen Fönnen, daß fle vieleicht den Anfichten ver übrigen Semiten 
nicht ganz fremd feyen; denn die im Alten Teflamente zu Grunde liegende 
Lehre von einem alleinigen Gotte, der über ver Natur als Erfchaffer, 
Erhalter und Negierer der ganzen Welt fteht, kann andere Anfichten von 
perfönlicher Erfeheinung Gottes erwirft haben, als die ver übrigen Semiten 
waren. Dennoch iſt es nicht gerade unwahrfcheinlich, daß auch die beib- 
nifhen Semiten die Anſicht gehabt, Gottheiten erfchienen dem Menſchen 
und verfehrten mit ihm. In dem Alten Tejtamente haben wir zmei Arten 
der Anficht zu unterfcheiden: die ver älteren Zeit, nach welcher Gott ven 
Menfchen erfcheint und mit ihnen verkehrt, ohne daß ver Menſch etwas 
für fi} Bedenkliches darin ſah, und die fpätere, zur Zeit Mofe ſtark her⸗ 
vortretende, daß nämlid Gott erblicken, over feine Stimme hören, ben 
Tod gebe. Außer dieſer zwiefachen Anſicht von ver Erfcheinung Gottes 
finden wir im Pentateuch dieſe Erfcheinung ganz und gar vermijcht mit 
ber der Engel, und zwar fo, daß, wenn Gott erfiheint, im Vortgange der 
Erzählung flatt Gott ein Engel genannt wird, wie aud) dad Thun und 
Wirken Gottes ein anvdermal das Thun eines Engels heißt. Wie fonvderbar 
auch dieſes erfcheinen mag, es giebt fein Mittel ver Erklärung, welches 
die Engel von Gottes Erfcheinung genügend trennen, und dabey die Dar- 
ftelung hinreichend verftändlich erfennen ließe. Doch betrachten wir zunächſt, 
was und der Pentateuch an Erfcheinungen Gottes darbietet. 

Im erflen Buche Mofe (3. 8) leſen wir, ald die erften Menfchen 
von der verbotenen, Frucht genoßen: Und ſie höreten die Stimme Gotteß, 
der im Garten gieng, da der Tag Fühl geworden war. Hierauf wird 
erzählt, wie Gott zu Adam und Eva fpricht und ihnen ihr fernered 2008 
ankündigt. Als Kain feinen Bruder Abel erfchlagen hatte, heißt es (4. 9): 
Da ſprach der Herr zu Kain: Wo ift dein Bruder? worauf er ihn ver- 
flucht, unftät und flüchtig zu feyn, jedoch ein Zeichen an Kain madıt, daß 
ihn Niemand erfchlüge. „Alſo ging Kain von dem Ungefichte des Herrn, 
und mohnete im Lande Nov, jenfeit Even.’ Als das Merverben der 
Menfchen überhand genommen hatte, und Gott fie durch eine Flut ver- 
nichten wollte mit allen Ihieren, wird erzählt (6. 13), Gott habe zu 
Noah gefprochen, fi) einen Kaften zu machen, deßen Bau und Größe er 
genau angiebt, und fi mit einem Paar aller Thiere und mit feiner 


Bon der Art, wie die Bottheit ven Menfchen erfcheint ıc. 123 


Bamilie in venfelben zu begeben. Nah der großen Blut fegnet Gott 
Noah und feine Söhne (9. 1 flgg.) und errichtet einen Bund mit ihnen 
(ebendaſelbſt 9 flgg.), daß in Zukunft Feine Sündflut mehr fommen fol, 
deßen zum Zeichen er den Regenbogen fegt. Dann (12. 1 flgg.) ſpricht 
Gott mit Abraham, daß er nad) Canaan ziehen fol, und verfpricht ihm 
Segen und eine große Nachkommenſchaft. Als fih Abraham fpäter von 
feinem Bruder Loth getrennt hatte (13. 14), fprach ver Herr wieder zu 
ihm, wie er ihn fegnen und Canaan feinen Nachkommen geben wolle. 
Hernach gefhah das Wort des Herrn im Gefihte zu Abraham (15. 1), 
und am Abend fprady ver Herr zu ihm im Schlaf, und als es finfter war, 
tauchte ein Dfen und eine Yeuerflamme fuhr zmifchen ven Stüden hin. 
An dem Tage machte ver Herr einen Bund mit Abraham, daß er feinen 
Nachkommen Canaan geben werde. 
Nun fommen wir zur erften Erwähnung ver Engel (16. 7 flg.). 
Al Abraham's Weib Sarah ihre Magd Hagar demüthigen wollte, floh 
biefe. Uber ver Engel des Herrn fand fie bey einem Waßerbrunnen in 
ver Wüſte, ver fprach zu ihr: Kehre um zu deiner Frau, und demüthige 
bih unter ihre Sand, ich will deinen Samen alfo mehren, daß er vor 
großer Menge nicht fol gezählet werden. Und fie hieß den Namen des 
Seren, der mit ihr redete: Du, Gott, fieheft mich; venn fie 
ſprach: Gewißlich Hier babe ven gefehen, der mich hernach angefehen hat. 
Darım hieß fie den Brunnen einen Brunnen des Xebendigen, ber mid 
angefehen Hat. Als Abraham neun und neunzig Jahr alt war, erfchien 
Sott ihm wienerum und ſprach zu ihm, und Abraham fiel auf fein Ange- 
figt (17. 1. 3), und als Gott aufhörte zu reden, fuhr er auf von 
Abraham (daſelbſt 22). Bald darauf (18. 1 flgg.), als Abraham im 
Seine Mamre zur heißeflen Tageszeit an ver Thüre feiner Hütte faß, 
Kelten fi) drei Männer vor ihn, und er Tief ihnen entgegen, bückte fich 
wur Erde nieder, und fprah: Herr, habe ich Gnade gefunden vor deinen 
Augen, fo gehe nicht vor deinem Knechte vorüber. Nachdem er fie 
nun bewirthet hatte, fprachen fie zu ihm: Wo ift dein Weib Sarah? Er 
antwortete: Drinnen in der Hütte. Da fprah er: Ich will wieder zu 
die kommen, fo ich lebe, ſiehe, fo fol Sarah, dein Weib, einen Sohn 
baden. Sarah, vie es hörte, Iachte darüber bey fich felbfl. Da ſprach 
der Herr zu Abraham: Warum lachet deß Sarah? Sollte dem Herrn 
etwas unmöglich feyn? Um diefe Zeit will ich wieder zu dir Fommen, fo 
ih Iebe, fo fol Sarah einen Sohn haben. Da flanven die Männer auf 
von dannen und wandten fi) gen Sodom, und Abraham gieng mit ihnen, 
dag er fie geleitete. Und ver Herr ſprach: Es ift ein Gefchrei zu Sobom 
und Gomorra, das iſt groß, und ihre Sünden find fehr ſchwer. Darum 
wi ich Hinabfahren und fehen, ob fie Alles gethan haben, nad dem 
Geſchrei, das vor mich gefommen ift, ober ob's nicht alfo fey, daß ich's 


124 Bon ver Urt, wie die Gottheit ven Menſchen erfcheint x. 


wife. Und die Männer wandten ihr Angeſicht und giengen gen Sodom; 
aber Abraham blieb ftehen vor dem Herrn und ſprach mit ihm, und der 
Herr gieng hin, da er mit Abraham audgerevet hatte. Die zween Engel 
(heißt e8 weiter 19) Famen gen Eorom bes Abends, wurden von Lot aufs 
genommen, und als ſich die Sopomiten durchaus verberbt zeigten, hießen 
fie Lot diefe Stadt verlafen. Denn, Jagen fie, wir werden dieſe Stätte 
verderben, darum, daß ihr Geſchrei groß ift vor dem Seren, der und 
gefandt hat, fie zu verderben. Und der Herr ſprach zu ihm, wohin er ich 
retten ſolle; dann, als dies gefcheben, Tieß der Herr Schwefel und Feuer 
regnen von dem Herrn vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra. 
Bon diefen drei Männern ift ver eine ganz deutlich als Gott bezeich— 
net, und die zwei anderen, als fie, während Gott mit Abraham redete, 
gen Sodom giengen, werden Engel genannt, und fpäter ſehen wir Gott 
- ebenfalls mit Lot reden, fo daß er wiederum zu jenen Zweien gefommen 
war. Hätten alle Drei näher bezeichnet werven follen, fo würden fte, 
dürfen wir annehmen, Engel genannt worden feyn. Doch davon foll 
weiter unten näher gehandelt werden. Daß Gott auch im Traume fid 
offenbare, feben wir bey Abimelech (20. 3), als er Abraham’3 Weib 
Sarah, welches verjelbe für feine Schwefter ausgab, zu ſich genommen 
hatte, und dem nun Gott im Traum erfchien und ihn zur Zurückgabe 
ermahnte. Wiederum ſprach Gott zu Abraham, den Sarah um die Wegs 
treibung Hagar's und ihres Sohned angieng, daß er dies thun folle 
(21. 12), und wie nun Hagar mit ihrem Kind in der Wüfte fehmachtet, 
da erhörete Gott die Stimme bed Knaben. Und ver Engel Gottes rief 
vom Himmel die Hagar, und fprah zu ihr: Fürchte dich nicht, venn 
Gott hat erhöret die Stimme des Knaben. Stehe auf, nimm den Sinaben 
und führe ihn an deiner Hand; denn ih will ihn zum großen 
Volke mahen Und Gott that ihr vie Augen auf, daß fte einen 
MWaperbrunnen fah. Später verfuchte Gott Abraham und ſprach zu ihm 
(22. 1 flgg.), er folle feinen Sohn Ifaaf zum Brandopfer varbringen; 
als Abraham aber die Probe beftand und das Dpfer vollziehen wollte, 
rief ihm der Engel des Seren vom Himmel: Lege deine Hand nicht an 
den Knaben, denn nun weiß id, daß du Gott fürdhteft, und Abraham 
bieß die Stätte: Der Herr fiehet. Und der Engel des Serrn rief 
Abraham abermals vom Himmel, und fprah: Ich habe bey mir jelbft 
geſchworen, fpriht der Kerr, daß ich deinen Samen fegnen will. Nach 
Abraham's Tod erfcheint Gott Ifaak und fpricht zu ihm (26. 2 flg.), und 
wiederum (24) erfchien ihm Gott in der Nacht und Spricht zu ihm. (Diele 
Erſcheinung möchte, obgleich es nicht ausdrücklich gefagt wird, von ber 
Ericheinung Gotte8 im Traume zu verftehen feyn.) Geradezu aber heißt 
e8 (28. 12) von Jakob, ver fein Haupt auf einen Stein gelegt hatte zum 
Schlafen; und ihm träumte, eine Leiter rühre von ver Erde zum Himmel, 


Bon der Art, wie vie Gottheit ven Menſchen erfcheint c. 125 


und Die Engel Gottes fliegen daran auf und nieder, und ver Kerr ſtand 
oben darauf und ſprach zu Jakob, der dann nad) feinen Erwachen fagte: 
Gewißlich ift der Herr an diefem Ort, und ich wußte es nicht, und 
fürchtete fih und fprah: Wie heilig ift dieſe Stätte! Hier ift nichts 
Anderes, denn Gotted Haus, und bier tft die Pforte des Himmels. Und 
Jakob fand des Morgens frühe auf, und nahm den Stein, den er zu 
feinen Häupten geleget hatte, und -richtete ihn auf zu einem Mal, und 
goß Del oben darauf, und hieß die Stätte Bethel, und that ein Gelübde, 
der Stein jolle ein Gotteshaus werben. 

In dieſer Traumoffenbarung Gottes ſehen mir vie Stätte, wo der 
Schlafenve gelegen, und den Stein, worauf das träumende Haupt geruht, 
al8 geheiligt angejehen, und zwar fo, ald ob Gott diefen Stein zum befon- 
dern Orte feiner Nähe erfohren habe. Zunächft heißt es vann (31. 3): 
Und ver Serr ſprach zu Jakob: Ziehe wieder in deiner Väter Land. 
Weiterhin aber fagt Jakob (31. 11): Der Engel Gottes ſprach zu mir 
im Traum: Ich bin der Gott zu Bethel, da du den Stein gefalbet haft, 
und mir daſelbſt ein Gelübde gethban. Nun made dich auf, und ziehe 
aus diefem Land, und ziehe wieder in das Land deiner Freundſchaft. 
(Zuerft alfo heißt ed in diefer Erzählung von Jakob: Der Herr fprady zu 
Jakob; und von verfelben Mahnung Gottes fagt Jakob: Der Engel Gottes 
ra zu mir im Traum; und diefer Engel fagt von fi: Ich bin ver 
Gott zu Bethel.) Als Jakob feinen Schwiegervater Laban verlaßen batte 
und dieſer ihm nadyjagte, wird gemeldet (31. 24): Aber Gott Fam zu 
Raban, dem Syrer, im Traume ded Nachts, und ſprach zu ihm: Hüte 
ih; dag du mit Jakob nicht anders redeſt, denn freundlich. Nachdem 
Raban hierauf den Jakob erreicht hatte und verſoöhnt von ihm gejchieden 
war, 309 Jakob feinen Weg (32. 1), und es begegneten ihm die Engel 
Gottes, und da er fie fab, ſprach er: Es find Gottes Heere, umd 
bieß Diefelbige Stätte Mahanaim. Ligen erfcheint e8, daß dieſe Engel 
nit mit Jakob fprechen, und daß nicht einmal bemerft wird, wohin fie 
fih wenden. Am eigenthümlichften aber ift folgende Erzählung von einer 
Erſcheinung Gottes. Als nämlich Jakob in Furcht vor Eſau war, heißt 
es (32. 24): Jakob, als er in der Nacht die Seinen über dad Waßer 
geführt Hatte, blieb allein. Da rang ein Mann mit ihm, bi8 die Morgen- 
töthe anbrach. Und da er fah, daß er ihn nicht übermochte, rührete er 
das Selen? feiner Hüfte an; und das Gelenk feiner Hüfte warb über dem 
Ringen mit ihm verrenfet. Und er ſprach: Laß mich gehen, denn die 
Morgenröthe bricht an. Über er antwortete: Ich laße dich nicht, du 
fegneft mich denn. Er Sprach: Wie Heigeft du? Er antwortete: Jakob. 
&r ſprach: Du ſollſt nicht mehr Jakob heißen, fonvdern Ifrael. Denn du 
haft mit Gott und mit Menfchen gefämpfet, und bift obgelegen. Und 
Jakob fragte ihn und ſprach: Sage doch, wie heißeft vu? Er aber ſprach: 


126 Bon der Art, wie vie Gottheit ven Menſchen erſcheint x. 


Warum frageft du, wie ich heiße? Und er fegnete ihn vafelbfl. Und 
Jakob hieß die Stätte Pniel; venn ich babe Bott von Angeſicht 
gefehben, und meine Seele ift genefen. Und als er vor Pnuel 
überfam, gieng ihm die Sonne auf, und’ er hinkte an feiner Hüfte. 
Daher eßen die Kinder Ifrael Feine Spannader auf dem Gelenf ver Hüfte 
bis auf den heutigen Tag; darum daß die Spannader an dem Gelenk ver 
Hüfte Jakob's gerühret ward. (Hier ift zu beachten, daß man glaubte, 
den Namen Ifrael ald den Ringer Gottes deuten zu müßen) Nach ber 
Ermordung der Sichemiten heißt e8 weiter (35. 1): Und Gott ſprach zu 
Jakob: Mache dich auf und ziehe gen Bethel, und wohne vafelbft, und 
mache dafeldft einen Altar dem Gotte, der dir erichien, da du floheft vor 
deinem Bruder Eſau. Und Gott erfchien Jakob abermal, nachdem er aus 
Mefopotamien gefommen, und fegnete ihn, und fprady zu ihm: Du follft 
nicht mehr Jakob heißen, fonvern Sfrael folft vu heißen. Und alfo heißt 
man ihn Iſrael (35. 9 flag). Und Gott fuhr auf von ihm von 
dem Orte, da er mit ihm geredet hatte. Jakob aber richtete ein fteinern 
Mal auf an dem Drte, da er mit ihm gerevet hatte, und goß Trankopfer 
darauf und begoß ihn mit Del. Und Jakob hieß den Ort, da Gott mit 
ihm gerevet hatte, Bethel (d. i. Haus Gottes). (Dben haben wir eine 
andere Darftellung von ver Errichtung des fleinernen Males gelefen; denn 
ein zweites Bethel an diefer Stelle anzunehmen, würde ſich nicht wohl 
rechtfertigen Iaßen.) Bey ven Zuge Jakob's nach Aegypten (46. 2) ſprach 
Gott zu ihm des Nachts im Geſicht und hieß ihm getroft ziehen. 

Zur Zeit, als Mofe auftrat, ift die Erfcheinung Gottes äußerlich 
nicht mehr ganz von berfelben Art, wie früher, fonvern feierlicher, furdht- 
barer, und es hat viefelbe etwas für die Menfchen Schredenves, fo daß fie 
ed für todtbringenn halten, Gott zu fehen ober zu hören, und daher der 
Nähe Gottes gegenüber von der höchſten Scheu erfüllt finn. Bon Mofe _ 
wird nun zuerft berichtet (im zweiten Buche des Pentateuchs 3, 1 flgg.): 
Er trieb die Schafe feines Schmwähers, des Priefterd in Midian, hinter 
die Wüfte und fam an ven Berg Gottes Horeb. Und der Engel des 
Herrn erfhien ihm in einer feurigen Slamme aus dem 
Buſch. Und er fah, daß der Busch mit euer brannte, und warb doch 
nicht verzehret. Und ſprach: Ich will dahin und befehen dies große Geſicht, 
warum der Busch nicht verbrennet. Da aber ver Herr fah, daß er bin- 
gieng zu ſehen; rief ihn Gott aus dem Buſch und fprady: Tritt nicht 
berzu, ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen; denn der Ott, 
Darauf du fteheft, ift ein beiliges Land. (Alſo, wo Gott erfcheint, ift eine 
heilige Stätte.) Und Mofe verhüllete fein Angeficht, .venn er 
fürdtete fi, Gott anzufchauen. Und ber Herr fprach: Ich habe 
geiehen das Elend meines Volks, und bin hernievergefahren, daß ich fie 
errette von der Aegypter Hand. Gebe hin und führe die Kinder Sfrael 


Bon der Art, wie die Gottheit ven Menfchen erſcheint ı. 127 


aus Aegypten, ich will mit dir feyn, und das fol dir das Zeichen ſeyn, 
daß ich dich geſandt babe: Wenn bu mein Volk aus Aegypten geführet 
haft, werbet ihr Gott opfern auf diefem Berge. Nach diefer Schilderung 
heißt es nun freilich dfterd einfach, ohne daß eine Erfcheinung Gottes 
berichtet wird: „Der Herr ſprach zu Moſe,“ und „Gott redete mit Moſe;“ 
eben jo (4. 27): Und der Herr ſprach zu Aaron. Wie nun Mofe auf 
Gottes Befehl mit Weib und Kind nach Aegypten zieht, meldet und vie 
Erzählung (4. 24) eine Ericheinung Gottes von furchtbarer Art. Es 
Heißt nämlih: Als Mofe unterweges in ver Herberge war, kam ihm 
der Herr entgegen, und wollte ibn tödten. Da nahm Zipora 
(des Mofe Weib) einen Stein, und befchnitt ihrem Sohne die Vorhaut, 
und rührte ihm feine Füße an, und fprah: Du bift mir ein Blutbräu- 
tigam. Da ließ er von ihm ab. Sie ſprach aber Blutbräutigam um ver 
Befchneivung willen. Wenn wir Iefen (5. 22): Mofe aber kam wiever 
zum Seren, und (6. 12): Mofe aber revete vor dem Herrn; fo muß 
man died mit den eben berührten Ausdrücken: Der Herr ſprach zu Mofe, 
ver Herr ſprach zu Uaron, zufammenhalten, ohne daß wir im Stande 
wären, zu beflimmen, unter welchen äußeren Umftänvden dieſer Verkehr 
Gottes mit den Menſchen Statt gefunden habe. Als Gott endlich durch 
die ſchwerſte Heimfuchung die Aegypter zwingen will, das Volk Ifrael 
zieben zu laßen, fpricht er zu Moſe (12. 5 flg.): Ihr folt ein Lamm 
nehmen, daran Fein Behler ift, und follt ed (am vierzehenten des Monates) 
ſchlachten zwifchen Abends. Und follt feines Blutes nehmen, und beyde 
Pfoſten an der Thür, und die oberfte Schwelle damit beftreichen, an ven 
Häufern, darinnen fie es eßen. Dann beißt e8 weiter (12): Ih will 
in derſelben Nacht durch Aegyptenland gehen, und alle Erftgeburt fchlagen 
in Aegyptenland, beydes unter Menfchen und Vieh, und will. meine Strafe 
beweifen an allen Göttern ver Aegypter, ich ver Herr. Und dad Blut 
If euer Zeichen feyn an ven Käufern, darinnen ihr ſeyd, daß wenn ich 
8 Blut ſehe, ich vor euch übergehe, und euch nicht die Plage wiverfahre, 
die euch ververbe, wenn ich Aegyptenland fihlage. (Hier wird alfo bie 
perſonliche Erſcheinung Gottes während jener Nacht zum Behufe ver Ver- 
ilgung der Aegyptiſchen Erjigeburt angegeben.) Bey ver Auswanderung 
der Sfraeliten aber, von der es (12. 51) heißt: Alfo führete der 
Herr auf einen Tag die Kinder Ifrael aus Aegyptenland, begleitet und 
lenkt fie Gott, worüber (13. 21 flg.) erzählt wird: Und ver Herr zog vor 
inen her, des Tages in einer Wolfenfäule, daß er fie ven rechten Weg 
führete, und des Nachts in einer Beuerfäule, daß er ihnen leuchtete, zu 
reifen Tag und Nacht. Die Wolkenfäule wich nimmer von dem Volke 
des Tages, noch die Beuerfäule des Nachts. ALS vie Aegypter den Iſrae⸗ 
liten nadhjagten, ſprach der Herr zu Mofe (14. 15 flg.), was er thun 
Ile, und dann heißt ed (19): Da erhob ſich ver Engel Gottes (furz 


128 Bon der Art, wie die Gottheit ven Menfchen erjcheint x. 


vorber war es Gott felbft), der vor dem Heer Ifrael herzog, und machte 
. fi Hinter fie, und die Wolkenſäule machte ſich auch von ihrem Angeficht 
und trat hinter fie, und kam zwilchen das Heer ver Aegypter und das 
Heer Sfrael. Es war aber eine finitere Wolfe und erleuchtete die Nacht, 
daß fie die ganze Nacht, diefe und jene, nicht zufammen fommen Eonnten. 
Da nun Mofe feine Hand redte über dad Meer, ließ e8 ver Herr hinweg— 
fahren durch einen flarfen Oſtwind, und die Kinder Ifrael giengen mitten 
ins Meer auf dem Trodenen, und die Uegypter folgten. Als nun die 
Morgenwache fam, fehauete der Herr auf der Aegypter Heer, 
aus der Keuerfäule und Wolfe, und hieß Mofe feine Hand aus- 
reden, wodurch das Meer wieder in feinen Strom fam, fo daß die 
Aegypter zu Grunde giengen. In der Wüfte Sin murrten die Kinder 
Iſrael, da fie Hunger litten (16. 2 flgg.), und Mofe fprady zu Aaron: 
Sage der ganzen Gemeine der Kinder Iſrael: Kommet berbey vor ven 
Herrn (wo dieſe Stätte ey, wird nicht berichtet), denn er hat euer 
Murren gehöret. Lind da Aaron alfo redete zu ber ganzen Gemeine ver 
Kinder Iſrael, wandten fie fih gegen die Wüfte, und fiehe, die Herr- 
lichfeit des Herrn erfhien in einer Wolfe, und der Herr 
fprah zu Mofe. Nach Berlaßung ver Wüfle Sin murrte dad Volk 
wieder, weil e8 Durft litt, und Mofe fehrie zum Herrn (17. 4), ver zu 
ihm ſprach: Nimm etliche Uelteften mit dir und deinen Stab, und gehe 
hin. Siehe, ih will daſelbſt ſtehen vor dir auf einem Feld 
in Horeb; da folft du ven Fels fchlagen, fo wird Waßer herauslaufen. 
In der Wüſte Sinai, wohin fie hierauf gelangten, flieg Mofe auf ven 
Berg Sinai hinauf zu Gott (19. 3), und der Kerr rief ihm vom Berge, 
wie er ſich die Kinder Iſraels zum Eigenthum erwählen wolle, und als 
das Wolf, dem Mofe dieſes verfündigte, den Bund des Herrn annahm, 
ſprach diefer zu Moſe bey jeiner Rückkehr: Siehe, ich will zu dir fommen 
in einer dicken Wolfe, auf daß dies Volk meine Worte höre, die 
ih mit bir reden werde. Gehe hin zu Volk und heilige fie heute und 
morgen, daß fie ihre Kleider wafchen und bereit feyen auf ven britten 
Tag. Denn am dritten Tage wird der Herr vor allem Bolt 
berabfahren auf den Berg Sinai. 

Sol nun dad ganze Volk Gotted Stimme vernehmen, fo ift doch 
dabey die größte Vorſicht für daſſelbe nöthig; denn wie (19. 12) weiter 
erzählt wird, fpricht Gott zu Mofe: Mache vem Wolf ein Gehäge umber, 
und ſprich zu ihnen: Hütet euch, daß ihr nicht auf den Berg fleiget, 
noch fein Ende anrühret; denn wer den Berg anrühret, fol des Todes 
fterben. Keine Hand fol ihn anrühren, fonvdern er fol gefleiniget oder 
mit Geſchoß erjchoßen werden; es fey ein Thier oder Menſch, fo 
fol er nicht Ieben. Wann es aber lange tönen wird, dann follen fie an 
den Berg geben. Al nun ver dritte Tag Fam und Morgen war, ba 


Bon der Art, wie die Gottheit ven Menfchen erfheint ꝛe. 120 


erbob ſich ein Donnern und Blitzen und eine vide Wolfe 
auf dem Berge, und ein Ton einer fehr flarfen Pofaune; 
das ganze Volk aber, das im Lager war, erfchraf, und trat unten an 
den Berg. Der ganze Berg Sinui aber raudte, darum, daß 
der Herr herab auf den Berg fuhr mit euer, und fein 
Raud gieng auf, wie ein Rauch vom Ofen, daß der ganze 
Berg ſehr bebete Und der Pofaune Ton ward immer 
ftärfer. Mofe redete, und Gott antwortete ihm laut, und fors 
derte ihn auf die Spige des Berges, wo er ibm fagt, er folle dem Volke 
das Herzufommen und Sehen verbieten, damit nicht Viele deſſelben fallen. 
Dazu die Priefter, welche zum Herrn nahen, follen ſich heiligen, daß fle 
der Herr nicht zerſchmettere. Weiter ſprach Gott: Du und Waren mit 
dir ſollſt herauffteigen, aber vie Priefler und das Volk follen nicht herzu 
drehen. Als Mofe dem Volke Gottes Befehl gemeldet hatte, heist es 
(20. 1 flgg.): Und Gott revete alle dieſe Worte, nämlich vie ver zehen 
Gebote. Und alles Volk ſah ven Donner und Blig, und den Ton der 
Poſaune, und den Berg rauchen. Da fie aber folches ſahen, flohen fie, 
und traten von ferne, und fpradhen zu Mofe: Rede du mit und, 
wir mollen gehorchen; und laß Gott nidbt mit und reden, wir 
möchten fonft ſterben. Alfo trat dad Volk von ferne, aber Mofe 
machte fi Hinzu ins Dunfele, da Gott innen war. Und ber Herr fprady 
zu ihm: Alſo folft du den Kindern Ifrael fagen: Ihr habt gefehen, daß 
ih mit euch vom Himmel herab gerevet habe. (Hier wird alfo, mas fo 
eben noch ein Reden von ver Spike des Berges war, ein Neben vom 
Simmel herab genannt.) 

Nicht unwichtig für die Anficht von den Engeln if, was Gott zu 
Mofe jagt (23. 20): Siehe, ich fende einen Engel vor dir ber, der dich 
behüte auf dem Wege, und bringe dich an ven Ort, ven ich bereitet habe. 
(32. 34. fagt Gott zu Mofe ebenfalls: Siehe, mein Engel fol vor dir 
bergeben; und 33. 2: Ich will vor dir herfenven einen Engel. Ich will 
niht mit dir hinaufziehen; venn du bift ein halsſtarriges Volk. Ich 
möchte dich unterwegs auffreßen). Darum Hüte dich vor feinen Angefidht, 
und gehorche feiner Stimme, und erbittere ihn nicht; denn er wirb euer 
Uebertreten nicht vergeben, und mein Name ift in ihm. Dann fpradh 
er zu Mofe (24. 1): Steige herauf zum Herrn, du und Aaron, Nadab 
und Abihu, und vie febenzig Aelteſten Ifraeld, und betet an von 
ferne. Aber Mofe allein nahe fi zum Herrn. Wie nun bie 
Genannten hinaufgeftiegen waren, fahen fie ven Gott Iſraels. Unter feinen 
Füßen war e8, wie ein ſchöner Sapphir, und wie die Geftalt des Himmels, 
wenn es Elar ifl. Und er ließ feine Sand nicht über viefelben Oberſten 
in Iſrael. Und da fie Gott gefchauet hatten, aßen und tranfen fie. Dann 


gieng Mofe mit feinem Diener Joſua oben auf ven Berg. Da nun Mofe 
IV. 9 


130 Bon der Art, wie die Gottheit den Menſchen erfeint ve. 


auf ven Berg kam, bevedte eine Wolfe den Berg. Und die SHerrlichfeit 
des Herrn mwohnete auf dem Berge Sinai, und deckte ihn mit der Wolfe 
ſechs Zage, und rief Moſe am flebenten Tage aus ver Wolfe Und daß 
Anfeben ver Herrlichkeit des Herrn war wie ein verzehrenveß 
euer auf der Spitze des Berges, und Moſe gieng mitten in die Wolfe. 
Als nun indeß die Ifraeliten das golvene Kalb gemacht Hatten und es 
anbeteten, fprach der Herr zu Moſe: Ich fehe, daß es ein halsſtarriges 
Bolt ik. Und nun laß mid, daß mein Zorn über fie ergrimme und fie 
auffreße. Mofe aber flehte um Gnade für das Volk, und e8 gereute ven 
Herrn das Uebel, das er drohete feinem Volke zu thun. 

Als die fogenannte Stiftshütte, die einen tragbaren Tempel vorftellte, 
gemacht worden war, da galt fie ald eine Wohnung des Herrn. Und nun 
Heißt e8 (33. 7): Wer ven Herrn fragen wollte, mußte herausgeben zur 
Hütte des Stiftd vor dad Lager. Und wenn Mofe audgieng zur Hütte, 
fo ftand alles Volk auf, und trat ein Jeglicher in feiner Hütte Thür, und 
fahen ihm nach, bis er in die Hütte fam. Und wenn Mofe in die Hütte 
fam, fo fam die Wolfenfäule hernieder, und fland in der 
Hütte Thür und redete mit Mofe. Lind alles Volk fah vie Wolfen- 
fäule in der Hütte Thür fliehen, und flanden auf, und neigten ſich, ein 
Jeglicher in feiner Hütte Thür. Der Herr aber redete mit Mofe 
von Angefiht zu Angefidt, wie ein Mann mit feinem 
Breunde redet. Und wenn er wieberfehrete zum Lager, jo wich fein 
Diener Joſua nit aud der Hütte. Als Mofe Ihn gnädig für daB Volk 
geftinnmt hatte, fpracdh er: Mein Angeficht foll gehen, damit will 
ich dich leiten; als aber Mofe zum Zeichen feiner Gnade ſich erbat: 
Zaß mich deine Herrlidykeit fehen, ſprach Gott: Ich will vor deinem Anges 
fit ber alle meine Güte gehen lafen, und will laßen previgen des Herrn 
Namen vor dir. Mein Angefiht Fannft du nicht fehen, denn Fein 
Menſch wird leben, der mich fiehet. (Kurz vorher jenoch hieß es: 
Der Herr redete mit Mofe von Angeſicht zu Angeficht, wie ein Mann 
mit feinem Breunde.) Und ver Herr ſprach weiter: Siehe, es ift ein 
Raum bei mir; da folft du auf dem Felſen ftehen. Wenn denn nun 
meine Herrlichkeit vorüber gehet, will ih dich in der Felſenkluft laßen 
fliehen, und meine Sand fol ob dir Halten, bis ich vorüber gehe. Und 
wenn ich meine Hand von dir thue, wirft du mir hinten nachfehen; aber 
mein Angefiht kann man nicht fehen. Da Mofe in feinem Zorn über 
das goldene Kalb die zwei fleinernen Tafeln mit den zehen Geboten zer⸗ 
ſchmettert Hatte, befiehlt ihm ver Kerr, wieder auf den Sinai mit zwei 
fleinernen Tafeln zu fommen, damit er (der Herr) die zehen Gebote darauf 
ſchreibe. Moſe that fo (34. 4). Da kam der Herr hernieber in einer 
Wolfe, und trat vafeldft bey ihn, und predigte von des Herrn Namen. 
And da der Herr vor feinem Angeſicht vorüber gieng, neigte ſich Moſe 


Bon der Art, wie die Gottheit ven Menſchen erfcheint ꝛc. 131 


eilend zur Erde und betete ihn an. Da nun Mofe vom Berge gieng, 
hatte er die zwei Tafeln des Zeugnißes in feiner Hand; und mußte nicht, 
daß die Haut feines Angefihts glänzete, davon, daß er 
mit ihm geredet hatte. Und da Aaron und alle Kinder Ifrael fahen, 
daß die Haut feines Angeſichts glänzete, fürchteten fie fi, zu ihm zu 
nahen. Da legte er, wenn er mit ihnen redete, eine Dede auf fein Anges 
fit. Und wenn er bineingieng vor den Herrn, mit ihm zu reden, that 
er die Dede ab, bis er wieder herausgieng. Als die Stiftähütte volle 
fommen ausgerüftet und eingerichtet war, am erftien Tage des erften 
Monats (40. 2 flgg.), da bevedte eine Wolfe vie Hütte des Stifts, und 
die Herrlichkeit des Herrn erfüllete die Wohnung. Und Mofe Fonnte nicht 
in Die Hütte des Stifts gehen, weil vie Wolfe darauf blieb, und die Herr⸗ 
lichkeit des Heren die Wohnung füllete. Und wenn die Wolfe ſich aufhob 
von der Wohnung, fo zogen die Kinder Iſrael, fo oft fie veifeten. Wenn 
ſich aber die Wolle nicht aufbob, fo zogen fie nicht, bis an den Tag, da 
fie ih aufhob. Denn die Wolle des Herrn war des Tages auf ber 
Wohnung, und des Nachts war ſie feurig. 

Sp wie Bott nach der Anſicht von ven Höhen ſich auf den heiligen 
Berg herabließ, mußte natürlid auch, als ihm die Stiftshütte verfertigt 
worden war, dieſe als eine Stätte Gottes erfcheinen, gleidy einem Tempel, 
wie überall vie Tempel und Capellen nebft ven heiligen Sainen bey ven 
verſchiedenen Völkern als Orte galten, wo die Gottheit dem Menfchen 
beſonders nahe ſey. Im dritten Buch des Pentateuch (1. 1) lefen wir 
daher: Und der Herr rief Mofe, und revete mit ihm von der Hütte 
des Stifts. Als das erfte Opfer durch Aaron nach der von Gott 
befoplenen Einrichtung dargebracht werben follte, fagte Mofe, an dieſem 
Tage werbe ver Herr erfcheinen (9. 4), und es trat herzu vie ganze 
Gemeine, und fland vor dem Herrn (naͤmlich vor der Hütte des Stifts). 
Sobald das Opfer durch Aaron beforgt war, gieng diefer mit Mofe in 
bie Stiftshütte, und da fie wieder herausgiengen, fegneten ſie dad Volk. 
Da erfchien vie Herrlichkeit des Herrn allem Wolfe. Denn das Feuer 
kam aus von dem Kerr, und verzehrete auf dem Altar das Brandopfer 
und das Fett. Da das alles Volk fah, frohlodten fie, und fielen auf ihr 
Antlig. Auch mit Aaron ſprach Gott, wie (10. 8) erzählt wird, und mit 
Mofe und Aaron zugleich (11. 1 flgg.), was wohl in der "Stiftöhütte 
oder von ihr aus gefchehen iſt. (Dazwifchen freilich wird auch wieder der 
Berg Sinai genannt, als der Ort, mo Gott die Anordnungen Moſe mits 
teilt, wie 7. 38., 25. 1 und 27. 34. Und dieſer Berg mag entichieven 
gegolten haben als vie Stätte, mo Gott die Gebote über das gefammte 
religibſe, fittliche und bürgerliche Leben ver Ifraeliten an Moſe verfündete.) 
Troy diefer Stellung Aaron’8 und feines hohen Prieftertfpums, muß bere 
ſelbe doch große Vorficht beobachten, daß er Gott nicht ſchaue und dadurch 

g* 


133 Bon der Art, wie vie Gottheit ven Menſchen erfeint x. 


ververbe. Denn es wird uns erzählt (16. 2): Der Herr ſprach zu Mofe: 
Sage deinem Bruder Aaron, daß er nicht allerlei Zeit in das inwendige 
Heiligthum gebe hinter den Vorhang vor dem Gnadenſtuhl, der auf der 
Lade ift, daß er nicht flerbe; denn ich will in einer Wolfe ericheinen auf 
dem Gnadenſtuhl. Auf dieſem Gnadenſtuhl ward alfo Gott gemwißermaßen 
wie auf feinem Throne gedacht, und wir leſen im vierten Buche des 
Pentateuch (7. 89): Und wenn Mofe in die Hütte des Stifts gieng, daß 
mit ihm geredet würde; fo hörete er die Etimme mit ihm reden von dem 
Gnadenſtuhle, der auf ver Lade des Zeugnißes war, zwifchen den zween 
Cherubim; von dannen ward mit ihm geredet. 

Tür die Anſicht von der Anweſenheit Gottes bey ver Bundeslade in 
der Stiftshütte dient und die Erzählung (10. 33 figg.) recht gut, welche 
lautet: Alſo zogen fie von dem Berge des Herrn drei Tagereifen, und bie 
Lade des Bundes des Herrn zog vor ihnen her vie drei Tagereifen, ihnen 
zu weifen, wo fie ruhen follten. Und die Wolke des Herrn war bed Tag 
über ihnen, wenn fie aus dem Lager zogen. Und wenn die Lade 3089, 
fo ſprach Mofe: Herr, ſtehe auf, laß deine Feinde zer 
fireuet, und die dich haffen, flüdhtig werden vor dir. Und 
wenn fie rubete, fo fprad er: Komm wieder, Herr, zu der 
Menge ver Taufenden Iſraels. ALS die Jfraeliten in Noth waren 
und murreten, hieß Gott Mofe ftebenzig Aelteſte wählen, und um bie 
Stiftshütte fielen, und als dieß geicheben (11. 25), ta fam der Kerr 
hernieder in der Wolfe, und redete mit ihm, und nahm des Geifted, der 
auf ihm war, und legte ihn auf die febenzig älteften Männer. Und da 
der Geift auf ihnen ruhete, weißagten fie, und höreten nicht auf. Zwei 
von diefen fiebenzig waren im Lager geblieben und nicht zu der Stifts⸗ 
hütte gefommen. Dennoch weißagten fie, und als Joſua dem gemehrt 
wißen wollte, ſprach Diofe: Wollte Gott, daß alles Volk des Herrn weißa⸗ 
gete, und der Herr feinen Geift über fie gäbe. Hierauf rebeten 
Mirjam und Aaron wider Mofe, um feines Weibes willen, der Mohrin 
(12. 1 flg.), und fpradhen: Redet denn der Herr allein durch Mofe? 
Redet er nicht auch durch uns? und der Herr hörete ed. Und plöglid 
fprady der Herr zu Mofe und zu Aaron und zu Mirjam: Gehet heraus, 
ihr Drei, zu der Hütte des Gtifts, und fie giengen alle Drei heraus. Da 
fam der Herr hernieder in der Wolfenfäule, und trat in der Hütten Thür, 
und rief Aaron und Mirjam, und vie Beiden giengen hinaus. Und er 
ſprach: Höret meine Worte: Iſt Jemand unter euch ein Prophet des Herrn: 
dem willih mid fund machen in einem Geſicht, oder will 
mit ihm reden in einem Traum. Aber nicht alfo mein Knecht 
Mofe, der in meinem ganzen Haufe treu if. Mündlich reve ih mit 
ibm, und er fiehet den Herrn in feiner Geftalt, nit durch 
Dunkle Worte oder Gleichniß. Warum Habt ihr euch denn nicht 


Bon ber Art, wie die Gottheit ven Menfchen erfcheint c. 133 


gefürchtet, wider meinen Knecht Mofe zu reden? Und ver Zorn des Herrn 
ergrimmete über fl, und wandte fih weg. Dazu die Wolke 
wich aud von der Hütte Und fiehe, da war Miriam ausfägig. 
ALS die in das Land Canaan geſchickten Kundfchafter ven Einzug in dieſes 
Land als gefährlih ſchilderten (13), und vie Sfraeliten darum wieder 
nach Aegypten zurüdzufehren begehrten (14), erzürnte der Herr, und es 
erfchien die Herrlichkeit des Herrn in der Hütte des Stifts allen Kindern 
Iſraels, und der Herr fprady zu Mofe, wie er fie firafen molle, und als 
fie deßhalb nach Canaan gehen wollten, ihre Sünde wieder gut zu machen, 
fügte ihnen Moſe: Ziehet nicht hinauf, venn der Herr ift nit unter 
euch. Dennoch zogen fie hin, aber vie Lade des Bundes des Herrn 
und Mofe famen nit aus dem Lager. Deßhalb wurden fie 
gefchlagen. (So fehlte alfo den auf das Gebirge Ziehenden die Gegenwart 
bes Herrn, weil die Bunveslade im Lager zurücdblieb.) Auch ald Korah 
fi) gegen Mofe empörte (16), heißt ed: Die Herrlichkeit des Herrn 
erihien vor der ganzen Gemeine, und ver Herr fprah mit Mofe und 
Aaron, und Korah mit feinem Unhang ward lebendig von der Erbe vers 
Ihlungen, und euer fuhr aus von dem Herrn und fraß die von der Notte 
Korah, die das Räuchwerk opferten. Die Gemeine murrte und verfams 
melte ſich wider Mofe und Aaron, und wandte ſich zu der Hütte des Stifte. 
Da bevedte es die Wolfe und die Herrlichkeit des Herrn erfchien, und 
Mofe und Aaron giengen hinein zu der Hütte des Stifte, und der Kerr 
tedete mit Mofe. Als Gott Aaron durch ein Wunder erwählt zum Priefter- 
thum (17), Sprachen die Kinder Iſrael zu Mofe: Siehe, wir verderben. 
Der fi nahet zu der Wohnung des Herrn, der ftirbt. 
Sollen wir denn gar untergehen? Als das Volk wegen Waßermangel in 
der Wüfte Zin mit Mofe haderte (20), giengen Moſe und Aaron zu ber 
Thür der Hütte des Stifts und fielen auf ihr Angeftcht, und die Herrlichkeit 
des Herrn erjchien ihnen und gewährte Waßer. 

Obgleich es geheißen hatte, ver Kerr felbft habe die Iſraeliten aus 
Aegypten geführt, fo hieß es auch wiever, ver Engel des Herrn babe dieß 
gethan, und fo ließ auch Mofe (20) nach) Kades, wo er Durchgang begehrte, 
figen: Wir ſchrien zu dem Herrn, der bat unfere Stimme erhört, und 
einen Engel gefandt, und und aus Aegypten geführt. Als Balak, der 
König der Moabiter, ſich vor ven heranziehenven Ifraeliten fürchtete, fanbte 
er zu dem Wahrfager Bileam, daß er ihm für Lohn die Ifraeliten vers 
fludye, Gott aber kam zu Bileam (22) und mahnte ihn ab. Bey einer 
jweiten Sendung Balak's fam Gott abermals des Nachts (alfo in einem 
Traumgefiht) zu Bilean, und hieß ihn Hinziehen; und Bileam fattelte 
eine Eſelin, und z0g bin. Uber ver Zorn des Kern ergrimmete, daß er 
Bingog. Und der Engel des Herrn trat in den Weg, daß er 
ihm widerſtände. Er aber ritt auf feiner Efelin, und zween Knaben 


334 Bon der Art, wie die Gottheit ven Menſchenr erſcheint x 


waren mit ihm. Und die Efelin ſah den Engel des Herrn im 
Wege ſtehen, und ein bloßes Schwerdt in feiner Sand. Und 
die Cielin wich aus dem Wege, und ging auf dem Felde; Bileam aber 
fhlug fie, vaß fie in den Weg follte gehen. (Alſo glaubte man, daß 
Thiere übernatürliche Erfcheinungen ſehen Tönnten, welche der Menfch nicht 
erblickte.) Da trat der Engel des Herrn in ven Pfad, bey ven Weinbergen, 
da auf beiden Seiten Wände waren. Und da die Efelin den Engel ves 
Herrn ſah, brängete fie fih an die Wand, und Elemmte Bilcam den Fuß 
an der Wand, und er ſchlug fie noch mehr. Da gieng ver Engel des 
Herrn weiter, und trat an einen engen Ort, da fein Weg mar zu weichen, 
weder zur Nechten, noch zur Linken. Und da vie Gjelin ven Engel des 
Herrn ſah, fiel fie auf ihre Kniee unter dem Bileam. Da ergrimmete ber 
Sorn Bileam’d, und ſchlug die Efelin mit vem Stabe. Da that ver Herr 
der Gjelin ven Mund auf, und fie ſprach zu Bileam: Was Habe ich Pir 
getban, daß du mich gefchlagen Haft nun vreimal? Bileam aber fpradh 
zur Gfelin: Daß du midy höhneft; ach, daß ich jegt ein Schwerdt in ber 
Hand hätte, ich wollte dich erwürgen. Die Efelin fprah zu Bileam: Bin 
ich nicht deine Efelin, darauf du geritten haft zu deiner Zeit, bis auf dieſen 
Tag? Habe ich auch je gepfleget dir alfo zu thun? Er ſprach: Nein. 
Da dfinete der Herr Bileam die Augen, daß er den Engel des Herrn fah 
im Wege flehen, und ein bloßes Schwerdt in feiner Hand; und er neigete 
und büdte fidy mit feinem Angefiht. Und ver Engel des Herrn ſprach zu 
ihm: Warum Haft du deine Eſelin gefchlagen nun dreimal? Siehe, ih 
bin ausgegangen, daß ich dir widerſtehe; denn der Weg ift vor mir ver 
kehrt. Und die Efelin bat mich gefehen, und iſt mir dreimal gemwichen; 
fonft, wo fle nicht vor mir gewichen wäre, fo wollte ich dich auch jetzt 
erwürget, und die Eſelin lebendig behalten haben. Da ſprach Bileam zu 
dem Engel des Herrn: Ich Habe geſündiget, denn ich habe es nicht gewußt, 
dag du mir entgegen flänveft im Wege; und nun, fo dir's nicht gefaͤllt, 
will ich wieder umkehren. Der Engel des Herrn fprach zu ihm: Ziehe 
hin mit den Männern; aber nichts anders, denn was ich zu bir fagen 
werde, folft du reven. Als nun Bileam zu Balak gefommen war, fühste 
ihn verfelbe auf die Höhe Baals und opferte; Bileam aber ſprach zu Balaf: 
Tritt bey dein Brandopfer; ich will hingehen, ob vielleidyt mir der Herr 
begegne, daß ich dir anfage, was er mir zeiget. Und gieng bin eilend. 
Und Gott begegnete Bileam; er aber ſprach zu ihm — Der 
Herr aber gab das Wort Bileam In den Mund, und fprad: 
Gehe wieder zu Balaf und reve alfo. Da nun Bileam wieder zu Balaf 
fam, fprad er: Wie ſoll ich fluchen, dem Gott nicht fluchet? Wie fol 
ich fchelten, den ver Kerr nicht ſchilt? Denn von der Höhe der 
Belfen fehe ih ihn wohl, und von den Hügeln fhaue id 
ihn. Da führte Balak ven Bileam auf vie Höhe Pisga und opferte, 


Bon her Ast, wie ale Gottheit ven Menfchen erfhelnt x. 233 


und Bileam follte jetzt fluchen; doch fprach biefer feinen Segen über 
Iſrael, obgleih nicht erwähnt wird, daß Gott es ihn geheifen habe, fo 
Daß er demnach innerlich von Gott erfüllt und getrieben thut, wie ein 
Weißagender. Balak führte ſodann Bileam auf vie Höhe Peor in der 
Hoffnung, da werde er fluchen Eönnen. Doch (24) heist ed: Da nun 
Bileam fah, daß es dem Herrn geftel, daß er Ifrael fegnete, gieng ex nicht 
bin, wie vormals, nad) den Zauberern, fondern richtete fein Angeficht 
ſtracks zu der Wüſte, hob feine Augen auf, und fah Ifrael, wie fle lagen 
nach ihren Stämmen. Und der Geift Gottes kam auf ihn, und er bob 
an: Es faget Bileam, dem die Augen geöffnet find, der Hörer göttlicher 
Rede, der des Allmächtigen Offenbarung ftehet, dem vie Augen gedffnet 
worden, wenn er nieverfniet. Nun ſprach er Eegen über Sirael. 

Im fünften Bude des Pentateuch (5. 22) wird von der Ericheinung 
Gottes auf dem Sinai gejagt: Das find die Worte, welche ber Herr redete 
zu eurer ganzen Gemeine, auf dem Berge, aus dem Feuer, und des Wolfe 
und Dunfel, mit großer Stimme, und fchrieb fie auf zwo fteinerne Tafeln. 
Da ihr aber die Stimme aus der Binfternig höretet, und den Berg mit 
Teuer brennen fahet; tratet ihr zu mir, alle Oberften unter euern Stäms 
men, und eure Xelteften, und forachen: Siehe, ver Herr, unfer Gott, hat 
und laßen fehen feine Herrlichkeit, und feine Mafeftät; und wir baben 
feine Stimme aus dem Feuer gehöret. Heutiges Tages haben wir 
geſehen, daß Gott mit Menfchen revet, und fie febenpig 
bleiben. Und nun, warum ſollen wir flerben, daß und dieß große 
deuer verzehre? Wenn wir des Herrn, unjerd Gottes, Stimme mehr 
bösen, fo müßen wir fterben. Denn mas ift alles Fleiſch, daß es hören 
möge die Stimme des lebendigen Gottes aus dem euer reden, wie wir, 
und lebendig bleibe. (Die Herrlichkeit und Majeflät Gotte8 dürfen wir 
nach dieſer Stelle auf Gottes Erfcheinung in Beuer und Wolfe deuten, 
denn eine Spur, daß man fie von einem andern fichtbaren Dinge verftanden 
hätte, findet fich nicht.) Als Mofe fterben follte, heißt es (31), erichien 
dee Here in der Hütte in einer Wolkenfäule; und dieſelbe Wolfenjäule 
Rand in der Hütte Thür. Und der Herr ſprach zu Mofe. Diefer aber 
frrah (33), als er das Volk vor feinem Ende fegnete: Der Herr iſt von 
Sinai gekommen, und ift ihnen aufgegangen von Eeir; er ift hervorge⸗ 
brochen von vem Berge Baran, und ift gefommen mit viel taufend 
Seiligen; zu feiner rechten Hand ift ein feuriges Geſetz an ſie. (Bon 
diefen Heiligen war nie die Rede bei einer Grfcheinung Gottes.) Wie 
bat er die Leute fo lieb! Alle feine Heiligen find in veiner Sand; fle 
werben fich fegen zu deinen Füßen, und werden lernen von deinen Worten. 
(Diefe Heiligen find aber feine Geifter frommer Todten, die fi etwa im 
Simmel bey Gott befänden, fondern die gläubigen, frommen Kinder Iſraels 
wurden fo benannt. In den Palmen [16. ®.15] lefen wir: Der Tod 


136 Bon der Art, wie vie Gottheit den Nenſchen erſcheint * 


feiner Heiligen iſt werth gehalten vor dem Herrn. Im erfien Buche ber 
Maccabäer [6] Heißt es von den Juden, die fih im Heiligthume gegen 
den Feind wehrten, aber harten Mangel litten: Und wurven der Heiligen 
fehr wenig, denn fie farben Hungers. Im erſten Buche Samnelis [9] 
fefen wir: Er wird behüten die Füße feiner Heiligen, aber die Gottlofen 
müßen zu nichte werden in Finſterniß. Im Palm [32. 6] Heißt es: 
Wenn große Baperfluten fommen, werden fie nicht an die Heiligen gelangen. 
Das Buch von ver Weisheit Salomo's [18] fagt: Deine Heiligen [vie 
aus Aegypten wandernven Iiraeliten] hatten ein groß Licht, und als bie 
Geinde gedachten ver Heiligen Kinder zu töten, eines aber derſelben, fo 
weggeworfen war [nämlidy Mofe], ihnen zur Etrafe erhalten warb, u. |. w., 
und al8 die heiligen Kinder der Frommen dir opferten im Berborgenen 
n. ſ. w.) Moſe gieng dann (34) auf ven Berg Nebo, auf die Spige des 
Gebirges Pisga, und ver Herr zeigte ihm das ganze für Iſrael beflimmte 
Land, worauf er flarb, und der Herr begrub ihn im Thal, und hat 
Niemand jein Grab erfahren. Und es and binfort Fein Prophet 
in Ifrael auf, wie Mofe, den der Herr erfannt hätte von 
Angeliht zn Angefidht. Als Urfache, daß Bott den Yiraeliten fich 
nicht in Geftalt gezeigt, giebt ver Pentateuh (V. 4) an, damit fie fein 
Bild machen, weder Mann, noch Weib, noch Vieh, noch Vogel, noch 
Gewürm, noch Fiſch. 

Ueber die Vorſtellung, welche man ſich von der Erſcheinung Gottes 
machte, hat das erſte Buch ver Könige (19) eine ſchoͤne Erzählung. Der 
Prophet Elia gieng in eine Höhle und blieb daſelbſt über Nadıt. Und 
fiebe, dad Wort des Heren Fam zu ihm und fpradh: Gehe heraus, und 
tritt auf den Berg vor den Herrn. Und fiehe, ver Herr gieng vorüber, 
und ein großer flarfer Wind, ver die Berge zerriß und bie Felſen zerbradh, 
vor dem Herrn ber, der Herr aber war nit im Winde. Nach dem 
Winde aber kam ein Ervbeben, aber der Herr war nicht im Erobeben. 
Und nach vem Erobeben kam ein Feuer, aber ver Herr war nicht im euer. 
Und nady dem Feuer Fam ein files, fanftes Saufen. Da das Elta hörete, 
verhüllte er fein Antlig mit feinem Mantel, und gieng heraus, und trat 
in die Thür der Höhle. Und fiehe, pa Fam eine Stimme zu ihm, vie 
befahl ihm, den Haſael zum Könige über Syrien zu falben. Im zweiten 
Buche Samueliß (5. 23) lefen wir: Und David fragte den Seren; ber 
ſprach: Du ſollſt nicht hinaufziehen (wider die Philifter), fondern kommen 
von hinten zu ihnen, daß du an fie Fommeft gegen den Maulbeerbäumen. 
Und wenn du hören wirft das Naufchen auf ven Wipfeln ver Maulbeer⸗ 
bäume einhergehen, fo eile dich; denn der Herr iſt dann ausgegangen vor 
dir ber, zu ſchlagen das Heer der Philiſter. Die Propheten hatten auch 
ferner Gefichte und rad Wort des Herrn Fam zu ihnen, fo wie aud 
Erſcheinungen Gottes unter dem Namen eines Engeld nad) Moſe vor- 


Bon der Art, wie nie Gottheit ven Menfchen erſcheint sc. 237 


kamen. Als Iofua bei Jericho war, bob er feine Augen auf, heißt e8 im 
Buche Joſua (5), und ward gewahr, daß ein Mann gegen ihm fland, 
und Hatte ein bloßes Schwerbt in feiner Hand. Und Joſua gieng zu ihm, 
und fprach zu ihm: Gehdreft bu uns an, over unfern Feinden? Er fpradh: 
Nein, fondern ih bin ein Fürft über das Heer des Herrn, und bin jetzt 
gefommen. Da fiel Joſua auf fein Angeficht zur Erde, und betete an 
und ſprach zu ihm: Was faget mein Serr feinem Knete? Und ber 
Fürſt über das Heer des Herrn ſprach zu Joſua: Ziehe veine Schuhe aus 
von deinen Füßen; denn die Stätte, darauf du fleheft, iſt heilig. Lind 
Joſua that alfo. Jericho aber war verwahret vor den Kindern Iſrael. 
Aber der Kerr fprach zu Joſua: Siehe da, ich habe Jericho fammt ihrem 
Könige und Kriegsleuten in deine Hand gegeben. Als Giveon von Gott 
zum Richter in Iſrael beflimmt warb (Buch der Richter, Kap. 6), ſandte 
Gott einen Propheten, als vie Kinder Ifrael in ihrer Noth zu ihm fchrieen. 
Dann kam ein Engel des Seren und fegte fi) unter eine Eiche zu Ophra, 
bie war Joas, und fein Sohn Gideon draſch Weisen. Da erichien ihm 
bee Engel und fprah: Der Herr mit bir, du flreitbarer Helv! Gideon 
aber ſprach: Iſt der Herr mit und, warum iſt uns denn folches Alles 
wiberfahren? Und wo find alle Wunver, die unfere Väter erzähleten? 
der Here aber wandte ſich zu ihm und ſprach: Gehe hin, du fonft Ifrael 
erldſen. Siehe, ich habe dich gejandt. Giveon ſprach zu ihm: Lieber, habe 
id Gnade vor dir gefunden, fo mache mir ein Zeichen, daß du es feneft, 
ver mit mir redet. Weiche nicht, bis ich zu dir miederfonme. Und 
Gideon Fam, und fchlachtete ein Ziegenböckhen, nahm ein Epha Mehl, 
legte Fleiſch in einen Korb, und that die Brühe in einen Topf, und 
brachte e8 zu ihm heraus unter die Eiche. Aber ver Engel Gottes ſprach 
zu ihm: Nimm das Fleiſch und das Lingefäuerte, und laß es auf dem 
dels, der hier ift, und gieße die Brühe aus. Gideon that alfo. Da rede 
ber Engel des Seren den Steden aus, den er in ver Hand hatte, und 
tührete mit der Spige das Bleifch und das ungefäuerte Mehl an. Und 
dat Feuer fuhr aus dem Feld, und verzehrete das Fleiſch und das unges 
finerte Mehl. Und ver Engel des Herrn verſchwand aus feinen Augen. 
Ds nun Gideon fah, daß es ein Engel des Seren war, ſprach er: O Herr, 
babe ich alfo einen Engel des Herrn von Angeficht gefehben? Aber ver 
herr fprach zu ihm: Friede fey mit dir! Würchte dich nicht; du wirft 
nicht flerben. Da bauete Gideon daſelbſt dem Herrn einen Altar, und 
bieß ihn: der Gere des Briedens. Und in berfelbigen Nacht ſprach ver 
Serr zu ihm: Nimm zwei fiebenjährige Barren, zerbrich ven Altar Baals, 
der deines Vaters if, und haue ab ven Hain, der dabei ſteht; und baue 
dem Herrn oben auf ver Höhe dieſes Felſen einen Altar, und nimm ben 
einen Yarren, und opfere ein Brandopfer mit dem Holz des Hains. 
Als Simfon den Ifraeliten beflimmt war, Iautet vie Erzählung alſo 


138 Bon ver Urt, wie pie Gottheit ven Menſchen erſcheint m 


(Buch ver Richter 13). EI war ein Mann mit Namen Manoah, und 
fein Weib war unfrucdhtbar. Lind der Engel des Herrn erihien dem Weihe, 
und ſprach: Du wirft einen Sohn gebähren, ver wird ein Verlobter 
Gottes feyn und Ifrael erlöfen von den Philiftern. Lind fie fagte ihrem 
Manne: Es Fam ein Mann Gottes zu mir, und feine Geflalt war anzu⸗ 
fehen, wie ein Engel Gottes, ſehr erfchredlich, daß ich ihn nicht fragte, 
woher oder wohin, und er fagte mir nicht, wie er bieße. Er ſprach aber 
zu mir: Du wirft einen Sohn gebähren, der foll ein Verlobter Gottes 
ſeyn. Da bat Manoah den Herrn: Laß ven Mann Gottes wieder zu uns 
fommen, daß er und lehre, was wir mit dem Knaben thun follen. Und 
der Engel Gottes fam wieder zum Weibe auf dem Felde, und fie lief 
eilendd, es ihrem Manne zu fagen, der mit ihr gieng und von dem Engel 
belehrt ward, und dann zu ihm ſprach: Lieber, laß dich halten, wir wollen 
dir ein Ziegenböckhen zurichten. Aber ver Engel ſprach: Wenn vu gleich 
mich Bier hielteft, jo eße ich doch von deiner Speife nit. Willſt du aber 
dem Herrn ein Branvopfer thun, fo magft du ed opfern. Denn Manoah 
wußte nicht, daß es ein Engel des Herten war. Und Manoah ſprach: Wie 
beißeft du? daß wir dich preifen, wenn nun fommt, was bu geredet haſt. 
Der Engel antwortete: Warum fragft du nach meinem Namen, ver doc 
wunderfam iſt? Da opferte Manoah ein Ziegenbödchen und ein Speide 
spfer auf einem Fels dem Heren, und da die Lohe auffuhr vom Altar 
gen Himmel, fuhr ver Engel des Herren in der Lohe des Altars hinauf. 
Da dad Manoah und fein Weib fahen, fielen fle zur Erde auf ihre Anges 
ſtchter, und er erkannte, daß es ein Engel des Herrn war, und ſprach zu 
feinem Weibe: Wir müßen des Todes flerben, vaß wir Gott gefehen 
haben. Aber fein Weib ſprach: Wenn ver Herr Luft hätte, und zu 
tödten, fo hätte ee das Brandopfer und Speisopfer nicht genommen von 
unfern Hänten; er hätte und auch nicht ſolches Alles erzeiget, noch ung 
Solches hören laßen, wie jeht gefchehen if. Als David Iſrael gezählt 
und dadurch Bott erzürnt hatte, *) mußte er zmifchen drei Strafen wählen, 
die. waren drei Jahre Theuerung, drei Monate Flucht vor dem Feinde, 
drei Tage dad Schwerdt des Herrn und Peflilenz, daß der Engel des 
Herrn verberbe in allen Gränzen Ifrael. David wählte das Letzte. De 
ließ, Heißt es im erften Buche der Chronik (22), der Herr Peftilenz in 
Iſrael kommen, daß flebenzig taufend Mann fielen. Und Gott fandte den 
Engel gen Ierufalem, fle zu verderben. Und im Ververben ſah der Gere 
darein, und zeuete ihn das Uebel, und fprach zum Engel, dem Verderber: 
Es ift genug, laß deine Hand ab. Der Engel des Heren aber ſtand bei 


*) Man glaubte auch bei Briechen und Römern, das Zählen bringe Unheil, 
denn man meinte, fein Glück, feine Habe betrachten, berechnen, benennen 
errege als ein Uebermuth den Neid, und bie Gottheit oder eine dunkle 
Schickſalsmacht ſtrafe einen folchen mit Verderben. 


Bon ver Art, wie vie Gottheit den Menſchen erfheint u 289 


ver Tenne Arnan's, des Jebuflterd. Und David bob feine Augen auf, und 
ſah ven Engel ded Seren fliehen zwiſchen Himmel und Erde, und 
ein bloßes Schwerdt audgeredt über Ierufalem. Da fiel David und bie 
Aelteſten mit Säden bevedt auf ihr Antlitz. Und David ſprach: Ich bin 
es, der geſuͤndiget bat. Herr, laß deine Hand wider mich und nicht wider 
dein Volk jeyn. Und der Engel des Herrn ſprach zu Gad (dem Propheten), 
David zu fagen, daß er hinaufgehen und dem Herrn einen Altar aufrichten 
folle in ver Tonne Arnan’d. David gieng bin, Arnan aber, va er fi 
wandte und fah wen Engel, und feine vier Söhne mit ihm, verſteckten fle 
ſich; denn Arnan draſch Weizen, da er aber David's gewahr ward, gieng 
er heraus, und betete David (der war ein Gefalbter des Seren) an mit 
feinem Antlig zur Erde. Und er bot dem Könige die Tenne umfonft zum 
Altar an, und wollte ihm fein Rind zum Brandopfer, fein Gefchirr zum 
Holz und Weizen zum Speisopfer fchenfen. Davin aber nahm die Tenne 
nur für fechöhunnert Seel Solo, baute den Altar und opferte Brand 
und Danfopfer. Und da er den Herrn anrief, erhörete er ihn durchs 
deuer vom Himmel auf wem Altar des Branvopferd. Und der Herz 
brach zum Engel, daß er fein Schwerbt in feine Scheine kehrete. Zu 
diefer Zeit nun pflegte ver König, da ihn Gott erhört hatte, auf diefem 
Altar zu opfern; denn bie Wohnung des Herrn, die Mofe in der Wüſte 
gemacht hatte, und der Branvopferaltar war zu der Zeit in ver Höhe zw 
Siheon. David aber Eonnte nicht hingehen vor venfelben, Bott zu fuchen, 
ſo war er erichroden vor dem Schwerdte des Engels des Herrn. (Im 
jweiten Buche Samuelis [24], wo dieſe Ericheinung ein wenig einfacher 
zählt wird, iſt nicht Die Rede von einem Schmwerbie, fondern der Engel 
ſireckt ſeine Hand aus über Ierufalen.) ine Eräftige Befchseibung vor 
einer finnlichen Erſcheinung Gottes Iefen wir in ven Pſalmen (18. V. 8): 
Die Erde bebete, und warb bewegt, und die Grunnfeflen ver Berge regeten 
4, und bebeten, da er zornig war. Dampf gieng aus von feiner Nafe, 
und verzehrendes Feuer von feinem Munde, daß es davon blitzete. Er 
keigte den Himmel, und fuhr herab, und Dunkel war unter feinen Füßen. 
Und er fuhr auf dem Cherub, und flog daher, er ſchwebete auf ven Fittigen 
des Winded. Sein Gezelt um ihn ber war finfter, und ſchwarze, vide 
Bolten, darinnen er verborgen war. Vom Glanze vor ihm trenneten ſich 
die Wolken, mit Hagel und Bligen. Und der Herr vonnerte im Simmel, 
und der Höchfte ließ feinen Donner aus mit Hagel und Bliken. Er ſchoß 
fine Strahlen, und zerftreuete fie, er ließ fehr blitzen, um fchredte fie. 
Da ſah man Waßergüße, und des Erdbodens Grund warb aufgedeckt, Herr, 
von deinem Schelten, von dem Odem und Schnauben deiner Nafe. 
In den obigen Schilverungen haben wir zum Defteren gejeben, daß, 
Ratt Bott felbft zu nennen, ver Erzähler den Engel des Herrn nennt, und 
es ift allervings einerlei, welches ver beiden Ausdrücke er ſich bevient; 
denn es gab nach der reinen Mofelehre Teine von Bott erfchaffenen Geier, 


L1Aa0O Bon der Art, wie die Gottheit den Menſchen erfigeiut: ie. 


die bei ihm im Himmel gewohnt hätten und zu feinen Botfchaften beftimmt 
geweſen wären. Es ift nichts weiter, als eine bloße Abwechfelung in ven 
Ausdrücken, wenn es beißt: ver Herr fprach zu ihm, oder: der Engel des 
Herrn ſprach zu ihm; ver Herr erfchien ihm im Traum, oder: ver Engel 
des Herrn erfchien ihm im Traum. Der Name des Engels beveutet weiter 
nichts, ald daß ſich Gott in irgend einer Weile dem Menfchen offenbart 
und in Beziehung auf ihn wirkfam iſt. Erfcheint ein Engel in Menfchen- 
geftalt, fo iſt e8 Bott in Menfchengeftalt, und darum fpricht auch ſtets 
der Engel zu den Menfchen, wie wir oben gejehen haben, als Gott ſelbſt. 
Bott Hatte in einer Wollens und Feuerfäule die Kinver Ifrael aus 
Aegypten geführt und fie aus der Gewalt der Aegypter felbft errettet, wie 
es deutlich in der Erzählung des zweiten Buches Mofe heist. Im Buche 
der Richter nun (2) lautet diefes alfo: Es Fam aber der Engel des Herrn 
herauf von Gilgal gen Bahim, und ſprach: Ich habe euch aus Aegnpten 
beraufgeführet, und in das Land gebracht, das ich euern Vätern gefchworen 
babe; und ſprach: Ich wollte meinen Bund mit euch nicht nachlaßen 
ewiglich; daß ihr nicht folltet einen Bund machen mit ven Einwohnern 
dieſes Landes, und ihre Altäre zerbrechen. Aber ihr habt meiner Stimme 
nicht gehorchet. Warum habt ihr das getban? Da fprady ih zu euch: 
Ih will fie nicht vertreiben vor euch, daß fie euch zum Strid werben, 
und ihre Götter zum Netz. Und da ver Engel des Herrn ſolche Worte 
geredet hatte zu allen Kinvern Iſrael, bob das Volk feine Stimme auf, 
und weineten. Hier hätte eben fo gut ftehen Eünnen: Der Herr ſprach zu 
ihnen; denn dieſer Engel ift Gott, welcher fi) in viefen Worten ben 
Kindern Ifrael offenbart. Das eine Mal Heißt ed: Der Herr ſchlug das 
Volk, das andere Mal wird der Engel des Herrn genannt. So fteht im 
erftien Buche Samuelis (6. 19): Etliche zu Bethſemes wurden gefchlagen, 
weil fie die Lade des Herrn gefehen. Und er ſchlug des Volks fünfzig- 
taufend und fiebenzig. Dagegen lefen wir bei Iefata (37. 36): Da fuhr 
aus der Engel des Herrn und fchlug im afiyrifchen Lager hundert fünf 
und achtzig taufend Mann. Nur Gott felbft zu fehen, glaubte man, bringe 
den Tod, und wir haben oben gefehen, daß Leute, venen ein Engel des 
Herrn erfchien, ebenfalls dieſe Furcht äußerten, weil ſie nämlich im Engel 
des Herrn nichts Anderes, als Gott felbft, zu fehen glaubten. Als Jakob 
feinen Sohn Joſeph und deßen beive Knaben fegnete, fprach er (I. Moſ. 
48. 15): ®ott, der mich mein Xebenlang ernähret hat bis auf viefen Tag, 
der Engel, der mich erlöfet hat von allem Lebel, ver fegne die Knaben, 
dag fie wachen und viel werden auf Erden. In den Pfalmen leſen wir 
(34. 8): Der Engel des Herrn lagert fi) um die ber, fo ihn fürchten, 
und Hilft ihnen aus; (35. 5): Der Engel des Herrn floße fie weg, ver 
Engel des Seren verfolge fle; (78.49): Da er böfe Engel unter fie fandte. 
(91. 11): Er Hat feinen Engeln befohlen, daß fie dich behüten; (103. 20): 
£obet ben Seren, ihr feine Engel, ihr ftarken Helden, die ihr. feinen Befehl 


Bon der Art, wie die Gottheit ven Menfchen erfcheint ce. 241 


audrichtet, Daß man höre die Stimme feines Wortes. In ven vorber« 
gehenden Stellen ift von wirfliben Engeln, als beionderen Weſen, nicht 
die Rede, fondern es wird nur das Walten Gottes in vieler Weile aus 
geiprochen ; in der legten Stelle aber finn vielleicht die Propheten gemeint; 
denn da Gott durch fie ſich offenbarte, Fonnten fle Engel genannt werben. 
So heißt e8 bei dem Propheten Haggai geradezu (1. 13): Da fpradh 
Haggai, der Engel des Herrn, ver die Botichaft des Herren hatte an 
das Voll. Zwar folgt in jenem Palm noch: Lobet den Herrn, alle feine 
Heerſchaaren, feine Diener, die ihr feinen Willen thut. Xobet den Herrn, 
alle feine Werke, an allen Orten feiner Herrfchaft. Die Sprache ver 
Bialmen aber ift eine poetifche, und reich an Bildern, welche es vorzieht 
und vorziehen muß, Geftalten und PBerfonificationen zu fegen an die Stelle 
der abflracten Begriffe, jo daß aus ſolchen Ausprüden fein fiherer Schluß 
auf einen wirklichen Glauben gezogen werben kann. In welchem Grabe 
die von Gott ſtammenden Dinge ald Engel Gottes mitunter bezeichnet 
wurden, zeigt ſich recht veutlih in ven Worten (Pfalm 104. 4): Du 
macheft deine Engel zu Winden und deine Diener zu Beuerflammen. Hier 
wird alfo ver Wind, den ver Kerr wehen läßt, und ver Blitz, ven er 
fendet, ein Engel genannt. Wenn e8 in ven Sprüden Salomo'3 (16.11) 
heißt: Es wird ein graufamer Engel über ihn Eommen, fo beveutet das: 
ver Herr wird fih mit einer Strafe an ihm offenbaren; und wenn der 
Prediger Salomo fagt (5): Sprich vor dem Engel nicht: Ich bin unſchuldig; 
fo heißt das nichts Anderes, als: Gieb dich vor Gott nicht für unfchulvig aus, 

Wie der Ifraelite ven Ausprud: Engel, auffaßte, wißen wir nicht, 
aber nach dem Mofaismus Eonnte oder durfte er nicht einen Geift göttlicher 
Art, weder im Böfen, noch im Guten darin fehen, da Gott, welcher ver 
einzige göttliche Geift war, Feine Geiſter erfchaffen Hatte. *?) Wenn im 





%) Da die Engel nun einmal aus Offenbarungen Gottes in ber Vorſtellung 
der Menſchen ſich als beſondere Weſen feſtgeſetzt hatten, als eine Art von 
Gott erſchaffener Geiſter, ſo fand man ſich freilich außer Staud, zu 
beſtimmen, wann Gott dieſelben erſchaffen habe, weil die Schöpfunges 
gefhichte davon fchweigt, und nothwendig davon fchweigen mußte, infofern 
die reine und wahre Mofaifche Offenbarung von folchen Engeln, die ja erft 
vorzüglih aus Perflen eingeführt wurden, nichts wußte und nichts wißen 
Tonnte. Dem Rathen war nun Thüre und Thor geöffnet, weil es in 
dem Belieben eines Jeden fteht, darüber zu fchließen oder zn träumen, 
was ihm gerade einfällt oder zufagt: Photius (S. 473) führt aus Stes 
phanus Gobarus an: Bott fchuf vor der Erſchaffung der Welt Engel, 
und dies wird auch als nicht fo gefchehen von ihm angegeben, fondern 
es ſey dies am erflen Tage der Weltfchöpfung gefchehen. Dazu fügt er 
(S. 544) aus Johannes Chryſoſtomus: Gott ordnete Engel an die Gegenden 
der Welt, jedes Volk zu verwalten, wie au Mofes fagt: Die Engel 
wurden gefränft, zu dienen unwürbigen und firaffälligen Menfchen, befons 
ders, indem fie biefelben Bilder verehrten ſahen. Do genug bavon, 


188 Bon der Art, wie bie Gottheit ben Menſchen erfcheint x. 


erftien Buch Mofe (16) drei Engel zu Abraham kommen, von welchen 
Einer ver Herr if, und die Andern nach Sodom gehen, fo kannte man 
freilid meinen, man babe an eine Welt ver Engel geglaubt, aber viefe 
eine Erſcheinung kann nicht beweilen, daß ver Mofalsmus fol einen 
Glauben Ichre. Solche Erfcheinungen aber, wie vie des Herm in Men⸗ 
fehengeftalt, ift ein Wunder, und die Wunber Gottes erklären, gebt über 
die Kräfte des Menſchen. Gott Eounte, wie er felbft in leiblicher Bildung 
auftrat, ähnliche Bildungen zu feinem Zwede für ven Uugenblid mit feiner 
eigenen göttlichen Kraft ausgerüftet erfchaffen, ohne daß daraus ein Schluß 
auf ein eigenes @eifterreih, das dem Herrn zu Gebote fleht, gezogen 
werden kann. Im erften Buch Mofe (32. 1) Heißt e8: Jakob aber z0g 
feinen Weg, und e8 begegneten ihm vie Engel Gottes, und da er fie ſah, 
fpra er: Es find Gottes Heere. Im erflen Buch der Könige (22. 19) 
ſpricht der Prophet Micha: Ich ſah ven Heren figen auf feinem Stuhl, 
und alles himmliſche Heer neben ihm ftehen zu feiner Rechten und Linken. 
Und ver Herr fprach: Wer will Ahab überrenen, daß er hinauf ziehe und 
falle zu Ramoth in Gilead? Und Einer fügte dies, der Andere das. Da 
gieng ein Geiſt heraus, und trat vor den Herrn und ſprach: Ich will ihm 
überreden. Dee Herr. ſprach: Womit? Er ſprach: Ich will auägehen, 
und will ein falſcher Geiſt feyn in aller feiner Propheten Munde. Er 
fprah: Du ſollſt ihn überreden und ſollſt es ausrichten, gebe aus uns 
thue alfe. Nun flehe, der Herr bat einen falſchen Geift gegeben in aller 
diefer Propheten Mund; und der Herr hat Böoͤſes über dich geredet. Die 
Sprache einer ſolchen Bifton, melde das Walten Gottes, son dem die 
Berfuchung und auch diefer falſche Geiſt der Propheten ausgeht, in drama⸗ 
tifcher Lebendigkeit ſchildert, kann nicht für den Glauben des Volké geugen, 
Bor Religion aber tft er gar nicht auf eine ſolche Darftelung Hin zuzu⸗ 
fprechen. Art und Zweck der Erfcheinung, welche Jakob hatte, Eennen wir 
nicht, und der Ausdruck: Gottes Heere, Tann der Moſaiſchen Religion 
feinen Glaubensartikel zufügen. Daß fih mit dem Glauben an Erſchei⸗ 
zungen Sottes und an Offenbarungen vefielben, vie man mit einem Pers 
ſonlichkeit bezeichnennen Namen nannte, in der Phantafle eine Geftaltung 
diefer Erjcheinungen verbinden mußte, Eonnte Faum anders feyn, aber daß 
die Kinder Jirael an erjchaffene oder unerfchaffene Geifter in ihrer Religion 
geglaubt Hätten, iſt durchaus nicht anzunehmen. Daß aber die Engel, in 
fo meit ihnen vie Phantaſie, ald einer beſonderen Vorſtellung von ver 
Dffenbarung Gottes, eine beſondere Seftaltung verlieh, nur auf dieſe Weife 
entflanden, und nicht aus dem Heidenthum ver verwandten Semiten entlehnt 
waren, geht und aus ber Ausſchließung ver heidniſchen Gottheiten und 





denn noch ſteht es Jedem frei, ſich die Engel erichaffen und verwendet zu 
benfen, wie 26 ihm gerade Kelicht, ba Keiner bei ſolchen Erfindungen 
einen Borzug nen Audern veit Reh ia Uniırui nehmen Taun, 


Bon der Art, wie Die Gottheit ven Menfchen erfcheint x. 148 


Gebräude hervor. Diefe war die firengfte, und göttliche Geifter des 
Heidenthums hätten unmöglich Raum gefunden in ver Lehre vom alleinigen 
Gott, neben dem es Feine andere Götter giebt. Als vie Sfraeliten mit 
ver Berfifchen Lehre befannt wurden, erhielten fie den Begriff eines ſelb⸗ 
Röndigen boͤſen Geiftes, eines Feindes Gottes, fo wie der Engel als felb- 
kändiger Weſen. Obgleich ihre Religion ſolch einen Glauben nicht aufs 
nehmen und im Gult zur Geltung bringen Eonnte, fo war doch die Vor⸗ 
Rellung vorhanden und machte fich geltend. Im Buch Tobias tritt daher 
auch dieſer Perſiſche Glaube zu Tag. Da wirkt ver böfe Geift Asmodi, 
und wird in die Wüſte nach Aegypten verbannt (8. 3). Es werben fließen 
Engel genannt, die vor dem Herrn fiehen (12. 15), und Raphael wird 
als Engel des Herrn gefandt, dem Tobias und feinem Weibe zu helfen, 
weil ihr Gebet gleich auf eine Zeit vor dem Herrn vorgebradht warb 
(3. 25). Diefer begleitete auch ven jungen Tobias auf feiner Reife und 
bewahrte ihn. Bei dem Propheten Sacharja (3. 1) heißt ed: Und mir 
ward gezeiget der Hohepriefter Joſua, ſtehend vor dem Engel des Herrn; 
und der Satan fland zu feiner Rechten, daß er ihm widerſtünde. Und 
ver Herr fprach zu dem Satan: Der Herr jchelte dich. Hier zeigt ſich 
ganz jener Wiverftreit des Guten und Böfen, wie ex der Perflichen Lehre 
zu Grunde liegt. Sene fieben Engel aber beruhen auf ver auch bei ben 
Verſern als heilig betrachteten Zahl, und fie find als die oberſten Engel 
(Sezengel) zu verfichen. Wir erfahren nur von Dreien diefer die Namen; 
außer dem eben angeführten Raphael nennt und der Prophet Daniel den 
Michael in einer gleich anzuführenden Stelle, und (8. 16) den Gabriel. 
(Der Name Gabriel beveutet: Stärke Gottes.) 

Sehr eigentbümlih ift die Erfcheinung, welche der Prophet Daniel 
in der Gefangenfchaft hatte. Er erzählt (10): Im dritten Jahr des Königs 
Kores aus Perſien ward dem Daniel Etwas geoffenbaret, das gewiß iſt, 
und er verftand das Geficht wohl. Zu verfelbigen Zeit war ich Danial 
traurig drei Wochen lang. Ich aß Feine niedliche Epeile, Fleiſch und 
Mein kam in meinen Mund nicht; und falbete mich auch nie, bis bie 
drei Wochen um waren. Am vier und zwanzigften Tage des erfien Monats 
war ih bei dem großen Waßer Hidekel, und hob meine Augen anf, br 
Hand ein Mann in Leinwand, und hatte einen goldenen Gürtel um jeine 
Lenden. Sein Reib war wie ein Türkis, fein Antlit war wie sin Blitz, 
feine Augen wie eine feurige Badel, feine Arme und Büße wie ein gli 
hendes Erz, und feine Rede war wie ein großes Getöne. Ich aber jah 
ſolches Geſicht allein, und bie Männer, fo bei mir waren, ſahen es nicht; 
doch fiel ein großer Schrecken über fie, daß fle flohen und fich verkrochen; 
und ich Hatte Feine Kraft mehr, und invem ich feine Rede hoͤrete, faul 
ih auf mein Angeficht zur Erve. Und ftehe, eine Hand rührete mich an, 
und half mir auf die Kniee und die Hände; und ſprach zu mir: Nichte dich 
auf, denn ich bin jebt zu dir geſandt, und er richtete mich auf, und ich 


AR Bon der Art, wie die Gottheit ven Menſchen erfheint x. 


zitterte. Und er ſprach: Fürchte dich nicht, denn von dem Tag an, da bu 
von Herzen begehrteft zu verftehen, und dich cafteiteft vor deinem Gott 
(alfo durch Baften fuchte man fi der Beflchte fähig und würdig zu 
machen), find beine Worte erhöret, und ich bin gefommen um veinetwillen. 
Aber der Fürſt des Königreich in Perfenland hat mir ein und zwanzig 
Tage wivderflannen; und ftehe, Michael, ver vornehmſten Fürſten einer, 
fam mir zu Hülfe; da behielt ich ven Sieg bei ven Königen in Perfien. 
Nun aber Fomme ich, zu berichten, wie es deinem Volk ergeben wird. 
Und als er Solches redete, fchlug ich mein Angeficht nieder zur Erde und 
ſchwieg. Und fiehe, Einer, gleich einem Menfchen, rührete meine Lippen 
an. Da that ich meinen Mund auf und redete: Dein Herr, meine Gelenfe 
beben mir über dem Geficht, und ich habe Feine Kraft mehr. Da rührete 
mich abermal an Einer, wie ein Menſch geftaltet, und ftärkte mich, und 
ſprach: Fuͤrchte dich nicht; und ich ermannte mich, und ſprach: Mein Herr, 
rede, denn du haft mich geftärfet. Und er ſprach: Weißt vu auch, warum 
ih zu dir gefommen bin? Jetzt will ich wieder hin, und mit dem Fürſten 
in Perfenland ftreiten; aber wenn ich wmegziebe, fiehe, fo wird der Fuͤrſt 
aus Griechenland kommen. Doch ich will dir anzeigen, was gefchrieben 
tft, das gemißlich gefchehen wird. Und tft Keiner, der mir bilft wider 
jene, denn euer Fürſt Michael. Denn ih fand auch bei ihm. im erflen 
Jahre Darius des Meders, daß ich ihm hülfe und ihn flärfete Nun 
melbet diefer Engel vie Weißagung, dann heißt e3 weiter: Und ich Daniel 
fab, und fiehe, es flanden zween Andere da, Einer an dieſem Ufer, ver 
Andere an jenem. Und er fprach zu dem in leinenen Kleidern, ver oben 
am Waßer fand: Wann will ed denn ein Ende feyn mit folhen Wundern? 
Und ver in leinenen Kleivern hob feine rechte und linfe Sand gen Himmel, 
und ſchwur bei vem, fo ewiglich lebet, daß es eine Zeit, und etlidge Zeiten, 
und eine halbe Zeit währen fol. Und ich hörte es, aber ich verſtand es 
nicht, und fprah: Mein Herr, was wird darnach werben? Er ſprach: 
Gehe hin, Daniel, denn e3 ift verborgen und verfiegelt, bis auf vie legte Zeit. 

Hier ſehen wir Schugengel ver Staaten, welche fogar gegen einander 
wirken, und einander beiftehen gegen folche feinpliche Wirkung, was freilich 
ein feltfames Bild ver göttlichen Weltregierung barflellt, bedeutend ver 
ſchieden von der durch den alleinigen Gott des Moſaismus. Solche Anftchten 
vertragen fich gar nicht mit ver reinen Gotteslehre, nady melcher es heißt 
(Samuel 1. 2. 2): Es ift Niemand heilig, wie der Herr, außer dir ifl 
Keiner; und ift Fein Hort, wie unſer Gott ifl. Der Herr toͤdtet und 
machet lebendig, führet in die Hölle und wieder heraus. Der Herr machet 
arm, und machet reich; er erniedriget und erhöhetl. Denn der Welt Enven 
find des Herrn, und er hat den Erdboden darauf gefepet. 


145 


Segen und Fluch Des Menfchen. Tod und 
Ninfterblichteit. 


Leben und Fruchtbarkeit fuchte ver Semite von der Gottheit durch 
Befolgung ihrer Gebote und durch Verehrung zu erwerben, und Tod und 
Unſegen durch Verföhnung der erzürnten Gottheit abzumenden. Die einzigen 
befimmten Angaben über den ganzen Zwed ver Verehrung und Verfähe 
nung der Gottheit bei den Semiten gewährt und das alte Teftament, und 
wir begegnen daſelbſt nirgends einer Hinmwelfung auf ven Kohn eines frommen 
Lebens, oder der Strafe eines gottlofen Wandels in einem Leben nach dem 
Tode, fondern aller Segen und aller Fluch erfcheint vafelbft in den Dingen 
biefer Welt, und das Leben felbft als höchſtes Gut, ver Tod aber als ein 
Fluch und eine Strafe, womit der Webelthäter heimgefucht wird. Dem 
Seren, euerm Gott, (heißt es Mof. 11. 23) follt ihr dienen, fo wird er 
bein Brod und dein Waßer fegnen; und ich will alle Krank—⸗ 
beit von dir wenden. Und foll nichts Unträdtiges noch 
Unfrudtbares feyn in deinem Lande, und will dich laßen 
alt werden. Ohne Kinder fterben galt als eine Strafe Gottes. (1.20.20): 
Wenn Iemand bei feines Vaters Bruders Weibe ſchläft, follen fie ihre 
Sünde tragen, ohne Kinder follen ſie fterben. Das vierte Gebot ber 
Geſetzestafeln lautet: Du follft deinen Water und deine Mutter ehren, 
anf Daß du lange lebeſt im Lande, das dir der Herr, dein Gott, 
giebt. Kerner leſen wir (Mofe II. 26): Wervet ihr in meinen Sabungen 
wanbeln, und meine Gebote halten und thun; fo wi ih euh Regen 
geben zu feiner Zeit, und das Land foll fein Gewächs geben, und die 
Bäume auf dem Felde ihre Früchte bringen; und die Drefchzeit fol 
zeichen bis zur Weinerndte, und die Weinernote fol reichen bis zur Zeit - 
der Saat; und folt Brods die Fülle haben, und follt ficher in euerm 
Lande wohnen. Ich will Frieden geben in euerem Lande, daß ihr fchlafet, 
und euch Niemand fchrede. Ich will die böfen Thiere aus euerem Lande 
tun, und fol kein Schwerbt durch euer Land geben. Ihr follt euere 
Seinde jagen, und fte follen vor euch her ind Schwerdt fallen. Eurer 
fünf follen hundert jagen, und eurer hundert follen zehntaufend jagen. 
Und ih will mich zu eudy wenden, und mill euch wachſen und mehren 
lagen, und follt von dem Firnen eßen, und wenn das Neue kommt, das 
Birne wegthun. Ich will meine Wohnung unter euch haben, und unter 
euch wandeln, und will euer Gott fein. Werdet ihr mir aber nicht 
geborchen, und nicht thun die Gebote alle; fo will ich euch heimfuchen 
mit Schreden, Schwulft und Bieber, daß euch die Angeſichter verfallen, 

IV. 10 


2A6 Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Ünfterblichkeit. 


und der Leib verfchmachte; ihr follt umfonft euern Samen fäen, und euere 
Feinde follen ihn freßen. Und ich will mein Antlig wider euch ftellen, 
und ſollt gefchlagen werden vor euern Feinden, und die euch haßen, follen 
übes euch herrſchen, und ſollt fliehen, da euch Niemand jaget. So ihr 
aber über das noch nicht mir gehorchet; jo will ich's noch fiebenmal mehr 
machen, euch zu ftrafen um eure Sünde. Daß ich euern Stolz und Hals⸗ 
ftarrigfeit breche, und will euern Himmel wie Eifen, und eure Erde wie 
Erz machen. Und eure Mühe und Arbeit fol verloren ſeyn, daß euer 
Land fein Gewächs nicht gebe, und die Bäume im Lande ihre Früchte 
nicht bringen. Und wo ihr mich nicht hören wollt; fo will ich's noch 
fiebenmal mehr machen, auf euch zu fchlagen um eurer Sünde willen- 
Und will wilde Thiere unter euch fenvden, vie follen eure Kinder freßen, 
und euer Vieh zerreißen, und eurer weniger madhen, und eure 
Straßen follen wüfte werden. Wervet ihr euch aber damit nodh 
nicht von mir züchtigen laßen; fo will ich euch noch fiebenmal mehr 
fylagen, und will ein Racheſchwerdt über euch bringen, dad meinen Bund 
rächen fol. Und ob ihr euch in eure Städte verfammelt, will ich doch 
die PVeftilenz unter euch fenben, und will euch in eurer Feinde Gände 
geben. Dann will ich euch ven Vorrath des Brods ververben, daß zehn 
Meiber follen euer Brod in einem Dfen baden, und euer Brod fol 
man mit Gewicht auswägen, und wenn ihr eßet, follt ihr nicht fatt werben. 
Werdet ihr aber dadurch mir noch nicht gehorchen; fo will ich euch fiebenmal 
mehr firafen, dag ihr follt eurer Söhne und Töchter Fleiſch freßen, und 
will eure Leichname auf eure Goͤtzen werfen, und eure Stäbte wüfte machen. 
Alfo will ich das Land wüſte machen, daß eure Feinde, fo darinnen wohnen, 
fi davor entfegen werden. Euch aber will ich unter die Heinen ftreuen, 
und das Schwerbt ausziehen hinter euch ber. Und denen, vie von euch 
überbleiben, will ich ein feiges Herz machen in ihrer Feinde Land, daß fle 
fol ein rauſchendes Blatt jagen, und follen fliehen davor, als jagte fie 
.ein Schwerbt, und fallen, da fie Niemand jaget. 

Sn dieſer ausführliden Angabe vom Lohne ver Srommen und der 
Strafe der in Gottlofigkeit Verſtockten ſehen wir nicht die geringfte Hin⸗ 
weifung auf einen Lohn over eine Strafe in einer andern Welt nach vem 
Tode, fondern Alles befchränft fih auf irdiſches Glück und Unglüd. Bon 
der Rotte Korab wird als gewaltige Strafe angegeben (Moſe IV. 16): 
Die Erve zerriß unter ihnen, und that ihren Mund auf, und verichlang 
fie mit ihren Häufern, mit allen Menfchen, die bey Korah waren, und 
mit aller ihrer Habe, und fuhren hinunter lebendig in die Hölle (Scheol, 
d. i. das Todtenreich, nicht aber die Hölle in neuerem Sinne) mit Allem, 
das fie hatten, und die Erde deckte fie zu, und kamen um aus der Gemeine, 
Im fünften Bude Mofe (6) wird der Lohn des SHaltens der Gebote 
Gottes eben fo angegeben: Auf daß ihr lange lebet, und daß dir's 


Segen und Fluch des Menjchen. Tod und Unfterblichfeit. 247 


wohl gebe, und fehr vermehrt werdeſt. Berner (7): Gott vergilt 
denen, die ihn haßen, daß er fie umbringe. So halte nun vie Gebote, 
und Gott wird dich lieben und fegnen, und mehren, und wird die Frucht 
deines. Leibes fegnen, und die Frucht deines Landes, dein Getraive, Moft 
und Del, vie Früchte deiner Kühe, und die Brüchte deiner Schaafe auf dem 
Lande. Es wird Niemand unter dir unfrucdhtbar feyn, noch unter deinem 
Vieh. Der Herr wird von dir thun alle Krankheit, und wird Feine böfe 
Seuche der Aegypter dir auflegen, vie du erfahren hafl, und wird fie allen 
veinen Haßern auflegen. Wirſt vu aber des Herrn, deines Gottes, vers 
geßen, und anderen Gdttern nacdhfolgen, wervet ihr umfommen (8). Noch⸗ 
mals wird der Segen gefchilvert in dieſem Buche (28) und der Fluch in 
ausführlicher Weile, jenoch ebenfalls nur als irdiſcher Segen und Fluch. 
Es heißt: Wenn du der Stimme des Heren gehorchen wirft, wird dich ver 
Herr das Höchftle machen über alle Völker ver Erve, und werben über 
ih kommen alle dieſe Segen. Gefegnet wirft vu ſeyn in der Stadt, 
gefegnet auf dem Ader. Gefegnet wird feyn die Frucht deines Leibes, 
deines Landes, deines Viehes, deiner Ochſen und veiner Schaafe. Gefegnet 
wird feyn dein Korb, und vein Uebriges. Gefegnet wirft du feyn, wenn 
du eingeheft, gefegnet, wenn du ausgehefl. Der Herr wird deine Feinde 
vor dir Schlagen; durch einen Weg follen fie ausziehen wider dich, und 
durch fieben Wege vor dir fliehen. Der Herr wird gebieten dem Gegen, 
daß er mit dir fey in deinem Keller, und in Allem, dad du vornimmft, 
und wird dich fegnen in dem Rande, das dir der Herr, dein Gott, gegeben 
bat. Der Herr wird dich ihm zum heiligen Volk aufrichten, und wird 
machen, daß du Ueberfluß an Gütern haben wirft, an ver Frucht deines 
Leibes, Viehes, Ackers, und wird feinen guten Schat aufthun, ven Himmel, 
daß er deinem Lande Regen gebe zu feiner Zeit, und daß er fegne alle 
Werke deiner Hände. Und du wirft vielen VBölfern leihen, du 
aber wirft von Niemand borgen. Unb der Herr wird dich zum 
Saupt machen, und nicht zum Schwanz, und wirft oben ſchweben und 
nicht unten liegen. Wenn du aber nicht gehorcdhen wirft, werben alle dieſe 
Slüche über dich Fommen und dich treffen. Verflucht wirft du ſeyn in ber 
Stadt, verflucht auf dem Acker. Verflucht wird feyn dein Korb und bein 
Uebriged. Verflucht wird feyn die Frucht deines Leibes, deines Landes, 
deiner Ochfen und deiner Schafe. Verflucht wirft du ſeyn, wenn du ein- 
geheft, verflucht, wenn du ausgeheſt. Der Herr wird unter dich ſenden 
Unfall, Unrath und Unglüd in Allem, das bu vor die Hand nimmft, und 
bald untergeheft um deines boͤſen Weſens willen. Der Herr wird dir 
die Sterbedrüſe anhängen, bis daß er dich vertilge. Der Herr 
wird dich ſchlagen mit Schwulft, Fieber, Hitze, Brunft, Dürre, giftiger 
Luft und Gelbſucht, und wird dich verfolgen, bis er dich umbringe. Der 
Himmel wird ehern ſeyn, und die Erbe unter dir eifern. Der Herr wird‘ 
10 * 


148 Gegen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblidhkeit. 


deinem Land Staub und Aſche für Negen geben vom Himmel auf wich, 
bis du vertilget wervefl. Der Herr wird dich vor deinen Feinden fchlagen. 
Durch einen Weg wirft du zu ihnen ausziehen, und durch ſieben Wege 
wirft du vor ihnen fliehen; und wirft zerfireut werben unter alle Reihe 
auf Erden. Dein Leichnam wird eine Speife jeyn allem Gevögel des 
Himmels, und allem Thier auf Erden, und Niemand wird feyn, ver fie 
feucht. Der Herr wird dich ſchlagen mit Drüfen Aegypten, mit Feig⸗ 
warzen, mit Grind und Kräge, daß du nicht Tannfl heil wernen. Der 
Herr wird dich ſchlagen mit Wahnflnn, Blinpheit und Raſen des Gerzend. 
Und wirft tappen, wie ein Blinder tappet im Dunkeln; und wirft auf 
deinem Wege Eein Glück baben, und wirft Gewalt und Unrecht leiden 
müßen dein Lebenlang, und Niemand wird bir helfen. Ein Weib wirft 
du dir vertrauen laßen, aber ein Anberer wird bey ihr fhlafen. Ein Haus 
wirft du bauen, aber du wirft nicht darinnen wohnen. Einen Weinberg 
wirft du pflanzen, aber du wirft ihn nicht gemein machen. Dein Ochſe 
wird vor deinen Augen geichlachtet werben, aber du wirft nicht davon eßen. 
Dein Ejel wird vor deinem Angefiht mit Gewalt genommen, dein Schaaf 
einen Beinden gegeben werden, daß deine Augen zuſehen und verfchmachten 
über ihnen, und wird feine Stärfe in ihren Händen ſeyn. Die Früchte 
deines Landes wird ein Volk verzehren, das du nicht kenneſt, und ver Herr 
wird dich unter ein Volk treiben, das du nicht kenneſt, und du wirft ihm 
ein Scheufal, ein Sprüdwort und Spott fen. Deine Saat werben die 
Heufchredlen freßen, und deine Bäume und Früchte das Ungeziefer. Du 
wirft dem Fremdling immer unterliegen, er wird wir leihen, und du wirft 
deinem Veinde dienen in Hunger und Durft, in Blöße und Mangel, und 
er wird ein eiferned Joch auf dich legen. Du wirft die Frucht eines 
Leibes freßen, deine Söhne und Töchter, in der Angft und Noth. Dazu 
wirft du unter ven Völkern Fein bleibenvdes Weſen haben; denn ver Herr 
wird dir daſelbſt ein bebendes Herz geben, und verfchmachtete Augen, und 
verborrete Seele. 

Wie fehr auch diefer Fluch nach Allem greift, was dem Menfchen 
Ververbliched und Schredliches auf Erden begegnen mag, fo iſt doch auch 
nicht die geringfte Hinventung auf eine Strafe der Gottloſigkeit in einer 
andern Welt nach vem Tode darin enthalten, und die übrigen Schriften 
des Alten Teftaments laßen eben fo wenig den Glauben an eine foldhe, 
oder an eine derartige Belohnung der Frommigkeit erkennen. Erhielt man 
nun dieſen irdiſchen Segen durch Erfüllung der Gebote Gottes, und traf 
der irdiſche Fluch ven Mebertreter, fo gab ed doch einen Blauben, das 
bioße auögefprochene Wort des Segens und der auögefprochene Fluch Fünne 
die Wirkung haben, die man damit beabfichtigte. Ueberall finden wir es 
beftätigt, daß die Scheu vor Worten böfer Vorbeveutung tief in der menſch⸗ 
lihen Natur liegt, und daß auch ohne ven beftinmten Glauben daran 


Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit. 149 


Borbeveutungen guter oder ſchlimmer Art einige Geltung, wenn auch in 
geringem Maaße, finden. Bey den alten Griechen und Römern findet ſich 
ein farfer Glauben an alle PVorbeveutungen, mithin auch an gute und 
böfe Worte, und ein Fluch Eonnte nicht anders, als fchreden. Bey ven 
Semiten bietet uns vie Gefchichte Bileam's, des Weißagers, der für Gelb 
veranlaßt werben ſollte, ven Kindern Iſrael zu fluchen, ein merkwürdiges 
Beyfpiel über die Anficht von Fluch und Segen dar. Daß man einem 
Weißager, alfo einem Manne der Gottheit, die Kraft zufchrieb, Segen une 
Fluch mit wirkſamem Erfolg ausfprechen zu koͤnnen, if, da man vie 
Möglichkeit der Sache glaubte, natürlid. Da diefe Gefchichte Bileam's 
in dem Abfchnitt von ver Weißagung erzählt ift, fo mag bier darauf, ver⸗ 
wiefen werben. Noch merfwürdiger muß es uns erfcheinen, daß die Kinder 
Irael zwei Berge, ven einen ald Ort des Segnens, den andern als Ort 
des Fluchs, angenommen hatten. Wir Iefen im fünften Buch Mofe (11): 
Du ſollſt den Segen fprechen lagen auf dem Berge Grifin (Garizim) und 
ven Fluch auf dem Berge Ebal (fie gehörten zum Gebirge des Stammes 
Ephraim, und im Thal zwifchen beiden lag die Stadt Sichem). Eben⸗ 
dafelbft (27) wird angegeben: Und Mofe ſammt den Xelteften gebot dem 
Bolt: Wenn ihr über ven Jordan gehet in das Land, das dir der Herr 
geben wird, ſollſt du große Steine aufrichten, und fle mit Kalk beftreichen, 
und darauf fchreiben alle Worte des Geſetzes, und ihr ſollt Steine aufs 
sihten auf dem Berge Ebal, und mit Kalk tünchen, und foNft vafelbft 
dem Herrn einen fleinernen Altar bauen, darüber Fein Eifen fähret, und 
Brandopfer und Danfopfer opfern, und auf die Steine alle Worte des 
Geſetzes fchreiben. Und Mofe fammt den Prieftern, ven Leviten, redeten 
mit dem ganzen Volk, ven Geboten Gottes zu gehorchen, und er ſprach: 
Diefe ſollen ſtehen auf dem Berge Grifim, zu fegnen das Volk, wenn ihr 
über den Jordan gegangen ſeid: Simeon, Levi, Juda, Iſachar, Joſeph und 
Benjamin. Und diefe follen ftehen auf dem Berge Ebal, zu fluchen: 
Ruben, Sad, Affer, Sebulon, Dan und Naphthali. nd die Leviten follen 
anheben, und fagen zu Jedermann von Ifrael mit lauter Stimme: Ver⸗ 
flucht ſey, wer einen Gößen oder gegoßen Bild macdhet, und ſetzet es ver- 
borgen. Und alles Volk fol fagen: Amen. Verflucht fey, wer feinem 
Vater oder Mutter flucht, und alles Volk fol fagen: Amen. Berfludht 
jey, wer feines Nächften Gränzen engert, ven Blinden irren macht auf 
dem Wege, dad Recht des Fremdlings, des Waifen und der Wittwe beuget, 
wer Blutſchande treibt, feinen Nächften heimlich fchlägt, wer Gefchenfe 
nimmt, daß er die Seele des unjchuldigen Blutes ſchlägt. Verflucht fey, 
wer nicht alle Worte dieſes Geſetzes erfület, und alles Volk ſoll fagen: 
Amen. (Nah dem Eril errichteten vie Samariter ihren Tempel auf dem 
Berge des Segnens.) Neben ver allgemeinen Anſicht jenoch von ver 
Bedeutſamkeit eines fegnenden over fluchenden Wort war eine unbefangene 


150 Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit. 


Gefinnung nicht unerhört. Denn fo leſen wir in ven Sprüchen Salomo’3 
(26. 2); Ein unvervienter Fluch trifft nicht. 

Binden wir demnach Feine Spur im Ulten Teflament von einem 
Glauben an Lohn over Strafe in einen Leben nad) dem Tode, fonvern 
vielmehr ven Glauben, daß ver Tod die fehmerfte Strafe ver Gottlofigfeit 
fey, fo muß der Glaube an ein Leben in einer andern Welt entweder 
nicht Statt gefunden, oder nur bis zur Annahme eines elenden Schatten- 
lebens gereicht haben, das ungeführ dem, welches und in der Odyſſee vor- 
geführt wird, Ahnlich gedacht geweſen fein möchte. Sehen wir näher zu, 
jo wird als Aufenthalt der Todten der Scheol, vie Hölle, wie Luther 
überfegt, genannt, welches aber nichts Anderes, als der unterirvifche finftere 
Todtenraum ift, fo daß in die Hölle hinunter fahren eben jo viel beveutet, 
als fterben, und ein Xeben in viefem Scheol wird im Alten Teftament 
nicht erwähnt. Jeſaia (5. 14) fagt: Daher bat die Hblle ihren Rachen 
aufgethan, daß hinunterfahren Beide ihre Herrlichen und Pobel, Beide ihre 
Reihen und Froͤhlichen. Berner (14. 9): Die Hölle drunten erzitterte 
vor dir (dem König zu Babel), da du ihr entgegenfamft. Sie erwedet 
dir die Todten, alle Böde der Welt, und heißt alle Könige der Heiden 
von ihren Stühlen aufftehen, daß fie Alle um einander zu dir fagen: Du 
bift auch gefchlagen, glei wie wir. Deine Pracht iſt herunter in vie 
Hölle gefahren. Motten werden dein Bette feyn und Würmer deine Dede. 
Ja, zur Höfe führeft du, zur Seite ver Grube. Du biſt verworfen vori 
deinem Grabe, wie die mit dem Schmwerbt erftochen find, die hinunter» 
fahren zu den Steinhaufen der Hdlle, wie eine zertretene Leiche. 
Bey Ezerhiel (31) Inutet es über Aegypten: Sie müßen Alle unter die 
Erde und dem Tod übergeben werben, wie andere Menfchen, die in bie 
Grube fahren. Sp fpricht der Herr: Ich erſchreckte die Heiden, da ich ihn 
hinunter fließ zur Hölle mit denen, fo in die Grube fahren. 
Denn fie mußten auch mit ihm hinunter zu ver Hölle, zu den Erfchlagenen 
nit den Schwerdt. Daß Holle bier eins fei mit dem Ausdruck unter 
die Erde, zeigen vie Worte (32. 18): Du Menfchenkind, beweine das 
Volk in Negypten, und ftoße es mit ven Töchtern ver flarfen Heiden hinab 
unter die Erde, zu denen, die in vie Grube fahren. Dann heißt es weiter 
. (2.21): Davon werben fagen in ver Hölle vie flarfen Helden mit ihren 
Gehülfen, die Alle Hinuntergefahren find, und liegen da unter den Unbe- 
ſchnittenen und Erfehlagenen vom Schwerbt. Eben fo (9. 27): Und alle 
Helden, die unter den Unbefchnittenen gefallen find, und mit ihrer Kriegs- 
wehre zur Hölle gefahren, und ihre Schwerbter unter ihre Häupter haben 
legen müßen, und ihre Mißethat über ihre Gebeine gekommen ift. 
Sofen (13) läßt den Herrn fagen: Ich will fie erlöfen aus der 
Hölle und vom Tode erretten. Tod, ih will dir ein @ift ſeyn, 
Hölle, ich will dir eine Peftilenz feyn. Hier ftehen vie Ausbrüde Hölle 


Segen und Fluch des Menihen. Tod und Unfterblichfeit. 151 


und Tod als gleichbeveutend in Beziehung auf den Menfchen, wie im 
Palm (18. 6): Der Hölle Banden unfiengen mich, und des Todes Stride 
übermältigten mi. Bey Amos beveutet Höfe die Tiefe in ver Erbe 
(9. 2): Und wenn fie fidy gleich in vie Hölle vergrüben. Jona ſprach 
im Bauche des Fiſches: Ich fchrie aus dem Bauche der Hölle, und du 
(der Herr) Hörteft meine Stimme, du Haft mein Leben aus dem Verderben 
geführet. In den Pfalmen leſen wir (6): Herr, hilf mir, denn im Tode 
gevenfet man deiner nicht, wer will dir in ver Höfe danken? (Alſo giebt 
ed im Tode Feine Gedanken an Gott, und man bat ihm da nicht zu 
danken.) Eben fo flarf ift viefer Sinn ausgevrüdt Pfalm 30 (8. 10): 
Was ift nüs an meinem Blut, wann ich todt bin? wird dir audy der 
Staub danfen, und deine Treue verfündigen? Ach, daß die Gottlofen, 
heißt e8 (9. 18), müßten zur Hölle gefehret werden (d. i. fterben). Berner 
(16. 10): Du wirft meine Seele nicht in der Hölle lagen, und nicht 
ugeben, daß dein Heiliger verweſt. Du thuſt mir Fund den Weg 
zum Leben. Palm 30: Herr, mein Gott, da ich fchrie zu dir, machteft 
du mich gefund. "Kerr, du haft meine Seele aus ver Hölle geführet (d. i. 
vor dem Tode bewahrt), du haft mich lebendig behalten, da die in bie 
Hole fuhren. Pfalm 31: Die Gottlofen müßen zu Schanden und geſchweiget 
werben in der Hölle. 49: Sie Liegen in der Hölle wie Schaafe, der Tod 
naget fie. In ver Hölle müßen fie bleiben. Aber Gott wird meine 
Seele erlöfen aus ver Höllen Gewalt. Sie fahren ihren Vätern nad), 
und ſehen das Liht nimmermehr Kurz, wenn ein Menſch in ver 
Würde ift, und hat keinen Verſtand, fo fähret er davon, wie ein Vieh. 
55: Der Tod übereile fie, und müßen lebendig in vie Hölle fahren. Du 
wirft fle Hinunterftoßen in die tiefe Grube. Die Blutgierigen und Falſchen 
werden ihr Leben nicht zur Hälfte bringen. 71: Du laäßeſt 
mich erfahren viele und große Angft, und machſt mich wieder lebendig, 
und holeſt mich wieder aus ver Tiefe der Erde herauf. (86: Du haft 
meine Seele errettet aus der tiefen Hölle.) 87: Denn Gott gedachte, daß 
fe Sleiih find, ein Wind, der dahinfährt, und nicht wieder 
kommt. 88: Meine Seele ift vol Sammer, und mein Leben ift 
nahe bei der Holle (d. i. vem Tode nahe). Ich bin geachtet gleich 
denen, die zu ver Hölle fahren. Gott gedenkt der Todten nicht 
mehr Wirſt du denn unter den Todten Wunder thun? oder werben die 
Berftorbenen aufftehen, und dir danken? Wird man in Gräbern erzählen 
deine Güte, und deine Treue im Ververben? Mögen deine Wunder in 
der Binfternig erkannt werben? ober deine Gerechtigkeit im Lande, ba 
man nichts gevenfet? 89: Wo ift Iemand, ver da lebet, und ven 
Tod nicht fehe? ver feine Seele errettet au8 der Höllen Hand? 115: Die 
Todten werden dich, Herr, nicht Toben, noch vie hinunterfahren in die 
Stille. Doc beißt es 116: Der Tod feiner Heiligen tft werth gehalten 


152 Segen und Fluch des Menfchen. Tod und Unfterblichkeit. 


vor dem Herrn, und um bie Allgegenwart Gottes audzubrüden, wird (139) 
gefagt: DBettete ich mich in die Hölle, fo bift du auch da. Die Nichtigkeit 
des Menfchen aber wird (144) bezeichnet: Iſt doch der Menfch gleich mie 
nichts, feine Zeit fährt dahin, wie ein Schatten, und 146: Des Menfchen 
Geift muß davon, und er muß wieder zur Erde werden, aldvdann 
find verloren alle feine Anfchläge. 

Haben wir nun gefehen, wie die wichtigften Schriften des Alten 
Teftamentd von dem Tode berichten, fo ift doch viefer Punkt zu wichtig, 
um nicht auch die Anfichten zu betrachten, welche fih in ven oben noch 
nicht in Betracht gezogenen Schriften finden. Im Buche Baruch leſen 
wir (2. 17): Denn die Todten in der Hölle, welcher Geift aus ihrem 
Keibe gefahren ift, rühmen nicht die Herrlichkeit und Gerechtigkeit 
des Herrn. Wäre in diefer Stelle ver Geift als ein felbflännig fort- 
dauerndes, mit Willen und Bewußtſeyn begabte Wefen gedacht, jo Fünnte 
es nicht heißen, daß der Todte den Heren nicht Iobe, denn er würde ja 
das ewige Leben haben, und hätte dann allen Grund, Gott zu preifen. 
Weiter heißt e8 in viefem Buche, 3: Herr, du regiereft für und für; wir 
aber vergeben immerdar. Hdre das Gebet Iſraels, die dem Tod 
im Rachen fteden. Wie kommt es, Iſrael, daß du unter die gerechnet bifl, 
bie in die Hölle fahren? Die Würften ver Heiden find vertilget und in 
die Hole gefahren. Hier fehen wir alfo nur Vernichtung des menfchlichen 
Weſens im Tode. Im Buche Jeſus Sirach heißt es (9. 17): Die 
Gottlofen werden nimmernehr fromm bis in die Hölle hinein (d. i. fie 
fterben, ohne fromm geworben zu feyn). 11. (27): Der Herr Fann einem 
SJeglichen leicht vergelten im Tode, wie er ed vervienet hat. ine böfe 
Stunde macht, daß man aller Treude vergißet; und wenn der Menſch 
flirbt, fo wird er inne, wie er gelebt bat. Darum follfi du 
Niemand rühmen vor feinem Ende, denn was Einer für ein 
Mann gewefen ſey, das findet fih an feinen Nahfommen. 
Dazu heißt es 15. (17): Der Menfch hat vor fich Leben und Top, welches 
er will, dad wird ihn gegeben werden. Daß aber in diefen Stellen nicht 
von einer Fortdauer des Menfchen nach dem Tode, und einer Vergeltung 
in einer jenfeitigen Welt vie Rede fey, erhellt aus dem, was folgt; denn 
wir lefen 17: Gott macht das Erdreich vol Thiere, welche wieder unter 
die Erde fommen. Gott hat ven Menfchen gefchaffen aus ver Erbe, und 
machte ihn wieder zur Erbe; und beflimmte ihnen die Zeit ihres Lebens, 
und machte fie nach feinem Bilde. Er gab ihnen, daß alles Fleiſch fie 
fürchten mußte, und fie herrfchen follten über Thiere und Vögel. Er gab 
ihnen Vernunft, Sprache, Augen, Ohren, und Berftand, und Erfenntniß, 
Und zeigte ihnen Beides, Gutes und DBdfes. Und hat fle vor andern 
Ihieren ſonderlich angefehen, ihnen zu zeigen feine große Majeftät. Er 
hat fie gelehret, und ein Gejeg des Lebens gegeben. Er Hat einen 


Segen und Fluch des Menſchen. Top und Unfterblichkeit. 153 


ewigen Bund mit ihnen gemacht, und feine Rechte geoffenbaret. Er behält 
die Wohlthat des Menfchen, wie einen Siegelring, und vie guten Werke, 
wie einen Augapfel. Und zulegt wird er aufmachen, und einem Seglichen 
pergelten auf feinen Kopf, wie er es verpienet bat. Aber vie ſich beßern, 
läßt er zu Gnaden fommen. Wer will ven Höcjften loben in der Hölle? 
Denn allein die Lebendigen Eönnen loben; die Todten, als die nicht 
mehr find, Eönnen nicht loben. Darum Iobe ven Seren, dieweil 
du lebeſt und gefund biſt. Was Fann doch ein Menſch feyn, finte- 
mal er nit unfterblich ift? Was tft Heller, venn die Sonne? No 
muß fie vergeben. Der da aber ewig lebt, was der madıt, das ift 
volfommen. Er fiehet wohl und weiß, wie Alle des Todes feyn 
müßen, darum erbarmet er fi deſto reihlider über fie. 
Harre nicht mit Beßerung bis in den Tod, und willft du Gott dienen, fo 
laß dir’s einen Ernft jeyn. Gedenke an den Zorn, der am Ende 
fommen wird, und an die Rache, wenn du davon mußt. (8 
iR nicht8 Anderes gemeint, als das Sterben felbft, fo daß des Menſchen 
Gebet um Aufichub des Todes nicht erhört wird, und fein Ton nicht fanft 
iR, daß er einfchlafe, des Lebens fatt. Beſonders aber ift die Strafe ver 
Gottlofen in folgennen Worten auögefprochen (41. 9): Der Gottlofen 
Kinder Erbgut kommt um, und ihre Nachkommen müfen verachtet feyn. 
Die Kinder müßen Flagen über den gottlofen Vater, denn 
um jeinetwillen find fie verachtet. Wehe euch Gottlofen, die ihr 
des Höchften Gefeg verlaßet! Ihr Iebet over fterbet, fo ſeyd ihr verflucht. 
Gleichwie Alles, fo aus der Erve fommt, wiederum zur Erde wird; alfo 
Iommen vie Gottlofen aus dem Fluch zur Verdammniß. Eines Men 
den Leiden mag bier währen, fo lange er lebt; aber der 
Gottlofen Name muß vertilgt werden, denn er taugt nicht. 
Cin Leben, es fey wie gut ed wolle, fo währet e8 eine fleine 
Beit; aber ein guter Name bleibet ewiglich. Daß aber Gott ven 
drommen helfe aus Todesgefahr, zeigen die Worte (51): Ich war dem 
ode nahe, und mein Leben war fchier zur Hölle gefunfen, und vu haft 
mich errettet au8 dem Verderben. Weiterhin Iefen wir 38: Wenn Einer 
Richt, trage Leid um ihn, darnach Einer gewefen it, und tröfle dich auch 
wieder, daß du nicht traurig werbefl. Denn von Trauern fommt der Tod, 
Laß die Traurigkeit nicht in dein Herz, fondern fchlage fie von dir, und 
denke an das Ende, und vergiß dep nicht. Denn da ift Fein 
Wiederfommen; es hilft ihm nicht, und du thuft dir Schaden. Gedenke 
an ihn, wie er geftorben, fo mußt du auch fterben. Weil ver Todte nun 
in der Ruhe Liegt, fo höre auch auf, feiner zu gevenfen, und tröfte dich 
über ihn, weil fein Geift von binnen gefchieven iſt. (Ulfo weil mit dem 
Tode alle Herrlichkeit zu Ende geht, und der Todte in der Ruhe liegt, 
I man Alles meiden, was dem Leben ſchadet, und ven Tod fliehen, fo 


154 Segen und Sluch des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit. 


viel man e8 vermag.) 21. (11) Heißt ed: Die Gottlofen gehen zwar auf 
einem feinen Pflafter, veg Ende ver Höllen Abgrund ift, d. i. der Tod ereilt fle. 
Zu des großen Propheten Iefaia Zeit gieng, wie ed 48 heißt, die Sonne 
zurüd, und verlängerte dem Könige das Leben. (Alſo thut Gott auf Bitten 
der Frommen Wunder, um des Menichen Leben zu verlängern.) Eben 
daſelbſt wird von dem Propheten Elia gefagt: Dur das Wort des 
Höchſten Haft du einen Todten auferwedt, und wieder aus ber Hölle 
gebracht. Diefer Prophet wird wieder fommen, aber er war auch nicht 
geftorben, fondern an ihm hatte der Kerr ein Wunder gethan. Du bift 
weggenommen, heißt es von ihm, in einem Wetter mit einem feurigen 
Magen und Roßen. Du bift verorbnet, daß du firafen ſollſt zu feiner 
Zeit, zu ftilen ven Zorn, ehe der Grimm kommt, dad Herz der Väter zu 
den Kindern ehren, und die Stämme Jakob's wieder bringen. Wohl 
denen, die dich fehen, und um deiner Freundſchaft willen geehret feyn 
werden. Da werden wir das rechte Xeben haben (d. i. wir werben von 
der Gottlofigkeit und Verkehrtheit abgebracht feyn). Schlimmered kennt 
auch dieſes Buch nicht, ala ven Tod, denn es enthält (28. 25) den Aus 
ſpruch: Bitterer, denn der Tod, und ärger, denn die Höfe (d. i. der Top), 
doch Keiner kann entrinnen, denn der Herr, heißt es (15. 8), verſchont⸗ 
der alten Rieſen nicht, die mit ihrer Stärfe zu Boden giengen. 

Das Buch der Weisheit Salomo's beginnt (1. 13) mit einem Aus 
fpruch, welcher nicht in dem Glauben der Kinder Ifrael, wie ihn die fünf 
Bücher Mofe erkennen laßen, übereinftinmt. Es beißt: Denn Goti hat 
den Tod nicht gemacht, und hat nicht Luft am Verderben ver Lebenpigen, 
fonvdern die Onttlofen ringen darnach (2. 23); venn Gott hat den Menſchen 
gefchaffen zum ewigen Leben, und bat ihn gemacht zum Bilde, daß er glei) 
feyn foll, wie er. Aber durch des Teufels Neid ift der Tod in die Welt 
gefommen, und vie feines Theils find, helfen auch dazu. Hier fehen wir 
alfo ven Tod als Strafe der Gottlofigfeit, und den Teufel als ven, durch 
deßen Neid er in die Welt gefommen. Die Bücher Moſe wißen aber 
davon, daß der Tod durch den Teufel in vie Welt gefommen fey, eben fo 
wenig, als fie überhaupt von einem Teufel etwas wußten. Die Schöpfungß- 
geſchichte erzählt nur, Gott habe den Menfchen nach feinem Bilve gefchaffen, 
aber keineswegs zum ewigen Leben, fonvdern nur zum Glück. Zwar heißt 
ed: Gott der Kerr nahm ven Menfchen, und fehte ihn in ven Garten 
Even, daß er ihn bauete und bewahrete. Und Gott gebot dem Menſchen 
und ſprach: Du follft eßen von allerlei Bäumen im Garten. Aber von 
den Baum des Erkenntnißes des Guten uud Böfen folft du nicht eßen. 
Denn welches Tages du davon ifeft, wirft du des Todes flerben; die Aus« 
legung nun aber, der Menſch müße flerben, weil er von diefem Baum 
gegeben habe, iſt eine bloß nach Belieben ervichtete, denn Gott dreht nicht, 
der zum ewigen Leben gefchaffene Menſch werde zur Strafe flerblicy werben, 


Segen und Fluch des Menichen. Ton und Unfterblichkeit. 1355 


fonnern er werde an dem Tage des Ungehorſams ven Tod erleiven. Daß 
Gott die Drohung nicht erfüllt, zeigt ver Fortgang der Geichichte, aber 
wir haben nicht nach dem Grunde zu fragen, und vürfen nicht behaupten 
wollen, es fey Gottes unmürdig, eine Drohung nicht erfüllen, denn das 
hieße menfchliche Anſichten von Schielichfeit auf Gott übertragen, wozu 
und nichts berechtigt und nichts berechtigen Tann. So z. B. fam der 
Herr bernieder, als die Kinder Iſrael ſich wieder nach Aegypten jehnten, 
gegen Mofe und Aaron murrend (Mofe IV. 14), und er ſprach zu Mofe: 
Wie lang läftert mich das Volf, und wie lang wollen fie nicht an mich 
glauben durch allerlei Zeichen, vie ich unter ihnen getban habe? So mil 
ih fie mit Peftilenz fchlagen und vertilgen. Mofe bittet nun für fle, und 
fagt: Würdeſt du dieß Volk tönten, wie Einen Mann, fo würden bie 
Heiden, die ſolches Geſchrei von dir höreten, fagen: Der Herr koͤnnte mit 
nihten das Volk ins Land bringen, das er ihnen gefchworen hatte; und 
ber Herr ſprach: Ich babe es vergeben, wie vu gefagt haft. Abgdtterei 
it von Gott ſchwer bedroht, mer fe treibt, fol aus feinem Volk audge- 
sottet werben, und doch fehen wir ven König Salomo, ver foldye in 
ſpaͤteren Jahren trieb, ein ruhiges, glückliches Leben führen und in hohem 
Alter fanft flerben. Die Strafe, welche Gott wegen jened Ungehorſams 
über Adam und Eva verhängte, war, daß er fie aus dem Garten Even 
verfließ, und die Noth des Lebens dem Fünftigen Menfchengeichlechte ver- 
hängte als Folge dieſes Frevels; verflucht fey ver Ader um beinetwillen, 
ſprach Bott zu Adam, mit Kummer font vu dich darauf nähren dein 
Lebenlang. Dornen und Difteln fol er dir tragen, und vu ſollſt das Kraut 
auf dem Felde efen. Im Schweiße deines Angefichts folft du dein Brod 
eben, bis daß du wieder zur Erde werdeſt, davon du genommen bifl. 
Denn du biſt Erde, und folft zu Erde werden. Zwar hätte der Menich 
unfterblich werben Eönnen, dad wollte aber Gott nicht zugeben, ver fpricht: 
Siehe, Adam ift geworben als unfer Einer, und weiß, was gut und böfe 
if. Nun aber, daß er nicht auöftrede feine Hand, und breche auch von 
dem Baume des Lebens, und eße und lebe ewiglich; da ließ ihn Gott aus 
dem Sarten Even, daß er das Feld bauete, davon er genommen ift. Ein 
weiterer Fluch ift .nach dem Mofaismns für jenen fogenannten Sünvenfall 
des erften Menfchenpaares nicht auf das Menfchengefchlecht gelegt worden, 
jondern alle Strafen Gottes, welche die Menfchen insbefonvere treffen, 
treffen fie für Webertretungen ver Gebote Gottes. Die Lehre von der Erb- 
fünde aber ift eine von befchränften Menfchen auögehedte ver Moſaiſchen 
Offenbarung zumiverlaufende Theorie, der felbft ver Schein einer Wahr- 
feinlichkeit fehlt. Jeſus Sirach fagt (10. 22): Der Menſch ift nicht 
böfe gefchaffen, und ſelbſt Chriftus, alfo Gott in Menfchengeftalt, fagt: 
Laßet die Kindlein zu mir Fommen, venn ihrer ift das Himmelreich. Dieſe 
Kindlein aber waren weber getauft, noch bereits durch Chriſti Blut erlöft, 


136 Segen und Zlud des Menihen. Tod un» Unfterblidkeit. 


fondern bloß unzuredinungsfähig und hatten in fofern die Gebote Gottes 
nicht übertreten. Don dem Teufel aber if nichts in den fünf Büchern 
Mofe enthalten, und eben fo wenig in den andern hiſtoriſchen Schriften 


und in den Prophetenbüdjern, fonvdern alles Böfe iſt eine von Gott gefandte 


Strafe, die Verfuhung geht von ihm aus, und er fenvet dem Menſchen 
Herzenöverftodtheit, und Gott iſt es, der den Menfchen mit einem böfen 
Wahnfinnsgeift erfüllt. Daß Pharao verfiodt war gegen alle Wunder, 
die Mofe that, ift Gottes Werk, denn er fagt ja felbft zu Mofe (IL 4): 
Ich will fein Herz verftoden, daß er das Volk nicht laßen wird; und (7): 
Ih will Pharao’ Herz verbärten, daß ih meiner Zeihen und 


Wunder viel thue in Aegyptenland. Und Pharao wird euch nit 


hören, auf daß ich meine Hand in Aegypten beweife, und 
führe mein Volk aus Hegyptenland dur große Gerichte. 
(Hier feben wir den Zwed dieſer Verftodung Pharao's von Gott ſelbſt 
angegeben.) Im fünften Buch Mofe (13) ſpricht Bott: Wenn ein Pros 
phet over Träumer unter euch wird auferftehen, und giebt bir ein Zeichen 
oder Wunder, und das Zeichen oder Wunder kommt, und er fpricht: La 
und andern Göttern dienen, fo ſollſt vu nicht gehorchen; denn der Kerr, 
euer Gott, verfudht euch, daß er erfahre, ob ihr ihn von 
ganzem Herzen und von ganzer Seele lieb habt. Der Prophet 
aber oder der Träumer fol fterben, auf daß du den Böfen von dir 
thuſt. (17. 7 wird derfelbe Ausdruck von einem Mebertreter ver Gebote 
Gottes gebraucht: Die Hand der Zeugen fol vie erfte feyn, ihn zu töbten, 
darnach die Hand alles Volks, auf dag du den Böfen von dir thuſt.) 
Hier iſt ganz deutlich Gott der Veranlaßer der Verfuhung, und bad 
Werkzeug fol vem Tod verfallen feyn. Don dem Könige Hiskia heißt ed 
im zweiten Buche der Chronik (32. 31): Gott verließ Hiskia alfo, auf 
dag er ihn verfuchte, auf daß fund würde Alles, was in feinem Herzen 
war. Auch das Gebet, das Chriftus gelehrt hat, fchreibt Gott die Der 
ſuchung zu, in ven Worten: Führe und nicht in Verſuchung. Daß aber 
die Gemüthszerrüttung und Beſeßenheit ebenfalls von Gott audgehe, zeigt 
dad Buch Samuel (I. 16. 14). Als es Gott gereute, den Saul zum 
Könige gemacht zu haben, und Samuel beauftragt hatte, David zum Könige 
zu falben, gerieth ver Geift des Herrn über David, und wid von Saul, 
und ein böfer Geift vom Herrn machte vielen fehr unruhig. Wenn 
nun der Geift Gottes (nämlich ver böfe) über Saul fam, fo nahm 
David die Harfe und fpielte mit feiner Hand; fo erquidte fih Saul, und 
es ward beßer mit ihm, und der böfe Geift wich von ihm. Don einem 
zeufel aber, welcher als Wiverfacher Gotted das Böfe zu fliften fuche, und 
welcher ein höfifches Reich beherrfche, weiß vie Mofaifche Lehre nichts, 
die alled Gute und alles Böfe ald von Gott kommend annimmt, und 
außer ihm Fein Weſen Fennt, welches über die Welt irgend eine Macht 


GER ni 


Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblichfeit. 187 


bitte, und eben fo wenig von einer Erichaffung irgend eines Geiftes durch 
Gott etwas weiß. Diefer iſt der alleinige Geift, der Himmel und Erbe, 
Geſtirne, und was auf Erden ift, geichaffen bat und regiert, wie er will. Eine 
Hoͤlle als einen Ort ver Dual nach dem Tode für die Gottloſen kannte Mofes, 
ver Mann Gottes, nicht, und in ver Hölle, wovon das Alte Teftament 
ſpricht, d. i. in der finftern Tiefe ver Erve gehört Gott die Macht, wie 
überall. So heißt es ben Jeſaia (7. 11): Fordre du ein Zeichen vom 
Seren, deinem Gott, es fey unten in ver Hölle, oder droben in der Höhe, 
und im Pſalm (139. 8) heißt es: Bettete ich mich in die Hölle, ftehe, fo 
biſt du (Bott) auch da. In der Chronif (I. 22) heißt es: Der Satan 
(p. i. dee Hafer, der Gegner) ſtand wider Ifrael, und gab David ein, daß 
er Iſrael zählen ließ, aber im zweiten Buch Samuel (24) lefen wir: Der 
Bern des Herrn ergrimmete wider Ifrael, und reiste David unter ihnen, 
daß er fprach: Gehe hin, zähle Ifrael und Juda. Demnach wird In ver 
Chronik die Verſuchung des Seren ein haßender Verfucher genannt, ſowie 
m der Chronik ein Engel des Herrn zum Propheten Gad kommt, um 
David's Strafe zu melden, im Bud) Samuel aber nur das Wort des Herrn 
genannt wird, aljo port ver Botfchafter für die Botfchaftl. Die Vorſtel⸗ 
Img von einem Widerſacher Gottes, welcher das Böfe und Zerftdrenvde in 
feinblicher Gefinnung eifrig betreibe, Fam den Semiten aus ver Fremde, 
ans der Perfiichen Religion, ohne daß damit ver Glaube an einen Ort ber 
Dual für die verftorbenen Gottlofen, wo verfelbe herrfche, von Anfang an 
verbunden geweſen wäre. (Auffallend ift, fo fcheint es, der Ausprud im 
zweiten Buche Samuelis 19. 22: ‚Daß ihr mir heute wollt zum Satan 
werben.” Allein von einem Wiverfacher Tann vie Rede feyn, ohne daß 
der böfe Geift der Perfifchen Lehre dabei auch nur von ferne gemeint ey.) 
Wenn wir einmal in den Pfalmen (109. 6) ven Ausdruck finden: See 
Gottloſe über den Boͤſen, und der Satan müße ftehen zu feiner Rechten. 
Wer fich denſelben lehren läßt, ve Leben müße gottlos ſeyn; fo erfennen 
doch die Pialmen, wie wir gejehen haben, ein Leben des Menſchen nad 
dem Tode an, und eben fo wenig ein Neich eines boͤſen Principe, welches 
gegen Bott ankämpft. Wie wenig Bedeutung überhaupt auf die Nennung 
des Satan in der angeführten Stelle zu legen fey in Beziehung auf 
Moſaiſche Religionsvorftellung, zeigt der Fortgang der Nebe, denn ed wird 
dieſen Gottlofen, ven Satan lehrt, ver Fluch in den irbifhen Dingen 
gewänfcht, von dem oben die Nede war, und es heißt: Er wollte 
von Fluch Haben, ver wird ihm auch Eommen; er wollte des Segens nicht, 
fo wird er auch ferne von ihm bleiben. Und z0g an den Fluch, wie fein 
Hemd, und iſt in fein Inwendiges gegangen, wie Waßer, und wie Del in 
füine Gebeine; fo werde er ihm wie ein Kleid, das er anhabe, und wie 
ein Gürtel, damit er fich allewege gürtee So gefhehe denen vom 
Herrn, die mir zuwider find, und reden Böfes wider meine Seele. (Die 


188 Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblidkeit. 


Strafe alfo der Boͤſen fol in dem Fluch Gottes, welcher irdiſche Dinge 
betrifft, beftehen.) Der Prophet Sacharja jedoch hat einen Ausdruck, wel« 
cher nach Perſiſcher Lehre einen Widerfacher Gotted nennt, aber einen, ber 
fih noch nicht recht in die reine Vorſtellung von Gott fügen will, ſondern 
ver fi in die Nähe Gottes wagt. Er fagt: Mir ward gezeigt (im pro⸗ 
phetifchen Geſicht) der Hohepriefter Joſua, ftehend vor dem Engel des Herrn; 
und der Satan fland zu feiner Rechten, daß er ihm wiberflünne. Und 
der Herr fprach zu dem Satan: Der Herr fhelte dich; ja, ver Herr fchelte 
bich, ver Ierufalem erwählet hat. Im Buch Hiob wird diefer Satan fo 
geringfügig dargeſtellt, daß er nur mit Erlaubnig Gottes handeln kann, 
welche Anftcht ihm jede wefentliche Bedeutung nimmt; venn ob Gott dem 
Menfchen Schickſale zur Verfuchung geradezu durch fein Walten verhänge, 
oder ob er einem Wefen, dem das Schlimme behagt, vie Erlaubniß ertheile, 
die zu thun, iſt für das Verhältnig des Menfchen zu Gott und für bie 
göttliche Weltregierung ganz einerlei; denn fo lange Gott in Allem herrſcht, 
und der Satan nur ein Werkzeug Gottes ift, fehlt dieſem die Macht, dad 
Boͤſe nach feinem Willen zu thun. Die Darftelung aber in benanntem 
Buche (1.6) ift artig, und was Gott betrifft, finnlich naiv. Es heißt: Es 
begab fih auf einen Tag, da vie Kinder Gottes kamen und vor den Herrn 
traten, fam der Satan auch unter ihnen. Der Herr aber ſprach zu dem 
Satan: Wo kommſt du ber? Satan antwortete: Ich habe das Land umher 
durchzogen. Der Herr ſprach zum Satan: Haft du nicht Acht gehabt auf 
meinen Knecht Hiob? Denn es ift feines Gleichen nicht im Lande, ſchlecht 
und recht, gottesfürdhtig, und meldet das Boſe. Satan antwortete dem 
Herrn: Meineft du, daß Hiob umfonft Gott fürdhtet? Haſt du doch ihn, 
fein Haus und Alles, was er hat, ringsumher vermahret. Du haft dad 
Werk feiner Hände gefegnet, und fein Gut hat ſich ausgebreitet im Lande. 
Aber rede veine Hand aus, und tafte an Alles, was er bat; was gilt's 
er wird dich in das Angefiht fegnen? Der Kerr fprah zum Satan 
Siehe, Alles, was er hat, ſey in veiner Hand; ohne allein an ihn jelb 
lege deine Sand nicht. Da gieng der Satan aus von dem Herrn. Nr 
fommen Plagen über Hiob, wie fle fonft allezeit in dem Alten Teftame 
der Herr verhängt über die, fo er heimjucht. Dabey aber wird bie Allına 
Gottes gepriefen, der Alles Tann und thut, deß Walten aber ver Dier 
nicht zur Rechenſchaft zieben kann, und nicht darf, meil ihm eine E 
Einſicht in daſſelbe fehlt. ALS aber Hiob, welcher gegen den Herrn gem 
hatte, auf Gottes Ermahnung, der aus einem Wetter zu Ihm fpradh, 
demüthigte, da gab ihm Gott Alles zwiefältig wiever, was er ver! 
hatte, und ließ ihn ein hohes Alter erreichen. Des Satans jedoch 
weiter in biefem Buche nicht mehr gedacht. Won ver Hölle aber hei 
darin (7. 9): Wer in die Hölle hinunterfährt, kommt nicht wiever £ 
Und (10. 21): Ehe denn ich hingehe und komme nicht wieder, n 


Segen und Fluch des Menidhen. Tod und Unfterblichkeit. 159 


in das Land der Finfternig und des Dunfeld. In das Land, da es flod- 
finfter ifl, und da feine Otdnung iſt, da es feheinet, wie das Dunkele. 
Serner (11. 8): Höher, als der Himmel — tiefer, ald die Hölle, und 
(14. 13): Ad, daß du mich in der Höfe verdeckteſt und verbürgeft. 
(17. 13): Wenn idy gleich lange harre, fo iſt doch vie Hölle mein Haus, 
und in Finfterniß ift mein Bette gemacht. Die Verwefung heiße ich meinen 
Bater, und die Würmer meine Mutter und meine Schwefter. Was fol 
ih harren, und wer achtet mein Hoffen? Hinunter in vie Hölle wird es 
fahren, und wird mit mir im Staube liegen. Bon dem Gottlofen heißt 
e8 (18): Seine Stärke wird verzehren der Yürft des Todes. Geine 
Hoffnung wird aus feiner Hütte gerottet werden, und fle werben ihn treiben 
um König des Schreckens. Daß aber viefe Ausdrücke nur den Tod 
und den Schreden bezeichnen, ift gewiß, denn davon, daß der Satan der Fürft 
des Todes fen, weiß dieß Buch nichts, und es wird auch weiter ver Yluch 
in irpifhen Dingen als das Loos des Gottloſen angegeben, und gefagt: 
Er wird vom Licht in die Binfternig vertrieben werben, und vom Erdboden 
verfioßen werben. (21): Die Gottlofen erfchreden kaum einen Augenblid 
vor der Hölle; aber ver Boͤſe wirn behalten auf ven Tag des Verderbens, 
und auf den Tag des Grimm bleibet er, er wird zum Grabe gerißen, 
und muß bleiben bey dem Haufen. (Alſo ift ver Tod feine Strafe); denn 
(24. 19) die Höfe nimmt weg, die da fündigen. Sie find eine Fleine Zeit 
erbaben, und werben zu nichte und untergebrudt und ganz und gar aus⸗ 
getilgt werben; und wie die erſte Blüthe an den Uehren, werben fie abge= 
Ihlagen werben. (Es wird ihnen demnach im irdiſchen Leben vergolten 
werden.) Bon Gott dem Herren wird gefagt (26. 6): Die Hölle ift auf- 
gedeckt vor ihm, und das Verderben hat feine Dede. Bon den Niefen 
aber Iefen wir (26. 5): Die Riefen Angften ſich unter ven Waßern, und 
bie, fo bey ihnen wohnen (nämlich weil fie durch das Waßer vertilgt 
werden). Dieje Stelle auf ein jenfeitiges Leben und einen Ort der Dual 
zu beziehen, geht nicht an. Die Niefen unter den Waßern find vie durch 
die Sünpdflut vertilgten. (Denn auch vor Alters, da die hochmüthigen 
Riefen umgebradyt wurden, flohen die, an welchen vie Hoffnung blieb, vie 
Welt zu mehren, in ein Schiff, welches deine Hand regierte. Weisheit 
Sal. 14. 6.) Da die Waßer aber zur beftimmten Zeit verlaufen find, fo 
fonnte der Schreiber des Buches Hiob nicht fagen wollen, daß fie ſich noch 
unter ven Waßern ängftigten, fondern er wollte nur fagen, ver Herr ſey 
io mächtig, daß den Rieſen ihre Stärke ihm gegenüber nichts geholfen 
babe, fonvdern daß fie ven Tod und feine Angſt durch die Sünpflut des 
Seren gefunden hätten. 

Haben wir nun gefehen, wie die Befanntichaft mit ven Perftichen 
Anfichten bey ven Ifraeliten zwar den Satan flatt des Fluchs Gottes in 
einigen Schriften des Alten Teftaments nennen läßt, doch keineswegs in 


160 Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit. 


ihm einen Zürften der Hölle erkennt, der einen Ort ver Dual für bie 
Seelen ver Gottlofen beberrfäht, fo müßen wir uns hüten, ihm mehr 
Beveutung zu geben im Alten Teftament, als er bat, denn für den wahren 
Bekenner des Mofaismus hat er gar feine. Im Buche von Tobias fogar, 
worin ein Glaube, an böfe Geiſter hervortritt, ift Alles, was von dem 
Teufel gefagt wire, nur wenig. Der Engel Raphael nämlih ſprach zu 
dem jungen Tobias (6. 9): Höre zu, ich will dir fagen, über welche ver 
Teufel Gewalt bat; nämlid über Diejenigen, weldde Gott veradhten und 
allein um Unzucht willen Weiber nehmen, wie dad dumme Vieh. (Der 
junge Tobias hatte Furcht vor einer Bermählung.) Diefer Teufel ift aber 
nicht einmal der wahre Teufel von Berfifcher Abkunft, der als ein einzelnes 
boͤſes Weſen dem guten Wefen feinplich entgegengefet ift, fonvdern nur Einer 
der böfen Geifter, die jenem untergeorpnet und feine Helfer find. Raguel, 
ein Verwandter des Tobias, hatte eine Tochter, heißt es (3), ver hatte 
man fieben Männer nach einander gegeben, vie Alle in ver Brautnacht 
umkamen durch einen böfen Geiſt Asmodi (der Name ift Perftfch und 
bedeutet ven, der zu verführen fucht, fo daß alfo viefer böſe Geift ſelbſt 
Gelüfte nach der Braut hatte). Gegen dieſen Fremdling bey den Kindern 
Iſrael giebt ver Engel Raphael dem jungen Tobias das geeignete Mittel 
an. Als er mit diefem Engel, ver fi für einen Menfchen ausgab, an 
den Fluß Tigris gefommen war und feine Füße waſchen wollte, fuhr ein 
großer Fiſch heraus, ihn zu verfchlingen. Er erfchraf fehr, und ver Engel 
fprah zu ihm: Ergreif’ ihn bei den Blopfedern, und ziehe ihn heraus. 
Sobald dieß gefchehen, fprach ver Engel: Haue den Fiſch von einander; 
das Herz, die Galle und vie Xeber behalte dir, denn fie find fehr gut zur 
Arzenei. Damit nun Tobias Raguel's Tochter ohne Gefahr heurathen 
fünne, belehrt ihn Raphael alfo: Wenn du mit deiner Braut in die 
Kammer kommft, folft du drei Tage dich ihrer enthalten, und mit ihr 
beten. Und viefelbige Nacht, wenn bu wirft die Leber vom Fiſch auf vie 
glühenden Kohlen legen, jo wird ver Teufel vertrieben werden. Die andere 
Nacht aber ſollſt du zu ihr gehen züchtiglich, wie die heiligen Patriarchen. *) 
Die dritte Nacht wirft du erlangen, daß geſunde Kinver von euch geboren 
werden. Wenn aber die dritte Nacht vorüber ift, fo ſollſt vu dich zur, 
Jungfrau zuthun mit Gottesfurdt. Tobias legte nun die Xeber auf die 
glühenden Kohlen, und der Engel Raphael nahm ven böfen Geiſt gefangen, 
und band ihn in die Wüfte, ferne in Aegypten. Dafür danken bann bie 


*) Diefer Ausdruck zeigt, daß der Schreiber des Buchs vom Tobias, obgleich 
er eine fromme Geſinnung zeigt, doch nicht vecht vertraut war mit der 
Geſchichte der heiligen Patriarchen. Denn wie die Bücher Mofe beflimmt 
berichten, übten diefe gerade nicht Enthaltſamkeit im biefer Bejtehung, und 
betrachteten fe nicht als ein frommes Thun. 


Segen und Stud des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit. 1601 


Glitern der Braut dem Herrn; der Engel aber fagte, daß die Braut dem 
Tobias zum Weibe befchert fey, weil er Bott fürchte, und daß fie darum 
feinem Andern zu Theil habe werben moͤgen. So draͤngte ſich alfo auch hier 
der Gedanke ein, daß Asmodi durch Gottes Yügung handle. Daß viefer 
böfe Beift durch Räuchern übermältigt wird, ruft pie Raͤucherung Aaron’s, 
weldhe vie Peſt vertreibt, in das Gedäaͤchtniß. 

Aus allem Angeführten gebt hervor, daß der Mofaismus nur einen 
®ott Iehrte, nicht aber andere Gelfter daneben, und am wenigften einen 
Teufel, deßen Erfindung den Perfern gehört. Die Schlange verführte das 
Weib, von dem Baum der Erkenntniß zu eßen. Und die Schlange war 
Iiger, heißt e8 im erſten Buch Mofe (3), denn alle Thiere auf dem 
Belde, die Gott, der Herr, gemacht hatte, und fprach zu dem Weibe: Sa, 
follte Bott gejagt haben: Ihr ſollt nicht een von allerlei Bäumen im 
Garten? Da fprah das Weib zu der Schlange: Wir efen von den 
Srüchten ver Bäume im Garten: aber von den Brüchten des Baums mitten 
im Garten bat Gott gefagt: Eßet nicht davon, rühret es auch nicht an, 
dag ihr nicht ſterbet. Da ſprach die Schlange zum Weibe: Ihr werbet 
mit nichten des Todes flerben; fondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr 
davon eßet, fo werben eure Augen aufgethan, und werdet feyn, wie @ott, 
und wißen, was gut und böfe ifl. Und das Weib fchauete an, daß von 
ven Baum gut zu eßen wäre, und lieblich anzufehen, daß ed ein Iuftiger 
Baum wäre, weil er Elug machte; umd nahm von der Frucht und af, 
und gab ihrens Manne auch davon und er af. Da wurden ihrer Beiber 
Augen aufgethban, und wurden gewahr, daß fie nadend waren; und 
flochten Beigenblätter zufammen, und machten ihnen Schürze. Und fie 
böreten die Stimme Gotted, des Herrn, der im Garten gieng, da der Tag 
fühle geworben war, und Adam verftedte fich mit feinem Weibe vor dem 
Angeftcht Gottes des Herrn, unter die Bäume im Garten. Und Gott der 
Herr rief Adam, und fprach zu ihm: Wo bift ou? Und er ſprach: Ich 
hörete deine Stimme im Garten und fürchtete mich, nenn ich bin nadend; 
darum verſteckte ich mich. Und er ſprach: Wer bat dirs gefagt, daß du 
nadenn bift? Haft du nicht gegeßen von dem Baume, davon ich bir 
gefagt Habe, du ſollteſt nicht davon efen? Da ſprach Adam: Das Weib, 
das du mir zugefellet haft, gab mir von dem Baume, und ih af. Da 
ſprach Gott der Herr zum Weibe: Warum baft du das gethan? Das 
Weib ſprach: Die Schlange betrog mich alfo, daß ich af. Da ſprach Gott 
ber Gerz zu der Schlange: Weil du folches gethan haft, feyeft du ver- 
flucht vor allem Bieh, und vor allen Thieren auf vem Felde. Auf veinem 
Bauch folft du geben, und Erde eßen dein Leben lang. Und ich will 
deindſchaft ſetzen zwifchen dir und dem Weibe, und zwiſchen beinem 
Samen und ihrem Samen. Derielbe fol dir den Kopf zerireten, und 
du wirkt ihn in die Ferſe ſtechen. 

IV. 1 


163 Segen und Fluch des Menfchen. Tod und Unfterblichkeit. 


In diefer Erzählung vie Schlange als Satan zu deuten, iſt vbllig 
unftatthbaft und willfürlich, denn es heißt, vie Schlange fei das liſtigſte 
Thier geweien, und als ein Bild der Klugheit und ver Lift bat fie immer 
im Altertfum gegolten, und auch pas neue Teflament erfennt dies an in 
dem Spruch: Seyd Flug wie die Schlangen und fanft wie vie Tauben. 
Die Schlange wird verdammt, auf ihrem Bauche zu gehen und Erde zu 
egen, und fie fol von dem Menfchen getreten werben, ihm aber den Fuß 
verlegen, wie e8 in der Wirklichkeit vorkommt, fo daß an den Satan 
nicht zu denken ift, ver zu jener Zeit, als das erfle Buch Moſe nieder- 
geichrieben ward, bey ven Perfern wohl erfunden ſeyn mochte, ohne daß 
wir annehmen dürfen, er fen ven Ifraeliten fchon befannt geworben. Die 
Deutung aber ift ein um fo anmafßenverer Verſuch, Einfälle an bie 
Stelle des wirklich Erzählten zu fegen, als im Moſaismus mit Tlaren 
und unzweifelhaften Worten ausgeſprochen iſt, daß es Gott felbft ift, 
welcher ven Menichen in Verfuchung führt, und das Werkzeug, wodurch 
er verfucht, beftraft, daß es aber außer ihm feinen Geift giebt, weder 
einen guten, noch einen böfen, fo daß alles von ihm allein ausgeht. Darum 
ift die Deutung, welche das Buch von der Weisheit Salomo's giebt, durch 
des Teufels Nein fey der Tod in die Welt gekommen, eine falſche, dem 
Mofaismus geradezu widerſprechende, von der perfiichen Lehre ausge⸗ 
gangene. Trotzdem erfennt aber auch dieſes Buch Fein dem Satan gehdriges 
Neih mit Höllenqualen für die Seelen ver Gottlofen an, venn auch bier 
wie überall in dem Alten Teftament ift die Hölle nur gleichbedeutend mit 
dem Tod, und in finnliher Anſchauung die unterirdiſche Finſterniß; denn 
fo heißt e8 (17. 14) von der Agpptifchen Finſterniß, welche eine gräuliche 
und eine rechte Nacht und aus der gräulichen Höfe Mintel gekommen 
war. Don Gott aber heißt e8 (16. 13): Du führeft hinunter zu ver 
Höllenpforten und führefl wieder heraus; und von ven Menfchen Iefen 
wir (2. 1): So weiß man einen nit, ver aus der Hoͤlle wieber- 
gefommen fey. (Alfo Fromme wie Gottlofe kommen allgzumal in vie 
Höfe, und Keiner kehrt aus ihr zurüd, d. h. Keiner ift je vom Tode 
wieder erflanven.) PBreilih Hat dieſes Buch auch neben ſolchen Aus⸗ 
fprüchen ten von einer Belohnung durch ein ewiges Leben, denn es 
fagt (3): Der Geredhten Seelen find in Gottes Hand, und Feine Dual 
rühret fie an. Bor den Unverfländigen werven fie angejehen, als flürben 
fie, und ihr Abſchied wird für eine Pein gerechnet, und ihre Hinfahrt 
für ein Verderben; aber fie find im Frieden. Ob fie wohl vor den 
Menſchen viel Leiden haben; fo fin fle doch gewißer Hoffnung, daß fie 
nimmermehr fterben. Sie werben ein wenig geftäupt, aber viel Gutes 
wird ihnen widerfahren; denn Gott verſucht fie, und findet fie, daß 
fie feiner mwerth find. Und zu der geit, wenn Gott varein fehen wird, 
werben fie helle fcheinen, und vaherfahren, wie Flammen über ven 


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Segen und Fluch des Menfchen. Tod und Unfterblichteit. 163 


Stoppeln. Sie werben die Heiden richten, und berrichen über Völker, 
und der Herr wird ewiglich über fle herrichen. Denn vie ihm vertrauen, 
die erfahren, daß er treulich Hält, und die treu find in ver Liebe, läßt 
er ihm nicht nehmen. Denn feine Heiligen find in Gnaden und Barm⸗ 
berzigfeit, und er hat ein Aufiehen auf feine Auserwählten. Aber vie 
Sottlofen werben geftraft werben, ihre Hoffnung iſt nichts, und ihre 
Arbeit ift umfonft, und ihr Thun iſt Fein nütze. Ihre Weiber find 
Närrinnen und ihre Kinder find boshaftig. Verflucht ift, was von ihnen 
geboren iſt. Denn feelig ift die Unfruchtbare, vie unbefledt iſt, vie va 
unfchuldig if des fünblichen Bettes: viefelbige wird es genießen zu ber 
Zeit, wenn man die Seelen richten wird, veflelbigen gleichen ein Unfrucht« 
barer,, der nichts Unrechtes mit feiner Hand thut, noch Arges wider ben 
Seren denkt: Dem wird gegeben für feinen Glauben eine ſonderliche 
Babe, und ein beßeres Theil im Tempel des Herrn. Denn gute Arbeit 
giebt herrlichen Lohn, und die Wurzel des Verſtandes verfault nicht. 
Aber die Kinder ver Ehebrecher geveiben nicht, und ver Same aus unrech⸗ 
tem Bette wird vertilget werden. Und ob fte gleich lange lebten; fo 
müßen fie doch endlich zu Schanden werben, und ihr Alter wird doch 
zulegt obne Ehre feyn. Sterben fte aber bald, fo haben fie doch 
nichts zu hoffen, noch Troſt zu der Zeit des Gerichts, denn die Ungerech⸗ 
ten nehmen ein bdfes Enve. Aber der Gerechte, ob er gleich zu zeitlich 
ſtirbt, ift er doch in ver Ruhe. Es verbammet ver verfiorbene Gerechte 
die lebendigen Gottlofen, und ein Junger, der bald vollfommen wird, daß 
lange Leben des Uingerechten. Sie fehen wohl des Weilen Ende, aber fle 
merfen nicht, wa8 der Herr über ihn bevenfet, und warum er ihn bemahret. 
Sie fehen es wohl, und achten ed nicht. Denn der Herr verlacht fie; 
und werben darnach fehännlich fallen, und eine Shmad fein unter 
den Todten ewiglidh. Und er wird fie unverſehens hernieverftürzen, 
und fie werden in Uengften fein und ihr Gedächtniß wird ver- 
loren feyn. Sie werben aber fommen verzagt mit dem Gewißen ihrer 
Sünden, und ihre eigene Sünden werben fie unter die Augen fchelten. 
Alsdann wird der Gerechte flehen mit großer Freudigkeit wider die, fo 
ihn geängftiget haben, und fo feine Arbeit verworfen haben. Wenn die⸗ 
felbigen dann ſolches fehen, werben file graufam erfchreden vor folder 
Seeligfeit, die fie ſich nicht verjeben hätten. Und werden unter einander 
reden mit Neue, und vor Angft des Geiftes feufzen: Das ift ver, welchen 
wir etwa für einen Spott hatten, und für ein höhniſch Beifpiel. Wir 
Narren hielten fein Leben für unfinnig, und fein Ende für eine Schanbe. 
Wie ift er nun gezählet unter die Kinder Gottes, und fein Erbe if unter 
ven Heiligen. Darum fo haben wir des rechten Weges gefeblet, und 
haben gewandelt. wüfle Umwege, aber des Herren Weg haben wir nicht 
gewußt. Was Hilft uns nun die Pracht? Was bringt uns ver Reich 
11* 


164 Segen unn Klub des Menſchen. Tod und Unfterblicteit. 


thum fammt dem Hochmuth? Wir haben ein Ende genommen, und haben 
fein Zeichen der Tugend bemiefen; aber in unferer Bosheit find wir ver 
zehret. Denn des Gottlofen Hoffnung ift wie ein Staub vom Winde zer⸗ 
fireuet, und wie man Gined vergißet, der nur einen Tag Gaſt geweſen 
if. Aber vie Gerechten werben ewiglich Leben (vie Ungerechten 
alfo nicht?), und ver Herr iſt ihr Lohn, und der Höchſte forget für fie. 
Darum werden fie empfangen ein herrliches Reich, und eine fchöne Kram 


von der Sand des Herrn. Denn er wird fie mit feiner Rechten bejchirmen, " 


und mit feinem Arm vertbeidigen. Er wird feinen Eifer nehmen zum 
Harniſch, und wird die Creatur rüften zur Rache über die Feinde. kr 
wird Gerechtigkeit anziehen zum Panzer, und wird das ernſte Geriät 
auflegen zum Helm. Er wird Heiligkeit nehmen zum unüberwinblicen 
Schilde. Er wird den ftrengen Zorn wetzen zum Schwerbt, und vie Welt 
wird mit ihm zum Streit ausziehen wiver die Unweifen. Die Geſchoße 
der Blitze werden gleich zutreffen, und werden aus den Wolken fahren 
zum Biel. Und wird dicker Hagel fallen aus dem Zorn ber Domer- 
ihläge. So mird auch des Meeres Waßer wider fie wüthen, und die 
Ströme werden ſich mit einanver. heftig ergießen. Und wird aud fin 
flarfer Wind ſich wider fie legen, und wird fie wie ein Wirbel zerftreuen. 

Diefe ganze Schilverung enthält jedoch Feine eigentliche Beftrafung 
der Bdien in einer jenfeitigen Welt, fondern nur eine Annahme eine 
Gerichts, das einft kommen wird, in einer flark finnlichen Form vorge 
ſtellt, ſo daß ein Elarer Begriff von dem Zufland der Geftorbenen ver 
dem Gintreten jenes Gerichts nicht vorhanden if. Ein folches Geriät 
aber, wo Gott mit ven Gerechten auftritt und bie Ungerechten im Kampf 
überwindet, worauf ein Neich ver Gerechtigkeit in alle Ewigkeit folgen 
zu müßen fcheint, ift dem Mofaismus ganz fremd, und eben fo wenig 
leuchtet eine Spur davon durch das, was aus dem femitifchen Heidenthum 
aufbewahrt ift, wogegen dieſes Verhaͤltniß nicht ganz unähnlich ift vem 
Kampfe des Ormuzd gegen Ahriman, welcher Iegtere mit feinem Reiche 
der Binfternig von dem Gotte des Lichts beflegt wird, fo daß fortan mır 
ein Neich des Lichts befteht, und es fcheint demnach, daß obige Schil- 
derung aud einem apokryphen Buche, welches in Beziehung auf ven 
Mofaismus dem Pentateuch nachftehen muß, unter dem Einfluße einer 
aud dem Perftfchen entlehnten Vorſtellung gefchrieben worben ifl. Wenn 
nun auch) dieſes Buch in Einigem abweichende Anflchten Hat, fo iſt doch 
auch die Vorftelung von Gott, wie fie ver Mofaismus varbietet, darin 
enthalten. Gott hat die Welt aus ungeflaltem Wefen erichaffen (11) und 
Alles georbnet, erbarmet ſich über Alles, das da ift, und haßet nichts, 
was er gemacht hat, denn er hat nichts bereitet, wogegen er Haß Hätte. 
Wie Fonnte etwas bleiben, menn er nicht wollte? ober erhalten werben, 
was er nicht gerufen hätte? Dann beißt e8 (V. 27): Du ſchoneſt aber 


Segen und Fluch des Menſchen. Top und Unfterblichkeit. 168 


(der; denn fie find dein, Herr, du Liebhaber des Lebens, und 
ein unvergänglider Geiſt ift in Allen. 

Der Prediger Salomo mellt ven Menfchen nicht an zu leben im 
binblick auf einen Lohn oder eine Strafe in einer andern Welt. Er 
ast (3. 20): Es führt Alles an einen Drt, es ift Alles von Staub 
vmacht, und wird wieder zu Staub, und (7. 1): Wer weiß, was 
em Menfchen nüglich ift im Leben, jo lang er lebt in feiner Eitelkeit, 
velches dahinfaͤhrt, wie ein Schatten. Nicht ein Glaube, fonvern ein 
Zweifel erfcheint in ven Worten (3. 21): Wer weiß, ob ber Geift des 
Menichen aufwärts fahre, und der Odem des Viehes untermärtd unter 
ve Erbe fahre. Dann heißt es (6): Wer Alles hat und verfteht nicht 
8 zu genießen, ob er auch zwei taufend Jahre Iebte, fo hat er nimmer 
keinen guten Muth: kommt es nicht Alles an Einen Ort. Selbſt 
Ne Folgen des frommen und des gottlofen Lebens erfcheinen zweifelhaft, 
mn er fagt (8. 13): Der Gottlofe lebet lange. Doch flieht man 
ah das Gegentbeil, darum giebtd nicht Beßeres als eben und trinfen 
mb fröhlich feyn (5. 17). So ſehe ih nun das für gut an, daß es 
in fen, wenn man ißet und trinfet, und gutes Muths ift in aller Arbeit, 
le Einer thut unter ver Sonne fein Lebenlang, das ihm Gott giebt; venn 
a8 ift fein Theil. Denn welchem Menfchen Gott Neichthum und Güter 
nd Gewalt giebt, daß er davon ißet und trinfet für fein Theil, und 
Shih iſt in feiner Arbeit; das iſt eine Gottesgabe. Denn er benft 
It viel an das elende Leben, weil Gott fein Herz erfreuet. Dieſe 
ebensweife flimmt zufammen mit ver dem afigriichen Könige Sardanapal 
uf das Grab gefchriebenen: IE, trinke, lebe ver Liebe, da dad Andere 
ichts werth ift, verträgt fich aber fohlecht mit dem Glauben an einen 
aftand wahrer Seeligkeit jenfeits, der auf den Frommen wartet. Diefer 
Irediger verzweifelt daran, die Welt zu begreifen (8. 17): Und 
h fah alle Werke Gottes: denn ein Menſch kann das Werf nicht finden, 
is unter der Sonne geichiehet,; und je mehr ver Menſch arbeitet zu 
chen, je weniger er findet. Wenn er gleich fpricht: Ich bin weiſe und 
eig es; fo Fann er ed doch nicht finden (9. 2). Es begegnet Einem 
ie dem Andern, dem Gerechten wie dem Gottlofen, dem Guten und 
einen wie dem Unreinen, dem der opfert, wie dem, der nicht opfert. 
ie e3 dem Guten gebt, fo gebt es auch dem Sünder. Wie es dem 
teineinigen geht, fo geht ed auch dem, ver den Ein fürchtet. Das ift 
n böjes Ding unter Allem, das unter der Sonne geſchiehet, daß es 
Inem gehet wie dem Andern; daher auch das Herz der Menfchen vol 
sge8 wird, und Thorbeit ift in ihrem Kerzen, dieweil fle leben; dar⸗ 
uw müflen fie flerben. Denn bey allen Lebendigen iſt, das 
an wünſchet, nämlih Hoffnung; denn ein lebendiger Hund 
3 beßer, weder ein todter Löwe. Denn die Lebenvigen wißen, 


166 Segen und Fluch des Menſchen. Ton und Unfterblichkeit. 


dag fie flerben werden, die Todten aber wißen nichts, fie ver- 
dienen auch nichts mehr, denn ihr Gedächtniß iſt vergeßen. 
Darum genieße das Leben, denn in der Hblle, da du hinführeft, 
ift wever Werk, Kunft, Vernunft, noch Weisheit. Im Leben 
aber liegt Alles an der Zeit und am Glück. Wenn nun verjelbe Prediger 
fagt (12. 7): Der Staub muß wieder zu der Erde Eommen, wie er 
geweien ift, und der Geift wieder zu Gott, ver ihn gegeben hat, und 
binzufügt, ed ift Alles ganz eitel, fo ift aus dieſen Worten durchaus 
fein Schluß zu ziehen auf eine perfönliche Fortdauer des Menfchen jenfeits 
mit Belohnung over Beftrafung, denn ver Ausſpruch gilt von Allen, ven 
Frommen fowohl, als ven Gottlofen. Zwar fagt er au (12. 13): 
Laß und die Hauptfumma aller Lehre hören: Fürchte Gott und halte 
feine Gebote, denn das gehöret allen Menfchen zu. Denn Gott wird alle 
Werke vor Gericht bringen, das verborgen ift, es fey gut ober böfe. 
Doch dürfen wir nicht an ein Gericht denken von ber Art des oben 
befhriebenen, fondern wir haben hier menſchliche Anfichten neben ein- 
ander mit dem Sat, daß Gott zu fürchten fen, als ver, welcher über 
Alles waltet und richtet, ohne daß die einander ausſchließenden Anfichten 
auszugleichen verjucht werden wäre. 

In den Sprüchen Salomo's finden wir fein anvered Verhaͤltniß ange- 
deutet. Daſelbſt Heißt e8 (1. 12): Lebendig verfchlingen wie die Hölle. 
(3. 2): Gottes Gebote halten bringt langes Leben und gute Jahre und 
Brieven. (9): Ehre den Herrn von deinem Gut und von den Erftlingen 
alles deines Einkommens, fo werden beine Scheunen voll werben, und 
beine Kelter mit Moft übergehen. (5. 5): Ihre Füße laufen zum Top 
Binunter, und ihre Gänge erlangen die Hölle, fie gehet nicht ſtracks auf 
dem Wege des Lebens. (5. 23): Er wird flerben, daß er ſich nicht 
will ziehen laßen. (7, 23): Die Strafe ver Zucht ift ein Weg des 
Lebens. (7. 27): Ihr Haus find Wege zur Hölle, da man hinunter 
fährt in des Todes Kummer. (8): Weisheit führt zum Leben, ihr Haß 
zum Ted, (15): Der Weg des Lebens geht überwärts, Flug zu wachen, 
auf daß man meide vie Shlle unterwärtd. (23): Du Haueft ihn mit ver 
Ruthe, aber du erretteft feine Seele von der Hölle. (27): Hölle und 
Berberbniß werden nimmer vol, und (80): Die Holle wird nicht fatt, 
Seltfam Ehnnte der Ausſpruch fcheinen (28. 17): Ein Menfch, ver am 
Blut einer Seele Unrecht that, ver wird nicht erhalten, ob er auch in 
bie Hölle führe, Doch der Sinn dieſer Stelle ift Ieicht zu erkennen, und 
lautet dahin, daß, wenn ſich auch ver Verbrecher in die Tiefen ver Erden 
verſtecken wollte, er Feine Sicherheit finden würde, 

Zur Zeit ver Maccabäer hatten die Kinder Ifrael bereits fo viele 
Berührungen mit andern Völkern gehabt und ver Mofaismus war fo oft 
und fo ſchwer erichättert werben, daß eine ernfte Erneuerung eine fehwere 


Segen und Fluch des Menjhen. Tod und Unfterblichkeit. 167 


Aufgabe war, die aber, weil vie Religion ganz und gar mit vem Beftehen 
des Volks in feiner Selbſtſtändigkeit zufammenhieng, gelingen Eonnte. 
Aus dieſer Zeit ver Wiederherftelung aber werden mehrere Wunder 
berichtet, und die Anfichten über ven Zuſtand nah dem Tode fcheinen für 
die Annahme einer Belohnung over Beſtrafung jenſeits zu fprechen. Der 
alte Maccabäus fagt (II. 6. 26): Was habe ich davon, wenn ich ſchon 
jest ver Menſchen Strafe entflöhe; weil ich Gottes Händen, -ich fey 
lebendig oder todt, nicht entfliehen mag. Als er gemartert ward, fagte 
er (7. 9): Du verfluchter Menſch, vu nimmſt mir wohl daß zeitliche 
Keben; aber der Herr aller Welt wird uns, die wir um feines 
Geſetzes willen flerben, aufermeden zu einem ewigen Leben. Daß 
diefe Anſicht aber eine wirkliche leibliche Wiedererweckung meint, gebt 
bervor aus dem, was er weiter fagt (V. 11): Diefe Gliedmaßen hat mir 
Gott vom Simmel gegeben, darum will ich fie gerne fahren laßen, um 
jeine8 Geſetzes willen, denn ich hoffe, er werde mir's wohl wieber 
geben. (B. 14): Da er aber fterben wollte, ſprach er: Daß ift ein großer 
Troft, daß wir hoffen, wenn und die Menfchen erwürgen, daß und Gott 
wird wieder auferweden; vu aber wirft nicht auferwedet werben zum 
Leben. Die Mutter der fleben Brüder, die gemartert wurden, fprach (B.22): 
sh bin ja eure Mutter und habe euch geboren; aber den Odem und das 
Leben babe ich euch nicht gegeben, noch eure Gliedmaßen alſo gemacht. 
Darum fo wird der, der die Welt und alle Menfchen geichaffen hat, euch 
den Odem und das Leben gnädiglich wiedergeben, wie ihr es jegt um 
jeine8 Geſetzes willen waget und fahren laßet, und ferner (B. 28): Du 
mein liebes Kind, ſiehe an Himmel und Erve, und Alles, was darinnen 
iſt; dieß hat Gott Alles aus nichts gemacht, und wir Menfchen find audh 
jo gemacht. Darum fürdte dich nicht vor dem Henker, ſondern ftirh 
gerne, wie beine Brüder, daß dich der gnädige Gott fammt deinen Brüdern 
wieder lebendig made, und mir wieder gebe. Der Jüngling aber 
ſprach zu dem Tyrannen (DB. 36): Meine Brüder, die eine Eleine Zeit 
fi) Haben martern laſſen, vie warten jetzt deö ewigen Lebens nach ver Ver- 
heißung Gottes. Du aber ſollſt nach dem Urtheil Gottes geftraft werben, 
wie du mit deinem Hochmuth verdient hafl. ALS Judas Maccabäus den 
Edomiten⸗Feldherrn Gorgias gefchlagen hatte, und feine Todten beftatten 
wollte, fand man an dielen unter dem Hemde Kleinovien von den Güben 
aus Jamnia, welches ven Juden im Gefeß verboten ift (12. 40). Da 
warb es offenbar vor Jedermann, warum dieſe erichlagen wären. Da 
dankten fie Gott, dem gerechten Richter, ver das SHeimliche fo an ven 
Tag gebracht Hatte; und baten ihn, er wolle ja um dieſer Sünde willen 
fie nicht Alle vertilgen. Und Judas vermahnte fie und hieß fie darnach 
eine Steuer zufammen legen; vie fchidte er nach Ierufalem zum Sünd⸗ 
spfer. Und that wohl und fein daran, daß er von der Auferftehung 


268 Segen und Blu des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit. 


eine Erinnerung that, denn wo er nicht gehofft hätte, daß 
pie fo erfhlagen waren, würden auferfleben;-wäre e8 ver 
geblih und eine Thorheit gewefen, für die Todten zu bitten. 
Meil er aber bevachte, daß die, fo im rechten Glauben flerben, 
Freude und Seligfeit zu boffen haben; ift e8 eine gute und heilige Mei- 
nung gewejen. Darum bat er auch für viefe Todten gebeten, daß ihnen 
bie Sünde vergeben würte. Der eifrige Jude Rhazis ward von Nicanor 
in einem Thurm bevrängt (Kap. 14), und wollte fich Lieber erftechen, als 
In Feindes Hand fallen, traf fi aber nicht recht, und flürzte ſich hinab 
und rannte auf einen hoben Belfen. Und da er gar verblutet Hatte, 
nahm er nod) die Därme aus dem Leibe, und warf fie unter vie Kriegs- 
knechte, und rief zu Gott, ver über Leben und Geift Serr ift, er wollte 
ihm dies Alles wieder geben; und er flarb alſo. Hier ſehen wir in allen 
Ausprüden vie Anficht, daß, wer nicht im rechten Glauben ftirbt, Feine 
Hpffnung auf Wiedererwachung hegen kann, daß aber ver Fromme einft 
leiblich wieder auferftchen wird vom Tode, einen Kohn over eine Strafe 
währenn des Todes fehen wir daneben nicht angenommen. Im Bude 
Hiob ft die nämliche Anficht mit klaren und beflimmten Worten 
ausgefprochen (19. 25): Ih weiß, daß mein Erldfer Iebet; und 
er wird mich bernady aus der Erde auferweden; und werde darnach 
mit dieſer meiner Haut umgeben werden, und werde in meinem Fleiſch 
Gott ſehen. Denfelben werde ich mir fehen, und meine Augen werden 
ibn ſchauen, und fein Bremder Auf viele Lehre find auch die 
Morte zu beziehen, welche wir im Buche Tobias Iefen (2. 17): Wir 
find Kinder der Heiflgen, und warten auf ein Leben, welches Gott geben 
wird denen, fo im Glauben ſtark und feft bleiben vor ihm. *) 


*) In dem Chriftenthume ift die Lehre von der Auferfiehung bes Fleiſches eine 
duch Chriſti Auferfiehung, welche als die Bürgfchaft dafür anzufehen 
ift, feftftehende, und ohne fie würde das jüngfte Bericht nach vorgängigem 
Aufenthalt der Seelen im Himmel oder in der Hölle ein vergebliches 
feyn, wenn man nämlich folche Myfterien mit dem menfchlichen Begriffe 
von Gottes Allwißenheit und Gerechtigkeit in Cinflang bringen wollte. 
Denn wie fünnte, würden wir unferer Begriffsweife nach fügen müßen, 
wie könnte der allwißende und allgerechte Gott eine Seele in die Hölle 
floßen, die es nicht verdient, und eine in den Himmel aufnehmen, bie 
deßen nicht würdig wäre. Wozu aber, wenn bereits alle Gerechtigkeit 
geübt, wenn aller Lohn und alle Strafe bereits nach Gebühr ertheilt 
wäre, wozu denn noch ein jüngftes Gericht, welches ja nichts mehr zu 
richten fände. So muß nothgedrungen der Verſtand in diefer Sache 
fprechen, welcher freilich niemals als ausreichend in Religionsmpyfterien 
gelten Tann. Was aber aus den Seelen wird bis zu jenem großen Tag 
der Auferſtehung des Fleiſches, lehrt das neue Teflament uns nicht, denn 
nur Lucas erzählt (Kap, 33), daß Chriſtus zu einem der beiden Mörber, 


Segen und Fluch des Menichen. Tod und Unfterblichkeit. 169 


Im fünften Buch Mofe, welches die moſaiſche Gottes » Gefeßgebung 
wiederholt, Heißt es im Abſchiedsſegen des ſterbenden Mofe (33. 2): Der 


bie mit ihm gefreuzigt wurden (nnd von welchen der Eine den Heiland 
läfterte, der Andere aber diefen mit Worten ftrafte, und zu Jeſu fagte: 
Herr, gedenfe an mich, wenn du in dein Reich fommft), die Worte fpradh: 
Wahrlich, ich fage dir, Heute wirft du mit mir im Paradieſe fein. Diefes 
it nun freilich eine gewichtige Stelle, die wir aber mit der Auferftes 
hungslehre nicht vereinigen fünnen. Freilich fagt Lucas von fi, daß er 
nach Hörenfagen und Aufzeichnungen fchreibe, und bemerft dabei nicht, 
daß der heilige Geiſt ihn treibe oder ihm beiftehe (was aber freilich ohne 
fein Wißen gefchehen feyn Fünnte), fonbern daß er fhreibe, weil er ſelbſt 
es für gut angefehen. Dem Lucas aber widerfpricht Matthäus geradezu, 
denn er erzählt (Rap. 27), daß auch die beiden Mörder, welche mit 
Chriſtus gefreuzigt wurben, ihn fchmähten. Eben fo fagt Marcus (Kap. 15): 
Und die mit ihm gefreuzigt waren, ſchmähten ihn au. Johannes aber 
fhreibt bloß (Kay. 19): Allda Freuzigten fie ihn, und mit ihm ziveen 
Andere zu beiden Seiten, Jeſum aber mitten inne. Diefer unlösbare 
Miderfpruch in der Meberlieferung ift von der höchften Wichtigkeit, weil 
er eine der wichtigften, ja man fünnte wohl fagen, bie wichtigfle der 
chriſtlichen Religionslehren betrifft, denn was könnte wichtiger feyn, als 
ein Auffchluß über das Loos der Menfchenfeele vor dem jüngften Bericht 
nach der Auferflehung des Fleiſches, welche Iebtere nun einmal unwan⸗ 
delbar feft ſteht durch Chriſti Auferfiehung, der die Hölle, d. i. den 
Tod, beflegte, und jene verbürgte. Denn Alles, was durch Ghriftus 
geſchah, follte eben die Menfchen erlöfen und durch den Glauben retten, 
fals der Menſch Chriſtus nachfolgen wollte, d. 5. leben, wie der Hei: 
land in fih das Mufter auffiellte. Wäre das nicht, fo konnte ja Bott 
erfcheinen, wie er fonft erfihienen war und fich offenbart hatte. Daß er 
aber das menfchliche Leben von Kindheit an bis zum vollen Mannesalter 
durchlebte mit der vollen Menfchennatur neben ber göttlichen, Tann von 
uns nur begriffen werden, wenn wir annehmen, fein Leben follte für bie 
Menſchen die wahre Lehre eines gerechten und gottgefälligen Lebens ent: 
halten, fo daß, wer nicht lebt nach Chriſti Vorbild, eben fein wahrer 
Chriſt und Glaͤubiger if, und daß das chriftliche Leben den chriftlichen 
Glauben beftätigen muß, da der Glaube ohne ein foldjes Fein wahrer 
Vebendiger Glanbe feyn kann. Doc um wieder zur Auferftehungslehre 
zurüdzufommen, fo muß noch bemerft werden, daß nicht alle Juden an 
biefelbe glaubten, daß aber diefelbe als ein Hauptartikel des hriftlichen 
Blaubens von den Apofteln angefehen ward. In der Apoftelgefchichte 
fagt Petrus (2. 24): Den Gott auferwedet und aufgelöfet die Schmerzen 
des Todes, nachdem es unmöglich war, daß er follte von ihm gehalten 
werden, und fo fpricht auch Petrus weiterhin. Bon Paulus aber erzählt 
bie Apoftelgefchichte (23), wie er ſich vor dem Rath zu Ierufalem vers 
theibigte, wo es heißt: Als aber Paulus wußte, daß ein Theil Sad⸗ 
ducäer war, und der andere Theil Pharifäer, rief er im Rath: Ihr 
Männer, lieben Brüder, ich bin ein Pharifäer, und eines Pharifäers 
Sohn; ich werde angeklagt um der Hoffnung und Anferfte 


170 Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblidkeit. 


Herr ift von Sinai gefommen, und iſt ihnen aufgegangen von Seir; er 
ift bervorgebrochen von dem Berge Paran, und ift ‚gefommen mit viel 
taufend Heiligen; zu feiner rechten Hand ift ein feuriged Geſetz an fie. 
Wie hat er die Leute fo lieb! Alle feine Heiligen find in deiner Hand; 
fie werben ſich fegen zu deinen Füßen, und werben lernen von veinen 
Worten. Diefe Angabe flimmt nicht überein mit dem, was in den andern 
Büchern des Pentateuch gelehrt wird, weldde von taufend Heiligen, bie 
zugleih mit Gott erfchienen waren, nichtd melden, und nichts enthalten, 
was zur Deutung diefer Worte dienen koͤnnte. Diejelben auf ein Leben 
der Frommen im Sinmel, oder auf einen Auferfiehungsglauben zu deuten, 
dürfen wir uns nicht erlauben, weil eine ſolche Erklärung nur eine will- 
fürliche feyn würde. Das erfle Buch Mofe bietet einen Fall dar, welcher 
eben fo der Erklärung, wenn fie mit dem Moſaismus übereinftimmen fol, 
widerſteht. Don ven frommen Henoch nämlih wird erzählt (5. 24): 
Dieweil er ein gdttliched Leben führte, nahm ihn Gott hinweg und ward 
nicht mehr gefehen. Man Tann viefes Verſchwinden Henoch's mit dem 


bung willen der Todten. — Die Sadducäder fagen, es fey 
Feine Auferſtehung, noch Engel, noch Geiſt; die Phariſäer 
aber befennen Beides. Wir ſehen alſo hier eine große Verſchie⸗ 
denheit in dem Glauben und in ber Auffaffung der göttlichen Dinge. 
Sa, daß die Gottesläugnung felbit unter den Kindern Iſrael nicht uner: 
hört war, lehrt uns der Pſalmiſt, welcher (53. 2) fagt: Die Thoren 
fprechen in ihrem Herzen: Es ift fein Bott. Uebrigens iſt noch ein 
Bericht des Matthäus in Betreff der Auferſtehungslehre leider abgebrochen 
und unverfländlich. Er fagt nämlich (27): Jeſus verfchien, und die Erbe 
erbebte, und die Felſen zerrißen, und die Gräber thaten fih auf, und 
fanden auf viele Leiber der Heiligen, die da fchliefen. Und giengen aus 
den Gräbern nach feiner Auferfiehung, und famen in bie heilige Stabt 
und erfchienen Vielen. Wohl wäre es wünfchenswerth für uns, zu erfah- 
ten, was aus dieſen Auferflandenen geworden fey, da fpäterhin nie mehr 
die Rede von ihnen if. Doch Matthäus fchweigt und die übrigen Evan- 
gelien erwähnen biefer wichtigen und für uns fo dunfeln Sache gar nicht. 
Wiewohl die vier Evangelien auch nicht in allen Einzelnheiten der Erſchei⸗ 
nnng Chriſti nach der Auferfiehung genau übereinflimmen, fo lautet ihre 
Erzählung doch beflimmt dahin, daß Chriftus vollfommen Teiblich erfchie- 
nen fey; wie aber das Leben der Menjchen einft nach ihrer Auferflehung 
feyn wird, bat uns Gott nicht offenbart, und wir wißen nur, daß fie 
nicht mehr freien werben, wie es heißt, fonft aber nichts. Wäre es nicht 
vermeßen, in ſolchen dem menfchlichen Verſtande unbegreiflichen und 
undurchbringlichen Myfterien aus Andeutungen der heiligen Schrift einen 
Schluß zu ziehen, fo möchte man glauben, daß nur die Heiligen, d. h. die 
Släubigen, welche die Gebote Gottes gehalten haben und nie von Bott 
und feinen Geboten abgefallen find, das ewige Leben behalten werben 
nach der Auferftehung, daß aber die Sünder und Abtrünnigen dem ewigen 
Tode Hingegeben werben nach dem jüngflen Gerichte. 


Segen und Fluch des Menſchen. Tod und Unfterblichkeit. 171 


bed Propheten Elia vergleihen, muß e8 aber als ein Wunder unerflärt 
laßen. Auch daß Elia einft wieder Eommen fol, läßt ſich nicht auf eine, 
ſchon zu jener Zeit verbreitete Auferftehungslehre beziehen, denn er bilvet 
eine Ausnahme, und Gott thut Wunder fowohl durch ihn, als mit ihm. 
Bei dem Propheten Daniel aber, dem Oberſten ver Sternfeber, wie er 
genannt wird, in dem Exil ſehen wir die Auferftehungsanflcht deutlich 
ausgedrüdt. Ihm ſagt der Engel (12. 13): Tu aber, Daniel, gebe 
bin, bis das Ende komme; und ruhe, daß du auferfteheft in deinem 
Theil am Ende der Tage. 

Wenn nun die mofaifche Gotteslehre von ver Lnfterblichfeit ver 
Seele jchweigt, und „vie Propheten nur von der Hölle, ald dem Orte der 
Todten, fprechen, wie Iefaia (38. 10): Nun muß ich zur Höllen Pforten 
fahren, da meine Zeit aus iſt;“ und wir ferner erft in einer fpätern 
Zeit vie Lebenshoffnung nach dem Tode auf eine Auferftehung des Fleiſches 
gegründet fehen, fo fragt e8 fi, ob man ven Tod als eine ſolche Ver- 
nichtung angeſehen babe, daß auch nicht eine Schattenfeele übrig blieb, 
wie wir fie z. B. im griehifchen Hades in der Homeriſchen Odyſſee 
erbliden. Geravezu Laßt fih ein folder Glauben nicht behaupten, es 
ſpricht aber fo viel dafür, dag wir ihn wahrfcheinlich finden koͤnnen. 
Schon der Umftand, daß bei allen Völkern, vie einige Religion ent- 
wickelten, ein mehr over minder hervortretender Glaube an bie Geifter 
ver Verſtorbenen flattfinvet, läßt uns bei den Semiten einen ſolchen eher 
wahrſcheinlich al8 unmahrjcheinlich finden, und muß und verhindern, in 
die Spuren, die wir von vemfelben zu entdecken vermögen, Miptrauen 
zu feßen. Doch betrachten wir zuerft ihre Anficht von ven Todten, und die 
Gebräuche, die ihm galten. Der Todte verunreinigte (Mofe IV. 19. 14). 
Daher Iautete das Gefeh: Wer in die Hütte gehet (worin Einer flirbt), 
und Alles, was in der Hütte ift, fol unrein ſeyn fleben Tage. Und 
alles offene Geräthe, das Feinen Dedel noch Band hat, ift unrein. Auch 
wer anrühret auf dem Belve einen Erichlagenen mit dem Schwerbt, oder 
einen Todten, oder eines Menfchen Bein over Grab, der ift unrein fieben 
age. So follen fie nun für ven Unreinen nehmen die Afche des verbrannten 
Sündopferd (nämlich ver röthlichen Kuh), und fließendes Waßer darauf 
thun in ein Gefäß. Und ein reiner Mann fol Yſop nehmen, und ins 
Waßer tunfen, und die Hütte befprengen, und alle Geräthe, und alle 
Seelen, die varinnen find; alfo auch ver eines Todten Bein, over Erſchla⸗ 
genen, oder Todten, oder Grab angerühret hat. Es fol aber ver Reine 
den Unreinen am dritten und flebenten Tage befprengen, und fol feine 
Kleider waſchen und fi im Waßer baven, fo wird er am Abend rein. 
Als die Zeit der Todtentrauer giebt dad Buch Jeſus Sirach (22. 13) 
fieben Tage an, und fagt (38. 16): Wenn Einer flirbt, fo beweine ihn, 
und Elage ihn, als fey dir großes Leid geſchehen, und verhülle feinen 


1723 Segen und Sluch des Menſchen. Top und Unfterblichkeit. 


Leib gebührlicher Weile, und beflatte ihn ehrlich zum Grabe. Du ſollſt 
bitterlich weinen und herzlich betrübt feyn, und Leid tragen. (Daß man 
Opfer in ver Krankheit brachte im Hinbli auf ven Tod, ift ebenpafelbft 
B.9 m. flag. zu lefen: Wenn du Frank bift, bitte den Herrn, fo wird 
er dich gefund machen. Laß von ver Sünde und reinige dein Herz von 
aller Mißethat. Opfere füßen Geruch und Semmel zum Gedenkopfer; und 
gieb ein fettes Opfer, als müßeft du davon. Darnach laß ven Arzt zu 
dir.) Die Zrift von fleben Tagen galt nicht für Höhere, denn von Jakob, 
welcher jedoch nach ägyptifher Art im Tode behandelt ward, heißt es 
(Moſe I. 50), daß er vierzig Tage balfamirt und fiebenzig Tage beweint 
ward, worauf er in das Erbbegräbnig Abraham's begraben ward. Aaron 
der Hohepriefter warb dreißig Tage bemeint .(Mofe IV. 20. 28), und 
die Kinder Ifrael beweinten Mofe ebenfalls dreißig Tage (Moje V. 34. 8). 
Die Trauer war beſonders mit äußeren Zeichen des Schmerzes verbunden, 
3. B. dem Zerreißen der Kleider. (Mofe I. 37.) Als Ruben feinen Bruder 
Joſeph vermißte, zerriß er fein Kleid, und als man Jakob den angeblichen 
Tod feines Sohnes Joſeph meldete, zerriß er fein Kleid und legte einen 
Sad um feine Lenden, und trug Leid um ihn lange Zeit, und ſprach: 
Ih werde mit Leid hinunterfahren in die Grube zu meinem Sohne. 
Jeſaia (16. 6) befchreibt die Trauer alfo: Beide, Große und Kleine, follen 
in diefem Lande flerben, und nicht begraben noch beflaget werden, und 
Niemand wird ſich über fie zerrigen noch kahl machen. Und 
man wird auch nicht unter fie Brod austheilen über der Klage, 
fie zu tröften über ver Leiche; und ihnen auch nicht aus dem Troſtbecher 
zu trinken geben über Vater und Mutter. Daß auch das Antlig bei der 
Trauer verhält warb, feheint der Prophet Ezechiel zu fagen (24. 16): 
Du Menſchenkind, flehe, ich will dir deiner Augen Luft nehmen durch 
eine Plage. Aber du ſollſt nicht Elngen, noch weinen. Seimlich magft 
bu feufzen, aber keine Todtenklage führen; ſondern du ſollſt veinen 
Schmuck anlegen, und deine Schuhe anziehen. Du follf deinen 
Mund nicht verhüllen, und nicht das Trauerbrod eßen. Und 
da ich des Morgens früh zum Volk rebete, flarb mir zu Abend mein 
Weib. Und ich that des andern Morgens, wie mir befohlen war. (Das 
Trauerbrod aber verunreinigte, wie wir bei dem Propheten Hofen [9. 4] 
lefen: Ihr Dpfer fol ſeyn, wie ver Betrübten Brod, an welchem Alle 
unrein werden, die davon eBen.) Daß dad Weinen und Klagen fehr 
heftig gewefen fein müße, erfehen wir aus dem Buch Baruch, wo es 
(6. 31) von den heinnifchen Prieftern Heißt, fle heulen und fchreien 
vor ihren Goͤtzen, wie man pflegt in ver Todten Begängnifen. (Im 
dritten Buch Mofe 19. VB. 28 heißt es: Ihr ſollt Fein Mal um einen 
Todten an euerm Leibe reißen, noch Buchftaben an euch pfegen.) Drückte 
man durch ſolche Schmerzäußerungen die Trauer um ben Verluft auß, 


Segen und Fluch des Menfchen. Tod und Unfterblidhkeit. 173 


fo feheint es doch auch, man habe ven Todten damit ehren wollen, und dieſem 
wurden Opfer bargebracht; denn wir leſen im Bud Baruch (6. 26) 
vie Worte: Wie man dem Todten Opfer vorfegt; und im Buche Sirach 
(30. 18): Wie die Speife, fo man bei eines Tobten Grab fehet. 

Dem Todten Opfer bringen und Speife hinſetzen, ift ein 3.8. bei 
ven Römern beobachteter Brauch, und hängt bei ihnen mit dem Glauben 
an die Fortdauer der Seele in der Unterwelt zufammen, und eben fo 
hatten die Griechen Todtenopfer aus dem nämlichen Grunde Wie vie 
Kinder Iſrael zu einem folchen Brauch hätten kommen Tonnen, wenn 
ifnen der Todte jchlechterdings nur Staub ver Verweſung war, ift nicht 
u begreifen. Daß Samuel’8 Geift durch die Zauberkunft des Weibes zu 
Endor aus ber Gruft fleigt und Saul's Geſchick verkündet, koͤnnte man 
unter die Wunder rechnen, da er ein Mann Gottes war; aber ohne einen 
Glauben an Geifter ver DVerflorbenen würde Saul wohl nicht zur Nekro⸗ 
mantie feine Zuflucht genommen haben. Diefem nächtlichen Gebiete des 
Geifterreiche® der Todten gehören zumeift die Gefpenfte an, und von dem 
Blauben an ſolche und an fchredhaften Spuf, haben wir ein Zeugniß 
in dem Buch ver Weisheit Salomo's (17. 3), wo es heißt: Sie wurden 
durch Gefpenfte erichredet. Da war ein Getöne um fie ber, und ſcheuß⸗ 
liche Larven erfchienen. Das Gaukelwerk ver ſchwarzen Kunft lag darnieder, 
denn bie ſich unterwunden, die Furcht und Schredniß von ven kranken 
Seelen zu treiben, wurben felbft Frank. Die aber, fo zugleich dieſelbige 
Nacht Tchliefen (welche eine gräuliche, und eine rechte Nacht, und aus 
der gräulichen Hölle Winkel gefommen war), wurden Etliche durch grau⸗ 
ſame Gefpenfter umgetrieben. in nächtliches Gebiet des Unheimlichen 
mit ſchreckhaften Ericheinungen wird auch angedeutet im Buch Barudy 
(4. 35), wenn es beißt: Denn ein Zeuer wird uber fie Eommen von 
dem Ewigen viele Tage lang, und Teufel werven ihre Wohnung in ihr 
haben Iange Zeit. Freilich werben in viefem Buche ebendaſelbſt (V. 7) 
die heidniſchen Goͤtzen auch Teufel genannt in den Worten: Denn ihr 
habt nen, ver euch erſchaffen bat, entrüftet, daß ihr nicht Bott, fondern 
den Zeufeln geopfert habt. Da aber im ferhöten Kapitel dieſer Schrift 
über die Goͤtzen, als todte Werke ver Menfchenhand, gefpotiet wird, fo 
muß dort unter ven Teufeln ein fchredhafter Spuk, nicht aber dürfen 
biefe Goͤtzen darunter verfianden werden. Leider erfahren wir aber wenig 
von dem femitifchen Glauben an nächtlichen Spuk und Gefpenfter, um 
nur einigermaßen zu erkennen, wie weit er fidy erſtreckte. Bei Jeſaia 
ſteht (34. 14): Da werden unter einander laufen Marver und Igel, 
und ein Pelbteufel wird dem andern begegnen, der Kobold wird auch 
daſelbſt Herbergen und feine Ruhe daſelbſt finden. Der Feldteufel (air), 
eigentlich der Zottige nach ber Bedeutung des bebräifchen Worts, daher 
auch ver Bor fo (nämlich sair) heißt, warb ſchon im dritten Buche Mofe 


174 Segen und Fluch des Menſchen. Ton und Unfterblichkeit. 


(17. 7) erwähnt, wo es heißt: Sie follen mit nidhten ihre Opfer bin- 
fort ven Felpteufeln opfern. Auch das zweite Buch ver Chronik erwähnt 
ihrer (11. 15): Er ftiftete ihm aber Priefter zu den Höhen, und zu 
den Felvteufeln, und Kälbern, die er machen lief. Man kann demnad) 
diefe von Luther Feldteufel (und Jeſaia 13. 21 Feldgeiſter) genannten 
Wefen, die, wie es in ver let genannten Stelle heißt, hüpfen, nicht 
wohl anders ald mit Opfern verehrte Gottheiten betrachten, die, wenn . 
die Chronik ſich genau ausbrüdt, ihre Priefter hatten. Der Kobolo aber 
ift ein naͤchtlicher Spuk, denn was Luther fo überfegt, beißt im Hebräi- 
ſchen Lilith, von dem Worte lail, die Naht. Ihr Wirken muß gefpen- 
fliger Art geweſen feyn, doch wißen wir nichts Näheres darüber: Ift nun 
fol ein nächtliche Gebiet ded Spuks vorhanden, und erhält der Todte 
Opfer und Speife, fo läßt fich dies nicht anders erklären, ald daß man 
Geifter. ver Todten annahm. Aber ſolche Fönnen in einem Zuſtande gevacht 
feyn, der weit von dem bed wirklichen Lebens entfernt ift, ohne Freunde, 
wie ohne Leid, Schatten, die zwar gefpenftiich wirken Eönnen, wie man 
ed in Griechenland und Rom glaubte, die aber doch höchft trauriger Art 
find, wovon die Homeriſche Odyſſee eine Anfchauung giebt. Ein folcher 
Zuſtand nad dem Leben Eonnte nicht als eine Fortſetzuug des Lebens, 
wonach der Menſch allezeit begehrt hat, gelten, fondern der Tod mußte 
ihm traurig erfcheinen, weil er ſich vie gewünfcdhte und gefannte Lebens- 
füle nur im blühenden Leibe denken Eonnte, fo daß die Art, wie im 
Alten Teftament vom Tode, als der gänzlichen Lebensvernichtung, gefprochen 
wird, nicht befremden Tann, und eben ſo wenig, daß man zu dem Glauben 
einer Auferftehung des Fleiſches neigte, ſobald fich derſelbe gebilvet hatte, 
denn ohne eine ſolche glaubte der Menfch eines Lebens nicht genießen zu 
fönnen. Einen höheren Lohn, als ein folches neues. Leben im Leibe, 
vermochte man für den Frommen nicht zu finden, und beßen zu ent⸗ 
behren und ewig tobt zu ſeyn ohne eine ſolche Wiedererweckung, war bie 
arge Strafe der Gottlofen, außer ven Züchtigungen, die fie felbft auf 
Erven für ihre Uebelthaten erfuhren, oder welche die Ihrigen trafen. 





175 


Schöpfung. 


Außer der Schoͤpfungsgeſchichte im erften Kapitel des erften Buches 
Mofe, haben wir keine Weberlieferung über die Anfichten der Semiten 
von der Erfchaffung und Bildung der Welt, abgerechnet zwei fpäte Bruch- 
ſtücke, welche theils ganz falſch, theild willkürlich zuſammengeklittert finv. 
Sie folgen in den Anmerkungen, da fie Faum irgend einer Betrachtung 
werth find. Die mofaifche Schoͤpfungsgeſchichte lautet: Am Anfang fchuf 
Gott Himmel und Erde. Und die Erde war mwüfte und leer, und e8 
war finfter auf der Tiefe, und der Geift Gottes ſchwebete auf dem Waßer. 

(Ehe alfo Gott Himmel und Erbe gefchaffen, war Erde und Waßer 
eine wüfte Maffe und zwar fo, daß das Waßer die Erde überflutete. Die 
Anficht, aus dem Waßer fey die geordnete Welt hervorgegangen, finbet 
fih auch bei ven riechen, weldje ven Dfeanos zum Urvater der Götter 
machen; und einen Meergott Proteus, d. i. den Erften nannten.) 

Und Gott ſprach: Es werde Licht. Und ed ward Licht. Und Gott 
fah, daß das Licht gut war. Da fhied Gott das Licht von ver Finfter- 
niß. Und nannte das Licht Tag, und die Finfternig Naht. Da ward 
aus Abend und Morgen der erfle Tag. 

(Daß vor der Erſchaffung der geordneten Welt der wüſte Urſtoff 
in Dunkelheit und Naht gehüllt fey, und daß die Schöpfung mit dem 
Licht beginne, ift eine dem menfchlichen Geifte jo natürliche Anfchauungs- 
weife, daß eine andere Anficht über die Schöpfung, wenn wir ihr begeg- 
neten, und nothwendig in Verwunderung fehen müßte. Die Heſtodiſche 
Theogonie läßt auch aus dem Chaos die Nacht entftehen, und aus diefer 
ven Tag, fo daß alſo auch dieſe Schöpfung eigentlih mit vem Tage 
beginnt. In den aͤgyptiſchen Herrſcherperioden ſteht Phthah, ver Patäfe 
des Tages, an der Spike und ihm folgt der Sonnengott in der Herrichaft 
(während Andere den Sonnengott voranftellten), doch ift dieſes verhält- 
nigmäßig fpät erfunden, weil Phthah nicht urfprünglich Agyptifch if, von 
einer urfprünglich aͤgyptiſchen Anſicht aber über die Schbpfung wißen wir 
durchaus nichts. Daß Helios der Sonnengott fpäter geboren wird, flimmt 
mit der mofaifhen Schöpfungsgefchichte in fo fern überein, als auch fie 
das Licht und ven aus Licht und Dunkelheit beftehennen Tag zuerft 
erfchaffen laͤßt, und Sonne, Mond und Sterne erft nachher. Wie ſon⸗ 
verbar dieſe Trennung des Lichts von der Sonne und ericheinen mag, fie 
bat nun einmal Statt gefunden, und die riehtige Erkennung vieler Idee 
ft für die Mythologie wichtig. Auch die fpätere orphiſche Lehre ſtellt 
den Phanes, d. i. ven Scheinenven, Leuchtenden, aljo das Licht, ald eine 


176 * Schöpfung. 


hohe Gottheit voran, vermifcht ihn aber freilih mit Dionyfos, ver ihr 
Gott der Sonne war, in dem alle wahre Mythologie durcheinander wir- 
renden Berfahren, die früher vertheilten göttlichen Thätigkeiten und 
Meienheiten immer auf eine Gottheit zu häufen, wobei fie aber immer 
im Materiellen ſtecken blieb und nie zu der Einheit Gottes, als des Geiftes, 
der für fih ſeyend, alle Materie beberricht und Ienkt, gelangte, fo daß vie 
orphifche Lehre, wie fle in ven Weihgebeten und ven erhaltenen Bruch 
ftüden fih uns zeigt, tief unter ver mofaifchen Offenbarung von Gott 
ftehbt, fo daß man bei den Griechen die reinere Idee von Gott nicht bei 
den Orphifern und eben fo wenig bei den Neuplatonifern fuchen varf, 
fondern fie am erften finden kann in ver Anficht vom Walten des Zeus 
in manchem fehönen Ausfpruch ihrer worzüglichften Dichter.) 

Und Gott ſprach: Es werde eine Feſte zwifchen den Waßern; und 
die ſey ein Unterfchien zwifchen ven Waßern. Da machte Bott vie Feſte, 
und fchied dad Waßer unter der Feſte von dem Waßer über ver Feſte. 
Und e8 geſchah alfo. Und Gott nannte die Feſte Himmel. Da ward 
aus Abend und Morgen der andere Tag. 

(Eben ſo giebt die Heſiodiſche Theogonie, nachdem fie die Erzeugung 
des Tags gemeldet, zunächft an, vie Erde habe ven Himmel geboren.) 

Und Gott ſprach: Es fammle fi) das Waßer unter dem Simmel 
an befonvere Derter, daß man das Trockene fehe. Und es geſchah alſo. 
Und Gott nannte dad Trodene Erde, und die Sammlung der Waßer 
nannie er Meer. Und Gott ſah, daß es gut war. Und Gott ſprach: 
Es Tape vie Erde aufgehen Gras und Kraut, das ſich beſame; und frucht- 
bare Bäume, da ein jeglicher nach feiner Art Frucht trage, und babe 
feinen eigenen Samen bei ſich ſelbſt auf Erben. Und es geichab alſo. 
Und die Erde lieg aufgehen Grad und Kraut, dad fich befamete, ein 
jegliches nach feiner Art; und Bäume, die da Früchte trugen, und 
ihren eigenen Samen bei fi} hatten, ein jegliches nach feiner Art. Und 
Gott ſah, daß es gut war. Da ward aus Abend und Morgen ver 
dritte Tag. * 

(Da die Heſtodiſche Theogonie die Erfchaffung ver Gewächfe nicht 
enthält, und dem Zwecke dieſes Lehrgebichts gemäß nicht enthalten Eonnte, 
fo faͤllt diefer Theil bei einer Vergleichung weg. Doch im Mebrigen findet 
noch einige Uebereinftiimmung in dem britten Schöpfungswerfe Gtatt. 
Denn nachdem bie Erde den Himmel geboren, gebiert fie das Meer, alfo 
erft ward ber Tag geichaffen, zweitens der Himmel, brittens das Meer.) 

Und Gott ſprach: Es werben Lichter an der Feſte des Himmels, die 
da ſcheiden Tag und Nacht, und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre. 
Und feyen Lichter an der Feſte des Himmels, daß fie fiheinen auf Erden. 
Und e8 geſchah aljo. Und Gott machte zwei große Lichter, ein großes 
Licht, dad den Tag regiere, und ein Fleined Licht, dad die Nacht zegiere, 


Schbpfung. 177 


dazu auch Sterne. Und Gott fegte fie an die Befte des Himmels, daß 
fie fchienen auf die Erde, und ven Tag und die Nacht regiereten, und 
ſchieden Licht und Finſterniß. Und Bott fah, daß es gut war. Da ward 
aus Abend und Morgen der vierte Tag. 

(Deutlicher als bier kann es nicht audgefprochen ſeyn, daß das Licht 
Hoder der Tag von der Sonne unabhängig aufgefaßt ward, und baß es 
mithin in ver Mythologie eine Lichtgottheit geben Tann, bie neben dem 
eigentlichen Sonnengotte fteht, und der man einen weiteren Umfang bes 
Wirkens fogar als dem Sonnengotte zutheilen Eonnte. In ver Heſtodiſchen 
Theogonie gebiert die Erde dem Simmel die Titanen und die Titaninnen, 
welche, betrachtet man die Reihenfolge, zum dritten Theile der Abftam- 
mungen gehören. Die Titanin Theia aber geblert den Helios, vie Selene, 
und die Eos, d. i. Sonne, Mond und Morgenröthe, fo daß aljo ein 
eigenthümliches Zufammentreffen auch bier Sonne und Mond in die vierte 
Reihe ftellt.) 

Am fünften Tage fhuf dann Gott die Waßerthiere und die Vögel 
and am fechsten alle Arten Vieh, Gewürm und Thiere auf Erven, und 
dann ſchuf er ven Menfchen, zu herrichen über die Erbe, ihm zum Bilde, 
und er ſchuf fle ein Männlein und Präulein. Um fiebenten Tage aber 
ruhte Gott von jeinen Werfen und heiligte ven Tag. Alſo ift Simmel 
und Erbe geworben, da fie geichaffen find, zu der Zeit, da Gott ver Herr 
Erde und Himmel machte; und allerlei Bäume auf dem Felde, und 
allerlei Kraut auf dem Felde, das zuvor nie gemachlen war. Denn Gott 
der Herr hatte noch nicht regnen lagen auf Erden, und war kein Menſch, 
ver das Land bauete. Aber ein Nebel ging auf von der Erde, und 
feuchtete alles Land. 

( Daß dieſes mit der Schüpfungsgeichichte ver ſechs Tage nicht in 
einem und begreiflihen Einklang ftehe, fo wenig, als das Folgende, 
leuchtet auf den erften Blick ein.) 

Und Gott zer Herr machte ven Menſchen aus einem Erdenkloß, und 
er blies ihm ein ven lebendigen Odem in feine Nafe. Und alfo ward 
der Menſch eine lebendige Seele. Und Gott pflanzte einen Garten in 
Even gegen Morgen, und ließ wachjen allerlei Bäume, luſtig anzujehen 
und gut zu efen, und den Baum des Lebens mitten im Garten (in 
Aegypten war die Perſea ein Lebendbaum), und ven Baum des Erfennt- 
niſſes Gutes und Boͤſes. Und Gott fette den Menichen barein, daß er 
bauete und bewahrete, und gebot ihm: Du foNft efien von allerlei Bäu- 
men im Garten. Uber von dem Baum des Grfenntnipes Gutes und 
Boſes ſollſt du nicht eBen; denn welches Tages du davon ißeſt, wirft bu 
des Todes fierben. Und Gott ſprach: Es ift nicht gut, daß der Menſch 
allein ſey; ich will ihm eine Gehülfin machen, die um ihn fey. Da ließ 


Gott einen tiefen Schlaf fallen auf ven Menfchen, und nahm feiner Rip: 
IV. 12 


178 Schöpfung. 


pen eine, und ſchloß die Stätte zu mit Fleiſch, und bauete ein Weib aus 
der Rippe. Da ſprach der Menfch: Das ift doch Bein von meinen Beinen, 
und Fleiſch von meinem Fleiſch. Und fie waren beide nadend, der Menich 
und fein Weib, und fchämeten fi) nicht. Die liftige Schlange aber ver- 
führte das Weib, von dem Baum des Erfenntniped Gutes und Böſes zu 
een, und fie aß und gab ihrem Manne auch davon. Da wurden ihre 
Augen aufgetban und fie wurden gewahr, daß fie nadend waren, und 
flochten Feigenblätter zufaımmen und machten ihnen Schürze. Da verfluchte 
Gott die Schlange und verhängte dem Weibe, mit Schmerzen zu gebähren 
und dem Manne untertban zu feyn; dem Manne aber verhängte er, ven 
Lebensunterhalt dem Boden mit Mühe abzugewinnen, und fprach: Siehe, 
Adam ift geworben ald Unſer einer, und weiß, was gut und böſe ift. 
Nun aber, daß er nicht ausftrede feine Hand, und breche auch von dem 
Baume des Lebens, und eße und Iebe ewiglich; va Ließ ihn Gott der Herr 
aus dem Garten Ehen, daß er das Feld bauete, davon er genommen ifl. 

Diefe Ueberlieferungen ftehen im Widerſpruche mit einander, man 
müßte denn annehmen, die zweite Nachricht von der Erfchaffung des Men- 
fchen fey die Ausführung ver zuerft nur andeutend dieſe Erfchaffung im 
Allgemeinen angebenden. DBergleihen wir damit die griechifche Nach⸗ 
riht von der Erſchaffung des Menfchen, und von dem Grunde ber 
menfchlichen Leiden und Mühſale, fo ergiebt ſich eine mejentliche Ueber⸗ 
einftimmung, denn aus Erde bildet Prometheus, d. i. nie Weisheit, bie 
Menſchen, die ebenfalls durch die Erfenntnig unglüdlich werben, denn 
Prometheus raubt für fie dad Teuer, wodurch fie ver Künfte theilhaft 
werben und deu Naturzuftand verlaßen. Alſo fpricht es die Bibel glei 
wie die griechiiche Sage aus, der eigentliche Naturzufland ohne Erweckung 
und Uebung ver geiftigen Kräfte fey allein geeignet geweſen, ven Menfchen 
vor dem Elend und dem Jammer zu bewahren als ein Stand der Unſchuld. 
(Breilih flimmen damit die Worte der erften biblifhen Erzählung, daß 
Gott den Menichen nach feinem Bilde und über die Erve zu bereichen 
erfchaffen Habe, nicht überein.) Wie in ver Bibel durch das Weib das 
Uebel in die Welt kommt, fo auch in der griechiihen Sage; denn Zeus 
läßt durch den Hephäftos die Pandora bilden aus Erbe, vie dann von 
den Göttern auf das berrlichfte audgeftattet wird, und läßt dieſe dann zu 
Prometheus führen, um ihn für ven Beuerraub auf dieſe Weile zu ftrafen. 
Do ver Weile nimmt Pandora nicht an, wohl aber fein Bruder Epime- 
theus, d. i. Nachbedacht, wo fie den Dedel vom Faße nahm (gewöhnlid 
faͤlſchlich das Oeffnen ver Panporabüchfe genannt), aus welchen alle Lei- 
den berausfuhren, um fortan die Welt heimzuſuchen, und nur die ‚Hoff 
nung war noch in dem Faße, ald es wieder mit dem Deckel verichloffen 
ward, fo daß demnach die Welt vol Leiden ift und obendrein vie Hoffnung 
feblt auf ein Beßerwerben. 


Schoͤpfung. | 179 


Das Weib erfcheint vergeftalt als Duell aller Uebel in biefen An⸗ 
ſichten und in gleicher Weife die Erfenntnig und Geiſtesbildung oder die 
fogenannte Civiliſation. Warum man dem Weihe viefe traurige Rolle 
zugetheilt hat, laͤßt ſich mit Gewißheit nicht jagen; es fcheint aber, daß 
man neben der Idee von der Fruchtbarkeit als einem Segen, doch auch 
vie Anftcht Hatte, daß durch Die Fortpflanzung Noth und Leiden ſich häu⸗ 
fen, und daß nur der von Weib und Kind und verwandtfchaftlichen Ban- 
ven freie thieriſch hinlebende Menich leidlos fein Dafein hinbringen koͤnne 
ohne Leivenfchaften, Sorgen und Nöthen. Daß Eva einen Apfel gegeben, 
wie es gewöhnlich heißt, flimmt gar nicht mit den Worten per Bibel 
überein, denn der Apfel bat gar nicht die Bedeutung der Erkenntniß des 
Guten und Böſen, fondern den ver Liebe, und würde ber Apfel zur 
Urfache des Boͤſen in der Welt gemacht, fo würde dieſes unter dieſem 
Sinnbilvde geradezu von ver Liebe und der Fortpflanzung bergeleitet, was 
aber keineswegs durch die Worte ver Genefld gerechtfertigt wird. Was 
ver Baum der Erfenntniß des Guten und DBöfen für Brüchte getragen, 
fonnen wir nicht beftimmen, und wer nicht anninımt, daß viefe biblifche Erzäh- 
lung aus göttlicher Offenbarung ſtammt, kann in dem Baume diefer Erkennt 
niß nichts weiter als einen bilvlichen Ausdruck für die Sache felbft fehen. 

Den Glauben und die Neligiondgebräudhe der femitiihen Volks⸗ 
flämme, ver Babylonier, Afiyrer, Syrer, Phöniker, Philiftäer, Kananniten, 
Siraeliten vor der Mofaifchen Offenbarung und Gefebgebung, und der 
Araber, um ed bei den allgemein gültigen und bekannten Benennungen 
bewenden zu Iafien, lernen wir nur durch fparfame Nachrichten kennen, 
da Feine Schriften und Feine genügenden ſonſtigen Denkmäler viefer Völker 
auf uns gelangt find. Selbft die Münzen, welche uns einige Auskunft, 
wenn auch freilich nur eine geringe geben koͤnnten, find aus verhältniß- 
mäßig fo fpäten Zeiten, daß ihre bürftige Belehrung nur won untergeord⸗ 
netem Werthe feyn Fann. Unter ven fchriftlichen Hülfsmitteln find vie 
griechifchen Schriftfteller nebft dem Alten Teftamente zwar von hohem 
Werthe; aber wir erfahren durch fie vie Dinge, welche wir wißen möch⸗ 
ten, immer nur in einem geringen Maaße, und zwei Hülfsmittel, Sanchu⸗ 
niathbon und Berofus, find ganz und gar fchlechte Machwerfe, von Betrü- 
gern untergefchoben in fehr fpäter Zeit, welchen Betrügern beſondere 
Kenntniße zuzuſchreiben, eine willfürliche Meinung ift, die fih nur auf 
Belieben, nicht auf Beweife fügen kann. Wir lernen bei den femitifchen 
Stämmen eine große Lebendmutter Eennen, die alle Leben giebt und 
ernährt, und in deren Eult die Fortpflanzung der hervortretendfte Zug ift. 
Da der Menſch immer fein Auge zum Himmel wandte, ald dem Sige ber 
Gottheit over der Gottheiten, fo ift fie die Simmeldfönigin, und neben 
ihr Iernen wir den Simmelsfönig unter dem Namen ded Herrn fchlecht- 
weg, alfo vorzugsweiſe des Herren, wie auch fie vie Herrin heißt, fennen. 

12*8 


180 | Schöpfung. 


Ferner erfahren wir von einem Yiebling ver Xebendmutter, einem ſchönen 
Jünglinge, welcher ihr Gatte ift und ihr durch gewaltfamen Tod geraubt 
wird, jedoch jedes Jahr wieder zum Leben erwacht. Daran Enüpft fich 
ein Trauer» und ein Breubencult, welcher das alljährlicde Abſterben ver 
blühenden Natur und das aljährlide Wiederaufblühen verfelben feiert. 
Sogar von einem Sohne der großen Lebendmutter erhalten wir Nachricht, 
welcher Gatte der eigenen Mutter if. Daneben tritt vie Gottheit des 
Lichts hervor, die täglich die Zeit erdffnend mit der Sonne von Oſten 
nach Weſten fchifft, unter deren Macht das werdende Leben an das Kicht 
tritt und welde, die Zeit ſchaffend, allem die Lebenszeit giebt. Diefe 
Unfihten bilden den Kern des femitifchen Gottesglaubens, welcher als 
Naturreligion dad Leben zum Sauptgegenftande hatte. Durch die aftro- 
nomifchen Kenntniße ver Chaldäer bildete ſich im Laufe ver Zeit Die 
Aftrologie aus, und ein Glauben an ven Einfluß ver Sterne auf das 
Schickſal ver Menſchen, fowie auf die Erde. Man gab den Planeten vie 
Namen der vorhandenen Naturgottheiten, und fo mußte natürlich ver 
Stern des Gottes ebenfald dem Menfchen als göttlich ericheinen, doch 
hörte dadurch vie Gottheit nicht auf, ganz und gar das zu feyn, was fie 
vorher war, und gleich wie früher verehrt zu werben. Don einem Gter- 
nenbienft gieng die femitifche Religion nicht aus, und ging niemald in 
einen folchen auf, fondern er war nur ein aus Aftronomie und Aftrologie 
herſtammender Zufaß, der ihr durch vie Ehalväer zu Theil warb und ven 
Cult nicht änderte. Erft im fünften Buche des Pentateuch, mad wohl zu 
beachten ift, erfahren wir von Anbetung der Sterne. Es heißt daſelbſt 
(4. 15), fie follen fih feine Bilder machen, noch Vieh, noch Vogel, noch 
Gewürm, noh Bil, Daß fie auch nicht anbeten Sonne, Mond und 
Sterne. Berner (17. 3) — nicht anbetet, e8 jey Sonne oder Mond, oder 
irgend ein Heer des Himmels. Das Buch, welches ven Namen der Weid- 
heit Salomo’8 führt, fagt von ven Abgdttifchen (13. 2): Sie halten das 
Feuer, oder Wind, over ſchnelle Luft, ober die Sterne, oder mächtiges 
Waßer, oder die Lichter am Himmel, die die Welt regieren (alfo Sonne 
und Mond), für Götter. Weder dad Buch ver Richter, noch vie Bücher 
Samuelis erwähnen einer Anbetung ver Sterne, aber im zweiten Buche 
der Könige (17.16) heißt es, daß die Kinder Ifrael zwei gegofiene Kälber 
machten, alle Heere des Himmels anbeteten und Baal dienten. Berner 
meldet diefed Buch (23. 5): Joſia that ab vie Näucherer ver Sonne und 
ded Mondes und der Planeten und alles Heers am Himmel, nachdem es 
von Manafje (21. 1) gebeißen: Er betete allerlei Heer am Himmel an 
und bauete allen Heeren am Himmel Altäre in beiven Höfen des Herrn. 
Dieſes beftätigt auch das zweite Buch der Chronif (33. 3). Auch ver 
Prophet Jeremia (8. 2) erwähnt der Anbetung von Sonne, Mond und 
allen Heer des Himmels; und bei dem Propheten Amos (5. 26) leſen 


Schöpfung. 181 


wir von den Kindern Iſrael gefagt: Ihr trugt (in ver Wüfte) ven 
Sichuth, eueren König, und den Chiun, euer Bild, den Stern eurer 
Götter, weldden ihr euch ſelbſt gemacht hattet. 

Griechen und Römer nahmen ebenfalls Götternamen für die Plane» 
ten an, aber ohne allen Einfluß auf ven Glauben und Cult, und fo ift 
auch viefer Chalväismus, wie man aus der Verehrung der Götter und 
ven Beften erfteht, bei ven Semiten nicht weiter als ein fchwacher und 
unwefentlicher Zufag geblieben, ver, ald längft vie Religion beſtand, aus 
Aftrongmie hervorkeimte und nicht die geriugfte Umbildung in der Reli— 
gion bewirkte. Selbft ver Mond galt immer nur als Zeitmaaß, und die 
Jehovahdiener feierten ebenfalls in biefer Hinficht die Neumonde, und biefe 
Art ven Anbetung finvet immer noch bei ihnen Statt. 

Lieſt man von Bdtterbildern, welche einzelne Säuptlinge im Noma— 
venzuftande oder auch fonft hatten, und von den Einzelculten verfelben in 
alter Zeit, fo ift nichts vorhanden, was und berechtigte, andere Gottheiten 
oder andere Eulte darunter zu vermuthen, ald welche ven femitifchen 
Stämmen im Allgemeinen eigen waren. So erzählt das erfte Buch Moſe 
(31. 3): Rahel ftahl ihres Vaters Laban Götzen, und er befchmwerte fich 
(8. 30): Warum haft du mir meine Götter geftohlen? Berner leſen mir 
dafelhft von Jakob (35. 2): Da ſprach Jakob zu feinem Haufe und zu 
Allen, die mit ihm waren: Thut von euch die fremden’ Götter, fo unter 
euch find, und reiniget euch und ändert euere Kleider. Da gaben fie ihm 
alle fremden Götter und ihre Ohrenſpangen, und er vergrub fle unter 
einer Eiche, die neben Sichem fland. Auch fpäter finden wir den Cult 
Einzelner genannt, wie es z. B. im erften Buche ver Könige (15. 13) von 
König Afla Heißt: Er fehte feine Mutter Micha ab vom Amte, das fie 
dem Miplezeth (dieſes Wort muß eine allgemeine Benennung der heibni- 
ſchen Gsttheiten ſeyn, wofür fih aber nur das Wort palaz zur Ableitung 
darbietet, und wenn ed daher käme, müßte es den Schredlichen bezeichnen) 
gemacht hatte im Gain, und rottete aus ihren Miplezeth und verbrannte 
ihn tm Bach Kidron. 

MWefentlich aber von diefer Naturreligion unterfcheivet fich Die foge- 
nannte Offenbarung Gottes, die den Kindern Ifrael, als fie aus Aegypten 
auswanderten, zu Theil ward. 

In dem Meofaismus allein, fonft in Feiner alten Religion, findet fich 
die Anſicht von dem alleinigen Gott, der perfünlich vie Welt fchafft und 
regiert, und neben welchem allmächtigen und allwißenden Geifte ed Teinen 
andern Geift oder Gott giebt, denn nur den Menfchen hat er gottähnlich 
geichaffen aug Erve, zu der er wieder werben muß, andere gottähnliche 
Weſen oder Geifter hat er nicht erfchaffen. Diefer Gott ift zwar fcheinbar 
ein Nationalgott der Kinder Ifrael, wenn es aber außer ihm feinen Gott 
giebt, fo Fann die ganze Welt, wie er fie aus wüſter Mafle zu geordne⸗ 


182 Schöpfung. 


tem Weſen gefchaffen bat, auch nur von ihm, deßen Macht ſich über Alles 
erfirect, regiert werben, und fo iſt e8 ein Gott ver ganzen Welt. Die 
Sprache der moſaiſchen Schriften ift dem Faßungsvermoͤgen derer, welche 
diefe Offenbarung empfangen follten, gemäß, und laͤßt durch manche Aus⸗ 
drücke Gott, bei aller von ihm gemelveten Größe, manchmal menfchlicher 
erfcheinen, als e8 dem allgewaltigen, allwißenden Geiſte angemeßen fchei- 
nen mag; doch thut dies der hoben reinen Lehre, welche unter den Reli- 
gignen einzig bafteht, Teinen Eintrag. Ob viefer Gott Elohim oder Jeho⸗ 
vah over der Herr Zebaoth genannt wird, ift völlig gleichgültig, denn ver 
Name thut nichtd zur Sache. Mofe nennt ihn (I. 24. 2) den Gott des 
Simmeld und der Erde, und Gott fagt (II. 19. 5): Die ganze Erve iſt 
mein. Im vierten Buch (27. 16) beißt er ver Herr, der Gott über 
alles lebendige Fleiſch, und im fünften Buch (4. 39) leſen wir: 
dag der Serr ein Gott ift oben im Simmel und unten auf Erden, und 
feiner mehr, und (32.30): Sehet ihr nun, daß ich ed allein bin, und ift 
fein Gott neben mir; und vorher (B. 21) jagt Gott von ven Kindern 
Iſrael: Sie haben mich gereizet an dem, das nicht Gott iſt (nimlich durch 
Abgdtterei). Stetd werden im Moſaismus vie Götter der Heiden als 
bloße todte Bilder behandelt. Wir lefen z. B. in ven Pfalmen (96. 4): 
Der Herr ift groß, wunderbarlich über alle Gdtter, denn alle Götter ver 
Dölker find Bdben, aber der Herr hat ven Simmel gemacht, und (97. 7): 
Betet ihn an alle Götter, Du bift fehr erhöhet über alle Götter. Dap 
alle dieſe Götter, welche hier fcheinbar als wirflliche, wenn auch geringere 
genannt werben, von dem Pfalmiften nicht fo angefehen werben, ergiebt 
fih aus ven Worten (185. 5 und 15): daß der Herr groß ift, und unfer 
Herr vor allen Göttern; ver Heiden Göken find Silber und Gold, von 
Menſchenhänden gemacht. Aehnlich heißt es (86): Herr, es ift dir Feiner 
gleih unter ven Göttern, und ift Niemand, ver thun kann, wie vu. Alle 
Heiden, die du gemacht haft, werben kommen, und vor bir anbeten und 
beinen Namen ehren, daß vu fo groß bit, und Wunber thuft, und 
allein Gott bift. Berner beißt es (90. 1): Herr Gott, vu bift unfere 
Zuflucht für und für. Ehe venn die Berge geworben, und die Erbe und 
die Welt gefchaffen wurben, bift du, Gott, von Ewigfeit zu Ewig 
fett. Der du die Menfchen Täßeft fterben und fprihft: Kommt wieder, 
Menfchenfinder. Und (102, 25): Mein Gott, nimm mich nicht weg in 
ver Hälfte meiner Tage. Deine Jahre währen für und für. Du haft 
vorher die Erde gegründet, und die Himmel find veiner Hände Werk. 
Sie werden vergehen, aber du bleibefl. Sie werben alle veralten, wie 
ein Gewand; fle werden verwandelt, wie ein Kleid, wenn du fle verwan⸗ 
peln wirft. Du aber bleibeft, wie du biſt, und deine Jahre nehmen fein 
Ende. Man muß übrigens den Ausdruck Götter nicht jevesmal von Göt« 
seyn im heidniſchen Sinne verftehen, denn es werben darunter auch vie 


Shdpfung. 183 


unter den Menfchen am höchflen Stehenven verftanden. Deutlich erfleht 
man dies 3. DB. aus einem Pfalm (82), wo es beißt: Gott fleht in ver 
Gemeine Gottes, und ift Nichter unter ven Göttern. Ich habe wohl 
gefagt: Ihr ſeyd Götter, und alzumal Kinder des Hoͤchſten, aber ihr 
werdet flerben, wie Menichen, und wie ein Tyrann zu Grunde gehen. 
Eben fo in einem andern Pſalm (138): Ich danke dir von ganzem Herzen, 
vor den Göttern will ich dir Iobjingen. Ich will anbeten zu deinem hei- 
ligen Tempel; und (136): Danket dem Gott aller Gdtter, dem Herrn 
aller Herren. Eine andere Bedeutung liegt auch nicht in den Worten 
(Mofe V. 10. 17): Euer Gott ift ein Gott aller Götter, und Herr über 
ale Herren. Auch wenn Jethro, als er von Mofe hörte, wie ed ven 
Yegyptern ergangen war, fagt (II. 18. 11): Nun weiß ich, daß ver Herr 
größer ift, denn ale Götter, darum daß fie Hochmuth an ihnen geübet 
haben ; fo find darunter die Menichen zu verflehen, auf veren Befehl die 
Kinder Ifrael übermüthig behandelt wurden. Daß bey den Kindern Ifrael 
die Priefter Götter hießen, erjehen wir aus ven Worten (Mofe II. 21): 
Spricht ein Knecht: Ich habe meinen Herrn lieb, und will nicht frei wer- 
den; fo bringe ihn fein Herr vor die Götter (d. i. die Richter), und halte 
ihn an die Thür over Pfoften, und bohre ihm mit einem Pfriem durch 
jein Ohr; und er fey fein Knecht ewig. (22. 9): Wo Einer ven Andern 
ſchuldiget um einigerlei Unrecht, fo fol Beider Suche vor die Gdtter fom- 
men. Welchen vie Gdtter verbammen, ver fol e3 zweifältig feinem Näch- 
ften wiedergeben. Eben fo (VB. 28): Den Göttern folft vu nicht fluchen, 
und den Oberften in veinem Volk nicht Läftern. Der Mofaisınus Fannte 
fchlechterdingd nur einen Gott, von dem alles Gute ald Segen, alles 
Böſe als Strafe ausgeht, neben dem es weder einen guten noch böfen 
Geift, weder von einer höheren noch geringeren Art giebt, jo daß niemals 
eine reinere Lehre von Gott vorgebracht worden ift.*) Die Alleinigfeit 


*) Das im Mofaismus Gott, wenn auch bilvlos, doch perfünlich gefaßt ift, 
kann ihm nicht zum Vorwurf gereichen, da Alles, was wir als ein Etwas 
in unferem Geifte anfchauen oder denken, eine Wefenheit und Perfünlidy- 
feit gewinnt, weil wir aus diefer Bedingung unferes Denkens und unferer 
Vorſtellungen nicht herausfchreiten Fünnen. Unfer Geift vermag nicht ganz 
von bem Etwas zu abftrahiren, und felbft das, was wir das Nichts nennen, 
ift feine vollfommene Abſtraction; denn wir verneinen nur damit das 
Etwas, und dies bleibt als das wahre Subftrat des Nichts der weſentlichſte 
Theil unferer Borftellung, die es wegzuſetzen beftrebt ift, aber nicht ſelbſt 
während dieſer Thätigfeit vernichten oder ganz entfernen Fann. Die 
Schulphilofophieen, welche fich viel mit dem Nichts zu fchaffen machen, 
haben darum auch etwas recht Spaßhaftes, wenn fie ſich bemühen, zu einer 
Abftraction zu gelangen, wozu der menſchliche Geift unfähig if; denn 
ihre Arbeit gleicht in dieſem Falle genau der Arbeit Münchhauſens, als 
er fich feld am eigenen Zupf aus dem Sumpfe 309. 


184 Schöpfung. 


der Gottheit aber zu erfaßen und viefen reinen Gedanken feftzuhalten, fiel 
den Kinvern Iſrael ſchwer, weßhalb fie fo oft in das Heidenthum ver- 
fielen. Sie hielten naͤmlich neben Gott die Gdtter der Keinen auch für 
wirkliche Gottheiten und nahmen fie daneben an, jo daß fle Gott und vie 
beinnifchen Goͤtzen zufammen verehrten. Ezechiel fagt (23. 39): Da fie 
ihre Kinder ven Goͤtzen geſchlachtet hatten, giengen ſie beflelbigen Tages 
in mein Heiligthum. Im Sinne vieler Vermiſchung ſetzt der König 
Manaſſe einen Haingdgen in das Haus des Herrn (Könige II. Eap. 21); 
und bei Zephanja (1.5) heißt eg: Sie ſchwoͤren bei vem Herrn und zugleich 
bei Malchom. Wenn es im zweiten Buche ver Chronik heißt (20. 33), 
die Höhen feyen unter dem gotteöfürdgtigen Joſaphat noch nicht abgethan 
worden, der doch Höhen und Haine zu entfernen fuchte, weil das Volk 
fein Herz noch nicht zu dem Gott ihrer Väter geſchickt hatte, fo ſieht man, 
wie ſchwer es hielt, ven Glauben au andere Gottheiten neben Gott zu 
verbannen. Fuͤhrte doch ſelbſt ver weile Salomo in feinem Alter Goͤtzen 
neben Gott ein. 


Erſte Abtbeilung. 


Baal oder Bel. 


Der Name Baal bezeichnet im Semitifchen den Herrn, und mit die⸗ 
jem ehrenden Namen benannte man ven höchften Gott. Selbft Jehovah 
ward von den Kindern Ifrael mitunter Baal genannt, denn wir leſen bei 
dem Propheten Hoſea (2. 16): Alsdann, fpricht der Herr, wirft du mich 
beigen mein Mann; und mich nicht mehr mein Baal heifen. Denn ich 
wi die Namen der Baalim von ihrem Munde wegthun, daß man der⸗ 
jelbigen Namen nicht mehr gevenfen fol. Oefters bedient fih das alte. 
Teftament der Mehrzahl Baalim, wie auch ver Mehrzahl Aſtharoth, und 
nennt nicht felten beide als höchfte Gottheiten. Daß Baal eine Hauptgott- 
heit der femitifchen Heiden war, welche unter den Kindern Iſrael und in 
ihrer Nähe wohnten, geht daraus hervor, daß viele, wenn fie zum Heiden⸗ 
thum abfielen, felbigen Gott verehrten. Das erfle Buch ver Könige 
(16. 32 und 22. 34),gxmähnt den Baalsdienſt zu Samaria, fowie das 
zweite (13. 6) den Hain zu Samaria, weldyer wahrfcheinlich dieſem Gott 
gehörte, denn auch ver Kain wird ald Gegenftand des Götzendienſtes 
genannt, wie es im Buche ver Richter (2) heißt, fie hätten nach Joſua's 
und feiner Zeitgenofien Tode ven Baalim gebient, ferner ven Baalim 
und Aftbaroth und (3) Baalim und ven Hainen. Dafelbft (6. 30) wird 
auch ein Altar Baal’ und ein Hain dabei genannt. Als eine Hauptgott⸗ 
heit nennt ihn dieſes Buch (10. 6) mit ven Worten: Sie vieneten Baalim 
und Aftaroth, und den Goͤttern zu Syrien und zu Zidon u. ſ. w., wo 
alſo Baal und Aftaroth hervorgehoben werden. Manafle, Hiskia's Sohn, 
machte dem Baal Altäre und Haine (Buch der Könige I. 21 und Chro- 
nit II. 23. 3). Joſia that ab die Räucherer des Baal (vaſelbſt 23. 5). 
Ahas machte gegoßene Bilder Baalim (Chronik I. 28), der gottedfürdhtige 
Joſaphat aber hatte das Haus Baal's zu Ierufalem zerftört (daſ. 23. 17), 
Athalja und ihre Shhne jedoch Alles, was zum Haufe des Herrn geheiligt 
war, an Baalin vermacht. Bei folchen allgemeinen Angaben bleibt das 
Alte Teftament ftehen, ohne und zu benachrichtigen, welche befonvere Gott- 
heit in Baal verehrt ward, und ohne die Verehrung felbft mehr im Ein- 
zelnen anzugeben, fo daß wir aus biefen Schriften nur erfahren, vieler 
Gott habe Altäre und Haine gehabt, und es ſey ihm geräuchert worden. 
(Sofea 2. 13.) Die Tage Baalim, denen fie Näuchopfer thut. Im Buch 
Baruch (6. 40) leſen wir nur noch: Wenn fle einen Stummen jehen, 
bringen fle den zum Bel, und fagen, er ſolle ihn anrufen; ſolches aber 
kann von jeder Gottheit gefagt werben. Die Apokryphen des Alten Tefta- 
ments enthalten zwar ein Stüd, welches vom Bel zu Babel handelt, doch 


188 Baal oder Bel. 


ergiebt fi aus dieſer Erzählung nichts Näheres über die Gottheit felbft. 
Es heißt: Cyrus, des Aftyages Nachfolger, herrfchte zu Babylon, wo man 
den Abgott Bel Hatte; dem mußte man täglich opfern zwölf Malter Wai- 
zen und vierzig Schafe, und drei Eimer Wein. Und ver König dienete 
dem Abgott felbft, und gieng täglich hinab, venfelben anzubeten. Es waren 
aber ihrer flebenzig Priefter des Bels, ohne ihre Weiber und Kinder. 
Unter ven Apofryphen befindet fich auch ein Stüd, welches vom Drachen 
zu Babel handelt, und Folgendes erzählt: 

Es war ein großer Dradje, den vie zu Babel anbeteten. Uno ver 
König ſprach zu Daniel: Wie? wilft du von dem auch fagen, daß er 
nichts, denn ein eherner Goͤtze ſey? Siehe, er lebet ja; denn er ißet und 
trinfet; und Eannft nicht fagen, daß er nicht ein lebendiger Gott fey. 
Aber Daniel antwortete: Erlaube mir, fo will ich dieſen Drachen um- 
bringen ohne einiges Schwerdt over Stange. Und der König erlaubte es. 
Da nahm Daniel Pech, Fettes und Haare, und kochte es unter einander, 
und machte Küchlein daraus, und warf ed dem Drachen ind Maul; und 
der Drache berftete davon mitten entzwei. Da nun die zu Babel folches 
hörten, machten fie einen Aufruhr wider ven König, und er mußte ihnen 
den Daniel übergeben, und fie warfen ihn zu ven Xöwen in den Graben, 
und ed waren fleben Loͤwen im Graben, denen gab man täglich zween 
Menſchen und zwei Schafe. Aber viefe Tage gab man ihnen nichts, auf 
daß fle Daniel freßen follten, doch Gott erbielt ihn, und am flebenten 
Tage befreite ihn ver König aus dem Graben. Wir koͤnnen zwar nicht 
errathen, wem die heilige Schlange zu Babylon gehörte, dürfen aber es 
nicht unwahrfcheinlich finnen, daß fle vem Baal geheiligt war, wenn wir 
und erinnern, daß zu Thaben in Uegypten heilige Schlangen waren, Die 
zu Ammm gehörten, was durch die Schlange Aneph hinlänglich bewiefen 
if. Hatte man daſelbſt auch heilige Ldwen, fo mußten auch dieſe einer 
Gottheit geweiht feyn, wie wir folche in Aegypten finden, und dieſe Gott⸗ 
heit muß, wenn wir von Aehnlichem in Aegypten ſchließen, eine Gottheit 
des Lichts ober ver Geburt (des an das Nicht Kommens), geweſen jem. 
Freilich iſt Die apokryphe Schrift, welche viefe Nachrichten giebt, nicht 
geeignet, um als ſichere Grundlagen folcher Annahmen zu bienen, jedoch 
iſt auch nicht wohl einzufeben, zu welchen Zwecke ſolche Sachen erfunden 
feyn fellten, welche ſich vecht gut mit dem in Babylon zw vermuthenven 
Goͤttercult vertragen, und: welchen vie Juden durch ihre Gefangenichaft - 
kennen zu lernen binlängliche Gelegenheit gehabt hatten. 

Daß Baal, oder Bel, wie er zu Babnlon heißt, ver höchſte Gott 
war, wißen mir durch die Griechen, welche nur ven höchflen Gott eines 
Bolfes mit ihrem Zeus, dem Himmelskodnige, verglichen, und dieſe nann- 
tem den Bel Zeus. Herodot (1. 184) erzählt von der Stadt Babykon: 
In der Mitte beiver Stapthälften flieht ein Bau, in der einen das Königs⸗ 


Baal oder Bel. 189 


baus, in der andern das Keiligthum ded Zeus Belos, mit ehernen Thoren. 
Dieſes war noch zu fehen, und bildet ein Viereck, deßen Seiten jene zwei 
Stavien Fänge haben. Mitten in viefem Heiligtum war ein Thurm, 
ganz von Stein, ein Stadium lang und breit, auf dieſem ein zmeiter 
Thurm, auf biefem wieder einer, fo daß acht Thürme auf einander waren. 
Außen gieng um venfelben eine gewundene Treppe herum, und bat man 
dieſe zur Hälfte erfliegen, jo finden fi Bänfe zum Ausruhen. Im ober- 
ften Thurm ift ein großer Tempel, in welchem ein großes, ſchön zurecht- 
gemachtes Bett ſteht, und daneben ein goldner Tifh. Ein Bild findet fidh 
nicht darin, und Niemand übernachtet da, außer zuweilen ein einheimifches 
Weib, welches ver Gott fi} ermählt hat, wie vie Chaldäer, die des Got 
tes Prieſter find, erzählen. Diele erzählen auch, aber ich glaube es 
nicht, ver Gott komme zuweilen in ven Tempel und fihlafe in dem Bette, 
gerade mie vie Aegypter von Theben erzählen, denn auch dort fchläft ein 
Weib im Tempel des Thebeſchen Zeus. Diefe beiven Weiber haben, heißt 
ed, nie Umgang mit einem Manne. So wird auch die Oberpriefterin zu 
Patara, wenn der Gott da ift, denn nicht immer ift vafelbft Weißagung, 
Nachts in ven Tempel mit eingefchloßen. In dem Heiligthum zu Babylon 
aber ift unten noch ein Tempel, worin eine große fihenvne Bilpfäule des 
Gottes von Gold ift, und daneben ein großer goloner Tiſch; auch der 
Stuhl und der Schemel find von Gold, und nad) der Angabe ver Ehal- 
däer find dieſe Dinge achthundert Pfund Gold werth. Außerhalb des 
Tempels fteht ein goldner Altar, und noch ein anderer Altar, worauf 
erwachfene Thiere geopfert werden, denn auf dem goldnen bürfen nur 
fäugende Thiere geopfert werden. Auf vem größeren Altar verbrennen 
vie Chaldaͤer auch jährlich, wann fie das Feſt des Gottes feiern, taufend 
Pfund Weihrauch. In dem Heiligthum war auch. noch zu jener Zeit 
eine Bilpfäule, zwölf Ellen hoch, ganz von Gold, doch habe ich dieſelbe 
nicht gefehen, und erzähle nur, was vie Chalväer erzählen. Dareioß, 
Hyſtaspes Sohn, ftrebte nach dieſer Bildfäule, wagte es aber nicht, fie zu 
nehmen, doch fein Sohn Xerxes nahm fie, und ließ den Priefter, welcher 
die Wegnahme hindern wollte, binrichten. Außerdem find noch beſondere 
Weihgeſchenke in ven Heiligthum. Diodoros der Sicilier (2. 9) berichtet. 
über viefen Bau: Mitten in Babylon baute Semiramid ein Heiligthum 
des Zeus, welchen vie Babylonier Belos nennen. Da die Schriftfteller 
über daſſelbe nicht übereinftimmen, und es auch durch Alter verfallen ift, fo 
läßt fich nichts Genaues darüber fagen. Darin flimmt man überein, daß 
es über die Maaßen hoch gewefen, und daß die Ehalväer ihre Sternbeob- 
achtungen daſelbſt angeftelt haben. Der ganze Bau war mit Sorgfalt 
und Aufwand aus Asphalt und Ziegeln erbaut, unwhnben waren brei 
Bildfäulen, aus Goln mit dem Hammer getrieben, welche ven Zeus, bie 
Hera und die Rhea darftellten, von welchen bie des Zeus flehend mit 


190 Baal oder Bel. 


fhreitenden Beinen war, vierzig Buß lang und taufend Babnylonifche 
Talente ſchwer; vie der Rhea ſaß auf einem Golofluhl, von gleichem 
Gewicht, und zu ihren Knieen fanden zwei Löwen, und nabebei fehr 
große filberne Schlangen, jene dreißig Talente ſchwer. Das Bild ver 
Hera war ſtehend, achthunvert Talente ſchwer, und hielt mit ver Rechten 
eine Schlange am Kopfe, mit ver Linken ein ſteinebeſetztes Scepter. Für 
diefe alle war ein mit dem Sammer getriebener goldener Tiſch da, vierzig 
Fuß lang, fünfzehn breit, fünfhunvert Talente an Gewicht, und auf dem 
felben waren zwei Becher, vreißig Talente an Gewicht. Auch waren drei 
goldene Krater vafelbft, von denen ver des Zeus taufend und zweihundert 
Talente wog, die andern zwei jeder jechöhunvert. Die Perferfünige raub⸗ 
ten aber nachmald dieſe Sachen, und die Gebäude wurden durch die Zeit 
theils zerftdrt, theils beſchaͤdigt. Paufaniad (1. 16. 3) meldet von dem 
Könige Seleufos: Als er Seleufin am Tigris gründete und die Babylo- 
nier dahin führte, ließ er vie Mauer Babylons flehen und das Helligthum 
des Bel, und ließ vie Chalväer bei vemfelben wohnen. Berner (8. 33.1) 
fagt er: Von Babylon ift das Heiligthum des Belos übrig, von ver Stadt 
aber, welche bie Sonne als vie größte je gejehen, nichts mehr als vie 
Maxer. | 

Welcher Gott Baal geweſen ſey, müßen wir aus biefen wenigen 
Nachrichten zu erkennen fuchen, denn ed wird nicht gemelvet. Die Grie- 
hen nannten überall den höchſten Gott einen Zeus, weil diefer bei ihnen 
der höchfte und ver Simmeldkönig war. Daraus nun, daß die Griechen 
ven Baal Zeus nennen, dürfen oder müßen wir vielmehr fchließen, daß 
er ner höchfle Gott ver Semiten war, und dieſes erhellt auch aus ver 
Stelung, welche ihm in dem Alten Teſtament ertheilt wird. Daſſelbe 
nennt ihn mit Aftharoth zufammen, dieſe aber war vie höchfte Göttin und 
hieß Göttin des Himmels, welche Zufammenftelung fchließen Täßt, daß er 
Gatte derfelben und König des Himmeld gemweien ſey. Die Ifraeliten 
hätten auch ihren Iehovah nicht Baal nennen Eönnen, und doch nannten 
fie ihn fo, wenn Baal nicht der hoͤchſte Gott der Heiden geweſen wäre, 
da Jehova felbft dann nur von ven zum Heidenthum abfallenven Ifraeliten 
vernachläßigt werden Eonnte, wenn man glaubte, in einem andern Gotte 
einen gleich hohen, d. i. einen höchſten Gott zu beſitzen. Doch wir leſen 
bei Jeremias (32. 36), die Ifraeliten hätten Höhen des Baal gebaut in 
dem Thale Ben Hinnom, und ihre Söhne und Töchter dem Moloch ver- 
brannt. Es koͤnnte nun ſcheinen, daß ver Prophet hier ven Namen des 
Baal und Moloch für venfelben Gott gebraucht habe, da Moloch in vem 
genannten Thale verehrt ward; aber es ift nicht wohl abzufehen, warum 
er, fall8 beide PL ‚en. für ihn eine und viefelbe Gottheit bezeichnet hätten, 
beide info auffallender Weife hinter einander gebrauchte, flatt zu fagen: 
und opferten ihm ihre Söhne und Tochter. Doch feine Darftelung  ift 


Baal oder Bel. 191 


auffallend, denn ein andermal (7. 31) fagt er: Und bauen vie Altäre 
Thophet3 im Thale Ben Hinnom, daß fie ihre Söhne und Töchter ver- 
brennen; und wieder ein anvermal (19. 5): Denn fie haben den Baal 
Höhen gebauet, ihre Kinder zu verbrennen, dem Baal zu Brandopfern. 
Daß viefes im Thale Ben Hinnom gefchehen feyn fol, zeigen vie folgen- 
den Verſe. Daraus ſehen wir höchſtens, daß Ieremia fich nicht genau 
ausprüdt und ven Baal flatt des Moloch nennt. Freilich Spätere nennen 
ven Moloch Baal, und felbft ven Ares. Ben Photius (S. 559, Leben 
des Iſtdoros) meldet Damasdcius, die Phoͤniker und Syrer nennen den 
Kronos (Servius zur Aeneide, I. 642. fagt die Sonne) EI (v. i. Gott) 
und Bel und Bolathban. Hieronymus zu Jeſaias (46) erklärt ven Bel 
für Kronos, Iſidorus (8. 11) für Kronod und Sonne, GServius zur 
Aeneide (I. 643 und 729) für Saturnus und Sonne; doch geben Beide 
an, daß Baal in puniſcher Sprache Gott beveute; dieſes Tann aber nur 
vom höchften Gott ausgehen, wie im Griechifchen dios, göttlich, vom Namen 
des Zeus hergenommen ift, und das Inteinifche Wort dius, divus, nebft deus, 
Bott und göttlidh, eben daher flammt. Suidas fagt: Beelphegor Phegor- 
beel ift Beel Kronos, und Phegor, der Ort, wo er verehrt ward, und 
eine Palmprenifche Infchrift bat die zufammengefeßten Namen Aglabelos 
und Malachbelos. Johannes Antiochenfi3 aber und Suidas (im Artikel 
Thuras) geben an, nad Ninos habe Thuras geherricht, welcher ven Ares 
bezeichne und fehr Friegerifch geweien ſey, und vielen hätten bie Afiyrer 
angebetet und Baal genannt. Aber weder Kronos noch Ares ift der Gott, 
welchen man vorzugsmweife mit dem Namen Baal bezeichnete. Plinius 
nennt ihn noch (6. 26) geradezu Jupiter, indem er von Babylon fagt, noch 
dauere daſelbſt ver Tempel des Jupiter Belus, den er weiterhin, von dem 
Steine Belusauge revend (37. 10), den heiligften und ven hehrſten Gott 
ver Aſſyrer nennt; eben fo fagt Auguftinus (Jud. quaest. VII. 2. 13), Baal 
fey Name des Jupiters, und Baal Samen bedeute ven Herrn des Himmels, 
fowie auch lebterer Name bei Eufebius (Evangel. Vorbereitung, 1. 10) 
erklärt wird, mit dem Zuſatze, bei den Hellenen fey e8 Zeus. Ent- 
ſcheidend aber ift in dieſer Sache, daß die Griechen ven Baal Zeus, den 
Moloch Kronos nannten, was fle nicht gethban haben würben, wäre nicht 
Baal ver höchfte Gott, Moloch ein Gott der Zeit, und wären nicht Beide 
von einander verfchieven geweien. Freilich da der Name dieſes höchiten 
Gottes nur einen allgemeinen ehrenven Sinn ausdrückt, fo hätte er zu 
jevem Namen gefeßt werben koͤnnen, fo daß ein Baal Moloch nicht ein⸗ 
mal fo auffallend wäre, als bei ven Griechen ver Ausdruck unterirdiſcher 
Zeus für Aldes, aber wir können ein folches Verfahren nicht genügend 
nachweifen, denn die wenigen Bemerkungen fpäter Schriftfteler genügen 
nicht zu dieſem Zwecke. 


192 Baal oder Bel. 


Baal:-Sebub. 


Eher Eönnten die mit Baal wirklich zufammengefügten Namen auf 
andere Gottheiten als ven eigentlichen Baal zu deuten ſcheinen, die Nach- 
richten über die fo benannten Götter find aber fo äußerſt bürftig, daß 
über fie nichts Beftimmtes gefagt werden kann, und daß fürmahr nicht 
dad Geringfte im Wege fteht, den eigentlichen Baal barin zu ſehen. So 
nennt und das zweite Buch der Könige (1. 2) ven Baal-Sebub: „Und. 
Ahasja fiel durch das Gitter in feinem Saale zu Samaria, und warb 
krank, und fandte Boten und ſprach zu ihnen: Gehet hin und fraget Baal- 
Sebub, den Gott zu Efron, ob ich von dieſer Krankheit genefen werde.” 
Diefes ift der Beelzebub des Neuen Teſtaments und beveutet ven Baal 
der Müden, alſo einen Mückengott (sebub heißt hebräifh vie Müde). 
Natürlid muß man angenommen haben, denn der Name läßt eine andere 
Erklärung gar nicht zu, daß diefer Gott der Plage dieſer Infelten wehren 
fonnte, und folglih daß er fle auch fandte. Der griechiihe Zeus iſt 
ebenfalls ein Apoınyios, d. i. ein Mückenwehrer, und ganz paßend ift ver 
Gedanke, den Himmelsfönig anzurufen, folder Plage, die vom Himmel 
gefandt zu fenn fcheint, zu wehren. Daß aber unter dem Baal- Sebub 
eine befondere Form ded Baal zu. verftehen fey, ift gewiß, denn ver heid⸗ 
nifhe Götterdienft nimmt ftet3 jede befondere Form einer allgemeinen 
Gottheit ald eine eigene PVerfünlichkeit, ohne gerade damit vie Allgemein- 
heit aufzuheben, wiewohl durch dieſes Verfahren die Allgemeinheit in 
einzelnen Faͤllen flarf verbunfelt ward, ja in ber griechifchen Mythologie 
manchmal bis zum Unfenntlichen zurüdtrat. Ward Baal-Sebub zu Efron 
verehrt, fo ward Baal doch felbft zu Samaria verehrt, venn wir lefen in 
dem nämlichen Buche (3. 3), daß Ioram vie Säule des Baal zu Samaria 
wegnehmen ließ, mithin glaubte Ahasja, eher einen Nath bei dem Gotte 
zu Efron zu finden, als bei vem in ver Stadt, wo er wohnte. 


Baal:Bernr 


Ein zweiter zufammengefegter Name ift Baal Peor, von welchem 
ſchon ter Pentateuch meldet, wo es im vierten Buche (31. 9 und 16) 
beißt: Die Kinder Ifrael nahmen gefangen die Weiber ver Midianiter 
und ihre Kinder, und Mofe warb zornig und fprah: Haben nicht dieſe 
Meiber die Kinder Iſrael durch Bileams Rath abgewenvet, ſich zu ver- 
fündigen am Herrn über dem Peor? Vorher heißt es (25. 1 ff.): Und 
Iſrael wohnete in Sittim. Und das Volk hob an zu huren mit ver Mon- 
biter Töchtern, welche luden das Volk zum Opfer ihrer Götter. Und 
dad Volk aß und betete ihre Gotter an. Und Ifrael hängete ſich an ven 
Baal Peor. Im fünften Buche (3. 29) heißt es: Alfo blieben wir im 
Thale gegen dem Haufe Peors, und (4. 3): Alle, die dem Baal= Peor 


\ 


Baal oder Bel. 193 


folgeten, bat der Herr, dein Gott, vertilget unter eu. Im Pfalm 
(106. 28) heißt ed: Und fie hiengen fih an Baal-Peor und aßen von 
den Opfern der todten Gdgen. *) Auch der Prophet Hoſea (9. 10) 
gedenft vefjelben, ohne irgend etwas Weiteres von ihm zu fagen. Hiero⸗ 
nymus aber bemerkt zu dieſer Stelle, Beelphegor, der Goͤtze der Moabi⸗ 
ten, fönne ein Priapus genannt werven, und man könne ihn erklären als 
einen Phallifchen. Aehnlich erklärt ver June Philo den Namen von einem 
Idol mit aufgefperrtem Munde, denn Beide geben von dem Namen aus 
in ver Erklärung. Sp erfahren wir denn dadurch gar nichts, denn Peor 
ift der Name des Berges, auf welddem ver Gott verehrt ward. Diefen 
Berg nennt der Pentateuch (4. 23. 28), wo Balaf den Bileam auf bie 
Höhe Peor führt, damit er den Kindern Ifrael fludhe, und unter ven 
Auslegern ward auch dieſes nicht überjehen, wie wir denn noch bei Sui— 
dad leſen DBeelpheor: Beel ift Kronos, Phegor ver Ort feiner Verehrung. 
Es ift daher auf jene, aus der Namendeutung bergeholten Erklärungen 
nichtö zu geben. In der Schrift gegen Iovinian (I. ©. 11. M. ed Erasm.) 
fagt Hieronymus: Phegor bedeutet Schänplichfeit, im Hebräifchen heißt 
nämlich Phegor ver Phallus oder Priapus. Wäre aber wirklich Baal- 
Peor eine phalliihe Form des Baal geweien, fo wäre daran nichts zu 
verwunbern, venn fo fehen wir ja in viefen Culten überall vie Idee von 
Leben und Erzeugung vorberrfchen. Daß dieſer Gott auch ven Namen 


Camos 
gehabt habe, iſt die Anſicht des Hieronymus, indem er ſagt: Zu Nebo 


‚ war Chamos der Götze, der unter anderem Namen Beelphegor heißt. 


Das Alte Teftament belehrt und in nicht3 über dieſen Gott, ſondern giebt 
nur an, wo er verehrt ward. Im vierten Buche Moſe (21. 29) heißt 
es: Wehe dir Moab, du Volk Camos. Im Buche ver Richter (11. 24) 
heißt er Gott der Ammoniter. Im erften Buche der Könige (11. 7) wird 
von Salomo gejagt, er baute eine Höhe Camos, dem Gräuel der Moa⸗ 
biter, auf dem Berge, ver vor Ierufalem liegt, und Molech, dem Gräuel 
der Ammoniter. Joſtia zerftörte dieſe (Könige II. 23. 13). Auch der 
Prophet Ieremia (48. 7, 13 und 46) nennt Camos einen Gott Moabs. 
Auf die Angabe des Hieronymus hin kann man nicht mit Gewißheit an⸗ 
nehmen, ed fey Camos wirklich ein Name des Baal Peor geweien, und 
da wir die Bedeutung bed Namens nicht einmal wißen, welchen ver Jude 
Philo falich erklärt, fagend, er bezeichne die Betaſtung, dad Streicheln, fo 


*) Apollinarius giebt diefe Stelle in griechifchen Herametern fo wieder, ale 
hätten fie Todtenopfer gegeben. Das hebräifche Wort metim aber heißt 
fowohl Todte als Menfchen. Im vierten Buch Mofe (25) heißt es Opfer 
ber Götter, und Todtenopfer find Feine folche, 

IV. 13 


194 Baal oder Bel. 


vermögen wir nicht, etwas Anderes über ihn zu fagen, als e8 ſey mög- 
lih, daß Camos eine befonvere Form des Baal in Moab geweſen jey, 
von fo bervortretender Verehrung, daß das Alte Teftament dadurch ver- 
anlaßt ward, die Moabiter dad Volk Camos zu nennen. 


Unter vem Namen 


Baal:Berith 


nennt uns das Alte Teftament einen femitiichen Gott, von welchem fonft 
feine Rede if. Im Buche ver Richter (8. 33) nämlich Heißt ed: Da 
aber Giveon geftorben war, Eehreten fich die Kinder Ifrael um, und hure⸗ 
ten den Baalim nah, und madıten ihnen Baal Berith zum Gott. Diefer 
Gideon Hatte den Altar Baal's, ver feinem Vater gehörte, zerbrochen, und 
den Hain abgehauen, wovon er ven Namen Ieru=-Baal, d. i. Streite⸗ 
Baal, befommen hatte, wie ebendaſelbſt (Cap. 6) erzählt wird, fo daß 
alfo der Gott, welcher vorzugsweiſe Baal hieß, vor Gideon verehrt ward. 
Daraus läßt fich fchließen, daß die Ifraeliten zu dem verlaßenen Dienfte 
nad Gideons Tod zurüdfehrten, und daß, was ohnevieß durchaus wahr: 
ſcheinlich iſt, Baal⸗Berith eine Form jened Himmelskoͤnigs fey. Das 
Wort berit bedeutet im Hebräiſchen den Bund, und wenn Baal davon 
einen Beinamen befommen bat, fo find wir außer Stand, zu beſtimmen, 
welches die DVeranlaffung dazu geweſen fey. 

Mir Haben oben gefehen, daß es noch einen in dem ververbten Worte 
bolathen enthaltenen zufammengejegten Namen Baal's gab, nänılich 


Baal:Etan 


d. i. der flarfe Baal (hebräifch heißt etan, Stärfe und flarf), von melchem 
und dad Alte Teftament nichtö meldet, ver aber in einer fabelhaften Erzäh- 
lung vorfommt. Photius meldet nämlich aus Kteflad (72. $ 21): Xerxes 
kam vor feinem Zuge nach Griechenland nad) Babylon und begehrte das 
Grab des Belitanas zu fehen, und fah es durch Mardonios; er Eonnte 
aber ven Sarg nit mit Del füllen, wie auch gefchrieben fland. Aelian 
in ben mannigfaltigen Geichichten (13. 3) meldet darüber: Xerres, des 
Dareios Sohn, dad Grabmahl de3 alten Belos durchbrechend, fand einen 
Sarg von Glas, in welchem die Leiche in Del lag. Der Sarg war aber 
nicht ganz mit dem Dele angefüllt, fonvern es fehlte von dem Rande an 
ohngefähr vier Finger breit. Daneben ſtand eine Eleine Säule, woranf 
gefchrieben war, wer das Grabmal dffne und den Sarg nicht fülle, dem 
werde ed nicht gut gehen. Als Xerreö dieſes gelefen, fürchtete er ſich, 
and befahl, auf das fchnellfte Del hinein zu gießen; doch dieſes warb 
mehrmals vergeblich gethban, denn ver Sarg füllte fich nicht, und Xerxes 
gieng traurig weg, und war unglädlich im Kriege gegen die Hellenen; bei 


Baal oder Bel. 195 


feiner Rückkehr aber warb er von feinem Sohne ermordet. Strabo (16.1. 
S. 738) giebt ebenfald an, es fey ein Grab des Belos zu Babylon 
gewejen, das aber, wie man erzähle, von Xerxes zerftört worden fen, und 
in vieredigen Pyramiden aus Backſteinen beftanden habe, ein Stadium 
hoch und eben fo breit; Alexandros habe e8 wieder aufbauen wollen, ey 
aber darüber geftorben, und bloß zur Aufräumung des Schuttes hätten 
zehntauſend Menfchen zwei Monate lang gearbeitet. Was bier ein Grab 
des Belos, eine Pyramide, die ein Stadium lang und breit war, genannt, 
nennt Serodot das Heiligthum des Zeus Velos, und dieſer hat alle Glaub- 
würbigfeit für fi; die Späteren aber machten, ald das Gebäuve zerftört 
war, ein Grab daraus für den erpichteten König Belos, und legten deßen 
Reichnam in Del, während Herodot berichtet, daß die Babylonier ſolche in 
Honig gelegt hätten. Aus Kteflad aber jehen wir, daß dieſer höchſte Gott 
Bel zu Babylon auch Belitana oder Belitanad hieß, und daß daher der 
verderbte Namen bolathen auf viefen Gott zu bezichen ift. Die genaue 
Mebereinftimmung zwijchen Herodot und Stralon in der Born und Größe 
des Gebäudes, die ed nicht zuläßt, neben dem Belostempel noch eine 
Pyramide anzunehmen (und eine foldhe würde Herodot nicht Üübergangen 
haben, fo daß fie auch ohne dad gar nicht angenommen werben Eünnte), 
zeigt und, daß wir den Gedanken an ein Grab des Baal nicht hegen 
bürfen, denn wäre ein folches vorhanden gewejen in dem Thurm des 
Belos, jo würde Herodot e8 bemerkt haben. Demnach giebt es, da dieſes 
Brab nichts weiter ald eine ſpätere Fabelei ift, feinen Grund, in Baal 
einen Gott zu vermuthen, welcher, wie Adonis, ftirbt und wieder auflebt. 
Des Namend wegen wollen wir hier auch den Gott 


Alagabal (Selivgabal) 


betrachten in dem Wenigen, was und von ihn überliefert ift. Herodian 
in dem Leben des Imperator Baſſianus, genannt SHeliogabal (Buch 5. 
Kap. 3 u. ff.) erzählt: Mäfa, eine Phoniferin aus Emeſa, war Schwefter 
ber Julia, der Gattin des Severus und der Mutter des Antoninus. Bet 
Lebzeiten ihrer Schweſter hatte fie am Hofe gelebt, Macrinus aber fchidte 
fie in ihre Heimath, wo fie ala eine fehr reiche Frau ihre Tage zubrachte. 
Ihre Tochter Soämis hatte einen Sohn, den Baſſianus, die andere jüngere, 
Namens Mammäa, Hatte ebenfalls einen Sohn, den Alexianus, weldje 
Beide Priefter des Sonnengottes waren, ven die Keute dort hoch verehren 
und auf Phönikifch Elängabal nennen. Ein fehr großer Tempel ift ihm 
errichtet, mit vielem Gold und Silber gefchmüct, und prächtig von Steinen. 
Und nicht allein von den Einheimifchen wird ver Gott verehrt, fondern 
auch alle benachbarten Satrapen und Könige der Barbaren fchiefen wett- 
eifernd alljährlich Eoftbare Weihgefchenfe. Ein Bild aber, wie bei Griechen 
uud Römern, fteht nicht daſelbſt von Menſchenhand gemacht, fondern ein 
\3* 


196 Baal oder Bel. 


fehr geoßer runder, nach oben fpig zulaufender Stein von Kegelform und 
ſchwarz von Farbe Diefer fol vom Himmel gefallen ſeyn, und fie zeigen 
daran einige Erhöhungen und Vertiefungen, und geben ihn für ein nicht 
gearbeitetes Bild der Sonne aud. Diefem Gotte war Baſſianus gemeiht 
und ald dem Xelteren lag ihm ver Dienft ob, und er trug die Barbaren 
fleivung, einen goldgewirkten purpurnen Leibrock mit Aermeln, ver bis 
auf pie Füße herabhieng, und eine von Gold und Purpur bunte Klei- 
dung bevedte die Beine von ven Schenfeln bis auf die Zehen. Den Kopf 
ſchmückte ein Kranz von Foftbaren bunten Steinen. Wann er den heiligen 
Dienft verrichtete, und nad) Barbarenart um ven Altar ven Chor führte, 
unter dem Klange ver Töten, Pfeifen und allerhand Inftrumenten, zog 
er die Augen auf fih. Als er römifcher Imperator geworden war, trug 
er die fremde Kleidung fort, die zwifchen ver phönififchen und mediſchen vie 
Mitte hielt, dad römische und griedhifche Gewand, ald welches von Wolle, 
einem ſchlechten Stoffe ſey, verachtend. Zu Rom errichtete er feinem 
Gotte einen großen Tempel und viele Ultäre dabei, auf denen er jeven 
Morgen Hekatomben von Stieren und an Schafen eine große Menge 
opferte, mit vielen Aromen und Weinfpenvden. Chöre umfreißten bie 
Altäre unter mannigfaltiger Muftf, und Phöniferinnen mit Cymbeln in 
den Händen. Die Opfereingemweide wurden nebjt den Aromen in goldenen 
Gefäßen von orientalifch gefleiveten Soldaten, welche Iinnene Schuhe wie 
die phönikifchen Priefter anhatten, auf dem Kopfe getragen. Seinem 
Gotte, erzählt Herodian weiter, nahm der Imperator die Pallas, welche 
von Troja nah Rom gefommen war, zur Gemahlin, fowie er jelbft eine 
Beftalin zur Gemahlin nahm. Dann aber, weil er viefe Friegerifche 
Göttin Doch nicht paſſend für ihn fand, ließ er das Bild der Urania 
fommen, welches einft Dido in Carthago geweiht haben fol. "Die Afri- 
faner nennen dieſe Göttin Urania, die Phönifer Aftroarche, d. i. Stern⸗ 
fünigin, und halten fie für ven Mond. Sonne und Mond aber, meinte 
der Imperator, paßten zufammen. Als das Bild gefommen war, und 
alles Gold und Geld des Tempels dazu ald Mitgift der Göttin, ward ed 
zu dem Gotte geftelt, und er ließ in Rom und Italien ein Feſt viefer 
Göttervermählung feiern, und errichtete in der Vorſtadt einen fehr großen 
und prächtigen Tempel, wohin er im höchften Sommer ven Gott führte 
und Beitverfammlungen feierte mit Wettrennen und Theater und Nacht- 
feier. Der Gott aber ward auf einem mit Gold und Ehelfteinen geſchmück⸗ 
ten Wagen gefahren von ſechs ganz weißen, flecdenlofen Roßen. Der 
Imperator aber, welcher vie Zügel hielt, gieng vor dem Wagen, rüd- 
wärts gewendet und den Gott anfchauend, und der Weg war mit Golb- 
fand beftreut, und das Volk z0g auf beiden Seiten mit Fackeln, Kränze 
und Blumen werfend. Affe Götterbilver und herrlichen Weihgefchenke, 
ſowie aller Herrſchaftsſchmuck und alle Koftbarfeiten, ferner die Ritter 


— 


Baal oder Bel. 197 


und das ganze Kerr begleiteten ven Zug. Nach beenvigter Feier flieg 
der Imperator auf einen dazu errichteten Thurm, und warf dem Volke 
Becher von Gold und Silber zu, Kleider und Zeuge, auch alle Arten 
zahmer und nicht zahmer Thiere, ausgenommen Schweine, veren er ſich 
nach phönififcher Sagung enthielt. Unter ven vielen Gefchenfen, vie er 
für dieſe Vermählung erpreßte, waren auch zwei goldene Löwen für 
die Göttin, wie Dio Cafftud über Selagabal (79. 12) melvet, fo daß 
alſo damals menigftend die carthagifche Aſtaroth Lowen zum Sinn 
bild hatte. 

Diefe Erzählung aus einer fpäten Zeit mag im Einzelnen nicht volls 
fommen zuverläfftg feyn, weil das Anekvotenartige in der Lebensgefchichte 
des befchriebenen Imperator vorberricht, dennoch ift fie in Beziehung auf 
ven Cult des Alagabal nicht unglaubwürdig. Daß biefer Sonnengott 
geweſen, fagen auch die andern Berichterftatter der fpäten Zeit, denn wir 
lefen fo bey Feſtus Avienus (1089) in ver Ueberarbeitung ver Erdbe⸗ 
Ihreibung des Dionyſios, bey welchem gerade bie betreffenden Verſe ver= 
Ioren gegangen find, vie Emefener hätten die Sonne angebetet. Vopiscus 
im Leben des Aurelian (Kap. 25) nennt auch den Gott u Palmyra 
Sonnengott (eine Infchrift, die von da nach Rom Fam, bei Gruter 86, 
nennt Aglibelus und Malachbelus ald väterliche Götter), und Dio Caſſtus 
fimmt mit Herodian ebenfalls zufammen, ſo wie Julian in der vierten 
Rede (S. 150) zu Edeſſa ven Sonnengstt nennt mit Monimos (mel- 
her Hermes) und Azizos (welcher Ares fern ſoll) als ihm verbundenen 
Gottheiten. Diefe beiden Beiftter bezeichnen igenfchaften der Sonne, 
wie es fiheint, denn Monimos bezeichnet ven Wechfel und Azizos die 
Stärfe, fo daß die Stärke und der Wechfel der Sonne damit angedeutet 
feyn kann. Spät gemeldeten Nachrichten von ſolchem Inhalt ein höheres 
Alterthum zuzufchreiben, bietet fi) Fein Grund dar. Römifche Infchriften 
haben vie Worte Sol Alagabalus, und eine Münze Sacerdos (‘Priefter) 
Solis Dei Alagabali. Diefe Zeugniße reichen aber nicht zu, um und zu 
beweifen, daß Alagabal ein Gott der Sonne geweſen fey, denn die ſpä— 
tere Deutung der Gottheiten gieng immer darauf aus, die Sonne und 
den Mond in den Göttern und Göttinnen zu finden. Herodian belehrt . 
ung nicht darüber, ob Seliogabal das angebliche Bild des Gottes aus 
Emefa nah Rom brachte, oder ob er dort ein ähnliches verfertigen Tieß, 
und eben fo wenig darüber, ob ver feierlich auf dem Wagen gefahrene 
Gott jene Fegelfürmige Säule war. Daß nach Elagabald Tone ver Stein 
nach Syrien zurüdgebracht warb, Elingt feltfam, da man fonft nie hörte, 
es ſeyen nah Nom gefchaffte Götter jemals wieder zurüdgefchafft worden. 
Meberhaupt ift viefe Fegelfürmige Säule ald Darftelung nur einer 
femitifchen Gottheit bekannt, und dieſe ift Die Simmelsfönigin ober große 
Lebensmutter, und es ift darum auch keineswegs gewiß, daß Herodian 


198 Baal order Bel. 


und in ieiner Grzäklung richtig belebtt. Gab Heliegabal tem Gott 
wirflib tie Urania zur Gattin, und das fiebt allerringd ganz und gar 
nach iemitiiher Religion aus, ie war viele gewißlich ſchon vorher feine 
Gattin, une nach wirklicher älterer jemitiiber Religion fann ed nur zwei 
Götterfermen geben, welde mit Urania in dieſes Verbältniß zu bringen 
find, nimlih ver zeugende Get, Baal als Simmeldfönig ſchlechtweg 
gedacht, und rer jübrlich fterbenre une wierer auflebenve Liebling ver 
Börtin, Ten wir unter rem Namen Adenis fennen, mit welcher Idee 
dann eine tritte Ferm, falld wir darin wirklich eine beſondere Form 
erfennen müßen, verkunten it, nämlich vie von vem Sohne der großen 
Mutter, ver zugleib ihr Gurte ik. Wäre Alagabal der flerbente Gott 
gewejen, tann würte wohl vie Grzäblung und ein Trauerfeſt in Rom 
melten, mwerauf das Freudenfeſt gefolgt wäre, und demnach können wir 
in Alagabal, wenn nicht viele Form einer ipäteren Umbildung jemitijcher 
Religion angebört, nur ten Himmelskönig Baal erkennen, ven Gemahl 
der Aſtaroth. Wäre Molob vie Gottbeit gewejen, die unter jenem Namen 
verehrt wart, dann konnte ibm vie Urania nicht zur Gattin gegeben 
werten, mwenigitend nicht im Bereich der jemitiihen Religion, vie ihn als 
folhen nicht fannte une auch jeinem Weſen nach nicht zu kennen ver- 
mochte, jonvern er konnte nur ein Beifiger verjelben werben, ein Ber 
bundener, ver nicht mit ihr zeugt, jondern ihre Hervorbringungen zeitigt 
und an das Licht bringt. Vergeblich wäre ed, wo jo wenig zuverläßige 
Angaben vorhanden find, über viejen Gott mit Beftimmtbeit abiprechen 
zu wollen. Wir müßen und mit der Wahricheinlichkeit, er jey der eigent- 
liche Baal gewejen, begnügen lapen. *) 


s Macrobius (Saturnalien 1. 23) erzählt: Die Affyrier feiern die Sonne 
unter dem Namen Jupiters, welche fie ten Zeus Heliopolites zubenamen, 
in ber Stadt Heliopolis mit großer Verehrung. Diefes Gottes Bild ift 
aus der ägyptifchen Stadt Heliopolis entnommen, zur Zeit als Senemur 
oder Senepos in Aegypten herrfchte, und es ward Hingebracht durch Opias, 
den Befandten des aflyrifhen Königs Delebores, und die ägyptifchen 
Priefter, deren Oberfter Partemetes war, und lange bey den Aſſyriern 
behalten wanderte es nach Helispolis. Warum es fo gefchehen, auf welche 
Meife ed aus Aegypten fortgebracht worden, und nochmals dahin gefommen 
it, wo es ſich jet befindet, und warum es mehr nady affyrifchem als 
ägyptifhem Brauch verehrt wird, gehört nicht Hierher. Daß aber diefer 
Gott fowohl Jupiter als die Sonne fey, zeigt der Brauch der Verehrung 
und die Darfiellung des Gottes. Denn das goldene, unbärtige Bild Hat 
in der erhobenen Rechten die Peitfche nach Fuhrmannsweife, die Linfe aber 
halt Bli und Aehren. Der Tempel ift durch Weißagung ausgezeichnet, 
und das heliopolitifche Bild zieht auf einer Bahre einher wie die Götter: 
bilder zu Rom bei den circenfifchen Spielen im Aufzug. Die Bornehmften, 
rein buch längere Enthaltiamfeit, mit gefchornem Haupte, tragen bie 


Baal oder Bel. 199 


Einen hoͤchſten Gott fand man in fpäterer Zeit zu Gaza bey ven 
Philiſtim, welcher und 


Marnas 


genannt wird. Stephanus Byzantinud fagt, mo er von Gaza fyricht, 
Marnas beveute den Kretageborenen Zeus, denn die Kreter nennten die 
Jungfrau marnan. Leider ift diefe Angabe, fo wie fie ohne vernünftigen 
Zuſammenhang ift, fo auch verderbt. Man wollte in diefem Gotte einen 
Zeus fehen, alfo war erim Culte fo verehrt, daß man einen höchften Gott 
in ihm erfennen Eonnte; daß er aber ald ein Fretifcher Zeus erklärt ward, 
beruht auf einer grunplofen und ganz oberflächlichen Deutung des Namens. 
Es wird angegeben, martis bedeute im Kretifchen die Jungfrau (Brito⸗ 
martis wird erklärt, die füße Jungfrau, wie Solinud Kap. 11 bemerft), 
und indem man an das Fretifhe Wort dachte, meinte man es auch in 
dem forifhen Namen zu ſehen, und erklärte ven Marnad, den man für 
einen Zeus.anfah, als Fretifhen Zeus. Der Name aber ift femitifch, 
und maran oder mar (marei, mare) beveutet Herr, jo daß der Gott zu 


Bahre, nicht nach eigenem Ermeßen, fundern wohin fie der Gott führt, 
wie zu Antium die Fortunenbilder zur Ertheilung von Antworten. Diefen 
Gott fragen auch Abweſende ſchriftlich und erhalten fchriftliche Antwort. 
Als Trajan aus diefem Lande nach Parthien ziehen wollte, fandte er einen 
Scheinbrief ohne alle Schrift verfiegelt an den Gott, um das Orakel zu prüfen, 
und erhielt einen foldyen zu feiner Verwunderung dagegen, worauf er in 
einem Schreiben den Gott befragte, vb er nach geendetem Kriege nach Rom 
zurückkehren werde. Der Gott hieß eine Hauptmannsrebe (Rebe, welche die 
Hauptleute ald Stod hatten) aus den Weihgefchenfen des Tempels nehmen, 
in Stüde theilen und in einem Scweißtuh dem Trajan überbringen, 
deßen Gebeine bald darauf nad Rum gebracht wurden. Diefes Heliopolig 
hieß fyrifch Baalbed, war alfo eine Stadt des Baal, wu Antoninus Pius 
nah Malala (Chron. 11. ©. 119) dem Zeus einen großen Tempel erbaute, 
fowie auch ein Tempel des Apollon und einer ber Aphrodite dort war. 
Daß das Götterbild, von welchem Macrobius fpricht, eine Mifchung von 
Götterattributen hat, Blie und Aehren, die gar nicht zufammen gehören, 
und zumal ber Blitz, welcher einer femitifchen Gottheit nie eigen war, 
zeigt, wie fpit daſſelbe verfertigt worden, weßhalb für die femitifche Religion 
nichts daraus zu beweifen if. Unwahr aber ift die Angabe, biefes Bild 
flamme aus ber ägyptifchen Heliopolis, denn ein ſolches konnte den Blitz 
nicht in der Hand halten, weil diefer nie bey einem ägyptifchen Götterbilde 
vorkommt, die Peitfche aber war bey denfelben das Zeichen der Herrfchaft. 
Band daher wirflih, was wir aber auf die Angabe des Macrobius Hin 
nicht für gewiß halten können, einmal eine Berwandtfchaft zwifchen dem 
Gott von Baalbeck und dem von Heliopolis in Aegypten Statt, fo hat 
man in fpäterer Zeit denfelben zu einem Baal gedichtet duch Vermifchung, 
wie fie ſolcher angemeßen if. 


203 Baal oder Bel. 


zerichmettert. Auch diefer Name kommt in Menfchennamen vor, 3. B. Evil- 
merodach, aber feine Bedeutung ift unbekannt, und fo ift und feine 
Beziehung verborgen. 

Noch mag bier der Name 


Mauzim, Maufim 


angeführt werben, den wir bei Daniel (11. 38) leſen, mo es heißt: 
Seiner Väter Gott wird er (der König) nicht achten; er wird weder 
Brauenliebe, nod) einiges Gotted achten, denn er wird ſich wider Alles 
aufmwerfen. Aber an deß Statt wird er feinen Gott Mäufim ehren; denn 
er wird einen Gott, davon feine Väter nichtöggewußt haben, ehren mit 
Gold, Silber, Edelſtein und Kleinodien. Und wird denen, die ihm helfen 
ftärfen Mäufim, mit den fremden Gott, ven er erwählet hat, große Ehre 
thun. Azaz heißt hat geftärft, az, ftarf, mauzim die Schugwehren, Befe- 
fligungen, fo daß nur fcheinbar ein Gdttername in ver Zutherijchen Ueber- 
fegung dargeboten ift, denn wiewohl ein Gott fo hätte heißen Tonnen 
(und Azizos bei Julian, der Beiftger der Sonne, bietet fih zur Der- 
gleichung dar), jo ſcheint e8 doch nicht der Fall zu feyn. 
Verner begegnet uns folgender Name: 


Anerges. 


Eine griechiſche Inſchrift aus dem vierten Jahrhundert v. Ch. lautet: 
Komyſarye des Gorgippos Tochter, des Pairiſades Gattin, weihte den mäch- 
tigen Göttern Anerges und Aſtara, als Pairiſades herrſchte über ven 
Bosporos und Theudoſta, und König war über die Sinder und alle Maiter 
und Andere. (Köhler monument de Comysarye). Als Gemahl ver Aftara, 
d. i. Aſtaroth, iſt zunächſt Baal zu vermuthen, und fomit in Anerges 
einer feiner Namen. Das ift aber auch Alles, was wir aus Diefer 
Inſchrift ſchöpfen köͤnnen. Die Beveutung dieſes Namens können wir 
um ſo weniger beſtimmen, als wir ihn allein in griechiſcher Form haben. 
Außer auf Baal läßt ſich noch auf Adonis rathen, und wenn auch mit 
geringerer Wahrſcheinlichkeit auf Moloch. 

Man ſieht aus ver Aufzählung der und begegnenden Götternamen, 
wenn wir diefelben auch nicht mit Beftimmtheit veuten können, daß es 
auch den Semiten an einer Mannigfaltigfeit der Benennungen nicht fehlte, 
und da ed gewöhnlich gefchieht, daß das beſonders Benannte ald eine 
eigenthümliche Form erfcheint, fo hatten fie auch infofern eine Mannig- 
faltigfeit der Bormen, deßhalb aber nicht eine eben fo große Mannigfal- 
tigfeit der Gottheiten felbfl. Sp Iefen wir bey Jeremia (2. 28): So 
manche Stadt, fo manchen Gott haft vu Juda, und (11. 13): Denn fo 
manche Stadt, fo mandje Götter haft vu, Juda, und fo manche Gapen 

zu Serufalem find, fo manchen Schanvaltar Habt ihr aufgerichtet, dem 


Baal oder Bel. 203 


Baal zu räuchern. Die Formen, welche die Kinder Iſraels annahmen, 
werden und gelegentlid) genannt, find aber keineswegs jo fehr zahlreich, 
und Eönnen nicht für eigentliche Gottheiten in großer Menge gelten, fon» 
dern nur für befonvdere Benennungen der wenigen Gottheiten und höch⸗ 
fiend für befonvere Formen ihrer verfchiedenen Cigenfchaften. So heißt 
es auch) am gewöhnlichiten, fie dienten Baal, weil viefer der Hauptgott 
war, und nur von Moloch allein wird mit vorzüglicher Unterfcheidung 
gefprochen, weil ihm vie Kinder zum Opfer gebracht wurden. Das aber 
ift eben für und nicht erreichbar, in vie Ginzelheiten einzubringen, und 
die Gigenfchaften, wodurch fid) eine Form von der andern etwa unters 
hied, zu erfennen. So meldet und das Alte Teftament im zweiten Buche 
der Könige (17. 30) über vie nad) Samaria verfegten Aſſyrer: Die von 
Babel machten Suchoth-Benoth, die von Chuth machten Nergel, die von 
Heman madten Afima, die von Ava machten Nibehad und Tharthaf. 
Aber mit Ausnahme der Suchoth = Benotl, vermögen wir diefe Dinge nicht 
zu deuten, und folglich Feine Belehrung daraus zu ziehen. 

Wie dürftig nun auch immerhin die Nachrichten über Baal feyn 
mögen, fo gehen wir doch nicht fehl, wenn wir ihn für ven Gott des 
Himmels halten, für ven Himmelsfönig, welcher Gatte der Himmels- 
königin, d. i. ver Großen Mutter Natur war, mit welcher er fort und 
fort da8 Leben erzeugt. Die Verbindung der Dione mit Zeus, d. i. der 
jemitifehen Himmeldfönigin mit ven griechifchen Himmelskoͤnige verbürgt 
dad angegebene Welen des Baal allein fchon zur Genüge. Baaltid 
(Baalt) war auch eine ver Benennungen der Himmeldfönigin, womit fte 
vorzugsmeife als Serrin bezeichnet warb, welche für vie Gattin Baals 
vollfommen paßt. *) Was und befonverd wünfchenswerth zu wißen wäre, 
ob nämlid Baal Gemahl der Mutter gewejen, wie ver ägyptiſche Khem, 
und wie wir unten den Ninod und Menones finden werben, d. h. ob 
Ninos nur eine Form des Baal fen, ift durchaus verborgen. Ohne eine 
beftimmte Angabe aber läßt fich ein Verhältnig nicht annehmen, denn in 
der Mythologie beftehen verfchienene Verhältniße frienlich neben einander, 
und wenn 3. B. in der ägyptifchen Khem Gemahl ver Mutter ift, fo ift 
daneben Dftris nicht Gemahl der Mutter, fondern der Schwefter, und ſie 
erzeugen dad Segenskind Horus. 

Wir wollen noch des 


Niſroch 


gedenken, von welchem wir außer dem Namen nichts wißen. Im zweiten 
Bude der Könige (19. 37) beißt ed: Sanherib betete in dem Hauſe 


*) Wann Johannes Typus fagt, Aphrodite heiße bei den Phönifern Blatta 
von der Purpurfchnede, fo ift wohl ein folcher etymologifcher Verſtoß nicht 
werth, daß man feinem Urſprung nachipüre, 


204 Baal oder Bel. 


Nifrochs, jeined Gottes, und jeine Söhne Adramelech und Sar- Ezer 
tödteten ihn. Auch Iefaia (37. 38) nennt Sanherit3 Gott zu Ninive 
Niſroch. Wir finden diefen Namen in feinem der Königdnamen wieder, 
wie es bey mehreren andern ver Fall ift, e8 müßte denn etwa der Name 
ded Aſarhaddon damit verwandt fern. Der Name Gfar findet fidy in 
phönikiihen Infchriften und eine Steinſchrift auf Malta überfegt Ebed 
Esar durch Dionyjod. Vergeblich ift alled Rathen bey tiefem Worte, 
welches vie Leberfegung der Septuaginta Meſorach und im Jeſaia Aſarach 
fchreibt, und wir müßen und begnügen, einen Namen zu wißen, ohne 
feine Bedeutung zu fennen, noch zu wißen, welchem Gott er angehörte. 
Eben jo geht es und mit vem Namen 


Mimmon, 


welchen wir in Syrien finden. Im zweiten Buche ver Könige (5. 17) 
wird erzählt: Naeman (ter Hauptmann ded Königs in Syrien) ſprach 
(zu dem Mann Gottes Elifa): Möchte venn deinem Knechte nicht gegeben 
werben diefer Erve eine Laſt, fo viel zwei Maulthiere tragen? Denn dein 
Knecht will nicht mehr andern Göttern opfern und Brandopfer thun, 
fondern dem Herrn; daß der Herr deinem Knechte varinnen wolle gnädig 
feyn, wo ich anbete im Haufe Rimmons, wenn mein Herr ind Haus 
Rimmons gehet, vafelbft anzubeten, und er fih an meine Hand lehnet. 
Im Hebräifchen beveutet dad Wort Rimmon einen Granatapfel und 
Granatbaum, welche Kenntniß und aber nicht zu einer Erflärung dieſes 
Gottes verhilft. Mögli wäre e8, daß der Gott feinen Namen ald Bei- 
namen von einer Dertlichfeit erhalten hätte, wie ſolches mit Baal-Peor 
geichehen ift, und daß eine Dertlichfeit "von Granatbäumen genannt fey, 
wäre nichts Sonverbares, um fo weniger, da es wirklich gejchehen ift, venn 
im Buche von Iofua (15. 32) Iefen wir, daß es eine Stabt der Kinder 
Zuda gab, Namen? Rimmon, und ver Prophet Sadarja (14. 10) 
erwähnt derfelben mit den Worten: Bon Gibna nad) Rimmon zu, gegen 
Mittag zu Ierufalem. (Seltfam trifft ed zufammen, daß im erflen Bud) 
Samuelid [14.2] am Ende von Gibna ein Granatbaum, rimmon, erwähnt 
wird, unter welchen fi Saul fehte.) 





Zweite Abtbeilung. 





Aftarte. Apbrodite. 


Das Alte Teftament nennt und Aftaroth oder Aftoreth als die weib- 
lihe Gottheit, welche von den femitifchen Heiden vorzüglich verehrt ward, 
und wann die Kinder Ifrael fi} zum Heidenthum wandten, heißt es 
öfters, z. B. im Buch der Richter (2): Sie dieneten Baal und Aftaroth, 
oder (10): Sie dieneten Baalim und Aſtaroth, und den Göttern zu 
Syrien, und den Göttern zu Sivon. Daß fie zu Sivon beſondere Ver- 
ehrung genoß, jehen wir in dem erften Buche der Könige (11. 5), wo 
es heißt: Alfo wandelte Salonıo (ald er alt war) Aftoretb, dem Gott 
verer von Sivon nad; und im zweiten Buch der Könige (23. 13): 
Salomo hatte die Höhen vor Serufalem der Aſtoreth gebaut, dem Gräuel 
von Sidon. Doch war file auch eine Hauptgottheit der Philifter, denn 
diefe weihten Sauld Harnifch in Das Haus Aſtoreths, wie wir im erften 
Buch Samuelid (31. 10) leſen. Auch Lufian in ver Schrift über bie 
ſyriſche Göttin erwähnt (4) des großen SHeiligthums der Aftarte zu 
Sidon *). Auch wird fie die Königin des Himmels genannt bei Jeremia 


*) Lufian fagt weiter: Von Aftarte glaube ich, daß fie Selene fey, und wie mir 
einer der Priefter fagte, iſt diefer Tempel der der Europa, der Schwefter 
des Kadmos, einer Tochter des Agenor, welche nach ihrem Verſchwinden 
die Phönifer mit dem Tempel ehrten, und eine heilige Sage über fie erzähl: 
ten, daß Zeus in ihre Schönheit verliebt fi in einen Stier verwandelte, 
fie raubte und nah Kreta brachte. Dies vernahm ich auch von den 
andern Phönifern, und die Sidonier haben auf der Münze die Europa 
auf dem Stier fißend; darin aber flimmen fle nicht überein, daß ber 
Tempel der Europa gehöre. Da Europa aus der Fremde nach Böotien 
gefommen feyn fol, und eine andere Sage über fie gar nicht befteht, und 
Rets eine Schweiter des Kadmos heißt, an welchen Namen es der Sage 
beliebt hat, den in Theben befindlichen Cult phönififchen Urfprungs zu 
fnüpfen, fo wäre es wohl möglich, daß die femitifche Himmelsfönigin, 
unter dem Namen Europa gräcifirt, vom weiten Himmel benannt, wie 
unter dem Namen Dione nach Dodona, fo unter diefem nad Böotien 
gefommen wäre. Auf Kreta würde fie dann mit dem Molochcult in 
altem Zufammenhang geftanden haben, und die Sterne, welche man in 
Darftellungen bei ihr fleht, eignen ſich ganz und gar für eine Himmels: 
königin. Europa’s Eult gevieh aber nicht in Hellas, weil Hera, durch 
welche auch Dione verdrängt ward, als Himmelsfönigin Geltung gewann 
und allgemein behauptete. Selbft als Galinthias, als Geburtsgättin, war 
die freinde Böttin auf einigen Eult in Theben befchränft, ſonſt unbekannt 
und unbeventend. Da aber Hera doch eine Gileithyin oder Mutter der 


208 Aſtarte. Aphrodite. 


(7. 18): Die Kinder leſen Holz, fo zünden die Väter dad Feuer an und 
die Weiber fneten ven Teig, daß fie ver Melecherb (d. i. ver Königin) 
des Himmeld Kuchen baden; und (44): Tie Juden in Aegppten räuchern 
der Melecheth des Himmeld und opfern ihr ITranfopfer, wie ed in Jerus 
falem geſchehen war, auch Kuchen mwerven ihr gebaden. Ter Name 
Aftaroth oder Aftoreth bezeichnet dieſe Göttin als vie Mutter des Lebens, 
denn astarah bedeutet jemitijch (im Hebräijchen) vie junge Brut, unv fie 
war die große Mutter Natur, vie allen Segen gebabr und alles Leben 
gab. Man verglih fie mit der ägnptiihen großen Mutter, und in ver 
fpäteren Zeit fehen wir daher auch Phönikien in vie Iſisſage aus dieſem 
Grunde verflodhten. Ja es ift möglich, daß dieſe große jemitiiche Göttin 
nicht ohne Einfluß auf den Cult ver Iſis blieb, da Iſis ald vie jüngfte 
Form der Mutter Natur in Xegnpten erjcheint. In ver Erzählung, 
welche fich bei Plutarch in der Schrift über Iſis und Oſiris (von Kap. 13 
an) findet, wird angegeben, Iſis, welche ihren von Tyophon getünteten 
Gatten Oſiris fuchte, habe vernommen, der Kaften, worin ſich die Leiche 
befand, fey von dem Meere bey Byblos ausgeſpült worden, und vie Wal- 
fung babe ihn fanft in eine Heideſtaude (Tamaridfe) getrieben. Dieje 
wuchs hoch auf und umſchloß ganz und gar ven Kaſten, fo daß der 
König ihn bewunderte, und ihn abbauen ließ, um eine Säule für fein 
Haus daraus zu machen. Als Ifts nach Byblos gelangt war, fekte fie 
fi mweinend an einen Duell, ohne mit Jemand zu fprecdhen, body bie 
Dienerinnen der Königin grüßte fie, als fie dorthin kamen, ordnete ihnen 
das Haar und gab ihrem Leibe einen lieblichen Duft, wodurch die Königin 
bewogen ward, nach Ifis zu jenvden und ihr die Erziehung ihres Knäb⸗ 
hend anzuvertrauen. Der König aber hieß Malkandros (viefer Name ift 
halb femitifh, Halb griehiih und beveutet König=-mann) und bie 
Königin Aftarte (d. i. Aftaroth); Andere jedoch nannten dieſe Königin 
Saoſis oder Nemanın, was im Griedhifchen ohngefähr vie Athenäifche 
bedeuten würde. Iſis pflegte nun das Königskind, indem fie ihm ven 
Finger in den Mund ftedte, Nachts aber Täuterte fie es im Feuer von 
dem Sterblichen feined Leibe, und flog oft ald Schwalbe *) zu jener 


Eileithyien war, wiewohl Artemis allgemein dafür galt, fo ſcheint es, daß 
Hera gleich Dione urfprünglich die femitifche Himmelsfönigin und Lebens: 
mutter war, und mit dem griechifchen Himmelskoͤnige vermählt warb, 
ganz und gar graͤcifirt. 

*) Die Echwalbe hieß auch Adoneis, die Aooneifche, wie wir aus Hefychius 
und dem großen Etymologium erfehen. Wir erfennen aus diefem Namen, daß 
man annahm, fie fehre wieder, wann Adonis wieder in das Leben kommt, 
im Lenz, und ihre Klage gelte der Vergänglichkeit, dem Tode des blühen⸗ 
ben Lebens. In einem ganz andern Sinne hat man ber Aphrodite bie 
Schwalbe für heilig gehalten, wie Aelian in der Naturgefhichte (10. 34) 


Aftarte Aphrodite 209 


Säule und Flagte. Doch die Königin belaufchte Iſis, und beim Erbliden 
ihres Kindes im Feuer in Gefchrei ausbrechend, hinverte fle veßen Unfterb= 
lichkeit, Iſis aber, als fie fi entvedt fah, forverte jene Säule zum 
Lohn, und erhielt fie. Dann lößte fie dad Holz des Baumes von dem 
Kaften, mwidelte es in gefalbtes Finnen, und gab es dem Könige und ver 
Königin, und es warb fortan bafelbft in dem Tempel der Ifſis verehrt. 
Sie aber warf ſich an dem Kaften nieder und jammerte fo heftig, daß 
der jüngere Sohn des Könige davon farb, mit dem älteren aber und 
mit dem Kaften gieng fie zu Schiff, und dffnete, fobald fle ruhig für fi 
war, den Kaften, Füßte ven Todten und neßte ihn mit ihren Thränen. 
Der Königsknabe aus Byblus fchlich Hinter ihrem Rüden herbei und fah 
ihr zu, worüber fie fich fo zornig umfah, daß derſelbe vor Schrecken ftarb. 
Doch Andere fagen, er fey in dad Meer gefallen, wegen der Göttin aber 
wird er geehrt, denn er fol der in Negupten bey dem Gaſtmahl befungene 
Manerod ſeyn. Manche nannten ven Knaben jedoch nicht Maneros, ſon⸗ 
dern Paläftinos oder Peluftos. Auch gab es in Aegypten ein Feſt, wel⸗ 
ches die Wiederkehr ver Iſis aus Phonikien feierte, und auf dem Opfers 
fuchen dieſes Veftes fand fich ein gefeßeltes Nilpferd vargeftellt, wie 
Plutar (50) meldet, um anzudeuten, daß Typhon, dem das Nilpfern 
zugefchrieben ward, gebänpigt fen. 

MWäre nicht Aftarotb mit der Iſts ihrem Wefen nach verwandt 
erfchienen, fo würde man die vorftehende Erzählung, die freilich in ihrer 
sollen Ausbildung einer fpäten Zeit angehört, die aber durch das Feft 
der Rückkehr aus Phönifien beftätigt wird, in dem, was am wejentlichften 
if, nicht Haben bilden Fünnen. Byblus war der Königsſitz des Kinyras 
und dem Adonis heilig, wie Strabo (16. 2) bemerkt, und Aftaroth 
trauerte mithin über Adonis, wie Iſis über Oſiris. Iſis war die große 
Mutter Natur, die ven Jahresfegen hervorbringt, die Mutter des Lebens 
und der lebenzeugenden Liebe; weil aber alljährlih das frifcherblühte 
Leben der Natur nach Eurzem Gedeihen reift und ftirbt, fo daß die Natur 
traurig erfcheint, fo wird das Sinfchwinden dieſes Lebens betrauert und 
beflagt, die Klage aber erhebt fi in der Form des Mythus um einen 
in der Blüthe des Lebens geftorbenen Königsfohn, der in dem Mythus 
von Oſiris und Adonis Gatte der großen Naturgdttin ift, die aljo einen 
Theil des Jahres, nämlich wann ihr Segen geerndtet ift, ald Wittwe in 
Trauer lebt. In ver griechiichen Mythologie betrauert die Getraivegdttin 
Demeter ihr Kind Perfephone, und erfcheint nicht als die große Natur 


angiebt, fie fey den Göttern des inneren Haufes und der Aphrodite, bie 
auch eine folche gewefen, geweiht. Dies Fonnte gefchehen, weil die Schwalbe 
an die Häufer baute, und Aphrodite Fonnte unter die Gottheiten des 
Hauſes, als Göttin der Liebe und der Ehe gerechnet werben. 

IV. 14 


210 ZRıarıe Arbrertte 


mutter 1.03 Lebene, za ne feme Gõttit vertwbe ot GImer vom Rımem 
Aaıreıh aber Lrieza wer ne se Secn, ze Ama des Dımmeld 
ker zen Zemien mweuiy konnen, wehl ıder nee mr Me uw vom 
Namen Arbrerite eaiel ꝛerebtt ber den Griechen uun Anzer Xe sch bes 
sen Romerı KEetrachten wer user ;uerit dieſe Gẽttin im der Arme 
bes zen Sreter Derecer ıl. 165) r̃aat. ve m Anm bereiniehreihenen 
Eketben batten zen Iemrel er Arbredtte Urn, . L ver Dommliiden, 
zu Askalen in Sorten ger.änzere Tıerer Temel aber tee, nach ſeinen 
Nachriten, ver ilıne ren allez Iemrein zierer Gerz, dera nich ver 
Ausizze ver Korrier ielbũ tee ver Yemrel in Kertes ven Askalen and 
gegründet werten, un? ten aur ver Inſel Ketbera fürn vie Rdöniker 
gezrunzer (Tı5 Parbes zur Kerrtes ein malter Sıg des Arbreditecults 
war, gebt aut daraus bertrer, daß man auf dem Wege ven Parbes, 
welches Agarener gründete, une weſelbn vie Setligtbümer in gutem 
Stande waren, alljäfrlit in Trevernen nach Altrarbes zeg, Winner und 
Weiber, tie aus ven andern Stärdten zuiımmen, wie Straben [14. 6] 
erzäklı, ter sub ungieft, anf einer Sebe, lemrcd genmnt, ie ein 
Temrel rer Arbredite Aria [e- i ver Arbredite zuf ter Döbe], in 
welchen rie “trauen nicht geben und melden te nicht jeben tursten. Ven 
ter Verebrung :u Amatbus beist Arkrerice Amatbuſta, une Sierefepia 
fe. i vie Zrarı des beiligen Gartens] mag zen tem Peiligen Gurten ver 
Gottin ven Kımen baben. Zu Selei war ein Tempel ver Arbrerite 
und ter Jñs, io Tas man fie als vie am meifien un? bichflen verebrie 
Goukeir aur ver ganzen Intel zu betrachten bat. Welchen Namen je 
aber raielen al3 Haurtnamen Pate, errabren wir nicht, müsen aber fafl 
vermuthen, zıy terjenige, merıu3 ter Name Arbrorite gräcifirt ware, es 
geweien ie-, denn jede Serleitung tenelken aus ver griechiiben Sprade, 
foweit wir tiere fennen, it gezwungen, un? tie einzige, welche zur Roth 
ver Form nach angienge, nimlih, daß er vie Schaumgenegte bedeute, 
verſtanden ven ver Liebesumarmung, durchaus unmabricheinlid. Won 
Amathus jagt Sterbanus Bozantinus, daſelbſt ten Adoenis-Oſiris verehrt 
worden *). Pauſanias (1. 14. 6), indem er den Tempel ver Apbrodite 
Urania in Athen erwähnt, bemerkt, vie Aſſprer bätten zuerfi ven allen 


5) Banjanias (3. 26. 1) von Thalama in Lafonien redend, meltet: im unbe- 
bedien Tempelranm (nämlich des Iuotempel, in welchem ein Traumorafel 
war) Hehen vie ehernen Biltjüulen ter Paphia und des Helios, das Bild 
im Tempel ſelbſt ift vor Kränzen nicht zu fehen, doch andy dieſes foll von 
Erz ſeyn. Es fließt auch Waßer aus einer heiligen Duelle füß zu trinfen, 
Seleuequell genannt, und die Baphia ift ven Thalamaten feine einheimifche 
Göttin. Do der Rame Paphia gilt in diefer Stelle Manchen für vers 
borben, welche Paſiphaẽ Iefen wollen. 


=. dm 


Aſtarte. Aphrodite. 211 


Menſchen die Urania verehrt, nach den Aſſyrern die Paphier auf Kypros 
und die Phöniker zu Askalon in Paläſtina, durch die Phöniker aber ſey 
ihre Verehrung nah Kythera gelangt, in Athen aber habe Aegeus fie 
eingeführt, der, ald er kinderlos war, dies ihrem Zorne zufchrieb. Kypros 
und Kythera Eünnen wir als die Hauptpunfte betrachten, von wo fi} der 
Cult dieſer Göttin bey den Griechen verbreitete, fowie ver Berg Eryr 
in Sicilien, wo fie ein beſonders angefehenes Seiligthum hatte, für Jtalien 
ein Hauptausgangspunkt für die Verbreitung ihres Dienftes in Italien 
gewesen feyn mag. Daß ihr Eult auch nach ver Iberifchen Halbinſel 
fam, und zwar mit dem des Moloch, ift höchſt wahricheinlich, denn Gades, 
eigentlich Gader, Gadeira hatte feinen Namen wahrfcheinlich von dem 
heiligen Verſchluß des Tempeld der KHimmeldfönigin, denn die Griechen 
nannten die dortige Infel Die Anfel der Hera, und Kythera ſcheint eben- 
fal3 feinen Namen davon erhalten zu haben in einer fchärferen Aus— 
ſprache. Warum der Grieche fie Aphrodite, und nicht Aftarte, welchen 
Namen man au3 dem der Aftaroth fpäterhin bilvete, nannte, ift und unbe— 
fannt, die Auslegung aber, welche fie verfuchten, lautete, fie heiße fo von 
aphros, Schaum, denn ſie fey aus dem Schaume des Meeres gebohren; 
ala Kronos nämlich feinen Vater Uranos, d. i. ven Himmel, entmannte, 
und deßen Scham berabfchleuvderte, habe jih Schaum um dieſelbe gebilvet 
und daraus fey Aphrodite entjtanden, und von den Wellen nad) Kypros 
getragen worden. So erzählt die Heſiodiſche Iheogonie (190), und dieſe 
Dichtung Hat offenbar fagen wollen, die Königin des Himmels, die Göttin 
der Liebe, ſtamme von ver Zeugefraft des Himmels felbft ber. Doch, da 
die Göttin femitifch ift, und der von den Griechen gebrauchte Name fidh 
aus der griechifchen Sprache nicht irgend genügend erflären läßt, fo ift 
anzunehmen, daß er femitifch jey, und die Vruchtbarfeit, die Befruchtung 
bezeichne (pharah hat im Sebräifchen viefe Bedeutung und es fommt davon 
der Name Ephrat, Euphrat, Ephraim). Die Homeriſche Iliade nennt 
dagegen ven Himmelskoönig Zeuß ihren Vater, ver fle mit Dione erzeugt 
hat (5. 105), die still und ohne fonjt irgend hervorzutreten unter den 
Göttern ned Olympos ald eine vormalige Gattin des Vaters der Götter 
und Menichen lebt. Aphrodite heißt daher auch die Dionäifche, und in 
jpäterer Zeit fogar felbft Dione (Dviv im Veftfalenvder 2. 461). Don 
diefer Dione nun erzählt Strabo (7. 7), wo er von den Propheten des 
Zeusorafeld zu Dodona fpriht: Später wurben drei alte Frauen zu 
PBrophetinnen beitellt, al8 auch Dione dem Zeus zur Tempelgenopin 
gegeben ward. 

Wenn eine jo wenig hervortretende Göttin, wie diefe in der grie= 
chiſchen Mythologie, dennoch einen Einfluß auf ein Orafel haben fol, 
den man als wefentlich betrachten kann, jo muß fie, wenn man fie auch 
in dem Gdtterſtaate nicht recht unterzubringen wußte, doch nicht unbe= 

14 * 


212 Aftarte. Aphrodite. 


deutend geweſen ſeyn. Wir gehen ſchwerlich fehl, wenn wir in dieſer 
Dione, deren Namen ganz dem des Himmelskdnigs Zeud entfpricht 
(Genitiv Dios) die femitifche große Göttin, die Himmelskonigin erbliden, 
und begreifen dann, warum fie neben Aphropite, welche viefelbe war, fo 
wenig hervortritt, und nur ald deren Mutter erfcheint, indem man fo vie 
beiden Formen der nämlichen Gottheit in verwandtſchaftlichen Zufammens 
bang brachte, ein Verfahren, welchem wir weiter unten auf dem femis 
tifhen Boden felbft begegnen werven. Dann war ed auch nicht Unrecht, 
die Aphrodite Dione zu nennen, und man begreift, wie eine Tempelge— 
noßin und Gattin des Zeus auf dem Olymp im Götterftaate, mo der 
Mythologie und dem Eultus gemäß Aphrodite hervortritt, fo gar wenig 
bedeutet. Außer in der Iliade erfcheint fie nur noch einmal in dem 
Somerifchen Hymnus auf den Delifchen Apoflon, wo fie unter ven bey 
ver Geburt dieſes Gotted anmefenden Gdttinnen fih findet. Ein in 
Dovona auf dad Orakel geübter Einfluß wird aber nicht allein von 
Strabon gemeldet, fondern auch aus folgender Erzählung Herodots (2. 54) 
gebt viefer hervor. Die Zeußpriefter im ägyptifchen Theben, jagt er, 
gaben an, die Phöniker (daß dieſe genannt werden, ift wichtig und daher 
wohl zu merken) hätten zwei heilige Frauen aus Theben entführt, vie 
eine aber fey nach Libyen, die anvere nach Hellad verkauft worden. Die 
Priefterinnen zu Dodona nun erzählten dem Herodot fo: Zwei fchwarze 
Zauben feyen von dem ägyptifchen Theben ausgeflogen, die eine nad) 
Libyen, vie andere zu ihnen nach Dodona. Diefe habe fich hier auf eine 
Eiche gefeht und mit Menfchenftimme gefagt, bier folle eine Weißagung 
des Zeus werben, und dieſes als eim göttliches Gebot befolgenn, hätten 
fie die Weißagung eingerichtet. So erzählten die drei Priefterinnen, und 
die bey dem Heiligthum befindlichen Dodonäer ftimmten mit ihnen überein. 
Die Taube war dem Zeus nicht geweiht, und doch ift an ver Taube zu 
Dodona nicht zu zweifeln, venn fie findet ſich auch in einer viefen Orakel⸗ 
ort betreffenden bildlichen Darftelung. Sie muß daher der Dione zuges 
hört haben. Nun wißen wir aber, daß die Taube der Aphrodite gehörte, 
denn es meldet und ſolches Athenäus (9. 11.) und Aelian (Naturges 
ſchichte 10. 33). Der letztere erzählt aber (Naturgefchichte 4. 2): Auf 
dem Eryr in Eicilien ift ein Feſt, welches fie Anagogien nennen, d. i. Aus⸗ 
zugäfeft, denn man fagt, in dieſen Tagen ziehe Aphrodite nach Libyen, 
und fchließt Died aus Folgendem: Es ift eine große Menge von Tauben 
dafelbft, und dieſe werden dann nicht gefehen, vie Eryciner aber fagen, 
fie giengen vie Göttin begleitend weg, denn fte geben an, vie Tauben 
ſeyen ver Aphrodite geweiht, und alle Menfchen glauben es. Nach Ber: 
lauf von neun Tagen erblide man aber eine fehr fchöne berfliegenn über 
das Meer von Libyen her, nicht wie die andern, fonvern purpurn, wie 
Anafreon die Aphrobite nennt, und berfelben folgt das Gewölk ver 


Aftarte. Aphrodite. 213 


übrigen Tauben, und nun feiern fie das Feſt ver Katagogien, d. i. Heim⸗ 
zugöfeft.*) Der Tempel auf dem Eryr war einer ver berühmteften und 
reichften. Aelian (10. 50) fagt, es werve täglich das ganze Jahr hin⸗ 
durch von Einheimifchen und Fremden daſelbſt geopfert. Ein fehr großer 
Altar ſteht unter freiem Simmel und das Feuer brennt bi zur Nacht 
darauf, am andern Morgen aber findet fich nichts von Aſche oder Ueber 
bleibjeln darauf, fonvern er ift vol Thau und frifchen Krauts, welches 
allnächtlich emporſproßt. Die Opferthiere aber gehen von felbft zum 
Altar, getrieben von der Göttin und ver Kraft und dem Willen des 
Opfererd. Willſt du ein Lamm opfern, es fteht da, eine Ziege, ein Bode 
lein, eben fo. So du ein größeres Opfer bringen willft, eine Kuh, over 
mehrere, wird dich der Hirte nicht übervortbeilen, noch du ihn, denn die 
Göttin bewacht den gerechten Kauf, und wollteft du zu wohlfeil Faufen, 
fo geht das Thier weg und du Fannft nicht opfern. 

In diefem Eulte, von welchem man ven der Aphrodite Erycina zu Pfophis 
in Arkadien herleitete, wie Pauſanias (8. 24. 3) melvet, fehen wir, daß 
die Taube der Aphrodite gehörte, und da zu Dobona diefer Vogel in der 
Legende als von Außen aus der Fremde gefommen angegeben ward, fo 
fann die Einerleiheit von Dione zu Dodona und Aphropite nicht bezwei⸗ 
felt werden. Wir werben nicht leicht fehl gehen, wenn wir annehmen, 
daß derſelbe phönikifche Einfluß, welcher den Moloch oder Melfart nach 
Böotien brachte, auch die Himmeldfönigin aud dem femitifchen Lande zu 
dem griechifhen Himmelskoͤnig nad) Dodona brachte, deren Cult fich aber 
nicht von da aud unter vem Namen der Dione verbreitete, jondern unter 
dem der Aphrodite von Kypros und Kythera aus, von wo ſich ihr Cult 
über ven Peloponnes verbreitete. Strabo (8. 3) fagt von der Landſchaft 
Elis: Das ganze Land ift vol Seiligthümer ver Artemis, der Aphrodite, 
der Nymphen in den blumigen Auen, die waßerreich find, denn das 
Waßer ift das Gedeihen gebenve, Leben fördernde Element, und wie der 
Brieche fie darum aus dem Meer entfteben ließ, fo gab er ihr aud 
Serrfchaft über dad Meer, und die Knidier verehrten fie als Euploia, 
d. i. die Berleiberin guter Schiffahrt, wie Paufanias (1. 1. 4) ung 
melvet. Wir werben weiter unten fehen, daß vie Beziehung ver Aphropite 
zum Waßer, wie die zur Taube, in der femitifchen Mythologie begründet 
ft. Es drängt fi) und die Frage auf: gehörte der Aftaroth vie bey 
Aphrodite in Griechenland nie vorfommende Kuh? Dad Alte Teſtamens 
nennt und die Stadt Aſtharoth Karnaim, und zwar fchon in der Geneſis 
(14.5), wo es heißt: Die Riefen zu Aſtharoth Karnaim. Da Karnaim 
die Hörner beveutet (keren heißt hebräifch Horn), fo Fünnte man ver⸗ 


*) Aelian fpricht auch davon in den mannigfaltigen Befchichten . 15. Athe⸗ 
näus ©. 394. 








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Aftarte. Aphropite. 215 


Hephäftos und Aphrodite ald etwas ganz Natürliches. In Aegypten ſteht 
der Patäfe zu Memphis, viefer fogenannte Hephäftos in genauer Ver⸗ 
bindung mit Paſcht, der Geburtsgättin zu Bubaftos, und zu Theben 
finden wir den Patäfen Melkart eben fo vereinigt mit der Geburtögdttin 
Galinthias, die mit ihm aus der phönififchen Fremde eingewandert war. 
Zu Theben in Aegypten fehen wir ven Patäfen Chon, den fogenannten 
ägyptifchen Herakles, in Verbindung mit Mut, ver großen Mutter alles 
Kebens, und mit Ammon dem Himmelskönig, der ald Widder das Leben 
erzeugt, und alljährlich befleivete man daſelbſt das Bild des Gottes mit 
einem frifchen Widderfell, feine Widderkraft, d. i. die Zeugung gleichfam 
erneuend, und brachte dann das Bild des Patäfen hinzu, wohl um anzıı= 
deuten, es fey die gefegliche rechte Zeit der Zeugung gekommen, damit 
fie unter des Patäken Schuß und Segen ftattfinde. Da die Aegypter 
die Patäken von den Phönikern angenommen batten und Pacht fedh nicht 
als eine urfprüngliche ägyptiſche Form der Geburtsgdttin annehmen läßt, 
Balinthiad aber nur phöntkifchen Urfprung haben kann, fo müßen wir bie 
Zufammenftelung des Patäken mit der Göttin des Lebens als cine phö— 
nififche Idee anfprechen und ed für phönikiſch gelten laßen, wenn er 
neben der großen Mutter fteht, als die Gottheit der Zeit, die mächtig 
über Geburt und Leben gebietet. Da ed nun feititehbt, daß ver Patäke 
von den Griechen ald Hephäftos angenommen warb, und da der Patäfe 
in Theben neben einer Form der phönififhen großen Mutter fteht, fo 
möchte wohl wenig zu bezweifeln fern, daß nicht der griechifche Hephäſtos 
mit Aphrodite vermähft ift, fonvdern daß dieſe Dichtung bervorgieng aus 
einer Verbindung (nicht Vermählung) des Patäfen mit der großen ſyri⸗ 
fhen Göttin. Einen Sohn diefer Verbindung hat audy die griechifche 
Mythologie nicht erfunden. (Wann der Grieche bey den Semiten einen 
Hephäſtos fuchte, fo blieb zur DVergleichung, weil ein Yeuergott im Semi⸗ 
tifhen nicht vorhanden war, nur der Patäfe, der die Sonne am Himmel 
bewegt, die feuriger Natur ift.) Daß Ares Buhle ver Aphrodite iſt, 
fonnte man aus dem Gedanken erklären, es neige ſich Vrauenliebe dem 
Heldenthume zu und der Kraft. Doch wird Ures ald ein fo roher, nur 
am wilden Morde Luſt findender Gott gefchilvert, vol Schredend und 
Grauens, daß man jenen Gedanken, auf ven Wüthenden angewendet, als 
unrecht angebracht erfennen möchte. Kaum dürfte e8 zuläßig jeyn, dem 
griechifchen Schönheit3- und Schieklichfeitd - Sinn die Buhlfchaft der zar⸗ 
ten und weichlichen Aphrodite mit dem Mord und Blutvergießen zuzu- 
ſchreiben. 

Ares war aber auch nicht bloß ein Gott des Mordes, ſondern dieſe 
Eigenſchaft hat ſich aus ſeinem anderweitigen Weſen entwickelt, und man 
ihm den Mord vorzugsweiſe zugeſchrieben, wie man ihn andern toͤdtenden 
Goͤttern auch hätte zufchreiben Eönnen, 3. B. dem ſchoͤnen Süngling 


216 Aſtarte. Aphropite. 


Apollon, ver ein furdhtbarer Gott mit feinen Geichoßen, und ver wahre 
helleniſche Schlachtengott if. Wie dieſer ift auch Ares ein Lichtgott und 
wir brauchen dieſes nicht durch ven fabinifchen Mars in Rom zu beweifen, 
der allerdings als ein Lichtgott in einer Weije erjcheint, daß ein Volk, 
welched einen ſolchen aus einem bloßen Kriegd- und Mord - Gotte hätte 
dichten wollen, eine jo eigenthümlicde Denfart hätte haben müpen, daß 
man fie wunderlich jeidht nennen möchte. Sophokles fchreibt dem Ares 
das Berverben durch die Peſt zu, und wollte man dies als einen Mord 
des wilden Mörders anſehen, jo zeigt ihn ein altes Mährchen doch als 
Gottheit des Lichts und der dadurch bevingten Zeiteintheilung. Die Iliade 
erzählt (5. 385), Otos und Ephialtes, die Söhne des Alveus, feßelten 
den Ares und hielten ihn dreizehn Monate eingejchlogen, bis ihre Stief- 
mutter Eriboia ed dem Hermes verrieth, weldyer ihn aus feinem Berfted 
heimlich befreite. In der Odyſſee (11. 304) wird von diefen Aloeus- 
fühnen erzählt, Iphimedeia, des Aloeus Gattin, habe fie von Poſeidon 
gebohren, als Furzlebende, weldye die größten und auch nady Orion die 
ſchönſten gewefen, fo je die Erde genährt habe. Als fie neun Jahre alt 
waren, waren fie neun Ellen breit und neun Klafter lang, und gevachten 
den Oſſa auf den Olympos, auf den Dia aber ven Pelion zu thürmen, 
um in den Simmel zu fteigen, doch Apollon erlegte fie mit feinen Gejchoßen, 
damit diefes nicht gefhehe. Tazu kommt no, daß fie den Mufendienft 
am Selifon gegründet haben follen, was für Rieſen gar nicht geeignet 
if. Die in diefem Mythus enthaltenen Züge, welche innerhalb ver 
myihifchen Form die Grundideen enthalten, find die Zahl neun bey ven 
Aloaden, vie Zahl vreizehn bey Ares, und zuletzt das Verhältniß ver 
Aloaden zu ven Mufen. Die Zahl neun hat bey den Griechen nie einen 
andern Grund gehabt, als die Zeitperiode ver Ennaöteris, und Rieſen, 
welche neun Jahre alt werden und dann fterben, neun Ellen breit und 
neun Klafter lang find, müßen bey fo ftarfer Hervorhebung dieſer Zahl 
mit der Ennasteris zufammenhängen, befonvders daß fie flerben, wann die 
Todtenfeier diefer Periove flattfindet. Sie können daher nichtd Anderes 
ald Fahre der Ennasteris feyn, und wenn fie den Ares feßeln, fo muß 
diejed ein Verhältnig der Zeit betreffen, und die Zahl dreizehn zeigt und 
fiher und veutlih, welch ein Zeitverhältnig allein gemeint feyn Fönne. 
Nirgends fonft hat viefe Zahl eine Bedeutung, und da alle Zahlen in 
der Mythologie ihre Beveutung durch Zeitabfchnitte befommen haben, fo 
kann diefe nur einem Ausnahmäverhältnig angehören, welches nicht wie 
die Zahlen jieben, zwölf, neun eine fletige fortlaufende Periode betraf. 
Wenn man aber zur Beitauögleihung einfchaltete, ward zu den zwölf 
Monaten des Jahres ein dreizehnter von ver nöthigen Zahl ver Tage 
eingefhoben, und viefer, zwifchen zwei Jahre hineingefchoben, konnte in 
dem Mythus als ein Eingefperrt« und Gefeßelt- werden gelten. Wirb 


Aftarte. Aphrodite. 217 


dieſes von Ares ausgefagt, fo kann er in dieſem Verhältniß nur ein 
Zeitgoti feyn, ver, da wir ihn fonft nur als den Mord finden, aus einem 
Lichrgotte zu einem Gotte des Mords ward, wie der Lichtgott Apollon 
zu Pytho das Left der Ennaeterid und die Zahl fieben hat als Zeitgott, 
aber auch ein furdytbarer Gott des Todes ift, ver auch Seuchen und Ver⸗ 
verben ſendet mit ven Gluten des Kichts. 

In Nom nun galt den Pontificed Herkules für einerlei mit Mars 
was vollig unbegreiflich ift, wenn man nidyt annimmt, fie hätten ben 
Herkules ald Zeitpatäfen Melkart gekannt. War dies ver Fall, dann 
Ionnten ihm zur Beier ver Jahresorpnung Salier zu Tibur geweiht wer⸗ 
ben, wie deren zwolf mit Rückſicht auf die zwölf Monate des Jahrs dem 
Mars zu Rom gehörten, welche zwölf Schilde, mondförmig audgefchnitten 
zur Andeutung ded Monde, in Tanzprocefiton herumtrugen. So gut wie 
tie Griechen in Memphis und auf Lemnos den Patäken für ihren Feuer⸗ 
gott Sephäftos gelten ließen und ihn mit ihrem Helios und feinen Sonnen- 
tindern in Verbindung festen, eben fo gut fonnte er in Ihrafien mit 
einer Lichtgottheit in Zufammenhang fommen, da er ja feinem Wefen 
nah auf das Engfte mit ven Oottheiten des Lichts verwandt ijt; und auf 
ſolche Weife hätte man in dem Patäfen den Ares erbliden fünnen, ven 
man dann, feine Verbindung mit Aphrovite nicht genau erfaßend, zu 
ihrem Gatten machen Eonnte, was ſich in dem griechifchen Götterftaat fo 
audglich, daß Hephäſtos Gemahl, Ares Buhle ver Göttin blieb. 

Wir finden die große fyrifche Göttin aber nicht allein unter dem 
Namen Aphrodite und in der fchönen Form des höchſten Liebreizes bey 
hen Griechen, fonvdern ſehen fie auch im Peloponnes in anderer Geftalt 
Paufanias (8.41. 4) berichtet und von Phigalia in Arfadien: Obngefähr 
zwölf Stadien ober dieſer Stadt fließt der Fluß Lymax in ven Fluß 
Neda, und wo fie zufammenfließen, ift ein Heiligthum der Eurynome, von 
Alterd ber heilig und wegen der Rauhigkeit des Drtes ſchwer zugänglich, 
und um daflelbe find viele dicht aneinander gedrängte Cypreſſen. Don 
Eurynome glaubt das Volk zu Phigalia, fle fey Artemis mit dieſem Bei⸗ 
namen; fo Diele aber die alten Denkmäler kennen, fagen, Eurynome jey 
eine Tochter des Okeanos, deren auch Homer in der Iliade gedacht hat, 
daß fie mit Thetis zugleich den Hephäftos aufgenommen habe. Alljähr- 
li aber an dem nämlichen Tage dfinen fte das Heiligthum der Eurynome, 
ijedoch die übrige Zeit ift e8 nicht Brauch, vaffelbe zu dffnen. Dann aber 
opfern fie ſowohl von Staats wegen, als auch die einzelnen Bürger. 
Mir fügte e8 ſich nicht, zur Zeit des Feſtes dort zu feyn, und ich fah 
das Bild der Eurynome nicht; von den Phigaliern aber hörte ich, daß 
goldene Ketten das Holzbild feßeln, und daß es das Bild eines Weibes 
bis zu den Schenfeln fey, von da an aber fey es ein Fiſch. Um Dfeanos 
Tochter, die mit Thetis zugleich in ver Tiefe des Meeres wohnt, zu 


: 218 Aftarte. Aphrodite. 


erfennen, möchte wohl der Fiſch beitragen, der Artemis jenoch möchte 
eine folche Geftalt mit einem ſchicklichen Grunde nicht beigelegt werben. 
Darin hat Paufaniad Recht, daß er eine Artemis - Eurynome bezwelfe.t, 
die aber, welche eine griedhifche Geburtsgöttin darin erblidten, Eonnten 
auf diefen Gedanken nicht kommen, wenn ihnen Eurynome nicht als eine 
Göttin ver Geburt und des Lebens erfchienen wäre. Die Fijchgottheit 
aber, welche als folche erfcheinen Eonnte, war Feine andere, ald vie femi- 
tifhe große Mutter, welche unter dem Namen Aphrodite mweitverbreitete 
Verehrung gefunden hatte, und unter diefem Namen hatte fie auch bey 
Phigalia, ohngefähr vierzig Stavien von dieſer Stadt, auf der Höhe 
Kotylon einen Tempel ohne Dad. (Pauſanias 8. 41. 6.) Als Fiſch⸗ 
göttin nannte man die große Mutter 


Derfeto oder Atargatis, Atergatis 


und unter diefem Namen ward fie zu einer eigenthümlichen Form gebilvet 
und al3 eine befondere Göttin angenommen. Strabo (16. 4. ©. 785) 
fagt, aus dem Namen Athara hätten die Hellenen Atargatis gebilvet, 
Ktefiad aber nenne viefelbe Derfeto. Juftinus (36. 2) erzählt: Damascus 
hieß nach dem Namen des Königd, dem zu Ehren die Syrer dad Grab 
feiner Gattin Athare ehrten und ſie dann ald eine Göttin von fehr 
bheiligem @ult hatten, und im großen Etymologikum wird berichtet, 
Damascus werde nad dem Damas benannt, der mit Dionyſos ziehend, 
dort fein Zelt aufgefchlagen und dad Blid der fyrifhen Göttin daſelbſt 
aufgeftelt habe; mworaud wir erfennen, daß Athara, die fyrifche große 
Göttin, einen vorzüglihen Cult zu Damadcus hatte. Hierapolis in 
Syrien, auch Bambyfe genannt, war ein Hauptfiß dieſer Gdttin und 
Bambyfe befam von ihrer Verehrung ven Namen ver heiligen Stadt, von 
welcher Plinius (5. 23) fagt, vie Syrer nannten fie Magog, und es ift 
dafelbft die ſeltſame Ntargatis, welche die Griechen Derfeto nennen, 
Strabo (16. 1) bemerkt: Ueber dem Euphrat, vier Schönen davon, liegt 
Bambyfe, die man auch Edeſſa und SHierapolis nennt, in weldher man 
die jyrifhe Göttin, die Atargatid verehrt. Der Name Atargatis, welcher, 
wie Strabo bemerkt, von Athara ftammt, ift der Name der Aftaroth mit 
einem Zufag, denn e8 gab zwei Dialekte, von welchen der eine das | 
gebrauchte an Stellen, wo der andere des t fich bedient; z. B. Tyrus 
bieß nad) Theodoret zu dem Propheten Ezechiel (26) Sor, und in der 
Bibel finden wir fie Zor genannt nad) ver hebräifchen Sprache. So ift 
denn Athara gleich Aftara, und die Endung Gatid gilt ald Zufaß, wel⸗ 
hen wir nicht mit Sicherheit deuten können.“) Wie nach Aftaroth Ort- 


‚ *) Athenäus (8. 8) meldet, daß der Stoifer Antipater fagte: Atergatis fey eine 
Königin von Syrien geweien und habe Batis geheißen. Da fle ſehr gerne 


Atergatis, Semiramiß. 219 


(haften benannt worven find, fo auch nad) Atargatis, denn wir Iefen im 
zweiten Buche ver Maccabäer (12.26) von einem Orte Atargation. Diefe 
Göttin galt ald Mutter der Semiramis, der affyrifchen Königin. Diodorus 
(2. 4) erzählt: Nach der Gründung der Stadt Ninos unternahm König 
Ninos einen Feldzug nad Baltriana, wo er fid} der Semiramid ver⸗ 
mählte. Diefe war die ausgezeichnetfte aller Srauen, von welchen wir 
eine Ueberlieferung haben, und fo ift es nothwendig über ſie zu berichten, 
wie fle aus einem niedrigen Gefchide zu einem folchen Ruhme gelangte. 
In Syrien ift eine Stadt Asfalon, und nicht weit davon ein großer und 
tiefer See, vol von Fifchen, bey dieſem aber ift ein Seiligthum einer 
ausgezeichneten Göttin, welche die Syrer Derfeto nennen; fte hat das 
Antlig eined Weibes, ven übrigen Leib aber ganz den eines Zifches, aus 
folgendem Grunde. Die Gelehrteften ver Einheimifchen fabeln, Aphrodite 
habe, an vorerwähnter Göttin Aerger nehmend, ihr eine gewaltige Liebe 
eingeflößt zu einem nicht unfchönen Jüngling unter den Opfernden. Mit 
diefem Syrer nun vermählt, habe ſie eine Tochter gebohren, aus Scham 
jedoch über ihren Fehl habe fie ven Jüngling verſchwinden gemacht, und 
das Kind an einen öden felfigen Ort auögefeht, wo eine Menge Tauben 
zu niften pflegte, und das Kind habe dadurch wider Erwarten Nabrung 
und Rettung gefunden. Sid felbit habe fie aus Scham und Kummer in 
den See geftürzt, und ihr Leib fey in einen Fifch verwandelt worben. 
Daher komme ed auch, daß die Syrer ſich der Fifche enthielten, und vie 
Fifche wie Gdtter ehrten. Da aber an den Orte, wo dad Kind ausge— 
fegt war, eine Menge Tauben nijtete, fey das Kind wider Erwarten und 
wie durch ein göttliches Wunder ernährt worden, denn ed hätten dieſel⸗ 
ben den Leib des Kindes mit ihren Fittigen rings umfaßt und erwärmt, 
und andere von ihnen hätten aus den benachbarten Gehöften, wann fle 
die Rindhüter und andern Hirten daraus entfernt gefehen, Milch in ven 
Schnäbeln geholt und fie vem Kind in den Mund träufelnd, es ernährt. 
Als es aber ein Jahr alt geworben und feiterer Nahrung bevurft, Hätten 
die Tauben Käfe abgepikt und ihm genügende Nahrung gewährt. Die 


Fiſche aß, Habe fie den Befehl ergehen laßen, außer Gatis folle Niemand 
Fiſche eßen, uud fo bedeutet Atergatis f. v. a. Außergatis (ater heißt 
außer). Aus des Mnafias Schrift über Aften führt Athenaus an, bie 
Königin Atergatis Habe fireng geherrfcht, und fih alle Fifche, die man 
fieng, bringen laßen, um fie allein zu eßen, woher es flamme, daß man 
der Göttin goldene und filberne Fifche darbringe, und daß tie Priefter 
gefottene und gebratene Fifche vor das Bild derfelben flellen, vie fie dann 
feld aßen. Aus tem Lydier Zanthus endli meldet Athenäus (37), 
Atergatis, vom Lydier Mopfos gefangen, flürzte fih mit ihrem Eohne 
Ichthys (d. i. Fifh) in den See bey Asfalon und warb von den Fiſchen 
gefzeßen. 


220 Zenıramid, Memnon. 


Gino no rm tere Dermeebr Die Kaͤſe angepidt geſeben, Büren id | 
:=>z scwuntert, und wie fte beim Nurlauern ve 


Won. 22 Niro mo 2as Kine von ausgezeichneter Schoͤnbeit von 
DE ‚me  Zeacıh bätten fie ed in dad Geböfte gebradt | 
u, vo nr wre mer Smralsihen Seerden geichenft, ter Simmu 
sh er Sin en or, rien kinderlos geweien, babe er das Maͤgb⸗ 
wir 2.0. Zerrr: me ene eigene Tochter gepflegt, und ikr ren 
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Zemiramid 


2 Errache von ven Tauben hergeleitet it, 


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sz Sebräiiiben Sprache die Höhe, und auf 
: nee Bedeutung zu haben, fo daß, wenn 
ade wiräich bedeutet Baben follte, woran mir 


Term darien Hohen Noren von den boben Bergen gehabt hätte.) 
Ndonın Sem. ram:s Nas Nrer zur Ebe hatte und an Schönheit die 
ana Junafrauın wer zävrer, ward vom König ein Vorſteher abges 


ſaue: um me Keminuaudben Heerden su beftchtigen. Dieſer hieß Menones, 
war der Erſte im Köonigéra:de und ner Verwalter von ganz Serien. 
Dem Simma eindchren> uns die Semiramis ſehend, ward er von ihrer 
Swönbeit geranaen. und bat deßbald ven Simmas, ihm die Jungfrau 
zur Jelegliten Ebe zu geden, führte fie nach Ninos, vermählte ſich mit 
IET und erzeugte zwei Söhne. Die Handſchriften geben den Namen viejed 
Garten au Onnes uns Nonnes und Tzetzes giebt Menoinis. Richtig 
aber muß in vieler Erzablung Menones wohl fern, denn es ift vieler 
nut ine Nebenform der Namens Ninos, welcher Sohn bedeutet. 
ain heitzt im Hebräiſcheu Sebn und eine ganz ſprachgemäße Nebenform 

dieſes Wortes lautet Manon, und bedeutet ebenfalls Sohn. Semiramis 
var alſo die Gattin des Nin oder Manon, und die Erzählung machte 
—— Perſonen und bebandelte ten zu erzählenden Stoff dieſer 
Manon ie er al Bleiben wir einen Augenblick bey ihm ſtehen. Dieſer 
ala Ninos on i N none Gatte der Semiramis iſt, und kein Anderer, 
gräcifirten Namen nn der Gemabl ſeiner Mutter, ward auch unter dem 
ſchen Kampf ziehen und en Seros bes Dilen, ben man In ben Troi⸗ 
Namen fo Gifdeten, mine darin fallen ließ. Warum die Griechen ben 
dem agyptiſchen Amenophis wir nicht, aber fie machten ed gerade fo mit 
Demon unbilveten. © h en erfte Hälfte Amen fie ebenfalls in 
benden Gottes, mie es auch In nn Tan Grabe des Kine fer 
n Aegypten mehrere Gräber des Oſiris gab. 


am 


Semiramid, Memnon. 991 


Am Hellefpontos gab ed ein Grab, wohin die Memnonsvdgel jährlich an 
beſtimmten Tagen kamen, das Grab, fo weit ed von Bäumen und Büfchen 
frei war, reinigten und mit ihren Schwingen, die fte im Fluß Aeſepos 
nehten, beiprengten. So erzählt Baufaniad (10. 31.2,*) und fagt, nicht 
and Aethopien ſey Memnon nach Ilios gefommen, ſondern aus ber per» 
fihen Sufa, und von dem Fluße Choaspes, alle Völker in ver Mitte 
beftegend, und noch werde der Weg, den er genommen, von den Phrygern 
zeigt. Sufa warb ein Memnonium, eine Stätte Memnond genannt, 
wie Herodot (5. 54.7. 151) bemerkt; **) e8 war alfo eine Nings, ein 
Rinive. Paſſend ift die Dichtung bey Quintus Smyrnäuß (2. 558), 
daß aus den Blutötropfen des Leichnams, welchen vie Winde vom Wahl« 
Hab forttrugen, ein Strom entftand, den man Paphlagoneiod nennt, und 
ber, wann der Trauertag feines Todes wieverfehrt, von Blut fließt. Es 
R gerade fo, wie bey Adonis, doch wißen wir nicht, ob dieſe Angabe 
freie Dichtung fey, over ſich auf eine mythiſche Angabe gründe. Bey 
Dictys Cretenſis (6. 10) wird die Beſtattung Memnond nach Paphos 
auf Kypros gefegt, und die Phöniker werben dabei genannt. Dadurch 
Würde er ebenfalls, wenn es auf wirklich alter Angabe beruhen folte, 
dem Adonis genähert werden. Sehr geeignet für dieſen Kreis ift es 
auch, daß die Odyſſee (11. 521) Memnons Schönheit Hoch ftelt. Daß 
Memnon einen Tempel hatte, und von ven Aſſyrern beweint ward, fagt 
Oppian im Jagdgedicht (2). Ob er dies wußte ober vorausfepte, 
Hnnen wir nicht mit Gewißheit beftimmen. Die Erzählung von Meno⸗ 
nes aber fährt fort: Semiramid hatte ihren Gatten ganz in ihrer 
Gewalt, daß er nichts ohne fie that, und Alles glüdte ihm. Als ex 
aber mit dem König nad Baktrien in den Krieg gezogen war, und 
bie Belagerung von Baktra ſich verzog, ließ er, fih nach Semiramis 
ſehnend, ſie kommen. Ste zeigte fich in Allem vol Geift und Tüchtigkeit, 
und erfand ſich zu ver längeren Reife ein Kleid, welches nicht erfennen 
ließ, ob fie Frau oder Dann fey, welches ihre Farbe vor Sonnenbrand 
ſchützte und zu allem Thun geeignet war. Dabei war ed fo ſchoͤn, daß 
nachmals die Meder und dann die Perfer das Semiramisfleid trugen. 
Dort angekommen, erfpähte fie die Möglichkeit, die Burg Baktra's zu 
erſteigen, und nahm fie mit einigen Leuten ein, fo daß die Stadt erobert 
ward. Der König, die Tüchtigkeit des Weibes bewundernd, ehrte fie mit 
zroßen Gejchenken, und bat dann, von Liebe ergriffen, ven Gatten, dem 


+), Blinius (10. 26) fagt, Cremutius habe ausgeforfcht, daß die Vögel, welche 
man memnonifhe nenne, wie fie bey Ilium am Memnonsgrabe mit 
einander fämpfen, fo auch in Aethiopien um die Memnonsburg fämpfen. 

sr Diodor (2. 22) fügt Hinzu, daß auch Pie Straße dem Memnon zuge⸗ 
fehrieben werke. 


2223 Semiramiß. 


er dafür feine eigene Tochter verfpradh, fte ihm abzutreten, und als viejer 
nicht wollte, drohte er ihm vie Augen ausſtechen zu laßen, worauf ft 
der Gatte erhängte, und Semiramid zum SKönigsglanze gelangte. Nino 
zeugte mit Semiramid den Ninyad und hinterließ ihr fterbend das Reich; 
fie aber bejtattete ihn in dem Königsflge und errichtete ihm einen Grab— 
hügel, neun Stadien hoch und zehn Stadien breit, wie Kteſtas meldet. 
Die hochſtrebende Semiramis beſchloß nun, eine große Stadt in Babylonien 
zu gründen, und verfammelte zwei Millionen Menfchen, und zu beiden 
Seiten des Euphrat, fo daß ver Fluß in der Mitte war, baute fie eine 
Stadtmauer mit vielen hohen Ihürmen, an Umfang breihundert und 
ſechszig Stadien, unglaublich hoch und fo breit, daß ſechs Wagen neben 
einander fahren Fonnten. Kleitarcho8 aber und Andere, die fpäter mit 
Alexandros nach Allen zogen, melden: Der Umfang habe dreihundert und 
fünf und ſechszig Stadien betragen, da fie ihn ver Zahl der Tage des 
Jahres habe gleich machen wollen. aftelle gen Oft und Weft machten 
die Stadt noch feiter, und eine breite hohe Mauer ſchützte vie Königsburg. 
Dauer und Thürme waren mit Thieren verziert, befonvderd mit einer 
Jagd, worin die Thiere über vier Ellen hoch waren, und wo Semiramis 
auf einem Roße fitend, einen Parvel erlegt, und nahe dabei ihr Gatte 
Ninos, der einen Löwen mit dem Speer trifft. (Aelian in ven vermifch- 
ten Gefchichten [7. 39] berichtet, man fage von Semiramis, daß fte Feine 
fo große Freude empfand, wenn fte einen Löwen, Parvel over vergleichen 
erlegte, aber ſtolz war über die Bezwingung einer Löwin.) Die große 
Lebendmutter ward eine Jägerin der wilden Thiere, gerade wie Artemis, 
weil fie die Geberin ver Thierbrut war. Zu Carthago fol die Himmeld- 
fonigin auf einem Löwen ſitzend vargeftellt worden feyn, wie Apuleius 
(Berwandlungen 6. 6) fagt. Unter ven drei Thoren waren Gemächer 
aus Erz, vie durch Mafchinerie gedffnet wurvden. Die auf dem andern 
Ufer des Euphrat liegenne Königsburg war geringer, und anftatt ver 
Thiere waren da die ehernen Bilder des Ninos, der Semiramid, ver 
Satrapen und des Zeus, den die Babylonier Belos nennen, auch Schlacht» 
ordnungen und mannigfaltige Jagden, zur Ergögung der Befchauer. Nach 
der Erbauung von Babylon gründete Semiramid noch mehrere Städte 
am Euphrat und Tigris ald Handelsorte, auch ließ fle in den armenifchen 
Gebirgen einen Obelisf aushauen von hundert und dreißig Fuß Länge 
und fünf und zwanzig Fuß Dide, ven fie nah Babylon fchaffte und 
daſelbſt aufrichtete. Dann zog fie nach Medien mit großer Macht und 
Iagerte fih am Berge, und machte dort ein Paradies in der Ebene von 
zwölf Stadien an Umfang. Diefer Berg aber ift dem Zeus (alfo dem 
Belus) heilig, und fteile Seiten an ihm erſtrecken fich flebenzehn Stadien 
in die Höhe. Am unterften Theil Tieß fie ihn behauen und ihr Bil ein- 
graben mit hundert Ranzenträgern neben fi, und eine ſyriſche Inſchrift 


Semiramiß. 223 


befagte, daß Semiramis auf den über einander gethürmten Saumfätteln 
der ihr folgenden LXaftthiere, vie bis zur Höhe des Berged reichten, auf 
been Spige geitiegen fey. In der Nähe der mediſchen Stadt Chaugn 
war ein hoher Wels, um welchen fte auch ein Paradies anlegte, und auf 
bemfelben errichtete fie koſtbare Bauten zur Schmwelgerei und genoß der⸗ 
jelben auf dieſem Fels lange Zeit. Um aber vie Herrfchaft nicht zu ver- 
lieren, vermählte fie ſich nicht, fondern wählte ſich vie ſchönſten ihrer 
Krieger zu ihren Liebesfreuden aus, doch Tieß fie jenen folchen fchnell aus 
ver Welt verfchwinden. Kteflad, wie Synfelos (©. 64) berichtet, gab 
an, Semiramid habe unter vem Vorwande der Ueberſchwemmungen Erd⸗ 
hügel errichtet, dieſe ſeyen aber vie Gräber ihrer lebendig vergrabenen 
Geliebten geweſen. (Gab e8 wirklich folche Ervhügel, die Gräbern glichen, 
fo wären ed Gräber des Gottes gemefen, deßen Top man betrauerte, wie 
es Oſirisgräber gab. Doch mag dies dahingeftelt feyn.) Auf ihrem 
Zuge nah Ekbatana ließ fle einen Weg durch ven Berg Zarfaios machen, 
ver noch ihren Namen führt, und baute zu Cfbatana ein koſtbares 
Königshaus. Hierauf durch Perften und die andern Länder ded Reiches 
ziehenn, baute fie Wege durch Berge und Felſen, und führte Erdhügel 
auf, theild zu Grabmälern ihrer Beloherren, theild erbaute fle Städte 
darauf, und Vieles in Aften heißt noch Werk der Semiramid. Wie fie 
dann Aegypten durchzogen und einen großen Theil Libyend in ihre Gewalt 
brachte, gieng fie zum Ammon, ihr Lebensende vom Gott zu erforschen, 
und das Orakel fagte ihr, fie werde ven Augen der Menfchen entrüct 
werden und bey einigen Völkern Aftens unfterblihe Ehre erlangen, wann 
ihr Sohn Ninyas ihr nachitelen werde. Sie unterwarf auch einen großen 
Theil Aethiopiens, und nachdem fle die Sachen in Uethiopien und Aegyp— 
ten geordnet hatte, begab fte fi wieder nach Aſten und gieng nad 
Baktra. Kriegdluft trieb fie aber dann nad Indien, von mo fie mit 
Berluft abziehen mußte. Als ihr einige Zeit nachher Nachitelungen ver- 
mittelft eines Eunuchen durch ihren Sohn Ninyas gemacht wurden, 
erinnerte fie fich des Drafelfpruchs, und that ihm deßhalb nichtd zu Leid, 
jondern übergab ihm im Gegentheil vie Herrſchaft, befahl ven Satrapen, 
ihm zu gehorhen, und machte ſich plöglich unſichtbar, als gehe fie zu 
ben Göttern, dem Orakelſpruch gemäß. Manche fabeln, ſie ſey eine 
Taube geworben, und da viele viefer Vögel auf dad Haus herabgeflogen, 
mit diefen fortgeflogen, und daß darum die Aſſyrier die Taube wie eine 
Gottheit ehren, indem fie die Semiramid vergüttern. So endete Semi- 
ramis, die Königin von ganz Aften, mit Ausnahme von Indien, in einem 
Alter von zwei und fechdzig Jahren, nachven fie zwei und vierzig geherrfcht 
hatte. Und dieſes hat der Knidier Kteflad (er lebte in Perfien ala Arzt) 
überliefert. Athenäos aber und einige Andere jagen, fie fey eine ſchöne 
Buhlerin gewefen, vie ner König der Affyrier um ihrer Schönheit willen 


224 Semiramiß. 


geliebt Habe, und anfangs in mäßiger Gunft bei ihm ſtehend, habe fte * 
hernach ven Namen eined rechtmäßigen Weibes erlangt und ven König 
berevet, ihr die Herrſchaft auf fünf Tage abzutreten. Wie fie nun das 
Scepter und dad Königdgemand befommen, habe fie am erflen Tag 
Bewirthung und prächtige Gaftmale veranftaltet, wobei fle alle Führer 
und Angefehenen auf ihre Seite gebracht. Am folgenden Tage, wo ihr 
fhon die Menge und die Angefehenften als der Königin dienten, habe fle 
ihren Mann ind Gefängniß geworfen und hochftrebend und Fühn die Serr- 
fchaft behauptet bis zu ihrem Alter, und habe große Werke ausgeführt. 
MWeihlih und im Vergnügen lebend führte Ninyas die Herrſchaft nad) 
ihr, und ihm ähnlich Lebten feine Nachfolger an dreißig Menfchenalter 
hindurch, bis auf Sardanapalos. (Die Geburt ver Semiramis ward nicht 
von Allen auf gleihe Weile erzählt, denn fo leſen wir bey dem Scho⸗ 
kiaften des Germanicus: Nigiviuß giebt an, dieſe Fiſche, nämlich das 
Sternbild, feyen in dem Euphrat gewefen und hätten vafelbft ein Ey 
von wunderbarer Grdße gefunden; viefed hätten fie auf das Land heraus⸗ 
gewälzt, und eine Taube habe fich darauf gefegt, wo dann nach einigen 
Tagen die fyrifhe Göttin, die man Venus nennt, herausgefommen fen. 
In den Sternbilverfabeln Fam die Gefchichte von dem ſyriſchen Sinnbilo 
des Fifches noch in Abänderungen vor. Hygin in feiner Sammlung aftro- 
nomifcher Dichtungen [2.30] giebt an: Der Erythräer Diogenetes erzählt, 
Venus fey einmal mit ihrem Sohn Eupivo an den Euphrat gefommen, 
und plöglidh fey ihr ver Riefe Typhon erfchienen; fle babe fih aber mit 
ihrem Sohne in ven Fluß geftürzt, Fifchgeftalt angenommen, und fo feyen 
fie ver Gefahr entgangen. Deßhalb aber fangen und een die Syrer 
feine Fiſche; ratofthenes aber fagt, daß das Sternbild der Fifche von 
dem Fifche Notius abſtamme, der einft vie Ifld in ver Noth geſchützt 
habe, wofür fte ihn und feine Sprößlinge unter die Sterne verfeßte. 
Mephalb die Syrer Feine Fiſche eßen, und ihre vergolveten Bilder flatt 
der Haudgdtter ehren. Theo zu Aratus fagt von den Fifchen am Him⸗ 
mel, es feyen die, welche vie Derfe [Derfeto], die Tochter der Aphrodite, 
die ind Meer gefallen war, retteten. ratofthenes meldet, daß man das 
Sternbild ver Jungfrau am Himmel für die Atargati genommen, alfo 
eine Atargatis in reinmenfchlicher Geftalt, ohne ven Zuſatz des Fiſches. 
Hygin in den mythologifchen Erzählungen [197] fchreibt: Gin wunderbar 
große Ey fol vom Himmel in ven Cuphrat ‚gefallen feyn, welches Fifche 
an das Ufer herausmälzten. Tauben brüteten aus vdemfelben die Venus 
heraus, die hernach die furifche Odttin genannt warb, und als dieſer 
Jupiter, da fie an Gerechtigkeit und Redlichkeit die Andern übertraf, einen 
Wunfch frei ftellte, verfegte fie die Fiſche unter die Sterne.) 

Wie mwefentlih übrigens das Sinnbild ver Taube war, gebt aud 
baraud hervor, daß, wenigftens wie Hieronymus ven Text verfieht, bey 


Semiramis. 238 


Seremia (25. 38; 46. 16; 50. 16) und Zephanja (3. 1) die Taube zur 
Bezeichnung Babylond oder Aſſyriens gebraucht wird. ine eigerthüm⸗ 
liche Angabe über Ninos findet fich noch in einem Bruchftüd eined under 
Taunten Verfaßera (bey Salmaflus in dem Kommentar zu Solinys 
6. 872. E), welder fagt, Zames-Ninos jey Bruder ver Hera geweſen. 
Hera wird bier genannt ald Himmelskoͤnigin, und muß für die ſemitiſche 
Göttin, welcher dieſe Benennung gehörte, gelten; warum man aber hen 
Ninod zu einem Zamed, d. i. wahrfcheinlich (für Schemefh) Sonne 
gemacht hat, ift zu bevenfen nicht ver Mühe werth. Gab man doch auch 
ben Adonis für die Sonne aus, denn die fpätere Grübelzeit, hie ihre 
Birngefpinnfte Philofophie nannte, Titt in der Auslegung der Mythologie 
am Sonnenfti und an der Mondſucht Das aber ift zu beachten, daß 
man ihn auch flatt zum Sohne, zum Bruder der Himmeldfünigin machte, 
wie Oſiris Bruder der Id, Zeus Bruder der Hera war. Da vieje 
Nachricht uns ohne alle weiteren Unftände mitgetheilt wird, fo ver⸗ 
mögen wir über Veranlafung und Zeit nicht einmal eine Vermuthung 
zu faßen. 

In obiger Erzählung fehen wir die große Mutter des Lebens, Aſta⸗ 
soth, unter vem Namen Atargatis, zu Askalon unter dem Sinnbild des 
Fiſches dargeſtellt, ver ihr darum zugetheilt ward, als geeignet, ihr 
Weſen zu bezeichnen, weil das Waßer Iebenwedend und wachsthumfoör⸗ 
dernd iſt, und der Wifch fomohl dieſes bezeichnet, als auch ſelbſt ſich 
ſchnell in größter Menge vermehrt. Dieſelbe Göttin hatte die Taube 
zum Sinnbild, ald einen Vogel, ver durch feine große Vermehrung Hd 
empfahl, zur Bezeichnung des Wefend ver Göttin der Vermehrung alles 
Lebens zu dienen, und wenn wir in Griechenland die Taube der Diong 
und Aphrodite geweiht fehen, fo tritt und dieſes Sinnbild in der mythi⸗ 
ſchen Gefchichte der Semiramid entgegen, und wie der Zifch ſelbſt für 
heilig geachtet warb, fo auch die Taube. Daß die Göttin als Taube 
Tochter der Filchgbttin genannt wird, währenn beine nur Formen einer 
und verfelben Gottheit find, gehört vem Mythus an, der Semiramid, bie 
zwar wunderbar und ein Gbtterfind feyn follte, jedoch zur Herricherin 
Afiens gevichtet worben, einreihte. Gerade aber viefe ift für die Exkenntniß 
der großen Mutter in Aften ebenſo wichtig, als Atargatis, und vieleicht 
noch wichtiger, venn fie beißt die Gattin de Sohned, da Nin Sohn 
beveutet und Manon ebenfalls und fie erft ven Menones, dann den Ninos 
zum Gemahl hat in der mythiſchen Gefchichte, wie denn auch in derſelben 
ihr Sohn Ninyas heißt, in welchem Namen viefelbe Bedeutung enthalten 
il. In ver ägyptifchen Mythologie finden wir die nämlishe große Mutter 
des Lebens, nicht nur als Iſis und unter beſonders beuannten Formen 
derſelben, ſondern auch geranezu Mut, die Mutter genaunt, welche mit 
der femitifhen Goͤttin nerwondt feyn muß, und iu derſelben Mythologie 

IV. 15 


2926 Semiramid. 


fehen wir ven Zeugungsgott Khem Kamutef genannt, d. i. Gemahl feiner 
Mutter, und von Papremis meldet Herodot, daß daſelbſt ver ägyptifche 
Ares, aus der Fremde heimfehrenn, ſich feiner Mutter vermählte. Cine 
ſolche Idee fcheint nun der Vermählung des Manon oder Nin mit Semi- 
ramis zu Grunde zu liegen, und es fcheint eine foldhe Annahme un fo 
weniger zu täufchen, als felbft vie mythifche Geſchichte ein ſolches Ver— 
hältniß fo Far anveutet, als es ſich mit ven Verhältnigen einer mythi⸗ 
ſchen Gefchichte verträgt. Yuftinus erzählt und nämlich (1. 1): Ninus 
befriegte zuerft die benachbarten Völker, und bezwang die Laͤnder bie 
nach Kibyen hin, und ftarb mit Hinterlafung eines unmündigen Sohnes 
Ninyad und einer Gattin Semiramid. Diefe wagte e8 nicht, dem unreifen 
Sohne die Herrfchaft zu übergeben, noch auch fie offenkundig felbft zu 
führen, und verkleidete fich daher, fo daß fie fidh für den Knaben Ninus 
audgab, dem fie ähnlich ſah, und ſetzte eine Tiara auf. Damit ihre 
Kleidung feinen Verdacht erwede, Tieß fie das ganze Volk ſich gleich ihr 
kleiden, und dieſes behielt nachher viefe Tracht bey. Nach Ausführung 
großer Thaten befennt fie ihren Trug, was ihr aber in der Serrfchaft 
nicht ſchadete. Sie gründete Babylon und fügte Aethiopien zu dem Reiche. 
Zulegt, da fie dem Sohne ihre Liebe antrug, ward fie nach zwei und 
vierzigjähriger Herrſchaft von dieſem getöbtet, und Ninyas, als ob er das 
Gefchlecht mit ver Mutter getaufcht hätte, alterte in Weichlichkeit unter 
den Frauen. Sehen wir bier vie Oattin des eigenen Sohnes durchſchim⸗ 
mern, fo tritt dieſes Verhältniß faft noch deutlicher hervor in der Erzäh- 
fung des Konon, weldye wir bey Photius (S. 220) leſen, wo es heißt, 
Semiramis fen nicht des Ninos Weib, fondern Tochter gemefen, und habe 
fih heimlich der Umarmung des Sohnes gefehlt, was Andere von der 
Atofla erzählen, und daher habe e8 bey ven Medern und Perfern für gut 
und rechtmäßig gegolten, fih den Müttern in Liebe zu gefellen. Daß 
die Naturreligion ein ſolches Verhältniß enthalten Eonnte, darf uns nicht 
wundern, denn ihre Ideen werben nicht nach dem Maßftab ver menſch⸗ 
lichen Sittlichfeit beftimmt, fonvdern nach dem, was die angenommene 
Anfiht auszudrücken geeignet if. Sehen wir doch fogar in der griedji- 
fhen Mythologie in vem Verlauf ihrer Ivpeenentwidelung ven Zeus mit 
feiner eigenen Mutter Rhea die Perfephone erzeugen, als man die Demeter, 
Perſephone's Mutter, zu einer Rhea geveutet hatte. Macrobius (Iraum 
des Scipio 2. 10) berichtet fogar, daß Manche die Semiramid für eine 
Tochter des Ninus ausgeben, fo daß ſich am Ende in viefen fämmtlichen 
Annahmen die Vermählung des Sohnes mit der Mutter, des Bruders 
mit der Schwefter und des Vaters mit der Tochter auf die eine Semi- 
ramis zufammengehäuft finden, und welche zufammen zeigen, wie gerade 
diefe Ghttin ein Gegenfland ver Fabeln und Yabeleien war. Aber von 
dieſen verſchiedenen Verhältniffen kann nur das als am ficherften begrün= 
det gelten, daß fie Gemahlin des Sohnes war. 


Semiramiß. 297 


Die Könige werben weibiſch, Semiramis männlich genannt, und fle 
trägt felbft Manneskleidung, was auf einer Verwechslung ver Gefchlechter 
beruht, wovon noch weiter die Rede feyn wird. Macrobius in ven Satur= 
nalien (1. 8) bemerft: Auf Cypern tft das Biln der Venus bärtig, aber 
weiblich gefleivet, mit einem Scepter und von männlicher Geftalt, und 
man meint, fie fey männlich und weiblich zugleich. Ariſtophanes nennt 
fie Aphroditod. Auch Lävinus: Venus, den Holden, anbetend, fey es 
nun Weib oder Mann, und Philochoros in ver Atthis behauptet, fie fey 
der Mond, und Männer verrichteten ihr das Opfer in Weiberfleivung, 
Weiber in Mannskleivung, weil fie für Mann und Weib zugleich gelte. 
Aus diefem Duelle ftammt aud) die Sermaphroditenform ine alte 
Anficht war viefes nicht, fondern ſie entwidelte fich erſt durch den Dienft 
der großen Lebensmutter, der zu Ehren der Mann zum Weibe warb, 
und die Anftcht, uranfänglidy fey das zeugende und empfangende Princip 
in einem vereinigt gewefen, ift Feine aus der Anſchauung und ven Ideen 
des Volks bervorgegangene, ſondern eine fugenannte philofophifche, vie 
man auch eine müßige Grübelei nennen kann, da ihr weder eine Kennt— 
niß, noch eine erfennbare Wahrheit zu Grunde liegt. Für die fpäteren 
Zeiten und ihre philofophifchen Spielereien waren aber folche Ideen ein 
befonders guter Bund, um fogenannte höhere Ideen in die Volksmytho— 
Iogie einzufchieben. Der Bolföglaube blieb ſtets bey ver großen Lebens 
mutter ftehen, und ihm war fie ein Weib. 

Mir haben oben gefehen, daß Manche (Diodor 2. ZD) die Semi- 
ramis für eine fhöne Buhlerin ausgaben. Diefe Nachricht ift nicht ganz 
zu überfehen, wenn fle und auch über das Wefen der großen femitifchen. 
Göttin Eeinen befondern Aufihluß geben kann. Dergleichen wir aber 
folgende Ueberlieferungen. Herodot (1. 184) meldet: Fünf Menfchen- 
alter nach Semiramid war Nitofris Königin von Affyrien, noch verftän« 
iger als jene, und hinterließ viele Denkmäler, und fie that auch dies: 
file ließ fih über dem Stadtthor, wo man am meiften durchgieng, ein 
Grabmal machen und die Worte an vemfelben einbauen: Wenn einer von 
den Königen Babylond einft in großer Gelonoth feyn wird, Öffne er dies 
Grabmal und nehme fo viel des Geldes, als er will, doch nur in ver 
größten Noth, denn fonft wäre es ein Frevel. Dareios fpäterbin, an die 
Schäße denkend, und weil er nicht durch Das Thor gehen fonnte, denn 
der Leichnam unter dem er bingegangen wäre, würde ihn verunreinigt. 
haben, öffnete dad Grabmal und fand den Leichnam, aber feine Schäße, 
fondern die Worte: Wäreft vu nicht von unerfättlicher Gewinnfucht erfüllt, 
fo hätteft du nicht die Ruheſtatt der Todten gedffnet. Gegen den Sohn 
diefer Königin, Labynetos, zog Kyros in den Kampf. Der Name der: 
Nitofris iſt ägyptifch und beveutet die flegreiche Neith, die man mit der 
griechiſchen Athene verglich (und in Labynetos feheint der Name ver Neit h 

15 * 


228 Semiramiß. 


ebenfalls enthalten zu jegn in ver Endung, wie der Name des Königes 
Achampfinitos mit dem ver Odttin zufammengefekt iſt). Bliden wir nun 
auf die Reihe ver Agyptifden Herrſcher, fo begegnet und auch dort ein 
Weib und beißt Nitokris, von welcher Herodot melvet (2. 100): Diefe, 
wie die Agsptifchen Priefter erzählten, rächte ihren Bruder, ver König 
geweien und von den Aegyptern umgebracht worden war. Als fle ihrem 
Bruder nämlih in der Herrfchaft nachgefolgt war, baute ſie ein weite 
unterirdiſches Gemach, und lud die Mörver ihres Bruders zur Einweihung 
ein, doch als dieſe bei vem Mahle fapen, lieh ſte das Waßer des Flußes 
durch einen unterirdifchen Graben hinein. Sonft erzählte man nur noch 
son ihr, daß fie nach dieſer That, um ver Rache zu entgehen, fid in ein 
Gemach vol Afche geftürzt babe. Weiterhin erzählt Herodot (2. 134): 
Manche von den Hellenen fchreiben die Pyramide des Myferinod ver 
Buhlerin Rhodopis, d. i. Roſenwange, zu. Diefe aber hat unter Amaſis, 
nicht unter Mykerinos geblüht, und Fonnte nicht die unzähligen Tauſende 
son Talenten befiten, welche dieſe Pyramide gekoftet haben muß. Strabo 
aber (808) fagt von dieſer Pyramide, file foll dad von ven Liebhabern 
einer Bublerin, ver Geliebten des Charaxos, eines Bruders ver Sappho, 
welcher mit Iesbifchem Wein nad) Naufratis handelte, errichtete Grabmal 
geweſen ſeyn. Andere nennen fie Rhodopis und fagen, ein Adler habe, 
als fle badete, einen ihrer Schuhe ihrer Dienerin geraubt und nad 
Memphis getragen, wo der König gerave unter freiem Himmel Recht 
fprach, und diefem habe der Adler ven Schuh in den Schooß fallen lafſen. 
Derfelbe ließ alsbald nach ver Befikerin des Schuhes forjchen, und nahm 
fie zur Gemahlin, nach vem Tode aber gab er ihr dieſe Pyramide zum 
Grabmal. Manethos nannte diefe Pyramide die von Nitofrid erbaute, 
und fagte, dieſe Königin fey die edelſte und fchönfte Frau ihrer Zeit, und 
von heller Farbe geweſen. Sp gehörte diefelbe dann allerdings einer 
Rofenwange an, und vielleicht auch einer Buhlerin, vie wie Semiramis 
durch ihre Schönheit auf den Königsthron gelangte. In Babylon und 
Memphis eine Königin von gleihem Namen zu finden, die in Babylon 
glei der Semiramid gewaltig geherrſcht Hat, ift auffallend, und da 
Semiramid nach Aegypten gezogen feyn fol, jo zeigt ed einen Zufammen- 
bang der ägnptifchen und femitifchen Dinge, welder ſich auch außerdem 
vielfach fund giebt und feinen guten gefchichtlichen Grund hat, wenn auch 
die Darftelungen, in melden er vurchleuchtet, Keine rein gefchichtlichen 
genannt werden fünnen. Wird Semiramis eine Buhlerin genannt, fo ift 
ed nicht zu verwundern, denn da file die große Mutter des Lebens ift, 
die man zur Königin gevichtet hat, und die Zortpflanzung unter ihrem 
Schuß flieht, fo ift es ebenfo, wenn man fle eine Buhlerin nannte, als 
wenn man Aphrodite in Griechenland, die Beichüberin aller Liebe, fo 
genannt hätte. Es erhellt dies recht deutlich aud vem Dienft ver Lebens⸗ 
mutter, welchen fie zu Babylon unter dem Namen 


Mylitta. 239 


Mylitta 


hatte, *) unter welchem wir ſie gleich der Atargatis und Semiramis als 
eine beſondere Form, die einem befonvern femitifhen Stamm angehörte, 
betrachten müßen. Bon diefer Miylitta erzählt Herodot (1.199 und 
Strabo 16. 1): Jedes Weib des Landes muß einmal in ihrem Leben 
bei dem Tempel der Aphropite ſich niederiegen, und ſich von einem 
Fremden umarmen lafen. Manche, die reicher find und fich was Beßeres 
bünfen, denn Andere, fahren in bevedten Wagen nad) dem SHeiligthum 
mit einer großen Dienerfchaft hinter fih. Die Meiften nun machen e8 
jo, fle figen in dem Hain der Aphrodite mit einem Kranz aus GStriden 
um den Kopf, eine ganze Menge von Weibern, denn die einen fommen, 
die andern gehen fort. Mitten durch diefe Reihen von Weibern laufen 
Straßen nach allen Richtungen. In diefen Straßen geben vie Fremden 


*) Vieber die Sitten der Babylonier meldet uns Herobut Folgendes (1. 195): 
Sie tragen einen leinenen *2eibrod, der bis auf die Füße heradgeht, 
worüber fie einen wollenen Rod anziehen und ein weißes Mäntelchen 
werfen. Ihre Schuhe gleichen fait den Böotifchen, das Haar laßen fie 
wachen, umwinden aber das Haupt mit einer Mitra, und falben fih am 
ganzen Leibe. Jeder hat einen Siegelring, und einen gearbeiteten Stab, 
und auf jevem Stab ift etwas gebildet, ein Apfel, eine Rofe, eine Lilie, 
ein Adler oder funft etwas; denn einen Stab ohne ein derartiges Zeichen 
zu haben, ift nicht Brauch. ine, nah meiner Meinung fehr weife Sitte, 
die auch in Ilyrien bei ven Enetern herrfchen foll, ift folgende. Jährlich 
verfammeln fie einmal in den Ortfchaften die Heirathbaren Sungfrauen, 
und biefe werden dann einzeln zur Che zum Berfauf ausgeboten, und 
zwar wird mit der fohönften angefangen. Sind die fchönften verfauft, fo 
werben die häßlichen mit diefem Gelde an die, welche fie nehmen wollen, 
untergebracht, und zwar wird die häßlichſte und mangelhafteſte zuerft an 
den Wenigſtnehmenden abgegeben. Niemand aber darf feine Tochter nad 
feinem Belieben verheurathen, und der Käufer Fann ohne Bürgfchaft Feine 
Zungfrau nah Haus führen. Gefiel Einem die Jungfrau dennoch nicht, 
wenn er Geld für ihre Heimführung empfangen hatte, fo mußte er das 
Geld zurüderftatten. Männern aus andern Ortfchaften fland es auch frei, 
fih dei folchen Berfäufen eine Jungfrau zu kaufen. Sept ift diefe Sitte 

-  abgefommen, denn feit fie durch Eroberung ihrer Stadt heruntergefommen 
find, laßen fie ihre Töchter fich für Geld preis geben. Gin anderer weifer 
Brauch ift, daß fle, Feine Aerzte habend, die Kranken auf den Markt 
bringen, wo ihnen ein Jeder nach feiner Erfahrung Rath giebt, denn mit 
Stillfehweigen darf Keiner vorübergehen. Die Leichen thun fie in Honig 
(Strabo, 16.1. fügt Hinzu, daß fie diefelben mit, Wachs überziehen), und 
ihre Todtenflage gleicht der ägyptifchen. Hat ein Babylonier fein Weib 
umarmt, fo fest er fich zu angezündetem Weihrauch, und andrerfeits eben⸗ 
fo das Weib, am Morgen aber wafchen ſich Beide, denn fie rühren nichts 
an, bevor fie fich gewafchen, und fo machen es auch die Araber. 


230 Mylitta. 


herun und fuchen fih Weiber aus. Wenn aber ein Weib einmal an 
piefem Ort ſitzt, darf fie nicht eher wieder nady Haufe gehen, als bis 
ein Fremder ihr Geld in ven Schooß geworfen hat und fie dann außer 
halb des Heiligthums von ihm umarmt worden if. Wenn Einer das Geld 
binwirft, fo muß er jagen: Im Namen ver Göttin Mylitta, denn bei 
den Affyriern heißt die Aphropite Mylitta. Mag das Geld viel oder wenig 
ſeyn, fo darf fie e8 nicht zurüdiweifen, denn foldyes ift verboten, weil es 
geweihtes Geld ift, und ebenfo wenig darf fie Einen, ver ihr Geld Hin- 
wirft, zurüdmeifen, fondern muß ihm folgen. If fie aber umarmt 
worden und fo der Göttin geweiht, dann geht fie wieder nah Haufe, 
und wenn man ihr noch fo viel böte, thut fie ed nicht wieder. Die nun 
Thon und mohlgeftaltet find, kommen bald wieder nach Haufe, vie häß— 
lichen aber müßen lange bleiben, ohne das Geſetz erfüllen zu können, 
manche wohl vrei bis vier Jahre. An einigen Orten auf Kypros herrfcht 
ein ähnlicher Brauch. Daß viefer Brauch auf Kypros ebenfalls berrfchte 
an einigen Orten, zeigt, da man dort die Aphrodite, die Göttin ver 
Phönifer verehrte, daß verfelbe nicht bloß in Babylon zu fuchen ift, 
fonvdern überhaupt zu dem Eult der großen Lebensmutter gehörte. Wenn 
Herodot (1. 94) von den Lydern fagt, ihre Sitten ſeyen faft die näm— 
lichen, wie die ver Hellenen, außer daß fie ihre Töchter Hurerei treiben 
ließen, fo fehen wir darin wahrfcheinlid einen ganz ähnlichen in dem 
Cult einer Lebensmutter gegründeten Brauch. *) Mit Herodot flimmen 
übrigens altteflamentlihe Schriften überein; denn wir lefen in dem 
Bude Baruch (6. 42): Die Weiber figen vor den Kirchen mit Striden 
umgürtet (anzubeuten, daß fie ein Eigenthum over Gclavinnen ver 
Mylitta find, fo lange bis fie fi durch Hingebung gelöft haben), und 
dringen Obft zum Opfer. Und wenn Jemand vorüber geht, und eine 
von ihnen hinwegnimmt, und bei ihr fchläft, rühmet ſie ſich wider die 
andere, daß jene nicht fey werth gemwefen, wie fie, daß ihr ver Gurt auf- 





*) Ohne gerade Meberlieferungen wie die folgende mehr Werth beizulegen, als 
fie im Allgemeinen verdienen, können wir fie auch nicht immer für ganz 
unbeadhtbar anfehen. Diefe lautet bey Stephanus dem Byzantiner: Asfa- 
Ion, eine Stadt Syriens bey Judaͤa. Kanthos fagt im vierten Buche feiner 
lydiſchen Gefchichten, daß Tantalos und Askalos die Söhne des Hymenäos 
waren (Hymenäos ift ein aus dem Hochzeitsliede gedichteler Gott der Ber: 
mählung); daß aber Asfalos von dem Iydifchen Könige Akiamos zum Feld- 
bern gewählt, einen Kriegszug nach Syrien machte, und dort von einer 
Sungfrau geliebt, eine Stadt gründete, die er nady feinem Namen nannte. 
Mir können zwar feine beflimmten Beziehungen zwifchen Eyrien und Lydien 
nachweiſen, doch mag wohl die Angabe des Tanthos irgend eine, die wirfs 
lich Statt gefunden, wenn auch freilich nicht in der von ihm angegebenen 
Art, berühren. 


Mylttta 231. 


‚gelöfet würde. Im zweiten Buche ver Könige (17. 30) heißt e8 von 
den nach Samaria verjegten Afiyrern: Die von Babel machten Suchoth⸗ 
Benoth, d. i. Hütten ver Töchter, und es ift damit der von Herodot und 
im Buche Baruch erwähnte Brauch gemeint. Xanthos ver Lydier melvet 
fogar in feinen magifchen Gefdichten (bei Clemens dem Alexandriner 
im dritten Buche feiner bunten Schriften ©. 185), daß die Magier ſich 
den Müttern und Töchtern in Liebe gefellen, und daß vie Liebesumar- 
mung der Schweftern gefeglich fen, und gemeinfam feyen die Weiber, 
nicht gewaltfam over heimlich, fondern mit Mebereinftimmung, wann 
Einer dad Weib eines Andern wolle. Aus Cteſtas melvet Tertullian, daß 
die Perſer ſich ven Müttern gejellten, und Eufebius (6. 275) fagt, bei 
ven PBerjern war Riebeöverbindung mit den Töchtern und Müttern Braudy, 
und erftrecte fich durch Auswanderungen weiter. Auch Diogened Laere 
tius in der Einleitung erwähnt dieſes nad Sotion und Cyrillus in der 
Schrift gegen Julian (4. ©. 117), daß die Chalväer*) vie Mütter heurathen 


*) Diodor (2. 29) berichtet über die Chaldäer: Ste nehmen, welche die ältes 
ſten unter den Babyloniern find, in der Staatseinrichtung eine ähnliche 
Stellung ein, wie die ägyptiſchen Priefter, denn zur Gottesverehrung vers 
ordnet, weihen fie ihre ganze Lebenszeit der Weisheit, und befigen einen 
großen Auf in der Aftrologie. Auch hängen fie fehr der Weißagung an, 
und machen Borausverfündigungen über die Zufunft, und ſuchen Abwen⸗ 
dung der Uebel zu bewirken durch Reinigungen, Opfer und gewiße Zauber- 
fprüche. Die Kunde von der Weißagung durch Vögel befigen fie ebenfalls, 
und legen Träume und Wundererfoheinungen aus, fo wie man aud von 
ihnen glaubt, daß fie die Gingeweidefchau der Opferthiere wahrhaft ver- 
fiehen. Aber die Kenntniß aller diefer Dinge erwerben fie fih nicht auf 
gleiche Weife, wie es bei den Hellenen gefchieht. Denn bei den Chaldäern 
wird diefe Weisheit im Gefchlecht fortüberliefert, und der Sohn empfängt 
fie von dem Bater, frei von allen öffentlichen Leiftungen des Staats, und 
da fie von früher Jugend an lernen, fo bringen fie es weit in ber Aftros 
logie. Die Chalväer nun behaupten, die Natur der Welt fey ewig, fie 
habe feinen Anfang gehabt, und werbe Fein Ende haben, aber die Orbnung 
des Ganzen fomme von einer göttlichen Vorſicht, und Alles, was jet am 
Himmel zu fehen ift, fey nicht zufüllig oder von felbft, fondern werde durch 
eine feitbeftimmte Entfcheidung der Götter geordnet. Da fie denn fo lange 
Beobachtungen der Geftirne angeftellt und Bewegung und Kräfte eines 
jeden derfelben am genauelten von allen Dienfchen erfannt haben, fo fagen 
fie Dieles, was den Menfchen begegnen wird, vorher. Am beveutenpften, 
behaupten fie, feyen die fünf Planeten, die fle die Dolmetfcher nennen, 
bejonders aber der von Griechen Kronos benannte. Die andern vier nennen 
fie, gleich unfern Aftrologen, die Sterne des Ares, der Aphrodite, des 
Hermes und des Zeus. (Sertus Empirifus, 5, fagt, unter die fieben 
Planeten hätten die Chaldäer den Helios und die Selene, d. i. Sonne 
und Mond, gerechnet.) Dolmetjcher aber heißen fie die Planeten, weil bie 


ES} Mylittae. 


and ſich mit ven Schweftern verbinden. Ja Theodoret (IX. S. 614) jagt 
ſogar, dieſer Brauch fey in den Gefeken des Zarasdes (Zorsafter) 


andern als Nicht- Planeten einen feftbeilimmten Fortgang haben, diefe aber 
allein, indem fie ihren eigenen Weg gehen, das Infünftige anzeigen, und 
den Menfchen das Wouhlwollen der Götter fünden. Denn theils geben fie 
Kunde durch ihren Aufgang, behaupten jene, theils durch ihren Untergang, 
theils durch ihre Farbe, wenn man genau auf fie achten will. So zeigen 
fie mandmal die Stärfe des Sturms an, manchmal bie SHeftigfeit ver 
Regengüffe oder ber Hiße, zuweilen auch die Erfcheinung der Kometen, die 
Kinfterniße der Sonne und des Mondes, Srobeben, und überhaupt alle aus 
unferer Umgebung ſtammenden Wandlungen, nügliche wie ſchaͤdliche, nicht 
nur Bölfeen und Ländern, fondern auch Königen und einzelnen Menfchen. 
Shnen, fagen fle, feyen dreißig Sterne untergeorbnet, die fie Rathgöfter 
nennen, von welchen die eine Hälfte auf die Orte über der Erde, die andere 
auf die unter der Erde Aufficht hätten, die Dinge der Menfihen, und was 
fih im Himmel begebe, beobachtenn. Alle zehn Tage aber werde einer der 
oberen als Sternbote hinab-, und einer von denen unter der Erde ebenfo 
hinauf gefandt, und dieſe Bewegung hätten fie in ewigem Kreislauf feft 
beftimmt. Die Zahl der höchſten Götter geben fie auf zwölf an, und 
fehreiben jedem einen Monat und ein Bild des Zodiafus zu. Durdy viefe 
Bilder aber nehmen, fügen fie, Sonne und Mond und die fünf Planeten 
ihren Gang, indem die Sonne ihren Kreislauf in einem Sahr, der Mond 
in einem Monat vollendet. Jeder der Planeten habe, geben fie an, feinen 
eigenen Lauf, verfchieven an Schnelligfeit und Zeitraum. Für die Geburt 
der Menſchen trügen biefelben Vieles, theils Gutes, theils Böfes, bei, und 
durch fie erfenne man zumeift, was den Menfchen begegne. Sie hätten aber, 
fagen fie, fowohl andern nicht wenigen Königen Vorherſagungen gegeben, 
als auch dem Alerandros, welcher den Dareios befiegte, und ben Herrfchern 
nach ihm, dem Antigonvs und Seleufos Nikator, und file ſcheinen in allen 
ihren Ausſprüchen das Rechte getroffen zu haben. Auch Privatleuten 
weißagen fie die Zukunft fo fiher, daß man fich darüber verwundert, und 
es für übermenfchlich Hält. Außerhalb des Zodiafus beflimmen fle vier 
und zwanzig Sterne, die Hälfte im Norden, die andere Hälfte im Süden, 
und die von benfelben, welche man fleht, theilen fie den Lebenden zu, bie 
unjichtbaren aber den Todten, und nennen fie die Richter von Allem. Unter 
allen den Genannten, fagen fie, habe der Mond feinen Lauf der Erde am 
nächften, ber in furzer Zeit feine Bahn durchmißt, nicht durch die Schnel- 
Iigfeit feines Schwungs, fondern durch die Kürze feines Kreifes, daß er 
fremdes Licht Hat, und durch den Erdſchatten verfinftert wird, geben fle mit 
den Griechen übereinftimmend an. Ueber die Sonnenfinfterniße aber geben 
fie ſehr ſchwache Darlegungen und wagen fie nicht vorauszufagen, noch 
genau ihre Zeit anzugeben. Ueber die Erde bringen fie eigenthümliche 
Behauptungen vor, indem fie fagen, fie fey nacdhenförmig und Hohl, und 
haben darüber und über das Andere, was die Welt betrifft, viele und wahr: 
ſcheinliche Varlegungen. Die Beobachtung der Sterne wollen fie fchon 
viermal Hundert und drei und flebenzig taufend Iahre bis zum Kriegsjuge 


Mylitta. 233 


begründet, wo es aber wohl nie begründet war. Leicht Fonnte ver Sag 
in ber Mythologie der Mutter alles Lebens Cingang finden, daß fle den 
Yigenen Gemahl fi geboren habe; wie weit aber daraus menfchliche 
Berirrungen hervorgegangen, müßen wir vahingeftellt feyn laßen. 

Diefe Ghttinnen nun, Aftarotd und Aſtara-Gatis, nad) einem 
andern Dialeft Ater⸗-gatis, Semiramis, Mylitta, und die unter den 
Kamen Divne und Aphrodite in Griechenland bekannte Göttin find 
durchaus Former oder eigentli nur verfchievdene Namen einer und der⸗ 
felben Gottheit, der Mutter des Lebens, von welcher mir zwei Sinn- 
bilder, den Fiſch and die Taube kennen Iernen, und die Anwendung 
diefer Sinnbilder bringt eine wefentlihe Trennung nicht hervor. Die 
naͤmliche Göttin, welche in dem einen Tempel mit dem Sinnbilde des 
Fiſches in eine Beftalt zufammenverwebt dargeftelt ward, fonnte in dem 
andern in rein menfchlicher Geftalt erfcheinen, und war darum nicht im 
@eringften eine andere; denn in Menfchengeftalt wurden ja die Götter 
gedacht, und grade in Aegypten, wo die aus dem Sinnbild und der 
Menfchengeftalt gemifchten Gottheiten am häuflgften vorfommen, erfcheint 
bie nämliche Gottheit bald in der Mifchgeftalt, bald in der reinmenfdh- 
lihen, ohne daß dieſes einen Unterfchied in ver Sache macht, und 
zuweilen find fogar mehrere Sinnbilder in einer Geftalt vereinigt. Lukian 
bat daher mit feiner Beweisführung, daß die Gdttin zu Hierapolis nicht 
die Utergatis fein fünne, durchaus nicht Recht, weil er ſie bloß auf bie 
Geftalt ſtützt. In feiner Schrift über vie fyrifhe Göttin fagt dieſer 
fpätlebende Grieche (14), nah Manchen habe Seniramid die bortige 
Göttin gemeiht, aber nicht ver Here, denn jo nennt Lukian bie dortige 
Goöttin, um die femitifche Königin des Himmeld mit der griechifchen 
Simmeldfönigin zu vergleichen, fonvdern ihrer Mutter Derketo. Er aber 
habe in Phönikien die Derketo gefehen, eine fremde Schau, oben Weib, 
von den Schenfeln an in einen Fiſch endend; die Göttin aber in Hiera— 
polis fey ganz Weib. Der Beweis ver dortigen Leute fey nicht einleuch» 
tend, daß fie nämlich die Fiſche für heilig hielten und nicht berührten, 
und ebenfo unter ven Vögel allein vie Taube nicht äßen, was fie ver 
Derfeto und Semiramid megen nicht thäten, weil Derfeto Bifchgeftalt 


Aleranders geübt haben. Strabo (S. 739) fagt von den Chaldäern; 
Die Chaldäer treiben Aftronomie, Manche aber geben fih für Nativitäts- 
fteller aus, welche von den Andern nicht anerfannt werden. Es giebt auch 
ein Volk der Chaldäer, und einen von ihnen bewohnten Strich Babyloniens 
in der Nähe Arabiens und des perfifchen Meeres, und mehrere Gattungen 
ber aftronomifchen Chalväer. Denn manche heißen Orchener, Borfippener, 
und fo mehrere Andere, wie fie nach Serten biefe und jene Meinungen über 
bie nämlichen Gegenftände hegen. 


234 Mylitta. 


babe und Semiramid in eine Taube zulegt verwandelt worden jey. 
Gäbe e3 doch, meint Lukian, Manche in Aegypten, vie Feine Fiſche äßen, 


und dies nicht der Derfeto wegen thäten. Man verehrte alfo bie große 


Göttin zu Hierapolis als die Göttin des Fifches und ver Taube, und 
da wir ihren Namen nicht erfahren, fo Tonnen wir gar nicht fagen, 
derfelbe fey nicht urfprünglich Atergatid geweſen; denn das Bild, welches 
Lukianos (32) bejchreibt, ift ein fpätes, in welchem fich bereitö eine 
Vermifchung ver femitifchen Göttin mit griechifchen Göttinnen findet, 
und dieſes Tann daher zu Feinem Beweiſe über dad wahre Wefen ver 
einheimifchen Gottheit dienen. Er melvet, viefe Here habe eine viel- 


artige Geftalt, fey aber nach allem zufammen Sere; fte habe etwas von - 


Athene, Aphrodite, Selene, Rhea, Artemis, Nemeftd und den Moiren; 
in ver einen Hand halte fie das Scepter, in der andern die Spindel, 
auf dem Haupt aber trage fie Strahlen und einen Thurm, und habe 
den Gürtel, womit man allein die Aphrodite Urania fchmüde, und aufen 
laufe nochmal Gold umher mit fehr Eoftbaren Steinen, weißen, mwaßer- 
farbigen und rothen, dazu viele farvifche Onyre, Hyakinthen, Smaragden. 
Am merfwürbigiten aber jey, daß fie einen Stein auf vem Haupt trage, 
Leuchtftein genannt, ver Nachts vielen Glanz verbreitet, daß der ganze 
Tempel wie von Lampen erhellt ſcheint. Auch anderes Wunderbare fey 
an dem Bilde, denn wenn man daſtehe und ed anfchaue, fo fehe es 
Einen an, und wie man den Blick fehmweifen Iaße, folge e8 Einem, und 
wenn ein Anderer es von einer andern Seite anfehe, fo fehe es aud 
den an. Diefes Wunder erzählt freilich Lukian nur, um ven gläubigen 
Ton Herodots nachzuahmen, nur daß er nicht einen Zufag macht, mie 
Herodot fie zu machen pflegt. Diefes Bild war in dem Thalamod des 
inneren Tempels, in welchen man vermittelfi eines Fleinen Aufftieges 
gieng, ohne daß er durch eine Thüre verfchloßen war. Doch durften nur 
die Vornehmften unter ven Prieftern in viefen Thalomos gehen. Außer 
biefer Here war noch Zeus daſelbſt (alfo Baal, denn dieſen verglichen 
die Griechen mit Zeus), beine von Gold und fißend, Gere war von 
Löwen gefahren, Zeus von Stieren. In ver Mitte aber von beiden fland 
ein anderes golvdened Bild, den übrigen Bilder in nichts gleich; venn 
ed hat feine eigene Geftalt, und trägt dad Ausfehen anderer Götter, und 
wird von den Aſſyrern felbft dad Zeichen genannt, und fie gaben ihm 
feinen eigenen Namen, und erzählen nichts über feine Abflammung und 
Geftaltung. Die Einen aber führen ed auf Dionyfos, die Andern auf 
Deufalion, Andere auf Semiramis zurüd, denn oben auf ver Spite ſteht 
eine goldene Taube, meßhalb ed das Zeichen der Semimarid feyn fol. 
Zweimal aber in jevem Jahr geht es weg zu dem Meer, um das Waßer 
zu holen, denn der Tempel ift über einen Schlund gebaut, ver dad 
Waper der Blut Deufalions aufnahm. Zweimal nun im Jahre, erzählt 


——— — 


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Mylitta. 235 


Lukian (13), kommt Waßer in ven Tempel, und nicht die Priefter allein 
tragen es, fondern ganz Syrien, Arabien und die Leute von jenfeit des 
Euphrat gehen zahlreich zum Meer und Alle tragen Waßer, und viefes 
fhütten fie zuerft im Tempel aus, und dann läuft ed in ven Schlund, 
ver zwar Elein ift, aber viel Waßer aufnimmt. Die dieſes thun, fagen, 
Deufalion habe dieſen Brauch feitgefeßt, daß er ein Gedächtniß des 
Unglücks und ver Rettung fey. Dieſes Waßertragen und die Taube 
zeigen, daß bie Bedeutung der Atargatid und der Semiramid in Gebrauch 
und Bild ausgedrückt war. In dem Tempel felbit, heißt es weiter (34), 
ft zur Linken ver Eintretenven ver Thron des Helios, ein Bild veffelben 
ift aber nicht da, denn die Bilder allein des Helios und der Selene 
weifen ſie nicht auf, weil man von ihnen Feine zu machen brauche, da 
man fie jelbft am Himmel ſehen kann. Nach viefem Thron fommt ein 
Bild des Apollon, aber nicht, wie man ihn gewöhnlich bildet, jugenvlich, 
fonvern bärtig, weil es ihnen nicht recht feheint, Götter unvollfommen 
darzuftellen, unvollfommen aber feheint ihnen die Jugend. Diefer Apollon 
it auch befleidet. Wann viefer weißagen will, bewegt er fich auf feinem 
Sie, und dann erheben ihn fogleich vie Priefter, wann aber viefes 
geihieht, fchwigt er und bemegt ſich noch. Tragen fie ihn dann, fo führt 
er te, überall herumtreibend und vom Einen zum Andern herumfpringenv. 
Zulegt geht ihm der Oberpriefter entgegen, und fragt ihn über alle 
Dinge; wenn er aber etwas nicht thun will, geht er zurüd, billigt er 
jenoch etwas, fo führt er die Tragenden vorwärts, fie lenkend wie ein 
Wagenlenfer die Roße. So nun ſammeln fie die Orafelfprüde, und 
weder ein heiliged Ding thun fie, noch ein gewöhnliches ohne dieſen Gott. 
Auch über das Jahr und die Jahreszeiten, und darüber, wann das oben⸗ 
erwähnte Zeichen an dad Meer gehen fol, fpricht er. Als ich dort war, 
meldet Lukian (37), erhuben ihn die Priefter und trugen ihn, er aber 
ließ fie unten auf ver Erde, und fihmwebte für fidh allein in der Luft. 
Nach dem Apollon ift vafelbft ein Bild des Atlad, und nach viefen das 
Bild des Hermes und der Eileithyia. Außerhalb des Tempels befindet 
fi ein großer, eherner Altar, und es find vafelbft fehr viele Erzbilder 
der Könige und Priefter, zur Linfen dad ver Semiramis,; denn als fie 
die Menfchen dazu gebracht hatte, vie andern Götter und Here ſelbſt zu 
vernachläßigen, und nur fie anzubeten, brachen Seuchen und Unheil 
herein, und fie geftann nun ein, daß ſie eine Sterbliche ſey, und wies 
die Menfchen zur Anbetung der Sere bin. Berner giebt Lukianos an, 
ee habe vafelbft auch das Bild ver Helena gefehen, das ver Hefabe, ver 
Andromache, des Paris, des Hektor und Achilles, fowie den Nireus, 
Philomele und Prokne ald Frauen, Tereus ald Vogel, und ein zweites 
Bild der Semiramis, den Kombabos, die Stratonife und den Alexandros, 
neben dieſem aber den Sardanapalos. In dem Tempelhofe giengen frei 


938 Mylitta. 


herum große Stiere, Roße, Adler, Bären, Löwen, alle heilig und zahm. 
Der Priefter gab es viele, die einen fchlachteten bie Opferthiere, andere 
trugen die Spenden, andere waren vie Feuerbeforger, andere vie Altat⸗ 
gehülfen. Ueber dreihundert famen damals zum Opfer, alle weiß geflel« 
det, mit einem Hut auf dem Kopf, der Oberpriefter aber, welcher jedes 
Jahr neu gemählt wird, trägt Purpur und eine goldene Tiara. Außer- 
dem giebt ed daſelbſt no eine Menge Heiliger Leute, Blötenbläfer, 
Pfeifer, Gallen und Weiber vol Begeifterungswahnfinn. Das Opfer, 
zu welchem Alle kommen, findet täglich zweimal flat. Dem Zeus opfern 
fle in Stille, ohne Sefang und Tlöten, wann fie aber ver Here opfern, 
f9 fingen fie, blafen Flöten und laßen Erzklappern ertönen, wußten aber 
feinen beftimmten Grund darüber anzugeben. Unfern des Heiligthums 
ift ein Sce, worin mannigfaltige heilige Zifche gehalten werden, umter 
denen welche jehr groß werben, und dieſe haben Namen und kommen 
gerufen herbei. Als Lufian fort war, fand fih einer darunter, ver an 
der Floßfeder einen goldenen Schmud hatte. Die Tiefe dieſes See's gab 
man auf mehr ald zweihundert Klafter an, und in ber Mitte fland ein 
Altar von Stein, der auf den eriten Anbli zu fehwimmen ſchien, was 
auch Viele glaubten, und diefer warb immer befränzt und hat beftändig 
Rauchwerk, und täglich ſchwimmen welche, Gelübden gemäß, zu vemfelben, 
Kränze Hinbringend. Dafelbft finden auch fehr große Feſtzüge ftatt, vie 
man die Sinabgänge an den See nennt, weil in ihnen alles Heilige 
zu dem See hinabgeht. Here zieht darunter voran, ver Fifche wegen, 
damit Zeus fie nicht zuerft ſehe; denn wenn dieſes gefchieht, fo fterben 
fie, heißt e8, alle. Er nun fommt, um fie zu ſehen, Here aber vorwärts 
daſtehend, hält ihn ab, und fchieft ihn mit angelegentlichem Bitten zurüd. 
Ihre größten Feſtzüge aber find die, welche zu dem Meere gehen. Den 
Hinzug lernte Lufian nicht Fennen, fah aber die Zurückkunft und befchreibt 
fle (48) alfo: Jever trägt ein mit Waßer gefülltes Gefäß, melches mit 
Wachs verfiegelt iſt, und dieſes Siegel Töfen fle nicht ſelbſt, ſondern ein 
heiliger Hahn wohnt an dem See, der die Gefäße empfängt, das Siegel 
befhaut und für einen Lohn das Wachs abnimmt, was ihm viel einträgt. 
Iſt dieſes gefchehen, dann tragen fie das Waßer in ven Tempel, fpenven, 
dpfern, und gehen weg. Daß größte aller Feſte, welche ich Fenne, fagt 
Lukian, feiern fle am Anfang des Frühlings, und die Einen nennen 
e8 das Brandfeſt, die Andern das Fackelfeſt. Sie hauen nämlidy große 
Bäume ab, und ftellen diefe in dem Tempelhof auf, dann führen fie 
Ziegen, Schafe und andere lebende Thiere herbei, und hängen fie an bie 
Daume, ebenfo Vögel, Kleider und Gold- und Silber-Sachen. Iſt 
dieſes ausgeführt, dann verbrennen fie die Bäume mit ven Opfern, und 
aud Syrien und allen Marken ringsherum Tommen viele Leute zu dieſem 
Feſte, die Ale ihre Opfer bringen. An beflimmten Tagen verfammelt 


Mylitta. 2337 


fi) die Menge zu dem Heiligthum, zahlreihe Gallen aber, unb bie 
beiligen Leute des Tempels vollführen vie Drgien, ſchneiden ſich in his 
Arme, ſtoßen mit den Nüden aneinander, und viele Dabeiftehenve blafen 
Slöten und fchlagen Paufen, Andere aber fingen begeifterte heilige Lieder. 
Do dieſes Alles gefchieht außerhalb des Tempels. An folchen Tagen 
giebt es auch neue Gallen; denn wann die Andern Bldten blafen und 
Ängen und die Orgien vollführen, ergreift vie Maferei Viele, und zu her 
Goͤttin gehend machen fie fih zu Gallen auf folhe Art: Der Yüngling, 
welcher dies thun will, wirft feine Kleiver weg und rennt mit Gefchrei 
berbei, nimmt ein Schwerbt, verfchneibet fi) und läuft dann mit dem 
Ausgefchnittenen in den Händen durch die Stadt. In welches Haus er 
dann dieſes wirft, aud dem empfängt er ein Weiberkleiv und Weiber⸗ 
ſchmuck. Diefe Gallen werden, wann ſie fterben, nicht wie vie andern 
Leute beftattet, fonbern ihre Genopen tragen fie vor die Stadt, und ſetzen 
fe mit der Bahre nieder, und werfen Steine oben drauf, worauf fe 
fieben Tage von dem Heiligthum wegbleiben, da fle fo lange unrein ſind. 
Sieht ein Galle einen Todten, fo fommt er an dem Tage, wo vieles 
gefchieht, nicht in das Heiligthum, ſondern erſt, nachdem er fich gereinigt 
hat, am folgenden. Stirbt Einer ver Ihrigen, fo find fie dreißig Tage 
unrein, und müßen fi) das Haupt feheeren, ehe fie wiener in das Heilig- 
thum geben. Geopfert werden Stiere und Kühe, Ziegen, Schafe; nur 
Schweine gelten für unrein und werben weder geopfert, noch gegeßen, 
währenn Andere fie nicht für unrein, fonvdern für heilig halten, Unter 
ven Vbgeln gilt vie Taube für höchſt Heilig, und man wagt nicht, fis 
anzurühren, gejchieht Died aber unverfehens, fo ift der, dem es begeguet, 
unrein an diefem Tage. Kommt Einer, um an den Feltverfammlungen 
Theil zu nehmen, in die heilige Stadt, fo fheert er ſich Kopf und 
Brauen, und dann ein Schaf opfernd, macht er das Fleiſch zurecht und 
ſchmaußt, das Sell aber legt er auf vie Erde, kniet darauf und zieht ben 
Kopf und die Füße des Thierd zu feinen Kopf, wobei er fleht, vie Gott⸗ 
heit möge das jeßige Opfer annehmen, und ein größeres für die Zukunft 
serfpricht. Iſt dies gefchehen, fo befränzt er fi das Haupt und Dem 
Anvdern, die venfelben Weg kommen. Auf feiner Wanverung von Haus 
aber bedient er fich Ealten Waßers, fowohl zum Babe, wie zum Trinken, 
und fihläft auf der Erde, denn er darf in feinem Bette fchlafen, bevor 
er wieder nach Haus zurüdgekehrt if. In der heiligen Stadt aber 
nimmt ein Gaftempfänger ven Unbekannten auf, denn ed find beftinmte 
Gaftempfänger für eine jede Stadt dafelbft, und die Aſſyrer nennen die⸗ 
felben Lehrer, weil fie über Alles Anleitung geben. Sie bringen aber 
ihre Opfer nicht dort in dem Heiligthume dar, ſondern ftellen ſie daſelbſt 
zum Altar, gießen bie Spende varauf und nehmen fie dann mit nad 
Sau, wo fe das Opfer und Gebet verrichten. Noch eine andere Art 


238 Militta. 


des Opfern ift dieſe: Sie befränzen das lebende Opferthier, werfen es 
aus dem Vorhofe hinab, und laßen das hinabgeworfene Thier fterben. 
Manche werfen auch ihre Kinder, doch nicht auf gleiche Weiſe - hinab, 
fonvdern in einen Sacke oder Ranzen, den fie mit ver Hand herablaßen, 
wobei ſie mit den Kindern Scherz treiben, und fagen, daß fie nicht 
Kinder, fondern Rinder feyen. Alle aber punktiren fi, vie Einen an 
den Handgelenken, die Andern in ven Naden, fo daß alle Affyrer tätto- 
wirt find. Zu Sierapolis haben fe auch einen heiligen Brauch, welcher 
einem in Hellas allein zu Trözen vorkommenden gleicht. Bei den Tröze⸗ 
niern ift e8 nämlich für Jungfrauen und Jünglinge Gefeg, fich nicht zu 
vermählen, bevor fie dem Hippolytos ihr Haar abgefihoren und darge: 
bracht Haben. Aehnlich bringen die Sünglinge zu Sierapolis ihren Bart 
zum Opfer dar, den Kindern aber läßt man die Xoden von der Geburt 
an geweiht wachen; wenn fie dann in das Heiligtum Fommen, ſchneiden 
fie fie ab, thun ſie in filberne, Viele au) in goldene Gefüße, und nageln 
fie im Tempel an, ihre Namen daran bemerfend. So hat ed auch Lukian 
gethan, fo daß feine Pode und fein Name im Tempel war. 

Der Herrlichfeiten ded Tempel! zu Hierapolis gab es alfo viele, 
und fein Neihtbum war nicht gering. Als Craffus in Syrien war, 
erzählt Appian in ven parthifchen Geſchichten (S.28), rechnete er die 
Tenipelfchäge viele Tage hindurch mit Wage und Gewicht aus, doch Tam 
ihm eine ſchlimme Vorbeveutung von der Göttin vafelbft, in welcher vie 
Einen die Aphrodite, die Andern die Here erkennen, noch Andere bie 
Endurfache und Natur, vie Allem Keim und Samen aus dem Feuchten 
gewährt. Als Craffus nämlich mit einem jüngeren Craffus aus dem 
Tempel gieng, fiel dieſer an ver Thüre, und der ältere flürzte auf ihn. 

Sowie Lukian die große Göttin zu Hierapolis befchreibt, Eonnte fle 
in älterer Zeit nicht dargeftelt werden, wohl aber war es ganz vem 
Geift einer jpäteren Zeit angemeßen, Vieles in einer Gottheit zufammen 
zu häufen, und die Gottheiten in einander zu mengen. Bei dem großen 
Anfehen des Tempels zu Hierapolis war eine folche Vermengung und 
Anhäufung um fo eher zu erwarten, da die Gottheit ja dadurch um fo 
größer und gewaltiger erfcheinen mußte, wodurch das Heiligthum um fo 
angejehener blieb. Lufian (10) fagt, daß die Leute aus Arabien und 
Phönifien, Babylon und Kappapofien und Kilifien binfamen und ven 
Tempel bereicherten, dem ed, wie wir gefehen haben, an Wundern nicht 
fehlte, und in welchem man fogar Stimmen tönen hörte, wann er ver- 
ſchloßen war. In der Erfindung, um den Tempel zu einen fehr mid 
tigen zu machen, gab man fich feine große Mühe, fonvdern nahm zuſam⸗ 
men, wad fich irgend fand. So mar ed eine grade nicht tieffinnige 
Erfindung, daß man den Erpfchlund unter dem Tempel zu dem vichtete, 
in welchen ſich die veufalionifche- Flut verlaufen habe. Da man bie 


Mylitta,, 239 


Göttin der Semiten allerdings mit ver Rhea, als einer einigermaßen 
ähnlichen vergleichen konnte, fo gab es auch eine heilige Sage, fte fey 
Rhea (Lukian 15) und dad Seiligthum fey von Attes gegründet, ven 
Rhea verfihnitt, worauf er im Weiberanzug auf der Erde herumfchmweifte, 
Orgien einführte, was ihm wiverfahren, erzählte, und Rhea verherrlichte. 
Weil man ihn jenfeit des Euphrat nicht aufnahm, fo errichtete er das 
SeiligthHum, da wo der Tempel nun ift. Viele Zeichen der Göttin treffen 
mit denen der Nhea überein; Löwen tragen fie, fie hat eine Paufe und 
auf dem Haupt einen Thurm, wie die Lyder vie Rhea bilden. Rhea hat 
auh Gallen, die ven Atted nachahmen. Diefe Angaben ſchienen Lufian 
zwar paßend, aber nicht wahr, da er etwas Glaubwürdigered über die 
Verſchneidung gehört hatte. Andere gaben vor, Dionyſos, ald er nad 
Anthiopien gieng, fey nah Syrien gefommen, und habe viefes SHeilig- 
thum gegründet, und Zeichen fprechen dafür. Es finden fich nämlich im 
Tempel Barbarenkfleider, indiſche Steine, Elephantenzähne, die Dionyſos 
aus Aethiopien brachte, und in den Propyläen ſtehen zwei fehr große 
Phallen, mit der Infchrift, dieſe Phallen weihte ich Dionyfos der Stief- 
mutter Here, und wie die Griechen Fleine Männchen mit großen Phallen 
aus Holz machen, die fie fehnurgezogen nennen, fo tft auch in dieſem 
Heiligthum, zur Nechten des Tempels ein Fleiner Erzmann mit einem 
großen Phallus. Den Tempel, ver zu Lukians Zeit fand, gab man 
nicht mehr für den alten aus, fondern die aflyrifhe Königin Stratonife 
galt für die Erbauerin, denn ein Traum trug ihr diefen Bau auf, und 
als fie erft ven Traum nicht achtete, ward fie frank, worauf ihr Gatte 
fie hinfandte, dad Werk zu vollführen, und die Obforge über fein Weib 
und die ganze Unternehmung dem fchönen Jüngling Kambabos übertrug, 
ven er fehr liebte. Diefer aus Furcht, fpäterhin wegen Stratonife feine 
Giferfucht zu erregen, bat fehr, ihm dieſes Gefchäft zu erlaßen, und als 
ihm dies nichts half, bat er fih eine Friſt von fieben Tagen aus. 
Während diefer Zeit verfihnitt er fich, und legte das abgefchnittene Glied 
in Myrrhen, Honig und anderes Rauchwerk, und das verftegelnd, 
beilte er die Wunde. Bei der Abreife gab er dem König das Käftchen 
zur Verwahrung, vorgebenn, es enthalte einen für ihn fehr werthvollen 
Schatz. Zu Hierapolid ward Stratonife in ihn verliebt, und ganz in 
ihre Liebe verloren, wußte fte Fein anderes Mittel, als fie nahm Wein, 
machte fi Muth damit, und gieng zu Kombabos ihre Xiebe geftehend. 
Als diefer fie zurückwies, drohte fie fich ein großes Leid anzuthun, und 
nun entdeckte er ihr, was er an fich gethan hatte, doch fie Fonnte von 
der Liebe zu ihm nicht laßen, fonvern lebte immer mit ihm, ihre uners 
füllbare Liebe auf dieſe Weife zu befcjwichtigen. Solche Liebe findet in 
Sierapolis auch jetzt noch ſtatt. Frauen lieben Gallen, und Gallen find 
safend in Gallen verliebt, Feiner aber fühlt Eiferfucht darum, fondern es 


240 Mylitta. 


gilt für etwas ſehr Heiliged. Als viefed Verhältniß ner Stratonite dem 
Könige zu Ohren Tam, rief er den Kombabos von dem unnollenheien . 
Werke zurück. Anvere aber erzählen fälfhlih, Stratanife babe, als fs 
ihren Zweck verfehlt, felbft an ven König anklagend geichrieben, um * 
Kombabos Gefahr zu bereiten. Sobald er zurückkam, ließ ihn der 
König feßeln und fogleih in das Gefängniß fegen, und ald er vanı bie | 
Freunde verfammelt Hatte, Tieß er ihn vorfordern, und warf ihm Ehe⸗ | 
bruch mit der Königin vor, Kombabod aber antwortete nicht, und erf | 
ald man ihn zum Tode führen wollte, verlangte er vom Könige das 
ihm übergebene Käftchen, mit dem er feine Unſchuld bewies. Der König 
ebrte ihn nun bach, und ließ fein Erzbild in den Tempel ver heiligen 
Stadt ftellen, wo e8 zu fehen ift, ein Werk des Rhodiers Hermofled, an | 
Geſtalt ein Weib varfteflend mit Manneskleivung. Freunde des Komba⸗ | 
608 aber verftümmelten fih auf gleiche Art, ihm zur Gefelfchaft und | 
gleihfam zum Troft. Andere aber bringen eine heilige Sage vor, daß 
nämlich Here den Kombabos Tiebenn, es Dielen in ven Sinn gegeben 
babe, fich zu verfchneiden, damit er fich nicht gräme, ver einzige Ent- 
mannte zu ſeyn. Diefer Brauch aber blieb von da an, und alljährlich 
entmannen ſich viele in dem Tempel ver Heiligen, entweder des Kombabos 
wegen, over ver Here zu Gefallen, doch diefe tragen Frauenkleidung und 
thun Prauenwerfe, was auch auf den Kombabos zurüdgeführt wird. 
Denn ed begab fich, daß eine fremde Frau, die zur Veflfeier gekommen, 
und ihn in feiner Schönheit in Manneskleidung erblidte, von gewaltiger 
Liebe zu ihm entbrannte, als fie aber feine Berftümmelung erfuhr, id 
das Leben nahm. Aehnlichem Unheil vorzubeugen, legte er Frauenkleidung 
en, und darum thun ed auch die Gallen. *) Wir haben gefehen, daß 
Semiramid Manneskleivung anlegte, und finden alfo die Gefchlecdhter 
ihre Kleidung miteinander vertaufchen, was die mpfaifche Geſetzgebung, 
wie oben aus verfelben angeführt worden ift, wohl nicht ohne Rüdficht 
auf das Heidenthum ftreng unterfagte. Daß fih Männer in fanatifcher 
Erregung verftümmelten und Weiberfleiver anlegten zu Ehren des 
großen Weibes, der Lebensmutter, war einem vielfah fanatifchen Cult 
ganz angemepen, und da er das Fortpflanzen des Lebens zum Gegenfland 
hatte, fo war ber ganze Sinn auf Erzeugen und Empfängniß gerichtet, 
und in wilder Verwirrung wurbe der Mann zum Weibe, dad Weib zum 








*) Diefer Kombabos gehört nieht in den Kreis der Diener Aſtarte's ober 
Derfeto’s, fondern ift aus der Mytholvgie der Rhea nach Hierapolis gewans 
bert, wiewohl die Sache der femitifchen Mythologie durchaus nicht fremd 
if. Die Mutter der Kureten hieß Kombe, und zwar in Pleuron in Aeto⸗ 
lien, wie wir aus Heſychius und Ovid (Berwandlungen 7. 383) erfehen, 
wie denn auch Ronnus die Rombe eine Hebengebährende nennt, da Mande 


Mylitta. 2a 


Manne und ähnliche Ideen des Dionyſoseults erzeugten auch in biefem 
Kreife arge DVerirrung der Gefchlechter. Weber ven herrlichen Tempel 
felbft melvet Lukian (28), daß er mitten in der Stadt auf einem Hügel 
fand, von einer zwiefachen Mauer umgeben, von einer alten und einer 
noch älteren, mit Propyläen an der Norbfeite von hundert Klaftern 
Größe, worin bie beiden von Dionyſos geftifteten Phallen von vreihundert 
Klaftern Größe ſtanden. Jedes Jahr fteigt ein Mann auf einen viefer 
Phallen, und verweilt eine Zeit von fieben Tagen auf vemfelben. Diele 
meinen, er habe oben Gemeinjchaft mit ven Göttern und erflehe Segen 
für ganz Syrien. Undere meinen, es gejchehe Deufaliond wegen zum 
Gevächtnig der Flut, ald die Menfchen fich auf Berge und hohe Bäume 
flüchteten. Lukian jagt, ihm fcheine e8 zur Nachahmung ver hölzernen 
Männer, die fih bei ven Phallen des Dionyfos befinden. Der Hinauf- 
Hetternde beviente fich eines Geiles, dad er um ven Phallos und ſich 
fhlang, und ven Fuß feßte er auf Hölzer, die am Phallos angebracht 
waren. Oben angelangt läßt er das Seil herab, und zieht damit, was 
er haben will, Solz, Kleidung, Geräüthe zu fih herauf, und ſich einen 
Sit zufammenbindend, wie ein Neft, fibt er da. Manche bringen Gold, 
Silber, Erz herzu, und laßen e3 liegen, indem fle ihre Namen fagen, 
und Einer, der dafteht, ruft fie hinauf, und ver Mann auf dem Phallos, 
den Namen hoͤrend, betet für ihn. Beim Beten aber Flappert er mit 
einem Erzgeräth (alle Störende damit zu fcheuchen, denn mit Erzge— 
Happer glaubte man dieſes zu bewirken), welches rauh fchallt, und 
fhläft niemals; denn wenn der Schlaf ihn ergreift, Friecht ein Skorpion 
hinauf, weckt ihn und thut ihm Leides. Der Tempel felbft war gegen 
Dften gewendet, an Bau ven Tempeln Joniens gleichend, auf einer 
Bafls zwei Klafter hoch, mit einer fleinernen, nicht ſehr großen Treppe, 
und der Vortempel hatte goldene Thüren, innen aber ftrahlte der Tempel 
von Gold, und dad ganze Dach war Gold, herrlicher Duft erfüllte Ihn, 
wie die Luft Arabiens, und wehte Einen ſchon von Weiten an, und 


die Zahl der Kureten auf fieben beflimmten. Die Kureten gehören zu 
Rhea, der Mutter des Zeus, ober fie gehörten zu Zeus und wurden auf 
Rhea übertragen, doch die fpätere Zeit verwechfelte Kureten, Korybanten, 
Telchinen u. f. w. untereinander, jo daß Alle, welche als Götterdiener erfchies 
nen, ohne Rüdficht auf die nothwendige Scheidung, untereinander gewirrt 
wurden. Im Kombabos, dem Borbild der Gallen, d. i. der entmannten 
Rhea-Diener, Haben wir nun fehwerlich etwas Anderes, als einen Diener 
ber Kombe, welches ein Name der Kybele gewefen zu feyn feheint, denn fo 
heißt Kybebos ein Diener der Kybebe, und dieſe Gdttin Heißt auch Kybele, 
welchen Wörtern der Name Kybe gemeinfam zu Grunde liegen möchte, und 
fo dürfte diefe auch Kombe, und felbft Kombebe geheißen haben, Kombabos 
aber ihren Diener bezeichnen. 
IV. 16 


2423 Adonis. 


war man drin geweſen, ſo bewahrten ihn auch die Kleider noch 
lange Zeit. 

Lukian meldet auch (5) von einem Heiligthum ver Phöniker, welches 
nicht aſſyriſch, ſondern ägyptifh fey, und aus Heliopolis in Aegypten 
flamme, das er aber nicht geſehen babe. Da ver Ra zu Heliopolis Teicht 
den Verdacht erwerkt, nicht ächt Agyptifch zu feyn, fondern aus Afien zu 
ftammen, fo Fönnte auch die in jenem Tempel verehrte Form der großen 
Göttin eine urfprünglich aflatifche gewefen feyn. Da wir aber nicht von 
dem von Lukian fo kurz angeveuteten Heiligthum wißen, fo wollen wir 
nicht dabei verweilen. 

Mit dem Culte der großen Xebensmutter war auch Trauer und 
Klage verbunden. Alles, was der Lenz gebracht, grünt und blüht und 
ftirht ab, und viefer Tod wird beflagt. Der Mythus läßt entweder dad 
Kind der Mutter fterben, wie in Griechenland die Trauer um Perfephone, 
die Tochter ver Saatgöttin Demeter, ftattfand, oder es flirbt der Gatte 
der Lebendmutter, wie in Aegypten Oftris, ver Gatte der Iſis, beklagt 
wird, und wie bey den Semiten ein Liebling oder Gatte der Simmeld- 
koͤnigin es ift, ven man beweint. Der Prophet Ezechiel (8. 14) erzählt, 
wie eine Viſton ihn in der babylonifchen Befangenfchaft nach Serufalem 
geführt habe, wo er dad dort eingenrungene Heidenthum erblickte, und 
indem er dieſes fchildert, jagt er: Dafelbit faßen Weiber, die weineten 
über ven Thamus (Thamuz.) Diefer Name bezeichnet ven Derbor- 
genen, folglidy ven aus dem Leben und bimmlifchen Lichte gefchienenen, 
der Finfterniß des Todes anheimgefallenen Gott. Im Buche Baruch (6. 30) 
heißt es von ben heidniſchen Prieftern: Sie fihreien vor ihren Goͤtzen, 
wie man pflegt in ver Todten Begängnißen, und diefe Schilderung muß 
auf diefen Trauercult des geftorbenen, verborgenen Gottes gehen. *) 
Berühmt aber ward diefer Gott in fpäterer Zeit in Griechenland unter 
dem Namen 


Adonis 


und ein Hauptſttz des Adoniscults fand ſich zu Byblus. Lukian (6) 
bemerkt: Ich fah auch zu Byblos ein großes Seiligthum der byblifchen 
Aphrodite, worin man die Orgien des Adonis feiert, und lernte dieſe 
Orgien Eennen; denn fle jagen, was dem Adonis durch das Schwein 


*) Maimonides (Moreh Nebochim III. 29) erzählt aus fabifchen Schriften: 
Ein Gödgenpriefler Namens Thammus warb von feinem Könige, weil er 
ihm die Verehrung der Planeten und des Thierfreifes empfohlen, getödtet. 
Darauf kamen alle Gößenbilder der ganzen Erde in einer Nacht im baby: 
loniſchen Sonnentempel zufammen, um ihn zu beklagen. — Die fabifchen 
Schriften und die Angaben und Auslegungen der Rabbinen find im Alge— 
meinen werthlos. 


Adonis. 243 


geſchehen, habe fich in ihrem Lande begeben, und zum Gedaͤchtniß dieſes 
Leids ſchlagen ſie ſich und klagen alljährlich, und feiern die Orgien, und 
große Trauer iſt in dem Lande. Sind ſie aber fertig mit Schlagen und 
haben die Klage beendet, dann bringen fie zuerſt dem Adonis Todten⸗ 
opfer, wie einem Todten. Dann aber, am andern Tage, geben fie an, 
er lebe, bringen ihn an das Licht und fcheeren ſich das Haupt, wie bie 
Aegypter, wann ver Apis geitorben. Welche Frauen aber fi dad Haupt 
nicht fcheeren wollen, müßen eine Buße geben, fie müßen einen Tag für 
bie Sremben feil ftehen, und ver Ertrag wird ver Aphrodite zum Opfer 
gegeben. Manche Bnblier aber fagten, Oftris fey bey ihnen begraben, 
und die Trauer gelte diefem, nicht dem Adonis, und ſchloßen es aus Fol⸗ 
gendem: Es kommt jedes Jahr ein Haupt aud Aegypten nad Byblos, 
welches dieſe Fahrt in fleben Tagen macht, wunderbar vom Winde getrie= 
ben. Lukianos, bey deßen Anmefenheit dieſes Wunder fich gerade ereig- 
nete, fah diefed Haupt. Noch ein Wunder war da. Der Fluß Aoonis, 
welcher vom Libanos herabfommt und fi durch die Marf von Byblos 
in das Meer ergießt, vöthet fich jenes Jahr einmal blutroth, und färbt 
das Meer weithin, ven Bybliern die Trauer anzeigend. In dieſen Tagen, 
erzählt man denn, wird Adonis in dem Libanon» Gebirg verwundet, und 
fein Blut färbt den Fluß und er giebt ihm den Namen. (Was ven 
Namen dieſes Gottes anbetrifft, fo beveutet Adon im Semitifchen Herr, 
und tft mithin eine fehr allgemein bezeichnende Benennung.) Ein Byblier 
aber, ver bie Wahrheit zu melden vermeinte, erzählte dem Lukianos den 
rund der Sache auf andere Art, ver Libanos nämlich habe röthlichen 
Boden, und heftige Winde trieben in jenen Tagen rothe Erbe in ven 
Fluß. Lukian gieng auch von Byblod aus in den Libanos hinauf, und 
ſah das alte Heiligtum ver Aphrodite daſelbſt, welches Kinyras grün 
dete. Der Name des Kinyras ift ein gräcifirtes femitifches Wort und 
bedeutet die Klage, den Klagemann im Griechiſchen, fo daß alfo die 
Griechen die Eulttrauer bei der Bildung dieſes Namens berüdfichtigten. 
Pollux (4. 10) fagt, die Phönifer nannten den Adonis Gingras, umd 
von ihm hat die Flöte ihren Namen; viefe Flöte fey Flein und laße einen 
klagenden Ton hören. Daß Adonis ſelbſt jo geheißen, Eünnte vielleicht 
auf einer falſchen Auffaffung beruhen, da doch die Perfonification ver 
um den Adonis Flagenden Muſik außerdem zum Priefler des Aphropite= 
cults gedichtet ward, und die mythologiſche Ueberlieferung den Adonis 
von diefem Kinyras trennt und zu feinem Sohne macht; aber Pollux kann 
dennoch recht berichten, weil die Mährchen über des Adonis Abkunft nicht 
übereinftimmen. *#) Bei Apollodor (II. 14. 3 und 4) leſen wir: Bon 


*) Ben den Griechen iſt der Name des Linos, um welchen bas Trauerlieb 
klagt, weil ihn die Hunde zerriffen Haben, d. 1. weil die Glut ver Kunhee 
Ir 


aa Adonis. 


Tithonos ſtammte Phaethon, von dieſem Aſtynoos, von dieſem Sandakos, 
der aus Syrien nach Kilikien zog, die Stadt Kelenderis gründete, und 
des Megeſſaros Tochter Pharnake zum Weibe nehmend, den Kinyras, den 
König der Syrer (Strabo 755 nennt Byblos, das dem Adonis heilig iſt, 
Konigsſitz des Kinyras), zeugte. Dieſer Kinyras gieng mit Volk nad) 
Kypros, gründete Paphos, vermählte ſich daſelbſt mit Metharme, der 
Tochter des kypriſchen Königs Pygmalion, und erzeugte den Oxyporos 
und Adonis, und dazu die Töchter Orſedike, Laogore und Braiſta. Dieſe, 
weil ſie den Zorn der Aphrodite auf ſich gezogen hatten, gaben ſich den 
Umarmungen fremder Männer bin und ſtarben in Aegypten. Adonis 
aber, ald er noch jung mar, wurde durch ven Zorn der Artemid auf ver 
Jagd von einem Schweine gehauen und flarb. Heſtodos aber fagt, er 
jey ein Sohn des Phönix und der Alpheftbüa. Panyaſis nennt ihn einen 
Sohn des Theias, des Königs der Affyrer, der eine Tochter Smyrna 
hatte. Diefe warn durch den Zorn der Aphrodite, welche zu ehren fie 
yerfäumte, von Liebe zu ihrem Water ergriffen, und indem fie ihre Amme 
fih zur Mithelferin verfchaffte, lag fie zwoͤlf Nächte hindurch bey dem 
DBater, der nicht wußte, daß ed die Tochter ſey. Als er es aber erkannte, 
züdte er fein Schwerdt und verfolgte fie, und als er fie eingeholt Hatte, 
flebte fie zu den Goͤttern, fie unflchtbar zu machen. Diefe verwandelten 
fie aus Erbarmen in einen Baum, den man Smyrna (Moyrrhenbaum) 
nennt, und nach Verlauf von zehn Monden barft ver Baum auf und ed 
fam Adonis hervor. Aphrodite barg ihn, da er noch unmündig war, 
wegen feiner Schönheit in einer Lade, welche fie zu Perfephone ftellte. 
Diefe aber Tieferte dad Knäbchen, als fie ed gefehen, nicht wieder ab, 
und ald darüber vor Zeus geftritten ward, fiel die Entfcheidung dahin 
aus, dad Jahr folle in Theile getheilt werben, ven einen folle Adonis für 
fih feyn, einen bei Perfephone, und einen bey Aphrodite, Adonis aber 
gab diefer noch feinen Theil. Späterhin ftarb er auf der Jagd von einem 
Schwein getroffen. *) 


tage das blühende und grünende Leben der Natur tödtet, von dem Saiten: 
fpiel entlehnt, welches den Trauergefang begleitete. Das Saitenfpiel aber 
hieß linon von der alten Einrichtung, welche noch Feine eigentlichen Saiten 
fannte, fondern Fäden. Dies bezeugt der Scholiaft in der Ginleitung zu 
den pythifchen Hymnen Pindars, wo es heißt, Hermes habe die Laute mit 
Fäden befpannt, weil man den Gebraudy der Saiten noch nicht erfunden 
gehabt habe, denn diefe habe erft Apollon auf die Lyra gefpannt. 

*) Bey Servius zu Birgils zehnter Ecloge (V. 18), wo der Dichter fagt, der 
fhöne Adonis habe Schafe an den Flüßen geweidet, lefen wir folgende 
Darftelung diefes Mythus: König Cinyras auf Eyprus hatte eine Tochter 
Myrrha, die Durch den Zorn des Sol (der Sonne) in ben Vater entbrannte 
und Hülfe duch die Amme erhielt, Diele gab vor, eine Sungfrau liebe 


Adonis. 245 


Hier fehen wir die Klagefldte und Klagemuſik zum Vater des Adonis 
gevichtet, und den Oxyporos (richtiger vieleicht Oxytoros) zu feinem Bru⸗ 


ihn und bitte Nachts in der Dunkelheit, weil fie fich fchäme, bey ihm zu 
feyn. Als er fle angenommen Hatte und dann einmal Licht bringen ließ 
und die Tochter fah, verfolgte er fie mit dem Schwerbt, doch ſchwanger vom 
Bater flüchtete fie in den Wald und ward in einen Baum verwandelt, der 
ihren Namen führt, das Kind aber reifte unter der Rinde, und warb durch 
den Zahn eines Ebers herausgerigt, und von den Nymphen erzogen, Adonis 
genannt, von Mars aber, weil Venus den Adonis liebte, in Geftalt eines 
Ebers getödtet. Diele fagen, er fey durch das Erbarmen ber Venus in 
eine Rofe verwandelt worden. Eine andere Erzählung aber giebt an: Aus 
Aegypten kamen die Brüder Cpivioflafterius und Don nach Kypros und 
nahmen dafelbft Weiber; von ihnen ward Celes erzeugt, der eine Tochter 
Erinoma hatte. Diefe ward ob ihrer großen Keufchheit von Minerva und 
Diana geliebt, von Venus gehaßt, die Jupiter gegen fle entflammte, worauf 
Suno die Benus bat, den Adonis gegen Srinoma zu entzünden, und da biefer 
widerftand, führte fle, nachdem fie Nebel verbreitet, felbft den Adonis in 
das Gemach der Jungfrau, die fu durch Gewalt und Trug ihre Keufchheit 
verlor, doh Diana verwandelte fie am Fluße Eiffeus in einen Pfau. Als 
Adonis aber erfannte, daß er Jupiters Geliebte geſchwächt, flüchtete er in 
die Wälder des Bergs Cafius und weilte dort unter ven Landleuten. Mer- 
eurius brachte ihn durch Lift dort weg, als ein Eher, den die Babel für 
Mars ausgiebt, große Noth verurfachte, doch Adonis überwand ihn, ward 
aber vun Jupiter mit dem Bliß erfchlagen. Aus Erbarmen ließ Mercurius 
fein Bild, als ob er lebe, zu den Seinen bringen, da Venus über den Tod 
ihres geliebten Adonis fehr Flagte, und Juno erbat den Supiter, daß 
Adonis in den heimifchen Hainen lebe, Diana aber gab nun der Erinoma 
bie vorige ©eftalt wieder, die dann von Adonis den Taleus gebar und mit 
ihm lebte. 

Diefe Erzählung enthält ein eilfertig zufammengerafftes Gewirre ein- 
zelner Züge, bie beßer georbnet und ausgeführt zu einem Adonismythus 
ganz gut geeignet wären, und es fcheint daraus hervorzugehen, daß es noch 
mehrere untergegangene Mythen gab, welche einen ober ben andern ber 
hier fo fchlecht dargeftellten Züge enthielten, denn bie fpätere Zeit fuchte 
den Adonis mit Aegypten in Verbindung zu bringen, fo wie man in Aegyp⸗ 
ten den Oſiris mit Phönifien in Verbindung gebracht hatte. Probus in 
den Scolien zu der obgenannten Ecloge Virgils giebt an, Antimachus 
fage von Abonis, er habe auf Cypern geherricht (da Fünnte denn allerdings 
Adonis mit Gingras eins gewefen feyn), und Philoſtephanus, Supiter 
habe ihn ohne Weib erzeugt. Lykophron nennt den Adonis (831) einen 
Mufenvernichteten, wozu Tzeßes bemerkt: Die Mufen zürnten der Aphrodite, 
weil fie mehrere von ihnen zur Männerliebe gebracht hatte, und tödteten 
daher den von ihr geliebten Adonis, denn fie fangen ein reizendes Jagdlied 
und zogen ihn damit auf die Jagd. Ares aber, entweder fich in ein Schwein 
verwanbelnd, oder dem auf ein Schwein losgehenden Adonis felbft entgegen 
fretend, töbtete ihn, und fein Blut färbte die früher weiße Anemone roth, 


2346 Adonis. 


der, deßen Name das Scharfdurchdringende, Grelle der Klage bezeichnet, 
deren Mutter Metharme die Harmonie dieſer Trauermuſik bedeutet. In 
den Schweſtern, deren Namen Orſedike und Laogore dad Königthum des 
Kinyras bezeichnen, ſehen wir durch ihr Preisgeben an Fremde den oben 
beſprochenen Brauch, welchen Herodot zu Babylon beſchreibt, angedeutet. 
Die Abſtammung von Phönix ſollte den Adonis als Phoniker bezeichnen, 
die von dem Aſſyrer Theias als Aſſyrer. Die Geſchichte ver Smyrna, 
die ihn von dem eigenen Vater gebiert, fpielt in ven Kreis ver Anſicht 
hinein, welche Mütter mit ihren Söhnen, Brüder mit ihren Schweftern 
zeugen lief. Ward ja doch auch folgende Gefchichte, die ſich dem Namen 
nad auf Byblos, den vorzüglichen Sig des Adoniscults, bezog, von fol- 
her Anficht aflatifcher Kiebe aus gebichtet, die Nikandros in den Ver⸗ 
wanblungen erzählte, aus welchem fie und Antoninus Xiberalid (30) aljo 
mittheilt: Apollon zeugte mit des Minos Tochter Akakallis in Kreta den 
Miletos, den die Mutter aus Furcht vor dem Vater in einen Wald aus⸗ 
feßte, wo ihn Wölfe nährten, bis ihn Hirten fanden. Al er fchön und 
rüftig herangewachfen war, wollte ihm Minos Gewalt anthun, doch er 
flüchtete zu Schiff auf ven Rath Sarpedons nad) Karien, gründete Milet 
und vermählte fich mit des Farifchen Königs Eurytos Tochter Eidothea, 
und erzeugte Zwillinge, den Kaunos und die Byblid. (Kaunos ift von 
der Farifchen Stadt gleiched Namens entlehnt.) Viele warben um Byblis, 
doch fie brannte von Liebe zu ihrem Bruder, und die geheime Dual zu 
enden, gieng fie Nachts zum nächſten Berg, um ſich herabzuftürzen. Die 
Nymphen aber erbarmten jich ihrer, fenkten fie in Schlaf und nahmen 
viefelbe, file in eine Hamadryade verwandelnd, in ihre Gefelfchaft auf. 
Auch wird dad Waßer, welches von jenem Feld des Berges herabrinnt, 
bis auf die heutige Zeit von ven Einwohnern Thräne der Byblis genannt. 
(Daß aus ihren Ihränen der Duell Byblid entſtanden fey, fagen aud 
Lactantiud, Ovid und Konon.) Bey Parthenius (11) leſen wir, daß 
Nikänetos angab, Kaunos fey in die Schwefter verliebt geweſen, in feinem 
Schmerze fortgewandert und habe die Stadt feined Namend gegrünbet, 
Byblis aber ſich um die Nüdfehr des Bruders gehärmt, wogegen bie 
Mehrzahl der Erzähler berichtete, Byblis habe den Bruder mit ihrer 
Liebe beftürmt, und darum ſey er fortgezogen, da habe ſie ſich mit ihrem 
Gürtel an einer Eiche erhängt. (Ovid erzählt in den Verwandlungen 


denn er fiel gerade auf die Anemone. Als Aphrodite das Leid erfuhr, lief 
fie barfuß dahin und jammerte kläglich. Da fe fi an den Dornen einer 
Roſenhecke gerigt Hatte, machte ihr Blut die Rofe fortan roth. Tzetzes 
bält es auch (832) für Unrecht, den Adonis zu Byblos und auf Kypros 
für einen und benfelben zu halten, weil man den Sohn der Myrrha zu 


F Byblos nicht mit dem Sohn des Kinyras auf Kypros verwechſeln duͤrfe. 


Adonis. 247 


[9. 453 flgg.] dieſe unglückliche Liebe am ausführlichiten.) Stephanus 
der Byzantiner nun fagt, nach ver Byblis jey die Stadt Byblos benannt 
worden, und allervings liegt viefer Liebesgefchichte eine LTiebe zu Grunde, 
wie man fie dem Cult ver Himmelsfönigin zu Byblos und wo er immer⸗ 
hin einheimifch war, zufchrieb, und in dieſem Sinne fcheint ver Name 
der Byblis von der Stadt Byblos entlehnt zu ſeyn. 

Don dem Adoniscult auf Kypros erfahren wir übrigens nichts 
Befonderes, und eine große Mannigfaltigkeit feheint überhaupt nicht mög- 
lih bey einer fo einfachen zu Grunde liegenven Idee. Tacitus, welcher 
von dem Aphropitetempel und dem Cult auf Paphos erzählt, erwähnt des 
Adonis gar nicht einmal. Er fagt (Gefchichten 2. 3), der Gründer des 
Tempels fol nad) alter Ueberlieferung Aerias gewefen feyn, und Manche 
geben an, dieſes fey der Name der Göttin felbft. (Diefes ift eine Angabe 
von unbebeutender Urt und ohne Gehalt, denn Aeria war ein Beiname 
der Infel ſelbſt. Heſychius meldet und, daß außer Kypros auch Thaſos, 
Aegypten, Libyen, Kreta, Sicilien und Wethiopien fo zubenannt gemwefen 
feyen.) Eine neuere Sage läßt ihn von Kinyrad weihen und die aus 
dem Meere geborene Göttin hier angetrieben werven. (Clemens Alerana 
drinus in der Ermahnungsſchrift [S. 13] giebt aus Ptolemäus erftem 
Buche über Philopator in Paphos an, in Tempel der Aphrodite fey 
Kinyras und feine Nachfonmenfchaft begraben, und es melden dies die 
Kirchenfchriftfteller um die Wette) Die Kunft, aus ven Eingeweiden zu 
weißagen, fol aber ver Kilifier Thamyras eingeführt haben, und es fol 
bedungen gewefen feyn, daß die Nachkommen beider Familien dem Cult 
vorfländen. Doch das Königsgefchlecht verbrängte den fremden Stamm 
aus dem Antheil an ver Weißagung und ver FKinyrade - Priefter behaup- 
tete fie allein. Man gebraudt dazu männlidde IThiere, und zieht vie 
.Eingeweide des Bocks als die ficherften vor. Mit Blut ven Altar zu 
negen ift verboten; man betet und zündet reined Feuer auf vemfelben an, 
und obgleich er im Freien fteht, wird er dody nie von Negen naß. Das 
Bild der Göttin ift Feine Dtenfchengeftalt, fondern eine runde Spikfäule, 
und warum ed ift, weiß man nicht. (Sp ſieht man auch den Tempel 
mit der runden Spitfüule auf Münzen dargeftelt, und Serviud zur 
Heneive [1. 720] fagt: Bey ven Cypriern wird Venus in der Geftalt 
eines Nabeld, oder, wie Mandye wollen, einer Spibfäule verehrt, und 
Marimus Tyrius [38. 8] meint, fie gleiche am meiften einer weißen 
Pyramide. Diefe Darftelung der Göttin durch eine Fegelfürmige Säule 
zu erklären, vermögen wir nicht, denn daß fie in menfchlicher Geftalt gedacht 
ward, ift ganz natürlich, und an Bildern derſelben in Menfchengeftalt zu 
zweifeln, gar fein Grund. Auch Miopfterien fol Kinyras in Paphos eins 
gejeßt haben, denn Clemens Alerandrinus in ver Ermahnungsſchrift [S. 5] 
fagt, daß in ven von Kinyrad zu Paphos eingefehten Myſterien die 


23418 Adonis. 


Geweihten der Goͤttin, wie einer Hetaͤre, Geld brachten und dagegen einen 
Salzklumpen und Phallus erhielten. (Alſo, wenn wirklich Myſterien in 
Paphos waren, ſo hatten ſie zum Inhalt ihrer Lehre die Fortpflanzung 
des Lebens, denn die Lebensmutter erſcheint, wie es der Mylittapienft 
erheiſchte, als Hetäre, Salz galt als Anreizung zur Begattung und der 
Phallus iſt das Sinnbild der Fortpflanzung.) 

Die Dichtung, Adonis ſey aus dem Myrrhenbaum geboren, iſt nicht 
aus freier Phantaſie hervorgegangen, ſondern Adonis ſollte daraus her⸗ 
ſtammen, weil die Myrrhe heilende und erhaltende Kraft hatte, wie denn 
Wunden mit Myrrhe geheilt werden (Herodot 7. 181), Kombabos den 
abgeſchnittenen Phallus in Myrrhen und anderes Räuchwerf legt, und 
der junge Phönix bringt den alten geftorbenen in Myrrhen eingehüllt zur 
Beftattung in das Heiligthum des Helios (Herodot 2. 73), denn bie 
Myrrhe diente als ein Mittel, welches vie Aufbewahrung des Fleiſches 
weſentlich befördert... So ward bey ver Bereitung der Mumien, wenn 
fie auf die befte Art zubereitet wurven, ver ganze Bauch mit geftoßener 
Myrrhe nebft Kaſia und allem fonftigen Rauchwerk (ausgenommen Weih- 
rauch) angefüllt, wie und Herodot (2. 86) erzählt. Infofern nun Adonis 
ein Sohn der Myrrhe heißt, bedeutet dieſe Abftammung nichts weiter, 
als, der ſterbende Adonis vergeht nicht, fondern wird behalten und auf- 
bewahrt ald ein zwar tontes, aber unverletztes Wefen, bi er wieder von 
dem Tode zum Leben erwacht. Daß aber überhaupt ein Baum gewählt 
ward, hängt vieleicht mit der Anficht zufammen, daß im Baume dad 
Reben aufbewahrt werde. Ofiris wird in der Haideſtaude, bie feinen 
Todtenfaften umfchließt, aufbewahrt, und gerade zu Byblos war dies 
gefchehen, fagte der Aegypten und Phönikien in Beziehung auf den Ifld- 
Oſtriscult verbindende Mythus. Chen fo überfchattete die Tamariske das 
Oſirisgrab, wie die Denkmäler von Philä zeigen, wo man zwei Priefter 
bey ihr ſtehen und fie begießen fleht, damit dieſes Pfand ver Wiederer⸗ 
wachung des Gottes geveihe. So war auch die Perfea und die Syfomore 
Lebensbaum in Aegypten. Wie alt die Babel von der Geburt des Adonis 
aus dem Baume fey, wißen wir nicht, daß ihr aber die Idee zu Grunde 
liege, welche die Tamariske bey Oſtris hat, Täßt fich nicht wohl bezwei- 
fen. Wir haben oben in der Befchreibung des Lukianos ſchon eine Eurze 
Angabe des Veftes gehabt, wie es zu Byblos gefeiert ward. Die Idee 
deſſelben ift einfach, ver Gott verſchwindet, er flirbt, und wird betrauert, 
dann lebt er wieder auf und man freut ſich des Glückes, doch feierte man 
das Veit fo, daß am erften Tage die Trauer, am zmeiten bie Freude 
ftattfand, obgleich in ver Natur das Abfterben und Wieneraufleben ver 
Pflanzenwelt damit vargeftelt ward, und eine genaue Beziehung auf bie 
Wirklichkeit zwei zu verfchievenen, der Sache entfprechenven Zeiten gefeierte 

„Befte erforbert hätte. Theokrit (15) befchreibt ein Adonisfeſt zu Aleran- 


Adonis. 249 


dria unter Ptolemäos Philadelphos. Auf herrlichen Decken lag das Bild 
des Adonis im Pallaſt auf einem ſilbernen Geſtell, und der dreimal 
geliebte Jüngling, der auch in der Unterwelt geliebt wird, hatte den 
erſten Flaum auf der Wange, und eine Sängerin ſang: Aphrodite, wie 
bu den Adonis, welchen dir die Horen im zwölften Monat *) vom Acheron 
heraufgeführt haben, fo Haft du Berenife aus einer Sterblicdden zur 
Uinfterblichen gemacht, wofür ihre Tochter Arfinoe dir jetzt den Adonis 
mit allem Schönen fchmüct, neben ihm liegt reif, was die Bäume bringen, 
neben ihm zarte Gärtchen in filbernen Körbchen und Golofläfchchen vol 
ſyriſcher Salbe, und Kuchen, fo viele nur die rauen machen, Blumen 
aller Art mit dem weißen Mehl mifchend, mas fle von Honig und in 
Del bereiten, Geflügel aller Art und vierfüßige Thiere find da (nämlich 
gebadene). Grüne Lauben, ftroßenn von weichem DIN, find errichtet, 
und Ersten flattern darüber, und Adler, ven Ganymen gen Himmel tra= 
gend, und oben über ver Lagerftätte find Purpurdecken ausgebreitet. Das 
eine Zager nimmt Kyprid ein, dad andere Adonis, zu fehägen auf acht⸗ 
zehn oder neunzehn Jahre. Jetzt mag Kyprid fich des Gatten freuen, 
doch morgen in der Frühe werben wir ihn an das Geftade tragen zur 
Meerflut, mit aufgelößten Haar und herabwallendem Gewand, entblößten 
Bufend, unter helltönendem Gefange: Du, 9 lieber Adonis, gehft zum 
Acheron und kehrſt zurück ganz allein von allen Halbgöttern, fey uns 
gnäbig und für die Zukunft gewogen, jegt bift vu gekommen, Tomme 
freundli wieder. Cyrillus, welcher bemerkt, daß das Aponiöfeft in 
Alexandria noch bis auf feine Zeit gedauert habe, fagt in feinem Com⸗ 
mentar zu Iefaia (S. 275. 6), die alerandrinifchen Frauen hätten ein 
Gefäß genommen, einen Brief an die Frauen in Boblos gefchrieben, daß 
Adonis wieder gefunden fey, diefen in das Gefäß gelegt, es verftegelt, und 
in dad Meer geworfen, heilige Gebräuche dabei verrichten, und wie bie 
Abfender fagten, fey vafjelbe an beftimmten Tagen des Jahrs von felbft 
nach Byblos gelangt, wo ed gewiße, der Aphropite Liebe Frauen, empfangen 
und nad) Leſung des Brief von der Klage abgelaflen, da nun Adonis 
von Aphrodite wieder gefunden fey. 

Das von Theokrit befchriebene Feſt fett dad Leben des Adonis voran 
und am zweiten Tag dad Trauerfeit, denn ein folches wird angedeutet, 
indem das aufgelößte Haar, entgürtete Gewand und der helle Gefang auf 
Trauer deutet, fo daß auch die Proceffion mit dem Adonisbilde an das 
Meer ſich nicht ald die gewöhnliche fonft vorkommende Proceffion mit 
Götterbildern zum Behufe des Waſchens verfelben wohl anfehen Yäßt, 


*) Der Scholiaft nennt ſechs Monate als von Andern angenommen. Dem 
Feſte nach waren es, ba biefes jährlich einmal flattfand, freilich zwölf, bie 
es der Sache nach nicht feyn Fonnten. 


250 Adonis. 


ſondern als eine, die ven Adonis gleichſam dem Waßer übergab, *) weil, 
wenn die Natur abgeſtorben iſt, ſie durch Waßer wieder auflebt, gerade 
wie der todte Oſtris in einem Kaſten in das Waßer geworfen ward, und 
in dad Meer trieb.**) Die Ordnung des Feſtes war aber fo nad 


*) Der Scholiaft zu Theofrit fagt: Man habe das Bild in das Waßer geworfen, 
was die Kritifer durch Aenderungen der Worte nicht als richtig wollen 
gelten laffen, wiewohl in der Sprache nichts Anftößiges fich findet. 


**) Die Idee, daß das abgefturbene Leben der Natur in dem Waßer gleichfam 
aufbewahrt liege, weil es durch daffelbe wieder gleichfam auferfteht, ift auch 
in dem Mythus von Hylas enthalten. In Myften, fo erzählt Apollodor 
(1. 9. 19) ließen die Argonauten den Herafles zurüd, denn Hylas, des 
Theiodamas Sohn, der Liebling des Herafles, ausgeſchickt, Waßer zu holen, 
war wegen feiner Schönheit von den Nymphen geraubt worden. Poly: 
phemos, ber ihn rufen hörte, eilte mit gezogenem Schwerbt ihm nad), mei- 
nend, er werde von Räubern fortgeführt, und meldet es dem ihm begeg> 
nenden Herafles. Während nun Beide fuchten, fuhren die Argunauten ab, 
und Polyphemos gründete dafelbft Kios. Herafles aber fehrte nach Argos 
zurück. Apollonios der Rhodier fügt (1. 1348) Hinzu, der Heros 
drohte, Myflen zu verderben, wenn fie nicht den Hylas lebend oder tobt 
ausfindig machten, und fie gelobten feierlich, ihn unabläßig zu fuchen, 
weßhalb die Kianer immer noch den Hylas fuchen. Theofrit (13. 72) 
fagt, Hylas werde unter die feeligen Götter gezählt, und Antoninus 
Liberalis (26) giebt nah Nikandros an, Hylas, von den Nymphen bes 
Flußes Askanios beim Waßerholen geraubt (die Orphiſche Argo— 
nautif [641] läßt ihn in eine Grotte gerathen, deren Nymphen ihn feft: 
halten), ward von Nymphen verwandelt, und die Echo gab dem rufen 
den Herafles den Namen zurüd, worauf berfelbe den Polyphemos dort Ließ, 
weiter nad) dem Knaben zu ſuchen. Die inheimifchen opfern aber bis 
jebt dem Hylas an der Quelle, und der Priefter ruft dreimal feinen Namen, 
die Echo aber antwortet ihm dreimal, (Daß Polyphemos, d. i. Vielrufer, 
von dem Rufen nach Hylas erdichtet fey, leuchtet auf den erften Blick ein. 
Der Name des Hylas aber bezeichnet nicht den geftorbenen Naturgott nad) 
irgend einer Eigenfchaft des blühenden oder hinwelfenden Lebens, ſondern 
tft ihm von dem um ihn erhobenen Wehgeheul gegeben, von dem griechi⸗ 
hen Worte hylaein, heulen, welches die Sylbe hyl kurz hat, wie auch 
der Name Hylas.) Auch Strabo (12. 4. ©. 564) fagt, zu Pruflas, 
wie Kios fpäter hieß, werde noch das Hylasfeft gefeiert; man ziehe in heis 
ligen Aufzügen in die Berge, und rufe den Hylas, den bie Nymphen auf 
dem Berg Arganthonios raubten, als fuche man ihn. Diefer Hylas ift in 
Bithynien, was Adonis in Syrien, Oſiris in Aegypten ift, die geflorbene 
Kraft der Natur, die ſchöne Blüthe und der emporgefproßte Seegen, ber als 
Süngling dem Tode verfallen ift, und im Waßer, durch das er wieder auf: 
leben wird, bewahrt Liegt bis zur Frift des Wiederauflebens. Daß er mit 
einer Göttin der Natur, einer Lebensmutter in Verbindung geftanden, müßen 

F wir vermuthen, da es kaum gedenkbar iſt, daß der Mythus von dem Abſter⸗ 


Adonis. 251 


Beendigung des Winters, daß am erſten Tage die Trauer, am zweiten 
die Freude ſtattfand. Eine zuſammenhängende genaue Beſchreibung des 
Adonisfeſtes, wie es unter den Griechen gefeiert ward, haben wir nicht. 
Eine Hauptſache bildete offenbar das Adonisbild, welches am Trauertag 
als geſtorbener Gott betrauert, am Freudentag als wiedererſtandener 
begrüßt ward, und welches nebſt dem Bilde der Aphrodite im Aufzuge 
herumgetragen ward. Plutarch in dem Leben des Nikias (Kap. 14) ſagt: 
Die Weiber feierten damals (in Athen) die Adonien und überall in der 
Stadt waren die Bilder ausgeſtellt, und feine Begräbniſſe und vie Klagen 
der Weiber fanden Statt. Eben fo in dem Xeben des Alfibiaded (Kap. 18): 
Die Adonien fielen auf jene Tage, an vielen Orten waren die ven Todten 
ähnlichen Bilder von ven Weibern auögeftellt, und fie ahmten das Begänge 
nig mit Wehklagen nad) und fangen Klageliever. Dabei wurden die foge- 
nannten Adonisgärten herumgetragen, worüber Heſychius bemerkt: Am 
Adonisfeſte führt man die Bilder des Adonis herum und die Gärten in 
Scherben mit allerlei Gewächs, als Fenchel und Lattich, denn in Lattich 


ben bed Naturfeegens ohne einen folchen Zufammenhang fey. Die Ber- 
bindung aber mit Herafles, wenn nicht Herafleiden in Aften diefelbe veran— 
laßt Haben, ift ung dunfel, denn als Melkart Fönnte er nur als Patäfe, 
der mit der Lebensmutter in innigem Zufammenhange flieht, durch eine 
ſolche auch mit Hylas in eine Verbindung fommen, falls diefer mit einer 
folden zufammengehörte. In demfelben Lande bey den Mariandynern 
fangen die Landleute zur Erndtezeit Klageliever um den Bormos oder Boris 
mos, des Upios Sohn, einen fehönen Jüngling, der verfchtwunden war, als 
er, ven Schnittern Waßer zu Holen, nach einer Quelle gegangen war, wie 
wir bey Athenäus (S. 620) Iefen. Hier tritt recht deutlich hervor, wie 
der fchöne Süngling flirbt, wann das, was geblüht und gegrünt hat, 
gereift ift und unter der Sichel fällt. Auch bey Bormos, der vom Hylas 
nur dem Namen nad verfchieden ift, fehen wir die Beziehung zu dem 
Waßer feitgehalten in dem Mythus. Wenn bey Lityerfes eine fulche Bezies 
bung zum Waßer nicht fo deutlich hervortritt, wie bey Hylas und Bormos, 
fo ift es doch eigen, daß fie wenigftens nicht ganz fehle Theofrit 
(10. 41) erwähnt des göttlichen Lityerfes, und die Scholien dazu erzäh- 
len: Lityerfes, unehelicher Sohn des Midas, wohnte zu Kelänä in Phrygien, 
und war ein Landbauer, der bie vorüberwandernden Fremden bewirthete, 
und zwang, ihm erndten zu helfen. Dann am Abend fchnitt er ihnen den 
Kopf ab, und fang, indem er den Leib in die Garben eindand. SHerafles 
tödtete ihn nachmals und warf ihn in den Fluß Mäandros, woher noch 
die Schnitter in Phrygien ihn als beften Schuitter lobfingen. Das Schnits 
terlied felbft aber hieß Lityerfes oder Lytierfes. (Auch Andere erzählen 
davon. Athenäus S. 619, Euftathius S. 1164.) Wiewohl bier fein Klage: 
lied gemeldet wird, fo ift doch die Nede von Tod, der mit der Ernte 
zufammenhängt, und eben fo von Waßer, in welches LKityerfes gewor⸗ 
fen wird. | ' 


252 Adonis. 


ſoll Aphrodite den todten Adonis niedergelegt haben. Platon im Phädros 
(S. 276) ſagt: Würde ein verſtändiger Landmann, um Früchte zu ziehen, 
fie in Adonisgärten ziehen, indem er ſieht, daß fie da in acht Tagen 
fhön werben, oder ſolches nur des Spieles und Vefted wegen thun. In 
den Gäfaren Iuliand (S. 329) leſen wir: Die rauen pflanzen dem 
Gatten ver Aphrodite in Scherben Gärtchen, Gartenerde hinein thuend, 
und diefe grünen ein wenig und welfen alöbalo wieder. So tritt denn 
deutlich in diefen Gärten hervor, wie das Abfterben der Natur in dem 
Tod des Adonis beklagt ward. Der Scholiaft zu Theokrit fagt, man fäe 
Weizen und Gerfte in die Adonisgärten. Ein Trauergedicht auf den 
Adonis haben wir von Bion, worin e8 heißt: Ich Elage den Adonis, 
todt ft der fchöne Adonis, von dem Zahne verwundet, und feine Jagd— 
hunde heulen um ihn. Aphrodite irrt trauervoll in den Gebüſchen, Dor- 
nen ritzen fie, und jammernd ruft fie ihren aflyrifchen Gatten (den Sohn 
ded Kinyrad). Aus feinem Blut aber entitehen Roſen, und aus ihren 
Thränen Anemonen. In Purpurdeden auf ein vergolveted Lager wird er 
gelegt, und Kränze und Blumen werden darauf geworfen. Die rauen 
waren hauptfächlich bey nem Feſte befchäftigt, fie fangen das Klagelied, 
dad von hefltönenvden Pfeifen begleitet war. 

Ein Eber wird genannt ald der Tönter des Adonis, und wir finden 
in Aegypten und bey den Ifraeliten dad Schwein als ein unreined, durch⸗ 
aus gemiedened Thier, nur daß in Aegypten es zu einem einzelnen Opfer 
diente. Macrobius (Saturnalien 1. 21), welcher annimmt, Adonis fey 
die Sonne, erklärt das Schwein für ein Bild des Winterd, während 
deßen Dauer die Sonne ohne Kraft ift, weil dad Schwein rauh und 
ftruppig, fih an Veuchtigfeit und Koth freue, welche im Winter ſich fin- 
den, und wenn nun auch Adonis die Sonne nicht ift, fondern die zeugende 
Natur, gleichfam ver Lenz felbft, fo würde das der Erklärung des Chers, 
als des Winters, nichts fihaden, wenn nur irgend nachzumeifen wäre, 
daß dad Schwein ein Sinnbild des Winters gemwefen wäre, maß aber 
nicht erhärtet werben Fann, denn der von Macrobius angegebene Grund 
fann und nicht genügen. Selbſt vie fpäteren Alten glaubten, jedoch 
feineöwegd allgemein, Adonis fey die Sonne, denn Ammianus Marcellinud 
(19) fagt: Wie die VBenusverehrerinnen oft am Adonisfeſte weinen gefehen 
werben, welcher ein Bild der herangereiften Früchte ift, nach der myſti⸗ 
[hen Lehre. Die fpätere Zeit fuchte aber mehr ald einen Gott zum 
Sonnengott zu deuten, wie fle vie Götter auch zufammen wirrte, denn 
ſo follte Adonis auch Dionyfos feyn, wie Plutarch angiebt (Symposiac. 4. 5) 
und im Leben Iſidors bey Photius (S. 558) wird gefagt, daß bie 
Alerandriner den Oſiris ehrten, der nach myſtiſcher Theokraſte auch 
Adonis war. 

Wenn Attes (Attis, Atys) in Lydien nicht geradezu aus dem Adonis 


Adonis. 253 


gebildet worben ift, fo ift Adonis zum wenigften nicht ohne Einfluß darauf 
geweien,*) und daß eine fpätere Zeit, wie die große ſyriſche Göttin zu 
Hierapolis für Nhea, fo den Adonis dafelbft für Attes nahm, fo daß bie 
Theokraſte vollſtändig war, zeigt Damascus im Leben Iſidors bey Photius 
(S. 561), indem er fagt: Im Tempel zu Hterapolis ſchlafend, glaubte 
ih im Traume Attes zu werden, und daß mir die Gdtter das Hilarien- 
feft madjen, was unfere Rettung aud dem Hades anzeigte. Macrobius, 
welher (1. 21) vie phrygiſche Göttermutter für die Erbe und ben 
Atted für die Sonne erklärt, jagt, verfelbe trage eine Pfeife und 
einen Zweig. Die Pfeife bedeute die Ordnung des ungleichen Wehens, 
weil die Winde, in welchen Feine Gleichheit fey, ihre eigentliche 
Beichaffenheit von der Sonne befommen, der Zweig (die Ruthe) zeige an 
die Macht ver Sonne, vie Alles lenkt (er war Hirt und warb mit der 
Sirtenpfeife und dem Stabe dargeftelt). Diefe Erklärung gehe auch aus 
den Gebräuchen hervor, denn wenn ber Hinabgang mit Trauer gefeiert 
worden, fo beginne dad Freudenfeſt, Hilarien (d. i. Freudenfeſt) genannt, 
am fünf und zwanzigfien März, wo gerade bie Sonne made, daß der 
Tag länger fey, ald die Nacht. Wir fehen alfo bey der großen Göttin 
in Phrygien und Lydien den Attes mit Trauer als Geftorbenen, mit 
Freude ald den Wiedererſtandenen gefeiert, wie den Adonis. Auch der 
Eher des Adonis fehlt nicht in den Sagen von Attes. Paufanias (7.17. 5) 
fagt: Die Dymäer in Achaia haben ein Heiligthum der Dindymene und 
bed Attes (ein Heiligtum der Dinpymene, worin Attes verehrt wird, 
erwähnt er auch zu Paträ in Achaia [7. 20. 2)). Wer Attes gewefen, 
barüber habe ich nichts Geheimes erfahren Fünnen, ver Elegifer Herme⸗ 
flanax aber giebt an, daß er ein Sohn des Phrygers Kalaos, und zeugungs- 
unfühig geboren war. Als er herangewachfen, gieng er nach Lydien und 
fegte dort die Orgien der Mutter ein, zu fo großer Ehre gelangenp, daß 
Zeus, darüber unmwillig, ein Schwein in das Land fandte, durch welches 
fowohl Andere von den Lydiern, als auch Attes felbft umkam, weßhalb 
die Galater zu Peſſinus dad Schwein nicht berühren. Doch dort haben 
fie eine andere einheimifche Sage. Zeus nämlich babe im Schlaf feinen 
Samen auf die Erve fallen laßen, und biefe, nach Verlauf der rechten 
Zeit, habe einen Damon hervorgebracht, zwiegefchlechtig, den man Agpiftis 
genannt babe, vie Götter aber hätten, ihn fürdhtend, ihn der Mannheit 
beraubt, aus viefer aber fey ein Manvelbaum gefproßt mit reifer Frucht, 
und die Tochter des Stroms Sangariod habe von diefer genommen, und 


*) In den Scholien zu des Ptolemäos Werf, welches den Namen der vier 
Bücher oder der mathematifchen Syntaris führt, bemerkt Proklos oder wer 
diefe Scholien gefchrieben Hat, daß der Bult des Adonis und Attis in 
Phrygien und Lydien oft mil einander verwechfelt ward und ber nämliche war. 


354 Adonis. 


in ihren Buſen gethan, wo ſie ſogleich verſchwunden, ſie aber ſchwanger 
geworden ſey und ein Knäbchen gebohren habe, das, ausgeſetzt, von einem 
Bock gepflegt worden. Als daſſelbe, herangewachſen, übermenſchliche 
Schönheit zeigte, ergriff Liebe die Agdiſtis zu ihm, und feine Angehörigen 
fenden ihn nach PVefinus, vie Königdtochter dort zu beurathen. Ald man 
aber den Hymenäus fang, trat Agdiſtis herzu und Attes in Rajerei 
gerathend, entmannte fi, und ebenſo that der Vater der Braut, Agpiftis 
aber bereute, was fie dem Attes gethban, und erlangte von Zeus, daß 
des Attes Leib nie vermeie, noch vergehe. So Pauſanias, welcher (1. 4.5) 
angiebt, in Phrygien fey ein Berg Agdiſtis, und dort jey Atys begraben. 
Armobius (5. 4) erzühlt die Sage von Agdiſtis und Atte anders. Bey 
dem Theologen Timotheus und andern Gelehrten lieſt man aus alten 
Schriften und, wie er felbft angiebt, aus ven Mofterien entnommen, 
Folgendes: In Phrygien ift ein Fels von unerhörter Größe Namens 
Agdus, von welhem Deucalion und Pyrrha die Steine nehmen, die fle 
nach Themis Geheiß werfen und woraus mit den Andern auch die große 
Mutter entftann und von den Göttern belebt ward. Als viefe auf dem 
Gipfel des Felfen im Schlafe lag, nahte Jupiter mit unreiner Luſt, doch 
vergeblich rang er und fein Samen flo auf ven Felfen, worauß im zehn- 
ten Monat unter vielem Gedroöhne des Steind Agveftid entfland, voll 
unbeflegter Stärfe und Wildheit, zwiegefchlechtig und voll wüthenden 
Selüftene, unbefümmert um Götter und Menfchen, und gemaltthätig, 
Alles zu zerftören, Simmel und Erbe verachtend. Die Götter rathfchlag- 
ten oft, wie man dieſes Wefen bänvdigen könne, bis Liber, ald die Andern 
Anftand nahmen, es fo ausführte: Er that in ven Duell, wo Agveftis 
zu trinken pflegte, Wein, und dieſer unmäßig trinfenn, ward beraufcht 
und ſchlief ein, worauf Liber ihm an den einen Fuß einen Strid band, 
den er dann an den Hoden befeftigte, fo daß er beim Erwachen ſich dieſe 
durch die Bewegung feines Fußes felbft abriß. Aus dem Blut entitand 
ein Oranatbaum, deßen ruht Nana, die Tochter des Königs over 
Flußes Sangarius, bewundernd pflüdte und in ihren Bufen that, doch 
file ward ſchwanger davon, und ihr Vater fchloß fie ein, daß fle Hungerd 
fterbe, aber die Göttermutter erhielt fie mit Obft und anderer Speife, 
und fie gebahr ein Knäbchen. Der Vater befahl es audzufegen, doch 
Phorbad (d. i. Hirt) fand es und ernährte ed mit Bockmilch (?), und 
weil die Lyder artige Knäbchen Attis, oder die Phryger die Boͤcke Adagus 
nennen, befam ed den Namen Attid. (Adagus ift ein Gott bey ven 
Phrygern, ein Hermaphroditos, fagt Heſychius.) Diefen Tiebten die Götter 
fehr wegen feiner Schönheit, und Agdeſtis begleitete ihn, ald er heran- 
wuchs, von Liebe ergriffen, führte ihn durch die Wälder und ſchenkte ihm 
Wild, welches Attis zuerft für feine Sagobeute ausgab, bid er vom Wein 

er befannte, Agdeſtis liebe unn heichenfe ihn mit Diefen Gaben. 


Adonis. 255 


Darum, weil ver Wein ihn plaudern gemacht, ift es verboten, daß, wer 
Wein getrunfen, in ſein Heiligtibum gebe. Der peſſinuntiſche König Miras 
beftimmte ihn dann, um ibn von jo übler Verbindung zu entfernen, zum 
Gemahl jeiner Tochter, une damit fein Schlimmer vie Hochzeit flöre, 
lieg er die Stapt jchliegen. Doch vie Göttermutter, welche des Jünglings 
Geſchick Fannte, und mußte, er werte jo lange unter ven Menichen wobl⸗ 
behalten jegn, als er frei von ver Ebe jen, gieng in vie verichlopene 
Stadt, intem fie mir ihrem Haupte tie Mauern in vie Höbe bub, jo rap 
fie von vieler Zeit an die Mauerfrone trug. Agdeſtis, wütbend über des 
Sünglings Verluſt, machte alle zur Hochzeit Verſammelten raſend, des 
Gallus Tochter ſchneidet ih Die Brüfe ab, Attis ergreift vie Pfeife, 
welche Agdeſtis hatte, und tobt herum, bis er fi endlich unter eine 
Fichte warf und entmannte mit ven Worten: Nimm Agveftis, weßhalb 
du ſolche Raſerei erregt haſt. Mit nem Blute floh Das Leben, die Goͤt⸗ 
termutter aber nahm das Abgeichnittene, hüllte es in nad Gewand des 
Todten und warf Erde darauf. Das Veildhen ſproßte auß dem 
Blute und befränzte ven Baum, wie vie Fichte jegtnod 
befränzt wird. Die verlobte Jungfrau, welche ver Pontifer Valerius 
Ja nennt (d. i. Veilhen, als weiblicher Name), umwand des Tobten 
Bruft mit weicher Wolle, weinte mit Agpeftid, töntete fiih, und ibr Blut 
ward in Purpurveilcdhen verwandelt. Die Göttermutter begrub auch viele, 
woraus ein Mandelbaum wuchs, die Bitterfeit des Todes anveutend. 
Dann brachte fie die Fichte, unter welcher Attis fih entmannt hatte, in 
ihre Grotte, und jammerte und wehflagte mit Agdeſtis um den Baum. 
Jupiter, von Agdeſtis gebeten, ven Attis wieder aufleben zu laßen, gab 
dies nicht zu, gewährte aber, was dad Schickſal zuließ, daß nämlich 
der Leib nicht faulte, die Haare ſtets wudfen, und daß 
der Fleinfte Singer lebte und ſich ſtets bewegte Damit 
zufrieden weihte Agdeſtis den Leib in Peſſinus, und ehrte ihn mit jähr- 
liher Zeiler. Bey Municius Belir (21. 11) beißt ed: Eybele Dindymena 
verfchnitt ihren Geliebten, weil fie häßlich und alt, ſie war ja Mutter 
vieler Bötter, ihn nicht zum Buhlen verloden konnte. (Ueber vie Hei⸗ 
ligung bey der Feier der pejfinutifchen Göttin fagt Julian in der fünften 
Rede [S. 175], nachdem er bemerft, dieſe heilige Reinigung bezmwede bie 
Erhebung der Seelen, man dürfe feinen Samen, ber in ber Erde ver« 
borgen werbe, genießen. Manche gendßen nur Schoten, indem fie mein« 
ten, dieſe jeyen nicht mehr Samen ald Kraut, und weil fie in vie Höhe 
wüchfen und nicht in ver Erde gemwurzelt jeyen. Der Samen der Stauden 
ift verboten, Früchte und Kohl find erlaubt, doch nicht der am Boden 
nievere Kohl, ſondern melcher fi) höher hebt. So ift auch geboten von 
der Rübe, das was zumeift in ver Erde fledt, zu vermeiden, das aber, 
was fich daran hervorhebt, ift zu eßen erlaubt. Die Kohlſtengel darf , 


256 Adonis. 


man genießen, die in der Erde wachſenden Wurzeln nicht. Die Aepfel, 
als heilig, darf man nicht verderben und verzehren. Die Granatäpfel, 
als eine irdiſche Frucht, ſind unterſagt, Datteln ebenfalls, wohl weil, ſo 
meint Julian, die Palme der Sonne heilig und unaltend iſt. Dazu ſind 
die Fiſche verboten, Vögel dagegen mit wenigen Ausnahmen erlaubt, wie 
auch die gewöhnlichen vierfüßigen Ihiere, ausgenommen dad Schwein. 
Daß in diefen Bräuchen Manches durch Grübelei zu früherem einfacherem 
Eulte zugefügt worden fey, läßt fih mit Wahrfcheinlichfeit vermuthen, 
und ift dem Geifte ver fpäteren Zeit gemäß. Wir find freilich nicht in 
den Stand gejegt worden, eine irgend genaue Zeitbeftimmung anzugeben, 
wann diefer over jener Brauch in einem Gulte eingeführt ward.) Sieht 
man auf den wahren Gehalt der Mythen, fo ift die innigfte Leberein- 
ſtimmung zwifchen der phrygifchen Berggdttin und Göttermutter mit ihrem 
Lieblinge Attes und der femitifchen Himmelskoͤnigin mit ihrem Kieblinge 
Adonis unverkennbar. Nicht übel lautet die Auslegung, welche wir bey 
Plutarh in der Schrift über Iſts und Oftris (59) lefen, mo es heißt: 
Die Phrygier meinen, im Winter fchlafe ver Gott, im Sommer wache er, 
und im Winter feiern fie feinen Schlaf, im Sommer fein Wachen mit 
bakchiſchem Schwärmen. Und von den Paphlagonern heißt ed: Die 
PBaphlagoner jagen, im Winter werde ver Gott gebunden und gefeßelt, 
im Lenz werde er gelößt und bewege ſich. Etwas anders erzählt Serviud 
zur Aeneide (9. 116) vie Babel: Attes, ein ſchöner Knabe, fland dem 
Dienft ver großen Mutter vor, und warb von dem König feiner Stadt 
geliebt, und als dieſer ihm nachftellte, floh er in vie Wälder. Hier auf- 
gefunden und ver Gewalt des Königs anheimgefallen, fchnitt er vemfelben 
die Mannheit ab, und fterbend vergalt ed ihm viefer mit Gleichem. Die 
Diener ver großen Mutter fanden ihn halbtodt unter einer Fichte, trugen 
ihn in den Tempel der Gdttin, wo ſie ihn vergeblich zu heilen fuchten, 
er ftarb und fie begruben ihn. Zu feinem ewigen Gedaͤchtniß ſetzte die 
große Mutter feft, daß jährlich bey ihrer Feier um ihn geklagt und 
getrauert werde, nahm vie Vichte, unter welcher er gelegen hatte, in ihren 
Schub, und machte, daß ihre männlichen Diener fich verfchnitten, die 
Archigallen heißen. Ovid aber berichtet die Atteöfage im Feſtkalender 
(4. 223): Der fchöone phrygiſche Knabe Atti ward von der Gdttin mit 
der Mauerfrone mit Feufcher Liebe geliebt, und auf ihren Befehl ver- 
fprah er, rein von Liebe zu leben, doch ergab er fich ver Liebe zur 
fagaritifchen Nymphe, und warb von der Göttin beftraft, welche vie 
Nymphe durch Verlegung ihres Baumes (denn ſie war eine Hamadryade) 
töDdtete und den Attid rafend machte, fo daß er fih entmannte, und bie 
Diener der Göttin ahmten ihm nah. Hören wir noch Diodor, welcher 
gewöhnlich zu den fchlechteften Formen der Mythen greift. Diefer erzählt 
(3. 58): Mäon, der König von Phrygien und Lydien, zeugte mit Din- 


Adonis. 257 


dyma eine Tochter, die er auf dem Berge Kybelos ausfegte, wo Pardel 
und andere wilde Thiere fie nährten. Hirtenfrauen fanden fie und gaben 
ihr den Namen Kybele, fie aber wuchd zu einer fehönen und trefflichen 
Jungfrau empor und erfand die NRohrpfeife, die Cymbeln und Paufen zu 
den Reigen, und lehrte Krankheiten der Kinder und der Heerden heilen, 
und ob dieſes Wohlthuns nannte man fe die Bergmutter. Als fie zur 
Reife gelangt war, Liebte ſte ven einheimifchen Jüngling Attis, nachmals 
Papas genannt, und ward ſchwanger von ihm, zu welcher Zeit ihre 
Eltern ſie erfannten und in ven Pallaft brachten. Als jedoch der Vater 
ihren Zuſtand erfuhr, tödtete er ihre Ammen und ven Attis und Tieß die 
Leichen unbegraben liegen, worüber Kybele raſend warb und mit zerftreus 
ten Saaren herumfchweifte und mit Geheul und Paufenlärm die ganze 
Gegend erfüllte. Apollon, von Liebe zu ihr entbrannt, fol mit ihr bis 
zu den Hyperboreern herumgezogen ſeyn, über Phrygien aber Fam Peft 
und Mißwachs, und das Orakel, über ein Heilmittel befragt, gebot, die 
Keiche des Attis zu beftatten und Kybele ald Göttin zu ehren. Da jedoch 
von der Leiche nichtd mehr zu finden war, machten vie Phryger ein Bild 
des Sünglings, und klagten wie um einen zu Beftattenden um baffelbe, 
und thun dieſes noch zur Zeit, wie fle auch der Stybele zu Peſſinus einen 
prächtigen Tempel gegründet haben, mit Parbeln und Lömen bey vem 
Bild der Ghbttin, weil foldhe fie einft genährt. Die Phryger Elagten auch 
um Annakos, welcher Name fjemitifh den Wehruf bezeichnet, und mit 
feinem Top Fam die deukalioniſche Flut, wie Stephanus der Byzantiner 
erzählt, wo er von der Stadt Jkonion Handelt. Daß man in fpäterer 
Zeit die Deufalionifhe Flut in die Sage von der großen Mutter her⸗ 
einzog, haben wir oben fchon geliehen, und ficher veranlaßte die Wichs 
tigkeit des Waßers dieſe Dichtung. Bei Annakos aber follte nun gar 
die Klage daher erklärt werben. 

In allen viefen fpäten Erzählungen haben wir ven Wiverfchein eines 
Cults, welcher dem der großen ſyriſchen Göttin und des Adonis durchaus 
gleicht. In Phrygien und Lydien verehrte man die große Mutter, d. i. bie 
Natur, als Mutter des Lebens unter ven Namen Kybele, Kybebe, Din 
dymene, Berefynthia und unter dem Namen Agdiſtis, denn daß Agpiftts 
nur eine ver Benennungen dieſer großen Mutter fey, leuchtet nicht nur 
von felbft aus den verfchienenen Erzählungen ein, ſondern Strabo (12.5) 
jagt e8 auch gerabezu und Heſychius flimmt mit ihm überein. Der 
ſchaͤtzenswerthe Geograph, deßen Nachrichten und immer erwünfcht feyn 
müßen, nennt Pelfinus ein Cmporium, wo der Tempel der Gdttermutter 
in hoher Verehrung war, deßen Priefter vor Alters ald Dynaften herrſch⸗ 
ten mit großen Einfünften; jest, fagt er, ift ihre Ehre gefchmälert, doch 
haben vie Attalen das SHeiligthum würdig audgeftattet und bie Römer 
haben e8 ausgezeichnet, indem fle nach dem Orakel ver Sibylla die Godt⸗ 

IV. 7 


258 Adonis. 


tin von dort holen ließen. Ueber der Stadt liegt der Berg Dindymon, 
von welchem die Gdttin Dindymene heißt, wie Kybele von dem Kobelen⸗ 
berge, und in der Nähe fließt der Sangarios. Der Grundſtoff der vor- 
ftehenven, zum Theil feicht erfundenen Babeln ift einfach, aber die Aus- 
führung gehört zum Theil oberflächlichen Kombinationen an. Die große 
Mutter in Phrygien und Lydien hat einen fchönen Jüngling zum Gatten, 
welcher ftirbt, beflagt wird und wieder auflebt, was durch ein Feſt dar—⸗ 
geftelt wird, veßen Anfang Trauer, deßen Ende Freude ift, und welches 
im Srühling, im März gefeiert ward. Wie bey Oſtris die Tamaridfe, 
bey Adonis Bäume bedeutend waren, fo bey Attes die Fichte, in welche 
er nah Ovid (Verwandlungen 10. 105) verwandelt ward. Am erften 
Tage hieb man die Pinie ab und brachte fie mit dem in der Mitte auf- 
gehängten Attesbilv in den Tempel ver Göttin, am zweiten Tage wurden 
Hörner geblafen, am dritten war Freudenfeſt (römifche Mythologie ©. 209) 
mit wilden Orgiasmus. Die Bedeutung der Bäume bey viefer Gottheit, 
in welcher das blühende und abfterbende Leben dargeſtellt ward, ift ſchon 
oben angegeben worden. Man vermifchte nun mit Atted den Brauch der 
Entmannung bey den Prieftern, womit dad androgyne Verhältniß zufam- 
mengrängt, indem in diefer fortpflanzungswilden Religion der Mann nicht 
nur Mann, fondern auch Weib feyn follte, was zu Verwirrung ber 
Geſchlechter führte, und fo ift auch Adonis ein Androgyne, Mann bey 
Aphrodite, Weib für Apollon, wie Photius aus Ptolemäus Hephäftion 
berichtet (S. 251). Nana gebahr Attes von der Frucht des Mandel- 
baumd. Die Baumfrudt war ein Sinnbild der Fruchtbarkeit und ber 
Befruchtung, und fo auch bier. Perſephone Eoftet ven Granatfern, d. h. fie 
vermählt fih dem Wildes, und wird dadurch in die Unterwelt gebannt. 
Der Apfel der Eris ift der Liebedapfel, ven man dem Weibe gab mit 
der Aufichrift ver Schönen, ver Schönften, weßhalb er in den Liebesge⸗ 
fichten vorkommt. Agpiftis entfteht au den Samen des Zeus, 5. h. fle 
ſtammt von dem Himmel unmittelbar ab. Sehen wir Zeus mit dem 
Steine die Agdiſtis erzeugen, fo entftand dieſe feichte Fabel aus einer 
Eombination, welche Zeus mit der großen Mutter zeugend annahm, und 
weil dieſe zu Peſſinus als ein ſchwarzer vom Himmel gefallener Stein 
verehrt ward, jo mußte denn Zeus, meinte man, mit einem Steine gezeugt 
haben. Iſt Agdiſtis zwiegefchlechtig, fo follte dad Androgyne auf die 
große Göttin felbft übertragen, und dies ift auch in Kypros gefchehen. 
Macrobius nämlich bemerkt (3. 8), es gebe welche, fo die Aphrodite einen 
Gott, nicht eine Goͤttin nennten. Auch ift, fagt er, ein Bild auf Cyprus, bärtig, 
mit einem Srauenanzug von männlicher Haltung mit einem Scepter, und 
man hält die Göttin für Mann und rau zugleih. Ariſtophanes nennt 
fie Aphroditos und auch Lävinus fagt: Den holden Venus anbetend, ob 
Weib ober Mann, fo wie fle die holde Nachtleuchtenne iſt. Philochorus 


Adernriée. 259 


in der Atthis behauptet auch, viefelbe ſey der Mond, und es opferten ihr 
Männer in Weiberkfleivung, und Weiber in Mannesfleivung, meil fie für 
Mann und Weib zugleich gilt. Der Hermaphroditos ift auch in ber 
ſchhnen Kunft das Ergebniß viefer Zwiegefchlechtigfeit, vie nicht der Altes 
ſten Idee, welche ver Religion der großen Odttin zu Grunde liegt, anges 
hört, weil man ihr fonft feinen Gatten gevichtet hätte, ſondern ſich erft 
im Laufe der Zeit entwidelte, und zwar am fdroffiten in der ſpäteſten 
Zeit. Zuerft war der Hermaphroditos eine Herme mit dem Phaflus, wie 
benn Hermes ver phalifche Gott der Griechen war, und da der Phallug 
quch in der Religion ver großen Goͤttin ald das Bild der Befruchtung 
vorfam, ſo ward durch Verſchmelzung beider nach jener aflatifchen Idee 
yon den Griechen der Hermaphroditos gedichtet, ven fle nach Karien jegen 
und mit dem Duell Salmafis in Verbindung bringen. Die Eretifche 
Snabenliebe ward auch mit diefen Lande, fowie mit Phrygien in Ber« 
bindung gebradıt, denn Miletos, von Minos und Sarpevon geliebt, 
und dem Letzteren anhängend, mußte vor Minos nad Karien fliehen, ſtatt 
des Miletos aber nannten Manche den Atymnos oder Atymnios, wie 
Apollodor (3. 1. 2) angiebt, den Sohn des Phoͤnir, ven man aber für 
einen Sohn des Zeus audgab, und diefer Atymnos ift feinem Namen 
nah von Atys (Attes) hergeleitet, und bezeichnet vie Knabenliebe als 
eine, wobei man an Lydien und den ſchönen Atys gedacht. (Ob mit dem 
Rult, welcher aus Phönikien nach Kreta Fam, auch Adonis dafeldft ver⸗ 
bunden war, ift und ganz und gar verborgen, und Atymnos beweißt e8 
nicht.) Wie fehr ver Grieche geneigt war, die Kinabenliebe den Ländern 
zuzueignen, deren Religion Verirrung der Geſchlechter veranlafen Eonnte, 
zeigt fich auch) darin, daß Zeus feinen Liebling, ven fhönen Mundſchenken 
Ganymedes, aus den Phrygern wählt. 

Sowie in Lydien und Phrygien eine große Lebensmutter verehrt. 
warb, welche der jemitifchen Himmelskönigin durchaus ähnlich war, und 
betrachtet man die zu Grunde liegende Idee, nichts weiter ift, als 
eine nicht wejentlich verfchievdene Form verfelben, jo mußte natürlich auch 
die Klage und der Gegenftand ver Klage in ihrem Gult dem in dem 
femitifchen Eult gleichen. Die Phryger werden aus Ihrafien hergeleitet, 
und auch da begegnen wir einer großen Lebensmutter, erfahren aber leider 
nur jehr wenig von verfelben. Bendis war einer ihrer Namen, und 
wir fehen fle als eine Artemis erklärt bey Heſychius. Diefe fand Ein 
gang in Athen, wo das Feſt ver Bendideien ald ein ausländifches am 
vierten Juni gefeiert ward. Ariftophanes fol ſie in den Lemnierinnen 
die große Gdttin genannt haben, wie Photius und Heſychius in ihren 
Wörterbüchern angeben. Platon gevenft ſchon der Bendideien in der 
Schrift vom Staat (S. 354). Auch mit Kybebe ward fle für eine und 
dieſelbe quögegeben, ſowie dieſe auch mit Aphrodite als eins betrachtet 

17* 


260 Adonis. 


ward, laut Heſychius (im Artikel Kybele). Proklos zu Platon führt aus 
dem Pſeudo-Orpheus an, dieſer habe den Mond, Plutone und Euphroſyne 
und die mächtige Bendis genannt. Ihr atheniſches Heiligthum war in 
Piräeus, wo auch der Tempel der Artemis Munychia war (Xenophon 
hellenifche Gefchichten 2. 4. 11). Die Vergleichungen, welche die Griechen 
mit Bendis anftellten, zeigen, daß fle vie große Lebensmutter war, und 
wenn der Dichter Kratinos fie die zwolanzige nannte, jo wäre ed moͤg⸗ 
lich, daß er damit auf die zwei Badeln in den Händen der Artemis 
anfpielt. Diefelbe Göttin erfcheint auch unter einem zweiten Namen bey 
den Thrakern. Aeſchylos in den Edonen erwähnt ver Kotys bey Den 
Edonen in Thrafien (Strabo 10. 3), und daß ihr Dienft nad Korinth 
gefommen war, geht aus der Komödie des Eupolid hervor, der in feinen 
Bapten vie Korinther und Athener wegen dieſes Cults fpottete, der auch 
in Athen Cingang fand. Ihre Diener hießen Bapten, d. i. Täufer, von 
den Reinigungen, die ſie vornahmen. Daß viefe Göttin einen Eult hatte, 
welcher wie ver femitifhe und Inpifch= phrygifche Ausfchweifung begün- 
fligte, ward den Anhängern vorgeworfen, und Syneflus nennt den Thia- 
foten ver Kotys ein Halbweib, Toren - Eräufelnd und Haar-ſalbend, Suidas 
aber nennt die Kotyte eine Schügerin häßlicher Dinge. (Erasmus Sprüdh- 
wörter: Cotyos contubernalis.) Plutarch erwähnt der Kotyttien in Sicilien, 
an welchem Feſt Kuchen und Baumfrüchte an Xefte gebunden wurden, 
die zum Serunterreißen preiögegeben waren. Selbft an einen Zufammen- 
bang thrafifcher und aflatifcher Religion Eoünnte der Umftand denken laßen, 
dag thrafifche Brauen, freie ſowohl als Scelavinnen, zu Erythrä dem 
Melfart dienten, mit deßen Eult in Griechenland urſprünglich der ver 
Lebensmutter verbunden war. 

Die taurifche Artemid war Feine andere ®dttin, als eine Lebens⸗ 
mutter, die aber nicht ven Sfythen gehörte, denn die Tauren find durch⸗ 
aus von den Skythen zu trennen, wie fih ſchon baraus zur Genüge 
ergiebt, daß eine Mifchung beider Völker Skythotauren hieß. Der Grieche 
verglich fie mit der Geburtögdttin Artemid, und benannte fte fo. Sie 
kam nad) Brauron in Attika, nad Rhegium in Italien, nach Sicilien, 
und aus IUnteritalien nad) Aricia in die Nähe Roms. Daß bey viefer 
Odttin ein zu ihr gehdriger Gott geweſen, erhellt aus Hippolytos und 
Virbius, und da Hippolytos *) auf die Amazonen hinweißt, fo gehört 
bie epheſiſche Artemis als Goͤttin der Amazonen mit der taurifchen Gpttin 





*) Diefer Hippolyt wird von der Stiefmutter Phädra aus Kreta geliebt und 
geht unter, weil er fle nicht erhört, doch lebt er wieder auf und ifl der 
Lebensmutter in Aricia verbunden als Virbius. Sollte nicht in diefer 
tragifchen Zabel der Sohn, welcher der Gemahl feiner Mutter ifl, ven 
Grund zu ber Liebe der Stiefmutter hergegeben haben, wie die Hifkorifirte 


Dagon. 261 


zuſammen, als verſchiedene Formen einer Idee. Jungfrauen und Ver⸗ 
ſchnittene dienten der epheſiſchen Göttin, und letztere führten den Namen 
Megalobyzen (Strabo. 14. 1) und die Vorſteher hießen Eſſenen, d. i. Bien⸗ 
weiſel, denn die Biene diente der Göttin zum Sinnbild, ihre Süßigkeit 
zu bezeichnen, venn file war die füße Nährerin, vargeftelt mit vielen 
Brüftlen, mumienartig mit Thierbildern bevedt und auf dem Haupt bie 
Mauerfrone tragend. *) 

Nachdem wir nun das, was uns über die femitifche Himmeldfönigin 
überliefert worden ift, betrachtet haben, müßen wir der Form einer Gott⸗ 
heit gevenfen, an welche vie fijchgeftaltige Form ver Gättin, die Atargatis 
und erinnert, nämlich des 


Dagon 


Sein Name bezeichnet ihn als fifchgeftaltige Gottheit, denn femitifch 
heißt dag Fiſch. Im erften Buche Samuelis (5. 1 flgg.) Iefen wir: Die 
Philifter (welche vie Ifraeliten belegt hatten), nahmen vie Lade Gottes 
und brachten fie gen Asdod in das Haus Dagons, und ftelleten fie 
neben Dagon. Und da die von Asdod ded andern Morgens frühe aufs 
ftanden, fanden fle Dagon auf feinem Antlig liegen auf ver Erve 
vor der Lade ded Herrn. Uber file nahmen ven Dagon, und festen 
ihn wieder an feinen Ort. Da fle aber ded andern Morgens frühe aufs 
ftanden, fanden fie Dagon abermald auf feinem Antlitz Tiegen auf ver 


RX 


Semiramis den Sohn Ninyas liebt, und das Leben darüber verlieri? Da 
Hippolyt auf die Amazonen, alfo auf die große Lebensmutter hinweißt, fo 
ift es nicht unwahrſcheinlich, daß die ihn betreffende Fabel in dem Ideen⸗ 
freis diefer Gottheit ihren Keim habe, wie weit aud) die freie Ausbildung 
in bellenifcher Dichtung ſich von der religiöfen Bedeutung des eigentlichen 
Berhältnißes entfernen mag. Das Sterben und Wiederaufleben, wie bey 
Dionyfos und Adoni fpricht fehr für jene Annahme, und daß Hippolytog 
mit Virbius, welcher nicht aus Athen flammen kann, verglichen warb, 
zeigt, daß in Athen fo gut wie in Aricia die große Lebensmutter einen 
Bott zur Seite haben konnte, welcher alle Sahre flarb und wieder anflebte, 
wenn auch in Athen nur in der Mythe ein Nachhall diefes Naturcults 
blieb, dem neben dem Demeter = Berfephone- Divnvfoscult eine nachhaltige 
Blüthe in Attifa wenigftens in früherer Zeit nicht zu Theil werben konnte. 

*) Gin Frauenadel wie der der Amazonen iſt in der alten Welt, wo das Weib 
überall in den natürlichen Berhältnißen niedriger fland, als ver Mann, 
nicht gedenkbar ohne den mächtigen Einfluß der Religion. Es fcheint daher 
die höhere Stellung des Weibes als des edleren Wefens von dem Eulte 
der großen Lebensmutter ausgegangen zu feyn, fo daB man in biefer die 
höchfte Gottheit anerfennend ihr zn Ehren, eine höhere Würde des Weihes 
annahm. 


N) Dan. 


Erbe vor ber Lade des Seren, aber fein Haupt und feine beiden Bande 
abgehauen auf ver Schwelle, daß der Dagon allein darauf lag. BDarım 
treten bie Priefter Dagons, und Alle, die in Dagond Haus gehen, nicht 
auf die Schwelle Dagons zu Asdod bis auf viefen Tag. Hieraus lernen 
wir, daB Dagon oberhalb menſchlich gebildet war und in einen Fiſch 
envigte; denn der Stumpf deſſelben wird ver eigentliche Dagon genannt. 
Den fonderbaren Brauch, daß die Priefter die Schwelle des Gottes nicht 
berühren durften, erfahren wir zwar auch, aber nichts dazu, was und 
diefe eigenthümliche Sache erklären könnte. Als Gottheit der Philifter 
erfennt ihn auch das Buch der Nichter an (16. 23), wo ed nach der 
Gefangennehmung des Simfon heißt: Da aber der PHilifter Fürften fich 
verfammelten, ihrem Gott Dagon ein großes Opfer zu thun, und fid 
zu freuen, fprachen fie: Unfer Gott bat und unfern Beind Simfon in 
unfere Hände gegeben. Die Bedeutung viefer Gottheit ift klar; denn 
wenn wir den Philo Bybliud bei Eufebiud (1.) in ven untergefchobenen 
Tanchuniathonifchen Nachrichten den Dagon durch Siton, d. i. Getraivegott, 
eiflärt finden, fo beruht das auf einer falfchen Ueberjegung des Namens, 
ben der Ueberſetzer von dem femitifchen Worte dagan, Getraide herleitete. 
Cr beveutet die Gottheit des Lebend, ver Fortpflanzung, denn dieſes geht 
aus dem Sinnbilde, dem Fifche, deutlich Hervor, und ift daher eine Form 
der Idee, welche vie Göttin Atergatid ausdrückt. Bas aber ift und uner- 
Märt, wie eben ver Fiſchgöttin eine männliche Fiſchgottheit flattfand, 
da wir feine Spur finden, daß ver Gatte derfelben ebenfalls dieſe Geftalt 
hatte. Spätere wißen und zwar von einem Pifchmanne zu erzählen, 
aber was und darüber berichtet wird, ift verworren und wenig zuver- 
däßig. Aus dem angeblichen Beroſus erzählte Alexander Polyhiſtor von 
einem Dannes, der einen Fiſchleib hatte, und unter dem Fiſchkopf einen 
Menſchenkopf mit Menſchenſtimme, und an dem Fiſchſchweif Menſchen⸗ 
füße (deßen Bild damals noch zu ſehen geweſen ſey). Ebenfalls aus 
Beroſus erzählte Apollodor, es habe vier Oannes gegeben, die Annedoten 
geheißen. Dieſe kamen aus dem rothen Meere, damit ſie bei Tage die 
Babylonier in Künſten, Wiſſenſchaften, Geſittung, Religion des Belus 
und der Omorka unterwieſen, ſie ſeyen aber, heißt es, immer wieder am 
Abend in das Meer zurückgegangen. Zur Zeit des chaldäiſchen Königs 
Aedorach, vor der großen Flut, kam ein Weſen ähnlicher Art, Namens 
Odakon. Dieſe armſeligen Nachrichten find bei Synkellos (S. 28. 39) zu 
leſen, find aber vffenbar mit der größten Nachläßigkeit zuſammengeſchrie⸗ 
den, ſo daß fie nur von fehr geringem Werth find, weil ſich die alte 
Forin des Mythus aus ihren nicht deutlich erkennen läßt. Photius (S.874) 
berichtet aus Helladiug, dem Befäntinger: Ein Mann, Namens Des, 
kam aus dem rothen Meer, mit Menſchenkopf und Händen, fonft aber 
Fiſch, und Iehrte Afttonomie und Schrift. Manche fagten, er ſtamme 


Dagon. 263 


aus dem erfigebohrenen Ci (griechifch heißt das Ei Oon) und viefes 
bezeuge der Name. Die erbärmliche Erklärung des Namend aus der 
griehifhen Sprache abgerechnet, haben wir auch hier nur eine vürftige 
Nachricht über Dannesd. Nach Berofus Hatte Apollodor, wie Synfellys 
fagt, erzählt, Aloros fey ver erfte babylonifch = halväifhe König gemefen, 
der zehen Saren regiert habe. Nun ift ein Sarod ein Zeitraum von 
preitaufend fechshundert Jahren, den man erfand ald eine zehnjährige 
Weltperiode, die ftatt dreihundert und fechzig Tage, dreihundert und fechzig 
Jahre umfaßte, fo daß alfo viefer Aloros Hundert Weltjahre herrichte. 
Bor der großen Flut des Xifuthrod waren nach jener wunberlichen 
Berechnung hundert und zwanzig Saren verfloßen, das ift eine zehnjährige 
Sarenperiode, wie Aloros eine berrfcht, zwölfmal nad den Monaten des 
Jahred genommen, als ein riefenhaftes Periodenjahr. (ES wäre fogar 
gevdenfbar, daß man mit viefen Hundert und zwanzig Saren den britten 
Theil der Weltvauer für abgelaufen angegeben hätte; denn die Welt- 
dauer war grade ein Gegenftand ſolcher Periovenfünfteleien und unnügen 
Berechnungen. Man würde dann das Niefenweltjiahr ald eins von drei— 
hundert und fehzig Welttagen angenommen haben, dad in drei Jahres= 
zeiten zerfiele, deren erfte mit der Flut zu Ende gieng.) Auf Aloros 
folgte Alaparos und Amelon aus PBantibibla, dann Ammenon der Chal- 
bier, unter welchem Dannes der Annedote aus dem rothen Meer erfchien. 
Den unter folchem Wuft vergrabenen Mythus von Oannes zu, erflären, 
ift unmöglich, da wir nur Vermuthungen anftellen könnten, die aber ohne 
Halt bleiben würden. Wir wißen nicht einmal die Namen Dannes und 
Annedotes fo zu deuten, daß wir und einem wirklichen Mythus nähern 
fonnten; denn nur foviel erfehen wir, daß man an die Fifchgeftalt vie 
Unterweifung und Belehrung fnüpfte, und da im Chalväifchen das Wort 
dat das Gefeß, die Anftcht oder den Ausfprudy bedeutet (Daniel 2. 9 und 
13. Eſra 7.25), fo dürfen wir vermuthen, daß vie zweite Hälfte ver 
Benennung des Annedotos dieſes Wort enthalte, und ven Dannes als 
einen Gefeßgeber und Lehrer bezeichne. Nach Abydenus bey Synkellos 
belief fd vie Zahl viefer Annedoten auf fleben. *) 


*) Es heißt bei Synfellos (S. 28): Beroſſos, der fih in die Zeit Aleran⸗ 
ders des Großen feßt, giebt an, es würden babylonifche Schriften über 
einen Zeitraum von mehr als fünfzehn Myriaden aufbewahrt, und Handels 
ten über den Himmel, das Meer, die Schöpfung, die Könige und ihre 
Thaten. Im erften Jahr fey aus dem rothen Meer, wo es an Babylonien 
gränzt, ein Thier erfchienen, Namens Dannes, wie auch Apollodoros 
erzählte; es habe einen Fifchleib gehabt, unter dem Fifchkopf einen andern 
Kopf, und Menfchenfüße an dem Fiſchſchwanz angewadfen; auch habe es 
Menfchenftimme gehabt, und fein Bild werde noch aufbewahrt. Diefes 
Thier, ſagt er, weilte bey Tag unter den Menfchen, ohne Nahrung zu 


264 Salambo. 
Heſychius führt den Namen 


Salambo 


an, und ſagt, ſie ſey die Aphrodite bei den Babyloniern. Das große 
Etymologikum aber giebt an, Salambas ſey eine Gottheit, welche ſo von 





nehmen, und lehrte die Menſchen Schrift, Wißenſchaften und allerlei Kunſt, 
Städtebau und Tempelgründung, Geſetzgebung, Geometrie, Saat und 
Erndte, und überhaupt Alles, was zur Geſittung gehört. Mit Sonnen⸗ 
untergang ſey das Thier wieder in das Meer gegangen. Später ſeyen 
auch andere ihm ähnliche erfchienen. Dannes aber habe über Abfunft und 
Berwaltung gefchrieben, und diefes den Menfchen mitgetheilt. Es fey eine 
Zeit geweſen, fagt er, wo Alles Finfterniß und Waßer war, und in dieſen 
wunderfame Gefchöpfe. Menfchen gab es mit zwei Blügeln, Manche mit 
vier Flügeln und zwei Geſichtern; auch Hatten welche einen Leib, aber 
zwei Köpfe, einen männlichen und einen weiblichen, fowie männliche und 
weibliche Schaamtheile, Andere Hatten Ziegenbeine und Hörner, Andere 
Pfervefüße, Andere waren hinten Pferde, vorn Menſchen. Auch Stiere 
gab es mit Menfchenköpfen, und Hunde mit vier Leibern, die Fiſchſchwänze 
hatten, hundsköpfige Roße, Menfchen und andere Thiere mit Roßfüpfen 
und Roßleibern, welche Fiſchſchwänze Hatten, und andere Gefchöpfe von 
der Geftaltung mannigfacher Thiere. Dazu Zifche, Gewürm, Schlangen 
und viele andere Sefchöpfe von wunderfamer Art, und miteinander ver: 
wechjeltem Ausfehen, deren Bilder in dem Tempel des -Belus feyen. Ueber 
alle diefe habe geherrfcht ein Weib, Namens Homorofa (Omorka), welcher 
Name Haldaifh Thalath fey, und griehifch Thalaffa, d. i. Meer gedeutet 
werde, wie auch Mond. (Offenbar wollte man in dieſem fchlotirigen Mach⸗ 
werf die Weisheit anbringen, das griechifche Wort Thalaffa, Meer, ſtimme 
überein mit dem femitifchen Worte Thalath und deutete daſſelbe Wort auch 
Mond, als gebe diefer die Beuchtigfeit. In der Genefls (27. 28) heißt es: 
Gott gebe dir vom Thau des Himmels und von der Pettigfeit der Erde; 
und (39) ſtehe du wirft eine fette Wohnung haben auf Erven, und vom 
Thau des Himmels von oben her. Was die Omorka betrifft (bei Synfellos 
Dmorofa, im lateinifchen Tert der eufebifhen Chronik Marcaia), fo if 
diefe vielleicht aus dem femitifchen raka, hat ausgebreitet, entſtanden. In 
der Genefls wird es gebraudt in den Worten (B. 6): Bott ſprach, es 
werde eine Feſte (rakia) zwifchen den Waßern. Ferner (B. 7): Da machte 
Gott die Feſte (rakia), und ſchied das Waßer unter der Fefle von dem 
Maßer über der Felle. Und Gott nannte die Fefte Himmel. Da die 
Machwerke, wozu der fogenannte Berofus gehört, auf die Genefls Rüdficht 
nahmen, und oberflächlich von allen Seiten her zufammenrafften, fo koͤnnte 
wohl diefe Omorfa in einer Form Marafi daher flammen, und die Zefte 
des Himmels bezeichnen, die von der Erde geſchieden warb, denn fie wird 
ja von Bel, d. i. ©ott, in zwei Hälften, in Himmel und Erde gefchieden, 
und vom Himmel kommt ja der Than, wie ebenfalls die Geneſis fagt.) 
Will Jemand den Anfang des Wortes aus dem hebräifchen iam, Meer, 


Salamdbo. 265 


der fteten Bewegung genannt werde, weil fle immer herumgehe, ven 
Adonis klagend. Daß ver Name Salambo ein femitifches Wort fey, ift 


herleiten, und das ausgebreitete Meer, das Waßer als Grundfloff ber 
Schöpfung anfehen, fo Tiegt wahrlich auch daran nichts, denn wir haben 
es ja hier nur mit feichter Spielerei einer aberwigigen Gelehrfamfeit zu 
thun. Thalath aber heißt wahrfcheinlich die Erzeugerin (von ialad, woher 
wohl auch die Namen Mylitta und Alitta oder Alilat flammen). Punifche 
in Leyden befindliche Steinfchriften (Hamaker. ©. 2) nennen die große 
Lebensmutter Tolat.) Weiter heißt es: Da Alles fo war, habe Belus 
zurüdfehrend, das Weib mitten durch getheilt, und die eine Hälfte zur 
Erde, die andere zum Himmel gemacht, und die in ihr befindlichen Thiere 
vertilgt. Diefes aber fey eine Allegorie; denn als Alles eine Feuchtigkeit 
war, und Gefchöpfe darin waren, habe diefer Gott fein Haupt herunterges 
nommen, und die andern Götter hätten das flrömenvde Blut mit der Erde 
gemifcht und die Menfchen gebildet (diefes flammt wohl auch aus ber 
Genefls, denn Adam der Menfch ift aus Erde (Adamah) gemacht, doch 
heißt adam auch roth und mit Abftoßung des a heißt dam Blut, fo daß 
wohl diefe zweimal unbeholfen erzählte Schöpfungsgefchichte des Menfchen, 
die auch in der Genefls zweimal erzählt wird, ihre Erfindung auf den 
Namen Adam gründete, und auf die Gottähnlichkeit des Menfchen), weß⸗ 
halb fie verfländig feyen und göftlicher Einficht theilhaft. Belus aber, ven 
man für Zeus erklärt, Habe, die Finfterniß theilend, Erde und Himmel 
von einander getrennt und die Welt geordnet, und die Gefchöpfe feyen zu 
Grunde gegangen, weil fie das Licht nicht ertragen Fonnten. Belus, da er 
das leere und fruchtbare Land fah, habe einem ber Götter befohlen, ihm 
felbft das Haupt herunter zu nehmen und mit dem herabftrömenden Blute 
bie Erde zu mifchen und Menfchen zu bilden, fowie Thiere, welche die Luft 
ertragen können; Belus aber habe Sterne, Sonne, Mond und bie fünf 
Planeten erfchaffen. So erzählt der Polyhiſtor Alerandros, daß Beroflos 
im erſten Buche melde. Im zweiten meldete er, wie Alexandros fagt, daß 
zehn Könige hundert und zwanzig Saren bis zur großen Flut geherrfcht, 
die unter der Herrfchaft des Kifuthros Fam. Diefem fey Kronos im Traum 
erichienen und habe ihm angefagt, daß die Menfchen am fünfzehnten des 
Monats diefes durch eine Flut umfommen würden. Daher habe er befoh- 
len, Anfang, Mitte und Ende von Allem in Schriften zu vergraben in der 
Sonnenftadt Sifpara, und fey dann mit Weib, Kind und Freunden in ein 
Schiff gegangen. Nach verlaufener Flut habe er einen Altar errichtet und 
den Göttern geopfert, und fey nebft denen, die mit ihm aus dem Schiff 
gegangen, nicht mehr gefehen worden. Als aber die Anvdern aus dem 
Schiffe giengen und ihn bey Namen riefen, hörten fle die Stimme aus der 
Luft, die fle hieß goftesfürdhtig feyn und durch Frömmigkeit zu ihm zu 
fommen, bey den Göttern zu wohnen, und daß fein Weib, feine Tochter 
und fein Steuermann dieſer Ehre theilhaft feyen. Er fagte ihnen, fie wür- 
ben wieder nah Babylon fommen, und es fey ihnen beftimmt, die Schrif: 
ten zu Sifpara zu nehmen und den Menfchen zu überliefern, und daß ber 
Ort, wo fie fich befänden, Armenien ſey. S. 38 meldet Synfellos aus 
Abydenos: Zuerſt herrfchte Aloros zehn Saren, der vorgab, von Gott zum 


266 Salambıo. 


ohne ale Wahrfcheinlichkeit, wohl aber fpricht Alled dafür, daß er grie— 
Hifhen Urfprungs ſey. Es gab auch ein Wort Salambe, welches 
von Heſychius durch Deffnung, Raudfang, Thürdhen, Amme 
erflärt wird. Babyloniſch ift fie wohl genannt worben, ftatt forifch, 
denn erft ald Syrien unter griedhifche Serrfchaft gefommen war, wird 
ihrer gedacht, fo daß der Name aus Griechenland nach Syrien gelangt 
feyn mag. *) Bon ihr erfahren wir weiter nichts, ald was Lampridius 
in dem Leben des Heliogabal bemerkt, daß fie nämlich mit Wehllage in 
Syrien verehrt worden ſey. Da wir annehmen Fönnen, daß die mafebo- 
nifche Herrſchaft den Cult der Salambo nady Syrien brachte, fo drängt 
fih die Vermuthung auf, daß fle eine der thrafifchen Bendis und Kotys 
oder Kotytto entiprechenvde Form der großen Lebensmutter in Makedonien 
gewefen fey, welche ver femitifchen Göttin glich, und darum mit verfelben 
leicht zufammengeftellt werben Eonnte. **) 





Hirten des Volks beftellt zu feyn, nach ihm Alaparos drei Saren, nad 
diefem Amillaros aus der Stadt Pantibiblis dreizehn Saren, unter wel: 
chem der zweite Annedotos ans dem Meer auftauchte, ein Halbvämon, ähn- 
lih dem Dannes. Ihm folgte Ammenon aus Bantibibla zwölf Saren, 
dann Megalaros eben daher achtzehn Saren, hierauf Daos der Hirte eben 
daher zehn Saren, unter welchem zweigeftaltige Wefen aus dem Meer auf: 
tauchten, Namens Euebofos, Eneugamos, Eneubulos, Anementos. Dann 
fulgte Euedoreschos, und diefem Anodaphos, hierauf Sifuthros. Ferner 
erzählt Synkellos (S. 39), Apollodor gebe aus Beroffos an, Dannes, ber 
Annedotos, fey unter Amenon, dem Chaldäer, dem vierten König, erjchie 
nen, alfo nad) vierzig Saren, Abydenos aber ſetzt die Zeit des zweiten 
Annedotos nad ſechs und zwanzig Saren; unter Daonos fey ber vierte, 
dann fey unter Euedorachos ein folcher Namens Odakon erfchienen, und 
diefe hätten das von Dannes allgemein Angegebene im Einzelnen ausge- 
führt, wovon Abydenos nichts erwähnt. Bey Cyrillus gegen Sulian 
(3. S. 176) werden Annos und Belos als Weife der Chaldäer und Aſſy— 
rer genannt, wie der dritte Hermes in Aegypten und Cheiron bey ven 
Griechen. 

Hieraus iſt wenig zu lernen für das ſemitiſche Alterthum, denn es iſt 
das Wenige, was für uns Werth haben koͤnnte, ſchlecht überliefert. Die 
Könige nnd ihre Regierungszeit bezeichnen wohl zehn zwölf Saren enthal: 
tende Perioden oder umgekehrt zwölf gehn Saren enthaltende, denn Zeit: 
perioden aufzuftellen, um die Weltvauer zn berechnen, war, wenn uns diefe 
Sarenrechnung nicht trügt, der Zweck diefer nicht fehr alten Meberlieferungen, 
und das wirkliche Jahr mit feinen Abtheilungen bildete die Grundlage der 
vergrößerten Zahlen. 

*) Daß in Salambo das femitifche Wort schalam, ift vollfommen, hat Frie⸗ 
den, bat Glüc gehabt, enthalten fey, dürfte wohl nicht angenommen wer: 
den, weil Vollkommenheit fowohl als Frieden ſich nicht gerade zu Benen⸗ 
nungen ber großen Mutter zu eignen fcheinen. 

**) Freilich erwähnen die Acta ver heiligen Tata und Rufina am neun 


Anaultisö. 267 


Aug bei Dionyſos finden wir dad androgyne Verhältniß aus afla- 
tifcher Neligion angewendet, und da auch er flirbt und mieberauflebt, fo 
gleicht er auch darin dem Adonis, Atys und den Naturgottheiten, um 
deren Tod geklagt wird, weßhalb aucd die Griechen den Dionyſos zu 
nennen pflegten, wenn fte einen foldyen Gott im Allgemeinen bezeichnen 
wollten. Wann vieles Verhältniß auf ihn übergetragen worden, wißen 
wir nicht. Auch mit der großen Mutter warb er zufammengeftellt, 
Stephanus der Byzantiner, indem er von der Stadt Maftaura in Lypien 
fpriht, erzählt: Ma folgte ver Rhea, welcher Zeus den Dionyfod zur 
Pflege übergab, und Ma von Sera gefragt, weßen das Kind fey, ant- 
wartete: Des Ares, wovon Dionyſos bei den Karern den Namen Mafarid 
hatte. Auch Rhea hieß Ma, d. i. Mutter, und man opferte ihr einen 
Stier (teuros) bei den Lydern, wovon Mafltaura feinen Namen hat. 
Die kariſche Klage war berühmt, und wenn fie dem Mafarid gegolten 
haben jollte, fo würbeh wir in ihm denſelben Gott Inter einer tweiteren 
Benennung haben, alfo die Farifhe Form des Gottes, den wir ald 
Adonis, Atys u. |. w. in Aſten ſehen. *) 

Eine Lebensmutter gleich der fyrifchen Himmelskönigin mar auch 
die armeniſche Anaitis, von welcher und Strabo erzählt (11.8), mo er 
bon der Eroberung Armenlens durch die Saken fpricht. Zela fey damals 
gegründet worden, größtentheild von Hierodulen bewohnt, und das Heilig- 
thuin der Anaitis und ihrer Altargenofen, des Omanos und Anandatos, 
fotwie ihr Jahresfeft, vie Sakäen. Andere erzählten, als Kyros die Safen 
Befriegte, Habe er fliehen müßen, als aber dieſe fein wohlverſehenes Lager 
erobert und ſich Beraufcht Hatten, fen er umgekehrt und Babe fe theils 
in der Trunfenheit und dem Schlafe nievergehauen, theils fehen fie 
tanzend und ſchwärmend durch die Waffen der Feinde fait fammtlich 
umgefommen. Kyros, ein göttliches Glück darin erfennend, habe jenen 


zehnten Juli der Wafchung der Salambo zu Sevilla in Spanien aus dem 
Jahr 287, und fo follte man meinen, es müße diefer heibnifche Brauch 
von den Phönifern aus alten Zeiten herflammen. Diefer Schein aber 
dürfte doch wohl nur einen fo ſchwachen Beweis geben, daB man ſich wenig 
geneigt fühlen möchte, ihn für ein höheres Alterthum gelten zu laßen. 

*) Da der afiatiſche Cult auf ven Dionyfosmythus und Cult Einfluß gehabt 
hat, fo wird dadurch eine genaue Kenntniß bes älteren Hellenifchen Div: 
nyfoscults zum Theil fogar unmöglich, weil die meiften Nachrichten aus 
der Zeit flammen, wo biefer Einfluß bereits Statt gefunden hatte. Aecht 
hellenifche Phantafle aber erbliden wir darin, daß diefes Segensfind, das 
Blühen und Grünen der Natur, befonders im Weinftod ein Kind der 
Brühlingsgewitter des Himmels ift, daß die Frühlingsflürme als feine 
Ammen ihn fchaufeln, oder daß die Hyaden ihn pflegen, und daß feine 
Beziehung zum Waßer eine Flucht zu Thetis iſt. 


2068 Anautis. 


Tag der heimiſchen Göttin geheiligt und das Sakäenfeſt genannt; mo 
aber ein SHeiligthum viefer Goͤttin ifl, da wird auch das Safäenfeft 
ſchwärmend bei Tag und auf ffothifche Art gefeiert, indem fle zufammen 
trinken und gegen einander, fowie auch gegen die mittrinfenden Frauen, 
fhlagen. Derfelbe berichtet (11. 14): Alle Seiligthümer ver Perfer 
verehren die Meder und Armenier, doch die Armenier befonvers bie 
Anaitid, ſowohl anderswo als auch in Afilifene, wo fle ihr Sclaven und 
Sclavinnen geweiht haben. *) Die Angefehenften weihen ihr fogar ihre 
Zöchter, die längere Zeit bei ver Göttin als Buhlerinnen preiß gegeben 
bleiben und dann vermählt werden, indem es Keiner verfchmäht, mit einer 
folden verbunden zu feyn. Derlei fagt auch Herodot von ven Lydierinnen, 
daß fie nämlich alle buhlen. Sie benehmen ftd) aber gegen vie Liebhaber 
fo freundlich, daß fte fle bewirthen, und größere Gegengefchenfe machen, 
als fie empfangen, da fte ald Töchter aus wohlhabenden Häuſern ſolches 
vermögen. Sie nehmen aber nicht alle Fremde gravdezu an, fondern 
meift nur die von gleihem Stande. Athenäus (S. 639) giebt an: 
Beroſos fagt im erften Buch feiner babylonifchen Gefchichten, ed werde 
das Safäenfeft im Monate 2008 fünf Tage lang in Babylon gefeiert; 
an demfelben jey es Sitte, daß die Diener über die Herren herrfchten, 
und Einen der Ihren aufführten, angethban mit einem dem Föniglichen 
ähnlichen Anzug, ven ſie auch Zoganes nannten. Dieſes Veftes erwähnt 
auch Kteſias im zweiten Buche feiner perfifchen Geſchichten. Dio Chryfo- 
flomud (in der vierten Rede vom Reich) fagt: Kennft vu nicht daB 
Safäenfeft, welches die Perſer feiern? Sie nehmen einen der auf ben 
Tod Gefangenen, feßen ihn auf den Königsthron, geben ihm das Königd- 
gewand, Iaßen ihn herrlich leben und die Kebsweiber des Königd während 
jener Iage gebrauchen, und Keiner hindert ihn zu thun, was er will; 
hernach aber wird er ausgezogen, gegeißelt und gehängt. 

Ob wirklich der angegebene Gebraud am Safäenfeft flattfand, oder 
an einem andern, können wir nicht beflimmen; denn wenn er ſich auch 
für eine Beier des Kronos (Saturnus), over vie Feier eines Zeit- 
abſchlußes beßer zu eignen fcheint, als für ein Feſt ver großen Lebens⸗ 
mutter, fo Tonnen wir den angeführten Nachrichten weder unbebingte 
Glaubwürdigkeit zufchreiben, noch alle Glaubwürdigkeit grabezu abfprechen. 
Die ſtythiſchen Saken nahmen den Eult an, der von ihnen den Namen 
erhielt, und ebenfo vie Perfer; ob aber bei ver Annahme durch die 
legteren eine Deränverung oder Ermeiterung deflelben vorgenommen 
ward, ift und durchaus verborgen. Der Name Zoganed übrigens ifl 


*) Die Bildfäule diefer Göttin aus gediegenem Gold warb in dem parthifchen 
Feldzuge des Antonius von den Mömern geraubt, wie Plinius (33. 4) 
erzählt. 


Analtis. 269 


ſemitiſch und bedeutet ven Vorſteher, ven Erſten, hebräiſch segen genannt, 
welches im alten Teſtament nur in der Mehrzahl vorkommt, und deßen 
Wurzel verloren gegangen if. In Aegypten finden wir dieſe Göttin 
unter dem Namen Unta vargeitelt auf dem Throne ſitzend, Schild und 
Speer in der Rechten, in der Linken die geſchwungene Streitaxt, mit der 
Krone von Oberägypten auf dem Haupte. Doch hat man fie nicht in 
Tempeln gefunden, und über eine Verehrung verfelben in Aegypten ift 
nichts, weder durch Schriften noch durch Denkmäler befannt. Ueber dad 
Wefen dieſer Göttin, ald einer Form ver großen Lebensgdttin, kann uns 
fein Zweifel feyn; venn die Vergleichung mit der Artemis der Taurer 
zeigt und daſſelbe deutlich genug. Die Kappabofer und die Bewohner 
von Pontus ftritten mit den Griechen und behaupteten, das Bild ver 
taurifchen Göttin, welches Dreftes und Iphigeneia nad) Brauron gebracht 
haben follten, fey bey ihnen, und daſſelbe behaupteten vie Luder, bei 
denen ſich ein Seiligthum der Anaitid befand, wie Paufaniad (3. 16. 6) 
meldet. Don dem Heiligthum viefer Göttin zu Komana in Kappadokien 
berichtet Strabo (12.3): Zu Komana ift das Heiligthum ver Enyo 
(diefed war vie gräcifirte Korm ihres Namens), welches man dort Komana 
nennt, und die Stadt ift meiftend von Dienern und Hierodulen der Göttin 
bewohnt. Die Einwohner find Kataonen, die zwar vem Könige fonft unterthban 
find, doch zumeift dem Öberpriefter gehorchen, welcher über das Seilig- 
thum und die Hierodulen gebietet, deren zu Strabo's Zeit, ald er dort 
war, ſich über fechötaufenn Männer und Weiber vorfanden. Das Heilig- 
thum hat viel Landbeſitz, deßen Einkünfte ver Priefter bezieht, fowie er 
die zweite Stelle in Kappadokien nach dem Könige einnimmt, und meift 
waren biefe Prieſter aus gleichem Gefchleht mit ven SKönigen. Die 
Seiligthümer aber fol Oreſtes mit feiner Schwefter Iphigenein aus dem 
taurifhen Skythien, ald die der Artemis Tauropolos bingebracht haben, 
und die Stadt ihren Namen davon haben, daß er dort dad Haar (gries 
chiſch komä), welches er in ver Trauerzeit hatte wachſen laßen, abgelegt. 
(Strabo fügt [S.733] Hinzu: In Kappavofien find die Mager au 
Pyraither, d. i. Feuerpriefter genannt, zahlreich, und e8 giebt viele Tempel 
perfifcher Götter. Hier opfern fie nicht mit Meßern, fonvern fchlagen 
das Opfer mit einer Keule todt. Auch haben vie Perfer Veuerräume, 
große Tempelgemächer, wo mitten ein Altar if, auf dem die Mager 
viele glühenve Afche und ein immerwährendes Feuer unterhalten. Dahin 
gehe fie alle Tage, und fingen ohngefähr eine Stunde lang vor dem 
Teuer, ein Ruthenbündel (von Tamarisfen) in der Hand, mit einer 
Kopfbedeckung, moran die Wangenfeiten fo beruntergehen, daß fle bie 
Lippen zuveden. Die nämlichen Gebrände finden auch in ven Tempeln 
der Anaitid und des Omanos Statt, diefe haben auch Yeuerräume, und 
mit dem Bild des Omanos werben feierliche Aufzüge veranſtaltet 


270 Anautie. 


Strabo ſah dieſe Gebräuche, und wir erfahren daraus, daß Perſiſches 
mit dem Semitifchen oder dieſem Nahverwandten vermiſcht worden war.) 
Der Cult diefer Göttin, der eined Theils fo ganz und gar vem der 
babylonifchen Mylitta gli, Tonnte recht gut auf die taurifche Göttin 
bezogen werden, weil auch diefe die große Lebensmutter war, und da 
Artemis als Rebendgdttin, welche die Geburten ſchützt und verleiht, von 
ven Griechen verehrt wurde, fo war die Bezeichnung verfelben als einer 
Artemis nicht unpaßend für ihr Weſen. So nennt auch Plutarch in 
dem Leben des Artarerres (27. ©.1025) die Anaitid zu Ekbatana gradezu 
eine Artemis. Strabo (12. 3. ©. 557) fagt ferner: Weber Bhanargia 
im Pontus liegt Komana, gleichnamig mit dem in Groß = Kappadofien, 
und derſelben Göttin gebeiligt, und von daher verpflanzt, mit fehr ähn⸗ 
licher Opferverrichtung, Gottergriffenheit und Ehre der Priefter, beſonders 
unter den vormaligen Königen, ald zweimal im Jahre bei ven foge- 
nannten Auszügen ver Göttin der Priefter das Diadem trug und an 
Ehre der Erfte nach dem Könige war. Komana nun ift wohlbevölkert, 
und ein bedeutender Handelsort für die aud Armenien, und ed kommen 
bei den Audzügen ver Gbttin aus den Städten und dem Land von überall 
her Männer und Weiber zum Vet zufanmen, und Andere ziehen dahin 
wegen Gelübven, und um der Göttin Opfer zu verrichten. Die Ein— 
wohner find weichlih, und Weinzucht ift ihr ganzes Beſitzthum, und bie 
Menge ver Frauen, die mit ihrem Körper Geld verdienen, von denen 
die meiften geweiht find. Denn in gewißer Weife ift dieſe Stadt ein 
kleines Korinth, denn auch dort zogen Biele hin wegen der ver Aphrodite 
geweihten Hetären. Agathias (Gefchichte Juftiniansd 2. 24) jagt: Anaitis 
Aphrodite. 

In Inſchriften heißt dieſe Göttin Tanit, und es findet ſich auch 
neben Anaitis die Form Tanais, im zweiten Buche ver Maffabäer aber 
(1. 13) beißt es: Dafelbft ward ver König mit feinem unüberwindlichen 
Heer im Tempel Nane erwürgt aus Kift der Priefter Nane. Denn da 
Antiochus dahin Fam, ſammt feinen Breunden zur Göttin Artemis, als 
wollte er fie freien, und alles Geld aus dem Tempel zur Morgengabe 
nehmen; und da ed die Priefter der Nane hervortrugen, und er mit 
Etlichen in die Kapelle gegangen war; fchloßen fe vie Kirche hinter ihm 
zu, und warfen ihn und Alle, die mit ihm waren, mit Steinen zu Tode. 
Auch Anaia hieß fie, wenn Strabo (16. 1) recht berichtet, welcher des 
Heiligthums der Anaia bei Arbela erwähnt. Bei Polybius (10. 27. 12) 
heißt e8 von Efbatana, ald Antiochus dort war, hatte der Tempel ber 
Aina noch die vergolveten Säulen ringsum. Die Anaitis konnte ägyp⸗ 
tifch, wie fie Ant genannt ward, auch Tan genannt werben, wie Tamun 
und Amunt die nämlihen Namen find, und wie man aus Annafos 
auch einen Nannakod machte, durch eine, wie es ſcheint bequeme und 


Anautis. 271 


verderbte Ausſprache, ſo konnten alle genannten Namensformen entſtehen, 
deren ächte Form ſicherlich in Anait und Ana enthalten war.“) Den 
Namen Nana ſahen wir auch oben angewendet in dem Agdiſtismythus. 
Daß die Form mit dem Vokal im Anfang die richtigere oder urſprüng⸗ 
liche ſey, geht auch aus dem gräciſirten Namen Enyo hervor; die bei 
Homer (31.5.333.592) eine wilde Kriegsgoͤttin iſt, jo daß Ares ſelbſt ein 
Enyalifcher genannt wird, um ihn recht ald wilden Kriegsgott zu bezeich- 
nen. Es kam diefes davon her, daß eine fanatifche, wilde Aufregung 
der Beier diefer Göttin eigen war, die bi8 zur Wuth gieng, worin man 
fih blutig verlegte. So wird und von Rom erzählt, wo man fie Bellona, 
d. i. Kriegögdttin nannte, und wo ihr Appius Claudius einen Tempel’ 
vor der Stadt errichtet hatte, ihr Cult ſey daſelbſt blutig geweſen. 
Rartantius (1. 21. 16) bemerkt: Am Feſte ver Tapferkeit, welche fie auch 
Bellona nennen, opfern die Priefter nicht fremdes Blut, fondern ihr 
eigenes; denn ſie ſchneiden fich in die Schultern, und mit beiven Händen 
die Schwerdter züdend, rennen und toben fie herum. Lucan (1. 566): 
Die, welche vie wilde Bellona mit zerfchnittenen Armen aufregt, weißag- 
ten, und das Saar im Kreid fchüttelnd heulten vie blutigen Gallen 
Zrauriged. Tibul (1.7.45): Diefe, wann fie von der Erregung der 


*) Balls der Nanıe femitifch ift, fo ſcheint er ein der großen Lebensmutter von 
der Trauer gegebener zu feyn, und zu anah, anach, war traurig, zu 
gehören. Durch die Yorm Nina würde der Aphrobitefohn des Mythus, 
Aeneas, und durch das Wort anach der Gatte der Aphrodite, Anchifes, in 
den Mythenfreis der großen Göttin zu ziehen feyn. Bergötterte Menfchen 
ehrten die Semiten nicht in ihren Tempeln, wenn auch Jofephus erzählt, 
daß die Könige von Damusfus, Benhadad und Haſasl, göttlich verehrt 
wurden, und daß die Damascener ihnen täglich Proceffionen veranftalteten 
und daß fie auf das Alterthum derfelben flolz waren. Dido oder Eliffa 
ward als Stifterin von Carthago, ſo lange diefe Stadt ftand, als Göttin 
verehrt, fagt Juſtin (18. 6), und Silius Italicus (1. 80) befchritt ihren 
Tempel, falls vemfelben zu glauben if. Gab es einen Tempel der Dido, 
dann war dieſe fo wenig eine Sterbliche gewefen, als e8 Semiramis oder 
Menones oder Ninos war, denn die Semiten errichteten verflorbenen Men: 
fchen Feine Tempel. Hätten wir beßere Gewährsmänner für Tempel und 
Cult der Dido -Eliffa, als die genannten, fo würden wir in diefen Namen 
nichts weiter als Benennungen der femitifchen Himmelsfönigin haben, welche 
die Geliebte und die flarfe Göttin bezeichnen Fünnten, worin man ganz 
geeignete Beiwörter dieſer Gottheit fünde. Dann würde auch Dido's 
Schweiter Anna, wie die Römer fie nannten, ihre genügende Erklärung 
finden; denn wir würden, wäre Dido wirklich die große Lebensmutter, in 
Anna einen Namen derfelben erbliden fünnen, und ihn mit dem der Anait 
zufammenftellen dürfen, fowie mit dem des Meneas, der an fo vielen Orten 
zu finden iſt, wohin der Cult der großen Göttin drang, und ſich gewißlich 
an Zeinem befand, wo diefer Cult nicht geweſen wäre, 


272 Analtis. 


Bellona getrieben iſt, fürchtet nicht Flamme, noch Geißel, und ſchneidet 
ſich ſelbſt mit dem Beile vie Arme, und beſpritzt die Göttin mit ihrem 
Blut, verwundet ſich die Seite mit dem Speer, verwundet ſich die Bruſt, 
und weißagt, was ihr die große Göͤttin eingiebt. Dieſe Prieſter weißag⸗ 
ten alſo auch in ihrer Verzückung, die Feier aber war, wie Trebellius 
Pollio im Leben des Claudius (6) angiebt, am vier und zwanzigſten 
März, welcher Tag der Bluttag hieß. „Tertullian über das Pallium ſagt 
(4), ihre Kleivung fey fohwarz geweſen, und über ven Helm hätten fle 
ein ſchwarzes Bell gezogen, auch feyen ſie an vie Berge gelaufen. Die 
ſchwarze Kleidung muß fih auf Trauer bezogen haben. In Griechenland 
wird fle nicht häufig gefunden. Das Veit ver Homoloien, fagt Suidag, 
wird dem Zeus, ver Demeter, der Athene und ver Enyo zu Theben 
gefeiert. Außerdem meldet nur noch Pauſanias (1.8.5) von eine? Bilofäule 
der Enyo im Arestempel zu Athen. Von einer an das velphifche Orakel 
von Theben aus gefandten Priefterin oder Prophetin der Enyo, Namens 
Homolois, fol Zeus den Beinamen Homoloios haben, wie Suidas 
bemerft. Dies ift Alles, was wir von der Enyo in Griechenlanp wißen. 
Wer Omanos gewefen fey und Anandatos, die, wie wir oben 
gefehen haben, mit ihr verehrt wurden, wißen wir nicht, Vermuthungen 
aber liegen nahe, denn überall muß bei der großen Lebensmutter ent- 
weder ein Gatte, oder Liebling angenommen werben, und wo fie Trauer- 
eult hat, eine PBerfonification der blühenden Natur, welche abftirbt; daß 
aber Omanos, deßen Name im Semitifchen zur Noth .ald Pflegling 
gedeutet werden Fönnte, ein ſolcher geweſen, läßt fich bei vem Mangel 
aller näheren Beitimmung nicht fo gravdezu annehmen, und ob der Name 
Anandatos ganz recht überliefert jey, Tann im Hinblid auf den Namen 
Annedotos von einem zum Zweifel Geneigten fogar bezweifelt werben. 
Nicht eine Göttin aus Skythenland brachten alſo die Sfythen mit 
nah Aſien, fondern nahmen vafelbit vie große Lebensmutter an, und 
dDiefe wanderte mit dem Sinnbild ver Kuh zu den Tauren, wo die Grie- 
hen ſie die taurifche Artemid nannten, und ihren Cult entlehnten, ver 
dann nicht allein ald Dienft ver Artemis Tauropolos in Griechenland 
Platz griff, ſondern aud nad) Unteritalien, hinüber nach Sicilien und 
nach XAricia, in die Nähe Roms gelangte. Auch ein Sinnbild der großen 
Lebendmutter gelangte zu den Skythen, nämlih der Greif, von dem 
Herodot (3. 116) erzählt, daß er das Gold bewache und von den Arimas⸗ 
pen, d. i. den Einäugigen, deßhalb befämpft werve. Er galt ald ein Löwe 
mit Adlerkopf und Adlerflügeln, ver Löwe aber gehörte ver großen Lebens⸗ 
mutter als einer Geburtögdttin, die das Lebendige an dad Licht fdrbert, 
denn der Löwe war Sinnbild des Lichts, und die Aegypter bildeten daher 
dieſe Gottin in ihrer Gigenfchaft ald Geburtsgottin mit einem Löwen- 
fopfe ober Katzenkopfe, mit welchem legteren die nämliche Idee ausge⸗ 


Analtis. 273 


drückt ward. Den mütterlichen Schutz bezeichneten die Aegypter durch 
den Geier und durch Geierflügel, weil der die Jungen mit ſeinen Fittigen 
deckende und ſchirmende Vogel ſich allerdings zu einem Sinnbilde des 
mütterlichen Schutzes gut eignete, ſo daß ſelbſt der Ausdruck, unter ſeine 
Flügel oder Fittige nehmen, auch bey uns als bildliche Bezeichnung eines 
aͤhnlichen Verhältnißes beſteht. Die Griechen ſetzten, wie es ſcheint, den 
Adler an die Stelle des Geiers, weil ihnen ver Adler in der Mytho⸗ 
Iogie befannt war, der Geier dagegen nicht. Aeſchylus nannte ſchon 
den Greifadler, wie wir aud den Vröfchen des Ariſtophanes erjehen. 
Zuerft aber bildeten die Samier unter den Griechen Greife, und zwar 
nach) einer Fahrt nach Spanien, wo Phönifer waren. Sie ließen nämlich 
aus dem Zehnten ihres Handelsgewinnes, den fle dort gemacht, ein Erz⸗ 
gefäß bilden, rings verziert mit Greifenföpfen, und weihten daſſelbe in 
den Tempel der Hera. Der Greif ward von den Griechen mehr mit 
Apollon als mit Artemis oder Hekate in Verbindung gefegt, d. h. mehr 
mit dem Kichtgotte ald mit der Geburtögättin, doch kommt er auch mit 
biefer verbunden vor. Für ven Fichtgott aber eignete er fich infofern, 
als der Löwe Sinnbild des Lichts war, und daher auch dem SHerafles, 
d. i. dem Moloh oder Melkart gehörte, aber ver Lichtgott Fann nicht 
den Greif zum Sinnbild haben, da diefer nur ein Sinnbild ver Göttin 
feyn Fann, welche dad Leben an das Kicht förvert und fohirmt, ein Bey: 
fteher aber dieſer Göttin ift der Lichtgott, und an die Stelle dieſes 
Beyſtehers mögen wohl die Griechen ihren Lichtgott Apollon gefegt 
Baben, wie fte überhaupt fremde Gottheiten auf die ihrigen zurüdzus 
führen pflegten. 


N. 18 


Dritte Ubtbeilung. 


\,° 


277 


Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 


Bon dem Moloch, d. i. König, fpricht das alte Teftament, meldet 
jevoch von feinen Wefen, und welche Art von Segen man von ihm 
erwartete, nichts. Daß er ein Gott der Heiden Canaand und der Nach 
barn geweſen, geht daraus hervor, daß vie Kinder Iſraels ihn von dieſen 
annahmen. Das Einzige, was wir aus biefer Duelle erfahren, ift, daß 
man ihm Kinder opferte, und daß diefe Opfer ihm verbrannt wurden, 
was von den Kindern Iſraels in dem Thal Sinnom geſchah, wie ſchon 
angegeben ift in dem Abjchnitt von ven Opfern. Der Prophet Jeremia 
fpriht (32. 35) fo von diefem Thal und ven daſigen Opfern, daß mar 
glauben follte, Baal und Moloch feyen vie einer und derfelben Gottheit 
zufommenden Namen. Er fagt nämlich, fie hätten Höhen Baals gebaut 
im Thal Hinnom, und ihre Söhne und Töchter vem Moloch verbrannt. 
Allein beide Namen werben fonft ſtets getrennt, und die Griechen vers 
glihen Baal als höchſten Gott und Himmelskoͤnig mit ihrem Zeus, ven 
Moloch aber nicht. Da fe die Wefenheit folcher Gdtter nicht in Abrede 
ſtellten, ſondern fogar die ihrigen darin wieder zu finden glaubten, fg 
haben ihre derartigen Angaben mehr Zuverläßiged, ald die Ausfagen 
Derer, welche in ſolchen Göttern Gräuel erblicten und ſich nach irgend 
etwas Häßlichem oder Anftößigem bei ihnen umfahben.. Man kann höch— 
fiend auf Ieremia’3 Zeugniß gelten laßen, ed ſey neben dem Cult Molochs 
ein Baaldcult im Thale Hinnom gewefen, mehr aber nit. Daß es 
mehrere Benennungen des Moloch gab, kann nicht befremven, wenn wir 
auch leider die damit verknüpften Befonverheiten aus Mangel an Nach 
richten nicht zu ergründen vermögen. Bei den Ammonitern bieß er 
Malchom oder Milcolm. Im erften Buch ver Könige (11.5) heißt es: 
Alfo wandelte Salomy (ald er alt war) Aſtoreth, dem Gott derer von 
Zidon nad, und Milcolm, dem Gräuel der Ammoniter. An feiner Iden⸗ 
tität laßt felbft die Ueberlieferung nicht zweifeln, denn in ber nämlichen 
Stelle wird er fofort (7) Moloch, der Gränel der Ammoniter genannt. 
Im zweiten Buch der Könige (23. 13) heißt er ebenfalls Milcolm, 
Zephanja aber (1. 5) nennt ihn Malchom, und fo auch Ieremia (49.3). 
Zwei andere Namen dieſes Gottes find und aufbewahrt im zweiten Buch 
der Könige (17.31), wo e8 heißt: Die von Sepharvaim verbrannten 
ihre Söhne dem Adramelech und Anameleh, ven Göttern derer von 
Sepharvaim. (Wir finden ebendaſelbſt (19) einen der Söhne Sanheribs 
Adra Melech genannt, was wohl den großen ober herrlichen König 
bezeichnet. In Tyrus aber hieß er Melkart, was König der Stadt 


278 Moloch, Melkart, (Melifertes, Herakles). 


bedeuten ſoll, und unter diefem Namen Fam er ald Melifertes nad 
Griechenland, und ward fo in die Cage von Herakles verwebt, daß er 
als tyrifher Herakfled galt. SKarthago, als Colonie von Tyrus, hatte 
natürlich den Gott, welcher daſelbſt am höchiten verehrt warb (und Strabo 
fagt (16. 2): Serafled wird über die Maßen von ven Tyriern verehrt; 
und wie Juſtinus (18. 4) angiebt, war daſelbſt dad Prieflertfum des 
Melkart vie höchſte Stelle nach dem Königthun), ald Sauptgottheit aus 
der Mutterftadt mitgenommen, und fandte ihm den Zehnten und heilige 
Geſandtſchaften an dem fünfjährigen großen Hauptfeſte; aber während 
die Griechen in andern phoͤnikiſchen Pflanzftänten piefen Gott ald Herakles 
erkannten, galt er ihnen in Karthago ald Kronod und den Römern als 
Saturnud. Porphyrius in der Schrift von der Enthaltfamfeit (II. 28) 
fagt: Die Karthager opfern dem Kronos Menſchenopfer, und (II. 56) 
fagt er vieß von den Phönifern im Allgemeinen. Diodor, ver Sieilier, 
erzählt (13. 86), daß der Farthagiiche Feldherr Himilfar in Sicilien nad 
einer Niederlage dem Kronos einen Knaben opferte, und (20. 14), die 
Karthager hätten eine von Agathofles erlittene Niederlage dem Kronos 
zugefchrieben, der gezürnt, weil fle nicht mehr ihre Kinder, fondern zu 
diefem Zmede gefaufte geopfert, die man, wie Plutarch (über ven Aber- 
glauben 20) angiebt, wie junge Thiere mäftete. Lactantius (1. 21) nennt 
in diefem Tal den Saturnus, welche Zeugniße genügen zu dem Bemeife: 
der tyrifhe Melkart ſey von den Griechen ald Krongs in Karthago ange⸗ 
fehen worden. 

Was für ein Gott war Moloch, daß man in ihm einen Kronos, 
Melikertes und Herakles erfennen Eonnte? Diefe Trage zu beantworten, 
haben wir nur die Dergleichung vefjelben mit Kronos durch die Griechen 
als Hülfsmittel. Diefe nun, melde fehr geneigt waren, in ven Gott⸗ 
heiten anderer Völker vie ihrigen zu erbliden, bevurften zu einer ſolchen 
Vergleichung Feiner fehr triftigen Gründe, und felbft ein geringer Schein 
bon MWebereinftimmung, wenn auch nur in einer Aeußerlichkeit, reichte 
für fle zur Entfcheivdung in diefer Sache hin. Dem Moloch wurden 
Menfchenopfer gebracht, und da alte Nachrichten von Menfchenopfern des 
Kronos fprechen, fo fünnte man denken, diefe feyen ver Grund jener 
DBergleichung gewefen. Aber Menfchenopfer im Allgemeinen Eonnten bie 
Griechen nicht zu derſelben beftimmen; denn einen Gott, welcher fchledht- 
weg ald König bezeichnet wird, und in einer und ber andern femitifchen 
Stadt Höchfter Gott war, hätten fie ficherlich nicht wegen dieſer Opfer 
mit Kronos zufammengeftelt, der nirgends ein höchſter Gott war, und 
in feiner einzigen Stadt von Hellas als Schußgott verehrt wurde, ſondern 
eher mit Zeus, melchem ebenfalls viefe fchredlichen Opfer dargebracht 
wurden, fowie dieß auch bey andern Gottheiten geſchah, 3. B. bey Apollon. 
Mur wenn man dem Krongd wirtlih Koder zum Opfer bargebracht 


Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 279 


hätte, wie ed bey Moloch der Ball mar, hätte dieſes hinreichen koönnen, 
um beide mit einander zu vergleichen, und den Hellenen im Moloch ven 
Kronos erbliden zu laßen. Aber Kronos hatte im eigentlichen Griechen- 
land gar feinen eigentlichen Cult, und nur ald Water der Kronivden eine 
Geltung, und auch dieſe nur in befchränftem Maaße. Der Grieche dachte 
bei feinem Kronos ſchwerlich an Menfchenopfer, denn Sophofles fagt in 
einem aus feiner Andromeda erhaltenen Brüchftüce (bei Hefychius): denn 
ed ijt den Barbaren Sitte, dem Kronos von Alters ber ein Menfchen- 
opfer Darzubringen, und Die einzige Nachricht von Menfchenopfern des 
Kronos unter den Hellenen nennt bloß die Injel Rhodus als Ort, wo 
ed geichah. Porphyrius nämlich in feiner Schrift über die Enthaltfamfeit 
(2. 54) bemerkt: In Rhodos ward am jechsten Mietageitnion dent Kronos 
ein Menſch geopfert, *) welcher Brauch nach langer Dauer geändert 


*) Zur Bervollftändigung ber Angaben über Menfchenopfer, befonders in Aflen, 
möge folgende Nachricht dienen. Zu Kabeira im VBontus, meldet Strabo 
(12. 3. ©.557), war das Heiligthum des Men (des Mondgottes), des Phar⸗ 
nafes genannt, mit heiligem Land, deßen Ertrag der Priefter hatte, und 
mit vielen Hierodulen. Die Könige ehrten dieſes Heiligthum in ausges 
zeichneten Weife, fo daB der fogenannte Königseid lautete: Beim Glüde 
des Königs und beim Men, des Pharnafes. Es ift diefes aber ein Hei- 
ligthHum des Mondes (der Selene, fagt Strabo), wie bei den Albanern, 
und das in Phrygien fowohl das Heiligthum des Men in dem gleichna= 
migen Ort, als auch das des Arfaios bei Antiochien, das bei Pifldien 
liegt, und das im Lande der Antiochier. Bon den Albanern meldet Strabo 
(11. 4 ©.503): Als Götter verehren fie den Helios, den Zeus und bie 
©Selene, befonders aber die Selene. Ihr Heiligthum ift in der Nähe von 
Iberien, Priefter aber ift der geehrtefte Mann nach dem Könige, welcher 
dem heiligen, großen und volfreichen Lande vorfteht, fowie den Hierodu⸗ 
len, deren viele in Begeifterung gerathen und weißagen. Wenn einer 
von dieſen befonders ergriffen allein in die Wälder irrt, nimmt ihn ber 
Priefter, bindet ihn mit einer Heiligen Kette, und nährt ihn das Jahr 
duch fehr gut; dann zum Opfer der Göttin geführt, wird er gefalbt mit 
den übrigen Opfern gefchlachtet. Die Art des Opfers aber ift diefe. Mit 
der heiligen Lanze, womit die Menfchen zu opfern Brauch ift, tritt der 
diefes Thuns nicht Unkundige aus der Menge und trifft das Opfer durch 
die Seite in das Herz; aus dem Falle des Niederflürzgenden aber merken 
fie Weißagungen und veröffentlichen fie. Iſt dann der Körper an einen 
gewißen Ort gebracht, fo treten Alle darauf zur Reinigung. Weiter fagt 
Strabo (12. 8. ©.580): Zwifchen Laodikeia und Karura ift ein fehr verehr- 
tes Heiligthum des Men Karos (diefes ift eins der oben benannten), und 
(577) fagt er: Zu Antiocheia bei Piſidien war ein Priefterthum des Men 
Arkaios mit vielen Hierodulen und Heiligen Ländereien, bey des Amyntas 
Tode aber warb es aufgehoben durch die, welche zu feiner Erbſchaft abges 
{hielt wurden. Den Men fünnen wir nicht als eine femitifche Gottheit 
betrachten. 


280 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 


warb; denn einen der dffentlih zum Tod Verurtheilten hielten ſie feft 
Bid zur Kronodfeier, und wenn der Feſttag angieng, führten fie ihn vor 
das Thor hinaus, gegenüber dem Heiligtum der Ariftobule, und ſchlach⸗ 
teten ihn, nachdem fie ihn mit Wein getränkt hatten. Auf dieſes eine 
Benfpiel hin wäre die Vergleichung des Moloch mit Kronos ſehr feltfam 
geweien, und läßt fiy nicht glauben. Dazu Fommt noch, daß dieſer 
Kronod auf Rhodos recht gut ver femitifche Moloch feyn Eonnte unter 
dem griedifchen Namen, da ed gar nicht glaublich ift, wenn ein als 
Vater der Kroniven allen Griechen befannter Gott einen eigentlichen Cult 
gehabt hätte, daß dieſer überall erloſchen wäre und fich allein in Rhodos 
in fo beveutender Form behauptet hätte Wir finden den Melfart fo 
weit verbreitet, daß man ihn auch in Rhodos vermuthen darf, was, 
erfhiene er bort als Herafles, nicht auffallen würde. Da nun aber ber 
phönififche Gott Mienfchenopfer hatte und auch ald Kronod aufgefaßt 
wurde, fo fteht einer Annahme veflelben unter dieſem Namen und mit 
feinem heimiſchen Cult nichts entgegen. Drängt ſich doch auch der Eult 
des Moloch auf Kreta ald eine höchſt wahrfcheinliche Thatfache auf, denn 
wir lefen folgended Mährchen bei Apollodoros (1. 9. 26): Die Argonau⸗ 
ten wurden vom Talos verhindert, an Kreta zu landen. Die Einen jagen, 
er ſey einer aus dem ehernen Zeitalter gemejen, vie Andern, er jey dem 
Minos (vie Scholien zur Odyſſee, 20. 30%, fagen, ver Europa) von 
KHephäftos geſchenkt worden und von Erz geweſen. Andere nennen ihn 
Tauros, d. i. Stier. Er hatte eine ver, die vom Naden bis zu der 
Verfe (over dem Knöchel) Lief und mit einem ehernen Nagel gejchloffen 
war. Diefer Talod lief täglich dreimal um die Infel, fie zu bewachen, 
und warf damals vie heranfommenden Argonauten mit Steinen, von 
Medeia aber getäufcht, farb er, indem fie, wie Einige fagen, ihn durch 
Baubermittel raſend machte; oder, wie Andere fagen, ihm, unter dem Ver⸗ 
ſprechen, ihn unfterblich zu machen, ven Nagel auszog, jo daß alles 
Geblüte herausftrömte. Einige aber fagten, Pdas habe ihn mit einem 
Pfeil in die Ferſe getroffen. Simonived hatte erzählt, wie wir bei Zeng= 
bius (5. 85, und bei Suidas: „Sardoniſches Lachen‘) Iefen, Talos 
habe vorher in Sardinien gewohnt und Viele auf der Infel vernichtet, 
die nicht zum Minos hätten geben wollen, indem er, ver von Sephäftos 
gefertigte Eherne, in das Feuer ſpringend, fie an feine Bruſt drückend 
getöntet Habe. Daß er ebenfo auf Kreta, fi} erft glühend machend, vie 
Fremden töbtete, erzählen die Scholien zur Odyſſee in der oben ange- 
führten Stelle. Die fo Verbrennenden follen lachend gegrinft haben, und 
davon fol das ſardoniſche Rachen benannt worben jeyn. Daß auf der 
Sufel Sardinien phbnikiſche NMiederlaffungen waren, ift gewiß, und bie 
Grzählung von Talos kann aus nichts Anderem entitanden ſeyn, als aus 
„dem glühend gemachten ehernen Molochsbide auf Kreta und Gardinien, 
: man bad Menfchenopfer in vie fewrigen Are \eale, win meies 


Moloch, Melkart, (Melitertes, Heralled) DSL 


gedffnet und verfchloffen werden Fonnte. Läßt dieſes Mährchen ven 
Molocheult auf Kreta nicht bezweifeln, fo muß man fi um jo geneigter 
fühlen, auch auf Rhodos in dem fogenannten Kronoscult ebenfalld einen 
Molocheult zu erbliden, und dann wird auch diefer eine ſchwache Halt 
für die Meinung, die Menfchenopfer hätten die Vergleichung beider Gottes 
heiten veranlapt, weggenommen, und wir müßen und nad) etwas Anderem 
umfehen, was in dem wirklichen oder vermeinten Wefen des Kronos 
diefelbe veranlagt haben fann. Kronos warb von den Griechen, ob mit 
Recht over Unrecht, worauf hier gar nichts anfommt, als Gott der Zeit 
gebeutet, und was fehr alt war, folglid) ber Vorzeit angehörte, nannten 
fie Kroniſch. Für Moloch müßen wir daher verfuchen, dieſe Cigenfchait, 
ald Veranlagung zu feiner Vergleichung mit Kronos, ald eine mögliche 
zu erdriern. 

Zundrverft fragt es fh, ob bei ven Phönifern die Zeit als ein 
Weſentliches in ihrer Diythologie Naum gefunden, und können viefe Frage 
mit einem Sa beantworten. Der Pſeudo-Sanchuniathon bei Euſebius 
(1. 10) berichtet, Sydyk oder Zadyk habe leben Söhne gehabt, die Patä- 
fen, zu weldien noch ein achter gehört habe, Namend Esmun, welcher 
als ein Asklepios gedeutet wird. Dad Wort Patäfe bezeichnet ven 
Eröffuer (hebräiſch heißt patach, hat eröffnet). Wie wichtig dieſe waren, 
erhellt daraus, daß fie, wie und Herodot (3. 37) berichtet, von den Phöni- 
fern auf ven Borvertheilen ihrer Triremen mit herumgeführt wurden. 
Sie wurden demnach als vorzügliche Schubgottheiten betrachtet, von 
welchen fie Schuß und Segen auf ihren Seefahrten erwarteten. An 
Beftalt waren fie Pygmäen, d. i. Eleine Zwerge. In Wegypten hatte 
man fie aufgenommen, und ein hochverehrted Heiligthum in Memphis 
gehörte dem Ptah over Phtah, d. i. dem Patäken; denn Ptah ift Fein 
ägnptifches Wort, ſondern die ägyptiſirte Form des Namens Patah, 
Pataͤke. Die Patäken, die in dem Heiligthum des Ptah ſich befinden 
ſollten, wurden für ſeine Söhne ausgegeben, und von den Griechen mit 
den Kabeiren, er jelbft mit dem Veuergott Hephäftos verglichen. Mit 
dieſem agyptiſchen Ptah fleht die Göttin Ma, d. i. die Gerechtigkeit, die 
Wahrheit, in Verbindung. Zadyk aber, der Vater ver Patäfen, wird 
mit feinem Namen ald der Gerechte bezeichnet (hebräifch: zadik, gerecht). *) 


*) Zu Braſiä in Lafonien auf einem fanft auslaufenden Vorgebirg fah Bau- 
fanias (3. 24. 4) drei eherne Bilder mit Hüten auf dem Kopf, und nicht 
höher als einen Fuß, von denen er nicht weiß, ob er fie Diosfuren oder 
Korybanten nennen fol. Dabei fand ein Bild der Athene, Warum Pau⸗ 
fanias fe nicht noch mit den Kabeiren zufammenftellt, die doch ebenfalls 
Anſpruch, wie es fcheint, machen Fonnten, hier genannt zu werben, und bie 
ſich am erſten eigneten, mit ven Patäfen zufammengeftellt zu werben, läßt 
fih natürlich nicht fagen. 


280 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 


warb; denn einen der Hffentlich zum Tod Verurtheilten hielten fie feft 
bis zur Kronodfeier, und wenn der Feſttag angieng, führten fie ihn vor 
dad Thor hinaus, gegenüber dem Heiligthum der Ariftobule, und ſchlach⸗ 
teten ihn, nachdem fe ihn mit Wein getränft hatten. Auf vieles eine 
Benfpiel hin wäre die Vergleichung des Moloch mit Kronos fehr feltfam 
geweien, und läßt fih nicht glauben. Dazu kommt no, daß biefer 
Kronos auf Rhodos recht gut der femitifche Moloch ſeyn konnte unter 
dem griedifchen Namen, da ed gar nicht glaublich iſt, wenn ein ala 
Vater der Kroniven allen Griechen befannter Gott einen eigentlichen Cult 
gehabt hätte, daß dieſer überall erloſchen wäre und ſich allein in Rhodos 
in fo beveutender Form behauptet hätte. Wir finden ven Melfart fo 
weit verbreitet, daß man ihn auch in Rhodos vermuthen darf, waß, 
erfihiene er bort als Herakles, nicht auffallen würde. Da nun aber ver 
phoͤnikiſche Gott Dienfchenopfer hatte und auch ald Kronos aufgefapßt 
wurde, fo fteht einer Annahme veflelben unter diefem Namen und mit 
feinem heimifchen Cult nichts entgegen. Drängt fich doch auch der Eult 
des Moloch auf Kreta ald eine höchſt wahrfcheinliche Thatſache auf, denn 
wir lefen folgendes Mährchen bei Apollodoros (1.9. 26): Die Argonaus 
ten wurden vom Talos verhindert, an Kreta zu landen. Die Einen fagen, 
er fen einer aus dem ehernen Zeitalter geweſen, die Andern, er jey dem 
Minod (vie Scholien zur Odyſſee, 20. 30%, jagen, ver Europa) von 
Hephäſtos gefchenft worden und von Erz gemwefen. Andere nennen ihn 
Tauros, d. i. Stier. Er hatte eine Aber, die vom Naden bis zu ber 
Ferſe (oder dem Kndchel) Tief und mit einem ehernen Nagel gejchloffen 
war. Diefer Talos Tief täglich dreimal um die Infel, fle zu bemachen, 
und warf damals die beranfommenden Argonauten mit Steinen; von 
Medeia aber getäufcht, ftarb er, indem file, wie Einige fagen, ihn durch 
Baubermittel rafenn machte; oder, wie Andere fagen, ihm, unter dem Ver⸗ 
fprechen, ihn unfterblih zu machen, den Nagel audzog, fo daß alles 
Geblüte berausftrömte. Einige aber fagten, Pond habe ihn mit einem 
Pfeil in die Ferſe getroffen. Simonides hatte erzählt, wie wir bei Zeno= 
bius (5. 85, und bei Suidas: „Sardoniſches Lachen‘) Iefen, Talos 
habe vorher in Sarbinien gewohnt und Viele auf der Infel vernichtet, 
die nicht zum Minos hätten gehen wollen, indem er, ver von Hephäſtos 
gefertigte Eherne, in das euer fpringend, fle an feine Bruſt drückend 
getödtet habe. Daß er ebenfo auf Kreta, ſich erft glühend machend, die 
Fremden tödtete, erzählen vie Scholien zur Odyſſee in der oben ange- 
führten Stelle. Die fo Verbrennenden ſollen lachend gegrinft haben, und 
davon ſoll das ſardoniſche Lachen benannt worden ſeyn. Daß auf der 
Inſel Sardinien phbnikiſche Niederlafſungen waren, iſt gewiß, und bie 
Grzählung von Talos kann aus nichts Anderem entſtanden feyn, als aus 
bem glühend gemalhten ehernen Molbochsbi(de auf Kreta und Sardinien, 
em man das Menfchenopfer in vie fewrigen Arme \egie, win meihes 


Moloch, Melklart, (Melitertes, Herafled). DSL 


gedffnet und verfchlofien werden konnte. Läßt dieſes Mährchen ben 
Molocheult auf Kreta nicht bezweifeln, fo muß man ſich um fo geneigter 
fühlen, auch auf Rhodos in dem fogenannten Kronoscult ebenfalld einen 
Molocheult zu erblicden, und dann wird auch diefer eine ſchwache Halt 
für die Meinung, die Denfchenopfer hätten vie Vergleichung beider Gotte 
heiten veranlaßt, weggenommen, und wir müßen und nad) etwas Anderem 
umfehen, was in dem wirklichen oder vermeinten Wefen des Kronos 
diefelbe veranlagt haben fann. Kronos warb von den Griehen, ob mit 
Recht oder Unrecht, worauf hier gar nichts anfommt, als Gott der Zeit 
geveutet, und was fehr alt war, folglich ver Vorzeit angehörte, nannten 
fie Kroniſch. Für Moloch müßen wir daher verſuchen, dieſe Eigenfchaft, 
ald Veranlagung zu feiner Vergleichung mit Kronos, ald eine mögliche 
zu erdriern. 

Zuvdrverft fragt ed fh, ob bei ven Phönifern die Zeit als ein 
Mefentliches in ihrer Mythologie Raum gefunden, und Fünnen diefe Frage 
mit einem Ja beantworten. Der Pſeudo-Sanchuniathon bei Eufebius 
(1. 10) berichtet, Sydyk oder Zadyk habe fleben Söhne gehabt, die Patä- 
fen, zu welchen noch ein achter gehört babe, Namend Esmun, welcher 
als ein Asflepiod gedeutet wird. Das Wort Patäfe bezeichnet den 
Eröffuer (hebräiſch heißt patach, hat eröffnet). Wie wichtig diefe waren, 
erhellt daraus, daß fie, wie und Herodot (3. 37) berichtet, von ven Phöni- 
fern auf ven Borvertheilen ihrer Triremen mit herumgeführt wurden. 
Sie wurden demnach als vorzügliche Schußgottheiten betrachtet, won 
melchen fie Schuß und Segen auf ihren Seefahrten erwarteten. An 
Beftalt waren fie Pygmäen, d. i. Eleine Zwerge. In Aegypten hatte 
man fie aufgenommen, und ein hochverehrted SHeiligthum in Memphis 
gehörte dem Ptah over Phtah, d. i. dem Patäken; venn Ptiah iſt fein 
ägnptifches Wort, ſondern die ägyptiſirte Form des Namens Patah, 
Patäke. Die Patäken, die in dem Heiligthum des Ptah ſich befinden 
ſollten, wurden für feine Söhne ausgegeben, und von den Griechen mit 
den Kabeiren, er ſelbſt mit dem Feuergott Hephäftos verglichen. Mit 
dieſem agyptiſchen Ptah fteht die Gdttin Ma, d. i. vie Gerechtigkeit, vie 
Wahrheit, in Verbindung. Zadyk aber, der Vater der Patäfen, wird 
mit feinem Namen als der Gerechte bezeichnet Chebräifch: zadik, gerecht). *) 


*) Zu Braſiä in Lafonien auf einem fanft auslaufenden Vorgebirg fah Pau⸗ 
faniag (3. 24. &) drei eherne Bilder mit Hüten auf dem Kopf, und nicht 
höher als einen Fuß, von denen er nicht weiß, ob er fie Diosfuren oder 
Korybanten nennen fol. Dabei fland ein Bild der Athene, Warum Pau⸗ 
fanias fie nicht noch mit den Kabeiren zufammenftellt, die doch ebenfalls 
Anſpruch, wie e8 fcheint, machen fonnten, hier genannt zu werben, und bie 
fih am erfien eigneten, mit ven Patäfen zufammengeftellt zu werben, läßt 
fih natürli nicht fagen. 


282 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 


Die mit der Gerechtigkeit in Verbindung ftehenven fleben ald Kinder 
ericheinenden Eröffner Fünnen nicht wohl etwas Anderes fein, als vie fleben 
Tage, die in viermaliger Neihe ven Monat bilden, und fomit die geord- 
nete Zeit. Der Begriff ver Gerechtigkeit bat hier vie Bedeutung ver 
unwandelbaren, rechten und geſetzlichen Beſtimmung und richtigen Ord⸗ 
nung, wie der Grieche die Themis, die Göttin der Sagung und geſetz⸗ 
lichen Gerechtigkeit zur Mutter der Horen, d. i. der Jahreszeiten machte, 
pie in richtiger, unverbrüchlicher Ordnung den gefeglichen Verlauf der 
Zeit bilden. Der Menſch empfindet das Leben, ald ein Seyn und Fort- 
dauern in der Zeit, und mißt fein Leben mit den Maaße der Zeit; um 
aber dieſes thun zu können, muß die Zeit eine fefte Ordnung haben, und 
dazu dient der Mond, und deßen Ordnung in feiner Abnahme und 
Zunahme. Der Pialmift (104. 19) fagt von Gott: Du macht ven Mond, 
dad Jahr darnach zu theilen, und im Bud Sirach heißt es (43. 6): 
Und der Diond in aller Welt muß fcheinen zu feiner Zeit, und die 
Monate unterfcheiven, und das Jahr audtheilen. Nach dem Mond rechnet 
man die Feſte; es ift ein Licht, daS abnimmt, und wieder zunimmt. Mit 
der Zeit beginnt die Schöpfung als ein Georoneted, denn ohne die Ord⸗ 
nung der Zeit ift Alles wüft und leer. Die mofaifche Schöpfungäge- 
fhichte fagt: Die Erde war wüſte und leer, und es war finfter auf der 
Tiefe; und der Geift Gottes fehwebete auf dem Waßer. Und Gott fprad: 
Es werde Licht. Und es ward Licht. Und Gott fah, daß das Licht gut 
war. Da ſchied Gott das Licht von der Finfterniß, und nannte dad Licht 
Tag, und die Finfternig Naht. Da ward aus Abend und Morgen der 
erfte Tag. Der erſte Schöpfungsruf Gottes alfo erfchafft ven Tag ald 
georoneten Zeittheil, weil der Menfch eben Fein Werden und fein Seyn 
ohne Zeit zu denken vermag, fo daß ihm Zeit und Leben in der innigften 
Verbindung erfcheinen. Er felbit tritt in vie Zeit, lebt in verfelben und 
verläßt die Zeit, wann die Reihe ver ihm zugemeßenen Jahre over Tage 
verfloßen if. Darum war ver heilige, ftreng und hehr zu feiernde Sab- 
bath mit dem Gottesdienſte an die Zahl Sieben geknüpft, weil ſie daß 
Maaß der Ordnung der Tage war, darum gab man der Schöpfung eine 
Frift von ſechs Tagen, und ließ den Schöpfer am flebenten ruhen, um 
diefe Zeitoronung zu heiligen. Die durchgehende Heiligkeit der Zahl 
fleben zeigt zur Genüge, wie ver Begriff viefer Zeitorpnung in weiter 
‚Berbreitung hoch geftelt war. Das Feſt ver Neumonde bey den Kindern 
Iſrael zeigt auch von Seite der ganzen Monate die hohe Wichtigkeit der 
georoneten Zeit, ſowie fie aus der Beftimmung aller Feſte nach dem Monde 
erhellt. Sind nun vie fieben Patäken, die Söhne der Gerechtigkeit, die 
als Kinder erfiheinen, die Tage, fo fragt fi, warum fie denn Kinder 
find, und Eröffner heißen. Iever Tag wird am Morgen gleichfam geboh- 
ren; er erfcheint ald junger Tag, ww ats folcher kann er im Bilde 


Moloch, Melkart, (Meliktertes, Herakles). 283 


durch nichts Anderes bezeichnet werven, als durch die Kindesgeflalt; und 
fo wird der ägyptiſche Sau, d. i. Tag, ald Kind dargeftellt. Der neu= 
gebohrene Tag eröffnet aber dadurch, daß er Licht bringt, den Himmel, 
welchen vie Nacht bedeckt, verhült und verfchloßen hatte; denn die Nacht 
umhüllt Alles, und der Tag entfernt die finftere Hülle, indem er ven 
Himmel eröffnet. Sieht man dabei auf das Wefen des Tags, jo ift e8 
eigentlich die Sonne, weldye viefem zu Grunde liegt; aber die Sonne 
wird darin nur ald die Bringerin des Lichts, weldyes ven Tag erzeugt, 
betrachtet, d. h. bloß in Beziehung auf vie Zeit, und das Leben, als in 
ber Zeit begründet und davon abhängend. Dürfen wir der Ueberlieferung, 
welche ein von Athenäus im neunten Bude bewahrter Miythus enthält, 
trauen, und ein zureichenner Grund für das Gegentheil liegt weder in 
dem Meberlieferten felbft, no in dem Mangel an Glaubwürdigkeit des 
Ueberliefererö, fo erfannte der Semite auch eine Beziehung des Lichts— 
und Zeitgottes Moloch oder Melifertes zum Brühling. Athenäus nämlich 
giebt an: Der Knidier Eudoros fagt im erflen Buche ver Befchreibung 
von Phönike, daß die Phönifer dem Herakles Wachteln opfern, weil 
Herafled, der Alteria und des Zeus Sohn, ald er nad Libyen gieng, 
von Typhon getödtet ward, und als Jolaos eine Wachtel zu ihm brachte, 
burch Deren Gerud) wieder auflebte. Der Sinn dieſes Mythus kann Fein 
anderer feyn, als daß der geſchwächte Lichtgott im Brühlinge neue Kraft 
befommt, und gleicdyfam wie aus einem Tode wieder auflebt, denn im 
Frühling Fommen die Wachteln gezogen über dad Meer, wie Diodor im 
erften Buche (60) angiebt; fte kommen alfo, wann ver Frühling erwacht, 
und der Mythus macht fie darum zu Erwederinnen des Lichtgotted, der 
nun zu größerer Kraft gefommen ift. Bekannt genug war biefer Mythus, 
da er zum Sprücdhworte ward: die Wachtel rettete den ſtarken Herakles, 
weßhalb man aud, die fallende Sucht zu einer Herafleifchen Krankheit 
machend, die Wachtel ald ein Mittel gegen viefelbe anfah. Griechifcher 
Einfluß in ver Darftellung dieſes Mythus ift unverkennbar. Aſteria, als 
Mutter des Herakles, geht auf Drtygia wegen des Namens, der mit dem 
der Wachtel übereinftimmt. Tyyhon ift den Semiten unbekannt, da er 
von den Griechen erfunden und mit griehifhenm Namen benannt, von 
diefen zwar mit dem ägyptifchen Seth, ald dem ververblichen Sundsftern, 
verglichen ward; aber auch, wenn die Phoͤniker ven Seth in ihre Fabel 
hätten ziehen wollen, bier ganz unpaſſend wäre, da er nicht in der Zeit 
vor dem Srühling, wo der Lichtgott an Kraft geringer ift, wirft. In 
der ägyptifchen Mythologie haben wir alte, häßliche Zwerge, welche ich als 
die alten Tage, vie alte Zeit zu erklären verfucht habe, und daß Melkart 
auch als alt galt, fehen wir in Karthago; denn dort hieß eine Gaße die 
Gaße des Alten oder des Saturnus, wie Auguftinus, der hierin der befte 
Gewährsmann if, meldet (Lieber die Uebereinſtimmung der Evangelien 


284 Moloch, Melkart, (Meliktertes, Herakleg9). 


1. 36): Natürlich iſt die Zeit alt, da der Begriff des Alten eben ein 
Zeitbegriff ill. Daß der flebente Tag dem Saturn geweiht war, ſtammt 
aus dem Oriente, und gejchah gewiß, um ihm dieſe, wenn gleich Kleine, 
Beitperiode zu weihen. 

War nun Moloh der Patäke, ver, wie Ptah in Memphis, ven 
ganzen Begriff, ver fih mit ven Patäken verband, in fih aufnahm, fo 
fonnte er mit Kronos und fonft mit feinem griedhifchen Gotte verbunden 
werden, weil e8 außer Kronos Eeinen Gott der Zeit gab, ver felbit 
vielleiht nur ein vermeintlicher Zeitgott war, jedoch Dafür gehalten 
wurde. Mit dem Ptah in Memphis fehen wir ven Stier Apis verbun- 
den, der Stier aber war das Sinnbild ver Zeugung, und dieſes war 
fehr verbreitet. Wenn Alles in ver Zeit entfteht und erzeugt wird, und 
die Zeugung und Geburt an gefegliche Zeitordnung gebunden ift, fo 
eignet fich der Stier, als Befruchter ver Heerde, ein Sinnbiln der Zeus 
gung und des Lebens, recht gut zum Begleiter des Patäfen. Bei Moloch 
wird er nun gerade nicht genannt, doch werden wir weiterhin fehen, daß 
vielleicht die Rinder des Geryones Stiere des tyrijchen Melkart, d. i. des 
Moloch, find. Bei der äußerſten Dürftigfeit an Nachrichten kann man 
nun nicht geradezu behaupten, der Apis des Ptah, welcher Gott auß 
Phönikien oder von aflatifchen Semiten herſtammt, müße genügen, um 
dem Patäfen Moloch den Stier zuzufprechen; aber man darf auch Daß, 
was eine folche Verbindung vermuthen lagen fünnte, nicht ohne Weitered 
abmeifen. Wir finden die Verehrung ver Kälber ald dem femitifchen 
Heidenthum durchaus eigen, und felbft am Gnadenſtuhl Jehovah's war 
der Stier als beveutfame Verzierung angebracht. So oft in dem alten 
Zeftament die Rede von der Annahme des Heidenthums durch die Kinder 
Iſrael ift, fehlt nicht Teicht die Erwähnung von den Bildern der Kälber, 
vie ſie fi) ald Gegenftände der Verehrung machten. Diefe müßen einer 
Gottheit zugehört haben, und wir würden gar nicht über dieſe Gottheit 
im Zweifel jeyn, wenn man fich auf die Nachricht verlaßen fünnte, melde 
fih in des Rabbinen Simon Hadderſchan Sepher Jalcuth findet: daB 
Bild Molochs namlich habe einen Stierfopf gehabt. Aus was für Nad- 
richten aber auch diefer im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts n. Ch. 
lebende Rabbine gefchöpft Haben mag, ver auch von fieben Kapellen 
fpricht, ‚die früher als das Molochsbild bei Jeruſalem geweſen feyen, 
man Fann ihr nicht mit Sicherheit vertrauen. Wie trefflich würden auch 
die fieben Kapellen mit Beziehung auf fleben Patäken pafien! Wir lefen 
aber bei dem Propheten Hoſea (13. 2) die Worte: Wer die Kälber Fügen 
wid, der fol Menfchen opfern. Hier fehen mir deutlich die Menſchen⸗ 
npfer, vie das alte Teftament ftet3 dem Moloch zufchreibt, in Verbindung 
gebracht mit der Verehrung des Kalbs. Man könnte dieſen Umſtand 
allerdings benutzen für die Anſicht, das dem Moloch das Kalb bei den 


Moloch, Melkart, (Melikertes, Heralled) 285 


Semiten geweiht gewefen fey, da wir noch weniger Grund haben, ed 
einem andern Gotte, als ihm, zuzufchreiben, und könnte behaupten, ohne 
allen Grund und alle Spur hätten die Rabbinen vem Moloch ein Stier- 
haupt nicht zufchreiben fünnen. Es Liege fich dafür noch benußen, daß 
Manche, wie Apollodor in der oben angegebenen Stelle berichtet, den 
fretifchen Moloch ftatt Talos, Tauros, d. i. Stier, nannten, und daß der 
Minotaurod mit dem Stierfopf, welchem Athen Menfchenopfer fenden 
mußte, und zwar fleben Knaben und fleben Mäpchen, alſo die Zahl ver 
Patäfen, urfprünglih ein Moloch mit den Stierhaupte gewefen ſeyn 
fonne, bis er in die griechifche Yabel gezogen ward. Der Stier, welcher 
auf Kreta ververblid) ward, bis Herakles die Infel von ihm befreite, 
fonnte vielleicht einem verbderblichen, Menfchenopfer verfchlingennen Moloch 
gehört Haben, und Paftphae in ver hölzernen Kuh ver Mykerinostochter 
in der hölzernen Kuh zu Said verwandt feyn, welche ver Iſis gehörte, 
der jüngften Form der großen Mutter in Aegypten, die nicht ohne phöni« 
kiſchen Einfluß verehrt ward. Solche Behauptungen aber Eünnen täufchen. 
Man könnte audy noch vermuthen, der Molocheult in Sicilien habe ven 
Stier gehabt und damit dad Vorbild abgegeben zu ven fonft Außerft 
feltfamen Stier des Phalaris, in welchem die Menfchen verbrannt wurden. 
Wenn wir Alles betrachtet haben, fo wird und nur die Vermuthung 
bleiben, es ſey nicht unmwahrfcheinlich, dad von den femitifchen Heiden 
verehrte Kalb eigne fih für den Moloch wegen ver angeführten Bibel- 
flele und der Angabe der Rabbinen. *) 

Da die Griechen dem Melifertes, wenigſtens auf dem Feſtlande, 
feine Menfchenopfer brachten, fo hatten fle den tyrifchen Cult entweder 
nicht vollftändig angenommen, oder hatten ihn frühzeitig geändert, denn 
e8 wird nicht von einen folchen Opfer deſſelben gemelvet. Dem Melkart 
aber wurden, wie natürlich, Menfchenopfer gebracht; denn Moloch war 
ja der Gott, den der Semite nicht ohne Menfchenopfer verehren Eonnte. 
Plinius jagt (36. 5) von einem Farthagifchen Herkules (d. i. Melkart), 
der nach Rom gebracht worden war, die PBunier hätten ihm Menfchen 
geopfert, zu Rom aber habe man ihn in feinen Tempel gethan, fondern 
er ſtehe ungeehrt im Freien; und von dem Herkules zu Gades fagt Appian 
über den fpanifchen Krieg (2. 35), er ſey der tyrifche, man habe ihm 
nach phönififhem Brauch geopfert. Herodot, welcher eigens nach Tyrus 
gteng, um über ven Herakles nachzuforfchen, giebt und leider nichts 
Näheres an, was uns belehren könnte, fondern meldet nur (2.43), er 





*) Die Angaben ver Rabbinen über heidniſche Götter find zwar im Allgemei- 
nen werthlos, weil fle meift gewaltfame Namenerfärungen verfuchten, und 
dann ihren vermeinten Bund für Thatſachen ausgaben. Bei Moloch aber 
Sonnte Feine Wortableitung fe auf dieſe Beſtimmung ber Geſtalt führen. 


286 Moloch, Melkart, (Melifertes, Herakles). 


habe den Tempel dieſes Gottes daſelbſt geſeben, reich geſchmückt mit 
vielen Weihgeſchenken, und es ſeyen unter andern Sachen zwei Säulen 
darin, die eine von reinem Gold, die andere von Smaragd, welcher in 
der Nacht herrlich leuchte. Die Prieſter aber hätten ihm geſagt, der 
Tempel ſey zu Tyrus zugleich mit der Stadt gegründet worden, und dieſe 
ſtehe ſchon zweitauſend und dreihundert Jahre. In derſelben Abſicht 
ſchiffte Herodot nach der Inſel Thaſus, und fand, wie er weiter erzählt, 
port einen Heraklestempel, den die Phöniker errichtet hatten, die, als fie 
die Europa zu juchen herumſchifften, Thajus erbauten. Betrachten wir 
aber, ehe wir weiter gehen, wie vie Griechen dieſen Gott unter dem 
Namen Melikerted behandelten, ver durchaus zunächſt nach Theben in 
Böontien gehört, wo der phönikiſche Gott feinen Sib genommen haben 
muß, fo daß die Sage von Kadmos, der, die Europa ſuchend, aus Phöni- 
fien nach Böotien kommt, injoweit auf einer Wahrheit beruht, als ver 
thebiſche Herakles urfprünglich ver tyriſche Melkart ift, und ſich demnach 
ein phönikiſcher Cult daſelbſt angeſiedelt hatte. 

Die Fabel von Melikertes lautete bei den Griechen nach Apollodors 
Erzählung (1. 9. 1 und 2): Athamas, der Aeolide, welcher in Böotien 
herrſchte, nahm in zweiter Ehe die Ino, die Tochter des angeblich aus 
Phönikien eingewanderten Kadmos und der Harmonia zum Weibe, und 
fie gebahr ihm den Learchos und Meliferted. Als ihn aber Here rajend 
machte, erſchoß er den Learchos mit einem Pfeil, und Ino ftürzte ſich 
mit Melifertes in das Meer. Das Lebtere erzählt derſelbe Schriftfteller 
(III. 4. 3) mit folgendem Zufage: Ing warf den Melifertes in einen 
glühenven Keßel, nahın ihn dann und fprang mit des Kinded Leiche in 
die Tiefe des Meeres; fie felbit befam ven Namen Leufothen, ihr Kind 
aber ward Palämon genannt, und fo murben file von den Schiffern 
benannt. Siſyphus aber (der Aeolide) ftiftete für Melikfertes die ifthmi- 
fhen Kampfſpiele. Ebenfalls erzählt ver Scholiaft zu Pindars iſthmiſchen 
Hymnen, Ing habe den Melifertes in einen Keßel vol ſiedenden Waßers 
geftecft und fey dann mit ihm in dad Meer gefprungen, worauf fle eine 
Nereide, Namens Leukothea, er ein Gott, Namens PBalkmon, geworden 
fey, dem Sifyphus auf Befehl der Nereiven die iftämifchen Spiele geftiftet 
babe. Da nun aber Meliferted auf dem Iſthmus nicht ald Gott, fondern 
als Heros verehrt ward, fo mußte die Erzählung, fobald ſie dieß berüd- 
fichtigte, ihn ald einen Todten behandeln, und fo gefhah e8 auch. Wir 
lefen daher auch in ven Scholien zu Pindar: Meliferted trieb an den 
Iſthmos und lag unbeftattet, und ald eine Hungersnoth Korinth heim- 
fuchte, fagte das Orakel, ſie werde nur weichen, wenn man ihn beftatte, 
und ihn mit Beftattungsfampffpiel feiere. Da die Korinther dieſe Beier 
nur kurze Zeit hielten, brach die Hungersnoth wieder aud, und daß 
Orakel ſprach, dad Kampfipiel zu Ehren des Heros müße für immer 


Moloch, Melkart, (Melifertes, Herakles). 287 


gefeiert werden. Der Siegeskranz war Eppich, welches Gewächs ven 
Todten geweiht war. Später galten die Iſthmien ven Poſeidon neben 
dem Heros Melifertes, und ver Kranz beftand aus Bichtenzweigen, welche 
diefem Gott geweiht waren. Ob Ino mit den lebenden oder tobten 
Sohne in dad Meer gejprungen ſey, ſtand nicht feit; fondern die Einen 
ftellten e8 auf die eine, Andere auf die andere rt dar, wovon der Grund 
eben darin lag, daß man den Meergott Palämon in ihm erfannte, und 
doch auch daneben den Heros auf dem Iſthmos, als folder aber mußte 
er geftorben feyn. Wie der Keßel vol ſiedenden Waßers in die Fabel 
fam, ift nicht mit Beitimmtheit zu jagen. Wenn es galt, eine Todesart 
für ihn anzugeben, fo ift es freilich zulegt eine, wie jede andere, aber 
doch Feine, auf deren Anwendung man leicht verfällt. (Einige fagten, 
Athamas Habe ihn in der Raſerei in den Keßel werfen wollen, aber Ino 
babe ibn mweggenomnen. Andere ließen Ino ebenfalls raſend werben, 
fügten aber, wie es jcheint, nicht Hinzu, daB jle den Sohn in ven Keßel 
geworfen. Sp lefen wir in ven oben angeführten Scholien.) Möglich 
wäre e3, daß man an eine Läuterung des Sterblichen zum Gotte, vers 
mittelft des Feuers gedacht, und daß fich dieſer Zug der Babel allmählich 
daraus entwidelt hätte, möglich jogar, daß er ein jchwacher Nachhall ver 
dem Gotte verbrannten Menſchenopfer wäre; doch wir fünnen feine dieſer 
Deutungen zu irgend einer bejonvdern Wahrfcheinlichfeit bringen, und 
müßen daher diefe Sache auf ſich berufen laßen. Daß aber dem Meli- 
fertes Menſchenopfer dargebracht wurden, und zwar Kinder, wie dem 
Moloch bei den Semiten, bezeugt für die Inſel Tenedos Lykophron in 
der Kaſſandra (229), wo er venfelben auf diefer Infel ven Findertöpten- 
den Palämon nennt, wozu die Scholien bemerken, er fey in Tenedos fehr 
verehrt worden, und man habe ihm daſelbſt Kinder geopfert. Zu bemer- 
fen ift noch, daß der molurifche Feld als der Ort genannt wird, von 
welddem aus Ino mit dem Sohn in das Meer fprang; doch würde es 
vergeblich feyn, daraus Etwas zur Aufhellung viefer Fabel vermuthen 
zu wollen. 

Aus dem bisher Gejagten erhellt, daß die Griechen den Melikertes, 
ben fie von den Phönikern erhalten hatten, und zwar in Böotien, als 
ein Kind und ald Meergott betrachteten. So mußte er ihnen überliefert 
worden ſeyn, denn Böotien war fein Seeftaat, und hätte eine Gottheit, 
welche nichts mit der See zu fchaffen hatte, gewiß nicht zu einer folchen 
umgedbichtet. Das gewaltige Meer aber hätten vie Griechen ebenfo 
wenig unter Die Herrfchaft eined Kindes geſtellt, wenn fie e8 nicht fo 
überliefert bekommen hätten, denn neben einen Nereus und Poſeidon, 
von Dfeanod und den hundertarmigen Waßerriefen, von Proteus und 
Glaukos u. |. w. zu fihmeigen, ein Kind ald Beherricher des milden 
Elements zu ftellen, veßen Geburten als wild und gewaltthätig angefehen 


288 Moloch, Melkart, (Melitertes, Herakles). 


wurden, möchte wahrlich den Griechen nicht eingefallen jeyn. Das phoͤni⸗ 
fiihe Kind aber, welches für einen Befchüger ver Seefahrer und mithin 
für einen Seegott gelten fonnte, war allein ver phönikiſche Patäke, ver 
fh auf dem Vordertheil des Schiffes befand, und von welchem man 
Schuß für vie Fahrt erwartete, denn außer dieſem Schifföpatäfen gab eö 
andere, die Schiffahrt ſchützende Kinder durchaus nicht. Auf diefe Weife 
lernen wir aus ver Babel des Melifertes in Griechenland, daß ber tyrifche 
Melfart, und da er nur unter dieſem Namen ver in Tyrus verehrte 
Moloch war, ein Patäke geweſen. Mit Leufothea kam er in Verbindung 
und fie wird feine Mutter genannt. Da fle ald Meergdttin galt, fo ift 
diefe Zufammenftelung natürlid. Schon in der homerifchen Odyſſee 
(5. 333) beißt ed von dem auf einem Floß im Aufruhr des Sturms mit 
ber Gefahr ringenden Odyſſeus: es erblicdte ihn des Kadmos Tochter, die 
fhönfüßige Ino, Leufothea, die vormals eine Sterblicde war, jebt aber 
in den Gewäßern des Meered güttlicher Ehre theilhaft geworden: ift. 
Diefe nun erbarmte ſich des Odyſſeus, und dem Vogel, dem Taucher, 
gleich, tauchte fie aus dem Meer empor, fette fih auf dad Floß, und 
bieß ihn vaffelbe zu verlaffen, und, die Kleider abwerfend, an dad Land 
zu fchwimmen. Dazu gab fie ihm ihre Sauptbinde, um fie unter die 
Bruft zu binden, und wenn er das Ufer erreicht habe, abgewenvet wieder 
in dad Meer zu werfen. Dann tauchte fie wieder, dem Taucher gleich, 
in dad Meer. Urfprüngli aber war Leukothea nicht Meergättin, fondern 
Tagesgöttin oder Göttin des Tageslichts; denn die Römer erkannten in 
der Leufothea ihre Matuta, d. i. die Göttin des Morgens, ver Frühe; 
weil aber vie Tagesfrühe über das Wetter entfcheinet, wie denn in ber 
Theogonie (378) vie Eos, die Morgenröthe, dem Afträos, d. i. vem Ster- 
nenhinmel, die Winde gebiert, fo hatte dieſe Tagesgöttin Einfluß auf bie 
Schiffahrt, und murde zur Meereögöttin wegen dieſes Einflußed. Aber 
nicht allein Meeresgöttin warb vie Leukothea, d. i. die weiße Göttin, 
nämlich die lichte, leuchtende, fondern auch Geburtägättin, weil alles 
Leben an das Licht gebohren wird. Strabo (5. 2) nennt ven Tempel 
der Leufothen zu Pyrgoi, der Hafenſtadt won Cäre in Etrurien, einen 
son den Peladgern gegründeten reichen Tempel ver Eileithyia, d. i. ber 
Geburtsgöttin, und Plinius (5, 9) nennt die Stadt der Eileithyia in 
Hegypten die Stadt der Leukothea, als fey es einerlei. Der Matuta 
feierten die römifchen Mütter dad Mutterfeft, vie Matralien, wie die 
Bbotier in Chäronea der Leufothea, in Beziehung auf dad Gebeihen der 
Kinder, wie man ed einer Geburtögdttin, feiern Eonnte. Als Geburts- 
göttin iſt Leukothea auch die Pflegerin des Dionyfos, denn fie freut ſich 
ber Kinder, und die Erzählung Konon's bei Photius (3237) bat einen 
guten Grund, wenn ſie berichtet, Leukothea's Erſcheinung (Geſicht, Bild) 
Babe durch den Knaben Swuktos, 2.1. Klein (um die kleinen Knaben, 


Moloch, Melkart, (Meliktertes, Herakles). 289 


deren ſich die Geburtögättin freut, zu bezeichnen) und ben bes Hirten 
Eritharſos den Mileftern fagen laßen, ſie follten fie verehrten, und ihr 
ein Knaben» Kampfipiel halten, venn fie erfreue ſich am Knabenftreit. *) 





%) Die Göttin der Tagesfrühe erfcheint auch unter dem Namen Helena bei den 


IV. 


Griechen, deren Dienerin Aithra, d. i. die heitere Witterung, iſt, denn ſie 
gebietet ja über das Wetter. Deßhalb iſt fie auch Schweſter der Dios⸗ 
kuren, der Schiffah rtogötter. Sie war aber auch als Göttin des Tages⸗ 
lichts eine Göttin, welche des Gebohrenwerdens an das Tageslicht waltet, 
und darum wird ſie die Mutter der Iphigeneia, d. i. der Geburtsgättin 
Artemis genannt, wie Hera ale Geburtsgättin, Mutter der Sileithyien ber 
Geburtsgättinnen heißt. Pauſanias (11.22.7) erzählt: Neben dem Tempel 
ber Anafes, d.i. der Diosfuren, zu Argus ift ein Heiligtum der Gileithyia, 
von Helena geweiht, als fie von ihren Brüdern in Thefeus Abwefenheit 
aus deßen Gefangenfchaft zu Aphidna befreit worden war, denn fehwanger 
gebahr fle auf dem Wege nach Lakedämon in Argos, errichtete der Gileis 
thyia ein Heiligthum, und gab das Kind ihrer mit Agamemnon vermühls 
ten Schwefter Kiytämneftra. Und fo fagen die Dichter Cuphorion und 
Alexandros der Pleuronier, früher aber Steflhoros, ebenfo wie 
die Argeier, Iphigeneia fey eine Tochter des Thefeus. Diefer Eileithyia⸗ 
tempel ift aber wohl ein Tempel der Helena, als einer Gileithyia, und fo 
werben wir auch den zu betrachten haben, welcher im Dromos zu Sparta 
fland, wovon Paufanias (3. 14. 6) fpricht: Das Heiligthum der Diosfuren 
und Chariten, diefes aber das der Gileithyia. Ebenſo war zu Meflene 
neben dem Eileithyiatempel der Kuretentempel, worin die Diosfuren waren, 
und wird auch diefe Helena geweien feyn. Die Epidamnios’ Tochter 
genannte Helena, weldye die Epidaurier in der Geftalt Aphrodite's verehren, 
und wovon man erzählte, fle habe der Aphrodite in ihrer Verbindung mit 
Adonis gedient, und gebe den Hungernden Hülfsmittel, kann kaum etwas 
Anderes fein, als eine in den Kreis der Aphrodite gezogene Helena-Eilei⸗ 
thyia. (Ptolemäus Hephäftion erzählt das Angegebene bei Photius 248.) 
Das Licht ift ſchön und die Lichtgöttin Helena darum voll Reiz und Herrs 
lichkeit, und fie verleiht auch folden. Herodot (6. 61) erzählt: Eine 
Amme zu Therapnä trug ein häßliches Kind oft in den Tempel der Helena, 
damit e8 Schönheit durch die Gunſt derfelben erlange. Einft nun begegs 
nete berfelben eine Frau, tie das Kind ftreichelle und fagte, es würde 
die fchönfte Frau werben, und fo geſchah's. Da ſehen wir Helena dem 
Kinde Schönheit verleihen, was fich freilich zunähft an die Vorſtellung 
knüpft, daß fle die ſchönſte Frau gewefen fey, fle aber urfprünglich als 
Eileithyia und Pflegerin der Kinpheit angeht, denn ber fchönften Frau 
hätte man feinen Tempel erbaut. Als Mutter des Euphorion auf der Infel 
Leuke ift fie Göttin der Schiffahrt, und Curipides im Oreftes (1626) fagt, 
fie fey im Aether bey Kaftor und Polydeufes, eine Retterin der Schiffer. 
So fehen wir in Helena eine Form der nämlicdhen Göttin, welche in andes 
rer Form als Leufothen erfcheint. Aber nicht nur als Göttin der Geburt 
und Pflegerin fehen wir fle, fondern einmal auch als nährenne Amme 
angebentet. Im Athenetempel zu Lindvs weihte Helena, erzählt Plinius 
19 


290 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 


Dieſes Alles würde nicht hieher gehören, wenn es nicht als möglich zu 
denfen wäre, daß man den Knaben Meliferted mit ver Knabengöttin in 
Berbinvung gebracht haben Eönnte, over auch daß man den Meergott mit 
der Tagesfrühe, vie über vie Tageswitterung für die Seefahrt entfcheibet, 
in Zufammenhang gefett habe. Da wir nur die Thatfache dieſer Ver—⸗ 
bindung wißen, fo bleibt und die Wahl zmifchen ven fich darbietenden 
verſchiedenen Urfachen verfelben, und wenn ed auch am einfachften ſchei— 
nen follte, e8 ſey Dielifertes zum Sohne der Leufothea gevichtet worden, 
weil fie eine Meergdttin gemwefen, fo tft es dennoch wahrfcheinlicher, daß 
man dem jungen Tag ald Meergott oder vielmehr ald dem Befchüger ver 
Seefahrt die Göttin der Tagesfrühe zur Mutter gegeben habe. 

Den Melkart in Tyrus nannten die Griechen Herakles, ebenfo den 
auf der Infel Thaſus, zu Gades und felbft in Aegypten, fo daß fe ihren 
Heros, den Ahnherrn ver Serakfleiven, ganz und gar mit dem phönififchen 
Gotte in einander fchmolzen, ohne daß wir über viefe Verfchmelzung, 
oder wenn fie ihren Heros aus ihm entwidelt hätten, über Anlaß und 
Gang diefer Entwickelung irgend etwas feftftelen Fönnten. Weber ven 
ägyptifchen Herakles, welcher Chon (wahrfcheinlidd Führer) hieß, fagt 
Herodot (2. 43), er fey einer von ihren zwölf Gdttern, deren Zeit fieben- 
zehntaufend Jahre über ven König Amafis hinauf reiche, und biefen finden 
wir auf den Denfmälern ganz wie Ptah gebildet, demnach ald Patäfen, 
mit dem Palmzweig, weldjer dad Jahr, alfo die Zeit beveutet. Er fteht 
bey Ammon und der großen Mutter, bezeichnend die Erzeugung und dad 
Entftehen, gebunden an die gefegmäßige Zeit, unter deren Walten und 
Geſetz der Samen zur Frucht geveiht und an das Licht und in die Zeit- 
lichkeit eintritt. Daß Herakles ein Heros war, Fönnte nicht bemeilen, 
daß er nicht früher ein Gott geweſen, denn auch Meliferted war auf dem 
Iſthmos ald Heros behandelt, und er war fogar noch daneben der Meer- 
gott Palämon. Herodot glaubt auch, Herakles fey ein uralter Gott, 





(33. 4), einen Becher aus Glektron, von dem Maaße ihrer Bruſt. Das 
heißt ein bruftföürmiger Elektronbecher flellte Helena’ Bruſt dar, was nur 
in dem Sinne der Ernährung gelten fünnte. Eine andere Form dieſer 
Göttin heißt Gleftra, die Ofeanive genannt wird, wegen ihrer Beziehung 
zur See, und weldje die Iris, db. i. den Regenbogen und die Harpyien, 
d. i. die raffenden Sturmwinde, Aëllo und Ofypete, dem Thaumas gebiert 
(Hefiod's Theogonie 266), wie Eos dem Sternmann die Winde, und bie 
wegen ihres Ginflußes auf die Schiffahrt unter die Pleiaden, die Schiffahrt: 
flerne, gerechnet ward, fowie als Dienerin der Helena, mit der fle eigent- 
lich in ihrem Wefen eins iſt, die Sohlen bindet in Polygnot's Gemälde 
bey Paufanias (10. 25. 2). Als Gileithyia finden wir diefe Form der 
Tages -Lichtgättin nicht, fondern nur als Schiffahrtgöttin, und von Eos iſt 
ebenfalls feine Spur, daß fle eine Geburtsgöttin gewefen fey. 





Moloch, Melkart, (Melitertes, Herakles). 291 


und die unter ven Hellenen hätten Recht, welche dem Herakles zweierlei 
Tempel gegrüudet, indem fie dem einen als einem Unfterblichen, ven fte 
den Olpmpifchen hießen, opferten, dem andern aber, des Amphitryon 
Sohn, als einem Heros Todtenopfer brächten. Wie Melkart in ver Fabel 
von Melifertes nach Böntien und zwar nach Theben gehört, jo aud in 
ver Fabel von Herakles. Zeus erzeugte viefen mit Amphitryons Gemahlin 
Alfmene, und da er gejagt hatte, der damals zunächft zu gebährenve 
Perſide folle über Mykenä herrfchen, fo beförverte Hera die Geburt des 
Perfiven Euryſtheus, und hielt die des Herafles zurüd. *) Sie veran- 
late nämlich die Moiren und Eileitbyia (Apollodor II. 4. 5 nennt nur 
bie Eileithyia), fich mit verfchränkten Händen zum Haufe der Ereifenden 
Alkmene zu feßen. Als Oalinthias, die Dienerin Alkmene's, vie Zauber- 
ſtellung verfelben erkannte, eilte fie aud dem Kaufe und rief, ihre 
Herrin habe einen Sohn geboren, worüber die Göttinnen überraſcht vie 
Hände losließen, ſo daß nun Alkmene wirklid ven Herakles gebar ALS 
aber die Goͤttinnen fahen, daß ſie von Galinthias überliſtet worden, ver⸗ 
wandelten ſie dieſelbe in eine Katze (gale, mad Katze und Wieſel heißt). 
Hekate nahm nun die Galinthias zur Dienerin, Herakles aber weihte ihr 
ein Heiligthum, wo er ihr opferte, und die Thebaner opferten am Hera⸗ 
klesfeſt zuerſt dieſer Wohlthäterin des Heros. So warb in den Berwande 
lungsgeſchichten erzählt, wie wir aus Antoninus Liberalis (29) und Ovid 
(9. 306) erſehen. Das Heraklesfeſt aber war eine Leichenfeier und galt 
dem Serafled, feiner Gattin Megara und ven Kindern, die er in der 
Raferei getötet hatte, und ward vor dem Thore ver Elektra, ver Tages⸗ 
göttin, einer andern Form der Leufothea, mit Spielen gefeiert. 


*) Melfart ift in Derbindung mit der Geburtsgättin in Theben, die aber Feine 
andere feyn Fann, als die große Lebendsmutter, welche unter dem Namen 
Aphrodite unter den Griechen die größte Verbreitung gefunden hatte. Mit 
dem griechifchen Himmelsfünige Zeus als Dione zu Dodona verbunden, 
findet aber die Himmelsfünigin durchaus feine Berbreitung, fondern an 
ihre Statt tritt die Himmelsfönigin Hera, die aud) eine große Lebens- 
mutter, eine Geburtsgättin ift, und aus derfelben fremden Göttin, als eine 
befondere Form in fihöner griechiſcher Geſtalt, gedichtet zu feyn fcheint. 
Mit ihre ſcheint urfprünglihd Melkart in derfelben Verbindung gewefen zu 
feyn, in welcher er zu Oalinthias fland, und davon den Namen Herafles 
befommen zu haben, bis man bey dem Heros darauf Fam, Feindſchaft flatt 
der Freundfchaft zu Hera zu dichten, und fo das Verhältniß umzufehren, 
wobey die Ableitung feines Namens von dem ihrigen immer noch möglid 
blieb, wenn auch auf eine feltfame Art, denn ſeltſam wäre es gewefen, den 
Gott nad feiner Feindin zu benamen, während es natürlich erfcheint, 
wenn er als Beyfleher einer Lebensmutter von ihr einen Beynamen erhält, 
unter welchem er dann zum Vorbild der Herven gebichtet wird. 

19? 


292 WMoloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 


Galinthias, die Katze, over welche die Kate zum Sinnbild hatte, 
und zu Thebe göttlihe Chre genoß, erfcheint hier als Geburtögdttin; 
Griechenland aber hatte Feine Geburtögdttin, deren Sinnbild die Kaße 
war, wohl aber Xegypten, wo die Kate als ein höchft heilige8 Thier 
galt, deßen Todtung mit dem Tode beftraft ward. Bubaſtis, eigentlich 
Paſcht, war, wie ver Feſtritus und ihre Vergleichung mit der griedji- 
fen Artemis zeigt, vie Geburtögdttin in Aegypten, und hatte einen 
Löwen- oder Katzenkopf. Diefe fland mit dem Ptah, alſo vem Patäfen 
zu Memphis, in innigem Verhältniß, denn fte heißt Mer-Ptah, d. i. vie 
Ptah-Liebende, denn die Zeit beherrſcht die Geburt, weil dieſe an eine 
gefegmäßige Zeit gebunven if. Paſcht aber ift ebenfo wenig ald Ptah 
ein Name, welcher fidy aus der ägnptifchen Spradhe erflären läßt, und 
ihr Verhältniß zu Ptah läßt und vermuthen, daß ihr Name und mithin 
fie felbft zugleich mit dem Patäfen durch Phönikier nach Aegypten gekom⸗ 
men. Da wir nun bei Melfart= Herafled in Theben dieſelbe Gottheit 
mit ver Kate ald Geburtögdttin eingewandert finden. in dem bort ange- 
fiedelten phönikifchen Cult und der daraus entfprungenen Yabel, fo find 
wir berechtigt, dieſe Geburtägdttin als eine phönikifche anzufehen. Katze 
and Löwe, Thiere gleicher Art, ftehen fich in Aegypten bei dieſer Gott- 
heit in finnbilvlicher Bezeichnung gleih, und vie Heraklesfabel, wie fle 
die Katze hat, fo bat fie auch den Löwen. Die erfte That des Herakles 
ift die Erlegung des nemäifchen Löwen, deßen Bel ſodann der Heros 
trägt als eines feiner beſonderen Kennzeichen. Dieſes Löwenfell verdankt 
er fiherlich dem phönififchen Patäken, ver mit der Kaben= und Löwen⸗ 
göttin in Verbindung ftand, denn in der Vabel vom Heros und feinen 
Thaten Eonnte ein ſolches Sinnbild nur in diefer oder ähnlicher Weife 
verwendet werben. *) Diefer Löwe war aus dem Monde herabgefallen 


*) Dem femitifchen Einfluß in Theben ſcheint auch die Sphinx zugefchrieben 
werben zu müßen, die ihrem Hauptbeitandtheil nach das Lichifinnbild, den 
Löwen darftellt, gleich dem reife. Eben diefem Einfluße möchte auch in 
der Labdafidenfage der Zug angehören, baß der Sohn Gatte der Mutter 
tft, welcher fich fehr eignete zu einer fo furchtbaren Geſchichte der Gräuel, 
wie fie diefe Sage enthält. Die Sage felbft in allen ihren Motiven und 
in ihren fittlichen Lehren ift ächt hellenifch, und nur die Kunde vom Sohn, 
der Gemahl feiner Mutter ift, fcheint dem femitifchen Binfluß anzugehören. 
Nur in diefem Falle wird auch die Verbindung des Dedipus mit der Deme⸗ 
ter begreiflich und die mehreren Gräber deflelben, von welden das in 
Kolonos das berüßmtefte war, wo er in dem Eingang zur Unterwelt ver: 
Ihwand. Doc die Scholien zu Sophofles erzählen auch von einem Grabe 
zu Keos in Böotien und einem in dem Heiligtum ber Demeter in Eteonos. 
Aber auch in Kolonos muß bey Sophofles dem Devipus von dem ber 
Demeter dafelbft geweihten Berirt das reinigende Waßer vor feinem Ver⸗ 


Moloch, Mellart, (Melikertes, Herakles). 293 


auf Hera's DVeranftaltung, wie Epimenivdes in der Naturgefchichte Aelians 
(12. 7) fagt, und Anaragorad jagt in ven Scholien zu Apollonius dem 
Rhodier (1. 498), der Mond fey platt und der nemätfche Löwe in ihm 
gefallen; bey Serviud zu DVirgil (8. 295) heißt er Sohn der Luna und 
unvermundbar. Da die Spiele, deren auch zu Nemea waren, ſtets nach 
einer Reihe von Monden wieverfehrten und an ven Mondumlauf gebuns 
ben waren, fo jcheint die Babel von der Abftammung des nemäifchen 
Löwen vom Monde märchenhaft dieſes Zeitverhältniß der Spiele auszu⸗ 
vrüden. Aber warum dichtete man denn gerade einen nemäifchen Löwen, 
und ließ Herakles die Spiele dort einfegen, denn daß ihm dieſe Cinfeßung 
sugefchrieben ward, fehen wir aus den inleitungsfcholien zu Pindars 
nemäifchen Hymnen, da fle doch fpäter allgemein als eine Todtenfeier 
des Opheltes-Archemoros galten, eined Knaben? Sollte nicht audh bier 
urfprünglich die Feier dem Melkart, wie auf dem Iſthmus gegolten haben, 
der auch ald Knabe umkam und dafelbft die Todtenfeier erhielt? Nur fo 
laßt fich ver Knabe ald Gegenftand ver Feier und des Herakles Verbin⸗ 
dung mit derfelben, und vie Beziehung des Löwen genugfam erklären. 
Die Lömwenhaut (und die Keule) gab dem SHerafled zuerft Steſi⸗ 
choros, wie Athenäus (512 f.) fagt, over die Heraklee des Piſander over 
eined Andern, wie Strabo (15. 688) angiebt (Eratofthened nennt in den 
Katafteriömen 12 den Pifander von Rhodos). Diefe Dichter Fonnten 
aber, da die alten Stanbbilver, wie Strabo bemerkt, nicht fo vargeftellt 
waren, dieſes nicht thun, ohne eine beftimmte DVeranlaßung, bie feine 
andere feyn Tann, ald eben eine Beziehung dieſes Heros (over Gottes) 
zum Löwen. Gehen mir aber in Betreff ver Bewaffnung zurück auf 
Homer, welcher für und das ältefte Denkmal ift, fo finden wir, daß 
Pfeile feine Waffen find. Die Iliade (5. 393) erzählt, er habe Hera 
mit einem Pfeil an der Bruft getroffen und den Aides in Pylos eben⸗ 
falls mit einem Pfeil an ver Schulter. In der Odyſſee (8. 224) heißt e8, 
Herakles und Eurytos Fonnten felbft mit den Unfterblichen in ver Kunft 
des Bogend flreiten, und in der Hadesſcene (11. 606) fteht fein Schat- 
tenbild den Bogen baltend mit dem Pfeil auf der Sehne, furdtbar 
blickend und einem Schiefenvnen ähnlich. Im SHervenzeitalter ift der 


fhwinden geholt werden. Der Demetercult Hatte in Böotien fremden Eins 
fluß erfahren, und nur folcher brachte überhaupt den Dionyfvs mit Demes 
ter und ihrer Tochter in Verbindung. Darum wäre es eben nicht fo ganz 
unwahrfcheinlich, anzunehmen, man habe in Böotien den Sohn, welcher 
Gemahl der Mutter ift, und alle Jahre flirbt, um neu aufzuleben, gefannt, 
und die Sage des Oedipus enthalte einen Nachklang diefer Religionsmythe. 
Ebenfo fann nur das Sinnbild der Semiten den Grund zur Sphinr her⸗ 
gegeben haben; während das Mährchen von ihr und ihrem Näthfel in bie 
Ausbildung der Labdakidenſage gehört, 


204 Moloch, Melkart, (Melitertes, Herakles). 


Bogenſchütze nicht verachtet, aber dazu konnte er füglich nicht gebraucht 
werden, ein Vorbild alles Heldenthums und deßen höchftes, wahrhaft 
übermenfhliches Urbild zu ſeyn. Darum hatten die Denkmäler, weldhe 
ihn mit den gemwöhnliden Kampfwaffen ver Helden varftellten, 
infoweit Recht, als fie einen Helden darſtellen wollten. Nun fragt es 
fi aber, woher flammt es denn, daß Herakles Bogenfchüge war, und 
daß feine berühmten Pfeile fogar zur Eroberung Troja's unerläßlich noth⸗ 
wendig waren? Nicht dem Heros, fonvdern dem Gott, der von den 
Semiten zu den Griechen gefommen war, fhrieben vie Griechen, fo 
müßen wir annehmen, die Pfeile zu. Bragen wir nun weiter, welcher 
Gott fonft noch bey den Griechen die Pfeile hatte, fo finden wir in 
Apollo den furditbaren Pfeilgott, der ein folcher als Lichtgott ift, weil 
vie Pfelle zu einem Sinnbild ver Lichtftrahlen geeignet waren. in 
Lichtgott war aber auh Melkart, ver Patäfe, ver den Tag eröffnet 
mit dem Licht und in der Sonne von Often gen Weften zieht mit ven 
Strahlen des Lichts. So zeigt Ihn denn bie erfle Bewaffnung mit dem 
Sinnbilde ver Tichtftrahlen, und vie lebte ebenfalls, wiewohl wir durchaus 
annehmen müßen, daß die Dichter, welche ihm die Köwenhaut zur Bedeckung 
gaben, an die Bedeutung dieſes Sinnbildes dabey nicht dachten. *) 

Als Patäke erfcheint auch Herafles in der Fabel, welche ihn (bei 
Apollodor I. 4. 8) als achtmonatliched Knäbchen zwei Schlangen mit 
den beiden Händen erbrüden läßt, denn auf den ägyptifhen Denfmälern 
fehen wir den Patäfen vargeftellt, in jevem Arm eine Schlange haben, 
deren Bedeutung wir freilich nicht wißen, und bei der Mehrveutigfeit 
biefes vielangewandten und weit verbreiteten Sinnbild nicht errathen 
fönnen, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, leere Bermuthungen anzu 
fielen. Daß aber Herafles ald ein fchlangenhaltenvder befannt gewefen 
feyn muß, ergiebt jich daraus, daß er unter denen ift, welche man für 
den Schlangenhalter am Himmel audgab. Hygin in dem Bericht über 
die Sternbilder (2. 14) fagt: Andere erklären dieſes Sternbild für den 


*) Mie fehr der Löwe als dem Herakles verbunden angenommen ward, zeigt 
fih aud in folgendem von Macrobius in den Saturnalien (1. 20) erzähl: 
ten Gefchichtchen. Tharon, fo lautet diefe Erzählung, der König des dieſ⸗ 
feitigen Spaniens, griff von Wuth getrieben mit einer Flotte den Herkules: 
tempel zu Gades an. Die Gaditaner rückten ihm mit langen Schiffen 
entgegen, und nachdem ber Kampf längere Zeit gleich geftanden hatte, 
wurden bie Füniglichen Schiffe plöglich in die Flucht gefchlagen und giengen 
in Flammen auf. Sehr wenige gefangene Feinde, welche überlebten, zeig- 
ten an, es feyen ihnen Löwen erfchienen auf ven Vorbertheilen der gadita⸗ 

. nifhen Flotte, und ihre Schiffe feyen durch Strahlen, die darauf gefandt 

J worden, wie man fie an dem Haupte des Sonnengottes melt, verbrannt 

& worben, 


Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles)y. 205 


Herkules, der in Lydien am Fluß Sagaris eine Schlange erlegte, die 
viele Menſchen toͤdtete und das Ufer der Früchte beraubte. Omphale, 
die dortige Königin, ſchickte ihn, reichlich beſchenkt für dieſe That, nach 
Argos zurüd, und Jupiter verfegte ihn für feinen Muth und feine Kraft 
unter bie Sterne. Den Erleger ver Hydra, der furdtbarften aller 
Schlangen, wegen der Iypifchen Schlange unter die Sterne zu verfeßen, 
wäre etwas fonderbar geweſen, und e8 ift eher zu glauben, daß, wer 
zuerft in dem Schlangenhalter am Simmel den SHerafled annahm, ven 
ſchlangenhaltenden Patäfen, wie er in Theben als junger Herakles erfcheint, 
vor Augen hatte. Als Zeitpatäfe erfcheint der Heros in der Sage, daß 
er, gegen den Eithäronifchen Löwen ausziehend, mit den fünfzig Töchtern 
des Theſtios, den Thespiaden, zwei und fünfzig Söhne gezeugt habe, in 
fünfzig Nächten, fagt Apollodor (NM. 4. 10), in einer, Ephorus bei Theo 
(2), in fteben, Herodor bei Athenäus (556 ff.). Bei der Häufung der 
Thaten, welche dem Heros zugefchrieben wurden, ift die Beſiegung des 
fithäronifchen Löwen nur eine ſchwache Nachdichtung des erlegten nemäi⸗ 
fchen Löwen, und fo wie bei diefem durch vie Zabel feiner Abftammung 
aus dem Monde auf die Zeitorpnung Rückſicht genommen ift in Bezie= 
hung auf die Spiele, fo ift bei der Beflegung des Eithäronifchen Löwen 
die Erzeugung der zwei und fünfzig Söhne ebenfalld eine Beziehung der 
durch den Patäfen erzeugten Zeitorpnung, und die fleben Nächte müßen 
und unter den verſchiedenen Angaben als die rechte gelten, denn durch 
die fleben Tage, die ven Patäfen in ihrer Siebenzahl felbft zu Grunde 
liegen, wird in fünfzig Wochen das Mondjahr, in zwei und fünfzigma=- 
liger Wiederkehr das Sonnenjahr gebifvet. Daß man diefe Wochen ver 
Jahresordnung von den Thespiaden ald den Müttern bherleitete, mag 
feinen Grund darin haben, daß man die Zeitordnung ald eine Kenntniß 
und eine Kunft des Geifted auf die Mufen bezog, denn vie Thespiaden 
find die Mufen zu Thespiä am Helikon, und auch die Aloaden, Otos und 
Ephialtes, die nicht Leicht etwas Anderes feyn können, als zwei Zeit- 
perioden, weil das wahrhaft Mythifche an ihnen in der Zahl Neun Tiegt 
(die Enneaterid aber war eine wichtige Zeitperiode), hatten den Mujen=- 
dienft am Helikon gepflegt. Die Mutter der Thespiaden, welche in ver 
Babel des Heros freilich nur Königstüchter, nicht aber die Mufen find, 
heißt Megamede, d. t. die Hochweife, welcher Name recht gut für eine 
Mufenmutter geeignet if. Man vichtete dem Heros Raferei an, ſchon 
in den Kyprien, und er warf in derſelben, fo leſen wir bei Apollodor 
(I. 4. 12), feine Kinder von der Megara und zwei des Jolaos in dad 
Veuer. Diefe Raferei und Kinververbrennung dürfte wohl nicht müßig 
erfunden feyn, und ald mwillführliche Erfindung wäre fie matt und bei 
jeinen vielen Ihaten und Befchwerven, die er aushielt, ein unnüßer 
Zufag. Enthält aber die Verbrennung der Kinder einen Nachhall der 


286 Moloch, Melkart, (Melifertes, Keratled. 


Molochsopfer, dann ift die Naferei gut erfunden, um eine Kinderverbren⸗ 
nung mit einem für vie Herosfabel paffenden Grunde zu erklären. Daß 
Herakles ald ein gieriger Vieleßer, als ein Verſchlinger gefchilvert ward, 
ift zwar bei einem fo flarfen Heros nicht ganz unpaßend, und da er ein 
Kampfhort war, fo ift er in dieſer Hinficht ein geeignete Vorbild für 
die wohlgenährten Athleten, doch findet man dieſen eigenthümlichen Zug 
fonft nicht in der Schilderung eines Heros ober eined Kampfhortd her⸗ 
sorgehoben, und ed drängt fich die Vermuthung auf, es fey auch viele 
ihm angebichtete Eigenfchaft ein Nachhall des kinderverſchlingenden Moloch⸗ 
eultd. Als Herakles durch Aſien zog, landete er, erzählt Apollodor 
(ll. 5. 11), auf der Inſel Rhodos zu Thermydräaäͤ. (Oben haben wir 
fhon gefehen, daß dem Kronos Menfchenopfer auf dieſer Infel darge⸗ 
bracht wurden.) Indem er bier auf Einen traf, welcher mit einem 
Geſpann Rinder fuhr, löfte er einen der Stiere von dem Wagen und 
ſchmauſte ihn opfernd auf. Der Wagenlenfer aber, welcher ſich nicht 
gegen ihn helfen Eonnte, ftellte fih auf einen Berg und fludhte ihm. 
Darum verrichten auch jetzt noch die Rhodier, wann fle dem Herakles 
opfern, dieſe eier mit Verwünfchungen. Der legendenmäßige Grund 
diefer Verwünſchungen ift ziemlich unbedeutend, und wäre undenkbar 
ohne eine beftimmte Veranlaßung im Eult. Iſt aber diefer Brauch ein 
Nachhall des Molochcults, und ift der Stier felbft der Verfchlinger, inſo⸗ 
fern er zu dem Patälen gehört, welchem die Menfchenopfer galten, fo 
bat die Babel einen genügennen Anlaß gehabt. Daß vie Höhe, auf 
welcher der Stiertreiber flucht, dann auch zu dem urfprünglich femitifchen 
Cult page, leuchtet won jelbft ein, da vie Höhen in demſelben von ber 
größten Bedeutung find, und felbft der Moſaismus den Ebal zum Berge 
des Fluchs erfohren hatte. Eine bloße ſchwache Wieverholung biefer 
Vabel, die wir auf Rhodos einheimifch annehmen koͤnnen, weil der Kro- 
nodcult daſelbſt verbürgt ift, finvet fi in der Erzählung (Apollodor 
11. 7. 7), Herakles habe, durch das Land der Dryoper ziebenn, dem 
Theiopamas einen der Stiere vom Wagen nehmend, ihn aufgefchmauft. 

ALS die zehnte der ihm von Euryſtheus auferlegten Kampfarbeiten 
wird das Holen der Rinder des Geryones aus Erytheia angegeben. 
(Apollodor II. 5. 10.) Erytheia, fo heißt ed, war eine dem Okeanos 
nahe gelegene Infel, welche jet Gabeira genannt wird. (Der Name 
beveutet Rothland, und ſtammt wohl von der Nöthe der untergebenven 
Sonne her.) Diefe bewohnte Geryones (d. i. der Schreier), ver Sohn 
des Chryfaor und der Kallirhoe, der Okeanostochter, welcher aud drei 
Männern, die um den Bauch zufammengewachfen waren, beſtand, und 
rothe Rinder befaß, vie Eurytion hütete mit dem Hund Orthros (d. 1. 
Brühauf), der zwei Köpfe hatte und von Typhon und Cchidna flanımte. 
Huf ben Zuge nad dieſen Rindern errichtete er auf ben Vorgebirgen 


Moloch, Melkart, (Melitertes, Serakles)y. 297 


Europa's und Libyens einander gegenüber vie beiden Säulen (vie man 
Seraflesfäulen nennt), und auf feiner Wanderung von ver Sonne beglüht, 
fpannte er ven Bogen gegen Helios, und der Gott gab ihm, feine Mann 
haftigfeit beiwunbernd , einen golvenen Becher (Kahn), in welchem er 
über den Dfeanos fehte, und nach Erytheia kam. Herakles im Sonnen 
kahn ift der femitifche Gott, denn bei ven Griechen fährt die Sonne in 
einem Wagen mit Roßen, von welcher Anftcht es ausgegangen tft, daß 
manche Völker dem Heliod dad Roß weihten. Den Ptah- Sofari, eine 
Form des Patäfen, jehen wir auf ägyptifchen Denfmälern im Boote 
fahren, fo wie auch die Aegypter der Sonne- und dem Mond Schiffe 
gaben, ihren Lauf zu vollbringen. *) Aus dieſer Babel vom Herakles 
erfeben wir, daß auch Moloch ober Melkart, der Patäke des Tages feinen 
Lauf in einem Schiffe vollendet, fo daß er felbft ein Vorbild ver Schif⸗ 
fenden, fih um fo mehr zum Begleiter ver Schiffe, auf dem Vordertheil 
ſtehend und die Fahrt beſchirmend, eignen mußte, er, der durch feinen . 
Aufgang die Witterung des Tages für die Seefahrt beflimmte. Die 
Borftelung von Melfart= Herafles im Kahne der Sonne ftand fo feit in 
der griechiihen Babel, daß fie mehrmals angewandt wurbe, 3. B. als 
er aus Italien nach Sieilien überfehte (Pauſanias 3. 16. 4) und als er 
zu den Hesperiden gieng (Apollodor II. 5. 11). Daß aber eine Täus 
fung gar nicht flattfinde, wenn wir in dem Herakles, der in dem Kahne 
fährt, den fremben femitifchen Gott annehmen, zeigt uns fein Cult zu 
Erythrä, der tonifchen Stadt in Kleinaften. Pauſanias nämlich berichtet 
und (VIL 5. 3), daſelbſt fey ein durch fein Alter für ven Beſchauer 
merfwürbiged Bild des Kerafles, melches weder ven ingenannten ägines 
tiſchen Bildwerken, noch den altattifchen gleiche, fonvern wenn irgend 
eind vollfommen genau ven ägyptiſchen. Denn es ift zu fehen eine Barte 
son Holz, und auf ihr, den Grund aber, warum es gefrhehen, geben vie 
Erythäer nicht an, fchiffte ver Gott aus Tyrus in Phönifien. Als die 
Barke in das ionifhe Meer Eam, trieb fie an der Mefate, d. i. bie 
Mittlere, genannten Vorhoͤhe, die den aus dem erpthräifhen Hafen nach 
Chios Schiffenden die mittelfte ift, an. Dort nun ftrengten fich vie Ery⸗ 


*) Zu Tyrus gab es ein heiliges Schiff des Herakles, doch mag biefes zu befons 
dern heiligen Zwecken gedient haben. Arrian in der Anabafls Aleranders 
erzählt (2. 24) bey Gelegenheit der Eroberung von Tyrus: Alerandros 
opferte dem Herafles und veranftaltete eine Proceſſton mit der bewaffneten 
Macht. Auch die Schiffe nahmen Theil daran, und er hielt auch ein gym⸗ 
nifches Rampfipiel und einen Badellauf (der fi nur für einen Feuers oder 
Lichtgott eignete). Auch die Mafıhine, wodurch die Mauer eingeflürzt war, 
weihte er in dem Tempel, und bas heilige Schiff des Herafles, welches er 
erobert Halte, 


298 Moloch, Melklart, (DMelitertes, Herakfles). 


thrier und bie Chier fehr an, beide ve Eifer, dad Bild für ſich zu 
erwerben. Endlich hatte ein flarfer, abgehärteter erythräifcher Fiſcher, 
der an Augenkranfheit blind war, Namens Phormio, einen Traum, daß 
die erpthräifchen Frauen ihre Haare abfchneiden müßten, und daß die 
Männer, ein Seil daraus flechtenn, damit die Barfe zu ihrer Stabt füh- 
ren würden. Die rauen nun wollten ſich dieſem Traumgefiht nicht 
fügen, Thraferinnen aber, welche dort theils vienten, theils als freie 
lebten, fchoren ihr Saar ab, und die Varke warb damit herangezogen. 
Sp haben dort allein von ven Frauen nun die Thrakerinnen Zutritt in 
das Heraklesheiligthum, und das Seil aus Srauenhaaren warb noch zu 
des Paufaniad Zeit aufbewahrt. Der Fifcher aber fol fein Geftcht wieder 
erlangt haben. Auch dadurch, daß fremde Frauen in bie Legende des 
erythraͤiſchen Cults verflochten werden, und wirklich allein an vemfelben 
theilnehmen durften, erkennt man die Einwanderung veflelben aus ver 
Bremde. An dem Culte eines Heros hätten fremde Brauen, obendrein 
aber Sklavinnen feinen Antheil haben Fünnen, warum aber rauen an 
bem Melfartcult zu Erythrä in irgend einer und nicht näher bezeichneten 
Weiſe betheiligt waren, wißen wir nidyt. In dem Serafleötempel zu 
Thespiä war, wie PBaufaniad (IX. 27. 5) meldet, eine Jungfrau Prie⸗ 
fterin, welche es 6i8 zu ihrem Tode blieb. Die Legende gab als Grund 
an, Herakles habe ſich allen Töchtern des Theſtios zu Thespiä in einer 
Nacht vermählt, und nur eine verfelben fey ihm nicht zu Willen gewe- 
fen, die er denn verurtheilt habe, ihr Leben lang Jungfrau zu bleiben 
und ihm als Priefterin zu dienen. Dem Paufaniad nun fhien ber 
Serafleötempel zu Thespiä älter zu feyn, ald ver Herakles, Amphitryons 
Sohn, und erinnerte ihn an ven Herakles der Erpthräer und Trier. 
Bey den Römern fand ſich die Sage (Macrobius 1. 10), unter ber 
Regierung des Ancus Martius babe der Tempelvtener des Herculed ven 
Gott auf Würfel heraudgeforvert unter ver Bedingung, der Beflegte folle 
dem Sieger eine Buhldirne und ein Eßen geben. Serlules flegte und 
der Diener ſchloß die Acca Larentia, die herrlichfle Dirne jener Zeit, 
nebft einem Mahle im Tempel ein, und viefe rühmte ſich am folgenven 
Tage des Befuches des Gotted und eines Geſchenkes von bemfelben. 
Dagegen ward Herafles als Frauenhaßer in Phokis verehrt, wo fein 
auf ein Jahr Yang gewählter Priefter ſich währenn feines Amtes Feinen 
Umgang mit einem Weibe erlauben durfte, wie Plutarch (über das py⸗ 
thifche Drafel 20) erzählt, und bey Gellius (11. 6) Iefen wir, daß vie 
Frauen zu Nom nicht bey dem Opfer des Hercules zugegen ſeyn durften. 
Die rothen Rinder auf der Infel Rothland find Feine andern als 
Sonnenrinder im Weften, wo die Sonne roth untergeht, wo Helios in 
ben Okeanos, in deßen Nähe Erytheia gevichtet warb, hinabtaudht. In 
ber Somerifhen Odyſſee (12. 261) wernen dem Helios fieben Heerden 


Moloh, Melkart, (Melikartes, Herakles). 209 


Kinder, und ebenfo viele Schafe zugefchriebeu, jede Heerde befteht aus 
fünfzig, die flch weder vermehren, noch vermindern, und auf Ihrinafia, 
d. i. Sicilien von feinen Töchtern Phaetufa, d. t. der Scheinenden, und 
Zampetia, d. i. der Leuchtenden, gehütet werben; dieſe find bie fünfzig 
aus je ſteben Tagen beftehennen Wochen des Monpjahrs, denn in foldhen 
Dichtungen pflegen runde Zahlen mit Benfeitefegung der Bruchtheile 
angenommen zu werben. Die Rinder auf Erytheia jenoch erkannte man 
ebenfalls als dem Helios gehörig an, wie wir bey Apollodor (1. 6. 11) 
Iefen. Doch finden wir Feine beſtimmte Zahl überliefert, die nur bey 
denen auf Thrinafia angegeben wird. Helios war alfo bei ven Griechen 
der Gott der Zeit, welcher das Jahr beherrfcht, und eine eigentliche 
Wirkuug auf die Natur durch feine Wärme, und dadurch erzeugten See⸗ 
gen oder Schaden erfcheint nicht im Cult der Griechen. Moloch oder 
Melkart, ver Zeitpatäfe, ver Gott des Tages, der an die Zahl fieben 
gefnüpften Woche, wodurch die gefegmäßige Ordnung des Jahres in ſtets 
gefeglicher Wiederkehr befteht, fonnte dem Griechen nicht Leicht mit einem 
andern Gotte verglichen werben, ald mit dem jeden Morgen von der 
Nacht, wie Sophokles in den Tirachinierinnen fagt, bei ihrem Scheiden 
neu geborenen Helios. So fehen wir denn auch den Melkart, welcher 
durch phönikifche Nievderlapung nach Gades gekommen war, hier im 
Weiten zum Beſitzer der Sonnenrinder werden. Als er den Geryoneß, 
lautet die Fabel, erlegt hatte, feßte er mit den Rindern im Becher 
(d. i. Kahn) der Sonne über, nad) Tartefios und gab vem Helios den 
Becher zurück. Statt vie Rinder auf dem näcften Wege zu Euryſtheus 
zu bringen, zieht er mit ihnen durch Italten hinab, bis nach Sicilien, 
und man fönnte meinen, es fey dieſes gevichtet worven, um vie Verbrei⸗ 
tung des Herculedcult3 in Italten und Gicilien damit zu begründen; 
doch Hat eine foldhe Anſicht das gegen fih, daß dieſer Zug nicht gut zu 
einem folchen Zweck erfunden wäre, und wenn nur biefes bezweckt werben 
follte, die Dichtung den Heros jehr Leicht ohne die Rinderheerde durch 
Italien konnte ziehen laßen. Es fcheint vielmehr, daß ver Urfprung 
diefer Dichtung, Herakles ſey nad Sieilien mit den Rindern von Ery- 
theia gefommen, in den Sonnenrindern auf Sicilien zu liegen, fo daß 
man bie Sonnentinder dem yhönififchen Gotte zufchrieb, im Welten 
fowohl, wie auf Sicilien, und nun in ver Fabel die Sache vermittelnd 
fo geftaltete, wie ſie und erzählt wird. 

Im Abendlande, wo die Sonne zur Ruhe geht, ift ihr Gebiet, die 
rothe Infel gehört ihr und ihre Rinder meinen daſelbſt. In dem Abend⸗ 
lande aber giebt e8 auch goldene Aepfel, vie Aepfel ver Hesperiden, d. i. 
des Abendlandes. Auch dieſe gab man dem Melkart, infofern man ihn 
mit Heliod, dem Sonnengotte, gleich ſtellte, und nahm dieſes fo in bie 
Fabel auf, daß er die Heöperivenäpfel dem Euryſtheus Holt, welches hie 


300 Moloch, Mellart, (Melikertes, Serakles). 


eilfte feiner Dienftarbeiten if. Als zwblfte und letzte Dienftarbeit ift 
dem Herakles auferlegt, ven Kerberos aus der Unterwelt zu holen. Diefed 
beruht ebenfall8 Darauf, daß der Tag oder die Sonne im Welten unters 
geht, wo dad Gebiet des Hades iſt, und mo noch obendrein der Gott zu 
Gades ein nicht ferner Nachbar war. Als Herakles die Rinverheerve 
des Geryones auf Erytheia holte, lautet die Fabel (Apollodor I. 5. 10), 
meldete e8 Mönotiod, der die Rinder des Hades daſelbſt weidete. Diefes 
läßt wohl keinen Zweifel über die Nachbarſchaft von Erytheia und dem 
Hades; denn ald er nun, um ven Kerberos zu holen, in den Hades 
gekommen war, jchlachtete er, um den Seelen Blut zu geben, eined ber 
Rinder des Hades, weßhalb Mendtios, ver Hirte, ihn zum Ringen bers 
außforverte, dem aber Herakles die Seiten zerbrach, bis ihn Perfephone 
198 bat. So vichtete man in ver Fabel aus dem im Weften hinunter- 
gehenden Melkart, ven Heros, welcher in den Hades geht, und um viefes 
mit einer fchweren That zu verbinden, ließ man ihn den die Habespforten 
bewachennen Hund Kerberos (vd. i. ven Rauhbellenden) holen. Doch 
brachte man dabey noch einen Zug an, welder auf Melfart ald Helios 
vollkommen paßt. Askalaphos Hatte verratben, daß Perfephone in ver 
Unterwelt von dem Granatkerne genoßen hatte, wodurch ihre gänzliche 
Nüdfehr zur Mutter unmöglich geworden, und zur Strafe dafür Hatte 
Demeter einen Stein auf ihn gemwälzt. Diefen wälzte Herakles jekt ab. 
Asfalaphos ift durch Verwechslung ftatt Askalabos gefeht, ven Demeter 
erzürnt in eine Eivechfe verwandelt hatte, denn Demeter, vie Getraide⸗ 
gdttin, liebt nicht vie Eidechſe, welche fich der brennenden Sonne freut, 
die ihrem Getraive nachtheilig iſt. Dieſes Thier verfrieht ſich unter 
Felſen, und wird vom Sonnenfchein hervorgelodt, fo daß alfo Herakles 
in dieſer Babel ganz und gar ald Helios erfcheint. *) Das Hinunter- 
gehen in ven Hades war auch ver Grund, welcher die Babel veranlaßte, 
daß Herakled dem Admetos feine geftorbene Gattin Alkeſtis wieder zuführt 
(Apollodor II. 6. 2), indem er fie in dem Drama des Euripides dem 
Tode abringt. Die zwölf Arbeiten aber find fo geordnet, daß fie mit 


*) Als Lichigott kann der Patäke mit andern Lichtgotiheiten verglichen werben, 
und vielleicht Fannten die römifchen Pontifices den Hercules in einer Eigen: 
[haft diefer Art, denn wir lefen bei Macrobius (3. 12), daß Hercules 
bei den Bontifices für den mämlichen Gott mit Mars gegolten habe, und 
auch Varro gab diefe inerleiheit beyber Gottheiten in einer. Satire 
an. Einerlei waren fie nun freilich nicht, aber Mars war ein fabinifcher 
Lichtgott, und wenn Hercules in Rom als Melkart erfchien, fo konnte eine 
Bergleichung zwifchen beiden flattfinden, welche zu jener Annahme führte. 
Die bürftigen Nachrichten aber, welche uns über den Hercules in Rom 
überliefert find, geben ung feinen Aufihluß darüber, ob und in wie weit 
er daſelbſt als Melkart hervortrat, 


Meloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 301 


dem Morgen begimen, mit ver Nacht enden. Der Löwe als Sinn- 
bild der Lichtfirahlen ift der erfte Kampfgegenftand, das Hinabſteigen in 
die Nacht des Hades die letzte Arbeit, und gerade dieſe beiden, als das 
Wefentlichfte, was aus der Natur des Melkart in ver SHeraklesfabel 
märchenhaft vargeftellt wird, waren ſchon frühe als erſte und legte Arbeit 
dargeftelt, und den Hinabgang in den Hades erwähnt fchon vie Iliade 
und die Odyſſee. Ob aus dem Hinabgehen nes Melfart im Weften, alſo 
in den Hades, auch die Fabel entftanden fey, die ſchon in ver Iliade 
berührt (5. 395) iſt, daß nämlich Herafles Pylos angriff, wo ein Todten⸗ 
eich gedichtet war, den Neleus und feine Söhne, mit Ausnahme des 
Neftor, tübtete, und den Hades felbft verwundete, mag bezweifelt werben, 
weil Herakles nicht in den Hades geht, fondern ver Gott nur dem Neleug 
und den Pyliern beyfteht. In der Anoronung der Kanıpfarbeiten bemer⸗ 
fen wir außer dem richtigen Verfahren, mit dem Morgen zu beginnen 
und mit dem Abend zu enden, daß die drei letzten Arbeiten ſich auf ven 
Abend beziehen, denn bie zehnte ift ver Zug zum Geryones, die eilfte der 
zu den Hesperiden, bie zwölfte dad Sinabfteigen in den Hades. Ob unter 
den übrigen acht Kampfarbeiten fih welche finden, welchen eine Bezie⸗ 
hung auf den Gott zu Grunde liegt, over ob fie alle gevichtet worben 
find als ſchwere, des Heros Herakles würdige Werke, läßt fich nicht mit 
Sicherheit beftimmen. Als fünfte Arbeit wird genannt (Apollodor U. 
5. 5.) die Reinigung ver Rinderhürden des Augeas. Diefer war König 
in Eli, und ein Sohn des Helios, nach einer der Genealogieen, die gut 
zu feinem Namen paßt, welcher ven Glaͤnzenden oder Strahlenden bedeu⸗ 
tet. Wie nun die Rinder der Sonne, die man im Weften gevichtet 
hatte, in nie Seraflesfabel gezogen wurben, fo, Fönnte man annehmen, 
fey e8 mit den Rindern des Augeas geſchehen, und dieſe feyen ebenfalls 
Sonnenrinder. Ja man könnte fogar, um diefer Annahme mehr Wahre 
[heinlichkeit zu verichaffen, die Vermuthung aufftellen, dieſe Augeasrin⸗ 
der hätten in ber erften Anorbnung der Kampfarbeiten, welche zehn der⸗ 
felben annahm, die Stelle ver Geryonedrinver vertreten. Denn daß bie 
ältere Aufzählung nur zehn umfaßte, geht daraus hervor, daß Euryſtheus, 
als Herakles zehn Arbeiten vollendet hat, zwei verfelben nicht gelten 
läßt, und darum zwei weitere dem Heros auferlegt (Apollodor 11.5. 11). 
Die Reinigung der Rinderhürden des Augeas, die er durch Hineinleitung 
eined Stromes bewirkt, fol darum nicht gelten, weil er fi) einen Lohn 
dafür bebungen hatte. Diefed würde allerdings recht gut paßen zu ber 
Vermuthung, man habe, ald man noch zwei Arbeiten brauchte, um zur 
Zwolfzahl zu gelangen, da man mit dem Weften enden mußte, die Sons 
nenrinder nochmals in eine Zabel verflochten, und darum hie Sonnen- 
rinder, welche jet die fünfte Stelle in ner Aufzählung einnehmen, bie 
des Augeas als eine won Eurnfiheus nicht gezählte Arbeit betreffend 


302 Moloch, Melklart, (Meliktertes, Herakles). 


unter den zu leiftenden zehn, damit man dieſe ältere Zahl mit ver 
neueren audgleichen Fonne, für ungültig erflärt. Die Töotung ver ler- 
nälfchen Hydra wurbe ebenfalls nicht von Euryſtheus ald Ausführung der 
befohlenen Arbeit anerfannt, weil Jolaos dem Heros dabey geholfen 
hatte. So wie nun, wenn man die mögliche Anftcht von ven Augeas⸗ 
rindern, die oben angedeutet worden, gelten laßen will, dieſe Babel mit 
der von den Geryonesrindern zufammenfält, Fünnte man für die Toͤdtung 
der Hydra auch eine Innerer Bereutung nach gleiche Zabel vermuthen, 
fo dag in ver Zahl ver zwölf Arbeiten eine wäre, welche gewiflermaßen 
als vie Doppelgängerin viefer erfchlene. Wirklich bietet die eilfte Arbeit 
im Weften, das Holen ver Geöperivenäpfel eine Schlange dar, welche 
die Aepfel bewachte und von Herakles getöbtet ward. Hierin Eönnte 
man einen Zug finden mollen, welcher ſich auf ven von Oſten nad 
Weiten in ver Barfe fihiffenden Patäken bezieht; wenigftens fehen wir 
in den Gräbern von Theben in Aegypten die Fahrt der Sonne in einer 
Barke durch die zwölf Tagesftunden vargeftelt, fo daß ſchon in ver 
zweiten Stunde Die große Schlange Apep, d. i. die Zweimalgroße, die 
Sonne bevroht, bis endlich in ver eilften Stunve, aljo kurz vor dem 
Untergang der Sonne daß Ungeheuer überwältigt wird (ägpptifche Mytho⸗ 
Iogie. ©. 142). Wollte man nun die Babel von der Hydra und die von 
der Schlange bei den Heöperiven, d. i. im Weften, ald aus jener Anſicht 
von einer die Sonne bedrohenden Schlange, die im Weften am Abend 
überwältigt wird, wie aus ihrem Keim entjprungen betrachten, jo würbe 
man grade nicht etwas Unmoͤgliches vermuthen, ob aber etwas fehr 
Mahrfcheinliches, mag vahingeftellt bleiben. Als achte Arbeit gab Eury- 
ſtheus dem Heros auf, die Roße des Thrakers Diomedes, welche Menfchen 
fraßen, zu holen. Menſchenfreßende Roße als etwas Ungeheures zu 
dichten, ſcheint der Phantaſie ferne zu liegen, der leicht Anderes, Geeig⸗ 
neteres zu Gebote ſteht. Das Roß aber war bei den Perſern der Sonne 
geweiht, weil man dichtete, die Sonne fahre in einem Wagen mit Roßen 
am Himmel hin. War in Thrakien mit einem Cult, welcher mit dieſem 
Sinnbild zuſammenhieng, ein Menſchenopfer verbunden, ſo war freilich 
für die menſchenfreßenden Roße Anlaß genug vorhanden, und eine 
bemerkte Aehnlichkeit des Melkart mit einem Sonnengotte konnte ihn 
mit deßen Roßen in Verbindung bringen, welche in ver Babel die Dich- 
tung von der achten Arbeit veranlaßte. Doch folhe Vermuthungen Fön- 
nen leicht täufchen, und es ift nicht rathſam, ihnen ſich hinzugeben. 
Wäre es doch für eine fühne Combination, vie vor Feiner Bedenklichkeit 
zurüdicheut, möglich, die dritte Arbeit, dad Einfangen der kerynitiſchen 
Hirſchkuh der Artemis, auf den Melkart zu beziehen. Diefem ſtand in 
Theben die femitiiche Geburtögdttin mit dem Sinnbild ver Katze zur 
Seite und war in Verbindung mit ihm, und wie um beßwillen bie Leu⸗ 


Moloh, Melkart, (Melikertes, Herakles). 803 


fothea als Geburtsgdttin in Beziehung zu ihm tritt in der griechifchen 
Babel, fo hätte man aud die Geburtögdttin Artemis mit ihm zufammen- 
fielen fönnen, in ver Babel angebeutet durch das Wangen ver ihr gehd- 
renden Hirſchkuh. Dermählt fi doch Herakles fogar einmal einer 
Geburtögbttin, der Auge zu Tegea (Apollopor II. 8. 4), und zeugt mit 
ihr ven Telephos, ven eine Hirſchkuh ſaäugt. Auch die fechdte Arbeit, 
bie Vertreibung der fiymphalifchen Vögel (Apollodor II. 5. 6), wäre auf 
Melkart zu beziehen nicht unmdglid, denn dieſe find die Ploaden, wie 
die Griechen ſchwere Wolken, ald Luftdurchſchwimmende, nannten; ſie 
fhießen ihre Federn von fih, d. i. Hagel, Schnee, Regengüße, und der 
am Simmel binziehende Melfart Fünnte fie wohl mit feinem Lichte beſie⸗ 
gen und verjagen, jo daß ver Himmel wieder heiter würde. *) 


*) Mit Beſtimmtheit auszufprechen, unter den übrigen Kampfarbeiten des 
Herafles ſey feine aur den fremden Gott Melkart zu deuten, wäre unvors 
fihtig, denn war einmal die Darftellung verfelben aus dem Kreis der 
urfprünglichen Idee getretten, und waltete die Dichtung frei mit dem Stoffe, 
vor Allem darauf gerichtet, einen Heros, nicht einen Gott, zu verherrlichen, 
fo konnte, wenigftens wollen wir es als möglich gelten laßen, die urfprüng- 
liche Idee fo verbunfelt werden, daß fie in der Dichtung, welche durch fie 
veranlaßt ward, verloren gieng. Einer fühnen Gombination wäre es felbft 
nichts Unmögliches, die eilfte Arbeit des Heros mit Melkart in eine Ber- 
bindung zu bringen, welche vielleicht einigen Schein für ſich Haben Fünnte. 
Euryſtheus trug zum eilften dem Heros auf (Apollovor 2. 5. 9), ven 
Gürtel der Amazonenfönigin Hippolyte am Thermodon zu holen, den fe 
von Ares hatte und welchen des Curyſtheus Tochter Admete zu haben 
wünſchte. Im Hafen von Themiffyra angelangt, fam Hippolyte zu ihm, 
fein Begehren zu vernehmen, und verſprach ihm den Gürtel zu geben, doch 
Hera, die Beftalt einer der Amazonen annehmend, regte die Menge auf 
durch das Vorgeben, man wolle ihre Königin rauben. Als Herafles die 
Amazonen in Waffen anfommen fah, tödtete er die Hippolyte, nahm ben 
Gürtel und fhiffte weg. Nun wird aber auch erzählt (auf einem Farneſi⸗ 
ſchen Basrelief), die Amazonen feyen nach Attifa gekommen, von Theſeus 
und Perithoos beflegt worden, und Thefeus habe die Hippolyte erhalten 
und mit ihr den Hippolytos erzeugt. Bei dem Heroon des Pandion war, 
wie Paufanias erzählt (1. 41.7), das Grabma! der Hippolyte. Die Ders 
fchiedenheit der Sagen, welche fonft noch flattfindet, Hat mit dem etwaigen 
innern Gehalt der Sage nichts zu thun, und fann darum übergangen 
werden. Hippolytos ſtammt alfo von der Amazone, bie von dem Roße 
den Namen hat, und er ift ein Liebling der Artemis, mit diefem Namen 
bezeichneten aber die Griechen, weil fie eine Goͤttin der Geburt und des 
Lebens war, die große allnährende, aus vielen Brüften Nahrung ſpendende 
Amazonengöttin zu Ephefos. Apollonius der Rhodier (2. 3169) fagt, von 
dem Eult der Amazonen redend, als die Argonauten dorthin gefommen: 
„ste giengen zum Tempel des Ares, Schaafe zu opfern, und flanden um 
den aus Heinen Steinen zufammengefegten Altarherd, ber außerhalb bes 


804 Moloh, Melkart, (Meliktertes, Herakfles). 


Warum die Dichtung eine ältere Zahl von zehn Arbeiten als die 
dem Heros von Euryſtheus aufzulegennen annahm, laäͤßt fich nicht mit 
Beftimmtheit jagen, fondern man kann nur vermuthen, man habe biefe 
Zahl als eine gebräudgliche wegen einer Eintheilung des Jahres in zehn 
Monate gewählt, wie 3. B. auch der troifche Kampf zehn Jahre dauert. 
Die Zwölfzahl aber ift die richtige, denn die zwblf Kanıpfarbeiten be 
Herakles find urfprünglih, da fie fih auf die Natur des Mellart grün 
den, von deßen Durdhziehen der zwölf Tagesſtunden, wie er fi) aus ven 


unbebediten Tempels war; brinnen aber war ein großer Heiliger Stein 
befeftigt, zu dem alle Amazonen ihr Gebet zu richten pflegten. Auf diefem 
Altar aber war es ihnen nicht erlaubt, Schafe oder Rinder zu opfern, fon- 
dern wohlgepflegte Roße. In diefer Stelle findet ſich flatt: großer Heiliger 
Stein, die Lesart: fchwarzer heiliger Stein (uEdas, flatt ueyag), und 
es muß biefes berührt werben, weil aus diefem Stein, der offenbar der 
Altar im Tempel war, ein fchwarzer Stein als Amazonengotiheit gemadt 
worden ift, welches Berfahren darum nicht wundern darf, weil es in diefen 
Dingen als das normale Verfahren mancher ſogenannten Forſcher erfcheint. 
Zufian (über die fyrifche Göttin 60) erzählt, daß zu Hieropolis die Jüng- 
linge den Bart weihen, und daß die Locken der Kinder bargebracht werben 
in dem Tempel der großen Göttin. Dazu bemerft er, in ganz Hellas finde 
nur in Trögen ein ähnlicher Brauch Statt, indem Juͤnglinge und Jung⸗ 
frauen vor der Bermählung ihr Haar fiheeren müßen, was feineswegs ein 
Opfer für ihn als Landesheros anzufehen ift, weil es bey andern Herven 
nicht vorkommt, fondern ihn als Befchirmer der Jugend darthut. Nehmen 
wir nun an, bie Amazonengöttin habe eine Gottheit neben ſich gehabt, wie 
die Mutter zu Theben in Hegypten den Chon, die Balinthias im kadmi⸗ 
fchen Theben den Melkart, fo würde der amazonifche Hippolytos, der Lieb- 
ling der Artemis, der ebenfo Fläglich umfommt, wie Melifertes, ver Sohn 
der Beburtsgättin Leufothea, mit dem Melkart immerhin, als ein mit einer 
Lebensgöttin vereinigter Gott, fo viel Achnlichkeit gehabt haben, um mit 
ihm verglichen und im entflehenden Falle ſelbſt gleichgeftellt zu werben, fo 
daß alsdann eine Beziehung des Melkart zu der Amazonengoͤttin für bie 
Dichtung nicht ferne lag, von welcher wir einen Nachhall in dem Zuge 
des Herafles und dem Holen des Gürtels der Hippolyte haben Tünnten. 
Daß bey der taurifchen Artemis eine ſolche Gottheit fich findet, beweift ber 
Eult der nemorenfifhen Diana zu Aricia in Italien. Zu ihr gehörte 
Virbius, welchen man als den wiedererwerkten Hippolytos betrachtete, um 
ihn in der griechifchen Mythologie zu begründen. Wenn wir bey Pauſa⸗ 
nias (1. 43. 4) lefen, zu Megara brächten die fi) vermählenden Jungs 
frauen der Iphinod, welche als Iungfrau geftorben und eine Tochter des 
Alfathoos gewefen fey, vor der Hochzeit Todtenopfer auf ihrem Grabe dar, 
und weihten ihr eine Lode, fo it mit Iphinoe urfprünglich ſchwerlich eine 
andere gemeint, als Artemis, die auch Iphigeneia, Iphianafla war, welcher 
ber Name geziemte, und bie für die Darbringung ber Locke einer Braut 
geeignet war. 


Moloch, Melkart, (Melitertes, Herakles). 305 


gedffneten Pforten des Oſt in feiner Barke nach Weſt begiebt, bon er in 
die Nacht binabgeht. 

Als das irvifche Ende des Herafled wird angegeben, daß er leben« 
dig auf dem Oeta einen Scheiterhaufen beftiegen habe, den er anzünden 
ließ, und fo verbrannte, weil ein von feiner Gemahlin Deianeira ihm 
überfandte8 Kleid ihn fchredlich zerquälte, das mit dem vergifteten Blute 
des Nefjos, eines von ihm mit einem durch dad Blut ver lernätfchen 
Hydra vergifteten Pfeil getödteten SKentauren, gefalbt worden war. 
(Apollodor II. 7. 7.) Diefe Dichtung ſcheint eine Veranlagung haben 
zu müßen, vie weiter zu fuchen ift, ald in der Deutung, ver Heros habe 
ſich durch die Flammen von dem Irdiſchen geläutert, um rein in den 
Olymp als Gott einzugehen; denn da die ganze Heraflesfabel auf Mel⸗ 
fart ald ihrer wahren Grundlage beruht, fo feheint ein fo wichtiger: 
Abſchluß verjelben und zu mahnen, nach einem Erflärungdgrund in dem: 
Weſen des Melfart umzufchauen. @inen Tod veflelben nimmt die Fabel, 
welche die ifthmifchen Spiele auf ihn bezieht, an, und diefe gelten als 
Todtenfeier, ebenfo die nemeifchen und olympifchen, welche SHeraffes: 
gründet, fowie auch die pythifchen, obgleich nicht von Herakles gegrüns: 
det, fondern dem Lichtgott Apollon gehörig, Todtenfpiele find. Vor dem 
Thore der Elektra zu Theben waren Leichenfpiele am Herafleöfefte, nachdem 
zuvor der Salinthiad geopfert worben. Eigentlich farb ver Licht» und Tages⸗ 
gott jedesmal am Abend, fobald er vie zwölf Tagesſtunden durchlaufen 
hatte, und ward am andern Morgen neu geboren, wo er denn natürlich als 
Kind erfhien. (Ebenſo ftirbt täglich einer ver Dioskuren, welche bie 
Gottheiten des Tags und der Nacht find, fo daß Feiner zugleich mit dem 
andern lebt.) igentlihe Todtenſpiele nun, follte man denken, würben 
jährlich zu Ehren des Gegenſtandes dieſer Feier gehalten worden feyn, und 
man würde fich bei ver Scheu, Gdtter mit dem, was Todte betraf, in Vers 
bindung zu bringen, Anftand genommen haben, viefe Todtenfpiele gerapezu 
auf vie Götter zn übertragen, wenn fie in Wahrheit eigentliche Ehren von 
Tandesheroen gewefen wären. Sie wurden aber nur nad) Perioden, 
nicht jährlich gefeiert, und das große Jahr, aus adıt Jahren beſtehend, 
war die Periove, welche das Maaß dazu Hergab, indem man deßen 
Hälfte wählte, die bei den Olympiſchen und Pythifchen galt (anfangs, 
fagt der Scholiaft in der Einleitung zu Pindard pythifchen Hymnen, 
fehrten fie jede Ennaeterid wieder), während bei ven Iſthmiſchen 
und Nemerfchen viefe Hälfte abermals halbirt warb, wie man vie Tris⸗ 
teris, Pentasteris und Ennaeterid ald Perioden hatte. Beierte man mit 
viefen Beften den Ablauf einer Zeitperiope und ven Anfang einer neuen, 
fo eihnete fi ihre Einrichtung für den SBeitpatäfen fehr gut, und bie 
Geier, in wie weit fle der vergangenen Periode galt, fonnte recht papend 
eine Todtenfeier ſeyn, an vie ſich aber auch, weil die neue begann, bie 

IV. 20 


2306 Moloch, Melkart, (Melikertes, HSerakfles). 


Feier des Gottes anfchließen Eonnte, welcher ver Zeit waltet und Perio⸗ 
den verleiht. Eine abgefchloßene, geenvete Zeitperiode kann unter dem 
Bilde einer Verbrennung als dahingeſchwunden dargeſtellt werben, und 
daß dieſes wirklich flattfand, fehen wir in Aegypten an der Hundäftern- 
veriode, die im Vogel Phönix perfonificirt wird, der fi, wenn fein Ende 
naht, ein Neft macht und darin verbrennt, aus deßen Afche aber ein 
neuer Phbnix entfteht. An das SHeiligthum des Ra, des Sommengotted 
zu Seliopolis, ift dieſe Phönixfabel geknüpft, und Na felbft erfcheint ala 
Batäfe, ver in der Sonne thront, der fein Ei, d. i. die Sonne an dem 
Himmel wälzt, gleich Ptah, und dieſer wird Herr der Panegyrien, d. i. ver 
Geftverfammlungen, der gefeierten Perionen genannt. *) Der Palmzweig, 
welchen ver Patäfe Chon in Aegypten, den die Griechen ven Agyptifchen 
Herafled nannten, in ver Sand hielt, ift als Iahresfinnbilo der Panegy- 
rienzweig, und da Melfart, wenn er anders mit Chon einerlei iſt, woran 
Herodot, der fih die Mühe gab, die Sache zu [unterfuchen, gar nicht 
zweifelte, ebenfall8 Herr ver Panegyrien ſeyn mußte, fo leuchtet von felbft 
ein, daß die griechifchen Panegyrien leicht auf ihn bezogen werben konn⸗ 
ten als ihren Gründer, wad nur bei ven Pythiſchen nicht ver Ball war. 


*) Berobot erzählt (7. 167) von dem Farthagifchen Feldherrn Hamikar, welcher 
gegen Gelon in Sicilien focht: Die Karchevonier erzählen, daß die Bars 
baren mit den Sifeliern von Morgen bis Abend gefochten, Amilfas aber 
(König der Karthager, Sohn eines Karthagers und einer Syrafufanerin) 
im Lager um einen glüdlihen Ausgang des Treffens geopfert habe, ganze 
Thiere auf ben Scheiterhaufen werfend, und felbft, als die Seinen flohen, 
in das Feuer geftürzt, und fo verſchwunden fey. Die Karchedonter opfern 
ihm und haben ihm in ihren Eolonieen Denfmäler errichtet, in Karchebon 
jelbft das größte. Die Verehrung eines Heros iſt in Karthago durchaus 
nicht zu erwarten, und bie Aufopferung eines Königs in ber angegebenen 
Meife unter den erzählten Umftänden unglaublich, wenn berfelbe nicht feig 
und rathlos war. Worauf ſich Athenagoras (12. 6) ſtützie, als er dieſen 
König einen Gott der Karihager nannte, wißen wir nicht; aber entweber 
iſt die Verehrung Hamilfars eine falfche Erfindung, oder er war wirklich 
ein Bott. Seinen Namen hat er von Moloch, dem Könige, und zu biefem 
paßt die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen, denn der abgelaufene Zeit⸗ 
freis wird bilplich verbrannt. Nahe lag es, was den gleichnamigen Bolt 
betraf, auf den König überzutragen. Man könnte, um ein Heroenthum 
wenigftens zu Karthago zu beweifen, die Philänen Berbeiziehen. Aber das 
bekannte Märchen von den zwei Philänen, und ihren Altären auf ber 
Graͤnze zwifchen Karthago und Kyrene, begründet feinen karthagiſchen 
Hervendienft, denn dieſer Name iſt mythiſch auf Menfchen übertragen, 
während er nur die Scheidung, Trennung beider Staaten brzeichnet, und 
bie zwei Altäre zur Andeutung der zwei anelnandergrängenden Länder diene 
ten, bie Graͤnze heiligend und unter goͤttlichen Schutz ſtellend. 


Moloch, Melkart, (Melitertes, Herakles). 8307 


Was es mit ver Todtenfeier der Heroen bei dieſen Panegyrien auf fi 
babe, zeigen grade dieſe letzten fehr veutlih, denn fle find Spiele zu 
Chren des getödteten Python, eined Drachen, den Apollon erlegte, und 
von deßen Mord er fich in Kreta durch Chryfotbemis reinigen ließ, was 
fonft bei Uingeheuern nicht nöthig war. Andere verfuchten fogar bei 
Python zu einem Menfchen zu dichten, welchem man freilich mit mehr 
Fug hätte Toptenfpiele halten Eönnen. Da Delphi dem Apollon gehörte, 
und ver Sieg deflelben über ven Python an dem Panegyrienfeft gefeiert 
ward, fo unterlieg man ed, den Herakles einzumifchen, und doch miſchte 
man ben Diomedes ein, von welchem Paufanias (MI. 32. 2) angiebt, er 
habe zuerft den Apollon den pythifchen Wettkampf gegründet. Zeitperiv⸗ 
ven aber, größere und Eleinere, zu feiern und durch ſinnbildliche Hand» 
lungen abzufchließen und zu bezeidmen, war etwas fehr Verbreiteteß, 
und Fam häufig vor. Don den Mhobiern 3. B. meldet Feftus (Artikel 
Detober): Sie werfen jährlid; dem Sonnengstte geweihte Biergefpanne 
in das Meer, meil verfelbe auf einem ſolchen Wagen vie Welt umfährt. 
Es war alſo ein Iahresfeft, an welchem das alte Jahr finnbilpfich als 
ein vergangened weggeichafft ward. 

Herakles erfcheint in Lydien bey Omphale, der dortigen Königin, 
in Weichlichkeit und Ueppigkeit, und vermwechfelt die Kleidung mit ihr. 
Johannes der Lydier in feiner Schrift über die röomiſchen Obrigkeiten 
(11. 64) fagt, Herakles Sandon Habe ein röthliches Gewand, wie es 
die Lydierinnen trugen, mit Sandyr gefärbt, angehabt; Agathias aber 
meldet im zweiten Buch, es werbe überliefert, Herakles habe bei den 
Perſern Sande geheißen. Wäre Sandes over Sandon wirklich perftfchen 
Urfprungd, dann würde an ven Melkart nicht zu venfen feyn; doch iſt 
auf diefe Angabe nicht zu bauen, denn es kann dad perſiſche Reid 
gemeint feyn, in welchem Gottheiten anderen als perſiſchen Urfprungs 
zu finden waren. Der fyrifhe König, welcher nach Kilikien geht und 
Kalenverid gründet, wird Sandakus genannt, welcher Name wenigftend 
dem Klange nach Nehnlichfeit mit dem des Sandon ober Sandes hat. 
Die Verkleidung eined Mannes in ein Weib fiheint in eine Feier ber 
Naturreligion zu gehören, und folche Verkleidung ift im Moſaismus ver⸗ 
boten, noch bei Melkart if nichts befannt, was und veranlaßen koͤnnte, 
diefen fogenannten Sandon= ober Sanved= Herafles im Frauenkleid und 
in Weichlichkeit verfunfen für ven Mekart⸗Herakles zu halten, und ihm 
femitifchen Urfprung zuzuſchreiben. Cher Tönnte man an eine Form 
sed Dionyſos, des Weichlings im Safranfleive, denken, auf welchen 
Alles paßen würde. Nur ift nicht abzufehen, wie man zur Verwech- 
felung des Sandon mit Herafles gefommen wäre, da Dionyſos fo befannt 
war. Dazu kommt, dvaß Mellart nie als androgynes Wefen erfiheint, fo 
daß Hiefer Sandon, worin man den Herakles erbliden wollte, eher ver 

20* 


308 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 


androgyne Gatte der großen Mutter geweſen feyn möchte, gleich einem 
Adonis, Atted, einem weichlichen Ninos, und daß man ven Melkart, als 
den der großen Lebensmutter Verbundenen mit dem ebenfalld der großen 
Bdttin verbundenen Sandon verglich, denn bei den Griechen reichte ein 
ſolches Verhältniß vollkommen hin, um ſolche Zufammenftellungen und 
Spentifteirungen zu bewirken. Bei dem Heraklesfeſt der Antimachien auf 
Kos, welches im Brühling gefeiert ward, legte der Priefter, wie Plutarch 
in den griechifchen Fragen (58) angiebt, ein Frauenkleid an, fo daß 
alfo ein androgynes Verhältnig auf Melfart übertragen felbft in ven 
Tult Eingang gefunden hatte. Herakles hatte ſich, ſo gab die Legende 
an, bei einer Thrakerin in einem Weiberkleid verſteckt, als er von den 
Meropen hart bedraͤngt ward, und that daher zum Andenken daran, als 
er ſich mit der dortigen Königstochter Chalfiope vermählte, ein blumiges 
MWeiberkleivd an, woher ver Brauch flammte, daß die Bräutigame auf 
Kos ihre Bräute in Weiberkleidern empfangen. Hier ſehen wir das 
Fremde des Cults durch die Thraferin angedeutet, wie in dem Moloch⸗ 
eult zu Erythrä. Daß ihm auf Kos auch Todtenopfer dargebracht 
wurden, ſtimmt mit den Todtenopfern das Melkart vollkommen überein. 
Euſebius in ver Ehronif (497) ſagt, die Phoniker benennten ven Herakles 
mit dem Beynamen Deſanaus, und ſo werde er noch bei den Kappadokern 

und Iliern genannt (für Deſanaus kommt aber auch vor: Deſinas, 

—* Definaus, Doſinaus, Deſonaas). Synkellos aber bemerkt, 
deralles heiße bei den Phönifern Diodas, und werde noch fo genannt 
yon den Kappapofern und Iliern. Da wir in biefer Verwirrung der 
verſchiedenen Formen eines Namens gar nicht wißen, welche die rechte, 
oͤder ob eine von allen angegebenen die rechte ſey, ſo kann uns dieſe 
Angabe des Euſebius nicht zu einer Vermehrung unſerer Einſicht in das 
Weſen des Melkart dienen. Die Amathufler auf ber Inſel Kypros ver⸗ 
ehrten den Serafles, fagt Heſychius, unter dem Namen Malifa, *) 
d. i. Moloch ohne ven Zuſatz, weldher in Melfart enthalten ift. 

Als Abwehrer ver Heufchreden verehrten die Detier den Herafleß, 
und als Vertreiber ver Weinftodwürmer die Erythräer, wie Strabo (613) 
melbet. Wenn wir nicht von Erythrä wüßten, daß der Melkartcult dort 
geiwefen ‚ müßten wir boch in dem Abmehrer der Würmer venfelben 
erkennen; denn bie Richtgottheiten fenven ſchädliche Infecten, Mäufe und 
dergleichen, und man fleht zu ihnen um Abwehr verjelben, wie auch 
Zeus, ver Himmelsfünig, felbft von den Griechen als Mückenabwehrer 
angerufen warb, und Baal bei ven Semiten als Baalſebub in gleicher 





“m Balls dieſes nicht ein Accuſativ von einem Nominativ Malix feyn ſoll, wie 
es wahrſche inlich if. 


Moloch, Melklart, (Meliktertes, Herakles). 309 


Eigenſchaft. Daß aber dem Herakles die warmen Quellen geweiht 
waren, geht nicht auf Melkart, fonvern betrifft ihn als einen ver idäiſchen 
Daktylen, die mit den Patäfen nichts gemein haben. Doch Eönnen wir 
und der Frage nicht erwehren, wie man dazu gefommen, aus Herakles 
einen idäiſchen Daftylen zu dichten, mozu ver Heros Herakles fo wenig 
geeignet ift, daß man vie Möglichkeit einer folchen Dichtung nicht begreift, 
fo daß wir annehmen müßen, man babe aus Melfart einen Daktylen 
gedichtet. Ueber die Daktylen waren die Alten in ihren Angaben nicht 
einig. Wir Iefen bei dem Scholiaften zu Apollonios dem Rhodier 
(zu V. 1126 und 1131) folgende Nachrichten als Erläuterung zu den 
Verſen: Sie (die Argonauten) riefen die Mutter, die dindymiſche, an, die 
Einwohnerin Phrygiend, und zugleich ven Titias und Kyllenos, die allein 
die Schickſalslenker und Benfiger ver idäiſchen Mutter find, fo viele ed 
fretifhe, ipäifche Daftylen giebt, die einft die Nymphe Anchiale in der 
piftäifchen Grotte hervorbrachte, mit beiden Händen Dearifche Erde raffend, 
Hierzu nun bemerft der Scholiaft: Der Dichter folgt dem Menandros, 
welcher fagt, daß die Milefter, wann ſie ver Rhea opfern, zuvor dem 
Titia8 und Kyllenos opfern. Kalliftratos im zweiten Buche feiner Geſchichte 
Herakleia's fagt von Titiad: Er ift ein einheimifcher Heros, den die Einen 
zum Sohne des Zeus fabeln, die Anderen zum älteren Sohne des Kim⸗ 
merierd Mariandynos machen, durch welchen das mariandymiſche Volt zu 
Glück und Seegen gelangte, und der von demfelben dafür vergdttert 
ward. Ihre Abkunft von Anchiale nahm er von Stefimbrotos, ver angab, 
fie feyen Daftylen, d. i. Finger, genannt worden, weil fle durch ihre 
Finger geglitten. Sophofles aber nannte fie Phrygier. Weiter heißt es: 
Der iväifchen Daktylen ſollen es ſechs und fünf geweſen ſeyn, von welchen 
die rechten männlich, die linken weiblich ſeyen. Pherekydes aber ſagt, 
der rechten feyen es zwanzig, der Iinfen zwei und dreißig. Sie waren 
aber Zauberer; und fie follen die erften Eifenarbeiter und Bergwerker 
gewefen feyn, und iväifche hießen fie von ihrer Mutter Ida. Die Linken 
waren, nach Pherekydes, die Zauberer, die Rechten aber, nad) Hellas 
nikos, die Zauberlöfer. Andere fagen, fie wären iväifche Daktylen genannt 
worden, weil fle, im Idagebirg mit Rhea zufammentreffenn, vie Göttin 
bewillfommt und ihre Singer berührt hätten. Mnaſeas aber im erften 
Buch über Aften giebt an, ven Namen hätten fie von ihrem Vater 
Daktylos und ihrer Mutter Ida. Der Dichter der Phoronid aber fchreibt: 
Wo die Zauberer, die Ipäer, die phrygifchen Männer wohnten, Kelmiß, 
Damnameneud ver Große, und der übermächtige Akmon, vie Funftge- 
ſchickten Diener der Berggdttin Adraſteia, die zuerft in ven Bergthalen 
nie Kunft des Kephäftos, das dunkele Eifen in das Feuer zu bringen, 
erfanden, und fchöne Werke machten. Heſtod bei Clemend dem Alexan⸗ 
driner in den bunten Schriften (1. ©. 132) nannte einen derſelben Skythed, 


310 Moloch, Melkart, Melikertes, Herakled). 


einen Phrygier, der das Eiſenſchmelzen erfunden (den Stahl nannte man 
ſtythiſch). Strabo (10. 3) meldet: Die am Fuß des Ida hauſenden 
erſten Bewohner ſollen idäiſche Daktylen geheißen haben, gleichſam an 
den Zehen des Berges wohnend. Sophokles aber meint, es habe zuerſt 
fünf maännliche gegeben, die das Eiſen und feine Bearbeitung und vieles 
für das Leben Nügliche erfanden, und fünf Schweftern verfelben, und 
fle ſeyen nach ihrer Zahl Finger genannt worden. Andere fabeln auf 
andere Weife, Ungewißed mit Gewißem verfnüpfenn, und nehmen ver- 
fhievene Namen und Zahlen an, ald Kelmis, Damnamenend, Herakles, 
Akmon, und die Einen nennen fie einheimifch am Ida, die Andern ein- 
gewandert, Alle aber flimmen überein, daß fie zuerft Eifen im Ida 
bearbeitet haben. Auch nehmen Alle an, daß fie Zauberer gewefen, daß 
fie der Söttermutter angehört und am Ida in Phrygien gemohnt hätten. 
Abkoͤmmlinge von ihnen follen die Kureten und Korybanten feyn, und 
bie erften Hundert Männer in Kreta feyen Daftylen genannt worden, von 
ihnen flammten neun Kureten, und jever berfelben babe zehn Kinder 
erzeugt, die man bie idäiſchen Daftylen genannt babe. *) 

Als Rhea den Zeus gebohren, erzählt Paufaniad (5. 7. 4.), gab 
fie das Knäblein ven idäiſchen Daktylen und den Kureten zu hüten. 
Diefe kamen vom Fretifhen Ida nach Elis, nämlich Herakles, Päonäos, 
Cpimedes, Jaſos und Idas. Herakles, der Aeltefte verfelben, veranfaltete 
einen Wettlauf, und fo ward er der Urheber ver olympifchen Spiele, vie 
alle fünf Jahre gefeiert wurben, weil e8 fünf der Brüber waren. Der- 
ſelbe melvet (5. 14. 5), daß Herakles unter vem Namen Beyſteher einen 
Altar zu Olympia gehabt, ebenfo feine Brüder, daß aber ber Altar des 
Jaſos auch der des Akeſtdas genannt werde. Wir ſehen alſo bie Finger 
der Hand als Eifenfünftler im Idagebirg perfoniflcirt, und dieſelben auch 
au Bauberern und geſchickten Heilfünftlern gebichtet, auf welches Letztere 
fi die Namen Päonäos, Jaſos und Akeſidas beziehen, welche alle drei 
den Heilenden bezeichnen, währenn Cpimedes den Welfen im Allgemeinen 
bezeichnet. Die ervichteten tnäifchen Metallkünſtler, die zugleich Heil⸗ 





Diodor (5. 64) erzählt: Die erſten Einwohner Kreta’s am Ida waren bie 
fogenannten iväifchen Daftylen, die Manche zu hundert angeben, Andere 
zu zehn nach der Zahl der Finger. Manche, darunter Ephoros, fagen, fle 
feyen yom Ida in Bhrygien mit Minos nad Buropa gegangen, feyen 
Zauberer geweſen, die Befcgwörungen, Weihen und Myſterien gebflegt, 
und, auf Samothrafe weilend, Staunen erregt hätten, wie auch Orpheus 
ihe Schüler gewefen fey. Auf Kreta hätten fie den Gebrauch des Feuers, 
wie den bes Erzes und Eifens im Lande der Apterier am Berekynthos 
erfunden, und einer berfelben, Herafles, habe das olympifche Kampffpiel 
eingefeßt. Die Frauen aber fangen noch mit diefes Heraklles Namen 
Beſchwoͤrungen an uns binden YUmulete um. 


Moloch, Melkart, (Meltkertes, Heraklee). 811 


künſtler ſind und Zauberer, gehören als mythiſche Diener der groflen 
Bergmutter in Phrygien an, weil das Metall aus dem Ida gewonnen 
wird, welcher ihr als eigen gilt, und wie die kretiſchen Diener des Zeus, 
die Kureten, mythiſche Diener wurden, fo auch dieſe Daktylen, denen eine 
göttliche oder daͤmoniſche Bedeutung, ald in ihrem Weſen begründet, 
zuzufchreiben und nichts berechtigt. Bey einem folchen Verhältniß brängt 
ſich und vie Frage auf, wie ed möglich geweien fey, ven Herakles zu 
einem idäiſchen Daktylos zu dichten. Als Heros eignete er fich nicht 
dazu, ba weder Schmiebearbeit, noch Zauberei und Heilkunſt mit dem 
Heroenthum etwas gemein haben. Ebenſo wenig konnte man in Melt« 
fertes einen Schmied oder Arzt erbliden wollen. Da man ihn deßen 
ungeachtet unter vie Daktylen gerechnet hat, fo ift dies nur erklärher, 
wenn wir annehmen, er fey auf vemfelben Wege Daktylos geworden, wie 
er zum androgynen Sanvon, dieſer Form der Adonis⸗ ober Attesb⸗Idee 
ward. Melifertes war der großen Lebensmutter verbunden, die wir in 
Theben als Galinthias erbliden, und wollte man ihn nach Phrygien und 
Lydien übertragen, jo mußte er eine dort bekannte Stellung zur daſigen 
großen Goͤttin einnehmen. Auf viefe Weile ward er der androgyne 
Sandon, weil derfelbe mit der großen Mutter verbunden war, und man 
ihn alfo an deßen Stelle fchob. In Phrygien hatte die große Mutter 
auch einen Liebling, um deßen Tod der Ruf nach Hylas Flagte und der 
Lityerfed= und Bormod = Gefang, vaneben aber noch einen in enger Ver⸗ 
bindung mit ihr flehenden Gott, welcher bey ven Marianpynern unter 
dem Namen Titias verehrt ward, wie denn auch Apolloniod der Rhodier 
in der oben angeführten Stelle fagt, Titiad und Kyllenos ſeyen unter 
ven Daktylen hie einzigen Moirageten und die Benfiger der idäiſchen 
Mutter, denen, wie ber Scholiaft angiebt, vie Milefter am Welle ver 
Rhea zuvor opfern, und fo war es natürlidh, wenn man ven Melikertes 
mit ihr verbinden wollte, ihn zu ihrem Beyſitzer zu wachen, wie fie ſchon 
einen batte. Hatte man nun dieſen fchon, weil man ihr mythiſche Dak⸗ 
tylen gevichtet hatte, zu einem Daktylos gevichtet, fo Tonnte es nicht 
feblen, daß auch Herakles-Melikertes ein folder warb, indem man 
meinte, jeder in enger Verbindung mit ihr Stehende müße ein Solcher 
fen, was aber gar nicht auf dad Weſen bed fo Benannten fich zu 
beziehen brauchte, fondern nur das äußere Verhältniß betraf. Daß 
Hexrakles ven Hylas als feinen Liebling mitgebracht Haben fohte in jene 
Gegend, verträgt fich recht gut mit der Annahme, daß Melfart in Vers 
bindung mit ver großen Mutter kam in der Beveutung, die ibm neben 
ver Lebensgbttin eigen if. Da man ihn aber unter bie. Daktylen .einges 
reiht hatte, fo. wurde er auch ein Heilgott, und es gehörten ihm bie 
warmen Heilquellen. Herodot (7. 176) meldet von einer foldden in ben 
Ahermopplen: in biefem Eingang finden ſich warme Ouellen, von bey 


312 Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 


Einheimifchen Chytren, d. i. Kochtöpfe, genannt, wobei ein Ultar des 
Herakles fteht, und Diodor (5. 3) erzählt, Athene habe zu Himera tn 
Sicilien dem Herakles zu Liebe die warmen Quellen erdffnet, und dieſer 
Göttin fehrieb auch Pifanvder die warmen Quellen in den Thermopylen 
zu, daß fie ſolche naͤmlich zu Gunften des Herakles gefchaffen, wie der 
Scholiaſt zu des Ariftophanes Wolken (1050) angiebt. (Als von einer 
ganz befannten Sache fprechen von ven herakleifchen Bädern Athenäus 
Seite 513, Heſychius, Strabo Seite 172. Wenn Plutarch den Herakles 
als einen Auffinder und Leiter der Quellen angiebt, fo tft das eine 
Ausdehnung der Sache, vie äußerlich ‚hinzugetreten ifl.) Ob man bie 
Daktylen ald Künftler zu Aerzten und SHeilzauberern gemacht, oder ob 
man warme Mineralquellen als ihnen gehörig betrachtet habe, weil fie 
über Metalle und das Innere ver Berge walten, und ob man fie darum 
zu einer Art Heildaͤmonen gevichtet babe, Eünnen wie nicht mehr mit 
Gewißheit beftimmen. 

- Wie wir nun den Melikertes zu der phrygiſchen Göttermutter als 
Wwäifchen Daktylos geſellt fehen, fo erfcheint er auch in Bootien ver 
"Demeter zugegeben. Paufanias (9. 19. 5) erzählt: An ver Seefeite von 
Mykaleſſos ift das Heiligthum der myFalefftfchen Demeter, von dem man 
fagt, daß es für jede Nacht von Herakles verfchloßen und am Morgen 
wieder gedffnet werde; dieſer Herafles aber ſey einer von ven jogenannten 
idaͤiſchen Daktylen. In dieſem Tempel zeigt man au ein Wunder, man 
legt naͤmlich die Früchte des Herbſtes vor die Füße des Gbtterbildes, 
und dieſe bleiben dad ganze Jahr hindurch ganz frifh. In Arkadien, 
meldet Paufaniad (8. 31. 1), zu Megalopoli fand fi vor ver Bild- 
fäule der Demetes Herakles eine. Ele groß, der ein idaäiſcher Daktylos 
geweſen feyn fol, wie Onomakritos fagte. Eine Vereinigung des iväifchen 
Daktylos Herakles mit Demeter ift fo auffallend, dad man fie Faum 
begreifen Fann, wenn man nicht annimmt, man habe diefed Verhältniß 
von Rhea entlehnt, mit welcher man in Böotien in nicht gar. fpäter Zeit 
die Demeter zufammenzuftellen anfleng ; venn in dem fogenannten homeri⸗ 
fen Hymnus auf Demeter finden wir ſchon Rhea um diefe Göttin 
befhäftigt, und Rhea war mit ver großen Göttin in Phrygien ſchon in 
der Sage von den idäiſchen Daftylen auf Kreta. für Eind genommen 
worden. Wir brauchen um fo weniger Bedenken zu tragen, an eine 
folhe Vermiſchung des Demetercultd in Bbotien und zu erinnern, ale 
wir daſelbſt auch ohnweit Theben eine Eabeirifche Demeter finden, und fo 
auch anderweitigen Einfluß auf ven Cult viefer Gbttin in jenem Lande 
finden. Eigen aber ift vie Befchäftigung, welche. von Herafles zu Myfa- 
leſſos gemeldet wird, denn fie befchränkt fich auf einen bloßen Tempel- 
dient. Zu Rom fand am ein und zwanzigften December ein gemein- 
fames Opfer der Ceres und ned Hercoles Statt, beftehend in einem 


Moloch, Melkart, (Melikertes, Herakles). 313 


traͤchtigen Schwein (welches finnbilplich die Sruchtbarfeit bezeichnete), in 
Broden und in Meth, wie Macrobiud (3. 11) angiebt. Wann viefe 
Verbindung von Hercules mit Ceres entſtand und wer fle einführte, 
wigen wir nicht, finden aber ven Melfart= Herafleömythus in ziemlicher 
Ausdehnung in Italien. In dem griecdhifchen Mythus fchifft, wie wir 
oben gefehen haben, Herakles in dem Kahne des Helios, und dieſen 
Kahn faßte man, fen ed, weil Aehnlichfeit ver Form ven nämlichen 
Namen für Kahn und Becher veranlaßte, fey es, daß bildliche Darftel- 
lung die Bermwechfelung bewirkte, wiemohl das Erftere wahrfcheinlicher ift, 
als Becher auf. So leſen wir bei Macrobius (5. 21): Der Skyphos 
des Hercules ift ein Becher, ven Hercules aber ftellen die alten Bilpner 
nicht ohne Grund mit einem Becher dar, und zuweilen ſchwankend und 
trunfen, nicht allein weil er ein trunffücdhtiger Heros geweſen feyn fol, 
fondern auch, weil eine alte Gefchichte fagt, Hercules fey in einem Becher, 
gleich wie in einem Schiffe, durch den Wind über das unermeßliche Meer 
gefahren; Panyaſis und Pherekydes jagen dieſes, daß er in einem Becher 
nach Erytheia gefchifft fey, ich glaube jedoch, es fey ein Schiff gewefen, 
das Skyphos hieß, da mehrere Bechernamen auch Schiffönamen find. 
Sp weit Macrobiuß, der in demſelben Capitel meldet, Pherekydes erzähle, 
Jupiter babe ver Alkmena, als er den Hercules mit ihr erzeugte, einen 
goldnen Becher gefchenkt. Dieſes Geſchenk zeigt, wie ver aus dem Kahn 
der Sonne entſtandene Becher in dem Heraklesmythus viel beachtet war; 
denn biefer bat die Dichtung von jenem Gefchenf veranlaßt. Auch nad) 
S$talien kam diefer vermeiutlicde Becher, denn Servius (8. 278) melpet, 
e8 werde in alten Schriften berichtet, Hercules habe einen fehr großen 
hölzernen Becher nach Italien gebracht, ven man gegen ven Wurmfraß, 
mit Harz überzogen, aufbewahre, und ferner (12. 528) meldet er, daß 
bie Priefter des Hercules bei ven Sabinern Cupenci hießen, was wir durch 
das Wort Becherer zu überfegen berechtigt find. Sowie nun aus dem 
menfchenverfchlingenvden Melkart oder Moloch die Dichtung von dem Viel- 
eßer Herakles Fam, jo aus dem im Kahn fahrenden die Dichtung vom Becher 
und daraus ganz natürlich die von dem trunfgierigen Heros, und daß 
er den Mundſchenk Kyathos, d. i. Becher, bei Dineus, d. i. Weinmann, 
fhmaufend erjchlägt, und ihm ein Seiligthum, alfo ein Becher - Heilig- 
thum, des Serafled errichtet, gehört in dieſen Mythus. *) Bey ver 


*) In Rom Enüpft fieh an die Sinführung des fremden Eults, die man mit 
dem Zuge von Erptheia nach Sicilien und den Rindern verband, eine 
Legende, welche diefe Ginführung als einen Streit darſtellt. Vulcanus' 
Sohn, der feuerfbeiende Cacus, raubt einige diefer Rinder, Hercules 
erihlug ihn, erbaute den fogenannten größten Altar, bei welchem dann 
das Volk oft bewirthet ward, und dem man ben Zehnten weihte. Zwei 


3a „Molsh, Melkart, (Melitertes, Heraklet). 


Hereuledfeier der Ara Marima was man unbebedten Haupts, wie Macro- 
bins (3. 6) meldet, während der rbmifche Gotteövienft beim Opfer Ver⸗ 
hüllung des Haupts erheifchte.e Ebenfo war es bei dem Dienfte des 
Saturnus, wie Servius zur Aeneive (3. 407) angiebt (welcher aber ven 


Arten Priefter beforgten ihn, die Potitier, d. i. die Mächtigen, unb bie 
Pinarier, d. i. die Dürftigen, fo, daß er alfo zwei Claſſen ver Staats⸗ 
gefellfchaft vereinigte. Barca, des Cacus Schwefler, war die Goͤttin bes 
immerwährenden Feuers, gleich Veſta (römifche Mythologie ©. 54), und 
da das Feuer des Herbes das Heilige Unterpfand des Staatsbeflandes, wie 
bes häuslichen Lebens war, fo müßen wir in Cacus den Feuergott in 
diefem Sinne erkennen, fo daß jene Sage den Sag enthält, das Wiber- 
fiteben ber beftehenden Geſellſchaft, durch Cacus, als den Mittelpunkt des 
Staats dargeftellt, wird beflegt, und die frembe, niedrigere Claſſe ber 
Mellarts Herculesverehrer erwirbt ſich gleiche Berechtigung in Rom. Ber- 
geblich müßen freili unfere Bemühungen bleiben, über bie Ginführung 
des Herculesdienftes in Italien zu einer beſtimmten Anficht zu gelangen, 
woher er Fam und wer ihn einführte;, denn die Nachrichten find zu dürftig 
und zu unbeflimmt, fo daß wir nur rathen, aber nicht wißen Fönnen. 
In Tibur find Salier des Hercules, und Tibur galt für eine Golonie der 
Argiver, zu Rom aber gehören die Argiver, von denen bas Todtenfeſt der 
Argeen gefeiert warb, zu Hercules. Juno war zu Falerii eine der argi- 
vifchen Hera gleiche Göttin, deren Zufammenhang mit dieſer nicht geläugnet 
werden fann, und da Herafles mit Hera in Verbindung fland, weldje die 
freie griechiſche Dichtung zu einer Feindſchaft machte, ſo fragt es fidh, 
ob nicht der Herculesbienft in Verbindung mit dem Junodienſt nach Italien 
gewandert fey. @s fehlt an Hülfsmitteln, über ſolche Eulteinführungen 
in jenes Land mit Sicherheit zu urtheilen, doch ift es nicht unwahrſcheinlich, 
daß dieſes gefchehen. Wäre vielleicht der Bejovis, der Kleine Gott mit 
dem Pfeil, der Patäfe Hercules mit dem Pfeil; denn ein Eleiner Jupiter 
mit dem Pfeil auf dem Bapitol bleibt eine fo feltfame Sache, daß man 
ſich des Zweifels nicht erwehren fann. Der faturnifche Hügel wäre daun 
auch recht gut ein Afyl gewefen, wo der fremde Bott die Fremden geſchützt 
hätte. Ueberhaupt dürfte der Heine Zeus oder Jupiter nicht griechifchen 
und römifchen Urfprungs feyn, fondern der Eleine Gott nur als ein Höchfker 
Beus oder Jupiter genannt und ihm angeähnlicht worden jeyn; denn bie 
Kindheit paßt zu einem Bater der Götter und Menfchen nit. In Kreta 
tft ber fremde Einfluß unläugbar, und dort war der Feine Zeus zu Haufe, 
und dort gab es ein Grab des Zeus, was doch allein auf einen Gott paßt, 
welcher dem Dionyfos oder Adonis ähnlich iſt. In Rom, wo der Molochs⸗ 
eult unläugbar ift, tritt der Vejovis wenig hervor, und in Anrur hatte er 
Strahlen um das Haupt, die wenig für den Supiter, aber gleich den 
Pfeilen trefflich für den Moloch paßen. Auch die Patera, die er hatte, 
und die fich nirgends gehörig für Zeus ober Jupiter eignet, könnte aus 
dem Molodh = Herakless Becher, dem Schiffe, worin der Patäfe führt, ent: 
Banden feyn. 


Moloch, Melkart, (Melikertes, Heraklet). SLS 


Tempel des Hercules flatt der Ara Marima nennt). Ja, es fcheint fogar 
ein eigener Ausdruck für dieſe Hauptentblößung beftanden zu haben, denn 
wir lefen bei Paulus Diaconus (10. ©. 88): Licht machen heißt es 
von Denen, weldhe dem Saturnus opfern, was bedeutet; dad Haupt 
entblößen. Macrobius (1. 8) fagt: Man Habe dem Saturnus mit 
unbedecktem Haupt geopfert, weil es zuerft fo von den Pelasgern und 
dann von Hercules geſchehen fey. Veftus fagt (14. 28. ©. 132): Es 
deute biefer Brauch auf die Zeit vor dem trojanifchen Krieg, und bezeugt 
biefen Brauch ferner noch (15. 18. ©. 150). Es ift wohl Faum zu zwei⸗ 
feln, daß Saturnus, in fo fern ihm dieſes galt, init Hercules» Melfart 
eins war, d. i. daß man ven Melfart Saturnud nannte, wie man ihn 
in Griechenland Kronod nannte. Die Menfchenopfer des Saturnus, 
welche Hercules abfchafft, find dann die Molochäopfer, die dem Saturnus 
fo gut, wie dem Hercules gehören, und durch Milderung abgefchafft werden. 
Cyrillus in feiner Schrift gegen ven Apoſtaten Julianus (4. ©. 128) fchreibt, 
zur Zeit des Aberglaubens jenen bey den Nömern zu feftgefegten Zeiten 
Gladiatorenfpiele gemwefen; ein gewißer Kronos (aljo Saturnus, da, wie 
die Gladiatoren zeigen, von Rom die Rebe ift) fey dabey unter ver Erde 
verborgen worven, den Mund unter dvurchlöcherten Steinen aufjperrend, 
um fi) mit dem Blute der Fallenden zu bejubeln. Freilich fteht viefe 
fpäte Nachricht völlig vereinzelt da, und Fann darum leicht verbächtig 
ſeyn, da ein folhes Verfahren ja auch den andern Kirchenfchriftftellern 
ſehr willfommen zu ihrer Verſpottung des Heidenthums geweſen wäre, 
Wir hören auch niemals, außer bey Lactantius (6. 20), daß die Gla⸗ 
diatorenſpiele mit Saturnus in Verbindung ſtanden, und die Kirchen⸗ 
ſchriftſteller reden in Rom nur von den Menſchenopfern des Jupiter 
Latiarid an dem Belt ver Latinerferien, vie aber Feine Menſchenopfer im 
wahren Sinne des Wortes waren, denn die Kimpfer mit wilden Thieren, 
die Beftiarii, find gemeint, wie Tertullian in der Apologie (9) auds 
drücklich angiebt, ſowie auch Minucius Felix (30. 4) fagt, ver Gott 
labe fih an dem Blute eines ſchlechten und fträflichen Menſchen, und 
Beide nennen ed nur ein Homicidium, eine Menfchentöbtung; aber es 
war doch nur die eines von Rechtswegen zum Tode verurtheilten Mißes 
thäterd. Ob überhaupt dem Iatiarifchen Jupiter je Menfchenopfer dar⸗ 
gebracht wurben, ift ebenfo unerwiefen, als unermeislih. Als möglich 
fann man es gelten laßen, wir mißen ed aber nicht, da Niemand es 
bezeugt. Daß man aber ven Gräuel der Menfchenopfer in ver Weife 
milverte, wie er in Betreff des Iatiarifchen Jupiters gemildert worden 
wäre, wenn biefer früher Menfchenopfer erhalten hätte, nämlich durch 
die Darbringung eined verurtheilten Mipethäters, zeigt ſich gerade bei 
Kronos auf Rhodos, wo laut Porphyrius (über die Enthaltfamfeit 2. 54) 
am ferhsten Juli dem Gott ein Menſch geopfert wurde, ber, zum Tone 


316 Moloch, Mellart, (Meliktertes, Herakles). 


verurtheilt, zum Opfertage aufgefpart ward, und zum Tempel ver 
Ariftobule geführt, mit Wein getränft und getöntet wurde. (Diefed hatte 
freilich die gehörige Form des Opfers, die Thierfämpfer am Jupiterfeft 
erinnern nicht einmal an ein eigentliches Menfchenopfer.) Der Schein 
wenigſtens ift vorhanden, daß der nad Rom gedrungene Molocheult auf 
Saturnud Einfluß Hatte, und daß mie Kronos und Herakles nebfl 
Melikerted in Griechenland, fo Saturnus und Herculed in Rom, Erfterer 
zum Theil, Letzterer ganz dem fremden Einfluße angehörte. Das Son- 
nenfhiff gehörte dem Patäfen, der zu Herluled ward, und ein Schiff 
zogen auch die Römer in vie Sage ded Saturnud. Janus, fo heißt e8 
bey Macrobius (Saturn. 1. 7), nahm den zu Schiff nad Italien kom⸗ 
menden Satumud auf, lernte von ihm Feldbau, und entfernte dadurch 
den wilden Zuſtand. Zum Danf theilte er die Herrfchaft mit ihm. Da 
er zuerft Geld prägte, zeigte er auch dabey Verehrung des Saturnug, 
indem er auf die eine Seite des Geldes das Bildniß feines eigenen Kopfes, 
auf der andern ein Schiff darftellen Lie, weil Saturnuß auf einem 
Schiff gefommen war. Mag viefed nun eine Deutung oder nicht ſeyn, 
jo erjehen wir zum mwenigften daraus, daß man den Saturnus mit dem 
Schiff in Verbindung bringen zu dürfen glaubte, und da dad Aerarium 
al3 dem Saturnus geweiht galt, fo ift e8 um fo natürlicher, daß man 
das Schiff auf dem Gelve auf ihn bezog. Seine Ankunft in Italien zu 
Schiffe ift nur eine hiſtoriſche Erklärung, welche aber die Sache nicht 
erflärt, da fie eben nur zur Deutung des Schiffes erfunden if. Hatte 
aber der phönififche Gott Einfluß auf ven italifhen Saturnusmythus 
und Eult, wie in Griechenland er als Kronod galt, der ja mit Saturnus 
ganz einer und derſelbe Gott feyn folte, dann Fonnte recht gut das 
Sonnenſchiff auf das Geld geprägt werden, und lernte man durch den 
fremden Gott, vd. h. von Denen, die ihn einführten, das Prägen des 
Geldes, fo erklärt fich die Sache vollfommen, und es gehört alsdann 
dad Aerarium dem Saturnus mit allem Recht. Die Lua, vie Göttin, 
oder Perfonification der Buße und Zahlung, ward, wie Gelliud bemerkt, 
in Gebeten ald die Lua des Saturnus angerufen, und wenn wirfli dad 
Geld fo ganz und gar, wie e8 der Fall zu feyn jcheint, an den Saturnus 
geknüpft war, fo ift dieſes Verhältnig ganz natürlid. Die Saturnalien 
tragen auch eigentlich nicht den Charakter des Erndtefeites, fondern eines 
Beitperiobenfeftes, und zwar eines Jahreöfeftes, welches ven Schluß des 
Jahres feiert, und da es die Zeit zum Gegenftann hat, am richtigften 
dem Zeitgotte gehört. Wichtig würde ed für die alte italifche Gefchichte 
fegn, wenn wir im Stande wären, Zeit und Umftände ver Einführung 
„ des ſemitiſchen Gottes zu ergründen; wir vermögen dieſes aber leider 
nicht, fondern find ganz im Dunkeln über dieſen Punft. Der Dienft ver 
Ara Darima zu Rom zeigt den Hercvles devWeh ala einen Schüßer bed 


Moloch, Melkart, (Melitertes, Serakled). 317 


geringeren Volkes, und er mag als frember Gott zuerſt ver Schüßer ver 
Fremden gewefen feyn, ver Sclaven, vie aus der Fremde kamen, und 
bann ver Geringeren überhaupt, und muß man auch nicht annehmen, 
daß der Zehnte auf diefer Ara Marima geopfert ward (fogar alle zehn 
Tage, wenn e3 recht gehalten warb), nach tyriſchem, d. i. nach dem 
femitifchen, dem Moloch zukommenden Brauh, fo ift ed doch fehr 
wahrfcheinlich. 

Der achte Patäfe war Esmun, welcher Name nicht weiter, als 
eben ven Achten bezeichnet (Schmini beißt im Hebrätfchen ver Achte). 
Diefer war auch unter den Patäfen in Aegypten unter dem Namen 
Imatep, d. 1. Ich Eomme zur Darbringung. Die Griechen verglichen ihn 
mit ihrem Seilgotte Asklepios, woraus wir erjehen, daß er ein Heilgott 
gewejen feyn müße. Seinen Tempel zu Kartbago, ver auf der Spike 
der Burg fand, nennt Appian (punifche Thaten VII. 130) einen ſehr 
glänzenden. Die Priefter dieſes Gottes im römifhen Karthago trugen 
nad Tertullian (über dem Mantel 4) einen vieredig zugefchnittenen 
Mantel, ähnlich vem der Philoſophen, und griechiſche Schuhe. Dies ift 
Alles, was über viefen Gott und feine Verehrung gemeldet wird. Bey 
der feftftebenden Zahl ver fleben Patäken war e8 fonderbar, einen Achten 
hinzuzufeten als Seilgott; da man aber den Patäfen ald einen folchen 
Gott nahm, jo mußte man ihn auch in diefer Hinftcht befonverd hervors 
heben, fo daß er dadurch ein eigner Gott warb, und wollte man ihn 
nur zu den Patäfen zählen, da er ja ein folder war, fo fand man, 
Scheint e8, nicht unrecht, zu der geichloßenen Zahl von fteben, als ven 
Achten hinzuzufügen, und ihn mit diefem Namen zu bezeichnen. Warum 
man den Patäfen, ven Gott des Tags, zum Arzte vichtete, Täßt fich gar 
nicht mit Beftimmtheit, fo weit zu einer folhen Thatfachen oder Zeugr 
niße gehören, jagen, doch nicht ohne Wahrfcheinlichfeit errathen. . Wohl 
ift ver Verlauf mancher Krankheit an eine beftimmte Zeit gebunden, doch 
kann auch der Tichtgott als Arzt erfcheinen, wie bei ven Griechen Asklepios 
aus dem Feuer geboren ift, und den Beynamen des Glänzenden hat. 
Mag daher ver Tag ald Licht, mag die Zeit in Betracht gezogen worden 
feyn, die Sache felbft, daß ver Patäfe Heilgott war, ftebt feft. Spätere 
armfelige Deutung und Fabelei verwechfelte ihn fogar mit Attes. Damas- 
eins im Leben Iſidor's bei Photius (©. 513) erzählt von Asklepios in 
Berytos. Sadykos hatte Söhne, die man ald Diosfuren oder Kabeiren 
erklärte, und der achte zu dieſen war Esmunos, den man als Asklepios 
beutete, ein fehr jchöner Jüngling, geliebt von Aſtronos, ver phönikifchen 
Goͤttin, der Mutter der Gdtter. Als er auf ver Jagd ſich von ihr ver- 
folgt fah, hieb er ſich mit einem Belle vie Mannheit ab, fle aber rief 
pen Plan, und machte den Sungling, ihn mit der lebenerzeugenden 
Wärme anfachend, zu einem Gotte, Csmunos von ven Phönikern genannt 


318 Alilat. Drotal. 


wegen der Lebenswaͤrme; Andere aber deuten den Edmungs als den Achten, 
weil er der achte Sohn des Sadykos war. 

Der Cult des Moloch war auch bey den Solymern verbreitet, und 
Eufebius (Evang. Vorbereitung 5. 5) fagt: die Solymer ehrten fehr ven 
Kronos, als er aber ihre Anführer Arfalos, Arytos und Toſibis getübtet, 
floh er, wohin, wißen fle nicht zu fagen, boch warb er nun vernach⸗ 
läßigt; ferner feyen nun Arfalo8 und die Andern ald Sfiren - Gbtter 
(Plutarch fagt: harte Bdtter) angeredet worden, und die Lykier fluchten 
bei ihnen dffentlih fowohl, als auch im Privatleben. Plutarch nennt 
jene Arſalos, Dryos, Trofobins, und Suidas jagt Toſibis, ein Gott, 
der — bier aber tft ver Name des Volkes verloren gegangen. Aus dieſer 
dürftigen Nachricht vermdgen wir nicht etwas über ben Cult des ſemi⸗ 
tifhen Botted zu gewinnen, denn wenn man auch vie Sache filh fo 
denken wollte, der Molocheult fey durch lykiſchen Einfluß verſchwunden, 
jo fünnten wir, wäre ſolch ein Einfall fogar mwahrfcheinlich, noch daraus 
feine Ginflcht gewinnen. Ueber die Namen Arfalos u. f. w., die nicht 
einmal gleichmäßig angegeben werben, laͤßt fich nichtd weiter fagen, als 
daß wir fle nicht verftehen. 

Die Araber verehrten nach Herodot (3. 8) die große Lebensmutter 


Alilat 
und den mit derſelben in Verbindung ſtehenden Gott 


Orotal. 


Herodot nämlich erzählt: Die Araber achten geſchloßene Treue, wie 
nur Menſchen zumeiſt e8 thun, und ſie fchließen viefelbe auf folgenve 
Weiſe: Wann Zwei einen Treubund machen wollen, ftellt fich ein Anderer 
mitten zwiſchen Beide, und fehneivet ihnen an den Daumen in die Hand; 
bann nimmt er eine Ylode von eines Jeglichen Kleive, und beftreicht 
vermittelt derſelben mit dem Blute fleben mitten zwifchen ihnen befind⸗ 
lichen Steine, wobei er den Dionyfos und die Urania anruft. Iſt dieſes 
geichehen, ſo übergiebt der, fo die Treue gefchloßen, den Fremden, oder 
den Bürger, mit dem er die Treue gefchloßen, feinen Freunden, und 
diefe halten ſich auch zur Treue verpflichtet. Dionyfos aber und Urania, 
glauben fie, feyen die einzigen Götter, und fie fangen, daß fie ſich bie 
Haare fo ſcheeren, wie Dionyfos geſchoren tft; denn fle ſcheeren fie zu 
einem Kreis, indem fle fie an den Schläfen abſchneiven. Den Dionyſos 
nennen fie Orotal, bie Urania aber Altlat. 

Arrian in der Beſchreibung des Alexanderzuges (7. 26) jagt: Man 
behauptet, weil Alexandros horte, die Araber verehrten nur zwei Gbtter, 
den Binnmel (Uranot) und ven Dimsies, (a Habe er begehrt, fie mächten 


Alilat. Orotal. 319 


ihn als Bott dazu annehmen, da er nicht geringere Thaten verrichtet 
habe, als Dionyfos. Diefe Nachricht Hat wenig Werth, und beſagt über 
den Götterglauben der Araber nichts Anderes, ald was Herodot und 
überliefert bat, nur daß biefer etwas Nichtiged dem Suchverhältnig 
gemäß angiebt, Arrian aber, ven Uranos flatt der Urania nennen, eine 
Auslegung einmifcht, welche die Sache halb unwahr macht. 

Daß Alilat die große Lebendmutter fey, gebt aus ver Vergleichung 
mit Urania hervor, und ber Name flammt gewiß aus derfelben Duelle, 
woher der der Mylitta Eommt, da in dem Semitifhen dad m oft im 
Anfang des Wortes als VBilpungsmittel vorgefeht wird. Or ober ur 
beveutet im Semitifchen Licht, doch Ffünnen wir die wahre Bedeutung bes 
Namens nicht angeben, denn wir fünnen ihn für Eeinen andern Gott 
ausgeben, ald wofür ihn Herodot audgiebt, ver nur einen ſterbenden und 
wiederauflebenden Seegendgott, wie Oſtris und Adonis welche waren, 
mit Dionyſos vergleichen Eonnte. Demnach würden Orotal und Alilat 
ganz dem Adonis und der Aphropite, fowie dem Oſiris und der Iſis 
entfprechen. Heſychius meldet nach Iſidoros, daß die Nabatäer den 
Dionyſos Dufares nannten, und Tertullian (Apologie 24) fagt, wie in 
Syrien Atargatid, in Arabien Dufared, in Africa vie Urania, woraus 
man fieht, daß diefer Name fehr befannt war. Stephanus Byzantiud 
nennt den Berg und die Feſte Dufare, wo die Dufarener im Lande ber 
Chatramotiten oder Adramiten wohnten, und giebt die Dacharener als 
die DVerehrer des Dufared an. 

Sp fehr aud die Berichte Herodot's zu beachten find, fo kann noch 
ein folcher Ausſpruch, daß Dionyſos und Urania die einzigen Götter der 
Araber geweſen feyen, nicht dahin gelten, daß wir jede andere Nachricht 
abweifen. Die Lichtgottheit mit dem vorwiegenden Begriffe ver Zeit 
erfcheint in dem ſemitiſchen @ult fo feitftehend und verbreitet, daß man 
diefelbe auch bei ven Arabern vermuthen mag, und wie wenig immerhin 
die auf eine folche hindeutenden Nachrichten Sicherheit darbieten mögen, 
fo wäre e8 doch nicht recht, fie gang unbeachtet zu laßen, als feyen fie 
der Erwähnung unwerth. Diodorus (3. 44) melvdet von dem arabifchen 
Stamme der Deben, daß ſie gaftlih ſeyen, nicht gegen alle Fremden, 
fondern nur gegen die Böntier und Peloponnefier, wegen ihrer alten 
Verwandtſchaft mit ihnen von Herakles ber. Hatten dieſe Araber einen 
fogenannten Serafles, fo war dieſer Fein Anderer ald Moloch. Von den 
Banizomenen fagt Diodor (3. 43), fe lebten von ver Jagd, und hätten 
einen von allen Arabern hochverehrten Tempel, und eine der drei Infeln 
jenes Meerbufend ſey der Iſis geweiht, noch ſey fle ode, aber Nefte alter 
Bauten feyen daſelbſt und Säulen mit barbariſchen Inſchriften. Auch 
erwähnt er (44) eines tiſchfoͤrmigen Sügels, auf welchem drei ſehr hohe 
Tempel von Obttern ſich befaͤnden, welche deu Griechen unbsfeunt ſeyen, 


320 Aliat. Orotal. 


welche die Einheimiſchen jedoch ſehr Heilig hielten. An der Küfte inner⸗ 
halb des poſeideiſchen Buſens war ein Palmwald, heißt es daſelbſt (41), 
reich an Waßer, welches Alles umher grünen machte. Ein ſehr alter 
Altar aus hartem Stein war daſelbſt errichtet, mit veralteten und unbe⸗ 
kannten Schriftzeichen verſehen. Prieſter waren daſelbſt Iebenslänglich 
ein Dann und eine Frau, die auf Bäumen ſchlafen, aus Furcht vor den 
wilden Ihieren. (So ähnlich erzählt auch Strabo 16. 4.) Alle fünf 
Jahre Eommen vie benachbarten DVölkerfchaften in viefem Palmenwald 
zufammen zu einer eftfeier, und opfern Hekatomben von fetten Eameelen 
pen Göttern des Hains. Zugleich nehmen fie von dem bortigen Waßer 
mit nach Haufe, weil e8 für gefund und heilfam gilt. Ein auf einem 
Berge von Sefoftrid gegründetes Heiligthum ver Iſis erwähnt Strabo 
(16. 4), welder auch von Vermählung eined arabifchen Stammes mit 
den Müttern fpricht, fowie von Vermählung mit den Schweftern (©. 783). 

Diefer Berichterftatter nennt (S. 784) den Helios, als einen von 
den Nabatäern verehrten Gott, und fagt, daß ſie feinen Altar auf jenem 
Haufe haben, und ihm täglich fpenden und Weihrauch brennen. Diefer 
Helios koönnte Moloch feyn, oder ein Patäfe, wie auch der fogenannte 
Helios zu On, oder Heliopolis in Aegypten, der fih ganz als ein Patäfe 
fund giebt. Dann würden die drei Sauptgottheiten der Semiten, der 
zeugende Gott, die große Mutter, und der Licht- und Zeitgott, der das 
Leben zeitigt und an das Licht fördert, auch bei den Arabern ſeyn. Daß 
Philoftorgius fagt, die Sabäer opfern der Sonne und dem Mond und 
einigen einheimifchen Göttern, wollen wir weniger hoch anfchlagen, und 
. e8 mehr beachten, daß Theophraſt in der Pflanzengefhichte (9. 4) jagt: 
Man fchafft von allen Seiten Myrrhe und Weihrauch in das Heiligthum 
der Sonne zufammen. Plinius aber (12. 14) giebt an, daß fle den 
MWeihrauh nah Sabota, der auf einem hohen Berge Tiegenden Haupt⸗ 
ſtadt der Sabäer bringen, wo der Zehnte veflelben dem Gotte Sabid 
nah dem Maaße, nicht nach dem Gewichte vargebracht werde. Diefe 
Nachricht würde uns fogar einen der Namen des jo genannten Sonnen- 
gotted geben, wenn er vollfommen zuverläßig wäre. Doch darauf kommt 
e8 nicht an, fondern als das Wichtigfte erfcheint nur, ob die Araber aud) 
einen dem Moloch entfprechenden Gott gehabt haben, und dieſes ift nicht 
unwahrfcheinlih, denn man fteht nicht wohl ein, mie man einen Son- 
nengott dafelbft hätte finden wollen, wenn nur ein fogenannter Dionyſos 
und Urania die einzigen Gottheiten gemwefen wären. Daß die Araber 
auch Menfchenspfer hatten, giebt Porphyrius an (über die Enthaltſam⸗ 
feit 2. 56), indem er fagt: Auch die Dumatier in Arabien opferten alle 
Jahre einen Knaben, welchen fie unter dem Altar begruben, ven fte als 
Bbtterbild haben. (Marimus Tyrius in ver achten Abhandlung [8] fagt: 
Die Araber verehren, ich weiß nicht wen, das Bild aber jah ich, es war 


Ylilat. Orotal. 321 


ein vierediger Stein. *#) Wem viejed Opfer galt, koͤnnen wir nicht be= 
flimmen, denn Menfchenopfer Eonnten jeder Gottheit dargebracht werben, 
welcher Einfluß auf Leben und Seegen zugefchrieben ward. Hatten aber 
die Araber auch ven Patäfen Moloch in ihrem Cult, dann möchte einiger 
Grund vorhanden feyn, ihm die Panegyrie in dem Palmenwald, wovon 
oben die Rede war, zuzufchreiben. Diefe feierte einen vierjährigen Zeit- 
raum, und die Palme felbft war ein Sinnbiln des Jahres und des Zeit⸗ 
raumd. Eine andere Gottheit der Zeit und ihrer Fürzeren ober längeren 
Räume, ald vie Patäfen, finden wir bei den Semiten nicht, und wenn 
wir auch nicht behaupten koͤnnen, jenes Feſt babe ihm gegolten, fo tft 
doch die Vermuthung, ed fey fo gemwefen, die einzige, weldde man mit 
einigem Grunde darüber anftelen kann. Noch ift zu erwähnen, daß 
Stephanus einer arabifhen Stadt Baifampja, welches Haus ver 
Sonne bedeute, erwähnt, und der Name entſpricht dem der Stadt Beth⸗ 
Schemes in Juda, und beveutet allerdings Sonnenfladt. Doch daraus 
auf einen Dienft der Sonne zu ſchließen, möchte gewagt feyn. 


Bemerkung. 


Man fonnte es feltfam finden, daß in Italien neben Hereules auch 
noch Saturnus ald eine ähnliche Gottheit ſich fände, wenn man nicht 
bevenfen wollte, wie leicht verfchievene Yormen, wenn auch nicht unmit⸗ 
telbar nebeneinander entftehen, doch auffommen und beftehen Eonnten, 
und daß gerade SHerafled und Melifertes in Griechenland ein folches 
Benfpiel gewähren. Allerdings ift es wahrfcheinlich, Daß Saturnus mit 
der Sichel eine italifche Erndtegottheit war, welchem das Erndtefeſt 
gefetert warb, und daß man mit ihm Ideen aud dem Kreile des Melkart 
verband, wie die oben angegebenen Thatfachen fie angeben. Den 
Anknüpfungspunkt hätte das Erndtefeſt als ein Jahresfeſt geben fünnen, 
da Melkart- Hercules ein Jahredgott war als Zeitgott, und wirklich 
fieht man auch nicht ein, wie ein Erndtegott fonft überhaupt ein Zeitgott 
hätte werben Fünnen, für welchen ihn doch die Vergleichung mit Kronos 
außgiebt, fomwie auch das goldene Zeitalter ald das einer fernen Vorzeit 
ihm nur als einem Zeitgott zufommen kann. Dabei ift auch nicht zu 
überfehen, daß der mirffiche tyrifche Melkart zu Carthago geradezu als 


*) Suidas, den Dufares fälfchlicy Gott Ares nennend, fagt, der vieredige Stein 
fey vier Fuß Hoch und zwei Buß breit. Clemens der Alerandriner in ber 
Grmahnung ©. 13 fagt, die Sfythen beteten das Schwerbt, die Araber 
ben Stein, bie Berfer den Fluß an, und ebenfo fpricht Arnobius 6. 11, 

NV. 21 


822 Bemertung. 


Saturnus genannt wird. Das Attribut der Sichel aber läßt es nicht 
zu, den Saturnus feinem ganzen Wefen nah für Mellart zu halten, 
denn für viefen hat fle feinen Sinn, bei feiner täglichen Fahrt am 
Himmel Hin, und kommt nie, weder bei ihm noch bei Hercules vor. 
Die Verbindung des Saturnus mit Janus belehrt und über weiter nechts, 
als was wir ſchon außerdem wißen, und iſt obendrein erſt fpät einge- 
treten, denn erſt als der Monat Januarius an die Spitze des Jahres 
geſtellt ward, galt Janus als Gott der Anfänge, und von dieſem Gedanken 
gieng es aus, ihn zu einem Gott der’ Vorzeit zu dichten, mit welchem 
dann Saturnus ganz natürlich als der Alte ver Zeit ſich zuſammenfinden 
wußte. Daß man auf den faturnifchen Altären Lichter anzündete, bie 
ats Opfer galten, und fich an den Saturnalien Kerzen zufchickte, zeigt, 
wie die Idee der Zeit an die Idee des Lichts gebunden war, und würde 
nicht Leicht, vielleicht Ebnnnte man fagen unmöglich, Platz gegriffen haben, 
wern der Begriff ver Zeit fih nur an ven Landbau angeſchloßen hätte, 
ſo daß der Begriff des Iahresfreifes allein davon ausgegangen wäre. 
Noch viel weniger Tonnte aud dem Melkarts Hercules ein Saatgott und 
Erndtegott Italiens werden mit der Sichel, ein Gemahl ver Segensgdttin 
Ops, welche feine Göttin der thierifchen Sortpflanzung ift, fondern nur 
des Gewächſeſeegens. Man ſteht aus dviefen DVerhältnißen, daß bie 
Annahme einer Verſchmelzung eines italiſchen Saat- und Erndtegottes 
mit dem aus der Fremde eingewanderten Melkart allein geeignet iſt zur 
Erklaͤrung deßen, was uns über den Saturnus überliefert worden. 


Anmerkungen nnd Miscellen. 


335 


AUnmertungen. 


Obgleich die von dem Byblier Philo unter dem Namen Sanchunia⸗ 
thons untergefchobene phönikifche Lehre ein Höchft elendes Machwerk ift, 
fo koͤnnen wir fle doch nicht ganz unberüdfichtigt laßen, und wäre es auch 
nur zu dem Zweck, um zu erfehen, daß beinahe Alles erſt in fpäter Zeit 
erfunden ift, und aus Verſchiedenartigem durcheinander gemengt. Euſe⸗ 
bius in der evangelifchen Vorbereitung (1. 10) giebt dieſe Lehre alfo an; 
Sie ſetzt ald ven Anfang aller Dinge die dunfele und hauchartige Luft, 
oder den Hauch dunfeler Luft, und ein trübes Chaos in Dunkelheit. 
Died war grängenlos, aber als der Hauch von Liebe zu feinen eigenen 
Urfprüngen ergriffen ward, und eine Zufammenmifchung ftattfand, hieß 
diefe Verknüpfung Sehnfucht, und war ver Anfang der Erfchaffung aller 
Dinge; er felbft aber erkannte feine Schöpfung nicht. Und aus viefer 
Berfnüpfung oder Verbindung des Hauches entſtand Mot. Manche fagen, 
diefes fey Schlamm, Andere, es fey Bäulnig wäßeriger Mifchung, und 
aus diefer entſtand die ganze Saat ver Schöpfung. 

(Mot ward vom Waßer verflanden, da im Koptifchen 
Mosu, Mou, Mo, Waßer bedeutet, doch ift dieſe Deutung 
wahrfcheinlich falſch und die ägyptiſche Mut, die Mutter, als 
Urmutter aller Dinge, die Veranlaßung zu biefer afterphilgs 
fopbifchen Deutung geweſen.) 

&3 gab einige lebende Wefen ohne Sinn, wovon lebende Wefen mit 
Einficht ftammten, und Zophafemin genannt wurben, d. 1. die Himmelb⸗ 


ſchauer, 
(Eebräiſch heißt zaphah, hat geſchaut, und schamaim, 


welches ein Plural if, ver Himmel), 

welche die Geftalt eined Eies hatten. 

(Diefe follen die Sonne, vieleicht auch den Mond und 
die Sterne bedeuten, welche nach fpäteren Anſichten lebende 
Wefen mit Einfiht genannt werden Tonnten, und außer 
welchen Himmelsſchauer nicht wohl zu denken find. Die 
Bewegung der Sonne wird im Xegyptifihen jo bezeichnet, 
daß es heißt: Ptah, der fein Ei in vem Himmel wälzt, over 
Na, ver fein Ei bemegt.) 

Und es erglänzte Mot, und Sonne und Mond, und Sterne und 
große Geſtirne. Wie nun die Luft erglänzte, entſtanden durch die Erhi⸗ 
gung von Meer und Land die Windhauche, Wolken und große Ergüße 
bimmlifcher Waßer, und aus dem Zufammentreffen verfelben in ver Luft 


328 Anmerkungen. 


(In diefer Zufammenftellung follen Rechtheit und Gerech- 
tigkeit die gefeßliche Dronung, welche das Leben in Flecken 
erheifcht, bezeichnen.) 

.  Mifor zeugte ven Taautod, den Erfinder des Schreibens, ven die 
Aegypter Thoot (Thor), pie Alerandriner Thoyth, vie Griechen Hermes 
nannten; Syoyf die Dioskuren, over SKabeiren oder Korybanten, ober 
Samothrafer. Auch follen Beide das Schiff erfunden haben. Berner 
ſtammten von ihnen Anvere, welche Kräuter, Heilung ver Schlangenbiße 
und Zauberfprüde erfanden. Zu ihrer Zeit ward Eliun, ver Höchſte 
genannt, gebohren, und ein Weib Namens Beruth, welche auch bei Byblos 
wohnten. 

(Die Wißenſchaft ift alfo ein Kind der Rechtheit, und 
Sydyk ift Vater der Patäfen. Weil dieſe Schiffahrtögätter 
find, ift er Erfinder des Schiffe. EL ift ein hebräifcher Name 
Gottes, häufig in der Mehrzahl Elohim gebraucht. Der 
Name Beruth ift entweber von der Stadt Berytod entlehnt, 
oder bezeichnet gar, da er mit Eliun zufammengeftellt ift, 
den Bund, den Gott mit den Juden gemacht, weldjer berit 
heißt, over was wahrjcheinlicher ift, die Anfangsworte ver 
Geneſis: bereschit bara elohim haben die Namen Eliun und 
Beruth in diefem Machwerf hergegeben, nur daß Eliun den 
Höchſten und el eliun, ven höchften Gott bezeichnet. 


Diefe erzeugten den Epigeiod oder Autochthon, d. i. Erdſohn, ver 
nachmals Uranos, d. i. Himmel, genannt ward, und feine Schwefter war 
Ge, d. i. die Erbe. 

(Der Sag, welcher bier zu Grunde liegt, iſt aus dem 
erften Vers der Genefl3 genommen, und bedeutet, Gott ſchuf 
Himmel und Erve.) 

Als der Höchfle durch wilde Thiere umgefommen, warb er vergöttert 
und feine Kinver brachten ihm Opfer und Spenden. Uranos, ded Vaters 
Serrichaft nehmen, nahm Ge zum Weibe und zeugte ven Ilos, der aud) 
Kronos heißt, und ven Betylos und Dagon, welches Siton ift, und den 


Atlas. 
(Ilos ift aus EI, Gott gebildet, denn fo fol Moloch 


geheißen haben, Dagon ift durch Siton falfch überfeßt, wie 
oben bemerkt worden ift, und der Bätylos bedarf nach dem 
oben Gefagten Feiner weiteren Erflärung.) 


Mit andern Weibern zeugte er viele Kinver, fo daß Ge aus Eifer- 

ſucht fi von ihm trennte. Er aber nahbte ihr dfterd gewaltfam und 

‚wollte die Kinder, welche fle gebahr, todten, doch Ge wehrte ſich gegen 
an mit Hülfsvölkern. Als Kronos heranwuchs, widerſtand er mit Hülfe 
und Rath feines Schreiberd Hermes Ixiamegtitad dem Uranos, und zeugte 


Anmerlungen. 329 


Perfephone und Athena. Jene farb ald Jungfrau, auf Athena's und 
des Hermed Rath aber machte Kronod aus Eifen eine Hippe und einen 
Speer, und Hermes entflammte mit magifchen Sprüchen die Helfer des 
Krongd zum Kampf gegen Uranos, und diefer wird beftegt, und Kronos 
befommt die Herrfchaft. Er giebt das im Krieg gefangene Tiebfte Kebö- 
weib des Uranos In ſchwangerem Zuftande dem Dagon, und ed gebiert 
den Demaroos (oder Demaroon, ver zwar Vater des Herakles genannt wird, 
welcher jedoch felbft damit bezeichnet zu ſeyn feheint, denn das fchwangere 
Kebsweib ift fchwerlich eine andere ald Alkmene, wobei man ft freilich 
über ihre Verwendung nicht wundern darf, da bier von keiner ernften 
Anordnung die Rede feyn kann, wo es nur’ galt eine Lüge bunt auszu= 
malen, und die griedhifche Mythologie zu verwenden), Kronos aber 
gründet Byblos, die erfte Stadt Phönikiens, und argwöhniſch vergräbt 
er feinen Bruder Atlad auf des Hermes Rath in die Erve. Zu biefer 
Zeit kamen die Nachfömmlinge ver Diosfuren, zur See verjchlagen zum 
Berg Kafflo und gründeten ein Heiligthum. Die Helfer des Ilos ober 
Kronod aber wurden Eloim genannt. (Alfo wurde der Name Elohim 
in diefer Weife verwendet.) Seinen Sohn Sadidos *) töntete Kronos 
aus Argwohn, und fihnitt ebenso feiner Tochter den Kopf ab, zum 
Schrecken aller Gdtter. (So ward alfo Athena als Meduſa hereinges 
zogen, und felbft die Wirfung des Gorgohaupts in dem Schreden aller 
Goͤtter abgefpiegelt. Alle durch ſeichtes Hereinziehen ver griechifchen 
Mythologie, denn der femitifche Kronos hat Feine Kinder.) Uranod in 
der Verbannung ſchickte nach einiger Zeit feine Tochter, die Jungfrau 
Aftarte mit ihren zwei Schweftern, Rhea und Dione, den Kronos aus 
dem Wege zu räumen, der aber die Schweftern zu Frauen fih erwarb. 
Nun fandte Uranos die Eimarmene (d. i. das verhängte Gefdhid) und 
bie Hora (d. i. die Jahreszeit, die rechte Zeit, die Blüthezeit), und auch 
diefe behielt Kronos bei fih. Nun erfann Uranos nod) die Bätylien, die 
befeelten Steine. Mit Aftarte erzeugte Kronos fieben Titaniven ober 
Artemiffe, und mit Rhea fieben Söhne, deren jüngfter gleich bei ber 
Geburt vergdttert ward. Dione gebahr ihm Töchter, und Aftarte ferner 
zwei Söhne, Pothos und Eros (d. i. Sehnfucht und Liebe). 

Dagon, weil er dad Getraive und den Pflug erfand, warb Zeus 
Arstriod (d. i. Zeus des Landbaues) genannt. Dem Sydyk gebahr eine 
der Titaniven den Asklepios, in Peria aber wurden dem Kronos drei 
Söhne, Kronos, Zeus Belos und Apollon gebohren. Zu dieſer Zeit ent- 


*) Schadad heißt im Hebräifchen, hat verwüftet, vernichtet, und sched der 
Dämon, von Luther durch Feldteufel überfegt, schadai aber erflärt man 
durch allmächtig, und zieht die arabifche Sprache herbei, in welcher schadad 
mächtig feyn bedeutet. 


330 Anmerlungen 


ſtanden Pontos, Typhon und Nereus, des Pontos Vater, von Pontos 
aber flammte Sivon, welche mit herrlicher Stimme zuerfi den Geſang 
erfand, und Poſeidon. Bon Demaroon ſtammte Melikarthos, der auch 
Herakles hieß. Dann Fämpfte Uranos mit Bontos und flann dem Dema- 
rus bey, welcher den Pontod angriff, aber in die Flucht geichlagen warb. 
Im zwei und vreißigften Jahr feiner Herrfchaft fieng Kronos durch einen 
Hinterhalt mitten im Lande den Uranod und entmannte ihn nahe bei 
Duellen und Flüßen, daß fein Blut in diefe träufelte, und man zeigt 
den Ort bid zur Stunde. Dann heißt ed weiter: Aftarte aber die 
Größte, und Zeus Demarud, und Adodos, ver König ver Goͤtter, herrich- 
ten mit Kronos Willen über das Land. Aftarte ſetzte ald Königszeichen 
auf ihr Haupt das Haupt eines Stierd, und als ſie die Erde durch⸗ 
wandernd einen aus der Luft heruntergefallenen Stern fand, weihte fie 
denfelben auf ver heiligen Infel Tyros. Die Phöniker jagen, Aftarte jey 
Aphrodite. Kronos vie Erde purchwandernd gab feiner Tochter Athena 
die Herrfchaft von Attifa. Als nun eine Seuche audbrach, opferte Kronos 
feinen eigenen eingebohrenen Sohn dem Uranos, und befchnitt fih, und 
zwang feine Genoßen, daſſelbe zu thun, und bald darauf vergätterte er 
feinen mit Rhea erzeugten Sohn Muth, welcder farb. Diefen nennen 
die Phöniker Tod und Pluton. (Hebräiſch heißt mut flerben.) Dann 
fhenkte er ver Baaltid, auch Dione genannt, die Stadt Byblos, Berytos 
dem Pofeivon und den Kabeiren, den Ländlichen und den Fifchern, welche 
auch die Lieberbleibfel des Pontos vafelbft heiligten. Taautos, der Gott, 
bildete ven Uranos, und bie Geflchter der Goͤtter, des Kronos und Dagon, 
und die heiligen Charaftere der übrigen Elemente. Für Kronos erfand 
er ald Zeichen des Koͤnigthums, vier Augen, zwei vorn, zwei hinten, von 
denen zwei fich ruhig ſchloßen; an ven Schultern aber vier Flügel, zwei 
gefpreitet, zwei gefenkt, anzubeuten, Kronos ſehe fchlafenn, und fchlafe 
wachend, fliege rubend und ruhe fliegend. Den andern Göttern gab er 
zwei Flügel an die Schultern, um mit Kronos zu fliegen, dem er auch 
nod zwei an den Kopf gab, einen des SHerrfcherfinnes, einen der Wahr- 
nehmung. Gen Süden ziehenn gab Kronos dem Taautos Aegypten, und 
alles Diefes zeichneten auf Taautos Geheiß Die Kabeiren auf, die ſieben 
Söhne Sydyks, und ihr achter Bruder Asklepios. Someit Sanchuniathon 
nach Philo, deßen Angaben Porphyrios beftätigt. Ebenderſelbe meldet in 
der Schrift über die Juden, Taautos ordnete die Gottesverehrung. Als 
ihm nach vielen Generationen, der Gott Surmubelos, und die fpäter 
Chufarthis genannte Thuro folgten, erläuterten fle die dunkele allegorifche 
Lehre des Taautos. Kronos, den die Phöniker Ifrael nennen, nad 
feinem Tod zum Stern Kronos vergdttert, hatte von einer einheimtfchen 
Nymphe Anobret einen einzigen Sohn, den man darum Jaud nannte, 
welches Phoͤnikiſch eingebohren beveutet. Diefen opferte er bei Kriegögefahr. 


Anmerkungen. 331 


Der Julius Firmicus (über ben Irrthum u. f. w. Bay. 4.) leſen 
wis, vie Afferier hätten die Luft verehrt, und ihr Bilnfäulen errichtet. 
Dergleéichen fpäte Angaben, mei auf Deutungen oder ſpätern mytholo⸗ 
giſchen Miſchungen beruhend, find für vie femitifche Religion werthlo®. 
Beſonders Aber muß ver Feuervienft, fowie wie perſtſche Anficht von dem 
Waßer, son vem Semitifchen getrennt bleiben. Jedoch muß man ſich vor 
Allem hüten, die fpäteren Deutungen für mehr zu halten, ala fie find, 
venn obgleich fle für uns aus vem Alterthum flammen, fo hatten fie, an 
und für ſich betrachtet, nicht mehr Berechtigung, al® heutige Deutungen 
haben, und fie find in ver That, wo fie fih als philofophifches Syſtem 
patbieten, melches feines Urhebers vorgefaßte Meinung in vie Mythologie 
überträgt, und die Philofophie der Denkſtuben fpäterer Zeit in das höheee 
Altertum zu verſetzen ſich bemüht, gewöhnlich nicht beßer ald die heut zu 
Tage fabrieirten Philofophien der Mythologie, die fammt und fonderd 
dafſelbe thörichte und unguläßige Verfahren befolgen. 

Es mag hier noch ein armfeliger Schhpfungämythus einer fpäten 
Zeit ſtehen, ven Damascius, einer ver übelften Berichterflatter, erzählt 
(Wolf Anecdota Ill. ©. 258.): Bon ven Barbaren fcheinen die Babyloniet 
den einen Anfang von Allem mit Stilffchweigen zu übergehen, und zwei 
anzunehmen, Tauthe und Apafon, indem fie annehmen, Apaſon fey 
Batte ver Tauthe, und biefe pie Mutter ber Gotter. Von ihnen flammte 
ein eingedohtener Sohn, Moymin, und viefen halte ich für die gedachte 
Melt, ausgegangen von ben beiden Grunbanfängen. Cine zweite Zeugung 
gieng von ihnen aus, nämlid Dache und Dachos, und enslih ein 
drittes Geſchlecht, Kiffared und Afforos, won meldhen drei flammten, 
Anos, Illinvs, Aos aber zeugte mit Daufe den Belos, welcher ver 
Werkmeifter (Bemlurg) gewefen feyn fol. 

Schwerlid dürfte Jemand einen feithteren und kindiſcheren Mifche 
mafth erfinden konnen, als dieſer leider auf und gekommene Unfinn ift, denn 
23 wird nie an befangenen Menſchen fehlen, weldhe in ſolchem Zeug, mie 
laͤcherlich und abgeſchmackt es auch zuſammengeklittert fey, hohe Weis⸗ 
heit finden. Da die gedachte Welt, d. i. die Weltidee von dem Moymin 
ausgegangen ſeyn ſoll, fo iſt er eine ber bedeutendſten Perſonen biefer 
angeblichen Schopfungsgeſchichten, und wenn wir nach feiner Herkunft 
fragen, ſo ergiebt es fi, daß er ein Aegypto⸗-Hebrtäer fen, Namens 
Waßer⸗Waßer, denn Moy heißt agyptiſch (koptiſch) Waßer, und Maim 
bedeutet daſſelbe im Hebraͤiſchen, und aus dieſen beiden iſt der wichtige 
Moymin zuſammengeſetzt. Die hebraäiſche Endung aim finden wir nam⸗ 
lich In en oder In umgewandelt in den gräriſirten Wörtern, ſowie wir 
Bal⸗ſemen, für Baale fdamaim finden und oben Zopha > femin für Zopha⸗ 
ſchumaim, Himmelsſchauer. Taautos (Thoth) bat es fich gefallen laßen 
mußen, ein Weib zu werben, und das ganze Aegypten uber bie ganze 


332 Anmerfungen. 


Erde (griechiſch hapasa) wurde ein Mann durch die Endung on, und 
zwar Gatte der neugefchaffenen Tauthe. Dachos und Dache, welche wahr: 
fcheinlich auch des Aos Gattin Daufe ift, fowie die Namen Anos, Illinos 
und Aos find zum Theil wohl nicht unververbt auf und gelangt, da 
jedoch Feine alte Kosmogonie in dem ganzen finnlofen Gemächte enthalten 
ift, fo wäre es vergeblich nachzufpüren, woher fle flammen und warum 
fie Hierher gefett feyn Fünnten. 

Drigenes, der früher lebte ald Damascius, giebt in feinen Philoſo⸗ 
phumena etwas Anderes als dieſe Kodmogonie für chaldäiſche Weisheit 
aus, Indem er erzählt: Diodoros der Cretrier und Ariſtoxenos der 
Muflfer jagen, Pythagoras ſey zu dem Chalvdier Zaratad gefommen, 
weldher Folgendes auseinander geiegt habe: Es jeyen von Anfang zwei 
Urfachen der Wefen, ein Vater und eine Mutter, Vater fey das Kicht, 
Mutter die Dunkelheit, und Theile ded Lichts feyen das Warme, Trockne, 
Leichte, Schnelle, Theile ver Dunkelheit das Kalte, Feuchte, Schwere, 
Langſame. Aus allen dieſen beftehe vie Welt, aus dem Weiblichen und 
dem Männlichen. Es ſey auch die Welt, fagen fie, eine muftkalifche 
Harmonie. 


Omanos, ober mag man Omaned für eine richtigere Form halten, 
ift von angefehbenen Männern, welche fih mit dem Zendaveſta befchäftigt 
haben, Homaned genannt worden, und fie haben e8 gar nicht für zweifel- 
haft gehalten, daß der perfifhe Prophet Hom damit gemeint fey. Abges 
fehen von der Namenform, als weldde man in dieſem Falle Homos 
oder Homes hätte erwarten follen, hat aber Niemand nachgewieſen, 
daß irgendwo an irgend einem Feſte in Perſien ein Bild des Hom 
berumgetragen worden fey, oder daß man irgend ein Bild veflelben ver- 
ehrte. Und noch hätte ein ſolches Verhältniß flattfinnden müßen, weil 
fonft fein Anfnüpfungspunft für den perfifchen Propheten an die Beier 
der femitifchen Lebendmutter vorhanden war. Denn außer einem Außer» 
lichen Verhaͤltniß konnte fidy nichts darbieten, wa® den Hom mit Enyo 
gemeinjchaftlich zu feiern veranlaßen Fonnte. Den eigentlichen Berfern, 
welche ven Cult der großen Lebendmutter von den Fremden annahmen, 
galt viefe auch nicht einmal ald Enyo, ſondern ald Mitra, wie Herodot 
(1. 131) angiebt, und zwar unter ven Dingen, die er in Betreff der 
Perfer wahrhaftig weiß. (Herodots Nachricht als eine irrige zu bezeichnen 
und anzunehmen, er babe fi durch den Namen des Mithrad täufchen 
lagen, ift zu frivol und zu thöricht, um einer Widerlegung werth zu 
feyn.) Zur Beier der Lebendmutter aber gehört in ihrem eigenen Kreife 
nur ihr Sohn, oder ihr Pflegling, over ihr Beliebter, welche, wenn auch 
im Diythus getrennt, doch nur eine Verſon varftellen, weil der Sohn 


AUnmerfungen. 333 


der Gemahl der Mutter ifl. Neben viefem gehört nur noch der Licht⸗ 
und Zeitgott zu ihr, als der tie Geburt an das Licht fördert, wann 
fie gereift if. Ob Anandates ein’ folcher fey, oder was es mit biefem 
für ein Bewandtniß habe, läßt fich nicht beftimmen, da die fichere Deutung 
des Wortes fehlt. Aus der Endung dates aber auf einen perftichen 
Namen zu fchließen, find wir keineswegs berechtigt, da dat ein richtiges 
ſemitiſches Wort ift, welches das Geſez und ven Brauch bezeichnet. 
Dabin aber find die Namenendungen dotos in Annedotos (morin der 
Name der Enyo enthalten ift) und dite in Aphrodite zu rechnen. Frei⸗ 
li leitet diefen Ießteren Namen die Mode, welche mit der Anwendung 
indiſcher Wörter Mißbrauch zu treiben befiehlt, vom fierit. abhradatta, 
donné par le nuage, enfant du nuage, wie Guigniaut überfeßt, doch warn 
diefe Mode einer andern Platz gemacht haben wird, dann wird man 
dieſes Wort aus einer andern Sprache erflären, indeß aber wirb es das 
Sicherfte feyn, für dad Semitifche bei dem Semitifchen ſtehen zu bleiben. 
Kann man folhe Namen nicht genügend erklären, fo liegt dieß in 
unferer Unfenntniß der Verhältniße, welche vie Namen veranlaßten, und 
darin, daß wir über die Art, wie die Semiten Namen bildeten, nicht in dem 
Maaß unterrichtet find, um bei jeder Benennung gleich aus einem ana= 
Iogen Namen Grund und Umfang eines Namend zu erkennen. Daß 
Anandated der repuplicirte Name An⸗dates ſeyn koͤnne, und diefer in 
der Bedeutung mit Annedotos übereintreffe, wäre möglih, aber da wir 
durch die Annahme einer folhen Möglichkeit in unferer Erkennung nicht 
geförvert werden, fo wollen wir nicht weiter darauf eingehen. 


Cyrillus (gegen Sultan VII. ©. 244), welcher Erzbifchof zu Alexan⸗ 
dria war, erzählt, zu feiner Zeit habe es Tempelviener gegeben, welche 
den Matronen im Tempel des Kronos Gewalt anthaten, ver ihnen 
folche verfchaffte. (Es gefhah nämlich auf ven Orafelfprud des Gotteß.) 
Von einem melvet Eyrilus, daß er freudig feine Gattin dazu hergegeben 
babe. Bon einer foldhen Art Mylittadienſt findet fi in der Mythologie 
des Moloch oder Melfart weiter nichts, man müßte denn die in Rom 
erzählte Sage von Hercules und Acca Larentia (römifche Mythologie 
©. 245) damit vergleihen wollen. Cine genügenvde Erklärung für dieſen 
ausfchweifennen Eult, der ſich für die Lebendmutter eignete, laͤßt fih 
nicht in der Mythologie finden, wenn auch die Verbindung dieſes Gottes 
mit der Lebensmutter allerdings einen Anfnüpfungspunft varbietet. 





Bißcellew 


Die Griechen gaben ben Skyuthen ben Serafled zum Stammpster, 
und doch Fonnten fie nicht annehmen, bad ſich Sereflipen unter nen 
Stuben befänden. Manu Fönnte aunchmen, fie hätten dieſes zur Mer- 
berrlichung des Hexakles gethan, was allerdings mhglich wäre, Da aber 
bie Skythen in Aſien die große Lebensmutter zur Perehrung annahmen, 
fo daß der Name des Sakhenfefled von einem ihre Stämme entlehnt 
warb, fo wäre es auch nicht unmdglih, daß Der der großen Goͤttin wer« 
bundeue Patäfe, in welchem die Griechen ven Herakles erblidten, wit 
dem Bult ver Gdttin zu den Skythen gelangt wäre, und daß die Gage 
pon ber Abſtammung bes Säytben fi fo gebildet Hätte. Ueber ihre 
Sdtterverehrung meldet Hexrodot (4. 59): Sie ſühnen nur folgende 
Goͤtter: die Heſtia vorzüglich, Dazu ben Zeus und die Erde, indem fe 
glauben, bie Erde jey nie Gattin des Zeus; ferner den Apollpn unp hie 
himmlische Aphrodite, und ven Herakles und ven Ared; Die fpgenannten 
Tönigliden Skythen opfern au Dem Poſeidon. Yuf Shhthiſch aber 
heißen dieſe ‚Gottheiten: Heſtia Tabiti, Zeus heißt, und zwar am aichtig⸗ 
fen nach meiner Meinung Papaios; die Erbe Apia, Apollon aber Oitp⸗ 
ſyros, die himmliſche Aphrodite Artimpaſa, VPoſeidon aber Thamimaſadas. 
Bilder, Altaͤre und Tempel zu machen iſt nicht ihr Brauch, ausgenammen 
dem Ares, denn für diefen ift e8 Brauch. Bei allen Opfern haben fie 
eine und zwar folgende Art: Das Opfer ftehbt, an ben Vorderfüßen 
gebunden, der Opferer aber flebt hinter dem Thiere und mirft es, indem 
er an dem Ende des Strides zieht, nieder, und beim Nieperfallen des 
Thieres ruft er den Gott an, welchem geopfert wird; Dann zieht er ihm 
eine Schlinge um ven Hals und dreht fie mit einem Knebel zu, fo daß 
23 exftistt, ohne daß Feuer angezündet wäre, noch eine Weihe oder Spenpe 
Hattfände. Wann es aber erflidt und abgehäutet ift, geht es an das 
Kochen, und weil Skythien fehr holzarm iſt, bedienen fie fih ver Knochen 
des Thieses ſelbſt zur Unterhaltung des Feuers. Fehlt ihnen grape ein 
Keßel, fo thun fle das Fleiſch in ven Wanft des Thieres, fügen Waßer 
hinzu und kochen ed fo. Wiewohl fie auch andere Thiere opfern, fo 
bringen ſie doch befonderd Pferde dar. So nun opfern fie ben anbern 
Göttern, dem Ares aher auf folgende Art. In jenem ver Orte, wo fi 
die Obrigfeiten befinden, ift ein Heiligthum des Ares. Es werben näms- 
lich Reisbündel drei Stadien lang und breit, jenoch weniger hoch zuſam⸗ 
mengehäuft, und oben drauf wird eine vieredige Flaͤche gemacht, an 

„relder brei Seiten fteil abſchuüßig Ind, die vierte aber erfteigbar. Jaͤhr⸗ 


Miscellen. 3835 


lich aber häufen fle Hundert und fünfzig Wagen Reiflg auf, denn es jegt 
fi) immer wieder burdh die Stürme. Darauf num flieht überal auf 
jevem Saufen ein altes eiferne® Schwerbt, und das ift das Bild des 
Ares; dieſem Schwerdt aber führen fie jährlich Opfer von Kleinvieh und 
son Roßen zu, und opfern biefen Schmwerbtern mehr als den andern 
Göttern. Wann fle Feinde zu Gefangenen machen, jo opfern fie von 
hundert einen derſelben, doch nicht auf gleiche Art wie die Ihiere, denn 
he gießen Wein auf nad Haupt eines ſolchen Menfchen, und ſchlachten 
ihn, Daß das Blut in ein Gefäß läuft, dann tragen file e8 auf ven 
Reiferhaufen und gießen es auf dad Schwerbt, von dem geſchlachteten 
Menſchen aber fchneinen ſie die rechte Schulter mit der Sand ab, und 
werfen fie in bie Luft, und geben dann, wenn fie bie übrigen Opfer 
getbotet, weg, die Hand aber bleibt liegen, wohin fle gefallen ifl, und 
der Leichnam getrennt von ihr. Schweine gebrauchen fle durchaus nicht, 
und laßen Feine im Rande ziehen. 

Welch' ein rauhes und wildes Kriegsvolf vie Skythen waren, was 
für ihre Anficht von den gbttlichen Dingen wohl zu beachten ift, gebt aus 
Herodots Erzählung (4. 64) zur Genüge hervor. Das Blut des gefal- 
Ionen Weines trank der Skythe, und brachte den Kopf zum König, 
wodurch er Antheil an ver Beute befam, den Kopf aber fealpirte ex, 
ſchabte die Haut mit einer Rindsrippe, und gerbte fle mit eigener Hand; 
beviente fich ihrer als Handtuch und hängte fie, ſtolz Darauf, von dem 
Zügel feines Roßes herab. Manche nähten fogar diefe Häute zufammen 
und machten ſich Kleiver davon. Diele zogen den feinvlichen Leichen bie 
rechte Hand mit fammt den Nägeln ab, woraus fie dann Köcherdeckel 
machten. Ja Viele zogen ven ganzen Menfchen die Haut ab, fpannten 
fie auf Holz und führten fie auf ihren Roße mit herum. Mit den 
Köpfen der verhaßteften Beinde machen fie e8 aber fo: fle ſägen, was 
unterhalb der Augenbrauen ift, ab, reinigen den Schädel und gebrauchen 
ihn als Becher, indem ver Arme ihn auswendig mit einem Stück Rindsfell 
überzieht, ver Reiche ihn aber außerdem inwendig vergoldet. So machen 
fie e8 auch mit den Ihrigen, wenn fie mit Ihnen in Streit gerathen und 
der König ihnen einen ſolchen in die Gewalt giebt. Kommt ein geehrter 
Saft zu ihnen, fo ſetzen ſie ihm vergleichen Säupter vor und rühmen ſich 
ihrer tapfern Thaten. Einmal in jevem Jahr mifcht in jenem Bezirk ver 
Borfteher einen Becher Weins, von welchem alle die Skythen trinken, 
welche einen Feind erlegt haben, vie aber feinen erlegt haben, ſitzen ohne 
Ehrermeifung bei Seite, was bei ihnen für die größte Schande gilt. Die 
aber, welche fehr viele Männer erlegt haben, befommen zwei Becher, aus 
welchen fie zugleich trinken. 

Hören wir, was Herodot (4. 67) weiter von ihnen erzählt, fo finden 
wir, daß fie viele Wahrfager hatten, die aus vielen Weidenzweigen 


336 Miscellen. 


folgendermaßen weißagten: Wann fie große Ruthenbündel gebracht haben, 
legen fie viejelben auf ven Boden nieder und mwideln fie auseinander, legen 
ſie einzeln bin und weißagen daraus, und während ſie dieſes thun, wideln 
fie jle wieder zuſammen und legen fie einzeln zu einander. Das ift ihre 
einheimifhe Weißagung. Die Enareer aber, bie Mannweiber, fagen, 
ihnen habe Aphrodite die Weißagung verliehen, und fie mweißagen aus 
Lindenrinde. Sie fchneiden die Linde dreifach ein, umſpannen fie mit den 
Bingern, und dieſe wieder loslaßend, weißagen fie. Wirb ver Sfythen- 
fönig franf, dann läßt er drei angeſehene Weißager fommen, welche auf 
die vorbefchriebene Art weißagen. Meift fagen dieſe, daß Diefer oder 
Jener, den fie namentlid nennen, bei dem föniglihen Herde einen 
Meineiv geſchworen habe. Denn es iſt bei ven Skythen ver Brauch, 
wenn fie einen befonvers feierlichen Eid ſchwören wollen, bei dem Eönig- 
lihen Herde zu ſchwoͤren. Sofort wird der angegebene Mann herbeis 
geführt, und wenn er leugnet und ſich heftig beflagt, laͤßt ver König 
andere Weißager in voppelter Zahl Fommen, und thun dieſe nach Erpro⸗ 
dung ihrer Weißagung ven nämlichen Ausſpruch, fo fehneinen die erften 
Weißager dem Mann fogleih den Kopf ab, und theilen ſich in feine 
Habe. Sprechen aber die zweiten Weißager ven Dann frei, fo läßt man 
andere und wieder andere Weißager fommen, und fpridht die Mehrzahl 
frei, fo müßen die erſten Weißager fterben, und zwar auf folgende Art: 
fie füllen einen Wagen mit Reiſig an, fpannen Stiere daran, feßeln vie 
Meißager und binden ihnen die Hände auf ven Rüden, verflopfen ihnen 
den Mund, flogen fie in das Reiſig, zünden es an und fcheuchen vie 
Ninver. Diele diefer Rinder verbrennen mit ven Weißagern, viele aber 
angebrannt entrinnen, wann bie Deichfel abgebrannt if. Bon Denen, 
welche der König tönten läßt, bleiben auch die männliden Kinder nicht 
am Leben. Bünpnifje fchließen die Skythen alſo: fie gießen Wein in eine 
große thönerne Schale, und thun, indem ſich die Bünpnipfchließenden mit 
einem Pfriemen oder einem Schwerbt verwunden, von ihrem Blute Hinzu, 
tauchen dann Schwerbt, Pfeile, Beil und Speer in den Becher, verſchwoͤren 
fih ftarf und trinken ven Wein mit vem Blute, was auch die vornehmften 
Begleiter ver Bündnißſchließenden thun. 

Die Gräber ihrer Könige find in Gerrhi, pa bis wohin ver Bory⸗ 
ſthenes ſchiffbar iſt. If ein König geftorben, fo machen fie daſelbſt eine 
große vieredfige Grube. Wann fie viefe fertig haben, nehmen fie bie 
Leiche, wann ber Leib mit Wachs überzogen ift, der Bauch aufgefdmitten 
und gereinigt und mit gefloßenem Kyperos, Rauchwerk, Eppichſaamen 
und DIN angefüllt und wieder zugenäht ift, und bringen fie auf einem 
Wagen zu einem andern Volk, welches es dann macht, wie bie Eönig- 
lichen Skythen. Sie fchneinen ſich Stüde von den Ohren, fcheeren die 
Daare, zerſchneiden ſich vie Arme, zerfeben fich die Stirne und die Nafe 


Miscellen. 337 


und bohren fi Pfeile durch die linfe Hand Dann bringen fle bie 
Königsleiche weiter zu einem anderen Voll, worüber fie herrfchen, und 
folgen ihr nad. Iſt der Zug durch ganz Skythien herum, fo wird vie 
Leiche in Gerrhi ind Grab auf ein Blätterlager gelegt, und ſie ſtecken zu 
beiden Seiten des Todten Lanzen ein, fpannen Holz darüber und beveden 
e8 mit Matten. In dem übrigen großen Raume des Grabes beftatten 
fie eine8 feiner Kebsweiber, nachdem ſie daſſelbe erftidt haben, nebft vem 
Mundſchenk, Koh, NRoßmärter, Diener, Boten, fomie den Roßen und den 
Erftlingen aller andern Dinge, und golpnen Schalen, denn des Silbers 
und Erzes bedienen fie fih nicht. Dann aber thürmen ſie wetteifernd 
einen Grabhügel fo hoch wie möglih auf. Nach Verlauf eines Jahres 
nehmen fte fünfzig der vorzüglichften königlichen Diener, die eingeborene 
Skythen find, (denn vem Könige dient, wen er es heißt, find fie haben Feine 
erfaufte Diener), erftiden fie, und dazu bie fünfzig fchönften Roße, 
nehmen ihnen die Eingeweide aus, reinigen den Bauch und füllen ihn 
mit Spreu an, und nähen ihn wieder zu, dann ftellen fie vie eine Hälfte 
eine8 Radreifes auf zwei Hölzer aufrecht, und bie andere Hälfte ebenio 
auf zwei Hölzer, und fo befefligen fie noch viele, dann fpießen fie bie 
Roße ver Länge nach mit flarfen Hölzern bis zum Halſe, und bringen fie 
auf jene Reife, jo daß der vordere dad Roß an den Vorverbugen, ber 
hintere an ven Schenfeln aufrecht hält, vie Beine aber zu beiden Seiten 
ſchwebend hängen; nachdem fie ihnen dann Zügel und Gebiß angelegt, 
binden fte, diefe vorwärts nehmend, an Pflöde, und fegen die fünfzig 
erwürgten Jünglinge darauf, ihnen ein Holz am Rüdgrat bis zum Halſe 
aufwärts ſtoßend, welches unten in ein Loch gebracht wird, das ſich in 
dem dad Roß durchſtoßenden Holze befindet. Haben fie nun mit folden 
Reitern das Grab umftellt, fo gehen fie weg. Stirbt ein anderer Skythe, 
fo führen ihn die Verwandten auf einem Wagen zu den Freunden, von 
denen fte mit einem Mahle bewirthet werben, wobei dem Todten gerade 
fo vorgefegt wird, wie den Andern, und dieſes Herumfahren bauert 
vierzig Tage, worauf die Beflattung erfolgt, nach welcher ſich die Beſtat⸗ 
tenden alfo reinigen: fe reiben und wafchen fi Kopf und Leib und 
flellen drei gegeneinander gelehnte Stangen auf, um melde fie dann 
einen wollenen Filz ſpannen. Diefen feft verfhließenn werfen ſie glühend 
gemachte Steine in eine zwifchen den Stangen und dem Bilz befinplidye 
Grube, auf welche fie Hanffaamen thun, von dem ſie ſich durchräuchern 
und in ven flärfften Schweiß bringen laßen, und dies dient ihnen als 
Bad, denn im Waßer waſchen fie ven Körper durchaus nit. Nun fagt 
Herodot noch, daß fie fremden Bräuchen fehr entgegen feyen. 
Deßenungeadhtet, wie das Safäenfeft ver Anaites oder Enyo von 
ihnen, die mit den Semiten durchaus nicht als ſtamm⸗ und ſprachver⸗ 
wandt angefehen werben können, in Aſten angenommen warb, fo müflen 
IV, 22 


338 Miscellen. 


fie unter und freilich unbekannten Umfländen den Dienft ver femitifchen 
Simmeldfönigin angenommen haben, denn fonft koͤnnte Herodot nicht von ber 
himmlifchen Aphrodite bei ihnen fprechen, einer Gottheit, die ihre beftimmte 
Form erhalten hatte, und die man nicht mit einer ihr einigermaßen ähn⸗ 
lichen würde verwechjelt haben. Unter einer andern Form fand fi die 
Derehrung der Lebensmutter bei den ſkythiſchen Tauren, welche das Rind 
zum Sinnbild hatte, und von ven Griechen, weil fie der Artemis ähnlich 
war, auch Artemis genannt ward, und Aufnahme in Brauron in Xttika, 
in Lafevdämon und fonft fand, und von Griechenland aus nad Sicilien 
und Unteritalien, und von dba in die Nähe Roms ald neworenſiſche 
Diana wanderte. Sagt und nun Herodot, die Skythen hätten außer ver 
himmlifchen Aphrodite auch ven Herakles verehrt, fo ift fein Grund vor⸗ 
handen, diefe Nachricht für einen Irrthum auszugeben, weil das Wolf 
der Skythen nicht darnach außsfieht, als habe ed den Griechen in Betreff 
feines Cults etwas vorlügen wollen. Einen Serafle8 aber erkannte 
Herodot ficherlich, wie wir aus feinen Nachrichten über Aegypten, Tyrus 
und die Infel Thaſus erfehen, nur in einem der Gottheit ver genannten Orte 
ähnlichen Gott, alfo in vem Melkart oder Moloch. Daher mag ſich venn 
auch die griechifche Sage von ver Abftammung der Skythen von Herakles 
fhreiben, denn SHerakliven unter den Skythen anzunehmen, mochte wohl 
den Griechen ſchwerlich einfallen. Die Skythen ſelbſt aber ließen viefe 
Abflammung nicht gelten, und mwußten nichts von ihr. Denn fle gaben 
ihre Abkunft alfo an, wie Herodot meldet (4. 5): fle feyen das fjüngfte 
aller Völker; in dem wüften Lande fey zuerft ein Menfch, Namens Tar- 
gitäus, entflanden, erzeugt von Zeus und ver Tochter des Stromes Bory- 
fihenes. Targitäus habe drei Söhne erzeugt, den Lelporais, Arpoxais und 
den jüngften, Kolaraid. Währenn dieſe herrfchten, feyen goldene Werk⸗ 
zeuge vom Himmel gefallen, ein Pflug, ein Joch, ein Beil, und eine Schaale. 
Der Ueltefle, welcher es zuerft erblidt, fey näher getreten, als er aber 
die Sachen aufheben wollte, habe dad Gold gebrannt; nun fey der Zweite 
Dinzugetreten, und e3 babe daſſelbe Statt gefunden; der Dritte aber habe 
es aufheben gekonnt und zu ſich genommen, worauf vie beiden älteren 
Brüder ihm die Herrſchaft übergeben. Von dem Leiporais flammen vie 
Auchaten, von Arporais die Katiarer und Trafpier, von dem Jüngften 
abes die Königlichen, welche Paralater heißen; vie Skythen felbft aber 
nennen fi Sfoloter, nad) dem Namen des Königs. Den Namen Skythen 
jedoch haben fie von den Griechen befommen. Jenes heilige Gold bewahren 
bie Könige, und fühnen es jährlich mit großen Opfern, wann fle zuſam⸗ 
menfommen. Auch erzählen die Skythen, wann Einer mit dem heiligen 
Golde am Feſt unter freiem Himmel einfchläft, fo lebe er das Jahr nicht 
mehr dur, und deßwegen gebe man ihm zum Gefchenfe, wieviel er an 
einem Zage zu Pferd umreiten koͤnne. Kolaxals aber, heißt es, habe 


Miocellen. 3308 


fein Reich in drei Theile getheilt unter feine Söhne, pen Theil jedoch uw 
größten gemacht, in welchem das Gold aufbewahrt werde. Die Griechen 
im Pontus dagegen erzählten: Heraklet fey mit ven Geryonesrindern nach 
Stythien gefommen, und habe fih bei Sturm und Kälte in fein Lömenfek 
zum Schlafen eingewidelt. Beim Erwachen habe er vie Roße feines 
Wagens vermißt, fey Re fuchenn nach Hyläa gefommen, wo er Echidna, 
die halb Jungfrau, halb Schlange war, in einer Grotte gefunden, bie 
ihm feine Roße verfprochen habe, wenn er fie umarmen wolle. AI viefes 
geſchehen, babe Re vie Herausgabe ver Rohe aufgefchoben, body zulegt 
nachgegeben und befannt, daß fle von Herakles drei Sohne im Bufen 
trage, und ihn um ihr Verfahren mit venfelben befragt. Herakles habe 
angeorpuet, wann fie zum Mannesalter gelangt, folle fle vem, ver den 
Bogen auf die Art, wis er es zeigte, fpanne, und ven Gürtel auf eine 
ebenfalls ihr gezeigte Art gürte, das Land übergeben, pie andern Veiden 
aber fortſchicken. Als fie nun ben Agathyrfus, Gelonus und Skythes 
gebohren, hätten vie beiden Erflen, als fie herangewachfen, vie Probe 
nit, Skythes aber habe fle beſtanden un® von ihm Teiteten die ftythi⸗ 
ſchen Könige ihr Geſchlecht, ſowie bie Skythen von der golvenen Schaale, 
die am Seraflesgürtel war, die Gewohnheit annahmen, bis jetza eine 
Schaale am Gürtel zu tragen. 

Betrachtet man, wie die Schaale in ver Heraklesfabel alt Sonnen⸗ 
kahn von Bedeutung iſt, und wie auch in Italien ein großer Becher 
defſelben war, fo möchte man ſich geneigt fühlen, auch die Schaale des 
Skythengürtels darauf zu beziehen. Doch dürfte eine ſolche Anſicht ſehr 
gewagt ſeyn, wiewohl die Schaale bei den Skythen von weſentlicher 
Bedeutung ſeyn mußte, weil Re unter den heiligen goldnen Gegenſtänden 
war, die, vom Himmel gefallen, ſich unter des Königs beſonderer Obhut 
befanden, und am Jahregsfeſte mit großen Opfern gefühnt wurden. Wie 
die Sfyihen zu einem Werresgotte kamen, darüber iſt ums nicht einmal 
eine Bermurhung vergoͤnnt, denn jede leitende Spur fehlt. Weiteres, alse 
das oben Angeführte, iſt und über vie fEnthifche Neligten und Mytholegie 
nicht erhalten, Boch wenn ed ganz genau der Wahrheit gemäß if, daß fie 
Himmel und Erde für Gottheiten hielten und anbeteten, jo ſinden wir 
eine NRaturreligion, wie fle nabe liegt und auch anderwärtd vorfommi. 
Wir verlieren zwar nicht® daran, daß Herodot uns bie fiythiichen Ramen 
des Herakles und des Ares nidgt nennt, denn wir verftehen ja vie ange⸗ 
gebenen Namen doch nicht, aber eigem iſt vieles Uebergehen, fo daß «6 
faft ſcheint, als habe er viefelben aus Unkenniniß übergangen. 

Erbliden wir nun ben Feuergott Hephäſtos mit dem Lichtpasälen 
ipentificist und gleich dieſem mit ver großen Lebensmutter in Berbinsung 
geſedt, in ben griechiſchen Mythologie, wie in der ramiihen (als Gette 
der Maja und der Venus), fo erfcheint uns darin gewiflermaßen eine 

22* 


310 Miscellen. 


Gleichſtellung des Feuers und des Lichts. Bey Horaz fehen wir freilich 
den Beuergott wegen der befruchtennen Frühlingsgewitter mit Venus in 
Verbindung, in ven Worten (Op. 1.4. V. 7), wo er die Brühlingsreigen 
der Venus beichreibt:: 


Alterno terram quatiunt pede, dum graves Cyclopum 
Vulcanus ardens urit offcinas. 


Und dieſe Verbinpung ift anderer Art, als vie des Lichtpatäfen mit der 
großen Lebensmutter; da wir aber ven Grund der Ipentificirung mit 
Gewißheit anzugeben nicht vermögen, fo fünnen und müßen wir uns 
mit der Thatſache felbft begnügen. Jedoch begegnen wir einer jener 
Ipentificirung nicht unähnlichen, wenn auch nicht gleichen Thatfache in 
der griechiſchen Mythologie, welche vie Zufammenftellung des Lichts und 
des Feuers auf eine für und unerflärliche Weiſe enthält, nämlich die 
Bereinigung des Diomedes mit Pallas Athene. Sie ift die Veuergdttin 
und er iſt ein Lichtgott, ver in Thrakien als Sonnengott das Noß (denn 
die Sonne fährt am Himmel mit Roßen) als fein Thier hatte, und in 
Italien weiße Roße von den Enetern zum Opfer erhielt. Innig ift die 
Verbindung von Athene und Diomedes und blieb aud fo, ald man 
Legteren zum Heros gebichtet hatte, wie z.B. am Wafchfefte des Athene- 
bilds in Argos der Schiln des Diomebes in dem Aufzuge getragen ward, 
wie wir bey Kallimachos in dem Hymnus auf vieles Feſt (35) leſen. 
Weil von vem Gotte Diomedes, ſowohl in Italien, wie in Thrakien, nur 
Spuren vorhanden find, keineswegs aber Nachrichten, welche uns über 
jeinen Cult und den Umfang feines Wefens aufklären, fo koͤnnen wir 
nur die Thatſache einer fehr genauen Vereinigung der Feuergöttin mit 
einem Sonnen= oder Lichtgotte bemerken, ohne fie näher zu begründen 
und aufzuklären. Noch unerklärlicher ift eine andere Thatfache für ung, 
welche die griechifche Mythologie in einem einzelnen Zuge darftellt, außer 
allem Zufammenhange mit dem, was wir fonft von ver Pallas Athene 
wißen, dag nimlihd Auge, vie Priefterin ver Athena Alen, von Herafles 
den Telepho8 gebiert. Diefe Auge, Licht, ift vie Lichtgöttin der Geburt, 
und zu dieſer eignet ſich ver LKichtpatäfe Herakles, aber wie das Licht in 
Beziehung auf die Geburt mit der Veuergdttin zufammentreffe, vermögen 
wir nicht zu erflären, und doch zeigt und der Mythus eine Zuſammen⸗ 
ſtellung des Feuers und des Lichts, und zwar des leßteren in feiner 
befonveren Beziehung zur Geburt. Telephos koͤnnte darauf zu deuten 
feinen, daß dieſer Mythus aus Kleinaflen, wo ihm ver Wohnfig ange- 
wieſen wird, nach dem Peleponnes gelangt wäre, mit einer folchen miß- 
lichen Vermuthung würben wir aber eine weitere Aufklärung nicht gewinnen. 


Miscellen. 341 


Herakles und Apollon. 


Der lykiſche Lichtgott Apollon erſcheint in der griechiſchen Mytholo⸗ 
gie in Verbindung geſetzt mit dem phoͤnikiſchen Lichtpatäken Melkart, und 
in mehreren Mythen von Apollon und Herakles iſt dieſe Verbindung auf 
eine oder die andere Weiſe ausgedrückt. In Theben, wo grade Herakles 
zu Hauſe war, galt er als ein Daphnephoros, als ein lorbeerbekraͤnzter 
Diener des Apollon, wie wir aus Paufaniad (IX. 10. 4.) erjehen. Eine 
äußere Veranlaßung zu einer folden Dichtung war nicht vorhanden, und 
fo find wir berechtigt, ven Herakles ald Daphnephoren des Apollon ebenfo 
einem mythologiſchen Verhältniß zuzufchreiben, wie dad Verhältniß ver 
Jo als Priefterin ver Hera einer DVergleihung und Zufammenftellung 
beider Goͤttinnen angehört. Ebenſo kann nur ein mythologifches Verhält- 
niß die Sage veranlaßt haben, welche Apollodor (MI. 6. 2) erzählt: Don 
einer jchweren Krankheit wegen der Ermordung des Iphitod ergriffen, 
gieng Herakles nad) Delphi, und fragte, wie er ver Krankheit ledig 
werben Fünne; als ihm aber vie Pythia nicht weißagte, wollte er den 
Tempel plündern, ergriff den Dreifuß, trug ihn weg und gründete ein 
eigened Drafel. Wie nun Apollon mit ihm Tämpfte, ſchleuderte Zeus 
feinen Blig zwifchen ſie, und als fle auf ſolche Weife auseinander gebracht 
waren, erhielt Herafles ven verlangten Orakelſpruch. Ohne ein Verhäaͤlt⸗ 
niß beiner ®dtter zueinander anzunehmen, würbe dieſe Babel eine gar 
zu geringfügige Erfindung feyn, und doch war fie eine foldde, bie, wie 
Paufania (X. 13. 4) fagt, von den Delphiern erzählt wurde, und man 
nannte fogar Orte, mohin der Dreifuß von Herakles gebracht worben 
(während die Delpbier fagten, er babe ihn zurüdgegeben), ſowie auch 
dieſe Fabel ein Gegenftann ver Bilonerei war. Mithin war viejelbe 
befannt und berühmt genug. Ob dieſe Beziehung ebenfalls nad) Theben 
gehörte, wohin Herakles den Dreifuß gebracht haben follte, während 
Andere Pheneos in Arkadien nannte, wißen wir nicht, denn es fehlt an 
weiteren, diefen Punkt aufflärenden Nachrichten. Ganz in gleicher Weiſe, 
naͤmlich in eine ſehr nahe Berührung ſcheinen auch 


Diomedes und Apollon 


gekommen zu ſeyn, ſo daß man den thrakiſchen Licht- und Sonnengott, 
den wir auch in Aetolien und im Peloponnes finden, mit dem lſhkiſchen 
Lichtgotte in Delphi zufammenftellte. Die trdzenifche Sage nämlich, 
welche und Paufanias (II. 32. 2) berichtet, deutet darauf hin. Im 
Umfteife des Heiligthums des Hippolytos war ein Tempel des Apollon 
Epibaterios, weldyen der nach Iliond Fall auf der Heimfehr aus einem 
Sturme gerettete Diomedes gegründet haben fol, und ebenfalls fol er 
auch die pythiſchen Spiele zuerft eingefegt haben. Den Heros Diomedes 


842 Miscellen. 


aber fehen wir nie in Verbindung mit Apollon, deun die homerifche und 
nachhomerifche Sage Fennt ihn nur als einen Liebling der Pallas Athene. 
In Thrakien ſelbſt nun fcheint Diomedes nicht zum Heros gebichtet 
worden zu feyn, denn fonft würbe er bey Homer auf Seiten ver Trofa- 
ner ftehen, ſondern es fcheint dieſes in Aetolien ver Sal geweſen zu 
fegn. Wir fehen aber auch den Diomebed in einem Berbältnife zu 
Hippolytos, dem Sohn und Gatten der großen Lebensmuͤtter, wenn viefe 
Deutung richtig If, von welchem Baufaniad (Il. 32. 1) erzählt: Hippo⸗ 
Igto8 bat zu Trdzen ven außgezeichnetften heiligen Bezirf, und in dem⸗ 
felben einen Tempel mit einem alten Bilde, und es heißt, Diomedes 
habe vieſes Alles geftiftet, fowie er auch zuerft dem Sippolytos Dpfer 
bargebracht habe. Der Prieſter des Hippolytos bey den Trözeniern hat 
diefes Amt Tebenslänglich, und die Opfer finden alljährlich Statt. Außer⸗ 
dem aber ſchneidet jeve Sungfrau vor ihrer VBermählung fidh eine Locke 
ab und bringt fie als Weihgefchen? in ven Tempel. Und die Trözenier 
behaupten, er fen nicht von den Roßen todt gefchleift worven, und 
wien nichts von einem Grabe veflelben, fondern meinen, er fey ver 
Fuhrmann am Himmel. In diefer, freilich nur den Diomedes ald Heros 
Betrachtenden Sage, feheint ein Verhältniß des Lichtgotted zum Seegens⸗ 
And der Natur durchzuſchimmern, wie ed in der Zuſammenſtellung bed 


Apollon und Dionyfos 


enthalten iſt. Der zerrißene Dionyſos erwacht in einer Wanne, d. i. 
einer Wiege, welche im Heiligthum won Delphi aufbewahrt wird, und 
Die Thyiaden ziehen nad) Delphi und dem Parnafle. Bier kann Eein 
Zweifel feyn, daß der Lichtgott in voller Beziehung zum Kinde der Natur 
genommen ſey, infofern alles erwachende Leben und jeve Geburt Bezie⸗ 
hung zum Lichte hat. Dan Tann als ähnlich das Verhältniß des Mel- 
kart⸗ Herakles zur Lebendmutter Galinthias als einer Geburtögättin ver- 
gleichen, und das Verhältnig des Khunfu zu Mut und Amun in Aegyp⸗ 
ten. Hier find wir auch im Stande zu erkennen, woher vieler Mythus 
nah Delphi gekommen ift, venn ber bomerifhe Hymnus auf Apollon 
nennt die Priefter des delphiſchen Gottes eingerwanderte Kreter, und auf 
Kreta war Zagreus (Dionyfos) der zerrifiene Gott verehrt, denn felbft 
der Tretiiche Stiergeus, ver dort ein Grabmal hatte, war fein anderer 
als das Seegeskind der Natur, als höcfter Gott ein Zeus genannt. 
Sa auf Delos Fnüpft die Sage ebenfalls eine Beziehung Apollons zur 
Aphrodite an Kreta. Es heißt bei Kallimachos in dem Hymnus auf 
Delos (303 flg.): Die Weife des lykiſchen Olen wird gefungen, und bie 
Reigentänzerinnen tanzen dazu, und da wird auch das Bild der alten 
Ayppris reich befränzt, welche Göttin Theſeus einft, ald er von Kreta 
gurüdfam, weihte. 


Miscellen. 348 


Bei Diomedes iſt es auch zu beachten, daß ihm, wie dem Apollon, 
die Schwäne, fo die ſchwanaͤhnlichen Reiher gehörten, wohnend auf der 
ihrem Namen nach beveutfamen Inſel Elektris, denn dieſer Name eignet 
ft für einen Licht» und Sonnengott. Wohl mag auh darin, daB 
Tydeus, der ald Dater des Diomeded in der Seroenfage gilt, mit 
Deneus (Weinmann, der ven Wein erfand) und Meleagrod, den Tänd- 
lichen, ver traurig untergeht und von den Meleagriven alljährlich betrau- 
ert wird, zufammengeftelt ward, eine dem Verhältnis Apollons zu Dio⸗ 
nyſos, oder des Diomedes zu Hippolytos ähnliche Anfchauung zu Grunde 
liegen, vie in der Hervenfabel ven Zweden dieſer dienend, ihres wahren 
Weſens ganz entkleimt ifl. 

Verfolgen wir vie Idee von der Zufammenftelung des Lichtgottes 
mit der Beuergottheit und des Kichtgotte8 mit dem Seegenskinde ver 
Natur, fo bietet und Aetolien in feinen Sagen noch weitere Vermuthun⸗ 
gen dar. Sehen wir in der eben angegebenen Heroenfabel wirklich einen 
mythologifhen Grund, und nehmen wir an es fey in Meleager ein 
Nachhall des Seegenskindes, deßen Tod beflagt ward, enthalten, fo laͤßt 
fig für das Folgende ein Zufammenhang mit Diomeded vermuthen. 
Dem Deneus warb Oreſtheus, d. i. Bergmann, zum Großvater gegeben, 
weil ver Wein an Bergabhängen wächſt, oder wie Novalis fagt: 


Auf hoben Bergen wird geboren 
Der Gott, ver und den Simmel bringt, 
Die Sonne hat ihn auserforen, 
Dap fie mit Flammen ihn durchdringt. 


Sein Vater war Phytios, d. i. der Pflanze. Dem Oreftheus aber 
wird die Erfindung fo zugefchrieben, daß er einen Hund hatte, welcher 
ein Holz gebar, dad von Oreſtheus eingegraben im Lenz einen Weinſtock 
fproßte. Dieſem Hunde begegnen wir in der attiſchen Babel von Ikarids 
wieder, denn als deßen Tochter Erigone, d. i. Tenzgeboren, ihren ermor⸗ 
beten Vater, ver den Wein mitgetheilt hatte, auffuchte, war fle von dem 
Hunde, Maita, d. i. Glanz oder Brand, begleitet, und bie führt uns 
auf die Erklaͤrung des Hundes als des Hundsſternes, deßen Gluten ven 
Wein zeitigen. Deßwegen kann ich der Erklärung Feuerbach's in feinet 
fhönen Abhandlung über den Meleager nicht beiſtimmen, wann er in 
dem Namen des Hunded xdov ben Grund findet, daß man venfelden 
zum Gebährer jenes Holzes gemacht babe, weil diefer Name Gebährer 
bedeutet. Damit wäre der Hund des Oreſtheus ohne Nückficht auf den 
Hund Maira erklärt, und doch gehören beide in venfelben Kreis des 
Naturmythus, was es unglaublid macht, daß zwei fo ganz weſentlich 
verſchiedene Veranlaßungen eine und dieſelbe ſinnbildliche Bezeichnung im 


844 Miscellen. 


einem Mythus, ver ven naͤmlichen Sinn nur mit verſchiedenen Namen 
ausdruͤckt, veranlaßt haben ſollte. Zu dem betrauerten Deneusjohn 
Meleager gehört ver Eher von Kalydon, welcher die Urfache jener Trauer 
um den tragifch endenden Heros ift, und der Eber iſt es, welcher ben 
fhönen Adonis, den Liebling ver großen Lebendmutter, ver Seegenskind 
und Gatte feiner Mutter ift, töntet und die Adonisklage veranlaßt. Eine 
Tochter des Deneus und ver Althän war Deianeira, die Gemahlin des 
Herakles, des phoͤnikiſchen Lichtpataͤken, doch galt dieſelbe auch (Apollo⸗ 
dor I. 8. 1) für eine Tochter des Dionyſos und der Althäa, ſowie auch 
Dionyfos dem Deneud nad anderer Sage zuerfl ven Weinftod gefchentt 
haben fol, fo daß Oeneus als Dionyfos erfcheint, und mit dem Licht⸗ 
gotte in Verwandtſchaft vargeftelt wird. (Die Sage, Meleagros fey ein 
Sohn des Ares und der Althäa geweſen, fcheint nicht den Sinn zu haben, 
daß er ein Sohn des Lichtgotted, denn ein thrafifcher Lichtgott war Ares, 
gewefen jey, jondern ein tapferer, Eriegerifcher Selb, wie jeder Held ein 
Sohn des Ared, ober ein Xreifcher heißen Tann.) Tydeus aber beißt 
auch Sohn des Deneus, und ift, wie fein Sohn, der Kichtgott Diomedes, 
Liebling der Teuergdttin Athene, d. h. wohl, Tydeus iſt ein anderer 
Name eines und deflelben Lichtgottes. Der gewaltige Tydeus, in deßen 
Wildheit ein Nachklang von Menfchenopfern, die dem Diomedes nach ver 
Sage von den menjchenfreßennen Roßen wirklich dargebracht wurden, 
enthalten zu ſeyn fcheint. Auch die Fleinere Geftalt des gewaltigen 
Heros, denn Tydeus war Kleiner ald die anderen vor Thebe ziehenven 
Helden, eignet ſich für die Lichtgottheit, die jugenplich erfcheint und in 
den Patäfen fogar als Kind dargeſtellt ward. Wie nun einerfeit ver 
thrafifche Lichtgott in Wetolien mit dem als Weingott erfcheinenven 
Seegenskinde, weldhes Homer Thrakien zufchreibt, in Verbindung zu feyn 
fheint, wenn man vie Heroenſage fo deutet, wie ed möglich iſt, fo zeigt 
ſich auch die Verbindung dieſer Gottheit mit ver Veuergbttin, außer ver 
Allgemeinen Angabe in ber Sage von Tydeus und Diomedes als Lieb⸗ 
lingen ver Athene, noch insbeſondere. Gorge, heißt es (bei Apollovor 1. 
8. 1), war eine Tochter des Deneus, aber nach Pifanvder (wie ebenda⸗ 
felbft 5 berichtet wird) war Gorge die Mutter des Tydeus, den Deneus 
mit der eigenen Tochter zeugte. Diefe Verbindung von Vater und Tochter 
geht ganz aus den Kreife des Hellenifchen heraus und eignet ſich uur 
für die Mythen, welche ver Naturreligion der in Aſien verbreiteten 
großen Lebensmutter angehören. Gorge aber kann in dieſem Mythus, der 
wie die Namen Deneus, Phytios, Oreftheus, Meleagros fattfam zeigen, 
feine Seronenfage enthält, ſondern Naturreligion in dem Gewande einer 
Heroenfage, nicht wohl etwas Anderes bezeichnen, ald der Name 
Gorgo, nämlich die Göttin Palas Athene. felbfl. Daß fle Mutter des 
Tydeus beißt, paßt vortrefflich, venn in ver ganzen aus dem Göttlichen 


Miscellen. 345 


in das Menſchliche übertragenen Sage Eonnte man damit ganz gut dad 
innige Verhältniß, in welchem Tydeus glei) Diomedes zu Athene fland, 
in einer zweiten Geflalt unter vem Namen Gorge ausdrücken. 

Diomedes Fam nach dem Peloponnes, und da er für einen Xetoler 
galt, fo fcheint es, daß er aus Aetolien dahin verpflanzt warb, und daher 
fam auch Marpeſſa nad dem Peloponned. Paufanias (8. 47) erzählt, 
bey vem Bilde ver Athene in Tegen fey der Schiln der Marpefla, bie 
den Beinamen der Wittwe hatte, gewefen, dieſe Marpeila aber habe 
unter den tegeatifhen Brauen befonvers tapfer gegen die Lakedämonier 
gefochten in dem Kampf, wegen veßen fie dem Ares, dem Frauenſchmaus⸗ 
gotte, opfern. In ver Iliade aber Iefen wir (9. 555) von einer Mar⸗ 
peſſa, welche die Tochter des Aetolers Euenos gewefen, und welche Apol⸗ 
Ion geraubt, bis fie des Idas Gattin ward, der mit Apollon um fie 
fampfte. Dem Idas, dem Aphariden gebahr fie die Kleopatra, melde 
auch Alkyone hieß und die Gemahlin des Meleagros ward. Die Apha⸗ 
riden waren ihrem Wefen nach Dioskuren, und Idas war Gott, ehe er 
als Heros genommen ward. Wir Fönnen daher die Verbindung des 
Apollon mit Marpeffa als eine ver Verbindung des Idas mit verfelben 
ganz gleichartige betrachten, und wenn wir Marpefla, deren Schild in 
Tegea bei dem Bild ver Athene fi fand, als Athene felbft annehmen, 
die unter diefem Namen vom Fluß Euenos her, mo nad Dikäarchos (58) 
ein alter ſehr heiliger Tempel der Athene war, nad dem Peloponnes 
kam, fo haben wir auch in diefer Sage die Verbindung einer Lichtgott- 
heit mit der Seuergbttin. Daß aber Marpeſſa ein anderes als ein gött⸗ 
liches Wefen bedeute, mithin der Beyname einer Göttin ſey, ift durchaus 
wahrfcheinlich, weil die ganze äAtolifhe Sage, in weldye fie durch ihre 
Tochter Kleopatra-Alkyone verflochten  ift, nur aus ber Heroiſtrung 
von Gottheiten, und der Anwendung von Götternamen over Beynamen 
entſtanden ift. 

Ob XAtalante, welche keine andere ift, ald Artemis ſelbſt, und unter 
diefem Beinamen zu einer Jägerin gevichtet in Arkadien und Böotien 
ericheint, bloß als Jägerin in den ätolifhden Mythus von dem ber 
gefommen fey, läßt fih nit mit Beftimmtheit entſcheiden. Meleagros 
liebt fie, und da diefer durch den Eber ftirbt, infofern verfelbe vie Ver⸗ 
anlaßung zu feinem tragifchen Tode ift, fo Fönnte, das iſt wenigftene 
möglih, und ver Geſammtgehalt des ätolifhen Mythus würde damit 
übereinftimmen, Meleagros im Verhältniß zu Atalante feyn, was Adonis 
im Verhältnig zu Aphrodite iſt; venn obgleich Atalante Jungfrau bleiben 
wollte, wie Artemis durchaus jungfräulid genannt wird, fo fchreibt ihr 
der Mythus doch einen Sohn, ven Parthenopäns zu. Daß unter Anderm 
auch Meleagros Bater deſſelben genannt wird, fteht nach fpäterer Dich⸗ 
tung aus, und fland Meleagrod zur Lebendmutter Artemis in dem naͤm⸗ 


346 Miscellen. 


lichen Verbältnig, wie Adonis zur Aphrodite, jo mar er nicht Vater des 
Parthenopäos, fondern viefer ſelbſt. Denn alle Mythen, welche aus vieler 
Naturreligion entfproßen find, beruhen auf dem @ult ver großen Mutter 
und ihres Seegenskindes, welches aber auch Gemahl ver Mutter iſt und 
als bluͤhender Jüngling ſtirbt, bis es wieder auflebt. Als Gemahlin des 
Meilanion ſowohl, ald des Hippomened, wird fie in einen Löwen ver: 
wandelt, ebenfo wie ihr Gatte, weil fie den Kain des Zeus oder den 
“ Tempel ver großen Göttermutter durch Liebedumarmung verlegte. Ja 
fogar die Löwen, welche ven Wagen der Kybele ziehen, follen eben dies 
verwandelte Paar ſeyn. Es ſcheint in dieſem Zuge ver Babel, zu welchem 
eine Beranlaßung ſchwer zu erfinnen if, wenn man fle auf dem gemöhn- 
lichen Wege und nach der Analogie anderer Verwandlungsgeſchichten fucht, 
ein weſentlicher Grund vorhanden zu feyn, Atalante für eine Artemis als 
Rebendmutter anzufehen, denn der Löwe gehört der großen Tebensmutter, 
und Artemis tft mit verfelben vielfach iventificirt worden, fo daß in dieſer 
Berwandlung der Mythus die große Lebensmutter zeigen koͤnnte, und daß 
wir wirklich in Meleagroß oder Parthenopäos und Atalante ein Gegen 
fü zu Adonis und Aphrodite und zu Atted und ver phrugifchen Göttin 
haben würben. Die Ausbilvung des heroifchen Mythus, mie ſchön der⸗ 
felbe menſchliche Verhaͤltniße tneinanvder fehlingen und zu einer ergrei- 
fenden und rührenden Babel abrunden mag, kann einer ſolchen Auslegung 
nie die Wahrfcheinlichkeit entziehen, da es tm Allgemeinen umwiberleglich 
erwiejen ift, daß die Beynamen der Götter Häufig zu ſelbſtſtändigen 
Mefen ausgeprägt wurden, und daß die Mythen, weldye foldye betreffen 
fi) dann vorzüglich fo geftalten, vaß die menfchlihen Verhältniße die 
göttlichen überwiegen und daß letztere nur noch durchſcheinen, weil fle den 
innern, jedoch überwucherten Kern bilven, ift ganz natürlid. Es laͤßt 
fit aber darum auch nur der allgemeine Gehalt in derartigen Myhten 
erkennen, und eine firenge Zurüdführung jedes einzelnen Zuges auf den⸗ 
felben kann, wenn eine gefünftelte Deutung es auch vermödhte, nicht 
zuläßig feyn. So bietet vie Atolifhe Sage und noch vie Alkyone dar als 
Gattin des Meleagros. Sie Hagt um ven Ton des Gatten, wie in ber 
Babel von Keyr und Alkyone auch diefe den umgelommenen Gemahl 
beweint, bis fie in einen Eisvogel verwandelt wird. Diefer Vogel 
erweißt fich in diefen Mythen als SKlagevogel, und eignet fich alſo redht 
gut zur Klage um Melengrod, aber ver Schluß, Alkyone fey vie große 
Lebensmutter, welche um ven Ton des blühenden Jünglings, ver ihr 
Sohn und Gatte war, Elagte, möchte ein erzwungener und falfcher feyn. 
Eine Klage um den Meleagros, und dieſe fand Statt, und mußte flatis 
finden, reichte Hin, um die Alkyone in diefe Babel zu bringen, und um 
bie Klage zu begründen, mußte fie in ein nahes Verhältniß zu ihm gefegt 
werden, fo daß nichts näher Tag, ala Re zur Sottim deſſelben zu Dichten, 
um ben gewaltigen Schmerz, der \hr vie Klage ergergte, au vrlihten. 


Miscellen. 347 


Herakles erfcheint auch in dem ätolifhen Mythus als Battle ver 
Deneustochter Dejaneira, der Schwefter des Meleagros, welche nebft Gorge 
unverwandelt blieb, als die Schweflern in ihrer Trauer um ben Bruder 
in Vögel wermanbelt wurden. Mehr aber als eine unbeftimmte allgemeine 
Kunde von dem Berflechten des phoͤnikiſchen Kichtpatäfen in die Religion, 
aus welder fi ver ätoliihe Mythus gebilnet hat, Tannen wir aus 
diefer Verbindung nicht folgern, gerade wie De des thrakiſchen Sonnen- 
gotte® Diomedes eben aud nur eine ganz allgemeine Kunde if. Da 
jedoch Herakles ale Thebaner galt, fo bemweißt gerade die Gattin aus 
Aetolien, Daß er in dieſem Mythus vieles Landes einft eine weſentliche 
Beziehung hatte als Lichtgottheit, denn fonft würde man feinen Grund 
gehabt baden, ihm eine Aetolerin ald Gattin zu ervichten. Am menigiten 
aber Läßt ſich aus dem Namen ver Dejaneira irgend etwas über bie 
Beziehungen des Herakles in Aetolien folgern, denn er läßt eine Deutung 
nicht zu, welche auf irgend ein religidied Verhaͤltniß konnte ſchließen Taßen. 
Grave fo if ver Name von Tydeus Gattin Deipyle ohne Beziehung auf 
Religion, und der von Diomedes Gattin Wegialeia bezeichnet nur die 
Verpflanzung deſſelben in ven Peleponnes, und erft nachdem Diomedes 
in biefe Halbinfel gekommen war, Eonnte man daran denken, dieſe Gattin 
für ihn zu dichten. Zu den Henetern fcheint Diomedes aus Thrakien 
gefommen zu ſeyn, nach Unteritalien aber aus dem Peloponnes. 

Bedenken wir, daß die großen Spiele in Griechenland Zeitepochen 
feierten, und ihre Gründung daher Lichtgottheiten zugefäärieben warb, bem 
Serafled - Melikerted, dem Diomedes, dem Apollon, dann müflen wir auf⸗ 
merkſam werben auf Endymions Beziehung zu den olympifchen Spielen 
&r heißt Sohn des Aethliog, d. i. des Kampfipiele, und hat vie Aftes 
rodia, d. i. die Sternfrau, oder die Chromia, d. i. das Roßgewieher zur. 
Battin. Dies zeigt ihn veutlih in Verbindung mit den Kampffpielen 
‚u Diympia, noch mehr aber erhellt dies aus der Angabe, daß er mit 
ver Mondgdttin Selene fünfzig Toͤchter erzeugt habe, womit vie Zahl ver 
Wochen, welche zwifchen ver Beier der olympiſchen Spiele enthalten find, 
bezeichnet worden. Dieſe Selene bejucht ihn, wann er in ver Grotte des 
Latmos fchläft, denn er fchläft flets, wann bie Mondgdttin Tommt. Er 
iſt alfo ein Lichigott ded Tages, welcher Nachts ſchlaͤft, und der als 
Lichtgott zu dem olympifchen Zeitfeft in Beziehung fteht, welcher alfo mit 
Serafles, dem Stifter der Spiele, feiner Natur nad verwandt iſt. Zu 
feinen Söhnen wird Aetolos gezählt, woraus aber nicht zu folgern if, 
es ſey von Endymion in der ätoliichen Babel fe die Rede geweſen. Daß 
übrigend Herafle8 und Endymion in Olympia zufammentrefien, bagegen 
Herakles⸗Melikertes und Pofeivon auf dem Iſthmos, Kann nicht befremden, 
denn wenn bey dieſen Zeitepochen, welche durch die Spiele gefeiert wurden, 
ein Lichtgott der natürliche Vorſteher oder der Sinführer derſelben war, 


348 Miscellen. 


fo feierten die Olympien und Nameen zwar ganz gut ven Zeus als 
höchften Himmelskoͤnig, dem das himmlifche Licht und alle Zeit gehört, 
weil er Alles lenkt, aber Poſeidon konnte als SHerrfcher des Meeres, 
trogdem daß ihm ver Iſthmos gehörte, nicht fügli zum Vorfteher eines 
Veftes ver Zeit geeignet fcheinen. Dies aber hat dennoch Statt gefunden 
und findet feine genügenve Erklärung darin, daß Melifertes zum Meer- 
gotte gebichtet ward, weil er als Lichtpatäfe in dem Sonnenſchiff fuhr, 
alſo Schiffer war. Sollte, nachdem dieſes gefchehen war, dem als Heros mit 
Zodtenopfern verehrten Melikertes ein Gott übergenronet werben, um bad 
Feſt auf Letteren zu beziehen, fo war natürlid Keiner geeigneter zu 
dieſem Zwede, ald eben ver höchfte Meergott Pofeivon. 

Wie wir in Böotien die femitifche Himmelskönigin als Europa finden, 
und Theben in ver Sage der Hauptort ver fremden Religion ſchon vers 
möge des Herakles und ver Galinthias ift, fo finden wir in demfelben 
Lande bei ven Xeoliern, welche den Namen der Minyer führen, ebenfalld 
einen Zweig biefer Religion, da bey ihnen Amazonen waren over Frauen⸗ 
adel galt, wenn man es lieber fo benennen will. (Auch bey ven les⸗ 
biſchen Aeoliern findet fich dieſer Frauenadel.) Diefer Adel aber bat 
feinen natürlichen Grund in ver Religion, fo daß er zu Ehren ver Him⸗ 
melsfönigin flaitfinvet. Die Töchter des Minyas ermeifen fih als 
Amazonen durch ihre Namen Alkathoe, Leufippe, Arfippe, welche von 
der Stärfe und dem Roß entlehnt find. Don ihnen flammen die Argo⸗ 
nauten, die nach Kolchis ziehen, wo eine ägyptiſche Colonie angenommen 
wurde. (Sf der Hain des Ares daſelbſt nicht freie Dichtung, fo müßte 
damit dieſelbe Gottheit bezeichnet ſeyn, welche vie Dichtung von ber 
Buhlichaft des Ares mit Aphrodite veranlaßte.) Das Märchen fügt dem 
Amazonengehalt ver Sage das dionyſiſche Element hinzu, welches auch in 
Theben einwanbert, denn die Töchter des Minyas, zuerft dem Dionyiod 
widerſtrebend, feiern dann feine Orgien und werben in Nachtvögel oder 
Blevermäufe verwandelt, mit Anfpielung auf die Nachtfeier des Gottes. 
Die Argonauten Eommen auch nad) Lemnos, und finden dort Amazonen 
oder Frauenadel, denn einen andern Grund hat die Sage von den Lem⸗ 
nierinnen nicht, und die lemnifche Hypſipyle wird nach Theben verkauft 
oder nach Nemea, damit fie dort ven Königsfohn pflege, deßen Tod die 
nemeifchen Spiele feiern, fo vaß hier die Amazonen und ver geftorbene 
Königsfohn der femitifchen Religion zufammentreffen. Seltfam genug 
wird die Einſetzung diefer Spiele mit der tragifchen Sage von Theben in 
eine enge Verbindung geſetzt, welcher Sage ver femitifche Gemahl der 
Mutter zu Grunde zu liegen fcheint. 

Wie in Böotien in Orchomanos bei Aeoliern ver orientaliſche Cult 
in ben Amazonenverhältniß des zu Ehren der großen Göttin flattfindenden 

Frauenadels ſich Fund giebt, ſo Tommi au Melikertes zu Aeoliern auf 


Miscellen. 340 


dem Iſthmus aus Böotien, venn daß Siſyphos in der Sage von der Aufs 
nahme des Melifertes vafelbft erfcheint, heißt nichte Anderes, als daß er 
zu den Xeoliern gefommen ſey. Ja in ver Athamasfabel gehört Meli⸗ 
fertes den WUeoliern in Böntien, denn Athamas iſt ja ein Sohn bes 
Aeolos. In ver Athamanenfage, die ihn mit dem Zeus Laphyſtios in 
Verbindung bringt, mit dem Gotte, der wegen der fengenven Lichtgluten 
mit Menfchenopfern gefühnt ward, den Regen zu fenven, in dieſer Babel 
fonnte Melifertes nur als Lichtpatäfe eingefügt geweſen feyn, als ein 
göttliches Wefen, welches mit dem Infäifchen Zeus, dem Gotte des Lichts, 
eine Nehnlichkeit hatte. Daß auch diefe Sage glei ver Minyerfage mit 
Kolchis in Verbindung gefegt ift, deutet auf einen Zufammenhang, welchen 
näher zu beflimmen wir außer Stand ſind. 


Die Amſchaſpands. 


Wie die moſaiſche Schöpfungsgefhichte fi genau an die Woche 
anfchließt und ſechs Tage für die verſchiedenen Hervorbringungen beftimmt, 
ven ftebenten Tag jedoch zu einem Tage des Herrn macht, grabe fo 
nimmt auch die perfifhe Lehre ſechs Schöpfungstage an, und macht einen 
ver fleben zum Tage des Schöpferd, des Ormuzd, von dem e8 aber heißt, 
er habe die Dinge mit ven Amſchaſpands, welche aljo feine Helfer waren, 
hervorgebracht. Die ſieben Amfchafpands Tonnen wir mit den Patäfen 
von gleicher Zahl zufammenftellen, denn beide Gottheiten find von ben 
fieben Tagen der Woche auögegangen, und fowie ed fih im Melkart 
zeigt und im Phtha zu Memphis, daß eine Verſchiedenheit ver Thatig⸗ 
feit nicht flattfand, fondern ſobald ed auf dieſe anfam, eine Gottheit alle 
fieben vertritt; fo iſt e8 auch in der perftichen Lehre, wo Ormuzd an 
allen ſechs Tagen die Schöpfung bemwerkftelligt, ohne daß einem feiner 
Genofen ein beſonderes Werf zugefchrieben wird. Man Eünnte freilich 
Anftand nehmen, die fteben Amſchaſpands für die fleben Tage, vd. h. für 
das an jedem Tage wiederkehrende Licht zu halten, wenn man Bopp's 
Erklärung folgen wollte, weldher die amese spente in feiner vergleichenven 
Grammatif für non conniventes sanctos ausgiebt; aber er hat dieſe Erflä- 
rung ſprachlich nicht gerechtfertigt, und vie Parfentrabition, melche fie bei 
Anquetil vu Perron und Neriofengh für die Unfterbliden Herrlichen aus⸗ 
giebt, nicht entkräftet. Da dem Ormuzd dad Lichtreih gehdrte, fo war 
natürlich dem Perſer das Licht dad Erſte, das Schaffenne, infofern 
Ormuzd zum Schöpfer angenommen warb. In ver mofaifchen Schoͤpfungs⸗ 
gefchichte ſpricht Gott zuerſt: es werde Licht, dagegen wird in ven Izefchne 
(und im Jeſcht Rafchne wie in dem ber Veruerd) das Licht als uner⸗ 
Ihaffen, qadhäta, angenommen, was in ber alten perfifchen Mythologie 
ſchwerlich flattfand, denn woher hätte eine Volksphantaſie die Nacht 


350 Miseellen. 


nehmen ſollen, wenn zuerſt das Urlicht von aller Ewigkeit her herrſchte? 
Ea gehörte ſchon eine Speculation, vie außerhalb der naiven Auffaflung 
ber natürlichen Dinge ſich bewegt, zu ver Gegenüberftellung des Drau 
und Ahriman in dem Sinne, daß Mithra der Vermittler zwiichen beiden 
ward, wie wir aus Plutarch (über Oſtois una Iſis) erſehen, denn dieſe 
Annahme befagt, daß die Sonne es fey, durch welche Tag und Racht 
miteinander abwechſelnd zur Herrſchaft gelangen, fo daß weder Ormuzd 
noch Ahriman eine vollſtaͤndige Herrſchaft haben. Die Verſchiedenheit 
von Licht und Sonne aber if fo ſtark aufgefaßt, daß Ormuza ſelbſt 
Deespesmeher, d. i. der dem Mithra vorhergehende Schöpfer heit. 
Die Namen der Amfchaſpands find von der Art, daß fie nur das Gute 
bezeichnen, und fi) wohl eignen ala zu einer Schöpfung dei Ormu 
förderlich. Bahman, der gute Geift oder das gute Herz, welcher auch 
bie in den Himmel Gingehenden empfängt, figend auf einem Goldthron. 
Ardibeheſchd, Rein-Herrlich over Sellig- Herrlih, Schahriver, ver 
trefflide König, Sapandomad, die Heilige- Unterworfene, Khordad, 
die Alleshervorbringung, Amerdad, bie Unſterblichkeit. (Khordad und 
Amertan fieben im Dual, was fte nicht als doppelt angiebt, fondern als 
verbunden zufammengebörend, was denn feltfem ausſteht bei ihrer Ver⸗ 
theilung auf zwei Tage.) Ich will hier weder vie Parſentradition noch 
Plutarch's Auslegung beſprechen, denn man fleht aus dieſen Ramen zur 
Genüge, wie fie gesichtet worden find. Wie hoch das Licht übrigens 
geftellt ward, zeigt ſich auch bei den fünf Gahs, ben fünf Tage&geiten, 
denn e8 heißt, daß Dem Gab Havan, der wen Sonnenaufgang Kid 
Mittag umfaßte, drei und dreißig Genien zur Seite fländen, und dieſe 
find feine andern, als die andern vier Gahs und vie neun und zwanzig 
Genien ver Tage des Mondmonats. Die ſechs Schöpfungdtage feierte 
man, jedoch war diefe Beier, Gahbanbar, durch das ganze Jahr ner- 
theilt, und dauerte jedesmal fünf Tage, offenbar dem Licht zu Chrem, 
womit oder woraus die Schöpfung begann, denn her Monat hatte 
vier Ormuzotage und den Schluß machte wieder das Licht, denn ber 
letzte Tag war der Anirantag, der Tag des Urlichts, und dieſe fünf Licht⸗ 
tage bilden die Feſtzeit der ſechs Schäpfungdfeiern. Letztere tragen frei⸗ 
lich mit ihrer Vertheilung ganz und gar das Gepraͤge einer Einrichtung, 
die waitab von dem erſten natürlichen Verhältniß liegt. Wie ſehr man 
übrigens am der Zahl ſieben hieng als einer heiligen, geht ans Vielen 
auch Hei ven Berfern hervor, und führen wir die Hamkars ver Amfcha- 
ſpands auf eine Dichtung zurüd, mie fie fi als natürlich ergiebt, fo 
muß einmal ver Monat aus acht und zwanzig Tagen mit eimem Zuſatz⸗ 
tag beftannen haben, ver für fich gerechnet ward, al& nicht ven Amſcha⸗ 
ſpands gehbrend. Es heißt nämlich, ver Hamlars derſelben ſeyen es drei 
mh zwanzig, und vieſe ſtad die auf vie erſten ſieben ſolgenden Tage, Die 


Miscellen. 351 


mit ihnen vie dreißig Tage des Monats geben, dad Jahr zu 360 Tagen 
gerechnet. Nun haben aber fünf Amſchaſpands jeder drei Hamkars und 
zwei haben deren vier, unter denen fogar Mithra gezählt wird. Die 
urfprüngliche Dichtung verfuhr gewiß nicht fo, ſondern gab jedem Amſcha⸗ 
fpand drei Hamkars, währene nach der überlieferten Eintheilung dem 
vierten und fünften bie vier ‚zugetheilt. werben. Daß dem Ormuzd bie 
fogenannten Dee — d. i. Schöpfungstage des Monats, vie feine eigenen 
find, zu Hamfars gegeben wurden, zeigt übrigens wie biefe Lehre von ven 
Hamkars fpäter gemacht ifl, fo gut es gieng. Den zeugenven Stier fannte 
Perſien au, und leitete jogar wie Schöpfung der Menfchen, Thiere und 
Gewaͤchſe son ihm her, was Nichts weiter heißt, ala alles dieſes fey 
erzeugt worden. Wird derſelbe doch fogar neben ven Amſchaſpands anges 
rufen, denn es heißt im Igefchne: Ich rufe an und feiere Bahman, Ardi⸗ 
beheſcht, Schahriver, Sapandomap, Khordad und Amerdad, und ven Leib 
des Stierd, und die Seele des Stierd, und dad Feuer ned Ormuzd, ven 
ſchnellſten der Heiligen Unfterblichen. 

Wie wir die Offenbarung dur Mofes auf dem Berge empfangen 
fehben und die Höhen bei ven Semiten in der Religion befonverd wichtig 
finden, fo auch giebt Ormuzd feine Offenbarung auf dem Berge. Im 
Jeſcht Ormuzd heißt e8: Fur ven Beſitz des heiligen Worts beten wir 
an die Einfiht Ormuzd. Für die Serfagung des Heiligen Worts beten 
wir an die Zunge Ormuzd. Für die Verkündigung des heiligen Worte 
beten wir an biefen Berg, welcher hegt und aufbewahrt die Einficht 
Naht und Tag, zu Gunften derer, welche die Gabe des Opfers dar⸗ 
bringen. 

Bei den Griechen warb das Feuer ald Duell der Kunſt und als 
Bedingung des häuslichen Lebens und mithin der feiten Anſtedlung, folg⸗ 
lich auch ald eine Bürgfchaft des Staat verehrt, bei ven Semiten, ben 
Uegyptern und Perſern nicht, fonvern bei diefen war e8 das Glement 
des Licht, welches bei ihnen eine fo hohe Bebeutung hatte. Wie vie 
mofaifche Lehre die Unterhaltung der ewigen Lampe im Haufe des Herrn 
befahl, fo auch war bei den Perfern das Feuer ald Kichtelement ein 
Hauptgegenftand der heiligften Verehrung, und darum war ed Sohn des 
Lichts, des Ormuzd, und durfte nicht verunreinigt werben, felbft nicht 
durch des Priefter Hauch. Im acdhtzehnten Fargard des Vendidad wirk 
die Unterhaltung des Feuers alſo befohlen: Zur Zeit des Dritteld ver 
Nacht ruft dad Feuer des Ormuzd ven Arbeiter, der das Leben verbreitet, 
zu feiner Hülfe: Arbeiter, ver du das Leben verbreitefl, erhebe dich 
gürte deine Kleives um, wafche deine Hände, nimm Holz und beinge es. 
zu mir, mache mich firahlen, wit Hülfe gereinigten Holzes mit reinen 
Hinden. Stehen nun die fieben Amſchaſpands und nad Feuer des 
Ormuzd zufammen, jo bedeutet das nichts weiter als Licht, und ſteht der 


352 Miscellen. 


Stier damit verbunden, fo heißt das, es fey das Licht die Schöpfung, 
die Erzeugung. Die Seele des Stierd aber kann nur ein Zufag feyn, 
welcher die Zeugung als fortvauernd und unfterblich varftellt, und ver 
Mythus, der Samen des Stierd ſey im Monde aufbewahrt, zeigt ung, 
wie die Zeit, welche jeder Zeugung feftgefeßt ift, und welche durch ven 
Mond beftimmt wird, ald das zur Geranreifung des Samens Nothwen- 
dige betrachtet ward. Der Stier neben ven Amſchaſpands und dem 
Ormuzd = Feuer läßt ſich demnach recht wohl vergleichen mit der DVerbin- 
dung des Ptah und Apis zu Memphis, und mir werden auch das 
Kalb der Semiten in ähnlichem Verhältnig zu Moloch um fo eher anneh- 
men dürfen, wenn mir dieſer einfachen Idee auch anderwärts begegnen. 
Rinder der Sonne in Thrinakia und auf Notheiland, wo fie mit Melkart- 
Herakles als ihrem Räuber, dem fie aber eigen gehören, in Verbindung 
treten, machen auch den Mithra gaogaotti (fiert. goyäti, Hirte) als den 
Beftger zahlreicher Rinder begreiflich, und wenn Julius Firmicus in der 
Schrift vom Irrthum den Mithra einen boum abactorem nennt, fo fann 
in der Wahl des Ausdrucks ein Irrthum Statt gefunden haben, aber 
von einem mit Ninvern in irgend einer Verbindung flehenden Mithra 
bat Julius Firmtcus ficherlih eine Kunde gehabt. 

Vergleichen wir noch die perfiiche Schöpfungsfage mit der mofaifchen 
Lehre, fo Eönnen wir freilich jener Feine beflimmte Zeit zufchreiben, da 
wir fle nur durch die Parfentrapition Fennen, über deren Entfiehung und 
Ausbildung wir nicht unterrichtet find. Daß die Gahanbars andere Namen 
haben, als die Amſchaſpands, ift fchon eine mißliche Sache, noch wie es 
auch mit dieſer Trapition ſich verhalten mag, fie lautet fo: 1) Medio—⸗ 
zerem, Erfchaffung des Aether; 2) Medioſchem, Erfchaffung des 
Waßers; 3) Petefhem, Erfchaffung der Erde; 4) Eiatbrem, 
Erfhaffung der Bäume; 5) Mediareh, Erihaffung ver Stiere und 
Heerden; 6) Hameſpethmedem, Erſchaffung ver Menfchen. Daneben 
gab es freilich die Sage vom Stier, als dem, woher Menfchen, Thiere 
und Pflanzen flammen. 

Bei der Dürftigkeit ver Quellen, aus welchen mir unfere Kenntniße 
der femitifchen Mythologie fchöpfen, find wir, wenn auch über die haupt- 
fächlichften Gegenflände des Cults in nicht unerhebliher Weiſe unter- 
richtet, jenoch in Vielem auf Namen befchränft und fiherlidh über Manches 
ohne alle Kunde. Es ift nicht wohl denkbar, daß z. B. Aber Esmun, 
den achten Patäfen, nicht eine Sage beftanven habe, weldye einen Mythus 
über denſelben enthielt. Die Gleichheit in ver Auffaßung, daß vie Heilung 
an das Licht geknüpft ward, finden wir bey den Griechen und den Per- 
fern, wie den Indern. Agsklepios, des Lichtgotted Apollon's Sohn, aus 
Feuer gebohren, und die Acwins in Indien, ver Sonne Sbhne, auf 
Noßen, ſowie die Afpins in Perſten, ebenfalls auf Roßen, von welchen 


Miscellen. 353 


ſte gleich jenen ven Namen haben, flimmen in dem Urfprunge vom Licht 
. überein, und find infofern mit Esmun zu vergleichen; daß die Aſpins 
aber die Amſchaſpands Khordad und Amerdad gewejen, wie Bopp vers 
muthet, ift zu zweifelhaft, wiewohl die Amſchaſpands zu den Patäfen 
trefflih paßen würden. 

Bon dem Hundöftern, welcher in Xegypten fo wichtig ift, und in 
den griehifchen Mythen uns begegnet, vernehmen wir nichts bei ven 
Semiten, es müßte denn Jemand den Kaleb mit der großen Traube für 
eine Spur davon zu halten belieben. Den Griechen ift er ver verberblich 
Sengende, aber auch ver Weinförvernde, den Aegyptern ver mohlthätige 
MWaßerfpender, und als folchen finden wir ihn auch in Aften außer ven 
Semiten, nämlich bei den Perfern. Der Stern Taſchter kann Eein 
anderer feyn, ald der Sirius, der glänzende, und fein Name Fündigt ihn 
fchon als folchen an, denn er bezeichnet vorzugsmeife ven Glaͤnzenden, weß⸗ 
halb auch im Sanferit tvachtri einer der Beinamen ver Sonne ift, von 
wich, glänzend. Bon diefem Stern nun heißt ed im Jefcht Tafchter: wir 
beten das glänzende (listrya) Geftirn an, das leuchtende, ftrahlenve, welches 
die Heerden, die Hausthiere und die Menichen anrufen, welches das 
Waßer auf der Erde verbreitet. Um die Zeit feines Aufgangs nämlich 
mehrt fi das Waßer und ſchwillt z. B. der Tigrid an, fo daß er ein 
Leben und Gedeihen fördernder Stern if. Darum gloffirt auch Nerio- 
fengh ihn ganz richtig nach ver Parfentradition ald Stern des Negens, 
folte er auch nicht grade Regen, fondern nur Waßer aus den Gebirgen 
bringen. Der Hund, welcher die Brüde Tſchinevad bewacht, über welche 
die Seelen in den Himmel eingehen, bezieht fich ficherlih auf nichts 
Anderes, ald auf die Lebensidee, wie im ägyptifchen Anubis der Schafal 
fie in Beziehung auf die Todten ausdrückt, und zwar das Waßer als 
Lebensprincip betrachtet. (Im Vendidad heißt e8 von Ormuzd: O du, ver 
du das Waßer aus dem See der großen Ufer fließen läßeft, bringe bier 
ven Wind und die Wolken über den Todten) Hund und Hahn mußten 
bei den PBerfern ven Todten anfehen, natürlich in Hinficht auf das Forts 
leben ver Seele im Lichte des Behefcht, und hätte man bloß auf Wadı- 
famfeit gefehen, gleichfam auf ein Wachen ver Seele, fo wäre doch wohl 
eins dieſer Thiere zu dieſem Zwecke genug gewefen. Der Hahn aber 
hat, wie der Hund auf das Lebenöprincip Hindeutete, wohl auch mehr 
bezeichnen follen, als die bloße Idee des Wachens, denn da er daß erfte 
Licht des Tages mit feinem Gefchrei anruft, fo eignete er fich, das 
Erwachen des Lichtes und zum Lichte zu bezeichnen, und biefen Sinn 
hat er hoͤchſt wahrfcheinlich als Thier des Asklepios (welchem auch ver 
Hund gehört), da Licht und Glanz bei viefer Gottheit von wefentlicher 
Beveutung find. Der Roßhahn auf perfifchen Tapeten, von welchem in 
des Ariftophanes Fröſchen vie Nede ift, erflärt ſich als perftfche Thiercom- 

IV. 23 


354 Miscellen. 


pofition aus dieſer Beveutung des Hahnd in Beziehung auf pad Leben, 
wodurch er ſich ganz und gar eignete, in Verbindung mit vem Roß eine 
Lebens⸗ und Genefungdivee audzubrüden, da die Aſpins, die von ber 
Sonne flammenden, auf Roßen, welche der Sonne gehdren, reiten, und 
Aerzte find, die Bedeutung des Roßes in dieſer Ihiercompofttion als zum 
Hahn paßend darthun. 

Die mofaifhe Schöpfungsgefchichte laͤßt Gott als Geift fprechen, und 
das ausgefprochene Wort ruft die Dinge hervor. Diefe Anficht trennt 
auf das Entfchienenfte den Moſaismus von dem Heidenthum, welches 
zeugende Hervorbringung annimmt, und flelt kühn die Intelligenz und 
den Geift als den Grund der auf eine göttliche Intelligenz Hinweifenven 
Schöpfung auf. Damit ſteht ed denn im Zufammenhang, wenn es im 
Anfange des Evangeliums Johannis Heißt: Im Anfang was das Wort, 
und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Alle Dinge 
find durch daſſelbige gemacht, und ohne daſſelbige iſt nichtd gemacht, 
was gemacht ifl. Und das Wort ward Fleiſch und wohnte unter uns 
u. f. w. Ob neben diefem Wort als der ſich äußernven göttlichen Intel- 
ligenz das perfifche Honover als gleichbedeutend zu verftehen fey, mag 
unerdrtert bleiben; daß aber vie Perjerlchre des Zoroaſter mit dem 
Moſaismus auf völlig gleicher Stufe geiftiger Höhe in der Auffaffung 
Gottes ald eines abfoluten Geiſtes ftehe, Tann wohl die oberflächliche 
Anfchauung, wie fie der Seichtigfeit tiefphilofophifcher Forſchung im 
Gebiete der Mythologie eigen zu feyn pflegt, behaupten, aber e8 bleibt 
wahr, daß dem nicht fo ſey. Doch für die Vergleihung der perftfchen 
Schöpfung mit der mofaifchen genügt ed, daß es von Ormuzd heißt, er 
babe mit dem Amſchaſpands gefhaffen, daß das Licht ſelbſt unerfchaffen 
fey, und daß unter ven Amſchaſpands Feiner if, welcher das Wort bezeich- 
nen fönnte, oder den Schöpfungdausfprudy des Ormuzd. Ueber das Licht, 
als eigentlichen Schöpfungsquel ift die fogenannte Zoroaſterlehre nicht 
hinausgefommen, und das Licht ift ihr das Schaffende. Wenn außer 
dem Honover dad Wort in der Boroafterlehre hoch geftellt iſt, und wir 
finden es fehr hoch geſtellt, fo ifl darunter die Ormuzdlehre zu verftehen 
und dad Gebet, fowie mad der Ormuzddiener zu wißen und auszuſprechen 
hat. Der Ized Serofh, d. i. das Wort ift nichts weiter als die Perfo- 
nification des. Wortes in diefer Hinficht. Don ihm beißt e8: Die Gebete, 
welche Gunft erwerben, jeyen für Seroſch, ven heiligen, flarfen, deßen 
Leib dad Wort if, deßen Schwerdt ſiegreich ift, den Diener des Herrn, 
und für das Opfer und die Anrufung und für pas Gebet, welches Gunft 
erwirbt, und für die Seegnung. Daraus erhellt deutlich, wie das Wort, 
welches in Seroſch perfonificitt ift, zu verftehen fey. Daß der Gehorfam, 
nämlich gegen die Ormuzdlehre damit zu verbinven fey, haben die Barfen 
gemeint, denn nach) ihrer Irapition nennt Anquetil ven Seroſch gehorfam, 


Miscellen. 3585 


und auch Neriofenghb weißt auf den Gehorfam bin, fo daß alfo der 
Menſch dem Worte des Ormuzd gehorfam ſeyn fol, welches vaher als 
Ized ſelbſt dem Ormuzd geborfam if. Selbft ver Name Ahura⸗ maz- da 
(Drmuzb), wenn er richtig durch Nerioſengh als großweiſer Herr geveutet 
it, und die Sprache wiberfirebt viefer Deutung nicht, geht ficher mehr 
auf die Weisheit der Ormuzdlehre, durch welche man die Devs befämpfte, 
als auf irgend eine andere Weisheit. 

Giebt und der Mofaismus feine irgend genaue und ausführliche 
Nachricht über die Anftchten von dem Zuſtande nach dem Tode, welche 
fiherlich unter den Semiten Statt gefunden haben, denn die Heraufbe⸗ 
ſchwörung von Samuel's Geift würde allein ſchon bemweifen, daß eine, 
wie immerhin befchaffene Fortdauer des Menfchengeiftes in einer Unter- 
welt unter ven Semiten geglaubt ward, fo dürfen wir doch vorausfegen, 
daß eine befonvere Herrlichkeit nach dem Tode von ihnen nicht anges 
nommen ward, denn eine ſolche würde fiherlih im Moſaismus beibehals 
ten worden feyn. Schon die Annahme einer Unterwelt, welche das 
Gefühl als ein dunkeles Schattenreich zu betrachten drängt, wäre einer 
ſolchen Anfiht grade nicht angemeßen gewefen, denn auf Tartarud und 
Elyfium wenigftend, wie fpätere Combination fie zufammenftellte, pürfte 
man fi für eine frühere, der natürlichen Anfchauung und Empfindung 
nähere Zeit nicht berufen. Daß aber auch dennoch die Semiten den 
menfchlichen Geift nach dem Tode als MWefen göttlicher Art betrachtet 
haben, dürfen wir vermuthen, denn daß fie das Geiflige anderd ald 
göttliher Art aufgefapt hätten, ift nicht wohl zu denken. Bey den 
Nömern waren die Laren, Manen, Lemurn*) Geifter, denen man die ihnen 
zufommenven Opfer bringen mußte, deren Unterlaßung Gefahr von ihnen 
drohte. Bey ven Perfern erfehen wir aus dem Namen ver Dews in der 
Unterwelt, daß ihre ältere Anſicht von dieſen Dingen dahin gieng, es 
fämen die Geiſter der Geftorbenen als göttliche Wefen in die dunfele 
Unterwelt. Denn der Name der Dews bezeichnet fie ald Götter, und 
erft ald man den Gegenſatz des Todes und der Todesnacht in der Unter» 
welt zu der allervings ganz natürlichen Anftcht ausbilvete, daß fie ein 
feinvlicher Gegenfat gegen das Leben und das Lebendlicht feyen, wurden 
die Dews durchaus Feinde, und in die Unterwelt kamen nur vie Seelen 
der Böfen, vie Seelen der Frommen aber in die Himmelsherrlichkeit, 
und ed gab fortan einen Teufel, welcher zu den nütlichften und brauch⸗ 


*) Lemur ift aller Wahrfcheinlichfeit nach aus demur entflanden, wie lingua 
aus dingua, levir aus devir, lacryma aus dacryma, und dieß demur 
entfpricht dem Oriechifchen deuag, welches nicht den Leib als Stoff, fon: 
bern der Geſtalt nach bezeichnet, was fein dem Kateinifchen instar ent: 
fprechender Gebrauch zur Genüge darthut. 94. 


356 Miscellen. 


barften Erfinnungen gehört, wenn er auf die rechte Weile verwendet 
wird. Mit dem Cherub, welchen die mofaifhen Schriften anerkennen, 
fann man den perſiſchen fogenannten Sphinx vergleichen, den Stier mit 
Bittigen und einem Menfchenhaupt. Der Stier bezeichnet die Vortpflan- 
zung des Lebens, vie Fittige aber beveuten Schuß, fo daß er alfo vie 
Welt durch Fortpflanzung vor Verddung ſchützt. Sein Bild ift daher ein 
Lebensſinnbild, das fich wohl eignete, überall angebracht zu werben, wo 
man an das Leben erinnern und die Todesidee entfernen wollte. Drum 
hütet der Stier ven Pallaft zu Perfepolis, ſchmückt ven Tempel, wo ber 
Gottesdienſt dem Leben lange Dauer und Seegen verfpricht, und bewacht 
Even, wo e8 feinen Tod giebt, und den Baum des Lebens, welchen ver 
Perfer in vem Baume Som befaß, der in dem Duell Ardviſur wuchs, 
denn das Waßer ift ein LXebensprincip. Als man der Ormuzplehre, dem 
lebendigen Worte hohen Werth für das Leben zufchrieb, benannte man 
den Lehrer mit dem Namen des Lebensbaumes, ald ob er ein Lebens⸗ 
fpenver ſey, wie man den Nachfolger deſſelben Zarathuftra, d. i. Gold» 
ftern benannte, wohl auf den durch Waßer das Leben fürvernden Sirius 
damit hindeutend. *) 





*) Eigentlich hätte Mithras in der femitifchen Mythologie in feinem Wirkungs⸗ 
freife dargeftellt werden follen, denn nach den Nefultaten, welche ſich mir 
aus der genauen Betrachtung des Wenigen, was uns von ber perfifchen 
Mythologie überliefert ift, ergeben Haben, kann diefer Gott nicht perfifchen 
Urfprungs fein, fondern weißt auf die Semiten hin, aus Gründen, weldje 
nicht als geringfügig gelten können. Aber wenn dieſe Gründe gehörig 
entwidelt werden follen, Tann es nur in Verbindung mit dem, was nod) 
von perfifcher Mythologie übrig ift, gefchehen, und fo muß es dem folgens 
den Bande vorbehalten bleiben, nachzuweifen, daß er der femitifche Sonnens 
und Lichtgutt gewefen, welcher dem Leben vorfleht, weßhalb er mit dem 
zeugenden Stier (aud welchem die träumerifche Spielerei, unbefümmert 
um Widerfinniges und Unmögliches, die Erde gemacht hat,) in Verbindung 
ift, wie Btah mit Apis in Memphis und Herafles- Melfart mit den Sonnen 
tindern, woraus ſich die Mithrasmpfterien entwidelten, und daß fein ſemi⸗ 
tifcher Sonnenfahn zum Dſchemſchids Becher ward, während der perfljche 
Sonnengott mit Roßen fuhr. Daraus wird fih auch ergeben, wie grund⸗ 
108 die Herleitung des Chriftenthums aus den Mithrasmpyfterien fey, da 
vielmehr der heidnifche Theil des Chriftentbums von der großen Mutter 
deg Lebens, der Himmelsfünigin, die den Sohn zum Gemahl hat, entlehnt 
iſt, weßhalb in diefem Theile defielben die Mutter mit dem Kinde fo bedeu⸗ 
fend hervortritt. Der Teufel und die Befeßenheit ftammt freilich von den 
Perfern ber, denen fie durch eine fugenannte Offenbarung in der fcharfen 
Ausprägung, worin fie erfcheinen, gefchenkt wurden zur Freude und zum 
Glück vieler kommenden Gefchlechter. Eben fo flammt daher das jüngſte 
Bericht. 





357 


Anmerkungen. 


Zertfritif und Auslegung. 


Nicht ale Schriftftellen, welche ſich auf die oben abgehandelten 
mythologifchen Gegenftänve beziehen, find uns fehlerlos überliefert, manche 
darunter aber fo arg verberbt, daß fle mit den vorhandenen Hülfsmitteln 
[hwerlid auf eine ſichere und völlig überzeugende Weife hergeftellt 
werben Fünnen. “Die verberbteften find zwar von der Art, daß wir aus 
dem Zufammenhang erkennen, es feyen dadurch und Feine Nachrichten 
verloren gegangen, welche über mefentlihe Dinge wichtige Auffchlüße 
geben fünnten. Weil aber folche Stellen leicht mißbraucht werben, fo 
will ich einige berfelben in dieſen Anmerkungen in der Kürze berühren 
und einige Worte darüber jagen. Eine der allerverberbteften Stellen 


findet ſich bei 
Arnobius V. 27, 


wo wir lefen Tisianes et bucures mauri et ovorum progenies di 
Syri. Die Kirchenfchriftfieller eifern unter andern darüber, daß die Heiden 
Thiere für Götter angefehen hätten, und die Worte ovorum progenies 
zeigen, daß vie vorliegende Stelle einen joichen Inhalt Habe. Die ovorum 
progenies find die Tauben, und mithin ift Semiramis gemeint. Neben 
ven Tauben Eönnen als Thiere, welche für furifche Götter angefehen 
werben Eonnten, nur noch die Fifche gelten. Nehmen wir nun dad ver- 
verbte Wort TISIANES und bevenfen, daß progenies dabei geflanven 
haben koͤnne, fo daß die Endungen CES und NES in einander gewirrt 
werben konnten, fo wird Fein großes Bedenken ftattfinden können, PISCES 
zu fchreiben. Da B und R oder P nicht fehr weit auseinander liegen, 
und zu ovorum progenies eine vorhergehende progenies gehört, ſo wird 
et pisces progenies maris (welches in mauri enthalten feyn kann) et [colum- 
bae] ovorum progenies, dii Syri daraus, und dies genügt dem Sinne 
volfommen, wie denn ein anderer Inhalt ſchlechterdings nach keinem ver= 
nünftigen Grunde vermuthet werden kann. Betrachtet man bie vorhan⸗ 
benen durch Verrückung in finnlofe Worte vertheilten Buchflaben, und 
vergleicht fie mit der vorgefchlagenen Veränderung, fo wird von biefer 
Seite nichts derſelben im Wege ftehen. 

Berner lefen wir über vie Göttermutter bei 


358 Anmerlungen. 
Arnobius V. 7: 


Tunc arborem pinum, sub qua Atlis nomine spolieverat se viri, in anlrum 
suum defert (sc. mater deüm), et sociatis planctibus cum Agdesti tundit et 
sauciat pectus pausatae circum arboris robur. 

Stemeh flug für das völlig finnlofe pausatae das neue Wort 
lausatae vor, in ver Meinung, von lausus ober lausum (wenn es fo gehei⸗ 
fen haben follte) könne man ein Wort lausare herleiten. Bon einem 
feltenen, alten Worte ein Zeitwort berzuleiten und in ven Text des 
Arnobius einzufchieben, gehört unter die gemwagteften kritiſchen Aushülfen, 
zumal wenn ein Wort fo wenig befannt ifl, vaß wir feine wahre Bedeu⸗ 
tung nur vermutben, nicht aber ficher wißen Fünnen. Schwerlicdh wird 
Jemand im Stande jeyn, dad Wort lausus oder lausum anders, ald durch 
Herleitung von laudere, dem Stamm von laus und dem abgeleiteten lau- 
dare, erklären zu Eönnen, wie ſich das abjectivifche frausus von fraudere 
zu den Vormen fraus und frandare findet. Es ift demnach nicht als aus⸗ 
gemacht anzufehen, daß es etwas Anderes als dad Lob des Todten beveute, 
und es kann mit der parentatio verglichen werben. Wür pausatae bietet 
ſich positae dar ald das einzige hier anwendbare Wort, melched durch 
einen Schreibfehler in posatae ververbt gedankenlos in pausatae als eine 
vermeintlich gewöhnlichere Form geändert ward. 

Bon Demeter in der Gefchichte mit Baubo handelnd finden fich bei 


Arnobius V. 27 


bie Worte: quidnam quaeso in specu alio quid in pudendis fuit — quod— — — 

Daß Hier für in specu entweder inspiciendum oder inspectandum zu 
leſen fey, ift fo fiher, folte man meinen, daß e3 Jedem einleuchten 
muß, und darum braucht es feines weiteren Redens darüber, zumal bier, 
wo feine Polemif geübt werben fol. Alio quid ift durch Feine Erklärung 
zu rechtfertigen, wie Jedermann auf den erflen Blick flieht, doch dürfte 
bie Verbeßerung nicht weit zu fuchen ſeyn, venn lieſt man alioqui, was 
war übrigens oder außerdem zu fehen ober zu betrachten, fo tft jebe 
Schwierigkeit in dem Verflänpniß diefer Stelle gehoben. 

In der Gefhichte des Attis erzählt 


Ovidius (Fast. IV. 2333): 


Hic furit; et credens thalami procumbere tectum, 
Effugit, et cursu Dindyma summa petit. 

Et modo, tolle faces; remove, modo, verbera, clamat. 
Saepe Palaestinas iurat adesse deas. 


Daß die Göttinnen, welche ver Raſende zu fehen glaubte, Feine anderen 
ſeyn koͤnnen, ald die Furien, geht aus dem Worte furit hervor, und bie 


Anmerfungen. 359 


Fackeln und bie Schläge würbenfes beweifen, wenn es überhaupt eines 
Bemeifes bevürfte. Paläftinifhe Furien finden vieleicht unter venen, 
welche Mythologie träumen, flatt fie zu erforfchen, eifrige Freunde, aber 
e8 gab ſolche nicht, und das Wort Palaestinas tft falfch, die Berichtigung 
aber liegt nahe, denn nur die drei Buchſtaben e, t, n find unrichtig, 
wahrfcheinlih aber durch vermeintlidde Verbeßerung entitanvden. Leſen 
wir saepe palam visas iurat adesse deas, fo iſt dem Sinne vollfommen 
genügt, und man ſieht leicht ein, wie bei einem auch nur Eleinen Verder⸗ 
ben der Wörter palam visas durch eine vermeintliche DVerbeßerung das 
finnlofe Palaestinas Raum finden Fonnte. Zur Ausmalung diefer Raferet 
gehört es, daß er die Furien leibhaft vor fi zu fehen glaubt, wiewohl 
fie nur die Gebilve feiner Innern Zerrüttung find. 
Da die Worte, welche wir bei 


Porphyrius de Abstinentia Il. 27 


Iefen, falfch verflanden worden find, fo möge eine kurze Erläuterung vers 
felben hier nicht überflüßig erfcheinen. Es Heißt daſelbſt — xara mepiodor, 
TG TOD vouiuov xapıv uynung, EuPvAıov alua Paivovor TrpÖG Tovg 
Bauods, xainep räg nap anrois Ivoras Ebsipyodons TÜV iepav, 
TOIG TEPIPPAVTNPLOLG ENPÜYUATI, EiTIG OLUATOG ApLıIUEIOV UETALTLOG. 
Evrevdev 0dv ueraßaivorrss, dnaAdayua ps Tüs Ivoias Tüv 
idiav EnoLÜYTO O@uATay TA TEV A0vındv fOmv OauaTa. 

Die Bemerkung, an die Stelle der Menfchenopfer feyen die Thier- 
opfer getreten, ift ganz richtig, wiewohl die Menfchenopfer nicht überall 
ganz abgefchafft wurden. Was aber Porphyrius eigentlich fagen wil, 
lautet dahin, daß der Cult infofern folgewinrig fey, ald man Mörder vom 
Dpfer ausfchliefe und doch felbft durch die Menfchenopfer einen Mord 
begehe. Das Wort apıSueiov iſt falfch, und ver Vorſchlag avyIpnneiov 
zu lefen (denn der Vorſchlag aeSwiov iſt einer Erwähnung kaum werth) 
ift nur fcheinbar gut, weil Menſchenmord nicht auf --immer von dem 
Heiligthum und den heiligen Gebräuchen ausſchloß, fondern nur auf fo 
lange, bis einer gereinigt worden war. Es genügt ein Beyfpiel aus des 
Aefchylus Eumeniden (442): 


ABsIoyyov eivaı Töv nadauvaiov YOLOG, 
’EoT’ dv npög Avdpös aiuarog xaIapoiov 
Zpayal xaSaundabnoı veoSnAoög Borov. 


Das Wort ai bedarf übervied feinen Zufag, um von Mord verflanden 
zu werben, wohl aber ift, damit Porphyrius die Wahrheit fagte, ein 
Wort nöthig geweſen, welches ven Begriff des Ungereinigten ausbrüdte. 
Darum darf man das verderbte ApıSusiov in Axadaprov ündern, 


360 Anmert en. . 






welches der Sinn erheifcht, und x verderbte Wort die Sylben 
«p und ov darbietet, fowie ven Buchſtaben 3, denn daß dieſer letztere 
verſchoben ift, kann diefer Aenvderung nicht im Wege ftehen, da nicht 
wenige Corruptelen durch Verfchiebung der Buchftaben von ihrer rechten 
Stelle entftanden find. So entfland aus apyadkov, rıxpöv bei Heſychius 
oaAAdv, zıxpöv, indem APTA — in TPAA durch Buchſtabenver⸗ 
fegung mit den gewöhnlichen Verwechſelungen von T und T und von 
A und A. . 

In Betreff der Göttermutter, welche in ber Geftalt eined Steind 
nah Nom gebracht worden war, lefen wir bei 


Servms ad Aeneid. VI. 188 


die Worte: acus matris deüm, womit bezeichnet werben fol nicht ihr 
Weſen, fonvdern ihre Darftelung. Da diefe Scholien nicht um ihrer 
eigenen Schönheit willen ein Gegenftand einer Texrtverbeßerung werben 
fönnen, und aus der angeführten Stelle nichtd zu Iernen tft, fo Fönnte 
man biefelbe auf ſich beruhen laßen. Dennoch bevarf es der Bemerfung, 
daß eine Veränderung von acus in Agdus, welche Münter vorgefchlagen 
bat, unmöglich ift, weil vie Gdttermutter in Nom ein vom Simmel 
gefallener Stein geweſen feyn Tol, welcher mit dem Stein Agdus, von 
welchem vie Römer bey Gelegenheit ihred Cults nie etwas erwähnen, 
nichts gemein hat. Acus ift ein Bruchflüd eines Worts, und da lapis zu 
ferne Liegt, fo vpürfte Fein Zweifel feyn, vaß [simul] ac [r] um hergeſtellt 
werden müße. So finden wir in einer mythologifchen Notiz bei 


Hyginus fab. 275 


ein durch Verſtümmelung und nacdhmalige vermeinte Wieverherftelung 
gänzlich verberbtes Wort. Es Heißt nämlih in der Aufzählung von 
Städtegrünvern: Niles, Solis fillus, Carmentum. Eine Stadt Carmentum 
gab und giebt ed nicht, fo wenig als einen Helios- Sohn Nilus. Fragen 
wir, wo Helios eine beſonders heilige Stätte hatte, fo daß eine derartige 
Erdichtung von Städtegründern einen Sohn defjelben zum Gründer erdich— 
ten Eonnte, fo war ed Korinth, Corinthum aber liegt von dem ververbten 
Carmentum nicht weit ab, und in Nilus dürfte demnach ein Stüd des 
Namend Corinthus enthalten feyn, ver zwar Zeus Sohn genannt wird, 
der aber, da bier von einer willführlichen Genealogie die Rede ift, wegen 
Korinths Verhältnig zu Helios, von einem Andern zum Sohne dieſes 
Gottes gedichtet werben Fonnte. Daß gerade Namen mythologifcher Per: 
fonen fo häufig mißhandelt worven find, ift natürlich, da das kleinſte 
Verſehen bier leicht meiter führt, ald bei mohlbefannten Wörtern. Wie 
reich grade Hyginus an ganz verberbten Namen fey, meiß Jeder, wer 


Anmerkungen. 361 


feine Fabeln einmal durcdhgelefen hat. Den gänzlihen Wegfall eines 
folchen | 
Hyginus fab. 251 


zeigt der Zufanımenhang auf eine unzmeifelhafte Weiſe. Es Heißt in 
dieſer Babel, welche vie aufzählt, venen es vergönnt ward, aus der Unter⸗ 
welt zurüdzufehren, hinabgegangen feyen Ulysses Laertae filius, propter 
patrem. Aeneas Anchisae filius, propter patrem. Scheffer jchlägt vor, 
für das erfle propter patrem zu lefen propter matrem, Munder aber 
möchte propter patriam gelefen wißen. So entftand gewiß ver Behler 
nicht, fondern das zweite patrem veranlaßte das erfte, denn unmöglich ifl 
es, daß einer ver Odyſſee entgegen je etwas Anderes hätte angeben 
fonnen, als Ulyſſes ſey in die Unterwelt gegangen propter Tiresiam. 


IV. 24 


T. 


Taautos 326. 
Tagewaͤhlen 121. 
Talos 280. 
Tanais 270. 
Tanit 270. 
Taſchter 358. 
Tempel 39. 
Tempelgeraͤthe 60. 
Teufel 155 flgg. 
Thalath 265 Note. 


Negifter. 


Thamuz 242, 
Thespiaden 295. 
Top 145. 


u. 


Unſterblichkeit 145 figg. 


Uſoos 327. 


V. 


Verſoͤhnungsfeſt 23 fig. 


Dirbius 261 Note. 


% 
23. 
Wachtelopfer 283. 
Weißagung 91 fig. 
Wunder 91 fig. 


3. 
Zadyk 280. 
Zames 225. 
Bauberei 91 fig. 
Zoganes.269. _ 
Sophafemin 825. 
Zoroaſter 356.