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THIS BOOK IS DUE ON THE DATE
INDICATED BELOW AND IS SUB-
JECT TO AN OVERDUE FINE AS
POSTED AT THE CIRCULATION
DESK.
DIE
NATURGESCHICHTE
DES
CAJÜS PLIMUS SECÜNDÜS.
INS DEUTSCHE ÜBERSETZT
UND MIT ANMERKUNGEN VERSEHEN
Prof. Dr. G. C. WITTSTEIN
in München.
ERSTER BAND:
(I-VL Buch)
Dedication, Inhaltsverzeichniss, Kosmographie und Geographie.
LEIPZIG.
Druck und Verlag von Gressner & Schramm.
1881.
Vorrede.
Cajus Plinius Secundus wurde im Jahre 23 nach Christi
Geburt (im Jahre Rom's 775, im neunten Jahre der Regierung
des Kaisers Tiberius) zu Como geboren, und starb unter
Titus, im Jahre 79 nach Christo, dem sechsundfünfzigsten
Jahre seines Alters bei einem Ausbruche des Vesuvs, dem-
selben, der auch die beiden Städte Pompeji und Herculanum
verschüttete. Sein Vater hiess Celer, seine Mutter Marcella,
durch welche er mit Pomponius Secundus verwandt war, und
von deren Familie er den Namen „Secundus" erhielt. Er
that zuerst Kriegsdienste in Deutschland unter der Regierung
des Kaisers Claudius, verwaltete nachher mehrere bedeutende
Civil- und Militairämter unter Nero und Titus Vespasian,
und commandirte zuletzt die Flotte zu Misenum.
Was wir ausserdem noch Näheres von dem Leben,
Wirken und dem Tode unsers Plinius wissen, enthalten
zwei Briefe seines Neffen, die daher hier folgen sollen.
C. Plinius Caecilius x) an seinen Freund Macer2)
(III. Buch. 5. Brief.)
„Es ist mir sehr angenehm, dass Du die Werke meines
Oheims so fleissig liesest, da^s Du wünschest, sie alle zu
*) C. Plinius Caecilius Secundus, wurde 62 n. Chr. zu Como geboren,
erwarb sich als gerichtlicher Redner viel Beifall in Rom, war unter
Doniitian Prätor, unter Nero und Trajan Consul, dann Augur und zu-
letzt Statthalter in Bithynien. Seine Mutter hiess Plinia und war
des Plinius Secundus Schwester; sein Vater, der aber früh starb, hiess
C. Csecilius.
2) Btebius Macer, ein angesehener Römer, bekleidete 101 n. Chr.
die Würde eines Consul suftectus (der beim Todesfall eines Consuls
1
D. H. HILL LIBRARY
North Carolina State College
2 Vorrede.
besitzen und zu wissen, welche es sind. Ich will daher die
Rolle eines Anzeigers übernehmen, und Dir zugleich be-
merken, in welcher Ordnung er sie geschrieben hat, denn
auch diess erfährt der Studierende gern.
Ein Buch Ueber das Spiesswerfen der Reiterei.
Dieses verfasste er als Befehlshaber eines Flügels1) mit
ebenso viel Scharfsinn als Sorgfalt.
Zwei Bücher Lebensbeschreibung desPomponius
Secundus,2) der ihn zärtlich liebte, und dem er, gleichsam
als schuldigen Tribut, darin die Erinnerungen an seinen
Freund darbrachte.
Zwanzig Bücher Ueber die Kriege in Deutsch-
land, worin er alle von den Römern mit den Deutschen
geführten Kriege beschreibt. Ein Traum veranlasste ihn
dazu, als er in Deutschland diente. Ihm erschien nämlich
die Gestalt des Drusus Nero3), der in Deutschland grosse
Siege erfochten hatte und daselbst gestorben war; er empfahl
sich seinem Andenken und bat, er möge ihn der Vergessen-
heit entziehen.
Drei Bücher betitelt Der Zögling, wegen ihrer Stärke
in sechs Bände vertheilt, in welchen er den Redner von
den ersten Elementen an behandelt und endlich vollendet
darstellt.
während der Amtsführung für die noch übrige Zeit des Jahres ge-
wählt wurde und weniger Ansehen hatte als der, welcher das Jahr
begonnen [Consul Ordinarius].)
*) ala, 300—500 Reiter.
2) Lucius Pomponius Secundus, aus Verona gebürtig, war zweimal,
in den Jahren 29 und 36 n. Chr. Consul und im J. 41 Oberfeldherr
über die Legionen in Deutschland.
3) Drusus Nero Claudius, Sohn des Claudius Tiberius Nero und der
Livia Drusilla (welche, als sie noch mit ihm schwanger ging, von
ihrem Gatten dem Augustus abgetreten wurde), Bruder des Tiberius,.
Gemahl der jüngeren Antonia, des Antonius und der Octavia Tochter
focht 11—9 v. Chr. erfolgreich gegen die Germanen, starb zu Main&
in Folge eines Sturzes vom Pferde, mit Hinterlassung von 3 Kindern,
des Drusus Germanicus, der Livilla und des nachmaligen Kaiser»
Claudius.
Vorrede. 3
Acht Bücher Ueber zweifelhafte Fälle im Aus-
druck. Diese schrieb er in den letzten Jahren der Regierung
des Nero1), wo die Tyrannei jede freiere und erhabenere
Art von Studien gefährlich machte.
Einunddreissig Bücher einer Fortsetzung der von
Aufidius Bassus begonnenen Geschichte2).
Siebenunddreissig Bücher einer Naturgeschichte,
ein umfassendes, gelehrtes Werk und so mannigfaltig, als
die Natur selbst3).
Wirst Du nicht erstaunen, dass ein mit Geschäften
überhäufter Mann so viele Bücher schreiben und in manchen
derselben so schwierige Gegenstände behandeln konnte?
Dein Erstaunen wird sich noch vermehren, wenn ich hinzu-
füge, dass er eine Zeitlang Rechtsgeschäfte trieb, dass er
im sechsundfünfzigsten Jahre starb, und dass ihm die
Zwischenzeit theils durch die wichtigsten Aemter, theils
durch die Freundschaft der Fürsten zerstreut und in An-
spruch genommen wurde. Aber er besass einen lebhaften
Geist, unglaublichen Fleiss und seine Wachsamkeit war
von grösster Ausdauer. Mit den Vulcanalien4) fing er bei
Einbruch der Nacht an zu arbeiten, nicht des Herkommens
wegen, sondern aus Eifer, im Winter aber von der siebenten,
spätestens achten, oft aber schon von der sechsten Stunde
') Claudius Caesar Domitianus Drusus Germanicus Nero, Sohn des
Doniitius Ahenobarbus und der jüngeren Agrippina, geb. 36 n. Chr.
ward mit Octavia, des Kaisers Claudius Tochter, vermählt, und nach
des letzteren Ermordung 54 n. Chr. Kaiser, Hess sich 68 n. Chr. von
einem Freigelassenen, Epaphroditus , erstechen.
2) Aufidius Bassus lebte unter den Kaisern Augustus und Tiberius
und schrieb eine Geschichte seiner Zeiten, die wir aber nicht mehr
besitzen.
3) Von allen diesen Schriften ist nur noch die Naturgeschichte
vorhanden.
') Am 23. August. Man opferte bei diesem Feste dem Vulkan
ein röthliches Kalb und ein wildes Schwein, damit er alle Feuers-
brünste abhalten möge.
1*
4 Vorrede.
an.1) Er war sehr sparsam mit dem Schlafe, der ihn daher
auch zuweilen beim Arbeiten überfiel, doch auch wieder
verliess. Vor Anbruch des Tages ging er zum Kaiser
Vespasian2), der ebenfalls bei Nacht arbeitete, dann zu den
ihm obliegenden Geschäften. Nach Hause zurückgekehrt,
widmete er die übrige Zeit den Studien. Nach dem Mit-
tagsmahl, das, wie bei den Alten, aus leichten Speisen
bestand, legte er sich oft im Sommer zur Erholung in die
Sonne, las in einem Buche, notirte und excerpirte, denn
aus allem, was er las, machte er Auszüge. Auch pflegte
er zu sagen, es sei kein Buch so schlecht, dass es nicht
etwas nützen könne. Nach dem Sonnen nahm er meistens
ein kaltes Bad, ass etwas und schlief ein wenig. Dann
studirte er, als ob ein neuer Tag angebrochen sei, bis zur
Zeit des Abendessens.3) Während der Tischzeit las er in
einem Buche und machte Bemerkungen, jedoch nur flüchtig.
Ich erinnere mich, dass, als einst der Vorleser etwas un-
richtig ausgesprochen hatte und ein gleichzeitig anwesender
Freund den Satz wiederholen liess, mein Oheim fragte:
„Du hattest es doch verstanden"? und, als jener diess
bejahete, fortfuhr: „warum liessest Du es denn wiederholen?
Durch Dein Zwischenreden haben wir nun schon zehn Zeilen
verloren". So karg war er mit seiner Zeit.
Im Sommer erhob er sich noch bei Tage von der Abend-
tafel, im Winter bei einbrechender Nacht, und diese Ord-
nung beobachtete er wie ein Gesetz. So hielt er es mitten
unter Geschäften und im Geräusche der Stadt. Auf dem
Lande war bloss die Badezeit von gelehrter Thätigkeit frei;
doch meine ich damit nur die Zeit, wo er sich im Bade
selbst befand, denn während des Entkleidens und Ab-
trocknens liess er sich vorlesen oder dictirte etwas. Auf
') Also nach unserer Zeitrechnung um ein, zwei oder zwölf Uhr
Mittags.
2) Titus Flaviuc Vespasianus, Sohn des Vespasianus, geh. 40 n.
Chr., wurde nach des letzteren Tode 79 Kaiser, starb aher schon 81,
wie man glaubt an Vergiftung durch seinen Bruder Domitian.
3) Ccena, die Hauptmahlzeit der Römer.
Vorrede. 5
Reisen, gleichsam von jeder Sorge entbunden, war diess
seine einzige Beschäftigung. Zur Seite sass ihm dann ein
Schreiber mit Buch und Schreibtafel, der im Winter Hand-
schuhe trug, damit selbst die Rauhigkeit der Witterung ihm
keine Zeit zur Thätigkeit rauben möchte. Aus diesem
Grunde Hess er sich auch zu Rom in einem Stuhlwagen
fahren. Als ich einmal spazieren ging, tadelte er mich mit
den Worten: „Du solltest diese Stunden besser anwenden."
Er hielt nämlich alle Zeit, die nicht zur Thätigkeit ver-
wendet würde, für verloren. Auf solche Weise war es ihm
möglich, jene Anzahl von Schriften zu vollenden; mir hinter-
liess er noch 160 Erläuterungen auserlesener Bücher, welche
auch auf der Rückseite des Papiers und sehr klein ge-
schrieben waren, so dass sich ihre Zahl eigentlich ver-
doppelt. Er selbst sagte, er habe als Procurator in Spanien
diese Erläuterungen dem Largius Licinius1) für 400,000
Sesterzen verkaufen können, und damals waren ihrer doch
weit weniger.
Dünkt Dich nicht, wenn Du bedenkst, wie viel er ge-
lesen und geschrieben hat, er könne weder öffentliche
Aemter bekleidet, noch der Kaiser Freundschaft genossen
haben? Ferner, wenn Du hörst, welchen Fleiss er auf
Amtsarbeiten verwendet, er könne weder zum Schreiben
noch zum Lesen die nöthige Zeit gehabt haben? Denn, was
kann nicht durch jene Abhaltungen vereitelt, was hingegen
durch solche Beharrlichkeit ermöglicht weiden? Ich pflege
daher zu lachen, wenn man mich fleissig nennt, denn mit
ihm verglichen gehöre ich zu den unthätigsten. Thue ich
aber nur so viel, als theils meine öffentlichen, theils meine
Pflichten gögen die Freunde mir erlauben? Wer von denen,
welche ihr ganzes Leben den Wissenschaften weihen,
möchte nicht, ihm zur Seite gestellt, als ein dem Schlafe
und dem Müssiggange Ergebener erröthen?
*) War Praetor und wurde dann Legat in Kleinafrika, wo er beim
Genuss einer Trüffel auf einen Denar biss und die Vorderzähne ein-
büsste.
6 Vorrede.
Ich habe diesen Brief sehr ausgedehnt, obgleich ich
nur, Deinem Wunsche gemäss, schreiben wollte, welche
Werke mein Oheim hinterlassen hat. Ich glaube jedoch, dass
Dir die übrigen Nachrichten von ihm nicht weniger ange-
nehm sein werden, als die Bücher selbst, weil sie Dich
nicht nur zum Lesen derselben sondern auch zu ähnlichen
Ausarbeitungen anregen können. Lebe wohl."
C. Plinius Caecilius an seinen Freund Tacitus.1)
(VI. Buch. 16. Brief.)
„Du wünschest, dass ich Dir über den Tod meines
Oheims schreibe, damit Du ihn der Nachwelt um so ge-
treuer berichten kannst. Ich danke Dir dafür, weil ich
sehe, dass seinem Tode, wenn er von Dir verherrlicht wird,
ein unsterblicher Ruhm bevorsteht. Denn, obgleich er bei
dem Untergange der schönsten Gegenden, gleichwie Städte
und Völker durch einen denkwürdigen Umstand als ewiger
Sieger gestorben ist; obgleich er sehr viele und eine feste
Dauer versprechende Werke geschaffen hat, so wird doch
die Unsterblichkeit Deiner Schriften seinem steten Andenken
das grösste Gewicht geben. Zwar halte ich diejenigen für
glückselig, denen die Götter verliehen haben, entweder so
zu handeln, dass es schreibenswerth, oder so zu schreiben,
dass es lesenswerth ist; jedoch scheinen mir diejenigen die
glückseligsten zu sein, denen beides zu Theil wurde. Unter
die Zahl der letzteren wird mein Oheim durch seine und
Deine Schriften gehören; um so freudiger empfange, ja
fordere ich Deinen Auftrag.
Er befand sich zu Misenum2) und befehligte die kaiser-
liche Flotte. Am 24. August um 1 Uhr Mittags meldete
ihm meine Mutter, es zeige sich eine Wolke von unge-
') C. Cornelius Tacitus, berühmter römischer Geschichtsschreiber,
Jurist und Redner, geb. 60 n. Chr.
2) Stadt und Vorgebirge bei Cuma; in Campanien; jetzt findet
man noch Trümmer der Stadt.
Vorrede. 7
■wohnlicher Grösse und Gestalt. Er hatte kurz zuvor ein
kaltes Bad genommen, kaltes Wasser getrunken, lag wie
gewöhnlich in der Sonne und studirte, forderte aber sogleich
seine Schuhe und bestieg eine Anhöhe, von wo aus er jene
merkwürdige Erscheinung am besten beobachten konnte.
Eine Wolke (es war nicht genau zu unterscheiden, von
welchem Berge sie kam; erst später erfuhr man, dass es
der Vesuv war), welche einem Baume und zwar einer Fichte
nicht unähnlich schien (denn sie zeigte gleichsam einen
hohen Stamm, der sich in mehrere Aeste ausbreitete), stieg
auf. Wie mir schien, wurde sie durch einen starken Wind
herbeigeführt, dann zertheilte sie sich, als dieser schwächer
werdend sie verliess, in Folge ihres eigenen Gewichts in
die Breite, an einigen Stellen weiss von Farbe, an andern
schmutzig und fleckig, je nachdem sie Erde und Asche mit
sich führte. Dem gelehrten Manne* schien es der Mühe
werth, sie näher kennen zu lernen. Er Hess ein leichtes
Schiff1) in Bereitschaft setzen; mir stellte er es frei, ihn zu
begleiten. Ich erwiederte, ich wolle lieber studiren, und
zufälliger Weise hatte er mir gerade etwas zu schreiben
gegeben. Als er aus dem Hause trat, empfing er einen
Brief von den Marinesoldaten zu Retina, welche durch die
drohende Gefahr erschreckt (denn dieses Landgut lag am
Fusse des Berges2) und bloss zu Schiffe war die Flucht
möglich) ihn dringend ersuchten, sie dem herannahenden
Unglücke zu entreissen. Er änderte daher seinen Entschluss,
und unterzog sich nun dem, was er mit dem Eifer eines
Gelehrten begonnen hatte, mit dem grössten Muthe. Er
liess die Vierruderer in See bringen und bestieg sie selbst
mit, um nicht nur Jenen sondern auch vielen Andern (denn
die Küste war wegen ihrer angenehmen Lage stark be-
völkert) zu Hülfe zu kommen. Er eilt dahin, von wo andere
fliehen, steuert geraden Laufs auf die Gefahr los und so
') Libumica, hatte seinen Namen von den Liburnern, einem illy-
xischen Volke, die sich derer bei ihren Seeräubereien bedienten.
2) Vesuv.
8 Vorrede.
unerschrocken, dass er alle Bewegungen und Gestalten
jener furchtbaren Erscheinung dictirte und aufzeichnen Hess.
Schon fiel die Asche, je mehr er sich näherte, desto
heisser und dichter in die Schiffe; schon stürzten selbst
Bimssteine, schwarze, verbrannte und durch die Hitze ge-
borstene Steinmassen herab; schon machte ihm das plötzlich
seicht gewordene Wasser und ein Einsturz des Berges die
Küste unzugänglich. Da war er einige Augenblicke un-
schlüssig, ob er umkehren sollte, sprach aber bald darauf
zu dem zur Rückkehr rathenden Steuermanne: „Den Kühnen
begünstigt das Glück; fahre zu Pomponianus!" Dieser war
zu Stabiae1) und durch einen dazwischen liegenden Meer-
busen getrennt, denn das Meer dringt hier durch eine all-
mälige Schwenkung und Krümmung der Küste ins Land.
Jener2) hatte, obgleich noch keine Gefahr herannahete, die-
selbe aber doch vor Augen lag und wahrscheinlich gross
werden würde, sein Gepäck, in die Schiffe bringen lassen,
entschlossen zu fliehen, sobald der widrige Wind sich ge-
legt haben würde. Als mein Oheim, den dieser Wind ge-
rade begünstigt, dort ankommt, umarmte er den Zagenden,
tröstet ihn, lässt sich, um dessen Furcht durch eigene
Sorglosigkeit zu beseitigen, in ein Bad bringen, setzt sich
sodann zu Tische und speist völlig heitern Gemüths, oder,
was gleiche Seelenstärke beweist, scheinbar heiter. In-
zwischen leuchteten aus dem Vesuv an mehreren Stellen
grosse Flammen hervor, deren Glanz und Reinheit durch
die nächtliche Finsterniss noch erhöht wurde. Um die Furcht
seiner Umgebung zu verscheuchen, sagte mein Oheim, die
Flammen seien nichts als brennende Häuser, welche von
den Landleuten aus Angst verlassen wären; dann begab er
sich zur Ruhe und schlief auch wirklich ein, denn die vor
') An der Stelle des jetzigen Castellamare.
-) Pomponianus ; ist wahrscheinlich eine Person mit Martius Pom-
ponianus, welchen Vespasian mit der Consulwürde beehrte, und Do-
mitian nach Corsica verbannte, wo er auf kaiserlichen Befehl hin-
gerichtet wurde.
Vorrede. 9
dem Gemache wachenden Diener vernahmen sein Athem-
holen, welches wegen seiner Corpulenz etwas stark und
laut war. Aber schon hatte sich der Hof, welcher zu dem
Zimmer führte, mit Asche und Steinen so sehr angefüllt,
dass bei längerem Aufenthalte darin der Ausgang nicht
mehr möglich gewesen wäre. Er wurde daher geweckt,
ging heraus und begab sich zu Pomponianus und den
Uebrigen, welche gewacht hatten. Man berathschlagte nun,
ob man im Hause bleiben oder ins Freie gehen sollte,
denn das Gebäude zitterte bereits von den häufigen und
starken Stössen, und schien, gleichsam aus seinen Fugen
gehoben, bald hier- bald dorthin zu wanken; andererseits
aber fürchtete man im Freien das Herabfallen wenn auch
leichter und ausgebrannter Bimssteine. Indessen wählte
man bei Vergleichung der Gefahren das letzte, da bei ihm
ein Grund den andern, bei den Andern eine Furcht die
andere besiegte. Man legte zum Schutz gegen die herab-
fallenden Steine Kissen um den Kopf und band sie mit
Tüchern fest. Schon war es anderwärts heller Tag, hier
aber noch dichte schwarze Nacht, jedoch verbreitete man
durch zahlreiche Fackeln und Lichter hinreichende Helle.
Man beschloss an die Küste zu gehen und nachzusehen,
ob das Meer schon fahrbar sei; allein dieses war immer
noch sehr ungestüm. Hier legte sich mein Oheim auf ein
hingebreitetes Tuch, verlangte einige Male kaltes Wasser
und trank davon, bis Flammen und ein demselben voraus-
gehender Schwefelgeruch, welche die Andern zur Flucht
trieben, auch ihn aufschreckten. Durch zwei Diener unter-
stützt, erhob er sich, sank aber sogleich todt nieder, indem
ihm, wie ich vermuthe, durch den dicken Dampf der Athem
benommen und die Luftröhre, welche bei ihm von Natur
schwach, enge und entzündet war, geschlossen wurde. Als
es wieder Tag geworden war (und diess geschah erst am
dritten Tage darnach), fand man ihn unverletzt und noch
in seiner Kleidung; sein Ansehn glich mehr dem eines
Schlafenden, als eines Todten.
Während dieser Katastrophe befand ich mich mit der
10 Vorrede.
Mutter zu Misenum. Doch das gehört nicht zu meiner Er-
zählung, und da Du nur einen Bericht über seinen Tod
haben willst, so eile ich zum Schlüsse. Nur eins füge ich
noch hinzu, nämlich, dass ich alles, wovon ich selbst Augen-
zeuge war und was ich gleich anfangs als authentisch ver-
nommen, treu wiedergegeben habe. Du wirst nun das
Wesentlichste daraus entnehmen, denn es ist ein Unter-
schied zwischen einem Briefe und einer Geschichte; für einen
Freund schreibt man anders als für das Publikum. Lebe
wohl."1)
Wie schon erwähnt, besitzen wir von den Schriften des
C. Plinius Secundus nur noch die Naturgeschichte, welche
aus XXXVII Büchern besteht. Das I. enthält die Dedication
an den Kaiser Titus nebst dem Inhaltsverzeichnisse der
folgenden. IL Kosmographie. III. bis VI. Geographie.
VII. handelt vom Menschen. VIII. bis XL Naturgeschichte
der Thiere. XII. bis XIX. Naturgeschichte der Pflanzen.
XX. bis XXVII. Arzneimittel von den Pflanzen. XXVIII. bis
XXXII. Arzneimittel vom Menschen, vom Wasser und von
den Thieren. XXXIII. bis XXXVII. Von den Metallen,
Steinen und den bildenden Künsten in Verbindung mit der
Geschichte der vorzüglichsten Künstler und Kunstwerke.
Deutsche Bearbeitungen dieses Werkes sind schon
mehrere Male unternommen worden. Die älteste erschien
zu Strassburg in Folio, aber nur theilweise, und zwar vom
I. bis V. Buche im Jahre 1509 und vom VII. bis XL Buche
im Jahre 1542 von Heinrich Eppendorf. — Bald darauf
gab Johann Heyden Bruchstücke einer Uebersetzung des
Plinius heraus. Von dieser sagt Grosse in der Vorrede
zum neunten Bande seiner Uebersetzung des Plinius: „Ich
habe die Heyden'sche Uebersetzung, erschienen 1580 zu
l) Weitere Nachrichten über jene furchtbare, mit Erdbeben be-
gleitete Eruption des Vesuvs, theilt der jüngere Plinius in einem
späteren Briefe an Tacitus (VI. Buch. 20. Brief) mit.
Vorrede. 11
Frankfurt a. M. in Folio mit Holzschnitten, an mich ge-
bracht, die aber kaum des Titels einer Uebersetzung werth
ist. Der Verfasser nennt sich Johannes Heyden von Dhann.
Trotz eines langen vielversprechenden Titels begreift diese
Uebersetzung doch nur das VII., VIIL, IX., X. und XI. Buch
des Plinius, und bei weitem nicht vollständig, sondern nur
stellenweise; aus einigen der übrigen Bücher sind nur
wenige Data genommen. Der Uebersetzer hat den Plinius
zum Grunde gelegt und sein Werk aus mehreren Schrift-
stellern zusammengeschrieben. Es ist also ein Irrthum,
diese Compilation von etwa 1 Zoll dick für eine Ueber-
setzung der Historia naturalis Plinii auszugeben oder zu
halten."
Die erste vollständige Uebersetzung besitzen wir von
Johann Daniel Denso, erschienen in den Jahren 1764 bis
65 zu Rostock und Greifswald in 2 Bänden in Quart. Denso
benutzte vorzüglich die lateinische Ausgabe, welche 1561
in 4 Bänden zu Lyon erschienen ist, indem er sie mit der
Basel'schen Ausgabe des Sigismund Gelenius vom Jahre
1549 verglich. — Darauf erschien eine vollständige Ueber-
setzung der Harduin'schen Ausgabe (die sich von der oben-
genannten Lyoner wesentlich nur durch die abweichende
Anzahl und Länge der Capitel in den einzelnen Büchern
unterscheidet) von Gottfried Grosse 1781 bis 88 zu Frank-
furt a. M. in 12 Bänden in Octav. — Im gegenwärtigen
Jahrhunderte hat zuerst M. Fritsch eine Uebersetzung (der
Harduin'schen Ausgabe) begonnen, von der die ersten XI
Bücher in 8 Bändchen 1828 bis 30 zu Prenzlau in Duodez
herausgekommen sind. Aber seitdem ist nichts mehr davon
erschienen. Ihm folgte P. H. Külb unter Zugrundelegung
der ersten Sillig'schen Ausgabe (Leipzig 1831 bis 36), seine
Uebersetzung begreift jedoch nur VII Bücher (erschienen in
7 Bändchen zu Stuttgart 1840 bis 43 in Duodez).
Unter diesen Umständen, vorzüglich aber, weil die so-
eben angeführten vollständigen Uebersetzungen von Denso
und Grosse dem dermaligen Grade der Ausbildung unserer
Muttersprache nicht mehr genügend entsprechen, und
12 Vorrede.
namentlich die erstere oft mangelhaft, unrichtig und unver-
ständlich ist, hielt ich es für ein ganz zeitgemässes Unter-
nehmen, eine neue Uebersetzung zu verfassen. Ich habe
mich dabei wesentlich der zweiten Sillig'schen Ausgabe
(Hamburg und Gotha 1851—58) bedient. — Doch auch noch
andere, wichtigere Beweggründe waren es, welche mich zur
Herausgabe einer deutschen Bearbeitung des Plinius ver-
anlassten. Der bescheidene Autor nennt sein Werk eine
Naturgeschichte1); ich glaube aber nicht zu viel zu sagen,
wenn ich dasselbe als eine Encyclopädie des damaligen
Wissens oder des damaligen Standes der Wissen-
schaften, Künste und Gewerbe betrachte. Es verdient
daher, ungeachtet des vielen darin enthaltenen Unrichtigen,
Lächerlichen, Abenteuerlichen, von einem Jeden, der nur
einiges Interesse an der Entwicklungsgeschichte der mensch-
lichen Kenntnisse nimmt — und diess sollte man von jedem
Gebildeten erwarten — gelesen zn werden. Plinius war,
wie aus unzähligen Stellen seines Werkes hervorgeht, über
den Aberglauben seiner Zeit weit erhaben, und wenn er
alles, was sich darauf bezieht, mittheilte, so zeugt diess
nur von seiner Wahrheitsliebe und seiner schriftstellerischen
Genauigkeit. Im Uebrigen müssen wir wohl bedenken,
dass seine eigenen Ansichten das Ergebniss der damaligen
Culturstufe sind, und insofern haben sie, wenn auch jetzt
als irrig erkannt, immerhin geschichtlichen Werth. Endlich
darf nicht vergessen werden, dass sehr, sehr Vieles in
seinem Werke auch noch jetzt Wahrheiten sind und bleiben
werden. Unser Zeitalter, so sehr hochgebildet es auch zu
') Naturalis historia. Es ist mir allerdings wohl bekannt, dass
das Wort historia ("otOQia) mehr bedeutet als unser deutsches „Ge-
schichte" oder „Beschreibung", indem es mehr den Sinn von „Be-
schauung", „Erforschung" in sich schliesst. Aber selbst diese Bedeu-
tungen des "Wortes historia genügen nicht, den Inhalt des "Werkes
vollständig zu bezeichnen. Ich hielt es daher für das Passendste, die
einmal gebräuchliche Uebersetzung „Naturgeschichte" nicht zu ver-
ändern, um nicht in weitläufige, dem Sinne des Original-Titels fremde
Definitionen zu verfallen.
Vorrede. 13
sein wähnt, wird dereinst von einer spätem Epoche in eben
demselben Grade bekrittelt und verspottet werden, wie wir
von dem Zeitalter des Plinius zu thun uns berechtigt
glauben. Es erfordert daher nicht bloss die gebührende
Nachsicht gegen alles menschliche Machwerk, sondern auch
die Gerechtigkeit, nicht den Maassstab unserer Civilisation
an ein fast 2000 Jahre altes Werk zu legen. Vielmehr
liegt es uns ob, das darin enthaltene Nutzbare auch nutzen-
bringend zu machen, wozu das Material im Ueberflusse vor-
handen ist.4)
Bei der Uebersetzung selbst machte ich es mir zum
Gesetz, den lateinischen Text möglichst treu im Deutschen
wieder zu geben; um aber nicht bloss eine kahle Ueber-
setzung zu liefern, fügte ich, wo es mir nöthig schien, er-
läuternde Anmerkungen hinzu. Auf die nähere Erklärung
der naturhistorischen und anderer fremdartiger Namen habe
ich mich in dem Inhaltsverzeichnisse nicht eingelassen; sie
findet zweckmässiger im Texte selbst statt. In Fällen, wo
ich den lateinischen Namen nicht mit einem passenden
deutschen bezeichnen konnte, behielt ich lieber den erstem
bei, und hoffe desshalb nicht getadelt zu werden. Ob es
J) Alexander v. Humboldt's Urtheil über dieses Werk möge hier
noch Platz finden. „Dem grossen encyclopädischen Werke des älte-
ren Plinius kommt an Reichthum des Inhalts kein anderes Werk des
Alterthums gleich. Es ist, wie der Neffe (der jüngere Plinius) sich
schön ausdrückt, „mannigfach wie die Natur". Ein Erzeugniss des
unwiderstehlichen Hanges zu allumfassendem, oft unfleissigem Sam-
meln, im Style ungenau, bald einfach und aufzählend, bald gedan-
kenreich, lebendig und rhetorisch geschmückt, ist die Naturgeschichte
des älteren Plinius schon ihrer Form wegen, an individuellen Natur-
schilderungen arm; aber überall, wo die Anschauung auf ein gross-
artiges Zusammenwirken der Kräfte im Weltall, auf den wohlgeord-
neten Kosmos (Natura^ majestas) gerichtet ist, kann eine wahre, aus
dem Innern quellende Begeisterung nicht verkannt werden. Das
Werk hat auf das ganze Mittelalter mächtig nachgewirkt." (Kos-
mos II, 23.) Auf die nähere Besprechung des Plinius'schen Werkes
von unserem grossen Zeitgenossen (Kosmos II, 230 — 234) können wir
nur verweisen.
14 Vorrede.
mir grösstenteils — immer, wage ich nicht zu sagen —
gelungen ist, die Individuen der drei Naturreiche richtig zu
deuten, d. h. nach der jetzigen systematischen Bezeichnungs-
weise richtig zu nennen, ist eine Frage, deren Beantwortung
mir am wenigsten zusteht; über manche derselben sind wir
ohnehin noch sehr im Zweifel, und werden es vielleicht für
immer bleiben.
Zur leichtern Vergleichung der oft vorkommenden
Münzen, Maasse und Gewichte sowohl untereinander
als auch mit den unsrigen, habe ich dieselben dem Texte
vorausgeschickt. Die dazu nöthigen Data stützen sich
grösstenteils auf die eigenen Angaben des Plinius.
Die am Schlüsse des Werks befindlichen Anhänge
dürften ebenfalls als eine willkommene Zugabe aufgenommen
werden.
München, 1880.
ö. 0. Wittstein.
15-
Tafel I.
Längenmaasse.
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20000
80000
1)50
1
125
4162/3
625
2500
10000
187,»
1
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5
20
80
1»50
1
IV2
6
24
0,45.
1
4
16
0,30
1
4
0,075
1 Parasanga ist = 5 Kilometer. 1,4806 Parasanga des Herodot = 1 geogr*
Meile = 7,4 Kilometer. Der römische Fuss (Pes) verhielt sich zum griechisch-
olympischen wie 24 : 25. Eratosthenes rechnet den Schcenus zu 40 Stadien (= 7 ,47
Kilometer). Vergl. Plin. XII, 14.
Tafel II.
Flächenmaasse.
IS
3
.2
'G
3
ö
CO
3
3
CO
bO
3
*-»
Actus
quadrat.
(Acnua)
00
3
OS
S-.
CO
>
CS
1
0
oo
m 3
5 3
^1
3 _,
^3
'3s
0Q
Römische
Quadrat-
Fuss
Quadrat-
Meter
1
4
400
800
1600
2400
6400
48000
230400
23,040000
2,205972
1
100
200
400
600
1600
12000
57600
5,760000
551493
1
2
4
6
16
120
576
57600
5514
1
2
3
8
60
288
28800
2757
1
IV«
4
30
144
14400
1378
1
22/3
1
20
7Va
1
96
36
44/5
1
9600
3600
480
100
1
919
344
46
9,6
0,09G
16
Tafel III.
Maasse für Getreide und andere trockne Waaren.
c3 .
CO
p
O
#p
ei
cä
g
"g
cd
w
S.S
P c
e3 S
-^ P
CO
p
ü
ja
's
bc
13
Kubik-
Meter
oder
Ster
-4-3
1
3
48
96
192
384
576
2304
0,025608
25,608
1
16
32
64
128
192
768
8,536
1
2
4
8
12
48
0,534
1
2
4
6
24
0)267
1
2
1
3
IV«
1
12
6
4
1
0,138
0.069
0,046
0,011
Tafel IV.
Maasse für Flüssigkeiten.
CO
P
O
CO
p
cS
O
Amphora
(Quadran-
tal)
c3
a
00
p
ö
o
u
CO
p
■rH
c3
■+3
cd
cä
1
Quarta-
rius
( Quadrans)
-s.3
CO
-*3
cä
ü
Ligula
3
1
18V«
20
40
160
960
1920
3840
7680
11520
46080
512,16
1
IV«
3
12
72
144
288
576
864
3456
38,4i2
1
2
8
48
96
192
384
576
2304
25,co8
1
4
24
48
96
192
288
1152
12,804
1
6
12
24
48
72
288
3,201
1
2
4
8
12
48
0-533
1
2
1
4
2
1
6
3
IV«
1
24
12
6
4
1
0,266
0,133
0,066
0,044
0,011
17
Tafel V.
Gewichte.
c8
°o
ö
'S
Ol
3
o
'S
's
-1-3
X
o>
in
'Ö
S
03
0
o
o
03
3
CO
2
2
C5
1
12
36
48
72
96
288
576
1728
2304
345
1
3
4
6
8
24
48
144
192
28,75
l
l'/a
2
22/s
8
16
48
64
9,58
1
IV«
2
6
12
36
48
7„85
1
IV«
4
8
24
32
4,79
1
3
1
6
2
1
18
6
3
1
24
8
4
IV«
1
3,5'.)
1,20
0,C0
0,20
o,15
Folgende Unterabtheilungen des römischen Pfundes wurden mit
einem bestimmten Namen bezeichnet:
As = 7 Unzen.
Sextans = * 6 As = 2 Unzen Septunx
Quadrans = ' 4 — = 3 — Bes
Triens = »/, — = 4 — Dodrans = 3/4 — = 9 —
Quincunx= 5/i2— =5 — Dextans = 5/6 — = 10 —
Sextunx = »/2 — = 6 — Deunx = »/i2 — == n _
Semisis
Yictoriatus als Gewicht hatte die Schwere eines halben Denars.
Tafel VI.
Münzen.
Das Geld der Alten ist von ihrem Gewichte abhängig. Die Römer
hatten Gold-, Silber- und Kupfermünzen; aber das Verhältniss des
Werthes dieser Metalle gegen einander war nicht immer das näm-
liche, wiewohl die Haupteintheilung des Pfundes (in Silber und Gold)
2
18
in seinen kleineren Theilen fast durchaus unverändert blieb. Unter
den römischen Kupfermünzen war die Einheit der Ass (As), dessen
Multipla folgende sind: a) Dupondius — 2 Assibus. b) Sestertius =
21 2- c) Tripondius seu Tressis = 3. d) Quinquessis = 5. e) Sexis-
=* 6. f) Septussis = 7. g) Vigesis = 20. Bis h) Centussis seu Cen-
tum pondium =100 Assibus. — Der römische Ass war anfänglich l Pfund
Kupfer, und würde etwa 1,2 Mark betragen haben. Bei den Römern
war aber der Werth des Kupfers anfänglich viel geringer und ver-
hielt sich zum Werthe des Silbers nur wie 1 : 960. Doch hob sich
der Werth des Kupfers in der Folge als man den Ass nach und nach
bis auf 1 Unze reducirte. — In den alten Zeiten der römischen Re-
publik, wo der Ass 1 Pfund wog, galt der Silberdenar 10 Ass oder
10 Pf. Kupfer, der Quinar 5 Ass, die Sesterze 2V2 Ass. Die Li-
belle, eine andere kleine Silbermünze, galt einen pfundigen Kupfer-
ass; die Sembelle oder Selibelle '/2 Ass; derTerunzius 1 Quad-
rans von 3 Unzen. Aber nach Verringerung des Asses (zuerst auf
ein Sechstel seiner früheren Grösse, wobei der Ass noch 12 Unzen
hatte und wobei man den Triens = l/a Ass oder 4 Unzen und den
Quadrans = xjt Ass oder 3 Unzen [dieser daher auch Teruncius ge-
nannt] unterschied — dann) bis auf 1 Unze Kupfer wurde beschlossen,
dass der Denar 16 solche Ass (16 Unzen Kupfer), der Quinar 8, und die
Sesterze deren 4 gelten solle, daher die letztere auch den Namen
Quadrans führt1). Uebrigens ist zu merken, dass man in allen Sum-
men, wo S esterzen oder Denare vorkommen, jederzeit nach altem Ge-
brauche die Sesterze zu 2V2 Ass, oder den Denar zu 10 Ass zu ver-
stehen habe, wenn nicht die Schriftsteller ausdrücklich das Gegen-
theil sagen. Der Silberdenar, welcher unter den Kaisern der tägliche
Sold eines Soldaten war, hatte für diesen allein den Werth von 10
Ass, auch nach der Reduction. — Die grosse Sesterze (Sester-
tium) war keine wirkliche, sondern nur eine Rechnungsmünze, und
galt 1000 kleine Sesterzen. Man bezeichnete die grosse Sesterze
durch die Buchstaben HS, z. B. C H— S = 100 grosse = 100000
kleine Sesterzen. Wenn die Zahl über 100000 steigt, so werden die
Worte : Centena millia von den Römern gewöhnlich ausgelassen, und
es stehen dann bloss die Adverbia numeralia mit Nummüm oder Se-
stertiüra, z. B. Quinquagies Nummüm = 5000000 kleine = 5000 grosse
Sesterzen.
*) Einmal wurden sogar auch halbunzenschwere Asse geprägt.
19
Zur bequemen Uebersicht der Münzen dient die folgende Tabelle :
a
Aureus
Argenteus
Sestertius
(Nummus)
Quadrans
^ 3
c3
03
S
CO
CD
.2
3
3
Sh
O
H
3
OD
CS
CO
CO
3
1
PI
»
Quinarius
(Victoria-
tus)
CO
3
1
3
Quinarius
(Victoria-
tus)
u
li
1
10
20
250
500
1000
2500
5000
10000
171,4
1
2
25
50
100
250
500
1000
17)14
1
12»/2
25
50
125
250
500
8,57
1
2
4
10
20
40
0,68
1
2
5
10
20
0,34
1
2»/«
5
10
0,17
1
2
1
4
2
0,07
0,04
1
0,02
Das griechische Geld hatte mit dem Gewichte einerlei Einthei-
lung. Für unsern Zweck theilen wir nur Folgendes davon mit:
Attisch:
Tä).avxov
Mvä
AQ*xm
'Oßoloq
Xakxovq
Mark
1
60
6000
i
36000
360000
4380
1
100
600*
6000
73
1
6
1
60
10
1
0,73
0,12
0,012
1 Drachme = 1 Denar am Gewichte.
10 „ =1 Cyathus „ „
15 „ =1 Acetabulum _
Erstes Euch.
C. Plinius Secundus au den Kaiser Titus Vespasianus.
Die Bücher der Naturgeschichte, ein unter den
Schriften1) Deiner Römer2) noch neues Werk, erst jüngst
von mir vollendet, habe ich beschlossen, Dir, geliebtester
Kaiser (dieser Titel, an den wir durch Deinen erhabenen
Vater 3) schon lange gewöhnt sind, sei auch der Deiner
würdigste), in einer freimüthigen Zuschrift vorzutragen. Du
pflegtest ja meinen unbedeutenden Arbeiten einigen Werth
beizulegen4) — dass ich den Catull, meinen Landsmann,
(Du kennst auch dieses militärische Wort) anzuführen wage;
denn derselbe bediente sich, wie Du weisst, nicht der
') Camoenae, Musen, gelehrte Arbeiten.
"-) Quirites war eine ehrenvolle Benennung der Bürger in der
Stadt Rom. Der Ursprung dieses Namens ist folgender: Nachdem
unter Romulus zwischen den Sabinern und Römern Friede geschlos-
sen, beide Reiche mit einander vereinigt und Rom als Sitz des ge-
meinschaftlichen Regiments bestimmt war, wurde man eins, um den
Sabinern doch auch einen Vorzug einzuräumen, dass für die Folge
die sihmntlichen Römer nach der sabinischen Stadt Cures: Quinten
heissen sollten. Der Ort, wo dieser Vertrag geschlossen wurde, hiess
Comitium. S. Livius I. 13. Plutarch im Leben des Romulus.
3) Tit. Flav. Vespasianus, geb. im Jahre 9 nach Chr. und gestorb.
im Jahre 79 nach Chr. Sein Sohn Titus wurde im Jahre 40 geboren
und starb im Jahre 81.
Eine Stelle aus einem Gedichte Catull's an C. Nepos. —
Q. Valeriua Catullus, einer der besten römischen Dichter, gebor, zu
Sirmio im Veronesischen, lebte 86—48 v. Chr. zu Rom.
Erstes Buch. 21
feinsten Ausdrücke, als ihm seine setabischen Tücher1) ver-
tauscht waren, weil er sie als Geschenk von seinen Freunden
Veraniolus und Fabullus sehr in Ehren hielt. Zugleich soll
aber durch diese meine Kühnheit das in Erfüllung gehen,
über dessen Unterlassung Du Dich auf ein früheres ehrer-
bietiges Schreiben von mir beklagt hast, damit einige Deiner
Thaten an's Licht treten und Jedermann erfahre, wie würdig
Du der Beherrschung des römischen Reiches bist. Du hast
Triumphe gehalten, wärest Censor, sechsmal Consul und
Dir wurde die Macht eines Tribuns zu theil; aber gross
und edel hast Du gehandelt, da Du, als Befehlshaber der
Leibwache, Deinem Vater und dem Ritterstande Deine
Dienste widmetest, und das alles thust Du für den Staat,
mir aber bist Du ebenderselbe im Feldlager. Bei Dir hat
die Grösse des Glücks nichts geändert, als, mehr und mehr
nützlich zu sein. Wenn daher den Uebrigen alle jene
Mittel zu Gebote stehen, Dir Verehrung zu erweisen, so
bleibt mir, um Dir auf eine vertrauliche Weise zu huldigen,
nur die Kühnheit übrig. Diese magst Du Dir selbst an-
rechnen, und, wenn ich schuldig bin, verzeihen. Ich wollte
aller Blödigkeit entsagen, kann sie aber dennoch nicht ganz
ablegen, denn Du trittst mir auf anderm Wege zu mächtig
entgegen, und bestimmst mich durch Deine grosse Gelehr-
samkeit, noch weiter zurückzuweichen. Noch bei Keinem
glänzte so sehr die wahre rednerische Kraft, die Beredsam-
keit der tribunitischen Gewalt. Wie donnerst Du das Lob
des Vaters! Wie lieblich bist Du beim Lobe des Bruders!
Wie gross ist Dein Dichtertalent! Oh, welche Fruchtbarkeit
des Geistes! Du wusstest auch dem Bruder2) nachzuahmen.
Aber wer kann diess alles wohl ohne Furcht würdigen,
') Setaba, zu Setabis (jetzt Xativa in Valencia) in Spanien ver-
fertigt. Siehe auch III. B. 4. Cap. und XIX. B. 1. Cap.
2) Domitian, der, im Jahre 51 geboren, seinem Bruder in der
Regierung folgte, der sich als einen der scheusslichsten Tyrannen
bewies, und auf Anstiften seiner Gemahlin Domitia im Jahre 96 ermor-
det wurde. In seinen Jünglingsjahren mag wohl sein Charakter eine
bessere Aussenseite gezeigt haben.
22 Erstes Buch. »
wenn er sich dem überdiess noch erbetenen Urtheile Deines
Geistes unterwerfen will? Denn die Lage Derer, welche
etwas öffentlich herausgeben, ist verschieden von Denen,
welche Dir speciell etwas widmen. In jenem Falle könnte
ich sagen, warum liest Du diess, mein Kaiser? Es ist für
das niedere Volk, die Bauern, Handwerker, zum Ausfüllen
müssiger Stunden geschrieben; wer hat Dich zum Kichter
bestellt? Als ich dieses Werk schrieb, wärest Du nicht
mit auf jener Liste. Ich hielt Dich für zu erhaben, als
dass ich glauben sollte, Du würdest Dich soweit herab-
lassen. Ueberdiess giebt es ja auch eine öffentliche Zurück-
weisung bei den Gelehrten. Ihrer bediente sich M. Tullius1),
der doch über alle Geistesarmuth erhaben ist, und Hess
sich, was mich wundert, durch einen Sachwalter ver-
theidigen. „Es ist nicht für die gelehrtesten Männer be-
stimmt; ich will nicht, dass Manius Persius, ich will, dass
Junius Congus mich lese". Wenn diess Lucilius2), der zu-
erst eine satyrische Schreibart einführte, von sich sagen
zu müssen glaubte, wenn Cicero solches von ihm entlehnte,
namentlich als er über den Staat schrieb, um wie viel eher
habe ich Ursache, mich vor irgend einem Richter zu ver-
wahren! Aber dieses Schutzmittels habe ich mich durch
meine Zuschrift selbst begeben; denn es ist ein grosser
Unterschied, ob Jemand einen Richter durchs Loos erhält
oder ihn wählt; ferner sind die Zurüstungen bei einem ge-
ladenen Gaste verschieden von denen bei einem unver-
mutheten.
Wenn bei Cato, jenem Feinde von zudringlichen Amts-
bewerbungen, der sich über versagte Anstellungen, gleich-
sam als wären sie unveräusserbar, freuete, die Bewerber
in den hitzigsten Versammlungen ihr Geld niederlegten, so
') Marcus Tullius Cicero, der bekannte römische Staatsmann,
Redner und Philosoph, geb. 106 v. Chr. bei Arpinum, 53 auf seinem
fonnianischeu Landgute ermordet.
5) C. Lucilius aus Suessa in Capanien um 150 v. Chr., röm.
Ritter, Grossoheim des grossen Pompejus. der Schöpfer der eigentl
römischen Satyre.
Erstes Buch. 23
gaben sie vor, sie thäten diess ihrer Unschuld wegen, die
sie für das beste aller menschlichen Güter hielten. Dahin
zielt jener edle Ausruf des M. Cicero; „Du glücklicher
M. Porcius, von dem Niemand eine Ungerechtigkeit zu be-
gehren wagte"! Als L. Scipio Asiaticus sich an die Tribunen,
unter denen auch Gracchus war, um Hülfe wandte, lieferte
er dadurch den Beweis, dass er sich auch dem Urtheile
eines feindlichen Richters unterwerfen könne. So ernennt
ein Jeder irgend einen zum höchsten Richter seiner Ange-
legenheit, wenn er wählt, und daher kommt auch der Aus-
druck „Aufruf."
Dass Du auf den höchsten Gipfel des menschlichen
Geschlechts gestellt, mit grösster Beredsamkeit und Gelehr-
samkeit begabt bist, ja selbst von den Dich Grüssenden
ehrfurchtsvoll begegnet wirst, ist mir bekannt. Daher be-
sorge ich, dass das, was Dir gewidmet wird, auch Deiner
würdig sei. Aber es opfern ja die Landleute und viele
Völker den Göttern mit Milch, und spenden mit Salz ver-
mischtes Mehl, weil sie keinen Weihrauch haben; und nie-
mals wurde es für ein Laster gehalten, die Götter so zu
verehren, wie man es vermochte. Meine Kühnheit wird
indessen noch dadurch vermehrt, dass ich Dir diese Bücher
von leichterer Arbeit gewidmet habe; in ihnen vermisst man
einen erhabenen Geist, der mir überdiess nur in sehr
massigem Grade zu Theil ward; auch fehlen darin, wegen
Trockenheit der Materie, Abschweifungen, Reden, Ge-
spräche, merkwürdige Ereignisse, verschiedene Vorfälle,
oder Gegenstände, welche angenehm zu nennen und in-
teressant zu lesen wären.
Das Wesen der Dinge, d. h. ihr Leben wird darin be-
schrieben, und zwar von seiner schmutzigsten Seite, so dass
vieles mit gemeinen oder auswärtigen, ja sogar barbarischen
und von einem anständigen Vorworte begleiteten Namen
bezeichnet werden musste. Ueberdem ist diess bis jetzt
nur erst ein Pfad, keineswegs eine von Schriftstellern schon
betretene Strasse, oder eine solche, auf welche der Geist
gern wandeln möchte. Niemand unter uns hat ihn noch
/
24 Erstes Buch.
benutzt; Niemand unter den Griechen, der alle diese Gegen-
stände allein behandelt hat. Viele suchen nur die ange-
nehme Seite der Studien auf. Was aber von Andern mit
ausserordentlichem Scharfsinn bearbeitet sein soll, das liegt
noch in tiefem Dunkel. Ich beabsichtigte nun alles das zu
berühren, was, nach dem Ausdrucke der Griechen, in eine
„Encyclopädie" gehört, was entweder noch unbekannt oder
noch nicht sicher erforscht ist. Andere Materien sind aber
von vielen Autoren bereits zum Ueberdrusse besprochen
worden. Es ist eine schwierige Sache, alte Dinge in ein
neues Gewand zu kleiden, neuen Dingen Ansehn, abge-
nutzten Glanz, dunkeln Licht, faden ein gefälliges Gewand,
zweifelhaften Glauben, allen aber ihr Wesen und dem Wesen
alles, was ihm gehört, zu geben. Daher erscheint schon
der Wille löblich und schön, wenn auch das Ziel nicht ganz
erreicht wird. Ich bin wenigstens der Ansicht, dass ein
besonderer Umstand in dem Bestreben Derer liegt, welche
nach überwundenen Schwierigkeiten, den Nutzen zu helfen
der Sucht zu gefallen vorzogen, und diess Princip habe ich
auch in andern Schriften befolgt. Daher gestehe ich meine
Verwunderung über den berühmten Schriftsteller T. Livius1),
welcher einen Band seiner vom Ursprünge Rom's beginnen-
den Geschichte also eröffnet: „er habe sich schon Ruhm
genug erworben und hätte seine Thätigkeit einstellen
können, wenn nicht sein rastloser Geist an dem Werke
selbst Nahrung fände." Denn ihm ziemte es wahrlich, zum
Ruhme der Völker besiegenden Nation und des römischen
Namens und nicht für seinen eigenen jenes Werk zu ^er-
fassen. Es wäre verdienstvoller gewesen, wenn er aus
Liebe zur Sache, nicht seines Geistes wegen, und für das
römische Volk, nicht aber für sich so beharrlich gear-
beitet hätte.
Zwanzigtausend merkwürdige Gegenstände (sie sollten
daher, wie Domitius Piso sagt, eher Schatzkammern und
') Aus Padua, der vornehmste römische Geschichtsschreiber, lebte
lange am Hofe des Augustus und starb 19 n. Chr. in seiner Vaterstadt.
Erstes Buch. 25
nicht Bücher heissen), gesammelt durch das Lesen von etwa
zweitausend Büchern, unter welchen erst wenige ihres
schwierigen Inhalts wegen von den Gelehrten benutzt sind,
von Hundert der besten Schriftsteller1), habe ich in XXXVI
Bänden zusammengefasst, dazu aber noch vieles gefügt,
wovon entweder unsere Vorfahren nichts wussten, oder
was das Leben erst später ermittelt hat. Ich zweifle in-
dessen nicht, dass auch mir manches entgangen ist; ich
bin ja Mensch, mit Geschäften überhäuft, arbeitete an dem
Werke nur in meinen Nebenstunden, d. h. des Nachts, um
der Meinung nicht Kaum zu geben, als habe ich von den
für Dich bestimmten Stunden etwas entzogen. Die Tages-
zeit widme ich Dir, ich schlafe nach Maassgabe meiner
Gesundheit, bin sogar mit dieser einzigen Belohnung zu-
frieden, weil ich (wie M. Varro sagt) im Dienste der Musen
so viele Stunden mehr lebe. Denn nur das Wachen ist
Leben. Dieser Ursachen und Schwierigkeiten wegen wage
ich nichts zu versprechen; Du bist mir selbst Bürge dafür,
weil ich an Dich schreibe. Diess ist kein Vertrauen auf
mein Werk, sondern nur eine Empfehlung für dasselbe.
Viele Dinge scheinen nur darum sehr werthvoll, weil sie
den Tempeln geweihet sind. Ich habe Alle, Deinen Vater,
Dich und Deinen Bruder in einem andern Werke geschildert,
welches in der Geschichte unserer Zeiten da beginnt, wo
Aufidius Bassus aufhört. Du wirst fragen, wo es sei?
Längst vollendet, wird es noch ausgebessert und überdiess
') Nach einer von mir unternommenen genauen Zählung hat Pli-
nius in diesem Werke 505 Schriftsteller benutzt. Von diesen sind
nur 447 in den Inhaltsverzeichnissen des ersten Buches, 58 dagegen
nur im Texte genannt worden. Ausserdem finden sich noch 8 Schrift-
stellerinnen (7, nämlich : Agrippina, Elephantis, Lais, Olympias, Phe-
monoe, Salpe und Sotira in den Inhaltsverzeichnissen, 1 nämlich: Erinna
nur im Texte) und 3 öffentliche Urkunden (Acta und Acta triumpho-
rum in den Inhaltsverzeichnissen, Annales nur im Texte). Die totale
Summe aller von PI. benutzten Schriftsteller, Schriftstellerinnen und
öffentlichen Urkunden beträgt also 516. Ein alphabetisches Verzeich-
niss derselben folgt am Schlüsse des Werks.
26 Erstes Buch.
ist es zur Uebergabe an einen Erben bestimmt, um selbst
den Schein zu vermeiden, als habe mein Leben nach Ehr-
geiz gestrebt. Ich räume Denen den Platz gern ein, welche
ihn zuvor schon inne hatten, aber auch den Nachfolgern,
von Denen ich weiss, dass sie mit mir ebenso, wie ich mit
den vorigen, wetteifern werden.
Den Beweis meiner Denkungsart magst Du daraus er-
sehen, dass ich die Namen der Schriftsteller diesen Büchern
vorgesetzt habe. Es ist nämlich, wie ich glaube, billig und
zeugt von edler Schaam, zu bekennen, wem man sein
Wissen verdankt, und es nicht zu machen, wie die meisten
der von mir angeführten. Denn wisse, dass ich bei Ver-
gleichung der Schriftsteller gerade unter den sich für originell
ausgebenden und neuesten solche fand, welche die Alten
wörtlich abgeschrieben und nicht genannt haben; nicht mit
jenem Edelmuthe des Virgil, um zu wetteifern; nicht mit
der Anspruchslosigkeit des Cicero, der in den Büchern
„über die Republik" dem Plato gefolgt zu sein gesteht,
der in der „Tröstung über den Tod seiner Tochter" sagt:
ich folge dem Crantor; der in dem Werke „über die
Pflichten" den Pansetius x) zum Muster nahm; — Du kennst
ja diese Werke, welche studirt und nicht bloss täglich in
die Hand genommen werden sollten. Es verräth sicherlich
einen schwachen und unglücklichen Geist, lieber auf dem
Diebstahle ertappt zu werden, als das Empfangene wieder
zu geben, da ja aus den Zinsen wieder ein Capital wird.
Hinsichtlich des Titels eines Buches herrscht bei den
Griechen eine wunderbare Fruchtbarkeit. Einige über-
schreiben KtjqIov, was sie Honigscheibe genannt wissen
wollen; Andere: Kegag afiaX^siag oder Hörn des Ueber-
flusses, so dass man aus einem solchen Buche Hühnermilch
zu schöpfen hoffen könnte. Andere Titel sind: 3Icovid2),
1) Von Rhodus, stoischer Philosoph aus dem 2. Jahrh. v. Chr.,
von dessen Werken wir keins mehr besitzen.
2) Veilchenbeet.
Erstes Buch. 27
Moväcti1), IlavdsxTai2), EyxsiQidiaz), steifioov*), Ilivc% 5),
I%sdiov6)1 — Namen, wegen denen man wirklich einen
Gerichtstermin versäumen könnte! Allein, liest man erst
solche Bücher, ihr Götter und Göttinnen, welch' ein Nichts
enthalten sie! Die Ernstern unter uns Römern bedienen
sich der Worte: Antiquitates7), Exempla8), Artes9); die
Scherzhaften sagen: Lucubrationes10), wie denn auch einer
von ihnen ein Säufer war und so genannt wurde. Weniger
ernst ist M. Varro, der seine Satyren mit Sesculysses11) und
Flexibula12) überschrieb. Unter den Griechen hörte Diodorus13)
zuerst auf zu scherzen und gab seiner Geschichte den Namen
Bißho^xtj. Zwar schrieb der Grammatiker Apion14), der-
selbe, welcher den Kaiser Tiberius die Cymbel der Welt
nannte, während dieser doch eher als die Pauke des öffent-
lichen Gerichts angesehen werden könnte, dass diejenigen
mit der Unsterblichkeit von ihm beschenkt werden sollten,
denen er etwas widmen würde. Mich reuet es nicht, keinen
pomphaften Titel ausgedacht zu haben. Damit es aber nicht
scheine, als verspotte ich die Griechen in jeder Beziehung,
so möchte ich wohl nach jenen Gründern der Malerei und
Plastik beurtheilt werden, welche Du in diesen Büchern
findest, und die ihre vollendeten Werke sowie auch die-
jenigen, welche wir nicht genug bewundern können, mit
einer schwankenden Inschrift versahen, wie z. B.: „Apelles
arbeitete daran"15), oder „Polycletus"; gleichsam als ob die
Kunst stets nur eine angefangene, keine vollendete wäre,
so dass dem Künstler den verschiedenen Urtheilen gegen-
*) Von Herodot. 2) Pandekten. 3) Handbücher, ein "Werk von
Epictet. 4) Wiese, von Gellius. 5) Gemälde, von Cebes. 6) Skizze, von.
Himerius. 7) Alterthümer, wie Varro. 8) Beispiele, wie Valerius Ma-
ximus. 9) Künste. 10) Nachtarbeiten. u) Anderthalbfacher Ulysses.
I2) Krümmungen.
,3) Von Agyrion in Sicilien, daher auch D. Siculus genannt, Hi-
storiker zur Zeit J. Caesar's und Augustus in Rom.
u) Ein Aegypter und bei'ühmter Schriftsteller aus der Zeit des
Tiberius.
,5) faciebat.
28 Erstes Buch.
über noch eine Ausflucht zur Entschuldigung übrig blieb,
in der Absicht, das was noch fehle zu verbessern, wenn er
nicht unterbrochen wäre. Es zeugt daher von grosser Be-
scheidenheit, dass sie alle ihre Werke wie als ihre neuesten
bezeichneten, denen sie durch das Schicksal entrissen wären.
Nur drei glaub' ich, sind, laut der Inschrift: „Der und Der
machte sie"1), als vollendete bezeichnet und auf diese werde
ich gehörigen Orts2) zurückkommen. Wir ersehen aus
diesen Worten, dass der Verfertiger seiner Kunst völlig
sicher zu sein glaubte, uud darum tragen alle dergleichen
Kunstwerke das Gepräge der Prahlerei.
Ich gestehe, dass ich meinem Werke noch vieles hätte
hinzufügen können, und nicht bloss diesem allein, sondern
allen, welche ich verfasst habe, um mich vor jenen Homers-
geisslern3) (wie ich sie mit Recht nennen möchte) zu hüten,
weil ich vernehme, dass auch die Stoiker, Dialektiker und
Epikuräer (denn von den Grammatikern habe ich das immer
erwartet) gegen meine Schriften über die Grammatik zu
Felde ziehen, und seit zehn Jahren nichts als unzeitige
Geburten zur Welt bringen, während selbst die Elephanten
schneller gebären. Aber ich müsste ja nicht wissen, dass
gegen Theophrastus, einen Mann, der sich wegen seiner
ausgezeichneten Beredsamkeit einen göttlichen Namen er-
warb4), sogar ein Weib geschrieben hat, und dass sich
daher das Sprichwort datirt: man solle sich einen Baum
zum Erhängen aussuchen. Ich kann mich nicht enthalten,
wenigstens die hieher passenden Worte des Censors
Cato5) anzuführen, damit man daraus entnehme, wie sogar
gegen ihn (der unter dem Africanus, ja unter Hannibal
') fecit. 2) Im XXXV. Buche. 3) Honieroniastigae, ungerechte
Tadler.
4) Er hiess ursprünglich T yrtamus, nannte sich dann Euphrastus
(der Wohlredner) und endlich sogar Theophrastus (der göttliche Red-
ner). Er stammte aus Eresus auf Lesbos und lebte 392—286 v. Chr.
5) Marcus Porcius Cato, der ältere, berühmter römischer Staats-
mann, Redner und Schriftsteller, lebte 232—147 v. Chr. Von seinen
zahlreichen Schriften besitzen wir nur noch das Buch über den Landbau.
Erstes Buch. 29
die Kriegskunst erlernt hatte, der nicht einmal den als
Feldherrn im Triumph eingezogenen Africanus leiden
konnte), als er über das Kriegswesen schrieb, Leute bereit
waren, durch Schmähung einer ihnen fremden Wissenschaft
sich selbst einen Ruhm zu erwerben. Denn was sagt er
in jenem Buche? „Ich weiss, dass Viele die Schriften,
sobald sie der Oeffentlichkeit übergeben sind, verspotten
werden; jene sind aber meistens von der Art, dass sie des
wahren Lobes ermangeln; ich lasse daher ihre Reden un-
beachtet vorüber gehen." Ebenso passend drückte sich
Plancus aus, als es hiess, Asinius Pollio1) verfasste Reden
gegen ihn, welche von ihm oder seinen Kindern erst nach
Plancus Tode herausgegeben werden sollten, damit er nichts
dagegen erwiedern könne: „Nur Gespenster stritten mit
Todten". Durch diese Worte entkräftete er sie so, dass
sie bei den Gelehrten für ein unverschämtes Machwerk ge-
halten wurden. Ich werde daher, unbekümmert um die
Fehlerankläger1) wie sie Cato treffend bezeichnet (denn was
thuen sie anders als anklagen oder Streit suchen?), das be-
gonnene Werk vollenden.
In Berücksichtigung Deiner Geschäfte, die ich als ein
öffentliches Gut schonen muss, habe ich den Inhalt der
einzelnen Bücher diesem Schreiben beigefügt, und die grösste
Sorgfalt darauf verwendet, um Dir das Durchlesen der
Bücher zu ersparen. Durch Dich3) werden also auch Andere
des Durchlesens enthoben; wer aber über irgend etwas
nähere Auskunft zu haben wünscht, braucht bloss in jenem
Inhaltsverzeichnisse nachzusehen, um sogleich zu erfahren,
an welcher Stelle es zu finden ist. Vor mir verfuhr in
unserer Literatur ValeriusSoranus4) schon auf ähnliche Weise
in den Büchern, welche er unter dem Titel 'Enomidcaf)
herausgegeben hat.
*) Berühmter Redner und Historiker aus der Zeit des Augustus,
dessen Werke sämmtlich verloren sind. 2) Vitelitigatores. 3) D. h.
wegen der eigentlich nur für dich gemachten Bequemlichkeit.
4) Arzt und Zeitgenosse Cicero's. 5) Uebersichten.
Kurzer Inbegriff
der Naturgeschichte des C. Plinius Secundus.
Zweites Buch.
Von der Welt und den Elementen.
1. Ob die Welt Grenzen hat und ob sie einzig ist.
2. Von ihrer Gestalt.
3. Von ihrer Bewegung. Warum sie Mundus genannt wird.
4. Von den Elementen und den Planeten.
5. Von Gott.
6. Von den Gestirnen. Von dem Laufe der Planeten.
7. Von den Mond- und Sonnenfinsternissen. Von der Nacht.
8. Von der Grösse der Gestirne.
9. Wer alle diese Entdeckungen am Himmel zuerst gemacht hat.
10. Wann die Sonnen- und Mondfinsternisse wiederkehren.
11. Von dem Laufe des Mondes.
12. Der Lauf der Planeten und die Gesetze ihres Leuchtens.
13. Warum sie zuweilen entfernter, zuweilen näher erscheinen.
14. Warum ihre Bahnen ungleich sind.
15. Allgemeine Bemerkungen über die Planeten.
16. Woher es kommt, dass sie ihre Farben ändern.
17. Der Lauf der Sonne, und die Ursache der Ungleichheit der Tage.
18. Warum dem Jupiter die Blitze zugeschrieben werden.
19. Abstände der Gestirne von einander.
20. Musikalische Raumesverhältnisse zwischen den Gestirnen.
21. Geometrische Raumesverhältnisse der Welt.
22. Von den plötzlich entstehenden Gestirnen oder den Kometen.
23. Ihre Beschaffenheit, Lage und Arten.
24. Hipparch's Ansichten von den Gestirnen.
25. Wunderbare Erscheinungen am Himmel, durch geschichtliche
Beispiele beglaubigt: Fackeln, Lampen, Spiesse.
Erstes Buch. 31
26. Feurige Balken und vom geöffneten Himmel.
27. Von den Farben des Himmels und dem flammenden Himmel.
28. Von himmlischen Kränzen.
29. Von plötzlich entstehenden Ringen.
30. Längere Verfinsterungen der Sonne.
31. Mehrere Sonnen.
32. Mehrere Monde.
33. Tageshelle in der Nacht.
34. Feurige Schilde.
35. Ein nur einmal am Himmel bemerktes Zeichen.
36. Vom Hin- und Hergehen der Sterne.
37. Von den Sternen, welche auf der Erde und im Meere vorkommen.
38. Von der Luft, und woher der Steinregen kommt.
39. Von den bestimmten Witterungen.
40. Vom Aufgange des Hundssterns.
41. Bestimmter Einfluss der Jahreszeiten.
42. Von den unbestimmten Witterungen, vom Platzregen.
43. Vom Donner und Blitz.
44. Entstehung der Winde.
45. Verschiedene Bemerkungen über die Winde.
46. Arten der Winde.
47. Zeiten, wann Winde entstehen.
48. Beschaffenheit der Winde.
49. Der Ecnephias und Typhon.
50. Wirbel, feurige Wirbelwinde, Drehwinde und andere merkwürdige
Sturmarten.
51. Von den Blitzen; in welchen Ländern es nicht blitzt und warum.
52. Arten der Blitze und ihre wunderbaren Eigenschaften.
53. Beobachtungen der Etruscer und Römer über dieselben.
54. Von der Beschwörung der Blitze.
55. Allgemeine Bemerkungen über die Blitze.
56. Was der Blitz niemals trifft.
57. Von Milch-, Blut-, Fleisch-, Eisen-, Wolle- und Ziegelstein-Regen
58. WafFengeklirr und Hörnerschall vom Himmel her gehört.
59. Steine die vom Himmel fallen. Ansichten desAnaxagoras darüber.
60. Der Regenbogen.
61. Beschaffenheit des Hagels, Schnees, Reifes, Nebels, Thaues, der
Wolken. Bilder in den Wolken.
62. Beschaffenheit des Himmels an verschiedenen Orten.
63. Beschaffenheit der Erde.
64. Von ihrer Gestalt.
65. Ob es Gegenfüssler giebt.
66. Wie dag Wasser mit der Erde verbunden ist.
67. Ob der Ocean die Erde rings umgiebt.
32 Erstes Buch.
68. Welcher Theil der Erde bewohnt ist.
69. Dass die Erde der Mittelpunkt der Welt ist.
70. Von der schrägen Lage der Erdgürtel.
71. Von der Ungleichheit der Klimata.
72. Wo die Sonnen- und Mondfinsternisse nicht gesehen werden, und
warum.
73. Welche ßewandtniss es mit dem Tageslichte auf der Erde hat.
74. Darauf bezügliche Bemerkungen über die Sonnenuhren.
75. Wo und wann kein Schatten entsteht.
76. Wo zweimal im Jahre Schatten und wo das Gegentheil ist.
77. Wo die Tage am längsten und wo sie am kürzesten sind.
78. Von der ersten Stundenuhr.
79. Von der Bestimmung der Tagesdauer.
80. Verschiedenheit der Völker nach ihrem Wohnsitze.
81. Vom Erdbeben.
82. Von Erdfällen.
83. Merkmale eines bevorstehenden Erdbebens.
84. Hülfsmittel gegen bevorstehende Erdbeben.
85. Wunder auf Erden, die nur einmal geschehen sind.
86. Wunderbare Erscheinungen beim Erdbeben.
87. In welchen Gegenden das Meer zurückgetreten ist,
88. Wie Inseln entstanden sind.
89. Welche und zu welchen Zeiten sie entstanden sind.
90. Welche Länder durch das Meer abgerissen sind.
91. Welche Inseln an das feste Land gesetzt sind.
92. Welche Länder vom Meere verschlungen sind.
93. Welche Länder von selbst untergegangen sind.
94. Städte, die das Meer verschlungen hat
95. Von den Luftlöchern der Erde.
96. Länder, welche immer zittern; schwimmende Inseln.
97. An welchen Orten es nicht regnet-
98. Eine Menge Wunder von Ländern.
99. Von der Natur der Ebbe und Fluth.
100. Wo Ebbe und Fluth von der Regel abweichen.
101. Wunder des Meeres.
102. Welchen Einfluss der Mond auf Land- und Meer-Geschöpfe hat.
103. Einfluss der Sonne auf dieselben.
104. Warum das Meer salzig ist.
105. Wo das Meer' am tiefsten ist.
106. Wunder der Quellen und Flüsse.
107. Vereinigte Wunder des Feuers und Wassers. *
108. Von der Maltha.
109. Von der Naphtha.
110. Welche Orte stets brennen.
Erstes Buch. 33
111. Wunder des- Feuers an sich.
112. Bestimmung der Grösse der ganzen Erde.
113. Hannonische Berechnung der ganzen Welt.
Zusammen: 417 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, Sulpicius Gallus, der Kaiser Titus, Q. Tubero, Tullius
Tiro, L. Piso, T. Livius, C. Nepos, Sebosus, Cselius Antipater, Fabia-
nus, Antias, Mucianus, Caecina der über etruskische Einrichtungen
geschrieben hat, Tarquitius desgleichen, Julius Aquila desgleichen,
Sergius, Paulus.
Von fremden Schriftstellern:
Plato, Hipparchus, Timaeus, Sosigenes, Petosiris, Nechepsus, die
Pythagoraeer, Posidonius, Anaximander, Epigenes, Gnomonicus, Eu-
clides, der Philosoph Coeranus, Eudoxus, Democritus, Critodemus,
Thrasyllus, Serapion, Dicaearchus, Archimedes, Onesicritus, Eratosthe-
nes, Pytheas, Herodotus, Aristoteles, Ctesias, Artemidorus von Ephe-
sus, Isidorus von Charax, Theopompus.
Drittes Buch.
Von der Lage und Grösse der Länder, Meere, Städte, Häfen,
Berge, Flüsse und den Völkern, welche noch da sind
oder da waren.
1. Europa' s Grenzen und Lage im Allgemeinen.
2. Von Spanien überhaupt.
3. Die baltische Provinz.
4. Das diesseitige Spanien.
5. Die narbonensische Provinz.
6. Itaüen.
7. Der neunte Bezirk von Italien.
8. Der siebente Bezirk von Italien.
9. Der erste Bezirk von Italien. Die Tiber, Rom.
10. Der dritte Bezirk von Italien.
11. 64 Inseln, unter ihnen die Balearen.
12. Corsica.
13. Sardinien.
14. Sicilien.
15. Gross- Griechenland; von Locri an.
16. Der zweite Bezirk von Italien.
17. Der vierte Bezirk von Italien.
18. Der fünfte Bezirk von Italien.
3
o. Erstes Buch.
19. Der sechste Bezirk von Italien.
20 Der achte Bezirk von Italien.
21. Der elfte Bezirk von Italien; Italien jenseits des Po.
22. Der zehnte Bezirk von Italien.
23. lstrien und dessen Bewohner.
24. Die Alpen und ihre Bewohner.
25. Liburnien und Illyrien.
26. Dalmatien.
27. Noricum.
28. Pannonien.
29. Moesien.
30. Die Inseln des ionischen und adriatischen Meeres.
Zusammen: Städte und Völker. ]
Berühmte Flüsse. Die Zahlen
Berühmte Berge. \ fehlen in allen
Inseln. Handschriften.
Untergegangene Städte und Völker, j
316 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Turranius Gracilis, Com. Nepos, T. Livius, der Censor Cato, M..
Agrippa, M. Varro, der Kaiser Augustus, Varro von Atace, Hyginus,
L Vetus MelaPomponius, Curio der Vater, Caelius, Arruntius, Sebo-
sus, Licinius Mucianus, Fabricius Tuscus, L. Attejus Capito, Vemus
Fla'ccus, L. Piso, Gellianus, Valerianus.
Von fremden Schriftstellern:
Artemidorus, Alexander Polyhistor, Thucydides, Theophrastus,
Isidorus, Theopompus, Metrodorus von Scepsis, Calhcrates, Xenephon
von Lampsacus, Diodorus von Syracus, Calliphanes, Timagenes.
Viertes Buch.
Von der Lage und Grösse der Länder, Meere, Städte,
Häfen, Berge, Flüsse und den Völkern, welche noch
da sind oder da waren.
1. Epirus.
2. Acarnanien.
3. Aetolien.
4. Locris und Phocis.
5. Der Peloponnes.
6. Achaja.
7. Messenien.
Erstes Buch. 35
8. Laconien.
9. Argolis.
10. Arcadien.
11. Attica, Griechenland.
12. Böotien.
18. Doris.
14. Phthiotis.
15. Thessalien.
16. Magnesien.
17. Macedonien.
18. Thracien, das ägeische Meer.
19. Die Inseln, welche vor diesen Ländern liegen, darunter:
20. Creta.
21. Euböa.
22. Die Cycladen.
23. Die Sporaden.
24. Der Hellespont. Der Maeotis.
25. Dacien, Sarmatien.
26. Scythien.
27. Die Inseln im Pontus. Die Inseln im nördlichen Ocean.
28. Germanien.
29. 96 Inseln im gallischen Ocean, unter diesen:
30. Britannien.
31. Das belgische Gallien.
32. Das lugdunensische Gallien.
33. Das aquitanische Gallien.
34. Das diesseitige Spanien vom gallischen Ocean an.
35. Lusitanien.
36. Die Inseln im atlantischen Meere.
37. Bestimmung der Grösse von ganz Europa.
Zusammen: Städte und Völker.
Berühmte Flüsse. Die Zahlen
Berühmte Berge. \ fehlen in allen
Inseln. Handschriften.
Untergegangene Städte und Völker.
Gegenstände, Erzählungen !und Bemerkungen. .
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, der Censor Cato, M. Agrippa, der Kaiser Augustus,
Varro von Atace, Com. Nepos, Hyginus, L. Vetus, Pomponius Mela,
Licinius Mucianus, Fabricius Tuscus, Attejus Capito, der Philolog
Attejus.
Von fremden Schriftstellern:
Polybius, Hecatseus, Hellanicus, Damastes, Eudoxus, Dicsearchus,
Timosthenes, Eratosthenes, Ephorus, der Grammatiker Cratetes, Se-
3*
36 Erstes Buch.
rapion von Antiochien, Callimachus, Artemidorus, Apollodorus, Aga-
thocles, Euuiachus, Timseus aus Sicüien, Myrsilus, Alexander Poly-
histor, Thucydides, Dosiades, Anaximander , Philistides von Mallus,
Dionysius, Aristides, Callidemus, Mensechmus, Aglaosthenes, Anticlides,
Heraclides, Philemon, Xenophon, Pytheas, Isidorus, Pliilonides, Xena-
goras, Astynomus, Staphylus. Aristocriton, Metrodorus, Cleobulus,
Posidonius.
Fünftes Buch.
Von der Lage und Grösse der Länder, Meere, Städte,
Häfen, Berge, Flüsse, und den Völkern, welche
noch da sind oder da waren.
1. Mauritanien.
2. Numidien.
3. Afrika (im engern Sinne).
4. Die Syrten.
5. Cyrenaica.
6. Das libysche Mareotis.
7. Die Inseln um Afrika.
8. Das innere Afrika.
9. Asien. Aegypten und Thebais.
10. Der Nil.
11. Die Städte in Aegypten.
12. Arabien, welches am ägyptischen Meere liegt.
13. Syrien.
14. ldumäa, Palästina, Samaria.
15. Judäa.
16. Decapolis.
17. Phönicien.
18. Das antiochische Syrien.
19. Das übrige Syrien.
20. Der Euphrat.
21. Syrien am Euphrat.
22. Cilicien und die anwohnenden Völker.
23. Die Isaurer und die Homonader.
24. Pisidien.
25. Lycaonien.
26. Pamphylien.
27. Der Berg Taurus.
28. Lycien.
29. Carien.
30. Lydien.
Erstes Buch. 37
31. Ionien.
32. Aeolien.
33. Troas und die anwohnenden Völker.
34. 212 Inseln vor Asien, darunter:
35. Cypem.
36. Rhodus.
37. Samos.
38. Chios.
39. Lesbos.
40. Das Hellespont und Mysien.
41. Phrygien.
42. Galatien und die anwohnenden Völker.
43. Bithynien.
44. Die Inseln im Propontis.
Zusammen: Städte und Völker.
Berühmte Flüsse.
Berühmte Berge.
318 (?) Inseln.
Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Agripppa, Suetonius, Paulinus, M. Varro, Varro von Atace, Com.
Nepos, Hyginus, L. Vetus, Mela, Domitius Corbulo, Licinius Mucianus,
der Kaiser Claudius, Arruntius, Livius der Sohn, Sebosus, die Acten
über die gehaltenen Triumphe.
Von fremden Schriftstellern:
Der König Juba, Hecata^us, Hellanicus, Damastes, Dicsearchus,
Baeton, Timosthenes, Philonides, Xenagoras, Astynomus, Staphylus,
Aristoteles, Dionysius, Aristocritus, Ephorus, Eratosthenes, Hippar-
chus, Pansetius, Serapion von Antiochia, Callimachus, Agathocles,
Polybius, der Mathematiker Tima^us, Herodotus, Myrsilus, Alexander
Polyhistor, Metrodorus, Posidonius, welcher 2 Bücher „die Erdum-
schiffung" und die „Erdumwanderung" geschrieben hat, Sotades, Pe-
riander, Aristarchus von Sicyon, Eudoxus, Antigenes, Callicrates,
Xenophon von Lampsacus, Diodorus von Syracus, Hanno, Himilco,
Nymphodorus, Calliphanes, Artemidorus, Megasthenes, Isidorus, Cle-
obulus, Aristocreon.
Die Zahlen fehlen
in allen Hand-
schriften.
Sechstes Bach.
Von der Lage und Grösse der Länder, Meere, Städte,
Häfen, Berge, Flüsse, und den Völkern, welche
noch da sind oder da waren.
1. Der Pontus und die Mariandyner.
2. Die Paphlagonier.
38 Erstes Buch.
3. Die Cappadocier.
4. Das theniiscyrenische Land und seine Völker. Die Heniocher.
5. Das colische Land, die Achaeer und die übrigen dort wohnenden
Völker.
6. Der cimmersche Bosporus.
7. Mseotis und die um ihn wohnenden Völker.
8. Cappadocien.
9. Gross- und Klein-Armenien.
10. Die Flüsse Cyrus und Araxes.
11. Albanien, Iberien und die anwohnenden Völker.
12. Die caucasischen Pässe.
13. Die Inseln im Pontus.
14. Die Völker vom scythischen Ocean an.
15. Das caspische und hyrcanische Meer.
16. Adjabene.
17. Medien und der caspische Pass.
18. Die Völker am hyrcanischen Meere.
19. Die scythischen Völker und die Länder vom östlichen Ocean an.
20. Die Serer.
21. Die Indier.
22. Der Ganges.
23. Der Indus.
24. Taprobane.
25. Die Gedroser und die angrenzenden Provinzen. Die Arianer.
26. Schifffahrten nach Indien.
27. Carmanien.
28. Der persische und der arabische Meerbusen.
29. Die Länder der Parther.
30. Mesopotamien.
31. Der Tigris.
32. Arabien.
33. Der Busen des rothen Meeres.
34. Troglodytice.
35. Aethiopien.
36. Die Inseln des äthiopischen Meeres.
37. Von den glückseligen Inseln.
38. Vergleichung der Länder miteinander nach ihrem Flächeninhalte .
39. Vertheilung der Länder in Parallelen und gleiche Schatten.
Zusammen: 1195 Städte.
576 Völker.
115 berühmte Flüsse.
18 berühmte Berge.
108 Inseln.
95 untergegangene Städte und Völker.
2214 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Erstes Buch. 39
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Agrippa, M. Varro, Varro von Atace, C. Nepos, Hyginus,
L. Vetus, Mela Pomponius, Domitius Corbulo, Licinius Mucianus,
der Kaiser Claudius, Arruntius, Sebosus, Fabricius Tuscus, T. Livius,
Seneca, Nigidius.
Von fremden Schriftsteilem:
König Juba, Hecatseus, Hellanicus, Damastes, Eudoxos, Dicsear-
chus, B«ton, Timosthenes, Patrocles, Demodamas, Clitarchus, Era-
tosthenes, Alexander der Grosse, Ephorus, Hipparchus, Pansetius, Calli-
machus, Artemidorus, Apollodorus, Agathocles, Polybius, Eumachus,
Timaeus von Sicilien, Alexander Polyhistor, Isidorus, Amometus,
Metrodorus, Posidonius, Onesicritus, Nearchus, Megasthenes, Diogne-
tus, Aristocreon, Bion, Dalion, Simonides der Jüngere, Basilis, Xeno-
phon von Lampsacus.
Siebentes Buch.
Von der Entstehung und Beschaffenheit des Menschen
und von der Erfindung der Künste.
1. Vom Menschen.
2. Wunderbare Gestalten der Völker.
3. Seltsame Geburten.
4. Von der Erzeugung des Menschen; merkwürdige Beispiele der
Schwangerschaft von sieben bis zu dreizehn Monaten.
5. Anzeigen bei Schwange» in Bezug auf die Erkennung des Ge-
schlechtes der Leibesfrucht.
<>. Monströse Geburten.
7. Kinder, die aus der Mutter Leibe geschnitten sind.
8. Welche Menschen Vopiscer heissen.
9. "Von der Empfängniss und Zeugung.
10. Beispiele von Aehnlichkeiten.
11. Von der Zeit der Pubertät. Beispiele zahlreicher Empfängniss.
12. Bis zu welchem Alter der Mensch zeugungsfähig ist.
13. Wunderbare Bemerkungen über den Monatsfluss der Weiber.
14. Von der Zeugungsfähigkeit.
15. Geschichtliche Bemerkungen von den Zähnen, desgleichen von
den Kindern.
16. Beispiele auffallender Grösse.
17. Frühreife Kinder.
18. Ausgezeichnete Merkmale am menschlichen Körper.
19. Ausserordentliche Kräfte.
20. Ausserordentliche Schnelligkeit.
21. Sehr scharfes Gesicht.
40 Erstes Buch.
22. Sehr feines Gehör.
23. Beispiele von Ausdauer.
24. Beispiele von starkem Gedächtniss.
25. Beispiele von Geisteskraft.
26. Beispiele von Milde und Grossmuth.
27. Von hoher Berühmtheit in der Leitung ausserordentlicher Ange-
legenheiten.
28. Von den drei grössten Tugenden und von der grössten Unschuld
eines Menschen.
29. Von der grössten Tapferkeit.
30. Beispiele von ausgezeichneten Genie's.
31. Dessgleichen von grosser Weisheit.
32. Sehr nützliche Lebensregeln.
33. Von der Kraft des Weisssagens.
34. Wer für den rechtschaffensten Mann gehalten worden ist.
35. Welche Frauen die keuschesten gewesen sind.
36. Beispiele höchster kindlicher Liebe.
37. Ausgezeichnete Männer in den Künsten, der Sterndeutekunst,
Sprachkunde und Medicin;
38. Der Geometrie, Architectur;
39. Der Malerei, Bildhauerei, der Kunst in Elfenbein zu arbeiten und
getriebene Arbeit zu verfertigen.
40. Sehr hohe Preise für Menschen.
41. Von der höchsten Glückseligkeit.
42. Seltene Beispiele von dauerndem Glücke in Familien.
43. Merkwürdige Beispiele von Glückswechsel. Ein zweimal Ver-
bannter.
44. Merkwürdige Beispiele von Ehrenbezeugungen.
45. Die zehn höchsten Güter bei einem Manne.
46. Widerwärtige Schicksale des Kaisers Augustus.
47. Welche Menschen von den Göttern für die glücklichsten er-
klärt sind.
48. Wen man schon bei seinen Lebzeiten als einen Gott zu ver-
ehren befohlen hat. Ein merkwürdiger Blitz.
49. Von der längsten Lebensdauer.
50. Von der verschiedenen Geburtszeit.
51. Verschiedene Beispiele von Krankheiten.
52. Vom Tode.
53. Welche Menschen schon zu Grabe getragen und wieder auf-
gelebt sind.
54. Beispiele von plötzlich erfolgtem Tode.
55. Vom Begräbniss.
56. Von den Geistern der Verstorbenen; von der Seele.
57. Was ein Jeder im Leben erfunden hat.
Erstes Buch. 41
58. Worin die erste Uebereinkunft der Völker besteht.
59. Wann zuerst Barbiere gewesen sind.
60. Wann die erste Uhr existirt hat.
Zusammen: 747 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Verrius Flaccus, Cn. Gellius, Licinius Mucianus, Massurius Sabi-
nus, Agrippina des Claudius Gemahlin, M. Cicero, Asinius Pollio,
M. Varro, Messala, Rufus, C. Nepos, Virgilius, Livius, Cordus, Melis-
sus, Sebosus, Com. Celsus, Valerius Maximus, Trogus, Nigidius Figu-
lus, Pomponius Atticus, Pedianus Asconius, Fabianus, der Censor Cato,
Fabius Vestalis, die Acten.
Von fremden Schriftstellern:
Herodotus, Aristeas, Bseton, Isigonus, Crates, Agatharchides,
Calliphanes, Aristoteles, Nymphodorus, Apollonides, Phylarchus, Dä-
mon, Megesthenes, Ctesias, Tauron, Eudoxus, Onesicritus, Clitarchus,
Duris, Artemidorus, der Arzt Hippocrates, der Arzt Asclepiades, He-
siodus, Anacreon, Theopompus, Hellanicus, Damastes, Ephorus, Epi-
genes, Berosus, Petosiris, Nechepsus, Alexander Polyhistor, Xenophon,
Callimachus, Democritus, der Geschichtsschreiber Diyllus, Strato der
gegen die „Erfindungen" des Ephorus schrieb, Heraclides von Pontus,
Asclepiades welcher tragische Begebenheiten schrieb, Philostephanus,
Hegesias, Archimachus, Thucydides, Mnesigiton, Xenagoras, Metrodo-
rus von Scepsis, Anticlides, Critodemus.
Achtes Buch.
Von den Landthieren.
1. Von den Elephanten, von ihrem Verstände.
2. Wann sie zuerst zum Ziehen gebraucht sind.
3. Von ihrer Gelehrigkeit.
4. Wunderbare Dinge in Bezug auf ihre Handlungen.
5. Dass die wilden Thiere wissen, was ihnen Gefahr bringt.
6. Wann in Italien zuerst Elephanten gewesen sind.
7. Ihre Kämpfe.
8. Wie sie gefangen werden.
9. Wie sie gezähmt werden.
10. Von ihrer Geburt und von ihrer übrigen Beschaffenheit.
11. Wo sie geboren werden. Von ihrer Feindschaft mit den Schlangen.
12. Von der Schlauheit der Thiere.
13. Von den Schlangen.
42 Erstes Buch.
14. Schlangen von ausserordentlicher Grösse.
15. Von den scythischen Thieren. Von den Bisons.
16. Von den nordischen Thieren; vom Elenthiere, dem Bonasus.
17. Von den Löwen und ihrer Geburt.
18. Ihre verschiedenen Arten.
19. Ihre sonstige Beschaffenheit.
20. Wer zuerst zu Rom einen Löwenkampf veranstaltet hat. Wer die
meisten Löwen dazu geliefert hat.
21. Wunderbare Begebenheiten von den Löwen.
22. Wer von einer Schlange erkannt und gerettet worden ist.
23. Von den Panthern.
24. Senatsbeschluss und Gesetze in Bezug auf die afrikanischen Pan-
ther. Wer die afrikanischen zuerst, und wer die meisten nach
Rom gebracht hat.
25. Von den Tigern. Wann der erste in Rom gesehen worden. Be-
schreibung derselben.
26. Von den Kameelen und ihren Arten.
27. Von der Giraffe. Wann die erste in Rom gesehen worden.
28. Von dem Thiere Chama und dem Cephus.
29. Vom Rhinoceros.
30. Vom Luchs, den Sphingen, Crocotten und Meerkatzen.
31. Die Landthiere Indiens.
32. Die Landthiere Aethiopiens. Ein Thier, welches durch seinen An-
blick tödtet.
33. Von den Basilisken.
34. Von den Wölfen. Woher die Sage von Verwandlung in Wölfe
kommt.
35. Die Arten der Schlangen.
36. Vom Ichneunion.
37. Vom Krokodil.
38. Vom Scincus.
39. Vom Flusspferde.
40. Wer zuerst ein Flusspferd und ein Krokodil zu Rom gezeigt hat.
41. Arzneimittel, welche von Thieren entdeckt sind.
42. Anzeigen von Gefahren an Thieren beobachtet.
43. Völker, die von Thieren vertilgt sind.
44. Von den Hyänen.
45. Von den Crocuten und Mantichoren.
46. Von den wilden Eseln.
47. Vom Castoreum. Von Thieren, welche im Wasser und auf dem
Lande leben. Von der Fischotter.
48. Von den Laubfröschen.
49. Vom Seekalbe. Vom Biber. Von den Stellionen.
50. Von den Hirschen.
Erstes Buch. 43
51. Vom Chamaeleon.
52. Von den übrigen Thieren, welche ihre Farbe verändern. Vom
Rennthiere, dem Lycaon, dem Thos.
53. Vom Stachelschweine.
54. Von den Bären und ihren Jungen.
55. Von den pontischen Mäusen und den Alpenmäusen.
56. Von den Igeln.
57. Vom Löwentödter und Luchse.
58. Von dem Dachse, dem Eichhörnchen.
59. Von den Vipern und Schnecken.
60. Von den Eidechsen.
61. Von den Hunden; Beispiele von Treue gegen ihre Herren. Welche
sich Hunde zum Kriege gehalten haben.
62. Von ihrer Fortpflanzung.
63. Mittel gegen die Hundswuth.
64. Von den Pferden.
65. Von ihrem Verstände. Merkwürdige Begebenheiten von einem
Gespann aus vier Pferden.
66. Von ihrer Fortpflanzung.
67. Welche durch den Wind empfangen.
68. Von den Eseln und ihrer Fortpflanzung.
69. Von den Mauleseln, dem übrigen Zugvieh und ihrer Fortpflanzung.
70. Von den Ochsen und ihrer Fortpflanzung.
71. Vom ägyptischen Apis.
72. Von dem Schafe überhaupt und seiner Fortpflanzung.
73. Von den Arten der Wolle und ihrer Farbe.
74. Von den verschiedenen Kleidern.
75. Von den äussern Merkmalen des Schafs; vom Musimon.
76. Von den Ziegen und ihrer Fortpflanzung.
77. Von den Schweinen.
78. Von den wilden Schweinen. Wer zuerst Thiergärten angelegt hat.
79. Von den halbwilden Thieren.
80. Von den Affen.
81. Von den Hasen-Arten.
82. Von den Thieren, welche weder zahm noch wild zu nennen sind.
83. Welche Thiere in manchen Gegenden nicht sind.
84. Welche Thiere nur den Ankömmlingen, und welche nur den Ein-
heimischen schädlich sind, und wo diess der Fall ist.
Zusammen: 787 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Mucianus, Procilius, Verrius Flaccus, L. Piso, Cornelius Valeria-
nus, der Censor Cato, Fenestella, Trogus, die Acten, Columella, Vir-
gilius, Varro, Lucilius, Metellus, Scipio, Com. Celsus, Nigidius, Tre-
bius Niger, Pomponius Mela, Mamilius Sura.
44 Erstes Buch.
Von fremden Schriftstellern:
König Juba, Polybius, Herodotus, Antipater, Aristoteles, der Phy-
siker Demetrius, Democritus, Theophrastus, Euanthes, Agrippa der
die olympischen Siege beschrieben hat, König Hiero, König Attalus
Philometor, Ctesias, Duris, Philistus, Archytas, Phylarchus, Amphilo-
chus von Athen, Anaxipolis von Thasus, Apollodorus von Lemnos,
Aristophanes von Milet, Antigonus von Cymse, Agathocles von Chios,
Apollonius von Pergamus, Aristander von Athen, Bacchius von Milet,
Bion von Solis, Chsereas von Athen, Diodorus von Priene, Dion von
Colophon, Epigenes von Rhodus, Euagon von Thasus, Euphronius
von Athen, Hegesias von Maronea, Menander von Priene, Menander
von Heraclea, der Dichter Menecrates, Androtion der über den Acker-
bau geschrieben hat, Aeschrion desgleichen, Lysimachus desgleichen,
Dionysius der den Mago übersetzt, Diophanes der aus dem Dionysius
einen Auszug gemacht hat, König Archelaus, Nicander.
Neuntes Buch.
Von den Wasserthieren.
1. Warum die grössten Thiere im Meere sind.
2. Die Thiere des indischen Meeres.
3. Welche im Weltmeere überhaupt die grössten sind.
4. Von der Gestalt der Tritonen, Nereiden und Seeelephanten.
5. Von den Wallfischen und Orken.
6. Ob die Fische athmen und ob sie schlafen.
7. Von den Delphinen.
8. Wen sie lieb gehabt haben.
9. Wo sie gemeinschaftlich mit den Menschen Fische fangen.
10. Andere merkwürdige Erzählungen von ihnen.
11. Von den Tursionen.
12. Von den Schildkröten. Die Arten der Wasser-Schildkröten und
wie sie gefangen werden.
13. Wer zuerst Schildkrötenschalen geschnitten hat.
14. Eintheilung der Wasserthiere nach ihren Arten.
15. Welche behaart und welche nicht behaart sind; wie sie gebären.
Von den Seekälbern und Robben.
16. Wie viele Arten von Fischen es giebt.
17. Welche Fische am grössten sind.
18. Von den Thunfischen, Cordylen und Pelamiden, welche, wenn sie
in Stücke geschnitten und eingesalzen sind, Melandrya, Apo-
lecti und Cybia heissen.
19. Von den Amien und Scombern.
Erstes Buch. 45
■20. Welche Fische es im Pontus nicht giebt; welche an der einen
Seite hinein- und an der andern wieder heraus schwimmen.
21. Warum die Fische aus dem Wasser hervorspringen. Vom Schwerdt-
fisch.
22. Von Wahrsagungen aus Fischen.
23. Welche Fischart keine Männchen hat.
24. Welche einen Stein im Kopfe haben; welche im Winter verbor-
gen liegen, und welche im Winter nur an bestimmten Tagen
gefangen werden.
25. Welche im Sommer verborgen liegen; welche Fische von einer
Erstarrung befallen werden.
26. Von dem Mugil.
27. Vom Stör.
28. Vom Seewolf; vom Kabliau.
29. Vom Scarus; von der Mustela.
30. Arten der Meer-Barbe; von dem Gesellschafter Sargus.
31. Ausserordentliche Preise für Fische.
32. Dass ein und dieselben Fische nicht überall beliebt sind. Vom
Coracinus.
33. Von den Kiemen und Schuppen.
34. Fische, welche eine Stimme haben und ohne Kiemen sind.
35. Welche auf das Land kommen. Zeiten ihres Fanges.
36. Eintheilung der Fische nach der Gestalt. Unterschied zwischen
den Rhomben und Passeres. Von langen Fischen.
37. Von den Flossen und der Art und Weise des Schwimmens der
Fische.
38. Von den Aalen.
39. Von den Muraenen.
40. Arten der Plattfische.
41. Vom Echeneis und seiner zauberischen Kraft.
42. Welche Fische die Farbe wechseln.
43. Welche über dem Wasser hinfliegen; von der Meerschwalbe ; von
dem Fische der bei Nacht leuchtet; vom Hornfische; vom See-
drachen.
44. Von den Fischen die kein Blut haben; von den sogenannten
Weichfischen.
45. Von der Sepia, der Loligo, den kleinen Kammmuscheln.
46. Von den Polypen.
47. Von dem Polyp „der Segler" genannt.
48. Arten der Polypen; ihre Schlauheit.
49. Von dem Segler Nauplium.
50. Von den Schalenthieren; von den Krabben.
51. Arten der Krebse; von dem Pinnotheres, dem Seeigel, den
Schnecken und Kammmuscheln.
46 Erstes Buch.
52. Arten der Muscheln.
53. Dass im Meere die Ursache grosser Verschwendung liegt.
54. Von den Perlmuscheln; wie und wo sie entstehen.
55. Wie sie aufgefunden werden.
56. Wie viele Arten von Perlen es giebt.
57. Was dabei zu beobachten, und welches ihre Natur ist.
58. Geschichtliche Bemerkungen über die Perlen.
59. Wann sie zuerst in Rom in Gebrauch gekommen sind.
60. Von den Stachelschnecken und Purpurschnecken.
61. Von den Arten der Purpurschnecken.
62. Wie die Wolle damit gefärbt wird.
63. Wann der Gebrauch des Purpurs in Rom aufgekommen ist; wann
die breiten Purpurs treifen und mit Purpnr verbrämten Ober-
kleider dort zuerst getragen sind.
64. Von den conchylienfarbigen Kleidern.
65. Von dem Färben in Amethyst; vom tyrischen Farbstoff, dem
Dunkelroth und Scharlachroth.
66. Vom Pinna und dem Pinnotheres.
67. Von den Empfindungen der Wasserthiere; vom Zitterfische, dem
Stachelrochen, dem Scolopender und Wels; von dem Fische-
Aries.
68. Von den Wasserthieren, welche eine dritte Natur haben, d. h. die
der Thiere und Pflanzen zugleich; von den Seenesseln.
69. Von den Schwämmen, ihren Arten, ihrem Wohnorte und dass sie
Thiere sind.
70. Von den Hundsfischen.
71. Von den Wasserthieren, die in eine steinige Schale eingeschlos-
sen sind; -welche ohne Empfindung sind, und von den übrigen
unbedeutenderen Thieren.
72. Von den giftigen Seethieren.
73. Von den Krankheiten der Fische.
74. Von ihrer Fortpflanzung. Merkwürdige Nachrichten über Zeu-
gungen.
75. Bei welchen sich Eier und Junge zugleich erzeugen.
76. Welchen beim Abgange der Leibesfrucht der Uterus platzt und
dann wieder zusammenwächst.
77. Welche eine Schaam haben; welche sich selbst begatten.
78. Wie lange die Fische leben.
79. Wer zuerst Austernteiche angelegt hat.
80. Wer zuerst Teiche für die übrigen Wasserthiere angelegt hat.
81. Wer zuerst Teiche für Murinen angelegt hat. Merkwürdige
Nachrichten über Fischteiche.
82. Wer zuerst Teiche für Schnecken angelegt hat.
83. Fische die auf dem Lande leben.
Erstes Buch. 47
84. Von den Mäusen im Nil.
85. Von dem Fange der Anthien-Fisehe.
86. Von den Seesternen.
87. Wunderbare Dinge von den Fingermuscheln.
88. Von der Feindschaft und Freundschaft der Wasserthiere unter sich.
Zusammen: 650 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Turrianus Gracilis, Trogus, Msecenas, Alfius Flavius, C. Nepos,
der Mimenschreiber Laberius, Fabianus, Fenestella, Mucianus, Aelius
Stilo, Statius Sebosus, Melissus, Seneca, Cicero, Aemilius Macer,
Messala Corvinus, Trebius Niger, Nigidius.
Von fremden Schriftstellern:
Aristoteles, König Archelaus, Callimachus, Democritus, Theo-
phrastus, Thrasyllus, Hegesidemus von Cythnos, Alexander Polyhistor.
Zehntes Buch.
Von den Vögeln.
1. Vom Strausse.
2. Vom Phoenix.
3. Arten des Adlers.
4. Ihre nähere Beschreibung.
5. Wann sie Feldzeichen der Legionen wurden.
6. Von einem Adler, der sich auf den Scheiterhaufen einer Jung-
frau setzte.
7. Vom Geier.
8. Vom Sanqualis und Immussulus.
9. Vom Buteo.
10. Wo die Habichte und Menschen gemeinschaftlich Vögel fangen.
11. Welcher Vogel allein von seinem eigenen Geschlechte umgebracht
wird; welcher Vogel nur ein Ei legt.
12. Von den Milanen.
13. Eintheilung der Vögel in Gattungen.
14. Von den Krähen, den Unglück bringenden Vögeln. In welchen
Monaten sie nicht zu sehen sind.
15. "Von den Raben.
16. Vom Uhu.
17. Vögel, welche nicht mehr existiren oder nicht genau bekannt sind.
18. Welche mit dem Schwänze zuerst aus dem Eie kommen.
19. Von den Nachteulen.
20. Vom Picus Martius.
21. Von den Vögeln mit krummen Krallen.
48 Erstes Buch.
22. Von den Pfauen.
23. Wer zuerst Pfauen zum Essen geschlachtet, wer sie zuerst ge-
mästet hat.
24. Von den Hühnervögeln.
25. Wie sie verschnitten werden. Von einem sprechenden Hahn.
26. Von der Gans.
27. Wer zuerst Gänselebern zubereitet hat.
28. Von dem Commagenum.
29. Von den Chenalopeces und Chenerotes, den Auerhähnen und
Trappen.
30. Von den Kranichen.
31. Von den Störchen.
32. Von den Schwänen.
33. Von den fremden Vögeln die zu uns kommen; von den Wachteln,
dem Glottis, Cychranius und der Ohreule.
34. Von den Schwalben.
35. Von unsem einheimischen Vögeln, welche fortziehen und wohin ;
von den Amseln, Kranmietsvögelu, Staaren. Von den Vögeln,
welche sich während der Mauserzeit verbergen; von der Tur-
teltaube und der Holztaube. Vom Fluge der Staare u. Schwalben.
36. Welche Vögel ein ganzes, welche ein halbes und welche ein viertel
Jahr bei uns bleiben. Vom Galgulus, Wiedehopf.
37. Von den Memnons-Vögeln.
38. Von den Meleagris-Vögeln.
39. Von den Seleucis-Vögeln.
40. Vom Ibis.
41. Welche Vögel an gewissen Orten nicht sind.
42. Von den Arten der Singvögel und denen, welche ihre Farbe und
Stimme verändern.
43. Von den Nachtigallen.
44. Von den Schwarzköpfen, den Rothkehlchen und Rothschwänzen.
45. Vom Oenanthe, dem Grünlinge, der gemeinen Amsel, dem Ibis.
46. Die Heckezeit der Vögel.
47. Von den Eisvögeln und den nach ihnen benannten Tagen, an
welchen das Meer schiffbar ist.
48. Von den übrigen Wasservögeln.
49. Von der Geschicklichkeit der Vögel im Baue der Nester. Wun-
derbareErzählungen von denSchwalben. Von den Uferschwalben.
50. Vom Acanthyllis.
51. Vom Merops und den Rebhühnern.
52. Von den Tauben.
53. Ihre wunderbaren Verrichtungen und ihre Preise.
54. 'Von dem verschiedenen Fluge und Gange der Vögel.
55. Von den fusslosen oder Höhlen-Schwalben.
Erstes Buch. 49
•56. Von der Nahrung der Vögel. Vom Ziegenmelker, dem Platea.
57. Von dem Verstände der Vögel. Vom Carduelis, Taurus u. Anthus.
58. Von den sprechenden Vögeln; von den Papageien.
59. Von den Eichel-Elstern.
60. Ein Aufstand des römischen Volkes wegen eines sprechenden
Raben.
61. Die Vögel des Diomedes.
62. Welche Vögel nichts lernen.
63. Vom Trinken der Vögel. Vom Purpurhuhn.
64. Von den Himantopoden.
65. Von der Nahrung der Vögel.
66. Von der Kropfgans.
67. Von den fremden Vögeln; von den Phaleriden, Fasanen und nu-
midischen Vögeln.
68. Von den Flamingo's, Attagenen, Scharben, Rcthraben, Lagopoden.
69. Von neuen Vögeln; von den Vipionen.
70. Von fabelhaften Vögeln.
71. Wer zuerst Hühner gemästet hat; welche Censoren diess zuerst
verboten haben.
72. Wer zuerst Vogelhäuser angelegt hat. Von der Schüssel des Aesop.
73. Von der Fortpflanzung der Vögel. Welche Thiere, ausser den
Vögeln, Eier legen.
74. Arten und Beschaffenheit der Eier.
75. Von den Fehlern und Hülfsmitteln beim Brüten.
76. Vom Wahrsagen aus Eiern.
77. Welche Hühner die besten sind.
78. Ihre Krankheiten und die Mittel dagegen.
79. Wann die Vögel Eier legen und wie viel.
80. Welche Eier Windeier und welche Cynosuren genannt werden;
wie man die Eier am besten aufbewahrt.
81. Welches geflügelte Thier das einzige ist, das lebendige Junge ge-
bärt und säugt.
82. Welche Landthiere Eier legen. Begattung der Schlangen.
£3. Von der Fortpflanzung aller Landthiere.
84. Wie die Thiere in der Gebärmutter liegen.
85. Bei welchen Thieren die Abkunft noch ungewiss ist.
86. Von den Salamandern.
87. Welche Thiere aus nicht geborenen entstehen, und welche ge-
boren sind und sich nicht fortpflanzen. Welche geschlechts-
los sind.
•88. Von den Sinnen der Thiere. Bei welchen das Gesicht, bei wel-
chen das Gehör, bei welchen der Geruch ausgezeichnet ist.
Von den Maulwürfen. Ob die Austern ein Gehör haben.
S9. Welche Fische am besten hören.
50 Erstes Buch.
90. Welche Fische den schärfsten Geruch besitzen.
91. Verschiedenheit der Thiere hinsichtlich der Nahrungsmittel.
92. Welche von Gift leben.
93. Welche von Erde leben. Welche durch Hunger und Durst nicht
sterben.
94. Von der Verschiedenheit des Saufens bei den Thieren.
95. Welche unter sich in Feindschaft leben. Von der Freundschaft.
und den Abneigungen der Thiere.
96. Beispiele davon bei den Schlangen.
97. Vom Schlafe der Thiere.
98. Welche Thiere träumen.
Zusammen: 794 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Manilius, Corn. Valerianus, die Acten, Umbricius Melior, Massu-
rius Sabinus, Antistius Labeo, Trogus, Cremutius, M. Varro, Aenrilius-
Macer, Melissus, Mucianus, Nepos, Fabius Pictor, T. Lucretius, Com..
Celsus, Horatius, Deculo, Hyginus, Säsernus, Nigidius, Mamilius Sura*.
Von fremden Schriftstellern:
Homerus, Phemonoe, Philemon, Boeus der über die Zeugung der
Vögel, Hylas der über die Augurien geschrieben hat, Aristoteles,.
Theophrastus, Callimachus, Aeschylus, König Hiero, König Philome-
tor, Archytas von Tarent, Amphilochus von Athen, Anaxipolis von
Thasus, Apollodorus von Lemnos, Aristophanes von Milet, Antigonus
von Cymse, Agathocles von Chios, Apollonius von Pergamus, Aristan-
der von Athen, Bacchius von Milet, Bion von Solis, Chrereas von Athen,.
Diodorus von Priene, Dion von Colophon, Democritus, Diophanes von
Nic«a, Epigenes von Rhodus, Euagones von Thasus, Euphronius von
AtLen, Juba, Androtion welcher über den Ackerbau geschrieben hatr
Aeschrion desgleichen, Lysimachus desgleichen, Dionysius der den
Mago übersetzt, Diophanes der einen Auszug aus dem Dionysius ge-
macht hat, Nicander, Onesicritus, Phylarchus, Hesiodus.
Elftes Buch.
Von den Insekten.
1. Von ihrer zarten Beschaffenheit.
2. Ob sie athmen und ob sie Blut haben.
3. Von ihrem Körper.
4. Von den Bienen.
5. Von der Ordnung in ihren Verrichtungen.
6. Von dem Commosis, Pissoceros und Propolis.
7. Von dem Erithace oder Sandarace oder Cerinthos.
Erstes Buch. 51
8. Aus welchen Blumen sie den Stoff zu ihren Arbeiten nehmen.
9. Welche Personen sich mit Bienenzucht beschäftigt haben.
10. Wie die Bienen ihre Arbeit verrichten.
11. Von den Drohnen.
12. Von der Beschaffenheit des Honigs.
13. Welcher Honig der beste ist.
14. Vqn den Arten des Honigs in jeder Gegend.
15. Woran man sie erkennt. Von der Erice oder Tetralice oder Sisara.
16. Von der Fortpflanzung der Bienen.
17. Von der Beschaffenheit eines Bienenstaats.
18. Dass sie in Haufen versammelt zuweilen eine glückliche Vorbe-
deutung sind.
19. Arten der Bienen.
20. Von ihren Krankheiten.
21. Von ihren Feinden.
22. Von ihrer Erhaltung.
23. Von ihrer Wiederherstellung.
24. Von den Wespen und Hornissen. Welche Thiere aus einem
fremden Geschlechte ihr eigenes fortpflanzen.
25. Vom assyrischen Seidenspinner.
26. Von den Seidenraupen und den Seidenpuppen. Welches Frauen-
zimmer das erste seidene Kleid gemacht hat.
27. Vom coischen Seidenspinner. Wie ein Kleid von coischer Seide
gemacht wird.
28. Von den Spinnen; welche von ihnen weben und von welcher
Natur ihr Webestoff ist.
29. Fortpflanzung der Spinnen.
30. Von den Scorpionen.
31. Von den Stellionen.
32. Von den Cicaden; dass ihnen Mund und After fehlt.
33. Von den Flügeln der Insekten.
34. Von den Käfern. Von den Leuchtkäfern und den übrigen Arten-
35. Von den Heuschrecken.
36. Von den Ameisen.
37. Von den Puppen der Schmetterlinge.
38. Thiere, welche in oder aus dem Holze entstehen.
39. Vom Ungeziefer am Menschen. Welches Thier das kleinste ist-
Im Wachse enstandene Thiere.
40. Ein Thier ohne After.
41. Von den Motten, Canthariden, Mücken. Ein Thier im Schnee.
42. Vom Pyralis oder Pyrausta. •
43. Von dem Thiere, welches nur einen Tag lebt.
44. Beschreibung der Thiere nach den einzelnen Gliedern. Welche
Hauben und welche Kämme haben.
4*
52 Erstes Buch.
45. Von den Hörnern; welche bewegliche Hörner haben.
46. Von dem Kopfe; welche Thiere keinen haben.
47. Vom Haupthaare.
48. Von den Knochen des Kopfes.
49. Vom Gehirn.
50. Von den Ohren; welche Thiere keine Ohren oder derartige Oeff-
nung haben und doch hören.
51. Vom Gesichte, der Stirn, den Augenbrauen.
52. Von den Augen. Von denThieren, die keine od. nur ein Auge haben.
53. Von der Verschiedenheit der Augen.
54. Vom Sehen. Welche Thiere des Nachts sehen.
55. Von der Pupille. Welche Thiere die Augen nicht schliessen.
Welchen Thieren die Augen wieder wachsen, wenn man sie
ihnen ausgerissen hat.
56. Von den Augenwimpern; welchen Thieren sie ganz fehlen und
welche nur eine haben.
57. Welche keine Augenlider haben.
58. Von den Wangen.
59. Von der Nase.
60. Von den Backen, den Lippen, dem Kinn und den Kinnladen.
61. Von den Zähnen und ihren Arten; welche nicht in beiden Kinn-
laden Zähne und welche hohle Zähne haben.
62. Von den Zähnen der Schlangen und ihrem Gifte. Welcher Vo-
gel Zähne hat.
63. Wunderbare Erzählungen von Zähnen.
64. Dass man an ihnen das Lebensalter erkennt.
65. Von der Zunge und den Thieren welche keine haben. Von der
Stimme der Frösche. Vom Gaumen.
66. Von den Mandeln am Halse, dem Zapfen, dem Deckel, der Luft-
röhre, der Speiseröhre, der Kehle.
67. Vom Nacken, dem Halse, dem Rückgrate.
68. Von der Kehle, dem Schlünde und Magen.
69. Vom Herzen, dem Blute und der Seele.
70. Welche Thiere das grösste Herz, welche das kleinste, und welche
Thiere zwei Herzen haben.
71. Wann man angefangen hat, das Herz zu den weissagenden Ein-
geweiden zu rechnen.
72. Von der Lunge; welche Thiere die grösste, welche die kleinste,
welche nichts als eine Lunge haben und worin die Ursache
der Schnelligkeit der Thiere besteht.
73. Von der Leber; Bemerkungen der Wahrsager über den Kopf der
Eingeweide; welche Thiere in gewissen Ländern zwei Lebern
haben.
Erstes Buch. 53
74. Von der Galle; welche Thiere in gewissen Ländern zwei Gallen,
welche keine haben, und bei welchen sie nicht mit der Leber
in Verbindung steht.
75. Von der Kraft der Galle.
76. Bei welchen Thieren die Leber mit dem Monde wächst und ab-
nimmt. Beobachtungen der Vogeldeuter und andere seltsame
Nachrichten über dieselbe.
77. Vom Zwerchfell. Vom Lachen.
78. Vom Bauche und welchen Thieren er fehlt. Welche sich erbrechen.
79. Von den Dünndärmen, den Kleindärmen, dem Unterleibe und
dem Grimmdarme. Warum manche Thiere unersättlich sind.
80. Von dem Netze, der Milz, und den Thieren, welche keine Milz
haben.
81. Von den Nieren; welche Thiere vier und welche keine haben.
82. Von der Brust, den Rippen.
83. Von der Blase; welche Thiere keine haben. Die Ilia.
84. Von der Gebärmutter; von der Gebärmutter und dem Euter der
Schweine.
85. Welche Thiere Talg, welche Schmalz haben und welche nicht
fett werden.
86. Vom Marke; welchen Thieren es fehlt.
87. Von den Knochen und Gräten. Welchen Thieren beides fehlt.
Vom Knorpel.
88. Von den Nerven. Von den Thieren ohne Nerven.
89. Von den Arterien und Venen. Von den Thieren die beides
nicht haben. Von dem Blute und Schweisse.
90. Von welchen Thieren das Blut sehr schnell stockt und von wel-
chen nicht; welche sehr dickes, welche sehr dünnes und welche
gar kein Blut haben.
91. Welche zu bestimmten Jahreszeiten kein Blut haben.
92. Ob das Blut der wichtigste Theil des Körpers ist.
93. Von der Haut.
94. Von den Haaren und der Hautbedeckung.
95. Von den Brüsten; welche Vögel Brüste haben; welche Thiere
ihrer Euter wegen merkwürdig sind. Welches Thier im Fort-
schreiten an sich saugen lässt.
96. Von der Milch, dem Colostrum, den Käsen; welche Milch keinen
Käse giebt; vom Coagulum. Verschiedene Nahrungsmittel aus
der Milch.
97. Von den verschiedenen Käsen.
98. Unterschied der menschlichen Gliedinaassen von den thierischen.
99. Von den Fingern und Armen.
100. Von der Aehnlichkeit der Affen mit dem Menschen.
101. Von den Nägeln.
54 Erstes Buch.
102. Von den Knieen und Kniekehlen.
103. Welche Glieder des menschlichen Körpers für heilig gehalten
werden.
104. Von den Krampfadern.
105. Vom Gehen; von den Füssen und Schienbeinen.
106. Von den Klauen.
107. Von den Füssen der "Vögel.
108. Von den Füssen der Thiere, von 2 — 100. Von den Zwergen.
109. Von den Geschlechtstheilen; von den Zwittern.
110. Von den Hoden. Drei Arten von Halbmännern.
111. Von den Schwänzen.
112. "Von der Stimme der Thiere.
113. Von den nachgewachsenen Gliedern.
114. Zeichen der Lebensdauer und des Charakters, menschlichen Glie-
dern entnommen.
115. Von dem Athem und der Nahrung.
116. Welche Thiere durch den Genuss von Gift nicht sterben.
117. Warum der Mensch seine Speisen nicht künstlich zusammen
setzen soll. Von den Mitteln gegen unverdauete Speisen.
118. Wie der Körper zu- und wie er abnimmt.
119. Was schon in geringer Menge Hunger und Durst stillt.
Zusammen: 2270 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, Hyginus, Scropha, Saserna, Com. Celsus, Aemilius Ma-
cer, "Virgilius, Columella, Julius Aquila der über etruskische Einrich-
tungen geschrieben hat, Tarquitius desgleichen, Umbricius desgleichen,
der Censor Cato, Domitius Calvinus, Trogus, Melissus, Fabianus, Mu-
cianus, Nigidius, Manilius, Oppius.
Von fremden Schriftstellern:
Aristoteles, Democritus, Neoptolemus der über die Bienenzucht
geschrieben hat, Aristomachus desgleichen, Philistus desgleichen,
Nicander, Menecrates, Dionysius der den Mago übersetzt hat, Empe-
docles, Callimachus , König Attalus, Apollodorus der giftige Thiere
beschrieben hat, Hippocrates, Herophilus, Erasistratus", Asclepiades,
Themison, der Stoiker Posidonius, Menander von Priene, Menander
von Heraclea, Euphronius von Athen, Theophrastus, Hesiodus, König
Philometor.
Zwölftes Buch.
Von den Bäumen.
1. u. 2. Von ihrem Ansehn und Werthe.
3. Von den fremden Bäumen. Wann und woher die Platane zuerst
nach Italien gekommen ist.
Erstes Buch. 55
4. Beschreibung der Platanen.
5. Wunderbare Dinge von ihnen.
<6. Von den Zwergplatanen. Wer zuerst die Bäume beschnitten hat.
7. Wie der assyrische Apfelbaum gepflanzt wird.
8. Von den indischen Bäumen.
9. Wann der Ebenbaum zuerst nach Italien gekommen ist; seine
Arten.
10. Von dem indischen Dorngewächse.
11. Vom indischen Feigenbaume.
12. Vom Palabaume und dem arienischen Apfel.
13. Von den indischen Bäumen, welche keinen Namen haben, und
denen woraus Leinwand verfertigt wird.
14. Von den Pfefferbäumen; von den Pfefferarten, dem Brechma und
Zingiber oder Zimpiber.
15. Vom Caryophyllon; dem Lycium und chironischen Buxdorn.
16. Vom Macir.
17. Vom Zucker.
18. Von den Bäumen des arianischen, gedrosischen und hyrcanischen
Volks.
19. Von den Bäumen in Bactrien; vom Bdellium oder Brochon oder
Malacham oder Malodacon. Scordastum. Verfälschungen, Prü-
fungen und Preise von Parfümerieen und Gewürzen.
■20. Von den Bäumen in Persien.
21. Von den Bäumen auf den Inseln des persischen Meeres. Von
dem Wolle tragenden Baume.
22. Vom Chynas-Baume. Von welchen Bäumen im Oriente Leinwand
gemacht wird.
23. Wo die Bäume ihre Blätter nicht verlieren.
24. Von den Erzeugnissen der Bäume.
■25. Vom Costus.
26. Zwölf Arten der Narde.
27. Vom Asarum.
28. Vom Amomum und Amomis.
29. Vom Cardamomum.
30. Vom Vaterlande des Weihrauchs.
31. Welche Bäume Weihranch tragen.
32. Beschreibung des Weihrauchs und seiner Arten.
83. Von der Myrrhe.
34. Von den Myrrhe liefernden Bäumen.
35. Beschreibung und Arten der Myrrhe.
86. Vom Mastix.
37. Von dem Ladanum und Strobos.
38. Von der blutstillenden Arznei.
39. Vom Baume Bratus.
56 Erstes Buch.
40. Vom Baume Stobrus.
41. Von der Glückseligkeit Arabiens.
42. Vom Zimmt und Holzzimmt.
43. Von der Cassia.
44. Vom Cancamum und Taron.
45. Vom Sericbatum und Gabalium.
46. Vom Myrobalanenbaume.
47. Vom Phoenicobalanus.
48. Vom wohlriechenden Calmus und Juncus.
49. Vom Hammoniacum.
50. Vom Sphagnus.
51. Vom Cyprus.
52. Vom Aspalathus oder Erysisceptrmn.
53. "Vom Maron.
54. Vom Balsambaume, Opobalsamum und Xylobalsamum.
55. Vom Styrax.
56. Vom Galbanum.
57. Vom Panax.
58. Vom Spondylion.
59. Vom Malobathrum.
60. Vom Omphacium.
61. Vom Bryum, der Oenanthe und dem Massaris.
62. Von der Elathe oder Spathe.
63. Vom Cinnamum und Camacum.
Zusammen: 974 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, Mucianus, Virgilius, Fabianus, Sebosus, Pomponius
Mela, Flavius, Procilius, Trogus, Hyginus, Kaiser Claudius, Com.
Nepos, Sextius Niger der in griechischer Sprache über die Arznei-
kunde geschrieben hat, Cassius Heniina, L. Piso, Tuditanus, Antias.
Von fremden Schriftstellern:
Theophrastus, Perodotus, Callisthenes, Isigonus, Clitarchus, Anaxi-
menes, Duris, Nearchus, Onesicritus, Polycritus, Olympiodorus, Diog-
netus, Nicobulus, Anticlides, Chares von Mitylene, Mensechmus, Do-
rotheus von Athen, Lycus, Antaeus, Ephippus, Dion, Democles, Pto-
lomteus Lagi, die Macedonier Marsyas und Zoilus, Democritus, Ani-
philochus, Aristomachus , Alexander Polyhistor, Juba, Apollodorus
der über die Rauchwerke geschrieben hat, die Aerzte Heraclides,
Archimedes, Dionysius, Democlides, Euphron, Mnesis, Diagoras und
Jollas, Heraclides von Tarent, Xenocrates von Ephesus, Eratosthenes.
Erstes Buch. 57
Dreizehntes Buch.
Von den fremden Bäumen, den Salben und Balsamen.
1. Wann zuerst Balsame bereitet sind.
2. Zwölf Arten und Zusammensetzungen davon.
3. Von den Räucherspecies, dem Magma; von der Aechtheit der
Salben.
4. Von dem grossen Luxus mit Balsamen.
5. Wann sie zu Rom in Gebrauch gekommen sind.
6. Von den Palmen.
7. Beschreibung derselben.
8. Ihre Anpflanzung.
9. Ihre Arten und Kennzeichen.
10. Von den Bäumen in Syrien; von den Pistacien, Cottanen, Da-
mascener Pflaumen und Sebesten.
11. Vom Cedernbaume. Welche Bäume eine dreijährige Frucht
haben.
12. Von der Terebinthe.
13. Vom Rhus.
14. Von den Bäumen Aegyptens; von dem alexandrinischen Feigen-
baume.
15. Vom cyprischen Feigenbaume.
16. Vom Johannesbrotbaume.
17. Vom Pfirsichbaume; an welchen Bäumen die Früchte stets nach-
wachsen.
18. Vom Kokosbaum.
19. Vom ägyptischen Dombaum.
20. Acht Arten Gummi; von der Sarcocolle.
21. Von der Papierstaude; wann das Papier in Gebrauch gekom-
men ist.
22. Wie und wo die Pflanze wächst.
23. Neun Sorten Papier.
24. Von der Güte des Papiers.
25. Von den Fehlern des Papiers.
26. Vom Leimen des Papiers.
27. Von den Büchern des Numa.
28. Von den Bäumen Aethiopiens.
29. Von den Bäumen des Atlas. Vom Citrus und den daraus ver-
fertigten Tischen.
30. Welche von diesen Tischen gelobt, welche getadelt werden.
31. Von einem andern Citrusbaume.
32. Von den Lotus-Pflanzen.
33. Von den Bäumen in Cyrene, vom Paliurus.
34. Neun Sorten Granatäpfel. Von der Granatbliithe.
58
Erstes Buch.
35. Von den Bäumen in Asien und Griechenland; von der Epipactis.
Erice, Granum gnidium oder Thymelaea oder Chamelaea oder
Pyrosachne oder Cnestrum oder Cneorum.
36. Vom Tragion und Traganth.
37. ^om Tragus oder Scorpio; Myrice oder Brya, Ostrys.
38. Vom Evonymus.
39. Vom Baume Eon.
40. Vom Adrachne.
41. Von dem Coccygia, Apharce.
42. Von der Ferula.
43. Von der Thapsia.
44. Von der Capparis oder dem Cynosbatos oder Opheostaphylos.
45. Von dem Sari.
46. Vom königlichen Dornbaume.
47. Vom Cytisus.
48. Von den Bäumen und Sträuchem unseres Meeres; vom Phycos
oder Prason oder Zoster.
49. Vom Seemoose.
50. Von den Gewächsen im rothen Meere;
51. Im indischen Meere;
52. Im troglodytischen Meere; vom Isis-Haare, vom Liebesauge.
Zusammen: 468 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, Mucianus, Virgilius, Fabianus, Sebosus, Pomponius
Mela, Fabius, Hyginus, Trogus, Procilius, Kaiser Claudius, Com.
Nepos, Sextius Niger der in griechischer Sprache über die Arzneikunde
geschrieben hat; Cassius Hemina, L. Piso, Tuditanus, Antias.
Von fremden Schriftstellern:
Theophrastus, Herodotus, Callisthenes, Isigonus, Clitarchus, Anaxi-
menes, Duris, Nearchus, Onesicritus, Polycritus, Olympiodorus, Diog-
netus, Cleobulus, Anticlides, Chares von Mitylene, Mensechmus, Do-
rotheus von Athen, Lycus, Antaeus, Ephippus, Dion, Adimantus, Pto-
lemseus Lagi, Marsyas von Macedonien, Zoilus ebendaher, Democritus,
Amphilochus, Alexander Polyhistor, Aristomachus, König Juba, Apollo-
dorus der über die Rauchwerke geschrieben hat, die Aerzte Hera-
cUdes, Botrys, Archidemus, Dionysius, Democedes, Euphronius, Mne-
sis, Diagoras und Jollas, Heraclides vonTarent, Xenocrates vonEphesus.
Vierzehntes Buch.
Von dem Weinstocke und dem Weine.
1. und 2. Von der Beschaffenheit der Weinstöcke; wie sie tragen.
3. Von den Trauben und der Sorge für die Weinstöcke.
Erstes Buch. 59
4. 91 Sorten Weinstöcke.
5. Regeln für die Anlage von Weinbergen.
6. Von den ältesten Weinen.
7. Von der Beschaffenheit des Weines.
8. 50 edle Weinsorten.
9. 38 überseeische Weine.
10. 7 gesalzene Weine.
11. 17 süsse Weine. Vom Rosinenweine und dem eingekochten
Moste.
12. 3 Sorten Weine zweiter Qualität.
13. Dass die edlen Weine in Italien erst seit Kurzem bekannt sind.
14. Von der Achtung, welche Romulus dem Weine bezeigte.
15. Von den Weinen der Alten.
16. Bemerkungen über die Weinkeller; vom opimianischen Weine.
17. Wann zuerst 4 Sorten Wein auf die Tafel gesetzt worden sind.
18. Vom Gebrauche der Labrusca; welcher Saft von Natur der
kälteste ist.
19. 66 Sorten gekünstelte Weine.
20. Vom Meth oder Melicraton.
21. Vom Sauerhonig.
22. 12 seltsame Sorten Wein.
23. Welche Weine bei Opfern nicht gebraucht werden sollen.
24. Auf welche verschiedene Arten man den Most behandelt.
25. Von Pech und Harzen.
26. Von Essig und Hefen.
27. Von den Gefässen für den Wein; von den Kellern.
28. Von der Trunkenheit.
29. Dass man aus Wasser und andern Früchten weinähnliche Ge-
tränke bereitet.
Zusammen: 510 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Com. Valerianus, Virgilius, Celsus, der Censor Cato, Saserna
Vater und Sohn, Scropha, Varro, D. Silanus, Fabius Pictor, Trogus,
Hyginus, Flaccus Verrius, Graecinus, Julius Atticus, Columella, Massu-
rius Sabinus, Fenestella, Tergilla, Maccius Plautus, Flavius, Dos-
sennus, Scsevola, Aelius, Attejus Capito, Cotta Messalinus, L. Piso,
Pompejus Lenseus, Fabianus, Sextius Niger, Vibius Rufus.
Von fremden Schriftstellern:
Hesiodus, Theophrastus , Aristoteles, Democritus, König Attalus
Philometor, König Hiero, Archytas, Xenophon, Amphilochus von
Athen, Anaxipolis von Thasus, Apollodorus von Lemnos, Aristo-
phanes von Milet, Antigonus von Cymse, Agathocles von Chios,
Apollonius von Pergamus, Aristander von Athen, Botrys von Athen,
Bacchius von Milet, Bion von Solis, Chsereas von Athen, Chseristus
60 Erstes Buch.
von Athen, Diodorus von Priene, Dion von Colophon, Epigenes von
Rhodus, Euagon von Thasus, Euphronius von Athen, Androtion
der üher den Ackerbau geschrieben hat, Aeschrion desgleichen,
Dionysius der den Mago übersetzt, Diophanes der einen Auszug aus
dem Dionysius gemacht hat, der Arzt Asclepiades, Onesicritus,
König Juba.
Fünfzehntes Buch.
Von den obsttragenden Bäumen.
1. Von dem Oelbaume; wie lange ihn die Griechen kennen, wann
er nach Italien, Spanien und Afrika gekommen ist.
2. Von der Beschaffenheit der Oliven und ihrem Wachsthume.
3. Vom Oele, Arten und Kennzeichen derselben.
4. 15 Sorten Oliven.
5. Von der Natur des Oeles.
6. Von der Cultur der Oelbaume; von der Aufbewahrung der Oliven;
wie das Oel daraus bereitet wird.
7. 48 Sorten gekünstelte Oele. Vom Cici oder Croton oder Seseli
oder Sesamum.
8. Von der Amurca.
9. Arten der Baumfrüchte und ihre Beschaffenheit. Vier Arten von
Piniennüssen.
10. Vier Arten Quitten; vier Arten Sperlingsäpfel.
11. Sieben Arten Pfirsiche.
12. 12 Arten Pflaumen.
13. Von der Persea.
14. 30 Arten Aepfel. Wann und woher die fremden Aepfel zuerst
nach Italien gekommen sind.
15. Welche in neuester Zeit erst dahin gekommen sind.
16. 41 Arten Birnen.
17. Von dem Unterschiede der gepropften, und von der Abwendung
des Blitzes.
18. Von der Aufbewahrung der Aepfel und Weintrauben.
19. 29 Arten Feigen.
20. Geschichtliche Bemerkungen von den Feigen.
21. Von der Caprification.
22. 3 Sorten Mispeln.
23. 4 Arten Speierlinge (Ariesbeeren).
24. 11 Arten Nüsse.
25. 18 Arten Kastanien.
26. Vom Johannisbrote.
27. Von dem fleischigen Obste; von den Maulbeeren.
28. Von dem Unnedo.
Erstes Buch. 61
29. Von den Beeren.
30. 9 Arten Kirschen.
31. Von der Kornelkirsche und dem Mastixbaume.
32. 14 Arten des Geschmacks bei den Säften.
33. Von der Farbe und dem Gerüche der Säfte.
34. Von der Verschiedenartigkeit des Obstes.
35. Von der Myrte.
36. Geschichtliche Bemerkungen von der Myrte.
37. 11 Arten der Myrte.
38. Ihr Gebrauch zu Rom bei den kleinen Triumphen.
39. 13 Arten des Lorbeers.
40. Geschichtliche Bemerkungen vom Lorbeerbaume.
Zusammen: 520 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Fenestella, Fabianus, Virgilius, Com. Valerianus, Celsus, der
Censor Cato, Saserna Vater und Sohn, Scropha, M. Varro, D. Sila-
nus, Fabius Pictor, Trogus, Hyginus, Flaccus Verrius, Grscinus, Atticus
Julius, Massurius Sabinus, Tergilla, Cotta Messalinus, Columella, L.
Piso, Pompejus Lenseus, Maccius Plautus, Flavius Dossennus, Scse-
vola, Aelius, Attejus Capito, Sextius Niger, Vibius Rufus.
Von fremden Schriftstellern:
Hesiodus, Aristoteles, Democritus, König Hiero, Archytas, König
Attalus Philometor, Xenophon , Amphilochus von Athen, Anaxipolis
von Thasus, Appollodorus von Lemnos, Aristophanes von Milet, An-
tigonus von Cymae, Agathocles von Chios, Apollonius von Pergamus,
Aristander von Athen, Bacchius von Milet, Bion von Solis, Cha^reas
von Athen, Chseristus von Athen, Diodorus von Priene, Dion von
Colophon, Epigenes von Rhodus, Euagon von Thasus, Euphronius
von Athen, Androtion der über den Ackerbau geschrieben hat,
Aeschrion desgleichen, Lysimachus desgleichen, Dionysius der den
Mago übersetzt, Diophanes der einen Auszug aus dem Dionysius
gemacht hat, der Arzt Asclepiades, der Arzt Erasistratus , Commias
der über den "VVein geschrieben hat, Aristomachus desgleichen, Hi-
cesius desgleichen, der Arzt Themiso, Onesicritus, König Juba.
Sechszehntes Buch.
Von den wilden Bäumen.
1. Von den Völkern, welche keine Bäume haben.
2. Wunderbare Dinge von Bäumen in den nördlichen Ländern.
3. Von den eicheltragenden Bäumen ; von der Bürgerkrone.
4. Vom Ursprünge der Kränze.
ß2 Erstes Buch.
5. Welche Personen mit einem Laubkranze beschenkt sind.
6. 13 Arten Eicheln.
7. Von der Buche.
8. Von den übrigen Eicheln; von den Kohlen.
9. Von den Galläpfeln.
10. Was diese Bäume ausser den Eicheln noch tragen.
11. Von der Cachrys.
12. Vom Coccus.
13. Vom Agaricus.
14. Von welchen Bäumen die Rinden gebraucht werden.
15. Von den Schindeln.
16. Von der Fichte.
17. Vom Pinaster.
18. Von der rothen und weissen Tanne.
19. Vom Lärchenbaume und der Taeda-Fichte.
20. Vom Taxus.
21. Wie der Theer und das Cedrium gemacht werden.
22. Wie der Theer eingedeckt wird.
23. Von dem Harze Zopissa.
24. Von welchen das Holz besonders geschätzt wird.
25. 2 Arten der Linde.
26. 10 Arten des Ahorns.
27. Vom Bruscum, Molluscum, Staphylodendron.
28. 3 Arten des Buxus.
29. 4 Arten der Ulme.
30. Von der Beschaffenheit der Bäume nach ihrem Stande; welche
auf Bergen und welche in Ebenen wachsen.
31. Welche gern trocken, welche im Wasser stehen und welche das
Mittel davon halten.
32. Eintheilung der Arten.
33. Welche Bäume das Laub nicht verlieren. Vom Rhododendron.
Welche nicht alle Blätter verHeren, und von welchen Arten
kein Baum das Laub verliert.
34. Von der Verschiedenheit des Abfallens der Blätter.
35. Von ihrer verschiedenen Farbe; welche Blätter ihre Gestalt ver-
ändern. 3 Arten Pappeln.
36. Welche Blätter sich alljährig umdrehen.
37. Von der auf die Palmenblätter zu verwendenden Sorgfalt und
ihrem Gebrauche.
38. Wichtige Bemerkungen von den Blättern.
39. Von der Ordnung der Natur in den Aussaaten.
40. Welche Bäume niemals blühen. Vom Wachholder.
41. Von der Empfängniss der Bäume; von dem Ausschlagen; der
Fruchtreife.
Erstes Buch. 63
42. In welcher Ordnung sie blühen.
43. Wann sie Früchte tragen. Von der Comelkirsche.
44. Welche ein Jahr und welche drei Jahre lang ihre Früchte tragen.
45. Welche keine Früchte tragen , und welche für unglückbringend
gehalten werden.
46. Welche die Frucht oder Blüthe sehr leicht verlieren.
47. Welche Bäume in gewissen Gegenden nicht tragen.
48. Wie die Früchte auf den Bäumen sitzen.
49. An welchen die Früchte eher kommen als die Blätter.
50. Bäume, welche zweimal und welche dreimal im Jahre tragen.
51. Welche sehr schnell und welche sehr langsam altera. Frühe und
späte Früchte.
52. Welche Bäume Verschiedenes tragen. Vom Crataegus.
53. Von dem Unterschiede der Bäume nach Stamm und Aesten. Der
Lotos oder die griechische Bohne.
54. Von den Aesten.
55. Von der Rinde.
56. Von der Wurzel.
57. Bäume, welche von selbst wieder lebend geworden sind.
58. Wie die Bäume ohne Wartung heranwachsen. Dass nicht allent-
halben alles gedeihet.
59. Welche Bäume nicht überall gedeihen.
60. Von den Cypressen.
61. Dass oft etwas aus der Erde wächst, wovon vorher keine Spur
da war.
62. 20 Arten des Epheu.
63. Vom Smilax.
64. Von den Wassergewächsen; 28 Rohr-Arten.
65. Von den Pfeilrohren und Schreibrohren.
66. Von den Pfeifenrohren; vom orchomenischen Rohre, dem Rohre
zum Vogelstellen und zum Fischfange.
67. Vom Winzerrohre. Von den Erlen.
68. 7 Arten der Weide.
69. Was ausser der Weide zum Binden dient.
70. Von den Binsen, welche zu Lichtern, Fahrzeugen und Decken
dienen.
71. Von den Hollunder- und Brombeersträuchen.
72. Von den Säften der Bäume.
73. Von den Adern und dem Fleische der Bäume.
74. Von dem Fällen der Bäume.
75. Cato's Ansichten darüber.
76. Von der Grösse der Bäume. Von den Holzarten.
77. Feuerzeuge aus Holz.
78. Welche Bäume nicht faul und welche nicht rissig werden.
£4 Erstes Buch.
79. Geschichtliche Bemerkungen über die Dauer der Hölzer.
80. Von den Holzwürmern.
81. Von dem Bauholze.
82. Von dem Holze für Künstler.
83. Vom Leimen des Holzes.
84. Von den Brettern.
85. Von dem Alter der Bäume. Bäume, die von dem altem Africanus
gepflanzt sind. Ein fünfhundert] ähriger Baum in Rom.
86. Bäume von der Zeit der Gründung Rom's her.
87. Bäume um Rom, die älter als die Stadt sind.
88. Bäume, die von Agamemnon gepflanzt sind; Bäume vom ersten
Jahre des trojanischen Krieges; von dem Ursprünge des Namens
Ilium; Bäume bei Troja, die älter als der trojanische Krieg sind.
89. Bäume zu Argos, die von Hercules gepflanzt sind; von Apollo
gepflanzte Bäume; ein Baum älter als Athen.
90. Welche Bäume bald absterben.
91. Bäume d. durch besondere Begebenheiten in Ehren gehalten werden.
92. Welche Bäume keinen eigenen Wohnsitz haben; welche auf an-
dern Bäumen leben und in der Erde nicht fortkommen; 9 Ar-
ten davon. Vom Cadytas, Polypodium, Phaunus und Hippo-
pha^stum.
93. Drei Arten des Viscum; Stelis, Hyphear. Von der Beschaffenheit
des Viscum und ähnlicher Gewächse.
94. Von der Bereitung des Vogelleims.
95. Geschichtliche Bemerkungen vom Viscum.
Zusammen: 1135 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, Fetialis, Nigidius, C. Nepos, Hyginus, Massurius, Cato,
Mucianus, L. Piso, Trogus, Calpurnius Bassus, Cremutius, Sextius Ni-
ger, Com. Bocchus, Vitruvius, Grsecinus.
Von fremden Schriftstellern:
Alexander Polyhistor, Hesiodus, Theophrastus , Democritus, Ho-
merus, der Mathematiker Tinneus.
Siefoenzehntes Buch.
Von den angepflanzten Bäumen.
1. Ausserordentliche Preise für Bäume.
2. Von der Einwirkung der Luft auf die Bäume. Nach welcher
Himmelsgegend die Weinberge liegen müssen.
3. Welches Erdreich das beste ist.
4. Von den Erden, welche man in Griechenland und Gallien rühmt;
8 Arten davon.
Erstes Buch. 65
5. Vom Gebrauche der Asche.
6. Von dem Miste.
7. Welche Saaten das Land fruchtbarer machen und welche es aus-
saugen.
8. Wie der Mist anzuwenden ist.
9. Wie die Bäume gepflanzt werden.
10. Was aus Samen entsteht.
11. Was niemals ausartet.
12. Was aus Schösslingen wächst.
13. Was aus Abreissern und was aus Schnittlingen wächst.
14. Von den Baumschulen. Vom Versetzen der Baumschulen.
15. Vom Anpflanzen der Ulmen.
16. Von den Pflanzgruben.
17. Von dem Abstände der Bäume von einander.
18. Vom Schatten.
19. Von den Traufen.
20. Welche Bäume langsam und welche schnell wachsen.
21. Von der Fortpflanzung durch Ableger.
22. Von der Versetzung durch Samen und wie sie erfunden ist.
23. Von der Versetzung durch Augen.
24. Von den verschiedenen Methoden des Pfropfens.
25. Von der Pfropfung des Weinstocks.
26. Von dem Rindenpflaster.
27. Von der Fortpflanzung durch Zweige.
28. Welche Bäume durch Schnittlinge fortgepflanzt werden und wie
diess geschieht.
29. Von der Cultur des Oelbaumes.
30. Wann die verschiedenen Pfropfarbeiten etc. vorgenommen werden
müssen.
31. Von dem Grabenziehen um die Bäume und von dem Behäufeln.
32. Von den Weidenpflanzungen.
33. Von den Rohrpflanzungen.
34. Von den übrigen Materialien zu Stöcken und Pfählen.
35. Von Anlegung der Weinberge und der Bäume zur Befestigung
der Weinstöcke.
36. Mittel um die Trauben vor den Thieren zu schützen.
37. Von den Krankheiten der Bäume.
38. Wunder und Zeichen von Bäumen.
39. Mittel gegen die Krankheiten der Bäume.
40. Von dem Bewässern.
41. Merkwürdige Dinge von bewässerten Gegenden.
42. Von dem Schröpfen der Bäume.
43. Andere Heilmittel für die Bäume.
44. Von der Caprification der Feigen.
5
$Q Erstes Buch.
45. Von den Nachtheilen des Beschneidens.
46. Von der Düngung.
47. Verschiedene Heilmittel für die Bäume.
Zusammen: 1380 Gegenstände Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
C. Nepos, der Censor Cato, M. Varro, Celsus, Virgilius, Hyginus,.
Saserna Vater und Sohn, Scropha, Calpurnius, Bassus, Trogus, Aemi-
lius Macer, Grsecinus, Columella, Atticus Julius, Fabianus, Sura Ma-
milius, Dossennus Mundus, C. Epidius, L. Piso.
Von fremden Schriftstellern:
Hesiodus, Theophrastus , Aristoteles, Democritus, Theopompus,.
König Hiero, König Attalus Philometor, König Archelaus, Archytas,
Xenophon, Amphilochus von Athen, Anaxipolis von Thasus, Apollo-
dorus von Lemnos, Aristophanes von Milet, Antigonus von Cymse,
Agathocles von Chios, Apollonius von Pergamus, Bacchius von Milet,
Bion von Solis, Chsereas von Athen, Chaeristus von Athen, Diodorus
von Priene, Dion von Colophon, Epigenes von Rhodus, Euagon von
Thasus, Euphronius von Athen, Androtion der über den Ackerbau
geschrieben hat, Aeschryon desgleichen, Lysimachus desgleichen,
Dionysius der den Mago übersetzt, Diophanes der einen Auszug au s
dem Dionysius gemacht hat, Aristander der über Wunderzeichen ge-
schrieben hat.
Achtzehntes Buch.
Von den Feldfrüchten.
1. Vom fleissigen Betriebe des Ackerbaues bei den Alten.
2. Von dem ersten Aehrenkranze in Rom.
3. Von dem Jugerum.
4. Wie oft und zu welchen Zeiten die Getreidepreise am niedrigsten
gewesen sind.
5. Welche Männer am besten über den Ackerbau geschrieben haben.
6. Was beim Baue eines Ackers zu beobachten ist.
7. Von der Lage der Landgüter.
8. Vorschriften der Alten über die Bebauung des Ackers. >
9. Arten der Feldfrüchte.
10. Ihre Beschaffenheit nach den einzelnen Arten; vom Getreide.
11. Vom Far.
12. Vom Weizen.
13. Von der Gerste und dem Reise.
14. Von der Polenta.
15. Von der Ptisana.
16. Vom Tragum.
Erstes Buch. 67
17. Vom Stärkmehl.
18. Von der Beschaffenheit der Gerste.
19. Von der Arinca, Olyra, Zea. Von den übrigen Arten im Orient.
20. Vom Siligo und Similago.
21. Von der Fruchtbarkeit des Weizens in Afrika.
22. Vom Sesamum, Erysimum oder Irio, Horminum.
23. Vom Mahlen des Getreides.
24. Von der Hirse.
25^ Vom Panicum.
26. Vom Sauerteige.
27. Vom Brotbacken und dessen Ursprünge.
28. Wann in Rom zuerst Bäcker gewesen sind.
29. Von der Alica.
30. Von den Hülsenfrüchten; von der grossen Bohne.
31. Von den Linsen und Erbsen.
32. Von den verschiedenen Kichererbsen.
33. Von den Schwertbohnen.
34. Von den weissen Rüben.
35. Von den Steckrüben.
36. Von der Wolfsbohne.
37. Von der Wicke.
38. Von der Erve.
39. Von der Silicia.
40. Vom Seeale oder Asia.
41. Vom Farrago; Cracca.
42. Vom Ocymum; Ervilia.
43. Von der Medica.
44. Von den Krankheiten der Feldfrüchte; vom Hafer.
45. Mittel dagegen.
46. Was in jede Bodenart zu säen ist.
47. Wie man bei den verschiedenen Völkern säet.
48. Von den verschiedenen Pflugscharen.
49. Vom Pflügen.
50. Vom Eggen, Gäten, Behacken nach den einzelnen Arten der
Feldfrüchte; vom Nacheggen.
51. Von der höchsten Fruchtbarkeit des Bodens.
52. Vom mehrmaligen Säen in einem Jahre.
53. Von der Düngung.
54. Von der Güte des Samens.
55. Wie viel von jeder Getreideart auf ein Jugerum zu säen ist.
56. Von der rechten Säezeit.
57. Eintheilung der Gestirne in irdische Tage und Nächte.
58. Aufgang und Untergang der Gestirne.
59. Von den Cardinalzeiten.
ßg Erstes Buch.
60. Von der rechten Zeit zum Säen der Winterfrüchte.
61. Wann die Hülsenfrüchte und der Mohn zu säen sind.
62. Von den Feldarbeiten, und was in jedem Monate auf dem Acker
geschehen soll.
63. Was im Winter geschehen soll.
64. Was vom kürzesten Tage an bis zum ersten Frühlingswinde,
65. Was von da an bis zur Frühlings-Tag- und Nachtgleiche,
66. Was von da an, und
67. Was vom Aufgange des Siebengestirns an geschehen soll. Vom Äeu.
68. Von der Zeit der Sommer-Sonnenwinde.
69. Ursachen der Unfruchtbarkeit.
70. Hülfsmittel dagegen.
71. Was von der Sommer-Sonnenwende an geschehen soll.
72. Von der Erndte.
73. Von der Aufbewahrung des Getreides.
74. Von der Weinlese und den Arbeiten im Herbste.
75. Von der Berücksichtigung und dem Einflüsse des Mondes und
76. des Windes.
77. Von der Begrenzung der Felder.
78. Voranzeigen der Witterung: von der Sonne.
79. dem Monde,
80. den Sternen,
81. dem Donner,
82. den Wolken,
83. dem Nebel,
84. irdischen Feuern,
85. dem Wasser,
86. den Stürmen,
87. den Wasserthieren, Vögeln,
88. vierfüssigen Thieren,
89. Kräutern und
90. Speisen.
Zusammen: 2060 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Massurius Sabinus, Cassius Hemina, Verrius Flaccus, L. Piso,
Com. Celsus, Turrianus Gracilis, D. Silanus, M. Varro, der Censor
Cato, Scropha, Saserna Vater und Sohn, Domitius Calvinus, Hyginus,
Virgilius, Trogus, Ovidius, Grsecinus, Columella, Tubero, L. Tarutius
der in griechischer Sprache über die Gestirne geschrieben hat, der
Dictator Caesar desgleichen, Sergius Paulus, Sabinus Fabianus, M.
Cicero, Calpurnius Bassus, Attejus Capito , Mamilius Sura, Accius
welcher praktische Bemerkungen verfasst hat.
Von fremden Schriftstellern:
Hesiodus, Theophrastus, Aristoteles, Democritus, König Hiero,
Erstes Buch. 69
König Attalus Philometor, König Archelaus, Archytas, Xenophon,
Amphilochus von Athen, Anaxipolis von Thasus, Aristophanes von
Milet, Apollodorus von Lemnos, Antigonus von Cyinae, Agathocles
von Chios, Apollonius von Pergamus, Aristander von Athen, Bacchius
von Milet, Bion von Solis, Chanreas von Athen, Cha^ristus von Athen,
Diodorus von Priene, Dion von Colophon, Epigenes von Rhodus, Euagon
von Thasus, Euphronius von Athen, Androtion der über den Acker-
bau geschrieben hat, Aeschrion desgleichen, Lysimachus desgleichen,
Diönysius der den Mago übersetzt, Diophanes der einen Auszug aus
den Diönysius gemacht hat, Thaies, Eudoxus, Philippus, Callippus,
Dositheus, Parmeniscus, Meton, Criton, Oenopides, Zeno, Euctemon,
Harpalus, Hecatseus, Anaximander, Sosigenes, Hipparchus, Aratus,
Zoroaster, Archibius.
Neunzehntes Buch.
Von dem Leine und der Cultur der Gartengewächse.
1. Von der Beschaffenheit und dem "Wunderbaren des Leins.
2. Wie er gesäet wird; 27 verschiedene Arten desselben.
3. Von der Zubereitung des Flachses.
4. Von dem unverbrennlichen Flachse.
5. Wann man angefangen hat, den Flachs zu färben.
6. Wann zuerst Vorhänge in den Schauspielhäusern gewesen sind.
7. Von dem Spartum.
8. Von dessen Zubereitung.
9. Wann es in Gebrauch gekommen ist.
10. Von dem Wolle tragenden Zwiebelgewächse.
11. Was ohne Wurzel entsteht und gedeihet; was entsteht und nicht
gesäet werden kann.
12. Vom Misy, Iton, Geranion.
13. Von den Trüffeln.
14. Von den Peziken.
15. Vom Laserpitium, Laser und Maspetum.
16. Vom Magydaris.
17. Von der Färberröthe.
18. Von der Pflanze Radicula.
19. Von dem Ansehn der Gärten.
20. Abtheilung des Landes.
21. Eintheilung der Gartengewächse, ausgenommen Feldfrüchte und
Sträucher.
22. Die Beschaffenheit und das Geschichtliche von 20 Arten Garten-
gewächsen. Wie sie gebauet werden.
23. Was von knorpeliger Beschaffenheit ist, von den Gurken und
Peponen.
70 Erstes Buch.
24. Von dem Krbiüs.
25. Von den weissen Rüben und Steckrüben .
26. Vom Rettig.
27. Vom Pastinak.
28. Vom Siser.
29. Von der Inula.
30. Von den Zwiebeln, der Meerzwiebel, dem Amin.
31. Von den Wurzeln, Blüthen und Blättern aller Gartengewächse.
Welche die Blätter verlieren.
32. Von den Arten der Zip ollen.
33. Vom Porrum.
34. Vom Knoblauch.
35. Am wievielsten Tage ein Jedes hervorkommt.
36. Von den Samen.
37. Welche Gewächse nur eine Art und welche mehrere haben.
38. Beschaffenheit und Geschichtliches von 23 Arten Gewächsen,
welche im Garten gebauet werden. Von den Latticharten.
39. Arten des Intubus.
40. 4 Arten der Beta.
41. Arten des Kohls.
42. Vom Spargel; von der Corruda.
43- Von den Disteln.
44. Von den übrigen Gartengewächsen. Ocymum, Eruca, Nasturtium.
45. Von der Raute.
46. Vom Eppich.
47. Von der Minze.
48. Vom Olusatrum.
49. Vom Feldkümmel.
50. Vom Ligusticum.
51. Vom Lepidium.
52. Vom Gith.
53. Vom Mohn.
54. Von den übrigen, die in der Herbst-Tag- und Nachtgleiche ge-
säet werden.
55. Vom Serpyllum und Sisymbrium.
56. 4 ruthenartige Gewächse. Vom Hanfe.
57. Von den Krankheiten der Gartengewächse.
58. Hülfsmittel dagegen. Wie man die Ameisen vertilgt. Mittel
gegen die Kohlraupen und Mücken.
59. Welchen das Salzwasser nützt.
60. Von der Bewässerung der Gärten.
61. Von den Säften und dem verschiedenen Geschmacke der Garten-
gewächse.
62. Von der Piperitis, Libanotis und dem Smyrniurn.
Zusammen: 1144 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Erstes Buch. 71
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Maccius Plautus, M. Varro, D. Silanus, der Censor Cato, Hyginus,
Virgilius, Mucianus, Celsus, Columella, Calpurnius Bassus, Maniilius
Sura, Sabinus Tiro, Licinius Macer, Q. Hirtius, Vibius Rufus, Caesen-
nius der über den Gartenbau geschrieben hat, Castritius desgleichen,
Firmus desgleichen, Petrichus desgleichen.
Von fremden Schriftstellern:
Herodotus, Theophrastus , Democritus, Aristomachus , Menander
der nützliche Bemerkungen für das Leben geschrieben hat, Anaxilaus.
Zwanzigstes Buch.
Arzneimittel von den Gartengewächsen.
1. und 2. Von der wilden Gurke, 26 Arzneien.
3. Von dem Elaterium, 27.
4. Von der Schlangengurke, 5.
5. Von der Gartengurke, 9.
6. Von der Pepo, 11.
7. Vom Kürbis, 17. Spongos, 1.
8. Von der Coloquinte, 9.
9. Von den weissen Rüben, 9.
10. Von der wilden Rübe, 1.
11. Von der Steckrübe, dem Bunium oder Bunias, 5.
12. Vom wilden Rettig, 43 und vom Meerrettig, 1.
13. Vom Gartenrettig.
14. "Vom Pastinak, 5. Vom Hibiscus oder der wilden Malache oder
Plistolochia.
15. Vom Staphylius oder wilden Pastinak, 32.
16. Vom Gingidium.
17. Vom Siser, 11.
18. Vom Sili, 12.
19. Von der Inula, 11.
20. Von den Zipollen, 27.
21. Vom Schnittlauch, 32.
22. Vom Kopflauch, 39.
23. Vom Knoblauch, 61.
24. Vom Lattich, 42; vom Ziegenlattich, 4.
25. Vom Csesapum, 1; vom Waid, 1; vom wilden Lattich, 7.
26. Von der Hieracia, 17.
27. Von der Beta, 14.
28. Von dem Limonium oder Neuroides, 3.
29. Von dem Intubus, 8.
72 Erstes Buch.
30. Vom Cichorium oder Chrestum oder Fancratium oder Ambula, 12.
31. Von der Hedypnois, 4.
32. Von drei Arten Salat, 8.
33. Vom Kohl, 87. Cato's Verordnungen darüber.
34. Verordnungen der Griechen darüber.
35. Von den jungen Kohlsprossen.
36. Vom wilden Kohl, 37.
37. Von der Lapsana, 1.
38. Vom Meerkohl, 1.
39. Von der Meerzwiebel, 23.
40. Von den Zwiebeln, 30.
41. Von der Bulbine, 1; von der Brechzwiebel.
42. Vom Spargel.
43. Von der Corruda oder Lybicum oder Horminum, 24.
44. Vom Eppich, 17.
45. Vom Apiastrum oder Melissophyllum.
46. Vom Olusatrum oder Hipposelinum, 11; vom Oreoselinum, 11;
vom Heleoselinum, 1.
47. Von der Petersilie, 1; vom Buselinum, 1.
48. Vom Ocymum, 35.
49. Von der Eruca, 12.
50. Vom Nasturtium, 42.
51. Von der Raute, 84.
52. Von der wilden Minze, 20.
53. Von der gemeinen Minze, 41.
54. Vom Polei, 25.
55. Vom wilden Polei, 17.
56. Von der Nepeta, 9.
57. Vom Cuminum, 48; vom Cuminum sylvestre, 26.
58. Vom Ammi, 10.
59. Vom Capperstrauche, 18.
60. Vom Ligusticum oder Panax, 4.
61. Von der Ochsen-Cunila, 5.
62. Von der Hühner- Cunila, 5.
63. Von der Cunilago, 8.
64. Von der weichen Cunila, 3; von der Weihrauch-Cunila, 3.
65. Von der Garten-Cunila, 3; von der Berg-Cunila, 7.
66. Von dem Pfefferkraute oder Siliquastrum, 5.
67. Vom Origanum onite oder Prasium, 6.
68. Vom Tragoriganum, 9.
69. Von drei Arten des Origanum heracleum, 30.
70. Von der Kresse, 3.
71 Vom Gith oder Melanthium, 23.
72. Vom Anis oder Anicetum, 61.
Erstes Buch. 73
73. Wo der Anis am besten ist und von den übrigen aus ihm be-
reiteten Arzneien.
74. Vom Anethum, 9.
75. Vom Sacopenium oder Sagapenum, 13.
76. Vom weissen Mohn, 3; vom schwarzen Mohn, 8; von seiner
Schlaf machenden Kraft; vom Opium. Man soll es den Trän-
ken gegen Fieber, Mangel an Verdauung und gegen Ver-
stopfung nicht zusetzen. Vom Meconium, 1.
77. Vom Rhoeas-Mohn, 2.
78. Von dem wilden gehörnten Mohn oder Glaucium oder Paraliurn, 6.
79. Vom wilden heraclischen Mohn oder Aphrum, 4. Vom Diacodion.
80. Vom tithymalischen Mohn oder Paraliurn, 3.
81. Von der Porcilaca oder Peplis, 25.
82. Vom Coriander, 21.
83. Von der Atriplex, 14.
84. Von der Malva malope, 13; von der Malva malache, 1; von der
Malva althaaa oder Plistolochia, 59.
85. Vom wilden Lapathum oder Oxalis oder Lapathum cantherinum
oder Rumex, 1; vom Hydrolapathuni, 2; Hippolapathum, 6;
Oxylapathum, 4.
86. Vom zahmen Lapathum, 21; Bulapathum, 1.
87. Von drei Arten des Senfs, 44.
88. Von der Adarca, 48.
89. Vom Marrubium oder Prasium oder Linostrophum oder Philopaes
oder Philochares, 29.
90. Vom Serpyllum, 18.
91. Vom Sisymbrium oder Thymbraeum, 23.
92. Vom Leinsamen, 30.
93. Vom Blitum, 6.
94. Vom Meum athamanticum, 7.
95. Vom Fenchel, 22.
96. Vom Hippomarathrum oder Myrsineum, 5.
97. Vom Hanfe, 9.
98. Von der Ferula, 8.
99. Vom Carduus oder Scolymus, 6,
100. Zusammensetzung des Theriaks.
Zusammen: 1606 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Der Censor Cato, M. Varro, Pompejus Lenaeus, C. Valgius, Hy-
ginus, Sextius Niger der in griechischer Sprache geschrieben hat,
Julius Bassus desgleichen, Celsus, Antonius Castor.
Von fremden Schriftstellern:
Democritus, Theophrastus, Orpheus, Menander der nützliche Be-
merkungen für das Leben geschrieben hat, Pythagoras, Nicander.
74 Erstes Buch.
Ton Aerzten:
Hippocrates, Chrysippus, Diocles, Ophelion, Heraclides, Hicesius,
Dionysius, Apollodorus von Tarent, Apollodorus von Citiuni, Praxa-
goras, Plistonicus, Medius, Dieuches, Cleophantus, Philistion, Ascle-
piades, Cratevas, Petronius, Diodotus, Jollas, Erasistratus, Diagoras,
Andreas, Mnesides, Epicharmus, Damion, Dalion, Sosimenes, Tlepo-
lernus, Metrodorus, Solon, Lycus, die Olyinpias von Theben, Philinus,
Petrichus, Micton, Glaucias, Xenocrates.
Einundzwanzigstes Buch.
Von den Blumen und Kränzen.
1 und 2. Von den Kränzchen und Blumenguirlanden.
3. Wer zuerst verschiedene Blumen zu Kränzen geflochten hat,
•wann und warum sie zuerst Corollen genannt sind.
4. Wer zuerst einen Kranz mit goldenen und silbernen Blättern ge-
geben hat; dass sie aus diesem Anlass Kranzgeschenke genannt
wurden. Von den Bändern an den Kränzen; wer diese zuerst
von getriebener Arbeit hat machen lassen.
5. Wie gross die Ehre, einen Kranz zu tragen, bei den Alten war.
6. Strenge der Alten hinsichtlich des Tragens der Kränze.
7. Wen das römische Volk mit Blumen bekränzt hat.
8. Von den Friedenskronen; von den zusammengebundenen, den
aus Narden und mit Seide gefertigten Kränzen.
9. Welche Personen über Blumen geschrieben haben. Eine Hand-
lung der Königin Cleopatra mit Kränzen.
10. 12 Arten der Rose. 32 Arzneien daraus.
11. 3 Arten der Lilie. 21 Arzneien daraus.
12. 3 Arten der Narcisse. 16 Arzneien daraus.
13. Wie der Same gefärbt wird, dass daraus gefärbte Blumen ent-
stehen.
14. Wie alles wächst, gesäet und behandelt wird, nach den einzelnen
. Arten. Drei Farben der Viole, 17 Arzneien daraus. Fünf Ar-
ten der gelben Viole, 10 Arzneien daraus.
15. Von der Caltha und dem königlichen Zweige.
16. Von der Baccharis, 17 Arzneien. Von dem Combretum, 1. Von
dem Asarum.
17. Vom Safran, 20 Arzneien. Wo die besten Blüthen vorkommen.
Von den Blumen zur Zeit des trojanischen Kriegs.
18. Von den Gerüchen.
19. Von der Iris, 41.
20. Von der Saliunca, 2.
Erstes Buch. 75
21. Vom Poliuin oder Teuthriuin, 18 Arzneien. 5 Arten.
22. Nachahmung der Blumen in den Kleidern.
23. Vom Amarant.
24. Vom Cyanus 2, vom Holochrysus 3.
25. Vom PetiHum, Bellio.
26. Von der Chrysocoine oder Chrysitis, 6.
27. Von welchen Sträuchern die Blumen z. Kränzen genommen werden.
28. Von welchen die Blätter genommen werden.
29. Vom Melothron, der Spirsea, dem Origanum; zwei Arten des
Cneorum oder Casia; vom Melissophyllum oder Melittoena, 21
Arzneien. Von den Meliloten in Campanien.
30. 3 Arten des Trifolium. Vom Myophonum.
31. 3 Arten Thymian; 28 Arzneien. Was aus einer Blume und nicht
aus Samen entsteht.
32. Von der Conyza; 4 Arzneien.
33. Von der Jupitersblume; der Hemer ocallis, 4; dem Helenium, 5;
der Phlox. Pflanzen deren Aeste und Blätter riechen.
34. Vom Abrotanum, 22; 2 Arten der Adonis. Was sich von selbst
fortpflanzt. Vom Leucanthemum, 1.
35. 2 Arten des Amaracus. 60 Arzneien.
36. Von dem Nyctegretum oder Chenamyche oder Nyctalops.
37. Von den Meliloten.
38. In welcher Zeitordnung die Blüthen hervorkommen. Frühlings-
blumen: Viole, Kranz-Anemone, 10; Oenanthe, 6; Melianthum,
11; Heliochrysuru, 11; Gladiolus, Hyacinthe, 7 Arzneien.
39. Sonunerblumen: Lychnis, 7 Arzneien; Tiphyon, phrygischer Ama-
racus, 2 Arten des Pothus, Vincapervinca oder Chamsedaphne,
4 Arzneien. Welches Kraut stets grün ist.
40. Von der Lebensdauer der Blüthen.
41. Welche Blumen der Bienen wegen gezogen werden müssen.
Von der Cerinthe.
42. Von den Krankheiten der Bienen und den Hülfsmitteln dagegen*
43. Von der Ernährung der Bienen.
44. Von giftigem Honig und den Mitteln dagegen.
45. Honig, welcher Raserei bewirkt.
46. Honig, den die Fliegen nicht anrühren.
47. Von den Bienenstöcken und ihrer Wartung.
48. Wann die Bienen Hunger leiden.
49. Von der Bereitung des Wachses; welches Wachs das beste ist,
vom punischen Wachse.
50. Vom Gebrauche der wildwachsenden Kräuter bei den Völkern,
ihrer Beschaffenheit und ihren Wundern. Von den Erdbeeren,
dem Tamnus, Ruscus, 4; von zwei Arten des Batis, 4 Arzneien.
Vom Wiesen-Pastinak und dem Weidenhopfen.
76 Erstes Buch.
51. Von der Colocasia, 2 Arzneien.
52. Vom Cichorium, Anthaliurn, Oetum, Arachidna, Aracos, Condrilla,
Hypochseris, Caucalis, Anthriscus, Scandix oder Tragopogon,
Parthenium, Strychnum, Corchorus, Aphace, Acinos, Epipetron.
Was niemals und was immer blühet.
53. 4 Arten des Cnicus.
54. Stachelige Kräuter. Eryngium, Glycyrrhiza, Tribulus, Ononis,
Phleos oder Stoebe, Hippophaes.
55. 4 Arten der Urtica. Lamium, Scorpionkraut.
56. Carduus, Acoma oder Phonos, Leucacanthos, Chalceus, Cnicus,
Polyacanthus, Onopyxus, Helxine, Scolymus, Chamadeon, Tetralix,
Mastiche acanthice.
57. Cactus, Ptemix, Paprjus, Ascalia.
58. Tribulus, Ononis.
59. Arten der Kräuter nach den Stängeln. Coronopus, Anchusa,
Anthemis, Phyllanthes, Crepis, Lotus.
60. Unterscheidung der Kräuter nach den Blättern. Welche theil-
weise blühen; welche che Blätter nicht verlieren; vom Helio-
tropium, Adiantum, Polium.
61. Arten der Aehren tragenden Kräuter. Cynops, Alopecurus, Ste-
lephurus, oder Ortyx oder Plantago, Tryallis.
62. Perdicium, Ornithogale.
63. Welche erst nach einem Jahre zum Vorschein kommen. Welche
von der Spitze, und welche von unten an blühen.
64. Das Kraut Lappa, an welcher die Blume eingeschlossen wächst.
Die Opuntia, aus deren Blatte eine Wurzel wird.
65. Jasione, Chondrylla, Picris, welche das ganze Jahr hindurch blühet.
66. An welchen die Blume vor dem Stängel, und an welchen der
Stengel vor der Blume erscheint; welche dreimal blühen.
67. Von den Cypirus-Arten, 8 Arzneien. Vom Thesium.
68. Vom Asphodelus oder Königsspiess; Anthericus oder Albucus.
69. Von 6 Arten der Binse, 4 Arzneien.
70. Vom Cyperus, 14. Cyperis, Cypira.
71. Vom Hoioschcenus.
72. Von der wohlriechenden Binse oder Teuchites, 10.
73. Arzneien von den oben genannten Blumen; von der Rose, 22.
74. Von der Lilie, 16.
75. Von der Narcisse, 28.
76. Von den Violen, 28. '
77. Von der Baccharis, 17. Vom Combretum.
78. Vom Asarum, 8.
79. Vom gallischen Nardus, 8.
80. Vom Phu, 4.
81. Vom Safran, 20.
Erstes Buch. 77
82. Von der syrischen Safransalbe, 2.
83. Von der Iris, 41; von der Saliunca, 3.
84. Vom Poliuni, 19.
85. Vom Holochrysum, 3; von der Chrysocome, 6.
86. Vom Melissophyllum, 13.
87. Vom Melilotus, 13.
88. Vom Trifolium, 4.
89. Vom Thymian, 29.
90. Von der Hemerocallis, 4.
91. Vom Helenium, 5.
92. Vom Abrotanum, 22.
93. Vom Leucanthemum, 1; vom Majoran, 9.
04. Von der Anemone oder dem Phrenion, 10.
95. Von der Oenanthe, 6.
96. Vom Heliochrysum, 11.
97. Von der Hyacinthe, 8.
98. Von der Lychnis, 7.
99. Von der Vincapervinca, 4.
100. Vom Ruscmn, 3.
101. Von der Batis, 2. Acinos.
102. Von der Colocasia, 2.
103. Vom AnthylHum oder Anthylluni, 6.
104. Vom Parthenium oder Leucanthes oder Amnacum, 8.
105. Vom Trychnon oder Stiychnon oder Halicacabuni oder Callion
oder Dorycnium oder Manicon oder Perisson oder Neuras oder
Morion oder Moly, 8.
106. Vom Corchorus, 6.
107. Von der Persoluta, 1.
108. Erklärung der griechischen Namen der Gewichte und Maasse.
Zusammen: 730 Arzneimittel, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Der Censor Cato, M. Varro, Massurius, Antias, C«pio, Vestinus,
Vibius Rufinus, Hyginus, Pomponius Mela, Pomponius Lenseus, Corn.
Celsus, Calpurnius Bassus, C. Valgius, Licinius Macer, Sextius Niger
der in griechischer Sprache geschrieben hat, Julius Bassus desgleichen,
Antonius Castor.
Von fremden Schriftstellern:
Theophrastus, Democritus, Orpheus, Pythagoras, Mago, Menander
welcher nützliche Bemerkungen für das Leben geschrieben hat, Ni-
cander, Homerus, Hesiodus, Musaeus, Sophocles, Anaxilaus.
Von Aerzten:
Mnesitheus der über die Kränze geschrieben hat, Calliniachus
desgleichen, der Physiker Phanias, Simus, Timaristus, Hippocrates,
Chrysippus, Diocles, Ophelion, Heraclides, Hicesius, Dionysius, Apol-
78 Erstes Buch.
lodorus von Citium, Apollodorus von Tarent, Praxagoras, Plistonicus,
Medius, Dieuches, Cleophantus, Philistion, Asclepiades, Cratevas, Pe-
tronius, Diodotus, Jollas, Erasistratus, Diagoras, Andreas, Mnesis, Da-
mion, Dalion, Sosrmenes, Tlepolemus, Metrodorus, Solon, Lycus, die
Olympiasvon Theben, Philinus, Petrichus, Micton, 61aucias,Xenocrates.
Zweiimdzwanzigstes Buch.
Von dem Ansehn undWerthe der Kräuter und Feldfrüchte.
1 u. 2. Völker, welche sich der Kräuter ihrer Gestalt wegen bedienen.
3. Vom Färben der Kleider mit Kräutern; vom Sagmen, der Verbena
und Clarigatio.
4. "Von dem Kranze aus Gras und seiner Seltenheit.
5. Welche Personen allein damit beschenkt sind.
6. Wer allein als Centurio damit bekränzt ist.
7. Arzneien von den übrigen Kranzblumen.
8. Vom Erynge oder Eryngium.
9. Vom Hundertkopf, 30.
10. Vom Acanum, 1.
11. Von der Glycyrrhiza oder Adipsus, 15.
12. Von 2 Arten des Tribulus, 12.
13. Von der Stcebe oder Pheos.
14. Von 2 Arten der Hippophye, 2.
15. Von der Urtica, 61.
16. Vom Lamium, 7.
17. Von 2 Arten des Scorpionkrauts, 1.
18. Von der Leucacantha oder Phyllon oder Ischias oder Polygonatos, 4
19. Von der Helxine, 12.
20. Vom Perdicium oder Parthenium oder Urceolaris oder Astericum,ll.
21. Von 2 Arten des Chamseleon oder Ixia oder Ulophonon oder Cy-
nozolon, 12.
22. Vom Coronopus.
23. Von der Anchusa, 14.
24. Von der Pseudoanchusa oder Echis oder Doris, 3.
25. Vom Onochiles oder Arcebion oder Onochelis oder Rhexia oder
Enchusa, 30.
26. Von 3 Arten der Anthemis oder Leucanthemis oder Chamasmelum
oder Melanthium, 11.
27. Vom Kraute Lotus, 4.
28. Von der Lotometra, 2.
29. Von 2 Arten des Heliotropium oder Helioscopiurn oder Verrucaria,
12. Vom Tricoccum oder Scorpiurum, 14.
30. Von 2 Arten des Callitrichum oder Adiantum oder Trichomanes
oder Polytrichum oder Saxifraga, 28.
Erstes Buch. 79
31. Von der Picris, 1; vom Thesium, 1.
32. Vom Asphodelus, 51.
33. Vom Alimum, 14.
34. Vom Acanthus oder Psederos oder Melamphyllum, 5.
35. Vom Bupleurum, 5.
36. Vom Buprestis, 1.
37. Vom Elaphoboscum, 9.
38. Vom Scandix, 9. Anthriscus.
39. Von der Jasione, 4.
40. Von der Caucalis, 12.
41. Vom Sium, 11.
42. Vom Silybum.
43. Vom Scolymum oder Limonium, 5.
44. Von 2 Arten des Sonchus, 15.
45. Vom Condrillum oder der Condrille, 6.
46. Von den Boleten und ihrer eigenthümlichen Entstehungsweise.
47. Von den Pilzen; Kennzeichen der giftigen und 9 Arzneien aus
diesen.
48. Vom Silphium, 7.
49. Vom Laser, 39.
50. Vom Stopfwachs, 5; vom Honig, 16.
51. Durch welche Speisen auch die Sitten sich ändern.
52. Vom Wassermeth, 18.
53. Vom Weinmeth, 6.
54. Vom Honigtranke, 3.
55. Vom Wachse, 8.
56. Wider die Compositionen der Aerzte.
57. Arzneien von den Feldfrüchten. Vom Siligo, 1; vom Triticum,
1; von der Spreu, 2; vom Far, 1; von der Olyra und Arinca.
58. Von den Mehlarten, 28.
59. Von der Polenta, 8.
60. Vom Staubmehle, 5; vom Mehlbrei, 1; von den Papiermehl, 1.
61. Von der Alica, 6.
62. Von der Hirse, 6.
63. Vom Panicum, 4.
64. Vom Sesamum, 7; Sesamoides, 3; Anticyricum, 3.
65. Von der Gerste, 9; von der Mauergerste, die bei den Griechen
phönizisches Kraut heisst, 1.
66. Von der Ptisane, 4.
67. Vom Stärkmehl, 8; vom Hafer, 1.
68 Vom Brote, 21.
69. Von der Bohne, 16.
70. Von der Linse, 17; von der Sumpflinse, 3.
71. Von dem Elelisphacus oder Sphacus oder Salvia, 13.
£0 Erstes Buch.
72. Von der Kichererbse, 23.
73. Von der Erve, 20.
74. Von der Wolfsbohne, 35.
75. Vom Irio oder Erysimum, welches die Gallier Vela nennen, 15.
76. Vom Horminum, 6.
77. Vom Lolium, 5.
78. Vom Hirsetod, 1.
79. Vom Bromus, 1.
80. Von der Orobanche oder Cynomorium, 1.
81. Von den Thierchen auf den Hülsenfrüchten, und den Mitteln
dagegen.
82. Von dem Getränke Zythus und von dem Biere.
Zusammen: 906 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von Schriftstellern sind benutzt:
Dieselben wie im vorigen Buche und ausserdem noch: Chrysermus,
Eratosthenes und Alcseus.
Dreiundzwanzigstes Buch.
Arzneimittel von den cultivirten Bäumen.
1 und 2. Von den Weinstöcken, 30.
3. Von den Weinblättern und Weinranken, 7.
4. Vom Omphacium aus Trauben, 14.
5. Von der Oenanthe, 21.
6. Von den reifen und frischen Trauben.
7. Von 3 Arten eingemachter Trauben, 14.
8. Von den Traubenstielen, 1.
9. Von den Traubenkernen, 6.
10. Von den Weinbeerhülsen, 8.
11. Von der Theriaktraube, 4.
12. Von den Rosinen oder Astaphides, 14.
13. Von der wilden Astaphis oder Staphis oder Taminia oder Pitui-
taria. 12.
14. Von der Labrusca oder wilden Rebe, 12.
15. Vom Sahcastrum, 12.
16. Von der Vitis alba oder Ampeloleuke oder Ophiostaphylos oder
Melothros oder Psilothros, Archezostis oder Cedrostis oder
Mados, 35.
17. Von der Vitis nigra oder Bryonia oder Chironia oder Gynajcanthe
oder Apronia, 35.
18. Vom Moste. 15.
19. Vom Weine.
Erstes Buch. 81
20. Vom surrentinischen Weine, 3; vom albanischen, 2; vom faler-
nischen, 6 Arzneien.
21. Vom . setinischen, 1; vom statanischen, 1; vom siguinischen, 1.
22. Von den übrigen Weinen, 64.
23. Wiederum von Weinen, 61.
24. Welchen Kranken, wann und
25. Wie er gereicht werden soll, 91. Bemerkungen dazu.
26. Von den gekünstelten Weinen.
27. Vom Essig, 28.
28. Vom Meerzwiebelessig, 17.
29. Vom Sauerhonig, 7.
30. Vom gekochten Moste, 12.
31. Von der Weinhefe, 12.
32. Von der Essighefe, 17.
33. Von der Hefe des gekochten Mostes, 4.
34. Von den Blättern des Oelbaumes, 23.
35. Von der Blüthe desselben, 4; vom Baume selbst, 6.
36. Von den weissen Oliven, 4; von den schwarzen, 3.
37. Von der Amurca, 21.
38. Von den Blättern des wilden Oelbaums, 23.
39. Von dem Omphacium aus Oliven, 3.
4°. Von dem Oele aus den Trauben des wilden Weinstocks und von
allen Oelen, 28.
41. Vom Oele des Cici-Baumes, 16.
42. Vom Mandelöle, 16.
43. Vom Lorbeeröle, 6.
44. Vom Myrtenöle, 20.
45. Vom Zwerg- oder Spitzmyrtenöle, Cypressenöle, Citronenöle, Nuss-
öle, Gnideröle, Mastixöle und Dattelöle.
46. Vom Cyprusöle, 16; vom Gleucinusöle, 1.
47. Vom Balsamöle, 15.
48. Vom Oele des Malobathrum, 8.
49. Vom Bilsenöle, 2; Wolfsbohnenöle, l; Narcissenöle , 1; Rettig-
öle, 5; Sesamöle, 3, Lilienöle, 3; selgitischen Oele, 1; igu-
vischen Oele, 1.
50. Vom Honigöle, 2; vom Pechöle, 2.
51. Von den Palmen, 9.
52. Von der Myrobalane, 3.
53. Von der Palme Elate, 16.
54. Arzneien aus den Blüthen, Blättern, Früchten, Aesten, Rinden,
Säften, Hölzern, Wurzeln und der Asche der einzelnen Arten.
Von den Aepfeln, 6; den Quitten, 22; den Sperlingsäpfeln, 1.
55. Von den süssen Aepfeln, 6; den sauren, 5.
55. Von den Citronen, 5.
g2 Erstes Buch.
57. Von den Granatäpfeln, 26.
58. 14 Mundarzneien.
59. Vom Cytinus, 8.
60. Von der Granatblüthe, 12.
61. Vom wilden Granatbaum.
62. Von den Birnen, 13.
63. Von den Feigen, 111.
64. Von den wilden Feigen, 42.
65. Vom Kraute Erineus, 3.
66. Von den Pflaumen, 4.
67. Von den Pfirsichen, 2.
68. Von der wilden Pflaume, 2.
69. Von der Baumflechte oder dem Limus, 2.
70. Von den Maulbeeren, 39.
71. 4 Mundarzneien.
72. Von den Kirschen, 5.
73. Von den Mispeln, 2; den Ariesbeeren, 2.
74. Von den Piniennüssen, 13.
75. Von den bittern Mandeln, 29.
76. Von den süssen Mandeln, 1.
77. Von den welschen Nüssen, 24.
78. Von den Haselnüssen, 3; von den Pistacien, 8; Kastanien 5.
79. Vom Johannisbrote, 5; von der Kornelkirsche, 1; vom Unedo..
80. Von den Lorbeeren, 69.
81. Von der Myrte, 60.
82. Von dem Myrtidanum, 13.
83. Von der wilden Myrte, 6.
Zusammen: 1418 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
C. Valgius, Pompejus Lenseus, Sextius Niger der in griechischer-
Sprache geschrieben hat, Julius Bassus desgleichen, Antonius Castor,
M. Varro, Com. Celsus, Fabianus.
Von fremden Schriftstellern:
Theophrastus, Democritus, Orpheus, Pythagoras, Magon, Menan-
der welcher nützliche Bemerkungen für das Leben geschrieben hat,
Nicander, Homer, Hesiodus, Musseus, Sophocles, Anaxilaus.
Von Aerzten:
Mnesitheus, Callimachus, Phanias, Timaristus, Simus, Hippocra-
tes, Chrysippus, Diocles, Ophelion, Heraclides, Hicesius, Dionysius,
Apollodorus von Citium, Apollodorus von Tarent, Plistonicus, Medius,
Dieuches, Cleophantus, Philistion, Asclepiades, Cratevas, Petronius
Diodotus, Jollas, Erasistratus, Diagoras, Andreas, Mnesis, Epicharmus,.
Erstes Buch. 83
Damion, Dalion, Sosimenes, Tlepolemus, Metrodorus, Solon, Lycus,
die Olympias von Theben, Philinus, Petrichus, Micton, Glaucias,
Xenocrates.
Yierundzwanzigstes Buch.
Arzneimittel von den wilden Bäumen.
1. Von der Feindschaft und Freundschaft zwischen den Bäumen und
Kräutern.
2. Vom italischen Lotus, 6 Arzneien.
3. Von der Eiche, 13.
4. Von der Kermesbeere, 3.
5. Von den Galläpfeln, 23.
6. Von der Mistel, 11.
7. Von den Kügelchen, 1 und der Cerr-Eiche, 8.
8. Von der Korkeiche, 2.
9. Von der Buche, 4.
10. Von der Cypresse, 23.
11. Von der Ceder, 13.
12. Von der Cederfrucht, 10.
13. Vom Galbanum, 23.
14. Vom Ammoniakum, 24.
15. Vom Styrax, 10.
16. Vom Spondylium, 17.
17. Vom Sphagnum, 5.
18. Von der Terebinthe, 6.
19. Von der Rothtanne und dem Lärchenbaume, 8.
20. Von der Feldcypresse, 10.
21. Von der Pityusa, 6.
22. Von den Harzen, 22.
23. Vom Pech (und Theer), 34.
24. Vom (Theer -und) Theeröl, 16.
25. Vom Asphaltpech, 2.
26. Von der Zopissa, 1.
27. Vom Tsedabaume, 1.
28. Vom Matixbaume, 22.
29. Von der Platane, 25.
30. Von der Esche, 5.
31. Vom Ahorn, 1.
32. Von der Pappel, 8.
33. Von der Ulme, 16.
34. Von der Linde, 5; vom wilden Oelbaume, 1.
35. Vom Hollunder, 15.
36. Vom Wachholder, 21.
6*
84
Erstes Buch.
37. Von der Weide, 14; von der amerinischen Weide, 1.
38. Vom Keuschbaurne, 33.
39. Von der Erica, 1.
40. Von der Genista, 5.
41. Von der Myrica oder Tamariske, 3.
42. Von der Brya, 29.
43. Von der Blutruthe, 1.
44. Vom Siler, 3.
45. Vom Ligustrum, 8.
46. Von der Erle, 1.
47. Vom Epheu, 39.
48. Vom Cissus, 5.
49. Vom rothen Cissus, 2;"vom Zwergcissus, 2; der Smilax, 3; der
Clematis, 18.
50. Vom Schilfe, 1.
51. Von der Papierstaude, 2.
52. Vom Ebenbaume, 5.
53. Vom Rhododendron, 1.
54. Vom Rhus, 8 Arzneien und 1 Mundarznei.
55. Vom rothen Rhus, 9.
56. Von der Färberröthe, 11.
57. Von dem Alyssum, 2.
58. Von dem Struthion oder der Radicula, 13 ; vom Apocynum, 2.
59. Vom Rosmarin, 18.
60. Von der Cachrys.
.61. Von der Sabina, 7.
62. Von der Selago, 2.
63. Vom Samolus, 2.
64. Vom Gummi, 11.
65. Vom ägyptischen oder arabischen Dorngewächs, 4.
66. Von dem weissen Dorngewächs, 2; vom Acanthium, 1.
67. Von der Acacie. 18.
68. Vom Aspalathus, 1.
69. Erysisceptrum oder Adipsatheum oder Diachetum, 8.
70. Vom Hängedom, 2; vom Pyracantha, 1.
71. Vom Paliurus, 10.
72. Vom Aquifolium, 1; vom Taxus, 1.
73. Von den Rubusarten, 51.
74. Vom Cynosbatus, 3,
75. Vom Rubus idieus.
76. Von 2 Arten des Rhamnus, 5.
77. Vom Lycium, 18.
78. Von der Sarcocolla, 2.
79. Von der Oporice, 2.
Erstes Buch. 85
80. Von derTrixago oder Chamsedrys oder Chamserops od.Teucrium,16.
81. Von der Chamsedaphne, 5.
82. Von der Chamselea, 6.
83. Von der Chamsesyce, 8.
84. Vom Chamsecissus, 1.
85. Von der Chamaeleuce, 1.
86. Von der Chamarpeuce , 5; Chamsecyparissus, 2; Ampeloprasum,
6; Stachys, 1.
87. Vom Clinopodium, 3.
88. Vom Centunculus, 3.
89. Von der Clematis oder Echite oder Scammonia oder Lago.
90. Von der ägyptischen Clematis oder Daphnoides od.Polygonoides,2.
91. Vom Dracontium; widersprechende Ansichten in Bezug auf das
Arum.
92. Vom Arum, 13.
93. Vom Dracunculus, 2.
94. Vom Aris, 3.
95. Vom Millefolium oder Myriophyllum, 7.
96. Vom Pseudobunium, 4.
97. Von der Myrrhis oder Myrrha oder Myrrhiza, 7.
98. Von der Onobrychis, 3.
99. Von den Zauberkräutern. Coracesia und Callicia.
100. Von der Minyas oder Corysidia, 1.
101. Von der Aproxis, 6.
102. Von den fabelhaften Gewächsen, welche Democrit beschrieben
hat. Aglaophotis oder Marmaritis ; Achsemenis oder Hippopho-
bas; Theombrotium oder Semnium; Adamantis; Arianis; The-
rionarca; Aethiopis oder Merois; Ophiusa; Thalassegle oder
Potamacys; Theangelis; Gelotophyllis; Hestiatoris oder Proto-
media; Casignete oder Dionysonymphas; Helianthes oder Helio-
caUis; Hermesias; Aeschynomene; Crocis; Oenotheris; Anacamp-
seros.
103. Von der Eriphia.
104. Von dem wolligen Kraute, 1; von der Lactoris, 1; der Mihtaris, 1.
105. Von der Stratiotes, 5.
106. Von dem Kraute auf dem Haupte einer Bildsäule, 1.
107. Von dem Kraute in Flüssen, 1.
108. Von dem Zungenkraute, 1.
109. Von dem Siebkraute, 1.
110. Von dem Kraute auf Misthaufen, 1.
111. Von dem Kraute, neben welches die Hunde pissen, 1.
112. Von dem Rodarum, 3.
113. Von der Impia.
114. Vom Venuskamme, 1.
gg Erstes Buch.
115. Vom Exedum oder der Nodia, 2.
116. Von dem Philanthropus, 1.
117. Vom Tordylum oder Syreum, 3.
118. Von dem Grase, 17.
119. Vom Dactylus, 5.
120. Vom Fcenum grsecum oder Silicia, 31.
Zusammen: 1176 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
C. Valgius, Pompejus Lenseus, Sextius Niger welcher in griechi-
scher Sprache geschrieben hat, Julius Bassus desgleichen, Antonius
Castor, Cornelius Celsus.
Von fremden Schriftstellern:
Theophrastus , Apollodorus, Democritus, Orpheus, Pythagoras,
Magon, Menander der nützliche Bemerkungen für das Leben geschrie-
ben hat, Nicancler, Homer, Hesiodus, Musseus, Sophocles, Anaxilaus.
Von Aerzten:
Mnesitheus, Callimachus, Phanias, Timaristus, Simus, Hippocrates,
Chrysippus, Diocles, Ophehon, HeracUdes, Hicesius, Dionysius, Appol-
lodorus von Citium, Apollodorus von Tarent, Praxagoras, Plistonicus,
Medius, Dieuches, Cleophantus, PhiHstion, Asclepiades, Cratevas, Pe-
tronius Diodotus, Jollas, Erasistratus, Diagoras, Andreas, Mnesis, Epi-
charmus, Damion, Sosimenes, Tlepolemus, Metrodorus, Solon, Lycus,
die Olympias von Theben, Philinus, Petrichus, Micton, Glaucias, Xe-
nocrates.
Fiinfuiidzwanzigstes Buch.
Von der Beschaffenheit, dem Ansehn und Werthe der wild-
wachsenden Kräuter.
1. Von dem Ursprünge ihres Gebrauchs.
2. Welche Personen über ihren Gebrauch in lateinischer Sprache
geschrieben haben.
3. Wann die Kenntniss davon zu den Römern gelangt ist.
4. Von den griechischen Schriftstellern, welche Kräuter abgebildet
haben.
5. Welche Griechen zuerst über Kräuter geschrieben haben.
6. Kräuter, welche auf wunderbare Weise entdeckt sind; warum ihre
Heilkräfte wenig benutzt werden. Von der Hundsrose, 2 Arz-
neien; vom Dracunculus-Stängel, 1; von d. Kraute Britannica, 5.
7. Welche die edlen Kräuter entdeckt haben.
8. Von dem Moly, 3.
9. Vom Dodecatheon, 1.
10. Von der Pieonia oder Pentorobus oder Glycysis, 1.
Erstes Buch. 87
11. Vom Panax oder Asclepius, 2.
12. Vom heraclischen Panax, 3.
13. Vom chironischen Panax, 4.
14. Vom centaurischen oder pharnacischen Panax, 3.
15. Vom siderischen Heracleum, 4.
16. Vom chironischen Weinstocke, 1.
17. Von 2 Arten des Hyoscyamus oder Apollinaris oder Altercum, 3.
18. Von 2 Arten des Linozostis oder Parthenium oder Hermupoa oder
Mercurialis, 22.
19. Vom achilleischen Kraute oder Sideritis oder Millefolium oder
Panax oder Heracleus oder Scopa regia, 6; 3 Arzneien.
20. Vom Teucrium oder Hemionium oder Splenium, 2.
21. Drei Arten des Melampodium oder Elleborus oder Veratrum.
Wann es gesammelt wird und welches die Kennzeichen seiner
Güte sind.
.22. Von dem schwarzen, 24. Von seiner Anwendungsweise.
23. Von dem weissen, 23.
24. 88 Bemerkungen über beide Arten.
-25. In welchen Fällen der Elleborus nicht gegeben werden soll.
26. Vom Mithridatkraute, 2.
27. Vom Scordotis oder Scordium, 4.
28. Von der Polemonia oder Philetseria oder Chiliodynama, 6.
29. Von der Eupatoria, 1.
30. Vom Centaurium oder Chironium, 20.
31. Von dem Centaurium leptum oder Libadium oder Erdgalle oder
Exacum, 22.
32. Von dem dreihodigen Centaurium, 2.
33. Von dem Clymenus, 1.
34. Von der Gentiana, 13.
35. Von der Lysimachia, 8.
36. Von der Artemisia oder Parthenis oder Botrys oder Ambrosia, 5.
-37. Von zwei Arten der Nyinphsea oder Heracleum oder Rhopalum
oder Madium, 14.
38. Von zwei Arten der Euphorbia, 4.
39. Von zwei Arten der Plantago, 46.
40. Von der Buglossus oder Euphrosine, 2.
41. Von der Cynoglossus, 3.
42. Von dem Buphthalmus oder Cachla, 1.
43. Kräuter, die von Völkern entdeckt sind; vom scythischen Kraute, 3.
44. Von der Hippace, 3.
.45. Von der Ischa^mone, 2.
46. Von der Vettonica oder Serratula oder Cestrus oder Psycho-
trophum, 48.
-47. "V' on dem cantahrischen Kraute, 2.
$g Erstes Buch.
48. Von der Consiligo, 1.
49. Von der Iberis, 7.
50. Kräuter, welche von Thieren aufgefunden sind; von derCheIidonia,6.
51. Von der Canaria, 1.
52. Vom Elaphoboscum oder Seseli.
53. Vom Dictamnus, 8; vom falschen Dictamnus oder Chondris. An
welchen Orten die kräftigsten Kräuter wachsen. Dass man in
Arcadien der Kräuter wegen, welche die Thiere fressen, deren
Milch trinkt.
54. Von der Aristolochia oder Clematitis oder Cretica oder Plistolochia
oder vielwurzeligen Lochia oder Erdapfel, 22.
55. Von dem Gebrauch der Kräuter gegen den Biss der Schlangen.
56. Von der Argemonia, 4.
57. Vom Agaricus, 33.
58. Von 3 Arten des Echius, 2.
59. Von 2 Arten der Hierabotane oder Peristereum oder Verbenaca, 10.
60. Von der Blattaria, 1.
61. Vom Lemonium, 1.
62. Vom Pentapetes oder Pentaphyllum oder Chamsezelum oder Quin-
quefolium, 33.
63. Vom Sparganium, 1.
64. Von 4 Arten des Daucus, 18.
65. Von der Therionarce, 2.
66. Von der Persolata oder Arciuni 8.
67. Vom Cyclamen oder Erdknollen, 12.
68. Vom epheuartigen Cyclamen, 4.
69. Vom niedrigen epheuartigen Cyclamen, 3.
70. Vom Peucedanum, 28.
71. Vom Ebulus, 6.
72. Von der Polemonia, 1.
73. Vom Verbascum oder Phlomus, 15.
74. Von der Phlomis, 2. Von der Lychnitis oder Thryallis.
75. Vom Thelyphonum, 1.
76. Vom Phrynium oder Neuras oder Poterium, 1.
77. Vom Alisma oder Damasonium oder Lyrum, 17.
78. Vom Peristereus, 6.
79. Mittel gegen Gifte.
80. Vom Antirrhinum oder Anarrhinum oder Lychnis agria, 3.
81. Von der Euplea, 1.
82. Von 2 Arten des Pericarpum, 2.
83. Mittel gegen Kopfkrankheiten; von der heraclischen Nymphsea, 2.
Vom Kraute Polythrix.
84. Von der Lingulaca, 1.
85. Von der Cacalia oder Leontice, 3.
Erstes Buch. 8$
86. Von der Callitrix, 1.
87. Vom Hyssopus, 10.
88. Von der Lonchitis, 4.
89. Vom Xiphium oder Phasganium, 4.
90. Vom Psyllium oder Cynoides oder Crystallium oder Sicelicum
oder Cynomyia, 1; Thysselinum, 16.
91. Augenmittel.
92. Von zwei Arten der Anagallis oder Corchorus oder Wildauge, 6.
93. Von der Aegilops, 2.
94. Von 2 Arten der Mandragora oder Circsea oder Morium oder
Hippophlomus, 24.
95. Von der Cicuta, 13.
96. Vom wilden Crethnius, 1.
97. Von der Molybdsena oder Plumbago, 1.
98. Von der ersten Capnus oder Hühnerfuss, 1.
99. Von der strauchigen Capnus, 3.
100. Vom Acorum und wilden Acorum, 14.
101. Von 2 Arten des Cotyledon, 61.
102. Vom grossen Aizoon oder Buphthalmum oder Zoophthalmum
oder Stergethrum oder Hypogesum oder Ambrosia oder Ame-
rimnum oder grossen Sedum oder Auge oder Fingerchen, 31;
vom kleinen Aizoon oder Erithales oder Trithales oder Chryso-
thales oder Isoetes, 32.
103. Von der wilden Andrachne oder lllecebra, 32.
104. Mittel gegen Krankheiten der Nase.
105. Mittel gegen Zahnschmerzen.
106. Vom Erigeron oder Pappus oder Acanthis oder Senecio, 8.
107. Vom Ephemerum, 2.
108. Vom Labrum Venereum, 1.
109. Von 4 Arten des Batrachium oder Ranunculus oder Strumea.
oder Strumus, 14.
110. 2 Mittel gegen übelriechenden Athem.
Zusammen: 1292 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
C. Valgius, Pompejus Lenseus, Sextius Niger welcher in griechi-
scher Sprache geschrieben hat, Julius Bassus desgleichen, Antonius
Castor, Cornelius Celsus, Fabianus.
Von fremden Schriftstellern:
Theophrastus, Apollodorus, Democritus, Juba, Orpheus, Pythago-
ras, Magon, Menander welcher nützliche Bemerkungen für das Leben
geschrieben hat, Nicander, Homerus, Hesiodus, Musseus, Sophocles,
Xanthus, Anaxilaus.
Von Aerzten:
Mnesitheus, Callimachus, Phanias, Timaristus, Simus, Hippocra-
<90 Erstes Buch.
tes, Chrysippus, Diocles, Ophelion, Heraclides, Hicesius, Dionysius,
Apollodorus von Citium, Apollodorus von Tarent, Praxagoras, Plisto-
nicus, Medius, Dieuches, Cleophantus, Philistion, Asclepiades, Crate-
vas, Petronius Diodotus, Jollas, Erasistratus, Diagoras, Andreas, Mnesis,
.Epicharmus, Daniion, Sosimenes, Tlepolenrus, Metrodorus, Solon, Ly-
cus, die Olympias aus Theben, Philinus, Petrichus, Micton, Glaucias,
Xenocrates.
Seclisimdzwaiizigstes Buch.
Ton den übrigen Arzneimitteln aus Kräutern, nach den
verschiedenen Krankheiten zusammengestellt.
1. Von neuen Krankheiten.
2. Was man unter Flechten versteht.
3. Wann man sie zuerst in Italien kennen gelernt hat.
4. Vom Karbunkel.
5. Von der Elephantiasis.
6. Von der Kolik.
7. Von der neuern Arzneikunde. Vom Arzte Asclepiades.
-8. Wie er die alte Arzneikunde umschuf.
9. Einige Worte wider die Magier.
.10. Mittel gegen die Flechte; vom Flechtenkraute, 5 Arzneien.
11. Wider die Bräune. Von der Proseqiinaca, 1.
12. Wider den Kropf.
13. Von der Bellis, 2.
14. Vom Condurdum, 1.
15. Wider den Husten.
16. Vom Bechium oder Tussilago oder Chamseleuce, 3.
17. Von der Salvia, 4.
18. Wider Schmerzen der Seite, Brust und des Magens.
19. Vom Molum oder Syrum; Amomum, 3.
20. Von der Ephedra oder Anabasis, 3.
21. Vom Geuin, 3.
22. Für die Leber, Nieren, gegen Erbrechen. Vom Tripoliuin, 3.
23. Von der Grompha^na,
"24. Vom Malundrum, 2.
25. Vom Chalcetum, 2; vom Molemonium, 1.
26. Vom Halus oder Colonea, 5.
•27. Von der Chaxna?rops, 1; von der Stoechas, 1.
28. Mittel für den Unterleib.
29. Vom Astragalus, 6.
30. Vom Ladanum, 18.
-31. Von der Chondris oder dem falschen Dictamnus, 1; von 2 Arten
Hypocist oder Orobethrum, 8 Arzneien.
Erstes Buch. 91
32. Vom Laver oder Sion, 2.
33. Vom Potamogeton, 8. Von der Statice, 3.
34. Von der Ceratia, 2; vom Leontopodium oder Leuceorum oder
Doripetrum oder Thoribetrum, 3; Lagopus.
35. Vom Epithymum oder Hippopheos, 8.
36. Vom Pycnocomum, 4.
37. Vom Polypodium, 3.
38. Vom Scammonium, 8.
39. Vom Tithymalus cbaracias.
40. Vom Tithymalus myrsinites oder curyites, 21.
41. Vom Tithymalus paralius, 4.
42. Vom Tithymalus helioscopius, 18.
43. Vom Tithymalus cyparissias, 18.
44. Vom Tithymalus platyphyllus oder corymbites oder amygdalites, 3.
45. Vom Tithymalus dendroides oder cobius oder leptophyllus, 18.
46. Von der Apios ischas oder dem wilden Rettig, 2.
47. Gegen Bauchgrimmen.
48. Von der Heilung der Milz.
49. Gegen Blasensteine und andere Blasenübel.
50. Vom Crethmum, 11; und dessen Frucht Cachrys.
51. Vom Anthyllium, 2; von der Anthyllis, 2.
52. Von der Cepsea, 1.
53. Vom Hypericum oder Chamsepitys oder Corium, 9.
54. Von dem Coris oder Hypericum, 10.
55. Von der Callithrix, 1; der Perpressa, 1; dem Chrysanthemum, 1;
der Anthemis, 1.
56. Vom Silaus.
57. Vom Fulvischen Kraute.
58. Krankheiten der Hoden und Lenden.
59. Vom Schaamkraute oder Argemone.
60. Mittel gegen Geschwulste; von der Chrysippea, 1.
61. Mittel gegen die Begierde zum Beischlaf.
62. Von der Orchis oder Serapias, 5.
63. Vom Satyrium, 3. Vom Satyrium Erythraicum, 4.
64. Mittel gegen Podagra und andere Fusskrankheiten.
65. Von der Lappago oder Mollugo, 1; von der Asperugo, 1.
66. 3 Arten des Seetangs; von der Ochsenklette.
67. Mittel gegen Leiden des ganzen Körpers.
68. Von 3 Arten des Geranium oder Myrrhis oder Myrtis, 6.
69. Von der Oenothera oder Onuris, 3.
70. Mittel gegen Epilepsie.
71. Mittel gegen Fieber.
72. Mittel gegen Wahnsinn, Schlafsucht und Karbunkeln.
73. Für Wassersüchtige. Von der Acte oder Ebulus. Chamaeacte.
92 Erstes Buch.
74. Gegen die Rose.
75. Zur Heilung von Verrenkungen.
76. Gegen Gelbsucht.
77. Gegen Furunkeln.
78. Gegen Fistelschäden.
79. Gegen Saftanhäufungen und Verhärtungen.
80. Gegen Brandschäden.
81. Für die Sehnen und Gelenke.
82. Gegen Blutfluss.
83. Von 3 Arten der Hippuris oder Ephedra oder Anabasis oder
Equisetuni, 18.
84. Vom Stephanomelis.
85. Gegen Bruch und Verrenkungen.
86. Gegen die Läusekrankheit.
87. Gegen Geschwüre und Wunden.
88. Vom Polycnemum, 1.
89. Zur Vertreibung der Warzen und Heilung von Narben.
90. Mittel gegen weibliche Krankheiten.
91. Vom Arsenogonum, 1; vom Thelygonum, 1.
92. Vom Mastus, 1.
93. Für die Kopfhaare. Von der Lysiniachia; von der Ophrys, 1.
Zusammen: 1019 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, C. Valgius, Pompejus Lenseus, Sextius Niger der in
griechischer Sprache geschrieben hat, Julius Bassus desgleichen, An-
tonius Castor, Cornelius Celsus.
Von fremden Schriftstellern:
Theophrastus , Apollodorus, Democritus, Juba, Orpheus, Pytba-
goras, Magon, Menander der nützliche Bemerkungen für das Leben
geschrieben hat, Nicander, Homerus, Hesiodus, Musseus, Sophocles,
Xanthus, Anaxilaus.
Von Aerzten:
Mnesitheus, Callimachus, Phanias, Timaristus, Simus, Hippocrates,
Chrysippus, Diocles, Ophelion, Heraclides, Hicesius, Dionysius, Apol-
lodorus von Citium, Apollodorus von Tarent, Praxagoras, Plistonicus,
Medius, Dieuches, Cleophantus, Philistion, Asclepiades, Cratevas, Pe-
tronius Diodotus, Jollas, Erasistratus, Diagoras, Andreas, Mnesis,
Epicharmus, Damion, Tlepolemus, Metrodorus, Solon, Lycus, die
Olympias von Theben, Philinus, Petrichus, Micton, Glaucias, Xeno-
crates.
Erstes Buch. 93
Siebenundzwanzigstes Buch.
Von den übrigen Kräutern und ihrer arzneilichen An-
wendung.
1. Vom Fleisse der Alten in dieser Beziehung.
2. Vom Aconitum oder Thelyphonum oder Myoctonum oder Cam-
marum.
3. Vom äthiopischen Kraute, 4.
4. Vom Ageratum, 4.
5. Von der Aloe, 29.
6. Von der Alcea, 29.
7. Vom Alypum, 1.
8. Von der Alsine oder Myosotus, oder Helxine, 5.
9. Von der Androsace, 6.
10. Vom Androssemum oder Ascyrum,
11. Von der Ambrosia oder Botrys oder Artemisia, 3.
12. Von der Anonis oder Ononis, 5.
13. Vom Anagyrus oder Atopus, 3.
14. Von dem Kraute ohne Namen, 2.
15. Von der Aparine oder Omphacocarpus oder Philantropus 3.
IG. Von dem Arctium oder Arcturum, 5.
17. Vom Asplenium oder Hemionium, 2.
18. Von der Asclepias, 5.
19. Vom Aster oder Bubonium, 3.
20. Vom Ascyrum oder Ascyroides oder Androssemum, 3.
21. Von der Aphaca, 3.
22. Vom Alcibium, 1.
23. Vom Alectorolophus oder Christa, 2.
24. Vom Alum oder Symphytum petrseum, 14.
25. Von der rothen Alge, 1.
26. Von der Actsea, 1.
27. Vom wilden Weinstock, 11.
28. Von 4 Arten des Absinthium, 48.
29. Vom Meer-Absinthium oder Seriphium.
30. Von der Ballota oder dem schwarzen Porrum, 3.
31. Von der Botrys oder Ambrosia oder Artemisia, 1.
32. Von der Brabyla, 1.
33. Vom Bryum marinum, 5.
34. Vom Bupleurum, 1.
35. Von der Catanance, 1 ; vom Cemus, 1.
36. Von der Calyx, 1.
37. Von der andern Calyx oder Anchusa oder Onoclea, 2.
38. Von der Circaea, 3.
39. Vom Cirsiura, 1.
94 Erstes Buch.
40. Von 2 Arten des Cratseogonum, 8.
41. Vom Crocodilium 2.
42. Von der Cynosorchis oder Orchis, 4.
43. Von 2 Arten des Chrysolachanum, 3; vom Coagulum terra?, 2„
44. Von dem Culicus oder Strumus oder Strychnos, 6.
45. Von der Conferva, 2.
46. Vom Coccum Gnidium, 2.
47. Vom Dipsacus, 3.
48. Vom Dryopteris, 2.
49. Vom Dryophonum, 1.
50. Von der Elatine, 2.
51. Vom Empetrus oder Calcifraga, 4.
52. Von der Epipactis oder Elleborine, 2.
53. Vom Epimedium, 3.
54. Vom Enneaphylluni, 3.
55. 2 Arten der Filix, Pteris, Blechnos, Thelypteris oder Pteris nym-
pha?a, 11.
56. Vom Femur bubulum,
57. Von der Galeopsis oder Galeobdolon oder Galium, 6.
58. Von der Glaux, 1.
59. Vom Glaucium, 3; vom Collyrium, 2.
60. Von der Glycysis oder Pseonia oder Pentorobum, 20.
61. Vom GnaphaKum oder Chameezelum, 6.
62. Von der Gallidraga, 1.
63. Vom Holcus oder Aristis.
64. Von der Hyoseris, 1.
65. Vom Holosteum, 3.
66. Vom Hippophsestum, 8.
67. Von der Hypoglossa, 1.
68. Vom Hypecoum.
69. Von der Idsea, 4.
70. Vom Isopyrum oder Phaseolus, 2.
71. Von der Lathyris, 2.
72. Vom Leontopetalum oder Rhapeion, 2.
73. Vom Lycapsus, 1.
74. Vom Litbospermum oder Exonychum', oder Diospyrus oder He-
racleum, 2.
75. Vom Steinmoos, 1.
76. Vom Limeum, 1.
77. Von der Leuce oder Mesoleuce oder Leucas, 3.
78. Von der Leucographis, 5.
79. Vom Medium, 3.
80. Von der Myosota oder Myosotis, 3.
81. Vom Myagrus, 1.
Erstes Buch. 9J>
82. Von der Nyma, 1.
83. Von der Natrix, 1.
84. Von der Odontites, 1.
85. Von der Othonna oder Anemone, 1.
86. Von der Onosma, 1.
87. Vom Onopordon, 5.
88. Von der Osyris, 4.
89. Von der Oxys, 2.
90. Vom Polyanthemum oder Batrachium, 3.
91. Von 4 Arten des Polygonum oder Thalassias oder Calligonum
oder Polygonatum oder Teuthalis oder Carcinethrum oder
Clema oder Myrtopetalum oder Sanguinaria oder Oreum, 40.
92. Vom Pancratium, 12.
93. Von der Peplis oder Syce oder Meconium aphrodes, 3.
94. Vom Periclymenus, 5.
95. Vom Pelicinum, 1.
96. Von der Polygala, 1.
97. Vom Poterium oder Phryniuin oder Neuras, 4.
98. Vom Phalangites oder Phalangiuni oder Leucantheinum oder Leu-
cacantha, 4.
99. Vom Phyteuma, 1.
100. Vom Phyllum, 1.
101. Vom Phellandrium, 2.
102. Von der Phalaris, 2.
103. Vom Polyrrhizum 5.
104. Von der Proserpinaca, 5.
105. Von der Rheucyma, 36.
106. Von der Reseda, 2.
107. Von der Stcechas, 3.
108. Vom Solanum oder Strychnos, 2.
109. Vom Smyrnium, 32; vom Sinum, 2.
110. Vom Telephium, 4.
111. Von der Trichoinanes, 5.
112. Vom Thalictrum, 1.
113. Vom Thlaspi oder persischen Senf, 4.
114. Von der Traehinia, 1.
115. Von der Tragonis oder Tragium, 1.
116. Vom Tragus oder Scorpio, 4.
117. Vom Tragopogon oder Coma, 1.
118. Von der Dauer der Wirksamkeit der Kräuter.
119. Unter welchen Umständen sie am wirksamsten sind.
120. Von den verschiedenen Krankheiten der Völker.
Zusammen: 602 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
9g Erstes Buch.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
C. Valgius, Pompejus Lenseus, Sextius Niger der in griechischer
Sprache geschrieben hat, Julius Bassus desgleichen, Antonius Castor,
Cornelius Celsus.
Von fremden Schriftstellern:
Theophrastus , Apollodorus, Democritus, Aristogiton, Orpheus,
Pythagoras, Mago, Menander welcher über nützliche Gegenstände
für das Leben geschrieben hat, Nicander.
Von Aerzten:
Mnesitheus, Callimachus, Timaristus, Simus, Hippocrates, Chry-
sippus, Diocles, Ophelion, Heraclides, Hicesius, Dionysius, Apollo-
dorus von Citium, Apollodorus von Tarent, Praxagoras, Plistonicus.
Medius, Dieuches, Cleophantus, Philistion, Asclepiades, Cratevas,
Petronius Diodotus, Jollas, Erasistratus , Diagoras, Andreas, Mnesis,
Epicharmus, Damion, Tlepolemus, Metrodorus, Solon, Lycus, die
Olympias von Theben, Philinus, Petrichus, Micton, Glaucias, Xeno-
crates.
Achtundzwanzigstes Buch.
Arzneimittel von den Thieren.
1 und 2. Arzneien vom Menschen.
3. Ob bei der Heilung die Worte irgend eine Kraft haben.
4. Dass Wunderzeichen als Heilmittel verordnet und dadurch die
Uebel vertrieben werden.
5. Von ihrer verschiedenen Anwendungsweise.
6. 226 Arzneien und Bemerkungen von Männern.
7. Vom Speichel.
8. Vom Ohrenschmalze.
9. Vom Haupthaare, den Zähnen etc.
10. Vom Blute, vom Beischlafe etc.
11. Arzneien von Todten.
12. Verschiedene Erdichtungen der Magier.
13. Vom Unrathe des Menschen.
14. Arzneimittel, welche vom menschlichen Geiste ausgehen (nicht
materiell sind).
15. Vom Niesen.
16. Vom Beischlafe.
17. Verschiedene Arzneien.
18. Vom Harne.
19. Anzeigen des Befindens aus der Besichtigung des Harns.
20. 41 Arzneien von weiblichen Personen.
21. Von der Frauenmilch.
22. Von dem weiblichen Speichel.
Erstes Buch. 97
23. Von dem Monatsflusse.
24. Von fremden Thieren; vom Elephanten, 8.
25. Vom Löwen, 10.
26. Vom Kameel, 10.
27. Von der Hyäne, 79.
28. Vom Krokodil, 19; vom Krokodilkothe, 11.
29. Vom Chamaeleon, 15.
30. Vom Scincus, 4.
81. Vom Flusspferde, 7.
32. Vom Luchs, 5.
33. Allgemeine Arzneien von wilden Thieren oder von zahmen der-
selben Art. Vom Gebrauche der Milch nebst 54 Bemerkungen.
34. Von den Käsen, 12.
35. Von der Butter, 25.
36. Von der sauren Milch.
37. Vom Gebrauche des Schmalzes nebst 52 Bemerkungen.
38. Vom Talge.
39. Vom Marke.
40. Von der Galle.
41. Vom Blute.
42. Besondere Arzneien von Thieren, nach den Krankheiten einge-
theüt. Gegen die Schlangen. Von den Hirschen, 3; von den
jungen Hirschen; vom Ophion; vom wilden Schweine, 12; von
den Ziegen und Böcken, 46; vom Esel, 76.
43. Gegen den Biss der tollen Hunde. Vom Kalbe, 58.
44. Gegen Hexereien.
45. Gegen Gifte.
46. Gegen Kopfübel; gegen Glatzen.
47. Gegen Augenübel.
48. Gegen Ohrenübel.
49. Gegen Zahnübel.
50. Gegen Fehler des Gesichts.
51. Gegen geschwollene Mandeln und Kröpfe. Von der Seife.
52. Gegen Schmerzen im Genick.
53. Gegen Husten und Blutauswurf.
54. Gegen Magenschmerzen.
55. Gegen Schmerzen der Leber und gegen schweres Athemholen.
56. Gegen Schmerzen der Lenden.
57. Für die Milz.
58. Für den Unterleib.
59. Gegen Stuhlzwang, Würmer und Kolik.
60. Bei Blasenleiden und Blasensteinen.
61. Bei Fehlern an den Geschlechtstheilen und am Hintern.
62. Beim Podagra und andern Fussübeln.
7
98 Erstes Buch.
63. Gegen Epilepsie.
64. Gegen Gelbsucht.
65. Bei Knochenbrüchen.
66. Gegen Fieber.
67. Bei Melancholie, Schlafsucht, Schwindsucht.
68. Bei "Wassersucht.
69. Gegen die Rose und gegen Schleimergüsse.
70. Bei Verrenkungen, Verhärtungen und Furunkeln.
71. Bei Brandschäden. Von dem Ochsenleime und 7 Arzneien daraus.
72. Bei Schmerzen der Sehnen und bei Contusionen.
73. Zum Stillen des Blutes.
74. Bei Geschwüren und Krebsschäden.
75. Gegen Krätze.
76. Zum Ausziehen dessen, was im Körper steckt und für Narben.
77. Bei weiblichen Krankheiten.
78. Bei Kinderkrankheiten.
79. Bei Träumen und Schweiss.
80. Mittel bei Liebeswerken und gegen die Trunkenheit.
81. Wunderbare Dinge von Thieren. Vom wilden Schweine, 12 Arz-
neien; vom zahmen, 9; vom Hirsche, 3; vom Wolfe, 27; vom
Bären, 24; vom wilden Esel, 12; vom zahmen, 76; vom Esels-
füllenkothe, 3; vom wilden Pferde, 11; vom Füllen, 1; vom
zahmen Pferde, 42; vom Pferdekäse, 1; vom wilden Ochsen, 2;
vom zahmen, 81; von der Kuh, 53; vom Kalbe, 59; vom Hasen,
64; vom Fuchse, 20; vom Dachse, 2; von der Katze, 5; von der
Ziege, 46; vom Bocke, 31; vom jungen Bocke, 21.
Zusammen: 1682 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, L. Piso, Fabianus, Valerius Antias, Verrius Flaccus,
der Censor Cato, Servius Sulpicius, Licinius Macer, Celsus, Massurius,
Sextius Niger der in griechischer Sprache geschrieben hat, Bythus
von Dyrrachium, der Arzt Opilius, der Arzt Granius.
Von fremden Schriftstellern:
Democritus, Apollonius der über die Salben geschrieben hat,
Miletus, Artemon, Sextilius, Antaeus, Homerus, Theophrastus, Lysi-
machus, Attalus, Xenocrates, Orpheus der über besondere Natur-
bildungen geschrieben hat, Archelaus desgleichen, Demetrius, Sotiras,
die Lais, die Elephantis, die Salpe, die Olympias aus Theben, Dio-
timus aus Theben, Jollas, Andreas, Marcion von Smyrna, der Arzt
Aeschines, Hippocrates, Aristoteles, Metrodorus Scepsius, der Arzt
Icetidas, der Arzt Apelles, Hesiodus, Dalion, Csecilius Bion der über
die Kräfte geschrieben hat, Anaxilaus, König Juba.
Erstes Buch. 99
Neunundz wanzigstes Buch.
Arzneimittel von den übrigen Thieren, welche entweder
zu den nicht zahmen oder zu den wilden gehören.
1. Vom Ursprünge der Heilkunst.
2. Von Hippocrates, wann die Klinik und wann die Salbenheilkunst
zuerst betrieben ist.
3. Von Chrysippus und Erasistratus.
4. Von der empirischen Arzneikunst.
5. Von Herophilus und den übrigen berühmten Ärzten. Wie oft
das Prinzip der Arzneikunst geändert ist.
6. Wer und wann der erste Arzt in Rom war.
7. Urtheil der Römer über die alten Ärzte.
8. Schattenseiten der Arzneikunst.
9. Von der Wolle, 35 Arzneien.
10. Von dem Oesipum, 32.
11. Von den Eiern, 22.
12. Von den Eiern der Schlangen.
13. Von der Bereitung des Commagenum, 4 Arzneien daraus.
14. Arzneien vom Hunde.
15. Arzneien nach den Krankheiten eingetheilt. Gegen den Biss der
Schlangen. Von der Maus.
16. Vom Wiesel.
17. Von den Wanzen.
18. Von den kleinen Giftschlangen.
19. Vom Basilisk.
20. Vom Drachen.
21. Von der Viper.
22. Von den übrigen Schlangen.
23. Vom Salamander.
24. Mittel von Vögeln gegen die Schlangen. Vom Geier.
25. Von den Hühnervögeln.
26. Von den übrigen Vögeln.
27. Von den giftigen und übrigen Spinnen.
28. Von den Stellionen.
29. Von verschiedenen Insecten.
30. Von den Canthariden.
31. Wider einige Gifte.
32. Wider den Biss der tollen Hunde.
33. Wider die übrigen Gifte.
34. Wider die Glatzen.
35. Wider Nisse und Grind.
36. Wider Schmerzen und Wunden des Kopfes.
37. Für die Augenbrauen.
100 Erstes Buch.
38. Wider Fehler der Augen.
39. Wider Schmerzen und Fehler der Ohren.
40. Wider Ohrengeschwüre.
Zusammen: 621 Arzneien, Erzählungen Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, L. Piso, Verrius Flaccus, Antias, Nigidius, Cassius
Hemina, Cicero, Plautus, Celsus, Sextius Niger der in griechischer
Sprache geschrieben hat, der Arzt Ca3cilius, Scipio Metellus, der
Dichter Ovidius, Licinius Macer.
Von fremden Schriftstellern:
Homerus, Aristoteles, Orpheus, Democritus, Anaxilaus,Palaephatus.
Von Aerzten:
Botrys, Apollodorus, Archidemus, Aristogenes, Xenocrates, Dio-
dorus, Democrates, der Philosoph Chrysippus, Horus, Nicander,
Apollonius von Pitanaea.
Dreissigstes Buch.
Die übrigen Arzneimittel von diesen Thieren.
1. Vom Ursprünge der Magie.
2. Wann und von wem sie gegründet ist; welche Personen sich
vorzüglich mit ihr befasst haben.
3. Ob sie in Italien geübt worden ist; wann zuerst der Senat ver-
boten hat, Menschen zu opfern.
4. Von den Druiden der Gallier.
5. Von den Arten der Magie.
6. Von den Ausflüchten der Magier.
7. Urtheil der Magier über die Maulwürfe; 5 Arzneien von letztern.
8. Gegen Zahnschmerzen.
9. Gegen den Geruch aus dem Munde und gegen Mundgeschwüre.
10. Gegen Flecken im Gesichte.
11. Gegen Krankheiten des Schlundes.
12. Gegen Bräune und Kröpfe.
13. Gegen Schmerzen der Schultern.
14. Gegen Schmerzen in den Praecordiis.
15. Gegen Magenschmerzen.
16. Gegen Leberschmerzen und Blutspeien.
17. Für die Milz.
18. Gegen Schmerzen der Seite und Lenden.
19. Gegen Dysenterie.
20. Gegen Darmgicht und sonstige Unterleibsübel.
21. liegen Blasensteine.
Erstes Buch. 101
22. Gegen Uebel des Afters und der Schaam.
23. Gegen Podagra und andere Fusskrankheiten.
24. Gegen Krankheiten des ganzen Körpers.
25. Gegen Erkältungen.
26. Gegen Lähmungen.
27. Gegen Epilepsie.
28. Gegen Gelbsucht.
29. Gegen Wahnwitz.
30. Gegen Fieber.
31. Gegen Wassersucht.
32. Gegen die Rose.
33. Gegen Karfunkeln.
34. Gegen Furunkeln.
35. Gegen Brandschäden.
36. Gegen Nervenleiden.
37. Gegen Fehler der Nägel und Finger.
38. Zum Blutstillen.
39. Gegen Geschwüre und Wunden.
40. Gegen Knochenbrüche.
41. Gegen Narben und Leberflecke.
42. Zum Ausziehen dessen, was im Körper steckt.
43. Gegen weibliche Krankheiten.
44. Zur Beförderung der Entbindung.
45. Zur Erhaltung der Brüste.
46. Zur Vertreibung der Haare.
47. Gegen Kinderkrankheiten.
48. Gegen Träume.
49. Gegen die Sucht des Beischlafs.
50. Gegen die Läusesucht nebst andern vermischten Arzneien.
51. Gegen Trunkenheit.
52. Merkwürdige Dinge von Tbieren.
53. Sonstige Wunder.
Zusammen: 854 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, Nigidius, M. Cicero, Sextius Niger der in griechischer
Sprache geschrieben hat, Licinius Macer.
Von fremden Schriftstellern:
Eudoxus, Aristoteles, Hermippus, Homerus, Apion, Orpheus, De-
mocritus, Anaxilaus.
Von Aerzten:
Botrys, Horus, Apollodorus, Menander, Archidemus, Aristogenes,
Xenocrates, Diodorus, Chrysippus, Nicander, Apollonius von Pitansea.
102 Erstes Buch.
Einunddrei ssigstes Buch.
Arzneimittel von dem Wasser.
1. Wunderbare Dinge vom Wasser. |
2. Verschiedenheiten des Wassers. I 266 Bemerkungen.
3. Arzneien davon.
4. Welches Fruchtbarkeit hervorbringt und Raserei heilt.
5. Welches bei Steinbeschwerden gut ist.
6. Welches Wunden heilt.
7. Welches die Leibesfrucht anhält.
8. Welches Leberflecken vertreibt.
9. Welches Einfluss auf die Farbe der Wolle hat.
10. Was es bei den Menschen bewirkt.
11. Welches Wasser das Gedächtniss stärkt und welches Vergessen-
heit macht.
12. Welches die Sinne schärft, welches Stumpfheit und welches die
Stimme zum Singen geschickt macht.
13. Welches Ekel vor Wein erzeugt und welches betrunken macht.
14. Welches die Stelle des Oels vertritt.
15. Welches salzig und bitter schmeckt.
16. Welches Felsen fortgeschleudert hat; welches Lachen und Weinen
bewirkt; welches die Liebeswuth heilen soll.
17. Wasser, das nach dem Schöpfen die Wärme 3 Tage lang behält.
18. Wunderbare Erzählungen vom Wasser; in welchem alles und in
welchem nichts untergeht.
19. Wasser, das tödtlich wirkt-, von giftigen Fischen.
20. Welches zu Stein wird oder Steine erzeugt.
21. Von der Heilsamkeit des Wassers.
22. Von seinen Verunreinigungen.
23. Von der Güte des Wassers.
24. Von der Aqua Marcia.
25. Von der Aqua Virgo.
26. Wo man Wasser vermuthen kann.
27. Merkmale, dass sich irgendwo Wasser befindet.
28. Unterschied des Wassers nach dem Erdreiche.
29. Beschaffenheit des Wassers nach den Jahreszeiten.
30. Geschichtliche Bemerkungen über Wasser, was plötzlich hervor-
gekommen und wieder verschwunden ist.
31. Von der Leitung des Wassers.
32. Wie man die Mineralwässer gebrauchen soll.
33. Vom Gebrauche des Meerwassers. Was uns die Schifffahrt nützt.
34. Wie man sich Meerwasser mitten im Lande machen kann.
35. Bereitung des Meerwassermeths.
56. Bereitung des Wassermeths.
Erstes Buch. 103
37. Mittel, sich auf Seereisen trinkbares Wasser zu verschaffen.
38. 6 Arzneien vorn Wassermoose. Arzneien vom Sande.
39. 204 Bemerkungen von den Salzarten, ihren Zubereitungen und
Arzneien.
40. Von der Salzsoole.
41. 120 geschichtliche Bemerkungen von der Vortrefflichkeit des
Salzes.
42. Von der Salzblüthe, 20 Arzneien; von der Salsugo, 2.
43. Vom Garum, 15.
44. Von der Alex, 8.
45. Von der Natur des Salzes; vom Salzschaume.
46. 221 Bemerkungen von den Nitruui- Arten, ihren Zubereitungen
und Arzneien.
47. 92 Arzneien und Bemerkungen von den Schwämmen.
Zusammen: 924 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, Cassius von Parma, Cicero, Mucianus, Cselius, Celsus,
Trogus, Ovidius, Polybius, Somatius.
Von fremden Schriftstellern:
Callimachus, Ctesias, Eudicus, Theophrastus, Eudoxus, Theopom-
pus, Polycritus, Juba, Lycus, Apion, Epigenes, Pelops, Apelles, Demo-
critus, Thrasyllus, Nicander, der Schauspieler Menander, Attalus, Sal-
lustius Dionysius, Andreas, Niceratus, Hippocrates, Anaxilaus.
Zweiunddreissigstes Buch.
Arzneimittel von den Wasserthieren.
1. Grösste Kraft der Natur in der Antipathie. Vom Schiffshalter.
2. Vom Zitterfische, 7 Arzneien.
3. Vom Seehasen, 5.
4. Wunderbare Erzählungen vom rothen Meere.
5. Von der Schlauheit und dem Verstände der Fische.
6. Merkwürdige Eigenthümlichkeiten der Fische.
" 7. Wo sie aus der Hand fressen.
8. Wo sie auf den Ruf erscheinen und wo man von Fischen weis-
sagende Antworten ertheilt.
9. Wo die Fische bitter, wo sie salzig, wo sie süss sind, und wo
sie einen Laut von sich geben.
10. Wann zuerst Seefische gebraucht worden sind. Eine Verordnung
des Königs Numa über die Fische.
11. 43 Arzneien und Bemerkungen von den Corallen.
104 Erstes Buch.
12. Von der Sympathie, Antipathie und der Feindschaft der Seethiere
unter einander. Vom Galeas, 15; vom Mullus, 15 und vom
Pastinak, 8.
13. Von den Thieren, welche auf dem Lande und im Wasser leben.
66 Arzneien und Bemerkungen von dem Castoreum.
14. Von der Schildkröte, 66 Arzneien und Bemerkungen.
15. Mittel von Wasserthieren, nach den Krankheiten eingetheilt.
16. Wider Gift und Giftmischerei. Vom Goldfisch, 4; vom Seesteme, 7.
17. Gegen den Biss der Schlangen und Hunde und gegen andere
giftige Thiere. Vom Seedrachen, 3; von den eingesalzenen
Fischen, 15; von den Sarden, |; vom Cybium.
18. Vom Seefrosch, 6; vom Flussfrosch, 52; vom Laubfrosch; 32 Be-
merkungen darüber.
19. Von der Wasserschlange, 6. Vom Flusskrebse, 14. Von den
Flussschnecken, 7. Von den rabenschwarzen Fischen, 4. Von
dem Meerschweine, 2.
20. Vom Seekalbe, 10; der Mursene 1; dem Seepferdchen 1; dem
Seeigel 11.
21. Von den Arten der Auster, 59 Bemerkungen und Arzneien.
22. Von dem Seetange, 2.
23. Gegen Glatzen, zum Färben der Kopfhaare und gegen Kopfge-
schwüre dienen: das Seepferd, die Seemaus, der Seescorpion,
die Blutsauger etc.
24. Für die Augen und Augenlider: Fischfett, der CaUionymus, die
Galle des Coracinus, die Sepien, Ichthyocolla etc.
25. Bei Fehlern der Ohren: die Batia, der Bacchus oder Myxon, die
Seeläuse.
26. Bei Zahnschmerzen: der Hai etc.
27. Bei Flechten und Flecken im Gesichte: der Delphin, die Coluthia
oder Corythia, das Halcyoneum, der Thunfisch etc.
28. Bei Kröpfen, Geschwüren hinter den Ohren, Bräune und Krank-
heiten des Schlundes: der Mama, Scolopender, Saurus, die
Muscheln, der Silurus etc.
29. Gegen Husten und Brustübel.
30. Bei Schmerzen der Leber und Seite : der Strombus oder die lange
Muschel, die Tethea etc.
31. Gegen Unterleibsbeschwerden: der Meerkohl, Myax, Mitulus, Pe-
loris, Seriphium, Maena, Erythinus etc.
32. Gegen Milz-, Stein- und Blasenschmerzen: der Solea, Rhombus,
Blendea, Seenessel, Seelunge, Onyx etc.
33. Bei Darmbruch und Leiden des Afters: die Wasserschlange, der
Mugil, Pelamis etc.
34. Gegen Fettbeulen und gegen Fehler an der Schaam: der Scisena,
Perca, Squatina, Smaris etc.
Erstes Buch. 105
35. Bei Unenthaltsamkeit des Hams: das Ophidion etc.
36. Bei Podagra und andern Fussleiden: der Biber, das Bryon etc.
37. Gegen Epilepsie.
38. Gegen Fieber: der Asellus, Phagrus, Wallfisch etc.
39. Gegen Schlafsucht, Schwindsucht und Wassersucht.
40. Gegen Brandschäden und die Rose.
41. Gegen Fehler der Nerven.
42. Zum Stillen und Ausziehen des Blutes: der Polyp, Blutigel etc.
43. Zum Ausziehen dessen was im Körper steckt.
44. Bei Geschwüren, Krebsschäden und Karbunkeln.
45. Gegen Warzen und rauhe Nägel: der Glanus etc.
46. Gegen weibliche Krankheiten: der Glauciscus etc.
47. Zum Wegbeitzen der Haare.
48. Gegen Kinderkrankheiten.
49. Gegen Trunkenheit: der Rubellio, Aal, die Seetraube.
50. Zur Verhinderung sowie zur Erregung der Lust des Beischlafs:
das Flusspferd, das Krokodil etc.
51. Gegen Krankheiten der Thiere.
52. Von den übrigen Wassergeschöpfen. Adarca oder Calamochnus,
Calamus, Sepientinte etc.
53. 176 Namen aller im Meere lebenden Thiere.
54. Die im Ovid befindlichen Namen.
55. Fische, die von keinem Schriftsteller genannt sind.
Zusammen: 990 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Licinius Macer, Trebius Niger, Sextius Niger der in griechischer
Sprache geschrieben hat, der Dichter Ovidius, Cassius Hemina, Mse-
cenas, Jacchus, Sornatius.
Von fremden Schriftstellern:
Juba, Andreas, die Salpe, Apion, Pelops, Apelles, Thrasyllus,
Nicander.
Dreiunddreissigstes Buch.
Von den Metallen.
1. Von den Metallen.
2. Vom Golde.
3. Welches seine erste Empfehlung ist.
4. Vom Ursprünge der goldenen Ringe.
5. Von der Goldmenge bei den Alten.
6. Von dem Rechte goldene Ringe zu tragen.
7. Von den Decurien der Richter.
8. Vom Ritterstande.
9. Wie oft der Name des Ritterstandes geändert ist.
106 Erstes Buch.
10. Von goldenen und silbernen Kriegsgeschenken.
11. Von den ersten goldenen Kränzen.
12. Von dem übrigen Gebrauche des Goldes bei den Frauen.
13. Von den Goldmünzen. Wann zuerst Gold und Silber geprägt ist;
wie man vorher das Kupfer gebrauchte und welche Geldsumme
bei der ersten Vermögensschätzung die grösste gewesen ist.
Wie oft und zu welchen Zeiten sich der Werth der geprägten
Kupfermünzen geändert hat.
14. Ueber die Sucht nach Gold.
15. Welche Personen am meisten Gold und Silber besessen haben.
16. Wann zuerst silberne Geräthschaften auf dem Kampfplatze er-
schienen. Wann Silber auf das Theater kam.
17. Zu welchen Zeiten das meiste Gold und Silber in der Schatzkam-
mer des römischen Volkes gewesen ist.
18. Wann die vergoldeten Zimmerdecken aufgekommen sind.
19. Warum das Gold den Vorzug von allen andern Metallen hat.
20. Vom Vergolden.
21. Vom Auffinden und Fördern des Goldes.
22. Vom Auripigment.
23. Vom Electrum.
24. Von den ersten goldenen Statuen.
25. 8 Arzneien vom Golde.
26. Von der Chrysocolla.
27. Ihre Anwendung in der Malerei.
28. 7 Arzneien von der Chrysocolla.
29. Von der Chrysocolla der Goldarbeiter oder der Saterna (Santerna).
30. Von der wunderbaren Eigenschaft, Metalle unter sich zu verbin-
den und zu verarbeiten.
31. Vom Silber.
32. Vom lebendigen Silber (natürlichen Quecksilber).
33. Vom Stimmi oder Stibium oder Alabastrum oder Larbasum oder
Platyophthalmum.
34. 7 Arzneien davon.
35. Von dem Silberschaume. 6 Arzneien davon.
36. Vom Minium; wie heilig es bei den Alten gehalten wurde.
37. Von seiner Auffindung und seinem Ursprünge.
38. Vom Cinnabaris.
39. Vom Gebrauche des Cinnabaris und Miniums in der Malerei.
40. Arten des Miniums, und seine Anwendung in der Malerei.
41. Vom (künstlich bereiteten) Quecksilber.
42. Von der Vergoldung des Silbers.
43. Von den Probirsteinen.
44. Arten des Silbers und Versuche damit.
45. Von den Spiegeln.
Erstes Buch. 107
46. Vom ägyptischen Silber.
47. Von übermässigen Geldsummen. Welche Personen die grössten
Schätze gehabt haben.
48. Wann das römische Volk zuerst Geldgeschenke ausgetheilt hat.
49. Von der Verschwendung in silbernen Gefässen.
50. Beispiele von Sparsamkeit der Alten im Silber.
51. Wann zuerst Silber an Betten angebracht ist.
52. Wann zuerst übermässig grosse Schüsseln, wann zuerst Gestelle
von Silber, wann zuerst Pauken gemacht sind.
53. Von übermässig theuren Silbersachen.
54. Von silbernen Statuen.
55. Berühmte Werke und Künstler in Silber.
56. Von dem Sil; welche Personen zuerst damit malten und wie.
57. Vom Bergblau
58. 2 Arzneien daraus.
Zusammen: 1125 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Kaiser Domitian, Corvinus, L. Piso, Verrius, M. Varro, C. Nepos,
Messala, Junius Gracchanus, Atticus Pomponius, Mucianus, Calvus
Licinius, Bocchus, Fetialis, Fenestella, Valerius Maximus, Julius Bas-
sus der in griechischer Sprache über die Arzneikunst geschrieben hat,
Sextius Niger desgleichen.
Von fremden Schriftstellern:
Democritus, Theophrastus, Juba, der Historiker Tiimeus welcher
über die metallischen Arzneien geschrieben hat, Heraclides, Andreas,
Diagoras, Botrys, Archidemus, Dionysius, Aristogenes, Democles,
Mnesides, der Arzt Attalus, Xenocrates des Zeno Sohn, Theomnestus,
Nymphodorus, Jollas, Apollodorus, Pasiteles der wunderbare Arbeiten
beschrieben hat, Antigonus der über die Kunst, erhabene und ge-
gossene Arbeiten zu machen, geschrieben, Mensechmus desgleichen,
Xenocrates desgleichen, Duris desgleichen, Menander der über die
Verfertiger solcher Arbeiten geschrieben, Heliodorus der über die
Tempelgeschenke der Atheniensergeschrieben, Metrodorus vonScepsis.
Vierunddreissigstes Buch.
Von den Metallen des Erzes.
1. Von den Metallen des Erzes.
2. Arten des Erzes.
3. Vom corinthischen Erze.
4. Vom delischen Erze.
5. Vom äginetischen Erze.
108 Erstes Buch.
6. Von den Leuchtern.
7. Von den Zierrathen der Tempel aus Erz.
8. Von den erzenen Tischen.
9. Welches Götterbild in Rom zuerst aus Erz gemacht ist. Vom
.Ursprünge der Bildsäulen und ihrem Ansehn.
10. Arten und Gestalten der Bildsäulen. Welche Bildsäulen zu Rom
mit einem Panzer versehen sind. Welche Bildsäulen zu Rom
die ersten waren.
11. Welchen Männern zuerst Bildsäulen gesetzt, welchen sie zuerst
auf einer Säule gesetzt sind; wann man die Schiffsschnäbel auf
die Rednerbühne gebracht hat.
12. Welchen Fremden zu Rom Bildsäulen öffentlich gesetzt sind.
13. Welche Reiterstatue zuerst zu Rom öffentlich aufgestellt ist, und
welchen Frauen in Rom dergleichen öffentlich gesetzt sind.
14. Wann alle von Privaten und Behörden aufgestellten Bildsäulen
von öffentlichen Orten weggeschafft sind.
15. Welche Bildsäule zuerst von Fremden öffentlich gesetzt ist.
16. Dass schon vor langer Zeit Bilclgiesser in Italien gewesen sind.
17. Von ungeheurem Werthe der Bildnisse.
18. Von den berühmtesten Riesenstatuen in Rom etc.
19. 366 berühmte Arbeiten und Künstler in Erz.
20. Der Unterschied des Erzes und seine Mischung. Vom Pyrop
und dem campanischen Erze.
21. Von der Erhaltung des Erzes.
22. Von der Cadmia.
23. 15 Arzneien daraus.
24. Von den Erzschlacken, der Erzblüthe und den Erzschuppen.
25. Von dem Stomoma; 47 Arzneien aus diesen vieren.
26. Vom Grünspan, 18.
27. Vom Hieracium.
28. Von der Scolecia, 18.
29. Vom Chalcitis, 7.
30. Vom Sory, 3.
31. Vom Misy, 13.
32. Vom Chalcanthum oder der Schusterschwärze, 16.
33. Vom Pompholyx.
34. Vom Spodos oder Spodium, 6.
35. Vom Antispodos oder Antispodium, 15.
36. Vom Spegma.
37. Vom Diphryges.
38. Vom servilischen Drittelass.
39. Vom Eisen.
40. Statuen und getriebene Arbeit aus Eisen.
41. Der Unterschied des Eisens und seine Mischung.
Erstes Buch. 109
42. Von dem sogenannten lebendigen (magnetis ch gemachten) Eisen.
43. Schutzmittel gegen das Rosten des Eisens.
44. 7 Arzneien vom Eisen.
45. 14 Arzneien vom Eisenroste.
46. Vom Eisenhammerschlage, 17. Von dem flüssigen Pflaster.
4>7. Von den Bleimetallen; vom weissen Blei; von dem doppelten
Ursprünge des schwarzen Bleies.
48. Vom Stannum; vom Silberblei.
49. Vom schwarzen Blei.
50. 15 Arzneien vom Blei.
51. Von der Bleischlacke, 15.
52. Spodium vom Blei.
53. Von der Molybdaena, 15.
54. Vom Bleiweiss, 6.
55. Vom Sandarak,
56. Vom Arsenicum, 11.
Zusammen: 915 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
L. Piso, Antias, Verrius, M. Varro, Corn. Nepos, Messala, Rufus,
der Dichter Marsus, Bocchus , Julius Bassus der in griechischer
Sprache über Arzneikunst geschrieben hat, Sextius Niger desgleichen,
Fabius Vestalis.
Von fremden Schriftstellern :
Democritus, Metrodorus von Scepsis, Mensechmus der über die
Kunst, erhabene und gegossene Arbeiten zu machen, geschrieben
hat, Xenocrates desgleichen, Antigonus desgleichen, Duris desglei-
chen, Heliodorus der über die Tempelgeschenke der Athenienser ge-
schrieben, Pasiteles der wunderbare Arbeiten beschrieben, Timseus
der über die metallischen Arzneien geschrieben, Nymphodorus, Jollas,
Apollodorus, Andreas, Heraclides, Diagoras, Botrys, Archidemus,
Dionysius, Aristogenes, Democles, Mnesides, Xenocrates des Zeno
Sohn, Theomnestus.
Fünfunddreissigstes Buch.
Von der Malerei und den Farben.
1. Ehre der Malerei.
2. Ehre der Gemälde.
3. Wann zuerst Brustbilder gemacht und öffentlich ausgestellt sind.
4. Wann sie in Häusern eingeführt sind.
5. Vom Ursprünge der Malerei; von dem Malen mit einer Farbe;
von den ersten Malern.
HO Erstes Buch.
6. Alter der Malerei in Italien.
7. Von den römischen Malern.
8. Wann die fremde Malerei zuerst in Rom gewürdigt ist.
9. Wann und durch welche Männer die Malerei zuerst in Rom
öffentlich gewürdigt ist.
10. Welche Personen ihre Siege in Gemälden aufgestellt haben.
11. Von der Art zu malen.
12. Von den natürlichen und künstlichen Farben und den Farben
zur Malerei, ausser den metallischen.
13. Von der sinopischen Erde, 11 Arzneien daraus.
14. Vom Röthel und der lemnischen Erde, 4 Arzneien aus letzterer.
15. Von der ägyptischen Erde.
16. Vom Ocher. 3 Arzneien vom Röthel.
17. Vom Leucophorum.
18. Von der paratonischen Erde.
19. Von der melischen Erde.
20. Von dem gebrannten Bleiweiss.
21. Von der eretrischen Erde. 6.
22. Vom Sandarak.
23. Vom Sandys.
24. Von der syrischen Erde.
25. Von dem Atrament.
26. Von der Purpurfarbe.
27. Von dem Indigo, 3.
28. Von der armenischen Farbe, 1.
29. Vom appischen Grün.
30. Von der Ringfarbe.
31. Welche Farben nicht nass aufgetragen werden.
32. Mit welchen Farben die Alten gemalt haben.
33. Wann zuerst die Kämpfe der Fechter bildlich dargestellt sind.
34. Von dem Alter der Malerei. 405 berühmte Gemälde und Maler.
35. Erster Wettstreit in der Malerei.
36. Welche mit dem Pinsel gemalt haben, was ein Ieder in der
Malerei erfunden hat, und was das Schwierigste in der Ma-
lerei ist.
37. Von den Arten der Malerei.
38. Von der Beschwichtigung des Gesanges der Vögel.
39. Welche enkaustisch und mit dem Pinsel gemalt haben.
40. Wer zuerst Zimmerdecken gemalt hat; wann zuerst gewölbte
Decken gemalt sind. Ausserordentliche Preise für Gemälde.
41. Von der enkaustischen Malerei.
42. Von bemalten Kleidern.
43. Die Erfinder der Plastik.
44. Wer zuerst Gesichter und andere Bilder abgenommen hat.
Erstes Buch. Hl
45. 14 berühmteste Künstler der Plastik.
-46. Arbeiten aus Thon.
47. Von den verschiedenen Erden; vom puteolanischen Staube und
anderen Erdarten, welche zu Stein erhärten.
48. Von den geformten Wänden.
49. Von den Ziegelsteinen.
50. Von den Arten des Schwefels; 14 Arzneien daraus.
,51. Von den Arten des Erdpechs, 27.
52. Von den Arten des Alauns, 38.
53. Von der samischen Erde, 3.
54. Arten der eretrischen Erde.
55. Von dem Waschen der Erde zum medicinischen Gebrauche.
56. Von der chiotischen Erde, 3; von der selirrasischen, 3; von der
Pnigitis, 9; von der Ampelitis, 4.
57. Vom Gebrauche der Kreide zu Kleidern; von der eimolischen, 8;
von der sardischen, der umbrischen und von der Steinkreide.
58. Von der Silberkreide. Mit welcher die übermächtigen Freige-
lassenen bezeichnet wurden.
59. Von der galatischen, clupeischen, balearischen und ebusitanischen
Erde, 4.
Zusammen: 956 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
Der Redner Messala, der alte Messala, Fenestella, Atticus, Ver-
rius, M. Varro, Corn. Nepos, Deculio, Mucianus, Melissus, Vitruvius,
Cassius, Severus Longulanus, Fabius Vestalis der über die Malerei
geschrieben hat.
Von fremden Schriftstellern:
Pasiteles, Apelles, Melanthius, Asclepiodorus, Euphranor, Helio-
dorus welcher die Tempelgeschenke zu Athen beschrieben hat, Me-
trodorus welcher über die Baukunst geschrieben hat, Democritus,
Theophrastus , der Grammatiker Apion welcher über die Kenntniss
der Metalle geschrieben hat, Nymphodorus, Andreas, Heraclides,
Jollas, Apollodorus, Diagoras, Botrys, Archidemus, Dionysius, Aristo-
genes, Democles, Mnesides, Xenocrates, Zeno, Theomnestus.
Sechsunddreissigstes Buch.
Von den Steinen.
1. Von der Verschwendung in Marmor.
2. Wer zuerst in öffentlichen Gebäuden Marmor angebracht hat.
3. Wer zuerst in Rom Säulen aus fremdem Marmor gehabt hat.
112 Erstes Buch.
4. Welche Personen zuerst in Bearbeitung des Marmors berühmt
waren und wann. 225 berühmte Werke und Künstler in Mar-
mor. Das carische Mausoleum.
5. Wann zuerst der Marmor in Gebäuden in Gebrauch gekom-
men ist.
6. Welche zuerst Marmor geschnitten haben und wann.
7. Wer zuerst in Rom die Wände damit überdeckt hat.
8. Wann die verschiedenen Marmorarten zu Rom in Gebrauch ge-
kommen sind.
9. Wie man Mamior schneidet; von dem Sande, mit welchem man
ihn schneidet.
10. Von dem naxischen und armenischen Steine.
11. Vom alexandrinischen Marmor.
12. Vom Onyx und dem Alabastrites, 6 Arzneien davon.
13. Vom lygdinischen, corallitischen, alabandischen, thebischen und
syenitischen Steine.
14. Von den Obelisken.
15. Von dem, welcher als Sonnenzeiger auf dem Marsfelde steht.
16. Andere wunderbare Werke. Von den Pyramiden.
17. Von der ägyptischen Sphinx.
18. Vom Pharus.
19. Von den Labyrinthen.
20. Von den hängenden Garten und einer hängenden Stadt.
21. Von dem Tempel der Diana zu Ephesus.
22. Andere merkwürdige Tempel.
23. Von dem flüchtigen Steine. Von dem siebenfachen Echo zu
Cyzicum. Von Gebäuden ohne Nägel, auch zu Rom.
24. 18 bewunderungswürdige Werke in Rom.
25. Vom Magnetsteine, 3 Arzneien.
26. Vom scyrischen Steine.
27. Vom sarkophagischen Steine zu Assus, 10.
28. Von dem Chernites und Porus.
29. Von knochenartigen und handförmigen Steinen; von dem täna-
rischen und caranischen Steine; vom schwarzen Marmor.
30. Von den Mühlsteinen. Von den Feuersteinen, 7.
31. Vom Ostracites, 4.
32. Vom Gaeodes, 3.
33. Vom Melitites, 6.
34. Vom Gagates, 6.
35. Vom Schwammsteine, 6.
36. Vom phrygischen Steine.
37. Vom Blutsteine, 5; vom Schiefer, 7.
Erstes Buch. 113
38. Vom äthiopischen Steine; dem Androdamas, 2; dem arabischen;
dem Miltites oder Hepatites, dem Anthracites.
39. Vom Adlersteine; vom taphiusischen Steine und dem Callimus.
40. Vom samischen Steine, 8.
41. Vom arabischen Steine, 6.
42. Vom Bimssteine, 9.
43. Von den Mörsern zu Arzneien und anderen Dingen. Von etesi-
sischen, thebaischen und hagelartigen Steinen.
44. Vom siphnischen und den weichen Steinen.
45. Vom Spiegelsteine.
46. Vom Leuchtsteine.
47. "Von den Wetzsteinen.
48. Von den Tofsteinen.
49. Von den Kieselsteinen.
50. Von den übrigen Bausteinen.
51. Von der Zusammenfügung der Steine.
52. Von den Cisternen.
53. Vom Kalke.
54. Von den Arten des Sandes. Von der Mischung des Sandes mit
Kalk.
55. Von den Fehlern im Bauen. Von den Tünchwerken.
56. Von den Säulen und ihren Arten.
57. 5 Arzneien vom Kalke.
58. Von der Maltha.
*9. "Vom Gypse.
£0. Von den Aestrichen. Von dem sogenannten ungefegten Hause.
61. Wann in Rom der erste Aestrich gemacht ist.
62. Von den Aestrichen unter freiem Himmel.
63. Von den griechischen Aestrichen.
■64. Wann zuerst Musivarbeit und wann zuerst gläserne gewölbte
Decken gemacht sind.
65. Ursprung des Glases.
66. Seine Arten und wie sie dargestellt werden.
67. Von dem obsidianischen Glase. Hsematinon.
68. Wunderbare Dinge vom Feuer.
69. 3 Arzneien von dem Feuer und der Asche.
70. Wunderzeichen auf einem Heerde.
Zusammen: 434 Arzneien, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M. Varro, Cselius, Galba, Cincius, Mucianus, Com. Nepos, L. Piso,
Q. Tubero, Seneca, Fabius Vestalis, Annius Fetialis, Fabianus, der
Censor Cato, Vitruvius.
Von fremden Schriftstellern:
Theophrastus, Pasiteles, König Juba, Nicander, Sotacus, Sudines,
8
114 Erstes Buch.
Alexander Polyhistor, Apion, Plistonicus, Durides, Herodotus, Euhe-
merus, Aristagoras, Dionysius, Artemidorus, Butoridas, Antisthenes,.
Demetrius, Demoteles, Lyceas.
Siefoenunddreissigstes Buch.
Von den Edelsteinen.
1. Ursprung der Edelsteine.
2. Von dem Edelsteine des Tyrannen Polycrates.
3. Von den Edelsteinen des Pyrrhus.
4. Von den berühmtesten Steinschneidern.
5. Von der ersten Edelsteinsammlung in Rom.
6. Von den Edelsteinen, welche in dem Triumphe des M. Pompejus-
mitgebracht sind.
7. Wann zuerst die mun-hinischen Geschirre gemacht sind, und von
der Verschwendung damit.
8. Von der Beschaffenheit der murrhinischen Geschirre.
9. Von dem Krystall und den Arzneien daraus.
10. Von der Verschwendung in Krystall.
11. Vom Bernsteine; was die Schriftsteller Falsches von ihm berichtet
haben.
12. Arten des Bernsteins und 6 Arzneien daraus.
13. Vom Luchssteine, 2.
14. Von den Edelsteinen nach ihren Hauptfarben.
15. 6 Arten des Diamants; 2 Arzneien daraus.
16. Von den Smaragden.
17. 12 Arten derselben.
18. Ihre Fehler.
19. Vom Tanus und Kupfersmaragd.
20. 8 Arten des Berylls und ihre Fehler.
21. 7 Arten des Opals.
22. Bare Fehler und Prüfung auf ihre Ächtheit.
23. Vom Sardonyx, seinen Arten und Fehlern.
24. Von den Arten des Onyx.
25. 12 Arten des Karbunkels.
26. Ihre Fehler und Prüfung auf ihre Ächtheit.
27. Vom Anthracitis.
28. Vom Sandastrus oder Sandaresus.
29. 4 Arten des Lampensteins.
30. Vom carchedonischen Karbunkel.
31. 5 Arten des Sarda.
32. 2 Arten des Topas.
Erstes Buch. 115
33. Vom Callais.
34. 3 Arten des Prasius.
35. Vom Nilius.
36. Vom Molochites.
37. 14 Arten des Jaspis und ihre Fehler.
38. Von den Arten des Blausteins.
39. Von den Sapphiren.
40. 4 Arten des Amethysts.
41. Vom Hyacinth.
42. 7 Arten des Chrysoliths.
43. Vom Chryselectrum.
44. 4 Arten des Leucochrysus.
45. Vom Melichrysus und Xuthus.
46. Vom Psederus oder Sangenos oder Tenites.
47. Vom Asteria.
48. Vom Astrius.
49. Vom Astroites.
50. Vom Astrobolus.
51. 4 Arten des Ceraunia; von dem Ba^tylos.
52. 2 Arten des Iris.
53. Vom Leros.
54. Die übrigen Edelsteine in alphabetischer Ordnung. 1. Achates.
2. Acopos und Arzneien davon. 3. Alabastrites und Arzneien
davon. 4. Alectoria?. 5. Androdamas. Argyrodamas. 6. Anti-
pathes. 7. Arabica. 8. Aromatites. 9. Asbestos. 10. Aspi-
sates. 11. Atizce. 12. Augites. 13. Amphidanes oder Chry-
socolla. 14. Aphrodisiaca. 15. Apsyctos. 16. Aegyptilla.
55. 1. Balanitae. 2. Batrachita?. 3. Baptes. 4. Oculus Beli. 5. Belus.
6. Baroptenus oder Barippe. 7. Botryites. 8. Bostrychites.
9. Bucardia. 10. Bronte. 11. Bolce.
56. 1. Cadmitis. 2. Callais. 3. Capnitis. 4. Cappadocia. 5. Callaina.
6. Catochitis. 7. Catoptritis. 8. Cepitis oder Cepolatitis.
9. Ceramites. 10. Cina?dia?. 11. Ceritis. 12. Circos. 13. Corsio-
des. 14. Coralloachates. 15. Corallis. 16. Craterites. 17. Cro-
callis. 18. Cytis. 19. Chalcophonos. 20. Chelidoniae. 21. Che-
lonia. 22. Chelonitis. 23. Chloritis. 24. Choaspitis. 25. Chry-
solampis. 26. Chrysopis. 27. Ceponides.
57. 1. Daphnia. 2. Diadochos. 3. Diphyes. 4. Dionysias. 5. Dra-
contites.
58. 1. Encardia oder Ariste. 2. Enorchis. 3. Exebenus. 4. Erythallis.
5. Erotylos oder Amphicome oder Hieromnemon. 6. Eumeces.
7. Eumithres. 8. Eupetalos. 9. Eureus. 10. Eurotias. 11. Eu-
sebes. 12. Epimelas.
8*
11(5 Erstes Buch.
59. 1. Galaxias. 2. Galactites oder Leucogaeas oder Leucographitis
oder Synnephitis. 3. Gallaica. 4. Gassinnade. 5. Glossopetra.
6. Gorgonia. 7. Gonisea.
60. 1. Hiliotropion. 2. Hephsestitis. 3. Herrnusedseon. 4. Hexeconta-
lithos. 5. Hieracitis. 6. Hammitis. 7. Hörn des Hammon.
8. Hormesion. 9. Hysenise. 10. Haamatites.
61. 1. Ideei dactyli. 2. Icterias. 3. Jupiters Stein. 4. Indica. 5. Ion
62. 1. Lepidotis. 2. Lesbias. 3. Leucophthalmos. 4. Leucopsecilos.
5. Libanochrus. 6. Limoniatis. 7. Lipare. 8. Lysimacbos.
9. Leucochrysos.
63. 1. Memnonia. 2. Medea. 3. Meconites. 4. Mithrax. 5. Morochi-
tes. 6. Morion oder Pramnium oder Alexandrinum. 7. Myr-
rbites. 8. Myrmecias. 9. Myrsinitis. 10. Mesoleucos. 11. Me-
somelas.
64. 1. Nasamonitis. 2. Nebritis. 3. Ninparena.
65. 1. Oica. 2. Ombria oder Notia. 3. Oritio oder Sideritis. 4. Ostra-
cias oder Ostracitis. 5. Ophicardelos. 6. Obsidiana. 7. Ono-
cardia.
66. 1. Panchrus. 2. Pangonius. 3. Paneros oder Panerastus. 4. Vier
Arten des Pontica. 5. Phloginos oder Cbrysitis. 6. Phcenicitis.
7. Phycitis. 8. Perireucos. 9. Pseantides oder Gseanides.
67. 1. Sonnenstein. 2. Sagda. 3. Samothracia. 4. Sauritis. 5. Sar-
citis. 6. Selenitis. 7. Sideritis. 8. Sideropoecilos. 9. Spongitis.
10. Synodontitis. 11. Syrtides. 12. Syringitis.
68. 1. Trichrus. 2. Thelyrrhizos. 3.Thelycardios oder Mulc. 4. Tra-
cia, drei Arten. 5. Tephritis. 6. Tecolithos.
69. 1. Venushaar. 2. Vejentana.
70. 1. Zathene. 2. Zmilampis. 3. Zoraniscsea.
71. Edelsteine, welche nach Gliedern des Körpers benannt sind. He-
patitis, Steatitis, Adadunephros, Adaduophthahnos, Adadudac-
tylos, Triophthalmos.
72. Edelsteine, welche ihren Namen von Thieren haben. Carcinias,
Echitis, Scorpitis, Scaritis, Triglitis, Aegophthalmos , Hyoph-
thalmos, Geranitis, Hieracitis, Aetitis, Myrraecitis, Cantharias
Lycophthalmos, Taos, Chehdonias.
73. Von den übrigen Steinen. Ammochrysos, Cenchritis, Dryitis,
Cissitis, Narcissitis, Cyamea, Pyren, Phönicitis, Chalazias, Py-
ritis, Polyzonos, Astrapias, Phlogitis, Anthracitis, Enygros.
Polytrichos, Leontios, Pardalios, Drosolithos, Melichrus, Melich-
loros, Polias, Spartopolias, Rhoditis, Chalcitis, Sycitis, Bostry-
chitis, Gernitis, Ananchitis, Synochitis, Dendritis etc.
74. Von plötzlich entstandenen neuen Edelsteinen und solchen, die
keinen Namen haben. Von den Cochliden.
75. Von der Gestalt der Edelsteine.
Erstes Buch. 117
76. Von der Prüfung der Edelsteine.
77. Vergleichung der Natur nach den Ländern; Vergleichung der
Naturdinge nach ihrem Werthe.
Zusammen: 1300 Gegenstände, Erzählungen und Bemerkungen.
Von römischen Schriftstellern sind benutzt:
M.Varro, die Triumph- Akten, Mascenas, Jacchus, Cornelius Bocchus.
Von fremden Schriftstellern:
König Juba, Xenocrates des Zeno Sohn, Sudines, Aeschylus, Phi-
loxenus, Euripides, Nicander, Satyrus, Theophrastus, Chares, Phile-
mon, Demostratus, Zenothemis, Metrodorus, Sotacus, Pytheas, Timseus
aus Sicilien, Theochrestus, Asarubas, Mnaseas, Theomenes, Ctesias,
Mithridates, Sophocles, König Archelaus, Callistratus, Democritus,
Ismenias, Olympicus, Alexander Polyhistor, Apion, Horus, Zoroaster,
Zachalias.
Zweites Euch.
Von der Welt und den Elementen.
1.
Wir haben Ursache zu glauben, dass die Welt und
das, was wir mit einem andern Namen Himmel nennen,
dessen Wölbung alles bedeckt, etwas Göttliches, Ewiges,
Unermessliches sei, welches weder erzeugt ist, noch unter-
gehen wird. Ueber dieses hinaus zu forscheu, nützt weder
dem Menschen, noch vermag sein Geist es deutend zu er-
fassen. Sie ist heilig, ewig, unermesslich, ganz in dem
Ganzen, ja sie ist selbst das Ganze; begrenzt und doch
scheinbar unendlich, sicher in allen ihren Theilen und doch
scheinbar unsicher; sie umfasst alle Dinge in sich; sie ist
zugleich ein Werk der Natur und die Natur selbst.
Es war thöricht, dass Einige über ihre Grösse nach-
dachten und dieselbe auszusprechen wagten; Andere wie-
derum, diess benutzend, von unzähligen Welten redeten,
so dass man eben so viele Naturen, oder, wenn Eine alle
jene belebte, doch ebensoviele Sonnen, ebensoviele Monde
und die übrigen unermesslichen und unzähligen Gestirne
in einer annehmen müsste; als wenn nicht, bei dem Wunsche
nach einem Ziele, am Ende des Nachdenkens dieselbe Frage
immer wieder kehrte, oder, weun diese Unendlichkeit der
Natur dem Urheber aller Dinge zugeschrieben werden
könnte, sich jenes nicht leichter an eiuem einzigen, so
grossen Werke erkennen Hesse. Unsinn, wahrer Unsinn
ist es, noch weiter zu gehen und nach Dingen zu forschen,
Zweites Buch. 119
welche ausser ihr liegen, als wäre ihr ganzer Inhalt schon
völlig bekannt, gerade wie wenn Jemand das Maass von
einem Gegenstande, den er noch nicht kennt, ausmitteln,
oder, der menschliche Geist etwas erspähen wollte, was
die Welt selbst nicht umfasst.
2.
Dass ihre Gestalt die einer vollkommenen Kugel sei,
lehrt besonders ihr Name und die Uebereinstimmung aller
Völker darin, dass sie sie Orbis x) nennen, dann aber auch
die in ihr selbst liegenden Beweise. Denn eine solche
Figur neigt sich in allen ihren Theilen zu sich selbst, muss
sich selbst tragen, schliesst sich ein und hält sich ohne
Beihülfe von Banden, hat kein Ende und keinen Anfang
in allen ihren Theilen; sie ist ferner für die Bewegung,
worin sie sich, wie wir bald zeigen werden, beständig
drehen muss, die schicklichste Form. Endlich lehrt es auch
der Augenschein, weil sie gewölbt ist, und man überall in
der Mitte sich befindet, was bei einer anderen Figur nicht
möglich wäre.
3.
Der Auf- und Untergang der Sonne setzen es ausser
Zweifel, dass die so gestaltete Welt im ewigen ununterbro-
chenen Umlaufe mit unbeschreiblicher Schnelligkeit, ihre
Bahn in 24 Stunden vollendet. Ob durch den beständigen
Umschwung einer solchen Last ein ausserordentliches und
über unsere Hörkraft hinausgehendes Geräusch entsteht,
kann ich eben so wenig behaupten, als dass das Getön
der umeinander wandelnden und im Kreise sich drehenden
Gestirne eine liebliche und von unglaublicher Anmuth be-
gleitete Harmonie sei. Für uns, die wir mitten darin leben,
verfolgt die Welt Tag und Nacht ihren Lauf ruhig. Dass
ihr unzählige Gestalten von Thieren und Gegenständen
aller Art aufgedrückt sind, und dass sie nicht, wie wir
von den Eiern der Vögel wahrnehmen, ein völlig glatter
Körper ist, wie doch sehr berühmte Schriftsteller behauptet
') Hier in der Bedeutung von Himmel, Himmelsgewölbe, Weltall.
120 Zweites Buch.
haben,1) geht aus vielen Gründen hervor; denn aus den
von dort herabgefallenen und meistens vermischten Samen
aller Dinge entstehen besonders im Meere unzählige wunder-
bare Gestalten. Ausserdem erblicken wir mitten in einem
helleren Kreise2) über uns, hier die Gestalt eines Wagens,
dort eines Bären, dort eines Stieres, dort eines Buchstaben.3)
Ich werde hier noch an die einstimmige Meinung der Völker
erinnert. Denn, was die Griechen xoafiog oder Schmuck
nennen, das nennen auch wir wegen ihrer vollkommenen
Schönheit Mundus. Den Himmel aber hat man nach der
Erklärung M. Varro's4) von der getriebenen Arbeit caelum
genannt. Diess beweist noch die Ordnung der Gegenstände
an dem sogenannten Thierkreise, welcher in 12 Thierbilder
getheilt ist, und die so viele Jahrhunderte lang durch jene
Bilder gleichmässig gehende Bahn der Sonne.
4.
Auch über die Existenz von vier Elementen5) scheint
kein Zweifel zu obwalten. Das höchste ist das Feuer; da-
von entstand jene gleich Augen schimmernde Menge vor*
Sternen. Demnächst kommt die Luft, welche die Griechen
und wir mit ein und demselben Worte A'er (dtjg) nennen.
Sie ist das belebende, alles durchdringende, und mit allem
in Verbindung stehende; durch ihre Kraft getragen schwebt
die Erde in der Mitte der Welt, mit dem vierten Elemente,
dem Wasser. So wird durch wechselseitige Verbindung
Verschiedenartiges verknüpft, das Leichtere durch Gewichte
verhindert zu entfliehen und das Schwere, damit es nicht
herabstürze, in leichter Spannung in der Luft gehalten.
Ein gleichmässiges Streben nach verschiedenen Richtungen
') Wahrscheinlich Plato im Timäus und Cic. de nat. Deor. II. 18.
2) Die Milchstrasse.
3) Das in Form des griechischen Delta aus 3 Sternen bestehende
hell leuchtende Sternbild in der Cassiopeja.
4) De lingua latina IV. 3. — M. Terentius Varro, der gelehrteste
Römer seiner Zeit, wurde 116 v. Chr. geb. und starb 27 v. Chr.
5) Nach der Lehre des sicilianischen Philosophen Empedokles
(zu Agrigent um 440 v. Chr.)
Zweites Buch. 121
bewirkt, dass jedes der 4 Elemente durch seine eigene Kraft
besteht und durch den ununterbrochenen Umschwung der Welt
selbst zusammengehalten wird. Während diese nun beständig
um sich schwingt, bildet die Erde den innersten und mit-
telsten Theil in dem Weltall, in dessen Axe sie schwebt,
und dem Medium, welches sie trägt, das Gleichgewicht
haltend. Sie allein ist unbeweglich,1) während die übrigen
Himmelskörper sich um sie wälzen, sie umschlingen und
sich zu ihr neigen. Zwischen der Erde und dem Himmel
schweben in derselben Luft, und durch bestimmte Räume
getrennt, 7 Gestirne,2) welche wir wegen ihres Laufes Irr-
sterne (Planeten) nennen, obgleich sie doch nichts weniger
als irren. Von ihnen befindet sich die Sonne, ein Gestirn
umfassendster Grösse und Macht, in der Mitte, unter deren
Einfluss nicht nur die Zeiten und Länder, sondern auch
die Sterne und der Himmel selbst stehen. Wohl ziemt es
uns daher, in Anerkennung ihrer Wirkungen, sie für die
Seele der ganzen Welt zu halten, ihr die höchste Herrschaft
der Natur und göttliche Kraft beizulegen. Sie giebt den
Gegenständen das Licht und verscheucht die Finsterniss;
sie verdunkelt durch ihren Schimmer die übrigen Gestirne;
sie bestimmt den Wechsel der Jahreszeiten und das nach
Naturgesetzen sich immer wieder erneuernde Jahr; sie
zerstreuet die Düsterheit des Himmels, und erheitert selbst
das traurige Gemüth des Menschen; sie giebt auch den
') Eine im Alterthum oft vorkommende, aber auch ebenso oft
bestrittene Behauptung. Plato, Aristoteles und Ptolemseus stellten
sich die Erde weder als rotirend noch fortschreitend, sondern als
unbeweglich im Mittelpunkte stehend, vor. Nach dem Berichte des
Philolaus aus Croton lehrten die Pythagoräer die fortschreitende Be-
wegung der nicht rotirenden Erde, ihren Kreislauf um den Weltheerd
(das Centralfeuer, Hestia). Hicetes aus Syrakus, der mindestens älter
als Theophrast ist, Heraclides aus Pontus und Ecphantus kannten
die Axendrehung der Erde; aber nur Aristarchus von Samos und be-
sonders Seleucus der Babylonier, anderthalb Jahrh. nach Alexander,
wussten, dass die Erde nicht bloss rotire, sondern sich zugleich auch
um die Sonne, als das Centrum des ganzen Planetensystems, bewege.
2) Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur und Mond.
122 Zweites Buch.
übrigen Sternen ihr Licht. Sie ist herrlich, über alles er-
haben, allsehend und allhörend, wie Homer,1) der Vater der
Gelehrsamkeit, an einer Stelle2) so schön sagt.
5.
Ich halte es daher für ein Zeichen menschlicher Schwäche,
das Bild und die Gestalt Gottes zu erforschen. Wer auch
Gott ist, wenn es noch einen giebt und wo er sich befin-
det, so ist er ganz Sinn, Gesicht, Gehör, Seele, Geist und
ganz er selbst. Aber an unzählige Götter glauben und so-
gar nach den Tugenden und Lastern der Menschen an
einen Gott der Schaamhaftigkeit, Eintracht, Klugheit, Hoff-
nung, Ehre, Milde, Treue, oder (wie Democrit3) sagt) an
zwei, ein Wesen der Bestrafung und Belohnung, zeugt von
einem noch grösseren Unverstände. Die gebrechlichen und
mühseligen Menschen haben, ihrer Schwachheit eingedenk,
die Gottheit in Theile getheilt, damit ein Jeder den Theil
verehre, dessen er am meisten bedarf. Daher finden wir
bei andern Völkern andere Namen von zahllosen Göttern;
auch sind unterirdische Dinge, Krankheiten und viele böse
Seuchen in Gattungen getheilt, weil wir sie in zagender
Furcht besänftigt wissen möchten.
So hat man auf dem palatinischen Berge einen Tempel
des Fiebers, einen Tempel der Laren4), einen Altar für die
Orbona5) und für das böse Geschick einen auf dem exqui-
linischen Hügel eingeweiht. Die Zahl der Götter muss
grösser als die der Menschen ausfallen, weil ein Jeder für
sich so viele Götter macht, indem er sich eine Juno6) oder
einen Genius7) wählt. Gewisse Völker aber halten Thiere
und sogar schmutzige, desgleichen viele Dinge, die ich mich
') Der allbekannte griechische Dichter, über dessen Lebensver-
hältnisse wir nichts Näheres wissen.
2) Iliade III. 277.
3) Von Abdera, lebte 469—361 v. Chr.
4) Hausgötter, sie wurden aber auch öffentlich verehrt.
5) Göttin der Eltern, die ihrer Kinder beraubt sind.
6) Junonen hiessen die Schutzgeister des weiblichen Geschlechts.
7) Genien waren die Schutzgeister des männlichen Geschlechts.
Zweites Buch. 123
zu nennen schäme, für Götter, und schwören bei stinkenden
Speisen und ähnlichen Sachen. Dass man aber glaubt,
unter den Göttern fänden Ehen statt, aus welchen in langer
Zeit keine Kinder geboren würden; ferner, einige von ihnen
wären sehr alt und immer Greise, andere Jünglinge und
Knaben, von schwarzer Farbe, geflügelt, lahm, aus einem
Eie gekommen, abwechselnd einen Tag lebendig und todt,
das grenzt an kindischen Wahnsinn. Allein alle Unver-
schämtheit übersteigt es, wenn man Ehebruch, Zank, Hass
unter ihnen, ja sogar Gottheiten des Diebstahls und der
Verbrechen annimmt.
Wer dem Sterblichen hilft, der ist ihm ein Gott und
das ist der Weg zum ewigen Ruhme. Ihn gingen die be-
rühmtesten Römer, ihn wandelt jetzt im himmlischen
Schritte mit seinen Kindern der grösste Herrscher unsers
Zeitalters, Vespasianus Augustus, als ein Retter in der
Noth. Das ist die älteste Sitte, dass man sehr verdiente
Männer, um sich ihnen dankbar zu erweisen, unter die
Götter versetzt. So sind auch die Namen aller übrigen
Götter und der oben genannten Gestirne von verdienstvollen
Männern entstanden. Wer sollte es nicht natürlich finden,
dass es einen Jupiter oder Merkur oder Andere anders
benannte gegeben habe, und dass ein himmlisches Namens-
verzeichniss existire? Lächerlich aber ist die Behauptung,
dass ein höchstes Wesen sich um die Angelegenheiten der
Menschen kümmere. Sollen wir nicht glauben, dass es
durch ein so trauriges und vielseitiges Amt entehrt werde?1)
Es ist in der That zu bezweifeln und kaum zu entscheiden,
ob es dem menschlichen Geschlechte dienlicher sein würde,
wenn Einige den Göttern keine, oder Andere ihnen nur
eine Verehrung erzeigen, die ihnen zur Schande gereicht.
Diese dienen auswärtigen heiligen Gebräuchen, tragen
Götter an den Fingern, verdammen wohl gar die Unge-
heuer, welche verehrt werden, ersinnen Speiseopfer und
') Dies war die Meinung Epikurs, zu dessen Lehren sich Plinius
bekannte.
124 Zweites Buch.
behandeln sie tyrannisch, indem sie ihnen nicht einmal
ruhigen Schlaf gönnen. Keine Ehen werden eingegangen,
keine Kinder gewählt und überhaupt nichts ohne heilige
Gebräuche unternommen. Andere betrügen auf dem Kapi-
tolio, und schwören Meineide beim donnernden Zeus; und
ihnen nützen die Schlechtigkeiten, jenen aber bringt ihr
heiliges Wesen Strafe.
Zwischen diesen beiden Meinungen erdachten sich
jedoch die Sterblichen eine mittlere Gottheit, damit ja die
Verwirrung recht vollständig wäre. In der ganzen Welt,
an jedem Orte und zu jeder Stunde wird nämlich von
allen Stimmen die Fortuna allein angerufen und genannt;
sie allein wird angeklagt, beschuldigt, nur an sie gedacht,
nur sie gelobt und getadelt und mit Schimpfen verehrt.
Man hält sie für veränderlich, grösstenteils aber für blind,
für unstet, unbeständig, unsicher, wankelhaft und für eine
Gönnerin Unwürdiger. Ihr werden alle Ausgaben, ihr
alle Einnahmen zugeschrieben, und in dem Rechnungsbuche
der Sterblichen füllt sie allein beide Seiten aus. So sehr
sind wir also dem Zufall unterworfen, dass dieser selbst
für einen Gott gilt, und dieser Gott daher für unzuverlässig
gehalten wird.
Andere verwerfen auch diese Ansicht, und schreiben
alle Begebenheiten ihrem Gestirne und dessen Stande bei
der Geburt zu; sie glauben, alles Zukünftige sei von Gott
ein für allemal beschlossen, um das Uebrige kümmere er
sich nicht. Diese Meinung fängt an, Eingang zu gewinnen,
und die gelehrte sowie die rohe Menge läuft ihr zu. Daher
entstanden die Warnungen durch Blitze, die Prophezeihun-
gen der Orakel, die Weissagungen der Haruspices, und um
auch das Geringste zu nennen, die Bedeutung des Niesens
bei den Auguren und des Anstossens mit den Füssen. Der
göttliche Augustus t) erzählt, dass ihm an dem Tage, wo ihm
') Der bekannte römische Kaiser, Sohn des C. Octavius und der
Atia, Grossneffe von mütterlicher Seite des Jul. Caesar, geb. 63 v. Chr.,
starb 13 n. Chr.
Zweites Buch. 125
ein militärischer Aufstand gefährlich zu werden drohte, der
linke Schuh verkehrt angezogen worden sei. *) Alles diess
beweist, dass die Menschen nichts vorher wissen; nur so
viel ist gewiss, dass es nichts Gewisses giebt, und dass
nichts ehuder und stolzer ist als der Mensch. Denn die
übrigen lebenden Geschöpfe sorgen nur für ihre Nahrung,
welche ihnen die gütige Natur freiwillig in reichlicher
Menge spendet; schon das eine ist allen Gütern vorzuziehen,
dass sie über Ruhm, Geld, Ehrfurcht und den Tod nicht
nachdenken.
Allein bei alledem dürfen wir aus dem täglichen Leben
schliessen, dass die Götter sich der menschlichen Angele-
genheiten annehmen, dass die Strafen für die Verbrechen
von der so sehr beschäftigten Gottheit zwar etwas aufge-
schoben, nie aber unterbleiben werden, und dass der Mensch
darum ihm am nächsten stehend geschaffen sei, um sich
mit den Thieren nicht auf einer und derselben Stufe der
Niedrigkeit zu befinden. Für die unvollkommene Natur des
Menschen ist es hingegen der grösste Trost, dass selbst
Gott nicht allmächtig ist, denn er kann sich weder den
Tod anthun, wenn er auch will, was er dem Menschen als
das beste Mittel bei den grossen Mühseligkeiten des Le-
bens verliehen hat; noch kann er den Sterblichen die Un-
sterblichkeitverschaffen oder Todte ins Leben zurückrufen;
noch machen, dass wer gelebt hat, nicht gelebt habe, wer
Ehrenstellen bekleidet hat, sie nicht bekleidet habe; noch
hat er ein anderes Recht über die Vergangenheit, als sie
zu vergessen. Endlich, damit wir auch durch scherzhafte
Beweise die Unvollkommenheit Gottes zeigen, kann er nicht
machen, dass 2 mal 10 nicht 20 sind, und noch viele ähn-
liche Dinge. Hieraus geht unleugbar die Macht der Na-
tur hervor, und dass sie das sei, was wir Gott nennen.
Diese Abschweifung hielt ich für nicht unpassend, da die
unaufhörliche Frage über Gott so allgemein verbreitet ist.
') Man vergleiche das Leben des Augustus bei Suetonius. XIV.92.
126 Zweites Buch.
6.
Wir wollen nun zu den übrigen Gegenständen der
Natur zurückkehren. Die Gestirne, welche wir angeheftete *)
genannt haben, sind nicht, wie der gemeine Haufe glaubt,
den einzelnen Menschen zugetheilt, die hellen den Reichen,
die kleinen den Armen, die dunkeln den Gebrechlichenr
und leuchten nicht nach dem Schicksal eines Jeden; denn
sie entstehen und vergehen nicht mit dem Menschen, noch
bedeutet ihr Fall, dass Jemand sterbe. Wir haben keine
so grosse Gemeinschaft mit dem Himmel, dass dort der
Glanz der Gestirne mit uns sterblich ist. Jene geben,
wenn sie zu viel Nahrung an Feuchtigkeit mit feuriger
Kraft an sich gezogen haben, den Ueberfluss wieder von
sich, und dann glaubt man, sie fallen; etwas Aehnliches
nehmen wir an unsern brennenden Oel-Lampen wahr. Ue-
brigens haben die himmlischen Körper eine einzige Dauer,
denn sie halten die Welt zusammen, und bilden durch die-
ses Zusammenhalten ein Ganzes. Ihre Gewalt erstrekt sich
vorzüglich auf die Erde, und wir kennen sie wegen ihrer
Wirkungen, Klarheit und Grösse sehr genau, wie ich an
seinem Orte zeigen werde.2) Auch die Lehre von den
Himmelskreisen werde ich schicklicher bei der Erde 3) vor-
tragen, da sie ganz dahin passt; nur von der Erfindung
des Thierkreises muss hier das Nöthige gesagt werden.
Der Erste welcher seine Schiefe4) erkannt und mithin die
Thore dieses Gegenstandes geöffnet hat, soll Anaximander
von Milet gewesen sein, zur Zeit der 58sten Olympiade. 5)
Die Zeichen desselben, und zwar zuerst die des Widders
') Fixsterne.
2) Im XVII. und XVIII. Buche, welche von der Landwirthschaft
handeln.
3) Im VI. B. 39. C.
4) Richtiger die Schiefe der Ekliptik.
5) Die Olympiade war bei den Griechen ein Zeitraum von 4 Jah-
ren, und die allgemeinste Zeitrechnung in Griechenland, welche 776
v. Chr. anfing. Die 58. Olympiade ist also gleich 548—544 Jahre
v. Chr. G.
Zweites Buch. 127
und des Schützen hat Kleostratus *) entdeckt. Den Kreis
selbst aber erkannte Atlas lange vorher. Nun verlassen
wir den Himmelskörper selbst, und wollen von den übrigen
Erscheinungen zwischen Himmel und Erde handeln.
Dass das Gestirn, welches Saturnus heisst, am höch-
sten2) steht, und daher am kleinsten erscheint, auch den
grössten Kreis beschreibt und in 30 Jahren3) seine Bahn
vollendet, ist gewiss. Aber der Lauf aller Planeten, und
unter ihnen der der Sonne und des Mondes hat eine dem
Umlaufe der Welt entgegengesetzte Kichtung, das heisst,
diese geht nach links, während jene immer der Rechten
zueilen. Obgleich sie durch die beständige Drehung in un-
geheuerer Geschwindigkeit von der Welt emporgehalten
und gegen Abend hingerissen werden, so behauptet doch
ein jeder in entgegengesetzter Richtung seine Bahn, Da-
her geschieht es, dass die durch die ewige Drehung der
Welt an eine Stelle zusammengedrängte Luft, nicht zu ei-
nem trägen Balle erstarrt, sondern durch den Gegenstoss
der Gestirne zertheilt wird. Der Saturn ist von kalter und
starrer Natur; weit tiefer liegt die Bahn des Jupiter, wel-
cher daher auch in schnellerer Bewegung innerhalb 12
Jahren seinen Lauf vollendet.4) Das dritte Gestirn, der
Mars, auch Herkules genannt, ist feurig und brennend we-
gen der Nähe der Sonne, und bedarf beinahe 2 Jahre zu
seinem Laufe. 5) Durch dessen allzu grosse Hitze und
>) Aus Tenedos, um 536 v. Chr.
2) Bis zum Jahre 1781, wo Herschel den Uranus entdeckte, war
dieser der entfernteste Planet; seine mittlere Entfernung von der
Sonne beträgt 384 Millionen Meilen und er durchläuft seine Bahn in
fast 84 Jahren. 1846 beobachtete aber Galle einen noch weit ent-
fernteren, den er Neptun nannte, und dessen Existenz von Leverrier
schon vorausgesagt war; derselbe ist von der Sonne über 600 Mill.
Meilen entfernt.
3) Vielmehr in 29 Jahren und 154 Tagen Von der Sonne ist er
191 Millionen Meilen entfernt.
4) Er vollendet seine Bahn in 11 Jahren und 312 Tagen und ist
104 Millionen Meilen von der Sonne entfernt.
5) Er vollendet seinen Lauf in 1 Jahre 322 Tagen und ist 30,5 Mil-
128 Zweites Buch.
durch die Kälte des Saturnus erhält der zvvischen beiden
liegende Jupiter eine gewisse Mässigung, die ihm wohl-
thätig ist. Dann folgt die in 360 Theile getheilte Sonnen-
bahn; damit aber die durch sie bewirkten Schatten bei
ihrer Rückkehr dieselben bleiben, wurden noch 5V4 Tage
hinzugesetzt. Aus diesem Grunde bekommt jedesmal das
5. Jahr noch einen eingeschalteten Tag, um die Zeitrech-
nung mit dem Laufe der Sonne in Uebereinstimmung zu
bringen.
Unterhalb der Sonne läuft ein grosser Stern, die Ve-
nus,1) mit abwechselnder Bahn,2) und wetteifert durch ihre
Beinamen mit der Sonne und dem Monde. Erscheint sie
nämlich vor Tagesanbruch, so heisst sie Lucifer, weil sie
als eine zweite Sonne den Tag früher bringt; leuchtet sie
aber vom Sonnenuntergänge an, so heisst sie Vesper, weil
sie den Tag verlängert und die Stelle des Mondes vertritt.
Pythagoras 3) von Samos erkannte zuerst das Verhältniss,
ohngefähr um die 32. Olympiade, das ist im 113. Jahre der
Stadt Rom. Schon an Grösse tibertrifft sie alle anderen
Gestirne,4) und ihre Helligkeit ist so bedeutend, dass
durch ihre Strahlen Schatten entstehen. Daher hat sie auch
viele Namen. Einige haben sie Juno, andere Isis, an-
dere die Mutter der Götter genannt. Durch sie wird
alles auf der Erde erzeugt; denn indem sie bei ihrem zwei-
fachen Aufgange einen belebenden Thau spendet, befruch-
tet sie nicht nur die Erde, sondern reizt auch alle lebenden
lionen Meilen von der Sonne entfernt. Zwischen dem Jupiter und
dem Mars entdeckte man 1801—1807 4 kleine Planeten, Ceres (1801),
Pallas (1802), Juno (1804), Vesta (1807), denen man den gemeinschaft-
lichen Namen Asteroiden gab. Seit 1845 haben sich die Entdeckun-
gen von Asteroiden so vermehrt, dass deren Anzahl bereits auf 200
gestiegen ist.
*) Sie ist etwa der Erde an Grösse gleich; der grösste Planet
ist der Jupiter.
2) d. h. sie geht bald vor der Sonne, bald folgt sie ihr nach.
3) Schüler des Pherecydes, Sohn des Mnesarchus, geb. um 584
v. Chr., starb 79 — 80 Jahr alt zu Metapontum.
4) Was natürlich ganz irrig ist; siehe Anmerkung, 1.
Zweites Buch. 12?
Wesen in gleicher Weise an. Sie vollendet ihren Lauf
in 348 Tagen, und ist nach Timseus l) nie weiter als 46 Grade
von der Sonne entfernt. 2)
Auf ähnliche Weise, aber von weit geringerer Grösse
und Kraft, befindet sich ihr zunächst das Gestirn des Mer-
kurs, der von Einigen auch Apollo genannt wird. Er voll-
endet seine niedrigere Bahn in einem um 9 Tage kürzeren
Zeiträume, leuchtet bald vor Sonnenaufgange bald nach
Sonnenuntergänge, und ist niemals weiter als 22 Grade3)
von der Sonne entfernt, nach dem Zeugnisse Ebendesselben*)
und des Sosigenes. 5) Daher haben auch diese Gestirne
eine eigenthümliche, von den oben genannten Gestirnen
verschiedene Beschaffenheit; denn sie sind um den vierten
-und den dritten Tbeil des Himmels von der Sonne entfernt,
stehen ihr oft gegenüber, und beschreiben sämmtlich an-
dere Bahnen bei vollkommner Umdrehung, von denen wir
bei Betrachtung des grossen Jahres reden wollen.
Aber alle Bewunderung übertrifft das letzte Gestirn, wel-
ches auf der Erde am bekanntesten ist, und das die Natur
.zur Verscheuchung der Finsterniss erfand, der Mond. Durch
seinen vielartigen Lauf setzte er den Geist der Beobachter,
und derjenigen, welche es unter ihrer Würde hielten, das
nächste Gestirn nicht zu kennen auf die Probe, indem er
beständig zu- oder abnimmt. Denn bald ist er in zwei
Hörner gekrümmt, bald gleich getheilt, bald ein ganzer
Kreis; einmal fleckig und plötzlich wieder glänzend, bald
bildet er eine ausserordentlich grosse Scheibe, bald ist er
unsichtbar; zuweilen scheint er die ganze Nacht hindurch
') Pythagoräer aus Locri um 400 v. Chr., schrieb über Physik
und Mathematik.
2) Die Entfernung beträgt 14,5 Millionen Meilen von der Sonne,
und sie vollendet ihren Umlauf in 224 Tagen 16 Stunden.
3) 7,8 Millionen Meilen beträgt sein Abstand von der Sonne und
seine Umlaufszeit 88 Tage.
4) Tima^us.
5) Er lebte in Alexandrien und berichtigte auf Ctesars Veran-
lassung den Kalender.
9
130 Zweites Buch.
zuweilen nur Abends spät und unterstützt einen Theil des
Tages das Licht der Sonne; bald ist er verfinstert und
bleibt doch während der Verfinsterung sichtbar; gegen Ende
des Monats ist er Verborgen und doch glaubt man nicht,
dass er fehlt. Er ist bald hoch und bald niedrig, und diess
nicht einmal immer auf dieselbe Weise, sondern ein mal
nähert er sich dem Himmel, ein ander mal den Bergen,
bald steigt er gegen Norden empor, bald senkt er sich
gegen Süden. Endynnion1) war von allen Menschen der
erste, welcher diese Erscheinungen einsah, und deshalb,
sagt man, soll er sich in den Mond verliebt haben. Wir
sind wahrlich nicht dankbar gegen die, welche sich bemüh-
ten, uns über dieses Licht aufzuklären; und eine wunder-
bare Krankheit des menschlichen Geistes ist es, dass wir
lieber Blut und Kriege in den Jahrbüchern aufbewahren,
damit die Schlechtigkeiten der Menschen denen, welche
von der Welt nichts wissen, bekannt werden.
Der Mond ist also dem Mittelpunkte der Welt2) am
nächsten, daher vom geringsten Umlaufe, und durchläuft in
211J3 Tagen denselben Raum, wozu das höchste Gestirn,
der Saturn, wie gesagt, 30 Jahre gebraucht. Darauf ver-
weilt er 2 Tage lang in Zusammenkunft3) mit der Sonne,
und fängt spätestens am 30. Tage seinen Lauf wieder eben-
so an. Ich weiss nicht, ob er nicht der Leiter für alles, was
wir am Himmel erkennen konnten, war, und veranlasste,
dass das Jahr in 12 Monate getheilt wurde, da er selbst
ebensoviel mal die zu dem Anfangspunkte ihres Laufes
zurückkehrende Sonne erreicht. Von dem Schimmer der
Sonne werden der Mond sowie alle übrigen Gestirne re-
giert, sie leuchten mit dem von ihr entlehnten Lichte ganz
auf eben die Weise, wie wir ein Licht aus dem Wasser
zurückspiegeln sehen; daher er mit seiner mildern und
schwächern Kraft die Feuchtigkeit nur auflöst, ja wohl gar
') Sohn des Aethlios und der Kalyke, war Hirt und kam aus
Thessalien mit einer Colonie nach JElis.
2) Worunter bekanntlich PI. die Erde versteht.
3) coitus, jetzt gewöhnlich Conjunction genannt.
Zweites Buch. 131
vermehrt, welche die Sonnenstrahlen verzehren. Er hat ein
ungleiches Licht, weil er nur in der der Sonne entgegen-
gesetzten Stellung voll ist, an den übrigen Tagen aber nur
soviel von sich sehen lässt, als er selbst von der Sonne
erhält. Bei der Zusammenkunft1) sieht man ihn nicht,
weil er alles auf der entgegengesetzten Seite empfangene
Licht dahin zurück schickt, woher er es bekommen hat.
Die Gestirne werden ohne Zweifel von der irdischen Feuch-
tigkeit ernährt; bei halber Scheibe erscheint er zuweilen
fleckig, weil dann seine Kraft nicht hinreichend ist um alles
aufzunehmen, denn die Flecken sind nichts anderes, als
Unreinigkeiten, die er mit Hülfe der Feuchtigkeit von der
Erde aufgenommen hat. Seine Verfinsterungen und
diejenigen der Sonne, eine der bewunderungswürdigsten
und wunderbarsten Erscheinungen in der Natur, zeigen
durch die entstehenden Schatten die Grösse dieser Welt-
körper an.
7.
Es ist nämlich klar, dass die Sonne durch dieZwischen-
kunft des Mondes und der Mond durch die Zwischenkunft
der Erde uns unsichtbar wird, sodass dort die Sonnen-
strahlen durch den Mond der Erde, hier aber durch die
Erde dem Monde entzogen werden. Tritt letzterer vor die
Sonne, so entsteht plötzlich Dunkelheit, und wiederum wird
durch den Schatten der Erde jenes Gestirn verfinstert.
Auch ist die Nacht nichts anderes, als der Schatten der
Erde. Die Gestalt dieses Schattens ist wie die Meta2) oder
ein umgekehrter Kreisel beschaffen; nur sein oberster Theil
trifft ir> den Mond und geht nicht darüber hinaus, weil kein
anderes Gestirn dadurch3) verdunkelt wird, und eine solche
Figur keine Spitze hat. Die höchsten Flüge der Vögel
bezeugen nämlich, dass der Schatten durch die Entfernung
*) d. h. bei Neumond oder Conjunction.
2) Die am Ende des römischen Circus befindliche Spitzsäule,
um welche die Wettfahrenden herumfuhren.
3) Durch die Zwischenkunft der Erde.
9*
132 Zweites Buch.
abnimmt und endlich ganz aufhört. Daher ist die Grenze
des Schattens auch die der Luft und der Anfang des
Aethers. Ueber den Mond hinaus herrscht durchaus reines
und beständiges Licht.1) Wir sehen des Nachts die Ge-
stirne, gleichwie Lichter aus der Finsternis?, und ebendes-
halb wird der Mond nur des Nachts verfinstert. Beide Arten
von Finsternissen treten aber, wegen der schiefen Lage
des Thierkreises, wegen der schon besprochenen, sehr ab-
weichenden Bahn des Mondes und der nicht immer auf
die kleinsten Theilchen zusammentreffenden Bewegung der
Gestirne, nicht zu bestimmten Zeiten und Monaten ein.
8.
Diese Betrachtung erhebt die sterblichen Seelen in den
Himmel, und offenbart ihnen von da aus die Grösse der
drei grössten Naturkörper. Es könnte nämlich die Sonne
nicht ganz der Erde entzogen werden durch den Zwischen-
tritt des Mondes, wenn die Erde grösser wäre als der Mond.
Der ungeheuere, die Erde sowohl als den Mond übertreffende
Umfang der Sonne, ergiebt sich von selbst, und es ist da-
her unnöthig, ihre Grösse durch den Augenschein und
durch Vermuthungen zu erforschen. Sie ist unermesslich
gross, denn sie wirft die Schatten der an den Wegen auf
mehrere 1000 Schritte hin stehenden Bäume immer in
gleichen Entfernungen von einander, als wenn sie überall
im Mittelpunkte wäre; ferner bei der Tag- und Nachtgleiche
allen Bewohnern der heissen Zone zugleich über dem
Scheitel, und die Schatten der um die Wendekreise Woh-
nenden fallen Mittags gegen Norden, und Morgens gegen
Westen. Alles diess könnte nicht eintreten, wenn die Sonne
nicht weit grösser wäre, als die Erde; auch würde sie bei
ihrem Aufgange den Berg Ida nicht an Breite übertreffen,
während sie bei so ungeheuerer Entfernung doch die rechte
und linke Seite desselben bescheint.
') Man weiss jetzt, dass auch andere Planeten, z. B. Jupiter und
Saturn, durch den Durchgang ihrer Trabanten zwischen ihnen und
der Sonne verdunkelt werden.
Zweites Buch. 133
Die Mondfinsterniss ist ein unzweideutiger Beweis ihrer
Grösse, so wie sich aus der Verfinsterung der Sonne die
Kleinheit der Erde ergiebt. Denn da 3 verschiedene Ge-
stalten des Schattens entstehen können, und es gewiss ist,
dass, wenn der Körper, welcher den Schatten wirft, dem
Lichte an Grösse gleicht, ein säulenförmiger Schatten ohne
Ende entsteht; dass aber, wenn der Körper grösser als das
Licht ist, der Schatten die Gestalt eines Kreisels hat, dessen
unterster Theil am schmälsten, dessen Länge aber eben-
falls unendlich; und, ist der Körper kleiner als das Licht,
der Schatten sich als eine, nach der Spitze zu abnehmende
Säule zeigt, wie z. B. bei der Mondfinsterniss, so erhellt
auf unzweideutige Weise, dass die Erde von der Sonne an
Grösse übertroffen wird. Auch in der Natur finden wir
schweigende Beweise dafür; denn warum entfernt sich im
Winter die Sonne von der Erde? Um durch das Dunkel
der Nächte die Erde zu erquicken, welche sie sonst ohn-
fehlbar verbrennen würde, was auch in gewissen Theilen
der Erde geschieht. So bedeutend ist ihre Grösse.
9.
Die Ursache beider Verfinsterungen hat unter den Rö-
mern zuerst Sulpicius Gallus, der mit Marcellus Consul war,
bekannt gemacht1); er war damals noch Kriegstribun, und
befreiete, als ihn der Feldherr den Tag vor dem Siege des
Paullus über den König Perseus zur Vorhersagung der
Finsterniss öffentlich aufforderte, das Heer von der Furcht;
nachher hat er ein Werk darüber geschrieben. Unter den
Griechen erforschte Thaies2) von Milet jenen Gegenstand
zuerst; er sagte im 4. Jahre der 48. Olympiade eine
Sonnenfinsterniss vorher, welche unter dem König Alyattes,3)
im 170. Jahre Roms erfolgte. Nachher hat Hipparchus4) den
Lauf beider Gestirne auf 600 Jahre vorausgesagt, wobei er
') Im Jahre Roms 584 (166 v. Chr. G.) Vergl. Livius 44, 37.
2) Einer der sieben Weisen Griechenlands, geb. 648 v. Chr.;
starb 568.
3) Vater des Krösus, König von Lydien.
4) Aus Nicsea in Bithynien, starb um 125 v. Chr.
134 Zweites Buch.
zugleich die Zeitrechnung, Tage, Stunden, die Lage der
Orte und die Art, wie den verschiedenen Völkern diess
alles erscheinen würde, mit berücksichtigte. Nach der
Meinung seines Zeitalters bewerkstelligte er sein Vorhaben
dadurch, dass er an den Rathschlüssen der Natur Theil
nahm. Gross und über die Natur erhaben waren diese
Männer, welche den schwachen Geist der Menschen, der
bei den Finsternissen schwere Unglücksfälle oder den
Untergang der Gestirne fürchtete, von diesem Wahne be-
freieten. Dass aber die Menschen sich bei Sonnenfinster-
nissen gefürchtet haben, beweisen die erhabenen Gesänge
der Dichter Stesichorus *) und Pindar;2) man beschuldigte
den Mond der Zauberei, und wollte durch heftiges Geräusch
die Gefahr abwenden. Aus gleicher Furcht und unbekannt
mit der wahren Ursache wagte es der atheniensische Feld-
herr Nicias*) nicht, die Flotte aus dem Hafen zu führen,
und veranlasste dadurch die Niederlage seiner Truppen.
Dank daher eurem Scharfsinn, ihr Deuter des Himmels, die
ihr die Natur der Dinge erfasst, die Gründe erforscht und
dadurch Götter und Menschen besiegt habt! Denn sollte
der, welcher alles dieses und die sogenannten beständigen
Arbeiten der Gestirne4) erkennt, nicht die Notwendigkeit
seiner Sterblichkeit einsehen?
Jetzt will ich die Ansichten über alle diese Er-
scheinungen in einzelnen Abschnitten kurz berühren, und
an den Orten, wo es nöthig erscheint, die Gründe bündig
hinzufügen; denn erstens liegt eine solche Beweisführung
nicht in dem Plane meines Werkes, und zweitens ist es
weniger zu verwundern, dass wir nicht die Ursachen von
allen Dingen angeben können, als dass wir es bei einigen
im Staude sind.
') Aus Himera in Sicilien, lebte 5—600 v. Chr.
2) Aus Theben in Griechenland, lebte von 520—442 v. Chr.
3) Er versäumte von Syrakus abzufahren und wurde von den Sy-
rakusanern gänzlich geschlagon. S. Plutarch 33. 34. Thucydides VII. 50.
") Yirgils Aeneide I. 746.
Zweites Buch. 135
10.
Es ist ausgemacht, dass die Verfinsterungen nach 223
Monaten wiederkehren, dass eine Sonnenfinsterniss nur im
Neumonde, was man die Zusammenkunft1) nennt, eine
Mondfinsterniss aber nur bei Vollmond und zwar immer
wenn er beinahe voll ist, entsteht. Alljährig treten diese
Verfinsterungen beider Gestirne an bestimmten Tagen und
Stunden auf der Erde ein. Da sie aber über uns entstehen,
so können sie theils wegen den Wolken, theils, weil wegen
der Kugelgestalt der Erde das Gewölbe des Himmels nur
stellenweise zu sehen ist, nicht allenthalben beobachtet
werden. Hipparchus hat, von 200jährigen Erfahrungen
unterstützt, auf eine scharfsinnige Weise dargethan, dass
eine Mondfinsterniss gewöhnlich im 5. Monate, eine Sonnen-
finsterniss im 7. Monate nach der vorigen erfolgt; ferner,
dass diese Verfinsterung zwei mal in 30 Tagen auf der Erde
entsteht, aber bald hier bald dort gesehen wird. Das
Wunderbarste dabei ist, dass der Mond durch den Schatten
der Erde bald auf seiner westlichen und bald auf seiner
östlichen Seite verdunkelt wird. Und wie wird die einmal
vorgekommene Erscheinung, dass der Mond beim Untergange
der Sonne sich verfinsterte, während beide Gestirne noch
über dem Horizonte standen, zu erklären sein, da doch
jener verdunkelnde Schatten beim Aufgange der Sonne
unter die Erde hätte fallen müssen? Denn, dass beide
Gestirne innerhalb 15 Tagen am Himmel vermisst wurden,
hat sich in unserer Zeit, als der Kaiser Vespasian zum
dritten und sein Sohn zum zweiten Male Consul war,
zugetragen.2)
11.
Dass der Mond stets seine Spitzen von der Sonne ab
und gegen Osten wendet, wenn er zunimmt, nach Westen
aber, wenn er abnimmt, ist ausser Zweifel. Bis er voll
J) Mit der Sonne.
2) Im Jahre Roms 825 (71 n. Chr.), wo am 8. Febr. eine Sonnen-
und am 22. Febr. eine Mondfinsterniss statt fand.
136 Zweites Buch.
wird, scheint er täglich um mehr als 3/4 Stunden1) länger,,
wenn er abnimmt, um so viel kürzer. Innerhalb 14 Graden
der Sonne ist er stets unsichtbar. Hierin haben wir den
Beweis, dass die übrigen Planeten grösser sind als der
Mond, da jene auch bei 7 Graden sich zeigen. Nur ihre
Höhe macht, dass sie kleiner erscheinen. Ebenso verhindert
der Sonnenschein, dass wir die Fixsterne am Tage sehen,
obgleich sie bei Tag und Nacht leuchten, was sich aus
den Beobachtungen während der Sonnenfinsternisse und in
tiefen Brunnen ergiebt.
12.
Die drei Planeten, welche, wie oben gesagt wurde,
über der Sonne stehen, sind unsichtbar, wenn sie mit ihr
zusammen kommen. Sie erscheinen aber früh Morgens
wieder, sobald sie nur um 11 Grade wieder entfernt sind.
Darauf werden sie von den Sonnenstrahlen bedeckt, und
halten im Gedrittstein, nämlich 120 Grade von der Sonne
entfernt, ihren Frühstand, welchen man auch den ersten
nennt; auf der entgegengesetzten Seite erfolgt in einer
Entfernung von 180 Graden ihr Abendaufgang. Nähern sie
sich aber wieder auf 120 Grade von der anderen Seite,,
so halten sie ihren Abendstand, oder den zweiten; bis die
Sonne sie in einer Nähe von 12 Graden verdunkelt, was
dann der Abenduntergang heisst.
Der Mars, welcher der Sonne näher ist, empfindet auch
im Geviertscheine, d. i. in einem Abstände von 90 Graden
ihre Strahlen, daher hat seine Bewegung den Namen „erste
und zweite Neunziger-Bewegung", von beiden Aufgängen
an gerechnet, bekommen. Wenn er seinen Stillstand hält,
verweilt er 6 Monate in den Zeichen, ausserdem nur 2
Monate, während bei den übrigen Planeten beide Stillstände
nicht volle 4 Monate dauern.
Die beiden unteren Planeten2) werden in der Abend-
Zusammenkunft auf gleiche Weise verdunkelt, und halten.
!) 47 » 2 Minuten.
2) Venus und Merkur.
Zweites Buch. 137
nachdem sie die Sonne verlassen, in gleichen Graden ihren
Frtihaufgang. Von den entferntesten Punkten ihres Ab-
standes an folgen sie der Sonne, werden, wenn sie sie er-
reicht, beim Frühuntergange verdeckt und gehen vorbei.
Bald darauf gehen sie in derselben Entfernung bis zu den
von uns angegebenen Grenzen am Abend auf, kehren von
diesen zur Sonne zurück und verschwinden beim Abend-
untergange. Die Venus hält auch von beiden Aufgängen
an 2 Stillstände, einen früh Morgens, den andern Abends,
und zwar in den entferntesten Grenzen ihres Abstandes;
die Stillstände des Merkur sind von zu kurzer Dauer, als
dass sie wahrgenommen werden können.
13.
So verhält es sich mit dem Leuchten und den Verfinster-
ungen der Planeten, Erscheinungen, welche wegen der Art
der Bewegung sehr verwickelt und von vielen Wundern
begleitet sind, denn sie verändern ihre Grösse und Farbe,
gehen nach Norden und entfernen sich nach Süden, bald
sieht man sie der Erde, bald dem Himmel näher. Wenn
wir bei diesen Gegenständen vieles anders, als unsere Vor-
fahren erklären, so räumen wir doch auch jenen, welche
zuerst den Weg zu weiterer Forschung gezeigt haben, ein
Verdienst ein. Möge daher Niemand zweifeln, dass mit
den Zeiten die Kenntnisse zunehmen. — Alle diese Er-
scheinungen beruhen auf mehreren Ursachen.
Die erste Ursache liegt in den, von den Griechen
Apsiden x) genannten Punkten der Planeten-Bahnen, (denn
wir werden uns hier der griechischen Worte bedienen
müssen). Eine jede Planetenbahn hat aber ihre eigenen
Apsiden, die von denen der Welt verschieden sind; denn
die Erde ist von den beiden Scheitelpunkten aus, welche
man Pole nennt, der Mittelpunkt des Himmels und des
Thierkreises, der schief dazwischen liegt. Alles dieses er-
*) Apsiden heissen die beiden Endpunkte der grössten Axe in
der Ellipse, wo der eine von der Sonne am weitesten entfernt, der
andere ihr am nächsten ist.
138 Zweites Buch.
hellt aus der stets unzweifelhaften Beschaffenheit des Zir-
kels. Daher entstehen zwei Apsiden von jedem der beiden
Brennpunkte der Planetenbahn; aus dieser Ursache haben
sie auch verschiedene Kreise und ungleiche Bewegungen,
weil die innern Apsiden nothwendig kürzer sein müssen.
Von dem Mittelpunkte der Erde liegt die entfernteste Ap-
side des Saturn im Skorpion, des Jupiter in der Jungfrau,
des Mars im Löwen, der Sonne in den Zwillingen, der Ve-
nus im Schützen, des Merkur im Steinbock, und zwar alle
mitten in diesen Zeichen. Auf der entgegengesetzten Seite
liegen die tiefsten und dem Mittelpunkte der Erde näch-
sten Apsiden.1) So geschieht es, dass die Planeten sich
langsamer zu bewegen scheinen, wenn sie die entfernteste
Bahn durchlaufen; nicht, weil sie etwa ihre natürliche Be-
wegung, welche für sie bestimmt und jedem eigentümlich
ist, beschleunigten oder verzögerten, sondern, weil die von
den höchsten Apsiden aus gezogenen Linien sich nothwendig
zusammendrängen müssen, wie die Speichen an den Rädern.
Ein und dieselbe Bewegung erscheint also je nach der Nähe
des Mittelpunkts bald grösser bald geringer.
Eine zweite Ursache der Höhe der Planeten ist, dass
sie ihre von ihrem eigenen Brennpunkte entferntesten
Apsiden in andern Zeichen haben, nämlich Saturn im 20.
Grade der Wage, Jupiter im 15. des Krebses, Mars im
28. des Steinbocks, die Sonne im 20. des Widders, Venus
im 17. der Fische, Merkur im 15. der Jungfrau, der Mond
im 4. des Stiers.
Ein dritter Grund ihrer Höhe ergiebt sich aus der
Grösse des Himmels, nicht der Kreisbahn, indem sie unsern
Augen in dem unermesslichen Räume der Luft auf- und
abzusteigen scheinen.
Mit diesem Grunde hängt die der Breite und schiefen
Lage des Thierkreises zusammen. Durch ihn wandern die
l) Also die des Saturn irn Stier, des Jupiter in den Fischen, des
Mars im Wassermann, der Sonne im Schützen, der Venus in den
Zwillingen, des Merkur im Krebs.
Zweites Buch. 139
genannten Planeten. Auch wird kein anderer Theil der
Erde als der unter ihm liegende bewohnt; die übrigen
Theile nach den Polen hin sind wüste. Nur die Venus
überschreitet ihn um zwei Grade, und diess mag die Ursache
sein, dass einige Thiere selbst in öden Gegenden vorkommen.
Auch der Mond geht durch seine ganze Breite, überschreitet
dieselbe aber nirgends. Demnächst geht der Merkur am
weitesten, doch so, dass er von den zwölf Graden, welche
die Breite des Thierkreises ausmachen, nur 8 durchläuft,
aber auch diese nicht gleichmässig, sondern 2 mittlere,
4 obere und 2 untere. Die Sonne bewegt sich in der Mitte
innerhalb 2 Graden mit gebogenem schlangenähnlichem
Laufe; Mars in den 4 mittelsten; Jupiter in dem mittelsten
und den 2 darüber befindlichen; Saturn in den beiden mit-
telsten, wie die Sonne. So Verhaltes sich mit den Breiten
der nach Süden herablaufenden, oder nach Norden aufstei-
genden Planeten. Viele sind der irrigen Meinung, dass
hierauf auch die dritte Ursache der Höhe der von der Erde
zum Himmel aufsteigenden Planeten beruhe, und dass auf
gleiche Weise auch die Erde emporsteige; um diese zu
widerlegen, müssen wir den höchsten und alle Gründe
umfassenden Scharfsinn anwenden.
Es ist die übereinstimmende Meinung, dass die Plaueten
beim Abenduntergange, sowohl der Breite als Höhe nach,
der Erde am nächsten stehen; dass ihr Morgenaufgang beim
Anfange einer jeden Breite und Höhe, und ihre Stillstände
in der Mitte ihrer Breiten, welche Ekliptik genannt wird,
stattfinden. Ferner hat man zugestanden, dass die Bewe-
gung zunimmt, so lange sie der Erde nahe sind, und ab-
nimmt, wenn sie sich von ihr entfernen, was sich am meisten
aus den Entfernungen des Mondes erweist. Auch waltet
kein Zweifel mehr ob, dass ihre Bewegung schneller bei
den Morgenaufgängen, und dass die der obersten Planeten
vom ersten Stillstande bis zum zweiten geringer ist. Unter
solchen Umständen ist ihr Steigen in die Breite vom Mor-
genaufgange an offenbar, weil sie in dieser Stellung zuerst
eine langsam zunehmende Bewegung anfangen; sie werden
140 Zweites Buch.
aber in den ersten Stillständen in die Höhe gehen, weil
dann zuerst die Zahl abzunehmen beginnt und die Sterne
zurückgehen. Den Grund hiervon muss ich noch besonders
angeben. Getroffen in dem bereits erwähnten1) Grade,
werden sie durch den Gedrittschein der Sonne an ihrem
geraden Laufe verhindert, und durch die feurige Kraft in
die Höhe gezogen. Dies können wir mit unsern Augen
nicht geradezu wahrnehmen, sie scheinen also still zu ste-
hen, und daher kam der Name: Stillstand. Dann geht die
Macht jener Strahlen noch weiter, und die zurückprallende
Hitze nöthigt sie zurückzugehen. Noch weit mehr ist
solches der Fall bei ihrem Abenduntergange, wenn die
Sonne sich hinter ihnen befindet, denn sie werden zu ihren
höchsten Apsiden getrieben und am wenigsten gesehen,
weil sie am höchsten stehen und die geringste Bewegung
haben, die um so geringer sein muss, wenn sie in den höch-
sten Zeichen der Apsiden erfolgt. Vom Abendaufgange
an geschieht die Bewegung in die Breite herunter, jetzt
aber in weniger abnehmender Weise, nimmt jedoch nicht
vor dem zweiten Stillstande wieder zu, da auch die Höhe
sich vermindert, indem der Strahl von der andern Seite
hinzukommt und sie mit derselben Kraft zur Erde hinab-
drückt, welche sie beim ersten Gedrittschein gegen den
Himmel hintrieb. So gross ist der Unterschied, wenn die
Strahlen von unten oder von oben kommen. Weit öfter
ereignet sich diess beim Abenduntergange. So verhält es
sich mit den obern Gestirnen; schwieriger ist die Beschaf-
fenheit der übrigen zu ergründen, und noch Niemand hat
vor mir davon gehandelt.
14.
Zuerst will ich erklären, warum die Venus nie weiter
als 46 und Merkur nie weiter als 20 Grade von der Sonne
entfernt sind, oft aber noch unter diesen Graden nach der
Sonne zurückkehren. Beide haben, da sie unterhalb der
Sonne liegen, entgegengesetzte Apsiden, und von ihren
') 120sten.
Zweites Buch. 141
Bahnen liegt so viel unterhalb der Erde, als hei den vor-
erwähnten Planeten oberhalb derselben. Sie können also
nicht weiter entfernt sein, weil der Bogen der daselbst be-
findlichen Apsiden keine grössere Ausdehnung hat. Daher
bestimmt bei beiden auf ähnliche Weise die Peripherie
ihrer Apsiden die Grösse der Bahn, und was ihnen an Länge
abgeht, wird durch die Ausdehnung in die Breite ersetzt.
Aber warum gelangen sie nicht stets zum 46. und 23. Gra-
de? Sie thun es allerdings, nur die gewöhnliche Berech-
nung betrügt uns; denn es erhellet, dass sich ihre Apsiden
auch bewegen, weil sie niemals über die Sonne kommen.
Wenn daher die Grenzen der Apsiden auf der einen oder
andern Seite theilweise in die Sonne fallen, so werden
auch die Planeten ihren grössten Abstand erreicht haben;
wenn die Grenzen und eben so viele Grade diesseits, so
glaubt man, dass sie schneller zurückkehren, da jener Punkt
für beide immer der höchste ist. Hieraus ergiebt sich nun
ihre entgegengesetzte Bewegung; denn die obern Planeten
gehen beim Abenduntergange am schnellsten, diese am lang-
samsten; jene sind von der Erde am weitesten entfernt,
wenn sie sich am langsamsten bewegen, diese, bei ihrer
schnellsten Bewegung.
Sowie bei jenen die Nähe des Centrums (Brennpunktes)
den Lauf beschleunigt, so thut es hier die Entfernung
ihrer Bahn. Jene fangen vom Morgen auf gange an lang-
samer, diese schneller zu gehen, jene halten ihren Rücklauf
von ihrem Morgenstillstande an bis zu ihrem Abendstill-
stande; die Venus aber vom Abendstillstande bis zum Mor-
genstillstande. Sie fängt von ihrem Morgenaufgange an in
der Breite zu steigen, steigt aber in die Höhe und folgt
der Sonne vom Morgenstillstande an, und am schnellsten
und höchsten läuft sie beim Morgenuntergange. Dann geht
sie in der Breite herab und vermindert ihre Bewegung
vom Abendaufgange an, kehrt aber wieder zurück und
geht nieder vom Abendstillstande au.
Merkur steigt auf beiderlei Weise1) vom Morgenauf-
') In Höhe und Breite.
142 Zweites Buch.
gange aD, nimmt aber in der Breite vom Abendaufgange
an ab; nachdem er sich der Sonne bis auf 15 Grad genä-
hert, bleibt er fast 4 Tage lang unbeweglich stehen;1) dann
steigt er von der Höhe herab und geht rückwärts vom
Abenduntergange an bis zum Morgenaufgange. Nur er und
der Mond steigen in eben so vielen Tagen aufwärts, wie
abwärts. Venus bedarf 15 Tage mehr zum Aufsteigen;
Saturn und Jupiter haben doppelt, und Mars viermal so
viel Zeit nöthig. So viel Mannigfaltigkeit liegt in der Na-
tur. Aber der Grund davon ist klar; denn die Sterne,
welche zur Glüht der Sonne hinstreben, entfernen sich un-
gern wieder von ihr.
15.
Es können bei dieser Gelegenheit noch manche Ge-
heimnisse der Natur, und Gesetze, denen sie selbst unter-
worfen ist, angeführt werden; z. JB., dass der Mars, dessen
Lauf am schwierigsten zu beobachten ist, wenn der Jupiter
im Gedrittschein steht, niemals einen Stillstand macht, und
nur sehr selten, wenn er 60 Grade von ihm entfernt ist;
diese Zahl theilt den Weltkreis in ein Sechseck. Auch
geht er nur in zwei Zeichen, dem Krebse und dem Löwen,
mit ihm zugleich auf. Merkur aber hält seinen Abendauf-
gang selten in den Fischen, am häufigsten in der Jungfrau,
seinen Morgenaufgang aber in der Wage und im Wasser-
mann, sehr selten im Löwen. Sein Rückgang geschieht
nie im Stiere und in den Zwillingen, im Krebse aber nicht
unter dem 25. Grade. Der Mond kommt in keinem andern
Zeichen als den Zwillingen zweimal mit der Sonne zusam-
men, und nur im Schützen zuweilen gar nicht. Man sieht
ihn an dem ersten Tage oder in der ersten Nacht, wo er
neu wird, nur im Widder, und auch diess haben nur wenige
wahrgenommen. Daher wurde auch Lynceus2) wegen sei-
») Nach neueren Erfahrungen dauert dieser scheinbare Stillstand
etwa zwei Tage.
2) Sohn des Aphareus und der Arene, der so scharf sah, dass
sein Blick nach Pindar (Nem. X. 114) Eichen, und nach Orpheus (Ar-
gonaut. 179) sogar Himmel, Erde und Unterwelt durchdrang. Er
Zweites Buch. 143
ner Sehkraft berühmt. Saturn und Mars sind meistens 170
Tage lang nicht sichtbar am Himmel; Jupiter 36, oder
mindestens 26; Venus 69, oder mindestens 52, Merkur 13s
oder höchstens 18 Tage.
16.
Die Farbe der Planeten ist nach ihrer Höhe verschie-
den; denn sie werden denjenigen Sternen ähnlich, in deren
Dunstkreis sie beim Aufsteigen kommen, und die Kreisbahn
eines anderen, der sie sich von einer oder der andern Seite
nähern, färbt sie. Ein kalter Stern macht sie blass, ein
heisser roth, ein windiger giebt ihnen ein furchtbares An-
sehn; die Sonne^aber, die Vereinigungspunkte der Apsiden
und ihre weiteste Bahn machen sie dunkelschwarz. Jeder
hat seine eigenthüraliche Farbe; so ist der Saturn weiss,
Jupiter hell, Mars feurig, Lucifer glänzend hell, Vesperus
leuchtend, Merkur strahlend, der Mond milde, die Sonne
beim Aufgange brennend, nachher aber strahlend. Mit die-
sen Ursachen muss man auch die Erscheinungen der übrigen
am Himmel befindlichen Sterne verbinden; denn bald sind
viele Sterne um die halbe Mondscheibe versammelt und
erleuchten sie massig in heiterer Nacht, bald nur sehr
wenige, so dass wir voll Verwunderung glauben sollten, sie
wären entflohen, während sie doch der Vollmond nur ver-
birgt, oder die Strahlen der Sonne oder der eben genann-
ten Gestirne unsere Augen blenden. Ohne Zweifel haben
die Sonnenstrahlen selbst durch ihren verschiedenen Einfall
Theil an dem ungleichen Lichte des Mondes, indem die
Convexität der Welt ihre Beugung schwächt, ausgenommen,
wenn sie im rechten Winkel auf ihn fallen. Daher ist er
beim Geviertscheine der Sonne hell, beim Gedrittscheine
beinahe voll, im Gegenscheine aber ganz voll, und wieder-
um beim Abnehmen zeigt er dieselben Erscheinungen in
gleichen Zwischenräumen auf ähnliche Weise, wie die drei
Gestirne oberhalb der Sonne.
nahm Theil an der kalydonischen Jagd und am Argonautenzuge.
Endlich wurde er nebst seinem Bruder vom Pollux und Jupiter er-
schlagen.
144 Zweites Buch.
17.
Die Sonne selbst aber bietet 4 Verschiedenheiten dar:
zwei in der Tag- und Nachtgleiche, im Frühling und
und Herbste, wenn sie senkrecht über der Erde im 8. Grade
des Widders und der Wage steht ; zwei in sehr verschie-
denen Tageslängen, nämlich im Winter, wenn die Tage
zunehmen, im 8. Grade des Steinbocks, und im Sommer,
wenn sie abnehmen, im 8. Grade des Krebses. Die Ur-
sache dieser Ungleichheiten ist die schiefe Lage des Thier-
kreises, da die eine Hälfte der Welt stets unter der Erde,
und die andere Hälfte über derselben sich befindet. Die-
jenigen Zeichen, welche bei ihrem Aufgange sich senkrecht
erheben,1) leuchten länger, aber die schief aufsteigenden
ziehen schneller vorüber.
18.
Die meisten Menschen wissen noch nicht, was die ge-
lehrtesten Männer durch ihre grossen Bemühungen und die
Himmels-Erscheinungen entdeckt haben, dass nämlich das-
jenige, was wir Blitz nennen, Feuer ist, welches vou den
3 obern Planeten und vorzugsweise dem mittleren (Jupiter)
auf die Erde herabfällt; vielleicht, weil er den zu grossen
Andrang von Eeuchtigkeit aus der obern, und von Hitze
aus der untern Kreisbahn, auf diese Weise fortschafft.
Daher ist das Sprichwort entstanden, dass Jupiter Blitze
schleudere. So wie sich aber von brennendem Holze eine
Kohle mit Geräusch ablöst, ebenso von dem Gestirne das
himmlische Feuer, und dieses ist dann bedeutungsvoll, da-
mit auch nicht einmal der abgelöste Theil in seinem gött-
lichen Wirken aufhöre. Meistentheils ereignet sich der-
gleichen bei trüber Luft, weil die gesammelte Feuchtigkeit
jenen Ueberfluss zur Entladung reizt, oder weil die Luft
durch die Geburt des gleichsam schwangeren Gestirnes
getrübt wird.
19.
Auch den Abstand der Planeten von der Erde haben
') Krebe, Löwe, Jungfrau, Wage, Scorpion und Schütze.
Zweites Buch. 145
Viele zu ergründen gesucht und gesagt, die Sonne sei von
dem Monde 19 mal so weit entfernt, als der Mond von der
Erde. Pythagoras aber, ein sehr scharfsinniger Mann,
gibt die Entfernung der Erde vom Monde zu 126,000 Sta-
dien, des Mondes von der Sonne zum Doppelten und der
Sonne von den 12 Zeichen zum Dreifachen an. Dieser
Meinung ist auch unser Gallus Sulpicius l) zugethan.
20.
Aber Pythagoras bestimmte diese Weiten zuweilen
auch nach musikalischen Gesetzen, und nannte die Entfer-
nung von der Erde zum Monde einen Ton, vom Monde bis
zum Mars einen halben, vom Mars bis zur Venus beinahe
einen halben, von der Venus zur Sonne anderthalb, von
der Sonne zum Mars, gleich wie von der Erde zum Monde,
einen, vom Mars zum Jupiter einen halben, vom Jupiter
zum Saturn einen halben und vom Saturn zum Thierkreise
anderthalb. So entstehen 7 Töne, welche man die voll-
ständige Harmonie, d. h. den Inbegriff aller Tonverhältnisse
nennt. Saturn soll sich nun in der dorischen, Jupiter in
der phrygischen Tonart bewegen, und von den übrigen
Planeten handelt er in ähnlichem Sinne mit mehr unterhal-
tender als praktischer Genauigkeit.
21.
Ein Stadium beträgt 125 Schritte, oder 625 Fuss. Po-
sidonius2) sagt, die Höhe, in welcher Nebel, Wind und
Wolken sich befinden, sei von der Erde weniger als 40 Sta-
dien entfernt; von da an sei die Luft rein, klar und von
ungetrübter Helle. Von der Region der Wolken soll der
Mond 2,000,000, und von da die Sonne 5,000,000 Stadien
weit sein. Dieser ungeheuere Zwischenraum sei die Ur-
sache, dass die Erde nicht verbrenne. Viele Wolken sollen
jedoch bis zu 900 Stadien hinaufsteigen. Diese Behauptun-
gen sind zwar ungewiss und unerweisbar, allein ich muss
') Ueber denselben s. d. 9. Kapitel.
2) Von Apamea in Syrien, geb. 135 v. Chr., machte grosse Rei-
sen, kam 100 nach Gallien, 86 nach Rom, wo er Cicero's und Pom-
pejus' Freund war, und lebte nachher zu Rhodus; starb 51 v. Chr.
10
146 Zweites Buch.
sie so vortragen, wie man sie uns überliefert hat. Dennoch
ist hiebei eine auf untrüglichen Grundsätzen der Geometrie
ruhende Berechnung nicht zu verwerfen, wenn man jene
Dinge weiter verfolgen will. Nur sollte man damit niemals
das Maass ergründen wollen, (denn das wäre ein unsinniger
Zeitvertreib), sondern dem forschenden Geiste nur eine
ohngefähre Schätzung darbieten.
Da nämlich die Sonnenbahn aus fast 366 Theilen von
dem Umfange der Sonuenscheibe besteht, und der Durch-
messer stets den dritten Theil, weniger beinahe einem Sie-
bentel eines Drittels, vom Umfange1) ausmacht; so erhellt,
dass, wenn man die Hälfte davon nimmt (weil die Erde
mitten in der Bahn liegt), beinahe der sechste Theil dieses
unermesslichen Baumes, den man sich als die Bahn der
Sonne um die Erde denkt, der Entfernung der Sonne von
der Erde gleich sei; die Entfernung des Mondes aber den
zwölften Theil betrage, weil er in so viel kürzerer Zeit als
die Sonne seinen Umlauf hält. Der Mond schwebt daher
mitten zwischen der Sonne und der Erde.
Man muss sich wundern, wie weit die Verwegenheit
des menschlichen Geistes geht; durch einen kleinen Erfolg,
wie wir ihn oben mitgetheilt haben, angereizt, übersteigt
seine Unverschämtheit alle Grenzen. Die da wagten, die
Entfernung der Sonne von der Erde zu errathen, wollten
diess auch auf den Himmel anwenden, weil die Sonne sich
in der Mitte befinde; ja es scheint fast, dass man die Grösse
der Welt nach Zollen berechnen will. Als wenn man das
Maass des Himmels durch das Bleiloth bestimmen könnte,
weil der Durchmesser eines Kreises 7, und der Umfang 22
solche Theile hat! Nach einer ägyptischen Berechnung
von Petosiris und Nechepsus 2) beträgt ein einzelner Grad
in der Mondbahn (die, wie wir gesagt haben, die klein-
ste ist) etwas mehr als 33 Stadien; in der des Saturn,
') Der Durchmesser des Kreises verhält sich zur Peripherie wie
7 : 22, oder wie 1 : 3, 14.
2) Sie lebten im 6. Jahrhundert v. Chr.; der letztere war König
in Aegypten.
Zweites Buch. 147
welche am grössten ist, doppelt soviel; in derjenigen der
Sonne, welche wir als die mittelste bezeichnet haben, die
Hälfte von der Summe beider Grössen. Dieses Rai-
sonnement ist noch das bescheidenste, weil, wenn man zur
Bahn des Saturn die Entfernung des Thierkreises fügt,
eine unzählige Vervielfältigung entsteht.
22.
Von der Welt bleibt jetzt nur noch etwas Weniges
zu sagen übrig. Am Himmel entstehen nämlich plötzlich
Sterne und zwar verschiedener Art. Die Griechen nennen
sie Kometen, wir Haarsterne *), denn sie haben einen
furchtbar blutrothen Schweif, und auf dem Scheitel gleich-
sam rauhe Haare. Auch nennen die Griechen dieselben
Bartsterne2),, weil unten an ihnen eine, einem langen Barte
ähnliche Mähne herabhängt. Pfeilsterne3) heissen sie, weil
sie gleich einem Geschosse dahineilen, und ihre Vorbe-
deutungen sehr schnell eintreffen. Ein solcher war der,
welchen der Kaiser Titas während seines 5. Consulats4)
in einem herrlichen Gedichte beschrieb, und der bis auf
diesen Tag der letzterschienene ist. Sind sie kürzer und
endigen sie in eine Spitze, so heissen sie Schwertsterne.5)
Diese sind unter allen Sternen die blassesten, glänzen wie
ein Schwert und werfen keine Strahlen. Die Scheiben-
sterne 6), welche, wie der Name schon sagt, scheibenförmig
sind, haben eine hellgelbe Farbe, und werfen nur wenige
Strahlen. Der Fassstern7) hat die Gestalt eines Fasses
und in der Höhlung ein rauchiges Licht. Der Homstern8)
gleicht einem Hörne; ein solcher stand am Himmel, als
die Griechen bei Salamis den Sieg erfochten.
Der Fackelstein9) sieht brennenden Fackeln ähnlich;
der Rossstern 10) Pferdemähnen, die sich in schnellster Be-
wegung im Kreise um ihn drehen. Es giebt auch einen
weissen Komet, mit silberfarbigem Schweife, und so glän-
') Crinita?. 2) Pogonia?. 3) Acontiae. '') Im Jahre 76 n. Chr.
5) Xiphise. 6) Disceus. 7) Pitheus. 8) Ceratias. 9) Lampadias.
10) Hippeus.
10*
148 Zweites Buch.
zend, dass man ihn kaum ansehen kann; dabei zeigt sich
in ihm ein Bild der Gottheit in menschlicher Gestalt. An-
dere sind rauh wie Wolle und mit einer Wolke umgeben.
Einmal nur verwandelte sich eine Mähne in einen Spiess,
in der 109. Olympiade, dem 398. Jahre der Stadt.1) Der
kürzeste Zeitraum ihrer Sichtbarkeit wird zu 7, der längste
zu 80 Tagen angegeben.
23.
Einige Kometen bewegen sich nach Art der Planeten,
andere sind unbeweglich. Gewiss ist, dass sie alle im Nor-
den erscheinen, zwar nicht immer in einer bestimmten
Region, meist aber doch in dem weissen Streife, welcher
den Namen Milchstrasse erhalten hat. Aristoteles2) er-
zählt, es würden wohl auch mehrere zugleich gesehen;
diess hat jedoch, soviel ich weiss, Niemand weiter bemerkt.
Sie zeigen starke Winde und Hitze an. Auch in den Win-
termonaten, sowie am Südpole sind sie sichtbar, dann aber
ohne Mähne. Ein fürchterlicher Komet zeigte sich den
Bewohnern Aethiopiens und Aegyptens, der von dem da-
maligen Könige Typhon genannt wurde; er hatte einen
feurigen Schein, war wie eine Spirale gewunden, von gräss-
lichem Ansehn, und eher ein feuriger Klumpen als ein
Stern. Zuweilen sieht man auch an den Planeten und
übrigen Sternen Haare. Niemals zeigt sich ein Komet am
westlichen Theile des Himmels.
Meistentheils ist der Komet ein schreckenerregendes
und nicht leicht zu versöhnendes Gestirn, wie der Bürger-
aufstand unter dem Consul Octavius 3) und der Krieg
zwischen Pompejus und Caesar 4) beweisen. Auch in
unserer Zeit sah man, als der Kaiser Claudius vergiftet
wurde5), ferner unter der Regierung seines Nachfolgers
») Dieses Jahr fällt aber in die 106. Olympiade.
2) Der berühmteste Schüler des Plato, geb. 384 zu Stagira in
Macedonie», starb 322 zu Chalkis.
3) 76 v. Chr.
A) 49 v. Chr.
5) Seine Gemahlin Agrippina vergiftete ihn 54 n. Chr. Er hiess mit
Zweites Buch. 149
Domitius Nero *) lange Zeit einen schrecklichen Kometen.
Man glaubt, ihr Einfluss hänge davon ab, nach welcher
Gegend sie hineilen, welches Sternes Kräfte sie annehmen,
welchen Dingen sie ähnlich sehen und an welchen Orten
sie sich zeigen. Haben sie die Gestalt von Flöten, so sol-
len sie auf Tonkunst deuten; auf unzüchtige Sitten aber,
wenn sie in den Schaamtheilen der Thierbilder stehen; auf
Verstand und Gelehrsamkeit, wenn sie eine 3- oder 4sei-
tige gleichwinklige Figur mit den naheliegenden Fixsternen
bilden; auf Giftmischerei, wenn sie im Kopfe der nördlichen
oder südlichen Schlange stehen.
Nur an einem einzigen Orte auf der Erde, nämlich zu
Rom, wird ein Komet in einem Tempel verehrt, weil ihn
der göttliche Augustus als ein sehr günstiges Zeichen für
sich ansah. Dieser erschien nämlich zu Anfang seiner
Regierung, während der Spiele, die er zu Ehren der Venus
Genetrix2), kurz nach dem Tode seines Vaters Caesar,
in dem von letzterem gestifteten Collegium 3) hielt. Mit
folgenden Worten bezeugte er seine Freude darüber: „In
den Tagen meiner Spiele wurde ein Haarstern 7 Tage lang
am nördlichen Theile des Himmels gesehen. Er entstand
um die elfte Tagesstunde, war klar und in allen Ländern
sichtbar. Das Volk glaubte, er bedeute die Aufnahme der
Seele Caesars unter die unsterblichen Götter, und aus dieser
Veranlassung habe ich jenes Zeichen an dem Kopfe des
Standbildes, welches ich bald nachher auf dem Forum ein-
weihete, angebracht." So legte er es öffentlich aus, aber
im Herzen freuete er sich und nahm an, der Stern sei
seinem vollständigen Namen Tiberius Claudius Drusus Caesar, war
der jüngste Sohn des Cl. Drusus Nero des Aelteren und der Schwester-
tochter des August, der jüngeren Antonia, Bruder des Germanicus
Caligula's Vatersbruders, geb. 9 v. Chr. zu Lyon, und wurde 41 n. Chr.
nach Caligula's Ermordung, Kaiser.
») 64 n. Chr.
2) Unter diesem Beinamen verehrte man die Venus als Stamm-
mutter des Julischen Geschlechts. Ihr Fest fiel in den Anfang des
Octobers.
3) Ein Priester-Collegium zur Feier jener Tage.
150 Zweites Buch.
seinetwegen erschienen und bedeute seine wachsende Grösse;
und, wenn wir die Wahrheit gestehen sollen, so war diess
auch wirklich eine der Erde heilsame Vorbedeutung.
Einige halten die Kometen für beständig dauernde Ge-
stirne, die ihren Umlauf haben, aber nur, wenn sie von der
Sonne entfernt sind, gesehen werden können. Andere mei-
nen, sie seien zufällige Erzeugnisse von Feuchtigkeit und
einer feurigen Kraft, und lösten sich von selbst wieder auf 1).
24.
Eben jener Hipparchus, der nie genug gelobt werden
kann, da Niemand besser als er die Verwandtschaft der
Gestirne mit dem Menschen, und dass unsere Seele ein
Theil des Himmels sei, erwiesen hat, entdeckte einen neuen
Stern von anderer Beschaffenheit, der zu seiner Zeit ent-
standen war. Durch dessen Bewegung an dem Tage, wo
er leuchtete, kam er auf die Vermuthung, dass diess öfter
geschehe, und dass sich auch diejenigen bewegten, welche
wir für feststehend halten. Er wagte auch — ein frevel-
haftes Unternehmen — den Nachkommen Sterne zuzuzählen,
und sie nach ihren Namen zu ordnen. Er erdachte Instru-
mente, vermittelst welcher er den Standort und die Grösse
eines jeden bezeichnete, damit man hiedurch nicht nur ihr
Verschwinden und Entstehen, sondern auch überhaupt, ob
sie vorüberziehen und sich bewegen, ob sie grösser oder
kleiner werden, leicht unterscheiden könnte. So hinterliess
er der Nachwelt den Himmel als eine Erbschaft, wenn Je-
mand sich fände, der seine Berechnung begreifen würde.
25.
Es leuchten auch Fackeln am Himmel, können aber
nur gesehen werden, wenn sie herabfallen. Eine solche
flog, während eines von Germanicus Caesar2) gegebenen
') Tyge Brahe und Mtestlin, Keplers Lehrer, scheinen zuerst
die Kometen als Himmelskörper erkannt zu haben; Kepler wies ihnen
geradlinige Bahnen an. Der Danziger Astronom Hevelius nahm
parabolische Bahnen an, ebenso Newton, dessen Methode von Halley
ausgebildet wurde.
'-) Neffe des Tiberius, Gemahl der älteren Agrippina, Vater des
Zweites Buch. 151
Fechterspiels vor den Augen des Volkes am Mittage vor-
über. Man unterscheidet zwei Arten davon; die einen nennt
man schlechthin Fackeln *), die andern heissen Wurf-
spiesse2); eine solche erschien zur Zeit des Mutinensischen
Krieges. 3) Sie unterscheiden sieb dadurch von einander,
dass die Fackeln eine lange Spur hinterlassen, während
ihr vorderer Theil brennt; die Spiessfackel aber brennt ganz
und nimmt einen grösseren Raum ein.
26.
Auf ähnliche Weise entstehen aueb feurige Balken,
welche die Griechen doxoi nennen; ein solcher zeigte sich, als
die Lacedämonier, zur See besiegt4), die Herrschaft über
Griechenland verloren. Bisweilen spaltet sich auch der
Himmel, was man Chasma nennt.
27.
Auch erscheint zuweilen ein blutrothes Feuer (eine der
schrecklichsten Erscheinungen für den furchtsamen Men-
schen), das dann vom Himmel zur Erde fällt; z. B. im drit-
ten Jahre der 107. Olympiade 5), als der König Philippus 6)
Griechenland bedrängte. Ich glaube, dass diese, sowie die
übrigen Naturerscheinungen, zu bestimmten Zeiten eintreten,
und nicht, wie die meisten annehmen, aus verschiedenen,
von ihnen erst ergrübelten Ursachen entstehen. Zwar sind
sie immer Vorboten grosser Unglücksfälle gewesen, allein
mich dünkt, dass letztere nicht eintrafen, weil jene ge-
schehen waren; sondern dass diese vorausgingen, weil jene
eintreffen sollten. Bei ihrer Seltenheit ist uns ihre nähere
Caligula und der jüngeren Agrippina, Nero's Grossvater, geb. 15 v.
Chr., starb 19 n. Chr. im Oriente.
') Lampades.
2) Bolides.
3) Mutina, jetzt Modena,. Brutus wurde darin (44 v. Chr.) von
Antonius belagert.
4) Durch Conon, den Befehlshaber der Athenienser, 395 v. Chr.
5) 350 v. Chr.
6) Der II. oder der Grosse von Macedonien, Vater Alexanders
des Grossen, war der jüngste Sohn des Königs Amyntas IL, regierte
bis 336 v. Chr. mit grossem Ruhme; wurde von Pausanias ermordet.
152 Zweites Bück
Beschaffenheit noch verborgen; daher kennen wir sie nicht
so genau wie die oben beschriebenen Aufgänge, Finsternisse
und viele andere Erscheinungen.
28.
Man sieht auch Sterne bei der Sonne ganze Tage lang,,
welche meistens die Sonnenscheibe wie einen aus Ähren
geflochtenen Kranz umgeben. Ferner buntfarbige Kreise
bemerkte man; ein solcher erschien, als der Kaiser Au-
gustus in früher Jugend nach Eom kam, um nach dem
Tode seines Vaters dessen grossen Namen auf sich über-
zutragen. Auch um den Mond und andere vorzügliche
Sterne, sogar um die Fixsterne, zeigen sich Kränze.
29.
Um die Sonne erschien ein Bogen unter den Consuln
L. Opimius und Q. Fabius1); eine Scheibe unter L. Por-
cius und M. Acilius2); ein Ring von rother Farbe unter
L. Julius und P. Rutilius. 3)
30.
Auch ereignen sich wunderbare und länger dauernde
Sonnenfinsternisse, wie bei der Ermordung des Dicta-
tors Caesar4), und im Antonianischen Kriege5), wo die
Sonne fast das ganze Jahr hindurch blass war.
31.
Auch sieht man zuweilen mehrere Sonnen auf ein-
mal, aber weder oberhalb noch unterhalb von ihr, sondern
in schräger Richtung; niemals neben ihr, noch zur Erde
gekehrt, noch des Nachts; sondern entweder beim Auf- oder
Untergange der Sonne. Einmal sollen auch solche Sonnen
Mittags am Bosporus gesehen worden sein, und vom Morgen
') 683 nach Roms Erbauung oder 121 v. Chr.
2) 640 » „ „ 114 „ „
3)664 , „ „ £0 , „
4) 710 „ , „ 44 , „ C. Julius Caesar,
Sohn des Prätors gleichen Namens und der Aurelia, Cotta's Toch-
ter, geb. den 6. Juli 100 v. Chr. Seine Ermordung fiel auf den
15. März des genannten Jahres.
5) Krieg des Antonius gegen Octavianus Augustus; er endigte
mit der Seeschlacht bei Actium, 721 nach R. E. oder 29 v. Chr.
Zweites Buch. 153
bis zum Abend gedauert haben. Drei Sonnen haben die
Alten öfters gesehen, so unter Sp. Postumius und Q. Mu-
cius *); Q. Martius und M. Porcius2); M. Antonius und
P. Dolabella 3); M. Lepidus und L. Plancus 4). In un-
serer Zeit sah man dergleichen unter der Regierung des
vergötterten Claudius, da derselbe mit Cornelius Or-
fitus5) das Consulat bekleidete. Mehr als drei sollen bis
jetzt noch nicht gesehen worden sein.
32.
Auch 3 Monde sind zugleich sichtbar geworden, und
zwar unter den Consuln Cn. Domitius und C. Fannius6).
Viele nennen diese nächtliche Sonnen.
33.
Unter C. Csecilius und Cn. Papirius7) und auch
ausserdem noch oft sah man des Nachts am Himmel ein
Licht, welches die Nacht gleichwie einen Tag erhellte.
34.
Ein brennender Schild fuhr, Funken sprühend, bei
Sonnenuntergang von Abend nach Morgen hin unter den
Consuln L. Valerius und 0 Marius8).
35.
Nur einmal und zwar unter den Consuln Cn. Octavius
und C. Scribonius 9), soll ein Funken aus einem Sterne
gefallen, jemehr er sich der Erde genähert immer grösser
geworden sein und nachdem er die Grösse des Mondes
erreicht, eine Helligkeit gleichwie die eines nebligen Tages
verbreitet haben; darauf wieder zum Himmel zurückgekehrt
und zu einer Fackel geworden sein. Diese Erscheinung
sah der Proconsul Silanus und sein Gefolge.
') 580 nach R. E. oder 174 v. Chr.
2) 636 „ „ . „ 118 „ .
3) 710 . , . , 44 . „
4) 712 „ » , , 42 „ „
5) 51 n. Chr.
6) 632 nach R. E. oder 122 v. Chr.
7) 641 „ . „ , 113 . .
8) 654 , * , , 100 „ „
9) 678 . , , , 76 „ .
154 Zweites Buch.
36.
Auch scheinen die Sterne hin und her zu fahren,
jedoch nicht ohne Grund, denn die Entstehung heftiger
Winde von derselben Seite her hängt damit zusammen.
37.
Auch im Meere und auf der Erde giebt e s Sterne.
Ich selbst habe bei den nächtlichen Feldwachen einen
leuchtenden Schein von derartiger Gestalt auf den Spiessen
der vor dem Walle stehenden Soldaten gesehen. Sie lassen
sich auch auf die Segelstangen und andere Schiffstheile
nieder, mit einem vernehmbaren Geräusch, wie wenn Vögel
von einem Sitze zum andern fliegen. Wenn sie einzeln er-
scheinen, bringen sie Unheil, denn sie versenken dann die
Schiffe und wenn sie unten in den Kiel fallen, so ver-
brennen sie dieselben; zu zweien aber sind sie ein günstiges
Zeichen und verkünden eine glückliche Fahrt. Durch ihre
Ankunft soll jene schreckliche und Unglückdrohende so-
genannte Helena *) verjagt werden. Deshalb schreibt man
auch diese Kraft dem Castor und Pollux 2) zu, und ruft
sie auf dem Meere als Götter an. Auch die Häupter der
Menschen leuchten rings um in den Abendstunden, was von
grosser Vorbedeutung ist. Die Ursachen aller dieser Er-
scheinungen kennt man nicht genau; sie sind in der Hoheit
der Natur verborgen.
38.
So viel von der Welt selbst und den Gestirnen. Nun
wollen wir zu den übrigen Merkwürdigkeiten des Himmels
übergehen; denn auch das nannten die Alten Himmel, was
wir jetzt mit einem anderen Namen Luft nennen. Dieser
Lebenshauch nimmt allen scheinbar leeren Raum ein. Un-
terhalb des Mondes ist ihr Sitz, und noch viel tiefer (wie
ich allgemein angenommen finde) wird sie, indem sich eine
unendliche Menge der obern Luft mit einer unendlichen
*) Nach Euripides wurde die spartanische Helena nach ihrer Er-
mordung von der Juno in den Himmel versetzt, wo ihr Gestirn aber
den Schiffern Gefahr drohete.
2) Die Zwillinge im Thierkreise.
Zweites Buch. 155
Menge irdischer Ausdünstungen mischt, mit beiden Antheilen
erfüllt. Daraus entstehen Wolken, Donner und Blitz, Ha-
gel, Reif, Regen, Stürme und Wirbel. Von da herab kommen
die meisten Uebel der Menschen, und dort ist der Schau-
platz des Kampfes der Naturkräfte unter sich. Die Macht
der Gestirne drückt die irdischen, zum Himmel strebenden
Theile nieder, und zieht die, welche nicht von selbst auf-
steigen, zu sich empor. Regen fällt herab, Nebel steigen
auf, Flüsse trocknen aus, Hagel stürzt nieder, die Sonnen-
strahlen dörren die Erde aus, drängen sie von allen Seiten
nach der Mitte hin, prallen ungeschwächt zurück, und neh-
men mit sich, was sie können. Die Hitze kommt von oben
und steigt wieder dahin zurück. Leer stürzen die Winde
herbei und kehren mit Raub beladen wieder zurück. Viele
Thiere ziehen die Luft von der Höhe ein; allein diese
strebt wieder empor und die Erde ergiesst ihren Hauch in
die Leere des Himmels. So wird, indem alles in der Na-
tur wie in einem Triebwerke hier und dort hin strebt, die
Zwietracht durch die schnelle Bewegung der Welt genährt.
Der Kampf kann nicht ruhen, sondern dauert bei dem
reissend schnellen Umschwünge fort, und zeigt, indem er
mittelst der Wolken plötzlich den Himmel anders überdeckt,
die Ursachen der Erscheinungen in der die Erde umgeben-
den unermesslichen Runde. Diess ist auch das Reich der
Winde. Daher hat die Natur die vorzüglichsten Erschei-
nungen, und fast alle übrigen Ursachen derselben dort
vereinigt; denn die Meisten schreiben auch den Donner und
Blitz der Gewalt der Winde zu. Ja es hat sogar zuweilen
Steine geregnet, die vom Winde emporgerissen waren, und
vieles andere. Wir müssen daher ausführlicher über diesen
Gegenstand sprechen.
39.
Es ist gewiss, dass die Ursachen der Witterung und
andere Erscheinungen zum Theil fest bestimmt, zum Theil
zufällig oder noch unerforscht sind; denn wer möchte zwei-
feln, dass Sommer und Winter, und was sonst im Laufe
der Zeit einem jährlichen Wechsel unterliegt von dem Laufe
156 Zweites Buch.
der Gestirne abhänge? Sowie daher die Natur der Sonne
an der Anordnung des Jahres erkannt wird, so haben auch
alle übrigen Gestirne ihre eigenthümlichen und ihrer be-
sondern Natur nach in ihren Wirkungen fruchtbaren Kräfte.
Einige sind ergiebig an Feuchtigkeit, die sich in Regen
verwandelt, andere an solcher, die zu Reif oder zu Schnee
oder zu Hagel wird; einige bringen Sturm, andere laue
Luft, andere Hitze, andere Thau und andere Kälte. Man
darf aber ja nicht glauben, dass sie nur so gross sind wie
wir sie sehen; denn die Berechnung einer so ungeheuren
Höhe beweist, dass keiner von ihnen kleiner ist als der
Mond. Ein jeder wirkt daher bei seiner Bewegung nach
der ihm innewohnenden Kraft; wie bekanntlich das Vor-
überziehen des Saturns sich durch Regen ankündigt. Diese
Kraft ist nicht nur den wandelnden Gestirnen eigen, son-
dern auch vielen am Himmel fest sitzenden, so oft sie durch
die Annäherung der Planeten angetrieben oder durch die
auf sie fallenden Strahlen gereizt werden. Diess nehmen
wir am Regengestirn *) wahr, welches die Griechen des-
halb nach ihrer Bezeichnung des Regens „Hyaden" nennen»
Ja, einige bringen von selbst und zu bestimmten Zeiten
Regen, wie die Böcke2) bei ihrem Aufgange; aber der Stern
des Arcturus3) geht fast niemals ohne stürmisches Hagel-
wetter auf.
40.
Wem ist nicht bekannt, dass beim Aufgange des
Hundsgestirns4) die Hitze der Sonne zunimmt? Die Wir-
kungen dieses Gestirns werden weit und breit auf Erden
empfunden. Bei seinem Aufgange schäumt das Meer, braust
der Wein in den Kellern und bewegen sich die Sümpfe.
Eine wilde Ziege, in Aegypten Oryx5) genannt, soll sich
bei seinem Aufgange ihm entgegen stellen, es ansehen und
') Suculae. Sie stehen im Kopfe des Stiers.
2) Haedi, neben und in der linken Schulter des Fuhrmannes.
3) Oberhalb des linken Knies des Bärenhüters (Bootes).
4) oder Sirius in des Schnauze des grossen Hundes.
*) Vielleicht die Spiessgemse, Antilope Oryx.
Zweites Buch. 157
durch Niesen gleichsam anbeten. Auch ist kein Zweifel,
dass die Hunde in der ganzen Zeit am leichtesten toll
werden.
41.
Sogar einzelne Theile einiger Thierzeichen haben be-
sondere Kraft, denn im Herbst - Aequinoctium und im
Winter-Solstitium sehen wir das Gestirn durch stürmisches
Wetter getrübt. Allein diess lässt sich nicht bloss an
Regengüssen und Stürmen wahrnehmen, sondern wird auch
durch viele Erfahrungen an unserm Körper und auf dem
Felde bestätigt. Einige Menschen werden davon angehaucht,
andere spüren zu gewissen Zeiten eine Bewegung im Un-
terleibe, den Nerven, dem Kopfe und Geiste. Der Oelbaum,
die weisse Pappel und die Weiden rollen im Sommersol-
stitium ihre Blätter zusammen. Selbst am kürzesten Tage
blühet das an Häusern aufgehangene, trockne Poleikraut,
und mit Luft gefüllte Blasen springen. Wundern wird sich
der, welcher die tägliche Erfahrung nicht beachtet, dass
ein Kraut, Heliotropium genannt, die Sonne stets ansieht,
und zu allen Stunden sich mit ihr drehet, selbst wenn jene
mit Nebel bedeckt ist. So wachsen und schwinden selbst
durch den Einfluss des Mondes die Körper aller Austern,
Schnecken und Muscheln. Fleissige Beobachter haben auch
gefunden, dass die Fibern der Spitzmäuse der Tagezahl
des Mondes entsprechen, und dass das so kleine Thier, die
Ameise, die Gewalt des Gestirns empfindet und stets im
Neumonde ruhet. Dem Menschen gereicht seine Unwissen-
heit hierin um so mehr zur Schande, da er sieht, dass die
Augenkrankheiten, besonders einiger Lastthiere, mit dem
Monde zu- und abnehmen. Alles steht unter dem Schutze
des weiten Himmels, dessen unermesslicher Umfang in 72
Zeichen getheilt ist. Diese Zeichen sind Bilder von Ge-
genständen und lebenden Wesen, in welche die Gelehrten
den Himmel geschieden haben. In ihnen haben sie noch
1600, durch Glanz und Grösse ausgezeichnete Sterne be-
stimmt; z. B. im Schweife des Stiers 7, welche das Sieben-
158 Zweites Buch.
gestirn J) heissen, an der Stirn desselben die Suculae und
den Bootes, welcher dem grossen Bären folgt.
42.
Dass, abgesehen von den angeführten Ursachen, auch
auf andere Weise Regen und Winde entstehen, will ich
nicht in Abrede stellen; denn so viel ist gewiss, die Erde
haucht einen feuchten, sonst aber durch Einflüsse der Hitze
rauchigen Dunst aus. Auch die Wolken erzeugen sich aus
der in die. Höhe gestiegenen Feuchtigkeit oder aus den
zu Feuchtigkeit verdichteten Dünsten. Dass sie eine ge-
wisse Dichtigkeit haben und etwas Körperliches sind, geht
unbezweifelt daraus hervor, dass sie die Sonne verdecken,
welche doch sonst den Tauchern in jeder Tiefe unter dem
Wasser sichtbar bleibt.
43.
Auch ist nicht zu leugnen, dass oben aus den Sternen
ein solches Feuer (wie wir es oft bei heiterem Himmel
sehen), in die Wolken fallen kann, durch dessen Schlag
die Luft erschüttert wird, da ja auch abgeschossene Pfeile
ein Geräusch machen. Sobald nun das Feuer in die Wolke
gelangt ist, entwickelt sich ein zischender Dampf, wie
wenn glühendes Eisen ins Wasser getaucht wird, und ein
Rauchwirbel steigt empor. Auf solche Weise entstehen
die Sturmwinde. Kämpfen in den Wolken Wind oder Dampf
sich drängend, so haben wir den Donner; durchbricht die
Glüht die Wolken, den Blitz; nimmt sie aber einen län-
geren Gang, das Wetterleuchten; dieses zertheilt die Wol-
ken, jener durchbricht sie. Die Donner sind also Stösse
des andringenden Feuers, daher gleich darauf feurige Risse
in den Wolken schimmern.
Auch die von der Erde aufgestiegene, aber durch den
Gegenstoss der Sterne niedergepresste und von einer Wolke
aufgehaltene Luft kann Donner erzeugen. So lange die
Luft kämpft, erstickt die Natur jeden Laut; bricht sie sich
aber Bahn, so entsteht ein Knall, wie beim Zerspringen
') Vergilise.
Zweites Buch. 159
einer mit Luft gefällten Blase. Ferner kann sich die Luft,
von welcher Beschaffenheit sie auch sein mag, beim Herab-
stürzen durch Reibung entzünden. Gleichfalls kann beim
Zusammentreffen von Wolken, ähnlich wie aus zwei an-
einander geriebenen Steinen Feuer entsteht, woher das
Funkeln der Blitze kommt. Aber alles diess gehört zu
den zufälligen Erscheinungen; solche Blitze sind meist wild
und unbedeutend, und weichen von dem natürlichen Gange
der Natur ab. Sie fahren in Berge und Meere; alle ihre
anderen Schläge sind wirkungslos. Jene andern aber kom-
men nach festbestimmten Ursachen als Verkünder des
Schicksals von oben herab aus ihren Gestirnen.
44.
Dass auf ähnliche Weise Winde oder vielmehr Luft-
ströme aus der dünnen und trocknen Ausdünstung der
Erde entstehen können, möchte ich nicht leugnen; auch
aus der von den Gewässern ausgehauchten weder zu Nebel
verdichteten noch zu Wolken verdickten Luft; sowie durch
den Trieb der Sonne (denn der Wind wird für nichts
anderes gehalten als für ein Strömen der Luft), endlich
noch auf verschiedene andere Weise bilden sie sich. Denn
auch aus Flüssen, und aus dem selbst ruhigen Meere ent-
wickeln sich Winde; andere, Atlanen genannt, steigen aus
der Erde. Wenn diese vom Meere zurückkehren, nennt
man sie Tropäen, und wenn sie über das Meer hinziehen,
Apogeen.
Die Bergzüge aber, ihre zahlreichen Gipfel, ihre wie Ell-
bogen gekrümmten oder wie Schultern gebrochenen Rücken,
die Aushöhlungen der Thäler, welche durch ihre Ungleich-
heit die aus ihnen emporgestiegene Luft durchschneiden
(daher auch die Stimme darin widerhallt), erzeugen fort-
während Winde. Ja selbst in Höhlen entstehen Winde;
so befindet sich an der Küste von Dalmatien eine weite
jähe Schlucht, in welcher durch Hineinwerfen eines leich-
ten Körpers selbst an ruhigen Tagen ein, einem Wirbel-
winde ähnliches Brausen erfolgt. Der Ort führt den Na-
men Senta. So soll auch in der Landschaft Cyrene ein
160 Zweites Buch.
dem Südwinde geheiligter Fels liegen, welchen keine
menschliche Hand berühren darf, ohne dass der Südwind
sogleich den Sand aufwirbelt. Sogar in manchen Häusern
haben viele durch Abhaltung des Lichts feucht gewordene
Gemächer ihren Wind; an einer Ursache fehlt es daher
niemals.
45.
Zwischen dem Luftstrome und dem Winde findet ein
bedeutender Unterschied statt. Jener wehet beständig und
fühlbar, und zieht sich nicht bloss über einzelne Striche,
sondern über ganze Länder hin. Er ist weder eine milde
Luft, noch ein Sturmwind, sondern wie schon der Name x)
anzeigt, der männliche Wind. Er wird entweder durch den
beständigen Lauf der Welt und den Gegenlauf der Sterne
erzeugt; oder er ist jener, allen Naturwesen gemeinsame,
bald hier bald dorthin wie in einem Schlauche herum-
schweifende Hauch; oder er ist die, durch den ungleichen
Stoss der Planeten und den vielfältigen Wurf der Strahlen
gepeitschte Luft; oder er entsteht aus besondern, den Son-
nenstrahlen näheren Sternen, oder aber aus den Fixsternen.
So viel ist gewiss, dass jenem Strome ein nicht unbekanntes,
wenn auch noch nicht genugsam erforschtes Naturgesetz
zum Grunde liegt. Mehr als 20 alte griechische Schrift-
steller haben ihre Beobachtungen darüber mitgetheilt. Es
ist in der That sehr zu bewundern, dass auf der uneinigen
und in kleine Staaten getheilten Erde, unter fortwährenden
Kriegen, wo die Gastfreundschaft verletzt ward, und sogar
Seeräuber, die Feinde aller Menschen, die Uebergänge be-
setzt hielten, so viele Männer mit so schwierigen Sachen
beschäftigt gewesen sind; so dass heutzutage ein Jeder in
seinem Lande aus den Werken jener Forscher, welche
doch nie dahin gekommen waren, über jene Gegenstände
besser unterrichtet ist, als durch die Kunde der Eingebornen.
Jetzt aber, bei dem beglückenden Frieden, unter einem
Künste und Wissenschaften befördernden Fürsten, erwei-
•) Flatus.
Zweites Buch. 161
tern wir unser Wissen nicht nur nicht, sondern machen
uns auch nicht einmal mit den Erfindungen der Alten be-
kannt. Die damaligen Belohnungen waren nicht gross,
denn die Glücksgüter theilten sich unter viele; und die
meisten fanden keinen anderen Preis für ihre Bemühungen
als das Bewusstsein, der Nachwelt genützt zu haben. Die
Sitten der Menschen sind gealtert, nicht ihre Werke. Eine
zahllose Menge schifft allenthalben auf dem offnen Meere
umher, und nimmt die Gastfreundschaft aller Küsten in
Anspruch, nicht der Wissenschaft, sondern des Gewinnes
wegen. Der blinde, von Habsucht so erfüllte Geist bedenkt
nicht, dass er seinen Endzweck durch die Wissenschaft
weit sicherer erreichen kann. Ich werde daher von den
Winden genauer, als es vielleicht für den Plan dieses Wer-
kes passt, handeln, weil ich auf so viele Tausend Seefahrer
Kücksicht nehme.
46.
Die Alten nahmen überhaupt vier Winde, nach den
vier Weltgegenden an (daher auch Homer nicht mehrere
nennt); allein diese Eintheilung war, wie man bald einsah,
mangelhaft. Das folgende Zeitalter fügte mit allzugrosser
Genauigkeit und Zersplitterung, noch acht hinzu. Die fol-
genden wählten das Mittel zwischen beiden, indem sie zu
der kleinern Eintheilung noch vier von der grössern setz-
ten. Dadurch kommen also je zwei auf die vier Himmels-
gegenden. Vom Aequinoctial-Aufgange (der Sonne) kommt
der Ostwind *), vom Winteraufgange der Südostwind 2);
jenen nennen die Griechen Apeliotes, diesen Eurus. Vom
Mittag kommt der Südwind8), vom Winteruntergange der
Südwest4); bei den Griechen Notus und Liba. Vom Aequi-
noctial-Untergange der Westwind5), vom Solstitial-Unter-
gange der Nordwest6); bei den Griechen Zephyrus und
Argestes. Von Mitternacht der Nordwind7), zwischen ihm
und dem Solstitial-Aufgange der Nordost8); bei den Grie-
') Subsolanus. 2) Vultumus. 3) Auster. 4) Africus. 5) Favonius.
«) Corus. 7) Septentrio. 8) Aquilo.
11
1(32 Zweites Buch.
eben Aparktias und Boreas. Nach der grössern Eintheilung
kommen noch vier Winde dazwischen, nämlich: der Nord-
nordwest1), mitten zwischen Nord und dem Solstitial-Unter-
gange; der Ostnordost2) mitten zwischen dem Nordost und
dem Aequinoctial- Aufgange, vom Solstitial-Punkte an; der
Südsüdost 3), mitten zwischen dem Winteraufgange und
Mittag; der Südsüdwest 4) mitten zwischen Mittag und dem
Winteruntergange, d. h. zwischen Süd und Südwest 5) und da-
her aus beiden (Namen) zusammengesetzt. Aber das ge-
nügte noch nicht! Einige setzten nämlich zwischen dem
Boreas und Csecias den Nordostnord6), und zwischen den
Eurus und Notus den Südostsüd.7)
Einige Winde sind nur gewissen Ländern eigenthüm-
lich, und gehen nicht über einen bestimmten Strich hinaus;
wie z. B. bei den Atheniensern der Sciron, der wenig vom
Argestes abweicht und dem übrigen Griechenland unbekannt
ist. An andern Orten, wo er etwas mehr von Norden weht,
heisst er Olympias; allein gewöhnlich ist mit allen diesen
Namen der Argestes gemeint. Auch den Csecias nennen
Einige Hellespontias. Ueberhaupt haben dieselben Winde
an verschiedenen Orten verschiedene Namen. In der Nar-
bonensischen Provinz ist der Circius der bedeutendste aller
Winde, denn er steht keinem an Heftigkeit nach, und weht
meistens über das ligurische Meer nach Ostia hin. Der-
selbe ist nicht nur in den übrigen Theilen der Erde unbe-
kannt, sondern er berührt auch nicht einmal Vienna, die
Hanptstadt jener Provinz, weil er, ungeachtet seiner Heftig-
keit, nahe vor der Stadt durch einen nicht sehr bedeuten-
den Bergrücken aufgehalten wird. Auch Fabianus leugnet,
dass der Südwind in Aegypten wehe. Hieraus geht ein
Naturgesetz hervor, wonach auch den Winden Zeit und
Grenzen gesetzt sind.
47.
Der Frühling eröffnet den Schiffern die Meere; bei sei-
•) Thrascias. 2) Csecias. 3) Phoenix. 4) Libanotus. 5) Notus und
Liba. 6) Meses. 7) Euronotus.
Zweites Buch. 163
nem Anfange, nämlich wenn die Sonne im 25. Grade des
Wassermanns steht, erreicht der Westwind den winterlichen
Himmel. Der Tag, an welchem diess geschieht, ist der
sechste vor den Iden des Februars.1) Dasselbe gilt fast
von allen Winden, die ich später besprechen werde; nur
in den Schaltjahren kommen sie um einen Tag früher, in
dem folgenden Lustrum2) aber befolgen sie wieder die
alte Ordnung. Der Westwind heisst bei Einigen vom ach-
ten Tage vor den Kaienden des März3) an Chelidonias
wegen der Ankunft der Schwalben, bei Anderen Ornithias,
weil er vom 71. Tage nach dem Wintersolstitium, das ist
von der Ankunft der Vögel an, neun Tage lang wehet.
Der dem Westwinde entgegengesetzte heisst Ostwind. Der
Sommer tritt mit dem Aufgange des Siebengestirns in dem-
selben Grade4) des Stieres, am neunten Mai, ein; diess ist
die Zeit des Südwindes, welcher dem Nordwinde entgegen
steht. In der heissesten Periode des Sommers geht der
Hundsstern auf, beim Eintritt der Sonne in den ersten
Grad des Löwen, oder am 16. Juli. Ohngefähr 8 Tage
vor seinem Aufgange wehet der Nordost, der daher auch
Vorläufer 5) heisst. Aber zwei Tage nach seinem Aufgange
wehet derselbe Wind in den Hundstagen beständig fort,
und heisst Passatwind. 6) Man glaubt, die Hitze der Sonne
verbunden mit der des Hundssterns mildere diesen Wind,
welcher beständiger als alle andern Winde ist. Darauf
folgt wieder häufiger Südwind bis zum Aufgange des Arc-
turus, elf Tage vor dem Herbst-Aequinoctium. Mit dem
') Der 7. Februar. Mus war der 15. Tag im März, Mai, Juli und
October, in den übrigen Monaten der 13.
2) Hier ein Zeitraum von 4 Jahren. Ursprünglich aber verstand
man darunter das Sühnopfer, welches alle 5 Jahre vorgenommen
wurde.
3) Am 22. Februar. Kalendse war der erste Tag eines jeden
Monats.
4) Dem 25.
5) Prodromus.
6) Etesias.
11*
164 Zweites Buch.
Herbst- Aequinoctium beginnt als Herbstwind der Nordwest;
ihm ist der Südostwind entgegen. Etwa 44 Tage nachher
tritt mit dem Untergange des Siebengestirns der Winter
ein, welcher Zeitpunkt auf den 10. November zu fallen
pflegt. Mit ihm beginnt auch der winterliche Nordost, wel-
cher von dem im Sommer wehenden sehr verschieden ist;
sein Gegner ist der Südwest. Sieben Tage vor und. nach
dem kürzesten Tage ist das Meer mit der Brut der Eis-
vögel bedeckt, woher auch diese Tage ihren Namen1) er-
halten haben; die übrige Zeit ist es Winter. Allein selbst
durch die Rauheit des Wetters wird das Meer nicht ver-
schlossen. Anfangs sah man sich nur aus Furcht, den
Seeräubern zur Beute zu werden, mit Todesgefahr genö-
thigt, im Winter das Meer zu beschiffen; allein jetzt ist
die Habsucht die Triebfeder dazu.
48.
Am kältesten siud die Winde, welche, wie wir an-
gegeben, vom Norden her wehen, uud der ihnen benach-
barte Nordwest. Diese herrschen auch über die andern und
vertreiben die Wolken. Feuchte Winde sind der Südwest,
und vorzüglich für Italien der Südwind. Auch im Pontus
soll der Ostnordost die Wolken an sich ziehen. Trockne
Winde sind der Nordwest und Südost, ausgenommen wenn
sie ruhig wehen. Der Nordost und Nord bringen Schnee,
der Nord und Nordwest Hagel, der Südwind ist heiss, der
Südost und West lau, beide aber trockner als der Ostwind,
und im Allgemeinen sind die von Norden und Westen
kommenden trockner als die, welche von Süd und Ost.
Der gesundeste unter allen ist der Nordost; der Südwind
nachtheilig und mehr trocken, vielleicht, weil er feucht,
und darum kälter ist. Während er wehet, sollen die Thiere
weniger Hunger empfinden.
Die Passatwinde hören fast immer bei Einbruch der
Nacht auf und erheben sich um die dritte Tagesstunde2)
•) Halcyonides,
2) 9 Uhr Morgens. Der Tag fing bei den Römern nach unserer
Zeitrechnung um G Uhr Morgens an.
Zweites Buch. 165
wieder. In Spanien und Asien wehen sie von Osten her,
im Pontus von Nordost, in den übrigen Ländern von Mittag.
Sie wehen auch vom kürzesten Tage au, wo sie dann
Ornithiä heissen, aber milder sind und nur wenige Tage
dauern. Zwei Winde verändern auch ihre Natur mit der
Ortlage; der Südwind bringt Afrika heitern, der Nordost
trüben Himmel.
Alle Winde wehen grösstenteils abwechselnd, oder so,
dass, wenn einer aufhört, der entgegengesetzte anfängt.
Erhebt sich aber der zunächst liegende, so geschieht diess,
gleich dem Laufe der Sonne, von der linken Seite zur
rechten. Ihre Beschaffenheit während eines Monats hängt
von dem 4. Tage nach dem Neumonde ab. Mit ein und
demselben Winde kann man in entgegengesetzter Richtung
schiffen, wenn man die Segeltaue nachlässt, weshalb auch
häufig des Nachts von entgegengesetzten Seiten kom-
mende Fahrzeuge zusammenstossen. — Der Südwind schlägt
grössere Wellen als der Nordost, denn jener weht von dem
untersten Ende des Meeres her, dieser dagegen vom ober-
sten. *) Daher treten nach dem Südwinde besonders häufig
gefährliche Erdbeben ein. Des Nachts ist der Südwind,
am Tage der Nordostwind heftiger. Die Ostwinde halten
länger au als die Westwinde. Die Nordwinde hören
meistens an ungeraden Tagen auf, was auch für viele
andere Naturgegenstände gilt, daher hält man die ungerade
Zahl für die männliche. Die Sonne vermehrt und unter-
drückt die Winde; die Vermehrung findet bei ihrem Auf-
gange und Untergange, die Verminderung zur Sommerzeit
um Mittag statt. Daher ruhen sie grösstenteils in der
Mitte des Tages oder der Nacht, indem sie durch die all-
zugrosse Kälte oder Hitze vertrieben werden. Auch durch
Regen werden die Winde beschwichtigt. Aber fast immer
sind wir ihrer gewärtig, wenn zerrissene Wolken den Him-
') Dieser Satz wird verständlich, wenn man sich, im Sinne der
Alten, die nördliche Weltgegend weit höher denkt als die südliche.
166 Zweites Buch.
mel durchblicken lassen. Eudoxus x) glaubt, dass (wenn
man die geringsten Nebenumstände beachten würde) alle
vier Jahre dieselben Wind- und Witterungswechsel wieder-
kehren. Der Anfang dieser vierjährigen Periode ist im
Schaltjahre, beim Aufgange des Hundssternes. Soviel von
den allgemeinen Winden.
49.
Nun gehen wir zu den plötzlich entstehenden Winden
über, welche sich, wie gesagt 2), aus den Dünsten der Erde
erzeugen, dann aber, mit einer Wolkenhülle umgeben, nie-
derstürzen und in vielfacher Gestalt erscheinen. Umher-
schweifend und gleich reissenden Strömen fortstürzend er-
zeugen sie (nach der oben angeführten Meinung Einiger) 3)
Donner und Blitz. Wenn sie mit grösserer Kraft und
schnellerem Anlaufe eine trockne Wolke durchbrechen, so
entsteht der Sturmwind, den die Griechen Eknephias
nennen. Haben sie aber, enger zusammengerollt, die Wolke
in einem flachen Bogen durchbrochen, jedoch ohne Feuer,
d. h. ohne Blitz, dann bilden sie einen Wirbel, welcher
Typhon oder gewirbelter Eknephias heisst. Dieser nimmt
ein abgerissenes Stück von der kalten Wolke mit sich, und,
indem er es wälzt und drehet und seine Zerstörung durch
jenes Gewicht noch beschleunigt wird, zieht er in reissendem
Wirbel von Ort zu Ort. Besonders den Seefahrern ist er
ein gefährliches Uebel, denn er zerbricht nicht nur die
Segelstangen, sondern die Fahrzeuge selbst. Mit einem
sehr billigen Mittel kann man sich gegen ihn schützen;
man giesst ihm nämlich Essig, dessen Natur sehr kühlend
ist, entgegen. Wird er nach heftigem Anprallen zurück-
gestossen, so reisst er das Ergriffene saugend mit sich in
die Höhe.
50.
Wenn er die gepresste Wolke in einer grössern Höh-
') Aus Knidos, ein Schüler des Plato, war Arzt und Geometer
und starb 348 v. Chr.
2) Im 42. Cap.
3) Im 43. Cap.
Zweites Buch. 167
lung, die aber nicht so weit ist als beim Sturmwinde, mit
Krachen durchbricht, so heisst er Wirbelwind1), und reisst
dann alles nieder, was ihm nahe steht. Ist er aber heiss
und zündet er während seines Tobens, so nennt man ihn
feurigen Wirbelwind2); er verbrennt und vernichtet
alles, was er berührt. Niemals entsteht aber bei Nordost-
winde der Typhon, noch im Winter oder wenn Schnee
liegt, der Eknephias. Wenn letzterer beim Durchbruch der
Wolke sich entzündet, das Feuer aber schon bei sich ge-
habt und nicht erst empfangen hat, so wird er zum Blitze.
Er unterscheidet sich vom Prester, wie die Flamme vom
Feuer. Dieser verbreitet sich durch sein Blasen weit und
breit, jener wird durch seine Heftigkeit zusammengeballt.
Der Dreh wind3) unterscheidet sich vom Wirbelwinde durch
sein Wiederkehren, gleich wie ein prasselndes Geräusch
vom Knalle. Von beiden aber ist der Sturmwind4) durch
seine Breite verschieden; er treibt die Wolken mehr aus
einander als er sie durchbricht. Es giebt auch schwarze,
ungeheuren Thieren ähnliche Wolken, welche für den
Schiffer Unheil drohend sind. Man nennt sie Säulen, wenn
die verdickte und starre Feuchtigkeit sich selbst aufrecht
hält. Zu derselben Gattung gehört ferner die Wolke, welche
gleich einer Röhre das Wasser an sich zieht.
51.
Im Winter und Sommer sind, aus entgegengesetzten
Ursachen, die Blitze selten, denn im Winter wird die
ohnehin dichte Luft durch die dickere Wolkenhülle noch
mehr verdichtet; alle Ausdünstung der Erde ist starr und
eisig, und was sie an Feuerstoff empfängt, erlöscht. Aus
diesem Grunde ist Scythien sammt den umliegenden kalten
Ländern frei von Blitzen; dagegen hat in Aegypten die
allzugrosse Hitze dieselben Folgen, denn die heissen und
trocknen Dünste der Erde verdichten sich nur selten, und
') Turbo.
2) Prester.
3) Vortex.
4) Procella.
168 Zweites Buch.
dann nur zu dünnen, lockern Wolken. Allein im Frühlinge
und im Herbste entstehen häufiger Blitze, weil die Ur-
sachen, welche ihrem Entstehen im Winter und Sommer
hinderlich sind, in jenen beiden Jahreszeiten wegfallen.
Daher wird Italien oft von Blitzen heimgesucht, denn die
bewegliche Luft des mildern Winters und feuchten Sommers
gleicht gewissermaassen derjenigen im Frühlinge und Herbste.
Auch in den mehr südlich gelegenen Gegenden Italiens,
wie um Rom und in Companien, blitzt es im Sommer sowohl
wie im Winter, was in andern Ländern nicht geschieht.
52.
Man giebt von den Blitzen selbst mehrere Arten an.
Die trocknen zünden nicht, sondern zerschmettern nur; die
feuchten brennen nicht, sondern sengen nur. Eine dritte
Art, der helle Blitz genannt, ist von wunderbarer Beschaf-
fenheit; er leert die Fässer aus, ohne sie im geringsten zu
beschädigen oder sonst eine Spur zu hinterlassen. Er
schmelzt Gold, Silber und Kupfer in den Beuteln, ohne die
letztern zu verbrennen, und nicht einmal das wächserne
Siegel wird dadurch verletzt. Marcia, eine vornehme Rö-
merin, wurde während ihrer Schwangerschaft vom Blitze
getroffen, und blieb selbst ohne ander weiten Unfall am
Leben, während ihre Leibesfrucht getödtet ward. Unter
andern Wunderzeichen während der Catilinarischen Ver-
schwörung ereignete es sich auch, dass der Dekurio1)
M. Herennius aus der Pompejanischen Pflanzstadt 2) an
einem heitern Tage vom Blitze erschlagen wurde.
53.
In den Schriften der Thuscer3) wird angegeben,
dass neun Götter die Blitze entsenden, und dass es elf
Arten derselben gebe; Jupiter allein schleudere drei davon.
Die Römer haben nur zwei behalten, und schreiben die
am Tage erfolgenden dem Jupiter, die des Nachts entste-
') Rathsherr in einer Pflanzstadt (municipium).
*) Pompeji.
3) Etruscer oder Hetrurier.
Zweites Buch. 169
henden dem Summanus a) zu. Die letzteren sind wegen
des kältein Himmels seltener. In Etrurien glaubt man, es
brächen auch Blitze aus der Erde hervor und nennt sie
unterirdische. Sie erfolgen im Winter und sind äusserst
wüthend und schrecklich, denn sie haben alle einen irdi-
schen Ursprung und gehören nicht zu den allgemeinen,
welche von den Gestirnen herabkommen, sondern erzeugen
sich aus den nächsten und unreinem Stoffen der Natur.
Der auffallende Unterschied beider Arten liegt darin, dass
alle vom Himmel kommenden Blitze schräg, die sogenann-
ten irdischen aber gerade einschlagen. Da sie aber aus
einem uns nähern Stoffe fallen, so glaubt man, sie kommen
aus der Erde, weil sie keine Spur ihres Zurückprallens
zeigen; allein dieses Verhalten spricht nicht für einen von
unten kommenden Schlag, sondern für einen diesem gerade
entgegengesetzten. Diejenigen, welche die Sache genauer
untersucht haben, glauben, sie kämen vom Saturn herab,
sowie die zündenden vom Mars. Durch einen solchen Blitz
ward Volsinii2), die reichste Stadt der Thuscser, ganz ver-
brannt.
Familienblitze nennt man die für das ganze Leben
bedeutungsvollen, welche dem, welcher eine Familie be-
gründet, zum ersten Male erscheinen. Uebrigens glaubt
man, dass die Vorbedeutungen der Blitze in Privatange-
legenheiten sich nicht über zehn Jahre hinaus erstrecken,
ausgenommen diejenigen, welche am Geburtstage und bei
der ersten Heirath erscheinen; in öffentlichen Angelegen-
heiten weissagen sie nicht über 30 JaJire, ausgenommen
bei der Anlegung neuer Städte.
54.
In den Jahrbüchern3) findet man, dass durch gewisse
Opfer und Gebete die Blitze weggebannt und herbei-
*) Gott der Unterwelt (Summus manium).
2) Volsena.
3) Annales, waren von den Priestern geführte Bücher, über die
Hauptereignisse eines jeden Jahres, aus welchen die spätem Histo-
riker ihren Stoff schöpften.
170 Zweites Buch.
gerufen werden können. Eine alte Sage in Etrurien er-
zählt, man habe, als einst ein Ungeheuer, Volta genannt,
die Aecker verwüstete und die Stadt Volsinii bedrohete,
Blitze herbeigerufen. Auch Porsenna1), der dortige Kö-
nig, erflehete Blitze; und dass vor ihm Numa2) dasselbe
gethan, berichtet L. Piso3), ein glaubwürdiger Schriftsteller
im ersten Buche seiner Annalen; T. Hostilius4) habe ihm
darin, aber weniger glücklich nachgeahmt, denn er sei
vom Blitze erschlagen. Wir haben zu diesem Behufe Haine,
Altäre und heilige Gebräuche; und neben dem Jupiter
Stator5), Tonans6) und Feretrius7) haben wir auch einen
Jupiter Elicius8) angenommen. Im gemeinen Leben hegt
man hierüber verschiedene Meinungen, die sich nach den
Ansichten eines Jeden richten. Es ist ein kecker Gedanke,
die Natur beherrschen zu wollen, und nur ein schwacher
Verstand wird behaupten, dass man Naturkräften durch
Opfer ihren Einfluss benehmen könne; ja die Kenntniss in
der Erklärung der Blitze ist schon so weit gekommen, dass
man durch Hülfe ihrer zukünftige Blitze auf den Tag be-
stimmt vorhersagt, und wie aus unzähligen Erfahrungen
') König von Clusium in Etrurien, im 6. Jahrh. v. Chr., zu dem
der aus Rom vertriebene Tarquinius flüchtete, Vergl. XXXIV. B.
14. Cap.
2) Numa Pompilius, der zweite römische König, 715 — 670 v. Chr.
3) L. Calpurnius Piso, ein verdienter Staatsmann, der 133
v. Chr. das Consulat bekleidete.
4) Enkel des Hostus Hostilius, dritter römischer König, 670 — 638
v. Chr. Vergleiche XVIII. B. 2. Cap.
5) Romulus gelobte dem Jupiter einen Tempel, wenn er die
vor den Sabinern fliehenden Römer zum Stehen bewegen würde.
Liv. I. 12.
6) Der Donnerer.
7) Romulus weihete dem Jupiter einen Tempel und brachte
ihm die dem Könige der Cänimenser abgenommene Beute dar, welche
auf einer Bahre (feretrum) getragen wurde.
8) Der herabgelockte. Numa soll nämlich die Kunst verstanden
haben, durch zauberische Gebräuche den Jupiter vom Olymp zu sich
herabzulocken.
Zweites Buch. 171
•des öffentlichen und Privatlebens hervorgeht, bestimmt, ob
sie das Schicksal ändern, oder das Kommen neuer Ereig-
nisse andeuten. Mögen diese Dinge nun, wie es ihre Na-
tur mit sich bringt, Einigen als gewiss, Andern als zweifel-
haft, Andern als erwiesen, Andern als verwerflich erschei-
nen; wir wollen die übrigen Erscheinungen, welche hiebei
noch bemerkenswerth sind, nicht übergehen.
55.
Dass der Blitz eher gesehen als der Donner gehört
wird, obgleich beide zu gleicher Zeit entstehen, ist gewiss,
aber auch kein Wunder, denn das Licht pflanzt sich weit
schneller fort als der Schall. Die Natur hat es zwar so
eingerichtet, dass Schlag und Schall in demselben Momente
zusammenfallen; aber der Schall ist die Wirkung des aus-
fahrenden, nicht des einschlagenden Blitzes. Noch schneller
als der Blitz ist die Luft, daher wird alles eher erschüttert
und ange wehet als vom Strahle getroffen, auch Niemand
vom Blitze erschlagen, der ihn zuvor gesehen oder den
Donner gehört hat. Die Blitze, welche von der linken Seite
herkommen, werden für glücklich gehalten, weil der Sonnen-
aufgang uns zur Linken Seite der Welt liegt. Jedoch wird
dabei nicht sowohl auf seine Ankunft als vielmehr auf seine
Rückkehr Rücksicht genommen; ob nämlich sogleich nach
dem Schlage Feuer abspringt , oder ob nach vollendetem
Schlage oder nach verlöschtem Feuer die Luft sogleich wie-
derkehrt. Die Thuscer haben zu diesem Behufe den Him-
mel in 16 Theile getheilt. Der erste Theil erstreckt sich
vom Norden bis zum Aequinoctial- Aufgange; der zweite
von da bis Mittag; der dritte von hier bis zum Aequinoc-
tial-Untergange; der vierte enthält den übrigen Raum von
da bis zum Norden. Jeder dieser Theile zerfällt wiederum
in vier, von denen acht die dem Sonnenaufgange links,
und acht die demselben rechts liegenden genannt werden.
Von allen Blitzen haben nun diejenigen die schrecklichste
Bedeutung, welche von West nach Nord sich zeigen. Es
kommt also sehr viel darauf an, von woher sie ziehen und
wohin sie sich wenden. Am besten ist es, wenn sie da,
172 Zweites Buch.
wo sie entstanden sind, wieder hineilen. Kommen sie da-
her vom ersten Theile des Himmels her und kehren wie-
der dahin zurück, so verkünden sie das grösste Glück, wie
dergleichen dem Dictator Sulla *) widerfahren sein soll. Die
Blitze, welche von den übrigen Theilen kommen, sind we-
niger Glück bringend oder Unheil verkündend. Manche
Blitze soll man weder nennen, noch nennen hören dürfen,
es sei denn, dass mau einem Gastfreunde oder Verwandten
davon erzählte. Wie unsicher diese Beobachtung ist, hat
sich in Rom erwiesen, als unter dem Konsul Scaurus2),
welcher bald darauf der erste unter seinen Amtsgenossen
wurde, der Blitz in den Tempel der Juno einschlug.
Blitz ohne Donner bemerkt man mehr bei Nacht »als
bei Tage. Das einzige lebende Wesen, welches er nicht
immer tödtet, ist der Mensch, die übrigen sterben auf der
Stelle. Die Natur scheint ihm diesen Vorzug deshalb ge-
geben zu haben, weil ihn so viele Thiere an Stärke über-
treffen. Alle Thiere liegen auf der dem Schlage entgegen-
gesetzten Seite; der Mensch stirbt nicht, wenn er nicht auf
die getroffene Stelle geworfen wird; die von oben Getrof-
fenen werden sitzend, die wachend Getroffenen mit geschlos-
senen Augen, und die schlafend Getroffenen mit offenen
Augen gefunden. Nach religiösen Vorschriften soll ein vom
Blitz erschlagener Mensch nicht verbrannt, sondern beerdigt
werden. Kein Thier wird, wenn es nicht schon todt war,
vom Blitz angezündet. Die vom Blitze herrührenden Wun-
den sind kälter als der übrige Körper.
56.
Von allem, was die Erde hervorbringt, wird der Lorbeer-
baum nicht vom Blitze getroffen, und nie dringt er über
fünf Fuss tief in die Erde. Daher halten Furchtsame sich
in tiefen Höhlen, oder auch in Zelten aus den Fellen der
Seekälber für sicher, denn diess Thier ist das einzige unter
den Seegeschöpfen, welches der Blitz nicht verletzt, sowie
') Geboren 147, gestorben 78. v. Chr.
2) 115 v. Chr.
Zweites Buch. 173
unter den Vögeln der Adler, daher derselbe als Träger die-
ses Geschosses abgebildet wird. In Italien zwischen Ter-
racina und dem Tempel der Feronia1) werden in Kriegs-
zeiten keine Thtirme mehr erbauet, weil keiner derselben
vom Blitze verschont blieb.
57.
Ausserdem finden sich, was die untere Region des
Himmels betrifft, Nachrichten, dass es unter den Konsuln
M. Acilius und C. Porcius2) und auch sonst noch Milch
und Blut geregnet habe; ferner Fleisch, unter den Kon-
suln P. Volumnius und Servius Sulpitius 3), und die Stücke,
welche die Vögel nicht weggeholt hätten, sollen nicht ver-
fault sein. Auch Eisen regnete es in Lukanien ein Jahr
zuvor, ehe M. Crassus nebst allen lukauiscben Soldaten,
von denen sich eine grosse Anzahl bei seinem Heere be-
fand, von den Parthern niedergemacht wurde. 4) Im Aeussern
glich das herabgefallene Eisen Schwämmen; die Harus-
pices hatten auch schon vorher vor Wunden, welche von
oben kämen, gewarnt. Unter den Konsuln L. Paulus und
E. Marcellus5) regnete es in der Nähe des compsanischen
Kastells6) Wolle; ein Jahr darnach wurde dort T. Annius
Milo getödtet. Die öffentlichen Urkunden 7) berichten auch,
dass es, als jener seine Rechtssache vertheidigte, Ziegel-
steine geregnet habe.
58.
Man erzählt, dass während des cimbrischen Krieges s),
und auch häufig früher und später Waffengeklirr und
') Göttin der Freiheit und Beschützerin der Wälder und Haine.
Der Tempel lag an der Stelle des heutigen Lago di Ferona.
-) 640 n. R. E. 114 v. Chr.
3) 293 n. R. E. 461 v. Chr.
«) 701 n. R. E. 53 v. Chr.
5) 704 n. R. E. 50 v. Chr.
6) bei Compsa (Conza).
7) Acta, eine Art Zeitungen, welche unter Julius Caesar auf-
kamen.
8) 101 v. Chr.
174 Zweites Buch.
Hörn erschall vom Himmel herab gehört worden sei. Aber
unter dem 3. Konsulate des Marius *) sahen die Ameriner
und Tuderter Waffen am Himmel, die von Morgen und Abend
her gekommen so lange mit einander kämpfteu,' bis die
letztern zurückgedrängt waren. Dass selbst der ganze Him-
mel brennt, ist keineswegs wunderbar und schon oft ge-
sehen, wenn die Wolken von einem grossen Feuer ergriffen
wurden.
59.
Die Griechen rühmen von Anaxagoras 2) aus Klazomenä,.
dass derselbe im 2. Jahre der 78. Olympiade3) vermöge
seiner Kenntniss in der Astronomie vorhergesagt habe, an
welchem Tage ein Stein aus der Sonne fallen würde, und
dass diess wirklich in einer Gegend von Thracien, am
Flusse Aegos4) bei Tage geschehen sei. Dieser Stein, von
der Grösse eines beladenen Wagens und von brandiger
Farbe, wird noch jetzt gezeigt. Um jene Zeit stand auch
ein feuriger Komet am Himmel. Wer aber an eine solche
Vorhersagung glaubt, der muss noth wendig auch zugeben,
dass die Weissagungskraft des Anaxagoras ein noch grös-
seres Wunder war; und unsere Einsicht in das Wesen der
Dinge würde in Nichts zerfallen, und in gänzliche Verwir-
rung gerathen, wenn entweder die Sonne selbst ein Stein
wäre, oder man glaubte, dass jemals ein Stein auf ihr ge-
wesen sei. Dass aber dennoch häufig Steine herabfallen,
wird darum keinen Zweifel erleiden. In der Fechtschule
zu Abydus5) wird noch heutzutage ein Stein, der zwar nur
klein ist, dessen Herabfallen mitten auf das Land aber
Anaxagoras. ebenfalls voraus gesagt haben soll, heilig ver-
wahrt. Auch zu Cassandria, welches jetzt Potidäa6) heisst,
') 103 v. Chr.
-) Geboren 500 v. Chr., starb 428 zu Lampsacus.
3) 4G7 y. Chr.
4) An der Strasse der Dardanellen.
5) Es gab mehrere Orte dieses Namens, einen in Troas, einen
in Thebais und einen in Japygia.
6) Auf der Landspitze Pallene in Macedonien; jetzt heissen ihre
Ruinen Porte di Cassandro.
Zweites Buch. 175
wird ein solcher Stein aus derselben Veranlassung verehrt
Ich selbst habe im Gebiete der Vocontier x) einen gesehen,
der erst kurz vorher herabgefallen war.
60.
Was wir Kegenbogen nennen, ist eine häufige, weder
mit Wundern noch Deutungen begleitete Erscheinung; denn
nicht einmal Hegen oder heiteres Wetter zeigt er mit Sicher-
heit an. Es ist offenbar, dass der in eine hohle Wolke
einfallende Sonnenstrahl, an der Spitze gebrochen und ge-
gen die Sonne zurückgeworfen wird; und dass die Ver-
schiedenheit der Farben aus der Mischung der Wolken,
der Luft und des Feuers hervorgeht. Er entsteht in der
That auch nur auf der der Sonne entgegengesetzten Seite,
und niemals anders, als in der Gestalt eines Halbkreises;
auch erscheint er nie des Nachts, obgleich Aristoteles an-
giebt, dass man um diese Zeit einst einen solchen gesehen
habe, zugleich gesteht er aber, dass diess nur am 14. Tage
nach dem Neumonde möglich sei. Die meisten Regenbogen
bilden sich im Winter, vom Herbst-Aequinoctium an, wenn
die Tage abnehmen. Wenn diese wieder zunehmen, also
vom Frühlings-Aequinoctium an, erscheinen sie eben so
wenig wie zur Zeit des Sommer-Solstitiums, in den läng-
sten Tagen. Im Winter-Solstitium, an den kürzesten Ta-
gen, sind sie sehr häufig. Sie stehen hoch, wenn die Sonne
tief, und tief, wenn die Sonne hoch steht; sie sind Morgens
und Abends kleiner, aber breiter, Mittags schmäler, aber
von grösserem Umfange. Im Sommer sieht man sie des
Mittags nicht, jedoch nach dem Herbst-Aequinoctium zu
jeder Stunde. Nie erscheinen auf einmal mehr als zwei.
61.
Die übrigen hieher gehörigen Naturerscheinungen dürf-
ten wohl den Meisten klar sein. Der Hagel entsteht aus
gefrorenem Regen, der Schnee aus derselben, nur lockerer
vereinigten Feuchtigkeit, der Reif aber aus erstarrtem Thau.
Im Winter fällt Schnee, aber kein Hagel, dieser selbst am
') Jetzt Vaison im südlichen Frankreich.
176 Zweites Buch.
Tage öfter als in der Nacht und zergeht schneller als der
Schnee. Nebel entstehen weder im Sommer noch bei
strenger Kälte; Thau fällt weder bei Kälte, noch bei Hitze,
noch beim Winde, sondern in heitern Nächten. Durch den
Frost wird die Wassermasse verringert und wenn das Eis
aufthauet, dieselbe Quantität nicht wiedergefunden. In den
Wolken nimmt man verschiedene Farben und Gestalten
wahr, je nachdem das beigemischte Feuer die Oberhand
hat oder untergeordnet ist.
62.
Ausserdem zeigen einige Orte gewisse Eigenthümlich-
keiten. So hat man in Afrika im Sommer thauige Nächte.
In Italien zu Locri1) und am velinischen See2) erscheinen
jeden Tag Kegenbögen. Zu Rhodus und Syrakus ist der
Himmel nie so sehr mit Wolken bedeckt, dass man nicht
"wenigstens zu einer Stunde des Tages die Sonne sehen
kann. Alles dies werde ich jedoch passender bei den be-
treffenden Orten vortragen. So viel von der Luft.
63.
Nun folgt die Erde, welcher wir, wegen ihrer grossen
Verdienste, allein von allen Theilen der Welt den Namen
und die Verehrung einer Mutter verliehen haben. Sie ist
dem Menschen das, was der Gottheit der Himmel ist; sie
nimmt uns bei der Geburt auf, ernährt und erhält uns
fortwährend, und zuletzt, wenn die übrige Natur sich von
uns lossagt, empfängt sie uns in ihrem Schoos und bedeckt
uns als eine liebende Mutter. Durch kein Verdienst ist
sie uns heiliger, als dass sie uns selbt heilig macht; auch
trägt sie unsere Monumente und Inschriften, und pflanzt so
unsere Namen und unser Andenken weit über das kurze
Leben hinaus fort. Im Zorne rufen wir sogar ihre Gottheit
gegen die Todten an, als wenn wir nicht wüssten, dass sie
es allein ist, welehe nie einem Menschen zürnt.
Die Wasser werden zu Regen, erstarren zu Hagel,
f) Jetzt Motta di Burzano.
2) Jetzt Rio de Luco oder Lagodella Mann.
Zweites Buch. 177
schwellen zu Fluthen an, und stürzen als reissende Ströme
daher; die Luft verdichtet sich zu Wolken und wüthet in
Stürmen. Aber diese gütige, milde, geduldige, und dem
Sterblichen stete Dienerin, was bringt sie nicht durch An-
bau hervor! Was spendet sie nicht schon freiwillig! Welche
Gerüche, Speisen, Säfte, dem Gefühle angenehme Dinge,
welche Farben! Mit welcher Treue giebt sie das ihr an-
vertraute Gut verzinst zurück, und was ernährt sie nicht
um unsertwillen! Denn die giftigen Thiere, an deren Da-
sein ihr belebender Geist schuld ist, muss sie, durch diesen
befruchtet, aufnehmen und nach der Geburt erhalten. Aber
die Schuld liegt an denen, welche das Uebel erzeugen.
Sie nimmt die Schlange, welche einen Menschen tödtete, nicht
wieder auf1), und vollführt die Strafen im Namen der Trä-
gen; sie spendet heilsame Kräuter und zeuget nur immer
für den Menschen. Ja es ist wahrscheinlich, dass sie auch
die Gifte aus Erbarmen mit uns hervorgebracht hat, damit
nicht, beim Ueberdruss des Lebens, der Hunger, eine den
Verdiensten der Erde ganz fremde Todesart, uns langsam
verzehrend aufreibe; oder Felsen den zerrissenen Körper
zerstreuen; ferner, damit nicht der Strick uns auf unnatürliche
Weise martere und den Geist einschliesse, der einen Aus-
weg sucht; damit nicht, wenn wir im Wasser den Tod
suchen, unsere Leiche zum Frasse werde; damit endlich
nicht das Eisen unsern Körper zertheile. So erzeugte sie
aus Erbarmen etwas, durch dessen leichten Genuss wir mit
unverletztem Körper und vollem Blute, ohne Mühe, gleich
Dürstenden das Leben aushauchen, damit die so Gestorbe-
nen kein Vogel oder wildes Thier berühre, und der in der
Erde bewahrt werde, welcher sich selbst den Tod gab.
Um die Wahrheit zu gestehen, so gab uns die Erde das
Mittel wider die Uebel, wir machen es aber zum Gifte für
das Leben. Denn bedienen wir uns nicht des Eisens, wel-
ches wir nicht entbehren können, auf ähnliche Weise? Und
dennoch haben wir Unrecht zu klagen, wenn sie auch die
») Siehe XXIX. Buch, 23. Capitel.
12
178 Zweites Buch.
Ursache irgend eines Uebels wäre, und nur gegen diese
eine Seite der Natur sind wir undankbar. Zu welchem
Vergnügen und zu welchen Schandthaten ist sie nicht dem
Menschen behilflich? Sie wird ins Meer geworfen, oder,
um Kanäle zu bauen, aus dem Wasser hervorgegraben ;
mit Eisen, Holz, Feuer, Steinen und Früchten wird sie stets
gequält, mehr um des Vergnügens als der Nahrung willen.
Das würde noch erträglich erscheinen, was man an ihrer
Oberfläche vornimmt. Allein wir dringen auch in ihr Inne-
res, graben nach Gold und Silber, Erz und Blei; sogar edle
und andere kleine Steine suchen wir in tief angelegten
Schächten. Wir reissen ihre Eingeweide heraus, um den
Stein, welchen wir suchen, am Finger zu tragen. Wie viele
Hände sind bemüht, damit nur ein Glied glänzen kann!
Wenn es unterirdische Menschen gäbe, wahrhaftig durch
jene habgierigen und schwelgerischen Gräber wären sie
längst herausgescharrt. Sollen wir uns nun noch wundern,
wenn sie etwas zu unserm Nachtheil hervorgebracht hat!
Denn die wilden Thiere, glaube ich, schützen sie noch und
halten die räuberischen Hände ab. Graben wir nicht mitten
unter Schlangen, und suchen die. Goldadern bei giftigen
Wurzeln? Allein die Göttin ist deshalb versöhnt, weil alle
diese Quellen des Reickthums zu Verbrechen, Mord und
Krieg führen, weil wir sie mit unserm Blute benetzen und
mit unsern unbegrabenen Gebeinen bedecken. Jedoch, nach-
dem sie uns gleichsam unsere Wuth vorgeworfen hat, be-
deckt sie endlich selbst jene Gebeine, und verbirgt so die
Schlechtigkeiten der Menschen. Unter die Verbrechen der
Undankbarkeit möchte ich auch noch das zählen, dass wir
mit ihrer Natur noch nicht gehörig vertraut sind.
64.
Ihre Gestalt aber ist das erste, worüber man einerlei
Meinung hat. Mit Recht nennen wir sie Erdkreis, und
geben zu, dass ihre Kugelform von Spitzen umschlossen sei.
Denn bei der ungeheuren Höhe der Berge und Fläche der
Felder kann sie keine vollkommene Kugel darstellen; aber,
Zweites Buch. 179
wenn man die äussersten Endpunkte durch eine Umfangs-
linie verbindet, dann entsteht ein vollkommener Kreis. Die
ganze Anordnung der Natur erheischt diess schon, nur
nicht aus denselben Ursachen, welche wir bei dem Himmel
angegeben haben. Denn dieser bildet eine in sich selbst
geneigte Hohlkugel, die allenthalben in ihrer Angel, d. i.
der Erde ruht. Diese dagegen, fest und voll, erhebt sich
gleichsam aufschwellend und strebt nach aussen. Die Welt
neigt sich zum Mittelpunkte, allein die Erde geht vom
Centrum aus, indem ihre ungeheure Masse durch den be-
ständigen Umschwung der Welt um sie in der Kugelform
erhalten wird.
65.
Bei den Gelehrten und dem gemeinen Volke herrscht
ein grosser Streit darüber, ob die Erde allenthalben von
Menschen bewohnt sei, die einander die Füsse entgegen-
kehren, ob sie alle denselben Scheitelpunkt am Himmel
haben, und auf gleiche Weise an jedem Orte in der Mitte
stehen. Die Letzteren dagegen werfen die Frage auf, wo-
Jier es denn käme, dass die Gegenfüssler nicht fielen?
als ob die Gegenfüssler sich nicht eben so gut darüber wun-
dern könnten, dass wir nicht fallen. Dazu gesellt sich noch
eine andere, wenngleich nur dem dummen Volke wahr-
scheinliche Meinung, dass die Erde, da sie nur eine unvoll-
kommne Kugel, etwa wie eine Pinienfrucht gestaltet sei,
doch allenthalben bewohnt werde. Doch was bedeutet diess
gegen ein anderes Wunder, was sich uns darbietet? Sie
schwebt sogar frei und fällt nicht mit uns herab. Allein,
lässt sich die Kraft der Luft, die ausserdem noch von der
Welt eingeschlossen ist, bezweifeln; und kann die Erde
fallen, da die Natur ihr widerstrebt, und ihr keinen Raum
lässt, wohin sie falle? Denn sowie der Sitz des Feuers
nur im Feuer, der des Wassers nur im Wasser und der
Luft nur in der Luft selbst ist, so hat die Erde, allent-
halben eingeschlossen, nur in sich selbst Platz. Wunder-
bar erscheint es aber doch, dass sie bei der ungeheuren
Fläche des Meeres und der Ebene noch eine Kugel bildet.
12*
Ig0 Zweites Buch.
Dieser Meinung pflichtet auch Dicsearchus l), ein sehr ge-
lehrter Mann bei, der auf Befehl der Könige2) die Berge
ausmaass, unter denen er den Pelion 3) als den höchsten zu
1250 Schritten nach der senkrechten Höhe angab und sagte,
dass diese Höhe im Vergleich zu dem ganzen Umfange der
Erde ganz verschwinde. Mir scheint diese Behauptung unzu-
verlässig, denn ich kenne Alpenspitzen, die sich in langem
Zuge bis zu 50,000 Schritten4) erheben. Aber am meisten
widerstreitet der Pöbel, wenn er sich die , Oberfläche des
Meeres auch als gerundet denken soll. Und doch giebt es iu
der ganzen Natur nichts, was durch den blossen Anblick be-
greiflicher wäre; denn auch herabhängende Tropfen bilden
Kugeln, und bringt man sie auf Staub oder wollige Blätter,
so erscheinen sie ebenfalls in vollkommener Kugelgestalt,
und in gefüllten Bechern steht der mittlere Theil am höch-
sten. Alles diess lässt sich wegen der Zartheit und Weich-
heit des Wassers leichter durch Vernunftsschlüsse als durch
den blossen Anblick einsehen. Noch wunderbarer ist die
Erscheinung, dass, wenn man in einen gefüllten Becher
nur das Geringste von Flüssigkeit noch hinzugiebt, der*
selbe sogleich überläuft, was hingegen nicht geschieht,
wenn man Gewichte, selbst bis zu 20 Denarien schwer,
hineinlegt. Der Grund davon beruht darauf, dass alles,
was ins Innere der Flüssigkeit gelangt, diese in die Höhe
treibt, aber, was auf die schon convexe Fläche gegossen
wird, herabläuft. Darum sieht man auch von den Schiffen
aus das Land nicht, was man von Mastbäumen aus er-
blickt, und darum scheint bei einem wegsegelnden Schiffe
etwas Glänzendes, was an der Spitze des Mastbaumes
befestigt ist, allmählig hinabzusteigen, und verschwindet
zuletzt ganz. Unter welcher anderen Gestalt würde
endlich der Ocean, den wir für das Aeusserste hal-
ten, zusammen halten und nicht herabfallen, da ihn kein
') Von Messina um 330 v. Chr.; Schüler des Aristoteles.
a) Die Nachfolger Alexanders des Grossen.
3) Jetzt Petras in Thessalien.
*) Eine viel zu hohe, offenbar durch Abschreiber entstellte Zahl.
Zweites Buch. 181
Ufer einschliesst? Gleichwohl bleibt es bei der Kugelform
wunderbar, dass der äusserste Theil des Meeres nicht ab-
fliesst. Dass diess aber nicht stattfinden könne, wenn auch das
Meer so flach wäre, wie es uns scheint, beweisen mehrere
griechische Forscher mit vieler Selbstgefälligkeit und Ruhm-
rederei durch folgende geometrische Spitzfindigkeit: „Da
nach der einstimmigen Meinung das Wasser von der Höhe
zur Tiefe hinabgezogen würde, auch Niemand daran zweifle,
dass dasselbe so weit sich zum Ufer erstrecke, als seine
Abschüssigkeit es nur immerhin zugiebt; da es ferner be-
kannt sei, dass, je tiefer etwas liege, es dem Mittelpunkte
der Erde um so näher sei, und alle Linien, welche von
diesem Mittelpunkte aus zum nächstliegenden Wasser ge-
zogen würden, kürzer wären, als diejenigen, welche von da
bis zur äussersten Wasserfläche gehen; also strebe die
ganze Wassermasse nach dem Mittelpunkte, und könne
nicht herabfallen, weil sie nach Innen drücke."
66.
Man muss annehmen, dass die kunstreiche Natur des-
halb diese Einrichtung getroffen hat, damit, weil die trockne
und dürre Erde für sich nicht ohne Wasser, und wiederum
das Wasser nicht ohne die Stütze der Erde sich halten
kann, beide Elemente durch gegenseitige Verschlingung
verbunden würden. Die Erde breitet ihren Schooss aus,
das Wasser durchströmt sie von innen, aussen und oben,
und seine Adern kreuzen sich wie Bande durcheinander,
ja selbst auf den höchsten Bergen bricht es hervor. Durch
Dünste getrieben und durch die Last der Erde gepresst,
springt es wie aus Röhren hervor, und ist so weit entfernt
von der Gefahr des Herabfallens, dass es sogar sehr weit
in die Höhe treibt. Daraus erklärt es sich denn, warum
das Meer durch den täglichen Zufluss so vieler Ströme
nicht grösser wird. Die Erdkugel ist daher in ihrem mitt-
leren Umfange ganz vom Meere umgürtet, Diess braucht
nicht erst durch Beweisgründe erforscht zu werden, sondern
ist längst durch die Erfahrung bekannt.
182 Zweites Buch.
67.
Von Gades1) und den Säulen des Herkules2) au wird
längs der Küste von Spanien und Gallien heutzutage der
ganze westliche Theil der Erde befahren. Auch das Nord-
meer ist grösstentheils beschifft, denn unter der Regierung
des vergötterten Augustus fuhr eine Flotte um Germanien
herum bis zum cimbrischen Vorgebirge3); von da gelangte
man, nachdem man ein unermessliches Meer gesehen oder
wenigstens davon gehört hatte, zum scythischen Lande und
zu wasserreichen, von Eis starrenden Gegenden. Es ist da-
her gar nicht wahrscheinlich, dass da, wo ein Ueberfluss
an Feuchtigkeit ist, das Meer fehle. Ebenso ist im Osten
vom indischen Meere aus unter demselben Sternbilde der
ganze gegen das kaspische Meer liegende Theil 4j durch
die macedonische Flotte unter der Regierung des Seleukus
und Antiochus5), welche diese Gewässer auch nach ihren
Namen benannt wissen wollten, durchschifft worden. Un-
weit von dem kaspischen Meere sind auch viele Küsten
des Oceans untersucht, und das ganze Nordmeer ist von
dieser sowohl als von jener Seite bis auf eine Strecke
durchrudert. Dass aber dennoch den blossen Vermuthungen
noch kein Ziel gesteckt ist, beweist der Mäotische See6)
aufs deutlichste, von dem man immer noch nicht weiss,
ob er, wie viele geglaubt haben, einen Busen jenes Oceans,
oder ein stehendes, nur durch eine Landenge von ihm ge-
trenntes Gewässer bildet.
') Cadix in Spanien.
2) So hiessen die beiden Berge Abyla und Calpe auf den Küsten
von Gibraltar, welche Herkules auf jeder Seite der Meerenge errich-
tet haben soll, um dem Mittelmeere einen Durchgang zu verschaffen
und ein Denkmal zu setzen, wie weit er auf seinen Reisen gekommen sei.
3) Das Scagencap in Jütland. Die hier gemeinte Fahrt unternahm
Drusus; s. Tacitus Annal. IL 8.
4) Nach der damaligen Ansicht bildete das Caspische Meer einen
Busen des nördlichen Oceans; s. im VI. Buch 15 und 17 Capitel.
5) Zu Ende des dritten und zu Anfang des zweiten Jahrhunderts
v. Chr.
°) Das asowische Meer.
Zweites Buch. 183
Auf der andern Seite von Gades wird heutzutage von
dem westlichen Ocean her ein grosser Theil des Südens
längs Mauritanien x) befahren. Ein noch grösserer Theil
davon, sowie des Ostmeeres bis an den arabischen Meer-
busen ist durch die Siege Alexanders des Grossen2) be-
kannt geworden. Als auf letzterm C. Caesar, der Sohn des
Augustus Krieg führte, soll man Ueberbleibsel von früher
daselbst gestrandeten spanischen Schiffen gefunden haben.
Auch Hanno3) schiffte, als Carthago's Macht noch blühete,
von Gades bis zur arabischen Küste, und gab darüber eine
Schrift heraus. Zu derselben Zeit wurde Himilco4) aus-
gesandt, um die äussersten Grenzen Europa's kennen zu
lernen. Ausserdem erzählt Cornelius Nepos, dass zu seiner
Zeit ein gewisser Eudoxus auf seiner Flucht vor dem Kö-
nige Lathurus 5) vom arabischen Meerbusen aus nach Gades
gesegelt sei; und lange vor ihm berichtet Caelius Antipater6),
er habe Einen gekannt, welcher von Spanien nach Aethio-
pien in Handelsangelegenheiten geschifft sei. Derselbe
Nepos sagt von den nördlichen Küsten, dass Quintus Me-
tellus Celer, der Mitkonsul des L. Africanus, aber damals
noch7) Prokonsul in Gallien, von dem Könige der Sueven
einige Indier zum Geschenk erhalten habe, die des Handels
wegen von Indien gesegelt und durch Stürme nach Ger-
manien verschlagen worden wären. So entziehen uns die
den Erdball allenthalben umfliessenden Meere einen Theil
desselben, zu dem es weder von uns, noch zu uns von ihm
her eine wegsame Bahn giebt. Diese Betrachtung, welche
besonders die Eitelkeit der Menschen ans Licht stellen
') Fez und Marokko.
2) Sohn Philipps II. von Macedonien, und der Olympias, ge-
boren zu Pella den 6. August 356 v. Chr., starb 323.
3) Karthagischer Feldherr aus dem 6. Jahrhundert v. Chr.
4) Ebenfalls ein Karthager.
s) Diess war der Beiname des ägyptischen Königs Ptolemaeus VIII.,
der von 117 — 81 v. Chr. regierte.
6) L. Cselius Antipater aus Kotyseum, geboren 20 v. Chr., beschrieb
unter den Römern zuerst den 2. punischen Krieg.
') 63 v. Chr.
184 Zweites Buch.
kann, veranlasst mich, den ganzen bekannten Erdkreis, auf
welchem Niemand seiner Habsucht Schranken setzt, gleich-
sam vor Augen zu stellen, und zu zeigen, wie gross er ist.
68.
Schon frühe scheint man das feste Land als die Hälfte
der Erde betrachtet zu haben, als wenn dadurch der Ocean
nicht zu kurz käme, da er doch das Ganze rings umgiebt,
alle andern Gewässer ausströmt und wiederum in sich auf-
nimmt, indem alles, was in die Wolken steigt, von ihm
ausgeht und er selbst so viele Gestirne ernährt; welchen
ungeheuren Raum muss er also einnehmen? Uebermässig
und unendlich muss der Umfang dieser ungeheuren Masse
sein. Nun denke man hinzu, was von dem übriggebliebe-
nen Theile der Himmel weggenommen hat. Die Erde wird
nämlich in 5 Theile getheilt, welche Zonen heissen. Alles
was an den beiden äussersten liegt, wird von heftiger Kälte
und ewigem Eise eingeschlossen, und grenzt an die bei-
den Pole, von denen der eine Nordpol und der andere ihm
entgegengesetzte Südpol heisst. In beiden herrscht ewige
Finsterniss, der Anblick der milden Gestirne ist ihnen fremd,
und nur ein kärgliches, durch den Reif weissliches Licht
ihnen verliehen. Der mittlere Erdgürtel aber, den die Sonne
umkreist, ist von der Hitze verbrannt und gänzlich ausge-
dörrt. Nur die beiden Zonen, zwischen der heissen und
kalten, sind gemässigt, stehen aber wegen des Brandes der
Sonne nicht miteinander in Verbindung. So hat also der
Himmel der Erde drei Theile entrissen; was der Ocean
weggenommen, ist unbestimmt.
Aber ich weiss nicht, ob der uns noch übrig gebliebene
Theil sich nicht in grösserer Gefahr befindet; denn der
Ocean, welcher, (wie ich noch zeigen werde) so viele Bu-
sen bildet, tobt mit solcher Wuth auf die benachbarten
innern Meere ein, dass z. B. der arabische Meerbusen nur
noch 115,000 Schritte vom ägyptischen, und der kaspische
See nur noch 375,000 Schritte vom pontischen Meere ent-
fernt ist. Ferner dringt er in so viele Meere, durch welche
er Afrika, Europa und Asien von einander trennt; wie viel
Zweites Buch. 185
Land nimmt er also ein? Hiezu rechne man die Grösse
so vieler Flüsse, so grosser Seen, Sümpfe und stehenden
Gewässer, und ziehe noch ab die zum Himmel emporstre-
benden, steilen Bergrücken, jähe Wälder und Schluchten,
einsame und aus tausend Ursachen wüste Gegenden! Die-
ser Theil der Erde, dieser, wie Einige sie genannt haben,
Punkt der Welt (denn im Vergleich mit dem Weltall ist
die Erde nichts anderes) ist der Gegenstand und Sitz un-
seres Ruhmes. Hier bekleiden wir Ehrenstellen, beherr-
schen Länder, streben nach Schätzen, beunruhigen das
menschliche Geschlecht, erregen sogar Bürgerkriege, und
machen uns durch gegenseitigen Mord die Erde geräumi-
ger. Und, um die öffentlichen Volksaufstände zu übergehen,
hier ist es, wo wir unsere Grenznachbarn vertreiben, ihre
Raine stehlen und zu unserm Acker pflügen; allein, den
wievielsten Theil der Erde hat der wohl, welcher die Gren-
zen seiner Felder erweiterte, und seine Nachbarn vertrieb?
Oder wenn er auch sein Besitzthum nach Maassgabe seiner
Habsucht vergrössert hat, wie viel wird er bei seinem Tode
davon behalten?
69.
Dass die Erde in der Mitte der Welt liegt, ergiebt
sich aus mehreren unbezweifelten Gründen, am deutlichsten
aber aus der Gleichheit der Stunden im Aequinoctium.
Denn dass, wäre sie nicht in der Mitte, auch keine gleichen
Tage und Nächte stattfinden könnten, beweisen schon die
Dioptern *), nach welchen zur Aequinoctialzeit Aufgang und
Untergang in ein und derselben Linie, sowie der Solstitial-
Aufgang und Brumal-Untergang in einer Linie liegen. Al-
les diess könnte auf keine Weise stattfinden, wenn di&
Erde nicht in der Mitte läge.
70.
Drei über den oben genannten Zonen liegende Kreise
bestimmen die Ungleichheit der Zeiten. Der Solstitialkreis,
') Wörtlich: Durchsichten, auch Sonnenquartanten genannt, ein
Instrument, an welchem die Sonne durch eine Oefthung auf eine
fläche fällt, und die Zeit angiebt.
186 Zweites Buch.
welcher sich an dem für uns höchsten Theile des Thier-
kreises befindet, liegt nach Norden; der Brumalkreis nach
dem andern Pole hin, mitten aber durch den Thierkreis
zieht sich der Aequinoctialkreis.
71.
Die Ursache der übrigen von uns bewunderten Er-
scheinungen liegt in der Gestalt der Erde selbst; sowie
ihre und mit ihr der Gewässer kugelrunde Form aus den-
selben Gründen hervorgeht. Daher kommt es denn ohne
Zweifel, dass uns die Gestirne am nördlichen Himmel nie-
mals untergehen, hingegen die südlichen niemals aufgehen;
ferner werden unsere Sterne von den Bewohnern der süd-
lichen Länder nicht gesehen, weil die Erdkugel den Blicken
in den Weg tritt. Im Lande der Troglodyten *) und dem
benachbarten Aegypten sieht man den Nordstern nicht; den
Canopus2), das sogenannte Haar der Berenice, sowie das
Gestirn, welches unter dem vergötterten Augustus der Thron
des Kaisers genannt wurde, welche doch alle dort wahr-
zunehmen sind, sieht man in Italien nicht. Ja die Krüm-
mung der Erdkugel ist so merklich, dass der Canopus etwa
nur um den vierten Theil eines Zeichens für Alexandrien
über den Horizont hervorzuragen scheint, während er zu
Rhodus scheinbar die Erde streift; im Pontus, wo der Nord-
stern am höchsten steht, sieht man jenen gar nicht. Da-
gegen ist der Nordstern auf Rhodus und noch mehr in
Alexandrien unsichtbar; im November bleibt er während
der drei ersten Nachtstunden3) verborgen, in den drei fol-
genden erscheint er; zu Meroe erscheint er imSolstitium eine
kurze Zeit des Abends, und wenige Tage vor dem Aufgange
des Bären4) sieht man ihn gleichfalls bei Tagesanbruch.
Dergleichen Erscheinungen bieten sich am häufigsten
1) Nubien und Abessinien.
2) Ein Stern erster Grösse im südlichen Ruder des Schiffes Argo.
3) Prima vigilia. Die Römer theilten die Nacht in vier Vigilien,
jede von drei Stunden; die Griechen aber hatten bloss drei Vigilien,
jede von vier Stunden.
4) Am 21. Februar.
Zweites Buch. 187
den Seefahrern da, indem das Meer auf der einen Seite in
die Höhe steigt, und auf der andern sich wieder herabsenkt,
wodurch dann die Sterne, welche erst hinter dem Erdballe
verborgen waren, plötzlich sichtbar werden, indem sie gleich-
sam aus dem Meere hervortauchen. Denn keineswegs er-
hebt sich (wie Einige behaupten) die Welt an diesem
(nördlichen) Pole so hoch, dass diese Sterne allenthalben
gesehen werden könnten, sondern sie scheinen denjenigen,
welche dem Pole näher wohnen, höher, den Entferntem
dagegen tiefer zu stehen. Sowie nun den am üussersten
Punkte wohnenden jener Pol sehr hoch vorkommt, so er-
heben sich denen, welche noch darüber hinaus gehen, die
tiefer liegenden Sterne, und diejenigen senken sich, welche
dort am höchsten standen; was alles nicht stattfinden könnte,
wenn die Erde nicht die Gestalt eines Balls hätte.
72.
Daher können die Bewohner des Ostens die am Abend
«ich zeigenden Sonnen- und Mondfinsternisse ebenso-
wenig, wie die Bewohner des Westens die am Morgen ent-
stehenden, sehen; öfter aber erscheinen beiden die mittägigen
Finsternisse. Als Alexander der Grosse die grosse Schlacht
bei Arbela1) gewann, soll daselbst in der zweiten Stunde
der Nacht eine Mondfinsterniss stattgefunden haben, wäh-
rend sie in Sicilien zur selbigen Zeit beim Aufgange des
Mondes eintrat. Vor einigen Jahren, unter den Konsuln
Vipstanus und Fontejus2) sah man in Kampanien am 30.
April zwischen der 7. und 8. Tagesstunde eine Sonnenfinster-
niss, welche Corbulo, der damalige Feldherr in Armenien,
zwischen der 10. und 11. Tagesstunde bemerkt haben
will. So zeigt und verdeckt die Erde durch ihre Ku-
gelform dem Ein&n diess, dem Andern jenes. Wäre die
Erde flach, so würden alle Menschen solche Erscheinungen
zugleich sehen, auch würden die Nächte nicht von unglei-
cher Dauer sein; denn sowohl diejenigen, welche in der
') Am 21. Sept. 331 v. Chr. gegen Darius.
2) 59 n. Chr. unter Nero.
188 Zweites Buch.
Mitte wohnten, als auch alle Andern würden Tage und
Nächte von zwölf gleichen Stunden haben.
73.
Deshalb ist es auch nie auf der ganzen Erde zugleich
Tag und Nacht, denn auf der der Sonne entgegengesetzten
Hälfte der Kugel entsteht Nacht, und durch ihren Um-
schwung bringt sie dieser Hälfte den Tag wieder. Diess
beweisen viele Erfahrungen. In Afrika und Spanien wurden
von Hannibal Thürme, und in Asien ähnliche Warten ge-
gen die Ueberfälle der Seeräuber erbauet; wenn man nun
auf denselben das Signalfeuer um die 6. Tagesstunde an-
zündete, so sahen es, wie mehrere Fälle beweisen, die dort
absegelnden Schiffe bloss bis zur dritten Stunde der Nacht.
Philonides, der Läufer Alexanders des Grossen, legte den
1200 Stadien langen Weg von Sicyon nach Elis in neun
Stunden am Tage zurück; von da aber, kehrte er, unge-
achtet es bergab ging, erst in der 3. Stunde der Nacht zu-
rück. Die Ursache war, dass er hinwärts mit der Sonne
ging, auf dem Eückwege aber ihm die Sonne entgegen kam.
Aus gleichen Gründen haben die nach Westen Segelnden,
selbst am kürzesten Tage, länger Tag als Nacht, weil sie
gleichsam die Sonne begleiten.
74.
Nicht überall kann man dieselben Stundenuhren ge-
brauchen, weil sie sich alle 300 bis 500 Stadien mit dem
Schatten der Sonne verändern. So beträgt die Schatten-
länge des Zeigers (welchen man Gnomon nennt) in Aegyp-
ten am Tage des Aequinoctii zur Mittagszeit etwas mehr
als die halbe Länge des Zeigers. Zu Rom fehlt dem Schat-
ten Vs der Länge des Zeigers; in Ankona ist er um V35
länger; in dem Theile von Italien, welcher Venetia heisst,
gleicht zu derselben Stunde die Länge des Schattens der
des Zeigers.
75.
Auch erzählt man, dass zu Syene *), einer Stadt, welche
') Jetzt Assuan.
Zweites Buch. 189
5000 Stadien jenseits Alexandrien liegt, die Sonne am
Tage des Solstitiums zu Mittag keinen Schatten werfe,
und dass sie einen Brunnen, den man zu diesem Behufe
gegraben habe, erleuchte. Daraus geht hervor, dass um
jene Zeit die Sonne dort gerade im Scheitelpunkte steht,
was nach Onesikritus l) auch in Indien über dem Flusse
Hypasis2) um dieselbe Zeit der Fall sein soll. Dasselbe
erfolgt zu Berenice 3), einer Stadt der Troglodyten, und dem
4820 Stadien von da entfernten, demselben Volke gehören-
den Ptolemäis4), welches an der Küste des rothen Meeres
zum Behufe der ersten Elephantenjagden erbauet wurde;
hier zeigt sich die erwähnte Erscheinung 45 Tage vor und
nach dem Solstitium, und diese neunzig Tage hindurch fällt
der Schatten nach Mittag. Auch zu Meroe5) (einer Insel
und Hauptstadt der Aethiopier, die 5000 Stadien von Syene
entfernt im Nil liegt) hat man zwei mal im Jahre keinen
Schatten, wenn nämlich die Sonne im 18. Grade des Stiers,
und im 14. Grade des Löwen steht. In Indien, im Lande
der Oreten, befindet sich ein Berg Maleus genannt bei
welchem die Schatten im Sommer nach Mittag und im
Winter nach Mitternacht geworfen werden. Dort ist der
grosse Bär auch nur 15 Nächte lang sichtbar. In dem be-
rühmten indischen Hafen Patalis geht die So nne zur Rechten
auf, und der Schatten fällt nach Mittag. Als Alexander
sich dort aufhielt, wurde der grosse Bär nur in den ersten
drei Stunden der Nacht gesehen. Sein Feldherr Onesikri-
tus berichtet, dass an den Orten in Indien, wo es keinen
Schatten gäbe, der grosse Bär niemals sichtbar sei, dass
diese Orte „schattenlose" hiessen, und dass man dort die
Stunden nicht zähle.
') Aus Aegina, Schüler des Diogenes von Sinope, und einer der
Begleiter Alexanders auf seinen Zügen.
-) Bis zu diesem Flusse gelangte Alexander der Grosse. Er heisst
jetzt Beyah.
3) Jetzt Salaca.
4) Jetzt Ras-Ahehas.
5) Jetzt Haschur.
190 Zweites Buch.
76.
Im ganzen Troglody tenlande sollen, nach Eratosthenes *),
die Schatten zweimal im Jahre 45 Tage hindurch auf
die entgegengesetzte Seite fallen.
77.
So kommt es auch, dass durch diess Ab- und Zunehmen
des Lichts, in Meroe der längste Tag zwölf Aequinoctial-
stunden und noch acht Theile einer Stunde2) beträgt, in
Alexandrien aber 14 Stunden, in Italien 15 und in Britan-
nien 17 Stunden, wo auch die hellen Nächte im Sommer
das, was die Vernunft uns schon glaublich macht, bekräftigen.
Nämlich zur Zeit des Sommersolstitiums, wo die Sonne
dem Pole näher steht und der Umkreis ihres Leuchtens
enger ist, haben jene Polarländer sechs Monate lang be-
ständig Tag, und, wenn sie sich zum Wintersolstitium hin
entfernt hat, ebenso lange Nacht. Dasselbe soll, wie Py-
theas von Massilien3) berichtet, auf der Insel Thule4),
welche sechs Schiflstagereisen nördlich von Britannien ent-
fernt ist, der Fall sein; Einige behaupten diess auch von
der Insel Mona5), welche von der britischen Stadt Ca-
maldunum6) 200,000 Schritte weit liegt.
78.
Diese Lehre von den Schatten und die sogenannte
Gnomonik erfand Anaximenes von Milet7), ein Schüler des
schon erwähnten Anaximander; er zeigte auch zuerst zu
Lacedämon eine Stundenuhr, Sciotherikum 8) genannt.
') Von Cyrene, lebte 277—196 v. Chr.
2) Die Alten theilten die Stunde in 12 Theile.
3) Pytheas von Marseille lebte im 4. Jahrh. v. Chr.
4) Thule scheint das heutige Island zu sein. Nur Plinius und
Strabo lassen den Pytheas obige Behauptung aufstellen. In den eig-
nen Worten des Pytheas, die Geminus anführt, ist nur von einem
22 stündigen längsten Tage die Rede.
5) Das heutige Anglesea.
6) Jetzt Colchester.
:) Lebte von 550—500 v. Chr.
B) Scjhattenfänger.
Zweites Buch. 191
79.
Die Dauer des Tages selbst findet man von Einigen
so, von Andern so fest gesetzt. Die Babylonier rechnen von
einem Sonnenaufgange bis zum Andern, die Athenienser
von einem Untergange bis zum andern, die Umbrier von
einem Mittage zum andern, alle gemeinen Leute von An-
bruch des Tageslichts bis zum Dunkelwerden; die römischen
Priester und diejenigen, welche den bürgerlichen Tag ein-
führten, desgleichen die Aegypter und Hipparchus rechnen
von Mitternacht zu Mitternacht. Es leuchtet aber ein, dass
die Abwesenheit des Tageslichts von einem Sonnenaufgange
zum andern zur Zeit des Sommer-Solstitiums kleiner sein
müsse, als in den Aequinoctien, denn die Lage des Thier-
kreises ist in den Aequinoctien schräger, beim Solstitium
aber senkrechter.
80.
Mit den bisherigen Ursachen der himmlischen Erschei-
nungen wollen wir nun noch die davon abhängigen ver-
knüpfen; denn es ist keinem Zweifel unterworfen, dass die
Aethiopier durch die Hitze der nahen Sonne geschwärzt,
und Verbrannten gleich, mit krausem Bart und Haupthaar
geboren werden. Dagegen haben die Völker der entgegen-
gesetzten, kalten Himmelsstriche eine weisse Haut und
blondes herabhängendes Haar; diese macht die Keilte rauh,
jener aber die Milde des Himmels schlaff. Selbst an den
Beinen kann man den Unterschied wahrnehmen; denn bei
jenen werden die Säfte durch die Hitze in die obern Theile
des Körpers gezogen, bei diesen senkt sich die Feuchtig-
keit nach den untern Gliedmaassen herab. Hier bringt das
Klima grosse wilde Thiere, dort sehr mannigfache Thier-
bildungen, besonders unter den Vögeln hervor. Aber in
beiden Zonen werden die Körper gross, dort durch die
Kraft der Hitze, hier durch die nährende Feuchtigkeit.
Allein mitten zwischen diesen Zonen findet eine wohlthätige,
in jeder Hinsicht fruchtbare Mischung aus beiden Statt.
Alles trägt hier das Gepräge der gehörigen Gleichmässig-
keit, selbst in den Farben, der Körper hat eine massige
192 Zweites Buch.
Grösse, die Sitten sind sanft, die Sinne scharf, der Geist
fruchtbar und fähig, die ganze Natur zu erfassen. Hier
giebt es auch Staatseinrichtungen, die unter den entfern-
tem Völkern unbekannt sind, daher diese wegen ihrer Ent-
fernung, und ihrer, durch die Strenge des Klimas bedingten
abgeschiedenen Lebensweise jenen nie gehorcht haben.
81.
Die Babylonier glauben, dass Erdbeben, Erdfälle
und alle übrigen derartigen Erscheinungen, vom Einflüsse
der Gestirne, und namentlich jenen drei, denen man die
Erzeugung der Blitze zuschreibt x) herrühren. Besonders
sollen dergleichen eintreffen, wenn sie mit der Sonne laufen
oder mit ihr zusammenkommen, hauptsächlich aber, wenn
sie im Geviertscheine stehen. Eine ausgezeichnete und,
wenn man es glauben will, göttliche prophetische Kraft in
Dingen der Art besass der Physiker Anaximander von
Milet. 2) Er soll die Lacedämonier im Voraus gewarnt
haben, auf ihre Stadt und Häuser Acht zu geben, denn es
stehe ein Erdbeben bevor, und in der That fiel auch die
ganze Stadt in Trümmer, wobei noch ein grosser Theil des
Berges Taygetus3) in Gestalt eines Schiffshintertheils ab-
gerissen wurde, und auf die zerstörte Stadt herabstürzte.
Auch Pherecydes4), dem Lehrer des Pythagoras schreibt
man eine nicht minder göttliche Weissagung zu; er soll
nämlich durch einen Trunk Wasser aus einem Brunnen ein
Erdbeben daselbst5) vorhergesagt haben. Sind solche Er-
zählungen wahr, wie wenig mögen diese Männer schon bei
ihren Lebzeiten von den Göttern unterschieden gewesen
sein! Ich überlasse den Glauben an dergleichen dem Er-
messen eines Jeden; dass aber die Winde Ursache von
Erdbeben sind, möchte ich nicht bezweifeln, denn die Erde
wankt nur dann, wenn das Meer still und die Atmosphäre
') Saturn, Jupiter und Mars.
2) Schüler des Thaies, lebte im 6. Jahre, v. Chr.
3) Monte di Maina.
4) Von Scyros im 6. Jahrb.. v. Chr.
5) Zu Samos.
Zweites Buch. 193
so ruhig ist, dass selbst die Vögel nicht fliegen können,
weil der sie tragende Luftzug gänzlich fehlt; und nur dann,
wenn nach einem Sturme der Wind sich in die Adern und
Höhlen der Erde versteckt hat. Das Beben der Erde ist
das, was der Donner in den Wolken; ein Erdriss gleicht
dem durchbrechenden Blitze, indem die eingeschlossene
Luft, sich gewaltsam zu befreien sucht.
82.
Die Erde wird auf mannigfaltige Weise erschüttert
und wunderbar sind die daraus folgenden Wirkungen. Hier
werden Mauern umgestürzt, dort verschlungen, hier brecheu
gewaltige Wasser hervor, dort ganze Ströme, zuweilen auch
Feuer und heisse Quellen, dort wird der Lauf der Flüsse
verändert. Vor und während des Erdbebens hört man ein
furchtbares Getöse, das bald einem dumpfen Brüllen, bald
einem menschlichen Hülferufe, bald einem Waffengeklirre
gleicht, je nach der Beschaffenheit der die Luft einschliessen-
den Stoffe, der Gestalt der Höhlen oder Gänge, durch den
sie geht. Das Toben ist heller in engen Bäumen, dumpfer
in Krümmungen, wiederhallend in hartem Gestein, brausend
in feuchten, wogend in sumpfigen Schluchten, und krachend,
wenn es an harte Körper stösst. Doch wird auch oft ein
Getöse ohne Erdbeben vernommen. — Die Erde wird nie
auf einfache Weise erschüttert, sondern sie zittert und
schwankt. Zuweilen bleibt der Kiss offen, und lässt das,
was er verschlungen hat, sehen, zuweilen schliesst er sich
und verbirgt so das Verschlungene, und hiebei ist der
Boden oft wiederum so geebnet, dass er keine Spuren
z. B. von versunkenen Städten oder Aeckern hinterlässt.
Die Küstenländer sind dem Erdbeben am meisten
ausgesetzt; doch auch bergige Gegenden bleiben nicht da-
von befreiet. So ist mir unter andern bekannt, dass die
Alpen und Apenninen oft erschüttert werden. Im Herbste
und Frühlinge finden sie, gleich den Blitzen, öfter statt.
Daher spüren sie Gallien und Aegypten am wenigsten,
denn hier steht ihnen die Hitze, dort die Kälte entgegen.
Häufiger ereignen sie sich bei Nacht als am Tage, am
13
194 Zweites Buch.
heftigsten aber Morgens und Abends; meistentheils aber
vor Tagesanbruch, und am Tage um die Mittagszeit ; auch
bei Sonnen- und Mondfinsternissen, weil dann keine Stürme
sind; vorzüglich aber dann, wenn auf Kegen Hitze, oder
auf Hitze Regen folgt.
83.
Auch die Schiffer können sicher auf ein bevorstehen-
des Erdbeben schliessen, wenn die Wogen ohne Wind an-
schwellen und sie von der Erschütterung Stösse verspüren.
Alles, was sich auf den Schiffen befindet, wankt ebenso wie
in Gebäuden, und verkündet durch das dadurch entstehende
Geräusch das Erdbeben. Sogar die Vögel bleiben furcht-
sam sitzen. Es giebt auch am Himmel ein Zeichen, was
einem nahen Erdbeben vorhergeht; dasselbe erscheint, ent-
weder am Tage oder kurz nach Sonnenuntergänge bei
heiterm Wetter, als ein langer schmaler Wolkenstreif. Das
Wasser in den Brunnen ist dann trübe und von widerlichem
Gerüche.
84.
Die Brunnen können aber ebenso wie zahlreiche Höhlen
als Hüifsmittel gegen Erdbeben dienen, weil sie die auf-
genommene Luft wiederum aushauchen. Diess zeigt sich
bei einigen Städten, welche, weil sie mit vielen unterir-
dischen Kanälen zur Ableitung der Unreinigkeiten versehen
sind, weniger von Erdbeben leiden. Noch sicherer sind
die Gebäude, welche einen hohlen Grund haben, wovon
Neapel in Italien den Beweis liefert, dessen auf festem
Grunde erbaueter Stadttheil jenen Unfällen weit mehr unter-
worfen ist. Das sicherste Schutzmittel bieten die Gewölbe
der Gebäude, auch die Winkel der Wände und die Pfosten
dar, weil diese durch den gegenseitigen Druck zusammen-
gehalten werden. Auch auf Wände von Backsteinen wirkt
die Erschütterung weniger schädlich.
Ein grosser Unterschied findet selbst in der Art der
Erschütterung der Erde statt, denn diese erfolgt auf mehr-
fache Weise. Am besten ist es, wenn sie schwingend auf-
tritt, wobei die Gebäude ein wirbelndes Getöse von sich
Zweites Buch. 195
geben; so auch wenn die Erde bei einem Stosse aufschwillt
und sich wieder senkt. Auch dann ist noch keine Gefahr
zu befürchten, wenn die Häuser gegeneinander stossen, weil
ein Stoss die Wirkung des andern bricht. Unglück drohend
ist dagegen ein wellenförmiges Neigen und Schwanken,
oder auch, wenn die ganze Erschütterung sich nach einer
Richtung hindrängt. Die Stösse hören auf, sobald sich der
Wind erhebt, dauern sie aber dennoch fort, so legen sie
sich nicht unter 40 Tagen, währen aber häufig noch länger,
so wie denn manche Erdbeben ein bis zwei Jahre lang
angehalten haben.
85.
Einmal hat sich, wie ich in den etruskischen gelehrten
Werken gefunden, unter den Consuln L. Marcius und Sext.
Julius1) in dem mutinensichen Gebiete2) ein ausserordent-
liches Erdwunder ereignet. Es liefen nämlich zwei Berge
mit ungeheurem Getöse gegeneinander und wichen wieder
zurück, während zwischen ihnen am hellen Tage Flamme
und Rauch emporstiegen. Eine grosse Anzahl von römi-
schen Rittern, Familien und Reisenden haben diess von der
ämilianischen Strasse 3) aus mit angesehen. Diess Ereigniss,
wodurch alle Landhäuser zerstört und die darin befindlichen
Thiere getödtet wurden, geschah ein Jahr vor dem Bundes-
genossenkriege4), von dem ich nicht entscheiden will, ob
er nicht traurigere Folgen, als die Bürgerkriege, für Italien
nach sich zog. Eine nicht minder wunderbare Begebenheit
hat sich zu unsern Zeiten, im letzten Jahre der Regierung
Nero's5), wie ich in dessen Geschichte erzählt habe, zuge-
») Im Jahre Roms 663, 91 v. Chr.
-) bei Modena.
3) Es gab zwei Strassen, die den Namen via Aemilia führten;
beide gingen von der via Flaminia ab, die erste führte nach Arirni-
num und Aquileja, die zweite nach Pisa und Luna. Die hier ge-
meinte war die erste, von dem Konsul M. Aemilius Lepidus 187 v. Chr.
angelegt.
4) 91 v. Chr.
5) 68 n. Chr.
13*
196 Zweites Buch.
tragen; im marrucinischen Gebiete1), auf den Gütern des
römischen Ritters Vectius Marcellus, der Nero's Sachwalter
war, wurden nämlich Wiesen und Oelgärten, welche durch
eine Landstrasse getrennt waren, auf die entgegengesetzten
Seiten versetzt.
86.
Zugleich mit den Erdbeben erfolgen auch Ueberschwem-
mungen des Meeres, wenn dieses nämlich durch dieselbe
Luft hereingetrieben und von dem Schlünde der sich sen-
kenden Erde aufgenommen wird. Das stärkste Erdbeben
seit Menschen Gedenken ereignete sich unter der Regierung
des Kaisers Tiberius, wodurch zwölf asiatische Städte in
einer Nacht zerstört wurden. 2) Die häufigsten erfolgten
im punischen Kriege3), wo man in einem Jahre 57 der-
selben nach Rom meldete. In demselben Jahre4) war die
Schlacht am trasymenischen See 5), allein weder die Punier
noch die Römer merkten während des Kampfes die Erd-
erschütterung. — Das Erdbeben ist aber kein einfaches
Unglück0), und seine Gefahr liegt nicht bloss in der Er-
schütterung, sondern ein gleich grosses und noch grösseres
Uebel wird durch dasselbe angedeutet. In Rom fand nie-
mals ein Erdbeben statt, was nicht der Vorbote irgend
eines Ereignisses gewesen wäre.
87.
Erdbeben sind auch die Ursache neuentstehenden Landes,
da eben jene Luft wohl fähig ist, den Boden zu heben,
aber nicht ihn zu durchbrechen. Denn neues Land ent-
steht nicht bloss durch das Anschwemmen der Flüsse, wie
z. B. die echinadischen Inseln 7) durch den Fluss Achelaus 8),
') Am Flusse Pescara, in der Gegend von Chieti.
2) 18 n. Chr.
3j Im zweiten punischen Kriege.
4) 217 v. Chr.
5) Jetzt Lago di Perugia.
ö) d. h. es kommt nie allein.
7) Im ionischen Meere, jetzt Curzolari genannt.
8) Jetzt Aspro Potamo.
Zweites Buch. 197
und ein grosser Theil von Aegypten durch den Nil, (der
nach Homer1) eine Nacht- und Tagereise von der Insel
Pharus entfernt war) entstanden sind; wie auch nicht bloss
durch den Rücktritt des Meeres, wie, ebenfalls nach
Homers Berichte 2), die circeischen Inseln 3) beweisen. Letz-
trer Fall soll sich auch im Hafen von Ambracia4) ereignet
haben, wo das Meer 10,000 Schritte zurückwich; desgleichen
im atheniensischen Hafen Piräus auf eine Strecke von 5O0O
Schritten, sowie zu Ephesus, wo es ehemals den Tempel
der Diana bespühlte. Wenn wir dem Herodot5) glauben
wollen, so reichte das Meer früher oberhalb Memphis bis
an die äthiopischen Gebirge, und die Ebenen Arabiens.
Auch die Gegend um Ilium war sonst Meer, sowie das
ganze Teuthranien 6), wo der Mäander7) das ganze Land
angeschwemmt haben mag.
88.
Es entsteht auch noch auf andere Weise Land, indem
es sich plötzlich aus dem Meere erhebt, gleichsam als ob
die Natur sich wieder ins Gleichgewicht setzen wollte, da
sie das, was hier ein Abgrund verschlang, dort wiedergiebt,
89.
Die schon lange berühmten Inseln, Delos und Rho-
dus, sollen auf eben diese Art entstanden sein. Später ka-
men noch kleinere zum Vorschein, wie Anaphe 8) hinter Me-
los, Neä 9) zwischen Lemnos 10) und dem Hellesponte, Halone
zwischen Lebedus und Teos, u) Thera12) und Theräsia13),
zwei Cykladen, im 4. Jahre der 135. Olympiade; 130 Jahre
*) Odyssee IV. 354.
2) Odyssee X. 194.
3) Eigentlich ein vom tuskischen Meere und den pontinischen
Sümpfen umgebener Berg, wegen der Niederungen rings umher einer
Insel ähnlich; jetzt Circello.
4) Jetzt Arta in Epirus.
5) Von Halikarnassus, berühmter griechischer Geschichtsschrei-
ber, lebte 484—408 v. Chr.
6) Eine Landschaft in Asien am Flusse Caicus (Girmasti).
7) Bojuk Minder. 8) Nanfi. 9) Agiostrati. ,0) Stalimene. ») Pusor.
,2) Santorin. ,3) Aspronisi.
198 Zweites Buch.
später Hiera1) oder Automate2), ebenfalls Cykladen, und
zwei Stadien davon entfernt entstand 110 Jahre später,
noch zu unserer Zeit unter den Konsuln M. Junius Silanus
und L. Baibus 3), am 8. Juli die Insel Thia. 4) Vor unserer
Zeit tauchte neben Italien unter den äolischen Inseln 5) eine,
desgleichen eine von 2500 Schritten Länge und mit darauf
befindlichen warmen Quellen neben Kreta aus dem Meere
hervor; noch eine andere, welche mit heftigem Winde be-
gleitet brannte, zeigte sich im 3. Jahre der 163. Olympiade
im tuscischen6) Meerbusen. Man erzählt auch, alle Men-
schen, welche von den um dieselbe in grosser Anzahl
schwimmenden Fischen gegessen hätten, wären sogleich
gestorben. Ferner sollen die pithekusischen Inseln7) im
campanischen Meerbusen auf ähnliche Art entstanden sein.
Der Berg Epopus auf einer dieser Inseln8) wurde bald
darauf, nachdem eine Flamme aus ihm hervorgebrochen
war, der Ebene gleich. Ebendaselbst wurde auch eine Stadt
vom Meere verschlungen, durch ein anderes Erdbeben ent-
stand ein See, und bei einem dritten durch zusammenge-
stürzte Berge die Insel Prochyta.
90.
Denn auch auf diese Weise hat die Natur Inseln ge-
schaffen; sie riss Sicilien von Italien, Cypern von Syrien,
Euböa 9) von Böotien 10j, Atalante u) und Makris 12) von Eu-
böa, Besbykus 13) von Bithynien, Leukosia u) vom Vorgebirge
der Sirenen15) los.
91.
Dann nahm sie auch dem Meere wieder Inseln, und
1) Die grosse Kammeni.
2) d. h. die von selbt entstandene.
3) 770 nach Roms Erbauung, 26 n. Chr.
") Die kleine Kammeni.
5) Liparische Inseln.
6) toskanischen.
7) Aenaria (Ischia) und Prochyta (Prochila).
8j Aenaria. 9) Negroponte. 10) Livadien. ") Talanda. l-) Elena.
") Kalolymno. ,4) Piana. ,5) Licoso.
Zweites Buch. 199
verband sie mit dem Festlande, als: Antissa mit Lesbos1),
Zephyrium2) mit Halikarnassus 3), Aetliusa mit Myndus4),
Dromiskus und Perne mit Milet5), Narthekusa mit dem
Vorgebirge Parthenium. 6) Die ebmalige Insel Hybanda
welche jetzt 200 Stadien vom Meere entfernt ist, mit Jonien.
Mitten im Gebiete von Epbesus liegt jetzt Syrie, sowie die
Derasiden und Sophonia in dem benachbarten Magnesia.
Epidaurus und Oricum7) haben aufgehört Inseln zu sein.
92.
Gänzlich aber verschwanden, wenn wir dem Plato 8)
glauben, die Länder, da wo jetzt das erste aller Meere,
das atlantische, sich in einem ungeheuren Räume erstreckt.
Im mittelländischen Meere ist, wie wir jetzt sehen, ein Theil
von Akarnanien im ambracischen 9), ein Theil von Achaja
im corinthischen Meerbusen, ferner ein Theil von Europa
und Asien im Propontis 10) und Pontus n) versunken. Zu
diesem gelangte das Meer, indem es Leukas 12), Antirrhinum 13),
den Hellespont und die beiden Bosporen durchbrach.
93.
Doch nicht zu reden von den Meerbusen und Land-
seen, muss man gestehen, dass die Erde sich selbst verzehrt.
Sie verschlang den hohen Berg Cybotus mit der Stadt
Kuris, Sypilus in Magnesia, und vorher schon in derselben
Gegend die berühmte Stadt Tantalis; ferner Galenes und
Galames, zwei Städte in Phönicien mit ihren Gebieten;
endlich den Phegius, den höchsten Bergrücken in Aethiopien,
als wenn nicht schon die treulosen Ufer genug Schaden
anrichteten.
94.
Pyrrha und Antissa, am mäotischen See belegen, hat
') Metelino. 2) Zefre. 3) Bodru. A) Mentesche. 5) Palatschia.
6) Eski-Burun. 7) Orso.
8) Im Timteus. — Plato (dessen ursprünglicher Namen Aristokles
war), wurde zu Athen 430 v. Chr. geboren und starb daselbst 348.
9) Golf von Arta. ,0) Das Meer von Marmora. ") Das schwarze
Meer. 12) Santa Maura. 13) Castello di Romelia.
200 Zweites Buch.
der Pontus verschlungen, Elice und Bura gingen im corin-
thischen Meerbusen unter, und Spuren davon erblickt man
noch auf der hohen See. Von der Insel Cea versank plötz-
lich ein abgerissenes Stück von mehr als 30,000 Schritten
nebst vielen Menschen. In Sicilien ging die halbe Stadt
Tyndaris und das Stück Land, was Italien mit Sicilien
verband unter. Auf gleiche Weise ging Eleusis in Böotien
zu Grunde.
95.
Doch genug von Erdbeben und von Ereignissen, welche
nur verbrannte Trümmer von Städten übrig lassen. Reden
wir lieber von den Wundern der Erde, als von den Gräueln
der Natur. Und wahrlich, die Erscheinungen des Himmels
darzustellen war keine so schwierige Aufgabe als dieses.
Der Schatz an Metallen ist so mannigfaltig, so reich,
so ergiebig, und wächst so viele Jahrhunderte hindurch
nach, obgleich täglich auf dem ganzen Erdboden Feuer,
Zerstörung, Schiffbruch, Krieg, Betrug so viel davon raubt
und die Ueppigkeit der Menschen so viel davon vernichtet.
Die Edelsteine sind in ihrer Zeichnung so verschieden,
andere Gesteine so bunt, und viele derselben von dem
reinsten Wasser! Dazu noch: die Kraft der Mineralquellen,
die so viele Jahrhunderte hindurch fortwährend an mehreren
Orten hervorleuchtenden Flammen. Anderwärts dringen aus
Gruben oder verpesteten Gegenden tödtliche Dämpfe hervor,
die hier nur für die Vögel, wie Sorakte1) bei Rom, dort
für die übrigen lebenden Geschöpfe ausser dem Menschen,
zuweilen aber auch diesem, wie im sinuessanischen 2) und
puteolanischen 3) Gebiete, gefährlich sind. Man nennt die-
selben Dunsthöhlen, oder auch Charons-Grotten, weil sie
einen verderblichen Rauch aushauchen. So giebt es ferner
im hirpinischen Gebiete zu Amsanktus beim Tempel der
') Jetzt Monte San Oreste.'
2) Sinuessa, eine Kolonie an der Grenze von Kaiupanien.
3) Puteoli, jetzt Puzzuoli in Kampanien.
Zweites Buch. 201
Mephitis *) einem Ort, wo ein Jeder, der ihn betritt, stirbt.
Ein ähnlicher Platz befindet sich zu Hierapolis2) in Asien,
der nur der Priesterin der grossen Mutter der Götter3)
unschädlich ist. An andern Orten hat man auch Wahr-
sagerhöhlen, aus deren betäubendem Dunste zukünftige
Dinge vorhergesagt werden, wie z. B. zu Delphi, wo das
berühmteste Orakel ist. Welche andere Ursache von alledem
vermag nun wohl irgend ein Sterblicher anzugeben, als
dass sich die göttliche Kraft der Natur bald so und bald
anders offenbart?
96.
Einige Gegenden gerathen, wenn man sie betritt, in
eine zitternde Bewegung, wie z. B. auf dem gabinischen
Gebiete, nahe bei Rom, fast 200 Morgen Landes erbeben,
wenn man darüber reitet; desgleichen im reatinischen
Gebiete.
Einige Inseln schwimmen beständig; solche giebt
es im cäcubischen, reatinischen, mutinensischen und stato-
niensischen Gebiete. Im See Vadimon4) und in den cu-
tilischen Gewässern5) befindet sich ein dunkler Wald,
welcher niemals, weder bei Tage noch bei der Nacht, an
einem und demselben Orte gesehen wird. Die sogenannten
calaminischen Inseln in Lydien werden nicht nur vom Winde
bewegt, sondern können auch mittelst Stangen nach Belieben
fortgetrieben werden; sie dienten im mithridatischen Kriege
vielen Bürgern zum Zufluchtsorte. Auch im nymphäischen
Meere sind kleine Inseln, die sogenannten Tänzer, denn
sie bewegen sich beim Absingen eines Musikstücks nach
dem mit dem Fusse der Singenden getretenen Taktschlage.
Auf dem grossen tarquiniensischen See e) in Italien schwimmen
') Eine römische Göttin, die gegen schädliche Ausdünstungen
schützte.
2) Pampuk Kalesi.
3) Cybele.
') See in Etrurien, jetzt Lago di Bassano.
*) Vergl. III. B. 17. Cap.
6) Lago di Bracciano.
202 Zweites Buch.
zwei Wälder herum, welche vom Winde getrieben, bald
eine dreieckige, bald eine runde, niemals aber eine vier-
eckige Gestalt annehmen.
97.
Paphos hat ein berühmtes Heiligthum der Venus, auf
dessen einen Altar nie Regen fällt. Ebenso regnet es
nicht zu Nea1), einer Stadt in Troas, um eine Bildsäule
der Minerva herum. Ebendaselbst verfaulen auch die Ueber-
bleibsel der Opferthiere nicht.
98.
Bei der Stadt Harpasa 2) in Asien steht ein ungeheurer
Felsen, den man mit einem Finger berühren kann; stösst
man aber mit dem ganzen Körper daran, so rührt er sich
nicht. Auf der taurischen Halbinsel3), in der Stadt Para-
sinum gibt es eine Erde, welche alle Wunden heilt. Um
Assus 4) in Troas wächst ein Stein, der alle Körper ver-
zehrt und daher Sarkophagus 5) genannt wird. Am Flusse
Indus stehen zwei Berge; der eine hat die Eigenschaft,
alles Eisen festzuhalten, der andere aber stösst es ab. Wer
daher Nägel in den Sohlen hat, kann auf jenem den
Fuss nicht erheben, auf letztern aber nicht auftreten. Man
findet aufgezeichnet, dass zu Locri6) und Croton nie eine
ansteckende Krankheit oder ein Erdbeben gewesen sei.
In Lycien folgen stets auf ein Erdbeben 40 heitere Tage.
Im arpanischen Gebiete geht das gesäete Getreide nicht
auf. In der Nähe der mucischen Altäre im Vejentinischen,
ferner bei Tusculanum7) und im ciminischen Walde8) gibt es
Plätze, wo das, was in die Erde gesteckt ist, nicht wieder
*) Jenischeer.
2) Arpas Kalesi.
3) Die jetzige Krimm.
4) Bagtsche Köi.
5) Fleischfresser. Aus diesem Steine wurden Särge verfertigt,
daher dieses Wort später von jedem Sarge überhaupt gebraucht
wurde. S. auch im XXXVI. B. 27. Cap.
6) Bruzzano.
7) Frascati.
8) Monte Fogliano.
Zweites Buch. 203
herausgezogen werden kann. Heu, welches im Crustu-
minischen 2) gewachsen, ist dort schädlich, anderwärts
gesund.
99.
Auch über die Beschaffenheit des Wassers ist bereits
mehreres gesagt worden, aber das Wunderbarste dabei bleibt,
dass die Fluthen des Meeres anschwellen und wie-
der zurücktreten, und zwar auf mehrfache Weise. Die
Ursache davon liegt in der Sonne und dem Monde. Zwi-
schen zwei Mondaufgängen oder innerhalb 24 Stunden
schwillt das Meer zweimal an, und tritt zweimal wieder
zurück. Sowie nämlich der Mond am Himmel aufsteigt,
tritt die erste Fluth ein, senkt er sich aber vom höchsten
Mittagspunkte nieder nach dem Untergange hin, so fällt
auch das Wasser wieder; von seinem Untergange an bis
zum tiefsten Punkte unter dem Horizonte, dem Mittags-
punkte gerade entgegen, schwillt das Meer abermals an,
und von da an bis zu seinem Aufgange ist wieder Ebbe.
Niemals tritt zu derselben Zeit, wie am Tage zuvor, die
Fluth ein, weil das sie beherrschende und das Meer be-
gierig nach sich ziehende Gestirn, stets an einem andern
Orte wie Tags zuvor aufgeht; jedoch wiederholt sich diese
Erscheinung in gleichen Zeiträumen, und zwar alle sechs
Stunden, unter welchen letztern aber nicht die Stunden eines
jeden Tages oder jeder Nacht oder jeden Ortes, sondern
die Aequinoctialstunden zu verstehen sind. Daher wer-
den nach der gewöhnlichen Stundeneintheilung diese Zeit-
räume ungleich, weil nach derselben die Tage oder Nächte
bald kürzer bald länger, und nur im Aequinoctium allent-
halben von gleicher Dauer sind. Diess ist ein ungemein
klarer und täglich sprechender Beweis von der Stumpfheit
aller derer, welche leugnen, dass Gestirne unter unserem
Horizonte weggehen und wieder aufsteigen, und dass, bei
demselben Vor gange des Auf- und Untergangs auf beiden
Seiten die Erde, ja sogar die ganze Welt, dort wie bei uns
l) Monte Rotondo.
204 Zweites Buch.
die nämliche Gestalt zeige, da doch der Mond unter der
Erde offenbar keinen andern Lauf und keine andere
Wirkung hat, als wenn er vor unsern Augen hinläuft.
Mannigfach ist ausserdem auch noch der Mondwechsel
und zwar hauptsächlich von 7 zu 7 Tagen. Vom Neumonde
nämlich bis zum ersten Viertel ist die Fluth massig, von
da an nimmt sie zu und beim Vollmonde steigt sie am höch-
sten. Dann wird sie wieder schwächer, am 7. Tage gleicht
sie der ersten wieder, und im letzten Viertel wird sie aber-
mals stärker. Beim Zusammentritt des Mondes mit der
Sonne ist sie ebenso stark wie beim Vollmonde. Wenn er
im Nordost und von der Erde weiter entfernt steht, ist die
Fluth schwächer, als wenn er nach Süden gewandt mit
grösserer Kraft auf die dann nähere Erde einwirkt. Nach
Verlauf von acht Jahren kehrt mit dem hundertsten Um-
laufe des Mondes, der jene Anschwellung veranlasst, die
anfängliche Bewegung und gleiches Steigen des Meeres
wieder. Der jährliche Umlauf der Sonne ist auch nicht
ohne Wirkung auf die Fluth, denn diese nimmt in den
Aequinoctien bedeutend zu, und zwar mehr im Herbst- als
im Frühlings -Aequinoctium; am kürzesten Tage ist sie
schwach, und noch schwächer im Sommer-Solstitium. Je-
doch treten diese Veränderungen nicht genau in den genann-
ten Zeitpunkten ein, sondern wenige Tage später. Die
beim Monde erwähnten Veränderungen erfolgen auch nicht
gerade beim Voll- oder Neumonde, sondern kurz danach;
ferner nicht sogleich, beim Aufgange oder Untergange des
Mondes oder, wenn er sich von seiner mittleren Bahn ab-
wärts neigt, sondern fast um zwei Aequinoctialstunden
später. Ueberhaupt zeigt sich die Wirkung eines jeden
Ereignisses am Himmel auf der Erde immer später, als wir
es erblicken, wie z. B. Donner und Blitz erweisen.
Vom Ocean gehen aber alle Fluthen weiter ins Land,
als von den übrigen Meeren; sei es nun, weil ein grosses
Ganzes mächtiger ist, als ein Theil davon, oder weil die
Kraft des weit um sich greifenden Gestirnes auf jene grosse
Fläche stärker einwirkt als auf einen engen Raum. Daher
Zweites Buch. 205
werden auch weder Seen noch Flüsse auf ähnliche Art be-
wegt. Pytheas von Massilien sagt, oberhalb Britannien steige
die Fluth bis zu acht Ellen empor. Die inneren Meere aber
werden wie Häfen vom Lande eingeschlossen. An einigen
Orten jedoch, wo die Ufer mehr von einander entfernt sind,
gehorcht das Meer doch dem Einflüsse des Mondes. So
gibt es mehrere Beispiele, dass Schiffer ohne Hülfe der
Segel bei starker Fluth in drei Tagen von Italien nach
Utika *) übersetzten. An den Küsten wird diese Bewegung
des Meeres mehr als auf hoher See wahrgenommen, gleich-
wie wir an den äussersten Theilen unseres Körpers den
Schlag der Adern, d. i. der Luft mehr empfinden. 2) In
den meisten Buchten sind aber wegen des für jede Lage
ungleichen Aufganges der Gestirne die Fluthen der Zeit,
nicht aber ihrer Natur nach verschieden; dasselbe ist auf
den Syrten3) der Fall.
100.
Einige Orte haben jedoch hierin ihre Eigenthümlich-
keiten, wie z. B. im tauromenitanischen Strudel4) die Fluth
öfter, und in Euböa siebenmal innerhalb 24 Stunden wie-
derkehrt. Auch bleibt die Fluth dreimal in jedem Monate,
am 7., 8. und 9. Tage nach dem Vollmonde unverändert
dieselbe. Zu Gades, nahe bei dem Tempel des Hercules,
befindet sich eine, wie ein Brunnen eingeschlossene Quelle,
welche bald gleichzeitig mit dem Ocean, bald aber zur ent-
gegengesetzten Zeit steigt und fällt. Eine zweite dortige
Quelle richtet sich nach den Bewegungen des Oceans. An
den Ufern des Bätis5) liegt eine Stadt, deren Brunnen bei
der Fluth fallen, bei der Ebbe steigen, in der Zwischenzeit
aber keine Veränderung zeigen. Von derselben Beschaffen-
l) Stadt in Afrika.
'-) Die Alten hatten die sonderbare Meinung, dass die Pulsadern
mit Luft erfüllt wären.
3) Die Buchten von Sydra und Cabes an der nordafrikanischen
Küste.
4) Bei Taormina.
5) Guadalquivir in Spanien.
206 Zweites Buch.
heit ist ein Brunnen in der Stadt Hispalis1), während die
übrigen nichts Ungewöhnliches haben. Der Pontus fliesst
beständig in den Propontis, aber nie geht Wasser aus
diesem in den Pontus zurück.
101.
Fast alle Meere reinigen sich beim Vollmonde, nur
einige zu einer andern bestimmten Zeit. Bei Messana und
Mylä wirft das Meer einen mistähnlichen Unrath ans Ufer,
woher die Sage entstanden ist, die Rinder der Sonne hät-
ten daselbst ihre Ställe. Hiezu fügt noch Aristoteles (da-
mit ich nichts, was mir bekannt ist, übersehe), dass kein
Thier zu einer andern Zeit, als während der Ebbe sterbe.
Am gallischen Ocean hat man diess vielfach beobachtet und
wenigstens am Menschen bestätigt gefunden»
102.
Hieraus geht die Wahrscheinlichkeit hervor, dass der
Mond nicht ohne Grund für das Gestirn des Lebens zu
halten sei. Er sättigt die Erde, erfüllt den Körper bei
seinem Erscheinen, und entleert ihn bei seiner Entfernung.
Daher wachsen auch, wenn er zunimmt, die Conchylien,
und vornehmlich empfinden alle blutlosen Thiere seine be-
lebende Kraft. Aber auch sogar das Blut der Menschen
mehrt und vermindert sich mit dem Monde, und selbst
Sträucher und Kräuter fühlen (wie ich an ihrem Orte noch
sagen werde) seine alles durchdringende Kraft.
103.
Durch die Glüht der Sonne aber wird die Feuchtigkeit
hinweggenommen, und da sie alles ausdörrt und verzehrt,
halten wir sie für ein männliches Gestirn.
104.
So wird dem weiten Meere der Salzgeschmack
gleichsam eingekocht, oder, indem sie ihm die süssen und
zarten Theile, welche gerade die feurige Kraft am leichte-
sten an sich zieht, benimmt, lässt sie alle grobem und
dichtem Stoffe zurück. Daher ist auch das Meerwasser in
») Sevüla.
Zweites Buch. 207
der Tiefe süsser als auf der Oberfläche. Diese Ursache
des unangenehmen Geschmacks des Meerwassers dürfte
wohl der Wahrheit näher kommen, als die Behauptung,
dass das Meer der beständige Erdschweiss sei 1), oder, dass
sich der grösste Theil der trocknen Ausdünstung mit ihm
vermische, oder aber, dass die Natur der Erde ihm gleich-
wie den Heilquellen, den fremden Geschmack ertheile.
Unter den wunderbaren Ereignissen verdient Erwähnung,
dass, nach der Vertreibung des Tyrannen Dionysius in
Sicilien2), das Meer im Hafen einen ganzen Tag hindurch
süss war.
Dahingegen wird der Mond für ein weibliches, mildes
Gestirn gehalten, welches die nächtliche Feuchtigkeit zwar
auflöst und anzieht, nicht aber wegführt. Diess ergibt sich
daraus, dass er die todten Körper der wilden Thiere durch
seinen Schein zu einer fauligen Masse auflöst, dass er den
eingeschlafenen die Mattigkeit in dem Kopfe zusammen-
zieht, dass er Eis schmelzt, und alles durch seinen befruch-
tenden Hauch erweicht. So erhält sich die Natur gegen-
seitig im Gleichgewicht, ohne einen Mangel zu fühlen, da
einige Gestirne die Elemente verbinden, andere sie ver-
teilen. Der Mond ernährt sich also aus süssem, die Sonne
aus Seewasser.
105.
Die grösste Tiefe des Meeres beträgt nach Fabianus8)
15 Stadien. Andere dagegen sagen, es sei im Pontus, dem
Lande der Koraxer 4) gegenüber, ungefähr 300 Stadien vom
Festlande entfernt, so unermesslich tief, dass man daselbst
niemals Grund gefunden habe. Diese Stelle im Pontus
heisst daher: die Tiefe.5)
106.
Noch wunderbarer sind die Eigenschaften des süssen
J) Nach der Ansicht des Empedocles.
2) Im Jahre 357 v. Chr.
3) Lebte unter Tiberius.
4) In Colchis.
5) Ba&va.
208 Zweites Buch.
Wassers, welches in der Nabe des Meeres wie aus Röhren
hervorsprudelt; denn auch dem Wasser fehlt es nicht an
Wundern. Das süsse Wasser schwimmt auf dem Meere,
ohne Zweifel, weil es leichter ist; daher trägt auch das
schwerere Seewasser alles, was hinein kommt, besser.
Sogar süsse Wasser schwimmen an manchen Orten auf
einander, wie z. B. der Fluss1), welcher sich in den fuci-
irischen2), die Addua, welche sich in den larischen3), der
Ticinus, der sich in der verbanischen4), der Mincius, der
sich in den benacischen5), der Ollius, der sich in den sevi-
nischen6), derßhodanus7), der sich in den lemanischen8) See
ergiesst. Der letztere liegt jenseits der Alpen, die übrigen
aber in Italien; sie alle strömen auf viele tausend Schritte
weit freundnachbarlich durch jene Seen hin, und nehmen
nur ihr eigenes, und nicht mehr Wasser, als sie hinein-
gebracht haben, wieder mit sich hinaus. Ein Gleiches soll
auch beim Orontes 9), einem Flusse in Syrien und bei noch
vielen andern stattfinden.
Einige Flüsse verlieren sich gleichsam, als hassten sie
das Meer, in die Erde, wie z. B. die Quelle Arethusa bei
Syrakus; was man in diese hineinwirft, kommt im Alpheus10),
welcher durch Olympien fliesst und sich an der peloponne-
sischen Küste ins Meer ergiesst, wieder zum Vorschein.
Der Lycus u) in Asien, der Erasinus 12) in Argolis, der Tigris
in Mesopotamien gehen in die Erde und kommen wieder
hervor. Was man in die Quelle des Aesculaps bei Athen
wirft, kommt im Hafen Phalerus wieder zum Vorschein.
In der atinatischen Gegend13) kommt ein in die Erde ge-
gangener Fluss u) erst 20,000 Schritte weiter wieder her-
vor; dasselbe ist der Fall mit dem Timavus im Gebiete
von Aquileja.
In dem Asphaltsee15) inJudäa, welcher Erdpech erzeugt,
') Jetzt Giovenculo. 2) Lago di Celano. 3) Lago cli Conio. 4) Lago
maggiore. 5) Lago di Guarda. 6) Lago d'Ises. 7) Der Rhone. 8) Der
Genfer See. '') Asi. 10) Rufia. ") Kulhissar. 12) Kephalari. ,3) Atino
im Neapolitanischen. M) Der Tanager (Negro). I5) Das todte Meer.
Zweites Buch. 209
sinkt nichts unter, ebenso im See Arethusa1) in Gross- Arme-
nien, in welchem, ungeachtet er Nitrum 2) enthält, doch
Fische leben. Im Salentinischen, unweit der Stadt Man-
duria3), liegt ein bis zum Rande seiner Ufer voller See,
welcher weder durch Herausschöpfen vermindert wird, noch
durch Eingiessen steigt. In dem Flusse der Ciconer4) und
im See Velinus in Picenum wird hineingelegtes Holz mit
einer Steinkruste überzogen; dasselbe geschieht auch im
Sirius, einem Flusse in Kolchis, und zwar hier in dem
Grade, dass noch eine den Stein härtende Rinde sich dar-
über legt. Auf ähnliche Weise versteinern im Flusse Sila-
rus, unterhalb Surrentum, nicht nur eingetauchte Ruthen,
sondern auch Blätter, übrigens ist sein Wasser gesund zu
trinken. Am Ausflusse des reatinischen 5) Sumpfes setzt
sich ein Felsen an, und im rothen Meere wachsen Oel-
bäume und grüne Sträucher hervor.
Viele Quellen sind wegen ihrer Hitze merkwürdig;
man findet deren sogar auf den höchsten Alpen, ja selbst
in dem Meere, zwischen Italien und Aenaria6), sowie im
bajanischen Meerbusen, im Flusse Liris 7) und vielen andern.
Auch trifft man im Meere an vielen Stellen süsses Wasser,
wie bei den Chelidonischen Inseln 8), bei Aradus 9) und im
gaditanischen Meere. In den warmen Quellen der Pata-
viner 10) wachsen grüne Kräuter, in denen der Pisaner leben
Frösche, in denen der Vetulonier in Etrurien, unweit des
Meeres, Fische. Im casinatischen Gebiete fliesst ein Strom,
Scatebra genannt, welcher im Sommer kalt ist und das
meiste Wasser hat; in ihm sowie im See Stymphalis u) in
') Nasik. 2) Soda. 3) Mandula in Apulien. 4) Ein thracischer
'Volksstamni.
5) Reate, jetzt Rieti, Stadt am See Velinus (jetzt Lago di Rieti).
') Vergl. d. 89. Cap. dieses Buches.
7) Garigliano in Latium.
8) Zwei kleine Eilande zwischen Rhodus und Cypern, jetzt Kali-
<loni genannt.
9) Ruad an der phönizischen Küste.
,0) Paduaner.
u) Jetzt See von Zaraka.
14
210 Zweites Buch.
Arkadien, giebt es Wassermäuse. Die kalte Quelle des
Jupiter zu Dodona x) löscht zwar hineingetauchte Fackeln
aus, nähert man ihr aber die ausgelöschten wieder, so ent-
zünden sie sich. Mittags bleibt sie stets aus, daher heisst
sie auch: die Aufhörende.2) Später fängt sie an zu wach-
sen, ist um Mitternacht ganz voll und nimmt dann allmählig
wieder ab. In Illyrien ist eine kalte Quelle, welche dar-
über ausgebreitete Kleider entzündet. Der See des Jupiter
Hammon3) ist am Tage kalt, bei Nacht heiss. Die so-
genannte Sonnenquelle im Lande der Troglodxten ist um
Mittag süss und sehr kalt, dann fängt sie an warm zu
werden und ist um Mitternacht heiss und bitter.
Die Quelle des Padus4) ist im Sommer des Mittags
stets trocken, gleichsam als wenn sie unterdessen Ruhe
hielte. Eine Quelle auf der Insel Tenedos tritt vom Som-
mersolstitium an stets von der 3. bis zur 6. Stunde der
Nacht aus. Die Quelle Inopus auf der Insel Delos steigt
und fällt gleichzeitig mit dem Nile. Dem Flusse Timavus
gegenüber liegt im Meere eine kleine Insel mit warmen
Quellen, welche mit der Fluth steigen und mit der Ebbe
fallen. Der Fluss Novanus im pitinatischen Gebiete, jen-
seits der Alpen, wird jedesmal im Solstitium reissend, am
kürzesten Tage dagegen trocknet er aus.
Im faliscischen Gebiete macht alles Trinkwasser die
Ochsen weiss, in Böotien der Fluss Melas die Schafe
schwarz, der Cephissus, welcher aus demselben See5) her-
vorfliesst, weiss, derPeneus6) wiederum schwarz, der Xan-
thus bei Ilium röthlich, woher dieser Fluss auch seinen
») Bonila.
2) ÄvaTtavopBvoq.
3) In Afrika.
4) Po.
5) Diess ist der See Copais in Böotien; allein der Cephissus ent-
springt nicht aus demselben, sondern bildet ihn erst, desshalb heisst
der Copais auch bei Homer der cephissische See (jetzt der See von
Livadia). Der Melas aber verliert sich südlich vom See Copais in
Sümpfen.
6) Jetzt Salambria in Thessalien.
Zweites Buch. 211
Namen hat. Der Astaces im Pontus macht, dass die auf
den von ihm bewässerten Fluren weidenden Stuten den
dortigen Bewohnern zu ihrer Nahrung schwarze Milch geben.
Im Reatinischen giebt es eine Quelle, Neminie genannt,
die bald hier bald da aus der Erde kommt, und dadurch
die Veränderung der Fruchtbarkeit anzeigt. Eine Quelle
im Hafen von Brundisium versorgt die Seefahrer mit gutem
Wasser. Das Wasser des Lyncestes1), welches Sauerwas-
ser genannt wird, berauscht wie Wein. Aehnliches Wasser
findet sich in Paphlagonien und im calenischen Gebiete.
Auf der Insel Andrus soll, nach Mucianus, der dreimal
Konsul war2), im Tempel des Bacchus eine Quelle hervor-
sprudeln, die jedesmal am 5. Januar einen Weingeschmack
hat; sie führt den Namen Göttergeschenk.3) Der Styx4)
bei Nonakris 5) in Arkadien, dessen Wasser sich weder
durch Geruch noch durch Farbe besonders auszeichnet,
tödtet sogleich, wenn man davon trinkt. Desgleichen befin-
den sich auf dem Hügel Librosus in Taurien drei Quellen,
die ohne Rettung, aber ohne Schmerzen tödten. Im car-
ninensischen Gebiete von Spanien fliessen zwei Quellen
nebeneinander, von denen die eine alles auswirft, die andere
aber alles verschlingt, Ebendaselbst ist eine andere, in
welcher alle Fische goldfarbig erscheinen, während sie
ausserhalb derselben nicht von den übrigen Fischen ver-
schieden sind. Eine starke "Quelle im comensischen Ge-
biete in der Nähe des Sees Larius6) schwillt alle Stunden
an und tritt wieder zurück. Eine warme Quelle auf der
Insel Cydonea vor Lesbos fliesst nur im Frühlinge. Der
See Sannaus in Asien hat den Geschmack des um ihn
wachsenden Wermuths. Zu Colophon, in der Höhle des
') Fluss in Macedonien.
'-) In den Jahren 52, 70 und 76 n. Chr.; starb im J. 77 n. Chr.
3) Jidg Oeodooia.
'•) Mauronero.
5) Naukria.
°) Lage- di Como.
14*
212 Zweites Buch.
Apollo Clarius1) ist ein Teich, dessen Wasser den daraus
Trinkenden die Wahrsagekunst verleiht, zugleich aber auch
ihr Leben verkürzt Dass Flüsse zuweilen einen rück-
gängigen Lauf nehmen, hat man auch zu unseren Zeiten,
in den letzten Jahren der Kegierung Nero's gesehen, wie
ich in dessen Lebensbeschreibung angeführt habe.
Wem ist es wohl unbekannt, dass alle Quellen im
Sommer kälter sind als im Winter? Nicht minder wun-
derbar erscheint es, dass Erz und Blei in Klumpen unter-
sinken, aber in dünnen Platten schwimmen; ferner, dass
einige Körper von gleichem Gewicht theils sinken, theils
schwimmen, dass sich Lasten im Wasser viel leichter be-
wegen lassen. Der Stein Scyrius 2) schwimmt in grossen
Stücken, zerkleinert sinkt er aber unter. Frische Leich-
name sinken unter, sobald sie aber angeschwollen sind,
kommen sie in die Höhe. Leere Gefässe lassen sich nicht
leichter aus dem Wasser ziehen als volle. Eegenwasser
ist in den Salzgruben besser als anderes; es bildet sich
auch kein Salz, wenn kein süsses Wasser hinzukommt.
Meerwasser friert langsamer als jedes andere, erhitzt sich
aber schneller. Im Winter ist das Meer wärmer, im Herbste
salziger. Alles Wasser wird durch hineingegossenes Oel
ruhig. Die Taucher spritzen Oel aus dem Munde, weil
dasselbe die Schärfe des Wassers mildert und ihnen Hellig-
keit verschafft. Auf hoher See fällt kein Schnee. Obgleich
alles Wasser abwärts fällt, so springen doch die Quellen
von unten herauf, und diess geschieht sogar am Fusse des
brennenden Aetna mit solcher Gewalt, dass der Sand auf
150,000 Schritte weit von der Feuermasse fortgeschleudert
wird.
107.
Nun müssen wir auch vom Feuer, dem vierten Ele-
mente, einige wunderbare Eigenschaften berichten, und
zwar zuerst von den flüssigen Körpern mit feuriger Natur.
*) Von der Stadt Claras in Kleinasien, wo Apollo einen Tem-
pel und vier Orakel hatte.
*) S. XXXVI. B., 26. Cap.
Zweites Buch. 213
108.
In der Stadt Samosata in Commägene l) ist ein Sumpf,
der einen brennenden Schlamm, Maltha genannt, auswirft.
Wenn er an einen festen Körper kommt, so hängt er sich
daran fest; berührt man ihn, so folgt er nach, auch wenn
man flieht. So vertheidigten die dortigen Einwohner ihre
Stadt, welche von Lucullus belagert wurde2), und die Sol-
daten verbrannten mit ihren Waffen. Auch im Wasser
brennt er fort; nur durch Erde kann man ihn löschen, wie
die Erfahrung gelehrt hat.
109.
Von ähnlicher Beschaffenheit ist die Naphtha; so
heisst nämlich eine bei Babylon, im astacenischen Gebiete
in Partkien aus der Erde wie flüssiges Harz hervorquel-
lende Materie. Sie hat grosse Verwandtschaft zum Feuer,
denn diess springt ihr, sobald es sich nur irgendwo blicken
lässt, zu. So soll Medea ihre Nebenbuhlerin3), als diese,
um zu opfern, vor den Altar trat, verbrannt haben, indem
das Feuer ihren Kranz ergriff.
110.
Aber auch die Berge zeigen wunderbare Erscheinungen.
Der Aetna brennt immer des Nachts, und sein Feuerstoff
reicht nach so unendlicher Zeit noch aus. Im Winter ist
er mit Schnee bedeckt, und seine ausgeworfene Asche
überzieht sich mit Reif. Aber nicht in ihm allein wtithet
die Natur, und bedroht die Erde mit Verbrennung. Auch
in Phaseiis4) brennt der Berg Chimära Tag und Nacht be-
ständig fort. Ctesias von Gnidus5) erzählt, dass sein Feuer
auch im Wasser fortbrenne, durch Erde oder Heu aber
gelöscht werden könne. In demselben Lycien brennen die
') Eine an Cilicien grenzende Provinz von Syrien.
») 68 v. Chr.
3) Kreusa, die Tochter Kreons von Korinth, mit der Jason sich
vermählen wollte.
4) Eine Hafenstadt in Lycien, jetzt Igeder.
5) Lehte im 4. Jahrh. v. Chr. war Leibarzt des jungem Cyrus,
und dann, bei Kunaxa gefangen, des Artaxerxes Mnemon.
214 Zweites Buch.
vulkanischen Berge, wenn man sich ihnen mit einer brennen-
den Fackel nähert, so heftig, dass selbst Steine und Sand im
Wasser glühen; dieses Feuer wird auch durch Regenwasser
unterhalten. Wenn Jemand einen Stock an diesem Feuer
anzündet und damit Furchen zieht, so sollen ihm Feuer-
ströme folgen. In Baktrien brennt die Spitze des Kophan-
tus alle Nächte, in Medien und Sittacene, an der Grenze
von Persien, giebt es ebenfalls brennende Berge. Zu Susa,
beim weissen Thurme, brennen des Nachts 15 Krater, von
denen der grösste auch am Tage Feuer speit. Bei Babylon
brennt eine Strecke Landes von der Grösse eines Fisch-
teichs. Auch in Aethiopien in der Nähe des Berges Hes-
perius, glänzen die Felder des Nachts wie Sterne, ebenso
im megalopolitanischen Gebiete, wo der leuchtende Platz
in einem angenehmen Walde, dessen überhängende Zweige
jedoch nicht entzündet werden, verborgen liegt. Auch neben
einer kalten Quelle brennt unaufhörlich der Krater des
Nymphäus, welcher, wie Theopompus x) berichtet, den
Apolloniaten schreckliche Ereignisse vorher anzeigt. 2)
Durch Regen wird seine Glüht vermehrt, und er wirft da-
bei ein Erdharz aus, welches nur durch jene untrinkbare
Quelle gelöscht werden kann; übrigens ist es flüssiger als
alles andere Harz. Doch wen kann diess alles noch in
Verwunderung setzen? Brannte doch mitten im Meere die
Insel Hiera 3) in der Nähe von Italien sammt dem Meere
mehrere Tage hindurch zur Zeit des Bundesgenossenkrie-
ges 4), bis eine Gesandtschaft des Senats es versöhnte. Mit
der grössten Flamme jedoch brennt ein Bergrücken in
Aethiopien, der Götterwagen genannt, und speiet während
') Aus Chios um 360 v. Chr.
-) Es gab im Alterthume 9 verschiedene Orte, die den Namen
Apollonia führten. Der, welchen PI. hier meint, ist derselhe, den er
im III. B. 26. Cap. anführt, nämlich eine Kolonie der Korinther (oder
Cörcyräer) am strymonischen Meerbusen.
3) Vulcano.
'') Der 91 v. Chr. begann.
Zweites Buch. 215
der Sonnenhitze ganze Ströme von Feuer aus. An so vielen
Orten und mit so vielen Flammen brennt die Erde?
111.
Da nun dieses Element allein die Eigenschaft hat, sich
von selbst zu erzeugen und zu vermehren, indem es aus
dem kleinsten Funken erwächst, was wird am Ende bei
so vielen Scheiterhaufen auf der Erde zu erwarten sein?
Was ist die Natur, welche in der ganzen Welt die hab-
gierigste Gehässigkeit nährt, ohne selbst Schaden zu lei-
den? Hiezu denke man sich noch die unzähligen Sterne
und die grosse Sonne; ferner das Feuer, dessen sich die
Menschen bedienen, das in den Steinen ruht, das durch an-
einander geriebenes Holz erzeugt wird, das aus den Wol-
ken als Blitze hervorbricht! Es übersteigt wahrlich alle
Wunder, dass nur ein Tag vergehen kann, an dem nicht
alles verbrennt, da noch überdiess Hohlspiegel, welche man
den Strahlen der Sonne entgegen hält, leichter zünden, als
jedes andere Feuer. Und welche unzählige kleine, aber
natürliche Arten von Feuer sind nicht überall? In Nym-
phäum bricht aus dem Felsen eine Flamme hervor, die
sich durch Regen entzündet. Dieses geschieht auch bei
den scomtischen Gewässern1); allein letztere Flamme ver-
liert ihre Kraft, wenn sie auf andere Gegenstände über-
geht, und hält in einem anderen Stoffe nicht lange an.
Seit undenklichen Zeiten beschattet eine lebende Esche
diese feurige Quelle. Im mutinenischen Gebiete bricht an
bestimmten, dem Vulkan geheiligten Tagen2) Feuer hervor.
Man findet bei den Schriftstellern angeführt, dass auf den
aricischen 3) Feldern die Erde in Brand gerathe, wenn eine
Kohle darauf fällt. Im Lande der Sabiner und Sicidiner4)
giebt es einen Stein, der mit Fett bestrichen zu brennen
') In Kampanien.
2) Im August.
3) Aricia, eine alte Stadt in Latium, vier Meilen von Rom an der
Via Appia am albanischen Berge.
4) Ein Volk in Kampanien; ihre Hauptstadt hiess Trauma, jetzt
Tiano.
21(5 Zweites Buch.
beginnt. In der salentiniscben Stadt Egnatia entsteht, wenn
man Holz auf einen daselbst für heilig gehaltenen Felsen
legt, sogleich eine Flamme. Auf einem unter freiem Him-
mel befindlichen Altare der Juno Lacinia1) soll die Asche
selbst durch die heftigsten Stürme nicht weggeführt werden.
Sogar im Wasser und am menschlichen Körper ent-
stehen plötzlich Flammen. So soll einmal der ganze trasi-
menische See in Feuer gestanden haben. Dem Servius
Tullius 2) brach in seiner Kindheit während des Schlafes
eine Flamme aus dem Kopfe hervor. Valerius Antias 3)
erzählt dasselbe von L. Marcius, als dieser nach dem Tode
der Scipionen 4) eine Rede hielt und die Soldaten zur Rache
aufforderte. Bald werde ich mehr und ausführlicher davon
handeln; gegenwärtig können diese Wunder nur vermischt
mit den übrigen Gegenständen der Natur erwähnt werden.
Da ich nun aber die Erklärung der Natur beendigt habe,
so beeile ich mich, den Geist der Leser gleichsam an der
Hand über den ganzen Erdkreis zu führen.
112.
Unser Erdtheil, von dem ich jetzt rede, und der (wie
schon gesagt) auf dem ihn umgebenden Ocean gleichsam
schwimmt, hat seine grösste Ausdehnung von Morgen nach
Abend, d. h. von Indien bis zu den von den Gaditanern
verehrten Säulen des Hercules, welche Entfernung nach
Artemidorus 5) 8,568,000, nach Isidorus 6) aber 9,818,000
Schritte beträgt. Artemidorus fügt noch 891,000 Schritte
hinzu, nämlich, von Gades um das heilige Vorgebirge7)
1) Unter diesem Beinamen wurde Juno in einem Tempel unweit
Crotona in Italien verehrt. Dieser Tempel soll vom König Lacinus,
oder vom Herkules, der den Strassenräuber Lacinius in dieser Ge-
gend erlegte, erbauet sein.
2) Sechster röm. König, regierte 576 — £34 v. Chr.
3) Lebte im letzten Jahrh. v. Chr.
4) Im 2. punischen Kriege. Vergl. Linius XXV. B. 32.-36. Cap.
6) Von Ephesus im 2. Jahrh. v. Chr.
°) Von Charax im 1. Jahrh. n. Chr.
7) Cap St. Vincent.
Zweites Buch. 217
herum bis an das Vorgebirge Artabrum *), welches der
äusserste Punkt der vordem Seite von Spanien ist. Dieses
Maass erhält man auf doppeltem Wege. Die Entfernung
vom Flusse Ganges und seiner Mündung im östlichen
Ocean, über Indien und Parthyene bis zur Stadt Myrian-
drus in Syrien, am issischen Meerbusen 2), beträgt nämlich
5,215,000 Schritte; von da, auf dem kürzesten Seewege,
über Cypern, Patara in Lycien, Rhodus, Astypaläa3), die
Inseln im carpathischen Meere 4), Tänarum 5) in Lakonien 6),
Lilybäum 7) in Sicilien, Kalaris 8) in Sardinien: 2,103,000
Schritte; von hier bis Gades 1,250,000 Schritte. Das Ge-
sammtmaass vom östlichen Meere an beträgt also 8,568,000
Schritte.
Die andere, zuverlässigere Bestimmung giebt der Land-
weg, und zwar beträgt die Entfernung:
Vom Ganges bis zum Euphrat 5,169,000 Schritte,
von da bis Mazaka9) in Kappadocien 319,000 „
„ „ durch Phrygien, Karien und
Ephesus 415,000
„ „ durchs ägeische Meer bis Delos 200,000 „
„ „ bis zum Isthmus10)! .... 212,500
„ „ erst zu Lande, dann durchs le-
chäische Meer u) und den ko-
rinthischen Meerbusen nach
Patras im Peloponnes . . . 90,000 „
„ „ bis Leukas12) 87,500
') Cap Finisterre.
2) Scanderum.
3) Stampalia.
4) Von der Insel Carpathus, jetzt Sarpento benannt.
5) Kaino.
6) Maina.
7) Marsala.
*) Cagliari.
9) Kaisarie.
">) Von Korinth.
") Der bei Korinth liegende Theil des Golfs von Lepanto.
12) Hauptstadt der Insel Leukadia, jetzt St. Maura.
218 Zweites Buch.
von da bis Korcyra1) 87,500 Schritte
., „ „ Akroceraunia 2) .... 132,500 „
„ „ „ Brundisium 87,500 r
.. „ „ Korn 360,000
., „ über die Alpen bis zum Dorfe
Scingomagus 3) 519,000
„ „ durch Gallien an die Pyrenäen
bis Illiberis 4) 927,000
„ „ bis zum Ocean und der Küste
Spaniens 331,000 „
„ „ bis zur Ueberfabrt nach Gades 7,500 „
Alle diese Entfernungen betragen nach Artemidorus
Berechnung zusammen: 8,945,000 Schritte.
Die Breite der Erde von Mittag zu Mitternacht wird
etwa um die Hälfte geringer angenommen, oder zu 4,490,000
Schritten. Hieraus ergiebt sich deutlich, wie viel uns auf
der einen Seite die Hitze und auf der andern die Kälte
entrissen hat. Allein ich glaube nicht, dass diess der Erde
geradezu fehlt, oder dass sie desshalb keine Kugelgestalt
hat, sondern nehme bloss an, dass beide Theile unbewohnt
und uns noch unbekannt sind. Die Entfernung der süd-
lichen Grenze von der nördlichen beträgt:
von der Küste des äthiopischen Meeres, soweit sie bewohnt
ist, bis Meroe 1,000,000 Schritte
von da bis Alexandrien 1,250,000 „
„ „ n Rhodus 563,000
„ „ „ Gnidus5) 87,500
„ „ „ Kos6) 25,000
„ „ „ Sainos 100,000
„ „ „ Chios 94,000
») Corfu.
2) Chimera.
3) Am Fusse der Alpen an der ital. Grenze, jetzt Sezanne.
«) Eine.
r>) Messi am Cap Krio.
6) Stancho.
Zweites Buch. 219
von da bis Mitylene 65,000 Schritte
„ „ „ Tenedos 44,000
„ „ „ zum Vorgebirge Sigeum . 12,500 ,.
„ r r „ Ausfluss des Pontus . 312,500 „
„ r ,, „ Vorgebirge Karambis1) 350,000 „
„ „ r „ Ausfluss des mäotischen
Sees2) 312,000
„ „ „ „ Ausfluss des Tanais 3) . 275,000
Dieser letztere Weg kann aber zu Wasser um 89,000
Schritte abgekürzt werden.
Von den Ländern, welche über die Mündung des Ta-
nais hinaus liegen, haben selbst die genauesten Schriftstel-
ler nichts Zuverlässiges aufgezeichnet. Artemidorus hält
jene entlegenen Gegenden für unbekannt, doch sagt er, dass
am Tanais gegen Norden die sarmatischen Völker wohnen.
Isidorus fügt zu dem angegebenen Maasse noch 1,250,000
Schritte bis nach der Insel Thule hinzu: doch diese Angabe
gehört zu den Ausgeburten der Phantasie. Ich wenigstens
weiss, dass die Grenzen der Sarmaten nicht weniger weit,
als der eben angegebene Raum beträgt, bekannt sind. Und
wie gross muss nicht das Land sein, welches so unzählige
Völker, die noch obendrein ihren Wohnsitz oft verändern,
bewohnen? Daher glaube ich, dass jene unbewohnten
Länder einen viel grösseren Raum einnehmen. Auch habe
ich erfahren, dass unlängst hinter Germanien sehr viele
Inseln entdeckt worden sind.
Diess ist es, was ich von der Länge und Breite zu
erwähnen für werth halte. Den ganzen Umfang der Erde
aber hat Eratosthenes, ein Mann, der in allen Wissen-
schaften und namentlich in dieser alle andern an Scharf-
sinn und Kenntniss übertrifft, dessen Meinungen auch fast
von Allen angenommen sind, zu 252,000 Stadien, welche
31,500,000 römischen Schritten gleich sind, angegeben.
') Kerempe.
*) Asowsches Meer.
3) Don.
220 Zweites Buch.
Diess ist eine kühne, aber so genau begründete Be-
hauptung, dass man sich schämen mtisste, ihr keinen Glau-
ben zu schenken. Hipparchus, der sowohl wegen seiner
gründlichen Beurtheilung des Eratosthenes, als auch wegen
seines übrigen Fleisses Bewunderung verdient, fügt noch
etwas weniger als 26,000 Stadien hinzu. Anders verhält
es sich mit der Glaubwürdigkeit des Dionysiodorus, und
ich will diess auffallende Beispiel griechischer Eitelkeit
dem Leser nicht vorenthalten. Er war aus Melus x) und
zeichnete sich in der Geometrie sehr aus. Er starb als
Greis in seinem Vaterlande, und diejenigen Verwandten?
denen seine Erbschaft zufiel, besorgten sein Begräbniss.
Als diese am folgenden Tage die herkömmlichen Gebräuche
verrichteten, sollen sie in seinem Grabe einen Brief, von
Dionysiodorus an die Oberwelt geschrieben, gefunden haben,
worin es heisst: „er sei von seinem Grabe aus in das
Innerste der Erde gelangt, und die Entfernung bis dahin
betrage 42,000 Stadien." Es fehlte nicht an Geometern,
welche erklärten, der Brief sei vom Mittelpunkte der Erde
aus geschickt, bis dahin sei von der äussersten Oberfläche
die weiteste Strecke, und letztere also die Hälfte des Erd-
durchmessers. Hieraus hat man nun berechnet, dass der
Umfang der Erde 252,000 Stadien betrage.
113.
Eine harmonische Berechnung, welche eine gleich-
förmige Uebereinstimmung der Natur voraussetzt, fügt zu
obengenanntem Maasse noch 12,000 Stadien hinzu, und
hiernach ist somit die Erde der 96. Theil der ganzen Welt.
») Milo.
Drittes Euch.
Von der Lage und Grösse der Länder, Meere, Städte, Häfen,
Berge, Flüsse und den Völkern, welche noch da sind
oder da waren.
Bisher haben wir von der Lage und den Wundern der
Erde, Gewässer und Gestirne, sowie von der Beschaffenheit
und Grösse des ganzen Weltalls gehandelt. Nun wollen wir
ihre einzelnen Theile in Betracht ziehen, wenngleich ein
solches Unternehmen für unendlich gehalten, und nicht
leicht ohne einigen Tadel durchgeführt werden kann. In
keiner andern Sache verdient man wohl mit mehr Recht
Kachsicht; denn es ist begreiflich, wenn ein Mensch nicht
alles, was ihn überhaupt betrifft, weiss. Ich werde daher
keinem Schriftsteller ausschliesslich folgen, sondern in jedem
Abschnitte stets dem, welchen ich für den glaubwürdigsten
halte; denn fast alle haben das mit einander gemein, dass
ein Jeder von ihnen die Gegend, wo er seine Schrift ver-
fasste, am genauesten beschrieben hat; und desshalb will
ich keinen tadeln oder widerlegen. Die blossen Namen
der Orte sollen in möglichster Kürze angegeben, ihre Merk-
würdigkeiten und sonstige Nachrichten von ihnen aber für
eigene dazu bestimmte Kapitel verspart werden; denn jetzt
rede ich noch immer von dem Ganzen. Ich möchte daher
mich in der Weise verstanden wissen, als wenn hier ihre
Namen, so ruhmlos wie sie zur Zeit ihrer Entstehung und
222 Drittes Buch.
vor dem Beginn ihrer Geschichte waren, aufgezählt wür-
den; sie sollen also nur ein Namenverzeichniss von der
Welt und der Natur sein.
Der ganze Erdkreis wird in drei Theile getheilt: Eu-
ropa, Asien und Afrika. Wir fangen im Westen bei der
Meerenge von Gades1) an, wo der atlantische Ocean ein-
bricht und sich in die innern Meere ergiesst. Kommt man
hier herein, so liegt Afrika zur Rechten, Europa zur Lin-
ken, und Asien zwischen beiden; die Grenzen zwischen
diesen drei Erdtheilen bilden der Tanais2) und Nil. Die
oben genannte Meerenge ist 15,000 Schritte lang, und vom
Flecken Mellaria 3) in Spanien bis zum weissen Vorge-
birge4) in Afrika 5000 Schritte breit, wie Turranius Graci-
lis 5), der daher gebürtig ist, angiebt. Nach T. Livius und
Com. Nepos beträgt die Breite an der schmälsten Stelle
7000 und an der breitesten 10,000 Schritte. Durch eine so
unbedeutende Mündung ergiesst sich eine so ungeheure
Wassermasse, und keineswegs erklärt sich dieses Wunder
durch eine sehr grosse Tiefe des Meeres, denn zahlreiche
weiss schimmernde Sandbänke machen daselbst die Fahrt
gefährlich. Daher haben Viele diesen Ort die Schwelle
des mittelländischen Meeres genannt. Da, wo der Pass am
engsten ist, schliessen ihn von beiden Seiten Berge ein,
nämlich derAbila6) in Afrika und derCalpe7) in Europa, die
letzten Werke des Herkules. Daher nennen die Eingebor-
nen diese Berge auch die Säulen dieses Gottes, und glau-
ben, dass er durch die Durchstechüng derselben dem vorher
ausgeschlossenen Ocean einen Zugang verschafft und da-
durch der ganzen Natur ein anderes Ansehn gegeben habe.
*) Jetzt Meerenge von Gibraltar genannt.
2) Don.
3) Fuente Ovejuna.
4) Cap Spartel, auch Ampelusia.
5) Ein nicht näher bekannter Schriftsteller.
'•) Dschibbel el Zatute.
7) Gibraltar.
Drittes Buch. 223
1.
Wir wollen also zuerst von Europa, der Ernährerin des
alle Völker besiegenden Volkes, und dem schönsten der
Erdtheile reden, welchen die Meisten mit Recht zur Hälfte
der ganzen Erde gemacht haben, indem sie dieselbe durch
eine vom Flusse Tanais an bis zur gaditanischen Meer-
enge gezogene Linie in zwei Theile theilen. Der Ocean,
welcher durch den genannten Pass das atlantische Meer
ergiesst, und die Länder, welche seinem Andringen furcht-
sam wichen, gierig verschlang, bespühlte auch die in viel-
fachen Krümmungen ihm widerstrebenden Ufer und hat so
an Europas Küsten viele Aushöhlungen, namentlich vier
Hauptmeerbusen gebildet. Der erste derselben zieht sich
von dem schon erwähnten äussersten Berge Calpe in Spa-
nien bis nach Locri1) und dem brutischen Vorgebirge2) in
einem sehr grossen Bogen herum.
2.
Das erste Land an diesem Busen ist das jenseitige
Spanien oder Bätica. Daran grenzt das tarraconensische
oder diesseitige Spanien, welches von der urgitanischen
Grenze 3) bis an die Pyrenäen reicht. Das jenseitige Spa-
nien wird der Länge nach in zwei Provinzen getheilt. An
der Nordseite von Bätica breitet sich das durch den Fluss
Anas 4) getrennte Lusitanien aus. Dieser entspringt im
laminitanischen 5) Gebiete des diesseitigen Spaniens, fliesst
bald durch Sümpfe, bald durch enge Schluchten, oder ver-
birgt sich gänzlich in Höhlen, als freue es ihn, öfter zu
') Stadt im Lande der Brutier in Unter-Italien. Die Bewohner
hiessen vom benachbarten Vorgebirge Zephyrium, die epizephyrischen
Locrer. Wenige Ruinen dieser Stadt finden sich noch beim Torre
di Pagliapoli.
2) Heisst im 10. Cap. dieses Buches Leucopetra; jetzt Capo
deH'Armi.
3) Urgi oder Urci, eine Hafenstadt am mittelländischen Meere,
jetzt Abrucena.
A) Guadiana.
5) Von der Stadt Laminium, jetzt Alhambra.
224 Drittes Buch.
entspringen, und ergiesst sich endlich in das atlantische
Meer. Das hier angrenzende tarraconensische Spanien zieht
sich an der ganzen Seite der Pyrenäen hin, breitet sich
vom iberischen Meere1) ab bis zum gallischen Ocean2) aus,
und wird durch den Berg Solorius3) sowie durch die ore-
tanischen 4), carpetanischen 5) und asturischen 6) Gebirge von
Bätica uud Lusitanien getrennt.
3.
Bätica7), welches nach dem ihn mitten durchschnei-
denden Flusse8) benannt ist, übertrifft alle anderen Pro-
vinzen durch seine reiche Kultur, Fruchtbarkeit und beson-
dere Schönheit. Es enthält vier Gerichtskreise, den gadi-
tanischen, cordubensischen , astigitanischen und hispalen-
sischen. 9) Die Gesammtzahl seiner Städte beträgt 175;
darunter befinden sich 9 Kolonien 10) , 8 Munieipien n), 29
mit lateinischem Bürgerrechte12), 6 freie, 3 Bundesstädte
und 120 zinsbare. Von diesen sind erwähnenswerth oder
wenigstens im Lateinischen leicht auszusprechen: Oroba13),
mit dem Beinamen Aestuaria an der Mündung des Anas;
ferner die Zwischenflüsse14) Luxia und Urium15), die Maria-
') Der Theil des mittelländischen Meeres, in den sich der Ebro
ergiesst.
2) Meerbusen von Gascogne.
3) Sierra de los Vertientes.
4) Sierra Morena.
5) Monte de Toledo.
6) Sierra de las Asturias.
7) Umfasste Andalusien, den grössten Theil von Granada. Estre-
madura und den westlichen Theil von la Mancha.
8) Baetis, jetzt Guadalquivir.
9) Diese Namen kommen noch weiter unten vor.
,0) Die Rechte der Colonien waren verschieden nach den Rech-
ten der Mutterstädte.
u) Fremde Städte, die das römische Bürgerrecht hatten.
,2) Dieses gestattete den Besitzern den Dienst in den Römischen
Legionen und die Bewerbung um alle militärischen Aemter und
Ehrenstellen.
I3) Huelva. 14) Zwischen dem Anas u. Baetis. ,5) Odiel u. Tinto.
Drittes Buch. 225
nischen Berge; der Bätis; die corensische Küste mit einem
Meerbusen, diesem gegenüber Gades, von dem noch bei den
Inseln die Rede sein wird; das Vorgebirge der Juno1), der
Hafen Bäsippo2); die Städte: Belon3), Mellaria4); die Meer-
enge des atlantischen Oceans; Carteja, von den Griechen
Tartessos genannt; der Berg Calpe. 5) Weiter an der innern
Küste die Stadt Barbesula am gleichnamigen Flusse 6), dess-
gleichen Salduba7), die Stadt Suel8), Malaca9) an dem
Flusse gleichen Namens10), eine der Bundesstädte. Dann
folgt Mänoba n) am gleichnamigen Flusse 12) ; Sexi Firmum 13)
mit dem Beinamen Julium; Seiambina14), Abdara15) und
Murgi 16), welches an der Grenze von Bätica liegt. M.
Agrippa17) glaubt, die Bevölkerung dieser ganzen Küste sei
punischen Ursprungs.
Die Küste des atlantischen Meeres vom Anas an be-
wohnen die Bastuler und Turduler. M. Varro berichtet,
die Iberier, Perser, Phönizier, Celten und Punier hätten
sich über ganz Spanien verbreitet. Lusitanien soll seinen
Kamen von einem Spiele (lusus) zu Ehren des Vater Bacchus
oder von Lysas, seinem Begleiter, erhalten haben, und Pan
soll der Schutzgott des ganzen Landes sein. Was aber
vom Herkules und der Pyrene 18), oder vom Saturn erzählt
wird, halte ich für eine Fabel.
Der Bätis entspringt in der tarraconensischen Provinz
auf dem tugiensischen Waldgebirge 19) und nicht, wie Einige
behauptet haben, bei der Stadt Mentisa20); neben ihm fliesst
*) Cap Trafalgar. 2) Porto Barbato. 3) Bolonia. 4) Fuente
Ovejuna. 5) Gibraltar. 6) Guadiaro, an der Grenze von Granada,
') Marbella. 8) Fuengirolo. 9) Malaga. ,0) Jetzt Guadalmedina.
") Velez Malaga. '-) Velez. ,3) Almunecar. M) Salobrena. 15) Adra.
16) Muxagar.
") Verwandter u. Freund des Augustus, u. verdienter Geograph,
starb 12 n. Chr.
18) Pyrene, Tochter des Bebryx und Geliebte des Herkules. Die
Pyrenäen haben von ihrem daselbst befindlichen Grabe den Namen.
,9) Sierra de Cazorla.
2°) Baeza.
15
226 Drittes Buch.
der Tader1), der die Gegend von Carthago2) bewässert;
jener entfernt sich wieder von diesem beim Grabmale des
Scipio zu Ilorcum 3), wendet sich gegen Abend, und ergiesst
sich, nachdem er der Provinz seinen Namen gegeben, in
den atlantischen Ocean. Anfangs ist er nur klein, doch
bald wird er durch viele Flüsse verstärkt, denen er Namen
und Wasser entzieht. Aus dem Ossigitanischen 4) Gebiete
kommt er nach Baetika, und seine reizenden Ufer sind zu
beiden Seiten mit zahlreichen Städten besetzt.
Die berühmtesten Städte zwischen dem Bätis und der
Meeresküste im Innern des Landes sind: Segeda 5), mit dem
Beinamen Augurina, Julia oder Fidentia 6), Urgao oder
Alba 7), Ebura oder Cerealis 8), Iliberi oder Liberini 9), III-
pula10) oder Laus, Astigi11) oder Julienses; Vesci12) oder
Faventia, Singili13), Attegua14), Arialdunum, Klein- Agla15),
Bäbro, Castra vinaria16), Cisimbrium17), Neu-Hippo, Illurco18),
Osca 19), Escua20), Succubo, Nuditanum, Tuati vetus; alle
diese nach dem Meere zu in Bastetanien und gehören zum
cordubensischen Kreise. Am Flusse Baetis selbst liegen:
Ossigi, mit dem Beinamen Laconicum, Illiturgi21) oder Fo-
') Segura. 2) Carthagena. 3) Lorca.
4) Von der Stadt Ossigi der Turduler an der Grenze vom tarra-
conensischen Spanien, jetzt Maquiz.
5) S. Jago de IIa Higuera.
6) Fuente del Rey.
7) Purchena.
8) Alcala la Real.
9) Ruinen bei Granada, auf der Sierra de Elvira.
10) Loxa.
11 ) Alameda.
12) Archidona.
13) Mira Xenil.
,4) Die wenigen Ruinen dieser Stadt führen den Namen Teva veja.
,5) Aguilar.
») Castro el Rio.
") Espeja.
,8) Illora.
19) Huescar.
M) Escuzar. 2I) Ubeda la vieja.
Drittes Buch. 227
rum Julium, Ipasturgi oder Triumphale, Setia und 14,000
Schritte weit im Lande, Obulco *), oder Pontificense.
Nicht weit davon liegt die Bundesstadt Epora2), Sacili
Martialium 3), Onoba und zur Rechten Corduba 4), eine
Pflanzstadt mit dem Beinamen Patricia, von wo aus der
Baetis schiffbar wird; Carbula5), Detunda; der Fluss Sin-
gulis 6), welcher auf derselben Seite in den Bätis fällt.
Die Städte des Hispalensischen Kreises sind: Celti 7),
Arua8), Camana, Evia, Ilipa 9) oder lila, Italica10); zur Lin-
ken die Pflanzstadt Hispalis11) oder Romulensis. Gegenüber
liegt die Stadt Osset 12) oder Julia Konstantia, Vergentum 13)
oder Julii Genus, Orippo14), Caura65), Siarum16) und der
Fluss Menoba17), der von der rechten Seite in den Bätis
fällt. Bei der Mündung des Bätis liegt: Nebrussa18) oder
Veneria, und Colobona19). Pflanzstädte sind: Asta10), auch
Regia genannt, und im Innern des Landes Asido21) oder
Caesariana.
Der Fluss Singulis, welcher sich an der oben bezeich-
') Porcuria, nach Andern Bujalance.
2) Riopar.
3) Alcurruca.
4) Cordova.
5) Corbul.
6) Xenil.
7) Guadalkanal.
8) Alcolea.
9) Niebla.
,0) Santiponte.
») Sevilla.
12) Castello de la Cuestra.
13) Gelves.
u) Villa de los Hermannas.
15) Coria,
lü) Sarrakatin.
") Guadalimar.
,8) Lebrixa.
,9) Tribuxena.
20) Xeres della Front era.
21) Medina Sidonia.
15*
228 Drittes Buch.
neten Stelle in den Bätis ergiesst, fliesst an der astigita-
nischen Pflanzstadt Augusta Firma *) vorbei, und wird von
da an schiffbar. Zu diesem Kreise gehören die übrigen
von Abgaben freien Pflanzstädte: Tucci 2) oder Augusta
Gemella, Itucci oder Virtus Julia, Attubi 3) oder Ciaritas
Julia, Urso 4) oder Genua Urbanorum; zu diesen gehörte
auch Munda 5), bei deren Einnahme der Sohn des Pompejus
gefangen genommen wurde. Freie Städte sind: Astigi ve-
tus 6), Ostippo 7); zinsbar sind: Callet, Calecula 8), Castra
gemina 9), Uipula minor10), Merucra11), Sacrana, Obulcula12),
Oningis. Unweit der Küste an dem ebenfalls schiffbaren
Flusse Menoba wohnen die Alontigiceler und Alostiger.
Der übrige noch nicht erwähnte Landstrich zwischen
dem Bätis und Anas heisst Baeturia, wird in zwei Theile
getheilt und von eben so vielen Völkerschaften bewohnt;
nämlich den Celtikern13), welche bis nach Lusitanien reichen,
und im Hispalensischen Kreise wohnen, und den Turdulern,
welche an der lusitanischen und terraconensischen Grenze
wohnen und zum Gerichtsbezirk Corduba gehören. Dass
die Celtiker von den Celtiberiern in Lusitanien abstammen,
ergiebt sich deutlich aus ihrer Religion, Sprache und ihren
Städtenamen, welche man in Bätica, zur Unterscheidung
(von den gleichnamigen in Celtiberien) mit besonderen Bei-
namen bezeichnet. So heisst Seria14) auch Fama Julia,
Nertobriga15) : Concordia Julia, Segida: Restituta Julia, Con-
tributa16): Julia Ucultuniacum, welche auch jetzt Turiga ge-
nannt wird, Laconimurgis17): Constantia Julia, Tereses18):
Fortunales, Callenses19): Emanici. Ausserdem liegen im Ge-
') Eceja. -) Martos. 3) Espejo. 4) Villa Ossune.
5) Berühmt durch eine Niederlage der Karthager im pun. Kriege
(Liv. 24, 42) und durch die entscheidende Schlacht zwischen Caesar
und den Söhnen des Pompejus (Caesar sp. Kr. 51); jetzt steht ein
schlechtes Dorf Monda in Granada an der Stelle von Munda.
«) Alhameda. 7) Estepa. 8) Calabra. ;') Campillo. 10) Olvera.
") Mairena. 12) Monclon. 13) Ein Stamm der Celten. ") Xeres de
Cavalleros. 16) Valera la Veja. ,6) Medina de los Torres. ") Con-
stantina in Andalusien ,8) Nicolo del Puerto. I9) Cacalla,
Drittes Buch. 229
biete der Celtiker: Acinippo, Arunda *), Arunci2), Turo-
brica 3), Lastigi 4), Salpesa 5), Saepona 6), Serippo. Der an-
dere Theil Bäturiens, welchen, wie wir gesagt haben, die
Turduler bewohnen, und der mit zum Cordubensischen
Kreise gehört, hat folgende nicht unbedeutende Städte:
Arsa 7), Mellaria 8), Mirobrica 9) und, im osintiadischen Land-
striche, Sisapo.10)
Im gaditanischen Kreise liegen: Regina11), mit römi-
schem Bürgerrechte; mit lateinischem Bürgerrechte Laepia
Ulia, Carissa12) auch Aurelia genannt; Urgia13) oder Cast-
rum Julium oder Cäsaris Salubai iensis. Zinsbare Städte
sind: Besaro, Belippo, Barbesula14), Lacippo15), Bäsippo16),
Callet, Cappagum, Oleastro 17), Itucci, Beana18), Lacibi, Sa-
guntia19), Andorisä.
Die ganze Länge dieses Landes beträgt nach M. Agrippa
465,000 Sehritte, die Breite 257,000 Schritte; allein damals
erstreckten sich dessen Grenzen bis nach Carthago. 20) In
den Maassbestimmungen entstehen überhaupt dadurch
grosse Fehler, dass bald die Grösse der Provinzen sich
ändert, bald die Wege nach grösseren oder kleineren Schrit-
ten gemessen werden. Dazu kommt noch, dass das Meer
nach und nach an dieser Stelle Land wegspühlt, an jener
ansetzt, und dass Flüsse oft einen andern Lauf nehmen.
Der Eine fängt seine Messung an diesem, der Andere an
jenem Orte an, und jeder beobachtet dabei seinen besonde-
ren Gang. Daher kommt es denn, dass niemals zwei An-
gaben übereinstimmen. Die jetzige Länge von Bätica be-
trägt von der Grenzstadt Castulo21) bis nach Gades
250,000 Schritte, und von Murci22) bis au die Meeresküste
ist die Entfernung um 25,000 Schritte weiter. Die Breite
beträgt von der Cartejanischen Küste an 234,000 Schritte.
') Ronda. 2) Aronches. 3) Torre Mexia. 4) Zahara. 5) Elvas.
6) Ruinen im Forste bei Ronda. 7) Aracena. 8) Fuente Ovejuna.
9) Capilla, 10) Ahnaden. ") Puebla de la Reyna. «) Carixa. >3) Las
Cabecas. 14) Torre di Guadiara. ,5) Alecippe. ,6) Vejer de la Fron-
tera oder Porto Barbato. ") Osmia. ,8) Santillana. iy) Xigonza.
2°) Carthagena. *') Cazorle. 22) Almeria.
230 Drittes Buch.
Wer sollte nun wohl glauben, dass Agrippa bei seinem
grossen Fleisse und der besonderen Sorgfalt, die er einer
Arbeit widmete, durch welche er den ganzen Erdkreis der
Stadt Rom zur Uebersicht vorzulegen gesonnen war, und mit
ihm der göttliche Augustus sich geirrt habe? Denn dieser
vollendete den nach dem Plane und den Schriften des M.
Agrippa von dessen Schwester begonnenen Bau des Por-
ticus, der eben jene Angaben enthält.
4.
Die ehemalige Gestalt des diesseitigen Spaniens1)
hat sich, wie die mehrerer Provinzen, etwas verändert;
denn Pompejus der Grosse bemerkte auf den Trophäen, die
er in den Pyrenäen errichten liess, er habe vou den Alpen
an bis zu den Grenzen des jenseitigen Spaniens 877 Städte
unter die römische Botmässigkeit gebracht. Jetzt wird die
ganze Provinz in 7 Kreise eingetheilt: in den carthaginien-
sischen, tarraconensischen, cäsaraugustinischen, clunien-
sischen, asturischen, lucensischen und bracarischen. Dazu
kommen noch die Inseln; ohne diese, welche besonders er-
wähnt werden sollen, und ausser den 294, andern Orten
zugezählten Gemeinden enthält die Provinz 179 Städte.
Von diesen sind 12 Colonien, 13 mit römischem Bürger-
rechte, 18 mit altlateinischem Bürgerrechte, 1 Bundesstadt
uud 135 zinsbare.
Unmittelbar an der Küste wohnen die Bastuler. 2) Dann
folgen der Reihe nach, in das Land hinein die Mentesa-
ner 3), Oretaner 4) und am Tagus die Carpetaner 5); daneben:
') Es begriff mit Ausnahme der Bätischen und Lusitanischen
Provinzen das ganze jetzige Spanien in sich.
2) PI. nennt sie auch Bastetaner. Sie waren kein eigenthümlicher
Volksstamm, sondern bestanden aus einer Mischung von Phöniciem,
Carthagern, Griechen und Römern. Sie wohnten vom Junovorgebirge
an der Küste hin bis Murgis in Granada.
3) Eigentlich bloss der südliche Theil der Oretaner, in dem Be-
zirk von Chinchilla.
4) Diese bewohnten einen Theil vom westl. Toledo, den mittleren
Theil von la Mancha, die Ostspitze von Jaen und die Nordspitze von
Granada. Ihr Land war der Hauptschauplatz im punischen Kriege.
5) Ein iberischer Stamm, der den grössten Theil von Toledo, die
Drittes Buch. 231
die Vaccäer *), die Veetoner 2) und die arevacischen Celti-
berier. 3) An der Küste liegen folgende Städte : Urci 4) und
Barea 5), das auch zu Bätica gerechnet wird; das mavita-
nische, deitanische und contestanische Gebiet, die Pflanzstadt
Neu-Carthago 6); von dem dabei liegenden Vorgebirge des
Saturn 7) beträgt die Ueberfahrt nach Cäsarea 8) in Mauri-
tanien 187,000 Schritte. . Ausserdem sind noch an der Küste
zu nennen: Der Fluss Tader 9), die freie Pflanzstadt Illici10),
von welcher der dabei liegende Meerbusen11) seinen Namen
hat; ihr sind die Icositaner untergeordnet. Dann folgt Lu-
centum12) mit lateinischem Bürgerrechte, das zinsbare Dia-
nium13), der Fluss Sucro14) und früher eine Stadt gleichen
Namens15), die Grenze von Contestanien; das edetanische16)
Gebiet mit dem sich daran hinziehenden schönen See17),
bis zu den Celtiberiern; die 3000 Schritte vom Meere ent-
fernte Pflanzstadt Valentia, der Fluss Turium18), und, in
gleicher Entfernung vom Meere Saguntum19) mit römischem
Provinz Segovia, Avüa, und Guadalaxara inne hatte ; sie hiessen auch
Carpesier oder Caracitaner.
') In Zamora und Salamanca.
'-) In Estreinadura und Leon.
3) In Valladolid.
4) Abrucenna.
5) Vera.
6) Carthagena.
7) Capo di Palos.
8) Vermuthlich das heutige Algier oder Tenez.
9) Segura.
10) Elche.
») Golfo di Alikante.
,2) Aükante.
,3) Denja.
,4) Xucar.
,5) Sueca.
16) Ein iberischer Stamm, woluite längs der Küste von Valencia
an bis über Pennisocola. Ihr Gebiet umfasste also den nördl. Theil
von Valencia und die Südostspitze Arragoniens.
17) Albufera. ,8) Guadalaviar.
t9) Eine Colonie der Zakynthier und Rutuler, die reichste Stadt
232 Drittes Buch.
Bürgerrechte und berühmt durch ihre Treue; der Fluss
Uduba *); das Gebiet der Uergaonier. 2) Der Iberus 3), ein
von vielen Handelsschiffen befahrener Fluss, entspringt in
Cantabrien, unweit der Stadt Juliobrica 4) und durchströmt
eine Strecke von 450,000 Schritten; 260,000 Schritte lang,
nämlich von der Stadt Varia5) an, ist er schiffbar; nach ihm
haben die Griechen ganz Spanien Iberien genannt. Das
cossetanische Land6), der Fluss Subi7); die Pflanzstadt
Tarraco 8), von den Scipionen angelegt, sowie Carthago von
den Puniern. Das Gebiet der Ilergeter 9), die Stadt Subur10);
der Fluss Rubricatum11), jenseits desselben die Laletaner12)
und Indigeter.13) Dann folgen der Reihe nach, gegen das
Innere des Landes am Fusse der Pyrenäen, die Ause-
taner14), die Lacetaner15), in den Pyrenäen die Cerretaner16)
und die Vasconer17); an der Küste aber liegt die Pflanz-
stadt Barcino18), mit dem Beinamen Faventia. Städte mit
römischem Bürgerrechte sind: Bätulo19) und Iluro20); der
Fluss Lanum21); Blandä22), der Fluss Alba23), die Doppel-
jenseits des Iberus. Mit ihrer Eroberung durch Hannibal begann
der zweite punische Krieg. Sie heisst jetzt Murviedro.
J) Mijares.
2) Zwischen dem Mijares und Ebro.
3) Ebro.
') Frias.
5) Logrono.
li) Die Vegerias de Tarragona und de Tortosa.
7) Francoli.
8) Tarragona.
a) Der Küstenstrich zwischen Tarragona und Barcelona.
10) Villa nova.
") Llobregat.
,2) Vegerias de Barcelona und de Mataro.
,3) Vegeria de Gerono.
M) Mit der Stadt Ausa, jetzt Vique.
,5) Vegerias de Cervera und de Manresa.
,6) Vegerias de Puigcerda.
") Provinz Guipuscoa.
,8) Barcelona.
ly) Badalona an der catal. Küste.
*>) Pineda. 21) Tordera. 22) Blanas. *>) Ter.
Drittes Buch. 233
Stadt Emporiä *), von alten Eingebornen und Griechen,
Nachkommen der Phocäer, bewohnt; der Fluss Ticher 2);
von hier bis nach Venus Pyrenäa3), auf der andern Seite
des Vorgebirges, beträgt die Entfernung 40,000 Schritte.
Nun wollen wir von jedem Kreise das Wichtigste
ausser dem bereits Mitgetheilten vorführen:
Zu Tarraco werden die Rechtssachen von 43 Völker-
schaften entschieden, unter denen folgende die berühmtesten
sind: die Dersutaner 4) und Bisgargitaner 5) mit römischem
Bürgerrechte; die Ausetaner und Cerretaner mit lateinischem
Bürgerrechte, welche auch Julianer oder Augustaner heissen;
die Edetaner, Gerundenser 6), Gessorienser, die Tearer oder
Julienser. Unter den zinsbaren verdienen erwähnt zu wer-
den: die Aquicaldenser 7), Onenser und Bäculonenser. 8)
Caesaraugusta 9) ist eine steuerfreie Colonie am Iberus,
wo ehemals die Stadt Salduba stand; sie liegt in der ede-
tanischen Landschaft und umfasst 55 Völkerschaften. Unter
diesen sind die vorzüglichsten mit römischem Bürgerrechte:
die Balitaner10) und Celsenser11); von Colonien: die Cala-
guritaner12) oder Nassiker, die Ilerdenser13), welche von
den Surdaonen abstammen und am Flusse Sicoris14) woh-
nen, die Oscenser15) in der Landschaft Vescitania, die
Turiasonenser16); mit lateinischem Bürgerrechte: die Cas-
cantenser17), Ergavicenser18), Graccuritaner19), Leonicenser20)
und Ossicerdenser.21) Unter den Bundesvölkern: die Tarra-
genser22); unter den zinsbaren: die Acrobrigenser23), Ando-
logenser2*), Arocelitaner25), Bursaonenser16), Calaguritaner27)
2) Sie bestand aus zwei durch eine Mauer getrennten Theilen, in
dem einen wohnten Griechen, in dem andern Eingeborne. Zu Stra-
bo's Zeiten waren sie aber zu einem Volke verschmolzen. (Jetzt Ca-
stello da Empurias.)
-) Fluvia. 3) Capo di Cruz. 4) Tortosa, 5) Berrus. 6) Girona.
7) Caldes. 8) Baylen. 9) Saragossa. ,0) Belchite. ") Xalsa. >2) Lo-
harra. ,3) Lerida. I4) Segra. ,5) Hueskar. ,6) Tarracona jenseits des
Ebro. 17) Cascanta in Navarra. 18) Oreja. ,9) Agreda. -°) Villar
Luengo. 21) Ixar. 22) Tarrega in Catalonien. 23) Arcos. 24) Andosilla.
25) Miranda. 26) Burgos. -1) Calahorra.
234 Drittes Buch.
oder Fibularenser, die Complutenser *), Carenser 2), Cincen-
ser 3), Cartonenser 4), Damanitaner 5), Larnenser 6), Lursen-
ser 7), Lumberitaner 8) , Lacetaner9), Lubienser10), Pompe-
lonenser11) und Segienser.12)
Zu Carthago gehören 65 Völkerschaften, mit Ausnahme
der Inselbewohner. Unter diesen nennen wir die Gemellen-
ser von der accitanischen Colonie 13) und Libisosona u)
oder Foroaugustana, welche beide das italische Bürgerrecht
erhalten haben; von der salariensischen Colonte15) mit altlatei-
nischen Rechten: die Castulonenser oder Cäsari Venales16),
die Setabitaner17) oder Augustaner, und die Valerienser.18)
Unter den zinsbaren sind am berühmtesten: die Alabanen-
ser19), Bastitaner20), Consaburenser21), Dianenser22), Egele-
staner23), Ilorcitaner24), Laminitaner25), Mantesaner26) oder
Oritaner, Mentesaner27) oder Bastuler, Oretaner28) oder Ger-
maner; Segobriga29), die Hauptstadt Celtiberiens, Toletum30)
am Tago, die Hauptstadt von Carpetanien; endlich die
Viatienser31) und Virgilienser.32)
Zum cluniensischen33) Kreise gehören 14 Völkerschaften
der Varduler, von denen ich nur die Albanenser34) nennen
') Alcala de Henarez. -) Carascosa. 3) Cisuentes. 4) Cordona.
5) Mediana. G) Larna. 7) Luezas. 8) Lumberitta. 9) S. oben. 10) Lubia.
n) Pampeluna. 12) Sesnia.
,3) Der vollständige Name der Colonie war: Col. Julia Genieila
Accitana, jetzt Guadix in Granada.
u) Deren Ruinen liegen bei dem Dorfe Laguri unweit Cuenca.
15) Cazorle.
,6) Weil sie ihr Gebiet an Caesar verkauft hatten.
17) Daher die sudaria Setaba. Vergl. die Dedication an Titus
Vespasianus; jetzt Xativa in Valencia.
18) Valeria la Viega. ,9) Abeloda.
20) Baza in Granada.
21) Consunara in Neu-Kastilien.
22) Denia. **) Uniesta. 2i) Lorca. 25) Alhambra. 26) Betanaez.
™) Baeza. 2») Oreto. 29) Priego. 30) Toledo. 3l) Bae'9a. 32) Murcia.
33) Corunna.
34) Alvana bei Vittoria. Die Varduler bewohnten das mittlere
Guipuskoa. die Ostspitze von Alava und den westlichen Theil von
Navarra.
Drittes Buch. 235
will. 4 der Turmodiger *), unter denen die Segisamonen-
ser 2) und Segisamejulienser. 3) Zu demselben Kreise ge-
hören auch die Carieter und Veunenser 4) mit 5 Stadtge-
meinden, unter denen die Velienser. Ferner die Pelendo-
ner 5), ein eeltiberiseher Stamm, mit 4 Völkerschaften, unter
denen die Numantiner 6) berühmt waren; sowie von den
18 Stadtgemeinden der Vaccäer 7), die Intercatienser 8),
Pallantiner !1), Lacobricenser10), Caucenser.11) Von den 7 Völ-
kerschaften der Cantabrier bemerken wir nur die Julobri-
censer12), von den 10 Städten der Autrigoner13), Tritium14)
und Virovesca.15) Die Arevacer16), welche ihren Namen
vom Flusse Areva17) bekommen haben, besitzen 6 Städte:
Saguntia18) und Uxama19), welche Namen auch andere Orte
irrigerweise führen, ferner Segovia, Neu-Augusta20), Tir-
mes21) und Clunia22) an der Grenze von Celtiberien. Die
übrigen hierher gehörenden Gemeinden, sowie die bereits
') Auch Murbogier genannt, im nördlichen Theil von Burgos.
2) Sasanion.
3) Palencia.
A) Viana.
5) Soria.
6) Puente Garray.
7) Sie bewohnten den grössten Theil von Valladolid, die Nord-
spitze von Salamanca, die Südostspitze von Leon, Südpalencia und
die Hälfte von Toro.
8) Villa nueva de Azuague.
9) Ebenfalls zu Palencia.
io) Lobera.
») Coca.
12) Frias.
i3) Sie bewohnten zu beiden Seiten des Ebro die östliche Spitze
von la Montana, die westliche von Biscaya und Alava, und die
nördlichen Theile von Burgos.
'<) Tricio.
lä) Briviesca.
16) Sie wohnten von Valladolid bis an die Quellen des Duero
hinaus.
") Arlanzo. 18) Siguen9a. 19) El Borgo d'Osma. ») Muro. «) Tier-
mes. —) Corunna del Conda, ein Dorf.
236 Drittes Buch.
genannten Vavduler und Cantabrier, liegen nach dem
Meere hin.
Hieran grenzt der asturische Kreis mit der prachtvollen
Stadt Asturica x) und 22 Völkerschaften, welche in die Au-
gustaner und Transmontaner zerfallen. Unter ihnen sind
zu erwähnen: die Cigurrer 2), Päsiker 3), Lancienser 4) und
Zöler. 5) Die Zahl sämnitlicher Bewohner wird auf 240,000
freie Köpfe geschätzt.
Der lucensische 6) Kreis hat 16 Völkerschaften, die mit
Ausnahme der Celtiker und Lebuner, unbedeutend sind und
barbarische Namen führen; er enthält aber 160,000 freier
Köpfe.
Die 24 Gemeinden des beakarischen7) Kreises enthalten
175,000 freie Köpfe; unter ihnen lassen sich, ausser den
Brakariern, nur die Biballer, Cölerner, Galläker; Hequäsen,
Limiker, Querquerner, ohne Widerwillen nennen.
Die Länge des diesseitigen Spaniens beträgt, von den
Pyrenäen bis zur Grenzstadt Castulo 8) 607,000 Schritte
und bis an die Küste noch etwas weiter; die Breite von
Tarraco bis zu der Küste bei Olarso 9) 307,000 Schritte.
Vom Fusse der Pyrenäen an, wo es zwischen zwei Meeren
eingeengt, spitzig zuläuft, breitet es sich allmälig aus, und
wo es mit dem jenseitigen Spanien zusammentrifft, wird es
mehr als noch einmal so breit. An Metallen, namentlich
Blei, Eisen, Kupfer, Silber, Gold hat fast ganz Spanien
Ueberfluss; im diesseitigen giebt es auch Frauenglas, in
Bätica Zinnober. 10) Auch Marmorbrüche sind dort. Der
') Astorza.
2) Cigurri.
*) Am Capo de Penas.
4) Sollanca. 5) Vivero.
*'•) Die Hauptstadt hiess Lucus Asturum, jetzt Lugo in Gallicien.
7) Die Hauptstadt hiess Bracaria Augusta, jetzt Braga.
8) Cazorla.
") Auch Oeaso, Eason, Jarsoni, ein Vorgebirge zwischen Gallien
und Spanien auf der Nordküste, jetzt Sierra de Jasquivel. Etwas
tiefer lag auch eine Stadt gleichen Namens, jetzt Ojarko.
">) minium, siehe XXXIII. B., 36. Cap.
Drittes Buch. 237
Kaiser Vespasianus Augustus verlieh, während der Drang-
sale des Staates *), ganz Spanien das lateinische Bürger-
recht. Die Pyrenäen trennen Spanien von Gallien, denn
ihre Vorgebirge erstrecken sich in zwei verschiedene Meere.
5.
Die narbonensische Provinz 2) wird derjenige Theil
von Gallien genannt, welcher das mittelländische Meer be-
spiihlt, und früher Braccata 3) hiess. Sie wird durch den
Fluss Varus 4) und die der römischen Macht so heilsame
Kette der Alpen von Italien, sowie auf der Nordseite durch
das Gebenna- 5) und Jura-Gebirge von dem übrigen Gallien
geschieden. Sie steht am Ertrag der Aecker, Bildung der
Männer und Sitten und Hülfsquellen aller Art keiner Pro-
vinz nach, und verdient daher mehr ein Italien, als eine
Provinz genannt zu werden. An der Küste liegt das Ge-
biet der Sordoner 6) und im Innern das der Consuaraner. 7)
Flüsse sind: der Tecum 9), und Vernodubrum. 9) Städte: Illi-
beris10), ein geringer TIeberrest einer ehemals bedeutenden
Stadt; Ruscino11) mit lateinischem Bürgerrechte. Der Fluss
Atax12), welcher auf den Pyrenäen entspringt und durch
den rubrensischen13) See geht; Narbo Martius14), eine Co-
lonie der zehnten Legion, 12,000 Schritte vom Meere. Die
») Der Krieg mit .seinem Vorgänger Vitellius 69 n. Chr.
2) V. d. Hauptstadt Narbo (Narbonne). Sie umfasste d. jetz. Depts.
Arriege, Pyrenees-Orientales, Haute- Gar onne, Tarn, Aude, Herault,
Gard, Ardeche, Ain, Isere, Drome, Hautes- Alpes , Vaucluse, Basses-
Alpes, Bouches du Rhone, Var, ferner Savoyen, Genf und Wallis.
3) Gallia braccata wurde diese Provinz wegen der Beinkleider
(Braccae) genannt, deren sich die Einwohner bedienten.
4) Var.
5) Die Sevennen.
6) Am Vorgebirge der Venus, jetzt die Gegend von Roussillon;
Departement Pyrenees-Orientales.
') Dep. Arriege. 8) Tee. 9) la Gly. 10) Eine.
n) Ein Schloss, eine Meile von Perpignan, la tour de Roussillon.
'-) Aude in Languedoc.
,3) Etang de Sigean, n. And. Etang de la Rubine.
M) Narbonne.
238 Drittes Buch.
Flüsse: Arauris *) und Liria. 2) Städte giebt es übrigens
wegen der grossen stehenden Gewässer, nur wenige; zu be-
merken sind Agatha 3), das früher den Massiliensern ge-
hörte, die Landschaft der Volcae Tectosages 4), und die
Stelle, wo einst das von den Rhodiern erbaute Rhoda 5)
stand; von letzterer hat der ergiebigste Fluss Galliens, der
Rhodanus6), seinen Namen. Dieser stürzt sich von den
Alpen herab, fliesst durch den Lemanischen See 7), nimmt
den trägen Arar 8), und die ihm an Wildheit gleichenden
Ströme Isara 9) und Druentia10) auf. Zwei seiner Mündun-
gen sind von massiger Breite und heissen die lybischen,
und von diesen wieder die eine die spanische, die andere
die metapinische; die dritte und weiteste heisst die massa-
liotische. Einige Schriftsteller geben an, an der Mündung
des Rhodanus habe ehemals eine Stadt Heraclea gelegen.
Jenseits befinden sich die vom Rhodanus ausgehenden
Kanäle des C. Marius11), gleich berühmt durch ihre Aus-
führung und durch ihren Namen; der Sumpf Mastramela12),
die Stadt Maritima Avaticorum13), darüber die Steinfelder14),
ein Denkmal der Kämpfe des Herkules, das Land der Arna-
tilier15), und im Innern das der Desuviater16) und Cavarer17).
Wiederum vom Meere an liegt das Gebiet der Tricorer,
J) Herault. 2) Lez. 3) Agde.
4) Dep. Arriege, Haute-Garonne, Aude, Tarn und Herault,
5) Soll das spätere Arelate sein.
6) Rhone. 7) Genfer See. 8) Saone. 9) Isere. 10) Durence.
") Im Clmbrischen Kriege (102 v. Chr.) angelegt; wahrscheinlich
der jetzige Canal de navigation d'Arles au port de Bouc.
12) Etang de Berre ou de Martiguez.
13) Martigues.
14) La Grau. Herkules soll hier mit den Albion und Geryon, Söh-
nen des Neptun, gekämpft haben, and als ihm keine Pfeile mehr zu
Gebote standen, von Jupiter durch einen Steinregen unterstützt wor-
den sein. Pompon. Mela II. 5.
15 Arles.
16) Tarascon.
") Zwischen Isere und Durance.
Drittes Buch. 2391
und im Innern das der Tricoller *), Vocontier 2) und Sego-
vellauner3), dann der Allobroger. 4) An der Küste folgt
die von den phocäensischen Griechen gegründete Bun-
desstadt Massilia 5); das Vorgebirge Zao e), der Hafen Ci-
tharista 7), das Gebiet der Camatulliker 8j; dann folgen die
Suelterer 9) und weiter oben die Verruciner.10) An der
Küste: Athenopolis11), den Massiliern gehörig, Forum Julii12),
eine Colonie der achten Legion, auch Pacensis und Classi-
ca genannt; dabei der Fluss Argenteus13); das Gebiet
der Axubier14) und Ligauner15), dahinter die Suetrer16), Ona-
riater17) und Adunicater. 18) An der Küste liegt die Stadt
Antipolis19) mit lateinischem Bürgerrechte, das Gebiet der
Deciater20), der Fluss Varus, welcher in den Alpen auf
dem Berge Cema21) entspringt.
Mitten im Lande befinden sich folgende Colonien: Are-
late22) von der sechsten, Beterrä23) von der siebenten und
Arausio24) von der zweiten Legion. Im Gebiete der Ca-
varer liegt Valentia25) und in dem der Allobroger Vienna.26)
') Sisteron.
-) Ihre Städte waren Dea (jetzt Die) und Vasio (jetzt Vaison).
3) Le Valentinois.
4) Zwischen dem Isara und Rhodanus.
5) Marseille.
6) Cap de la Croisette.
7) Port de la Ciotat.
8) Das Gebiet von Toulon.
) Brignole.
°) Verignon und Baryol.
*) Grimaud oder Napoule.
2) Frejus.
3) Argens.
4) Deren Hauptstadt Forum Julii war.
5) Beide im südöstlichen Theile des Dep. Var.
6) Scillaus im Dep. Basses-Alpes.
7) Denez im Dep. Hautes-Alpes.
B) Im Dep. Basses-Alpes. ,9) Antibes.
w) Im nordöstlichen Theile des Dep. Var.
2») Cemelione. 22) Arles. 23) Bessiers. **) Orange. 25) Valence.
26) Vienne.
240 Drittes Buch.
Städte von lateinischem Bürgerrechte sind: Aqua Sextiä l)
der Salmvier, Avenio 2) der Cavarer, Apta Julia 3) der Vul-
gientier, Alebaca 4) der apollinarischen Rejer, Alba5) der
Helver, Augusta 6) der Tricastiner, Anatilia7), Aeria 8),
die Bormanner 9), Comacina, Cabellio 10), Carcasum der Vol-
cischen Tectosagen11), Cessero, Carpentoracte12) der Me-
miner; die Cenicenser13), Cambolectrer14), welche auch
Atlantiker genannt werden, Forum Voconii15), Glanum
Livii16), die Lutevaner 17), welche auch ForoDeronienser
heissen; Nemausum18) der Arecomiker, Piscenä1-'), Ruteni20),
die Samnagenser21), die zu den Tectosagen gehörenden To-
losaner22), welche an Aquitanien grenzen; die Tasconer23),
Tarusconienser24), Umbrauiker25), zwei Hauptstädte des mit
Rom verbündeten Staats der Vocontier, Vasio26) und Lu-
cus Augusti.27) Ausserdem giebt es noch 19 unwichtige,
sowie 24 den Nemausiensern gehörige Städte. Der Kaiser
Galba28) hat noch von den Alpenbewolmern die Avantiker29)
und Bodiontiker, deren Stadt Dinia30) heisst, in das Ver-
zeichniss eintragen lassen. Die Länge der narbonensischen
Provinz giebt M. Agrippa zu 370,000, und die Breite zu
248,000 Schritten an.
6.
Von hier kommen wir nach Italien, und zwar zuerst
nach Ligurien; dann folgt Etrurien, Umbrien, Latium, wo
die Mündungen der Tiber sind, und Rom, die Hauptstadt
der Erde, 16,000 Schritte vom Meere entfernt. Darauf: die
Küste der Volscer und Campaniens, der Picentiner, Lucaner
und Bruter, wohin sich Italien von den mondförmigen Ge-
') Aix. 2) Avignon. 3) Apt. 4) Riez in der Provence. 5) Alps,
Dorf am Scontay. 6) St. Paul de trois chateaux, nach Andern Aouste.
7) Atais. 8) Mont Ventoux. 9) Um Bormes. t0) Cavaillon. »') Car-
cassonne. I2) Cai-pentras. 13) Am Flusse Ai-c. u) Cambo-Haut und
Cambo-Bas de Clarence. 15) Le Canet. I6) St. Remy. ,7) Lodeve.
,8) Nismes. ,9) Pezenas. 20) Rhodez. •il) Senez. «^ Toulouse. 23) Mon-
tauban. 24) Tarascon an der Rhone. 25) Lombes. 26) Vaison.
51 ) Luc in der Dauphine. 28) Regierte kaum ein Jahr und ward
69 n. Chr. ermordet. 29) Avancon. 30) Digne.
Drittes Buch. 241
birgsriicken der Alpen an am weitesten nach Mittag ins
Meer erstreckt. Auf diese folgt die Küste von Gross-Grie-
chenland, dann die Küste der Salentiner, Pediculer, Apuler,
Peligner, Frentaner, Marruciner, Vestiner, Sabiner, Picenter,
Galler, Umbrer, Etrusker, Veneter, Carner, Japider, Istrier
und Liburner. l)
Ich weiss wohl, dass man es leicht für ein Zeichen
eines undankbaren und trägen Geistes halten könne,
wenn ich nur kurz und wie bisher im Vorbeigehen von
einem Lande spräche, das die Ernährerin und Beherrscherin
aller übrigen ist, das von den Göttern ausersehen, selbst
den Himmel berühmter zu machen 2), zerstreuete Reiche zu
vereinigen, Sitten zu mildern, die verschiedenen rauhen
Zungen so vieler Völker durch seine Sprache zu verbinden,
Geselligkeit und Humanität unter den Menschen zu ver-
breiten, kurz, das einzige Vaterland aller Völker der Erde
zu werden. Aber wie soll ich es anfangen, da der Ruhm
aller Orte, auf welche man trifft, und der Glanz aller ein-
zelnen Gegenstände und Völker so gross ist? Schon die
Stadt Rom allein, dieses würdige Antlitz auf so prächtigem
Haupte, in welcher Weise soll man sie schildern? Wie soll man
Campaniens Küste, jene glückselige und anmuthige Gegend,
preisen, um Jedem klar zu machen, sie sei ein Werk, das
die Natur nur zu ihrer Freude geschaffen hat? Welch eine
belebende und heilsame Temperatur ist dort, welche frucht-
baren Gefilde, sonnigen Hügel, sanften Abhänge, schattigen
Haine und herrlichen Waldungen! wie wohlthuend die Berg-
luft, wie gross die Ergiebigkeit an Feldfrüchten, Wein und
Oel! welche edle Wolle, welche fetten Stiere werden da
erzeugt! wie viele Seen, Flüsse und Quellen bewässern
und durchströmen das Land! wie viele Meere und Häfen
stehen dort, gleich wie der Schooss der Erde, allenthalben
dem Handel offen, indem es, gleichsam zum Nutzen der
Menschen, sich tief ins Meer hinein erstreckt! Ich will
') Das Nähere darüber folgt weiter unten.
-) Durch die unter die Götter versetzten Kaiser.
16
242 Drittes Buch.
hier nicht einmal die geistigen Fähigkeiten, die Sitten, die
Menschen, noch die durch Wort und That von ihm über-
wundenen Völker erwähnen. Selbst die Griechen, dieses
im Selbstlobe unerschöpfliche Volk, haben ihr Urtheil dar-
über ausgesprochen, und wie gross ist denn der Theil von
Italien, den sie Grossgriechenland nennen? Wir müssen
daher denselben Grundsatz, den wir bei der Betrachtung
des Himmels befolgten, auch hier anwenden, und sowie
dort nur einige Gestirne, hier nur einige Merkmale anfüh-
ren. Die Leser aber bitte ich zu bedenken, dass wir, um
alle einzelnen Gegenstände der Erde berühren zu können,
uns beeilen müssen.
Italiens Gestalt hat grosse Aehnlichkeit mit einem
Eichenblatt, denn es ist viel länger als breit; auf der linken
Seite macht es eine hervorspringende Biegung x), und endigt
dann in der Form eines Amazonenschildes 2), indem es von
dem mittlem Vorsprunge aus, welcher Cocinthus3) heisst,
zwei mondförmige Busen bildet und zwei Spitzen, deren
rechte Leucopetra 4), deren linke aber Lacinium 5) heisst,
hervorstreckt. Von der Grenze der Alpen, bei Prätoria Au-
gusta6) an, über Rom und Capua bis Rhegium7), wel-
ches gleichsam auf der Schulter von Italien ruht, und
von wo dann die Biegung des Nackens beginnt, beträgt
1,020,000 Schritte. Viel grösser würde diess Maass seinr
wenn man Lacinium als äussersten Punkt annähme, allein
die Richtung dieser Linie wird zu schief und scheint zu
sehr in die Breite auszuweichen. Die Breite Italiens ist
verschieden; sie beträgt zwischen dem untern8) und obern9)
Meere und den Flüssen Varus10) und Arsia11) 410,000
Schritte. In der Mitte des Landes, etwa da wo Rom liegt,
misst die Breite von der Mündung des Flusses Aternus12),
der sich in das adriatische Meer ergiesst, bis zum Ausfluss
des Tiber 136,000 Schritte, und etwas weniger von Castrum
*) Provinz Otranto. 2) Dem Halbmonde ähnlich. 3) Capo di
Stilo. 4) Capo deir Armi. B) Capo della Colonne. 6) Aosta. 7) Reggio.
8) Tyrrhenischen. 9) Adriatischen. 10) Var. ") Arsa. I2) Pescara.
Drittes Buch. 243
novum *) am adriatischen Meere an bis nach Alsium 2) am
tuscischen Meere, und von da überschreitet sie nirgends
300,000 Schritte. Der Umfang des ganzen Landes vom
Varus bis zum Arsia beträgt 3,059,000 Schritte.
Unter den umliegenden Ländern ist Italien von Istrien
und Liburnien an einigen Punkten 100,000, von Epirus und
Illyricum 50,000, von Afrika, nach M. Varro, etwas weniger
als 200,000, von Sardinien 120,000, von Sicilien 1500, von
Corsika fast 30,000, von Issa 8) 50,000 Schritte entfernt. Es
zieht sich zwar, rücksichtlich der Himmelsgegend gegen
Mittag durch das Meer hin, allein bei genauerer Unter-
suchung ergiebt sich, dass es zwischen der sechsten und
ersten Wintersolstitialstunde liegt.4) Nun wollen wir seinen
Umfang und seine Städte aufführen, müssen aber zum vor-
aus erinnern, dass wir dabei dem göttlichen Augustus und
seiner Eintheilung von ganz Italien in 11 Bezirke folgen
werden, jedoch in der Ordnung, wie sie die Lage der
Küsten darbietet. Wir können aber bei unserer so eiligen
Behandlung nicht berücksichtigen, wie sich die Städte an-
einander reihen, müssen daher im Innern des Landes Au-
gustus' alphabetische Eintheilung festhalten, und die Colo-
nien, welche er bei dieser Aufzählung namhaft macht, gleich-
falls mit anführen. Auch lässt sich ihre Lage und ihr Ur-
sprung nicht leicht angeben; denn nur allein den ingonu-
nischen Liguriern5), der andern gar nicht zu gedenken,
wurden dreissigmal neue Ländereien angewiesen.
7. '
Vom Flusse Varus an folgen also: die von den Mas-
siliern erbaute Stadt Nicäa6), der Fluss Paulo7), die Alpen mit
ihren Bewohnern, welche viele Namen führen, grösstentheils
aber Capillater8) heissen, die zum Gebiete der Vediantiner
gehörige Stadt Cemelion9), der Hafen des Herkules Monö-
') Giulia Nova. 2) Palo. 3) Lissa, ') D. h. zwischen Süd und
Südost. 5) Um Albenga. c) Nizza. 7) Poglion.
8) Mit langem über die Schultern fallendem Haupthaar.
9) Cimiez.
16*
244 Drittes Buch.
cus1), die ligustische2) Küste. Unter den Liguriern, welche
jenseit der Alpen wohnen, sind am berühmtesten: die Sal-
tuvier, Deciater, Oxubier; diesseits der Alpen: die Venener3),
die von den Caturigern abstammenden Vagienner 4), die
Statieller5), die Vibeller6), Mageller, Euburiater, Casmona-
ter, Veliater und andere, deren Städte bei der zunächst
liegenden Küste genannt werden sollen. Der Fluss Retuba7),
die Stadt Albium Intemelium 8), der Fluss Merula9), die
Stadt Albium Ingaunum10), der Hafen Vadum Sabatium11),
der Fluss Porcifera12), die Stadt Genua, der Fluss Feritor13),
der Hafen Delphini14), Tigullia15), im Innern des Landes:
Segesta Tigulliorum 16), der Fluss Macra 17), die Grenze von
Ligurien. Im Rücken aller dieser genannten Städte liegt
der Apenninus, das grösste Gebirge Italiens, welches sich
von den Alpen ununterbrochen bis zur Meerenge von Sici-
lien hinzieht. Auf der andern Seite desselben bis zum
Padus 18), dem wichtigsten Strome Italiens, prangen überall
die herrlichsten Städte: Libarna19), die Coloniestadt Der-
lona20), Jria21), Barderate 22), Industria 23), Pollentia24), Car-
rea 25) oder Potentia, Forofulvi oder Valentinum 2,;), Augusta
Vagiennorum 27), Alba Pompeja 28), Asta 29), Aquis Statiello-
rum. 30) Diess ist nach August's Eintheilung der neunte
Bezirk. Die ligurische Küste dehnt sich zwischen den
Flüssen Varus und Macra 211,000 Schritte lang aus.
8.
An diesen Bezirk grenzt der siebente, welcher Etru-
rien umfasst und vom Flusse Macra anfängt. Er hat oft
seinen Namen gewechselt. Vor langer Zeit wurden daraus
die Umbrer von den Pelasgern vertrieben, diese aber wie-
derum von den Lydiern, welche nach ihrem Könige den
*) Monaco. 2) Genuesiche. 3) Um Vinadio. "') Im westl. Theile
der Provinz Saluzzo. 5) In der Provinz Acqui. B) In d. Prov. Biella.
7) Roya. 8) "Vintimiglia. 9) Arocia. ,0) Albenga. ») Vado. ,2) Pol-
covera. ,3) Bisagno. ,4) Porto Fino. ,5) Trigoso. 16) Sestri di Le-
vante. ") Magra. 18) Po. 19) Monte Chiaro. 20) Tortona. S1) Vog-
hiera. --) Barde. 23) Verrua. **) Polenza. -5) Carro. 26) Valenza.
27) Vasco. 28) Alba, 29) Asti. *») Acqui.
Drittes Buch. 245
Namen Tyrrhener, und bald nachher von ihren heiligen
Opfergebräuchen den griechischen Namen Thuscer *) erhiel-
ten. Die erste Stadt Etruriens ist Luna2), berühmt durch
ihren Hafen; die Colonie Luca3) etwas vom Meere entfernt;
die näher daran liegende Colonie Pisae, zwischen den Flüs-
sen Auser4) und Arnus5), welche von Pelops und den Pi-
sern 6) oder von den Teutanen 7), einem griechischen Volke,
angelegt ist. Dann folgt: Vada Volaterrana8), der Fluss
Cecinna 9), Populonium 10), einst die einzige Stadt der Etrus-
ker an dieser Küste. Der Fluss Prille n), nicht weit da-
von der schiffbare Umbro 12), und der nach ihm benannte
Landstrich Umbrien, der Hafen Telamon 18), Cossa Volcien-
tiurn14), von den Römern angelegt, Graviscä15), Castrum no-
vum16), Pyrgi17); der Fluss Cäretanus18) und die Stadt
Cäre 19), 4000 Schritte weit im Lande und von ihren Grün-
dern, den Pelasgern, Agylla genannt; Alsium20), Fregenä21),
der Tiber 284,000 Schritte vom Macra entfernt. Im Innern
des Landes liegen die Colonien: Faliska22), nach Cato von
den Argivern angelegt, mit dem Beinamen die etrurische,
Lucus Feroniä23), Rusellana24), Senensis25), Sutrina.26) Ausser-
dem noch die Aretini veteres27), A. Fidentes28), A. Julien-
ses29), Amitinenser, taurinischen Aquenser30), Boleraner 31),
Cortonenser32), Capenater33), die alten und neuen Clusiner34),
die Fluentiner 35) am Arnus, Fesulä36), Ferentini 37), Fescen-
') Ovoxrj Opfergefäss.
2) Die Ruinen dieser Stadt liegen am Macra; die Gegend führt
den Namen il Lunegiano.
3) Lucca. 4) Serchio. 5) Arno. G) Bürger der Stadt Pisa in Elis.
7) Ein griechischer Stamm, der in der Gegend von Sicyon im
Peloponnes wohnte.
8) Vadi im Pisanischen.
9) Cecina. 10) Piombino. u) Briunna. yi) Ombrone. ,3) Tala-
mona. u) Ruinen bei Orbitello. ,5) Nördlich von Civita vecchia. ,6) St
Marinello. ") St. Severa. I8) Vaccina. ,9j Cerveteri. *>) Palo. 21) Torre.
Macarese, 22) Falari. 23) SerofanO. 24) Rosello. 25) Siena. 26) Sutri.
27) Giovi. 28) Castiglione d'Aretino. 29) Arezzo. *) Bagni di Vica-
rello. 31) Bieda. 32j Cortona. 33) Morluppo. 3i) Chiusi. 35j Florenz.
3f>) Fiesole. 37) Zwischen Viterbo und Montefiascone.
246 Drittes Buch.
nia1), Hortanum2), Herbarium3), Nepeta4), Novem Pagi5),
die claudische Präfectur Foroclodium6), Pistorium7), Peru-
*sia8), die Suanenser9), Saturniner 10j früher Aurininer ge-
nannt, Subertaner n), Statoner, Tarquinienser 12), Tuscanien-
ser13), Vetulanienser 14), Vejentaner 15), Vesentiner le), Vola-
terraner17), etruscischen Volcentiner 18) und die Volsinien-
ser. 19) In diesem Bezirke haben einige Strecken den Na-
men der vormals daselbst befindlichen Städte behalten, so
das Crustuminiscbe und das Caletranische Gebiet.
9.
Der Tiberis sonst Tybris, und noch früher Albula
genannt, entspringt ungefähr in der Mitte des Apenninus
an der Grenze der Aretiner. Anfangs ist er unbedeutend,
und kann nur, gleichwie die in ihn mündenden Flüsse Tinia
und Glanis20), dadurch schiffbar gemacht werden, dass man
sein Wasser in Teichen sammelt und dann wieder auslässt,
zu welchem Einsammeln, wenn nicht Regengüsse kommen,
neun Tage erforderlich sind. Allein kann der Tiber wegen
seines unebenen und felsigen Bettes nur mit Flössen oder
richtiger gesagt, nur mit einzelnen Balken befahren werden.
Er durchfliesst in grossen Umwegen eine Strecke von 150,000
Schritten bei Tifernum 21), Perusia 22), und Ocriculum 23) vor-
bei und trennt Etrurien von den Umbriern und Sabinern.
Dann scheidet er nicht ganz 16,000 Schritte oberhalb Rom
das vejentinische Gebiet von den crustuminischen und da-
rauf das fidenatische und lateinische vom vaticanischen.
Aber unterhalb des aretinischen Glanis nimmt er 42 Flüsse
auf, worunter der Nar24) und Anien25), die bedeutendsten
sind; der letztere ist selbst schiffbar und schliesst Latium
von hinten ein. Da er nun durch die vielen in die Stadt
') Galese. '-) Orta. 3) Viterbo. 4) Nepi. 5) Bracciano. 6) Orio-
lo. 7) Pistqja. 8) Perugia. 9) Soano. 10) Sitergua. ") Sovretto.
,2) Deren Ruinen b. Dorfe Tarquinia im ehem. Kirchenstaate. u) Tos-
conella. I4) Vetuüa. I5) Valentano. 16) Bisontia. ,7) Volterra.
18) Grosseto. 19) Bolsena. 20) Timia und Chiana; letzterer scheidet
Etrurien vom Kirchenstaate. 21) Tifi. *•) Perugia. M) Ostricolo. '-4) Nera.
-6) Teverone.
Drittes Buch. 247
Rom selbst geleiteten Gewässer und Quellen keinen ge-
ringern Zufluss erhält, so wird er fähig jedes grosse Schiff
aus dem Italischen Meere zu tragen und wie ein emsiger
Kaufmann alle Erzeugnisse der Erde herbeizuschaffen.
Seine Ufer sind mehr bewohnt und mit Landhäusern be-
setzt, als die der übrigen Flüsse aller Länder. Keinem
andern Flusse wird weniger Freiheit gestattet, denn er ist
von beiden Seiten eingedämmt; und obgleich er oft und
plötzlich anschwillt, und nirgends mehr als in Rom austritt1),
so tobt er doch nicht. Ja, man kann ihn eher als einen
Propheten und Warner betrachten, da er durch sein An-
wachsen mehr der Religion aushilft2) als Zerstörungen an-
richtet.
Das alte Latium hat seine Grenzen behalten ; es reicht
von dem Tiber bis nach Circeji 3) und ist 50,000 Schritte
lang. So schwach war anfangs die Macht des römischen
Reiches. Die Besitzer des Landes haben oft gewechselt
und zu verschiedenen Zeiten wohnten darin die Aboriginer4),
Pelasger 5), Arcadier6), Siculer7), Aurunker8), Rutuler9);
jenseits Circeji wohnten die Volscer10), Oscer11), Ausoner12),
') 189 v. Chr. wurden das Marsfeld und die untern Theile der
Stadt zwölfmal von dem Tiber überschwemmt.
2) Man betrachtete das Anschwellen des Tiber als eine Mah-
nung, den erzürnten Göttern Sühnopfer zu bringen. Siehe Horat.
Oden. I. 2.
3) Eine der ältesten Städte Italiens, stand auf dem Monte Cir-
cello an der Küste von Latium; jetzt St, Felicita, ein Dorf.
*) Ein allgemeiner Name der ursprünglichen Bewohner von Italien,
im Gegensatz der späteren Einwandrer.
5) Sie kamen aus Griechenland nach Italien, unter Oenotrius uud
Peucetius ums J. 1570 v. Chr.
6) Auch ein griechischer Stamm.
7) Wurden später nach Sicilien gedrängt und gaben der Insel ihren
Namen.
8) Ursprünglich in Campanien, wurden von dem Pelasgern nach
Latium getrieben.
9) In der Gegend von Ardia.
,0) Am Garigliano. ») In Samnium und Campanien. ,2) In Cam-
panien.
248 Drittes Buch.
wesshalb sich der Name Latium bis an den Fluss Liris1)
erstreckte. An der Grenze liegt Ostia, eine von einem rö-
mischen Könige 2) gegründete Colonie; dann kommt die
Stadt Laurentum3), der Hain des Jupiter Indiges4), der
Fluss Numicius 5), Ardea, welches von Danae, der Mutter
des Perseus erbaut ist. Ferner: das ehemalige Aphrodi-
sium 6), die Colonie Antium 7), der Fluss und die Insel Astura,
der Fluss Nymphäus 8), Clostra romana 9). Circeji war
nach Homer10) ehemals eine von einem unermesslichen Meere
umgebene Insel, liegt aber jetzt in einer Ebene11). Hier-
über können wir aus altern Angaben noch etwas sehr Merk-
würdiges mittheilen. Theophrastus nämlich, der erste unter
den Ausländern, welcher über die Römer schrieb, (denn
Theopompus, vor welchem Niemand ihrer erwähnte, sagt
bloss, dass Rom von den Galliern eingenommen sei, und
Clitarchus12) zunächst nach ihm nur, dass sie eine Gesandt-
schaft zu Alexander geschickt habe) giebt in dem Buche13),
welches er im Jahre 440 unserer Stadt (314 v. Chr.) dem
Nicodorus, einer atheniensischen Magistratsperson, widmete,
mit mehr Sicherheit als ein blosses Gerücht darbietet, die
Grösse der Insel Circeji zu 80 Stadien an. Alles Land
also, was sich über diese fast 10,000 Schritte Umfang hal-
tende Insel ansetzte, hat sich nachher mit Italien vereinigt.
Eine andere Merkwürdigkeit ist folgende: Bei Circeji
') Garigliano.
2) Ancus Martius, der vierte König von Rom, regierte 638—618
v. Chr.
3) Torre Vajanico.
4) Aeneas. Dii indigetes waren die vergötterten Vorfahren, die
als Schutzheilige des Landes verehrt wurden.
5) Wahrscheinlich der Rivo di Nemi. In ihm kam Aeneas im
Kampfe mit den Rutulern ums Leben. Daher wurde ihm der eben
erwähnte Hain am Ufer dieses Flusses geweihet.
6) Ein Tempel der Venus. 7) Antio. 8) la Nympa. 9) Torre di
Fogliano. ,0) Odyssee X. 194 ") Siehe oben.
12) Aus Aeolis, begleitete Alexander den grossen auf seinen Feld-
zügen und beschrieb dessen Thaten.
13) Historia plant. V. B., 9 C.
Drittes Buch. 249
befindet sich der pontinische Sumpf, an dessen Stelle1) nach
Mucianus der drei mal Consul war, einst 33 Städte gestan-
den haben. Nun folgt der Fluss Ufens2), dahinter die Stadt
Terracina, in der Sprache der Volscer Anxur genannt; hier
lag auch Amyclä3), welches von Schlangen verödet wurde.
Dann: die Stelle einer Höhle, der See Fundanus4), der
Hafen Cateja5), die Stadt Formiä6), früher Hormiä genannt,
und, wie man glaubt, der alte Sitz der Lästrygoner.7) Weiter
die ehemalige Stadt Pyrä, die Colonie Minturnä8), durch
welche der Fluss Liris, auch Glanis genannt, fliesst; die
Stadt Sinuessa9) am äussersten Punkte des neuen Latii,
die früher Sinope geheissen haben soll.
Nun folgt das glückliche Campanien. An diesem Busen
erheben sich die rebentragenden Hügel, hier beginnt durch
den in allen Ländern berühmten Saft die edle Trunkenheit,
und, wie die Alten sagten, der mächtigste Streit des Vaters
Liber mit der Ceres. Von hier breiten sich die setinischen10)
und cäcubischen11) Aecker aus, an sie schliessen sich die
falernischen 12) und calenischen13), dann erheben sich die
massischen14), gauranischen15) und surrentinischen 16) Berge.
Hier liegen die labormischen17) Felder, welche zum Genüsse
der Graupen gemähet werden18). Diese Küsten sind reich
an warmen Quellen, und das Meer liefert zu den übrigen
Erzeugnissen vortreffliche Muscheln und Fische. Nirgends
') Mit dem Worte locus bezeichnet PI. in der Regel einen wüsten
Ort, wo ehemals eine Stadt stand.
2) Utfente.
3) Oder Amuclä, früher Hauptstadt der Ausonier, war anfänglich
eine griechische Colonie. Sie lag am Meere bei der heutigen Stadt
Gaeta.
4) Lago di Fondi. 5) Gaeta. c) Mola. 7) Ein wildes Volk an
der Küste von Italien oder Sicilien. Vgl. Homers Odyssee X. B. 82. V.
8) Von ihr sind noch prachtvolle Ruinen bei Scaftä am Liris,
(Garigliano) vorhanden.
9) Ihre Ruinen sind in der Nähe von Rocca del Mondragone.
10) Sezza. n) Castro vetere. ,2) Von Ceppano bis Alil'e. ,3) Bei
Calvi. ") Massico. ,5) Gauro. 16) Sorrento. «) Lavoro. 18) XVIII B.,
29 Cap.
250 Drittes Buch
findet man besseres Oel. Auch diesen Tummelplatz mensch-
licher Wollust besassen die Oscer, Griechen, Umbrier, Thus-
cer, und Campaner.
An der Küste ist der Fluss Savo I), die Stadt und der
Fluss Vulturnum 2), Liternum 3), Cumä 4) der Chalcidenser 5),
Misenum 6), der Hafen Bajä "), Bauli 8) der See Lucrinus 9)
und Averaus10), dabei die vormalige Stadt Cimmerinum11).
Dann folgt: Puteoli12), die dicäarchische Coionie genannt;
die phlegräischen Gefilde13), der Sumpf Acherusia14) in der
Nähe von Cumä. An der Küste liegt das ebenfalls von den
Chalcidensern gegründete Neapolis, von dem daselbst be-
findlichen Grabe einer Sirene Parthenope benannt, Hercu-
lanum, Pompeji, unweit des Vesuvs am Flusse Sarnus15);
das nucerinische Gebiet, und 9000 Schritte vom Meere Nu-
ceria16) selbst; Surrentum17) mit dem Vorgebirge der Mi-
nerva18), der frühere Sitz der Sirenen19). Der Weg von
Circeji bis hierher beträgt zu Wasser 78,000 Schritte. Dieser
ganze Landstrich von dem Tiber an, bildet nach Augustus
Eintheilung den ersten Bezirk Italiens.
Im Innern des Landes liegen folgende Colonien: Ca-
pua, von dem Worte Campus20) so genannt, Aquinum21),
Suessa22), Venafrum 23), Sora, Teanum der Sidiciner 24),
l) Saona. 2) Voltorno.
3) Torre di Patria. 4) Bei Baja.
5) Von Chalcis auf Euböa.
6) Capo di Miseno. 7) Castel di Baja. 8) Bacolo.
9) Wurde im Jahre 1638 durch ein Erdbeben in einen stinkenden
Sumpf verwandelt.
10) Averno. n) Vergleiche Homers Odyssee, XL B., 1. 4. V.
12) Puzzuolo.
,3) Campo Quarto; hier fiel der Kampf der Giganten mit den
Göttern vor.
") Fusaro. 15) Sarno. 16) Nocera. n) Sorrento. ,8) Capo della cam-
panella. ,9) Homers Odyssee XIV. B., 44. V.
'-20) Nach Andern hatte es seinen Namen von Capys, dem Gründer
dieser Stadt. Jetzt S. Maria Maggiore. M) Aquino.
22) Zum Unterschiede vom volscischen Suessa Pometia. Suessa
Aurunca genannt; jetzt Sessa. 23) Venafro.
24) Teano. Ein anderes Teanum lag in Apulien.
Drittes Buch. 251
Nola. Städte: Abellinum *), Aricia 2), Alba longa 3), die Acer-
raner 4), Allifaner 5), Atinater, Aletrinater 6), Anagniner 7),
Atellaner 8), Affilaner 9), Arpinater10), Auxiinater, Avella-
ner11), Alfaterner; ferner die von dem lateinischen, herni-
cischen und labikanischen Gebiete benannten Völker; Bo-
villa12), Calatiä13), Casinum14), Calenum15), Capitulum her-
nicum16), die Cereatiner oder Marianer, die vom Trojaner
Dardanus abstammenden Coraner17), die Cubulteriner18),
Castrimonienser19), Cingulaner20), Fabienser auf dem Berge
Albanus, die Foropopulienser21) im falernischen Gebiete,
die Frusinater22), Ferentinater, Freginater, die alten und
neuen Fabraterner23), Ficolenser, Foroappier24), Forentaner,
Gabiner, die succasinischen Interamnater25), auch Lirinater
genannt, die Ilionenser26), Lavinier27), Norbaner28), Nomen-
taner29), Pränestiner30) mit der frtiherhin Stephane genann-
ten Stadt, die Privernater31), Setiner32), Signiner33), Suessu-
laner34), Teliner, Trebulaner oder Balinienser, Trebaner85),
Tusculaner36), Verulaner37), Veliterner38), Ulubrenser, Ul-
vernater39), und endlich Rom selbst, dessen andern Namen
man gewisser geheimnissvoller Religionsgebräuche wegen
nicht nennen darf.40) Valerius Soranus sprach einst diesen
') Avellino. Ein anderes A. lag in Hirpinischen. Vergleiche 16 C.
2) Riccia. 3) Albano. 4) Acerra. ■"•) Allifi. 6) Alatri. 7) Anagni.
8) Aversa. 9) Affile. I0) Arpino. ") Avella. 12) Bei Fratochio u. Capo
di Leva. ,3) Cajasso. ») Monte Casino. 15) Calri. ,6) Caspoli. ") Core.
,8) S. Marie di Covultere. 19) Castro Pignano. 20) Cicoli. 2I) Rocca
di Papa. -1) Frosinone. 23) Falvaten-a. 24) Casarillo di S. Maria.
25) Torre di Termino.
**) Magliano. 27) Civita Lavinia. 28) Norma rovinata. 29) La Men-
tana. 3°) Palestrina. 3t) Piperno. 31) Sezza. 33) Segni. 34) Castel di Ses-
sola. 35) Tervi. 36) Frascati. 37) Veroli. 38) Velletri. 39) Tulivema.
40) Nach der gewöhnlichen Meinung erhielt die Stadt Rom ihren
Namen von ihrem Erbauer; allein nach der richtigem Ansicht erhielt
vielmehr Romulus den seinigen erst von der Stadt, die nach einem
alten Namen des Tiber „Rumon" benannt wurde. In der Folge lei-
tete man Roma aus dem Griechischen her, wo Qatfxr] Stärke, Gewalt
bedeutet. Diess gab man im Lateinischen durch das Wort Valentia
Wvieder, und das soll jener heilige, geheime Name gewesen sein.
252 Drittes Buch.
in der besten und heilsamsten Absicht abgeschafften Na-
men aus und musste bald dafür büssen l). Es scheint mir
nicht unpassend, hier eines alten religiösen Gebrauchs zu
erwähnen, der hauptsächlich wegen dieses Verschweigens
eingeführt ist. Die Göttin Angerona, deren Fest am 19.
Decbr. gefeiert wird, hat nämlich an ihrem Standbilde einen
verbundenen und versiegelten Mund.
Bei Romulus Tode hatte die Stadt drei oder (nach an-
deren Angaben) vier Thore 2). Ihre Mauern maassen, zur
Zeit als die Vespasianen die Kaiser- und Censorwürde be-
kleideten, im Jahre der Stadt 826 (74 u. Chr.) 13,200 Schritte
im Umfange. Sie liegt auf 7 Hügeln 3), ist in 14 Districte
eingetheilt, und enthält 265 D urchkreuzuugspunkte der
Strassen. 4) Die geraden Entfernungen von dem auf dem
höchsten Punkte des Forum stehenden Meilenzeiger 5) bis
zu den einzelnen Thoren, deren jetzt 37 sind, betragen zu-
sammen 20,765 Schritte, wobei jedoch 12 nur einmal ge-
rechnet, und 7, welche nicht mehr benutzt werden, über-
gangen sind. Das Gesammtmaass aber aller Wege von
jenem Meilenzeiger an durch die Strassen bis zu den letz-
ten Häusern und dem Lager der, Prätorianer 6) beträgt
etwas mehr als 70,000 Schritte. Bringt man nun noch die
Höhe der Häuser dabei in Anschlag, so wird man ein wahr-
haft würdiges Bild der Stadt bekommen und eingestehen
müssen, dass ihr keine andere auf der ganzen Erde gleich-
gestellt werden kann. Im Osten wird sie durch den Wall
'•) Seine Unvorsichtigkeit hatte den Tod zur Folge.
2) Nämlich das carmentalische , pandanische (saturnische) roma-
nische und muganische; nur letzteres erhielt sich.
3) Der Palatinus, Capitolinus, Cälius, (Querquetulanus, wo jetzt der
Lateran steht), der Esquilinus mit dem Viminaüs (jetzt S. Maria und
Nives), der Quirinalis (jetzt Monte Cavallo), der Aventinus und über
den Tiber der Janiculus.
4) Compita Larium. 5) Milliarium.
e) Die befestigten Kasernen der prätorianischen Cohorten wur-
den von Tiberius angelegt, und befanden sich am viminalischen
Thore.
Drittes Buch. 253
des Tarquinius Superbus x) geschlossen; dieses ist ein höchst
wunderbares Werk, denn er liess ihn auf der Seite, wo
der Zugang zur Stadt von der Ebene aus am meisten offen
stand, bis zur Höhe der Mauern aufführen. An allen übrigen
Punkten war sie durch sehr hohe Mauern oder steile Berge
geschützt, bis durch den fortwährenden Anbau neuer Häu-
ser noch mehrere Vorstädte um sie entstanden.
In dem ersten Bezirke lagen vormals in Latium noch
folgende berühmte Städte: Satricum 2), Pometia 3), Scaptia,
Pitulum, Politorium 4), Tellene, Tifata, Cänina5), Ficana,
Crustumerium 6), Ameriola 7), Medullia 8), Comiculum, Sa-
turnia, an deren Stelle jetzt Rom liegt; Antipolis, bildet
jetzt unter dem Namen Janiculum einen Theil von Rom,
Antemnä fl), Camerium, Collatia, Amitinum, Norbe, Sulmo,
und die albensischen Völker, welche mit diesen auf dem
albanischen Berge Fleisch zu bekommen pflegten; die Al-
baner, Aesolaner10), Acienser, Abolaner11), Bubetaner, Bo-
laner12), Cusuntaner, Coriolaner13), Fidenater, Foretier, Hor-
tenser, Latinienser, Longulaner, Manater, Macraler, Mutu-
cumenser, Munienser, Numinienser, Olliculaner, Octulaner,
Pedaner, Pollusciner, Querquetulaner, Sicaner, Sisolenser,
Tolerienser, Tutienser, Vimitellarier, Velienser, Venetulaner,
Vitellenser. So sind aus dem alten Latium 53 Völker spur-
los verschwunden. Im campanischen Gebiete war vormals
eine Stadt, Stabiä14) bis zum 30. April, zur Zeit der Con-
suln Cn. Pompejus15) und L. Cato, an welchem Tage sie
der Legat L. Sulla im Bundesgenossenkriege so zerstörte16),
dass nur noch ein Meierhof vorhanden ist. Eben daselbst
') Der letzte römische König, regierte von 534 — 509 und starb
497 zu Cumae: der erwähnte Wall lag zwischen dem esquilinischen
und collinischen Thore.
2) Pratica. 3) Torre Petrara. 4) Pocigliano. 5) Monte Gentile.
6) Monte Rotondo. 7) Marigliano. 8) S. Giubileo.
°) Am Zusammenfluss des Tiber und Teverone.
'») Quarto della Fajola. ») Aula antica. I2) Poli. ••') Carocello.
u) Casteir a mare di Stabia.
,5) Der Vater des grossen Pompejus. ,fi) 89 v. Chr.
254 Drittes Buch.
ist auch Taurania 1) verschwunden. Dort liegen auch die
Ueberreste des verfallenen Casilinum 2). Ferner erzählt
Antias, der König L. Tarqunius habe die lateinische Stadt
Apiolae 3) eingenommen, und von der dabei gemachten
Beute den Bau des Capitols begonnen. Vom Surrmatum
bis zum Flusse Silarus 4) erstreckte sich 30,000 Schritte
weit das den Tuscern gehörige picentinische Gebiet, be-
rühmt durch den von Jason erbaueten Tempel der Juno
Argiva 5). Im Innern des Landes liegen die Städte Salerni
und Picentia.
10.
Vom Silarus an beginnt der dritte Bezirk, und mit
ihm das lucanische und brutische Gebiet. Auch hier haben
die Bewohner oft gewechselt. Dieses Land besassen die
Pelasger, Oenotrier 6), Italer, Morgeter 7), Siculer, meist
griechische Völker; zuletzt liessen sich die Lucaner, ein
samnitischer Stamm unter ihrem Anführer Lucius dort nie-
der. Die Stadt Pästum 8), von den Griechen Posidonia
genannt, der pästonische Meerbusen 9), die Stadt Helia, jetzt
Velia10), das Vorgebirge Palinurum11); hier weicht der Meer-
busen 12) mehr zurück und die Ueberfahrt nach Columna
Ehegia13) beträgt 100,000 Schritte. Ihm zunächst folgen:
der Fluss Melpes14), die Stadt Buxentum15), von den Grie-
chen Pyxus genannt, der Fluss Lais16); früher gab es auch
eine Stadt dieses Namens. 17) Nun kommt die brutische
Küste, die Stadt Blanda18), der Fluss Batuni19), der den
1) Toretto. 2) Capua. 3) Apelosa. 4) Silaro.
5) Derselbe lag bei dem heutigen Dorfe St. Varra, etwas süd-
lich vom Silaro.
6) Ebenfalls ein pelasgischer Stamm,, der unter Oenotrius nach
Italien kam.
~) So genannt nach dem König Morges, welcher vor uralten Zei-
ten in Calabrien herrschte. 8) Pesti. 9) Golfo di Salemo.
10) Castel' a mare della Brucca.
") Panta della Spartimento.
12) Golfo di Policastro. '3) Calanna. *♦) Melpa. 15) Policastro
»6) Lao. ») Laghino. 18) St. Biasio. ">) Della Noce.
Drittes Buch. 255
Phocensern gehörige Hafen Parthenius J), der vibonensische
Meerbusen 2), die Stelle, wo Clampetia 3) stand, die Stadt
Temsa4), von den Griechen Temese genannt, die von den
Crotaniensern gegründete Stadt Terina 5) und der grosse
Terinaische Meerbusen 6); im Innern liegt die Stadt Con-
fentia. 7) Auf der Halbinsel 8) befindet sich der Fluss Ache-
ron 9), von welchem die dortigen Bewohner Acherontiner10)
heissen; Hippo, jetzt Vibo Valentia11) genannt, der Hafen des
Herkules12), der Fluss Metaurus13), die Stadt Tauroentum14),
der Hafen des Orestes15), und Medina.16) Die Stadt Scyl-
läum 17), der Fluss Cratäis18), wie man sagt, die Mutter der
Scylla.19) Dann kommt: Columna Rhegia, die sicilische
Meerenge und zwei einander gegenüber liegende Vorgebirge,
in Italien Cänys20), in Sicilien Pelorum21), 12 Stadien von
einander entfernt. Von hier bis Rhegium22) beträgt die
Entfernung 12,500 Schritte. Ferner: der Wald Sila23) auf
dem Apenninus, 15,000 Schritte weiter das Vorgebirge Leu-
copetra.21) Die dann folgenden, von dem Vorgebirge Ze-
phyrium25) benannten Locrer26), sind vom Silarus 303,000
Schritte entfernt.
So wird der erste Busen von Europa begrenzt und die
Meere, welche ihn bilden, haben folgende Namen. Das
Meer, aus welchem die Gewässer herausströmen, heisst das
atlantische oder auch das grosse; die Stelle, wo dieses ein-
tritt, nennen die Griechen Porthmos, wir aber die gadi-
tanische Meerenge; nach dem Eintritte heisst es, soweit es
Spaniens Küste bespühlt, das spanische oder iberische, oder
balearische Meer; dann an der narbonensischen Provinz das
>) Cetraro. 2) Golfo di St, Eufemia. 3) Torre di Mezzo. 4) Torre
di Lupo. 5) Terrati. 6) Ebenfalls Golfo di S. Eufemia. 7) Cosenza..
8 Der unterste Theil von Calabrien.
9) Mucone. ,0) In Acri. «>) Vibona. 12) Briatico. ,3) Marro.
14) Ruinen davon findet man in der Nähe des Fleckens Palma.
15) Gioja. I6) Melia. ") Scilla. ,8) Fallace. ,9) Siehe Homers Odysee-
XII B., 124. V. 2°) Cenide. 2l) Capo di Faro. 22) Reggio. 23) Monte-
delle Pece. 24) Pellara. 25) Capo di Brussano.
M) Die epizephyrischen Locrer.
256 Drittes Buch.
gallische und weiterhin das ligustische Meer; von diesem
bis zur Insel Sicilien: das tuscische, welches einige Grie-
chen das notische, andere das tyrrhenische, die meisten
von uns aber das untere Meer nennen. Von Sicilien an
bis zu den Solentinern nennt es Polybius *) das ausonische,
dagegen bezeichnet Eratosthenes den zwischen der Mündung
des Oceans und Sardinien belegenen Theil mit dem Namen
des sardoischen, den Theil aber von Sardinien bis Sicilien
nennt er das tyrrhenische, von Sicilien bis Creta das sici-
lische, und von da an das cretische Meer.
11.
Die ersten Inseln in diesen Meeren führen bei den
Griechen, von einem fichtenartigen Strauche den Namen
Pityusen, jetzt heissen sie beide Ebusus 2), bilden einen
mit uns verbündeten Staat und sind nur durch eine schmale
Meerenge von einander getrennt. Ihre Länge beträgt 46,000
Schritte. Von Dianium 3) sind sie 700 Stadien entfernt, und
ebenso weit liegt Dianium auf dem Festlande von Neu-
Carthago. In gleicher Entfernung von den Pityusen liegen
in hohem Meere die beiden Balearen, und gegen Sucro4)
hin Colubraria. 5) Die Balearen, deren Bewohner sich
durch die Schleuder im Kriege auszeichnen, nennen die
Griechen auch die gymnasiscben Inseln. 6) Die grössere 7)
hat eine Länge von 100,000 Schritten und einen Umfang
von 475,000 Schritten. Die darauf befindlichen Städte mit
römischem Bürgerrechte sind: Palma8) und Pollentia; mit
lateinischem: Cinium 9) und Cunici10); Bocchorum ist eine
Bundesstadt. 30,000 Schritte davon entfernt liegt die klei-
nere Insel11), deren Länge 40,000 und Umfang 150,000
Schritte beträgt, Sie enthält die Stadtgemeinden Jamno12),
Sanisera13) und Mago.14) Von der grössern liegt Capra-
ria15), in deren Nähe die Schiffe häufig scheitern, 12,000
l) Von Megalopolis in Arcadien, lebte 205—122 v. Chr. "
-) Ivica und Forcnentera. 3) Denia in Spanien. 4) Xucur in Spa-
nien. 5) Columbretes. 6) Weil die Bewohner nackt {yvfivoq) gingen.
7) Mallorka. 8) Palma. 9) Sineu. ,0) Alcudia. ") Minorka. '-) Ciu-
dadela. 13) Fornells. 14) Mahon. '•"') Cabrera.
Drittes Buch. 257
Schritte über dem Meere hin entfernt; der Stadt Palma
gegenüber liegen die Maenarien x), Tiquadra 2) und die
kleine Insel des Hannibal. 3) Die Erde auf Ebusus vertreibt
die Schlangen, die von Colubraria erzeugt sie, daher diese
Insel Allen gefährlich ist, welche keine Erde von Ebusus
mitbringen; die Griechen gaben ihr den Namen Ophiusa.
Auf Ebusus kommen auch keine Kaninchen vor, welche
auf den Balearen die Saaten verwüsten. Ausserdem giebt
es noch gegen 20 kleinere Inseln in diesem seichten Meere.
An der gallischen Küste, bei der Mündung des Rhoda-
nus liegt Metina4), unweit davon Blascon5); ferner drei
Inseln, welche von den benachbarten Massiliensern wegen
ihrer Lage in einer Reihe die Stöchaden6) genannt sind, die
eine heisst Prote7), die zweite Mese8) oder Pomponiaua
und die dritte Hypäa.9) Dann folgen: Sturium10), Phönice11)
Phila12), Antipolis13) gegenüber Lero14) und Lerina15), wo
sich noch das Andenken an die früher vorhandene Stadt
Vergoanum erhalten hat.
12.
Im ligustischen Meere, jedoch näher nach dem tus-
cischen hin liegt Corsica, welches die Griechen Cyrnos
genannt haben. Ihre Länge von Norden nach Süden be-
trägt 150,000 Schritte, ihre Breite an den meisten Stellen
50,000 und ihr Umfang 325,000. Sie ist von den volaterra-
nischen Untiefen 62,000 Schritte entfernt, hat 32 Stadt-
gemeinden und die Colonien Mariana16) von C. Marius, und
Aleria17) vom Dictator Sulla angelegt. Diesseits liegt Ogla-
sa18), und nicht ganz 60,000 Schritte von Corsica: Plana-
ria19), so genannt von ihrem ebenem Boden, wodurch sie
dem Meere ähnlich sieht und daher die Schiffer täuscht.
') Malgrates. 2) Dragonera. 3) Toro. 4) Jamatan. 5) Brescou.
«) Hyeren. 7) Poquerolles. «) Port Cros. 9) Levant oder Titan. ,0) Ri-
bauclas. ") Langaustier. ,2) Bagneau. 13) Antibes in Frankreich.
,4) St. Marguerite. I5) St. Honore de Lerin. ,6) und ") Von beiden
finden sich noch Ruinen auf der nach Italien zu gerichteten Seite
der Insel. Aleria wurde erst 1730 zerstört, ,8) Monte Christo.
w) Formicole.
17
258 Drittes Buch.
Von grösserem Umfange sind Urgo *) und Capraria2), von
den Griechen Aegilon genannt; ferner Aegilium3), Dianium4)
oder Artemisia, beide der cosanischen Küste5) gegenüber;
Barpana 6), Manaria 7), Columbaria 8) und Venaria. 9) Uya e)
bei den Griechen Aethalia, mit Eisengruben, hat im Umfange
100,000 und ist von Popularium n) 10,000 Schritte entfernt;
Planasia 12) liegt 28,000 Schritte davon. Nach diesen liegen
enseits der Mündung des Tiber im antianischen Meere
Astura13), dann Palmaria14), Sinonia15) und Formiä16) gegen-
über Pontiä.17) Im puteolanischen Busen liegt Pandataria18)
und Prochy ta 19), die nicht von der Amme des Aeneas, son-
dern weil sie von der Insel Aenaria fortgeschleudert sein
soll, diesen Namen hat. Aenaria20) führt ihren Namen vom
Aeneas, der hier mit seinen Schiffen landete. Homer21) nennt
sie Inarime, die Griechen Pithecusa, aber nicht von einer
Menge dort befindlicher Affen, wie Einige geglaubt haben,
sondern von den daselbst verfertigten fassförmigen 2'2) Töpfer-
waaren. Zwischen Pausilipus 23) und Neapel liegt Mega-
ris 24); ferner 8000 Schritte von Surrentum entfernt, die
durch das Schloss des Tiberius berühmte Insel Capreä25)r
welche 11,000 Schritte im Umfange hat.
13.
Nicht weit davon liegt Leucothea26), und ausser dem
Gesichtskreise an der Grenze des afrikanischen Meeres:
Sardinien, kaum 8000 Schritte von den äussersten Punkten
Corsica's entfernt, und dieser enge Kaum wird noch durch
einige kleine Inseln, welche Cuniculariae oder Hundsinseln27)
heissen, ferner durch die Inseln Phintoni28) und Fossä29),
') Gorgona. 2) Caprara. 3) Giglio. 4) Gianuti. 5) Halbinsel Argen-
taro. fi) Forniiche di Grosseto. 7) Meleora. 8) Palmajola. 9) Cervoli.
10) Elba. >') Piombino. ,2) Pianosa. ,3) Noch jetzt Astura. M) Pal-
maruola. ,5) Sennone. 16) Mola. ") Ponza. ,8) Ventotiene. 19) Pro-
eida. 20) Ischia. 21) Iliade IL, 290. 22) Tti&oq: Fass. 23) Posilippo.
2<i) Castello dell'Ovo. 25) Capri. 26) Lungo.
27) Sind eigentlich blosse Klippen, 10 an der Zahl und heissen
jetzt die Bucinarischen Inseln.
28) Figo. --9) Lovossi.
Drittes Buch. 25i*
von welcherietzteren die Meerenge selbst den Namen Taphros1),
bekommen hat, beschränkt. Sardinien misst an der Ostseite
188,000, an der Westseite 175,000, gegen Mittag 77,000,
gegen Mitternacht 125,000 Schritte; der Umfang beläuft sich
also auf 565,000 Schritte. Vom caralitanischen2) Vorgebirge
aus beträgt ihre Entfernung von Afrika 200,000 und von
Gades 1,400,000 Schritte. Auch auf der Seite des gordi-
tanischen 3) Vorgebirges liegen zwei Inseln, welche Herku -
lesinseln 4) genannt werden; ferner Enosis 5) beim sulcen-
sischen 6) und Ficaria 7) beim caralitanischen Vorgebirge.
Einige setzen auch in ihre Nähe die Bereliden 8), Collodes 9)
und die sogenannte Heras Lutra. 10) Die berühmtesten Völ-
ker Sardiniens sind: die Ilienser, Balarer und Corsen.
Unter den 18 Städten haben folgende das römische Bür-
gerrecht: die Sulcitaner11), Valentiner12), Neapolitaner13),
Bosenser14), Caralitaner 15) und Norenser16); ihre einzige
Colonie heisst „Zum Thurme des Libyso". 17) Timäus 18)
nennt Sardinien wegen ihrer Aehnlichkeit mit einer Fuss-
sohle Sandaliotis, Myrsilus19) wegen ihrer Aehnlichkeit mit
einem Fussstapfen Ichnusa. Dem pästanischen Meerbusen
gegenüber liegt Leucasia20) von einer daselbst begrabenen
Sirene so genannt. Gegen Velia 21) hin liegen Pontia 22) und
Iscia 23), die auch den gemeinsamen Namen Oenotriden füh-
ren, ein Beweis, dass die Oenotrier einst Italien im Besitz
') Tu<fQoc = fossa, Graben.
2) Capo Ferrato und Capo di Carbonara.
3) Capo di monte Falcone und Capo di Argentera.
') Asinaro (Zavara) und Piana.
5) S. Antioco. 6) Punta dell'Ulga. ~) Cortelazo. 8) Toro, Vacca
und Vitello. 9) Maldivente. ,0) S. Pietro. ») Palma di Solo. 12) Igle-
sias. ,3) Oristano. M) Bosa.
,s) Calaris, jetzt Cagliari, die Hauptstadt der Insel.
,,!) Fanura. 1T) Porto di Torre.
,8) Von Tauromeniurn in Sicilien, um 260 v. Chr., lebte, von sei-
nem Vaterlande verbannt, in Athen.
,9) Oder Myrtdias, ein griechischer Schriftsteller aus Lesbos, über
dessen Lebensverhältnisse aber nichts weiter bekannt ist.
20) Piana. 2I) Castell'amare. 22) IJonza. -3) Isca.
17*
2(50 Drittes Buch.
hatten. Vibo l) gegenüber liegen einige kleine Inseln,
welche von der auf ihr befindlichen Warte des Ulysses die
ithacesischen -) genannt werden.
14.
Alle andern Inseln aber übertrifft Sicilien an Ruhm;
sie wird von Thucydides 3) Sicania, von Mehreren wegen
ihrer dreieckigen Gestalt Trinacria oder Triquetra genannt.
Ihr Umfang beträgt 618,000 Schritte. Früher hing sie mit
dem brutischen Gebiete zusammen, später aber riss sie das
zwischenströmende Meer von ihm los und bildete eine
15,000 Schritte lange und bei der Columna Rhegia 1500
Schritte breite Meerenge. Wegen dieses Abreissens gaben
die Griechen der an dem Endpunkte Italiens belegenen
Stadt den Namen Rhegium. 4) In dieser Meerenge befindet
sich die Klippe Scylla und der Meerstrudel Charybdis, beide
durch ihre Verheerungen berüchtigt. Das Vorgebirge dieser
dreieckigen Insel, welches der Scylla gegenüber nach Italien
zu liegt, heisst Pelorum 5), das nach Griechenland zu lie-
gende Pachynum 6) und ist 440,000 Schritte vom Pelopon-
nes, gegen Afrika hin das lilybaische 7) 180,000 Schritte
vom Vorgebirge des Merkur 8) und 190,000 Schritte vom
caralitanischen in Sardinien entfernt. Unter sich aber sind
diese Vorgebirge und Seiten durch folgende Zwischenräume
von einander geschieden Der Landweg vom Pelorum zum
Pachynum beträgt 191,000 Schritte, von da zum Lilybäum
200,000 und von da zum Pelorum 170,000 Schritte. Colo-
nien sind 5, Städte und Stadtgemeinden 63 vorhanden.
Beim Pelorum an der Küste des jonischen Meeres liegt
>
') Bibona.
2) Toricella, Brace, Praca und andere Klippen ohne Namen.
3) Der grösste griech. Geschichtsschreiber, Sohn des Oloros und
der Hegesipyle, geb. zu Athen 471 v. Chr., 403 auf einer Reise nach
Thracien von Räubern ermordet.
*) Von (jTjyvifii: reisseil.
5) Capo di Faro.
6) Capo di Passaro.
7) Capo di Boco. x) Cap Ron.
Drittes Buch. 261
Messana 1), deren Bewohner das römische Bürgerrecht haben
und Mamertiner genannt werden. Das Vorgebirge Drepa-
num 2), die Colonie Tauromenium 3), früher Naxos genannt,
der Fluss Asines 4), der Berg Aetna, merkwürdig wegen
seiner nächtlichen Flammenausbrüche. Sein Krater hat 26
Stadien im Umfange, die heisse Asche fliegt bis nach Tau-
romenium und Catina 5), das Getöse aber hört man bis
nach Maro 6) und den Zwillingshügeln. 7) Die drei Klippen
der Cyclopen 8), der Hafen des Ulysses9), die Colonie Ca-
tina 10), die Flüsse Symäthum n) und Terias. 12) Im Innern
liegen die lästryganischen Gefilde, die Städte Leontini 13),
Megaris14), der Fluss Pantagies 15), die Colonie Syrakusä
mit der Quelle Arethusa. Ausserdem trinkt man im syra-
kusanischen Gebiete auch aus den Quellen Temenitis 16),
Archidemia17), Magäa18), Cyane 19) und Milichie.20) Der
Hafen Naustathmus21), der Fluss Elorum22), das Vor-
gebirge Pachynum, ihm zur Seite der Fluss Hirminium 23),
die Stadt Caramina24), der Fluss Gelas25), die Stadt Acra-
gas 26), bei uns Agrigentum genannt, die Colonie Thermä 27),
die Flüsse Achates28), Mazara29) und Hypsa30), die Stadt
Selinus 31), dann das Vorgebirge Lilybäum, Drepana 32), der
Berg Eryx33), die Städte Panchornum u), Solus35), Himera 36)
mit dem Flusse gleichen Namens37), Cephalödis38), Alun-
tium39), Agathyrnum 40), die Colonie Tyndaris41), die Stadt
Mylä 42), und endlich das Vorgebirge Pelorum, von wo wir
ausgingen.
l) Messina. 2) Grosso. 3) Taormina 4) Cantara. 5) Catania.
') Maretto. 7) Monte cli Mele. 8) GH Farigliom. 9) S. Alessio. ,0) Ca-
bauia. ") Giaretta. ,'-) Guaralunga. ,3) Lentini. y>) Ruinen bei Mili-
tello. 15) Porcaro. ,6) Fontedi Canali. 17) Cefalino. ,8) Fönte dellaMa-
•lalena. ,9) Fönte Ciane. 20) Lampismotta. iX) Asparanetto. '--; Abisso.
-3) Fiume di Ragusa. 2i) Camerina. 25) Fiume di terra nova. 26) Gir-
genti. 27) Termini. -*) Dirillo. 29J Fiume di Mazzara. i0) Beiice
sinistre. 3M Ruinen bei Castelvetrano. 32) Trapani. 3aj Monte St.
Giuliano. 3i) Palermo. 3S) Solanto. 3C) Trümmer davon bei Termini.
;;T) Fiume Salso. 38) Cefalu. 39) AJonzo. /,0j S. Agata. 4I) Tindaro.
'-) Milazzo.
262 Drittes Buch.
Im Innern der Insel wohnen folgende Völker mit latei-
nischen Hechten: die Centuripiner *) , Netiner 2) und Sege-
staner. Zinsbar sind: die Assoriner 3), Aetnenser 4), Agy-
riner 5), Acestäer 6), Acrenser 7), Bidiner 8), Cetariner 9), Ca-
cyriner10), Drepanitaner11), Ergetiner12), Echetlienser13), Ery-
ciner14), Entelliner15), Eniner16), Enguiner17), Gelomer1-),
Galatiner19), Halesiner20), Hennenser21), Hyblenser22), Herbi-
tenser 23); Herbessenser 24), Herbulenser, Halicyenser25), Ha-
dranitaner26), Imacarenser27), Ipauenser28), Ietenser29)/ Myti-
stratiner 30), Magelliner31) Murgentiner32), Mutycenser 33),
Menaniner34), Naxier35), Noäer36), Petriner37), Paropiner 38),
Phtinthienser, Semellitaner, Scheriner39), Selinuntier, Syniü-
thier, Talarenser 40), Tissinenser41), Triocaliner42), Tiracinen-
ser43) und die messenischen Zancläer44) an der sicilischen
Meerenge.
Gegen Afrika zu liegen folgende Inseln: Gaulos45),
Melita46), von Camerina47) 87,000, von Lilybäum 113,000
Schritte entfernt, Cosyra48), Hieronesos49), Cäne50), Galata51),
*) Centorbi. -) Noto. 3) Asano. 4) Nicolosi. 5) San Filippo
d'Argyrone. 6) Agosta. 7) Palazzuola. 8) S. Giovanni di Bidini.
9) Catarra. 10) Cassaro. n) Trapani. ,2) Artesina. ,3) Granmichele.
14) Trapano del Monte. 15) Enteila. 16) Aidone. 1T) Gangi vetere.
18) Torre nova. 19) Galati. 20) Torre di Petineo. 21) Castro Giovanni.
«) Paterno. 23) Erba. 24) Li Grutti. -5) Rocalcale. 26) Aderno. 27) Mac-
cara. -8) Icana. 29) Jato. 30) Mistretta. 31) Macellaro. 32) Mandri
Bianchi, 33) Modica. 3i) Mineo. 35) Schisso. 36) Noara, 37) Petralia
Soprana. 38) Parco. 39) Calogero. A0) Tatria. 41) Randa/.za. -12) Co-
lotrasi Castello. 43) Torcisi.
44) Zankle wurde lange vor dem Anfange der Olympiaden (77H
v. Chr.) von ausgewanderten Cumanern gegründet. Nach der Ein-
nahme von Ira zog ein Theil der Messenier unter Gorgus dahin, und
der Name Zankle wurde nach und nach mit „Messene" vertauscht,
bis letzterer allgemein wurde, und der Tyrann von Rhegium, Anaxe-
las (von messenischer Abkunft), sich um die Zeit der marathonischen
Schlacht (990 v. Chr.) derselben bemächtigte. Späterhin wurde
Messena von den Mamertinern (Miethstruppen des Agatkocles von
Syrakus) erobert. Diese ermordeten alle männlichen Einwohnei
Diess war die nächste Veranlassung des ersten punischen Krieges.
45) Gozzo. 46) Malta. '") Auf Sicilien. 48) Pantalaria. 49) Mare-
timo. ™) Limosa. *•) Galita.
Drittes Buch. 263
Lopadusa1), Aethusa2), auch Aegusa geschrieben, Buci-
ma 3), Osteodes 4) , 75,000 Schritte vom Solus 5) entfernt,
und Ustica, Paropini e) gegenüber. Diesseits Sicilien aber,
dem Flusse Metaurus 7 ) gegenüber, liegen in einer Entfernung
von beinahe 25,000 Schritten von Italien die äolischen
Inseln, sie heissen auch die liparäischen, bei den Griechen
die hephästiadischen , bei uns die vulkanischen. Die äoli-
schen heissen sie deshalb, weil Aeolus zur Zeit des tro-
janischen Krieges dort regierte. Lipara 8), mit der gleich-
namigen Stadt welche das römische Bürgerrecht hat, ver-
dankt ihren Kamen dem Könige Liparus, dem Nachfolger
des Aeolus; sie hiess früher Melogonis oder Meligunis, ist von
Italien 25,000 Schritte entfernt, und hat einen fast eben so
grossen Umfang. Zwischen ihr und Sicilien liegt eine an-
dere Insel, welche ehemals Therasia hiess, jetzt aber den
Namen Hiera 9) hat, weil sich auf ihr ein alle Nächte Feuer-
speiender Hügel befindet, der dem Vulkan geweihet ist.
Die dritte, Strongyle 10), liegt von Lipara 1000 Schritte ent-
fernt gegen Osten; auf ihr regierte Aeolus; sie unterschei-
det sich von Lipara nur durch die hellere Flamme des
Berges, aus dessen Rauche die Einwohner schon auf drei
Tage im Voraus sollen bestimmen können, welche Winde
wehen werden; daher hat man geglaubt, die Winde gehorch-
ten dem Aeolus. Die vierte Insel heisst Didyme11) und ist
kleiner als Lipara; die fünfte Ericusa12); die sechste Phö-
nicusa13), dient den zunächst liegenden nur als Weide; die
letzte und kleinste heisst Evonymos. 14) So viel von dem
•ersten Hauptbusen Europa's.
15.
Von Locri fängt die Seite Italiens an, welche Gross-
Griechenland genannt wird und drei Busen des auso-
nischen Meees bildet; dieses Meer hat den Namen von den
Ausoniern, welche zuerst seine Küste bewohnten. Nach
') Larnpedosa. 2) Favignana. 3) Levanzo. 4) Alicur. 5) Solanto.
6) Parco. 7) Marro. 8) Lipari. 9) Volcano. 10) Stromboli. ») Sa-
line. 12) Alicudi. 13) Felicudi. 14) Eisca Bianca.
264 Drittes Buch.
Vai-ro x) dehnt es sich auf 86,000 Schritte aus , nach Än-
dern nur auf 75,000. Unzählige Flüsse befinden sich an
seiner Küste'; aber besonders merkwürdig sind, bei Locri:
(die) Sagra2), Spuren der Stadt Caulo3), Mystia4), Castrum
Consilinum 5), Cocinthum 6), welches Einige für das längste
Vorgebirge Italiens halten; dann der scylacische 7) Meer-
busen mit der Stadt Scylacium, welche von ihren Gründern,
den Atheniensern, Scylletium genannt ist. Die diesem Orte
gegenüberliegende terinäische 8) Bucht bildet eine HalbinseL
auf welcher ein Hafen, Castra Hannibalis9) genannt, liegt.
Nirgends ist Italien schmäler als hier, denn seine Breite be-
trägt nur 20,000 Schritte. Deshalb wollte der ältere Dio-
nisius an diesem Orte Italien durchschneiden lassen, und
das getrennte Stück mit Sicilien vereinigen. Schiffbare
Flüsse dieses Landes sind: der Carcines10), Crotalus n),
Seminus 12), Aroas 13) und Targines. 14) Im Innern liegt die
Stadt Petilia15), der Berg Clibanus, das Vorgebirge Laci-
nium 16), vor welchem in einer Entfernung von 10,000 Schrit-
ten die Insel Dioscoron liegt, eine andere heisst Calypsus,
welche für die Ogygia des Homer17) gehalten wird; ferner
Tiris, Eranusa und Meloessa. 18) Das Vorgebirge19) selbst
ist nach Agrippa 70,000 Schritte von Caulo entfernt.
An dem Vorgebirge Lacinium fängt der zweite Haupt-
busen von Europa an; er macht einen sehr grossen Bogen und
endigt mit dem in Epirus belegenen Vorgebirge Acrocerau-
nium20), welches von jenem 75,000 Schritte entfernt ist.
Hier liegen: die Stadt Croto21), der Fluss Neathus22), die
') Von Atace im narbonensischen Gallien, ein röm. Dichter aus
dem 1. Jahr. v. Chr.
2) Sagriano. 3) Bei Pietra Percia. 4) Maida. a) Consignano.
fc) Stilo. ') Golfo di Squillace. 8) Golfo di S. Eufemia. 9) Torre di
Cuntazaro. 10) Corace. n) Alli. •*) Simmari. 13) Crocha. u) Tacina.
15) Strongoli. 1G) Capo della Colonne.
«) Odyssee VII. 244. XII. 245.
18) Fast keine dieser Inseln existirt jetzt mehr.
10) Lacinium. ao) Capo Linguetta.
2l) Crotone, an der Mündung des Flusses Essaro. -) Nieto.
Drittes Buch. 265
Stadt Thurii zwischen den beiden Flüssen Crathis1) und
Sybaris2), wo ehemals eine Stadt gleichen Namens3) war.
Auf gleiche Weise liegt zwischen dem Siris 4) und Aciris 5)
Heraclea6), früher Siris genannt. Die Flüsse Acalandrum 7),
Casuentum8), die Stadt Metapontum9), mit der sich der
dritte Bezirk von Italien endigt. Von den Brutiern wohnen
nur die Aprustaner 10) mitten im Lande, von den Lucanern
aber die Atenater11), Bantiner12), Eburiner13), Grumentiner14),
Potentiner15), Sontiner16), Siriner, Tergilaner17), Ursentiner18)
und Volcentaner 19) , an welche sich die Numestraner 20)
schliessen. Ausserdem ist nach Cato die lucanische Stadt
Thebä untergegangen, und nach Theopompus auch Pando-
sia, ebenfalls eine Stadt der Lucaner, in welcher Alexander
von Epirus21) starb.
16.
Hieran schliesst sich der zweite Bezirk von Italien,
welcher die Hirpiner, Calabrien, Apulien und die Salentiner
umfasst. Er liegt an dem 250,000 Schritte grossen Meer-
busen, welcher von der an seiner innersten Seite liegenden
laconischen Stadt Tarentum, zu der auch eine früher dort
befindliche See-Colonie gehört, seinen Namen hat. Tarent
ist von dem Vorgebirge Lacinium 136,000 Schritte entfernt,
und von hier an geht Calabrien in eine Halbinsel aus. Die
') Crati. 2) Misofato.
3) Diess war eine ungefähr 720 v. Chr. von Achäern und Tröze-
nern gegründete Colonie, und um die Zeit der 50. Olympiade eine
der reichsten und üppigsten Städte Italiens. 510 v. Chr. wurde sie
aber von den Crotoniaten gänzlich zerstört. Die entflohenen Syba-
riten legten am Flusse Laus ein neues Sybaris an, wurden aber
nach 6 Jahren wiederum von den Crotoniaten vertrieben, die nun
Thurii daselbst erbauten.
') Sinno. 5) Agri. 6) Torre di S. Basilio. 7) Scanzana. 8) Basiento.
9) Torre dimare. ,0) Castrovillari. ") Atena. 12) S. Maria di Vanze.
lJ) Eboli. ") Agromento. 15) Potenza. ™) Sanza. 17) La Terza.
18) Tursi. 19) Buccino. 20) Nusco.
-') König von Epirus, Bruder der Olympias, der Mutter Alexan-
ders des Grossen. Er blieb in Italien, als er den Tarentinern gegen
die Lucaner und Brutier beistand, 326 v. Chr.
2(56 Drittes Buch.
Griechen nannten diess Land nach ihrem Feldherrn Messa-
pia, vorher nach Peucetius, dem Bruder des Onotrius, im
salentini sehen Gebiete , Peucetia. Die beiden Vorgebirge
sind 100000 Schritte von einander entfernt. Die Breite der
Halbinsel beträgt von Tarent bis Brundisium zu Lande
35,000 Schritte, viel weniger aber vom Hafen Sasina1) aus
gemessen. Städte im Lande, von Tarent an, sind: Varia2)
mit dem Beinamen Apula, Messopia3) und Alatium4); an
der Küste: Senum, Callipolis 5), jetzt Anxa, 75,000 Schritte
von Tarent. 32,000 Schritte weiter liegt das Vorgebirge
Acra Japygia6), woselbst Italien sich am weitesten ins
Meer erstreckt. Dann folgt 10,000 Schritte weiter die Stadt
Basta7) und noch 9000 Schritte weiter Hydruntum.8) Hier
scheidet sich das adriatische Meer von dem jonischen; auch
ist hier die kürzeste Ueberfahrt nach Griechenland zu dem
gegenüberliegenden Apollonia9), da die Breite der dazwischen
befindlichen Meerenge nicht über 50,000 Schritte beträgt.10)
Pyrrhus, König von Epirus, fasste zuerst den Plan, auf
Schiffbrücken den Fussmarsch über diese Meerenge fortzu-
setzen, und nach ihm hatte M. Varro, der im Kriege mit
den Seeräubern die Flotte des Pompejus befehligte, dieselbe
Absicht. Beide wurden aber durch andere Umstände an
ihrem Vorhaben verhindert. Von Hydruutum gelangt man
zu dem jetzt wüsten Soletum n), dann folgt Fratuertium 12),
der tarentinische Hafen, die Schiffsstation Miltopä, Lupia13),
Balesium14), Cölia15), das von Hydruntum 50,000 Schritte
entfernte Brundisium16), mit einem der besten Häfen Italiens,
von wo aus die sicherste, wenngleich längste Ueberfahrt
nach der 225,000 Schritte entfernten illyrischen Stadt Dyr-
rhachium 17) stattfindet. An Brundisium grenzt das Gebiet
I) Porto Ce.sareo. 2) S. |Maria di Varietto. 3) Misagna. 4) Latiana.
s) Gallipoli. 6) Capo di S. Maria di Leuca. 7) Vaste. 8) Otranto.
9) Pelina.
,0) Diese Meerenge scheint also in jener Zeit nicht so breit ge-
wesen zu sein, wie jetzt.
II) Solito. ,2) Copertino. ,3) Lecce. u) S. Maria delle Lizza
1S) Ceglia. lG) Brindisi. I7) Durazza.
Drittes Buch. 267
der Pediculer. Neun Jünglinge und ebenso viele Jung-
frauen von illyrischer Abkunft sind die Stammeltern von
16 Völkerschaften. Die Städte der Pediculer heissen: Ru-
diä1), Egnatia2) und Barium3); die Flüsse: Japyx, welcher
seinen Namen von einem Könige, dem Sohne des Dädalus
hat, nach welchem auch Japygia benannt ist; Pactius4) und
der Aufidus5), welcher auf den hirpiuischen Bergen ent-
springt und bei Canusium6) vorbeifliesst.
Hierauf folgt Apulien 7), auch das Land der Daunier 8)
genannt, von ihrem Heerführer, dem Schwiegervater des
Diomedes. In demselben liegen die Städte: Salapia9), be-
kannt durch Hannibal's Ausschweifungen, Sipontum10), Uria11);
der Fluss Cerbalus 12), an der Grenze der Daunier, der Ha-
fen Agasus13), das Vorgebirge14) des Berges Garganus, des-
sen Entfernung vom salentinischen oder japygischen Ge-
biete, um den Garganus herum 234,000 Schritte beträgt;
der Hafen Garnä15), der See Pantanus16), der hafenreiche
Fluss Frento17), das apulische Teanum18), ferner das lari-
nische Cliternia19), der Fluss Tifernus20), dann das fren-
tanische Gebiet.21) Es giebt also 3 Stämme der Apulier:
nämlich die Teaner, so genannt von einem Feldherrn der
Griechen; die Lucaner, welche von Calchas überwunden
sind, und deren Wohnsitze jetzt die Atinater inne haben;
die Daunier, wozu ausser den oben angeführten, noch die
') Rotigliano. 2) Torre di Anazzo. 3) Bari 4) Patrica. 5) Ofanto.
<■) Canosa 7) Capitanata.
8) Daunus, ein angesehener Illyrier, der wegen Unruhen aus seinem
Vaterlande wanderte und sich hier niederliess. Diomedes flüchtete
zu ihm, als er nach seiner Rückkehr von Troja Argos verlassen musste.
Ein anderer Daunus war ein Sohn des Lycaon von Arkadien, der
mit seinen Brüdern Japyx und Peucetius nach Italien ging und sich
in dem nach ihm benannten Daunien niederliess. Plinius scheint
hier beide als eine Person zu betrachten.
9) Salpe. ,0) Manfredonia. ll) Ururi. **) Cervaro. 13) Porto greco.
**) Capo Viestice. ,D) Rodi. ,6) Capo di Lesina. ") Fortore. li) Chiati
Vecchio. ,9) Antica Cliternia. 20) Biferno.
21) Provinz Abruzzo citeriore.
268 Drittes Buch.
Colonien Luceria *) und Venusia 2) ; die Städte: Canu-
sium 8), Arpi 4), welches früher von seinem Gründer, dem
Diomedes, Argos Hippium genannt wurde, nachher aber
Argyrippa hiess. Diomedes vertilgte daselbst die Monader
und Darder, sowie zwei Städte, Apina und Trica5), deren
Namen zum scherzhaften Sprichworte geworden sind.
Im Innern des zweiten Bezirkes liegen ausser der ein-
zigen Colonie der Hirpiner, welche ihren frühem Namen
Maleventum, mit einem von besserer Vorbedeutung, nämlich
Beneventum6) gewechselt hat, die Aeculaner7), Aquilaner8),
Abellinater 9) mit dem Beinamen Protroper, Campsaner 10),
Caudiner11), Ligurer12), mit dem Beinamen Cornelianer, oder
auch Bebianer, die Vescellaner, Aeclaner, Aletriner 13),
Abellinater14) mit dem Beinamen Marser, Atraner15), Aca-
ner16), Alfellaner17), Attinater 18), Arpaner19), Borcaner20),
Collatiner21), Corinenser22), Cannenser23), bekannt durch
die bei ihrer Stadt erfolgte Niederlage der Römer, Dinner,
Focentaner24), Genusiner25), Herdonienser26), Hyriner27)
Larinater 28) mit dem Beinamen Frentaner, Merinater 29) am
') Luccra.
-) Venosa, der Geburtsort des Dichters Horaz. Vergl. Horaz
Satyr. Bd. II. Sat. 1. v. 34.
3) Canosa. 4) Arpino.
•"') Ganz unbedeutende, nichtige Dinge nannten die Römer Tricas
et Apinas.
°) Benevento. 7) Ruinen bei Mirabella. 8) Monte Chilone. 9) Avig-
liano. ,0) Conza.
u) Forchia. In der Nähe von Gaudium befinden sich die cau-
dinischen Engpässe (furculae Caudinae), wo einst die ganze römische
Armee unter den Consuln T. Veturius Calvinus und Spurius Postu-
mius Albanus von den Samnitern gefangen und gezwungen wurde,
durch das Joch zu gehen. Vergl. Livius IX. 2.
'"-) Taurasia. ,3) Alatri. M) Marsico vetere. 15) Atripella. lü) Troja.
,7) Guarda Alfiera. ,8) Atena. >9) Arpaja. 20) Citta Borella.
2I) Coglionisi. 22) Cornito vecchio.
23) Canne. Im zweiten punischen Kriege siegte Hannibal liier
über die Römer, 216 v. Chr.
M) Forenza. w) Ginosa. 26) Ordona. 27) Oria. 2S) Larina. 29) Vieste.
Drittes Buch. 269
Garganus, Mateolaner 1), Netiner2), Rubustiner 3), Silvi-
ner 4), Strabelliner 5), Turnientiner 6), Vibinater7); Venu-
siner 8), Ulurtiner. 9) Mitten im Lande wohnen folgende
calabrische Völker: die Agetiner10), Apamestiner n), Argen-
tiner, Butuntinenser 12), Decianer, Grumbestiner, Norbanen-
ser, Palionenser13), Sturniner 14), Tutiner. 15) Salentinische
Völker sind: die Aletiner16), Basterbiner H), Neretiner 18),
Uxentiner19) und Veretiner. 20)
17.
Nun folgt der vierte Bezirk, den die tapfersten Völker
Italiens bewohnen. An der Küste liegt vom Tifernus21) an
das Gebiet der Frentaner22), der hafenreiche Fluss Trinium23),
die Städte Histonium24) , Buca25) und Ortona26), der Fluss
Aternus.27) Im Innern wohnen die frentanischen Anxaner28),
die obern Carentiner29), die untern Carentiner 30) , und La-
nuenser;im Marrucinischen die Teatiner31); im Pelignischen32)
die Corfinienser33), Superäquaner34), Sulmanenser35); im Mar-
sischen36) die Anxantiner37), Atinater38), Fucenter, Lucen-
ser 39), Maruviner, das den Albensern gehörende Alba 40) am
See Fucinus41); die äquiculanischen Cliterniner und Carseo-
laner42); die vestinischen Augulaner43), jPinnenser44), Pel-
tuinater45), an welche die cismontanischen 46) Aufinater47)
grenzen; im Gebiete der Sommiter, welche die Römer Sabel-
ler, die Griechen Sauniter nennen: die Colonien Alt-Bovia-
- ') Motta della Regina. "-) Noja. 3) Ruvo. 4) Savigliano. 5) Ra-
polla. ß) Due Torre. 7) Bovino. 8) Venosa. 9) Gurigliano. 10) Ajeta,
'•) Vieste. 12) Bitonto. «) Palo. M) Torchiarolo. 15) Tutiano. ,G) Alez-
zano. ,7) Paravita. ,8) Nardo. 10) ügento. 20) Verato. 2l) Biferno.
-2) Abruzzo citeriore. 23) Trigno. -*) Guasto d'Ammone. -5) Termoli.
26) Ortona a niare. 27) Pescara. 28) Loniciana. 29) Civita Burella.
3°) Carlentino. 31) Chieti. 32) Campi di S. Pelino. 33) Pentinia.
M) Castel vecchio Subegno.
33) Sulmona, die Vaterstadt des Dichters Ovid. Vergl. Ovids
Tristi B. IV. Eleg. 9.
36) Ducato di Marsi. 87) Avezzana. 38) Civita dAntino. w) Luco.
") Albi, 41) Lago di Celano. 42) Carsoli. *3) Civita S. Angelo. ■») Ci-
vita di Penna. 45) Monte bello. K) Diesseits des Apennin.
•") Ofena la Pagliana.
270 Drittes Buch.
nuni *) und Bovianum Undecumanorum. 2) Die Aufidena-
ter 3), Eseminer 4), Fagifulaner 5) , Ficolenser, Säpinater 6),
Tereventinater 7); im Lande der Sabiner die Amiterniner 8),
Curenser9), Forum Decii10) Forum novum11), die Fidena-
ter12), Interamnater13), Nursiner14), Nomentaner 15), Reati-
ner16), Trebulaner mit dem Beinamen Mutuscer17) und Suffe-
nater18), Tiburter 19) , Tarinater. 20) In diesem Lande sind
von den Aequiculern untergegangen: die Cominer, Tadiater,
Cädicer und Alfaterner. Gellianus21) berichtet, dass die mar-
sische Stadt Archippa, welche von Marsyas, einem Anfüh-
rer der Lydier erbauet war, vom See Fucinus Verseilungen
sei22); desgleichen schreibt Valerianus 23), dass die Kömer
die Stadt der Viticiner im Picenischen zerstört hätten. Die
Sabiner, welche, wie Einige glauben, wegen ihrer Frömmig-
keit und ihrer heiligen Gebräuche Seviner u) heissen, woh-
nen an den velinischen Seen25) auf thauigen Hügeln. Der
Fluss Nar verdirbt durch seinen Schwefelgehalt ihr Wasser;
er kommt vom Berge Fiscellus 26), stürzt sich bei den Hai-
nen der Vacuna 27) und neben Reate in jene Seen, und
') Bojano.
-) Von der 11. Legion, aus welcher Soldaten hieher zur Gründung
der Colonie geschickt wurden.
3) Alfidena. 4) Isemia. 5) Tojana. 6) Sepino. '•) Trivento. 8) Ama-
trice. 9) Correze. 10) Fara. ") Fornano. 12) Castel Giubileo. !3) Te-
ramo. 14) Norcia. ,5) La Mentana. 16) Rieti.
1T) Monte Leone della Sabina.
»») Trivigliano. 19) Tivoli. 20) Tarano. 21) Ein nicht weiter be-
kannter Schriftsteller. «
22) Spuren dieser Stadt finden sich noch in der Nähe des Ufers
des Sees bei Trasacco. Man bemerkt sie bei niedrigem Wasserstande.
23) Ebenfalls unbekannt.
-A) Von GsßtG&ai: verehren.
25) Es gab deren zwei; der eine im Herzogthum Spoleto heisst
jetzt Lago di Pie de Lugo, der andere im Reatinischen Lago di S.
Susanna.
26) Monte Fiscello bei der Stadt Civita reale. Der Fluss Nar
heisst jetzt Velino bis nach Rieti, von da aber, wo er über den Seen
hinaus ist, Nera.
-7) Die Göttin der Ruhe nach der Ernte; daher feierten ihr die
Drittes Buch. 271
führt, nach dem er sie verlassen hat, sein Wasser dem
Tiber zu. Von der andern Seite her leitet der Anio *), wel-
cher auf dem trebanischen Berge2) entspringt, drei reizende
Seen, von denen Sublaqueum8) den Namen hat, in den Tiber.
M. Varro sagt, dass der cutilische See4) im reatinischen
Gebiete, auf welchem eine Insel schwimmt, die Mitte von
Italien sei. Unterhalb dem Lande der Sabiner liegt Latium,
zur Seite Picenum und im Rücken Umbrien, indem die
Bergrücken des Apenninus das Sabinerland auf beiden Sei-
ten einschliessen.
18.
Der fünfte Besirk ist Picenum5), einst ein sehr volk-
reiches Land, denn 360,000 Picentiner schlössen mit den Rö-
mern ein Bündniss. 6) Sie stammen von den Sabinern, in
Folge eines angelobten heiligen Frühlings7) ab. Sie wohnten
am Flusse Aternus8), da wo jetzt das adrianische Gebiet
und die 6000 Schritte vom Meere entfernte Colonie Adria 9)
liegt. Zu bemerken sind: der Fluss Vomanum10), das prä-
tutianische u) und palmensische Gebiet; ferner Castrum no-
vum 12j, der Fluss Batinum 13), Truentum w) mit dem Flusse
gleichen Namens15), der einzige Ort der Liburner, welcher
in Italien noch übrig geblieben ist. Der Fluss Albula16),
Landleute im December ein Fest , das Vacunalia hiess. Sie hatte
auch zu Rom einen Tempel. Die Römer erhielten ihren Dienst von
den Sabinern. Ovids Fast. IV. 307.
•) Teverone.
2) Die Berge bei Trevi.
-) Subiaco.
'•) Lago di Contigliano.
5) Abruzzo ulteriore und ein Theil der Mark Ancona.
6) Nach ihrer Niederlage durch den Consul Publ. Sempronius
268 v. Chr.
7) Ein solches Gelübde gebot nicht nur, alle Erzeugnisse des
Frühlings den Göttern zu weihen, sondern auch die mannbare Jugend,
welche das Mutterland nicht ernähren konnte, zur Anlegung einer
Colonie fortzuschicken.
8) Pescara. 9) Atri. ,0) Vomano. u) Teramo. n) Giulia nova.
13) Salinello. 14) Civitella del Tronto. ,s) Tronto. 16) Aso.
272 Drittes Buch.
Tervium 1), mit dem das prätutianische Gebiet sich schliesst,
und das picentische beginnt. Weiterhin folgt: die Stadt
Cupra2), Castellum Firmanorum3) und darüber die Colonie
Asculum 4), die berühmteste in Picenum. Im Innern des
Landes liegt Novana5); an der Küste Cluana6), Potantia7),
Numanas), welches von den Siculern erbauet ist. Eben-
dieselben legten auch die Colonie Ancona an, die am Vor-
gebirge Cunerum9) da liegt, wo die Küste einen Ellbogen
bildet, 183,000 Schritte vom Garganus entfernt. Im Innern
des Landes wohnen die Auximater 10), Beregraner n), Cin-
gulaner12), Cuprenser13) mit dem Beinamen Montaner, Fa-
larienser14), Pausulaner16), Planinenser16), Ricinenser17), Sep-
tempedaner 1S), Tollentinater 19), Trejenser20), Urbesalvier21)
und Pollentiner.
19.
Hieran schliesst sich der sechste Bezirk, welcher
Umbrien, nebst dem 'um Ariminum 22) belegenen gallischen
Gebiete umfasst. Bei Ancona beginnt die gallische Küste,
auch Gallia togata23) genannt. Die Siculer und Liburner
hatten den grössten Theil dieses Landstriches im Besitz,
namentlich das palmensische, prätutianische und adrianische
Gebiet. Sie wurden aber von den Umbrern, diese von den
Etruriern und letztere wieder von den Galliern vertrieben.
Die Umbrer werden für das älteste Volk Italiens gehal-
ten, und man glaubt, dass sie deshalb von den Griechen
Ombrier genannt sein, weil sie eine durch Regengüsse ver-
ursachte Ueberschwemmung der Erde erlebt hätten. Die
Thuscer sollen 300 ihrer Städte erobert haben. An der
') Grotte a inare.
2) Ruinen bei dem Dorfe Marano.
3) Fermo. 4) Ascoli. 5) Monte di Nove.
G) An der Mündung des Chiento, wo jetzt Piano di S. Giacomo.
7) Monte Santo. 8) Umana distrutta. 9) Monte Comero. I0) Osimo.
u) Monte Filatrano. ,2J Cingoli. ,3) Ripatransone. 14) Falleroni.
,ä) Grotta Azzolino. i6) S. Ginesio. ,7) Ruinen bei Recanati. ,8) S.
Severino. ,9) Tollentino. 20) Treja. -') Urbisaglia. 2-) Rimini. 23) Oder
cisalpina.
Drittes Buch. 273
Küste befindet sich der Fluss Aesis1), Senagallia 2) , der
Fluss Metaurus3), die Colonien Fanum Fortuna4), und Pi-
saurum5) mit einem Flusse6) gleichen Namens. Im Innern
liegen Hispellum7) und Tuder.8) Ausserdem wohnen dort:
die Ameriner9), Attidiater 10) , Asisinater n), Arnater12), Ar-
sinater 1S), Camerter 14), Casuentillaner 15), Carsulaner 16), Do-
later mit dem Beinamen Salentiner, Fulginater17), Foro-
flaminienser18), Forojulienser 19) mit dem Beinamen Concu-
bienser, Forobrentaner20), Forosompronienser 21), Iguviner22),
Interamnater oder Narter23), Mevanater24), Mevanionenser25),
Matilicater 26), Narnienser 27) , deren Stadt früher Nequinum
hiess, Nuceriner 28) oder Favonienser oder Camelaner, Ocri-
culaner 2!)), Ostraner 30), Pitulaner 31), die zum Theil Pisuer-
ter, zum Theil Mergantiner heissen, Pelestiner32), Sentina-
ter33), Sarsinater34), Spoletiner35), Suasaner, Sestinater 36),
Suillater37), Tadinater 38), Trebiater 39), Tuficaner40), Tifer-
nater, welche in die Tiberiner41) und Metaurenser 42) zer-
fallen, Vessinicater43), Urbinater, welche theils Metauren-
ser44), theils Hortenser45) heissen, Vettonenser46), Vindina-
ter 47), Viventaner. 4S)
In dieser Gegend sind untergegangen: die Feliginater
und die Völker, welche Clusiolum oberhalb Interamma inne
hatten; auch die Sarranater mit den Städten Acerrä 49) oder
Vafriä und Turocalum oder Vettiolum. Ferner die Solina-
ter, Curiater, Fallienater und Apiennater. Auch die Arie-
nater mit Crinovolum, die Usidicaner, Plangenser, Pisinater
') Esio. 2) Sinigaglia. 3) Metaro oder Mitro. *) Fano. 5) Pesaro.
*) Foglia. 7) Ispello oder Spello. ») Todi. 9) Amelia in Spoleto.
,0) Attigio. ") Assisi. ,!i> Civitella d'Arno. 13) Jesi. !i) Camerino.
,5) Valle Casentino. ,6) Monte Castrilli. ,7) Foligno. 18) Forfiamma,.
,9) Zugliano. *») Formigine. 2!) Fossombrone. 22) Gubbio. 23) Terni.
24) Bevagna. 25) Galeata. 26) Matelica. 21) Narni. 28) Nocera. 29) Otri-
colo. 30) Orziano. 3») Pitigliano. 32) Piobbico. 33) Beim heutigen
Sasso Ferrato. 3i) Sarcina. 35) Spoleto. 36) Sestino. 37) Sigello.
3*) Gualdo. 39) Trevi. *>) Ficano. ") Tifi. 42) S. Angelo in Vado.
a) Badia del Vescova. 4i) Urbaria. «) Urbino. 4i) Bettona. 47) S.
Venzano. 48) Cattolico.
49) Lag an der Stelle des heutigen Anzola.
18
274 Drittes Buch.
und Cälestiner. Nach Cato's Bericht ist das oben erwähnte
Ameria 964 Jahre vor dem Kriege mit Perseus1) erbauet.
20.
Der achte Bezirk wird von dem Ariminus2), dem
Padus und dem Apenninus begrenzt. An der Küste befin-
det sich der Fluss Crustumium3), die Colonie Ariminum4)
nebst den Flüssen Ariminus und Aprusa. 5) Hier ist auch
der Fluss Rubico6), der einst die Grenze von Italien bil-
dete. Auf ihn folgen der Sapis7), Vitis8) und Anemo9);
Ravenna, eine Stadt der Sabiner, mit dem Flusse Bedesis10)
105,000 Schritte von Ancona entfernt. Unweit des Meeres
liegt die umbrische Stadt Brutium. n) Im Innern liegen die
Colonien Bononia12), Felsina genannt als sie noch Haupt-
stadt von Etrurien war, Brixillum 13), Mutina14), Parma,
Placentia15); die Städte Cäsena16), Claterna17), Farum Clo-
dii18), Forum Livii19), Forum Popilii20), Forum Truentinorum21),
Forum Cornelii s2) ; die Faventiner23), Fidentiner 24) , Otesi-
ner, Padinater 2'°), Regienser26) von Lepidus gegründet, So-
lonater27) und die gallianischen Salter, welche auch Aqui-
nater heissen, die Tanetaner28), Veleiater29) oder alten Re-
giater30) und die Urbanater. 31) In diesem Lande sind die
Bojer, welche nach Cato aus 112 Stämmen bestanden, und
die Senoner, welche Rom erobert hatten32), untergegangen.
Der Padus 33) fliesst aus dem Schoosse des Berges Ve-
sulus 34), einem der höchsten Gipfel der Alpen, an der
Grenze der vagiennischen Ligurer, aus einer sehenswerthen
Quelle 35) hervor, verbirgt sich dann in einem unterirdischen
!) Der Krieg mit Perseus begann 171 v. Chr.; er wurde 168 bei
Pyclna geschlagen.
2) Marcachia. 3) Conca. 4) Riniini. 5) Ausa. 6) Luso, nach An-
dern der Pisatello. 7) Savio, auch Rio di Cesena genannt. 8) Mon-
tone. 9) Lamone. 10) Renco. ") Bei Palazzuolo? I2) Bologna. 13) Bre-
telo. w) Modena. ,5) Piacenza. ,6) Cesena. n) Maggio. 18) Fornochia.
,9) Forli. 20) Forlimpopoli. 21) Bertinoro oder Brittonoro. -2) Imola.
23) Farenza, 24) Borgo S. Domino. 25) Schloss Bohdeno. 26) Reggio
in Modena. 27) Citta del Sole. 28) Taneto. «•) Monte Veglio. ») Reg-
giola. 31) Sapigno. 32) 390 v. Chr. 33) Po. 34) Viso. 35) Sie heisst
"Visenda. 8. auch II. B. 106. Cap.
Drittes Buch. 275
Gange, und kommt im forovibiensischen Gebiete *) wiederum
zum Vorschein. Er steht keinem andern Flusse an Be-
rühmtheit nach. Bei den Griechen heisst er Eridanus und
ist durch die Strafe des Phaeton 2) bekannt. Beim Aufgange
des Hundssternes schwillt er vom Schneewasser an, allein7
obgleich er dann für Schiffe zu reissend ist, so nimmt er
doch von den Aeckern nichts mit sich fort, sondern be-
wässert sie nur und macht sie dadurch fruchtbarer. Er
durchfliesst eine Strecke von 388,000 Schritten, nimmt
nicht nur schiffbare Apennin- und Alpenflüsse, sondern
auch ungeheure Seen in sich auf, und führt überhaupt 30
Flüsse ins adriatische Meer. Die berühmtesten von diesen
sind, auf der Seite des Apenninus: der Tanarus3), Trebia4)
im Placentinischen, Tarus5), Incias6), Gabellus7), Sculten-
na8) und Rhenus9); von den Alpen her: der Stura, Orgus10),
die beiden Duria11), der Sessites12), Ticinus13), Lambrus14),
Addua15), Ollius 16) und Mincius. 17) Kein anderer Fluss
erhält auf so kurzer Strecke einen grössern Zuwachs. Da-
her presst sich seine Wassermasse stets vorwärts, wühlt in
die Tiefe und wird dem Lande furchtbar, denn obgleich er
zwischen Ravenna und Altinum18) in mehrere Kanäle und
Gräben auf eine Strecke von 120,000 Schritten abgeleitet
ist, so soll er doch, wo er am weitesten austritt, 7 Meere19)
bilden.
Ein schmaler Arm von ihm zieht sich nach Ravenna
hin, der Padusa20) heisst, früher aber Messanikus genannt
wurde. Die nächste Mündung von da an bildet einen ge-
') Pignerolo.
-) Vergl. Ovid's Metamorph. II. Bd. 304.
3) Tanaro.
■) Trebbia. Hier fiel die berühmte Schlacht, 218 v. Chr., im
zweiten punischen Kriege vor.
5) Taro. °) Lenza. 7) Gavecello. 8) Panaro. 9) Reno. ,0) Orco.
n) Dora Baltea und Dora Ripera.
,2) Sesia. !3) Tesino. M) Lambro. ,5) Adda. ,ß) Oglio. I7) Mincio
,8) Altino. I9) Septem maria; siehe weiter unten.
,2°) Portp nuovo della Bajona.
18*
276 Drittes Buch.
räumigen Hafen l), der Vatreni 2) heisst, aus dem der Kai-
ser Claudius, als er siegreich aus Britannien zurückkehrte 3),
in einem sehr grossen Schiffe, das mehr einem Hause
glich, ins adriatische Meer auslief. Ehemals hiess sie die
eridanische Mündung, nach Andern die spinetische von der
Stadt Spina, welche daneben lag, von Diomedes erbauet
war, und, wie man aus den zu Delphi befindlichen Schätzen4)
schliesst, viel Keichthum besass. Hier erhält der Padus
durch den Fluss Vatrenus, welcher aus dem forocornelien-
sischen Gebiete5) kommt, neuen Zuwachs.
Die dann kommende Mündung heisst Caprasiä6), die
folgende Sagis, und endlich Volane 7), früher Olane genannt.
Alle diese Kanäle und Gräben haben, von Sagis aus, die
Thuscer zuerst gemacht, indem sie den heftigeu Strom quer
durch die atrianischen Sümpfe, welche die 7 Meere genannt
werden, nach dem berühmten Hafen der thuscischen Stadt
Atria8) leiteten. Von dieser Stadt hiess das Meer, welches
wir jetzt das adriatische nennen, vormals das atriatische.
Nun folgen9) die wasserreichen Mündungen Carbo-
naria10) und die philistinischen Teiche11), die auch der
Tartarus genannt werden. Sie entstehen sämmtlich durch
den Austritt des philistinischen Kanals12), wozu noch die
Flüsse Athesus 13) von den trideutinischen Alpen und Togi-
sonus 14) aus dem patavinischen Gebiete kommen. Ein Theil
dieser Gewässer bildet den nächsten Hafen Brundulum15),
') Porto di Primaro.
"-) Vom Flusse Vatrenus (Santerno), welcher in diesen Arm des
Po fallt.
3) 44 v. Chr.
4) Die von den Spinetern dorthin geschenkt waren.
5) Imola.
6) Die Stelle von dieser und der jetzigen Mündung nehmen jetzt
die stagni di Comachio ein. Nur eine Mündung findet sich noch da-
selbst, welche Porto di magnavacca heisst, die andere ist versandet.
7) Porto di Volano. 8) Adria. ») Nördlich.
,0) Bocca detta la Maestra. ») Porto di Pozzatini. '*-) Polosella.
»») Et seh. •<) Concone Togna. ,s) Brondolo.
Drittes Buch. 277
sowie die beiden Medoacischen Flüsse *) und der clodiscbe
Kanal den Edro2) bilden. Mit diesem vereinigt sieb der
Padus und dureb diese Mündungen ergiesst er sich. Die
Meisten glauben, er bilde, gleichwie der Nil in Egypten
das Delta, ein Dreieck von 2000 Stadien im Umfange. So
sehr ich mich schäme, bei der Beschreibung Italiens von
den Griechen etwas zu entlehnen, so muss ich doch anfüh-
ren, dass Metrodorus von Scepsis3) behauptet, der Padus
habe seinen Namen von den Fichten, welche in grosser
Menge an seiner Quelle wachsen, und in der gallischen
Sprache Padi heissen, erhalten. In der Sprache der Li-
gurer heisst er Bodincus, was seine fast grundlose Tiefe
andeutet. Diess erweist sich durch die dort liegende Stadt
Industria4), welche vormals Bodincomagum hiess, und in
deren Nähe der Padus sehr tief zu werden beginnt.
21.
Der jetzt folgende elfte Bezirk heisst der transpa-
d an i sehe5); er liegt ganz im Innern des Landes und vom
Meere wird ihm alles durch diesen fruchtbaren Strom zu-
geführt. Städte darin sind: Vibi Forum6) und Segusio.7) Co-
lonien am Fusse der Alpen: Augusta Taurinorum8), von
einem alten Stamme der Ligurer gegründet; hier wird der
Po schiffbar. Dann Augusta Prätoria9) im Lande der Sa-
lasser, neben den Alpenpässen Grejä10) und Peniä.11) Durch
letztern sollen die Carthaginienser, durch erstem aber Her-
kules gegangen sein. Die Stadt Eporedia12), vom römischen
Volke durch einen Befehl der sibyllinischen Bücher erbauet.
Die Gallier halten die Eporedier für gute Reiter. Vercella
Libicorum13) ist von den Salluviern erbauet, Novaria14)
von den Vertacanacoren und gehört jetzt zum Distrikte der
*) Die Brenta und Bacchiglione. -) Porto di Chioggia.
:1) Lebte im zweiten Jahrh. v. Ohr.
Yerrua. 5) Jenseits des Po. 8) Castel Fiori. ") Suse.
8) Turin. 9) Aosta.
,0) Zwischen dem Mont Iseran und Mont Blanc.
n) Zwischen dem Mont Blanc und dem grossen St. Bernhard.
vi) Ivrea. I3) Vercelli. 14) Novara.
278 Drittes Buch.
Vocontier, nicht, wie Cato glaubt, zu dem der Ligurer.
Die Lavier und Maricier aus dem Stamme der Ligurier
haben in der Nähe des Padus Ticinum1) erbauet, sowie
die Bojer, welche über die Alpen gereist waren, Laus Pom-
peja2), und die Insubrer Mediolanum 3) baueten. Cato giebt
an, dass die Bewohner vonComum4), Bergamum5) und Li-
ciniforum 6) und andere Völker jener Gegend von den
Orobiern herstammten, gesteht aber, dass er den Ursprung
dieses Volkes nicht kenne, wogegen Cornelius Alexander7)
sie aus Griechenland abstammen lässt, weil ihr Name so-
viel als Bergbewohner bedeute.
In dieser Gegend sind verschwunden: Die orobische
Stadt Barra, woher nach Cato die Bergomater abstammen,
doch soll nach ihm Barra eine höhere und glücklichere
Lage gehabt haben; ferner die Caturiger, ein verbannter
Stamm der Insubrier, das oben genannte Spina, auch das
reiche Melpum, welches nach Cornelius Nepos von den
Insubriern, Bojern und Senonen an demselben Tage zerstört
ist, an welchem Camillus8) Veji einnahm.
22.
Nun folgt der zehnte, am adriatischen Meere belegene
Bezirk. Zu ihm gehört: Venetia, der von dentarvisonischen9)
Bergen kommende Fluss Silis 10), die Stadt Altinum, der auf
den opiterginischen Bergen entspringende Fluss Liquentia11),
mit einem Hafen desselben Namens, die Colonie Concor-
!) Pavia. 8) Lodi. 3) Mailand. '') Como.
B) Bergamo. 6) Barlasina.
7) Von Kotyaeum in Phrygien oder (nach Suidas) von Milet,
griechischer Schriftsteller um 84 v. Chr., war Sclave des Cornelius
Leutulus, der ihm die Freiheit schenkte. Er nannte sich deshalb
auch Cornelius, und seiner ausgebreiteten Kenntnisse wegen hiess er
Polyhistor. Kam im Brande seines Hauses um.
8) 395 v. Chr. S. Livius V. 19. Die Stadt wurde später wieder
aufgebauet und heisst jetzt Melzo.
») Bei Treviso.
,0) Sile, an dessen Ufern die Ruinen von Altinum liegen.
") Liven/.a.
Drittes Buch. 279
dia *), die Flüsse und der Hafen Romatinum 2), die Flüsse
Tilaventum majus 3) und minus4), Anaxum 5), in welchen
der Varranus6) fliesst, der Alsa7), Natiso8), der nebst
dem Turms9) vor der 15,000 Sehritte vom Meere entfern-
ten Colonie Aquileja vorbeifliesst. Diesen Landstrich be-
wohnen die Carner, und den angrenzenden die Japyder;
hier ist zu bemerken : der Fluss Timavus 10), das durch sei-
nen Wein berühmte Castell Pucinum11), der tergistinische
Busen 12), die Colonie Tergeste 13), 23,000 Schritte von Aqui-
leja entfernt. Ueber 6000 Schritte weiter und 189,000
Schritte von Ravenna fiiesst der Formio u), die ehemalige15)
Grenze des vergrösserten Italiens, jetzt aber die von Istrien.
Istrien hat seinen Namen von dem Flusse Ister16), von
welchem Mehrere, unter andern auch Nepos, der doch am
Padus wohnte, behaupten, dass er aus dem Danubius, der
auch Ister heisst, den Mündungen des Padus gegenüber, ins
adriatische Meer fliesse, und dass durch den von beiden
entgegengesetzten Seiten kommenden Andrang dieser Flüsse
das dazwischen liegende Meer süss sei; allein sie irren
hierin, denn kein Arm ergiesst sich aus dem Danubius ins
adriatische Meer. Ich glaube, sie haben sich dadurch täu-
schen lassen, dass das Schiff Argo auf einem Flusse unweit
Tergeste, dessen Namen man aber nicht weiss, ins adria-
tische Meer fuhr. Genaueren Nachrichten zufolge wurde es
auf den Schultern über die Alpen getragen, dann auf dem
Ister, dem Savus17) und Nauportus18), der davon seinen
Namen hat und zwischen Aemona19) und den Alpen ent-
springt, weiter gefahren.
1) Oderzo am Livenza.
2) Die Flüsse heissen jetzt: Lemene und Regene. Der Hafen:
Oruaro.
3) Taglianiento. 4) Tajamento. 5) Stella. 6) Muzonela. 7) Ansa.
«) Natisone. 9) Torre. 10) Timuvo. ») Duina, ,2) Golfo de Trieste.
,3) Triest. M) Risano.
a) Vor Augusts Eintheilung.
,G) Ister war der griechische. Danubius der römische Name
der Donau.
'7) Die Sau. '») Laybach. ,9) Laybach.
280 Drittes Buch.
■ 23.
Istrien läuft in eine Halbinsel aus. Seine Breite beträgt
40,000, sein Umfang aber, wie Einige angeben, 125,000 Schritte.
Ebenso verhält es sich mit dem angrenzenden liburnischen
und dem flanatischen Meerbusen1), während Andere deren
Grösse zu 225,000 Schritten angeben. Nach Einigen soll die
Grösse Liburniens 180,000 Schritte betragen; noch Andere
sagen, Japydien ziehe sich hinter Istrien bis zum flanatischen
Meerbusen auf 130,000 Schritte hin. Tuditanus2), der die
Istrier unterjochte, schrieb aufseine dort aufgestellte Bildsule:
„Von Aquileja bis zum Flusse Titius3) siud 1000 Stadien."
Istrische Städte mit römischem Bürgerrechte sind Aegida4)
und Parentium5); die Colonie Pola6), welche jetzt Pietas
Julia heisst, wurde von den Colchiern gegründet; von Ter-
geste ist sie 100,000 Schritte entfernt. Nicht weit davon
liegt die Stadt Nesautium 7), und dann folgt als Grenze von
Italien der Fluss Arsia. 8) Der Seeweg von Ancona nach
Pola beträgt 120,000 Schritte.
Im Innern des zehnten Bezirkes liegen die Colonien:
Cremona und Brixia9) im Gebiete der Cenomaner; in dem
der Venetier aber Ataste 10) und die Städte Acelum n), Pa-
tavium12), Opitergium 13), Belunum14) und Vicetia. 15) Man-
tua ist noch die einzige den Thuscern gebliebene Stadt jen-
seits des Padus. Nach Cato stammen die Veneter von
einem trojanischen Stamme, ferner haben, nach ihm, die
Cenomaner früher bei Massilien im Volcischen gewohnt.
Nun folgen die Fertiner16), Tridentiner 17) und Beruenser,
welche in rhätischen Städten wohnen. Verona gehört den
Rhätiern und Euganeern, sowie die Julienser zu den Carnern.
Andere Völker, von denen wir indessen keine nähere Be-
') Golfo di Quarnero.
2) Sempronius Tuditanus, ein römischer Feldherr im zweiten pu-
nischen Kriege, triumphirte im Jahre 228 v. Chr. über die Istrier.
3) Kerka. 4) Capo d'Istria. 5) Parenzo. 6) Pola. 7) Refonzi. 8) Arsa.
») Brescia. 10) Este. ") Asolo. 12) Padua. 13) Oderzo. ") Belluno.
,s) Vicenza, ,6) Feltre. ») Triente.
Drittes Buch. 281
Schreibung beizufügen brauchen, sind: die Alutenser1), Asse-
riater 8), Flamonienser, von denen ein Theil Vanienser 3), ein
anderer Culicer4) heisst, die Forojulienser5) mit dem Bei-
namen Transpadaner, die Foretaner6), Nedinater7), Quar-
quener8), Taurisamer, Togienser und Vervarer. Unterge-
gangen sind in diesem Distrikte längs der Küste: Iramina,
Pellaon, Palsatium; bei den Venetern Atina und Cälina,
bei den Carnern Segeste9) und Ocra, und bei den Tauris-
cern Noreja. 10) 12 Meilen11) von Aquileja ist, wie L. Piso
berichtet, eine Stadt von Claudius Marcellus, wider den
Willen des Senats, zerstört worden. Es giebt hier auch 11
berühmte Seen, aus denen entweder Flüsse entspringen,
oder die von Flüssen durchströmt werden, wie der See
Larius 12) von der Addua13), der Verbanus14) von dem Tici-
nus15), der Benacus16) von dem Mincius17), der Sebinus18)
von dem Ollius 19), der Eupilis 20) von dem Lambrus21); alle
diese Flüsse aber ergiessen sich in den Padus.
Die Alpen sollen sich, nach Cälius,22), der Länge nach
vom obern23) bis zum untern24) Meere auf eine Million Schritte
erstrecken. Timagenes25) nimmt 22,000 Schritte weniger
an; ihre Breite beträgt nach Cornelius Nepos 100,000
Schritte, nach T. Livius 3000 Stadien. Beide gehen aber
') Lodrone. -i Ruinen bei Benkovac. 3) Venzona.
4) Flagogna. 5) Friaul. 6) Fortino.
7) Nadin. 8) Görz.
9) An dessen Stelle jetzt Alt-Sissek.
,0) An dessen Stelle jetzt Friesach.
n) lapides. I2) Lago di Como.
I3) Adda. M) Lago maggiore. ,5) Tessin. 16) Lago di Garda.
") Mincio. I8) Lago d'Iseo. ,9) Oglio.
M) Lago di Pusiano. -') Lambro.
-2) L. Caelius Antipater, gegen 20 v. Chr., beschrieb unter den
Römern zuerst den zweiten punischen Krieg.
w) Adriatischen. M) Etrurischen.
") Von Alexandrien, verlor bei der Eroberung seiner Vaterstadt
durch die Römer (55 v. Chr.) seine Freiheit, und kam durch Kauf an
Faustus, Sulla's Sohn, der ihn freigab. Seine Schriften sind nicht
mehr vorhanden.
282 Drittes Buch.
von verschiedenen Orten aus; denn da, wo die Alpen
Deutsehland von Italien trennen, übersteigt ihre Breite mit-
unter 100,000 Schritte, während sie an ihren schmalen
Stellen, gleichsam durch eine Vorsorge der Natur, niemals
70,000 Schritte breit sind. Die Breite Italiens am Fusse
der Alpen vom Varus an über Vada Sabatia, Taurinum,
Comum, Brixia, Verona, Vicetia, Opitergium, Aquileja, Ter-
geste und Pola bis zur Arsia beträgt 745,000 Schritte.
. 24.
In den Alpen wohnen viele Völker, die berühmtesten
aber von Pola bis zum Gebiete von Teigeste sind : die Se-
cusser x), Subocriner, Cataler, Merocalener, und in der Nähe
der Carner die Noricer2), welche früher Tauriscer hiesseu.
An diese grenzen die Rhätier3) und Vindelicier4), welche
alle in viele Gemeinden getheilt sind. Man hält die Rhä-
tier für Abkömmlinge der Thuscer, welche mit ihrem An-
führer Rhätus von den Galliern vertrieben sind. Auf der
andern gegen Italien gerichteten Seite der Alpen wohnen
die euganeischen Völker mit lateinischen Rechten, deren
Städte Cato zu 34 angiebt. Darunter: die Triumpiliner 5),
welche sich sammt ihrem Gebiete (an die Römer) verkauft
haben, die Camuner 6), die nebst mehreren ähnlichen Stäm-
men zu den angrenzenden Municipal-Städten gehören. Cato
hält die Lepontier7) und Salasser8) für tauriscischen Ur-
sprungs. Die übrigen Schriftsteller halten, in Folge ihres
griechischen Namens9), die Lepontier für Begleiter des
Herkules, welche beim Uebergange über die Alpen die Glie-
der erfroren hätten und zurückgeblieben wären; bei dem-
selben Zuge sollen auch die Grajer gewesen sein, welche
die grajischen Alpen bewohnen, und die Euganeer, welche
wegen ihrer edlen Abkunft diesen Namen 10) erhielten. Ihr
Hauptort heisst Stoenos. n) Von den Rhätiern wohnen die
*) Auf dem Berge Cocusso. -) S. im 27. Cap. 3) In Graubündten.
4) Vom Bodensee bis zum Inn. 5) Val Trompio. 6) Val Camo-
nico. 7) Val Leventina. 8) La Sala. 9) Von ksineiv : zurücklassen.
,0) Evyfvsig; Wohlgeboren. ") Storo.
Drittes Buch. 283
Vennoneter und Saruneter an den Quellen des Rheines,
und diejenigen von den Lepontiern, welche Viberer heissen,
auf demselben Alpenzuge an der Quelle des Rhodanus.
Ausserdem haben noch folgende Völker lateinische Rechte:
die Octodurenser *), die benachbarten Centronen2), die
cottianischen 3) Gemeinden, die Caturiger 4) und deren Ab-
kömmlinge die ligurischen Vagienner5) die auch Montaner
heissen; ferner mehrere Stämme der Capillater, welche am
ligustischen Meere wohnen.
Es scheint mir nicht unpassend zu sein, hier eine In-
schrift beizufügen, welches auf einem Siegesdenkmal in den
Alpen steht; sie lautet folgendermaassen :
Dem Imperator Caesar, dem Sohne des gött-
lichen Augustus, dem Pontifex maximus, dem
vierzehnmaligen Tribun] der Senat und das rö-
mische Volk, weil unter seiner Anführung alle
Alpenvölker vom obern bis zum untern Meere
unter die Herrschaft des römischeu Volkes ge-
bracht sind. Die besiegten Alpenvölker sind:
die Triumpiliner 6), Camuner 7), Vennonenser8),
Venoster9), Isarcer10), Breuner11), Genauner12), Fo-
runater13), 4 Stämme der Vindelicier, die Con-
suaneter14), Rucinater16), Licater 16), Catenater 17),
Ambisonter18), Ruguscer19), Suaneter20), Caluco-
ner21), Brixenter22), Lepontier23), Viberer24), Nan-
') Martinacli. '-) Centron.
3) Sie hatten ihren Namen vom König Cottus, einem Freunde
August's, und wohnten an den Quellen des Var und der Stura bis
zum Mont Iseran.
4) Um Chorges.
5) An der Ostseite der Alpen, am ersten Laufe des Po.
6) Val Trompio. 7) Val Camonico.
8) Wangen. 9) Vinstgau.
,0) An der Eisach. ") Brunecken. 12) Val Non. ,3) Vocogna.
") Venzingen. ,5) Rusi. 16) Am Lech. n) Kettenacker.
,8) Sontrio. 19) Rüsseck. *») Sanen. 2l) Catankathal. *2) Brixen.
23) Val Laventina. -4) Vispach.
284 Drittes Buch.
tuater x), Seduner2), Varagrer3), Salasser4), Aci-
tavoner5), Meduller 6), Ucener 7), Caturiger 8), Bri-
gianer 9), Sagiontier10), Brodiontier, Nemaloner11),
Edenater12), Esubianer 13), Veaminer u), Galliter15),
Triulatter 16), Ectiner17), Vergunner 18), Eguitu-
rer19), Nementurer, Orateller20), Neruser21), Ve-
launer22), Suetrer23).
Die zwölf cottianisclien Gemeinden, welche nicht fried-
lich gesinnt waren, sind darin nicht aufgeführt, ebensowenig
die, welche nach dem pompejischen Gesetze 24) zu den Muni-
cipial-Städten gerechnet werden.
Diess ist das den Göttern heilige Italien. Diess sind
seine Völker und Städte! Und eben diess Italien hat, als
unter den Consuln L. Aemilius Paulus und C. Attilius Re-
gulus 25), die Kunde von einem Aufstande der Gallier an-
langte, ohne alle auswärtigen Mittel, ja sogar ohne die
transpadanischen, 80,000 Reiter und 700000 Mann zu Fuss
bewaffnet. An Reichthum von Metallen aller Art steht es
keinem andern Lande nach; allein durch einen alten Se-
natsbeschluss ist befohlen, Italiens in dieser Beziehung zu
schonen.
25.
Von der Arsia bis zum Titius86) wohnt das Volk der
Liburnier. Ein Theil desselben waren die Mentoren, Hy-
maner, Encheleer, Bunier und die, welche Callimachus27) Peu-
') Am obern Laufe des Rheins.
2) Sitten. 3) Vernayes. 4) La Sala. 5) St. Jean de Maurienne.
6) Die ehemalige Baronie Menouillon , in dem jetzigen Bezirk
Montelimart.
7) Bourgs d'Oisans. 8) Um Charges. 9) Briancon. ,0) Sauze.
") Meolan. ,2) Ville de Seyne. ,3) Ubaye. 14) Senez.
15) Guillitres. ,6) Alloz. ,7) Estene. ,8) Vergons. ,9) Guillaumes.
-°) Le Puget de Thenieres. 2t) Vence.
*«) Valdahon. 23) Serres.
24) Vom Jahre 89 v. Chr.; es ertheilte den Italiern und cispada-
nisehen Galliern das römische Bürgerrecht.
25) 225 v. Chr. 26) Kerka.
27) Battiades aus Cyrene, um 280 v. Chr., Grammatiker zu
Alexandrien.
Drittes Buch. 285
ceter nennt; jetzt fasst man das Ganze mit dem Namen
Illyrien zusammen, von deren Völkern nur wenig bemer-
kenswerthes zu sagen ist, oder deren Namen nicht leicht
auszusprechen sind. In dem scardonitanischen Kreise woh-
nen die Japyder und 14 Gemeinden der Liburner, unter
denen man allenfalls die Lacinienser *), Stulpiner2), Bur-
nister 3) und Olbanenser anführen kann. Zu demselben
Kreise gehören auch die Aluter4) und Flanater5), mit ita-
lischem Bürgerrechte, nach denen auch der Meerbusen 6)
benannt ist; dieLopser7), Varvariner 8) , und die abgaben-
freien Assesiater 9), und auf den Inseln die Fertinater 10)
und Curicter.11)
Ausserdem liegen längs der Küste von Nesactium 12)
an: Alvona13), Fianona14), Tarsatica 15), Senia16), Lopsica17),
Ortopula18), Vegium19), Argyruntum 20), Corinium 21), Aeno-
na22), Pasinum, der Fluss Tedanium23), an der Grenze von
Japydien. Inseln in diesem Busen mit ihren Städten sind
ausser den obengenannten24): Absyrtium25), Arba26), Crexa27),
Gissa28), Portunata. 29) Wiederum auf dem Festlande: die
Colonie Jadera30), von Pola 160,000 Schritte weit; von da
bis zur Insel Colantum 31) sind 30,000, und bis zur Mündung
des Titius 18,000 Schritte weiter.
26.
An der Stelle, wo Liburnien aufhört und Dalmatien
beginnt, liegt 12,000 Schritte vom Meere entfernt an dem-
selben Flusse32) Scardona. Dann folgen: das alte Gebiet
der Autarieter und das Castell Tariona33); das Vorgebirge
') Lakza. -) Sluin.
3) Ruinen in der Nähe des Eerka.
*) Um Albona. 5) Fianona. 6) Golfo di Quarnero. 7) Um Gospich.
8) Verbovsko. 9) Ruinen bei Benkovacz. 10) Parwich.
») Karek. >2) Refonzi. ») All>ona. ■*) Fianona. ,5) Tersact.
,6) Zengg. 17) Gospich. I8) Stangrad. 19) Vezzo.
-°) Ruinen bei Obrivacz. 2l) Karin. --) Nona. 23) Zermanja.
24) Fertinater und Curicter. 25) Osero. 2G) Arbe. -') Grossa.
'28) Gisto. 29) Puntadura. 30j Zara vecchia. 3t) Mortera.
32) Titius. 33) Alt-Sebenico.
286 Drittes Buch.
des Diomedes1), oder, wie andere wollen, die Halbinsel
Hyllis genannt, 100,000 Schritte im Umfange; Tragurium 2),
mit römischem Bürgerrechte, berühmt durch seinen Marmor ;
Sicum 3), wohin der Kaiser Claudius die Veteranen schickte;
die Colonie Salona 4), 112,000 Schritte von Jadera entfernt.
Zu ihrem Gerichtsbezirke gehören die Dalmatier mit 342
Decurien, die Deuricer mit 32, die Ditioner mit 239, die
Mazäer mit 69 und die Sardiater mit 82 Decurien. Auch
liegen in diesem Landstriche: Burnum, Andetrium und Tri-
bulum, drei durch die Schlachten des römischen Volkes 5)
berühmt gewordene Castelle. Von den Inselbewohnern ge-
hören die Issäer6), Colentiner 7), Separer und Epetiner
ebenfalls zu diesem Gerichtshofe. Dann folgen die Castelle
Piguntiä 8) und Rataneum. 9) Die Colonie Naroua10) gehört
zum dritten Gerichtsbezirke und liegt an dem gleichnamigen
Flusse11), 32,000 Schritte von Salona und 20,000 Schritte
vom Meere entfernt. Nach M. Varro haben früher 89 Ge-
meinden dort ihre Rechtssachen verhandelt. Jetzt kennt
man fast nur noch die Ceraunier mit 24, die Daorizer 12)
mit 17, die Däsitiater mit 103, die Docleater 13) mit 33, die
die Deratiner mit 14, die Deremister14) mit 30, die Dinda-
rer mit 33, die Glinditioner 15) mit 44, die Malcomaner mit
24, die Naresier16) mit 102, die Scirtarer mit 72, die Sicu-
loter mit 24 und die Vardäer17), die ehemaligen Verwüster
Italiens, mit nicht mehr als 20 Decurien. Ausser diesen
wohnten noch in demselben Landstriche: die Ozuäer, Par-
thener, Hemasiner, Arthiter uud Armister. Die Colonie
Epidaurus 18) liegt 100,000 Schritte vom Flusse Naro 19) ent-
fernt. Von Epidaurus an folgen die Städte mit römischem
') Trau Vecchio. 2) Trau. 3) Sebenigo. *) Spalatro.
5) In dem Kriege gegen die Dalmatier und Pannonier unter Au-
gust's Regierung, 7 n. Chr. Die römischen Feldherrn waren Tiberius
und Germanikus.
6) Lissa. 7) Mortera. 8) Pogosnitza. °) Rudunich.
'°) Ruinen bei Vido. n) Narenta. ,2) Dobor. 13) Dognidalaz.
14) Dernich. 15) Glinbigne. 1C) Narentoa.
,: I Am Berge Verdovacz. 18) Ragusi vecchio. ,9) Narenta.
Drittes Buch. 287
Bürgerrechte: Rhizinium1), Ascrivium2), Butua1), Olchinium4),
welches von den Colchern erbauet ist und früher Colchi-
nium hiess; der Fluss Drilo 5) und an ihm die Stadt Scodra6)
mit römischem Bürgerrechte, 17,000 Schritte vom Meere.
Von vielen griechischen Städten und mächtigen Ortschaften
ist kaum das Andenken noch vorhanden; denn hier wohn-
ten meist die Labrater7), Enderoduner8), Sassäer9), Gra-
bäer10), die eigentlichen Illyrier11), die Taulantier 12) und
Pyräer. Das an der Küste belegene Vorgebirge Nym-
phäum 13) hat seinen Namen behalten. Die Stadt Lästus 14)
mit römischem Bürgerrechte liegt von Epidaurus 100,000
Schritte entfernt.
Bei Lissus beginnt die Provinz Macedonien, worin: die
parthinischen Völker 15), und hinter diesen die Dassareter 16) ;
die candavischen Berge 17), 78,000 Schritte von Dyrrachium.
An der Küste aber liegt Denda mit römischem Bürgerrechte,
die Colonie Epidamnum 18), wegen ihres unglücklichen Na-
mens19) von den Römern Dyrrachium genannt; der Fluss
Aous 20), von Einigen Aeas genannt, Apollonia 21), eine ehe-
malige Colonie der Corinther, 4000 Schritte vom Meere.
Den berühmten Berg Nymphäum 22) an der Grenze des Ge-
biets bewohnen die rohen Amanter 23) und Bulioner. 24) An
der Küste liegt noch die von den Colchern erbauete Stadt
Oricum.25) Hier fängt Epirus an und die acroceraunischen
Berge26), welche wir als die Grenze dieses Hauptbusens
') Pisano. 2) Andricz. 3) Buclua. 4) Dulcigno.
5) Drino. 6) Skutari.
7) Uiu Scodra. Einen König dieses Stammes, Namens Gentiusr
erwähnt Livius im XLIII. B. 20. Cap.
8) Um C. Roduni. 9) Um Vassoewitz. 10) Um Grabovo.
n) Zwischen den Flüssen Narenta und Drino.
'*) Diesen gehörten die Städte Apollonia und Dyrrachium.
13) Nimfio. u) Alessio, die Residenz des Gentius.
1J) Im Sandshak Ochri. ,6) Am See von Ochri.
17) Im Sandshak Ilbessan. 18) Durazzo.
I0) Abgeleitet von damnum: Schaden. 20) Vojuza. 21) Polina.
--) Im Sandshak Avlona. S. auch II. B. 110. Cap. 23) Avostma.-
21) Boklin. 25) Ericho. 26) Monte Chimaera,
288 Drittes Buch.
von Europa bezeichnet haben. Oricum ist vom salentinischen
Vorgebirge1) in Italien 80,000 Schritte entfernt.
27.
Hinter den Carnern und Japyden, da, wo der grosse
Ister fliesst, grenzen an die Rhätier die Noricer. 2) Die
Städte der letzteren sind: Virunum3), Celeja4), Teurnia5),
Aguntum 6), Vianiomina 7) , Claudia8) und Flaviuni Sol-
vense 9) An Noricum grenzt der See Peiso 10) und die
Wüste der Bojer, die jedoch jetzt durch die Colonie Saba-
ria11) des Kaisers Claudius, und die Stadt Scarabantia
Julia12) bevölkert ist.
28.
Nun folgt das Eicheln erzeugende Pannonien13), wo die
wilder werdenden Zweige der Alpen, welche Illyrien von
Norden nach Süden mitten durchschneiden, sich links und
rechts sanft abdachend in die Ebene übergehen. Der nach
dem adriatischen Meere zu liegende Theil bildet Dalmatien
und das oben beschriebene Illyrien. Nach Norden zu liegt
Pannonien und wird daselbst vom Danubius begrenzt. Die
darin befindlichen Colonien heissen Aemonia14) und Siscia.15)
Berühmte schiffbare Flüsse, welche in den Danubius fallen,
sind: der wilde Dravus16) aus Noricum und der sanfte
Savus 17), von den carnischen Alpen kommend, beide 120,000
Schritte von einander entfernt. Der Dravus fliesst durch
die Länder der Serreter18), Serrapiller 19) , Iaser20), Andi-
zeter21), der Savus durch die der Colapianer22) und Breucer.25)
') Capo di Leuca.
'-) In Kärnthen und Steiermark. 3) Klagenfurt. 4) Cilly.
5) Lurnfeld. 6) Iniching. 7) Wien. 8) Klana. 9) Lavamünde.
,0) Neusidlersee. n) Stein am Anger. 12) Oedenburg.
,3) Es umfasste das auf der rechten Seite der Donau liegende
Ungarn, einen östlichen Strich von Oesterreich und Steiermark, den
grössten Theil von Krain, den nördlich von der Sau liegenden Theil
von Kroatien, Slavonien und einen schmalen Streifen von Bosnien
an der Sau.
u) Laybach. ,5) Siszek. M) Drau. ,7) Sau. ,8) Veröcze.
I9) Um Pilisch. 2°) Um Jascza. 21) Sauritsch.
-) Am Flusse Kulpa. 23) In Slavonien.
Drittes Buch. 289
Diess sind die Hauptvölker. Ausserdem wohnen daselbst:
die Arivater1), Azaler2), Amanter3), Belgiter4), Catarer5),
Cornacater6), Eraviscer7), Hercuniater 8) , Latovicer9), Ose-
riaten0), Varcianer11). Der Berg Claudius 12), vor welchem
die Scordiscer und hinter welchem die Tauriscer wohnen.
Im Savus liegt Metubarris, die grösste aller Flussinseln.
Von Flüssen sind noch zu erwähnen: der Colapis13), wel-
cher sich bei Siscia in den Savus ergiesst und durch seine
Theilung die Insel Segestica, bildet; der Bacuntius 14) fliesst
bei der Stadt Sirmium 15) in den Savus, daselbst wohnen die
Sirmienser und Ammatiner. Von da sind es 45,000 Schritte
bis nach Taurunum 16), wo die Donau den Savus aufnimmt.
Weiter oben fliessen die ebenfalls nicht unbedeutenden
Flüsse Valdasus17) und Urpanus18) in die Donau.
29.
An Pannonien grenzt eine Provinz, welche Mösien19)
heisst und längs der Donau bis an den Pontus sich erstreckt.
Sie fängt bei dem oben erwähnten Zusammenflusse ^ an.
In ihr wohnen die Dardaner 21), Celegerer, Triballer 22),
Timacher, Mösier, Thracier und die an den Pontus gren-
zenden Scythen. Bemerkenswerthe Flüsse sind: im Ge-
biete der Dardaner der Margis23), Pingus24) undTimachus25);
vom Berge Rhodope 26) kommt der Oescus 27) und vom Ha-
naus28) der Utus29), Asamus30) und Jeterus. 31)
Die grösste Breite von Illyrien beträgt 325,000 Schritte.
Die Länge vom Flusse Arsia bis zum Drinius 530,000
Schritte. Der Drinius liegt vom Vorgebirge Acroceraunium
175,000 Schritte entfernt. M. Agrippa giebt den Gesammt-
*) Ariaviza. 2) Ozaly. 3) Mancluszebes. 4) Bellecz. 5) Kottori.
6) Vulkovar. 7) Agrara. 8) Kersko. 9) Litay. ,0) Ostercz.
") Varasdin. ,2) Bacher Gebirge. '3) Kulpa. ") Bossuth.
,5) Ruinen bei Mitrowitz. ,6) Semlin. ") Bosna. ,8) Verbasz.
,9) Servien und Bulgarien. -°) Der Donau und Sau.
-') Im südlichsten Theile von Servien.
22) Im westlichen Bulgarien. 23) Morawa. M) Ipek. 25) Timok.
26) Rhodope. 27) Isker. 28) Balkan. 29) Vid.
3°) Osme. 31) Jantra.
19
290 Drittes Buch.
umfang des Meerbusens von Italien und Illyrien zu 1,700,000
Schritten an. Darin befinden sich, wie schon früher er-
wähnt, zwei Meere, vorn beim Anfange des Busens das
jonische, und im Innern des Busens das adriatische, auch
das obere genannt.
30.
Ausser den schon genannten Inseln giebt es im au-
sonischen Meer weiter keine bemerkenswerthen mehr, im
Jonischen nur wenige; an der calabrischen Küste vor Brun-
dusium liegen einige, welche den Hafen bilden. Der apu-
lischen Küste gegenüber liegt die Insel Diomedea x), be-
rühmt durch das Denkmal des Diomedes, eine andere des-
selben Namens nennen Einige Teutria. 2)
An der Küste von Illyrien liegen über 1000 Inseln,
weil das Meer dort seicht und das Wasser in flache Betten
vertheilt ist. Zu bemerken sind: vor der Mündung des
Timavus die, deren warme Quellen mit der Fluth des Mee-
res anwachsen3); neben dem istrischen Gebiete Lissa und
Pullaria, von den Griechen auch die Absyrtiden genannt,
weil dort Absyrtus, der Bruder der Medea getödtet wurde.
Neben diesen liegen die sogenannten Electriden, auf wel-
chen Bernstein vorkommen soll, den die Griechen Electrum
nennen — ein klarer Beweis griechischer Lügenhaftigkeit,
denn Niemand hat noch ausmitteln können, welche Inseln
diess sind. Jader4) gegenüber liegt Lissa5) und einige
schon genannte; Liburnien gegenüber die crateischen 6), die
ebenso zahlreichen liburnischen und die celadussischen 7)
Inseln; Surium8) gegenüber Bavo9), die durch ihre Ziegen
berühmte Insel Brattia10); Issa11) mit römischem Bürger-
rechte und der Stadt Pharia.12) Von Issa ist Corcyra13),
') S. Domenico. 2) Pianosa.
3) Vergl. im II. B. 106. Cap.
4) Zara vecchia. 5) Uglian.
6) Dervenich, Zirona, Oratch, Krato, Kludi.
7) Kakagne, Kapri, Esat, Provichio.
8) Zuri. 9) Bua. ,0) Brazza. ") Lesina. I2) Citta vecchia.
,3) Curzola. Auch Korfu hiess früher Corcyra; siehe IV. B. 19. C.
Drittes Buch. 291
genannt Melana1), mit einer Stadt der Gnidier2), 25,000
Schritte entfernt; zwischen ihr und Illyrien liegt Melite3),
woher, nach Callimachus, die melitäischen Hündchen ihren
Namen haben; von da bis zu den drei Elaphiten4) sind
15,000 Schritte Im jonischen Meere, 12,000 Schritte von
Oricum liegt Sasonis5), bekannt als Aufenthaltsort der
Seeräuber.
!) Die schwarze. 2) Curzola. 3) Meleda.
4) Giupana, di Mezzo und Kalamata; ihren gemeinschaftlichen
Namen hatten sie von den vielen daselbst vorkommenden Hirschen
(§Xa<poi). 5) Saseno.
19*
Viertes Buch.
Von der Lage und Grösse der Länder, Meere, Städte, Häfen,
Berge, Flüsse und den Völkern, welche noch da sind
oder da waren.
1.
Der dritte Hauptbusen von Europa beginnt beim Vor-
gebirge Acroceraunium1), endigt am Hellesponte, und hat,
19 kleinere Buchten abgerechnet, eine Weite von 2,500,000
Schritten. Er begreift in sich: Epirus, Acarnanien, Aetolien,
Phöeis, Locris, Achaja, Messenien, Laconien, Argolis, Mega-
ris, Attica, Böotien; an dem andern 2) Meere liegen, ausser
^hocis und Locris, noch: Dori Phthiotis, Thessalien, Mag-
nesien, Macedonien und Thracien. Alle Fabelhaftigkeit
Griechenlands, sowie alle Künste und Wissenschaften sind
von diesem Busen zuerst ausgegangen. Wir wollen uns
daher ein wenig bei demselben aufhalten.
Epirus3) im weitem Sinne oder Epiros, fängt bei den
acroceraunischen Bergen an. Die ersten Völker darin sind
') Monti clella Chiniera.
*) Ägeischen.
3) Jetzt das von den Arnauten bewohnte Paschalik von Janina.
Früher hatte es seine eigenen Könige, unter denen Pyrrhus der be-
rühmteste war, der 278 v. Chr. Rom bekriegte. Aemilius Paullus machte
es 167 zur röm. Provinz und 1432 kam es durch Amurat II. unter
türkische Botmässiffkeit.
Viertes Buch. 293
die Chaoner1), von welchen der Name Chaonien herrührt,
dann folgen die Thesproter2) und Antigonenser3); der Ort,
wo sonst Aornos4) lag, mit seiner den Vögeln tödtlichen
Ausdünstung; die Cestriner5), Perrhäber, in deren Gebiete
der BergPindus6) liegt; die Cassiopäer7), Dryoper8), Seiler9)»
Helloper10), Molosser11), mit einem durch sein Orakel be-
rühmten Tempel des Jupiter Dodonaeus, der Berg Tomarus,
an dessen Fusse, wie Theopompus erzählt, hundert Quellen
entspringen.
Das eigentliche Epirus zieht sich nach Magnesien und
Macedonien hin. In seinem Rücken wohnen die schon oben
genannten Dassareter, ein freies Volk, und die wilden Dar-
daner. Den Dardanern zur Linken12), wohnen die Triballer
und mösischen Völkerschaften; an der vordem Seite grenzen
die Meder13) und Denselater14) daran, und an diese die
Thracier, welche bis zum Pontus hin wohnen. So sind
die hohen Berge Rhodope 15) und Hämus 16) von diesen
Völkern wie mit einem Walle umgürtet.
An der Küste von Epirus, am acroceiaunischen Gebirge,
liegt das Kastell Chimera17), unter welchem sich die Quelle
Aquae regiae18) befindet. Feiner sind zu bemerken: die
Städte Mäandria und Cestria19), der thesprotische Fluss
Thyamis20), die Colonie Buthrotum21); der sehr berühmte
') Sie bewohnten den schmalen Küstenstrich vom Vorgebirge
Chimera bis zur Meerenge, welche den nördlichen Theil ,der Insel
Corfu vom Festlande trennt.
2) Sie reichten von den Chaonem bis zum Meerbusen von Arta.
3) Im Paschalik Avlona südlich von Depedelen. 4) Aorna.
5) Am nördlichen Ufer des Kalamas.
(1) Mezzovo. 7) Um Agio Saranta. 8) Auf der Corfu gegenüber-
liegenden Küste. 9) Sulioten. 10) In Saracovizas.
") Vom nördlichen Ufer des Sees von Janina bis nach Arta.
,2) Gegen Osten. Bei solchen Bestimmungen dachten sich die
Alten stets den Blick nach Süden gerichtet.
,3) Oder Mäder, zum Unterschiede von den Medern in Asien.
,4) Wohnten, gleichwie die Meder, westlich vom Flusse Karäsu.
1S) Despoto. ,6) Balkan. 17) Kimara. ") Existirt nicht mehr.
,9) Palaeo-Kistes. 20) Kalamas. 2») Butrinto.
294 Viertes Buch.
ambracische Meerbusen *), welcher durch einen 500 Schritte
weiten Raum das Meer aufnimmt, 37,000 Schritte lang und
15,000 Schritte breit ist. In ihn ergiesst sich der Fluss
Acheron 2), der 36,000 Schritte von seiner Mündung entfernt,
aus dem See Acherusia 3) in Thesprotien kommt, und den
Griechen, welche alles, was ihnen angehört, bewundern,
wegen seiner 1000 Fuss langen Brücke merkwürdig er-
scheint. In dem Busen selbst liegt die Stadt Ambracia. 4)
Im Lande der Molosser findet man die Flüsse Aphas 5) und
Arathus 6), die Gemeinde Anactoria 7) und die Stelle, wo
ehedem Pandosia 8) stand.
2.
In Acarnanien, das früher Curetis hiess, liegen die
Städte Heraclia 9), Echinus 10), an der Küste August's
Colonie Actium11) mit dem berühmten Tempel des Apollo
und der freien Gemeinde Nicopolis.12) Wenn man aus dem
ambracischen Busen ins jonische Meer fährt, so gelangt
man zur leukadischen Küste und an das Vorgebirge Leu-
kates.13) Dann folgt der Busen und die Halbinsel Leu-
cadia14), früher Neritis genannt. Die Einwohner trennten
sie vom Festlande, allein der Wind trieb so viel Sand zu-
sammen, dass sie wieder damit vereinigt wurde; die Stelle
wo diess geschah, heisst Dioryctos15), und ist 3 Stadien
lang. Auf dieser Halbinsel liegt die Stadt Leucas16), einst
Neritum genannt, die übrigen acarnanischen Städte sind:
Alyzea17), Stratos18), Argos19), mit dem Beinamen Aniphi-
lochicum. Der Fluss Achelous20), kommt vom Pindus, schei-
!) Golf von Arta. 2) Fauar. 3) Janina. *) Arta. 5) Lurkha.
«) Arta. 7) Vunidscha. 8) Ruinen bei Turko-Palaki. 9) Lutraki.
w) Kokino Vuni.
n) Hier wurde 30 v. Chr. die berühmte Seeschlacht zwischen Au-
gustus und Antonius geliefert.
Vi) Prevesa. ,3) Capo Ducato. M) Die Insel St. Maura. ,5) Durch-
stich. w) Trümmer davon findet man noch bei dem Flecken Ama-
xihi. ") Candili. ,8) Ruinen bei Lepenon. 19) Vlicha. w) Aspro
Potamo.
Viertes Buch. 295
det Acarnanien von Aetolien, und verbindet die Insel Ar-
temita x) durch beständiges Anschwemmen von Erde mit
dem festen Lande.
3.
Die ätolischen 2) Völker sind: die Athamonier, Tym-
pbäer, Ephyrer, Aenienser, Perrhäber, Doloper, Maracer
und Atracer, aus deren Lande der ins jonische Meer sich
ergiessende Fluss Atrax 3) kommt. Die ätolische Stadt
Calydon 4) ist 7500 Schritte vom Meere entfernt und
liegt am Flusse Evenus. 5) Dann folgt Macynia 6), Moly-
cria und dahinter der Berg Chalcis 7) und Taphiassus. 8)
An der Küste liegt das Vorgebirge Antirrhium, da wo der
corinthische Meerbusen in einer Breite von weniger als
1000 Schritten ausmündet, und Aetolien vom Peloponnes
trennt. Das gegenüberliegende Vorgebirge heisst Rhion 9).
Am corinthischen Meerbusen10) liegen die ätolischen Städte
Naupactum11) und Pylene12) und mitten im Lande Pleuron
und Halicyrna.13) Bemerkens werthe Berge sind: in Dodona
der Tomarus, in Ambracia der Crania14), in Acarnanien
der Aracynthus15), in Aetolien der Acanthon16), Panätolium17)
und Macynium.18)
') Existirt jetzt nicht mehr.
2) Diese waren meistens nicht griechischen Ursprungs. Sie bil-
deten einen Bund; ihre Abgeordneten versammelten sich alljährlich
zu Thernum. Uebrigens waren sie treulos und räuberisch.
3) Janninah? dieser ergiesst sich aber nicht unmittelbar ins jonische
Meer, sondern bei der Stadt Janninah (sonst Atrax) in den Peneus.
*) Ruinen beim Doife Mauromati.
5) Früher Lycormas genannt; jetzt Fidaris. 6) Am Berge Vara-
sova. 7) Clocovo. 8) Varasova.
9) Diese beiden Vorgebirge sind jetzt mit festen Schlössern ver-
sehen, welche die Dardanellen von Lepanto, oder Rumeli Kavak und
Morah Kavak heissen.
,0) Meerbusen von Lepanto. ") Lepanto. 12) Kukio Kastro.
,3) Kavuro Limni. ") Gribovo.
15) Dieser Name findet sich in vielen Gegenden, da die Alten
durch dieses Wort überhaupt einen Berg bezeichneten.
") Dsjumarka. ") Kuduni. ,8) Rhigani.
296 Viertes Buch.
4.
Zunächst den Aetoliern wohnen die Locrer, x) welche
den Beinamen Ozoler führen, und frei von Abgaben sind.
Darin: die Stadt Oeanthe 2), der Hafen des Apollo Phä-
stius 3) , der crissäische Busen. 4) Im Innern liegen die
Städte Argyna, Eupalia, Phästum, Calamissus. Weiterhin
folgen: das zu Phocis gehörige cirrhäische Gebiet, die
Stadt Cirrha 5), der Hafen Chaläon 6), und von diesem 7000
Schritte landeinwärts die Stadt Delphi 7) am Fusse des
Berges Parnassus, mit dem weltberühmten Orakel des
Apollo. Die castalische Quelle, der bei Delphi vorbeiflies-
sende Cephissus 8), welcher bei der ehemaligen Stadt Li-
läa seinen Ursprung nimmt. Ferner: die Stadt Crissa 9),
die Bulenser 10), Anticyra11), Naulochum12), Pyrrha, das steuer-
freie Amphissa, Tithrone13), Tritea14), Ambrysus15), das dry-
mäische Gebiet, welches Daulis16) genannt wird. Ganz am
Ende des Meerbusens wird eine Spitze Böotiens vom Meere
bespült, worauf sich die Städte Siphä17) und Theben18) be-
finden; letztere heisst auch das corsische Theben, beide
liegen aber in der Nähe des Helicon.19) Die dritte Stadt
in Böotien von diesem Meere an ist Pagä20); von wo aus
der Nacken des Peloponnes hervorspringt.
5.
Der Peloponnes21), früher Apia, auch Pelasgia, ge-
nannt, bildet eine Halbinsel, die keinem Lande der Erde
an Berühmtheit nachsteht. Er liegt zwischen zwei Meeren,
dem ägeischen und jonischen, gleicht wegen der eckigen
Buchten einem Platanenblatte, und misst, nach Isidorus,
') Die Locrer, ein altes griechisches Volk, theilten sich in 3 Haupt-
stämme, in die epicnemidischen, opuntischen nnd ozolischen Locrer.
2) Galaxidi. 3) Golf von Janaki. 4) Golf von Salona. 5) Salona.
6) Anemokampi. 7) Kastri. 8) Mauropotamo.
9) Salona, das ebengenannte Cirrha, war eigentlich bloss der Ha-
fen von Crissa (Krisso).
,0) Beim Kloster Dobo. ") Aspro Spiti. >*) Agio Sideri. ,3) Mul-
chi. u) Turcochori. 15) Distomo. ,6) Daulia. n) Bathy. ,s) Agiani.
19) Palaeovuni. 20) Psato. 21) Morea.
Viertes Buch. 297
563,000 Schritte im Umfange. Rechnet man aber alle Buch-
ten hinzu, so kommt fast noch einmal soviel heraus. Die
Landenge, wo er ausgeht, beisst der Isthmus. An dieser
Stelle verschlangen die beiden genannten, aus verschiedenen
Richtungen, von Norden und Osten einbrechenden Meere
seine ganze Breite, bis durch den entgegengesetzten Andrang
so grosser Wassermassen beide Seiten auf einen Zwischen-
raum von 5000 Schritten ausgespült waren, so dass Hellas
mit dem Peloponnes wie durch einen schmalen Hals zu-
sammenhängt. Der eine Busen heisst der corinthische, der
andere der saronische *); auf der einen Seite ist Lecheä 2),
auf der andern Cenchreä 3) die Grenze der Landenge. Die
Schiffe, welche wegen ihrer Grösse nicht auf Wägen hin-
übergeschafft werden können, haben von einem Orte zum
andern einen langen und gefährlichen Umweg zu machen.
Deshalb versuchten der König Demetrius 4), der Dictator
Cäsar 3), der Kaiser Cajus 6), und Domitius Nero 7) auf
der Landenge einen schiffbaren Kanal anzulegen, doch
brachte diess Unternehmen (wie das Ende Aller bewies)
kein Glück. 8)
Mitten auf diesem Isthmus liegt die auf einen Hügel
gebauete Colonie Corinth 9), früher Ephyra genannt, 60
Stadien von jedem der beiden Ufer entfernt. Von ihrer
hochgelegenen Burg Acrocorinth, in welcher die Quelle Pi-
rene entspringt, kann man beide Meere sehen. Der Seeweg
von Leucas10) bis Paträ11) am corinthischen Meerbusen be-
trägt 88,000 Schritte. Paträ ist eine an dem äussersten
Vorgebirge des Peloponnes angelegte Colonie, Aetolien und
') Meerbusen von Engia. 2) Lecheo. 3) Kenkri. 4) Demetrius
Polyorcetes. 5) Vergl. Suetons Jul. Cäsar Cap. 44. 6) Vergl.
Suetons Caligula. Cap. 21. 7) Vergl. Suetons Nero Cap. 10.
8) Sie starben nämlich keines guten Todes.
9) Sie wurde 146 v. Chr. G. durch den Consul Mummius erobert
und verbrannt, von Cäsar aber wieder aufgebauet, und sie hatte an
jedem der zwei Meere einen Hafen, Lecheä und Cenchreä.
10) Auf der Insel Santa Maura. n) Patras.
298 Viertes Buch.
dem Flusse Evenus gegenüber; der Raum dazwischen ist,
wie schon bemerkt, nicht ganz 1000 Schritte breit, die Länge
des corinthischen Meerbusens aber von hier bis zum Isthmus
beträgt 85000 Schritte.
6.
Die Provinz Achaja *) nimmt beim Isthmus ihren An-
fang; früher hiess sie, wegen der an der Küste in einer
Reihe liegenden Städte, Aegialos. 2) Die erste Stadt ist
das bereits genannte Lecheä, ein Hafen der Corinther; dann
folgt Olyros 3), ein Castell der Pellenäer; die Städte Heii-
ce; Bura 4), wohin die Bewohner flohen, als die erstere
untergegangen war 5), ferner Sicyon 6), Aegira 7), Aegion 8),
Erineos. 9) Im Innern liegen Cleonä10), Hysiä11); der Hafen
Panhormus12) und das schon angezeigte Rhium. Von letzte-
rem Vorgebirge liegt Paträ 5000 Schritte entfernt; die Ruinen
von Pherä.13). In Achaja ist unter 9 Bergen der Scioessa
der bekannteste; die Quelle Cymothoe. Hinter Paträ die
Stadt Olenum, die Colonie Dyme, die Stellen, wo Bupra-
sium14) und Hyrmine15) standen, das Vorgebirge Araxum16),
der Busen von Cyllene17), das Vorgebirge Chelonates18),
von wo aus man nach Cyllene 5000 Schritte hat; das
Schloss Phlius. Dieser Bezirk ist von Homer19) Aräthyrea,
später aber Asopis genannt worden.
Darauf folgt das Land der Elier, welche früher Epeer
') Die nördlichste Landschaft des Peloponnes am corinthischen
Meerbusen. Sie war in 12 Districte getheilt, deren jeder eine beson-
dere Stadt hatte. Nach der Unterjochung Griechenlands durch die
Römer erhielt der Name Achaja einen viel weitern Sinn, denn die
Römer theilten ganz Griechenland in 2 Provinzen, Macedonien und
Achaja, welches letztere den ganzen Peloponnes und Hellas umfasste.
2) Küstenland. 3) Ulogoca. 4) Perritza.
5) Durch ein Erdbeben 373 v. Chr.
e) Basilico. 7) Paläo-Castron.
8) Vostiza. 9) Artotina. 10) Klenje. ll) Bromo-Limni. ,2) Teket.
,a) Bei Kato-Achaja. 14) Am Flusse Verga.
,D) Beim Cap Clarentza.
,a) Cap Papas. ") Cap Clarenza.
18) Cap Tornesa. «») lliade IL 78.
Viertes Buch. 299
hiessen; Elis *) selbst liegt mitten im Lande, und von Pylus
12,000 Schritte nach dem Innern zu befindet sich das Hei-
ligthum des olympischen Jupiters, nach dessen berühmten
Spielen die griechische Zeitrechnung bestimmt wurde. 2)
Ferner: Die ehemalige Stadt der Pisäer, am Flusse Alpheus. 3)
An der Küste aber liegt das Vorgebirge Ichthys. 4) Der
Alpheus wird 6000 Schritte aufwärts bei den Städten Aulon5)
und Leprion 6) schiffbar. Weiterhin kommt das Vorgebirge
Platanodes. 7) Alle diese Orte liegen gegen Abend.
7.
Gegen Mittag aber liegt der cyparissische Meerbusen8)
mit der Stadt Cyparissu 9); sein Umfang beträgt 72,000
Schritte. Fernere Städte sind Pylos10), Methone11); die
Stelle, wo Helos stand, das Vorgebirge Acritas12), der von
der Stadt Asine13) benannte asinäische14), und von der Stadt
Corone15) benannte covonäische16) Meerbusen. Das Vorge-
birge Tänarum17) bildet die Grenze. Das alles gehört zu
der Landschaft Messenien, in welcher 18 Berge liegen.
Ferner der Fluss Pamisus18). Im Innern liegen: Messene19),
') Palaeopoli.
*) Die Zeit der ersten Einführung dieser Spiele verliert sich ins
graue Alterthum. Sie wurden mehre Male unterbrochen und zuletzt
von Iphitus, dem König von Elis, im Jahre 776 v. Ghr. G. wieder her-
gestellt, von welchem Jahre auch die bekannte Zeitrechnung ihren
Anfang nimmt. Sie wurden alle 4 Jahre, oder bestimmter, stets im
zweiten Monate des fünften Jahres, also abwechselnd nach 49 und
51 Monaten gefeiert. Ueber das endliche Erlöschen derselben findet
sich keine genaue Nachweisung, jedoch dauerten sie in den ersten
Jahrhunderten nach Chr. noch fort.
3) Ryfo. 4) Catacolo. 5) Avlon.
u) Ruinen beim Städtchen Strobitza. 7) Konello.
8) Busen von Arcadia.
9) Arcadia. ,0) Alt Navarino. ll) Modon.
'-) Gallo — Ein anderes Vorgebirge Acritas lag in Bithynien am
Propontis. 13) Jaratcha.
") Golf von Modon. ,5) Koron.
16) Busen von Koron.
") Cap Matapan. ,8) Pimazza. ,9) Mauromatia.
300 Viertes Buch.
Ithome *), Oechalia, Arene 2), Pteleon, Thryon, Dorion 3),
Zancle, die zu verschiedenen Zeiten berühmt waren. Der
Umfang dieses Busens 4) beträgt 80,000, die Ueberfahrt
aber 30,000 Schritte.
8.
Bei Tänarum beginnt das Gebiet der Laconier 5),
eines freien Volkes; der daselbst befindliche Meerbusen 6)
hat 106,000 Schritte im Umfange und 38,000 Schritte im
Durchmesser. Die Städte heissen: Tänarum 7), Amyclä 8),
Pherä 9), Leuctra10), im Innern des Landes Sparta11), The-
ramne; die Stellen, wo Cardamyle, Pithane und Anthane
lagen, die Ruinen von Thyrea und Gerania; der Berg Tay-
getus12); der Fluss Eurotas13), der Busen Egilodes14), die
Stadt Psammathus15); der nach der Stadt Gytheum16) be-
nannte gytheische Busen, von wo aus die sicherste Ueber-
fahrt nach der Insel Creta17) ist. Diese ganze Gegend
wird von dem Vorgebirge Malea18) eingeschlossen.
9.
Der nun folgende Meerbusen bis zum scylläischen Vor-
gebirge19) hin heisst der argolische, dessen Breite 50,000,
dessen Umfang aber 162,000 Schritte beträgt. Städte da-
') Burkano.
2) Es gab zwei Städte dieses Namens im Peloponnes. Diese
war die Residenz der alten mythischen Könige von Messene und
heisst jetzt Sareni, die andere lag in Triphylia.
3) Lag nach Homer und Pausanias in Argolis nördlich von Elec-
tra. '') Von Koron.
5) Wahrscheinlich sind die jetzigen Mainoten die Abkömmlinge
der alten Lacedämonier.
6) Bai von Kolokythia. 7) Maina.
8) Sklavochorion. 9) Chidri.
,0) Istechia. Ist wohl zu unterscheiden von Leuctra in Böotien,
wo die Spartaner von Epaminondas geschlagen wurden.
H) Paläochori, in der Gegend von Misita.
,2) Pentadactylon. ,3) Basilipotamo.
M) Pulithra. ,B) Porto delle Quaglie.
,6) Kolochina. 17) Candia. 18) Spathi. »») Capo Scyllo.
Viertes Buch. 301
rin sind: Böa 1), Epidaurus 2) mit dem Beinamen Limera,
Zarax3), der Hafen Cyphanta. 4) Flüsse: der Inachus 5)
und Erasinus6), zwischen denen Argos mit dem Beinamen
Hippium 7), oberhalb der Ruinen von Lerne, 2000 Schritte vom
Meere entfernt liegt; 9000 Schritte weiter liegt Mycenä8);
dann die Gegend, wo Tiryetha gelegen haben soll, und das
ehemalige Mantinea.9) Berge: der Artemius 10), Apesantes,
Asterion, Parparus und 11 andere. Quellen: Niobe, Amy-
mone und Psamathe. Vom Vorgebirge Scylläum bis zum
Isthmus beträgt die Entfernung 177,000 Schritte. Hier die
Städte: Hermione11), Trözen12), Coryphasium13), und das
bald Inachium, bald Dipsium genannte Argos. u) Der Ha-
fen Schönitas15), der saronische Busen16), der einst mit einem
Eichenwalde umgeben war, und daher seinen Namen hat,
denn so17) hiess im alten Griechenland die Eiche. An demsel-
ben liegt die Stadt Epidaurus18) mit einem berühmten Tempel
des Aesculap; das Vorgebirge Spiräum19), der Hafen An-
thedus und Bucephalus, endlich das obengenannte Cenchreä,
die andere Hälfte des Isthmus mit dem durch die fünfjäh-
rigen Spiele20) berühmten Tempel des Neptun. So viele
Busen bildet die Küste des Peloponnes, so viele Meere be-
spülen dieselbe; denn von Norden her stürmt das jonische
Meer an, von Westen das sicilische, von Süden das cretische,
von Nordosten das ägeische, und von Südosten her das
myrthoische, welches am megarischen Meerbusen beginnt
und ganz Attica umgiebt.
*) Paleo Castron. 2) Paleo Malvasia.
3) Porto Kari. 4) Stilo. 5) Planitza.
6) Kephalari. 7) Argos oder Arpi.
*) Karia. 9) Goridsja.
,0) Megavuni. ») Kastri. 12) Terfidsje. ,3) Karvathi.
M) Siehe ohen, der vorbeiflies sende Inachus trocknete im Som-
mer ein. 15) Porto Estremo. 16) Golf von Egina.
") ouQOiviq. ,8) Pidavri.
,9) Capo Franco.
'•*>) Nach Pindar wurden diese Spiele allemal zu Anfang des
dritten Jahres gefeiert.
302 Viertes Buch
10.
Arcadien nimmt hauptsächlich den mittleren Theil
des Peloponnes ein, und wird daher auf keiner Seite vom
Meere berührt; anfänglich hiess dasselbe Drymodes, nach-
her aber Pelasgis. Städte in demselben sind: Psophis *),
Mantinea 2), Stymphalum 3), Tegea, Antigonea 4), Orchome-
num5), Pheneum 6), Palantium 7), von welcher Stadt das
Palatium in Rom seinen Namen hat8), Megalopolis 9),
Gortyna10), Bucolium11), Carnion, Parrhasie12), Thelpusa13),
Melänä14), Heräa15) Pyle, Pallene, Agrä, Epium, Cyrätha 6),
das arcadische Lepreon, Partheniam, Alea17), Methydrium18),
Enispe, Macistum, Lampe, Clitorium19), Cleonä20); zwischen
letztern beiden Städten liegt die nemeische21) oder bembi-
nadische Gegend. Berge in Arcadien sind der Pholoe22),
mit einer Stadt gleichen Namens, ferner der Cyllene23),
Lycäus 24) mit einem Tempel des Jupiter Lycäus, der
Mänalus, Artemisius25), Parthenius26), Lampeus27), Nouacris28)
und ausserdem noch acht minder wichtige. Flüsse sind:
der Ladon29), der aus den Sümpfen um Pheneum30), und
der Erymanthus31), welcher aus dem Berge32) gleichen Na-
mens entspringt; beide ergiessen sich in den Alpheus33)
Die noch übrigen Gemeinden in Achaja sind folgende:
die Aliphiräer34), Abeater35), Pyrgenser36j, Paroreater37);
*) Jakovo. 2) Goridsja. 3) Sarke.
4) Ruinen dieser beiden Städte bei Tripolizza. 5) Kalpaki.
6) Phonje. 7) Thana.
8) Evander soll nämlich aus Palantium herstammen, weshalb die
alte Stadt, die er auf dem palatinischen Berge (wo später Rom ge-
gründet wurde) anlegte, Palatium genannt worden sei.
9) Sinano. ,0) Kartine. »*) Trupiais. 12) Firina. ,3) Telfusa.
,4) Rhavli. 15) Iri. *6) Kerpeni. ") Lavea. ,8) Methaga.
>9) Gardiki. 20) Klenje.
21) Ebene um Tristena. Herkules erwürgte hier den nemeischen
Löwen; alle drei Jahre im Herbste wurden daselbst die nemeischen
Spiele gefeiert.
22) Vodi. 23) Chelmos. 24) Tetragi. 25) Gymnovuni.
26) Megavuni. 27) Zambi. 28) Bei Naukria. 29) Landona.
») Phonje. 3I) Azikol. 32) Xiria. 33) Karbon. 34) Palatia.
36) Zarnata. 36) Bei Derwisch-Aga. 37) Pararia.
Viertes Buch. 303
Parageniter, Tortuner, Typaneer, Thriusier, Trilienser.
Domitius Nero schenkte ganz Achaja die Freiheit. Die
Breite des ganzen Peloponnes vom Vorgebirge Malea bis
zur Stadt Aegium am corinthischen Meerbusen beträgt
190,000 Schritte; allein quer hindurch von Elis nach Epi-
daurus 125,000, und von Olympia nach Argos durch Arca-
dien 68,000 Schritte. Von eben diesem Orte bis nach
Phlius haben wir die Entfernung schon angegeben. r) Auf
der ganzen Halbinsel erheben sich 76 Berge, und hierdurch
ersetzt die Natur gleichsam dasjenige wieder, was durch
das Meer entrissen wurde.
11.
An der Landenge des Isthmus fängt Hellas 2) an, was
die Römer Gräcia nennen. Das erste Gebiet darin ist
Attica, vormals Acte genannt. Es hängt mit dem Isthmus
durch einen Landstrich zusammen, welcher von der Pagä 3)
gegenüber liegenden Colonie Megara, Megaris genannt wird.
Diese beiden Städte liegen da, wo der Peloponnes ausgeht,
zu beiden Seiten gleichsam auf den Schultern von Hellas.
Die Pagäer und die Aegosthenienser 4) gehören noch zu
den Megarensern. An der Küste aber liegt der Hafen
Schönus. 5) Städte sind: Sidus 6) Cremmyon 7), die 6000
Schritte langen scironischen 8) Felsen, Gerania 9), Megara
und Eleusis.10) Früher lagen hier Oenoa11) und Probalin-
thos12), jetzt aber sind sie vom Isthmus 55,000 Schritte
entfernt; die Häfen Piräus und Phalera, welche durch eine
5000 Schritte lange Mauer mit Athen verbunden sind. Diese
Stadt ist frei, und bedarf keiner Lobrede, so gross ist ihr
Ruhm. Quellen in Attica sind: Cephissia, Larine, Callirrhoe,
Enneacrunos. Berge: der Brilessus, Aegialeus, Icarius, Hy-
mettus, Lycabettus; die Ruinen von Ilisos. 45,000 Schritte
vom Piräus liegt das Vorgebirge Sunium13) und Thoricos.14)
«) Im 6. Cap. 2) Livadien. 3) Psato. *) S. Basilio.
5) Porto Cocosi. 6) Kassidi. T) Kenella. 8) Derveni Bouno.
9) Porto Germano. I0) Lefsina. ") Bei Oenoe.
,2) Bei Vasileopyrgos. l3) Colonna. I4) Mandri.
304 Viertes Buch.
Potamos *), Steria 2) und Beauron 3) waren vormals Städte.
Der Flecken Rhamnus4), die Ruinen von Marathon5), die
thriasische Ebene 6), die Stadt Melita und Oropus 7) an der
Grenze von Böotien.
12.
In Böotien8) liegen Anthedon9), Onchestos 10), die freie
Stadt Thespiä u), Lebadea 12), und das Athen an Ruhm nicht
nachstehende böotische Theben 13), angeblich die Vaterstadt
zweier Götter, des Bacchus und Herkules. Auch die Musen
sollen in einem Haine des Helicon geboren sein. Zu The-
ben rechnet man noch das Waldgebirge Cithäron 14) und den
Fluss Ismenus. Ausserdem hat Böotien folgende Quellen:
Oedipodia, Psamathe, Dirce, Epicrane, Arethusa, Hippocrene,
Aganippe, Gargaphia. Ausser den schon genannten Bergen
sind noch zu erwähnen: der Mycalessus, Hadylius und Acon-
tius. Die übrigen Städte zwischen Megara und Theben
sind: Eleutherä 15), Haliartus 16), Platää17), Pherä18), Asple-
don19), Hyle20), Thisbe21), Erythrä, Glissas, Copä; Larym-
na22) und Anchoa23) am Flusse Cephissus24); Medeon, Phly-
gone25), Acräphia26), Coronea27), Chäronea.28) An der Küste
aber, unterhalb Theben, liegen: Ocolee, Heieon29), Scolos30),
Schönos, Peteon, Hyrie, Mycalessus, Iresion, Pteleon, Oly-
') Porto de Rafti. -) Siteri. 3) Braona.
4) Taurocastro oder Abriocastro.
5) Hier schlug Miltiades die Perser, 490 y. Chr.
6) Zwischen Athen und Eleusis. 7) Ropo.
8) Stramaüpa. 9) Luchisi.
w) Ruinen von San Topoglia (Copais).
") Ruinen bei Rirnacastro. ,2) Livadia. ,3) Thiva. ") Elatea.
,5) Contura. 16) Ruinen bei Maci.
") Kokla. Hier wurde Mardonius, der Feldherr des Xerxes, von
Pausanias 479 v. Chi\ geschlagen.
,8) Bei Skimitari. 19) Bei Scripu. 20) Bei Senjena. 2l) Cacosi.
22) Lamas. M) Putzomadi. 24) Mauronero. 25) Bei Dadi.
26) Kartitza. ^ Korunies.
28) Capourna. Hier siegte Philipp von Macedonien über die
Griechen, 333 v. Chr.
2i>) Ela. *») Sialesi.
Viertes Buch. 305
ros, Tanagra *), deren Bewohner frei sind, und am Eingange
der Bai Euripus2), welche durch die vorliegende Insel
Euböa 3) entsteht, das durch seinen geräumigen Hafen
berühmte Aulis. 4) Die Böotier hiessen in alten Zeiten
Hyanter.
Nun folgen die epicnemidischen Locrer5), welche früher
Leleger hiessen; durch ihr Gebiet ergiesst sich der Cephis-
sus ins Meer. Städte sind: Opus6), woher der opuntische
Meerbusen seinen Namen hat, Cynos. 7) An der Küste von
Phocis liegt die einzige Stadt Daphnus.8) Im Innern von
Locris liegt Elatea9), und am Ufer des Cephissus (wie be-
reits gesagt wurde)10) Liläa; gegen Delphi hin: Cnemis und
Hyampolis. n) Wiederum an der locrischen Küste Larym-
na 12) und Thronium 13) bei welcher der Fluss Boagrius sich
ins Meer ergiesst. Die Städte Narycion u), Alope, Scarphia.
Dann folgt der von den Einwohnern sogenannte maliacische15)
Meerbusen, an welchem die Städte Halcyone, Econia und
Phalara liegen.
13.
Hierauf folgt Doris mit den Städten Spanthos, Eri-
neon 16), Bojon 1T), Pindus und Cytinum. Hinter Doris liegt
der Berg Oeta. u)
14.
An Doris grenzt Aemonien, welches seinen Namen oft
geändert hat, denn es hiess Argos pelasgicum, Hellas,
Thessalien und Drypis, und zwar immer nach seinen Kö-
nigen. Ein eingeborner König dieses Landes hiess Gräcus;
') Skimitari. 2) Euripo. 3) Negroponte.
4) In diesem Hafen versammelte Agamemnon die Flotte der
Griechen zum Zuge nach Troja. Der Hafen heisst jetzt Bathy. Von
Aulis existirt keine Spur mehr.
5) So genannt, weil sie am Berge Cnemis (Talento) wohnten.
6) Talante. 7) Ruinen beim Dorfe Livanitis.
8) Ruinen bei Neschorio. 9) Levta. ,0) Im 4. Cap. ") Bogdana.
,2) Das untere nämUch; Ruinen bei Putzomadi.
13) Chilikous. M) Ruinen bei Tornitza. 15j Golf Isdin.
16) Erinei. 17) Bralo. ,8) Kumayta.
20
306 Viertes Buch.
von ihm erhielt Griechenland seinen Namen; vom Hellen
bekamen die Griechen den Namen Hellenen. Homer1) be-
zeichnet eben diese Völker mit drei Namen, Myrmidonen,
Hellenen und Achäer.
Von ihnen heissen diejenigen, welche an Doris gren-
zen, Phthioten. Ihre Städte sind: Echinus2) am Ausflüsse
des Flusses Sperchius3), der Engpass von Thermopylä 4),
von dem das 4000 Schritte davon gelegene Heraclea5) den
Namen Trachys6) führt. Daselbst befindet sich auch der
Berg Callidranus 7); berühmte Städte sind: Hellas, Halos,
Lamia. 8), Phthia, Arne.
15.
In Thessalien aber liegen: Orchomenus 9), früher Mi-
nyeus genannt, die Stadt Almon oder Salmon, Atrax 10), Pe-
linna11); die Quelle Hyperia; die Städte: Pherä13), hinter
welcher sich der Pieria13) bis nach Macedonien hinzieht,
Larissa14), Gomphi15), das thessalische Theben, der Wald
Pteleon, der pagasische Meerbusen. 16) Die Stadt Pagasa 17),
welche nachher Demetrias genannt wurde/ Tricca18), die
pharsalischen Gefilde mit einer freien Stadt 19), Crannon,
Iletia. Berge in Phthiotis sind: der Nymphäus, ehedem
sehenswerth wegen seiner natürlichen Gartenanlagen. Der
Buzygäus, Donacesa, Bromius, Daphusa, Chimerion, Atha-
') Iliade II. 191. -) Echina. 3) Ellada.
') Pass Elafu; bekannt durch die heldenmüthige Verteidigung
der 300 Spartaner unter Leonidas gegen Xerxes. — Der Pass wird
gebildet durch die Felsenwand des Öta und den malischen Meerbusen.
5) Ruinen am Asopo. 6) Von tqu^vq rauh, unwegsam.
■>) Ein Theil des Öta. 8) Zeitun. 9) Scripu. ,0) Zarko.
»») Balaklen. ,2) Velsin.
13) Ein Seitenast des Lacha, der sich bis an den Golf von Volo
herabzieht.
14) Larisse bei den Neu-Griechen, Jenischehr bei den Türken.
,:') Klinovo.
16) Golf von Volo, wo sich die Argonauten einschifften.
") Volo. ,8) Tricala.
19) Pale Farselus. Hier wurde 45 v. Chr. Pompejus von Cäsar
geschlagen.
Viertes Buch. 307
raas, Stephane. In Thessalien giebt es überhaupt 34 Berge,
von denen die merkwürdigsten sind: der Cercetii x), Olym-
pus 2), Pierus, Ossa. 3) Diesem gegenüber liegen der Pin-
dus 4) und Othrys5), die Wohnsitze der Lapithen; diese
Berge liegen gegen Abend. Gegen Morgen der Pelios6);
alle aber bilden einen theaterförmigen Bogen, in welchem
sich 75 Städte befinden. Flüsse Thessaliens sind: der Api-
danus 7), Phönix, Epineus 8), Onochonus 9), Pamisus; die
Quelle Messa'is; der See Böbr'is. 10) Am berühmtesten aber
ist der Peneus11), welcher in der Nähe von Gomphi ent-
springt, zwischen dem Ossa und Olympus in einem wal-
digen Thale von 500 Stadien hinabfliesst, und von der
Hälfte dieser Strecke an schiffbar ist. Ein Theil dieses
Thaies, welcher Tempe 12) heisst, ist 5000 Schritte lang
und beinahe anderthalb Joch Landes breit; links und rechts
erheben sich, soweit das menschliche Auge reicht, sanfte
Bergrücken. Mitten hindurch zieht sich der wegen seines
grünen Sandes ins grünlich spielende Peneus, seine Ufer
sind mit dem schönsten Grase bedeckt und vom Gesänge der
Vögel erfüllt. Er nimmt den Orcos auf, vereinigt sich aber
nicht mit ihm, sondern stösst ihn, nachdem er ihn (wie
Homer sagt) 13) gleich wie aufschwimmendes Oel eine kurze
Strecke getragen, wieder von sich, und verschmähet es,
seine silbernen Wogen mit einem verdammten, von Ver-
wünschungen erzeugten Wasser14) zu vermischen.
16.
An Thessalien grenzt Magnesien15), mit der Quelle
Libethra. 16) Städte darin sind: Jolcus17), Hormenium 18),
Pyrrha19), Methone20), Olizoa21); das Vorgebirge Sepias22):
^) Ein Zweig des Pindus. -) Lacha. 3) Kissavo, 4) Mezzovo.
5) Veloutzi. 6) Petras. 7) Epideno. 8j Vlachojanni. 9) Rejani.
10) Carlas. ") Salambria. 12) Bogazo. ,3) llliade II. 262.
") Die. Götter pflegten nämlich beim Orcos zu schwören.
*6) Die jetzigen Landschaften Zagora und Macrinizza.
16) Bei Goritza. 17) Goritza. t8) Milias. ,9) Korakai Pyrgo*.
20) Neochori. 21) Kortos bei Argalasti. 22) Giorgio.
20*
308 Viertes Buch.
die Städte Castfeanäa *), Sphalatra 2); das Vorgebirge Aean-
tium3); die Städte Meliböa4), Rhizus 5), Erymnä6); die
Mündung des Peneus 7); die Städte Homolion, Orthe, Thes-
piä, Pbalanna 8), Tbaumacia 9), Gyrton 10), Cranon n), Acharne,
Dotion, Melitäa, Phylace, Potniae. Die Länge von Epirus,
Achaja, Attica und Thessalien in einer Richtung soll
480,000 und die Breite 287,000 Schritte betragen.
17.
Hierauf folgt Macedonien mit 150 Völkerschaften, be-
rühmt durch zwei Könige 12) und seine ehemalige Weltherr-
schaft; vormals hiess es Emathia. Es zieht sich hinter
Magnesien und Thessalien westlich bis zu den epirotischen
Völkern hin, und wird von den Dardanern oft beunruhigt.
Päonien und Pelagonien schützen den nördlichen Theil
gegen die Triballer. Städte: Aegiä, wo man die Könige
begräbt, Beröa13), und in dem Gebiete, welches von einem
Walde den Namen Pieria führt, Aeginium. 14) An der Küste
liegt Heraclea 15) und der Fluss Apilas. 16) Die Städte Pyd-
na 17j, Aloros, der Fluss Aliacmon. 18) Im Innern des Lan-
des wohnen die Aloriter, Valläer, Phylacäer, Cyrrhester11')
Tyrissäer. Die Colonie Pella20); die Stadt Stobi 21) mit
römischem Bürgerrechte. Dann folgt Antigonea22), Euro-
*) Bei Tzankarada. -) Hagia Eutimia. 3) Monastir.
A) Bei Mintzeles. 5) Bei Pesi-Dendra. fi) Bei Conomio.
7) In den thermaischen Busen. 8) Baba. •') Taimak.
10) Kirsali. ") Crania.
,2) Philipp und Alexander der (.{rosse.
13) Wurde nach ihrer Zerstörung von der Kaiserin Irene wieder
autgebaut und. erhielt den Namen Irenopolis. Jetzt Beria.
,4) Ainovo. ,5) Monastir. ,r>) Sphetili.
17) Chitro oder Kitro. In der Nähe dieser Stadt wurde der letzte
König von Macedonien, Perses, von Aemilius Paullus 168 v. Chr. ge-
schlagen.
18) Indsche-Karasu. ,9) Kastranitza.
-°) Palatitza. Sie war der Geburtsort Alexanders und die Residenz
seiner Nachfolger bis auf Perses.
-') Istib. --) Nigothenio.
Viertes Buch. 309
pus *) am Flusse Axius 2) und noch eine Stadt gleichen
Namens 3), durch welche der Rhödias fliesst. Eordeä 4),
Scydra 5), Mieza, Gordyniä. An der Küste: Ichnä, der Fluss
Axius. An dieser Grenze von Macedonien wohnen die Dar-
daner, Trerer und Pierer. Am Flusse Axius wohnen die päo-
nischen Völker 6), als: die Paroräer, Eordenser, Almopier,
Pelagoner, Mygdoner. Berge sind: der Rhodope 7): Scopius
und Orbelus. 8) In der davor liegenden Ebene wohnen die
Arethusier, Antiochienser, Idomenenser 9), Doberer10), Ae-
sträenser11), Allantenser, Audaristenser, Moryller, Garescer,
Lyncester, Othryoneer, die freien Amantiner12) und Orester;
die bullidensische13) und diensische14) Colonie; die Xylopo-
liter, die freien Scotussäer, Heraclea Sintica15), die Tym-
phäer und Toronäer.
Vorn am macedonischen Meerbusen16) liegt die Stadt
Chalastra17), an seiner innersten Seite Pileros und Lete18),
und an der mittleren Einbiegung des Ufers Thessalonica19),
eine freie Stadt. Von Dyrrachium bis hierher beträgt die
Entfernung 240,000 Schritte. Nun folgt Therme20), und im
thermaischen21) Meerbusen die Städte Dicäa22) Pydna, Der-
rha, Scione. Das Vorgebirge Canasträum23); die Städte
Phallene und Phlegra. In dieser Gegend befinden sich die
Berge Hypsizorus, Epitus, Halcyone und Levomne; die Städ-
te: Nyssos, Phryxelon, Mendä und auf dem pallanensischen
Isthmus24) das ehemalige Potidäa, jetzt die Colonie Cassan-
dria; Anthemus, Olophyxus; der mecybernische Busen25);
') Köprili. 2) Vardar. 3) Orhissar. 4) Filorina.
'') Sidero-Kapsa. °) Die jetzigen Bulgaren. 7) Despoto.
8) Argentaro. 9) Kuuili-Kiöi. 10) Avrethissar. n) Tikwesch.
'-) Avostina. ,3) Poklin. «) Platamona. ,5) Rasluk.
,6) Golfo di Salonichi.
") Wurde von Cassander zerstört, um die Einwohner nach Thes-
salonich zu versetzen.
18) Litta. ,9) Salonichi.
-°) Thenna ist keine eigentliche Stadt, sondern bloss der alte
Name von Thessalonica.
'-') d. i. macedonischen. 22) Buraiu. 23) Piajuri.
M) Calandro. ") Golf Kassandra,
310 Viertes Buch.
die Städte Miscella, Ampelos l), Torone, Singos. 2) Die
1500 Schritte lange Meerenge, welche dadurch entstand,
dass der persische König Xerxes den Berg Athos 3) vom
Festlande trennte. Der Berg selbst läuft von der Ebene
an 75,000 Schritte weit ins Meer, und sein Umfang beträgt
am Fusse 150,000 Schritte. Auf seinem Gipfel lag vormals
die Stadt Acroathon; jetzt findet man daselbst Uranopolis,
Paläorium, Thyssus, Cleonä, Apollonia 4), deren Einwohner
den Beinamen Macrobier führen. Die Stadt Cassera 5),
der Busen auf der andern Seite des Isthmus 6), Acanthus 7),
Stagira 8), Sithone, Heraclea und die darunter liegende Land-
schaft Mygdonien, in welcher in einiger Entfernung vom
Meere Apollonia 9) und Arethusa liegen. Wiederum an der
Küste Posidium, der Meerbusen10) und die Stadt Cermorum,
das freie Amphipolis11), und die Bisalter. Dann folgt an
der Grenze von Macedonien der Fluss Strymo12), welcher
auf dem Hämus entspringt und — was bemerkenswerth ist
— erst durch 7 Seen geht, bevor er eine bestimmte Rich-
tung nimmt.
Diess ist das Macedonien, das sich einst der Weltherr-
schaft bemächtigt hatte, das sich über Asien, Armenien,
Iberien, Albanien, Cappadocien, Syrien, Aegypten, den Tau-
rus und Caucasus ausdehnte, Bactrien, Medien und Persien
beherrschte, also den ganzen Orient besass, sogar Indien
besiegte und in die Fusstapfen des Bacchus und Herkules
trat; diess ist dasselbe Macedonien, von dem unser Feld-
') Am Ausflusse des Axius lag auch ein Vorgebirge dieses
Namens.
2) Der Busen bei dieser 8tadt heisst jetzt Golf Kontessa.
3) Monte Santo oder Agios oros. A) Pollina.
5) Kareis. 6) Golf Kontessa. 7) Hierisos.
8) Libanova oder Stauros, der Geburtsort des Aristoteles.
9) Beschik. 10) Golf Kontessa.
u) Emboli. Von den Atheniensern unter Cimon gegründet; Phi-
lipp nahm sie ein. Sie war der Geburtsort des berüchtigten Kri-
tikers Zoilos.
12) Struma. Er ergiesst sich in den Meerbusen von Kontessa.
Viertes Buch. 311
lierr Paulus Aemilius1) an einem Tage 72 eroberte Städte
verkaufte. Solch eine Verschiedenheit des Schicksals ging
von 2 Menschen2) aus.
18.
Wir kommen nun nach Thracien 3), dessen Bewohner
unter die kräftigsten Völker Europas gehören. Es wird in
50 Strategien 4) eingetheilt. Von den nennenswerthen Völ-
kern wohnen auf dem rechten Ufer 5) des Strymon die Den-
selater und Meder, bis zu den obengenannten Bisaltern;
auf dem linken Ufer die Digerer und viele Stämme der
Besser bis zum Flusse Nestus 6) hin, welcher am Fusse
des Berges Pangäus 7) herum durch die Wohnsitze der Ele-
ther, Diobesser, Carbileser, Bryser, Sapäer und Odomanter
fliesst. Aus dem Gebiete der Odryser kommt der Hebrus 8),
an welchem die Cabyleter, Py rogerer, Drugerer, Cänicer,
Hypsalter, Bener, Corpiller, Edoner wohnen. In demselben
Distrikte wohnen auch die Selleter, Prianter, Doloncer,
Thyner, die altern Cöleter am Hämus und die jüngeren
am Rhodope. Auch ihre Gebiete durchfliesst der He-
brus. Die am Fusse des Ehodope liegende Stadt hiess
früher Poneropolis, bald darauf nach ihrem Erbauer Phi-
lippopolis 9), und wird jetzt ihrer Lage (auf drei Bergen)
wegen Trimontium genannt. Die Höhe des Hämus beträgt
6000 Schritte. Auf seiner hintern Seite, die sich gegen
den Ister hin abdacht, wohnen die Mösier, Geter, Aorser,
*) Der Besieger des Königs Perses ; nach der Schlacht bei Pydna,
168 v. Chr.
2) Paulus Aemilius und Alexander der Grosse.
3) Romanien, Rumili. 4) Militärbezirke.
5) D. i. gegen Westen. 6) Karasu.
7) Castagnatz; eigenthch nur ein Theil des Gebirges Rhodope.
Er war berühmt durch seine Gold- und Silberbergwerke.
8) Maritza. Er ergiesst sich der Insel Samothrace gegenüber in<s
ägeische Meer.
9) Philippopoli oder Phelibe. Poneropolis, die Stadt der Ver-
brecher, hiess sie, weil von ihrem Erbauer, dem König Philipp, Ver-
brecher als Kolonisten dahin geführt wurden.
312 Viertes Buch.
Gauder, Ciavier; weiter hin die arräischen Sarmater, auch
Areater genannt, und die Scythen, und an den Küsten des
Pontus die Morisener und Sithonier, von denen der Dichter
Orpheus abstammte.
Der Ister begrenzt also Thracien im Norden, der Pon-
tus und Propontis im Osten, und das ägeische Meer im Sü-
den, an dessen Küste vom Strymon an Apollonia l), Oesy-
ma, Neapolis 2) und Datos 3) liegen. Im Innern des Landes
liegt die Colonie Philippi, 325,000 Schritte von Dyrrachium
entfernt. Scotusa, die Gemeinde Topiris4), die Mündung
des Flusses Mestus, der Berg Pangäus, Heraclea 5), Olyn-
thos6); die freie Stadt Abdera 7) der See8) und das Volk
der Bistoner. Hier lag die Stadt Tirida, berüchtigt durch
die Pferdeställe des Diomedes9); jetzt steht daselbst Di-
cäa10) und Ismaron. u) Die Ruinen von Parthenion, Pha-
sina und Maronea 12), welches früher Ortagurea hiess. Der
Berg Serrium 13) und Zone. Der Ort Doriscus 14), der gerade
10,000 Menschen fasst, wesshalb Xerxes ihn zur Zählung
seines Heeres benutzte. Die Mündung des Hebrus; der
Hafen des Stentor15); die freie Stadt Aenos mit dem Grabe
') Später hiess sie Sozopolis, woraus ihr jetziger Namen Size-
poli verstanden ist. 2) Kavela.
3) Eine durch die Goldbergwerke in ihrer Nähe sehr reiche Stadt,
früher Crenides genannt. Später gab ihr Philipp von Macedonien den
Namen Philippi. In ihrer Umgebung wurden Brutus und Cassius von
Octavian und Antonius geschlagen. Ihr jetziger Name ist Philippi-
Ghi (4>i\i7Ctcov yr\).
4) Cavalla. r') Rasluk. °) Agio Mama.
7) Der Geburtsort des Democrit und Protagoras. Noch jetzt fin-
det man Ruinen von ihr bei Jenidsche-Karasu, am Karasu.
8) Lago di Bistogna.
9) Ein thracischer König, der nach der Fabel alle Fremde seinen
teuerschnaubenden Rossen zum Futter vorwarf. Hercules besiegte ihn
und Hess ihn zur Strafe für seine Grausamkeit von seinen eigenen
Pferden fressen.
,0) Burun. n) Imahan. 12) Marogna. ,3) Cap Makri.
l4) Ebene von Rumigick; Xerxes füllte den Ort hundertundsie-
benzigmal, sein Heer war also 1,700,000 Mann stark. HerodotVH. 59.
,B) Bojis Korfusi.
Viertes Buch. 313
des Polydorus *), ehemals das Gebiet der Ciconer. Von Do-
riscus an macht die Küste eine Krümmung von 122,000
Schritten bis nach Macron Tichos. Bei letzterm Orte mün-
det der Fluss Melas 2), von dem der Meerbusen seinen Na-
men hat. Hier die Städte: Cypsella 3), Bisanthe 4) und
Macron Tichos5), so genannt, weil vom Propontis bis zum
melanischen Meerbusen sich eine Mauer zwischen den bei-
den Meeren hinzieht und den vorlaufenden Chersones absperrt.
Thracien hat aber auf der andern Seite, da wo es an
der pontischen Küste, in der Nähe der Mündung des Ister
seinen Anfang nimmt, die schönsten Städte, als: Istropo-
lis 6), von den Milesiern erbauet, Tomi 7) und Calatis 8),
welches früher Acervetis hiess. Hier lag auch Heraclea
und Bizone, was von der Erde verschlungen wurde; jetzt
steht daselbst Dionysopolis9), früher Cruni genannt, und
der Fluss Ziras fliesst an ihr vorbei. Diesen ganzen Land-
strich haben die sogenannten aroterischen Scythen inne ge-
habt. Ihre Städte waren: Aphrodisias, Libistos l0), Zigene,
Rocobe11), Eumenia12), Parthenopolis 13), Gerania14), wo die
Pygmäer gewohnt haben sollen; die Barbaren nennen diese
Cattuzer und glauben, sie seien von den Kranichen ver-
jagt worden. An der Küste bei Dionysopolis liegt das von
den Milesiern gegründete Odessus15); der Fluss Panysus16);
die Stadt Tetranaulochus 17); das Gebirge Hämus18), wel-
ches mit seinem breiten Rücken19) in den Pontus reicht,
und auf dessen Gipfel früher die Stadt Aristäum lag. Jetzt
befinden sich an der Küste: Mesembria 20), Anchialum 21), wo
') Sohn des Priamus, Königs von Troja.
*) Salduti. Er entspringt bei Adrianopel; der Meerbusen, in den
er sich ergiesst, heisst jetzt der Meerbusen von Saros.
3) Ipsala. 4) Rodosto. °) Magar.
,;) Karahirman.
7) Tomismar oder Baba, der Verbannungsort Ovids.
8) Schablefer. 9) Baltschik. ,0) Oliben. «) Takfurgköl.
,2) Gojemlik. 13) Hadsji-Oglu-Bazardsjik. u) Karaagatsch.
15) Varna. I6) Varna. ,7) Emineh. '*) Balkan. ,9) Cap Emineh.
20) Misevira. 2l) Ahioli.
314 Viertes Buch.
früher Messa stand. In der Landschaft Astico lag sonst
die Stadt Anthium, jetzt Apollonia. x) Flüsse sind: der Pa-
nisus, Rira 2), Teams3) und Orosines. Städte: Thynias 4),
Halmydessos 5) , Develton 6) mit einem See, jetzt Deultum
genannt und von den Veteranen angelegt; Phinopolis 7) am
Bosporus. Vom Ausflusse des Ister bis zur Mündung des
Pontus rechnen Einige 555,000 Schritte; Agrippa fügt
noch 60,000 hinzu. Von hier aus bis zu der oben erwähn-
ten Mauer beträgt die Entfernung 150,000 und von der
Mauer bis zum Chersones 126,000 Schritte.
Am Bosporus liegen: der Meerbusen Casthenes 8), der
Hafen der Greise 9), und noch ein anderer, welcher Weiber-
hafen10) heisst. Das Vorgebirge Chrysoceras, an welchem
die freie, früher Lygos genannte Stadt Byzanz n) liegt. Von
Dyrrachium ist sie 711,000 Schritte entfernt; eine solche
Ausdehnung hat das feste Land zwischen dem adriatischen
Meere und dem Propontis. 12j Flüsse: der Bathynias, Py-
daras oder Athyras. Städte: Selymbria13), Perinthus 14),
welches durch eine 200 Fuss breite Landenge mit dem
Festlande zusammenhängt. Im Innern liegt Bizya15), ein
Schloss der thracischen Könige, welches seit dem schänd-
lichen Verbrechen des Tereus16) von den Schwalben ge-
') Sizepoli. -) Kamczik.
3) Deare = Dere. 4) Inada. 5) Midje. 6) Zagora.
7) Iniinahaie. 8) Bujukdere. 9) Stenia. I0) Balta Liman.
n) Konstantinopel. 12) Meer von Mannora.
13) Selivria. ") Erekli. 15) Visaolla.
16) Tereus, ein Sohn des Mars und der Nymphe Bistonis König
in Thracien, schändete Philomele, die Schwester seiner Gemahlin
Procne, schnitt ihr, um nicht verrathen zu werden, die Zunge aus,
sperrte sie ein und gab sie für todt aus. Allein Philomele fand Ge-
legenheit, die Geschichte ihres Unglücks in ein Tuch zu sticken,
und dieses der Procne zu senden, die dann aus Rache ihren eigenen
Sohn Itys schlachtete, ihrem Gemale zum Essen vorsetzte, und als
dieser nach seinem Sohne fragte, ihm es entdeckte, worauf in dem-
selben Augenblicke die hereintretende Philomele ihm das Haupt ins
Gesicht schleuderte. Tereus wollte beide mit dem Schwerte ermor-
den, allein in dem Augenblicke wurde Procne in eine Schwalbe, Phi-
lomele in eine Nachtigall und Tereus in einen Wiedehopf verwandelt.
Viertes Buch. 315
mieden wird. Der cänische District, die Colonie Flavio-
polis, wo früher die Stadt Zela stand. 50,000 Schritte von
Bizya entfernt liegt die Colonie Apros x), welche von Phi-
lippi 189,000 Schritte entfernt ist. An der Küste fliesst
der Erginus; früher lag hier die Stadt Ganos; auch Lysi-
machia 2) auf dem Chersones wird immer öder. Es giebt
hier noch eine andere Landenge, die mit jener (der corin-
thischen) den Namen Isthmus führt, und ihr auch an Breite
gleich kommt. Auch steht auf jedem der beiden Ufer eine
berühmte Stadt, welche die Landenge auf ähnliche Weise 3)
begrenzen, nämlich Pactye am Propontis und Cardia am
melanischen Meerbusen; letztere Stadt hat den Namen von
der Gestalt des Terrains erhalten. 4) Beide wurden nach-
her mit dem 5000 Schritte von der langen Mauer entfernten
Lysimachia vereinigt. Vormals lagen auf der dem Propon-
tis zugekehrten Seite des Chersonesos die Städte: Tiristasis,
Chrithote und Cista am Flusse Aegos 5); jetzt befindet sich
daselbst nur noch Resistos, 22,000 Schritte von der Colonie
Apros entfernt und der parianischen 6) Colonie gegenüber.
Auch am Hellesponte 7), der, wie wir gesagt haben 8),
Asien von Europa durch einen Zwischenraum von 7 Sta-
dien trennt, liegen 4 Städte einander gegenüber, nämlich
in Europa Callipolis 9) und Sestos 10), und in Asien Lamp-
sacus u) und Abydos . 12) Dann folgt auf dem Chersones
das Vorgebirge Mastusia13) dem Vorgebirge Sigeum14) ge-
genüber, auf dessen schräger Vorderseite Cynossama, oder
das Grabmal der Hecuba15), ein Ankerplatz der Achäer.
l) Arhun. -) Esemü.
3) Wie Lecheae und Cenchreae. 4) "Von xagöiu Herz.
5) Argos Potamos, d. i. Ziegenfluss , Jugdir Hinan. Hier besiegte
Lysander, der Feldherr der Spartaner, 406 v. Chr., die Athenienser,
und machte ihrer Freiheit und dem peloponnesischen Kriege ein Ende.
6) Kemares. 7) Strasse der Dardanellen.
8) II. B. 92. C. 9) Gallipoli. 10) Jalova. ») Lapsak. «) Nagara .
13) Cap Greco. ") Jenischehr.
15) Gemalin des Priamus, die nach ihrem Tode in eine Hündin
verwandelt wurde, daher xvvoq oijfiv..
316 Viertes Buch.
Dev Thurm und Tempel des Protesilaus l); und auf der
äussersten Spitze des Chersones, welche Aeolium heisst,
die Stadt Eläus. 2) Am melanischen Meerbusen liegen die
Häfen Cölos 3), Panhormus und das oben genannte Cardin.
Hiermit scbliesst sich der dritte Hauptbusen von Europa.
Ausser den schon genannten Bergen 4) sind noch folgende
in Thracien zu bemerken: der Edonus, Gigemoros, Meritus,
Melamphyllos. Flüsse, welche sich in den Hebrus ergiessen,
sind: der Bargus und Syrmus. 5) Die Länge von Macedo-
nien, Thracien und dem Hellespont ist schon oben angege-
ben. Andere berechnen sie auf 720,000 Schritte. Die
Breite beträgt 384,000 Schritte.
Das ägeische Meer6) hat seinen Namen von Aex 7),
einem zwischen Teuus 8) und Chios f») gelegenen Stück
Landes, welches aber eher ein Felsen als eine Insel ge-
nannt zu werden verdient; es springt steil aus dem Meere
hervor und ist nach seiner ziegenähnlichen Gestalt (all;
heisst im Griechischen die Ziege) benannt. Die Schiffer,
welche von Achaja nach Andros 10) zusegeln, haben ihn
zur Rechten, und halten ihn für gefährlich und Unheil brin-
gend. Ein Theil des ägeischen Meeres heisst das myr-
toische, nach einer kleinen Insel, die denen, welche von
Gerästus n) nach Macedonien fahren, unweit Carystus in
Euböa zu Gesicht kommt. Die Römer bezeichnen alle die-
se Meere mit nur 2 Namen; sie nennen nämlich das, was
Macedonien und Thracien berührt, das macedonische, und
das, was an Grichenland grenzt, das griechische Meer.
Die Griechen theilten auch das jonische Meer nach den
darin liegenden Inseln in das sicilische und cretische, das
icarische nennen sie das zwischen Samos und Myconus.
') War der erste, welcher bei der Landung der Griechen vor
Troja ans Land sprang. (Homers Iliade II. 695.) Er wurde von den
Griechen göttlich verehrt.
2) Von ihr sind noch Ruinen vorhanden.
3) Kilidbahr. 4) Hämus, Pangäus und Rhodope. "') Usunuv.a.
«) Archipel. 7) Calviero. ,8) Tino. 9) Skio. 10) Andro.
") Karysto.
Viertes Buch. 317
Die übrigen Namen sind von den Meerbusen entlehnt, welche
wir angeführt haben. — So verhält es sich mit den Meeren
und Völkern des dritten Hauptbusens von Europa.
19.
Es folgen nun die Inseln, und zwar zuerst Thespro -
tien gegenüber, 12,000 Schritte von Buthrotum und 50,000
Schritte von den acroceraunischen Gebirge, Corcyra J) mit
einer freien Stadt gleichen Namens, der Stadt Casslope 2)
und einem Tempel des Jupiter Cassius. Ihre Länge be-
trägt 97,000 Schritte; bei Homer3) heisst sie Scheria und
Phäacia, bei Callimachus auch Drepane. Um sie herum
liegen noch einige andere Inseln , als Thoronos 4) gegen
Italien, die beiden Paxoe B) gegen Leucadien zu und 5000
Schritte von Corcyra. Nicht weit von diesen liegen vor
Corcyra: Ericusa6), Marathe, Elaphusa, Malthace, Trachie,
Pythionia, Ptychia 7), Tarachie. Bei dem auf Corcyra be-
findlichen Vorgebirge Phalacrum8) befindet sich eine Klippe,
die einem Schiffe ähnlich sieht, woher die Fabel entstand,
dass das Schiff des Ulysses in sie verwandelt worden sei.
Vor Leucimena 9) liegt Sibota. 10) Zwischen Leucadien u)
und Achaja aber liegen noch sehr viele Inseln, unter ihnen
die Teleboiden oder von ihren Bewohnern die taphischen
genannt, als: Taphias12), Axiä13) und Prinoessa; und vor
Aetolien dieEchiuaden: Aegialia, Cotonis, Thyatira, Geoaris,
Dionysia, Cyrnus, Chalcis, Pinara, Mystus.
Vor diesen auf dem hohen Meere liegen Cephalania u),
Zacynthus 15), beide frei, Ithaka16), Dulichium17), Same18),
») Korfu. 2) Cassopo. ;i; Odyssee IV. 34. XIII. 160.
*) Fano. 5) Paxo und Antipaxo. 6) Varcusa. 7) Scoglio di Vido.
8) Cap Sidari, auf dem nördlichen Theile von Korfu.
'•') Cap Lechino. 10) S. Nicolo. ") Santa Maura.
a) Meganisi. ,a) Cursolari. 14) Cefälonia. ,5) Zante.
") Thiaki — das Vaterland des Ulysses.
17) Jetzt mit dem festen Lande vereinigt.
18) So nennt Homer (IV. 671. 845) die Insel Cephalonia. was PI.
übersehen zu haben scheint, weil er Same als besondere Insel anführt
Auch eine Stadt auf Cephalonia hiess Same.
318 Viertes Buch.
Crocylea. x) Von Paxos ist Cephalania, welches früher
Meläna hiess, 103,000 Schritte entfernt, ihr Umfang beträgt
44,000. Same ist von den Römern 2) verwüstet, hat aber
doch noch 3 Städte. Zwischen Cephalania und Achaja liegt,
berühmt durch eine prächtige Stadt und grosse Fruchtbarkeit,
^acyuthus, ehemals Hyrie genannt, von der südlichen Küste
Cephalaniens 25,000 Schritte entfernt. Auf ihr befindet
sich der bekannte Berg Elatus. 3) Ihr Umfang misst
36,000 Schritte. Ithaka mit dem Berge Neritus liegt 15,000
Schritte weit von ihr, und hat im Umfange 25,000 Schritte.
Von Ithaka bis zum Vorgebirge Araxus 4) auf dem Pelo-
ponnes sind 12,000 Schritte. Vor Ithaka liegen auf dem
hohen Meere Asteris 5) und Prote 6); vor Zacynthus, 35,000
Schritte weit gegen Südost die beiden Strophaden 7), von
andern Plotae genannt. Vor Cephalania liegt Letoia8);
vor Pylus die 3 sphagischen 9) und vor Messene die 3
önussischen10) Inseln.
Im asinäischen Meerbusen n) liegen die 3 Thyriden 12),
im lacedämonischen Teganusa13), Cothon, Cythera14), früher
Porphyris genannt, mit einer Stadt. Sie liegt 5000 Schritte
vom Vorgebirge Malea entfernt, der Zwischenraum ist aber
wegen einiger engen Stellen für die Schiffe gefährlich. Im
argolischen Busen liegen Pityusa15), Irine16), Ephyre17);
dem hermionischen Gebiete gegenüber: Tiparenus18), Ape-
ropia19), Colonis20) und Aristera21); Trözenium gegenüber
in einer Entfernung von 500 Schritten: Calauria22), ferner
Plateis, Belbina, Lasia, Baucidias. Epidaurus gegenüber
») Calamota. -) 189 v. Chr. 3) Scopo. 4) Papas.
5) Diesen Namen führten in der ältesten Zeit auch die Inseln
Delos, Rhodos und Creta.
6) Prodano. 7) Strofadi und Strivali. 8) Guardiani.
9) Sphagia. 10) Sapienza, Santa Maria und Caprera.
») Golf von Modon.
,2) Sie heissen alle drei Venetico.
,3) Cervi. u) Cerigo. 15) Falconefa. 16) Kavuri. ") Hypsili.
18) Spezia. 19) Doko. *>) Spezia Pulo.
21) Hydron. 22) Porös.
Viertes Buch. 319
liegen: Cecryphalos *) und Pityonesos 2), 6000 Schritte vom
Festlande. 15,000 Schritte von dieser liegt Aegina 3), eine
freie Insel; die Fahrt längs derselben beträgt 18,000 Schritte ;
von dem athenieDsischen Hafen Piräus ist sie 20,000 Schritte
entfernt, und ihr früherer Name war Oenone. Dem Vorge-
birge Spiräus 4) gegenüber liegen: Eleusa, Dendros, die
beiden Craugiä, die beiden Caeciä, Seiachusa, Cenchreis und
Aspis. Im megarischen Meerbusen sind die 4 Mathuriden. 5)
Aegila 6) aber ist von Cythera 15,000, und von Phalasarna,
einer Stadt auf Creta, 25,000 Schritte entfernt.
20.
Die Insel Creta 7), welche mit der einen Seite gegen
Süden, mit der andern gegen Norden liegt, also ihre läng-
ste Ausdehnung von Osten nach Westen hat, ist durch 100
Städte berühmt. Dosiades 8) leitet ihren Namen von der
Nymphe Creta, Anaximander 9) von einer Tochter der
Hesperis, Philistides aus Mallos von einem Könige der
Cureten ab. Nach Crates10) hiess sie anfangs Aeria, dann
Curetis, und Macaron11) soll sie, nach der Meinung Einiger,
wegen ihres Klimas genannt worden sein. Sie ist nirgends
über 50,000 Schritte breit, in der Mitte am breitesten, ihre
Länge beträgt 270,000 und ihr Umfang 589,000 Schritte.
Sie wendet sich in das nach ihr benannte cretische Meer
und streckt da, wo sie am längsten ist, gegen Morgen das
Vorgebirge Sammonium1'2) nach Rhodus, gegen Abend aber
das Vorgebirge Criumetopon13) nach Cyrenae aus. Ihre
bemerkenswerthesten Städte sind: Phalasarne, Elaea, Cisa-
mum14), Pergamum, Cydon15), Minoum16), Apteron17), Pan-
tomatrium 18), Amphimalla 19), Rhithymna 20), Panhormum 21),
') Kerates. -) Anchistri. 3) Engia oder Egina. 4) Capo Franco.
•"') Revitiuza. 6) Cerigotto. 7) Candia.
8) Ein griechischer Dichter aus Rhodos im 3. oder 4. Jahrh. v. Chr.
9) Von Milet, geb. 610 v. Chr., t 548.
,0) Von Mallos, lebte im 2. Jahrh. v. Chr.
n) Nämlich vTjooq xäiv /xaxaQatv, Insel der Glückseligen.
'-) Cap Salomon. ,3) Cap Crio. M) Kissamo. ,5) Kanea.
,6) Gnim. ,7) Paleocastro. 18) Porpatumeno. ,9) Suda.
*°) Retimo. -') Panormo.
320 Viertes Buch.
Cytäum1), Apollonia, Matium, Heraclea 2), Miletos 3), Am-
pelos4), Hierapytna 5), Lebena6), Hierapolis. 7) Mitten
auf der Insel: Gortyna 8), Phästum, Gnossus 9), Polyrrhe-
num10), Myrina, Lycastus, Rhammus, Lyctus11), Dium12),
Asum, Pyloros, Rhytion, Elatos, Pharä, Holopyxos, Lasos,
Eleuthernä 13), Therapnä, Marathusa, Cylissos, und noch etwa
60 andere. Berge: der Cadistus14), Idäus 15), Dictynnäus 16)
und Corycus. 17) Von ihrem Vorgebirge Criumetopon bis
zum eyrenischen Vorgebirge Phycus 18) beträgt die Ent-
fernung nach Agrippa 125,000 Schritte. Ebensoweit ist es
vom Cadistus an; von dem peloponnesischen Vorgebirge
Malea 80,000 Schritte; von der Insel Carpathus 19) bis zum
Vorgebirge Sammonium, in westlicher Richtung60,000 Schritte.
Letztere Insel liegt zwischen Creta und Rhodus.
Die übrigen um Creta liegenden Inseln sind: vor dem
Peloponnes die beiden Corcyrae und die beiden Mylae; nörd-
lich, also der Insel Creta zur Rechten, gegen Cydonia hin
liegt Leuce20) und die beiden Budroä. 21) Gegen Matium:
Dia22); gegen das Vorgebirge Itanum23): Onisia24) und
Leuce; gegen Hierapytna: Chrysa25) und Gaudos26), ferner
Ophiussa, Buton und Aradus, und wenn man Criumetopon
umsegelt hat, gelangt man zu den drei Musagoren. Vor
dem Vorgebirge Sammonium liegen: Phoce, Platiä, Sirnidis,
Naulochos, Armedon, Zephyre. 27)
Im helladischen und ägeischen Meere liegen die Licha-
den, Scarphia, Coresa, Phocaria, und noch mehrere andere
') Sittia. 2) Candia. 3) Milipotamo. ') Ambellas. 5) Girapetni.
6) Lionda. ') Xacro. 8) Ajusdeka. 9) Ginosa. 19) Versanachia.
") Ligortino.
,2) Nach Ptolemäus lag auf Creta auch ein Vorgebirge dieses
Namens. ,3) Televerna. ,4) Lemi.
,5) Der Ida, jetzt Psilorito. '6) Lassiti. ") Cap Buso.
!8) Ras-al-Sem. ») Scarpanto. 20) S. Teodoro. 21) Turluru.
22) Standia. 23) Cap Sacro. 24) Kufonisi. 25) Gaidurognissa.
-6) Gadelonis. Plinius scheint hier Ciaudos mit Gaudos verwech-
selt zu haben. Jenes lag allerdings Hierapytna gegenüber; Gaudos
aber, jetzt Gozzo, liegt nach dem Vorgebirge Criumetopon hin.
27) Alle diese sind mehr Klippen.
Viertes Buch. 321
im Angesicht von Attica, aber ohne Städte und daher un-
bedeutend. Allein gegen Eleusis hin liegen das berühmte
Salamis1), vor dieser Psytalia2); ferner Helene3), welche
von Sunium 5000 Schritte entfernt ist. Ceos4) oder Hy-
drussa von den Griechen, Cea von den Römern genannt,
liegt ebensoweit davon entfernt; sie ist von Euböa abge-
rissen und war früher 500 Stadien lang; später wurden fast
vier Fünftheile davon auf der nach Böotien zugekehrten
Seite vom Meere verschlungen. Die auf ihr noch übrig
gebliebenen Städte sind Julis und Carthäa 5), untergegangen
sind: Coresus und Pöeessa. Auf dieser Insel wurden nach
M. Varro zuerst feinere Frauengewänder verfertigt.
21.
Euböa6) ist von Böotien losgerissen; der dazwischen
fliessende Kanal Euripus 7) ist aber so schmal, dass sie mit
dem Festlande durch eine Brücke zusammenhängt. Im
Süden hat sie zwei Vorgebirge, Gerästum8) gegen Attica
und Caphereum9) gegen den Hellespont zu; im Norden liegt
Cenäum10). Nirgends ist sie breiter als 40,000 und nir-
gends schmäler als 2000 Schritte. In der Länge aber er-
streckt sie sich ganz an Böotien, von Attica bis nach Thes-
salien, in einer Ausdehnung von 150,000 Schritten hin; ihr
Umfang beträgt 365,000 Schritte. Ihr Vorgebirge Caphereum
ist vom Hellesponte 225,000 Schritte entfernt. Ehemals
hatte sie folgende berühmte Städte: Pyrrha, Porthmus, Ne-
sus11), Cerinthus, Oreum 12), Dium 13), Ardepsus u), Ocha15),
Orchalia16). Jetzt sind noch bemerkenswerth: Chalcis17),
welcher Aulis auf dem Festlande gegenüber liegt, Ge-
rästum18), Eretria19), Carystus20), Oritanum, Artemisium;
') Coluri; berühmt durch den Sieg der Griechen unter Themi-
socles über die persische Flotte, 480 v. Chr. Auf ihr wurde Euri-
pides am Tage jenes Sieges geboren.
2) Lipso Contaüa. 3) Macranisi. 4) Zea. 5) Zea.
6) Negroponte. 7) Euripo. 8) Karysto. 9) Doro.
»o) Cap Heüenico. ") Neso. ,2) Orio. ,3) Litada. u) Dipso.
I5) Auf Euböa lag auch ein Berg dieses Namens. ,6) Kapo.
") Negroponte. ,8) Karysto. ,9) Trocco. -°) Castell Rosso.
21
322 Viertes Buch.
ferner die Quelle Arethusa, der Fluss Lelauthus und die
warmen Quellen, Ellopia genannt. Noch berühmter aber
ist die Insel durch den carystischen Marmor. Ehemals hiess
sie Chalcodontis oder Macris, wie Dionysius *) und Epho-
rus 2) berichten; Macra nach Aristides 3); Chalcis wegen
des dort zuerst gefundenen Erzes, nach Callidemus 4), Aban-
tias nach Menächmus 5); Asopis aber heisst sie gewöhnlich
bei den Dichtern.
22.
Ausser Euböa liegen noch viele Inseln im myrtoischen
Meere, von denen Glauconesos 6) und Aegila 7) die bemer-
kenswert!] esten sind. Beim Vorgebirge Gerästum liegen um
Delos in einem Kreise herum, die daher so benannten Cy-
c laden8). Die erste derselben ist Andros 9) mit einer
Stadt 10), 10,000 Schritte von Gerästum und 39,000 von Ceos
entfernt. Nach Myrsilus Berichte soll sie zuerst den Bei-
namen Cauros, dann Antandros erhalten haben. Callima-
chus n) nennt sie Lasia, Andere nennen sie Nonagriä, Hy-
drussa, Epagris ; ihr Umfang beträgt 93,000 Schritte. Von die-
ser Insel Andros sind es 1000, und von Delos 15,000 Schritte
bis nach Tenos12), auf welcher sich eine Stadt u) befindet.
Tenos, welche 15,000 Schritte lang ist, wird nach Aristo-
teles wegen ihres Reichthums au Wasser Hydrussa, von
Andern aber Ophiussa genannt. Die übrigen sind: Myco-
nos14) mit dem Berge Dimastus, 15,000 Schritte von Delos
') Von Byzanz?
2) Von Cumae in Kleinasien, lebte im 4. Jahrb.. v. Chr.
3) Von Milet. 4) Unbekannt.
5) Von Sicyon, Bildhauer und Schriftsteller.
6) Pondico. 7) Spitilus.
8) Der Zahl nach waren es ausser Delos 22, die man unter die-
ser Benennung begriff; nämlich: Rhenäa, Myconos, Tenos, Andro s,
Gyarus, Ceos, Syrus, Cythnus, Seriphos, Siphnos, Cimolis , Melos
Anaphe, Astopaläa, Amorgos, Lebinthus, los, Naxos, Paros, Oliarus,
Prepesinthus.
9) Andro. ,0) Arna. ") Von Cyrene, um 280 v. Chr.
'-) Tino. 13j S. Nikolo. u) Myconi.
Viertes Buch. 323
entfernt; Siphnue x), früher Meropia, auch Acis genannt,
28,000 Schritte im Umfange; Seriphus 2) 12,000 Schritte im
Umfange, Prepeshithus 3) und Cythnus 4). Die berühmteste
von allen aber ist Delos5), welche in der Mitte liegt, we-
gen des Tempels des Apollo und ihres Handels; sie schwamm,
wie man erzählt, lange auf dem Meere umher und wurde
nie von einem Erdbeben betroffen. Bis zum Zeitalter des
M. Varro ist sie jedoch, wie Mucian berichtet, zweimal er-
schüttert wurden. Nach Aristoteles soll sie ihren Namen
daher erhalten haben, weil sie plötzlich aus dem Meere em-
por stieg 6). Aeglosthenes 7) nennt sie Cynthia, Andere ge-
ben ihr die Namen Ortygia, Asteria, Lagia, Chlamydia,
Cynthus, Pyrpile aber, weil daselbst das Feuer zuerst erfun-
den sein soll. Ihr Umfang beträgt 5000 Schritte; auf ihr
erhebt sich der Berg Cynthus 8). Ihr zunächst liegt Rhene 9),
welche Anticlides 10) Celadussa, Callidomus n) aber Arte-
mis nennt. Syros12) soll nach dem Berichte der Alten
20,000, nach Mucian aber 160,000 Schritte im Umfange
haben. Olearos13); Paros14) mit einer Stadt15), 38,000
Schritte von Delos entfernt und berühmt durch seinen Mar-
mor, hiess zuerst Platea, dann Minois. 7500 Schritte da-
von liegt Naxos16) mit einer Stadt17), 18,000 Schritte von
Delos; sie hiess erst Strongyle, dann Dia, nachher Diony-
sias wegen ihres reichen Ertrages an Wein; Andere nann-
ten sie Kleinsicilien oder Callipolis. Ihr Umfang beträgt
45,000 Schritte, sie ist also um die Hälfte grösser als Paros.
23.
Soviel von den Cycladen; die nun folgenden Inseln
heissen Sporaden. Es sind: Helene18), Phacussa19), Nica-
•) Sifanto; sie war wegen ihrer Gold- und Silberbergwerke be-
rühmt. -) Serfo. 3) Strongylo. 4) Thermia. 5) Delo.
6) Von ÖTJkog sichtbar, offenbar. 7) Unbekannt.
8) Cintio. 9) Sdili oder Gross-Delo. I0) Unbekannt.
M) Gleichfalls unbekannt. M) Syra. ,3) Antiparo. ") Paro.
15) Parichia. 16) Nakscha. ") Nakscha.
»•) Pira. '») Gofinissa.
21*
324 Viertes Buch.
sia *), Scbinussa 2), Pholegandros 3) und die von Naxos
38,000 Schritte entfernte Icaros 4), von welcher das
Meer den Namen hat; sie ist ebenso lang und hat zwei
Städte, eine dritte ist untergegangen. Früher führte
sie den Namen Doliche, Macris, Ichthyoessa. Von Delos
liegt sie 50,000 Schritte weit gegen Morgen zu, von Samos
35,000. Zwischen Euböa und Andros befindet sich eine
10,000 Schritte breite Meerenge. Von Icaros nach Gerästum
sind es 112,500 Schritte. Bei den übrigen Inseln können
wir uns an keine bestimmte Ordnung halten, wir wollen
sie daher gruppenweise vornehmen. Scyros5) ; J o s6) von Naxos
18,000 Schritte entfernt und durch das Grabmal Homer's
verehrungswürdig, hiess ehedem Phönice und hat eine Länge
von 25,000 Schritten. Odia, Oletandros 7), Gyaros 8) mit
einer Stadt; letztere hat 12,000 Schritte im Umfange und
ist von Andros 62,000 Schritte entfernt, von Scyros aber
80,000 Schritte. Cynäthus, Telos9), berühmt durch seine
Salben, heisst bei Callimachus Agathussa. Donusa10),
Patmos n) mit einem Umfange von 30,000 Schritten; Co-
rasiä12), Leblnthus13), Leros 14), Cinara, Sicinus15), früher
Oenoe, Hieraca oder Onus, Casus 16) oder Astraba, Cimo-
lus17) oder Echinussa; Melos18) mit einer Stadt, bei Aristi-
des Memblis, bei Aristoteles Zephyria, bei Callimachus
Mimallis und bei Heraclides 19) Siphis und Acytos. Sie ist
die rundeste von allen Inseln. Dann folgt Machia20), Hy-
pere, welche früher Patage oder nach Andern Piatage, jetzt
aber Amorgos21) heisst; Palyägos22), Phyle23), Thera24), die,
') Rachia. 2) Skinossa.
3) Policandro. 4) Nicaria.
5) S. Georgio cli Skyro. 6) Nio. 7) Acariez.
8) Jura; ein unwirthbarer Felsen, wohin unter den römischen
Kaisern die Missethäter verwiesen wurden.
9) Piscopia. 10) Stenosa. ") Palmosa. ,2) Dragonisi. 13) Levitho.
u) Lero. ,5) Sicino. 16) Casso. ") Cimolo. 18) Milo.
,9) Welcher? ist nicht zu bestimmen.
20) Paximadi. "; Amorgo. —) Polino.
a3) Antimilo. 24) Santorin.
Viertes Buch. 325
als sie eben aus dem Meere hervorgetreten war, Calliste
hiess. Von dieser wurde nachher Therasia J) abgerissen;
später entstieg zwischen diesen beiden Automate, auch
Hiera 2) genannt, und neben diesen ist zu unsern Zeiten
noch die Insel Thia 3) entstanden. los liegt von Thera
25,000 Schritte entfernt.
Nun folgen: Lea 4), Ascama 5), Anaphe 6), Hippuris; die
freie Insel Astypaläa 7) mit einem Umfange von 88,000
Schritten ist von Cadistus auf Creta 125,000 Schritte ent-
fernt. Platea liegt 60,000 von ihr und von da Caminia
38,000 Schritte weit. Azibintha, Lanise, Tragäa, Pharma-
cussa 8), Techedia, Chalcia 9), Calydna mit der Stadt Coos,
Calymna10), welche von Carpathus, von der das carpathische
Meer seinen Namen hat, 25,000 Schritte entfernt ist. Von
da beträgt in südlicher Richtung bis Rhodus die Entfernung
50,000 Schritte; von Carpathus nach Casos 7000, von Casos
nach dem Vorgebirge Samoninm auf Creta 30,000 Schritte.
Im euböischen Euripus, fast am Eingange, liegen die vier
petalischen Inseln11), und beim Ausflusse Atalante 12). Die
Cycladen und Sporaden sind gegen Osten von den icarischen
Küsten in Asien, gegen Abend von den myrtoischen i»
Attica, gegen Norden vom ägeischen und gegen Süden vom
cretischen und carpathischen Meere eingeschlossen. Sie
dehnen sich in einer Länge von 700,000 und in einer Breite
von 200,000 Schritten aus.
Vor dem pagasischen Meerbusen 13) liegen Euthia w),
Cicynethus 15) und die oben erwähnte Scyrus, die äusserste
der Cycladen und Sporaden; Gerontia16), Scandila17), vor
dem thermäischen18): Irrhesia, Solimnia, Eudemia19), Nea20),
') Tiresia. 2) Aspronisi.
3) Nea - Kaimeni. 4) Piana, auch Pianoso. 5) Christiana.
6) Nanfi. 7) Stampalia.
») Fernaco. 9) Charki (bei Rhodus). 10) Calamine.
'») Spili. '2) Talanta. 13) Golf von Volo.
,4) Agios Nicolaos. ,5) Trikeri. ,6) Jura.
") Skangero. ,8) Golf von Salonichi.
'») Sarakin. ») Agio Strati.
326 Viertes Buch.
welche der Minerva geweihet ist. Vor dem Berge Athos
liegen vier: Peparathus *) mit einer Stadt, früher Evoenus
genannt, 9000 Schritte gross; Sciathus 2), 15,000 Schritte
gross; Imbrus 3) mit einer Stadt, 88,000 Schritte gross, von
Mastusia auf dem Chersones 25,000 Schritte entfernt, hat
einen Umfang von 62,000 Schritten und wird vom Flusse
Ilissus durchströmt. Lemnos 4) ist von ihr 22,000 und vom
Athus 87,000 Schritte entfernt, hat einen Umfang von
112,500 Schritten, und die Städte Hephästia 5) und My-
rina 6), auf deren Forum der Athos zur Zeit der Sonnen-
wende seinen Schatten wirft. Von Lemnos liegt Thasos 7)
eine freie Insel, welche ehemals Aeria oder Aethria genannt
wurde, 6000 Schritte entfernt; von da bis Abdera auf dem
Festlande sind 22,000 Schritte, nach dem Athos 62,900,
und ebenso weit bis zur freien Insel Samothrace 8), die vor
dem Hebrus liegt, 32,000 vom Imbrus, 22,500 von Lemnos,
38,000 von der thracischen Küste entfernt ist, und einen
Umfang von 32,000 Schritten hat. Auf ihr erhebt sich der
Berg Saoce 9) bis zu einer Höhe von 10,000 Schritten; sie hat
unter allen die wenigsten Landungsplätze. Callimachus
giebt ihr den alten Namen Dardania. Zwischen dem Cher-
sones und Samothrace, und zwar von beiden beinahe 15,000
Schritte entfernt, liegt Halonesos 10), weiterhin Gethone, Lam-
ponia, Alopeconnesus11), nicht weit von Cölus12), einem
Hafen des Chersones, und noch einige andere unbedeutende.
'■) Piperi. -) Skiatho. 3) Imbro oder Lambro.
4) Stalimene. 5) Kochino. 6) Lernno. 7) Thaso.
8) Samotraki; berühmt im Alterthume wegen der Mysterien.
9) Nettuno.
,0) Diese, vermuthlich ein unbedeutender Felsen, darf nicht mit
der zwischen Scopelos und Peparethos (Piperi), dem toranäischen
Meerbusen gegenüber liegenden Insel Halonesos (jetzt Dromi) ver-
wechselt worden, welche die Veranlassung zu einem Kriege zwischen
Philipp und den Atheniensern gab, und von der Strabo im IX. Buche
spricht.
n) Jetzt Kalafatli; es giebt auch eine Stadt an der Westküste
des thracischen Chersones, welche so hiess.
,2) Kilidbahr.
Viertes Buch. 327
Die übrigen unbewohnten Inseln in diesem Meerbusen, von
denen die Namen zu ermitteln waren, sind: Desticos, Lar-
nos, Cystirus, Carbrusa, Calathusa, Scylla, Draconon, Ar-
conesus, Dirthusa, Scapos, Capheris, Mesate, Aeantion, Pa-
teroünesos, Pateria, Calate, Neriphus, Polendos.
24.
Der vierte unter den grossen Meerbusen Europas geht
vom Helles pont bis zur Mündung des Mao tis 1). Wir wollen
aber zuerst die Gestalt des gauzen Pontus anschaulich
machen, damit man dann die einzelnen Theile leichter zu
erkennen vermöge. Das grosse, vor Asien liegende und
durch die von Europa her sich vorlehnende Küste des
Chersones zurückgedrängte Meer bricht, wie schon erwähnt,
durch einen engen Pass in das Land und scheidet Europa
von Asien durch einen 7 Stadien breiten Zwischenraum.
Die erste Meerenge heisst der Hellespont. Der persische
König Xerxes führte auf einer darüber geschlagenen Schiff-
brücke sein Heer hinüber. Von da zieht sich der schmale
Euripus in einer Länge von 86,000 Schritten bis zur asia-
tischen Stadt Priapus2), woselbst Alexander der Grosse
übersetzte. Dann breitet sich das Meer aus und zieht sich
wiederum eng zusammen. Die Erweiterung wird Propon-
tis 3) genannt, die enge Strecke aber der thracische
Bosporus4), der 500 Schritte breit ist und den Darius,
der Vater des Xerxes, und sein Heer auf einer Brücke
passirte. Die ganze Länge vom Hellesponte an beträgt
239,000 Schritte. Dann folgt ein grosses Meer, der Pontus
Euxinus 5), früher Axenus genannt, der weit entlegene Länder
berührt und, nachdem seine Ufer einen grossen Bogen ge-
macht haben, sich rückwärts gekrümmt in zwei Hörner zu
beiden Seiten fortzieht, so dass er dadurch die Gestalt eines
scythischen Bogens erhält. An seiner mittleren Krümmung
vereinigt er sich mit der Mündung des Mäotis. Diese Mün-
») Das asowische Meer. -) Kara Burga. 3) Meer von Marmora.
4) Meerenge von Constantinopel. 5) Das schwarze Meer.
328 Viertes Buch.
dung heisst der cimmersche Bosporus *) und ist 2500
Schritte breit.
Zwischen dem thracischen und cimmerschen Bosporus
beträgt nach Polybius 2) die Entfernung in gerader Linie
500,000 Schritte. Den Umfang des ganzen Pontus aber
geben M. Varro und fast alle älteren Schriftsteller zu
2,150,000 Schritten an. Cornelius Nepos fügt noch 300,050
hinzu. Nach Artemidorus beträgt der Umfang 2,919,000r
nach Agrippa 2,360,000, nach Mucianus 2,425,000 Schritte.
Ebenso diiferiren die Angaben der Länge auf der euro-
päischen Seite, welche Einige zu 1,478,500, Andere zu
1,172,000 Schritten annehmen. M. Varro bestimmt das
Maass auf folgende Weise:
Von der Mündung des Pontus bis Apollonia3) 187,500 Schritte
von da bis Calatis 4) ebenso viel . . . 187,500 „
„ „ „ zur Mündung des Ister . . . 125,000 „
„ „ „ zum Borysthenes 5) .... 250,000
„ „ „ Chersonesus 6), einer Stadt der
Heracleoten 375,000
„ „ „ Panticapäum 7), das Einige Bos-
porus nennen, dem äusser-
sten Punkte an der euro-
päischen Küste 212,500 „
Zusammen 1,337,500 Schritte.
Agrippa giebt die Entfernung von Byzanz bis an den Ister
zu 560,000 und von da bis Panticapäum zu 635,000 Schritten an.
Der Mäotis selbst, welcher den von den riphäischen Bergen
kommenden und die äusserste Grenze zwischen Europa und
') Die Meerenge von Kaffa und Theodosia.
2) Aus Megalopolis in Arkadien, f 122 v. Chr.
3) Sizeboli in Thracien.
*) Schablefer, in Niedermösien an der Westküste des schwarzen
Meeres, südlich von der Mündung der Donau. 5) Dnieper.
6) Cherson, auf dem westlichen Theile des taurischen Chersones
(Krim).
7) Kertsch, lag auf der Halbinsel Krim an der Meerenge von
Kafl'a und war, wie Calatis, eine Colonie der Milesier.
Viertes Buch. 329
AsieD bildenden Fluss Tanais *) aufnimmt, soll 1,406,000
Schritte im Umfang haben; nach Andern aber nur 1,125,000.
Von seiner Mündung bis zum Ausfluss des Tanais soll die
gerade Entfernung 375,000 Schritte betragen. — Die Be-
wohner an diesem Busen bis nach Istropolis 2) hin sind
schon bei Thracien genannt worden.
Wir kommen nun zur Mündung des Ister. Dieser Fluss
entspringt auf dem Rücken des Berges Abnoba 3) in Ger-
manien, der gallischen Stadt Rauricum 4) gegenüber, viele
tausend Schritte hinter den Alpen, fliesst unter dem Namen
Danubius durch viele Länder und nimmt ausserordentlich
an Wassermasse zu. Bei seinem Eintritte in Illyrien heisst
er Ister. Nachdem er 60 Flüsse, von denen fast die Hälfte
schiffbar ist, aufgenommen, ergiesst er sich in 6 Armen in
den Pontus. Die erste5) Mündung, Peuces6), welche von
der naheliegenden Insel Peuce 7) ihren Namen erhalten hat,
wird von einem 19,000 Schritte grossen Sumpfe verschlungen.
In demselben Bette bildet sich oberhalb Istropolis ein See
von 63,000 Schritten Umfang , Halmyris 8) genannt. Die
zweite heisst Naracustoma 9); die dritte Calonstoma10) in
der Nähe der Insel Sarmatica; die vierte Pseudostomon n),
auf der von ihr gebildeten Insel ist der Conopon Diabasis12);
dann folgt Boreostoma 13) und Psilonstoma14). Diese ein-
zelnen Arme sind aber so gross, dass das Meer auf eine
Weite von 40,000 Schritte von ihnen zurückgedrängt werden
und einen süssen Geschmack annehmen soll.
25.
Vom Ister an gehören zwar alle Völker zu den Sey-
then; jedoch haben verschiedene die Küstenländer bewohnt;
') Don. 2) Kara-Kerman.
3) Die rauhe Alp in Schwaben und ein Theil des Schwarzwaldes.
4) Augusta Rauracorum, jetzt Äugst, 2 Stunden oberhalb Basel.
Noch jetzt finden sich Trümmer der alten Stadt.
5) Die südlichste. 6) Portescza. 7) Piczina. 8) Ramsin.
9) Kutschuk. 10) Kedrille. ") Salvoa. 12) D. h. Mückenübergang.
,3) Suline. ,4) Kili.
330 Viertes Buch.
bald waren es die Geter1), bei den Römern Dacier ge-
nannt; bald die Sarmater, bei den Griechen Sauromater,
und die dazugehörigen Hamaxobier 2) oder Aorser 3); bald
die unechten und von Sclaven abstammenden Scythen oder
Troglody teil ; bald darauf die Alaner und Rhoxalaner, die
sich dort niederliessen. Die obern zwischen dem Danubius
und dem hercynischen Waldgebirge 4) belegenen Länder bis
zu den panuonischen Winterquartieren haben die Carnun-
ter, die daselbst an Germanien grenzenden Felder und
Ebenen die jazygischen Sarmater, die Berge und Wälder
aber bis zum Flusse Pathissus 5) die von letztern vertriebe-
nen Dacier inne. Die dem Marus 6) oder dem Duria 7),
welcher diese Völker von den Sueven und dem vannia-
nischen Reiche s) trennt, gegenüber liegenden Distrikte wer-
den von den Basternen und weiter hin von andern germa-
nischen Stämmen bewohnt. Agrippa giebt die Länge aller
dieser Länder vom Ister bis zum Ocean auf 1,200,000 und
die Breite von den sarmatischen Wüsten bis zum Flusse
Vistula 9) auf 440,000 Schritte an. Der Käme Scythen ist
durchgängig auf die Sarmaten und Germanen übergegangen,
und nur diejenigen Völker haben ihren alten Namen be-
halten , welche am entferntesten wohnen und der übrigen
Menschheit fast ganz unbekannt sind.
*) Ein thracisches Volk, das anfangs zwischen dem Hämus und
Ister wohnte. Sie hatten mit den Daciern Sprache und Verfassung
gemein. Ihr Gesetzgeber hiess Zamolxis. Erst unter Trajan kamen
sie unter römische Botmässigkeit.
2) Wagenbewohner.
3) Ein allgemeiner Name aller im europäischen Sarrn'atien (von
der Weichsel bis nach Dacien) wohnenden Völker.
4) Unter dieser Benennung begreift Plinius die ganze Strecke
von Wäldern und Gebirgen vom Thüringer Walde bis an die Car-
pathen in Ungarn.
5) Der Theis; er hiess auch Tibissus, Tisianus, Parthissus.
6) Morava. 7) Tyrna.
8) Das Reich des Vannius, eines von den Römern vertriebenen
Fürsten (Tacit. Annal. II. 63 XII. 29), begriff das heutige Mähren in sich.
9) Auch Visula. Vistillus ; jetzt Weichsel.
Viertes Buch. 331
26.
Vom Ister an folgen nun die Städte Creminscos x) und
Aepolium; die macrocremnischen Berge, der berühmte Fluss
Tyra 2), mit einer Stadt gleichen Namens, die früher Ophiusa 3)
hiess. Eine bedeutend grosse Insel auf dem letztern be-
wohnen die Tyrageter, sie ist von der Ister-Mündung Pseudo-
stomon 130,000 Schritte entfernt. Dann folgen die nach dem
Flusse4) benannten Axiacer, dahinter die Crobyzer; der
Fluss Rhode 5), der Busen Sagjarius 6), der Hafen Ordesus 7).
Vom Tyra ist der Fluss Borysthenes 8) 120,000 Schritte
weit; dann folgt ein gleichnamiger See und Volk, sowie
eine 15,000 Schritte vom Meere entfernte Stadt. Die alten
Namen dieser Stadt sind Olbiopolis und Miletopolis 9). Wie-
derum an der Küste liegt ein Hafen der Achäer. Die Insel
des Achilles10), berühmt durch das Grab dieses Mannes.
125,000 Schritte davon liegt eine in Form eines Schwerdtes
quer vorlaufende Halbinsel, welche wegen der daselbst statt-
gehabten Uebungen Dromos Achilleos genannt wird. Agrippa
giebt ihre Länge zu 80,000 Schritten an. Diesen ganzen
Landstrich bewohnen die taurischen und siracischen Scythen.
Von der angrenzenden waldigen Gegend u) hat das daran-
stossende Meer den Namen des hyläischen erhalten; die
Einwohner derselben hiessen Enäcadloer. Weiterhin fliesst
der Panticapes 12) , der die Nomaden von den Georgen
trennt. Dann kommt der Acesinus13). Einige geben an,
der Panticapes flösse unterhalb Olbia mit dem Borysthenes
') Lag auf der Norctwestküste des schwarzen Meeres, 6 Meilen
südlich von der Mündung des Dniester im Busen bei Islama.
2) Dniester. 3) Ovidiopel. 4) Janlaltrak? 5) Deligiol.
6) Golf Deligiol. 7) Okzakow. 8) Dnieper.
9) Kasi Kirman oberhalb der Mündung des Dnieper. 10) Tendra.
11) Diese Gegend, Hyläa, reichte vom heutigen Kinburn bis an
den Hals der taurischen Halbinsel. Nördlich davon wohnten die
ackerbautreibenden Scythen.
12) Samara.
,3) Jetzt fliessen dort nur einige im Sande sich verlaufende
Waldbäche.
332 Viertes Buch.
zusammen, allein genauere Schriftsteller sagen diess von
dem Hypanis1); in noch grösserem Irrthume befinden sich
diejenigen, welche ihn nach Asien versetzen.
Das Meer tritt nun weit zurück und umfliesst, bis es
nur noch durch einen Zwischenraum von 5000 Schritten vom
Mäotis getrennt ist, weite Strecken Landes mit vielen Völ-
kern. Dieser Busen heisst Carcinites 2) , der Fluss Paey-
mis 3). Städte sind: Naubarum, Carcine, in deren Rücken
sich ein durch einen Kanal ins Meer ergiessender See be-
findet. Er heisst Buges4), wird vom Coretus 5) , einem
Busen des Mäotis, durch eine Felsenwand6) getrennt und
nimmt die Flüsse Buges 7), Gerrhus 8) und Hypacaris, die
aus verschiedenen Gegenden kommen, auf. Denn der Ger-
rhus bildet die Grenze zwischen den Basiliden und Noma-
den; der Hypacaris fliesst durch das Gebiet der Nomaden
und Hyläer und ergiesst sich in einem künstlichen Bette
in den Buges, in dem natürlichen aber in den Busen Core-
tus. Dieser Landstrich heisst das sendische Scythien.
Bei dem Busen Carcinites beginnt Taurien 9), welches
vormals allenthalben, wo jetzt Land liegt, vom Meere um-
flossen wurde. Weiterhin erheben sich breite Bergrücken.
Das Land wird von 30 Völkern bewohnt, von denen 23 den
mittlem Theil inne haben , und hat 6 Städte , deren Ein-
wohner Orgocyner, Characener, Lagyraner10), Traetarer,
') Der Bug. Dieser ist von einem anderen Hypanis, auch Bar-
danias (jetzt Kuban) genannt, wohl zu unterscheiden. Letzterer
fliesst im asiatischen Sarmatien und ergiesst sich in mehreren Mün-
dungen in den cimmerschen Bosporus. Ein dritter Fluss dieses
Namens fliesst in Indien.
2) Golf von Perekop.
3) Kanikschack. Er heisst bei Ptolemäus Carcinis, weil er
sich bei der Stadt Carcine in den carcinischen Meerbusen ergiesst.
!) Siwasch. Bei Ptolemäus heisst er Byce.
5) Gulloe More, der westliche Theil des asowischen Meeres.
,;) Landzunge von Arabat. 7) Salgir. 8) Karasu.
9) Die Halbinsel Krim.
,0) Lagyra, jetzt Belbek, nordöstlich vom Vorgebirge Charax
(Cara Caja).
Viertes Buch. 333
0
Arsilachiter und Caliorder heissen. Im hohen Gebirge
halten sich die Scythotaurier auf; sie werden im Westen
von dem Chersones, im Osten von den satarchischen Scythen
begrenzt. An der Küste vom Carcinites an liegen die Städte
Taphrä *), auf der Landenge der Halbinsel, und Heraclea
Chersonesos , welcher die Römer die Freiheit schenkten.
Sie hiess früher Megarice und zeichnet sich im ganzen
Lande dadurch aus, dass sie den griechischen Sitten treu
geblieben ist; die sie umgebende Mauer ist 5000 Schritte
lang. Dann folgt das Vorgebirge Parthenium 2) , Piacia,
eine Stadt der Taillier , der Hafen Symbolon 3) , das Vor-
gebirge Criumetopon 4) , das dem Vorgebirge Carambis 5)
# in Asien gegenüberliegt und 170,000 Schritte weit in den
Pontus hinausläuft, wodurch die grosse Aehnlichkeit mit
der Gestalt eines scythischen Bogens entsteht. Von da an kom-
men viele taurische Häfen und Seen. Die Stadt Theodosia 6)
ist vom Criumetopon 125,000 und vom Chersones 165,000
Schritte entfernt. Weiterhin lagen die Städte: Cytä, Ze-
phyrium, Acrä, Nymphäum und Dia. Eine sehr mächtige
Stadt am Eingange in den Bosporus selbst ist das von den
Milesiern gegründete Panticapäum 7), welches von Theodo-
sia 87,500, von der jenseits der Meerenge belegenen Stadt
Cimmerium 8) 2500 Schritte (wie bereits erwähnt wurde)
weit liegt. Sowenig beträgt die Breite, welche Asien von
Europa an dieser Stelle trennt, und wenn die Meerenge
zugefroren ist, so kann man meistens zu Fuss hinüber-
gehen. Die Breite des cimmerschen Bosporus beträgt
12,500 Schritte. Die daselbst liegenden Städte heissen
Hermisium und Myrmecium 9), und in ihm selbst die Insel
Alopece. Vom äussersten Punkte des Isthmus an, welcher
») Perekop.
2) Die südwestlichste Landspitze der Krim, auf der jetzt das
Kloster St. Georgii liegt.
3) Balaclava. *) Ajadagh. 5) Karempe. •) Kaft'a. 7) Kertsch.
*) Eski Koiru, nordwestlich von Theodosia. Man findet noch
Trümmer der alten Stadt.
9) Etwas westlich von der Festung Jenikale.
334 Viertes Buch.
Taphrä heisst, über den Mäotis hin bis zur Mündung des
Bosporus wird die Entfernung auf 260,000 Schritte an-
gegeben.
Von Taphrä an wohnen nach dem Innern zu die Au-
cheter *), in deren Gebiete der Hypanis, die Neurer 2), wo
der Borysthenes entspringt, ferner die Geloner 3), Thussa-
geter, Budiner, Basilider und die von ihren bläulichen Haa-
ren sogenannten Agathyrser. Weiterhin sind die Nomaden
und Anthropopbagen. Vom Buges an ober dem Mäotis die
Sauromater und Essedoner. Aber an der Küste bis zum
Tanais hin wohnen die Mäoter, von welchen der See seinen
Namen erhalten hat; hinter diesen folgen zuletzt die Ari-
masper. Dann gelangt man zu den riphäischen Bergen 4)
und in die wegen des beständig herabfallenden federähn-
lichen Schnees Pterophoros genannte Gegend. Dieser Theil
der Welt ist von der Natur verflucht und in dichte Finsterniss
gehüllt; er dient zur Erzeugung der Kälte und zu den
eisigen Behältern des Aquilo.
Neben diesen Gebirgen und zwar jenseits des Aquilo
wohnt (wenn wir es glauben wollen) seit undenklichen Zei-
ten ein glückliches, durch viele an das Fabelhafte gren-
zende Wunderdinge berühmtes Volk, die Hyperboräer.
Dort sollen sich die Angeln der Welt befinden, die Gestirne
ihren äussersten Umlauf halten, dort soll die Sonne ein
halbes Jahr lang scheinen und nur einen Tag verborgen
sein, aber nicht, wie Unwissende behauptet haben, vom
Frühlings-Aequinoctium bis zum Herbste. Einmal im Jahre,
am Sommer-Solstitium geht ihnen die Sonne auf, und ein-
mal, am Winter-Solstitium, unter. Es ist ein sonniges
Land, hat ein glückliches Klima und ist frei von allen
schädlichen Winden. Wälder und Haine sind ihre Woh-
nungen; sie verehren die Gottheit einzeln und in Gesell-
1) Die Ukräne.
2) In der Gegend von Lemberg nach der Weichsel hin.
3) Zwischen dem Don und der Wolga.
4) Das uralische und werechoturische Gebirge.
Viertes Buch. 335
schaft, alle Zwietracht und Bekümrnerniss ist ihnen unbe-
kannt. Sie sterben nur, wenn sie des Lebens müde sind,
und die Alten stürzen sich, wenn sie geschmaust und in
Luxus geschwelgt haben, von einem Felsen vergnügt in
das Meer. Diess ist wohl die glücklichste Art des Begräb-
nisses. Einige haben dieses Volk an den äussersten Theil
der Küste von Asien und nicht nach Europa versetzt, weil
dort die ihnen an Sitten und Lage ähnlichen Attacer woh-
nen. Andere setzen sie in die Mitte zwischen beide Son-
nen, nämlich die untergehende der Gegenfüssler und unsere
aufgehende, was aber nicht sein kann, da der Ocean da-
zwischen liegt. Diejenigen, welche ihre Wohnplätze da be-
zeichnen, wo die Sonne ein halbes Jahr lang scheint, erzäh-
len, dass sie des Morgens säen, Mittags ernten, Abends
die Früchte der Bäume abpflücken und die Nacht in Höh-
len zubringen. Die Existenz dieses Volkes ist nicht zu
bezweifeln, da so viele Schriftsteller berichten, dass es die
Erstlinge der Früchte dem Apollo, den sie vorzüglich ver-
ehren, nach Delos zu schicken pflegt. Zuerst brachten
Jungfrauen dieselben und wurden mehrere Jahre hindurch
durch die Gastfreundschaft der Völker ehrerbietig aufge-
nommen. Als man ihnen aber einst die Gasttreue gebrochen
hatte, Hessen sie ihre Opfergaben an den Grenzen des
ihnen zunächst wohnenden Volkes niederlegen, dieses schaffte
sie weiter zu seinen Grenznachbarn, und so gelangten sie
nach Delos. Nachmals hörte auch dieser Gebrauch auf.
Die Länge von Sarmatien, Scythien, Taurien und dem
ganzen Länderstriche vom Flusse Borysthenes an wird von
Agrippa auf 980,000, die Breite aber auf 717,000 Schritte
angegeben. Ich halte jedoch die Maassbestimmung in die-
sem Theile der Erde für unzuverlässig.
27.
Wir wollen nun der einmal angenommenen Ordnung
gemäss das, was von diesem Busen noch zu sagen übrig
ist, berichten; die dazu gehörigen Meere haben wir bereits
genannt. Im Hellesponte befinden sich keine Inseln, die
sich bei Europa anführen Hessen. Im Pontus liegen die
336 Viertes Buch.
beiden, von Europa 1500, von der Mündung des Pontus
aber 14,000 Schritte entfernten cyaneisehen Inseln 1), von
Andern die Symplegaden 2) genannt, denn sie sollen, nach
der Sage, zusammen gelaufen sein; sie sind nämlich nur
durch einen kleinen Zwischenraum geschieden und erschei-
nen denen, welche quer zu ihnen hinfahren, als zwei, wen-
det man aber das Gesicht ein wenig, so glaubt man, sie
nähern sich einander. Diesseits der Ister liegt eine Insel
der Apolloniater 3), 80,000 Schritte vom thracischen Bospo-
rus entfernt, von welcher M. Lucullus den capitolinischen 4)
Apollo gebracht hat. s) Die, welche zwischen den Mündun-
gen des Ister liegen, haben wir bereits angeführt. Vor dem
Borysthenes liegt die oben genannte Achillea, welche auch
Leuce und Macaron 6) heisst. Nach einer zu unsern Zeiten
angestellten Messung ist sie vom Borysthenes 140,000, von
Tyras 120,000, von der Insel Peuce 50,000 Schritte entfernt.
Ihr Umfang beträgt gegen 10,000 Schritte. Die übrigen im
Busen Carcinites befindlichen Inseln sind: Cephalonneses 7),
Rhosphodusa und Macra. Bevor wir den Pontus verlassen,
dürfen wir auch die von Vielen angenommene Meinung
nicht übergehen, dass alle innern Meere im Pontus selbst
ihren Ursprung haben und nicht von der gaditanischen
Meerenge ausgeheD, und zwar aus dem nicht unwahrschein-
lichen Grunde, weil die Strömung stets vom Pontus her-
kommt, niemals aber dahin zurückkehrt.
Wir wollen jetzt die äussern Theile von Europa ken-
nen lernen, und wenden uns, nachdem wir die riphäischen
Gebirge überstiegen haben, zu der Küste des nördlichen
Oceans links herum, bis wir wieder nach Gades gelangen.
Auf dieser Strecke werden mehrere Inseln ohne Namen an-
') Zwei Klippen am Ausgange des thracischen Bosporus ins
schwarze Meer.
2) Zusammenschlagenden. 3) Beschik Adasi.
4) D. h. den auf dem Capitale zu Rom aufgestellten.
5) Vergl. Plin. XXXIV. B. 18 C.
6) D. h. Insel der Seligen, weil man glaubte, sie sei der Aufent-
halt der Seelen der Heroen. 7) Tenczel.
Viertes Buch. 337
geführt. Unter ihnen liegt eine vor Scythien, welche auch
Raunonia heisst, eine Tagereise von der Küste entfernt,
a,uf welche, nach Timäus Berichte, die Fluthen zur Früh-
lingszeit Bernstein auswerfen 1). Die übrigen Küsten kennt
man nur aus zweifelhaften Gerüchten. Hier befindet sich
der nördliche Ocean; Hecatäus 2) nennt ihn von dem Flusse
Paropamisus 3) an, soweit er Scythien bespühlt, den amal-
«hischen, welches Wort in der dortigen Volkssprache „zu-
gefroren" bedeutet. Philemon 4) sagt, es werde bis zum
Vorgebirge Rubeas 5) von den Cimbern 6) Morimarusa, d. h.
todtes Meer, genannt; weiterhin heisse es Cronium. Nach
Xenophon von Lampsacus liegt in einer Entfernung
dreier Seetagereisen von der scythischen Küste eine Insel
Baltia 7), von ungeheurer Grösse; Pytheas nennt sie Basilia.
Auch ist von oonischen Inseln die Rede, deren Bewohner
von Vogeleiern und Hafer leben. Andere, auf denen die
Menschen mit Pferdefüssen geboren werden sollen, heissen
die Hippopoden; noch andere, die panotischen Inseln8), wo
die Menschen nackend geheu und ihren Körper mit ihren
eigenen sehr grossen Ohren ganz bedecken.
Bestimmtere Nachrichten haben wir von den Ingävo-
nen 9), dem ersten Volke in diesem Theile von Germanien.
Hier erhebt sich das ungeheuere Gebirge Sevo 10), das den
*) Wohl nichts anderes, als die Nehrungen des frischen und
curischen Haffs an den Küsten von Preussen.
2) Von Müet im 6. Jahrh. v. Chr. 3j Die Oder?
4) Welcher? lässt sich nicht bestimmen.
8) Nach Einigen die nördliche Spitze von Curland, wahrschein-
licher ein Vorgebirge ein Schweden.
6) Sie bewohnten Jütland, Schleswig und Holstein.
7) Skandinavien. 8) Soll Wollin an der Mündung der Oder sein.
9) Dieser Name begreift fast alle in Norddeutschland von den
Rheinmündungen bis nach Preussen hin, und zum Theil in Skandi-
navien wohnenden Völker, als : die Friesen, Sturier, Marsacier zwischen
der Scheide und Eider; die Cauchen, Angivarier an der Nordsee,
die Saxen mit den Nord-Albingern (oder Dänen), die Esthen und
Wenden in Preussen, die Schweden und Finnen etc.
,0) Höchst wahrscheinlich der Kjölen zwischen Norwegen und
22
338 Viertes Buch.
Riphäen nichts nachgiebt und bis zum cimbrischen Vorge-
birge *) bin einen inselreichen Busen, Codanus 2) bildet.
Die berühmteste dieser Inseln ist Scandinavien 3), deren
Grösse man nicht kennt; nur einen Theil davon bewohnt,
soviel man weiss, in 500 Gauen das Volk der Hillevionen,
welche ihr Land den andern Erdkreis nennen. Für nicht
kleiner hält man Eningia4), welches Land nach der Be-
hauptung Mancher bis zum Flusse Vistula 5) von den Sar-
maten, Venedern, Sciren und Hirren bewohnt wird. Dieser
Busen heisst Cylipenus 6) und die an seiner Mündung lie-
gende Insel Latris. 7) Nicht weit davon ist ein zweiter
Busen, Lagnus 8), der an Cimbrien grenzt. Das weit ins
Meer auslaufende cimbrische Vorgebirge bildet die Halb-
insel Cartris 9). Dann folgen 23 Inseln, welche durch die
Kriege der Römer bekannt geworden sind. Unter diesen ver-
dienen bemerkt zu werden: Burchana10), wegen einer daselbst
wildwachsenden bohnenartigen Frucht von den Römern Fa-
baria genannt; ferner Glessaria n), welchen Namen ihr die
Soldaten wegen des Bernsteins (Glessum) gaben; bei den
Barbaren heisst sie Austrantia, ausserdem auch Actania.
28.
An diesem ganzen Meere hin aber bis zum Flusse
Scaldis12) wohnen die germanischen Völker. Die Grösse
dieser Länder lässt sich jedoch, wegen der so ausserordent-
lich widersprechenden Angaben, nicht wohl feststellen. Die
Griechen und einige Römer bestimmen die Länge der ger-
Schweden. Plinius scheint also zu irren, wenn er dieses Gebirge an
die Grenzen Germaniens versetzt.
*) Cap Skagen in Jütland. *) Die Südwestseite der Ostsee.
3) Das südliche Schweden.
A) Auch Epigia, wahrscheinlich Finnland. 5) Weichsel.
6) Die ganze Südseite der Ostsee.
7) Wahrscheinlich Seeland. Andere halten den Meerbusen Cy-
ipenus für den rigaischen und Latris für die Insel Oesel.
*) Vermuthlich das Cattegat. 9) Jütland.
,0) Borkum am Ausflusse der Ems.
") Ameland über Westfriesland. 12) Scheide.
Viertes Buch. 339
manischen Küste zu 2,500,000 Schritten. Agrippa giebt
die Länge mit Rhätien und Noricum zu 686,000, die Breite
zu 148,000 Schritten an. Aber die Breite von Rhätien allein
betrug schon mehr, als es um die Zeit seines Todes x) unter-
jocht wurde, und Germanien wurde erst viele Jahre später
und da noch nicht völlig bekannt. Wenn hier eine Ver-
muthung erlaubt ist, so dürfte die Küste nicht viel kürzer
sein, als die Griechen sie annehmen, und nicht viel länger,
als Agrippa angiebt. Die Germanen bilden 5 Hauptstämme :
Die Vandiler 2), zu denen die Burgundionen 3), die Variner 4),
Cariner 5) und Guttoner 6) gehören. Einen andern Haupt-
stamm bilden die Ingävonen 7), deren Zweige die Cimbern 8)r
Teutonen9) und Chaucer10) sind. Zunächst am Rheine
») 12 Jahre n. Chr.
2) Vandalen, der Name mehrerer engverbundener Völker, die
anfänglich zwischen der Elbe, Oder und Weichsel wohnten, sich dann
nach Böhmen, Dacien, Pannonien, und endlich zur Zeit der Völker-
wanderung nach Frankreich, Spanien und Afrika wandten.
3) Ihr erster Wohnsitz war an der Weichsel. Um 275 n. Chr.
kamen sie nach Frankreich, wo sie sich aber erst im 5. Jahrhunderte
festsetzten und ein grosses Reich stifteten.
A) An der Warne.
5) Am rechten Oderufer.
6) Gutä, Gythones, Gothones. Sie scheinen scythischen Ursprungs
und mit den Geten verwandt zu sein. Sie wohnten anfänglich an
der Weichsel, gingen im 4. Jahrh. nach Dacien, wo sie von der
Theis bis zur Donau ein Reich stifteten. Sie theilten sich in 2 grosse
Abtheilungen, die Ostgothen am schwarzen Meere und die West-
gothen in Dacien. Jene wurden den Hunnen unterwürfig, diese
drangen ins römische Reich und setzten sich in Thracien und Mösien
fest. Unter Alarich und Athaulf zogen sie durch Griechenland nach
Italien und Spanien. Nach Attila's Tode drangen die Ostgothen
unter Theodorich in Italien ein und stifteten ein mächtiges Reich,
das unter Justinian zerstört wurde.
7) und 8) Siehe das vorige Kapitel.
9) Eigentlich der gemeinsame Name aller deutschen Stämme ;
hier besonders die in Lauenburg und Mecklenburg.
10) Am Meere von der Ems bis zur Elbe, also in Ostfriesland,
Oldenburg und Bremen.
22*
340 Viertes Buch.
wohnen die Istävoner x), wozu die Cimbern 2); ferner die
mitten im Lande wohnenden Hermionen 3), wozu die Sue-
ven 4) , Hermundurer 5), Chatter 6) und Cherusker 7). Der
fünfte Hauptstamm endlich enthält die Peuciner und Bas-
teiner 8), welche an die oben 9) genannten Dacier grenzen.
Bedeutende, in den Ocean sich ergiessende Flüsse sind:
der Guttalus 10), Vistillus oder Vistula, Albis ll), Visurgis 12),
Amisius 13), Rhenus u) und Mosa 15). Im Innern des Landes
aber breitet sich das, keinem andern an Grösse nachstehende
hercynische Gebirge16) aus.
29.
Im Rheine selbst liegt die fast 100,000 Schritte lange
hochberühmte Insel der Bataver17) und Commenefatier 18),
sowie die übrigen Inseln der Frisen, Chaucer, Frisiaboner,
Sturier und Marsacier, welche zwischen demHelius19) und
Flevus20) zerstreut sind. So heissen nämlich die Mündungen,
durch welche sich der Rhein nördlich in Seen21) und öst-
lich in die Mosa ergiesst, indem nur ein massiger Arm
zwischen diesen beiden seinen Namen behält.
') Von der östl. Mündung des Rheins rückwärts bis zum Main.
*2) In den Provinzen Cleve, Berg und Niederrhein.
3) Einer der 5 Hauptstämme, die zwischen der Weichsel und
Elbe wohnten. Nach Mannert waren sie das eigentliche Stammvolk
der Deutschen, von dem alle übrigen auswanderten.
'•) Anfangs an der Elbe, zuletzt in Schwaben, nördlich vom
Schwarzwalde.
5) Im Meissnerlande bis an die Quellen der Elbe; später breite-
ten sie sich vom Main bis zur Donau aus.
6) Gatten, von der Vereinigung der Werra und Fulda bis zum
Spessart, westlich bis zur fränkischen Saale.
7) Im jetzigen Lüneburg, Braunschweig, Magdeburg, Halberstadt
und Thüringen. Sie standen lange Zeit an der Spitze eines mäch-
tigen Völkerbundes.
8) Sie wohnten im östlichen Theile der Karpathen, in Galizien
und Podolien. Die Peuciner waren nur ein Theil von ihnen.
9) Cap. 25. 10) Pregel. ") Elbe. ,2) Weser. ,3) Ems. •'•) Rhein.
15) Maas. I6j Vom Thüringer Walde bis nach Ungarn.
17) Ein Theil von Holland. '■; In Westfriesland. ,9) Waal.
20) Flie. 21) Zuydersee.
Viertes Buch. 341
30.
Dieser Gegend gegenüber liegt zwischen Norden und
Westen die durch die Werke der Griechen und Römer be-
rühmte Insel Britannien, welche von Germanien, Gallien
und Spanien , den grössten Ländern Europas, durch einen
grossen Zwischenraum getrennt ist. Sie selbst hiess sonst
Albion, denn unter dem Namen Britannien begriff man alle
übrigen Inseln, von denen wir bald sprechen werden. Von
Gessoriacus *), an der Küste der Moriner bis zu ihr beträgt
die kürzeste Entfernung 50,000 Schritte, und ihren Umfang
geben Pytheas und Isidorus auf 4,875,000 Schritte an.
Innerhalb 30 Jahren ist sie durch die römischen Waffen
noch nicht bis über den caledonischen Wald 2) bekannt ge-
worden. Agrippa schätzt ihre Länge auf 800,000, ihre Breite
aber auf 300,000 Schritte. Dieselbe Breite soll Hibernien 3)
haben, aber dessen Länge um 200,000 Schritte weniger be-
tragen. Letztere Insel liegt über jener, und zwar auf dem
kürzesten Wege von dem Distrikte der Silurer 4) an , in
einer Entfernung von 30,000 Schritten. Keine der übrigen
Inseln soll mehr als 125,000 Schritte im Umfange haben.
Es giebt 40 orcadische 5), in massiger Entfernung von ein-
ander liegende Inseln; 7 Acmoden 6) und 30 Häbuden 7).
Zwischen Hibernien und Britannien liegen: Mona 8), Mona-
pia9), Ricina, Vectis10), Limnus11) und Andros12); unter-
halb derselben aber: Samnis und Axantos. Gegenüber
nach dem germanischen Meere hin sind die glessarischen
Inseln 13) zerstreut, welche von den neueren Griechen Elec-
') Boulogne-sur-mer.
2) Grampiangebirge in Schottland. 3) Irland.
4) Diese wohnten im südlichen Theile von Wales, in Herford -
shire und Worcestershire.
5) Die Orkney-Inseln; es sind ihrer 67, aber bloss 29 davon be-
wohnt.
c) Die Shetlandsinseln , 86 an der Zahl, aber nur 17 bewohnt.
7) Die Hebriden, über 200, aber nur 87 bewohnt.
*) Anglesea. ») Man. ,0) Wight. ") Dalkey. 12j Arran.
,3) Siehe im 27. Cap.
342 "Viertes Buch.
triden genannt werden, weil auf ihnen Bernstein vorkommen
soll. Die letzte aller bekannten Inseln heisst Thule *), auf
welcher, wie schon erwähnt wurde 2), zur Zeit des Sommer-
solstitii, wenn die Sonne in das Zeichen des Krebses tritt,
keine Nacht, dagegen im Wintersolstitium kein Tag ist,
und zwar soll diess abwechselnd 6 Monate lang dauern.
Der Geschichtschreiber Timäus sagt, dass man innerhalb
6 Seetagereisen von Britannien nach der Insel Mictis 3) ge-
lange, auf welcher sich weisses Blei vorfinde, und dass die
Britannier in aus Ruthen geflochtenen und mit Leder be-
schlagenen Schiffen dahin führen. Einige Schriftsteller er-
wähnen noch andere Inseln, als: Scandia 4), Dumna 5),
Bergi 6) und Nerigos7), die grösste unter ihnen, von wo
aus man nach Thule schifft. Eine Seetagereise von Thule
liegt ein starres Meer, welches von Einigen Cronium ge-
nannt wird.
Ol.
Ganz Gallien, das man unter dem Namen Comata 8)
begreift, wird in drei Hauptvölkerschaften eingetheilt, welche
vorzüglich durch Flüsse von einander geschieden sind. Vom
Scaldis bis zur Sequana 9) reicht das belgische, von da
bis zur Garunna10) das celtische oder lugdunensische und
von da bis zum Ausgange der Pyrenäen das aquitanische,
vormals aremorische genannt. Die gesammte Küste ist
nach Agrippa 1,800,000 Schritte lang. Die Länge von Gal-
>) Island? 2) Vergl. II. B., 77. Cap.
3) Ist bisher nicht ermittelt worden.
4) Vermuthlich ein Theil der scandinavischen Küste.
5) Hay; sie gehört zu den shetlandischen Inseln.
6) Wahrscheinlich ein Theil der norwegischen Küste, etwa da,
wo Bergen liegt?
7) Norwegen. Man sieht aus diesen und anderen Angaben, dass
Plinius manche Länder für Inseln ausgiebt, welche entweder nur
Halbinseln oder auch diess nicht einmal sind.
8) Oder Celtica; es hatte jenen Namen daher, weil seine Be-
wohner lange Haare trugen.
9) Seine. 10) Garonne.
Viertes Buch. 343
lien zwischen dem Rhenus, den Pyrenäen, dem Ocean, dem
■Cebenna- l) und Juragebirge, durch welche es von dem nar-
bonensischen Gallien geschieden ist, giebt er auf 420,000,
die Breite auf 318,000 Schritte an. Die äussersten Di-
strikte vom Scaldis an bewohnen die unter mehreren Namen
vorkommenden Taxandrer 2). Dann folgen die Menapier 8),
Moriner 4), die Oromarsacer, welche an einen Ort, Namens
Gessoriacus, grenzen, die Britannier 5), Ambianer 6), Bello-
vacer 7) und Hasser. Im Innern wohnen die Castologer 8),
Atrebater 9) , die freien Neivier10), Veromanduer u) , Sue-
coner12), die freien Suessioner13), die freien Ulraaneter 14),
Tungrer15), Sunucer16), Frisiaboner17), Betaser18), die freien
Leucer 19) , die vormals freien Treverer 20), die verbündeten
Lingoner 21) und Remer 22) , Mediomatricer 23) , Sequaner 24),
Rauricer 25) und Helvetier26). Die Colonien Equestris 27) und
Rauriaca. Von den germanischen Völkern, welche an den
Rhein grenzen, wohnen in dieser Provinz: die Nemeter28),
Tribocer29), Vangioner 30), dann die Ubier, dabei die Colo-
nie der Agrippina 31), die Cugerner 32), Bataver und die bei
den Rhein-Inseln genannten33).
32.
Im lugdunensischen Gallien wohnen: die Lexovier34)
Vellocasser35), Galleter36), Veneter37), Abrincatuer38) und Osis-
mer.39) Daselbst ist der berühmte Fluss Ligeris40). Aber
eine bedeutende Halbinsel läuft in den Ocean hinaus, deren
Umfang von der Grenze der Osismer an 625,000 Schritte,
') Die Cevennen. 2) Tessenderloo.
3) Gemappe. 4) Dept. Pas de Calais. 5) Ebendaselbst.
6) Amiens. 7) Beauvais. 8) Le Chatelet. 9) Arras. I0) Bavay.
ll) Vermandois. ,2) Chauny. ,3) Soissons. ,4) Senlis.
,5) Tongres, sonst Aduaca. ,6) Luxemburg. ") Limburg.
18) Bethunes. 19) Lüttich. 20) Trier. 21) Langres. 22) Rheims.
M) Metz. **) Besancon. 26) Im Dept. Haut-Rhin.
26) Westliche Schweiz. 27) Nyon. 2«) Speier. 29) Strassburg.
x) Worms. 31) Köln. 32) Goch. 33) Im 29. Cap. 3i) Lisieux.
35) Rouen. x) L'Iskebonne. 37) Vannes. 38) Avranches.
39) St. Pol de Lion. 40) Loire.
344 Viertes Buch.
deren Breite da, wo sie mit dem Festlande verbunden ist,
125,000 Schritte beträgt. Jenseits derselben wohnen die
Namneter '); im Innern aber die verbündeten Aeduer 2) und
Carnuter 3), die Bojer 4), Senoner 5), Aulercer mit dem Bei-
namen Eburovicer6) oder Cenomanner7), die freien Melder8),
Parisier 9), Tricasser 10), Andegaver11), Viducasser 12), Bodio-
casser13), Veneller14), Cariosveliter15), Diablinder16), Rhe-
doner17), Turoner18), Atesuer19) und die freien Secusianer,
in deren Gebiete die Colonie Lugdunum20) liegt.
33.
Im aquitanischen Gallien wohnen die Ambilatrer21),
Anagnuter22) , Pictoner23), die freien Santoner24), die freien
Bituriger25) mit dem Beinamen Viviscer, die Aquitaner26),
von denen die Provinz ihren Namen hat, und die Sedibo-
viater. Dann folgen die in eine Stadt vereinigten Con-
vener27), die Begerrer28), quatuorsignanischen (4 Feldzeichen
führenden) Tarbeller29), sexsignanischen Cocossater30), Ve-
namer31), Onobrisater 32) , Belender33) und das pyrenäische
Gebirge. Weiter unten: die Moneser34), Berg-Oscidater &),
Sibyllater 36) , Camponer 37) , Bercorcater 38) , Pindedunner,
Lassunner 39) , Vellater 40) , Tornater 41) , Consoranner 42) , Aus-
cer 43), Elusater 44), Sottiater 45), Oscidater in den Ebenen 46),
J) Nantes. 2) Autin.
3) Chartres. 4) Moulins. 5) Sens. 6) Evreux. '•) Le Mans.
8) Meaux. 9) Lutetia (Paris). ,0) Troyes. ") Angers.
12) Vieux. ,3) Vez. M) Im Dept. Manche. 15) Corseuil.
,6) Mayenne. ,7) Rennes. ,8) Tours. ,9) Issoudun. 20) Lyon.
21) Ambialet. 22) St. Aignan. ») Poitiers. 24) Saintes.
25) Bordeaux. 26) Aire. 27) St. Bertrand de Cominges. Sie hat-
ten ihren Namen von convenire (zusammenkommen); früher hielten
sie sich nämlich in Wäldern auf und machten die Umgegend un-
sicher, auf Befehl des Pompejus mussten sie sich aber in einer Stadt-
vereinigen.
28) Tarbes. 29) Dax. 30) Marensin. 31) Veynes. 32) Lebret.
33) Belin. 3i) Monein. 3&) Houcilles. 36) Sobusse. 37) Campon.
38) Biscarosse. 39) Im Dept. Dordogne. 40) Rieumes.
4I) Tournay. ,8) Couserones. 43) Auch. 44) Ense.
45) Soz. 46) Ossun.
Viertes Buch. 345
Succasser J), Tarusater 2), Basabocater 3), Vasseer, Sennater,
Cambolectrer 4), Agesinater 5); an die Pictoner grenzen die
freien Bituriger 6) oder Cuber ; ferner, die Lemovicer 7), die
freien Arverner 8) und Gabaler 9). Wiederum an die nar-
bonensische Provinz grenzen die Rutener10), Cadurcer11),
Nitiobriger 12) und die von den Tolosanern 13) durch den
Fluss Tarnos14) getrennten Petrocorer 15). Die Meere an
den Küsten sind: an der Mündung des Rhenus der nörd-
liche Ocean, zwischen dem Rhein und der Sequana der bri-
tannische und zwischen diesem und den Pyrenäen der gal-
lische. Ferner sind noch sehr viele den Venetern gehörende
Inseln, welche daher auch die venetischen16) heissen, sowie
Uliarus17) im aquitanischen Meerbusen18) anzuführen.
34.
An dem Vorgebirge der Pyrenäen19) beginnt Spanien,
welches nicht nur schmäler als Gallien, sondern auch als
es selbst20) ist, indem, wie wir bereits gesagt haben21), von
der einen Seite der Ocean und von der andern das iberische
Meer die ungeheuere Ländermasse zusammen drücken.
Selbst die Kette der Pyrenäen , welche sich vom Aequi-
noctialaufgange bis zum Brumaluntergange22) ausdehnt, macht
Spanien an der Nordseite kürzer als an der Südseite. Die
nächste Küste23) ist die des diesseitigen Spaniens oder
der tarraconensischen Provinz24). Von den Pyrenäen
an liegen längs dem Ocean: das vasconische25) Gebirge,
') Cestas. 2) le Tursan. 3) Bazas.
4) Cambo-bas-de-Clarence. 5) Lusignan. 6) Bourges.
7) Limoges. 8) Clermont. 9) Javoulx. 19) Rhodez. n) Cahors.
I2) Agen. 13) Toulouse. u) Tarn. ,5) Perigueux.
,6) Die grösste derselben heisst Belle-Isle. n) Oleron.
18) Busen von Gascogne. ,9) Cabo de la Higuera.
20) Nämlich an andern Stellen, weiter nach Süden zu.
21) III. B. 4. Cap. 22) Von Ost nach Südwest.
23) Nämlich von Aquitanien aus.
24) Umfasste Navarra, Arragonien, Catalonien und einen Theil
von Castilien und Valencia.
25) Guipuzcoa.
^$46 Viertes Buch.
Olarso x), die Städte der Varduler als: Morisgi 2), Menosca 3),
Vesperies4), der Hafen der Amanen, wo jetzt die Colonie
Flaviobriga 5) liegt. Das Gebiet der Cantabrer 6) mit 9 Ge-
meinden , der Fluss Sauga 7) , der Hafen Victoria Julio-
brigensium 8). 40,000 Schritte davon entspringt der Iberus 9).
Der Hafen Blendium10). Die Orgenomescer, ein Stamm der
Cantabrer, mit ihrem Hafen Vereasueca. n) Das Gebiet der
Asturer12), die Stadt Noega13); auf einer Halbinsel die Pä-
sicer u). Dann folgt der Lucensische 15) Kreis vom Flusse
Navibulio 16) an , worin die Cibarcer 17) , Egovarrer 18) mit
dem Beinamen Nonnariner, die Jadoner, Arrotreber, das
celtische Vorgebirge19). Die Flüsse Florius20) undNelo21).
Die Celticer mit dem Beinamen Nerier22) und über diesen
die Tamaricer 23), auf deren Halbinsel 24) die drei von Sestius
dem Augustus geweihten Altäre sich befinden25). Die Co-
porer26), die Stadt Noela27); die präsonnarcischen Celticer
und Cilener 28). Von den Inseln verdienen Corticata 29) und
Aunios30) genannt zu werden. An die Cilener grenzt der
Kreis der Bracarer31), die Helener32), Gravier, das Schloss
Tyde33), sämmtlich griechischen Ursprungs. Die Inseln
Cicä34), die berühmte Stadt Abobrica 35), der Fluss Minius36),
welcher bei seiner Mündung 4000 Schritte breit ist. Die
Leuner und Seurber37), die bracarische Stadt Augusta38),
') Ojarsun. -) Motrico. 3) St. Sebastian?
4) Bermes. 5) Bilbao. 6) Asturias de Santillana. 7) Saja.
8) Santander. 9) Ebro. ,0) Blencia. »>) Laredo.
B) Asturias de Oviedo. ,3) Navia.
,4) Am Cabo de Pennas in Asturien. ,6) Lugo in Gallicien.
,6) Nalon. 17) Luarca. ,8) Alvare. 19) Cap Finisterre.
») De Oro. 21) Allonos. 22) Am Cap Finisterre.
23) Trestamara. 24) Cabo Villano.
25) Diese Altäre wurden nach dem Feldzuge gegen die Cantabrer
(24—18 vor Chr.) errichtet.
26) Compostella. 2T) Noalla. 28) Caldas de Rey. 29) Salvora.
30) Ons. 3l) Braga. 32) Pontevedra. M) Tuy. 34) Cies.
35) Bayona. 36) Minho.
37) In der Provinz Entre Duecro y Minho. 38) Braga.
Viertes Buch. 347
ttber welcher Galläcia *) liegt Der Fluss Limia 2) : der
Fluss Durius 3) , einer der grössten Spaniens , der im Pe-
lendonischen 4) entspringt, bei Numantia 5) vorüber fliesst,
dann seinen Lauf durch die Länder der Arevacer und Vac-
cäer nimmt, Asturien von den Vettonen, Lusitanien von den
Galläcern, und die Turduler von den Bracaren trennt Dieser
ganze von den Pyrenäen beginnende Länderstrich ist reich
an Gold-, Silber-, Eisen-, weissem und schwarzem Blei-
Bergwerken.
35.
Am Durius beginnt Lusitanien6); darin: die alten
Turduler 7), die Päsurer 8), der Fluss Vagä 9), die Stadt Ta-
labrica10), die Stadt und der Fluss Aeminium11), die Städte
Conimbrica12), Collippo13), Eburobritium.14) Von hier aus läuft,
gleich einem grossen Home, ein Vorgebirge15) ins hohe
Meer, welches Einige das artabrische, Andere das grosse,
Viele aber nach einer Stadt 16) das olisiponensische nennen,
und das die Länder, Meere und die Klimate trennt; denn
hier endigt sich eine Seite Spaniens und bei ihm nimmt
der vordere Theil seinen Anfang. Auf dieser Seite ist Nor-
den und der gallische Ocean, auf der anderen Westen
und der atlantische Ocean. Nach Einigen beträgt der
Vorsprung dieses Vorgebirges 60,000, nach Andern 90,000
Schritte. Die Entfernung von hier bis zu den Pyrenäen
geben nicht Wenige auf 1,250,000 Schritte an, und ver-
setzen durch einen offenbaren Irrthum das Volk der Ar-
tabrer, welches nie hier wohnte, dahin; denn durch eine
') Dieses Land begriff, mit Ausnahme einiger kleiner Küsten-
striche, Galizien, Asturien, Theile von Leon und Valladolid und die
portugiesischen Provinzen Entre Duero y Minho und Tras los Mon-
tes in sich.
2) Lima. 3) Duero. 4) Provinz Burgos.
s) Siehe über diesen und die folgenden Namen in diesem Cap.
das III. B. 3. und 4. Cap.
6) Portugal. 7) Auf der Südseite des Duero.
8) L. Joao de Pesqueira. 9) Vouga. ,0) Talavera de la Reyna.
") Dorf Minho und Fluss Quadalete. I2) Coimbra. ,3) Covilho.
M) Aveiro. ,5) Ortegal. 16) Olisipo (Lissabon^.
348 Viertes Buch.
Verwechselung der Buchstaben lassen sie die Arrotreber,
von denen wir schon sagten *), dass sie vor dem celtischen
Vorgebirge wohnen, an diesem Orte leben.
Auch selbst bei bedeutenden Flüssen hat man sich ge-
irrt, Von dem bereits erwähnten Minius ist, wie Varro
berichtet, der Aeminius 200,000 Schritte entfernt; letztern
verlegen aber Einige wo anders hin und nennen ihn Limäa;
bei den Alten hiess er der Fluss der Vergessenheit, und
viel wurde über ihn gefabelt 2). Vom Durius liegt der Ta-
gus 3) 200,000 Sehritte entfernt, und zwischen ihnen fliesst
der Munda4). Der Tagus ist durch seinen Goldsand be-
kannt. 160,000 Schritte von ihm springt das heilige Vor-
gebirge 5) fast in der Mitte von Spaniens Vorderseite her-
vor. Nach Varro beträgt die Entfernung bis zur Mitte der
Pyrenäen 1,400,000 Schritte; bis zum Anas6), den wir als
Grenze zwischen Lusitanien und Bätica bezeichnet haben,
126,000 Schritte, und bis nach Gades noch 102,000 Schritte
mehr. Dortige Völker sind: die Celticer, Turduler und
am Tagus die Vettoner. Vom Anas bis zum heiligen Vor-
gebirge wohnen die Lusitaner 7). Bemerkenswerthe Städte
an der Mündung des Tagus sind: Olisipo8), berühmt da-
durch , dass dort die Stuten durch den Westwind trächtig
werden; Salacia 9) mit dem Beinamen die Kaiserstadt, Me-
robrica10), Ossonoba11), Balso12) und Myrtili13); das heilige
Vorgebirge und ein anderes Cuneus u) genannt.
Die ganze Provinz wird in drei Kreisbezirke einge-
theilt, in den emeritensischen, pacensischen und scalabita-
■) Im 34. Cap.
*) Nach der Sage vergassen die Turduler und Celten, welche
auf einem Zuge begriffen waren, an seinen Ufern ihr Vorhaben und
die Heimkehr. Man schrieb es der Wirkung des Flusses zu, und
Brutus hatte grosse Mühe, seine Soldaten zum Uebergange über den-
selben zu bewegen. S. Florus II. 17.
3) Tago. 4) Mondego. 5) Cap St, Vincent. 6) Guadiana.
7) In Algarvien. 8) Lissabon. 9) Alcacer do Sal.
,0) Santjago de Cacem. Il) Estomba. ,2) Apalhao. ,3) Mertola.
u) Cap S. Maria.
Viertes Buch. 349
nischen. Im Ganzen enthält sie 46 Völkerschaften, worun-
ter 5 Colonien, 1 Municipalstadt mit römischem Bürger-
rechte, 3 mit alt lateinischen Rechten und 36 zinsbare. Die
Colonien heissen: Augusta Emerita *) am Flusse Anas, Me-
tallinensis 2), Pacensis 3), Norbensis 4) mit dem Beinamen
Cäsariana. Zu letzterer gehören Castra Servilia 5) und Cas-
tra Cäcilia 6). Die fünfte Colonie, Sealabis 7), heisst auch
Präsidium Julium. Die Municipalstadt mit römischem Bürger-
rechte heisst Olisipo mit dem Beinamen Felicitas Julia.
Die Städte mit altlateinischen Rechten sind: Ebora 8) oder
Liberalitas Julia, Myrtili und Salacia, die bereits genannt
sind. Von den zinsbaren Völkern verdienen, ausser den
unter den Beinamen bei Bätica schon erwähnten, noch an-
geführt zu werden: die Augustobrigenser 9), Ammienser 10),
Aranditaner11), Arabricenser 12), Balsenser 13), Cäsarobricen-
ser14), Caperenser 13), Caurenser 16), Colarner17), Cibilitaner,
Concordienser 18), Elbocorier19), Interamnienser, Lancienser20),
die celtischen Mirobrigenser 21) , Medubrigenser oder Plum-
barier, Ocelenser 22) oder Lancienser, Turduler 23) oder Bar-
duler oder auch Taporer24). Agrippa giebt die Länge Lu-
sitaniens nebst Asturien und Galläcien auf 540,000 , die
Breite auf 536,000 Schritte an. Der Umfaug der ganzen
Seeküste Spaniens aber von einem pyrenäischen Vorgebirge
bis zum andern beträgt nach Einigen 3,922,000, nach An-
dern 2,600,000 Schritte.
36.
Celtiberien gegenüber liegen mehrere Inseln, unter
J) Merida. '-) Medellin. 3) Beja.
*) Alcantara. 5) Truxillo. 6) Caceres.
7) Santarem. 8) Evora.
°) Muro. ,0) Almeida. •») Abrantes. ,2) Brega.
'3) Apalhao. ,4) Ciudad Rodrigo.
,5) Las Ventas de Capara.
,6) Coria. ") Villa Cova a Coelheira. I8) La Guarda.
I9) Celorico. 20) Sollahco. 2I) Miranda. 22) Fermoselle.
'a) Bei Badajoz. 2<) Tavova.
350 Viertes Buch.
denen die von Griechen sogenannten Cassiteriden x) ihren
Namen wegen ihrer Ergiebigkeit an Blei haben. In der
Gegend des arrotrebarischen Vorgebirges 2) liegen die 6
Götterinseln 3), von Einigen auch die glücklichen genannt.
An der Spitze von Bätica aber, 25,000 Schritte von der
Mündung der Meerenge, liegt Gadis 4), nach Polybius 12,000
Schritte lang und 3000 breit, Ihre Entfernung vom näch-
sten Theile des Festlandes beträgt nicht ganz 700 Fuss,
an den übrigen Stellen aber mehr als 7000 Schritte. Ihr
Flächenraum beläuft sich auf 15,000 Schritte; auch hat sie
eine Stadt mit römischem Bürgerrechte, welche Augusta
Julia Gaditana 5) heisst. Nach Spanien zu liegt in einer
Entfernung von 100 Schritten noch eine andere Insel 6),
1000 Schritte lang uud breit, auf der vormals eine Stadt
Gades stand. Ephorus und Philistides nennen diese Insel
Erythia, Timäus und Silenus 7) Aphrodisias, die Eingebo-
renen aber Junoinsel. Nach Timäus heisst die grössere 8)
Potimusa; die Kömer nennen sie Tartessos, die Punier Gadir,
was in ihrer Sprache einen Zaun bedeutet. Erythia heisst
sie 9) deshalb, weil die Tyrier, die Stammeltern der Punier,
vom erythräischen 10) Meere gekommen sein sollen. Einige
sind der Meinung, die Geryonen u), deren Rinder Herkules
weg führte, hätten daselbst gewohnt; Andere aber glauben,
diess sei eine andere Insel gleichen Namens gewesen, die
nach Lusitanien zu läge.
37.
Nachdem wir nun Europa in seinem ganzen Umfange
abgehandelt haben, wollen wir der Vollständigkeit wegen
den Wissbegierigen eine kurze Berechnung des Ganzen
l) Dies sind die sorlingischen oder Scilly-Inseln, die aber nicht
bei Spanien, sondern an der Südküste Englands, unweit des Cap
Landsend (der Spitze von Cornwallis) liegen. Die Phönicier waren die
ersten Entdecker derselben und bezogen viel Zinn (weisses Blei) daher.
8) Finisterre. 3) Die Azoren. 4) Leon. 5) Cadiz. c) S. Petri.
7) Unbekannt. 8) Leon. 9) Die kleinere. ,0) rothen.
u) Es waren nämlich 3 Brüder, welche diesen Namen führten,
woraus die Sage den dreiköpfigen Geryon machte.
Viertes Buch. 351
vorlegen. Artemidorus und Isidorus geben die Länge dieses
Erdtheils vom Tanais bis nach Gades auf 8,214,000 Schritte
an. Nach Polybius beträgt die Breite von Italien bis zum
Ocean 1,150,000 Schritte; allein damals war die wahre
Grösse von Europa noch unbekannt, denn Italien allein ist
bis zu den Alpen, wie bereits angezeigt, 1,120,000 Schritte
lang. Von da aber über Lugdunum bis zum britannischen
Hafen der Moriner x) sind es 1,169,000 Schritte, und hier-
auf mag sich Polybius' Angabe beziehen. Ein sichereres
und längeres Maass giebt jedoch eine von den Alpen gegen
den Sommersonnenuntergang 2) und die Rheinmündung hin
über das Lager der deutschen Legionen gezogene Linier
welche 1,543,000 Schritte lang ist.
Jetzt gehen wir zur Beschreibung von Afrika und
Asien über.
') Das schon erwähnte Gessoriacus (Boulogne).
2) Nordwesten.
Fünftes Euch.
Von der Lage und Grösse der Länder, Meere, Städte, Häfen,
Berge, Flüsse und den Völkern, welche noch da sind
oder da waren.
Die Griechen nannten Afrika Libyen und das vor
ihm liegende Meer das libysche. Dieser Erdtbeil endigt
mit Aegypten, und kein anderer hat weniger Busen, denn
seine Küste zieht sich von Westen her in einer schiefen
Linie hin. Die Namen seiner Völker und Städte sind
grösstentheils nur in den dortigen Sprachen auszudrücken
und jene wohnen fast nur in festen Burgen.
1.
Das erste unter den Ländern Afrikas heisst Mauri-
tanien *); es war bis zum Kaiser Cajus, dem Sohne des
Germanicus, ein eigenes Reich , wurde aber unter dessen
grausamer Regierung in 2 (römische) Provinzen getbeilt 2).
Das äusserste am Ocean gelegene Vorgebirge nennen die
1) Es umfasste Fez und Marocco und den grössten Theil von
Algier.
2) Nicht unter Cajus (Caligula), der 41 nach Chr. starb, sondern
im folgenden Jahre unter Claudius wurde Mauritanien römische
Provinz. Jedoch bahnte Caligula durch die Ermordung des letzten
Prinzen dieses Reiches, Ptolemäus, dazu den Weg. — Die westlich
gelegene Provinz hiess M. Tingitana, die östliche M. Cäsariensis.
Fünftes Buch. 353
Griechen Anipelusia. v) Vormalige Städte waren Lissa und
€otta jenseits der Säulen des Hercules; jetzt heisst die
dort befindliche Stadt Tingi 2). Sie wurde von Antäus 3)
gebauet, Kaiser Claudius aber machte sie hernach zur Co-
lonie und nannte sie Traducta Julia. Von Belo 4) , einer
Stadt in Bätica, ist sie auf dem kürzesten Wege 30,000
Schritte entfernt. 25,000 Schritte davon liegt an der Küste
des Oceans die Colonie des Augustus, Julia Constantia Zu-
lil 5), welche der Herrschaft der Könige entnommen ist und
unter der Gerichtsbarkeit von Bätica steht. Von ihr liegt
Lixos 6) , eine Colonie des Kaiser Claudius , von der viele
alte Sagen erzählt werden, 32,000 Schritte entfernt. In
dieser Gegend lag die Burg des Antäus, hier kämpfte er
mit dem Hercules, hier waren die Gärten der Hesperiden.
Aus dem Meere tritt hier das Wasser in gewundnem Gange
ins Laud, wodurch, nach jetziger Auslegung, das Bild eines
wachehaltenden Drachen entstanden ist. Jenes eindringende
Wasser umschiiesst eine Insel, welche in der ganzen be-
nachbarten und noch höher liegenden Gegend der einzige
Punkt ist, der nicht überfluthet wird. Auf ihr steht auch
noch ein Altar des Hercules, allein von jenem, goldene
Früchte tragenden Haine ist ausser einigeu wilden Oel-
bäumen nichts mehr vorhanden. Man wird sich über die
abenteuerlichen Lügen der Griechen rücksichtlich dieser
Gegenden und des Flusses Lixus 7) weniger verwundern,
wenn man bedenkt, dass selbst einige von unsern Schrift-
stellern noch neuerlich fast ebenso wunderliche Dinge da-
von erzählt haben. Es soll nämlich dort eine sehr mäch-
tige Stadt und grösser als Gross-Carthago sein, dieser gegen-
') Cap Spartel. -) Tanger.
3) Ein Riese, der von Hercules erdrückt wurde.
1) Bolonia. 5) Arzilla in Fez.
6) In Marocco, jetzt Larais oder El-Araisch. Sie war ursprüng-
lich eine Colonie der Phönicier.
7) Lucos, Linx, Lix; er ergiesst sich bei einer Stadt gleichen
Namens ins Meer.
•23
354 Fünftes Buch.
über liegen und von Tingi ausserordentlich weit entfernt
sein. Dergleichen und noch andere Märchen hat Corne-
lius Nepos mit der grössten Leichtgläubigkeit aufgegriffen.
40,000 Schritte von Lixus liegt im Innern eine zweite
Colonie des Augustus, Babba 1), auch Julia Campestris ge-
nannt, und 75,000 Schritte weiter eine dritte, Banasa 2), mit
dem Beinamen Valentia. 35,000 Schritte davon, und ebenso
weit von beiden Meeren entfernt, liegt die Stadt Volubile 3).
50,000 Schritte von Lixus fliesst an der Küste der Subur 4),.
ein stattlicher und schiffbarer Strom, neben der Colonie Ba-
nasa hin. Ebenso viele tausend Schritte von ihm und schon
in der Nähe der Wüsten liegt die Stadt Sala 5), am gleich-
namigen Flusse 6); sie wird von ganzen Heerden Elephanten,
noch weit mehr aber von den Autololern 7) , durch deren
Land der Weg zum Atlas, dem fabelreichsten Berge Afrikas,,
geht, beunruhigt.
Dieser Berg soll sich mitten aus den Sandwüsten zum
Himmel erheben, auf der nach der Küste des von ihm be-
nannten Oceans gerichteten Seite rauh und unwirthlich, hin-
gegen nach der Landseite zu schattig, waldig und von
Quellen bewässert sein, und Früchte aller Art von selbst
in solcher Menge hervorbringen, dass es jeder Begierde nie
an Befriedigung fehlt. Am Tage sehe man keinen von den
Einwohnern, überall herrsche tiefe Ruhe und schauerliche
Einsamkeit; stille Ehrfurcht bemächtige sich der Ge-
müther der Näherkommenden, und ein Schauder überfalle
sie beim Anblick des über die Wolken sich erhebenden
und die Sphäre des Mondes fast berührenden Berges. Des
Nachts glänze er von zahlreichen Feuern, die Aegipane und
Satyren trieben dort ihre muthwilligen Scherze, und von
dem Klange ihrer Flöten und Pfeifen, sowie vom Schalle
ihrer Pauken und Cymbeln halle er wieder. Alles diess
und ausserdem noch die daselbst von Hercules und Perseus
') Naranja in Marocco.
2) Alt-Mamore am Flusse Subur (jetzt Seboun).
3) Gualili. 4) Seboun. 5) Salle. 6) Buregreg. 7) Bei Fez.
Fünftes Buch. 355
vollbrachten Thaten erzählen berühmte Schriftsteller. Die
Entfernung bis dahin ist ungeheuer gross und noch nicht
sicher bekannt.
Es existirten auch schriftliche Notizen des carthagi-
niensischen Feldherrn Hanno J), welcher zur Zeit der Blüthe
des punischen Reichs beauftragt war, den Umfang von
Afrika zu ermitteln. Diesem sind viele griechische nnd rö-
mische Schriftsteller gefolgt; sie erzählen aber auch manches
Fabelhafte und sprechen von vielen von Hanno dort ange-
legten Städten, welche weder in der Erinnerung noch in
der Wirklichkeit mehr vorhanden sind.
Als Scipio Aemilianus in Afrika den Oberbefehl hatte,
tibergab er dem Polybius, dem Verfasser der Annalen, eine
Flotte, um damit diesen Erdtheil untersuchend zu um-
schiffen 2). Dieser berichtete nun, dass die Entfernung von
jenem Gebirge 3) an westlich, wo sich Walduügen voll wil-
der Thiere, wie sie Afrika erzeugt, befänden, bis zum Flusse
Anatis 4) 485,000 Schritte betrage. Von da bis nach Lixus
seien es 205,000, und Lixus sei von der gaditanischen Meer-
enge 112,000 Schritte entfernt. Sodann gelange man zu
einem Meerbusen, Saguti 5) genannt. Weiterhin folge die
Stadt Mulelacha 6) auf einem Vorgebirge ; die Flüsse : Su-
bur und Sala. Der Hafen Rutubis 7), 213,000 Schritte von
Lixus entfernt. Hierauf das Vorgebirge der Sonne 8), der
Hafen Risardir9), die gätulischen Autololer 10), der Fluss
') Er scheint auf dieser Reise, wie sich aus seinen Berichten
ergiebt, bis Guinea gekommen zu sein. Die Zeit, wann er lebte,
lässt sich nicht mit Gewissheit angeben; wahrscheinlich fällt sie in
das sechste Jahrhundert vor Chr. G. Nach Heeren war der Periplus
(oder Reisebericht, der sehr früh aus dem Punischen ins Griechische
übersetzt wurde) eine Inschrift, die Hanno als Denkmal seiner Reise,
nach der Sitte der carthaginiensischen Feldherren und Admirale, im
Tempel des Saturnus zu Carthago aufstellte. Ein Fragment dieses
Periplus besitzen wir noch jetzt.
*) Im Jahre 146 v. Chi-.
3) Atlas. 4) Ommirabih in Marocco. 6) Alcassar. G) Malebata.
") Mazagan. 8) Cap Cantin.
9) Safty. l0) Zwischen Risardir und dem Sala.
23*
356 Fünftes Buch.
Cosenus *), die Scelatiter und Masater2), der Fluss Masa-
tat3), der Fluss Darat 4) , in welchem Krokodile leben.
Dann komme man an einen Meerbusen, der eine Ausdeh-
nung von 616,000 Schritten habe und von einem gegen
Westen auslaufenden Vorgebirge des Berges Barce 5) , Na-
mens Surrentium 6) , eingeschlossen werde. Sodann der
Fluss Salsus 7) , hinter diesem die äthiopischen Perorser,
und noch weiter hin die Pharusier 8) , an welche letztere,
^egen das Innere des Landes zu die darischen Gätuler 9)
grenzen. An der Küste aber die äthiopischen Daratiter 10).
der mit Krokodilen und Flusspferden augefüllte Bam-
botus u). Von hier an zögen sich die Berge ununterbrochen
bis zu demjenigen fort, welchen wir später unter dem Na-
men Theon ochema12) (Götterwagen) beschreiben werden13).
Von da soll man in 10 Tagen und Nächten zum hespe-
rischen Vorgebirge14) hinüberschiffen; mitten in diesen
District versetzte er den Atlas, der nach allen andern Schrift-
stellern an der Grenze von Mauritanien liegt.
Zuerst haben die Römer unter dem Kaiser Claudius in
Mauritanien gekämpft, als der freigelassene Aedemon den
Tod des vom Kaiser Cajus ermordeten Königs Ptolemäus 15)
rächen wollte; da aber die Barbaren flohen, gelangte man
bekanntlich bis zum Berge Atlas. Und nicht allein die aus
den Consularen und dem Senate gewählten Feldherren, welche
damals dort Krieg führten, sondern auch die römischen
Ritter, welche daselbst im Dienste waren, hatten den Ruhm,
bis zum Atlas vorgedrungen zu sein. Fünf römische Colo-
nien befinden sich, wie wir bereits gesagt haben, in dieser
Provinz, und es möchte daher scheinen, dass wir leicht
') Tensift. 2) In den Ebenen von Akkeermute.
:1) Mogador. 4) Suse. 5) Daran. 6) Geer. 7) Messa.
8) Beide Völker wohnten zwischen dem Cap Geer und dem
•Cap Nun.
9) Vielleicht in der marokkanischen Provinz Draha.
,0) Um das Cap Nun. ") Nun.
'-) Ist wohl das weisse Vorgebirge. ,:t) VI. B. 35. Cap.
M) Cap Bojador. ,r,j Der letzte König von Mauritanien.
Fünftes Buch. 357
Nachrichten von dort her bekommen könnten. Allein darin
täuscht man sich, wie die Erfahrung lehrt, oft gar sehr;
denn vornehme Personen, welche gewöhnlich zu bequem
sind, um die Wahrheit zu erforschen, entblöden sich aus
Schaam der Unwissenheit nicht, zu lügen, und man lässt
sich nie leichter irre führen, als wenn ein bewährter Schrift-
steller eine Unwahrheit behauptet. Doch darüber, dass so
Manches von den Rittern und selbst von denen, welche aus
diesem Stande in den Senat getreten sind, unerforscht ge-
blieben ist, wundere ich mich weit weniger, als dass es
selbst dem Luxus nicht bekannt wurde , dessen Allgewalt
sich dadurch schon deutlich erweist, dass die Wälder nach
Elfenbein und Citrus *), alle gätulischen Felsen aber nach
Muscheln und Purpurschnecken durchsucht werden.
Nach dem Berichte der Eingeborenen fliesst in der
Nähe der Küste, 150,000 Schritte vom Sala entfernt, der
Fluss Asana 2), welcher salzig schmecke, aber einen ansehn-
lichen Hafen habe; dann folge der Fluss Fut 3); von diesem
bis zum Dyris (denn so heisst in ihrer Sprache der Atlas)
sei es 200,000 Schritte und dazwischen liege der Fluss
Vior 4). Hier sollen sich auch noch Spuren eines früherhin
bewohnten Landes und Ueberreste von Weinbergen und
Palmwäldern befinden.
Suetonius Paulinus 5) (den wir als Consul gesehen
haben) ist der erste römische Feldherr, welcher sogar um
einige tausend Schritte über den Atlas hinauskam; seine
Angabe rücksichtlich der Höhe dieses Gebirges stimmt mit
denen der Uebrigen überein. Den Fuss desselben fand er
bedeckt mit dichten, hohen Wäldern, die aus unbekannten
Bäumen bestanden; sie zeichneten sich aus durch hohe,
glatte und glänzende Stämme, hatten den Cypressen ähn-
liche Blätter, welche einen starken Geruch besassen und
mit dünner Wolle bedeckt waren, aus der sich, wie aus der
') S. XIII. B. 29. C. a) Ommirabih? 3) Tensift? 4) Sus.
5) Er war Consul mit L. Pontius Telesinus im 12. Jahre der
Regierung des Nero, 66 n. Chr.
358 Fünftes Buch.
Baumwolle, durch künstliche Behandlung Kleider anfertigen
Hessen. Der Gipfel des Berges war selbst im Sommer mit
Schnee bedeckt. Nach 10 Tagemärschen war er dahin ge-
gelangt, und nachdem er durch Wüsten voll schwarzen San-
des, aus denen sich hie Und da gleichsam ausgebrannte
Felsen erhoben und durch Gegenden, die der Hitze wegen
unbewohnt waren, obgleich er zur Zeit des Winters dort
eintraf, gezogen war, kam er an einen Fluss Namens Ger *).
Die Bewohner der benachbarten, mit Elephanten, wilden
Thieren und Schlangen aller Art erfüllten Bergwälder wür-
den Canarier genannt; ihre gewöhnlichen Nahrungsmittel seien
nämlich die Eingeweide der Hunde und anderer wilder Thiere.
Dass an diese ein äthiopisches Volk, die Perorser, grenzt,
ist bekannt. Juba2), der Vater des Ptolemäus, der zuerst über
beide Mauritanien herrschte, durch seinen wissenschaftlichen
Ruhm aber noch merkwürdiger war als durch seine Regie-
rung, hat ähnliches vom Atlas berichtet und sagt ausser-
dem noch, es wachse dort ein Kraut, das nach seinem Arzte,
der es zuerst fand, Euphorbia 3) genannt werde. Den milch-
artigen Saft desselben rühmt er in einem eigenen Buche
wegen der vortrefflichen Wirkung auf die Sehkraft, gegen
Schlangen und alle Gifte. Doch hiermit sei es mehr als
genug vom Atlas.
Die Länge der tingitanischen Provinz4) beträgt
170,000 Schritte. Das Hauptvolk darin war vormals das der
Mauren, welche meistens Maurusier genannt werden und
wovon auch das Land seinen Namen hat. Durch Kriege
geschwächt, ist es bis auf einige Familien verschwunden.
') Sifelmel.
2) Sohn des von Csesar 47 v. Chr. besiegten Königs Juba von
Numidien, wurde nach Rom gebracht und erhielt daselbst eine so
sorgfältige wissenschaftliche Ausbildung, dass man ihn als einen
der gelehrtesten Männer seiner Zeit betrachtet. Augustus gab ihm,
nachdem er sich mit Cleopatra Selene, einer Tochter der Cleopatra
und des Antonius, vermählt hatte, das väterliche Reich zurück.
3) XXV. B. 38. Cap.
4) Sie erstreckte sich vom atlantischen Meere bis zum Flusse
Molochhah.
Fünftes Buch. 359
Ihnen zunächst wohnten die Massäsyler , welche aber
-auch vertilgt sind. Jetzt wohnen daselbst die Gätuler, Ban-
jurer und die sehr mächtigen Äutololer; ein Stamm der
Letztern, die Vesuner, riss sich einst von ihnen los, bildete
ein eignes Volk und siedelte sich an den Grenzen der
Aethiopier an. Der östliche Theil der Provinz ist gebirgig
und wird von Elephänten bewohnt. Diese finden sich auch
auf dem Abila *) und den Bergen , welche wegen ihrer
gleichen Höhe die sieben Brüder2) heissen; sie sind mit
dem Abila verbunden und erstrecken sich bis zu der Meer-
enge 3). Bei ihnen fängt die Küste des inneren 4) Meeres
an. Es folgt nun der schiffbare Fluss Tamuda 5) und ehe-
mals eine Stadt gleichen Namens; der Fluss Laud6), der
selbst Seeschiffe trägt. Die Stadt und der Hafen Ryhadir 7) ;
der schiffbare Fluss Malvana 8). Die Stadt Siga 9) , Ma-
laca 10) in Spanien gegenüber, der Königssitz des Svphax u)
liegt schon im andern 12) Mauretanien. Diese Länder haben
lange die Namen ihrer Könige geführt; so hiess das äusser-
ste (tingitanische) Mauritanien das Bogudische und das
cäsariensische das Land des Bocchus 13). Dann folgt ein
Hafen, der von seinem Umfange der Grosse14) genannt
wird, und eine Stadt mit römischem Bürgerrechte. Der
Fluss Mulucha15), welcher das Land des Bocchus von dem
der Massäsyler scheidet. Quiza Xenitana16), eine Stadt
der Fremden; Arsennaria 17) mit lateinischen Rechten und
3600 Schritte vom Meere. Cartenna18), eine Colonie des
Augustus, von der zweiten Legion angelegt; Gunugum19)
eine andere Colonie des Augustus, von der prätorianischen
») Jibbel el Zatute. -) Sebat Jibbel. 3) Von Gibraltar.
4) mittelländischen. 5) Busega. 6) Gomera. 7) Melilla.
8) Mulvia. 9) Nad-Ronia. I0) Malaga.
") König der Massäsyler zur Zeit des zweiten punischen Krieges.
12) Cäsariensischen, grösstentheils Algier.
13) Der Schwiegervater des Jugurtha.
,4) Heisst noch jetzt so: Mersel Kibir.
,5) Mulvia. ,6) Giza bei Oran. ") Arzew. I8) Tenez.
t9) Mostagan.
360 Fünftes Buch.
Cohorte gegründet. Das Vorgebirge des Apollo x); daselbst
die überaus berühmte Stadt Cäsarea 2), früher Jol genannt,
die Residenz des Juba, vom Kaiser Claudius mit den Rech-
ten einer Colonie beschenkt; Oppidum novum 3), auf Befehl
desselben Kaisers von Veteranen erbauet, und Tipasa 4)
mit lateinischem Bürgerrecht. Icosion 5) wurde vom Kaiser
Vespasianus mit demselben Rechte beschenkt. Rusconiä 6),
eine Colonie des Augustus; desgleichen Rusazus 7), Saide 8)
und Igilgili 9) , das von Claudius mit dem Bürgerrechte
belohnte Rusucurium 10); die am Meere und am Flusse
Ampsaga u) belegene Stadt Tucca. Im Innern des Landes
liegen die Colonien des Augustus. Succabar12) und Tubu-
suptus13). Die Städte Timici und Tigavä14), die Flüsse
Sardabal 15), Aves 16), Nabar 17) und Usar 18) ; die Macureber
und Nabader. Der Fluss Ampsaga ist von Cäsarea 322,000
Schritte entfernt. Die Länge beider Mauritanien beträgt
1,038,000, die Breite 467,000 Schritte.
2.
Am Ampsaga beginnt Numidien19), welches durch den
Namen des Massinissa berühmt geworden ist. Die Griechen
nennen es das Land Metagonites, die Numidier aber heissen
bei ihnen Nomaden, von der Veränderung ihrer Weideplätze,
wobei sie ihre Zelte, welche die Stelle ihrer Häuser ver-
treten, auf Wagen mit sich führen. Städte darin sind:
Cullu 20) Rusicade 21), und 48,000 Schritte weit davon nach
dem Innern des Landes zu die Colonie Cirta22), oder der
>) Cap Mostagan.
2) Scherschell, nach Andern: Daraus, Tenez oder Algier.
3) El Cadara. 4) Bei Damus. 5) Algier? 6) Tadeies.
7) Acor. 8) Dellys. 9) Gigil. ,0) Coleah. ") Wad-el-Kibir.
,2) Zuckar. ,3) Burgh am Fusse des Berges Jurgura. ,4) Lezzoute_
,5) Shellif. 16) Hasham. ") Teft'ert. 18) Ajebbi.
19) Das östliche Algier. Zur Zeit des zweiten punischen Krieges
war es in 2 Reiche getheilt, welche Massinissa 202 v. Chr. vereinigte ;
47 aber machte es Cäsar zu einer römischen Provinz. Siehe die An-
merkung über Juba im vorigen Cap.
«0 Cullo. ") Stora. ö) Constantine.
Fünftes Buch. 361
Sittianer 1), die Colonie Sicca 2) und die freie Stadt Bulla
Regia 3). An der Küste liegen Tacatua 4), Hippo Regius 5),
der Fluss Armua 6). Die Stadt Tabraca 7) mit römischem
Bürgerrechte; der Fluss Tusca 8) an der Grenze von Nu-
midien. Ausser dem numidischen Marmor und wilden Thie-
ren bringt dieses Land nichts ausgezeichnetes hervor.
3.
Vom Tusca geht das zeugitanische Gebiet 9), welches
auch Afrika im engem Sinne genannt wird, an. Drei
ins Meer laufende Vorgebirge, das weisse 10), das des Apol-
lo n), Sardinien gegenüber, und das des Mercur 12), Sicilien
gegenüber, bilden 2 Meerbusen; der eine ist der Hipponen-
sische 13), zunächst der Stadt, welche das zerstörte Hippo14),
bei den Griechen aber wegen des durchströmenden Was-
sers Diarrhytus heisst. Ihm zunächst, nur etwas weiter
von der Küste entfernt, liegt die steuerfreie Stadt Theuda-
lis. Dann folgt das Vorgebirge des Apollo, und an dem
andern Busen15) die Stadt Utica16) mit römischem Bürger-
rechte, berühmt durch Cato's Tod, der Fluss Bagrada17).
Die Ruinen von Castra Cornelia18), die Colonie Carthago,
auf den Trümmern des grossen Carthago19); die Colonie
Maxulla20). Die Städte Carpi21), Misua22) und das freie
Clupea23) am Vorgebirge des Mercur. Ferner das freie
Curubis 24) und Neapolis 25). Nun folgt ein anderer Theil
') Von Caesar dem römischen Feldherrn Sittius geschenkt.
2) Kaff. 3) Badja. 4) Tamseh. 5) Bona. 6) Mafragg.
7) Tabarca. 8) Zaine. 9) Tnnis und Tripolis. 10) Bas-el-Abeadh.
,J) Cap Farina. I2) Cap Bon. >3) Golf von Ben-Zert (Biserta).
") Ben-Zert. ,5) Golf von Tunis. 16) Booshatter.
") Megarada. 18) Porto Farina.
19) Schon 30 Jahre nach Carthago's Zerstörung schickte Gracchus
eine Colonie dorthin. Augustus befolgte Caesar's Plan und erbaute
sie wieder, und bald ward sie eine der blühendsten Städte in Afrika.
439 n. Chr. wurde sie durch die Vandalen, 100 Jahre nachher aber
durch Belisar eingenommen, bis endlich 697 die Araber sie zerstör-
ten. Aus ihren Trümmern stieg Junis hervor.
20) Rhades. 2«) Gurta. 22) Sidi Doude. 23) Calibia.
24) Hamman Gurbos. 26) Nobal.
362 Fünftes Buch.
vom engein Afrika, Byziacum, dessen Bewohner Libyphö-
nicier heissen. Byzacium heisst ein Gebiet von 250,000
Schritten im Umfange, von so ausserordentlicher Frucht-
barkeit, dass der Boden den Landleuten hundertfältigen
Ertrag giebt. Hier liegen die freien Städte Leptis x) Ad-
rumetum 2), Ruspina 3), Thapsus 4); Thenä 5), Macomades 6)
und Täcape 7). Sabrata 8) grenzt an die kleinere Syrte,
bis zu welcher die Länge Numidiens und Afrika's vom
Ampsaga an 580,000 und die Breite, soweit sie ermittelt
ist, 200,000 Schritte beträgt. Dieser Landstrich, welchen
wir Afrika (im engern Sinne) genannt haben, wird in 2
Provinzen eingetheilt, in das neue und alte; beide sind
durch einen Canal geschieden, der nach der Uebereinkunft
zwischen dem zweiten Afrikanus 9) und den Königen 10)
bis zur Stadt Thenä, welche 216,000 Schritte von Carthago
entfernt ist, geführt wurde.
4.
Der dritte Busen theilt sich wieder in zwei, die an
den beiden Sy rten11) wegen des seichten und minder über-
fluthenden Meeres gefährlich zu befahren sind. Bis zur
nächsten Syrte12), welche die kleinere ist, beträgt nach
Polybius die Entfernung von Carthago 300,000 Schritte.
Der Seeweg zu ihr selbst ist 100,000 Schritte lang, und im
Umfange hat sie 300,000 Schritte. Der Landweg zu ihr
aber, den man nur durch Beobachtung der Gestirne finden
kann, führt durch wüste Gegenden voll Sandes und Schlan-
gen. Nächstdem folgen waldige Berge13) voll wilder Thiere,
weiter nach dem Innern öde Gegenden, welche von Ele-
') Leptisparva, jetzt Lempta , eine phönicische Colonie; nicht
weit davon lag Leptisniagna, jetzt Lebda.
2) Mahometa. 3) Bei Monastiho. 4) Damoss. 5) Thainae.
6) Maharass. 7) Cabes. 8) Alttripolis. 9) Der jüngere Scipio.
,0) Plinius meint hier die Söhne des Massinissa, unter welche
Scipio Africanus das väterliche Reich theilte.
n) Sandbänke im Meere.
,2) Meerbusen von Cabes.
u) Der nördliche Theil von Biledulgerid (Dattelland).
Fünftes Buch. 363
phanten bewohnt sind, dann ungeheuere Wüsten *); und
noch weiter hin die Garamanter 2), welche von den Augy-
lern 3) 12 Tagereisen entfernt sind. Hinter jenen wohnten
vormals die Psyller, an welche der von Wüsten umgebene
See Lycomedes grenzt. Die Augyler wohnen fast in der Mitte
und sind von dem nach Westen gelegenen Theile Aethio-
piens und dem zwischen beiden Syrten liegenden Land-
striche 4) gleichweit entfernt. Die Küste zwischen den bei-
den Syrten ist 250,000 Schritte lang. Hier befindet sich
die Stadt Oea 5), der Fluss und das Gebiet Cinyps 6) ; die
Städte Neapolis 7), Graphara 8), Abrotonum 9), das andere
oder sogenannte grosse Leptis. Dann folgt die grosse
Syrte10), mit einem Umfange von 625,000 Schritten; von der
Küste ist sie 312,000 Schritte entfernt. An derselben woh-
nen die Cisipader. Die Küste am innersten Theile des
Meerbusens hiess Lotophagon u), auch Alachroas, und ging
bis zu den aus Sand bestehenden Altären der Philäner12).
Nicht weit davon auf dem Festlande befindet sich ein grosser
Sumpf13), der den Fluss Triton14) aufnimmt und auch nach
ihm benannt wird; Callimachus nennt ihn Pallantias und
setzt ihn diesseits der kleinern Syrte; nach Andern liegt
er zwischen beiden Syrten. Das Vorgebirge, welches die
grössern einschliesst, heisst Borion15). Weiterhin folgt die
cyrenaische Provinz 16).
Bis hierher zählt Afrika vom Flusse Ampsaga an 516
') Die Wüste Sahara.
2) Diese scheinen demnach zwischen dem Nil und Niger im süd-
-östlichen Theile von Libyen gewohnt zu haben.
3) Oase Augila (Udschila). 4) Staat von Tripolis.
5) Tripoli vecchia. 6) Wadi-Quaam. 7) Tripolis? 8) Tezura.
9) Identisch mit Sabrata. ,0) Busen von Sidra.
11) Das Gebiet der Lotusesser, welche sich vorzüglich von der
Frucht des Rhamnus Lotus nährten.
12) Zwei Brüder aus Carthago, die durch ihre heldenmüthige
Aufopferung die Grenzen ihres Vaterlandes bedeutend erweiterten.
Vergl. Sallust im jugurth. Kriege C. 79. Valer. Max. V. 6 und Pom-
pon. Mela I 7.
,3) Ludeah. M) El-Hamniah. 15) Tajuni. ,6) Wüste Barca.
364 Fünftes Buch.
Völker, welche den Römern unterthan sind. Darunter be-
finden sich 6 Colonien, Dämlich, ausser den schon genannten *),
Uthina 2) und Tuburbis3); 15 Gemeinden mit römischem
Bürgerrechte, von denen folgende, im Innern belegen, zu
merken sind: die assuritanische 4) , abutucensische , aberi-
nasische, canopische 5), chilmanensische 6), simittuensische 7),
thunusidensische, tuburnicensische, tynidrumensische, tibig-
mesische , gross- und klein-ucitanische und vagensische.
Eine lateinische Stadt: Uzalitanum. Eine zinsbare Stadt:
Castra Cornelia. 30 freie Gemeinden, von denen folgende
nach dem Innern zu liegende zu nennen sind: die acholi-
tanische 8), aggaritanische , arinensische, abziritanische, ca-
nopitanische , melizitanische, materensische, salaphita-
nische, tusdritanische 9), tiphicensische, tunicensische,
theudensische, tagastensische, tigensische, ulusubritanische,
andere vagensische, visensische und zamensische 10). Von
den übrigen sind die meisten nicht bloss Stadtgemeinden,
sondern sie können mit Recht Völker genannt werden, als:
die Natabuder, Capsitaner n), Musulamer, Sabarbarer, Mas-
syler, Nisiver, Vamacurer, Cinither, Mussuner, Marchubier
und ganz Gätulien bis an den Fluss Nigris12), der Afrika
von Aethiopien scheidet.
5.
Die cy renaische oder pentapolitanische13) Landschaft
ist durch das Orakel des Hammon14), welches von Cyrene
400,000 Schritte entfernt liegt, ferner durch die Sonnen-
') Cirta, Sicca, Carthago und Maxulla. -) Udine. 3) Tuburbo.
4) Keff. 5) Zwischen Tabarca und dem Fluss Medsjerda.
°) Südlich von Rhades. 7) Oestlich von Bugia.
8) Ruinen von Acholla beim tunesischen Flecken Elalia.
M) Jemma.
10) Zama, jetzt Zowarin, lag 5 Tagereisen von Carthago im innern
Lande, und ist bemerkenwerth durch die Niederlage, welche Hanni-
bal hier von Scipio erlitt.
") Gafia. 12) Niger.
,3) Barka, der zweite Name deutet auf ihre 5 Hauptstädte.
,4) In der Oase Siwah.
Fünftes Buch. 365
Quelle x), vorzüglich aber durch die fünf Städte, Berenice 2),
Arsinoe 3), Ptolemais 4), Apollonia 5) und Cyrene 6) berühmt.
Berenice, an der äussersten Spitze der Syrte, hiess früher,
nach den fabelhaften griechischen Berichten, die Stadt der
(obengenannten) Hesperiden. Nahe bei der Stadt ist der
Fluss Lethon 7), auch ein heiliger Hain, wo die Gärten der
Hesperiden gewesen sein sollen. Sie ist von Leptis 375,000
Schritte entfernt, von Arsinoe, das auch Teuchira genannt
wird, 43,000 Schritte. Dann folgt in einer Entfernung von
22,000 Schritten Ptolemais, vormals Barce. Nicht weit, da-
von läuft das Vorgebirge Phycus 8) 40,000 Schritte weit
ins cretische Meer hinein; von dem lacedämonischen Vor-
gebirge Tänarum 9) ist es 350,000 Schritte , von Creta
selbst aber 225,000 Schritte entfernt. Hinter ihm liegt
Cyrene, 11,000 Schritte vom Meere. Vom Vorgebirge Phy-
cus Apollonia sind 24,000, bis zum Cherronesus 10) 88,000
und von da bis Catabathmus u) 216,000 Schritte. In der
Nähe wohnen die Marmariden, welche das Land vom pa-
rätanischen Gebiete12) bis zur grössern Syrte inne haben.
Dann folgen die Ararauceler und an der Küste der Syrte
selbst die Nasamoner, welche, wegen ihrer mitten im Sande
belegenen Wohnsitze, von den Griechen Mesammoner ge-
nannt worden sind. Das cyrenaische Gebiet soll in einer
Breite von 15,000 Schritten von der Küste an fruchtbar an
Bäumen sein, in einer gleichen Breite weiter nach dem
Innern zu bloss Feldfrüchte, und auf dem folgenden 30,000
Schritte breiten und 250,000 Schritte langen Landstriche
nichts als Laser13) hervorbringen.
Hinter den Nasamonen wohnen die Asbister14) und
Macer15) und noch weiter die Ammanter, 11 Tagereisen
») Om-el-Abid. -) Bengaz. 3) Teukna.
') Tolometa. 5) Marza Suza. 6) Grenne oder Kurin.
7) Der schmale Kanal, durch welchen ein bei Bengasi liegender
See mit dem Meere in Verbindung steht.
8) Ras Sem. '■>) Matapan. 10) Cap Razat. ") Luccu.
'-i El Baretoun. 13) Vergl. XIX. B. 15. Cap.
M) Südlich von Cyrene. 15j Am Wadi-Quaam.
366 Fünftes Buch.
von der grösseren Syrte gegen Westen hin und ganz von
Sandwüsten umgeben. Sie finden jedoch schon leicht in
einer Tiefe von etwa 2 Ellen Wasser, weil die maurita-
nischen Gewässer sich hier sammeln. Zum Bau ihrer
Häuser bedienen sie sich statt der Steine des Salzes, wel-
ches sie aus ihren Bergen hauen. 7 Tagereisen von ihnen
südwestlich wohnen die Troglodyten, mit welchen sie nur
wegen des Handels mit einem Edelsteine, dem sogenannten
Carbunkel *), welcher aus Aethiopien kommt, in Verbindung
stehen. Dazwischen liegt, nach den bei der kleinen Syrte
genannten Wüsten Afrika's hin , Phazania 2) , wo wir das
Volk der Phazanier und die Städte Alele 3) und Cilliba 4)
unterworfen haben; ebenso Cydamus 5) in der Richtung
von Sabrata. Von hier aus zieht sich ein langes Gebirge
von Osten nach Westen, welches von unsern Schriftstellern
das schwarze 6) genannt wird, entweder weil es von Natur
wie verbrannt aussieht, oder weil es durch die Glüht der
Sonne ausgebrannt ist* Dahinter liegt eine Wüste; dann
Talgae, eine Stadt der Garamanter, desgleichen Debris, an
einer Quelle, deren Wasser von Mittag bis Mitternacht heiss
und von Mitternacht bis Mittag kalt ist; ferner die weltbe-
rühmte Hauptstadt der Garamanter Garama 7). Ueber alle
diese Städte und Länder siegten die Römer und triumphirte
Carnelius Baibus 8) , der einzige Ausländer, welchem man
einen Triumph halten Hess und mit den Rechten der Qui-
nten beschenkte; er war nämlich aus Gades gebürtig und
erhielt mit dem älteren Baibus, seines Vaters Bruder, das
römische Bürgerrecht. Ein merkwürdiger Umstand, den
unsere Schriftsteller, neben den oben genannten von ihm
eroberten Städten, noch berichtet haben, ist, dass er die
Namen und Bilder aller Völker und Städte, ausser Cida-
mus und Garama, in folgender Ordnung im Triumph auf-
') Vergl. XXXVII. B. 25. Cap. 2) Fezzan. 3) Mellulen.
4) Zuila. 5) Gadamez.
6) Es heisst noch jetzt das schwarze (Soudah).
7) Gherma, zu Fez gehörig. 8) 44 v. Chr.
Fünftes Buch. 3(57
führte: die Stadt Tabudium l), das Volk Niteris, die Stadt
Negligamella , das Volk oder die Stadt der Bubejer, das
Volk der Eniper, die Stadt Thuba, der Berg Niger, die
Städte Nitibrum und Rapsa, das Volk Discera, die Stadt
Debris, den Fluss Nathabur, die Stadt Thapsagum, das Volk
der Nanniger, die Stadt Bois und Pege, den Fluss Dasi-
bari 2). Dann folgten ohne Unterbrechung die Städte Ba-
racum, Buluba, Alasi, Balla, Galia, Maxala 3), Zizama und
endlich der Berg Gyri 4), in welchem der vorangetragenen
Aufschrift zufolge Edelsteine vorkommen sollen. Den Weg
zu den Garamanten hat man bis jetzt noch nicht ermitteln
können, da räuberische Züge dieses Volkes die Brunnen
(nach denen man nicht tief zu graben braucht, wenn man
die rechten Stellen weiss) mit Sand verschütteten. In dem
letzten Kriege, welchen die Römer im Anfange der Regie-
rung des Kaisers Vespasian mit den Orensern führten, ist
ein kurzer, bloss viertägiger Weg entdeckt worden, welcher
„der Weg an der Felsenspitze vorbei" heisst. Die Grenze
des cyrenaischen Gebietes führt den Namen Catabathmos 5);
hier liegt eine Stadt gleichen Namens und ein von steilen
Höhen umschlossenes Thal. Bis hierher misst das eyre-
naische Afrika von der kleinen Syrte an 1,060,000 Schritte
in der Länge und, so viel man weiss, 800,000 Schritte in
der Breite.
6.
Das nun folgende Gebiet heisst das libysche Mareo-
tis 6) und grenzt an Aegypten. Darin wohnen die Marma-
riden, Adyrmachiden und Mareoten. Von Catabathmos bis
Parätonium 7) beträgt die Entfernung 86,000 Schritte. Auch
diese Strecke liegt im Innern Apis 8), wegen der Religions-
») Tibesty. 2) Azawan.
3) Missolat. ') Goriano. 5) Lucco.
6) Die ganze Küstenstrecke von Lucco bis Alexandrien.
7) Al-Baretum.
8) Ist mit der Stadt Apis auf einer Insel im See Mareotis nicht
zu verwechseln.
368 Fünftes Buch.
Gebräuche der Aegypter von Interesse. Von da ist Parä-
tonium 62,000 und von hier Alexandrien 200,000 Schritte
entfernt, die Breite x) beträgt 169,000 Schritte. Eratosthenes
giebt den Landweg von Cyrene nach Alexandrien auf
525,000 Schritte an. Nach Agrippa ist ganz Afrika mit
Einschluss von Unter-Aegypten, vom atlantischen Meere an
3,040,000 Schritte lang. Polybius und Eratosthenes, deren
Angaben man für die richtigsten hält, bestimmen die Länge
vom Ocean bis Gross-Carthago auf 1,100,000 Schritte, von
da bis Canopicunn, der nächsten Mündung des Nils, auf
1,628,000 Schritte. Isidorus sagt, von Tingis bis Canopus
sei es 3,599,000 Schritte; Artemidorus nimmt 40,000 weniger
als Isidorus an.
7.
Inseln liegen in diesem Meere nicht sehr viele. Die
berühmteste ist Meninx 2), 25,000 Schritte lang und 12,000
breit und von Eratosthenes Lotophagitis genannt. Sie hat
2 Städte, Meninx auf der afrikanischen und Troar auf der
andern Seite; von dem rechts liegenden Vorgebirge 3) der
kleinen Syrte ist sie 150,000 Schritte entfernt. 100,000
Schritte von ihr zur Linken liegt Cercina 4), mit einer freien
Stadt gleichen Namens; sie ist 25,000 Schritte lang, an der
breitesten Stelle halb so , aber am äussersten Ende nicht
über 5000 Schritte breit. Mit ihr steht auf der nach Car-
thago gerichteten Seite die kleine Insel Ceremibis 5) mit-
telst einer Brücke in Verbindung. Lopadusa G) , eine 6000
Schritte lange Insel, liegt beinahe 50,000 Schritte von ihnen
entfernt. Dann folgt Gaulos 7) und Galata 8) , deren Erde
den Scorpion, ein für Afrika gefährliches Thier, tödtet.
Sie sollen auch auf Clypea 9), welcher Cosyra10) mit einer
Stadt gegenüber liegt, umkommen. Dem Busen von Car-
thago gegenüber, zwischen Sicilien und Sardinien, liegen
die beiden Altäre des Aegimuron n), welche aber eher den
') Nämlich des libyschen Mareotis. '-) Dsjerbi. 3) Cap Dsjerbi.
') Kcrkeni. 5) Oeto. 6) Lampadosa. 7) Gozzo. 8) Galita.
9) Calibia. ,0) Pantalaria. ») Vergl. Virgils Aeneide I. 113.
Fünftes Buch. 369
Namen Felsen als Inseln verdienen. Einige Schriftsteller
berichten, sie wären vormals bewohnte Inseln gewesen,
aber grösstenteils versunken.
8.
Im Innern von Afrika, gegen Süden, nach den Gä-
tulern hin und hinter denselben, wohnen, durch Wüsten ab-
geschieden, zuerst die Libyägypter *) und dann die Leuc-
äthiopier 2). Hinter diesen die Nigritier, Stämme der
Aethiopier, an dem oben genannten Flusse3); ferner die
nackten Pharusier 4), welche bis an den Ocean reichen, und
die schon bei den Grenzen von Mauritanien erwähnten Pe-
rorser. Von allen diesen Völkern an ziehen sich nach
Osten unermessliche Wüsten bis zu den Garamanten, Au-
gylen und Troglodyten hin. Sehr wahr ist die Meinung
derer , welche zwei Aethiopien hinter den afrikanischen
Wüsten annehmen, und vor allen hat Homer 5) Recht, der
die Aethiopier in die östlichen und westlichen theilt. Der
Fluss Tigris hat dieselbe Beschaffenheit wie der Nil, denn
in ihm kommen dasselbe Schilf, Papyrus und dieselben
Thiere vor, und er schwillt zu derselben Zeit an. Er ent-
springt zwischen den Gebieten der tareleischen und oeca-
lischen Aethiopier. Die Stadt der letztern, Magium, haben
Einige in die Wüsten versetzt und sagen, daneben wohn-
ten die Atlauter, die halbwilden Aegypaner, die Blemmyer,
Ganphasanter, Satyrer und Himantopoder. Wenn wir ihnen
glauben wollen, so sind die Atlanter den menschlichen
Sitten und Gebräuchen fremd, denn unter ihnen findet
keine Namens-Bezeichnung statt, sie sehen die auf- und
untergehende Sonne als ein ihnen und ihren Aeckern ver-
derbliches Wesen unter schrecklichen Verwünschungen an;
auch träumen sie nicht wie andere Menschen. Die Troglo-
dyten graben sich Höhlen ß), welche zu ihren Wohnungen
') Westlich von Thebais, wo jetzt die libysche Wüste ist.
2) In der Wüste Sahara. 3) Niger.
4) In der Gegend das Cap Nun. 5) Odyssee I. 23.
6) Daher ihr Name, von TQOjy'/.r] Höhle.
24
370 Fünftes Buch.
dienen, nähren sich vom Fleische der Schlangen, ihre
Stimme ist nur ein Schnarren, und desshalb können sie
keine ordentliche Unterredung halten. Die Garamanten
haben keine Ehen, sondern vermischen sich mit den
Weibern ohne Unterschied. Die Augyler verehren nur
die Götter der Unterwelt. Die Gamphasanter gehen nacktr
verstehen nichts von Kriegführung und haben keine Ge-
meinschaft mit andern Völkern. Den BlemmyerD sollen die
Köpfe fehlen, Mund und Augen aber auf der Brust stehen.
Die Satyren haben ausser ihrer Gestalt nichts Menschliches
an sich; die Aegipanen sind so gestaltet, wie man sie ge-
wöhnlich abbildet l). Die Himantopoden haben krumme
Füsse und können sich nur durch Kriechen fortbewegen.
Die Pharusier, ehemals Perser, sollen den Herkules, als er
zu den Hesperiden reiste, begleitet haben. Weiter finde
ich von Afrika nichts, was erwähnenswerth wäre.
9.
Mit Afrika hängt Asien zusammen, welches sich nach
Timosthenes 2) von der eanopischen Nilmündung bis zu der
Mündung des Pontus 2,639,000 Schritte, und nach Eratho-
sthenes von der Mündung des Pontus bis zur Mündung des
Mäotis 1,645,000 Schritte weit ausdehnt. Die Grösse von
ganz Asien mit Aegypten bis zum Tanais geben Artemidorus
und Isidorus auf 5,375,000 Schritte an. Die es umspülenden
Meere haben von den umwohnenden Völkern verschiedene
Namen erhalten, weshalb sie zugleich mit diesen genannt
werden sollen.
Afrika zunächst liegt Aegypten, das sich in südlicher
Richtung nach dem Innern zurückzieht und bis zu den
Aethiopiern, welche dahinter wohnen, reicht. Den unteren
Theil desselben umschliesst und begrenzt der in einen
linken und rechten Arm getheilte Nil, dessen canopische
Mündung auf der afrikanischen Seite von der pelusiacischen
auf der asiatischen Seite 170,000 Schritte entfernt ist. Dieser-
') Nämlich mit rauhen Bocksbeinen.
a) Admiral der Flotte von Ptolemäus II. Philadelphus.
Fünftes Buch. 371
halb haben Einige Aegypten zu den Inseln gerechnet, und
da der Nil sich so theilt, dass er dem Lande eine dreieckige
Gestalt giebt, so haben Viele dasselbe mit dem Namen des
griechischen Buchstaben Delta bezeichnet. Die Länge von
dem Punkte, wo der Nil sich zuerst theilt, bis zur cano-
pischen Mündung beträgt 146,000, bis zur pelusiacischen
aber 166,000 Schritte. Der oberste, an Aethiopien grenzende
Theil heisst Thebais. Er wird in Stadtbezirke eingetheilt,
welche Nomen heissen ; sie sind : der ombitische x), apollo-
politische 2), hermonthitische 3), thinitische 4), phaturitische5),
coptitische 6), ten tyri tische 7), diospolitische 8), antäopoli-
tische 9), aphroditopolitische10) und lycopolitische n). Der
an Pelusium grenzende Distrikt hat folgende Nomen: den
pharbatischen 12), bubastitischen 13), sethratischen u) und tani-
tischen15). Das übrige Aegypten aber enthält den ara-
bischen16), den hammoniacischen, welcher sich bis zum
Orakel des Jupiter Hammon17) ausdehnt, den oxyrynchi-
tischen18), leontopoli tischen 19), athribitischen 20), cynopoliti-
schen21), hermopolitischen 22), xoitischen 23), mendesischen 24),
sebenny tischen25), cabasitischen 26), latopolitischen 27), helio-
politischen28), prosopolitischen 29), paropolitischen 30), busiri-
tischen31), onuphitischen 32), saitischen33), ptenethuischen34),
») Koum-Omboe. 2) Edfu. 3) Ermend.
4) Nach dem Städtchen This in der Nähe von Scheik-Abadu,
dem alten Abydus.
5) Wahrscheinlich der von Thebae. 6) Kuft. 7) Dendera.
8) How. 9) Qua-ou-el-Kharab. 10) Ed Sof. ") Siut.
12) Belbeis. ,3) Basta.
14) An der Stelle von Heracleum, dem Hauptorte dieses Nomos,
findet man jetzt den See Menzaleh. ,5) Aschmun-Tanah.
16) Zwischen dem Delta und dem arabischen Meerbusen.
,7) Oase Siwah. 18) Beneseh. ,9) Tel-Essabe. '■») Trieb.
21) Samalout. 22) Aschmunein. 23) Mehallet-el-Kebir.
w) Menzaleh. 25) Semenhud. 26) Dsjabas. 2T) Esneh. 28) Matareh.
29) Nach der Insel Prosopitis, welche durch 2 Nilarme (den ca-
nopischen und sebennytischen) und den Kanal Farauni gebildet wird.
30) Akmin. 31) Abusir. 32) Banub. M) Sah-el-Hadschar.
M) Bembeaw.
24*
372 Fünftes Buch.
phthempuischen *), naucratitischen 2), inetelitischen 3) , gy-
näcopolitischen 4) und nienelaitischen in der Gegend von
Alexandrien. In Libyen liegt der mareotische Nomos 5) und
der heracleopolitische auf einer 50,000 Schritte langen Nil-
insel, auf der man auch die Stadt des Herkules 6) findet.
Es giebt auch zwei arsinoitische Nomen 7), welche, nebst
dem memphitischen 8), den obersten Theil des Delta bilden.
An diesen grenzen auf der Seite nach Afrika hin die beiden
oasitischeu Nomen 9). Einige verändern manche dieser
Nomen und führen noch andre Nomen an, wie den heroo-
politischen 10) und crocodilopolitischen u). Zwischen dem
arsinoitischen und dem memphitischen Nomus lag ein künst-
licher See, der 250,000 oder, wie Mucianus berichtet,
450,000 Schritte im Umfange hatte und 50 Schritte tief
war, und nach dem Könige, welcher ihn angelegt, der See
des Moeiis12) genannt wurde. 62,000 Schritte davon liegt
Memphis13), die ehemalige Residenz der ägyptischen Könige,
von welcher der Weg bis zum Orakel des Hammou 12 Tage-
reisen beträgt. Bis zur Theilung des Nils aber, die wir
Delta genannt haben, sind es 15,000 Schritte.
10.
Der Nil, dessen Quellen man noch nicht genau anzu-
geben weiss, fliesst zuerst durch wüste und brennend heisse
Gegenden, und ist auf dieser Ungeheuern Strecke seiner
Länge nur durch Gerüchte und friedliche Forschung, nicht
aber durch Kriege, welche die Entdeckung aller übrigen
Länder veranlasst haben, bekannt, Er entspringt (in so
weit diess der König Juba hat ermitteln können) auf einem
Berge des unteren Mauritaniens, nicht weit vom Ocean, und
») Tafa.
2) Neucratis lag 3 St. südlich vom heutigen Orte Schabur.
3) Mentubes. 4) Auf der Westseite des canopischen Armes.
s) Mairiut. 6) Anas- el-Wodj out. 7) Adsjerut und Fejum.
s) Minieh. 9) El Wah und Charje.
10) Entspricht dem arabischen.
n) Entspricht dem einen arsinoitischen (Pejturi).
n) Birket-Kerum. Ia) Minieh.
Fünftes Buch. 373
bildet bald darauf einen See, welcher Nilis beisst. In dem-
selben leben die Fiscbgattungen Alabetä1), Coracini2) und
Siluri3), auch Crocodile, und zum Beweise davon hat er
einen solchen zu Cäsarea4) in den Tempel der Isis ge-
weihet, welcher noch heutzutage daselbst gezeigt wird.
Ausserdem hat man beobachtet, dass das Wasser des Nils
sich nach der Menge des in Mauretanien fallenden Schnees
und Regens richtet. Aus jenem See getreten verbirgt er
sich, als verschmähe er es, durch sandige und schmutzige
Gegenden zu fliessen, auf eine Strecke von mehreren Tage-
reisen unter der Erde. Hierauf bricht er im cäsariensischen
Mauritanien, da wo die Massäsyler wohnen, unter Bildung
eines andern, noch grössern See's hervor (dessen gleiche
Fischarten beweisen, dass es der Nil ist), gleichsam als ob
er sich nach den Menschen umsähe. Wiederum rinnt er in
den Sand ein und versteckt sich 20 Tagereisen weit bis
an die Grenze der Aethiopier, springt aber, sobald er die
Nähe von Menschen merkt, wahrscheinlich in derjenigen
Quelle, welche wir Nigris genannt haben, hervor. Von hier
an scheidet er Afrika von Aethiopien, wird, wenn auch
nicht sogleich von Völkern, doch von wilden und ungeheuren
Thieren umwohnt, bringt Wälder hervor und zieht sich
unter dem Namen Astapus5), welches in der Sprache jener
Völker ein aus der Finsterniss kommendes Wasser bedeutet,
mitten durch Aethiopien. Er bildet unzählige Inseln, und
einige von solcher Grösse, dass er, trotz seiner reissenden
Schnelligkeit, doch nicht weniger als fünf Tagereisen braucht,
um an ihnen vorbei zu fliessen. Da, wo er die berühmteste
derselben, Meroe6), umfliesst, heisst sein linker Arm Asto-
bores, d. h. der Arm des aus der Finsterniss kommenden
Wassers; der rechte aber Astosapes, was ihm noch die
') Gadus Lota L. oder Petromyzon fluviatilis L.
2) Labrus nüoticas L. 3) Silurus anguillaris L.
A) Tenez. 5) Der Nilarm Bahar-el-Azreck (blauer Strom).
6) Es ist eigentlich eine Halbinsel (im Innern Aethiopiens), die
durch den Zusammenfluss des Astobores (jetzt Tagazze) mit dem
Astosapes (jetzt Rahad) entsteht.
374 Fünftes Buch.
Bedeutung des verborgenen giebt. Den Namen Nil erhält
er nicht eher, bis sich alle seine Gewässer wieder in einem
Bette vereinigt haben ; doch auch dann heisst er noch einige
Meilen weit, wie auch etwas stromaufwärts, Siris; Homer1)
nennt ihn auf seinem ganzen Laufe nicht anders als Aegyp-
tus, Andere nennen ihn Triton. Weiterhin stösst er auf
Inseln und wird durch eben diese Hindernisse angetrieben;
zuletzt eilt er, von Bergen eingeschlossen, reissender als
irgendwo anders, einer Gegend Aethiopiens, wo die Cata-
puder wohnen, zu, und scheint bei seinem letzten Wasser-
falle, zwischen den entgegenstrebenden Felsen mit unge-
heurem Getöse eher herabzustürzen als zu fliessen. Dann
ergiesst er sich, nachdem seine Wogen gebrochen, seine
Heftigkeit gezähmt und er durch den langen Weg ermüdet
ist, obgleich in vielen Mündungen, doch sanft ins ägyptische
Meer. Zu gewissen Zeiten jedoch schwillt er sehr an, über-
schwemmt ganz Aegypten und befruchtet dadurch das Land.
Man giebt verschiedene Ursachen dieses Anwachsens
an, die wahrscheinlichsten aber sind folgende: Entweder
wird er durch die um jene Zeit gerade entgegenwehenden
Passatwinde 2), die das Meer in seine Mündungen drängen,
zurückgetrieben, oder, es sind die Sommerregen Aethiopiens,
indem durch dieselben Winde die Wolken aus allen Theilen
der Welt dorthin getrieben werden. Der Mathematiker
Timäus hat einen etwas dunkeln Grund angegeben ; er
sagt nämlich: der Nil, dessen Quelle Phiala heisse, ver-
sinke in unterirdische Gänge und dampfe zwischen den
rauchenden Felsen, welche ihn verbergen, vor Hitze. Wenn
nun die Sonne um jene Zeit3) in seine Nähe komme, so
werde er durch die Gewalt ihrer Glüht emporgehoben und
fliesse über, verberge sich dann aber wieder, damit er nicht
ganz verzehrt werde. Diess erfolge beim Aufgange des
Hundssternes, wenn die Sonne in das Zeichen des Löwen
tritt, also senkrecht über der Quelle stehe, wo dann in jener
>) Odyssee IV. 477. 2) Etesiae.
3) Wo nämlich der Nil anschwillt.
Fünftes Buch. 375
hegend kein Schatten stattfindet. Dagegen sind die Meisten
der Meinung, dass der Fluss anschwelle, wenn die Sonne
nach Norden abweiche, was im Zeichen des Krebses und
Löwen geschieht, und daher sei er dann weniger arm an
Wasser. Sobald aber die Sonne wieder in das Zeichen des
Steinbocks und nach dem Südpole zurückkehrt, werde er
aufgezehrt und fliesse daher wieder spärlicher. Wer aber
dem Timäus glaubt, der Fluss könne in die Höhe gezogen
werden, der bedeuke, dass daselbst um jene Zeit nirgends
Schatten ist 1 ).
Der Nil beginnt mit dem ersten Neumonde nach dem
Sommer-Solstitium zu wachsen 2), jedoch nur laugsam und
massig, wenn die Sonne durch das Zeichen des Krebses,
sehr rasch aber, wenn sie durch das Zeichen des Löwen
geht, und fällt wieder in der Jungfrau auf dieselbe Weise,
wie er gewachsen ist. In seine Ufer tritt er zurück in der
Waage, und zwar, wie Herodot angiebt, am hundertsten
Tage 3). Während seines Wachsens dürfen die Könige
und Präfecten ihn nicht befahren. Den Grad des Wachs-
thums beobachtet man an Zeichen, die in den Brunnen
angebracht sind. Die rechte Höhe ist 16 Ellen; bei niedri-
gerem Stande bewässert er nicht alle Gegenden, bei höherem
bleibt er zu lange stehen, weil sein Abfluss mehr Zeit erfor-
dert. In letzterem Falle wird wegen des feuchten Bodens
die Saatzeit verzögert, in jenem fehlt es an hinreichender
Feuchtigkeit. Beides ist von bedeutendem Einflüsse für das
ganze Land. Bei 12 Ellen Wasserstand entsteht Hungers-
noth, bei 13 Ellen ist noch Mangel, 14 Ellen verschaffen
Heiterkeit, 15 Wohlstand, 16 Ueberfluss. Der höchste Stand
bis auf die jetzige Zeit fand unter dem Kaiser Claudius
statt und betrug 18 Ellen, der niedrigste von 5 Ellen wäh-
') Dass also der Nil, so lange die Sonne in dieser Gegend ihre
Strahlen senkrecht herabsendet, wachsen müsste, was doch nicht
der Fall ist.
2) Diess wäre im Julius , allein er fängt schon Ende April zu
steigen an.
3) Nämlich vom Anfange seines Steigens an gerechnet.
376 Fünftes Buch.
rend des pharsalischen Krieges, als habe der Fluss durch
ein Wunderzeichen seinen Abscheu vor dem Morde des
grossen Mannes *) darthun wollen. Wenn das Wasser seinen
höchsten Standpunkt erreicht hat, wird es durch geöffnete
Dämme auf das Land gelassen, und sobald eine Strecke
vom Wasser wieder frei ist, wird sie besäet. Dieser Fluss
ist auch der einzige, welcher keinen Nebel erzeugt.
An der Grenze von Aethiopien, bei Syene, 2) tritt der
Nil in Aegypten ein. Syene heisst eine Halbinsel von
10C0 Schritten im Umfange, auf welcher sich nach Arabien
zu ein befestigtes Lager, an der entgegengesetzten Seite
aber die vier philäischen Inseln befinden, und von wo die
Theilung des Nils, von der, wie wir gesagt haben, das Land
den Namen Delta hat, bOO,000 Schritte entfernt ist. Dies
Maass hat Artemidorus angegeben, und bemerkt, dass auf
dieser Strecke 250 Städte gelegen hätten. Juba nimmt
400,000 Schritte an. Aristcocreon 3) bestimmt die Entfernung
der Insel Elephantis 4) vom Meere zu 750,000 Schritten.
Diese Insel liegt 4000 Schritte unter dem letzten Nilfalle
und 16,000 Schritte über Syene, und bis dahin, oder
585,000 Schritte von Alexancliien geht die Schifffahrt der
Aegypter. So sehr haben sich die eben genannten Schrift-
steller geirrt. Dort sammeln sich die äthiopischen Fahr-
zeuge, denn diese können zusammengelegt werden, und man
trägt sie auf den Schultern weiter, so oft man an einen
Wasserfall kommt.
11.
Aegypten rühmt sich, ausser seiner im hohen Alter-
thume erlangten Celebrität, zur Zeit der Herrschaft des
Amasis 5) 20,000 Städte gehabt zu haben, und auch jetzt
ist es noch reich daran, wenngleich sie meist unbedeutend
sind. Bemerkenswertli sind indessen: die Stadt des Apollo6),.
') Des Pompejus, der nach der pharsalischen Schlacht bei Pe-
lusium 705 n. R. E. oder 49 v. Chr. ermordet wurde.
2) Assuan. 3) Unbekannter Schriftsteller.
4) Dsjesiret-el-Sag. 5) Von 563—515 v. Chr. 6) Edfou.
Fünftes Buch. 377
dann die der Leucothea *), Gross-Diospolis oder Theben2),
bekannt wegen seiner 100 Thore; Coptos 3), nahe am Nil,
der Stapelplatz der indischen und arabischen Waaren. Dann
die Stadt der Venus4), noch eine des Jupiter5) und Tentyris6) ;
unterhalb derselben Abydus 7), 7500 Schritte nach Libyen
zu vom Nil entfernt und berühmt als die Residenz des
Memnon und durch den Osiristempel. Ferner Ptolemais 8),
Panopolis 9) und eine zweite Stadt der Venus10). Nach
Libyen zu, wo die Gebirge die Provinz Thebais begrenzen,
liegt Lycon11). Bei diesem Gebirge die Stadt des Mer-
cur1'2), Alabastron, die Stadt der Hunde13) und die schon14)
genannte des Hercules. Arsinoe 15) und . das obengenannte
Memphis; zwischen letzterer Stadt und dem arsinoitischen
Nomos liegen auf der libyschen Seite die Thiirme, welche
Pyramiden16) genannt werden, das Labyrinth17) am See
Moeris 18), welches ohne alles Holz erbauet ist, und die
Stadt Crialon19). Ausserdem liegt noch im Innern auf der
arabischen Seite eine sehr berühmte Stadt, nämlich die der
Sonne20.)
Aber mit Recht ist das an der Küste des ägyptischen
Meeres, auf der afrikanischen Seile liegende, von Alexander
dem Grossen erbauete Alexandrien zu rühmen. Es liegt
12,000 Schritte von der canopischen Mündung (des Nils)
entfernt am See Mareotis21) und zwar da, wo früher Rha-
cotes stand. Den Plan dazu entwarf der Baumeister Di-
') Wahrscheinlich Ele-Kab.
2) Prachtvolle Ruinen bei den Dörfern Luxor, Carnak, Medinet-
Abu und Gurnu.
3) Kuft. «) Ed-Soph. 5) How. 6) Denderah.
7) Scheik-Abadu.
8) Trümmer dieser von Ptolemäus Philadelphus erbaueten Stadt
finden sich bei Menschieh.
9) Akmim. ,0) Atfieh. ,l) Syouth. 12) Aschmunein.
13) El-Gis. m) Im 9. Cap. ,5) Adsjerut.
>6) Beim Dorfe Gizeh. l7) S. XXXVI. B. 19. Cap.
I8) Birket-Kerun. 19) Soll wohl Crocodilopolis heissen.
*>) Mattarieh. 21) Birket Mariut.
378 Fünftes Buch.
nochares, dessen ausgezeichnetes Talent sich dabei auf
mehrfache Weise zeigte; er gab ihr 15000 Schritte im Durch-
messer und die Gestalt eines macedonischen , am Rande
mit Zipfeln versehenen Kleides x) , indem zur rechten und
linken Seite Spitzen ausliefen. Schon damals wurde der
fünfte Theil ihrer ganzen Grösse zur königlichen Residenz
bestimmt.
Der See Mareotis auf der südlichen Seite der Stadt er-
hält sein Wasser durch einen Kanal aus der canopischen
Mündung, dient zur Beförderung des Handels mit dem In-
nern des Landes und fasst mehrere Inseln in sich. Die
Ueberfahrt über denselben beträgt nach Kaiser Claudius
30,000 und sein Umfang 150,000 Schritte. Nach Andern ist
er 40 Schönus, den Schönus zu 30 Stadien gerechnet, lang,
mithin macht die Länge 150,000 Schritte und die Breite
ebensoviel aus.
Auch zwischen den Ausflüssen des Nils liegen viele
bedeutende Städte, besonders die, welche den Mündungen
ihre Namen gegeben haben, jedoch gilt diess nicht von allen
(denn es sind ihrer 12 und ausserdem noch 4, welche
falsche Mündungen heissen), sondern nur von den 7 wich-
tigsten, nämlich von der in der Nähe von Alerandrien lie-
genden canopischen 2) , dann von der bolbitinischen 3), se-
bennytischen 4) , phatnitischen 5) , mendesischen 6) , taniti-
schen 7) und endlich der pelusiacischen 8). Ausserdem
nenne ich noch die Städte: Butos9), Pharbäthos10), Leon-
topolis11), Athribis12), die Stadt des Isis13), Busiris14), Cy-
nopolis15), Aphrodites16), Sais17) und Nauceatis, von der
Einige eine Mündung die naucratische nennen, welche bei
Andern die heracleotische heisst und die sie der ihr zu-
nächst liegenden canopischen vorziehen.
») Chlamys. 2) Bei Abukir.
3) Bei Rosette. 4) Bei Semenhud. 5) Bei Damiette.
°) Bei Menzaleh. 7) Bei Aschrnun-Tanah. 8) Bei Tineh.
9) Bembeaw. 10) Belbeis. ») Tel-Essabe. ,2) Trieb.
•3) Zaöygeh. 14) Abusir. >5) El-Gis. 16) Ed-Soph.
") Ssa-al-Hadjar.
Fünftes Buch. 379
12.
Jenseits der pelusiacischen Mündimg liegt Arabien,
•welches an das rothe Meer und an jenes gewürzerzeugende,
reiche und unter dem Beinamen des glücklichen x) be-
kannte Land grenzt. Das in Rede stehende Arabien aber,
•welches auch das Land der catabanischen , esbonitischen
und scenitischen Araber 2) heisst , ist ausser dem Theile,
welcher an Syrien grenzt, unfruchtbar und enthält ausser
dem Berge Casius 3) nichts Merkwürdiges. Hieran grenzen
gegen Osten die canchleischen, gegen Süden die oedrai-
schen Araber und an diese beiden die Nabatäer. Der eine
nach Aegypten hin liegende Busen des rothen Meeres heisst
der heroopolitische 4), der andere der aelanitische 5). Die
beiden Städte Aelana 6) und Gaza 7) , welches an unserm 8)
Meere liegt, sind 150,000 Schritte von einander entfernt.
Agrippa giebt die Entfernung von Pelusium bis Arsinoe 9),
einer Stadt am rothen Meere, welche beide durch Wüsten
von einander getrennt sind, auf 125,000 Schritte an. Eine
so geringe Entfernung trennt dort so verschiedene Distrikte.
13.
Syrien, vormals ein sehr ausgedehntes und durch viele
Namen unterschiedenes Land, nimmt die nun folgende Küste
ein. Da, wo es an Arabien grenzt, hiess es Palästina, auch
Judäa und Coele10), dann Phönicien, der nach dem Innern
liegende Theil Damascena und weiter südlich Babylonien.
Ferner Mesopotamien zwischen dem Euphrat und Tigris,
Sophene jenseits des Taurus, Commagene diesseits desselben.
Hinter Armenien liegt das früher Assyrien genannte Adia-
bene und der an Cilicien grenzende Theil ist Antiochien.
Die Länge Syriens zwischen Cilicien und Arabien beträgt
') Der südliche zwischen dem arabischen und persischen Meer-
busen liegende Theil.
2) Die Beduinen. 3) Dsjebbl Okrab. 4) Busen von Suez.
5) Busen von Akaba. 6) Akaba. 7) Gazeh. 8) mittelländischen.
9) Suez.
t0) Eigentlich Svgia xotkr/, das hohle Syrien; so hiess das Thal
zwischen dem Libanon und dem Antilibanon.
380 Fünftes Buch.
470,000 , die Breite aber von Pieria l) in Seleucis bis zur
Stadt Zeugma 2) am Eupbrat 175,000 Schritte. Diejenigen,
welche noch genauer eintbeilen, sagen, Phönicien werde
von Syrien eingeschlossen und die syrische Seeküste be-
greife Idumäa, Judäa, Phönicien und das eigentliche Syrien
in sich. Das ganze davor liegende Meer wird das phöni-
cische genannt. Das Volk der Phönicier hat sich durch die
Erfindung der Buchstaben , Sternknnde , Schifffahrt und
Kriegskunst grossen Ruhm erworben.
14.
Von Pelusium an liegen: das Lager des Chabrias 3)r
der Berg Casius 4) , der Tempel des Jupiter Casius , das
Grabmal des grossen Pompejus 5). Ostracine 6) , 65,000
Schritte von Pelusium entfernt, grenzt an Arabien. Unweit
davon fängt Idumäa an, ferner Palästina, da wo der
See Sirbon 7) hervorbricht, dessen Umfang Einige auf 150,000
Schritte angegeben haben. Herodot sagt, er liege am Berge
Casius, und gegenwärtig ist es nur ein massiger Sumpf.
Von Städten sind anzuführen: Rhinocolura 8) und im Innern
Rhaphäa9), Gaza10) und im Innern Anthedon11), der Berg
Argaris12). Der Küstenstrich Sa maria; die freie Stadt As-
calo 13), Azotus14), die beiden Städte Janneia15), von denen
eine im Innern des Landes liegt. Joppe16), eine Stadt der
Phönicier, die älter als die grosse Erdüberschwemnmng sein
soll. Sie liegt auf einem Hügel, vor welchem sich ein
Felsen befindet, an dem man noch Spuren der Fesseln der
') Kapse. 2) Tscheschme.
3) Welches dieser atheniensische Feldherr gegen den vordrin-
genden Artaxerxes an den östlich von Pelusium hinziehenden Mo-
rästen angelegt hatte.
/') El-Katieh. 5) Am Berge Casius, wo er ermordet wurde.
6) Steaki in Unterägypten. ~) Sebaket-Bardonil. 8) El-Arisch.
9) Refa. ,0) Ghase. ") Daran. 12) Garizin. 13) Ascalan.
,4) Ezdud. Sie wurde von Psammetich , König von Aegyptem
nach einer Belagerung von 29 Jahren erobert.
15) Nämlich die eigentliche Stadt und die Hafenstadt; jetzt Ibne.
,6) Jaffa.
Fünftes Buch. 381
Andromeda x) zeigt. Hier wird auch die fabelhafte Ceto 2)
verehrt. Nun folgt Apolloma 3) , der vom Köuig Herodes
erbauete Thurm des Strato, auch Cäsarea 4) genannt; ferner
die erste flavische , vom Kaiser Vespasian angelegte Colo-
nie. Die Grenze Palästina's ist von der arabischen 189,000
Schritte entfernt; dann kommt Phönicien. Im Innern liegen
die samarischen Städte Neapolis5), früher Mamortha ge-
nannt , Sebaste 6) auf einem Berge und Gamala 7) auf
einem noch höheren Berge.
15.
Hinter Idumäa und Samaria breitet sich Judäa der
Länge und Breite nach aus. Der an Syrien grenzende
Theil desselben heisst Galiläa, der Arabien und Aegypten
zunächst liegende aber Peräa; dieser ist von rauhen Ge-
birgen durchschnitten und vom übrigen Judäa durch den
Jordan getrennt. Das übrige Judäa wird in 10 Toparchien
eingetheilt, welche wir der Keine nach nennen wollen: die
an Palmen und Quellen reiche hiericuntische 8) , die em-
maische 9), lyddische10), joppische11), acrabatenische12), goph-
nitische13), thamnitische14), bethleptephenische , orineische,
in welcher Hierosolyma 15) , eine der berühmtesten Städte
nicht bloss Judäa's , sondern des ganzen Orients lag , und
endlich die herodische mit einer bedeutenden Stadt gleiches
Samens.
Der Jordan entspringt aus einer Quelle des Paneas16),
die der Stadt Cäsarea, von der wir noch reden werden,
1) Sie wurde von ihrer Mutter einem Seeungeheuer ausgesetzt,
aber durch Perseus befreiet. (Ovid-Metam IV. 670.)
2) Oder Derceto , eine Göttin , die man halb als Weib und halb
als Fisch abbildete, und der man besonders goldene und silberne
Fische opferte. (Herodot I. 105).
3) Arsuf. 4) Kaisarieh. 5) Nablos. 6) Schemrun.
7) Santorri.
8) Jericho. 9) Kubeib. ,0) Ludd. ") Jaffa.
12) Von Nablos nach Südost bis Jericho und zum Jordan.
13) Gofna. ") Oestlich von Antipatris nach Lydda.
,r>) Jerusalem. 16) Der höchste Rücken des Antilibanon.
382 Fünftes Buch.
den Beinamen *) gegeben hat. Es ist ein anmuthiger Fluss,
der, soweit es die Beschaffenheit der Gegend gestattet , in
schlängelndem Laufe zum Nutzen der anwohnenden Völker
sich fortbewegt, gleichsam als nahe er sich nur mit Wider-
willen dem verderblichen Asphaltsee 2) , welcher ihn end-
lich verschlingt und sein vortreffliches Wasser durch die
Vermischung mit dem stinkenden des Sees verdirbt. Da
wo die Lage des Thaies es zuerst möglich macht, ergiesst
er sieb in einen See , den Mehrere Genesara 3) nennen.
Dieser ist 16,000 Schritte lang, 6000 Schritte breit und von
freundlichen Städten umgeben; östlich davon Julias4) und
Hippo, südlich Tarichea, mit welchem Namen Einige auch
den See bezeichnen, und westlich Tiberias 5) mit warmen
Heilquellen.
Der Asphaltsee enthält nichts als Erdpech , wovon er
auch seinen Namen hat. Er nimmt keinen thierischen Körper
auf, selbst Stiere und Kameele schwimmen auf ihm. Dabei-
ist die Sage entstanden , dass nichts in ihm untersinke.
Seine Länge beträgt über 100,000 Schritte, die grösste
Breite 25,000, die geringste 6000. Oestlich von ihm liegt
der von Nomaden bewohnte Theil Arabiens, südlich Machä-
rus 6), ehemals nächst Jerusalem die zweite Hauptstadt von
Judäa. Auf derselben Seite befindet sich die warme Heil-
quelle Callirhoe, deren Name schon den Ruhm ihres Was-
sers anzeigt. Westlich wohnen, so nahe die Ausdünstungen
des Sees es gestatten, die Essener, ein einsames und vor
allen übrigen Bewohnern der Erde wunderliches Volk 7),
das ohne Weiber, überhaupt ohne alle Gemeinschaft mit
dem weiblichen Geschlechte, ohne Geld, und nur in Ge-
sellschaft seiner Palmen lebt. Ihre Anzahl erneuert sich
immer wieder durch Ankömmlinge, denn viele wandern da-
') Caesarea Paneas, jetzt Banias. 2) Das todte Meer.
3) See Tiberias (Taberia). 4) Kassr el Bedauih. 5) Taberia.
e) Mkaur.
7) Eine jüdische Secte, über welche man mehr findet in Jose-
phus' Geschichte des jüdischen Krieges, B. II. Cap. 7.
Fünftes Buch. 333
hin, welche lebensmüde sind und von den Wogen des Schick-
sals sich zur Annahme ihrer Sitten gedrungen fühlen. So
besteht (was unglaublich scheint) ein Volk, bei dem Nie-
mand geboren wird, tausende von Jahrhunderten fort. So
fruchtbar ist für sie der Lebensüberdruss Anderer! Unter-
halb ihres Gebiets lag früher die Stadt Engadda *), welche
nach Hierosolyma wegen ihres fruchtbaren Bodens und ihrer
Palmenwälder den zweiten Rang behauptete; jetzt ist sie
gleichfalls ein Schutthaufen. Hierauf folgt Masada, ein
Schloss mit einem Felsen, nicht weit vom Asphaltsee. So-
weit reicht Judäa.
16.
An dasselbe stösst auf der syrischen Seite das deca-
politanische Gebiet, so genannt von der Zahl seiner
Städte, in deren Angabe aber nicht alle übereinstimmen.
Die Meisten nennen jedoch Damascus, welches durch die Be-
wässerung , die mit dem Flusse Chrysorrhoas 2) hergeleitet
wird und diesen fast ganz erschöpft, sehr fruchtbar ist;
Philadelphia 3), Rhaphana, welche Städte alle nach Arabien
hin liegen. Ferner Scythopolis 4), welches seinen Namen
von einer dahin geführten scythischen Colanie erhielt und
früher nach dem Bachus, dessen Amme hier begraben liegt?
Nysa hiess. Gadara 5) am Flusse Hieromiax 6); das schon
genannte Hippos, Dion, das wasserreiche Pella 7), Galasa 8)
und Canatha 9). Zwischen und um diese Städte ziehen sich
die Tetrarchien hin, welche gleichsam für sich einzelne Be-
zirke bilden und als Reiche gelten, nämlich: Trachonitis,
Paneas, in welcher Cäsarea10) mit der obenerwähnten Quelle
liegt, Abila11), Area12) Ampeloessa und Gabe.
17.
Nun müssen wir wieder zur Küste und zwar nach
Phönicien zurückkehren. Hier war die Stadt Crocodilon,
*) Aiu-Dsjiddy. 2) Barradi. 3) Amman. 4) El Bissan.
5) Mkesi. 6) Scherriat-Mandur. 7) Bellue.
8) Eigentlich Gerasa (Dsjerrasch). 9) Khaunat. ,0) Banias.
") Abil. 12) Geburtsort des Kaisers Alexander Severus.
384 Fünftes Buch.
jetzt führt nur noch ein Fluss x) diesen Namen. Im' blossen
Andenken stehen noch die Städte Dorum 2) und Sycami-
num 3), das Vorgebirge Carmelum und auf dem Berge selbst
eine Stadt gleiches Namens , welche vormals Ecbatana 4)
hiess. In der Nähe liegen Getta und Jebba; der Bach Pa-
gida oder Belus 5) , an dessen kleinem Ufer sich Sand fin-
det, der zur Bereitung des Glases tauglich ist. Er selbst
kommt aus dem See Cendevia am Fusse des Carmel. Nicht
weit davon die Colonie des Kaiser Claudius, Ptolemais,
früher Ace e) genannt. Die Stadt Ecdippa 7) , das weisse
Vorbebirge 8). Tyrus 9), vormals eine 700 Schritte weit
im Meere liegende Insel, hängt jetzt durch die Belagerungs-
werke Alexanders mit dem Festlande zusammen. Sie war
einst berühmt als Gründerinn anderer Städte , wie Leptis,
Utica und jene nach der Weltherrschaft strebende Neben-
buhlerin des römischen Reichs, Carthago; auch Gades,
ausserhalb dieses Erdkreises , ist durch sie entstanden.
Jetzt besteht noch ihr ganzer Ruhm in Muscheln und Pur-
pur. Diese Insel, auf welcher die Stadt Palätyrus liegt,
hält 19,000 Schritte im Umfange; die Stadt selbst nimmt
einen Raum v©n 22 Stadien ein. Nun folgen die Städte
Sarepta 10), Ornithon ") und Sidon 12), deren Bewohner Glas
machen , und welche die Mutterstadt von Theben in
Böotien ist. Hinter ihr liegt das Gebirge Libanüs, das sich
1500 Stadien weit bis Simyra13) erstreckt, wo Syrien den
Namen Coele bekommt. Ihm gegenüber, durch ein Thal
getrennt, vormals aber durch eine Mauer verbunden, liegt
der gleich grosse Antilibanus. Hinter demselben die deca-
politanische Landschaft mit den bereits angeführten
Tetrarchien, und die ganze Breite von Palästina." An der
Küste, unter dem Libanus der Fluss Magoras14), die Colo-
») Zirka. 2) Tartuva. 3) Keisa.
4) Kaiffa. Hier starb nach Herodot Cambyses, König von Per-
sien, auf der Rückkehr aus Aegypten.
5) Nähr Abu. c) St. Jean d'Acre. 7) Zib. 8) C. Blanco.
9) Tsor. 10) Sarphond. ») El Urbi. v-) Saida, 13) Sumre.
u) Nahr-el-Damur.
Fünftes Buch. 385
nie Berytus x), auch Felix Julia genannt, die Stadt Leon-
tos , der Fluss Lycos 2) , Paläbyblos , der Fluss Adonis 3),
die Städte Byblos 4) , Botrys 5) , Gigarta 6) , Trieris , Cala-
mos 7), Tripolis 8), welche letztere die Tyrier, Sidonier und
Araber bewohnen , Orthosia 9) , der Fluss Eleutheros 10),
die Städte Sinigra, Marathos11) und dieser gegenüber Ara-
dus12), eine Stadt und Insel von 7 Stadien Länge und 200
Schritte vom Festlande entfernt. Sodann der Distrikt, in
welchen sich die obengenannten Gebirge abdachen und der
durch zwischen liegende Ebenen davon getrennte Berg Bar-
bylus anfängt.
18.
Hier verlassen wir Phönicien und kehren wieder nach
Syrien zurück. Darin die Städte: Garne13), Balanea14),
Paltos15) ,' Gabale10); das Vorgebirge auf welchem das freie
Laodicea17) liegt, Diospolis, Heraclea, Charodrus, Posi-
diune18); dann folgt das Vorgebirge des antiochischen
Syriens. Im Innern die freie Stadt Antiochia19) selbst,
mit dem Beinamen Epidaphnes20); sie wird vom
Flusse Orontes21) durchschnitten. Auf dem Vorgebirge das
freie Seleucia 22) , Pieria genannt. Hinter derselben liegt
ein Berg, der, wie der oben23) erwähnte, auch den Namen
Casius2,1) führt. Seine Höhe ist so bedeutend, dass schon
um die vierte Nachtwache 25) die aufgehende Sonne ihn be-
scheint, so dass man durch eine geringe Wendung des Kör-
pers Tag und Nacht zugleich sehen kann. Der Weg von
seinem Fusse bis zum Gipfel beträgt 19,000, die senkrechte
Höhe 4000 Schritte. An der Küste fliesst der Orontes,
welcher zwischen dem Libanus und Antilibanus in der Nähe
l) Beirut. 2) Bahr-el-Kelp.
3) Nahr-el-lbrahim. 4) Dsjebail. 5) Patrone. 6) Gazir.
7) Kallemon. 8) Trablo. 9) Ortosa. I0) Nahr-el-Quibir.
u) Rhede von Tortosa. 12) Ruad. ,3) Tortosa. ,4) Baneas.
15) Boldo. 16) Dsjebail. t7) Latakia. 18) Posseda. 19) Antakia.
20) Neben dem Lorbeerhaine. 21) Asi. 22) Kebse. 23) Im 14. Cap.
24) Dsjebbl Okrab. 25) Früh um 3 Uhr.
25
386 Fünftes Buch.
von Heliopolis *) entspringt. Die Stadt Rhosos und da-
hinter die sogenannten syrischen Thore 2) zwischen den
rhosischen Gebirgen und dem Taurus. An der Küste die
Stadt Myriandros , der Berg Amanus 3) mit der Stadt Bo-
mytä, welcher Cilicien von Syrien trennt.
19.
Jetzt wollen wir von dem Innern Syriens reden. In
Coele liegt Apamia 4), das durch den Fluss Marsyas 5) von
der Tetrarchie der Nazeriner 6) geschieden ist; ferner Bam-
byce 7), welches auch Hierapolis, bei den Syrern aber Ma-
bog heisst, und wo man die abenteuerliche Ataropatis, von
den Griechen Derceto 8) genannt , verehrt. Chalcis 9) , mit
dem Beinamen „am Belus"10), von der Chalcidine, die frucht-
barste Gegend Syriens, ihren Namen hat. Dann folgen:
das cyrrhestische Cyrrhus11), die Gazater, Gindarener12),
Gabener; die beiden granucomatischen Tetrarchien, die Eme-
sener, Hylater, Ituräer und ein Stamm derselben, die Bä-
tarrener; die Mariammitaner , die Tetrarchie Mammisea;
Parodisus, Pagrä13), die Pinariter, ausser den schon ge-
nannten noch 2 Städte Namens Seleucia, von denen die
eine am Eupbrat14), die andere am Belus15) liegt, und die
Cardytenser. Im übrigen Syrien wohnen (mit Ausnahme
derer, welche beim Euphrat genannt werden solleu) die
Arethusier 16), Beröenser 17), Epiphaneenser18); gegen Osten
die Laodicener, mit dem Beinamen „am Libanus", die Leu-
cadier, Larissäer 19) und ausserdem noch 17 in Regierungs-
bezirke getheilte Tetrarchien mit barbarischen Namen.
20.
Bei dieser Gelegenheit wird es am passendsten sein,
auch vom Euphrat zu reden. Er entspringt nach dem
») Balbek. 2) Sakal-Doutan. 3) Alma-Dagh.
4) Heisst jetzt Famirh. 5) Ochiense, 6) Nosairis.
7) Boinbädsch. 8) S. im 14. Cap. 9) Kimisrini.
10) Dschebel-el-Semraak. ") Korus. **) Daina. 13) Bagras.
u) Bachadmosal. ,5) Schoghr. ,ü) Restun. ") Halep (Aleppo).
,8) Hama. ,9) Dsjesar.
Fünftes Buch. 387
Berichte derer, welche selbst dort waren, in der Statthalter-
schaft Carantis *) in Gross-Armenien , nach Domitius Cor-
bulo 2) auf dem Berge Aba 3) , nach Licinius Mucianus am
Fusse des Berges Capotes4), 12,000 Schritte oberhalb Zi-
mara, und heisst anfangs Pyxurates. Er fliesst zuerst durch
Derxene 5) , dann durch Anaitica 6) und trennt Armenien
von Cappadocien. Dascusa 7) ist von Zimara 75,000 Schritte
entfernt. Von da beträgt die Reise zu Schiffe bis Sartona 8)
50,000 Schritte, bis Militene 9) in Cappadocien 74,000, bis
Elegia10) in Armenien 10,000. Auf dieser Strecke nimmt
er die Flüsse Lycus n), Arsanias 13) und Arsanus 13) auf. Bei
Elegia tritt ihm der Berg Taurus entgegen, vermag ihn
aber trotz seiner Breite von 12,000 Schritten nicht aufzu-
halten. Da wo er an das Gebirge stösst, heisst er Omma,
nachdem er es durchbrochen Euphrat, und auch dann noch
ist er voll Felsen und reissend. Weiterhin liegt ihm Ara-
bien, und zwar das 3 Schönus breite Gebiet Oreon zur
Linken, zur Rechten grenzt er an Commagene14), doch dul-
det er, selbst da wo er den Taurus durchbricht, eine Brücke
über sich. Bei Claudiopolis 15) in Cappadocien lenkt er
seinen Lauf gegen Westen; hier aber tritt ihm der Taurus
abermals entgegen, siegt, früher von ihm überwunden und
durh schnitten, jetzt auf andere Weise über ihn und treibt
ihn nach Süden. So gleicht sich dieser Streit der Natur
aus, indem der Fluss geht, wohin er will, und der Berg ihn
in seinem willkürlichen Laufe hindert16). Von den Wasser-
fällen an wird er wieder schiffbar, und 40,000 Schritte wei-
ter liegt Samosata17), die Hauptstadt von Commagene.
«) Erzerum. 2) War 39 n. Chr. Consul.
3) Alatagh. 4) Bingöltagh. 5) Tordsjan. 6) Momacottom.
') Dengizlu. 8) Pastek. 9) Malatya. 10) Ilidsje. ") Bingöl.
12) Murad. 13) Arslan.
u) Die Paschaliks Merasch, Aintab und Simasat.
,5) Ra-Claudie.
16) D. h. der Euphrat kommt zum Meere, wohin er will, aber
durch den Widerstand des Taurus nicht in das mittelländische.
") Simasat.
25*
388 Fünftes Buch.
21.
In dem oben genannten Arabien liegen folgende Städte :
Edessa l), vormals Antiochia genannt, das nach einer Quelle
benannte Callirrhon, Carrhä2), bekannt durch die Nieder-
lage des Crassus 3). Hieran grenzt die Statthalterschaft
Mesopotamien 4) , welche von den Assyriern gegründet ist
und die Städte Anthemusia und Nicephorium 5) enthält. Nun
folgen die prätavischen Araber mit der Hauptstadt Singara 6).
Hinter Samosata auf der syrischen Seite fällt der Marsyas
in den Euphrat. Cingilla 7) liegt an der Grenze von Com-
magene und dann beginnt der Bezirk der Immeer 8). Die
Städte Epiphania und Antiochia, „am Euphrat" benannt;
desgleichen Zeugma9), 72,000 Schritte von Samosata, be-
rühmt durch den Uebergang über den Euphrat. Das gegen-
über liegende Apamea10) hat Seleucus, der Gründer beider
Städte, durch eine Brücke mit jener verbunden. Die Grenz-
nachbaren von Mesopotamien sind die Rhoaler. Aber in
Syrien liegen 11) die Städte Europum 12) und das vormalige
Thapsacum, jetzt Amphipolis 13) ; endlich die scenitischen
Araber u). So fliesst er bis zu dem ehemaligen Ura 15), wo
er sich gegen Osten wendet und die palmyrenischen Wüsten
Syriens, welche sich bis zur Stadt Petra 16) und dem glück-
lichen Arabien erstrecken, verlässt.
Die Stadt Palmyra17) ist berühmt durch ihre Lage,
durch die Ergiebigkeit des Bodens und anmuthige Wässer;
im weiten Umkreise sind ihre Aecker von Sandwüsten um-
schlossen; durch die Natur gleichsam von allen übrigen
Ländern abgeschieden, liegt sie unabhängig zwischen zwei
mächtigen Reichen, dem römischen und parthischen, und
J) Orfa im nördlichen Mesopotamien. In der spätem Zeit nahm
sie den Namen Justinopolis an.
-) Harran. 3) 53 v. Chr. 4) Diarbekr.
5) Von Alexander dem Grossen erbauet, jetzt Racca.
,!) Sindrjar. 7) Kuph. 8) Armana. 9) Tscheschme.
,0) Rum. u) Nämlich längs des Euphrat. 12) Jerabolos.
u) El-Der. w) In der Nähe der palmyrensischen Wüste.
,s) Gorur. lfi) Ar-Rakim. 17) Tadinor.
Fünftes Buch. 389
wird bei jedem Zwiste auf beiden Seiten zu gewinnen ge-
sucht. Von der parthischen Stadt Seleucia x) am Tigris ist
sie 337,000 Schritte entfernt, von der nächsten Küste Sy-
riens aber 203,000; Damascus liegt 27,000 Schritte näher.
Vor den Wüsten Palmyra's liegt der stelendenische Be-
zirk und die schon 2) genannten Städte Hierapolis , Beröa
und Chalcis. Hinter Palmyra in derselben Wüste Emesa 3),
ferner Elatium, welches der Stadt Petra am die Hälfte näher
ist als Damascus. Von Sura 4) aus kommt man zunächst
nach Philiscum 5) , einer parthischen Stadt am Euphrat.
Von da schifft man in 10 Tagen nach Seleucia und fast in
derselben Zeit nach Babylon. 94,000 Schritte von Zeugma,
beim Flecken Massice theilt sich der Euphrat; sein linker
Arm geht nach Mesopotamien durch Seleucia selbst und er-
giesst sich hier in den vorüberfliessenden Tigris. Der rechte
Arm aber fliesst nach Babylon, der ehemaligen Hauptstadt
von Chaldäa, die er, sowie die Stadt Otris mitten durch-
strömt und verliert sich in Sümpfe. Er schwillt auch gleich
wie der Nilstrom an bestimmten Tagen, die aber mit denen
beim Nil nicht ganz zusammentreffen, an und überschwemmt
Mesopotamien. Dies geschieht, wenn die Sonne im 20. Grade
des Krebses steht; er fängt wieder an zu fallen, wenn die
Sonne aus dem Löwen in die Jungfrau übergeht und tritt
ganz in sein Bett zurück, wenn sie im 29. Grade der Jung-
frau steht.
22.
Wir kehren zu derjenigen Küste von Syrien zurück,
an die zunächst Cilicien6) grenzt. Darin: der Fluss Dia-
phanes, der Berg Crocodilus 7), die Pässe des Berges Ama-
nus 8), die Flüsse Androcus 9), Pinarus10), Lycus, der Busen
von Issos11). Die Stadt Issos12), Alexandria13), der Fluss
») AI Modain. 2) Im 19. Cap.
3) Hems. *) Beled-Surieh. 5) Blis.
6) Ejalet Itschil. 7) Ein Vorsprung des Taurus.
8) Thor von Beilan. 9) Kermes. ,0) Deli-Su.
") Golf von Ayas. ,2) Oeseler. '*) Eskiendrun.
390 Fünftes Buch.
Chlorus, die freie Stadt Aegä *), der Fluss Pyramus 2), die
cilicischen Engpässe3); die Städte Mellos 4), Magarsos und
im Innern Tarsos 5J. die alejische Ebene, die Städte Cas-
sipolis , das freie Mopsos G) am Pyramus , Thynos , Zephy-
rium , Anchiale. Die Flüsse Saros 7) , Cydnus 8) , der die
unweit vom Meere gelegene freie Stadt Tarsus durch-
schneidet. Der celenderitische Bezirk mit einer Stadt9);
das ehemalige Nymphäum , Solo Cilicii 10) , jetzt Pompejo-
polis, Adana11), Cibyra12), Pinara, Pedalie, Ale, Selinus13),
Arsinoe, Jotape, Doron. Am Muere liegt Corycos u), welchen
Namen die Stadt, ihr Hafen und eine Höhle führen. Dann
folgt der Fluss Calycadnus 15), das Vorgebirge Sarpedon16),
die Städte Holmö, Myle; das Vorgebirge und die Stadt der
Venus17), welche der Insel Cypern am nächsten liegt. Auf
dem Festlande ferner die Städte Myanda, Anemurium 18),
Coracesium 19) und der Fluss Melas 20), die alte Grenze von
Cilicien. Im Innern des Landes aber sind zu nennen Ana-
zarbus21), welches jetzt Cäsarea heisst, Augusta, Casta-
bala22), Epiphania vormals Oeniandos, Eleusa23), Iconium,
Seleucia24) oberhalb des Flusses Calycadnus, welche den
Beinamen Tracheotis hat; sie lag früher näher am Meere
und hiess Lolmia. Ausserdem sind im Innern des Landes
die Flüsse Liparis, Bombos und Paradisus, sowie das Ge-
birge Jmbarus25).
23.
Alle Schriftsteller lassen Pamphylien an Cilicien gren-
zen, wobei sie das Volk der Isaurer26) nicht berücksich-
tigen. Die Städte desselben im Innern sind: Isaura27), Cli-
banus, Lelasis. Das Land dacht sich in der Richtung der
') Ajascala. 2) Dsjihhan.
3) Thor von Sakaltutan. 4) Malo. 5) Tarso.
«■) Mysis. 7) Seihhan. 8) Karasu. 9) TscheHndre.
,0) Mezetlu. ») Adene. 12) Iburar. ,3) Selenti. 14) Burku.
15) Selefkieh. 16) Cap Cavaliere. 17) Port Pinus. 18) Anemur.
19) Alajah. 20) Manavgat. 21) Ainzarbeh. 22) Dsjakel.
23) Ajasch. 24) Selefkeh. 25) Ein Zweig des Ararat.
2C) Paschalik Begscheer. 21) Serki-Seroj.
Fünftes Buch. 391
oben genannten Gegend von Anemurium nach dem Meere
zu ab. Ebenso ist allen, die über diese Länder geschrieben
haben, das an jenes grenzende Volk der Homanader un-
bekannt, in deren innern Gebiete die Stadt Homana *) liegt.
Ausserdem sind noch 44 Burgen in rauhen Thälern ver-
borgen.
24.
Das Hochland bewohnen die Pisider2), welche vor-
mals Solymer Messen. Ihre Colonie Cäsarea 3) hat auch
den Namen Antiochia. Ihre Städte sind Oroanda4) und
Sagalessos 5).
25.
Die Pisider werden von Lycaonien6) eingeschlossen,
welches nebst den Philomeliensern 7), Tymbrianern, Leuco-
lithern , Peltenern und Tyriensern 8) zum asiatischen Ge-
richtsbezirk gehören. Der Theil von Lycaonien, der an
Galatia grenzt und aus 14 Gemeinden mit der sehr berühm-
ten Stadt Iconium 9) besteht , bildet eine Tetrarchie. Im
eigentlichen Lycaonien sind berühmt: Thebasa am Taurus,
Hyde an der Grenze von Galatien und Cappadocien. Zur
Seite aber hinter Pamphylien wohnen die Milyer, Nach-
kommen der Thracier, deren Stadt Arycanda heisst.
26.
Pamphylien10) hiess sonst Mopsopia11). Das pam-
phylische Meer grenzt an das cilicische. Städte sind: Side1'2),
Aspendum 13) auf einem Berge , Pletemissum und Perga 14).
Das Vorgebirge Leucolla; der Berg Sardemisus. Flüsse:
der Eurymedon15), der an Aspendum vorbeifliesst, der Catar-
') Erminak. 2) Paschalik Hamid.
3) Akscheer. 4) lgricli. 5) Aglason-Bey. 6) Paschalik Konia.
7) Bulawadin. 8) Altyn-Khan. 9) Konia.
10) Paschalik Tekke z. Th.
") Von Mopsus, welcher nach dem trojanischen Kriege diese
Küste beherrschte.
12) Side. 13) Minugat. ") Karahissar.
15) Zacuth; berühmt durch den Doppelsieg des Cimon über die
Perser.
392 Fünftes Buch
ractes *) , an welchem Lyrnessus und Olbia 2) liegen. Die
letzte Stadt an dieser Küste heisst Phaseiis 3).
27.
Hieran stösst das lycische Meer, an dem die Lycier
wohnen. Von da an beschreibt der von den östlichen Küsten
sich herabziehende Taurus durch das chelidonische Vor-
gebirge 4) einen bedeutenden Meerbusen 5). Er 6) ist un-
ermesslich gross und beherbergt zahlreiche Völker; mit der
rechten Seite, wo er vom indischen Meere aufsteigt, ist er
nach Norden, mit der linken nach Süden gerichtet, wendet
sich dann nach Westen und würde ganz Asien durchschnei-
den, wenn diesem Unterdrücker der Länder nicht die Meere
Widerstand leisteten. Er springt also nach Norden ab und
sucht bei seiner Wendung einen unermesslichen Weg ein-
zuschlagen; da setzt ihm aber die Natur gleichsam mit
Fleiss plötzlich die Meere entgegen, hier das phönicische,
dort das pontische, da das caspische und hyrcanische und
gegenüber den mäotischen See. So windet er sich zwischen
diese hemmenden Elemente gepresst dennoch siegend durch,
gelangt in Krümmungen zu der ihm verwandten riphäischen
Bergkette und hat sich auf seinem Wege durch viele und
neue Namen berühmt gemacht. Zuerst heisst er Imaus 7),
dann Emodus s) , Paropamisus 9) , Circius , Chambades , Pa-
ryadres 10), Choatras11), Oreges, Oroandes, Niphates12), Tau-
2) Duden. 2) Antalia.
3) Fianda. Die Einwohner waren Erfinder gewisser schnell-
segelnder Schifte, die daher den Namen Phaseli hatten.
4) Cap Kalidoni. 5) Den pamphylischen Golf von Atalia.
6) Nämlich der Taurus. 7) Erhebt sich 7° östlich vom Ganges,
geht durch Tibet und die Wüste nach Norden hin.
8) Bildet mit dem Imaus das Himalayahgebirge.
9) Hendu-Khos in Candahar.
10) In Armenien; ein Arm des Antitaurus.
n) Auch Zagros genannt, jetzt Tag-Riaghi, an der Grenze von
Medien und Assyrien.
12) Im südlichen Armenien, wo der Tigris entspringt; heisst
jetzt Tschudy.
Fünftes Buch. 393
rus l); da wo er am höchsten ist Caucasus2); wo er sich
in Arme theilt, als ob er die Meere angreifen wollte, Sar-
pedon3), Caracesius 4) , Cragus 5) und wiederum Taurus;
und selbst wo er sich öffnet und den Völkern den Zutritt
verschafft, behauptet er dennoch seine Einheit, denn diese
Zugänge führen bloss den Namen Pforten (Engpässe) und
heissen auf einer Seite die armenischen, auf einer andern
die caspischen, auf einer dritten die cilicischen. Sogar da,
wo er gebrochen den Meeren ausweicht, wird er noch nach
den anwohnenden Völkern mit vielen Namen belegt; so
heisst er rechts der hyrcanische, caspische, links der par-
yedrische 6) , moschische 7) , amazonische , coraxische und
scythische. Das ganze Gebirge nennen aber die Griechen
das ceraunische.
28.
In Lycien8) liegen vom Vorgebirge des Taurus an
die Stadt Simena, der des Nachts feuerspeiende Berg Chi-
inära, die Gemeinde Hephästium, in deren Bezirke sich eben-
falls Berge befinden, die oft brennen. Früher lag daselbst
die Stadt Olympus, jetzt aber die Bergstädte Gagä, Cary-
dalla und Rhodiopolis. In der Nähe des Meeres: Limyra mit
einem gleichnamigen Flusse 9) , in welchen sich der Ary-
candus ergiesst, der Berg Massycites, die Gemeinde An-
driaca10) und Myra11). Die Städte Apyre12), Antiphellos13),
welche vormals Habessus hiess, und weiter im Lande:
Phellus. Sodann Pyrrha und Xanthus14), beide 15,000
Schritte vom Meere entfernt und der Fluss Xanthus. Pa-
tara15), früher Pataros, Sidyma auf einem Berge; das Vor-
gebirge Cragus16). Weiterhin ein dem vorigen17) gleicher
1) Die Kette im Norden von Pamphylien und Cilicien.
2) Zwischen dem schwarzen und caspischen Meere.
3) Cap Cavaliere. 4) Kurko. 5) Monte di Goronte.
8) Agatsch-Baschi. 7) Bingol.
8) Theile der Paschaliks Muntescha und Tekke.
9) Arakli. «>) Sevedo. ») Mira. ,2) Fineka. ,3) Antifello.
M) Essenide. 15) Patira. ,6) Cap Serdeni?
») Golf von Chelidoni.
394 Fünftes Buch.
Busen x), an welchem Pinara und Telmessus 2), die Grenz-
stadt von Lycien, liegen. Lycien hatte einst 70 Städte,
jetzt hat es nur noch 36. Von diesen sind, ausser den oben
genannten, noch bemerkenswerth: Canas, Condyba, berühmt
durch den önischen Wald, Podalia, Choma am Flusse
Adesa, Cyaneä, Ascandalis, Amelas, Noscopium, Tlos und
Telandrus. In der Mitte des Landes liegt Cabalia mit den
3 Städten Oenoanda, Balbura und Bubon. Bei Telmessus
fängt das asiatische oder carpathische Meer, sowie Asien
im engern Sinne 3) an. Letzteres hat Agrippa in 2 Theile
getheilt. Den einen Theil schliesst im Osten Phrygien und
Lycaonien, im Westen das ägeischeMeer, im Süden Aegypten
und im Norden Paphlagonien ein. Seine Länge beträgt
470,000, seine Breite 320,000 Schritte. Die Grenzen des
andern Theiles bestimmt er folgendermaassen: gegen Osten
Klein-Armenien , gegen Westen Phrygien , Lycaonien und
Paniplfylien, gegen Norden die pontische Provinz und gegen
Süden das pamphylische Meer. Er ist 575,000 Schritte
lang und 325,000 Schritte breit.
29.
Das nächste Küstenland ist Carien, dann folgt Jonien
und hinter diesen Aeolien. Carien4) schliesst das in der
Mitte liegende Doris ein und stösst zu beiden Seiten bis
ans Meer. In ihm sind zu merken: das Vorgebirge Peda-
lium 5), der Fluss Glaucus, der nach Telmedium führt; die
Städte Dädala 6) und Crya7), von Flüchtlingen gegründet.
Der Fluss Axon , die Stadt Calynda. Der Fluss Indus 8)
entspringt auf den cibyratischen Gebirgen 9), nimmt 60 be-
ständig strömende Flüsse und noch 100 Giessbäche auf
Die freie Stadt Caunos10), dann Pyrnos, der Hafen Cressa11),
20,000 Schritte von der Insel Rhodus. Die Ruinen von
') Golf von Magri. -) Magri.
3) Anatoli oder Natolien.
4) Mit Doris das Paschalik Muntescha z. Th. 5) Ginakri.
6) Doleman. ') Messi. 8) Kabbeh. 9) Horssulu.
lü) Kaiguez. ") Krissa.
Fünftes Buch. 395
Lorynia1); die Städte Tisanusa, Paridion und Larymna.
Der Busen Thymnias; das Vorgebirge Aphrodisias; die
Stadt Hyda; der Busen Schönus; der Bezirk Bubassus. Auf
dem Vorgebirge liegt die freie Stadt Gnidos 2), welche erst
Triopia, dann Pegusa und Stadia hiess. Hier fängt Doris an.
Vorher aber müssen wir die hintern Länder und die in
der Mitte liegenden Gerichtskreise anführen. Der eine von
ihnen heisst der cibyratische. Die Stadt Cibyra 3) selbst
gehört zu Phrygien. 25 Gemeinden und die berühmte Stadt
Laodicea 4) sind ihr einverleibt. Letztere liegt am Flusse
Lycus 5), und der Asopus und Caprus bespülen sie zu bei
den Seiten. Sie hiess erst Diospolis, dann Rhoas. Die
übrigen nennenswerthen Gemeinden in diesem Kreise sind
die Hydreliter, Themisoner 6) und Hierapoliter 7). Der an-
dere Gerichtskreis hat seinen Namen von der Stadt Synnas 8)
bekommen. Zu ihm gehören die Lycaoner, Appianer, Eu-
carponer, Doryläer 9), Midäer, Julienser und noch 15 unbe-
deutende Völker. Der Hauptort des dritten Kreises ist
Apamea10), welches früher Celänä, dann Cibotos hiess. Es
liegt am Fusse des Berges Signiä11), und wird von den
Flüssen Marsyas, Obrimas und Orgas 12), welche sich in den
Mäander13) ergiessen, umflossen. Hier kommt der Marsyas
wieder zum Vorschein, denn unweit seines Ursprunges ver-
birgt er sich an der Stelle, wo des Marsyas Wettstreit auf
der Flöte mit dem Apollo vorgefallen war14), nämlich zu
Aulocrenä 15) , einem 10,000 Schritte von Apamea, nach
Phrygien zu liegenden Thale. Aus diesem Kreise verdienen
genannt zu werden: die Metvopoliter16), Dionysopoliter, Eu-
phorbener, Acmonenser, Peltener17) und Silbianer. Die
übrigen 9 Völker sind unbedeutend.
Am Busen von Doris18) liegen Leucopolis, Hamaxitos,
') Cap Volno. 2) Guido. 3) Burun.
<) Eski-Hissar. 5) Diokbunar. 6) Denislei. 7) Bambuk-Kalesi.
8) Said-Gazelle. 9) Eskischeher. 10) Afiuni-Karahissar.
») Kaldes Tagh. 12) Burbascha. I3) Bojuk-Minder.
,4) Ovids Metam. VI. 383. ,5) Flötenbrunnen.
•6) Surmina. ,7) Peletis. 18) Golf von Simie. •
396 Fünftes Buch.
Elans und Eutbeue. Dann folgen die carischen Städte Pi-
taium, Eutane und Halicarnassus 1). Letzterer sind folgende
6 Städte von Alexander dem Grossen einverleibt: Thean-
gela 2) , Sibde , Medmassa , Euralium , Pedasus 3) und Tel-
messus. Sie liegt zwischen zwei Meerbusen , dem cera-
mischen 4) und dem jasischen 5). Dann folgt Myndos 6), die
Trümmer von Palämyndus, Nariendus, Neapolis, Caryanda 7),
das freie Termera, Bargyla 8) und Jasus 9), von der der ja-
sisclie Busen seinen Namen hat.
Carien steht noch sehr im Rufe seiner vormaligen im
Innern belegenen Städte; denn wo jetzt das freie Mylasa10)
und Antiochia11) liegen, da standen früher Symmäthos und
Cranaos; jetzt wird diese Gegend vom Mäander12) und Or-
sinus 13) umflossen. Daselbst lag auch ehemals Mäandro-
polis 14). Jetzt findet man Eumenia, am Flusse Cludrus;
der Fluss Glaucus, die Stadt Lysias, Orthosia, die berecyn-
tische Gegend, Nysa15); Trallis16), welches auch Evanthia,
Seleucia und Antiochia heisst, liegt am Flusse Eudon und
wird vom Thebais durchschnitten. Nach Einigen sollen da-
selbst die Pygmäer gewohnt haben. Ausserdem liegen hier:
Thydonos, Pyrrha, Eurane, Heraclea 17), Amyzon 1S), das freie
Alabanda 19), von dem der Kreis seinen Namen hat, das freie
Stratonicea 20) , Hynidos , Ceramus 21) , Trözene , Phorontis.
Entlegenere Völker, welche zu diesem Gerichtsbezirke ge-
hören, sind: die Orthronienser, Halydienser oder Hippiner,
die Xystianer, Hydissenser, Apolloniater, Trapezopoliter22)
und die freien Aphrodisienser 23). Noch sind zu merken:
Coscinus, Harpasa24) am Flusse Harpasus25), der auch bei
der ehemaligen Stadt Trallicon vorbeifloss.
') Budru; Vaterstadt des Herodot und Dionysius.
"-) Karabaglar. 3) Paitschin. 4) Golf Stanka. 5) Askeni-Kalesi
6) Mentesche. 7) Karracion. 8) Barghili. 9) Askem-Kalesi.
,0) Myllesch. ») Jenischeer. 12) Bujuk-Minder. ,3) Jenscher.
M) Guzel-Hissar. 15) Nasli. 16) Sultanhissar.
,7) Am Berge Latmos. 18) Ruinen bei Baffo. ,9) Karpusoli.
-°) Eskihissar. 21) Keramo. 22) Karads-je-su. 23) Dsjera.
'■") Arpas-Kalesi. 25) Tschina.
Fünftes Buch. 397
30.
Lydien1), welches der vielfach gewundene Mäander
durchfliesst und das früher Mäonien hiess, geht über Jonien
hinaus, grenzt gegen Osten an Phrygien, gegen Norden an
Mysien und gegen Mittag an Carien. Seinen grössten Ruhm
verdankt es Sardes 2) , einer Stadt am Berge Tmolus 3),
welcher früher Tinolus hiess, mit Weinreben bepflanzt ist
und auf dem der Pactolus, Chrysorrhoas und die Quelle
Tarne entspringen. Von den Mäoniern ist die Stadt selbst
Hyde genannt und bemerkenswerth durch den gygäischen 4)
See. Jetzt heisst dieser Gerichtsbezirk der sardianische.
Ausser den schon genannten gehören dazu: die macedo-
nischen Caduener , die Lorener , die Philadelphener 5) , die
die am Fusse des Tmolus, am Flusse Cogamus wohnenden
Mäonier, die Tripolitaner, welche, sowie die Antoniopoliter
am Mäander wohnen, die Apollonoshieriter , Mesotimoliter
und noch einige unbedeutende.
31.
Jonien 6) fängt am jasischen Meerbusen an und dehnt
sich einer noch buchtenreichem Küste entlang aus. Ihr
erster Busen heisst der basilische 7); dann folgt das Vor-
gebirge Posideum 8) nebst einer Stadt 9) gleichen Namens,
das Orakel, welches früher das der Brauchiden10), jetzt aber
das des Apollo Didymäus heisst und 20 Stadien von der
Küste entfernt ist. 180 Stadien weiter liegt Milet11), die
Hauptstadt von Jonien, vormals Lelege'is, Pityusa und Anac-
toria genannt, die Gründerin von mehr als 90 an allen
Meeren gelegenen Städten; auch dürfen wir ihren Bürger
Cadmus nicht übergehen, der zuerst eine prosaische Rede
aufzusetzen lehrte. Der Fluss Mäander entspringt aus einem
*) Paschalik Szarnkhan. -) Sart. 3) Bergi.
4) Innlighol; in dessen Nähe befanden sich die Gräber der alten
Könige von Lydien.
5) Allascheher. 6) Paschalik Sighla.
7) Meerbusen von Melasso. 8) Cap Melasso. ») Melasso.
10) Die Nachfolger des Branchos, eines Priesters des Apollo.
") Palatschia.
398 Fünftes Buch.
See am Berge Aulocrene, fliesst an mehreren Städten vor-
bei, nimmt viele Flüsse auf und macht so viele Krüm-
mungen, dass man oft glauben könnte, er kehre wieder um.
Zuerst durchzieht er die apamenische Gegend, dann die
eumenetische, hierauf die bargyletischen Ebenen und zuletzt
fliesst er sanft durch Carien, düngt deren Aecker mit frucht-
barem Schlamme und ergiesst sich 10 Stadien von Milet
ruhig ins Meer. Nun folgt der Berg Latmos, die Stadt
Heraclea 1), welche von diesem Berge einen Beinamen führt,
Caryca, Myus 2), was die von Athen zuerst eingewanderten
Jonier gegründet haben sollen, Naulochum, Priene 3); der
Fluss Gessus an der sogenannten trogilischen Küste 4); die
allen Joniern heilige Gegend, welche daher auch Panjonia 5)
heisst. Daneben lag die (wie schon der Name sagt) von
Flüchtlingen gebauete Stadt Phygela 6), sowie Marathesium.
Dahinter Magnesia7), bekannt durch ihren vom Mäander
entlehnten Beinamen und Tochterstadt des thessalischen
Magnesia. Ihre Entfernung von Ephesus beträgt 15,000
Schritte, von Tralles noch 3000 mehr. Früher hiess sie
Thessalocce und Androlitia, und da sie dicht au der Küste
liegt, so hat sie die derasidischen Inseln mit sich vereinigt
und dem Meere entzogen. Im Innern des Landes liegt am
Lycus 8) Thyatira 9), früher unter den Namen Pelopia und
Euhippia.
An der Küste aber folgen: Mantium, Ephesus10), ein
Werk der Amazonen. Diese Stadt hat oft ihren Namen
gewechselt. Zur Zeit des trojanischen Krieges hiess sie
Alopes, dann Ortygia, Morges, Smyrna mit dem Beinamen
') Jotan. 2) Wurde schon früh zerstört und die Einwohner
nach Milet versetzt.
3) Samsun-Kalessi. 4) Cap St. Maria.
5) Tshängli. Hier versammelten sich alljährlich die Abgeordneten
der 12 jonischen verbündeten Städte.
6) Figela. 7) Guzelhissar. 8) Kodos. 9) Akhissar.
10) Aja-Saluk; sonst eine der prächtigsten Städte in Asien, be-
rühmt durch den Tempel der Diana und als die Geburtsstadt des
Heraclit und des Malers Parrhasias.
Fünftes Buch. 399
Trachea, Samornion und Ptelea. Sie erliebt sich am Berge
Pion und wird vom Cayster J) bespült, der auf dem cil-
bianischen Gebirge entspringt und viele Flüsse nebst dem
pegaseischen Sumpfe, den der Fluss Phyrites zum Abfluss
nöthigt, aufnimmt. Diese Flüsse führen viel Schlamm mit
sich, wodurch sich in dem Maasse Land ansetzt, dass die
Insel Syrie bereits mitten in den Feldern liegt. In der
Stadt befindet sich die Quelle Callipia und die beiden Seen
Selinus, welche von verschiedenen Seiten den Tempel der
Diana einschliessen. Von Ephesus gelangt man zu einem
zweiten Mantium, im Gebiete der Colophonier und im Innern,
am Flusse Heiasus, liegt Colophon 2) selbst. Dann folgt
der Tempel des clarischen Apollo 3), ferner Lebedos 4) ; auch
die Stadt Notium lag hier. Das Vorgebirge Coryceon 5),
der 150,000 Schritte weit ins Meer auslaufende und nach
dem festen Lande hin in eine weite Ebene sich verlierende
Berg Mimas 6). An dieser Stelle liess Alexander der Grosse
eine 7500 Schritte lange Strecke durchstechen, um zwei
Busen 7) mit einander zu verbinden und Erythrä 8) nebst
dem Mimas mit Wasser zu umgeben. Nicht weit davon
lagen die Städte Pteleon, Helos und Dorion; jetzt fliesst
daselbst der Aleon. Corynäum, das Vorgebirge des Mimas,
Clazomenä 9), Parthenie und Hippi, Chytrophoria genannt,
als sie noch Inseln waren, und die Alexander durch einen
2 Stadien langen Damm mit dem Festlande vereinigt hat.
Im Innern sind untergegangen: Daphnus, Hermesia und das
früher Tantalis genannte Sipylum, die ehemalige Haupt-
stadt von Mäonien; jetzt befindet sich der See Säle an
ihrer Stelle. Auch Archäopolis, welches Sipylum im Range
folgte, ist nicht mehr, dann folgte Colpe und nach dieser
Lebade.
Kehrt man von da wieder zurück, so erreicht man nach
einem Wege von 12,000 Schritten an der Küste die von
») Kutschuk-Minder oder der kleine Mäander. 2) Dsjili.
3) Zille. 4) Lebedizi Hissar. 5) Kurku. 6) Karaburun.
7) Den von Ephesus und von Snryrna. 8) Ritre. 9) Kelismen.
400 Fünftes Buch.
Amazonen erbaute und von Alexander wiederhergestellte
Stadt Smyrna 1), an dem nicht weit davon entspringenden
Flusse Meles. In dieser Gegend breiten sich die vorzüg-
lichsten Berge Asiens aus, wie der Mastusia im Rücken
von Smyrna und der Termitis, welcher bis zu dem Fusse
des Olympus 2) reicht. Dieser stösst an den Draco , der
Draco an den Tmolus, der Tmolus an den Cadmus 3) und
dieser an den Taurus. Bei Smyrna schwemmt der Her-
mus 4) Land heran und giebt ihm seinen Namen. Er ent-
springt bei Doryleum 5), einer Stadt in Phrygien, und nimmt
viele Flüsse auf, unter andern auch den Phryx, der dem
anwohnenden Volke den Namen gegeben hat und dessen
Gebiet von Carien scheidet; ferner den Hyllus und Cryos,
die selbst durch andere Flüsse Phrygiens, Mysiens und In-
diens verstärkt werden. An der Mündung des Hermus lag
vormals die Stadt Temnos 6); jetzt sieht man am äussersten
Ende des 7) Meerbusens die myrmecischen Felsen; die Stadt
Leuce, an einem Vorgebirge, welches früher eine Insel war,
und Pbocäa s) bilden den Grenzpunkt von Jonien.
Zum smyrnaischen Gerichtsbezirke gehört ein grosser
Theil Aeoliens, von dem bald die Rede sein wird, ausser-
dem noch die hyrcanischen Macedonier und die Magneter 9)
am Sipylus. Nach Ephesus aber, dem andern berühmten
Gerichtsbezirke Asiens, gehören die entfernten Cäsarienser,
Metropoliter 10) , untern und obern Cilbianer u) , Mysomace-
donier, Mastaurenser, Briulliter, Hypäpener12) und Dios-
hieriter.
32.
Nun folgt zunächst Aeolien13), welches früher Mysien
hiess, und das am Hellesponte liegende Troas. Von Pbocäa
ab gelangt man zuerst zum Hafen Ascanius. Weiterhin lag
ehemals Larissa14), jetzt sind dort Cyme15) und Myrina,
») Ismir. -) Keschisch-Dagh. 3) Baba-Dagh. '') Sarabat.
5) Eskischeber. 6) Memmen. 7) smyrnaischen. 8) Fokia.
») Manissa. >°) Tireh. ») Durgut. l2) Tappui.
,3) Paschalik Aidin. ") Larusar. ,5) Nemourt.
Fünftes Buch. 401
welche letztere sich auch Sebastopolis nennt. Im Innern:
Aegä *), Attalia 2), Posidea, Neontichos, Temnos 3). An der
Küste ist der Fluss Titanus und ein nach ihm benanntes
Städtchen. Statt der frühem Stadt Grynia sind nur noch
zwei Häfen auf einer mit dem Festlande verbundenen Insel
vorhanden. Die Stadt Eläa 4) und der aus Mysien kom-
mende Fluss Caicus 5). Die Stadt Pitane 6) und der Fluss
Ganaius. Nicht mehr vorhanden sind: Canä 7), Lysimachia,
Atarnea8), Carene, Cisthene 9), Cilla10), Cocylium, Thebe,
Astyre, Chrysa, Paläscepsis, Gergithos, Neandros; jetzt liegt
daselbst der Flecken Pefperene, die Landschaft Heracleot.es,
die Stadt Coryphas. Die Flüsse Geylios und Ollius; der
Bezirk Aphrodisias, der früher Politice Orgas hiess, der Be-
zirk Scepsis; der Fluss Evenus, an dessen Ufern die jetzt
verschwundenen Städte Lyrnessos und Miletos lagen. Hier
erhebt sich auch der Berg Ida. An der Küste liegt die
ehemals Pedasus genannte Stadt Adramytteos11), nach (lei-
der Busen und Kreis benannt ist. Flüsse: der Astron, Cor-
nialos, Criamos, Alabastros und der vom Ida kommende
Hieros. Im Innern liegt der Berg Gargara und eine Stadt
gleichen Namens. Wiederum an der Küste: Antandros 12),
früher Edonis , dann Cimmeris genannt und Asses 13) oder
Apollonia. Hier lag auch die Stadt Palamedium. Das Vor-
gebirge Lecton M), welches Aeolis von Troas scheidet. Auch
der Flecken Polymediä, Chrysa und noch ein anderes La-
rissa standen hier. Der smintheische Tempel 15) ist noch
vorhanden. Colone im Innern ist untergegangen. Zu Adra-
mytteos führen ihre Rechtshändel: die am Flusse Rhynda-
cus16) wohnenden Apolloniater 17), dieErizier, Miletopoliter13),
Pämaneuer, asculacischen Macedonier, Polichnäer, Piouiter,
*) Guzel-Hissar. 2) Italieh. 3) Menimen. 4) Jalea.
3) Girmaki. «) Sanclarlik. 7) Kanot-Köi. *) Dikeli-Köi.
») Kidonia. ,0) Zeizeli-Küi. ") Adramiti.
n) Antandro. 13) Asso. '*) Cap Baba.
,5) Des Apollo. ,6) Lubad.
") Abellionte. ,8) Bali-Kesri.
26
402
Fünftes Buch.
mandacadenischen Cilicier und in Mysien die Abrettiner,
die auch Hellespontier heissen, und andere unbedeutende
Völker.
33.
Der erste Ort in Troas *) heisst Hamaxitos 2) , dann
folgt Cebrenia, Troas 3) selbst, das Antigonia genannt wurde,
jetzt aber unter dem Namen Alexandria eine römische Co-
lonie ist. Die Stadt Nee. Der schiffbare Fluss Scaman-
der 4) , und an einem Vorgebirge 5) die ehemalige Stadt
Sigeum. Dann der Hafen der Achäer, in den sich der mit
dem Simois 6) vereinigte Xanthus 7) ergiesst , sowie auch
der Paläscamander , der vorher einen See8) bildet. Von
den übrigen von Homer 9) angeführten Städten Rhesus, Hep-
taporus, Caresus und Rhodius ist keine Spur mehr vorhan-
den. Der Granicus 10) fliesst in einer andern Richtung in
den Propontis. Doch besteht noch jetzt der kleine Flecken
Scamandria und 1500 Schritte vom Hafen entfernt das steuer-
freie Ilium n) , von dem der ganze Ruhm jener Begeben-
heiten ausging. Ausserhalb des Busens liegt die rhöteische
Küste mit den Städten Rböteum, Dardanium12) und Arisbe.
Auch existirte eine Stadt Achilleon, welche neben dem Grabe
des Achilles von den Mityleniern und nachmals von den
Atheniensern am Vorgebirge Sigeum 13), wo Achill's Flotte
gestanden hatte, erbauet war. Aeantium, von den Rhodiern
erbauet, lag auf der andern Landspitze, beim Grabmale
des Ajax, 30 Stadien von Sigeum, da wo dessen Flotte vor
Anker lag.
») PaschaUk Bigha. 2) Messi. 3) Eski Stambul.
4) Skamandro. 5) Cap Jenischeher. 6) Mendre-Su.
') Ist mit dem Scamander ein und derselbe Fluss.
8) Stomalimne. 9) Iliade XII. 20.
10) Uetwola, berühmt durch Alexanders ersten Sieg über die
Perser.
") Wurde 1184 v. Chr. von den Griechen zerstört. Die bei dem
Dorie Bunar-Baschi liegenden Ruinen sind von dem spätem, von
Alexander dem Grossen erbaueten llium.
'-) Gallipoli. 13) Cap Jenischeher.
Fünftes Buch. 4Q3
Ueber Aeolieu und Troas, mitten im Lande, liegt der
Bezirk Teutbrania, welchen die Mysier vormals in Besitz
hatten. Dort entspringt der schon genannte Fluss Caicus.
Das dortige Volk war schon sehr mächtig, als noch das
ganze Land Mysien genannt wurde; und ich bemerke da-
von: Pioniä, Andera, Cale, Stabulum, Conisium, Tegium,
Balcea, Tiare, Teuthranie, Sarnaca, Haliserne, Lycide, Par-
thenium, Thymbre, Oxyopum, Lygdamum, Apollonia l) und
Pergamum 2) , eine der berühmtesten Städte Asiens , durch
welche der Selinus fliesst, und wo der vom Berge Pinda-
sus kommende Cetius vorbeifliesst. Nicht weit davon liegt
Eläa, die wir bereits bei der Küste genannt haben. Der
Gerichtsbezirk dieser Gegend heisst der pergamenische und
zu ihm gehören: die Thyatirener, Mygdoner, Mosyner, Breg-
menter, Hieracometer, Perperener, Tiarener, Hierolophienser,
Hermocapeliter , Attalenser, Pantänser, Apollonidienser 3)
und andere unbedeutende. Von Rhoeteum liegt die kleine
Stadt Dardanium 70 Stadien entfernt. Von hier bis zum
Vorgebirge Trapeza, wo der Hellespont anfängt, sind es
18,000 Schritte.
Nach Eratosthenes sind folgende Völker untergegangen;
die Solymer, Leleger, Bebrycer, Colycantie\ Tripseder:
nach Isidorus die Arimer und Capreter, welche da wohnten,
wo Apamea 4) vom König Seleucus zwischen Cilicien, Cappa-
docien, Cataonien und Armenien erbauet ist, und diese Stadt
soll, weil sie die wildesten Völker bezwungen hatte, anfangs
Damea genannt worden sein.
34.
Die erste unter den Inseln vor Asien liegt in der
canopischen Mündung des Nils und hat (wie man sagt) ihren
Namen vom Canopus, dem Steuermanne des Menelaus. Eine
andere, durch eine Brücke mit Alexandrien verbunden, ist
') Bairam. 2) Bergainah. s) Balamonte..
4) Fanrieh, auf einer Insel des Orontes (Nähr el Asi) 13 Meilen
südlich von Antiochia.
26*
404
Fünftes Buch.
eine Colonie des Dictators Cäsar und heisst Pharos 1).
Früher war sie eine Seetagereise von Aegypten entfernt;
jetzt befindet sich auf ihr ein Leuchtturm, der des Nachts
die Fahrt der Schiffe leitet, denn wegen der gefährlichen
Untiefen kann man überhaupt nur auf 3 Wegen, dem stega-
nischen, posideischen und taurischen, nach Alexandrien ge-
langen.
Dann folgt im phönicischen Meere vor Joppe die Insel
Paria, die eigentlich nur eine Stadt bildet und auf welcher
Andromeda dem Seeungeheuer vorgeworfen sein soll 2).
Ferner die schon 3) genannte Insel Arados , zwischen der
und dem Festlande, aus einer Tiefe von 50 Ellen (wie
Mucian erzählt) süsses Wasser aus einer Quelle "mittelst
einer ledernen Röhre heraufgezogen wird4).
35.
Das pamphylische Meer enthält nur unbedeutende In-
seln. Im cilicischen liegt Cyprus5), eine der 5 grössten
Inseln6); sie ist mit ihrer Ost- und Westseite nach Cilicien
und Syrien gerichtet und war einst der Sitz von 9 König-
reichen. Ihr Umfang beträgt nach Timosthenes 427,500,
nach Isidorus 375,000 Schritte. Die Länge zwischen den
beiden Vorgebirgen Dinä 7) und Acamas 8), welches letztere
das westliche ist, giebt Artemidorus auf 162,500, Timosthe-
auf 200,000 Schritte an. Nach Philonides 9) hiess sie früher
Acamantis; nach Xenagoras Cerastis10), Aspelia, Ainathusia
und Macaria11); nach Astynomus12) Cryptos und Colinia.
Folgende 15 Städte liegen auf ihr: Nea Paphos13), Palä-
*) Die Inseln Canopus und Pharus sind jetzt mit dem festen
Lande verbunden.
2) S. im 14. Cap. 3) Im 19. Cap.
4) Darüber im XXXI. B. 37. Cap. 5) Cypern.
6) Im mittelländischen Meere. 8) S. Andreas. 8) S. Epiphani.
9) Unbekannter Schriftsteller.
,0) D. h. die Gehörnte, wegen der vielen Landspitzen.
") Wegen ihrer Fr achtbarkeit: Die Gesegnete.
'-) Unbekannt. '») Baffa.
Fünftes Buch. 405
paphos x) , Curias 8) , Citium 3) , Corineum 4) , Salamis 5),
Amathos6), Lapethos7), Solo8), Tamaseus, Epidarum 9),
Chytri10), Arsinoe11), Carpasium 12) und Golgi. Cinyria,
Marium und Idaliuni existiren nicht mehr. Von Anemurium
in Cilicien ist sie 50,000 Schritte entfernt uud das dazwischen
liegende Meer heisst Aulon cilicium13). Hier befindet sich
auch die Insel Eleusa und vor dem Syrien gegenüber lie-
genden Vorgebirge14) die 4 clidischen Inseln; vor der andern
Landspitze15) aber Stiria; Neapaphos gegenüber Hierocepia
und nach Salamis hin die salaminischen Inseln.
Im lycischen Meere liegen: Illyris, Telendos , Attele-
bussa, die 3 unfruchtbaren cyprischen und Dionysia, welche
früher Caretha hiess. Dann folgen, dem Vorgebirge 16) des
Taurus gegenüber, die den Seefahrern gefährlichen 3 che-
lidonischen 17). Hierauf: Leucolla mit einer Stadt, die Pac-
tyen, Lasia, Nymphais, Macris, Megista18), deren Stadt
untergegangen ist und noch viele unbedeutende. Chimäia
gegenüber liegen Dolichiste19), Chirogylium, Crambussa 20),
Rhoge21), Enagora, 8000 Schritte gross, die beiden däda-
lischen, die 3 crye'ischen, Strongyle, Sidyma22) gegenüber
die Insel des Antiochus, dem Flusse Glaucus gegenüber
Lagussa, Macris, die Didymen, Helbo, Scope, Aspis und Te-
J) Eski-Baffa. 2) Piscopia. 3) Chiti. 4) Cerines.
5) Porto Constanza. Sie wurde von Teucer erbauet, als ihn nach
der Rückkehr von Troja der Schwur seines Vaters aus dem Vater-
lande verbannte.
6) Limesol. 7) Lapta.
8) SoHa. Hier hatten sich viele Athener angesiedelt, deren
Sprache durch den Umgang mit den Eingebornen verdorben wurde;
daher heisst jeder schlechte, verdorbene Dialect Solöcismus.
9) Pitarenü. ,0) Cherkes.
n) Mehrere Städte auf Cypern führten diesen Namen; an der
Stelle der einen steht jetzt Alessandretta, und an der einer andern
Aryes.
12) Karpas. I3) Die cilicische Strasse. I4) Dinaretum.
,s) Acamas. ,6) Cap Chehdoni. ") Icole Correnti.
'*) Kastelorizo. ,9) Kakava. 20) Grambusa. 21) Kastei Rosso.
22) In Lycien.
406 Fünftes Buch.
landria, deren Stadt untergegangen ist. Dem Caunus zu-
nächst liegt Rbodussa.
36.
Aber am schönsten ist die freie Insel Rhodus, welche
125,000, oder wenn wir lieber dem Isidorus Glauben schenken
wollen, 103,000 Schritte im Umfange hat. Auf ihr liegen
die Städte Lindus *), Camirus 2) und Jalysus, die jetzt Rho-
dus 3) heisst. Nach Isidorus beträgt ihre Entfernung von
Alexandrien in Aegypten 583,000 Schritte, nach Eratosthe-
nes 469,000, nach Mucianus 500,000, von Cypern aber
166,000. Vormals hiess sie Ophiusa, Asteria, Aethräa, Tri-
nacria, Corymbia, Pöressa, Atabyria nach einem Könige,
Macaria und Aloessa. Inseln, die dem Rhodern gehören,
sind: Carpathus 4), von der das Meer den Namen hat, Ca-
sos 5) ehemals Achne, Nisyros 6), welche von Gnidus 12,500
Schritte entfernt ist und früher Porphyris hiess. Mitten
zwischen Rhodus und Gnidus liegt Syme 7), mit einem Um-
fange von 37,500 Schritten und 8 bequemen Häfen. Ausser-
dem liegen um Rhodus: Cyclopis, Steganos, Cordylussa 8),
die 4 Diabeten, Hymos , Chalce 9) mit einer Stadt, Seut-
lussa, Narthecussa, Dimastos, Progne; hinter Gnidus: Cisse-
russa, Therionarce, Calydne10) mit den 3 Städten Notium,
Nisyrum und Mendeterum , und auf Arconnesus die Stadt
Ceramus. An der Küste von Carien liegen die sogenannten
argischen Inseln, 20 an der Zahl, ferner Hyrtussa, Lepsia11)
und Leros12).
Die berühmteste in diesem Meerbusen ist Cos 13) 15,000
Schritte von Halicarnassus entfernt und 100,000 Schritte
im Umfange. Wie die Meisten glauben, hat sie früher Me-
rope geheissen, nach Staphylus 14) aber Cea, nach Dionysius
Meropis, später Nymphäa. Auf ihr liegt der Berg Prion.
Nisyros , die vorhin auch unter dem Namen Porphyris
') Lindo. 2) Camiro. 3) Rhodes. 4) Scarpanto. 5) Caso.
6) Nisari. Sie wurde mit zu den Sporaden gezählt. 7) Synii.
8) S. Catharina. 9j Chalki. I0) Calamine. ") Lipso.
'*) Lero. I3) Ko, auch Stanko. M) Arzt aus Naucratis, über
dessen Lebensverhältnisse nichts weiter bekannt ist.
Fünftes Buch. 407
aufgeführt ist, soll von Cos abgerissen sein. Dann folgt
Caryanda *) mit einer Stadt, Pidosus, nicht weit von Hali-
carnassus. Im ceramisehen Busen 2) aber: Priaponnesos,
Hipponnesos, Psyra3), Mya, Lampsa, Aemindus, Passala,
Crusa, Pyrrhe, Sepiussa, Melano und in geringer Entfer-
nung vom Festlande: Cinädopolis 4), weil der König Alexan-
der dergleichen lasterhafte Menschen hier zurückliess.
37.
An der jonischen Küste liegen Tragiä, die Corseen und
Icaros, von der schon die Rede war5), Lade, früher Late
genannt, und unter den unbedeutendem die beiden Came-
liden nahe bei Milet; bei Mycale die 3 trogilischen Inseln
Philion, Argennos und Sandalios; die freie Insel Samos 6)
87,000 Schritte, oder nach Isidorus 100,000 im Umfange.
Nach Aristoteles hiess sie zuerst Parthenia, dann Dryussa
und darauf Anthemussa. Aristocritus 7) fügt noch die Na-
men Melamphyllus und Cyparissia hinzu; Andere nennen
sie Parthenoarussa und Stephane. Die Flüsse auf derselben
sind Imbrasus, Chesius, Ibettes; Quellen: Gigartho und Leu-
cothea. Der Berg Cercetius 8). In der Nähe liegen die In-
seln Rhypara, Nymphäa und Achilläa.
38.
Gleiche Berühmtheit mit Samos hat die 94,000 Schritte
davon entfernte freie Insel Chios 9) mit einer Stadt. Ephö-
rus nennt sie mit ihrem alten Namen Aethalia; nach Me-
trod orusund Cleobulus10) heisst sie Chia, entweder von der
Nymphe Chione oder vom Schnee, sonst auch Macris und
Pityusa. Der auf ihr befindliche Berg Pellinäus liefert den
bekannten chiischen Marmor. Nach den älteren Schrift-
stellern hat sie einen Umfang von 125,000 Schritten, nach
Isidorus noch 9000 mehr. Sie liegt zwischen Samos und
Lesbos, Erythrä gerade gegenüber.
*) Coracöion. 2) Golf von Castel Marniora. 3) Ipsera.
4) Knabenschänderstadt. 5) Im IV. B. 23. Cap.
6) Susam-Adasi. 7) Unbekannt. 8) Kertlis. 9) Skio.
10) Einer der 7 Weisen, aus Lindus auf Rhodus, st. um 560 v. Chr.
Fünftes Buch.
Ganz in der Nähe liegen: Thaliusa, welche Eiuige auch
Daphnusa schreiben , Oenussa x) , Elaphitis , Euryanassa,
Arginusa mit einer Stadt; diese und die sogenannten Pisi-
straten Antbinä, Myonnesos 2) Diarrheusa liegen um Ephe-
sus; auf den beiden letztern sind keine Städte mehr vor-
handen. Peroselene mit einer Stadt, Cerciä, Halone 3), Com-
moue, Illetia; Lepria, Rbesperia, die Procusä, Balbulä, Phanä,
Priapos , Syce, Melane, Aenare, Sidusa, Pela, Drymusa,
Anhydros, Scopelos, Sycussa, Marathussa, Psile, Perirrheusa
und viele andere unbedeutende. Berühmt aber ist die im
hohen Meere liegende Insel Teos 4) mit einer Stadt, 71,500
Schritte von Chios und ebensoweit von Erythrä entfernt.
Bei Smyrna liegen die Peristeriden: Carteria, Alopece,
Eliiusa, Bachina, Pystira, Crommyonesos, Megale. Vor Troas
die ascanisclien und die 3 plateischen Inseln; feiner die
Lamien, die 2 plitanischen, Plate, Scopelos, Getone, Artlie-
don, die Cola, Lagussä und Didymä.
39.
Sehr berühmt ist ferner die 65,000 Schritte von Chios
entfernte Insel Lesbos5), früher Himerte, Lasia, Pelasgia,
Aegira, Aethiope, Macaria genannt. Sie hatte 9 berühmte
Städte, von denen aber Pyrrha 6) vom Meere verschlungen,
Arisbe durch ein Erdbeben zerstört und Antissa mit Me-
thymna 7) vereinigt ist; letztere liegt von 9 Städten Asiens
37,000 Schritte entfernt. Auch Agamede und Hiera sind
nicht mehr. Nur Eresos 8) , Pyrrha 9) und das freie Myti-
lene10), was bereits 1500 Jahre lang blühet, existiren noch.
Die ganze Insel hat nach Isidorus einen Umfang von 168,000,
nach altern Schriftstellern aber von 195,000 Schritten. Die
auf ihr befindlichen Berge heissen: Lepethymnus11), Ordym-
nus , Macistus , Creon und Olympus. Vom nächsten Fest-
') Spalmadori. s) Jalanghi-Liman. 3) Aloni.
') Diese giebt Strabo als Halbinsel an. Jetst hängt sie auch
i.i it dem Festlande zusammen. Die Stadt heisst Bodrun.
') Metelino. ,;) Cop, bei dem jetzigen Hafen Caloni.
~\ Molivo.
8) Eresso. ») Kaloni. ><>) Castros. 1!) Leptimo.
Fünftes Buch. 409
lande ist sie 7500 Schritte entfernt. In der Nähe liegen
die Inseln Sandaleon und die 5 leucischen, von denen
Cydonea warme Quellen hat. Die Argenussen liegen von
Aege 4000 Schritte weit. Dann Phellusa und Pedna. Noch
ausserhalb des Hellespontes, dem sigeischen Ufer gegen-
über, liegt Tenedus x), auch Leucophrys, Phönice und Lyr-
nessos genannt. Ihre Entfernung von Lesbos beträgt 56,000,
von Sigeum 12,500 Schritte.
40.
Nun nimmt der Hellespont seinen Anfang, das Meer
stemmt sich gegen das Land, wühlt mit seinen Wogen einen
Weg aus, und trennt so Asien von Europa. Das hier lie-
gende Vorgebirge haben wir Trapeza 2) genannt; 10,000
Schritte davon liegt die Stadt Abydus 3), wo die Meerenge
7 Stadien breit ist. Dann folgt die Stadt Percote 4) und
Lampsacus 5) , vormals Pityusa genannt. Die Colonie Pa-
rium 6), welche Homer 7) Adrastia nennt. Die Stadt Pria-
pus 8), der Fluss Aesopus 9), Zelia 10), Propontis n) (nämlich
die Gegend, wo sich das Meer wieder erweitert); der Fluss
Granicus 12), der Hafen Artace 13), wo früher eine Stadt war.
Weiterhin eine Insel, die Alexander mit dem Festlande ver-
bunden hat, und auf welcher die milesiche Stadt Cyzicum14)
liegt; vormals hiess die Insel Arctonnesos, Dolionis und von
ihrer höchsten Bergspitze Dindymus auch Dindymis. Dann
kommen die Städte: Piacia15), Ariace, Scylace16), in deren
Rücken der Berg Olympus17), genannt der mysische, sich
erhebt; das Städtchen Olympena, die Flüsse Horisius18)
und der vormals Lycus geuannte Rhyndacus 19). Dieser
') Bokdsja-Adasi. 2) Ras-Abydos.
3) Bei Nagara, an der Stelle der asiatischen Dardanellen.
*) Bergas. 5) Lanipsak. 6) Kemares. 7) Illiade II. 335.
*) Karaboa. 9) Sataldere. ,0) Kileh. ") Mannora-Meer.
12) Ustwola. 13) Artaköi.
") War eine der schönsten Städte Asiens, Ruinen davon findet
man in der Nähe von Artaki.
1S) Panerino. ,6) Siki. I7) Kesahisch-Dagh.
18) Lartacho. 19) Lubad.
4X0 Fünftes Bucb.
entspringt aus dem See Artynia bei Miletopolis 1), nimmt
den Macestos 2) und mehrere andere Flüsse auf und schei-
det (Klein-) Asien von Bithynien. Letzteres Land hatte
auch die Namen Cronia, dann Thessalis, Maliande und Stry-
monis. Die Bewohner dieses Küstenlandes nennt Homer 3)
Halizonä, weil sie vom Meere umgürtet sind. Auch eine
sehr bedeutende Stadt Namens Attusa lag hier; jetzt trifft
man 12 Flecken, von denen Gordiucome 4) oder Juliopolis,
und Dascylos 5) an der Küste zu bemerken sind. Sodann
der Fluss Gelbes und im Innern die Stadt Helgas, die auch
Germanicopolis und Booscoete heisst; Apamea heisst jetzt
das colophanische Myriea6); der Fluss Etheleus, die alte
Grenze zwischen Troas und Mysien. Hierauf ein Busen,
in den der Fluss Ascanius fällt; die Stadt Bryllion; die
Flüsse Hylas und Cios mit einer Stadt gleichen Namens 7),
welche einen Stapelplatz des nahen Phrygiens bildete. Sie
wurde zwar von Milesiern angelegt, allein in einer Gegend,
welche das phrygische Ascanien hiess; daher konnte sie
nicht wohl anderswo aufgeführt werden.
41.
Phrygien8) liegt hinter Troas und den vom Vorge-
birge Lectum 9) an bis zum Flusse Etheleus vorher ge-
nannten Völkern, und wird nördlich von Galatien, südlich
von Lycaonien, Pisidien und Mygdonien und östlich von
Cappadocien begrenzt, Ausser den schon 10) genannten
Städten befinden sich darin noch folgende bemerkenswerthe:
Ancyra11), Andria, Celänä12), Colossä13), Carina, Cotya'ion14),
Ceranä15), Conium16), Midaion. Nach einigen Schriftstellern
sollen die Moser, Bryger und Thyner aus Europa hier ein-
gewandert sein, und die Veranlassung zu den Namen Mysier,
Phrygier und Bithynier gegeben haben.
') Bali Kessri. 2) Susugherli. 3) Iliade II. 856.
4) Kiostebe. 5) Eskil. 6) Mundania. 7) Dscheinlok.
8) Die Paschaliks Kutahia und Sultan Oegm. 9) Baba.
,0) Im 29. und 30. Cap. 1J) Enghir. 12) Ischekleh. ,3) Konus.
") Kiuta'i'e. •*) Sandakleb. 16) Chonas.
Fünftes Buch. 411
42.
Es wird passend sein, hier gleich auch Galatien1)
abzuhandeln, welches oberhalb Phrygien liegt, und den
grössten Theil des flachen Landes von Phrygien ausmacht.
Gordium 2) war einst die Hauptstadt darin. Die Gallier,
welche sich einst hier niedergelassen hatten, wurden Tolisto-
boger, Voturer und Ambituer, die aber in Mäonien und Pa-
phlagonien wohnten, Trocmer genannt. Gegen Norden und
Osten breitet sich Cappadocien aus, dessen fruchtbarsten
Theil die Tectosager und Teutobodiacer inne haben. Diess
sind die Völkerstämme; die Zahl aller Gemeinden und Te-
trarchien beläuft sich auf 195. Städte: der Tectosagen,
Ancyra 3); der Trocmer, Tavium 4); der Tolistoboger, Pesi-
nus 5). Ausserdem verdienen noch genannt zu werden: die
Attalenser, Arasenser, Comenser, Didienser, Hierorenser,
Lysterner, Neapolitaner, Oeandenser, Seleucenser, Sebaste-
ner, Timoniacenser, Thebasener. Galatien grenzt auch an
Cabalien in Pamphylien, sowie an die um Baris 6) wohnen-
den Milyer, ferner an den cy Nautischen und oroandischen
Distrikt in Pisidien; und an Obizene, einen Theil von Ly-
caonien. Flüsse dieses Landes sind ausser den schon ge-
nannten 7): der Sangarius 8) und Gallus 9), von welchem die
Priester der Mutter der Götter10) ihren Namen haben.
43.
Nun wollen wir den Rest der Küstenstrecke besprechen.
Vom Cius an folgt im Innern Bithyniens Prusa u) am
Fusse des Olympus, von Hannibal erbauet. Von da bis
Nicäa12) sind 25,000 Schritte, und dazwischen liegt der See
Ascanius 13). Dann folgt Nicäa am äussersten Endedes asca-
nischen Busens, früher Olbia genannt; hierauf ein zweites
') Die Paschaliks Anguri und Kanghri.
2) Hier löste Alexander den bekannten gordischen Knoten.
3) Anguri. 4) Gukurthoi. 5) Bosan. 6) Is Barteh.
7) Caystrus, Rhyndacus, Cios etc. 8) Sacarja. 9) Gatipo.
,0) Cybele, die besonders in Phrygien verehrt wurde.
») Bursa. 12) Isnik. ,3) Isnik.
412
Fünftes Buch.
Prusa *) am Fusse des Berges Hypius. Untergegangen sind:
Pythopolis, Parthenopolis und Coryphanta. An der Küste
die Flüsse: Aesius, Bryazon, Plataneus, Areus, Aesyros und
Geodos oder Cbrysorrhoas. Das Vorgebirge 2), auf welchem
die Stadt Megarice lag; der dann folgende Busen wurde
Craspeditos 3) genannt, weil jene Stadt gleichsam an seinem
Saume lag. Auch lag hier Astacum 4), wovon dieser Busen
auch der astacenische heisst. Da wo die Stadt Libyssa
stand, befindet sich jetzt nur noch das Grabmal Hannibals.
An der innersten Seite des Busens liegt die berühmte bi-
thynische Stadt Nicomedia 5). Das Vorgebirge Leucatas c),
welches den astacenischen Busen einschliesst , ist 37,500
Schritte von Nicomedia entfernt. Nun nähern sich die
Küsten wieder einander und bilden bis zum thracischen
Bosporus eine Meerenge. An ihr liegen: das freie Chal-
cedon 7), 62,500 Schritte von Nicomedien, vormals Proce-
rastis genannt; sodann Colpusa, ferner die Stadt der Blin-
den, weil ihre Einwohner einen so schlechten Platz wählten,
denn Byzanz, welches doch eine in jeder Hinsicht glück-
liche Lage hat, ist nur 7 Stadien davon entfernt. Ausser-
dem liegen im Innern von Bithynien: die Colonie Apamena,
das Gebiet der Agrippenser und Juliopoliter, Bithynion 8);
die Flüsse Syrium, Lophias, Pharnacias, Alces, Serinis, Sco-
pius und Hieras, der Bithynien von Galatien scheidet. Hin-
ter Chalcedon lag Chrysopolis 9) und Nicopolis, von welcher
der Busen noch den Namen behalten hat. In dem Busen
ist der Hafen Amyci; hierauf kommt das Vorgebirge Nau-
lochum, der Tempel des Neptun zu Estia10). Der Bospo-
rus, welcher hier wieder Asien von Europa durch einen
500 Schritte breiten Zwischenraum trennt, ist 12,500 Schritte
von Chalcedon entfernt. Dann folgt die erste 8750 Schritte
breite Enge, wo die Stadt Spiropolis war. Die ganze Küste
bewohnen die Thyner, das innere Land die Bithyner. Hier
') Uskubi. 2) Capo Fagona.
3) xQuonaöov, der Saum. 4) Olvadsjik. *) Isnikmid.
') Akrita. 7) Kadiköi. 8) Boli. 3) Scutari. ,0) Algiro.
Fünftes Buch. 413
ist die Grenze von Asien, und vom lycischen Meerbusen an
bis hierher zählt man 282 Völker. Die Länge des Hel-
lespontes und des Propontis bis zum thracischen Bosporus
haben wir *) auf 239,000 Fuss angegeben. Sigeum ist von
Chalcedon nach Isidorus 322,500 Schritte entfernt.
44.
Die Inseln im Propontis sind: vor Cyzicus Elaphon-
nesus 2) , woher der cyzicanische Marmor kommt , und die
auchNeuris und Proconnesus heisst. Dann folgen: Ophiusa3)
Acanthus, Phöbe, Scopelos, Porphyrione, Halone 4) mit einer
Stadt, Desphacie, Polydora und Artacäon mit einer Stadt.
Nicomedia gegenüber liegt| Demonnesos 5), ferner hinter He-
raclea nach Bithynien zu Thynias 6) , welche die Barbaren
Bithynia nennen. Ferner: Antiochia, Bosbicos7), der Mün-
dung des Rhyndacus gegenüber und 18,000 Schritte im Um-
fange; Eläa, die beiden Rhodussen, die Erebinthus, Megale,
Chalcitis 8) und Pityodes.
») Im IV. B. 24. Cap.
2) Mannora. Früher waren Elaphonnesos und Proconnesos zwei
einander nahe liegende Inseln. Später wurde der sie trennende
Kanal verstopft.
3) Aphsia. 4) Aloni. 5) Papas Adasi (Prinzeninseln).
6) Kirpe. 7) Kalolymno. 8) Barki.
Sechstes Buch.
Von der Lage und Grösse der Länder, Meere, Städte, Häfen,
Berge, Flüsse und den Völkern, welche noch da sind
oder da waren.
1.
Auch der Pontus Euxinus1), der früher wegen sei-
ner unwirthlichen Rauheit Axenos genannt wurde, ergiesst
sich, weil die Natur aus besonderm Hasse dem raubgierigen
Wasser unaufhörlich nachgab, zwischen Europa und Asien
hindurch. Es war dem Ocean nicht genug, die Länder
umflossen und einen Theil derselben ausgehöhlt und ent-
rissen zu haben; nicht genug, durch zerrissene Berge ein-
gedrungen zu sein, Calpe2) von Afrika getrennt, und da-
durch einen noch grössern Raum, als er unberührt gelassen,
verschlungen zu haben; nicht genug, sich durch den Hel-
lespont gedrängt und nach abermaliger Wegnahme von
Ländern in den Propontis ergossen zu haben; selbst am
Bosporus dehnt er sich wieder zu einer ungeheuren Fläche
aus und wird nicht eher gesättigt, bis der mäotische See
ihm auch seinen Raub zubringt. Dass die Erde alles diess
nicht gern hergab, beweisen die vielen Meerengen und die
wegen des natürlichen Widerstandes so schmalen Zwischen-
räume; so ist der Hellespont nur 815 Schritte, die beiden
') Das schwarze Meer. -) Gibraltar.
Sechstes Buch. 415
Bosporus aber nur so breit, dass Ochsen hintiberschwiinmen
können, woher sie denn auch ihre Namen1) haben. Und
selbst bei dieser Trennung findet noch eine gewisse Ver-
bindung statt, denn man hört auf jedem der beiden Ufer
den Gesang der Vögel und das Bellen der Hunde vom ent-
gegengesetzten her; auch können die Bewohner beider Welt-
theile Unterredungen mit einander halten, wenn der Wind
nicht hinderlich ist.
Die Länge des Pontus vom Bosporus bis zum Mäotis
haben Einige auf 1,438,000 Schritte angegeben; Eratosthe-
nes nimmt 100,000 weniger an. Nach Agrippa beträgt die
Entfernung von Chalcedon 2) nach Phasis 3) 1,000,000, und
von hier bis zum cimmerschen Bosporus 4) 360,000 Schritte.
Wir wollen im Allgemeinen die Entfernungen angeben,
welche zu unserer Zeit, wo selbst an der cimmerschen Mün-
dung Krieg geführt wurde 5) , ermittelt worden sind. Am
Ausfluss des Bosporus befindet sich der Fluss Khebas 6),
den Einige Rhesus genannt haben. Dann folgt Psillis und
der Hafen Calpas 7). Der Fluss Songaris 8), einer von den
bedeutendem, entspringt in Phrygien und nimmt mehrere
grosse Flüsse , unter andern den Tembrogius 9) und Gal-
lus10) auf. Meistenteils wird er Sangarius genannt. An
seiner Mündung beginnt der mariandynische Busen11).
Die Stadt Heraclea12) am Flusse Lycus, 200,000 Schritte
von der Mündung des Pontus entfernt; der Hafen Acone,
berüchtigt durch das Gift Aconitum13), die Höhle Ache-
rusia14). Die Flüsse: Pädopides, Callichorus, Sonautes und
Billis 15). Die Stadt Tium 16), 38,000 Schritte von Heraclea.
*) Von ßovg Ochse und noQoq Uebergang. 2) Kadiköi.
3) Fax in Georgien. 4) Strasse von Kaffa.
5) In Folge des Krieges gegen Mithridates kam das bosporo-
nische Reich unter die Herrschaft der Römer. 6) Rheba.
7) Kerbeh oder Busadsche; hier sollen die Argonauten gelan-
det sein.
8) Sakarja. 9) Ko'ismir. 10) Gatipo. ") Golf von Sakarja.
«) Erekli. 13) XXVII. B. 2. Cap.
,4) Auf dem Vorgebirge bei Heraclea; der Eingang zur Unterwelt
,5) Falios. 16) Tilios.
Ä-tß Sechstes Buch.
2.
Hinter dem Flusse Billis wohnen die Paphlagonier l),
von Einigen auch Pylämenier genannt; ihr Gebiet ist im
Rücken von Galatien eingeschlossen. Darin die Stadt Mas-
tya, von den Milesiern erbauet, dann Cromna. In dieser
Gegend lässt Cornelius Nepos die Heneter wohnen, von
denen nach seiner Behauptung die namensverwandten Ve-
neter in Italien abstammen sollen. Weiterhin die Stadt Se-
samum, jetzt Amastris 2); der Berg Cytorus 3), 63,000 Schritte
von Tium; die Städte Cimolis 4) und Stephane 5); der Fluss
Prathenius 6). Das weit auslaufende Vorgebirge Carambis 7),
325,000, oder nach Andern {350,000 Schritte von der Mün-
dung des Pontus, von dem cimmerschen Bosporus aber
ebensoviele oder 312,500 Schritte entfernt. Auch lag da-
selbst eine Stadt desselben Namens, und etwas weiter eine
andere, Armene; jetzt befindet sich dort die Colonie Si-
nope 8), 164,000 Schritte vom Berge Cytorus. Der Fluss
Evarchum, die Cappadocier, die Städte Gaziura 9) und Ga-
zelum10); der Fluss Halys11), der vom Fusse des Taurus
durch Cataonien und Cappadocien herabkommt. Die Städte:
Gangre12), Carusa, das freie Amisum13), 130,000 Schritte
von Sinope. Ein Meerbusen gleichen Namens (der amisi-
sche)14) zieht sich soweit ins Land, dass er (Klein-) Asien
fast zur Insel macht, denn von hier aus beträgt der Weg
über das Festland bis zum issischen Meerbusen15) in Cili-
cien nicht mehr als 200,000 Schritte. Auf diesem ganzen
Landstriche sollen nur 3 ursprünglich griechische Völker
wohnen, nämlich die Dorier, Jonier und Aeolier; die übrigen
aber sollen Barbaren sein. Mit Amisum stand die von Mi-
thridates erbauete Stadt Eupatoria in Verbindung; nach
dessen Besiegung wurden beide Städte Pompejopolis genannt.
') In den Paschaliks Kastamuni und Boli. '-) Amassru.
8) Kydros. 4) Kinoli. 5) Istifani. 6) Partine. 7) Kerempe.
8) Sinob. 9) Turkal. l0) Assin. ») Kizil Irmak. ,2) Kjankri.
13) Sainsun. M) Golf von Samsun. 15) Golf von Skanderun.
Sechstes Buch. 417
3.
Im Innern von Cappadocien liegt die Colonie des
Kaisers Claudius, Archelais x) , bei der der Halys vorbei-
^fliesst. Städte sind: Comana 2) am Sarus8), Neocäsarea4)
am Lycus und Amasia 5) am Iris 6) in dem gazacenischen
Bezirke. In Calopena liegen Sebastia 7) und Sebastopolis 8),
kleine, aber docb den vorigen gleichkommende Städte. In
dem übrigen Theile dieses Landes: Melita 9) von Semiramis
erbauet, und nicht weit vom Euphrat, Diocäsarea, Tyana 10),
Castabala n) , Magnopolis w) , Zela13), und am Fusse des
Berges Argäus14), Mazaca, das jetzt Cäsarea15) heisst. Der
Theil Cappadociens, welcher sich vor Gross-Armenien aus-
dehnt, wird Melitene genannt, der an Commagene liegende
Cataonien, der an Phrygien grenzende Garsauritis, Sarga-
rausene und Cammanene, der bei Galatien Morimene; hier
macht der Fluss Cappadox, von dem die vormals Leuca-
syrer genannten Bewohner den Namen erhalten haben, die
Grenze. Von dem oben genannten Neocäsarea scheidet der
Fluss Lycus Klein- Armenien. Im Innern ist auch noch der
Ceraunus bemerkenswerth. An der Küste aber liegt von
Amisum an die Stadt Chadisia mit einem Flusse gleichen
Namens und Lycastum, von wo das themiscyrenische Ge-
biet16) beginnt.
4.
Im themiscyrenischen Gebiete nimmt der Fluss
Iris den Lycus auf. Im Innern liegt der Flecken Ziela ll),
berühmt durch die Niederlage des Triarius18) und den Sieg
des C. Cäsar19). An der Küste fliesst der Thermodon20),
•) Akserai. 2) El Bostan. 3) Seihhan. 4) Niksara.
5) Amasia. 6) Kasalmak. 7) Siwas. 8) Kisildsjik.
9) Malatya. 10) Nikdeh. ») DsjakeL ") Schekineh. »J Ziel.
M) Ardsjisch. 15) Kaisarieh. 16) Dsjanik. ») Kileh.
18) Ein römischer Unterfeldherr im Kriege des Lucullus gegen
Mithridates, 67 v. Chr.
19) Des Dictators, der hier den Pharnaces, den Sohn des Mithri-
dates, schlug und seinen Sieg mit den bekannten veni, vidi, vici nach
Rom meldete, 47 v. Chr. 20) Termah.
27
418 Sechstes Buch.
welcher bei dem Castell Phanaröa entspringt und am Fusse
des Berges Amazonius vorbeiströmt. Es gab hier auch eine
Stadt desselben Namens, sowie noch 5 andere, als: Ama-
zonium, Themiscyra, Sotira, Amasia und Comana1); jetzt
existirt nur noch Mantejum. Dann folgen die Geneter und
Cbalyber; die Stadt Cotyorum 2). Die Tibarener, die Mos-
syner, die ihren Körper mit Zeicben bemalen, die Macro-
cepbaler; die Stadt Cerasus 3). Der Hafen Chordule 4). Die
Bechirer, Luzerer. Der Fluss Melas; die Macroner; Sidene
und der Fluss Sidenum, an welchem die 120,000 Schritte
von Amisum entfernte Stadt Polemonium 5) liegt, Dann die
Flüsse Jasonium und Melanthium; die Stadt Pharnacea,
80,000 Schritte von Amisum; das Schloss und der Fluss
Tripolis6); das Schloss und der Fluss Philacalea 7) und
das Schloss Liviopolis; das freie Trapezus8), von einem
weiten Berge eingeschlossen und 100,000 Schritte von Phar-
nacea entfernt. Dahinter wohnt, in einer Entfernung von
30,000 Schritten von Gross-Armenien, das Volk der Ar-
menochalyber. An der Küste vor Trapezus fliesst der
Pyxites, jenseits aber wohnen die heniochischen Sanner.
Der Fluss Absarum, und an dessen Mündung, 140,000
Schritte von Trapezus, ein gleichnamiges Schloss9). Im
Rücken der Gebirge in dieser Gegend liegt Iberien10), an
der Küste aber wohnen die Heniocher, Amprauter und Lazer.
Flüsse: der Acampsis11), Isis, Magrus, Bathys12). Die Col-
chier. Die Stadt Matium; der Fluss Heracleum, ein gleich-
namiges Vorgebirge , und der Phasis 13) , der bedeutendste
Fluss in Pontus. Er entspringt im Gebiete der Moscher14)
und kann auf eine Strecke von 38,500 Schritte mit sehr
grossen Schiffen, noch viel weiter hinauf aber mit kleinern
') Gumenih. 2) Ordu.
:,i Karesum oder Chirisonda; von hier verpflanzte Lucullus de-
ersten Kirschbaum nach Rom.
4) Bojuk-Liman. 5) Fatsa. 6) Tereboli. 7) Ewloi.
8) Trabesun oder Trebisonde. 9) Gunieh. ,0) Grusien.
") Fscharuk. «) Batumi. ,3) Fax. >4) Imerethi.
Sechstes Buch. 419
befahren weiden; 120 Brücken führen über denselben. An
seinen Ufern waren vormals sehr viele Städte, unter denen
vorzüglich Tyndaris , Circäum *) , Cygnum und an seiner
Mündung Phasis2) genannt zu werden verdienen. Am
meisten aber glänzte die Stadt Aea3), 15,000 Schritte vom
Meere, wo die bedeutenden Flüsse Hippos4) und Cyaneos
von verschiedenen Seiten her sich in denselben ergiessen.
Jetzt liegt bloss noch Surium 5) an ihm, welches nach einem
in ihn fallenden Flusse, bis zu welchem er (der Phasis),
wie wir gesagt haben, für grosse Schiffe befahrbar ist, be-
nannt wurde. Auch noch viele andere grosse Flüsse, z. B.
den Glaucus 6), nimmt er auf. An der Mündung des letztern
liegen 70,000 Schritte von Absarus mehrere Inseln ohne
Namen7). Nun folgt ein anderer Fluss, der Chanen 8).
Die Saler, von den Alten Phthirophagen 9) genannt, und die
Suaner, durch deren Gebiet der vom Caucasus kommende
Chobum 10) fliesst. Dann der Rhoas, die Landschaft Ecrec-
tice n). Die Flüsse Singames 12), Tarsuras 13), Astelephus u),
Chrysorrhoas. Die Absiler, das Schloss Sebastopolis 15) ,
100,000 Schritte vom Phasis entfernt. Die Sanniger, die
Stadt Cygnus, der Fluss und die Stadt Penius. Sodann
die heniochischen Völker mit vielen Namen.
5.
Hier stösst an den Pontus das colische Gebiet, in
welchem sich die Kette des Caucasus nach dem riphäischen
Gebirge wendet, indem sie sich, wie bereits bemerkt ist,
J) Irke. 2) Poti.
3) Diese Stadt war der Sage nach von Sesostris, König von
Aegypten, erbauet worden. Auch soll das goldne Vliess in einem
benachbarten Haine an einem Baume gehangen haben, sowie über-
haupt der Schauplatz der Abenteuer der Meder und der Argo-
nauten hierher verlegt wird. ■■-
4) Tzchenistzquali. 5) Asmuleti. 6) Rioni.
7) Fasaneninseln genannt. 8) Mecu-Enguri.
9) Läusefresser. ,0) Tschani. n) Letschgumi. ,2) Langur.
l3) Ozeils. tA) Mokoi. ,5) Soghumkala.
27*
420
Sechstes Buch.
mit der einen Seite nach dem Pontus Euxinus und dem
Mäotis, mit der andern aber nach dem caspischen und
hyrcanischen Meere hin abdacht. Die übrigen Küsten be-
wohnen wilde Völker, als die Melanchläner, die Coraxer
in der jetzt verödeten colchischen Stadt Dioscurias l) am
Flusse Anthemus 2); sie war einst so berühmt, dass, wie
Timosthenes erzählt, 300 Nationen mit verschiedenen Spra-
chen in ihr zusammenkamen; und später wurden durch
130 römische Dolmetscher daselbst Geschäfte gemacht.
Einige glauben, sie wäre von Amphitus und Telchius, den
Wagenlenkern des Castor und Pollux, von denen ohne
Zweifel die wilden Heniocher 3) abstammen, erbauet. Nach
Dioscurias folgt die von Sebastopolis 70,000 Schritte ent-
fernte Stadt Heracleum. Die Achäer 4), Marder, Cerceter 5),
Serrer und Caphalotomer ß). Die im innersten Theile dieser
Gegend gelegene sehr reiche Stadt Pityus 7) ist von den
Heniochern zerstört; hinter derselben wohnen die Epageriter,
ein sarmatischer Stamm auf dem Rücken des Caucasus;
dann8) folgen die Sauromater. Zu diesen floh, unter der
Regierung des Kaisers Claudius, Mithridates, und erzählte,
dass sie an die Thaller 9) grenzten, deren Gebiet im Osten
die Mündung des caspischen Meeres 10) berührte, und dass
diese letztere bei der Ebbe trocken wäre. An der Küste,
neben den Cerceten, ist der Fluss Icarusa11), die Stadt12)
und der Fluss 13) Hierum, 130,000 Schritte von Heracleum.
Dann das Vorgebirge Crunoe, dessen steilen Ausgangspunkt
die Toreter bewohnen. Der Flecken Sindica, 67,000 Schritte
von Hierum. Der Fluss Setheries. Von ihm bis an den
Eingang des cimmerschen Bosporus beträgt die Ent-
fernung 88,500 Schritte.
I) Iskuriah oder Isgaur. -) Marmari. 5) Wagenlenker.
4) Awchasen. s) Tscherkessen. 6) Kopfabschneider.
7) Pitschinda. 8) Im Nordosten von Grusien.
") Im Astrachanischen.
,0) Siehe die Berichtigung S. 427, Anmerkung 5.
II ) I krach. '-) Sudschukkale. «) Zemes.
Sechstes Buch. 421
6.
Die Länge der zwischen dem Pontus und dem Mäotis
auslaufenden Halbinsel beläuft sich nicht über 67,000 Schritte,
die Breite beträgt aber nirgends weniger als zwei Jugera.
Sie heisst Ejon *). Die Küste des Bosporus selbst krümmt
sich auf der asiatischen und europäischen Seite nach dem
Mäotis hin. Städte sind: vorn am Eingange des Bosporus
Hermonassa, dann Cepi, von den Milesiern erbauet. Fer-
ner Stratoelia, Phanagoria2), das fast ganz verödete Apa-
turos, und am Ende der Meerenge das früher Cerberion
genannte Cimmerium. Darauf folgt der Mäotis, von dem
bei Europa schon die Rede war.
7.
Um Cimmerium wohnen die Mäotiker, Valer, Serber,
Arrecher, Zinger, Psesser. An dem durch zwei Mündungen
sich ergiessenden Tanais wohnen die Sarmater, welche von
den Mederu abstammen sollen und selbst in viele Völker-
schaften getheilt sind. Zunächst die gynäcoeratumenischen
Sauromater, die ihren Beinamen daher haben, weil die
Amazonen sie zur Begattung zwangen; dann die Evazer,
Coiter, Cicimener, Messenianer, Castoboccer, Choatrer, Zi-
ger, Dandarer, Tyssageter, Jyrcer, bis an die durch wal-
dige Thäler rauhen Einöden, hinter denen die Arimphäer
sich bis an das riphäische Gebirge erstrecken. Den Tanais
nennen die Scythen Silis und den Mäotis Temerunda, was
so viel heisst als die Mutter des Meeres. Auch an der
Mündung des Tanais lag eine Stadt. Die angrenzenden
Districte hatten zuerst die Carer inne, dann die Clazome-
nier und Mäoner, und darauf die Panticapanser.
Einige Schriftsteller führen folgende Völker an, welche
um den Mäotis herum bis an die ceraunischen Berge woh-
nen : An der Küste die Napiter, dahinter die an die Colcher
grenzenden Essedoner, oben auf den Bergen. Sodann die
Carmacer, Oraner, Autacer, Mazacaser, Cantiocer, Agamather,
') Tunitarakan. 2) Taman.
422 Sechstes Buch.
Picer, Rhymosoler, Acascomarcer, und auf dem Rücken des
Caucasus die Itacaler, Imaducher, Ramer, Anclacer, Tyaier,
Carastaseer, Authiander. An dem von dem catheischen Ge-
birge kommenden Flusse Lagous, in welchen der Opharus
fliesst: die Cauthader und Ophariter. Die Flüsse Menotha-
rus und Imitys von dem cissischen Gebirge, zwischen dem
die Acdeer, Carner, Oscardeer, Accisser, Gabrer und. Goga-
rer wohnen. An der Quelle des Imitys die Imityer und
Apaträer. Nach Andern fliesst er durch die Länder der
auchetischen Scythen, Atarneer und Asampater; von diesen
sind die Tanaiter und Inapäer Mann für Mann vertilgt wor-
den. Einige lassen den Fluss Ocharius durch die Wohn-
sitze der Canticer und Sapeer fliessen, den Tana'is aber
durch die der Sarcharceer, Herticrer, Spondolicer, Synchieter,
Anaser, Isser, Cateter, Tagorer, Caroner, Neriper, Agandeer,
Mandareer, Satarcheer und Spaleer.
8.
Mit der Beschreibung der innern Küsten und aller
anwohnenden Völker sind wir nun fertig, und wenden uns
daher jetzt zu dem grossen mitten in das Land gehenden
Busen. Hierbei wird man nicht verkennen, dass ich vieles
anders, als die altern Schriftsteller vortrage; ich habe
nämlich alles mit der grössten Sorgfalt untersucht, und
diess wurde mir dadurch möglich, dass vor einigen Jahren
Domitius Corbulo x) in jener Gegend die Staatsangelegen-
heiten leitete, und mehrere unterworfene Könige oder Kinder
derselben als Geiseln von dorther sandte. Wir wollen mit
dem Volke der Cappadocier2) beginnen. Unter allen pon-
tischen Völkern wohnt dieses am weitesten nach dem Innern
zu, und dehnt sich auf der linken Seite über Klein- und
Gross- Armenien und Commagene, auf der rechten Seite
aber über alle schon genannten asiatischen und die meisten
dahinter wohnenden Völkerschaften aus. Ihr Gebiet steigt
') Den Nero zum Schutze Armeniens dorthin gesandt hatte.
2) Die Paschaliks Akserai, Nikde, Kirkscheer, Kaisarieh und Bosuk.
Sechstes Buch. 423
in einer grossen Ausdehnung gegen Morgen und den Tau-
ras hinauf, zieht sich über Lycaonien, Pisidien und Cilicien,
durch Antiochien, und reicht mit dem Theile, welcher Ca-
taonien genannt wird, bis zu dem cyrrhestischen Gebiete
in Antiochien. Hier beträgt also die Länge von Asien
1,250,000 und die Breite 640,000 Schritte.
9.
Gross-Armenien1) aber nimmt seinen Anfang von
dem paryadrischen Gebirge 2) und wird, wie schon gesagt 3),
durch den Fluss Euphrat von Cappadocien, und da, wo der
Euphrat eine andere Richtung nimmt, durch den nicht
minder berühmten Tigris von Mesopotamien getrennt. Beide
Flüsse lässt es entströmen, und bildet so den Anfang von
Mesopotamien, welches zwischen ihnen fortläuft. Was
dazwischen liegt, bewohnen die oreischen Araber 4). So
zieht sich die Grenze des Landes bis nach Adiabene.
Hier wird es durch querliegende Gebirge 5) abgeschlossen,
dehnt sich in der Breite links über den Araxes 6) hin
bis an den Fluss Cyrus 7),' in der Länge aber bis nach
Klein-Armenien aus, von dem es durch den in den Pontus
sich ergiessenden Fluss Absarus und durch das paryadrische
Gebirge, auf dem der Absarus entspringt, geschieden wird.
10.
Der Cyrus8) entspringt auf dem heniochischen Ge-
birge9), welches Andere das coraxische nennen; der
Araxes10) auf demselben Berge11), wo der Euphrat ent-
springt, nur 6000 Schritte davon, verstärkt sich noch durch
*) Die jetzigen Tschaldir, Kars, Erzerum , Wan und Diarbekr,
ein Theil Grusiens und der persischen Provinz Irak Adschemi.
2) Ein Arm des Antitaurus, jetzt Agatsch-Baschi.
3) Im V. B. 20. Cap. 4) V. B. 20. Cap. 5) Nimroddagh.
6) Arrasch. 7) Khur. 8) Khur. 9) Auhileh.
,0) Arrasch. Ausser diesem gab es noch 2 bedeutende Flüsse in
Asien, die vorzugsweise den Namen Araxes führten; der eine jetzt
Bend Emir in Persien, der andere Sihon oder Sirr in Turkestan
(Sagdiana). ") Bingöl.
424 Sechstes Buch.
den Usis l) und fällt, wie die Meisten glauben, in den
Cyrus und mit diesem ins caspische Meer.
Berühmte Städte in Klein- Armenien 2) sind: Cäsa-
rea 3), A za 4), Nicopolis 5) ; in G r o s s - A r m e n i e n : Armosata 6)
am Euphrat, Carcathiocerta 7) am Tigris, Tigranocerta 8)
auf einer Anhöhe und Artaxata 9) in der Ebene am Araxes.
Die Grösse des ganzen Landes giebt Aufidius auf 5,000,000
Schritte an. Nach Kaiser Claudius beträgt die Länge von
Dascusa10) bis zur Grenze am caspischen Meere 1,300,000
Schritte, die Breite aber von Tigranocerta bis Iberien halb
so viel. Es wird, nach zuverlässigen Kachrichten, in Prä-
fecturen, welche Strategien genannt werden, eingetheiltT
von denen einige früherhin sogar eigene Reiche bildeten;
sie haben alle barbarische Namen und ihre Anzahl beläuft
sich auf 120. Auf der Ostseite schliessen es, jedoch nicht
unmittelbar, die ceraunischen Berge u) und die Landschaft
Adiabene 12) ein. Den dazwischen liegenden Raum bewohnen
die Sophener13); an diese stossen die Berge und dahinter
leben die Adiabener. In den Thälern aber sind die Meno-
barder und Moschener den Armeniern am nächsten. Adia-
bene wird vom Tigris und unwegsamen Gebirgen umgeben.
Links davon ist das Gebiet der Meder und die Aussicht
auf das caspische Meer. Dieses erhält (wie wir später
noch sagen werden) seinen Zufluss vom Ocean, und ist
rings von dem caucasischen Gebirge eingeschlossen. Nun
gehen wir zu den Grenzvölkern Armeniens über.
11.
Die ganze Ebene vom Cyrus an hat das Volk der
Albaner inne; dann folgen die Iberer, welche von jenen
') Karassu. 2) Aladulieh.
3) Kalat el Nedsjur. <) Ezaz.
5) Diese zum Andenken an den Sieg des Pompejus über Mithri-
dates so genannte Stadt hiess auch Tephrice, daher ihr neuerer
Name Divriki.
6) Schemisat. 7) Kartpurt. 8) Schikaran. 9) Ardesthie.
10) Dengiglu. ") Zagros. '*) Kurdistan. »3) In Diarbekr.
Sechstes Buch. 425
durch den Fluss Alazon x), der von dem caucasischen Ge-
birge herab sich in den Cyrus ergiesst, getrennt werden.
Bedeutende Städte sind: in Albanien2) Cabalaca 3), in Ibe-
rien 4) Harmastis 5) an einem Flusse und Neoris. Das Ge-
biet Thasie und Triare, das bis an das paryadrische Gebirge
reicht. Weiter hin liegen die colchischen Einöden 6), und
diesen zur Seite nach dem ceraunischen Gebirge zu wohnen
die Armenochalyber und Moscher, deren Gebiet an dem in
den Cyrus sich ergiessenden Flusse Iberus 7) herläuft; unter
diesen wohnen die Sacassaner und hierauf die Macroner
am Flusse Absarus. So sind diese Ebenen und Anhöhen 8)
bevölkert. Wiederum an der albanischen Grenze, an der
ganzen Vorderseite des Gebirges wohnen die wilden Stämme
der Silver, darunter die Lubiener, und weiter die Didurer
und Sodier.
12.
Auf diese folgt der caucasische Pass9), von Vielen
irrigerweise der caspische genannt, ein ungeheures, durch
plötzliche Unterbrechung dieser Berge entstandenes Werk
der Natur. Hier sind Thore mit eisenbeschlagenen Balken
angebracht, unter denen ein übelriechender Strom10) hin-
fliesst, und diesseits liegt auf einem Felsen ein festes
Schloss, Cumania11) genannt, welches unzähligen Völkern
den Durchgang streitig macht; an dieser Stelle also, welche
der iberischen Stadt Harmastes gerade gegenüber liegt,
ist der Erdkreiss durch Thore verschlossen. Hinter dem
caucasischen Passe wohnen in dem gordyäischen Gebirge12)
die Valier13) und Suaner, 2 wilde Völker, die jedoch Gold-
') Alasani. 2) Schirvan und Daghestan. 3) Kablasvar.
A) Dieses Land begriff Karduel, ein Stück von Kacheti und
Imerethi.
5) Westlich von Tiflis in der Gegend von Tzcheti.
6) Imerethi. 7) Dsama.
8) Zwischen dem schwarzen und kaspischen Meere.
9) Vladi-Caucas oder Khewis-Kari. ,0) Terek. ") Dariel.
12) Das Hochgebirge des Caucasus. ") Osseten.
426
Sechstes Buch.
erze graben. Hinter diesen bis an den Pontus wohnen
mehrere Stämme der Heniocher und dann die Achäer. So
verhält es sich mit diesem Landstriche r) im Innern, wel-
cher zu den berühmtesten gehört.
Einige geben die Entfernung vom Pontus bis zum cas-
pischen Meere auf nicht mehr als 375,000, Cornelius Nepos
nur auf 250,000 Schritte an. Bei einer solchen Landenge
ist Asien wiederum in Gefahr 2). Kaiser Claudius bestimmt
die Entfernung vom cimmerschen Bosporus bis zum cas-
pischen Meere auf 150,000 Schritte, und erzählt, dass Se-
leucus Nicator den Plan gehabt habe, die Landenge zu
durchstechen; er wurde aber um diese Zeit von Ptolemäus
Ceraunus getödtet 3). Die Entfernung vom caucasischen
Passe bis zum Pontus kann man mit ziemlicher Gewissheit
zu 200,000 Schritten annehmen.
13.
Im Pontus liegen die planktischen, oder cyaneischen
auch Symplegaden genannten Inseln 4). Ferner Apollonia,
zum Unterschiede von der zu Europa gehörenden 5) auch
Thynias6) genannt. Vom Festlande ist sie 1000 Schritte
entfernt und ihr Umfang beträgt 4000. Pharnacea gegen-
über liegt Chalceritis, welche bei den Griechen Aria heisst ;
sie ist dem Mars geheiligt, und auf ihr sollen Vögel mit
ihren Flügeln gegen fremde Ankömmlinge gekämpft haben.
14.
Nachdem wir nun alle Theile im Innern von Asien
"beschrieben haben, wollen wir im Geiste das riphäische
Gebirge übersteigen uud an die rechte Küste des Oceans
gehen. Dieser bespült Asien von 3 Himmelsgegenden
her, im Norden heisst er der scythische, im Osten der
esoische; im Süden der indische, und dann führt er nach
seinen Busen und Küstenbewohnern noch verschiedene
M Zwischen dem schwarzen und caspischen Meere.
2) Von Europa abgeschnitten zu werden.
3) Im Jahre 282 v. Chr. 4) IV. B. 27. Cap.
5) IV. B. 27. Cap. «) V. B. 44. Cap.
Sechstes Buch. 427
Namen. Aber auch ein grosser Theil Asiens, welcher nach
Norden hin liegt, enthält wegen seines kalten Klima's un-
geheuere Wüsteneien. Vom äussersten Nordosten bis nach
Ostnordost wohnen die Scythen. Ueber diese hinaus und
noch jenseits des Nordens setzen Einige die bei Europa
schon mehrerwähnten Hyperboräer *). Von da an kommt
man zuerst an das celtische Vorgebirge Lytarmis 2) und
den Fluss Carambucis 3), wo durch die schwache Kraft des
Himmels die riphäische Bergkette abnimmt. Hier sitzen,
wie wir erfahren haben, einige Arimphäer 4), ein den Hy-
perboräern nicht unähnliches Volk. Sie wohnen in Wäldern,
leben von Beeren; das Haupthaar zu tragen, halten die
Männer und Weiber für schimflich; ihre Sitten sind milde;
sie werden daher, wie man erzählt, für heilig gehalten,
und sogar von den wilden Grenznachbarn nicht beleidigt,
und zwar nicht allein sie selbst, sondern auch alle die-
jenigen, welche zu ihnen geflohen sind. Hinter ihnen
wohnen wieder Scythen, die Cimmerier, Cissianther, Geor-
gier und Amazonen. Letztere breiten sich bis an das cas-
pische und hyrcanische Meer hin aus.
15.
Das Meer bricht nämlich aus dem scythischen Ocean
im hintern Asien ein, und erhält von den Anwohnern meh-
rere Namen, von denen die zwei des caspischen und
hyrcanischen die verbreitetsten sind5). Clitarchus meint,
es sei nicht kleiner als der Pontus Euxinus. Eratosthenes
giebt auch eine Maassbestimmung an, er sagt nämlich,
seine Ausdehnung von Süden nach Osten, längs den Küsten
von Cadusien 6) und Albanien, betrage 5400 Stadien; von
») IV. B. 26. Cap.
-) Vielleicht Kanine-Noss am weissen Meere.
3) Vielleicht die Dwina.
4) Die Argippaer des Herodot (IV. 23)?
5) Plinius hält, wie die meisten seiner Zeitgenossen, imger Weise
das caspische Meer für einen Busen des Oceans. Aber schon Herodot
beschreibt dasselbe richtig als ein Binnenmeer. I. 202.
6) Ungefähr die heutige persische Provinz Ghilon.
428
Sechstes Buch.
da an den Ländern der Anariacer, Amarder und Hyrcaner *)
vorbei, bis an die Mündung des Flusses Zonus 2) 4800
Stadien; weiter bis zur Mündung des Jaxartes 3) 2400 Sta-
dien. Diess macht zusammen 1,575,000 Schritte. Artemi-
dorus nimmt 25,000 Schritte weniger an. Agrippa sagt
bei der Grenzbestimmung des caspischen Meeres und der
umwohnenden Völker nebst Armenien, dasselbe grenze
gegen Osten an den serischen Ocean 4), gegen Westen an
den Caucasus, gegen Süden an den Taurus und gegen
Norden an den scythischen Ocean, seine Länge betrage, so
weit sie bekannt sei, 480,000 und seine Breite 290,000
Sehritte. Andere Schriftsteller geben aber den ganzen
Umfang des Meeres von der Meerenge an auf 2,500,000
Schritte an.
Der Einbruch erfolgt durch einen engen, aber sehr
langen Schlund 5); doch wo er breiter zu werden beginnt,
da krümmt er sich mondföimig, und zieht sich von der
Mündung an (um mit M. Varro zu reden) in Form einer
Sichel nach dem mäotischen See hin. Der erste Busen
heisst der scythische, demi auf beiden Seiten desselben
wohnen die Scythen, welche über die Meerenge eine stete
Verbindung miteinander unterhalten, und zwar diesseits die
Nomaden und Sauromaten unter mehrern Namen und jen-
seits die Abzoer unter nicht wenigem. Rechts vom Ein-
gange, an der Spitze der Mündung selbst ist das Gebiet
der Udiner, eines scythischen Stammes. Weiterhin längs
der Küste: die (wie man sagt) von Jason abstammenden
Albaner, nach denen das davor liegende Meer das albanische
genannt wird. Dieses Volk verbreitet sich über das cau-
casische Gebirge bis an den Fluss Cyrus, der, wie schon
gesagt 6), die Grenze zwischen Armenien und Iberien bildet.
•) In der jetzigen persischen Provinz Masenderan.
2) Gihon oder Amu (?) 3j Szyr.
4) Dieser würde, wenn die Angabe richtig wäre, das chinesische-
Meer sein.
5) Hier ist die Wolga gemeint. «; Im 11. Cap.
Sechstes Buch. 429
Oberhalb dieses Seedistrikts und der Udiner wohnen die
Sarmater, Utidorser und Aroterer und im Rücken derselben
die schon angeführten sauromatischen Amazonen. Flüsse
die durch Albanien ins l) Meer strömen, sind: der Casius 2)
und Albanus 3); ferner der auf dem caucasischen Gebirge
entspringende Cambyses 4), dann der, wie schon erwähnt 5),
von dem coraxischen Gebirge kommende Cyrus. Die ganze
Küste, welche vom Casius an wegen der hohen Felsen un-
zugänglich ist, hat nach Agrippa eine Länge von 425,000
Schritten. Vom Cyrus an erhält das Meer den Namen
des caspischen; an ihm wohnen die Caspier.
Bei dieser Gelegenheit müssen wir einen Irrthum vieler
Schriftsteller 6) und selbst solcher, welche an dem Feldzuge
des Corbulo in Armenien mit Theil genommen haben, be-
richtigen. Diese haben nämlich den Pass in Iberien, von
welchem wir gesagt haben, dass er der caucasische heisse,
den caspischen genannt, auch auf die entworfenen und von
dort her gesandten Karten diesen Namen geschrieben.
Ferner wurde die Drohung des Kaisers Nero 7) auf den
caspischen Pass bezogen, da er doch den meinte, welcher
durch Iberien zu den Sarmaten führt, und wegen der da-
vorliegenden Berge ein anderer Zugang zum caspischen
Meere nicht wohl möglich ist. Es giebt zwar noch einen
anderen zu den caspischen Völkern führenden Pass, den
man aber nur aus dem Berichte der Begleiter Alexander's
des Grossen kennen lernen kann.
16.
Das Reich der Perser, welches bekanntlich jetzt
den Parthern gehört, erhebt sich an dem caucasischen Ge-
birge zwischen zwei Meeren, dem persischen und hyrcani-
schen. Auf beiden Seiten, längs der Abdachungen, stösst
') caspische.
-) Sanm. 3) Terek. 4) Sumarga. 5) Im 10. Cap.
°) Auch Strabo.
') Er wollte nämlich, gleich Alexander, einen Feldzug gegen
die asiatischen Fürsten unternehmen. S. Sueton's Nero. Cap. 19.
430
Sechstes Buch.
Sophene, wie wir bemerkt haben l), mit der nach Comma-
gene gerichteten Vorderseite von Gross-Armenien zusammen,
undan Sophene grenzt Adiabene 2), der Anfang des Landes
der Assyrier. Ein Tb eil des letzteren heisst Arbelitis 3),
an der Grenze von Syrien, wo Alexander den Darius be-
siegte 4). Dieses ganze Land nannten die Macedonier
wegen der Aehnlichkeit 5) Mygdouien. Städte sind Alexan-
drien und Antiochia, die auch Nisibis 6) heisst, und von
Artaxata 7) 750,000 Schritte entfernt ist. Am westlichen
Ufer des Tigris lag auch die einst sehr berühmte Stadt
Ninus 8). Der übrige Landstrich aber, welcher vorn nach
dem caspischen Meere zu liegt, und von dem armenischen
Gebiete Otene durch den Araxes getrennt ist, heisst Atro-
patene 9) mit der Stadt Gaza 10), welche 450,000 Schritte
von Artaxata, und ebenso weit von Ekbatana im Lande
der Meder, von denen die Uropatener nur ein Theil sind,
entfernt liegt.
17.
Ecbatana11), die Hauptstadt Mediens, vom König Se-
leucus erbauet, ist von Gross-Seleucia 12) 750,000, vom cas-
pischen Passe aber 2,000,000 Schritte entfernt. Die übrigen
Städte der Meder sind: Phinganzaga, Apamia mit dem
Beinamen Rhagiane. Die Ursache des Namens „Pass"
ist dieselbe wie oben, denn die Bergkette ist durch einen
') Im 10. Cap. 2) Das Ejalet Schehrsor.
3) Mit der Hauptstadt Arbela, jetzt Erbil in Kurdistan.
4) Diess war die letzte entscheidende Schlacht zwischen Alexan-
der und den Persern, im Jahre 331 v. Chr. Sie ist auch unter dem
Namen der Schlacht von Gaugamela (Enkewat, einem Flecken, 10
Meilen von Arbela) bekannt.
5) Mit dem mygdonischen Gebiete in Macedonien.
6) Nisibin. ") Ardschat.
8) Oder Niniveh, die Stadt des Ninus, jetzt ein Dorf Nunia.
9) Aserbidschan. ,ü) Zwischen Tauris und Miana.
") Hamadan. Ihre erste Gründung wird von Herodot (I. 98)
dem ersten König Mediens, Dejoces, zugeschrieben.
yl) Madain, südöstlich von Bagdad.
Sechstes Buch. 431
so engen Durchgang unterbrochen, dass kaum einzelne
Wagen ihn passiren können; er ist ganz durch Menschen-
hände gemacht, und hat eine Länge von 8000 Schritten.
Rechts und links hängen Klippen herab, die wie verbrannt
aussehen, und auf einer Strecke von 28,000 Schritten ist
kein trinkbares Wasser zu finden. Das von dem Felsen
herabtröpfelnde und zusammenfliessende Salzwasser er-
schwert die Passage, welche wegen der Menge von Schlangen
auch nur im Winter möglich ist 1).
An die Andiabener grenzen die sonst Carducher genann-
ten Corduener 2) am Flusse Tigris; an diese die Pratiter
oder Parodoner 3), welche den caspischenPass inne haben.
An das Land der letztern stossen auf der andern Seite
die parteiischen Wüsten 4) und das cithenische Gebirge 5).
Dann folgt der höchst anmuthige parthische Busen Choara 6).
Hier lagen sonst zwei, zum Schutze gegen die Meder er-
bauete Städte, Calliope und Issatis, auf einem Felsen.
Aber Hecatonpylos, die Hauptstadt von Parthien selbst, ist
133,000 Schritte vom Passe entfernt. So wird auch das
Reich der Parther durch ein Thor abgeschlossen. Beim
Austritt aus dem Passe kommt man zunächst zum caspischen
Volke, welches sich bis zur Küste erstreckt, und dem Passe
sowohl, wie dem Meere den Namen gegeben hat. Der Theil
zur Linken ist bergig 7). Vom Gebiete der Caspier an
rückwärts bis zum Flusse Cyrus wird die Entfernung auf
220,000, und von diesem Flusse an bis zu dem Passe auf
700,000 Schritte angegeben. Diese Berechnungen vom Passe
als Ausgangspunkt aus sind durch die Märsche Alexander's
des Grossen bestimmt; von ihm bis zur Grenze von Indien
') Dieser Pass heisst jetzt Kharwar, und führt über den Dema-
vend, eine Schneekuppe der Bergkette Alburs in der persischen
Provinz Taberistan.
2) Im Ejalet Wan, um den See Ardisch.
3I rtag böov: die am Wege.
4) Die Wüste Naubendan in der Provinz Irak.
s) Die Berge von Luristan. 6) In der Provinz Khusistan.
7) Die Bergkette Alburs.
432
Sechstes Buch.
sollen es 15,680 Stadien, bis zur Stadt Bactra *) oder Za-
riaspa 3700 und von da bis zum Flusse Jaxartes 5000
Stadien sein.
18.
Oestlich von den Caspiern liegt die Landschaft Apa-
vortene 2), und in derselben der durch seine Fruchtbarkeit
berühmte Ort Darejum 3). Dann folgen die Tapyrer, Ana-
riacer, Staurer, Hyrcaner 4), an deren Küste, nämlich vom
Flusse Sideris 5) an, das caspische Meer den Namen des
hyrcanischen erhält. Diesseits des Sideris sind die vom
Caucasus kommenden Flüsse Maxeras 6) und Stratos 7).
Dann folgt die Landschaft Margiane8), reich an sonnigen
Anhöhen, und unter allen diesen Ländern die einzige, worin
Weinbau getrieben wird. Sie ist ringsum von anmuthigen
Bergen eingeschlossen, hat 1500 Stadien im Umfange, und
ist wegen der 120,000 Schritte langen Sandwüsten schwer
zugänglich. Sie liegt gegen Parthien hin und Alexander
der Grosse erbauete daselbst Alexandria. Nachdem diese
von den Barbaren zerstört war, stellte sie Antiochus, der
Sohn des Seleucus, auf derselben Stelle unter einem an
Syrien erinnernden Namen wieder her, denn da der Mar-
gus9), dessen Zweige sich in dem Distrikte von Zotale
vereinigen, sie durchströmt, so zog er es vor, sie Antiochia
zu nennen10). Die Stadt hat 70 Stadien im Umfange.
Hierher führte Orodos n) die bei der Niederlage des Crassus
gefangenen Römer. Von den Höhen dieser Gegend an über
den Caucasus hin bis zu den Bactrern wohnen die wilden
und freien Marder12). Hierauf die Ochaner, Chomarer,
') Balkih. 2) In der Begierbergschaft Masenderan. 3) Sari.
4) In den Beglerbergschaften Masenderan und Astrabad.
5) Kurkan. 6) Masenderan. 7) Sefidrud.
8) Das Land Mawer und die Provinz Khorassan. 9) Murghal.
,0) Jetzt heisst sie Meru Schah Jehan.
") Ein parthischer König. Die Geschichte jener Niederlage
(53 v. Chr.) beschreibt Plutarch in der Biographie des Crassus , Cap. 39.
n) In dem zur afghanischen Landschaft Balkh gehörenden
Distrikte Meimunna am Kassarigebirsre.
Sechstes Buch. 433
Berdrigeer, Harmatotropher, Bomareer, Comaner, Marucäer,
JMandruaner, Jatier. Die Flüsse Man drum und Chindrum.
Weiterhin die Chorasmier, Candarer, Attasiner, Paricaner,
Saranger, Parrhasiner, Maratianer, Nasotianer, Aorser, Geler,
von den Griechen Cadusier genannt, und die Matianer.
Die von Alexander erbauete Stadt Heraclea, die später
zerstört aber von Antiochus wieder hergestellt und Acha'is
genannt wurde. Die Derbicer, deren Grenze der Oxus x),
welcher aus dem See Oxus entspringt 2), mitten durchschnei-
det; die Syrmater, Oxydracer, Heniocher, Batener, Saraparer,
Bactrer, deren Stadt Zariaspe (später Bactrum) 3) nach
einem Flusse 4) benannt ist. Die Bactrer bewohnen die
Gegend hinter dem Berge Paropamisus 5), auf dessen vor-
derer Seite die Quellen des Indus sind, und werden von
dem Flusse Ochus 6) eingeschlossen. Weiterhin folgen die
Sogdianer 7), ihre Stadt Panda8), und an der äussersten
Grenze Alexandria 9), von Alexander dem Grossen erbauet.
Hier befinden sich Altäre, welche Hercules und Bacchus,
ferner Cyrus, Semiramis und Alexander errichtet haben;
denn alle diese Personen setzten in dieser Gegend, welche
der Fluss Jaxartes 10) , den die Scythen Silis nennen, und
den Alexander und seine Soldaten für den Tana'is hielten,
begrenzt, ihren Feldzügen ein Ziel. Demodamas, der Feld-
« herr der Könige Seleucus und Antiochus, dem wir vor-
züglich bei Beschreibung dieser Länder folgen, überschritt
ihn und errichtete dem Apollo Didymäus Altäre.
19.
Weiter hinaus11) wohnen scythische Völker. Die
Perser nennen sie, von dem zunächst wohnenden Stamme,
') Gihon oder Amu genannt.
2) Er entspringt in Afghanistan am Hindu-Kuhs, aber nicht aus
«inem See. 3) Balkh.
4) Zariaspes, jetzt Dehasch. 5) Hindu-Kusch. 6) Tedsen.
7) Im Thale al Sogdh in dein zum Dschagatai gehörenden
Lande Mawarelnahar.
8) Samarkand? 9) Koschend am Szyr? t0) Szyr.
u) Jenseits des Jaxartes.
28
434
Sechstes Buch.
insgesammt Sacer; bei den Alten hiessen sie Aramäer. Die Scy-
then aber nennen die Perser Chorsarer, und den Caucasus Grau-
casis, d. h. schneeweiss. Die Menge dieser Völkerschaften,
welche mit den Persern gleiche Lebensweise haben, ist
unzählig, die berühmtesten unter ihnen sind die Sacer,
Massageter, Daher, Essedoner, Ariacer, Rhymmicer, Pasicer,
Amarder, Hister, Edoner, Camer, Camacer, Euchater, Cotierer,
Anthusianer, Psacer, Arimasper, Antacater, Chroasäer und
Oeteer. Die Napäer sollen durch die Paläer untergegangen
sein. Bedeutende Flüsse daselbst sind der Mandragäus
und Caspasius :). Ueber kein Land sind die Angaben der
Schriftsteller so schwankend, was, wie ich glaube, von den
vielen herumziehenden Völkern herrührt. Das Wasser des
(caspischen) Meeres soll, nach x41exanders des Grossen Be-
richte, süss sein, und Marcus Varro erzählt, dass Pompejus,
der im Mithridatischen Kriege dort commandirte, dasselbe
gehört habe; ohne Zweifel wird der Salzgehalt des Wassers
durch die vielen in dasselbe strömenden Flüsse unterdrückt.
Varro fügt noch hinzu, man habe durch des Pompejus
Feldzüge erfahren, dass man in 7 Tagen von Indien zu den
Bactrern am Flusse Icarus 2), welcher in den Oxus fliesst,
gelangen, uud die aus demselben durchs caspische Meer
in den Cyrus gebrachten indischen Waaren auf einem nur
fünftägigen Landwege bis zum Phasis am Pontus schaffen
könne. In diesem ganzen Meere liegen viele Inseln, doch
ist nur eine, Tazata 3), genauer bekannt.
20.
Vom caspischen Meere und dem scythischen Oceau
wenden wir uns zum östlichen Meere, dessen Küste mit
der Vorderseite gegen Osten gerichtet ist. Der vorderste
Theil derselben, vom scythischen Vorgebirge an, ist wegen
des Schnees unbewohnt, der nächstfolgende wegen der
Wildheit seiner Bewohner unangebauet. Hier hausen die
anthropophagischen Scythen, welche Menschenfleisch essen;,
*) "Vielleicht die Steppenflüsse Sarasu und Tzui.
8) Koktscha (Badaktschan)? 3) Nephtenoi.
Sechstes Buch. 435
daher besteht das angrenzende Land aus weiten Einöden
voll wilder Thiere, welche die ihnen an Grausamkeit nicht
unähnlichen Menschen umlagern. Dann folgen wiederum
Scythen; hierauf Wüsten mit reissenden Thieren, bis auf
den ins Meer reichenden Bergrücken Tabis '). Etwa erst
von der Mitte dieser nach Südost gerichteten Küste an
wird jene Gegend bewohnt. Die äussersten bekannten
Menschen daselbst sind die Serer, berühmt durch die in
ihren Wäldern wachsende Wolle 2), die sie durch Wasser
gezogen von den Pflanzen abkämmen; hierdurch erwächst
unsern Frauen die doppelte Arbeit, die Fäden wieder auf-
zudrehen und wieder zu weben. So viele Mühe ist nöthig
und soweit muss der Stoff herbeigeholt werden, wenn eine
Dame in der Gesellschaft mit Glanz auftreten soll. Die
Serer sind zwar gutmüthig, aber darin den Wilden ähnlich,
dass sie den Umgang mit Menschen fliehen und warten,
dass man des Handels wegen zu ihnen kommt. Der nächste
bekannte Fluss in ihrem Gebiete ist der Psitaras, dann der
Combari und der Lanos, an welchem das Vorgebirge
Chryse 3) liegt; der Busen Cyrnaba, der Fluss Atianos, der
Busen und das Volk der Attacorer, welches durch sonnige
Hügel gegen alle schädlichen Winde geschützt ist, und
dasselbe Klima hat wie die Hyperboräer. Amometus 4) hat
über sie, sowie Hecatäus 5) über die Hyperboräer ein be-
sonderes Werk geschrieben. An die Attacorer grenzen die
Phrurer und Tocharer, und an diese schon ein indischer
Stamm, die Casirer, die nach dem Innern zu an die Scythen
stossen und Menschenfleisch essen. Auch ziehen in Indien
Nomaden umher. Einige Schriftsteller geben an, dass
nordöstlich davon die Ciconer und Brysarer wohnen.
') Am Ende des Sinus Gangeticus (jetzt Meerbusen von
Bengalen).
2) Nämlich die Seide.
3) Vielleicht das Cap Negrais an der Ostküste des bengalischen
Meerbusens.
4) Unbekannt. ■"') Von Abdera, begleitete Alexander nach Persien.
28*
436
Sechstes Buch.
21.
Aber da wo das emodische Gebirge x) sich erhebt,
sind alle Völker bekannt. Den Anfang machen die Indier,
deren Gebiet nicht nur am östlichen Meere, sondern auch
an dem südlichen, welches wir das indische genannt haben 2),
liegt, und deren östlicher Landtheil 3) sich in gerader Linie
bis an die Biegung und den Anfang des indischen Meeres
in einer Länge von 1,875,000 Schritten erstreckt; von der
Biegung an nach Süden bis zum Flusse Indus, der die
westliche Grenze Indiens 4) bildet, beträgt die Entfernung
nach Eratosthenes 2,475,000 Schritte. Mehrere haben aber
diese ganze Länge auf 40 Tage- und Nachtreisen eines
Segelschiffes berechnet, und von Norden bis Süden 2,850,000
Schritte angegeben. Agrippa nimmt die Länge zu 3,300,000,
die Breite zu 2,3000,000 Schritten an. Posidonius bestimmte
das Maass von Südost nach Nordost, indem er annahm,
Indien läge Gallien gegenüber, welches er von Südwest
nach Nordost ausmaass. Er bewies daher mit nicht zu
bezweifelnden Gründen, dass Indien dem Favonius entgegen
liege, durch den Hauch dieses Windes erfrischt werde und
dadurch gesund sei. Anders verhält es sich dort mit dem
Klima, anders mit dem Aufgehen der Gestirne; jedes Jahr
hat 2 Sommer und. 2 Erndten, zwischen welche während
des Wehens der Passatwinde der Winter fällt; zur Zeit
unsres kürzesten Tages aber wehen dort milde Lüfte und
das Meer ist schiffbar. Wollte Jemand alle dortigen Völker
und Städte namhaft machen, so würde er sie unzählig
finden. Wir verdanken die nähere Bekanntschaft mit Indien
nicht nur den Waffen Alexanders des Grossen und der
ihm nachfolgenden Könige, nicht nur dem Seleucus und
Antiochus und ihrem Flottenführer Patrocles, welche um
dasselbe bis in das hyrcanische und caspische Meer fuhren,
sondern auch andern griechischen Schriftstellern, die sich
*) Der Himalaya. '-) Im 14. Cap.
3) Die Westküste des bengalischen Busens.
') Die Westküste Vorderindiens.
Sechstes Buch. 437
(wie Megasthenes *) und Dionysius, der von Philadelphia
zu diesem Endzwecke dahin gesandt war) längere Zeit bei
den indischen Königen aufhielten und auch Nachrichten
über die Macht dieser Völker geben. Jedoch sind die
Mittheilungen so widersprechend und unglaublich, dass es
nicht möglich ist, das Wahre zu sondern. Die Begleiter
Alexanders des Grossen schreiben, dass in demjenigen Di-
strikte Indiens, welchen sie unterjocht hätten, 5000 Städte,
keine kleiner als (die Insel) Cos und 9000 Völker gewesen
wären; ferner, dass Indien wahrscheinlich der dritte Theil
der Erde, und die Volksmenge darin unzählig sei. Denn
die Indier sind fast die einzige Nation, die nie über ihre
Grenzen gewandert ist. Vom Bacchus bis auf Alexander
den Grossen zählt man 153 Könige, die in einem Zeitraum
von 6451 Jahren 3 Monaten daselbst geherrscht haben.
Die Flüsse sind unermesslich gross. Alexander, welcher
den Indus befuhr, soll täglich nicht unter 600 Stadien zu-
rückgelegt haben und doch erst nach 5 Monaten und
einigen Tagen bis an sein Ende gekommen sein. Der
Ganges wird für noch grösser gehalten. Seneca 2), der
unter uns einen Versuch einer Beschreibung von Indien
gemacht hat, giebt die Anzahl der Flüsse auf 60 und die
der Völker auf 118 an. Gleiche Mühe würde es machen,
alle Berge aufzuzählen. Der Irnaus, Emodus, Paropa-
misus und Caucasus, von denen das ganze Land in eine
Aegypten ähnliche, unermessliche Ebene ausläuft, hängen
miteinander zusammen.
Damit man aber dieses Land einigermaassen kennen
lerne, wollen wir Alexander dem Grossen Schritt vor Schritt
folgen. Diognetus und Bäston, welche die Märsche desselben
') Um 300 v. Chi-., Gesandter des Königs Seleucus Nicator von
Syrien nach Palibothra , der Hauptstadt des persischen Königs
Androkottas, zum Abschluss eines Bündnisses.
a) L. Annaeus Seneca, Sohn des M. A. Seneca, geb. 2 n. Chr.,
wurde, dem Nero als Theilnehmer an der Verschwörung des Piso
verdächtigt, 65 zum Tode verurtheilt, Hess sich die Adern öffnen
und trank dann Gift.
438 Sechstes Buch.
gemessen haben, schreiben, dass es vom caspiscben Passe
bis nach Hecatonpylos in Parthien ebenso viel Tausend
Schritte seien, wie wir oben x) angaben; von da bis Ale-
xandria Arios 2), welche Stadt derselbe König bauete,
565,000 Schritte; von da bis Prophthasia 3), einer Stadt
der Dranyer 199,000; von da bis zur Stadt der Aracbosier
565,000; bis Ortospanum 4) 250,000; bis zur Stadt Alexan-
ders 5) 50,000 Schritte. In einigen Exemplaren sind die
Zahlen verschieden, auch soll letztere Stadt am Fusse des
Caucasus liegerj. Von da bis zum Flusse Cophes 6) und
der indischen Stadt Peucolaitis 7) beträgt die Entfernung
237,000; von da bis zum Flusse Indus und der Stadt Ta-
xila 8) 60,000, bis an den berühmten Hydaspes 9) 120,000,
und bis an den Dicht weniger berühmten Hypasis 10) 29,390
Schritte. Bis hierher drang Alexander vor, jedoch setzte
er noch über den Fluss und errichtete am jenseitigen Ufer
Altäre. Die Briefe des Königs stimmen mit diesen Angaben
überein. Den übrigen Theil des Landes von hier an hat
Seleucus Nicator durchzogen. Bis an den Sydrus11) sind
es 168,000 Schritte und bis zum Jomanes12) ebenso viele.
Einige Exemplare geben 5000 Schritte mehr an. Von da
bis zum Ganges 112,000, bis Rhodapha13) 569,000. Andere
geben diese Entfernung auf 325,000 an. Bis zur Stadt
Calinipaxa 14) 167,500, nach Andern 265,000; von da bis
an den Zusammenfluss des Iomanes und Ganges 625,000,
') Im 17. Cap.
2) In der Nähe der heutigen Stadt Dorra. Sie war für den
Handel der alten Welt wichtig, denn sie lag am Wege der indischen
"Karavanen.
3) Zarang in Segestan, am Flusse Hind-Mend (sonst Etymandur).
4) Kandahar. 5) S. 25. Cap.
6) Kurrum. ?) Bunnu. 8) Attook. '•>) Schelum.
,0) Auch Hyphasis und Hypanis genannt; jetzt Begah.
") Suteledi.
,2) Jumnah oder Zemna. Bei Ptolemäus heisst dieser Fluss Dia-
raura; Andere halten ihn für den Palibothros.
,3) Ramgat. u) Auch Pazalä genannt; jetzt Canoge oder Canoz.
Sechstes Buch. 439
wozu die Meisten noch 13,000 hinzufügen; bis zur Stadt
Palibothva *) 425,000, und bis zur Mündung des Ganges
637,500 Schritte.
Folgende Völker von dem emodischen Gebirge an,
dessen Vorgebirge Imaus heisst 2), was in der dortigen
Landessprache „schneebedeckt" bedeutet, verdienen genannt
zu werden: die Isarer, Cosyrer, Izger und auf dem Gebirge
selbst die Chisiotosager; ferner viele Völker unter dem
Beinamen Brachmanen, zu denen die Maccocalinger 3) ge-
hören. Die schiffbaren Flüsse Prinas 4) und Cainas 5),
welcher letztere sich in den Ganges ergiesst. Die Calinger
am Meere, hinter diesen die Mandeer und Maller, in deren
Gebiete der Berg Mallus liegt. Die Grenze des Landes
bildet der Ganges.
22.
Nach Einigen entsteht der Ganges, wie der Nil, aus
noch unbekannten Quellen und bewässert das benachbarte
Land auf gleiche Weise, nach Andern entspringt er auf
den scythischen Bergen. In ihn ergiessen sich 19 Flüsse,
von welchen, ausser den schon genannten, schiffbar: der
Condocbates6), Erannoboas7), Cosoagus8) und Sonus9) seien.
Andere erzählen, er breche sogleich mit grossem Getöse
aus seinen Quellen hervor, stürze über Felsen und Abhänge
und gelange von da zuerst in einer schönen Ebene in einen
See; dann fliesse er langsam, seine geringste Breite betrage
8000 Schritte, seine mittlere 100 Stadien, seine Tiefe nie
weniger als 20 Schritte. Das letzte Volk an seinen Ufern
sollen die gangaridischen Calinger sein. Die königliche
') Patelputer; bei Allahabad befinden sich noch Ruinen von ihr.
Sie war einst die grösste und reichste Stadt in Indien, und die Haupt-
stadt der Prasier, die daher, sowie oft auch alle zwischen dem Ganges
und Indus wohnende Stämme Palibothrer hiessen.
2) Der östliche Theil des Himalaya.
3) Auf der Ostseite des Ganges nach der Mündung zu.
4) Rinde.
5) Keane. Er fliesst in die Jumna und durch diese in den Ganges.
6) Gunduk. 7) Ramgonga. 8) Kosa. 9) Sone.
440 Sechstes Buch.
Residenz derselben heisst Protalis *). Für den König stehen
60,000 Fussgänger, 1000 Reiter und 700 Elephanten stets
kriegsgerüstet bereit.
Die gesittetem Völker Indiens führen eine sehr ver-
schiedene Lebensweise. Einige bauen das Land, Andere
thun Kriegsdienste und noch Andere führen ihre Waaren
aus und fremde ein. Die Besten und Reichsten leiten die
öffentlichen Angelegenheiten, üben die Rechtspflege und
sind die Räthe der Könige. Eine fünfte Klasse hat sich
der dort hoch gefeierten und beinahe zur Religion gewor-
denen Weisheit ergeben, und endigt ihr Leben durch frei-
willigen Tod auf dem Scheiterhaufen. Noch eine Klasse
ausser dieser ist halbwild und mit den schwersten Arbeiten,
nämlich dem Einfangen und Zähmen der Elephanten, be-
lastet. Dieser Thiere bedienen sie sich zum Pflügeu und
zum Ziehen, und darin besteht grösstenteils ihre Vieh-
zucht; sie brauchen sie im Kriege und vertheidigen damit
ihre Grenzen. Für den Kriegsdienst wählen sie sie nach
der Stärke, dem Alter und der Grösse.
Im Ganges liegt eine Insel von grossem Umfange, auf
der die Modogalinger wohnen. Jenseits des Flusses folgen
die Moduber, Molinder, Uberer in einer prachtvollen Stadt
gleichen Namens, die Modröser, Preter, Caloser, Sasurer,
Passaler, Coluber, Oruncoler, Abaler, Taluter. Der König
derselben hat 50,000 Fussgänger, 4000 Reiter und 400 Ele-
phanten unter den Waffen. Dann folgt das noch mächtigere
Volk der Andarer in vielen Flecken und 30 Städten, die
mit Mauern und Thürmen versehen sind; dem Könige stellen
sie 100,000 Fussgänger, 2000 Reiter und 1000 Elephanten.
Die Darder haben viel Gold und die Seter viel Silber.
Aber fast unter allen Völkern Indiens und nicht bloss
dieses Landstriches, stehen die Prasier durch Macht und
Ruhm oben an. Ihnen gehört die grosse und reiche Stadt
Palibothra 2), nach welcher Einige das Volk selbst Palibro-
ther, ja sogar das ganze Land am Ganges danach benannt
') Cutlo (Cooloo) am Mahanudyflusse. 2) Patelputer.
Sechstes Buch. 441
haben. Für den König wird stets ein Heer von 600,000
Fussgängern, 30,000 Reitern und 9000 Elephanten unter-
halten, woraus man auf ihre bedeutende Macht schliessen
kann. Auf diese folgen im Innern des Landes die Moneder
und Suarer, in derem Gebiete der Berg Maleus x) liegt, an
welchem der Schatten im Winter nach Norden, und im
Sommer 6 Monate lang nach Süden fällt. Bäton berichtet,
der grosse Bär erscheine in dieser Gegend nur einmal, und
zwar nur 15 Tage lang im Jahre; nach Megasthenes soll
diess in mehreren Gegenden Indiens der Fall sein. Den
Südpol nennen die Indier Diamasa. Der Fluss Jomanes 2)
fliesst durch das Gebiet der Palibrother, und zwischen den
Städten Methora und Chrysobora 3) in den Ganges. In dem
südlich vom Ganges liegenden Distrikte sind die Bewohnev
von der Sonne gefärbt, aber nur etwas, und nicht ver-
brannt wie die Aethiopier; je mehr sie sich dem Indus
nähern, desto mehr verräth ihre Farbe die Kraft der Sonne.
Der Indus fliesst dicht am Gebiete der Prasier hin; in den
Berggegenden sollen die Pygmäer wohnen. Nach Artemi-
dorus beträgt die Entfernung zwischen beiden Flüssen
2,100,000 Schritte.
23.
Der Indus, von den Eingebornen Sindus 4) genannt,
entspringt auf dem Paropamisus 5), einem Bergrücken des
Caucasus, fliesst gegen Osten und nimmt ebenfalls 19
Flüsse in sich auf. Unter diesen sind die bedeutendsten
der Hydaspes6), in welchen noch 4 andere, und der Can-
tabras 7), in welchen noch 3 andere fallen, ferner die an
sich schon schiffbaren Acesines 8) und Hypasis 9). Und
doch ist seine Wassermenge nur massig, nirgends ist er
über 50 Stadien breit, oder über 15 Schritte tief; er bildet
') Vindhya. 2) Junina.
3) Eine von diesen Städten ist das heutige Allahabad.
4) Sind. 5) Hindu Kusch. 6) Schelum.
7) Vielleicht identisch mit dem Hydrostes, jetzt Rawi.
») Khenab. 9) Bejah.
442 Sechstes Buch.
eine sehr ausgedehnte Insel, Namens Prasiane *), und eine
andere kleinere, Patale2) genannt. Nach den Angaben
derjenigen Schriftsteller, welche am wenigsten übertreiben,
kann er auf einer Strecke von 1,250,000 Schritten befahren
werden, wendet sich, gleichsam von der Sonne begleitet,
nach Westen und ergiesst sich in den Ocean. Die Maass-
bestimmungen längs dem Ufer bis zu seiner Mündung gebe
ich, wie ich sie finde, im Allgemeinen, obgleich die An-
gaben unter sich gar nicht übereinstimmen. Von der Mün-
dung des Ganges bis zum Vorgebirge Calingon 3) und zur
Stadt Dandaguda 4) 625,000 Schritte; bis Tropina 5) 1,225,000;
bis zum Vorgebirge Perimulä 6), wo der berühmteste Sta-
pelplatz Indiens liegt 750,000; bis zu der Stadt 7) auf der
oben angeführten Insel Patale 620,000 Schritte.
Die zwischen dem Indus und dem Jomanes wohnenden
Bergvölker sind die Ceser und die in Wäldern wohnenden
Cetriboner; dann die Megaller, deren König 500 Elephan-
ten hat; die Anzahl seiner Fussgänger und Reiter ist un-
gewiss. Die Chryseer, Parasanger, Asanger, in deren Ge-
biete es viele Tiger giebt; sie bewaffnen 30,000 Fussgänger,
300 Elephanten und 800 Reiter. Diese Völker schliesst der
Indus ein, und ein Kranz von Bergen und Einöden umgiebt
sie in einer Ausdehnung von 625,000 Schritten. Hinter diesen
Einöden wohnen die Darer und Surer, dann folgen wieder
187,000 Schritte weit Einöden, welche jene Distrikte
meistens mit Sand, gleichwie das Meer die Inseln, um-
geben. Hiernächst folgen die Maltecorer, Singer, Maroher,
Rarunger und Moronter. Diese bewohnen die Berge, welche
sich ununterbrochen längs der Küste des Oceans hinziehen;
sie sind frei, haben keine Könige, aber viele Städte auf
') Das von Flüssen eingeschlossene Pendschab'?
-) Der zwischen den Mündungen des Indus liegende Theil von Sind.
3) Segogora oder Ponta de Palmeiras ; Andere halten es für das
Cap Godaverg.
4) Coringa. s) Cochin?
°) Die Landspitze südlich von der Insel Bombay. 7) Tatta.
Sechstes Buch. 443
ihren Anhöhen. Dann folgen die Nareer, welche der höchste
Berg Indiens, der Capitalia 1), einschliesst. Die Bewohner
desselhen auf der andern Seite graben weit und breit Gold und
Silbererze. An diese grenzen die Orater, deren König zwar
nur 10 Elephanten, aber eine bedeutende Anzahl Fussvolk
hat; die Suaratarater, welche unter einem Könige stehen,
aber keine Elephanten halten, sondern sich bloss auf ihre
Beiterei und das Fussvolk verlassen. Die Odanbeorer und
Arabastrer. Die Horacer in einer schönen, durch sumpfige
Gräben geschützten Stadt; über dieselben kann man nur durch
Hilfe einer Brücke gelangen, denn die darin befindlichen
nach Menschenfleisch begierigen Krocodile versperren jeden
andern Zugang. Man rühmt noch eine andere Stadt dieses
Volkes, Automula 2), welche an der Küste liegt, und, da hier
5 Flüsse sich zu einem vereinigen, ein berühmter Handels-
platz ist. Ihr König hat 1600 Elephanten, 150,000 Fuss-
gänger und 5000 Reiter. Aermer ist der König der Char-
mer, welcher nur 60 Elephanten und übrigens nur schwache
Streitkräfte hat. An diese grenzen die Pander, das einzige
Volk in Indien, welches von Frauen beherrscht wird. Man
erzählt, dem Herkules sei nur eine Tochter geboren, die
ihm aber desshalb um so lieber geworden und mit einem
Königreiche beschenkt sei. Die Nachkommen derselben
herrschen über 300 Städte, 150,000 Mann Fussvolk und
500 Elephanten. Auf diese Reiche von 300 Städten folgen
die Daranger, Posinger, Buter, Gogareer, Umbrer, Nereer,
Brancoser, Nobunder, Coconder, Neseer, Palatider, Solobri-
aser, und die an die Insel Patale, von deren äussersten Küste
bis zum caspischen Passe die Entfernung 1,925,000 Schritte
betragen soll, grenzenden Olostrer.
Hierauf folgen aufwärts am Indus, wie mit Bestimmt-
heit ermittelt ist, die Athoer, Bolinger, Gallitaluter, Dimu-
rer, Megarer, Ardaber, Meser; hiernach die Urer und Siler.
Dann kommen Wüsten in einer Ausdehnung von 250,000
») Ein Gipfel der Gats (Ghauts). 2) Nach Einigen Cochin.
444
Sechstes Buch.
Schrittten. Sodann die Organager, Abortei-, Bassuerter, hier-
auf wieder Einöden, die den vorigen gleichen. Weiter die
Sorophager, Arber, Marogomatrer undUmbritter, welche letz-
tere 12 Stämme, jeder mit 2 Städten bilden. Die Asiner woh-
nen in 3 Städten; ihre Hauptstadt Bucephala *) wurde zu
Ehren des Pferdes Alexanders des Grossen, welches diesen
Namen führte und dort begraben liegt, erbauet. Hinter
diesen wohnen am Cau casus die Soseader und Sondier 2),
und jenseits des Indus längs dem Ufer hinunter die Saina-
rabrier, Sambracener, Bisambriter, Orser, Antixener, Taxil-
ler mit einer berühmten Stadt, die da liegt, wo sich die
Gegend schon wieder zur Ebene abdacht und den Namen
Amenda 3) führt. Vier Völkerschaften: die Peucolaiter, Ar-
sagaliter, Gereter und Assoer 4).
Die meisten Schriftsteller nehmen aber den Indus nicht
als westliche Grenze 5) an, sondern fügen noch 4 Satrapien
hinzu, die Gedroser, Arachoter, Arier und Paropamisader,
und bestimmen den Fluss Cophes 6) als äusserste Grenze.
Andere sagen, dieser ganze Distrikt gehöre den Ariern.
Auch die Stadt Nysa 7) rechnen viele zu Indien, ferner
den Berg Merus, der dem Bacchus geheiligt ist, und zu der
Fabel Veranlassung gegeben hat, Bacchus sei aus einem
Schenkel Jupiters geboren 8). Ebenso werden die Astacaner
zu den indischen Völkern gezählt, deren Land reich an
Wein, Lorbeeren, Buxus und allen in Griechenland wach-
senden Obste ist. Was sonst noch Merkwürdiges und fast
Fabelhaftes von der Fruchtbarkeit dieses Landes, den Arten
der Früchte und Bäume, den wilden Thieren, Vögeln und
andern Geschöpfen erzählt wird, soll in einem spätem
T heile dieses Werkes an seinem Orte angegeben werden.
Von den 4 Satrapien weiter unten; jetzt eilen wir im Geiste
nach der Insel Taprobane.
Vorher jedoch berühren wir noch einige Inseln, als
>) Ziemlich an der Stelle des heutigen Multan. 2) In Kabul.
3) Attok. 4) In Lahore. 5) Indiens. 6) Kurrum. 7) Nughz.
8) MQoq heisst nämlich der Schenkel.
Sechstes Buch. 445
Patale, von der wir gesagt haben, dass sie an der Mündung
des Indus liege. Sie hat eine dreieckige Gestalt und
220,000 Schritte in der Breite. Ausserhalb derselben liegt
Chryse und Argyre, beide, wie ich glaube, ergiebig an
Metallen; denn was Andere erzählen, dass ihr Boden ganz
aus Gold und Silber bestehe, möchte ich bezweifeln.
20,000 Schritte davon liegt Crocala; 12,000 Schritte davon
Bibaga *), reich an Austern und Muscheln. Dann Toralliba
3000 Schritte von der obengenannten und noch viele un-
bedeutende.
24.
Man hat lange geglaubt, Taprobane2) sei die andere
Hälfte des Erdkreises, und sie daher das Land der Antich-
thonen (Gegenfüssler) genannt. Erst im Zeitalter Alexan-
ders des Grossen und durch dessen Unternehmungen hat
es sich erwiesen, dass sie eine Insel ist. Onesicritus, sein
Befehlshaber der Flotte, schreibt, dass die Elephanten dort
grösser und zum Kriege tauglicher seien, als in Indien.
Nach Megasthenes wird die Insel von einem Flusse durch-
schnitten, ihre Einwohner hiessen Paläogoner, und man
fände dort mehr Gold und grössere Perlen als in Indien.
Eratosthenes bestimmt ihre Länge auf 7000, ihre Breite auf
5000 Stadien, und sagt, Städte gäbe es nicht auf ihr, wohl
aber 700 Dörfer. Sie nimmt ihren Anfang im eoischen
Meere, zieht sich von Osten nach Westen vor Indien hin,
und soll, nach einer früheren Meinung, 20 Seetagereisen
vom Gebiete der Prasier entfernt sein; später aber, als
man mit Schiffen aus Papyrus, die auch nur mit dem auf
dem Nile gebräuchlichen Takelwerke versehen waren, dorthin
fuhr, berechnete man die Entfernung, nach dem Laufe unserer
Schiffe, auf sieben Tagereisen. Das dazwischen liegende Meer
ist seicht und im Ganzen nicht über 6 Schritte tief, aber auf ge-
wissen Strecken so tief, dass die Anker keinen Grund finden,
wesshalb man den Schiffen an beiden Enden Vordertheile
') Oder Bibacta an der Küste von Gedrosien.
-) Ceylon.
446
Sechstes Buch.
giebt, damit man nicht nöthig hat, sie in diesen engen
Fahrgassen umzuwenden. Die Ladungsfähigkeit dieser
Schiffe beläuft sich auf 3000 Amphoren. Auf die Gestirne
nimmt man bei diesen Fahrten keine Rücksicht, und der
grosse Bär ist dort unsichtbar. Die Schiffer nehmen aber
Vögel mit, lassen sie oft ausfliegen und folgen dem Wege,
den diese nach dem Lande zu nehmen. Die Schifffahrt
dauert dort nur 4 Monate lang; besonders vermeidet man
sie 100 Tage nach dem Sommer-Solstitium, weil dann auf
jenem Meere der Winter herrscht.
So weit reichen die Nachrichten der Alten; wir haben
aber unter der Regierung des Claudius genauere Kennt-
niss erhalten, wo sogar Gesandte von jener Insel zu uns
kamen. Die Veranlassung dazu war folgende: Ein Frei-
gelassener des Annius Plocamus, der den Zoll am rothen
Meere vom Fiscus gepachtet hatte, wurde auf einer Fahrt
an der arabischen Küste vom Nordostwinde über Carmanien *)
hinaus verschlagen, und gelangte am 15ten Tage in den
Hafen Hippuris auf jener Insel. Der König behandelte
ihn mit gastfreundlicher Milde; nach 6 Monaten hatte er
die Landessprache so weit gelernt, dass er jenem auf sein
Befragen von den Römern und ihren Kaisern erzählen
konnte. Unter allem, was der König vernahm, wunderte er
sich nicht wenig über die Gerechtigkeit der Römer, denn
die unter dem erbeuteten Gelde befindlichen Denare waren
alle von gleichem Gewichte, da doch die verschiedenen
Bilder auf ihnen anzeigten, dass Mehrere sie hatten prägen
lassen. Diess bestimmte ihn am meisten zur Freundschaft,
und er schickte 4 Gesandte nach Rom, von denen der
vornehmste Rachia 2) hiess. Von diesen erfuhr man , die
Insel habe 500 Städte, und an der Südküste einen Hafen
mit der Stadt Paläsimundum 3), welche von allen die be-
deutendste, zugleich die königliche Residenz sei und 200,000
Einwohner habe. Im Innern liege der See Megisba, der
375,000 Schritte im Umfange habe und mehrere Inseln ent-
') Afghanistan. *) Radscha. 3) Coloniho.
Sechstes Buch. 447
halte, auf welchen nur Viehfutter wachse. Aus demselben
ergössen sich 2 Flüsse, der Paläsimundus *), welcher sich
bei der Stadt gleichen Namens in 3 Armen in den Hafen
ergösse, von denen der schmälste 5, der breiteste aber 15
Stadien breit sei; der andere Fluss, welcher gegen Norden
und Indien seine Richtung nehme, heisse Cydara 2). Das
nächste Vorgebirge Indiens sei Coliacum 3), seine Entfernung
betrage 4 Tagereisen, und auf der Mitte des Weges läge
die Sonneninsel 4). Das Meer sei dort von dunkelgrüner
Farbe und voll baumartigen Gesträuchs, deren kammartige
Zweige die Ruder durchschnitten. Die Gesandten wunder-
ten sich über den grossen Bären und das Siebengestirn
bei uns, gleichsam wie über einen neuen Himmel. Sie
erzählten, dass der Mond bei ihnen nur vom achten bis
sechszehnten Tage sichtbar sei; des Nachts leuchte der
Canopus, ein sehr grosses und helles Gestirn. Ganz wun-
derbar kam es ihnen vor, dass ihre Schatten nach unserer
Himmelsgegend hin fielen und nicht nach der ihrigen,
ferner, dass die Sonne hier zur Linken 5) auf- und zur
Rechten unterginge, während, bei ihnen das Umgekehrte
stattfände. Nach ihrer Aussage ist die nach Indien ge-
wandte Seite ihrer Insel 10,000 Stadien lang und hat eine
südöstliche Richtung. Auch sähen sie das hinter dem emo-
dischen Gebirge liegende Gebiet der Serer, die ihnen durch
den Handel gleichfalls bekannt wären; der Vater des Rachia
sei dort gewesen, und die Serer kamen ihnen unterwegs
entgegen. Sie überträfen an Grösse die andern Menschen,
hätten rothe Haare, bläuliche Augen, und gäben bloss rauhe
Töne, keineswegs aber verständliche Worte von sich. Was
sie ausserdem noch von ihnen sagten, haben uns unsere
Handelsleute ebenfalls berichtet. Sie nähmen nämlich,
wenn ihnen der Tausch gefiele, die Waaren, welche von jenen
an das jenseitige Ufer des Flusses neben die, welche sie ver-
l) Muliwaddy. 2) Malivagunga. 3) Cap Comorin.
4) Ramanancur.
5) Nämlich das Gesicht nach Süden gewandt.
iio Sechstes Buch.
kaufen wollten, gelegt worden wären, mit sich fort; denn
der Luxus verdient schon desshalb den grössten Hass, weil
das von ihm verführte Geniüth nur daran denkt, was und
woher und warum es etwas verlangen soll.
Doch selbst Taprobane, wenn gleich von der Natur
aus unserer Erdhälfte verwiesen, ist nicht von unseren
Lastern frei. Gold und Silber haben auch dort Werth; der
schildkrötenartig gezeichnete Marmor, die Edelsteine und
Perlen werden noch weit höher geschätzt, dazu die ganze
Masse der Luxusartikel. Sie sagten, ihre Sehätze wären
grösser, aber wir machten von unserm Reichthume mehr
Gebrauch. Niemand habe einen Sclaven; man schlafe nicht
bis in den Tag hinein oder während des Tages, die Ge-
bäude wären nicht sehr hoch, die Getreidepreise würden
nicht erhöhet, von Gerichtshöfen und Processen wisse man
nichts; Hercules würde bei ihnen verehrt. Zum Könige
würde einer aus dem Volke erwählt, der schon alt und
von milden Gesinnungen sei; er dürfe auch keine Kinder
haben, und, wenn er später welche zeuge, so müsse er ab-
danken, damit die Regierung nicht erblich werde. Es
würden ihm vom Volke 30 Räthe gegeben uud ohne Zu-
stimmung der Mehrzahl derselben könne Niemand zum
Tode verurtheilt werden. Aber auch dann stände noch die
Appellation ans Volk offen; man ernenne dann 70 Richter,
und wenn diese den Angeklagten freisprächen, so verlören
jene 30 alles Ansehen und wären der grössten Verachtung
ausgesetzt. Der König kleide sich wie Bacchus, das Volk
aber wie die Araber. Wenn der König sich ein Vergehen
zu Schulden kommen Hesse, so würde er zum Tode ver-
urtheilt, allein Niemand tödte ihn, sondern Alle wendeten
sich von ihm weg und vermieden sogar mit ihm zu sprechen.
Ihre Feste beständen in der Jagd, und die angenehmste
wäre die auf Tiger und Elephanten. Die Aecker würden
fleissig bebauet; den Gebrauch des Weinstocks kenne man
nicht, aber Obst sei im Ueberfluss vorhanden. Auch die
Fischerei mache ihnen Vergnügen, besonders der Fang der
Schildkröten, die mitunter so gross wären, dass in ihren
Sechstes Buch. 449
Schaalen ganze Familien Platz hätten. Ein massiges Men-
schenalter betrage dort 100 Jahre. — Diess ist alles, was
wir über Taprobane erfahren haben.
25.
Ueber die 4 Satrapien1), deren Beschreibung wir bis
jetzt verschoben haben, ist folgendes zu sagen. Von den
zunächst 2) am Indus wohnenden Völkern an ist die Gegend
bergig. In Capissene lag die Stadt Capissa 3), welche Cyrus
zerstörte. Arachosia mit einer Stadt 4) und einem Flusse 5)
gleichen Namens; die Stadt, welche Einige auch Caphe
nennen, ist von Semiramis erbauet. Der am Parabesta in
Arachosia vorbeifliessende Erymanthus. Hierauf folgen von
Arachosia südlich die Dexendruser 6) und nördlich die Pa-
ropamisader 7). Cartana 8), eine Stadt am Caucasus, welche
später den Namen Tetragonis bekommen hat. Dieser
Landstrich liegt dem vorigen gegenüber. Dann kommt das
Gebiet der Bactriauer, mit der Stadt Alexandria, von
Alexander erbauet. Die Syndracer, Dangaler, Parapiner,
Contucer, Macer9). Am Caucasus die Cadruser, deren
Stadt von Alexander erbauet ist.
Unterhalb aller dieser Länder liegt vom Indus an die
Küste. In dem durch die Hitze verbrannten und von Wüsten
umgebenen, jedoch von Wäldern durchschnittenen a irani-
schen Gebiete10) wohnt die Bevölkerung grösstenteils
zwischen den beiden Flüssen Tonderos und Arosape. Die
Stadt Artacoana u). Der Fluss Arius1*), an welchem das
von Alexander erbauete Alexandrien 13) liegt. Diese Stadt
nimmt einen Raum von 30 Stadien ein; allein viel schöner
und älter ist Artacabane, das Antiochus vom Neuem befe-
stigt hat und dessen Grösse 50 Stadien beträgt. Nun folgen
die Dorisdorsiger. Die Flüsse Pharnacotis 14) und Ophradus 15).
') 23. Cap. 2) Nämlich bei seinem Ursprünge am Paropamisus.
3) Kandahar? 4) Lhiri. 5) Nari. 6) In Beludschiotan.
7) In Kabul. 8) Kabul? 9) Provinz Furrah. 10) Khorasaan.
") Fuschensch. «) Tedsen. >3) Herat. >«) Urghendab.
,5) Kaschrud.
29
450
Sechstes Buch.
Praphthasia l), eine Stadt der Zaraspater; die Dranger,
Evergater, Zaranger, Gedruser. Die Städte Peucolis und
Lyphorta 2), die Wüste Methorgon 3); der Fluss Manais;
die Acutrer; der Fluss Forum; die Orber; der schiffbare
Fluss Pomanus an der Grenze der Pandarer; desgleichen
der Apirus an der Grenze der Suarer, dessen Mündung
einen Hafen bildet. Die Stadt Condigramma; der Fluss
Cophes, in den sich die schiffbaren Flüsse Saddams, Pa-
rospus und Sodanus ergiessen.
Nach einigen Schriftstellern bildet Daritis 4) einen
Theil von Ariana, und diese geben die Länge beider auf
1,900,000 Schritte, und die Breite zur Hälfte derjenigen von
Indien an. Andere sagen, die Gedruser und Pasirer be-
wohnten einen Distrikt von 188,000 Schritten. Dann folgten
die oritischen Ichthyophagen 5), die nicht die indische
sondern eine eigene Sprache reden, auf 200,000 Schritte
weit. Auf diese lassen sie die Arbier 6) in einer Ausdeh-
nung von 200,000 Schritten folgen. Allen Ichthyophagen
verbot Alexander, ferner Fische zu essen. Weiter hin liegen
Wüsten, dann Carmania, Persien und Arabien.
26.
Bevor wir zur weitern Beschreibung dieser Länder
übergehen, wollen wir den Bericht des Onesicritus, der mit
der Flotte Alexanders von Indien aus im persischen Meer-
busen herumfuhr, sowie ihn Juba vor nicht langer Zeit
mittheilte, anführen, und dann von dem Fahrwege sprechen,
den man in den letzten Jahren entdeckte und der bis jetzt
eingehalten wird. Onesicritus und Nearchus geben in ihrem
Tagebuche weder die Namen der Stationen, noch die Ent-
fernungen an, und schon von vornherein ist es nicht recht
') Dschellalabad.
2) Vielleicht Rodbar und Kykobad am Hahnend.
3) Wüste von Beludschistan.
*) Der westliche Theil von Beludschistan und der östliche von
Iran. 6) Fischesser, in der Provinz Makran.
• e) An den Ufern des Purally.
Sechstes Buch. 451
klar, an welchem Flusse oder wo überhaupt das von
Alexander erbauete Xylenepolis *), von wo die Flotte aus-
lief, liegt. Der Bericht enthält jedoch folgende bemerkens-
werthe Einzelnheiten. Nearchus gründete auf dieser Fahrt
die Stadt Arbis 2). Dann folgt der Fluss Nabrum, welcher
Schiffe trägt. Einer Insel 3) gegenüber, in einer Entfernung
von 70 Stadien, liegt Alexandrien 4), welches auf Alexanders
Befehl von Leonnatus an den Grenzen dieses Volkes er-
bauet wurde und einen guten Hafen, Argenus 5) genannt,
hat. Der schiffbare Fluss Tonberum 6), an dem die Pasirer
wohnen. Dann kommen die Ichthyophagen auf einer so
langen Strecke, dass man 30 Tage nöthig hatte, um vor-
beizufahren. Die Insel, welche Sonneninsel oder Nymphen-
lager heisst, ist röthlich und auf ihr kommt, aus noch un-
bekannten Ursachen jedes Thier um. Ferner das Volk
der Orer; der hafenreiche und goldführende Fluss Hyctanis
in Carmanien. Von hier an sahen die Reisenden zuerst
den grossen Bären. Der Arcturus soll nicht jede Nacht
und auch nicht die ganze Nacht hindurch sichtbar sein.
Bis zu dem genannten Flusse sollen die Achämeniden 7)
geherrscht haben. Hier sind Kupfer-, Eisen-, Arsen- und
Zinnober-Bergwerke. Nun folgt das Vorgebirge 8) Carma-
niens, von welchem die Ueberfahrt zu der gegenüber liegen-
den, von dem arabischen Volke der Macer bewohnten Küste
50,000 Schritte beträgt. Drei Inseln, von denen nur Oracla 9)
Wasser hat und bewohnt wird, sind vom Festlande 25,000
Schritte entfernt. Vier andere Inseln liegen schon im per-
sischen Meerbusen. In ihrer Nähe setzten heranschwim-
mende Wasserschlangen von 20 Ellen Länge die Flotte in
Schrecken. Die Insel Athothadrus 10) ; die Gauraten, auf
*) Lahara-Bunder.
2) Menhaber an der Küste von Makran (Gedrusia). 3) Khurna.
4) Kuratschi.
5) Vielleicht Sonmeany an der Mündung des Purally. 6) HubV
7) So heissen die Perserkönige bis auf Darius als Abkömmlinge
des persischen Königs Achaemenes (Herodot I. 125. VIII. 11.)
8) Harmozon, jetzt lask. 9) Kischmisch. ,0) Schech Surde?
9*
452
Sechstes Buch.
welchen die Chianer wohnen. Der Fluss Hyperis *) mitten
am persischen Meerbusen, der Lastschiffe trägt; der Fluss
Sitiogagus 2), auf dem man in 7 Tagen nach Pasargadä 3)
fährt. Der schiffbare Pristimus 4); eine Insel ohne Namen.
Der nur für mittlere Schiffe sieh eignende Fluss Granis 5)
fliesst durch Susiane; an seinem rechten Ufer wohnen die
Deximontaner, welche Pech verfertigen. Der Fluss Zarotis 6),
dessen Mündung für die, welche sein Bett nicht kennen,
gefährlich ist; 2 kleine Inseln 7). Von hier an wird das
Meer seicht und sumpfartig, ist jedoch der verschiedenen
Strömungen wegen noch fahrbar. Die Mündung desEuphrat.
Ein See, den der Euläus 8) und Tigris in der Nähe von
Charax 9) bilden. Dann Susa10) am Tigris. Hier trafen
sie Alexander bei festlichen Gelagen11), im siebenten Mo-
nate nach ihrer Trennung zu Patale und im dritten ihrer
Seefahrt. Diess war der Weg, welchen die Flotte Alexan-
ders machte. Später hielt man es für das Sicherste, von
dem arabischen Vorgebirge Syagrum12) mit dem Favonius,
den man dort Hippalus nennt, nach Patale zu fahren, welche
Strecke auf 1,435,000 Schritte geschätzt wird.
In der Folge gab man einen nähern und sicherern Weg
an, nämlich von demselben Vorgebirge nach dem indischen
Hafen Sigerus13). Lange Zeit hielt man diesen ein, bis
der Kaufmann einen noch kürzern ausmittelte, und so
Indien der Gewinnsucht näher brachte; denn man fährt
seitdem jedes Jahr dahin, und besetzt die Fahrzeuge mit
ganzen Schaaren von Bogenschützen, weil der Weg durch
Seeräuber sehr unsicher gemacht ward. Es wird nicht un-
interessant sein, die ganze Tour von Aegypten an, von der
wir erst jetzt genauere Kenntniss haben, näher zu beschrei-
ben. Die Sache verdient Beachtung, denn Indien zieht in
keinem Jahre weniger als 50,000,000 Sesterzen aus unserm
') Darabin. 2) Sitaregan. 3) Garabscherd. 4) Khisch.
■) Righ. 6) Tab. 7) Wahrscheinlich Kharetsch und Kargu.
•) Karun. ») S. 31. Cap. >°j Schuster.
'*) Er feierte seine Hochzeit. I2) Fartasch.
,3) An der Mündung des Tndus.
Sechstes Buch. 453
Reiche und sendet uns Waaren dafür, welche um den
100 fachen Preis verkauft werden. 2000 Schritte von
Alexandrien liegt die Stadt Juliopolis x). Von da fährt
man 308,000 Schritte weit auf dem Ml nach Coptos 2),
wohin man zur Zeit der Etesien in 12 Tagen gelangt.
Von Coptos wird die Reise auf Kameelen fortgesetzt, und
zwar in gewissen, nach den Wasserplätzen sich richtenden
Stationen. Die erste Station heisst Hydreuma 3) und -ist
22,000 Schritte von Coptos entfernt; die zweite eine Tage-
reise weiter auf einem Berge; die dritte an einem andern
Hydreuma, 95,000 Schritte von Coptos; die folgende wieder
auf einem Berge; dann kommt Hydreuma Apollinis, 184,000
Schritte von Coptos; abermals eine auf einem Berge; dann
Hydreuma novum, 230,000 Schritte von Coptos. Es giebt
auch ein Hydreuma vetus, welches das troglodytische heisst,
wo eine Schutzwache von 2000 Mann einquartirt ist, und
das von Hydreuma novum 7000 Schritte entfernt liegt. Dann
kommt die Stadt Berenice 4), mit einem Hafen am rothen
Meere, 258,000 Schritte von Coptos. Da man aber den
grössten Theil der Reise der Hitze wegen bei Nacht macht
und den Tag über ausruht, so dauert die ganze Reise von
Coptos nach Berenice 12 Tage.
Die Seereise beginnt mitten im Sommer vor oder so-
gleich beim Anfange des Aufganges des Hundssternes, und
man gelangt etwa am 30 sten Tage nach Ocelis 5) in Arabien,
oder nach Cane 6) in der weihrauchreichen Gegend. Ein
dritter Hafen heisst Muza7), welcher aber auf der Reise
nach Indien nicht berührt, sondern nur von den Kaufleuten
des Weihrauchs und anderer arabischer Parfümerien wegen
besucht wird. Mehr nach den Innern dieses Landes liegt
die Residenzstadt Saphar 8), und noch eine andere Stadt
Save 9). Die nach Indien Reisenden thun am besten, wenn
') Vermuthlich Nicopolis in Unterägypten.
-) Kuft in Oberägypten. 3) Wasserplatz.
A) Ruinen Haboo Gray. 5) Ghela.
6) Keschim im glücklichen Arabien. 7) Mauschid. 8) Safär.
9) Lag in Jemen, auf dem Berge Szabber.
454 Sechstes Buch.
sie von Ocelis ausfahren. Von hier kommt man mit dem
Winde Hippalus *) in 40 Tagen nach dem ersten indischen
Handelsplatze Muzins 2), dessen Besuch aber wegen der
Seeräuber, welche in dem benachbarten Orte Nitriä 3) woh-
nen, nicht rathsam ist; auch findet man dort nicht viele
Waaren. Ueberdiess liegt auch der Ankerplatz für die
Schiffe zu weit vom Lande, und die Waaren müssen daher
auf Booten hin- und zurückgebracht werden. Hier herrschte,
als ich diess schrieb, Celebothras. Ein anderer bequemerer
Hafen, der den Neacinden gehört, heisst Barace 4). Hier
regierte Pandion in einer weit von dem Stapelplatze ent-
fernten Stadt, Namens Modura 5). Die Gegend aber, aus
der man den Pfeffer in Kähnen, die aus Einem Stamme
gezimmert sind, bringt, wird Cottonara 6) genannt; alle
diese Namen der Völker, Häfen und Städte finden sich bei
keinem der früheren Schriftsteller angeführt; es muss sich
also wohl der Zustand jener Orte geändert haben. Die
Rückfahrt von Indien tritt man zu Anfang des ägyptischen
Monats Tybis, unsers Decembers an, oder doch vor dem
sechsten Tage des ägyptischen Mechiris, d. i. vor unserm
dreizehnten Januar; man begiebt sich also noch in demselben
Jahre wieder dort hinweg. Von Indien aber segelt man
mit dem Ostsüdostwinde, und wenn man ins rothe Meer
gekommen ist, mit dem Südwest- oder Südwinde. Kehren
wir jetzt wieder zum eigentlichen Thema zurück.
27.
Die Küste von Carmanien 7) ist nachNearchus 1,250,000
Schritte lang. Vom Anfange derselben bis zum Flusse
Sabis beträgt die Entfernung 100,000 Schritte. Von da
an bauet man Wein und Feldfrüchte 25,000 Schritte weit
bis zum Flusse Ananis 8). Diese Gegend heisst Armuzia 9).
Zethis 10) und Alexandrien sind Städte in Carmanien.
') Westwind. 2) Mangalore. 3) Carwar. '') Viziadroog.
5) Madura. G) Canara. ") Kerman. 8) Nehr Ibrahim.
9) Wahrscheinlich das heutige Ormus.
i0) Auch Salmunti genannt.
Sechstes Buch. 455
28.
Weiterhin bricht das Meer auch in diesem Theile
Asiens an 2 Stellen ins Land. Unsere Schriftsteller nennen
es das rothe, die Griechen aber das erythräische vom
Könige Erythras, oder weil es, wie Andere annehmen,
durch den Kiickprall der Sonnenstrahlen eine solche Farbe
erhält; Andere leiten seine Farbe von dem Sande und der
Erdart ab, und noch Andere schreiben dem Wasser selbst
diese Beschaffenheit zu. Es bildet 2 Busen; der östliche
heisst der persische, und dessen Umfang beträgt nach
Eratosthenes 2,500,000 Schritte. Ihm gegenüber liegt Ara-
bien, das 1,500,000 Schritte lang ist, und auf seiner andern
Seite von dem zweiten Busen, dem arabischen, umflossen
wird. Der Ocean, welcher sich in beide ergiesst, heisst
der azanische. Der persische Busen ist bei seinem Ein-
gange l) 5000, oder nach Andern 4000 Schritte breit. Von
da bis an den innersten Punkt der Küste beträgt die Ent-
fernung in gerader Linie etwa 1,125,000 Schritte, und in
seinem Umrisse gleicht er einem Menschenkopfe. Onesi-
critus und Nearchus sagen, die Entfernung vom Flusse Indus
bis an den persischen Meerbusen und von da weiter nach
Babylon an den Sümpfen des Euphrat betrage 1,700,000
Schritte.
In einem Winkel von Carmanien findet man die Che-
lonophagen 2), welche ihre Hütten mit den Schalen der
Schildkröten decken und das Fleisch derselben essen. Sie
bewohnen vom Flusse Arabis 3) an das Vorgebirge 4) selbst,
sind mit Ausnahme des Gesichts am ganzen Leibe behaart
und mit Fischhäuten bekleidet. Von ihrem Gebiete aus
gegen Indien zu liegt im Ocean die wüste Insel Caican-
drus 5), welche 50,000 Schritte gross ist, und neben ihr, nur
durch eine Meerenge getrennt, Stoidis 6), wq man starken
Handel mit Perlen treibt. Beim Vorgebirge grenzen an die
') Strasse von Ormus.
2) Schildkrötenesser. 3) Sudschi. *) Jask. 5) Laredsch.
6) Hormus.
456 Sechstes Buch.
Carmauer die Armozeer. Einige setzen die Arbier da-
zwischen, welche einen Küstenstrich von 421,000 Schritten
Länge bewohnen. Hier ist ein Hafen der Macedonier x) und
auf einem Vorgebirge 2) befinden sich Altäre Alexander's.
Flüsse sind der Saganos 3J, dann der Daras 4) und Salsos 5).
Neben letzterem das Vorgebirge Themisteas 6), dann die
bewohnte Insel Aphrodisias r). Hier fängt Persien an und
reicht bis zum Flusse Oratis 8), durch den es von Ely-
mais 9) geschieden wird. Vor Persien liegen die Inseln
Psilos10), Casandra11) und das dem Neptun geheiligte Ara-
cia12) mit einem sehr hohen Berge. Persien selbst liegt
gegen Westen und nimmt auf 550,000 Schritte die Küste
ein; es ist ein überaus reiches Land, das aber schon lange
in dem Namen des Reiches der Parther mit inbegriffen
wird. Von der Herrschaft der letztern müssen wir hier
Einiges sagen.
29.
Der parteiischen Reiche sind in allen 18; so be-
zeichnet man nämlich die zwischen den beiden genannten
Meeren, dem rothen im Süden und dem hyrcanischen im
Norden gelegenen Provinzen. Elf davon, welche die obern
heissen, beginnen an der Grenze Armeniens und der Küste
des v^aspischen Meeres, und reichen bis zu den Scythen,
mit denen sie gleiche Lebensweise haben. Die andern
sieben werden die unteren Reiche genannt. Was das eigent-
liche Parthien anlangt, so lag dasselbe stets am Fusse der
oft genannten Berge13), welche alle diese Völker umgeben.
Oestlich davon wohnen die Arier, gegen Süden die Carma-
nier und Arianer, gegen Westen die pratitischen Meder,
gegen Norden die Hyrcaner. Allenthalben ist es von Wü-
sten umgeben14). Die weiterhin wohnenden Parther heissen
') Jask. 2) MubaruK. 3) Diwrud. 4) Darabin.
s) Litaregan. 6) Kenn. 7) Kischm. 8) Tab. 9) Khusistan.
,0) Buscheab. ») Schittuar. ,2) Kinderabi.
13) Der caucasischen, im 16. Cap.
M) Das eigentliche Parthien umfasste also den östlichen Theil
\"n Irak und den westlichen von Chorassan.
Sechstes Buch. 457
Nomaden; diesseits liegen Wüsten. Gegen Westen sind
ihre, schon A) von uns genannten Städte Issatis und Calliope,
gegen Süd-Ost Europum, gegen Nord-Ost Maria, mitten im
Lande Hecatonpylos 2), die Residenz des Arsaces; die be-
rühmte Stadt Nisäa Parthyenes 3), und die nach seinem
Gründer benannte Alexandropolis.
Bei dieserGelegenheit müssen wir auch die Lage des medi-
sch en Reich esunddie Vordergrenze der Länder bis zum per-
sischen Meere in Betracht ziehen, damit das Folgende leichter
übersehenwerden kann. Medien 4) grenzt westlich an Parthien,.
liegtschräg vor ihm, und schliesst dessen beide Haupttheile ein.
Oestlich davon wohnen also die Caspier und Parther, süd-
lich liegt Sittacene, Susiane und Persien, westlich Adiabene,
und nördlich Armenien. Die Perser haben stets am rothen
Meere gewohnt, und darum heisst auch der Busen der
persische. Das Küstenland selbst heisst Ciribo, der Ort
aber, wo es sich nach Medien hin erhebt, Cliraax, Megale 5),
denn hier gelangt man auf Stufen durch einen engen Ein-
gang 6) auf einen steilen Berg nach Persepolis 7), der Haupt-
stadt des Reiches, die Alexander zerstörte. Ausserdem
befindet sich an der äussersten Grenze das von Antiochus 8)
erbauete Laodicea. Weiterhin gegen Osten haben die
Mager das Kastell Passagardä 9), wo sich das Grabmal des
Cyrus befindet, inne. Ihre Stadt Ecbatana hat Darius an
das Gebirge verlegt. Zwischen den Parthern und Arianern
') Im 17. Cap. 2) Dainaghan.
3) Nesa. Sie war der gewöhnliche Begräbnissort der parthischen
Könige.
4) Irak, Abserbidschan, Ghilan und die westliche Hälfte von
Mazanderan.
5) D. h. die grosse Treppe.
6) Engpass Sukrab beim Schlosse Kalai Sefid.
7) Istakhar in Farsistan, eine Tagereise nördlich von Schiras.
Noch jetzt verkünden prachtvolle Ruinen die ehemalige Grösse.
9) Dem ersten dieses Namens (-282—262 v. Chr.), dem Sohne
des Seleucus Nicator.
9) Darabscherd.
458
Sechstes Buch.
ziehen sich die Parätacener hervor. Durch diese Völker
und den Euphrat werden die untern Reiche eingeschlossen.
Auf die übrigen werden wir, sobald wir Mesopotamien (je-
doch mit Ausnahme der Spitze desselben und der arabischen
Völker, die bereits im vorigen Buche *) angeführt sind)
beschrieben haben, zurückkommen 2).
30.
Ganz Mesopotamien3) war im Besitze der Assyrier,
und bestand, ausser Babylon4) und Ninus5), nur aus zer-
streueten Dörfern; die Macedonier theilten jedoch das Land,
wegen seiner Fruchtbarkeit, in Stadtbezirke. Städte sind,
ausser den schon genannten, Seleucia 6), Laodicea, Arte-
mita7); feiner im Gebiete derjenigen Araber, welche Oreer
und Mardaner heissen: Antiochia8), welche von Mcanor,
einem Statthalter Mesopotamiens, erbauet und Arabis ge-
nannt wurde. Hieran grenzen nach dem Innern zu die
eldamanischen Araber. Oberhalb dieser, am Flusse Pal-
laconta 9) liegt die Stadt Bura, dann folgen die salmanischen
und maseischen Araber. An die Gordyäer stossen die
Aloner, durch deren Gebiet der Fluss Zerbis10) in den
Tigris fällt, die Berg-Silicier und Oronter, deren Stadt
Gaugamela11) gegen Westen liegt; eine andere Stadt ist
Sue, auf Felsen erbauet. Darüber die classitischen Silicier,
durch deren Gebiet der aus Armenien kommende Lycus 12)
fliesst; der Absidris13) gegen Südost, und die Stadt Acochis.
Sodann in der Ebene die Städte Diospage, Polytelia, Stra-
tonice und Anthemus u). In der Nähe des Euphrat Nice-
') V. B. 21. Cap. 2) Im 81. Cap.
3) Mossul, Diarbekr und Rakka.
4) Ruinen nördlich von Hille am Euphrat.
5) Nunia auf der Ostseite des Tigris, jetzt ein Dorf, Mossul
gegenüber.
°) AI Modain. 7) Destagerd. 8) Estetlat. 9) Nehr Kutal.
,0) Auch Zabatus, Anzabas und Lycus genannt, jetzt der grosse
Zarb oder Zab.
") Enkewat. '-) Der kurz vorher genannte Zerbis.
") Altunsa. u) Dscharmely.
Sechstes Buch. 459
pborion a), welches, wie wir bereits gesagt haben 2), auf
Befehl Alexanders wegen der günstigen Lage erbauet
wurde. Von Apamia war schon bei Zeugma die Rede 8).
Reist man von hier nach Osten, so kommt man zu der
befestigten Stadt Caphrena, die sonst 70 Stadien im Um-
fange hatte und die Residenz der Satrapen hiess. In ihr
wurden die Steuern zusammengebracht. Jetzt ist sie bis
auf eine Burg herabgekommen. Noch befinden sich aber
in dem früheren Zustande: Thebata und Oruros 4), die von
dem grossen Pompejus bestimmte Grenzstadt des römischen
Reiches, 250,000 Schritte von Zeugma. Einige berichten,
der Eu ph rat sei da, wo wir sagten, dass er sich theile, auf
Veranstaltung des Statthalters Gobares abgeleitet, damit
er nicht durch seinen reissenden Lauf für Babylon gefähr-
lich werde; in ganz Assyrien heisst er Armalchar, was so
viel bedeutet als königlicher Fluss. An der Ableitungsstelle
lag sonst Agranis, eine der grössten Städte, die aber die
Perser zerstört haben.
Babylon, die Hauptstadt der chaldäischen Völker, be-
hauptete lange Zeit den höchsten Ruhm auf dem ganzen
Erdkreise. Von ihr erhielt das übrige Mesopotamien und
Assyrien den Namen Babylonien. Sie hatte 60,000 Schritte
im Umfange, ihre Mauern waren 200 Fuss hoch, 50 Fuss
breit, und jeder solcher Fuss ist noch 3 Finger breit länger
als bei uns; der Euphrat durchschnitt sie — beides ein
bewundernwerthes Werk. Noch steht dort jetzt der Tem-
pel des Jupiter Belus, welcher der Erfinder der Stern-
kunde ist. Ausserdem ist dort wieder alles öde, denn die
Nähe von Seleucia richtete es zu Grunde. Letztere Stadt
wurde nämlich zu diesem Endzwecke von Nicator 5) bei-
nahe 90 Meilen 6) davon am Zusammenfluss des Euphrat-
canals mit dem Tigris erbaut. Was jedoch gegenwärtig
noch Babylonien heisst, ist frei, hat seine eigene Verfassung
') Rakka. -) V. B. 21. Cap.
3) V. B. 21. Cap. 4) Gorur. 5) Regierte von 312—282 v. Chr.
6 Lapides, 90 römische Meilen sind 18 geographische.
4tj0 Sechstes Buch.
und inacedonische Sitten. Die Stadt soll 600,000 Einwoh-
ner, die Mauern sollen die Gestalt eines die Flügel aus-
breitenden Adlers haben, und der dortige Boden soll der
fruchtbarste im ganzen Orient sein. Um sie von Neuem
auszusaugen, erbaueten die Parther 3 Meilen davon in Cha-
lonitis die Stadt Ctesiphon l), welche jetzt die Hauptstadt
ihrer Reiche ist, Da man aber hierdurch nichts ausrichtete,
so legte kürzlich der König Vologesus eine andere Stadt,
Vologesocerta 2) in der Nähe an. Noch liegen in Mesopo-
tamien die Städte: Hipparenum 3), durch die Gelehrsamkeit
der Chaldäer eben so berühmt, wie Babylon, an einem
Flusse, der in den Narraga 4) mündet und von dem eine
Gemeinde ihren Namen hat. Die Mauern von Hippare-
num haben die Perser zerstört. Die Orchener, ein drittes
Volk, welches chaldäische Wissenschaften treibt, wohnen
in derselben Gegend gegen Mittag; diesen zunächst die
N otiter, Orthophaniter und Gräciocharter.
Nach Nearchus und Onesicritus beträgt der Weg aus
dem persischen Meerbusen auf dem Euphrat nach Babylon
412,000 Schritte. Die spätem Schriftsteller bestimmen die
Entfernung von Seleucia auf 440,000, Juba von Babylon
nach Charax auf 175,000 Schritte. Einige sagen, der Eu-
phrat habe noch oberhalb Babylon, bis zu dem Punkte,
wo er sich aus mehreren Bächen bildet, in ununterbrochenem
Strome eine Länge von 87,000 Schritten; seine ganze Bahn
aber betrage 1,200,000 Schritte. Diese verschiedenen An-
gaben der Schriftsteller rühren von den ungleichen Maassen
her, denn die Perser rechnen auch nach Schönen und Pa-
rasangen, Andere wieder nach andern Maassen. Da wo
er aufhört, das Land durch sein Bett zu schützen, nämlich
in dem an Charax grenzenden Landstriche, machen die
Attaler, ein arabisches Räubervolk, die Gegend unsicher.
Hinter diesen wohnen die Sceniter. Am Euphrat aber bis
') Ruinen am östlichen Ufer des Tigris, denen Seleucia's
gegenüber.
2) Ruinen bei Mesched Ali. 3) Naharda. ') Nehr Sarijet.
Sechstes Buch. 461
zu den syrischen Wüsten, wo er sich, wie wir gesagt haben *),
gegen Mittag wendet und die palmyrenischen Einöden ver-
lässt, wohnen arabische Nomadenvölker2). Seleucia ist
von der Hauptstadt Mesopotamiens für die, welche die
Reise auf dem Euphrat machen, 1,125,000 Schritte entfernt;
vom rothen Meere 3), wenn man auf dem Tigris fährt,
220,000 und von Zeugma 724,000 Schritte. Zeugma liegt
vom syrischen Seleucia 4) an unserer Küste 175,000 Schritte
entfernt. Diess ist hier die Breite der Länder zwischen
den beiden Meeren 5); die des parthischen Reiches aber be-
trägt 918,000 Schritte.
31.
Es liegt auch noch eine Stadt in Mesopotamien am
Ufer des Tigris da, wo sich beide Flüsse vereinigen, welche
Digba 6) heisst. Aber es wird passend sein, auch vom
Tigris selbst zu reden. Er entspringt in einem Theile
Gross- Armeniens , aus einer ansehnlichen Quelle in der
Ebene. Der Ort heisst Elegosine 7). Da wo er noch lang-
sam fliesst, heisst er Diglito 8); von wo er aber anfängt
seinen Lauf zu beschleunigen, hat man ihm den Namen
Tigris gegeben, was in der Sprache der Meder Pfeil be-
deutet. Er fliesst in den See Arethusa 9), der jede hinein-
geworfene Last trägt und Nitrum in Dämpfen aushaucht.
Nur eine Gattung von Fischen lebt darin, und diese ver-
meidet das Wasser des hindurchfliessenden Stromes; ebenso
schwimmen auch keine Fische aus dem Tigris in den See.
Durch seinen Lauf und seine Farbe unterscheidet sich der
Tigris von dem See, und nachdem er ihn verlassen hat,
verbirgt er sich da, wo ihm der Berg Taurus entgegentritt,
in einer Höhle, drängt sich unter dem Berge hindurch und
») V. B. 21. Cap. 2) Im Lande der Wachabiten.
3) Dem persischen Meerbusen, den Plinius als einen Theil des
rothen Meeres betrachtet.
*) Kebse.
5) Dem mittelländischen Meere und dem persischen Meerbusen.
6) Bei Ptolemäus Didigua, jetzt Korma. 7) Pali. 8) Dischlett.
fl) Nasik.
462
Sechstes Buch.
bricht auf der andern Seite wieder hervor, und zwar bei
dem Orte Zoroanda 1). Dass er es ist, erweist sich da-
durch, dass er das, was man auf der entgegengesetzten
Seite in ihn geworfen hat, hier wieder mit sich führt. Da-
rauf durchströmt er einen andern See, dem Thospites 2),
verbirgt sich nochmals in Höhlen und kommt nach einer
Strecke von 22,000 Schritten bei Nymphaeum wieder zum
Vorschein. Nach dem Berichte des Kaisers Claudius kommt
er in der Gegend von Arrhene 3) so nahe am Arsanias 4)
vorbei, dass beide Flüsse, wenn sie anschwellen, zusammen-
fliessen, sich aber nicht vermischen, sondern der leichtere
Arsanias schwimmt fast 4000 Schritte weit auf jenem, trennt
sich dann wieder und ergiesst sich in den Euphrat. Der
Tigris aber macht, nachdem er Armenien verlassen und
die bedeutenden Flüsse Parthenia* 5) und Nicephorion 6)
aufgenommen hat, die Grenze zwischen den oreischen
Arabern und Adiabenern, bildet dann das schon erwähnte
Mesopotamien, berührt die gordyäischen Gebirge bei der
mesenischen Stadt Apamia, und theilt sich 125,000 Schritte
oberhalb des babylonischen Seleucia in 2 Arme, von denen
der eine südlich durch Mesene nach Seleucia geht, der an-
dere aber sich nach Norden wendet und im Rücken der
Mesener die cauchischen Felder durchschneidet. Da wo
sich seine Wässer wieder vereinigen, wird er Pasitigris
genannt. Nachher nimmt er den aus Medien kommenden
Choaspes 7) auf, fliesst, wie wir gesagt haben8), zwischen
Seleucia und Ctesiphon durch, ergiesst sich in die chaldäi-
schen Seen und füllt sie in einer Weite von 70,000 Schritten
an. Hierauf strömt er in einem weiten Bette heraus, und
fällt zur Rechten der Stadt Charax in einer 10,000 Schritte
breiten Mündung in das persische Meer. Zwischen den
') Betlis. '-) Bulaniköi. 3) Erzerum.
*) V. B. 20. Cap. 5) Murad. 6) Khabur.
7) Kerrah oder Kara Su. Er hatte seinen Namen von der Berg-
kette Choaapes erhalten, die noch jetzt Khor Asp heisst.
«) Im 26. Cap.
Sechstes Buch. 463
Mündungen beider Flüsse *) betrug früher die Entfernung
25,000, oder nach Andern 7000 Schritte und beide waren
schiffbar. Allein schon seit langer Zeit haben die Orehener
und die übrigen anwohnenden Völker den Euphrat abge-
dämmt, um ihre Felder zu bewässern; daher ergiesst er
sich nur durch den Tigris ins Meer.
Der dem Tigris zunächst liegende Distrikt heisst Pa-
rapotamia, wozu das schon erwähnte Mesene gehört. Eine
Stadt darin heisst Dabitac 2). Hieran grenzt Chalonitis mit
der Stadt Ctesiphon 3), welche nicht nur durch ihre Pal-
menwälder, sondern auch durch Obst- und andere Wälder
berühmt ist. Bis an diese Landschaft erstreckt sich der
Berg Zagrus 4), der sich oberhalb Parätacene 5) und Persis
von Armenien her zwischen Medien und Adiabene herab-
zieht. Chalonitis ist von Persis 380,000 Schritte entfernt.
Ebensoviel soll auch, nach Einigen, der kürzeste Weg vom
caspischen Meere bis Assyrien betragen.
Zwischen diesen Völkern und Mesene liegt Sittacene 6),
auch Arbelitis und Palästine genannt. Städte darin sind:
östlich Sittace, von den Griechen angelegt und Sabdata;
westlich aber Antiochia zwischen den beiden Flüssen Tigris
und Tornadotus 7). Ferner Apamia, welche Antiochus 8)
nach seiner Mutter 9) benannte; sie wird vom Tigris um-
flossen, und vom Archous durchschnitten.
Weiter unten liegt Susiane le), worin der von Darius u),
dem Sohne des Hystaspis, erbauete alte Sitz der persischen
Könige, Susa 12), 450,000 Schritte vom babylonischen Seleu-
cia und ebenso weit von Ecbatana in Medien über den
Berg Charbantus 13) entfernt. Am nördlichen Bette des
Tigris liegt die Stadt Babytace; sie ist von Susa 135,000
Schritte entfernt, und der einzige Ort in der Welt, dessen
*) Euphrat und Tigris. 2) Degel.
3) Im 30. Cap. 4) Tak. 5) Beglerbegschaft Ispahan.
6) Zwischen Bagdad und Khusistan. 7J Odorneh.
8) Der erste, 282—262 v. Chr. 9) Apame. 10) Khusistan.
») 522—486 v. Chr. ,2) Schuster.
13) Demawend, ein Zweig des Zagrus.
4ß4. Sechstes Buch.
Bewohner aus Hass Gold zusammen tragen und es ver-
graben, damit es Niemand gebrauche. An die Susianer
grenzen gegen Osten die räuberischen Oxier, und 40 Stämme
der freien und wilden Mizäer x). Ueber ihnen wohnen die
Partheser, Marder, Saiter und Jer 2), welche letztere sich
oberhalb Elymais, das, wie schon erwähnt 3), an die Küste
an Persien stösst, ausbreiten. Die Entfernung vom per-
sischen Meere nach Susa beträgt 250,000 Schritte. Da
wo Alexanders Flotte auf dem Pasitigris nach dieser Stadt
segelte, liegt am chaldäischen See das Dorf Aple4), von
dem Susa zu Wasser 60,000 Schritte entfernt ist. Oestlich
von den Susianern wohnen zunächst die Cossiäer5); ober-
halb der Cossiäer nördlich liegt am Fusse des Gebirges
Cambalidus 6), der ein Zweig des Caucasus ist, Mesaba-
tene 7). Hier ist der bequemste Weg zu den Bactriern.
Susiane wird von Elymais durch den Fluss Euläus 8)
getrennt. Letzteren entspringt in Medien, verbirgt sich auf
eine kurze Strecke unter der Erde, fliesst nach seinem
Wiedererscheinen durch Mesabatene, umspült die Burg
von Susa und den von jenen Völkern hoch verehrten Tempel
der Diana, und steht selbst in grossen Ehren, denn die
Könige trinken aus keinem andern Flusse, und führen sein
Wasser deshalb auf weiten Reisen mit sich. Er nimmt
den Fluss Hedypnus 9), der bei dem persischen Asylus vor-
beiströmt, und den aus Susiane kommenden Aduna10) auf.
An seinem Ufer liegt die Stadt Magoa, 15,000 Schritte von
Charax entfernt, Einige Schriftsteller versetzen diese Stadt
an die äusserste Grenze von Susiane, nahe an die Wüsten.'
Unterhalb des Euläus liegt Elymais11), das an der
Küste mit Persien zusammenhängt; es erstreckt sich auf
240,000 Schritte weit vom Flusse Oroates 12) bis nach
') In Luristan.
-) In Kurdistan. 3) Im 28. Cap. '•) Daurak. 5) In Khusistan.
8) Ein Zweig des Deinawend. 7) Ein Theil von Luristan.
*) Ist der oben erwähnte Choaspes. 9) Dscherahi.
I0) Absal. ») Der südliche Theil von Khusitan. ,2) Tab.
Sechstes Buch. «^ 465
€harax. Ihre Städte, Seleucia l) und Sosirate a), liegen am
Berge Chasyrus. Wir haben schon angeführt 3) , dass die
vorliegende Küste wegen des Morastes, gleichwie die klei-
nern Sandbänke, unzugänglich sei, denn die Flüsse Brixas
und Ortaceas führen sehr viel Schlamm mit sich herab,
und Elyma'is selbst ist so sumpfig, dass man, um nach
Persis zu kommen, dasselbe umgehen muss. Auch wird
es von Schlangen, welche die Flüsse herunterbringen, heim-
gesucht. Der unwegsamste Theil desselben heisst nach
der Stadt: Characene und schliesst die arabischen Reiche
ab; wir werden darauf zurückkommen, nachdem wir zuvor
die Meinung Marcus Agrippa's angeführt haben. Derselbe
giebt nämlich an, dass Medien, Parthien und Persien im
Osten vom Indus, im Westen vom Tigris, im Norden vom
Taurus und Caucasus, und im Süden vom rothen Meere
begrenzt würden, 1,320,000 Schritte lang und 840,000
Schritte breit seien. Ausserdem grenze Mesopotamien für
sich allein östlich an den Tigris, westlich an den Euphrat,
nördlich an den Taurus und südlich an das persische
Meer; seine Länge betrage 800,000 und seine Breite 360,000
Schritte.
Die Stadt Charax liegt am innersten Theile des per-
sischen Meerbusens, da wo das mit dem Beinamen Eudä-
mon 4) bezeichnete Arabien ausläuft, ist auf einer künstlichen
Anhöhe zwischen den sich hier vereinigenden Flüssen
Tigris und Euläus, von denen ersterer rechts, der andere
links kommt, erbauet und nimmt einen Flächenraum von
3000 Schritten ein. Alexander war ihr erster Gründer;
er führte Colonisten aus der damals zerstörten Königsstadt
Durina, liess die unbrauchbaren Soldaten dort zurück, und
befahl, die Stadt Alexandria, den Bezirk aber, den er den
Macedoniern eigenthümlich überliess, nach seinem Vater-
lande den pelläischen zu nennen. Die Flüsse richteten
jedoch die Stadt zu Grunde; später stellte sie Antiochus,
*) Hawisa. -j Dorak. 3) Im 29. Cap. 4) Das glückliche.
30
ji-u Sechstes Buch.
der fünfte König '), wieder her, und benannte sie nach
seinem Namen. Nach einer nochmaligen Zerstörung stellte
sie Pasines, der Sohn des Aogdonacus , König der benach-
barten Araber, den Juba irrigerweise für einen Statthalter
des Antiochus hält, durch Errichtung von Dämmen wieder
her, gab ihr seinen Namen und brachte in der Umgebung
derselben auf eine Länge von 3000 Schritten und eine
etwas geringere Breite Schutzmittel (gegen das Wasser)
an. Früher lag sie nur 10 Stadien von der Küste und
jetzt hat sie einen Seehafen, Vipsanda; Juba giebt aber
schon ihre Entfernung vom Meere auf 50,000 Schritte an,
und jetzt liegt sie nach den Berichten der arabischen
Gesandten und unserer Kaufleute, welche dort gewesen
sind, 120,000 Schritte davon. Nirgends auf der Erde hat
wohl das Land mehr und schneller durch das Anschwemmen
der Flüsse gewonnen wie hier. Noch wunderbarer ist es
aber, dass es durch die weit über die Stadt gehende Fluth
nicht wieder weggerissen wird. Diese Stadt ist auch be-
kanntlich der Geburtsort des Dionysius, des neuesten geo-
graphischen Schriftstellers, den der Kaiser Augustus seinem
nach Armenien zur Führung der parthischen und arabischen
Angelegenheiten gehenden altern Sohne 2) in den Orient
vorausschickte, um sich von Allem Kunde zu verschaffen.
Ich weiss allerdings und habe es nicht vergessen, dass ich
im Eingange dieses Werkes erklärte, immer denjenigen
Schriftsteller, der sein eigenes Vaterland beschrieb, als den
zuverlässigsten benutzen zu wollen; bei diesem Abschnitte
jedoch ziehe ich es vor, den römischen Waffen und dem
König Juba, welcher mehrere Bücher über jenen arabischen
Feldzug für ebendenselben Kaiser Cajus schrieb, zu folgen.
32.
Arabien, das keinem andern Lande nachgesetzt werden
darf, hat einen sehr bedeutenden Umfang und zieht sich
') Auch der Grosse genannt, regierte von 224 — 187 v. Chr.
2) Sein Adoptivsohn Cajus, Sohn des Marcus Agrippa und der
Julia, der Tochter des Augustus.
Sechstes Buch. 4^7
(wie schon erwähnt) l) von dem Berge Amanus 2), von Ci-
lioien und Commagene herab, indem Tigranes der Grosse 3)
von dorther viele Völker hereinführte, andere aber, wie
ebenfalls berichtet 4), sich an unserem Meere 5) und der
ägyptischen Küste freiwillig niederliessen, und die Nubeer,
an welche die Ramiser greuzen, sogar in die Mitte von
Syrien bis an den Berg Libanus vorgedrungen sind. Auf
die Ramiser folgen die Taraneer und die Pataneer 6). Die
Halbinsel Arabien selbst aber, welche zwischen dem rothen
und persischen Meere ausläuft, ist durch eine gewisse
künstliche Anordnung der Natur Italien an Gestalt und
Grösse ähnlich, wie dieses vom Meere umflossen, und liegt
auch genau in derselben Richtung der Himmelsgegend.
Auch dieses Land ist durch solche Lage glücklich. Die
Völker desselben, welche von unserm Meere an bis an die
palmyrenischen Wüsten wohnen, haben wir bereits genannt 7) ;
jetzt wollen wir die noch übrigen durchgehen. An die
von da ab8) wohnenden Nomaden, die mit den Chaldäern
in Feindschaft leben, schliessen sich (wie gesagt) 9) die
Sceniter; auch diese sind ein umherziehendes Volk und
haben ihren Namen von den aus Ziegenhaaren verfertigten
Zelten10), die sie aufschlagen, wo es ihnen gutdüukt. Die
dann folgenden Nabatäer um wohnen die Stadt Petra11), die
in einem Thale liegt, das beinahe 2000 Schritte im Durch-
messer hat, von unzugänglichen Bergen eingeschlossen und
von einem Flusse durchschnitten ist. Sie ist von der Stadt
Gaza an unserer Küste 600,000, vom persischen Meerbusen
135,000 Schritte entfernt. Hier kommen 2 Strassen zusam-
') Im V, B. 20. und 21 Cap. 2) Almadagh.
a) König von Syrien, 84 — 66 v. Chr., der von Pompejus besiegt
wurde.
4) Im V. B. 12. Cap. 5) Dem mittelländischen.
6) Alle diese Volksstämme wohnten in dem wüsten Arabien
(Nadsched).
7) Im V. B. 12. und 21. Cap.
8) Von den palmyrenischen Einöden an. 9) Im 30. Cap.
,0) Griech: axijvcti. ") Wady Musa.
30*
4(J8
Sechstes Buch.
men; die eine gehen die, welche von Syrien nach Palmyra
reisen, die andere aber die, welche von Gaza kommen.
Von Petra bis Charax l) wohnten einst die Omaner, in den
ehemals berühmten, von der Semiramis gegründeten Städten
Bessanisa und Soractia. Jetzt sind es Einöden. Dann
folgt am Ufer des Pasitigris eine dem Könige der Chara-
cener unterworfene Stadt, Namens Fora 2), wo die von Petra
herkommenden Reisenden sich versammeln und dann den
12,000 Schritte langen Weg nach Charax mit der Fluth
fahren. Denjenigen aber, die zu Schiffe aus dem parthischen
Reiche kommen, dient das Dorf Teredon unterhalb des
Zusammenflusses des Euphrat und Tigris zum Sammelplatze.
Zur Linken des Flusses wohnen die Chaldäer und zur
Rechten die scenitischen Nomaden. Einige führen noch 2
andere weit von einander entfernte Städte, bei welchen
man auf dem Tigris vorbeiscbiffe, an: Barbatia und Thu-
mata; letztere soll, nach Angabe unserer Kaufleute, von
Petra 10 Schiffstagereisen entfernt und dem Könige der
Characener unterthan sein; und Apamia soll da liegen, wo
der gedämmte Euphrat mit dem Tigris sich vereinigt.
Wenn daher die Parther einen Einfall unternehmen wollen,
so werden sie durch eine, mittelst aufgeführten Dämmen
bewirkte Ueberschwemmung zurückgehalten.
Nun wollen wir von der Küste bei Charax, welche
zuerst von Epiphanes 3) näher erforscht wurde, reden.
Hier ist zu bemerken: die Stelle, wo früher die Mündung
des Euphrat war, der Fluss Salsus, das Vorgebirge Chal-
done 4) , eine 50,000 Schritte lange Strecke an der Küste,
welche mehr einem Strudel als einem Meere gleicht; der
Fluss Achenum, 100,000 Schritte lange Wüsten bis zur
Insel Ichara 6). Der capeische Meerbusen 6), an dem die
'• ') In dem Theile der Wüste, welcher jetzt Bahia oder auch
Barr Arab heisst.
*) Basra.
3) Antiochus Epiphanes, König von Syrien 176—164 v. Chr.
*) Maacati SaYf. B) Phelesched. ?) Golf von Grän.
Sechstes Buch. 469
Gauloper und Chatener wohnen. Der gerraische Busen x).
Die 5000 Schritte weite Stadt Gerra 2), deren Thürme aus
Quadern von Salzstein erbauet sind. 50,000 Schritte von
der Küste die Landschaft Attene; dieser gegenüber die
Insel Tylos 3), 50,000 Schritte von der Küste, weitberühmt
wegen der vielen Perlen, mit einer Stadt gleichen Namens 4).
Daneben liegt eine andere kleinere, 12,500 Schritte vom
Vorgebirge der andern entfernt. Weiterhin soll man noch
mehrere grosse Inseln erblicken, zu denen man aber noch
nicht gelangt ist. Die letztgenannte soll 112,5000 Schritte
im Umfange haben, von Persien noch weiter entfernt sein,
und nur durch eine einzige enge Fahrstrasse soll man zu
ihr gelangen können. Die Insel Asclie 5). Die Nocheter,
Zuracer, Borgoder, Cataräer, Nomaden. Der Fluss Cynos 6).
Weiterhin ist, nach Juba's Bericht, die Schifffahrt auf dieser
Seite wegen der Felsen noch nicht versucht worden, doch
lässt er die Omaner und ihre Stadt Batrasaves unerwähnt,
welche letztere von frühern Schriftstellein als berühmter
Hafen Carmaniens geschildert wird; desgleichen auch Omnä
und Athanä, welche unsere Kaufleute zu den bedeutendsten
Städten am persischen Meerbusen zählen. Auf den Fluss
Canis folgt, nach Juba, ein Berg, der wie verbrannt aus-
sieht. Die Epimaraniter; dann die Ichthyophagen; eine
wüste Insel; die Bathymer. Die eblitäischen Berge 7); die
Insel Omönus 8); der Hafen Mochorbe9); die Inseln Etaxalos
und Jnchobrice; die Cadäer. Viele Inseln ohne Namen;
die berühmten Inseln Isura, Rhinnea und die nächste, auf
welcher sich steinerne Säulen mit unbekannten Buchstaben
befinden. Der Hafen Gobäa, die wüsten bragischen Inseln.
Die Thaludäer. Die Landschaft Dabanegoris, der Berg
Orsa mit einem Hafen. Der Meerbusen Duatus; viele Inseln.
Der Berg Tricoryphos. Die Landschaft Cardaleon; die
Inseln Solanades, Cachina; die Inseln der Ichthyophagen.
«) Golf von El Katif. 2) El Katif. 3) Bahrein. 4) Menaina.
5) Gussor Sahwi. 6) Falg? 7) In der Landschaft Oman.
») Fahhal. ») Mascate.
470 Sechstes Buch.
Sodann die Glarer. Die Küste Hamniäum, wo Gold vor-
kommt. Die Landschaft Canauna; die Apitamer und Ga-
saner. Die Insel Devade; die Quelle Gorolis, die Carphater.
Die Insel Caläu und Amnametbu. Die Darrer. Die Insel
Cbelonitis; mehrere der Ichthyophagen; Odanda, wüste;
Basa und viele der Sabäer. Die Flüsse Thanar und Amnon;
die Dorischen Inseln. Die Quellen Daulotes und Dora.
Die Inseln Pteros. Labatanis, Coboris, Sambracbate, und
eine Stadt gleichen Namens auf dem Festlaude. Gegen
Mittag mehrere Inseln, unter denen Camari die grösste
ist. Der Fluss Musecros; der Hafen Laupas. Die sabäi-
sehen Sceniter. Mehrere Inseln; der Stapelplatz derselben
Acila, von wo aus man nach Indien schifft. Die Landschaft
Amithoscuta; Damnia. Die grossen und kleinen Mizer: die
Drimater. Das Vorgebirge der Naumacbäer l) liegt Carnia-
nien gegenüber und ist 50,000 Schritte davon entfernt. Von
dieser Gegend erzählt man eine merkwürdige Geschichte:
Nuruenius, der vom Könige Antioehus zum Statthalter in
Mesene eingesetzt war, soll daselbst au ein und demselben
Tage eine Flotte besiegt, nach Rückkehr der Fluth wie-
derum mit der Reiterei gegen die Perser gekämpft und
an demselben Orte 2 Trophäen dem Jupiter und dem
Neptun errichtet haben.
Gegenüber im hohen Meere liegt die Insel Ogyris -),
bemerkenswert!) wegen des Grabmals des Königs Erythras.
Sie ist vom Festlande 120.000 Schritte entfernt uud hat
112,000 Schritte im Umfange. Nicht weniger berühmt ist
Dioscoridu3)imazanischen Meere, welche vonSyagrum4), dem
äussersten Vorgebirge, 280,000 Schritte davon entfernt liegt.
Ausserdem wohnen auf dem Festlande gegen Süden
noch die Ausariter, von wo man in 7 Tagen in das Gebirge
gelangt. Die Larendaner, Catabaner, Gebaniter in mehre-
ren Städten, von denen Nagia und Thomna5) mit 65
Tempeln, nach deren Anzahl man den Umfang der Städte
schätzt, die grössten sind. Ein Vorgebirge 6), welches vom
') Cap Mussendom. -) Hormus. 3) Socotora.
*) Fartasch. 5) Szanna in Jemen? 6) Cap Bogashua.
Sechstes Buch. 471
Festlande der Troglodyten 50,000 Schritte entfernt ist. Die
Toaner, Actäer, Chatramotiter, Tomabeer, Antidaleer, Le-
xianer, Agräer, Cerbaner, arabischen Sabäer, die den besten
Weihrauch liefern, und deren Stämme sich bis zu beiden
Meeren hin erstrecken. Städte derselben am rotben Meere
sind: Marane, Marma, Corolia, Sabatha1); im Innern aber:
Nascus, Cardava, Carnus, und Tomala 2), wohin die Räucher-
waaren gebracht werden. Eine Abtheilung derselben sind
die Atramiter 3), deren Hauptstadt Sabota 4) 60 Tempel in
ihren Mauern einschliesst. Die königliche Residenz von
allen ist jedoch Mariaba ■'). Ihr Gebiet erstreckt sich
94,000 Schritte weit am Meerbusen, der mit gewürztragen-
den Inseln erfüllt ist. An die Atramiter grenzen im Innern
des Landes die Minäer6); am Meere wohnen die Elamiter,
beide mit Städten gleichen Namens. Daran grenzen die
Chaculater. Die Stadt Sibi, die von den Griechen Apate
genannt wird. Die Arser, Codaner, Vadeer mit einer grossen
Stadt; die Barasasäer, Lechiener, die Insel Sygaros 7), auf
die keine Hunde gehen, und wenn sie dort ausgesetzt
werden, so irren sie so lange am Ufer herum, bis sie sterben.
Der innerste Busen 8), an welchem die Leaniter, von denen
er den Namen erhalten hat, wohnen. Der Königssitz der-
selben ist Agra 9j. Ferner liegt an dem Busen: Läana,
oder, nach Andern, Aelana10); denn selbst den Busen nennen
unsere Schriftsteller den älanitischen, Andere den älenitischen,
auch Artemidorus den alenitischenund Juba den läanitischen.
Der Umfang Arabiens von Charax bis Läana soll 4,666,000
Schritte betragen; Juba nimmt ihn etwas geringer, nämlich
zu 4,000,000 an. Am breitesten ist es im Norden zwischen
den Städten Heroum n) und Charax.
Nun wollen wir auch zu dem Innern übergehen. An
die Nabateer lassen ältere Schriftsteller die Thimaneer
») Schiwan. 2) Tajef. 3) Landschaft Hadramant.
4) Sabbea. 5) Mareb. 6) In der Gegend von Mekka.
7) Kubbet Dschambo. 8) Golf von Akaba 9) Akaba.
w) Ailah. M) Abukescheid.
472 Sechstes Buch.
grenzen; jetzt aber sind es die Tavener, Suellener, Arra-
cener. Eine Stadt, wo alle Handeltreibenden zusammen-
kommen, Namens Areni. Die Hemnater und Aualiter mit
den Städten Domatha und Hegra; die Thamudäer mit der
Stadt Badanatha; die Carreer mit der Stadt Carriati1):
die Achoaler mit der Stadt Foth ; die Minäer, die, wie man
glaubt, von dem kretischen Könige Minos abstammen solleu:
die Charmäer, ein Stamm der letztern. Die 14,000 Schritte
grosse Stadt Marippa Palmalacum ist auch werth angeführt
zu werden, desgleichen Carnon. Die Rhadamäer, für deren
Stammvater Rhadamanthus, Minos Bruder, gehalten wird.
Die Homeriten mit der Stadt Massala, die Hamireer, Ged-
raniter, Amphryer, Jlisaniter, Bachiliter, Samneer, Amitheer
mit den Städten Nessa und Cennesseris. Die Zamarener
mit den Städten Sagiatta, Canthace und Bacascamis. Die
Stadt Riphearma, mit welchem Worte man dort die Gerste
bezeichnet. Die Auteer, Raver, Cyreer, Mathatäer, Helmo-
dener mit der Stadt Ebode. Die Agacturer in den Bergen
mit einer 20,000 Schritte grossen Stadt, in der die Quelle
Aenuscabales sich hefindet, welcher Name „Stadt der Ka-
meele" bedeutet. Die milesische Colonie Ampelane, die
Stadt Athrida; die Calingier, deren Stadtname Mariva so
viel als „Herren über Alle" bezeichnet. Die Städte Palon,
Murannimal an einem Flusse, durch den der Euphrat wieder
aus der Erde hervorkommen soll. Die Agreer und Ammo-
nier; die Stadt Athene, die Caunaraver, deren Name „die
Reichsten an Rindvieh" bedeutet. Die Coraniter, Osaner,
Cianer. Auch lagen hier die griechischen Städte Arethusa,
Larissa und Chalcis, sie sind aber in mehreren Kriegen
zerstört worden.
Der Einzige, welcher bis jetzt die römischen Waffen
bis in dieses Land trug, war der Ritter Aelius Gallus:
denn Cajus Caesar, der Sohn des Augustus, sah bloss Ara-
bien, ohne hineinzukommen. Gallus zerstörte die von
frühern Schriftstellern gar nicht genannten Städte Negrana.
l) Karjothain?
Sechstes Buch. 47$
Nestus, Nesca, Masugum, Caminacum, Labecia und da»
obengenannte Mariva, dessen Umfang 6000 Schritte betrug;
endlich Caripeta, welche der entfernteste Punkt seines Vor-
dringens war. Uebrigens brachte er folgende Nachrichten
mit: Die Nomaden leben von Milch und dem Fleische wilder
Thiere; die übrigen Völker pressen, wie die Indier, Wein
aus Palmen und Oel aus Sesam. Am zahlreichsten sollen
die Homeriter sein; die Minäer haben fruchtbares Land mit
Palmen- und andern Wäldern und viel Vieh. Die Cerbaner
und Agräer, vorzüglich aber die Chatramotiter sind sehr
kriegerisch. Die Carreer besitzen die grössten und frucht-
barsten Aecker. Die Sabäer haben die an Räucherwerk
reichste Waldungen, das meiste Gold, gutbewässerte Aecker,.
viel Wachs und Honig. Von den Räucherwerken wollen
wir in einem andern Buche *) reden. Die Araber tragen
Mützen oder lassen das Haupthaar nicht scheeren; der
Bart wird abgenommen, nur nicht auf der Oberlippe; An-
dere lassen auch den ganzen Bart stehen. Es ist merk-
würdig, dass die Hälfte dieser unzähligen Völker vom
Handel, die andere Hälfte dagegen vom Raube lebt. Im
Allgemeinen sind sie sehr reich, denn bei ihnen bleiben
die grössten Schätze der Römer und Panther, da sie Alles,
was ihnen das Meer und die Wälder verschafft, verkaufen
und dagegen nichts wieder einhandeln.
33.
Jetzt wollen wir die übrige Arabien gegenüberliegende
Küste durchnehmen. Timosthenes schätzte den ganzen
Busen2) zu 4 Seetagereisen in der Länge und zu 2 in der
Breite, die Meerenge aber auf 7500 Schritte. Eratosthenea
sagt, die Länge einer jeden Küste von der Mündung an
betrage 1,300,000 Schritte. Nach Artemidorus beträgt die
Länge der arabischen Seite 1,750,000 und die der troglo-
dy tischen bis Ptolemais 1,137,000 Schritte; nach Agrippa
1,722,000, ohne Unterschied der beiden Seiten. Die Breite
geben die Meisten zu 475,000 an, und die Mündung gegen
>) Im XII. 2) Des rothen Meeres.
474 Sechstes Buch.
Südost ist nach Einigen 12,000, nach Andern 15,000 Schritte
breit.
Die Lage selbst ist aber folgende. Auf den aelani-
tischen Busen *) folgt ein anderer 2), den die Araber Soean
nennen, und an welchem die Stadt Heroum 3) liegt. Auch
lag dort zwischen den Nelern und Marchadern Cambysu,
welches von den dahiugefiihrten Kranken der Armee ge-
gründet war. Die Tyrer und der Hafen Daneon. Sesostris,
König von Aegypten, war der erste, welcher den Plan hatte,
von hier aus einen schiffbaren Kanal bis zu der Stelle des
Nils, wo er das erwähnte Delta bildet, in einer Länge von
620,500 Schritten (welches die Entfernung des Flusses vom
rothen Meere ist) zu ziehen; dann folgte Darius, der König
der Perser und endlich der zweite Ptolemäus 4). Dieser
führte auch wirklich einen 100 Fuss breiten und 40 Fuss
tiefen Graben auf einer Strecke von 37,500 Schritten bis
zu den bittern Quellen 5) fort. Weiter fortzuschreiten
schreckte ihn jedoch die Furcht vor einer Ueberschwem-
mung ab, denn man hatte die Erfahrung gemacht, dass
das rothe Meer 3 Ellen höher sei als das Land von Ae-
gypten 6). Andere führen nicht diesen Grund an, sondern
sagen, man habe gefürchtet, das Nilwasser, welches einzig
und allein zum Trinken diene, durch das Meerwasser
zu verderben. Nichtsdestoweniger wird die Reise vom
ägyptischen Meere aus häufig zu Fuss gemacht und zwar
auf dreifachem Wege. Der eine geht von Pelusium durch
Sandwüsten, den man aber, da der Wind gleich jede Spur
verwehet, nicht verfolgen könnte, wenn nicht eingesteckte
Rohre ihn bezeichneten. Ein zweiter läuft 2000 Schritte
hinter dem Berge Casius weg, kommt aber nach einer
') Golf von Akaba. 2) Golf von Bahr el Kolsum.
3) Abukacheid.
4) Ptolemäus Philaclelphus 285—246 v. Chr.
5) Oder vielmehr bittern Seen. Sie liegen nördlich von der
Spitze des rothen Meeres und sind von demselben nur durch Sand-
nügel getrennt.
•) Es ist diess der in neuester Zeit vollendete Suezkanal.
Sechstes Buch. 475
Strecke von 60,000 Schritten mit dem pelusischen Wege
zusammen. An ihm wohnen die autäischen Araber. Der
dritte führt von Gerrhum *), welches auch Adipson 2) heisst,
aus durch das Gebiet derselben Araber und 60,000 Schritte
näher, aber über rauhe Berge und hat Mangel an Wasser.
Alle diese Wege führen nach Arsinoe 3), welches Ptolemäus
Philadelphus am Busen Charandra erbauete und nach
seiner Schwester benannte; derselbe brachte auch die ersten
Nachrichten über das Land der Troglodyten und gab dem
bei Arsinoe vorbeifliessenden Flusse den Namen Ptolemäus.
Dann kommt die kleine Stadt Aennum, die Andere Philo -
tera nennen; darauf die aus der Vermischung mit den
Troglodyten entsprungenen Abasäer und die wilden Araber.
Die Inseln Sopirene und Scytala4); die Wüsten bis Myos-
hormos 5), wo die Quelle Tadnos 6) ist. Der Berg Aeas 7).
Die Insel Jambe8); viele Häfen. Berenice, eine nach der
Mutter des Philadelphus benannte Stadt, zu der, wie wir
gesagt haben 9), ein Weg von Coptos führt. Die autäischen
Araber und die Zebadeer.
34.
Dann folgt Troglodytice10), welches die Alten Michoe,
Andere Midoe nannten. Hier liegen der Berg Pentedactylos11);
einige Inseln, Stenä Deirä genannt, eine andere nicht we-
niger zahlreiche Gruppe, die Halonnesen; Cardamine, To-
pazos12), von der ein Edelstein seinen Namen hat. Ein
mit Inseln erfüllter Busen, von denen die, welche Mareu
heissen, wasserreich, die aber Eranos heissen, arm an
Wasser sind. Dort herrschten königliche Statthalter. Im
Innern wohnen die Candeer, die Ophiophagen heissen, weil
sie Schlangen essen, an denen kein Gebiet fruchtbarer ist
als dieses.
*) Anderthalb Meilen östlich von Pelusium.
2) Das Durststillende; spottweise,weil es kein Trinkwasser hatte.
3) Adsjerud. 4) Vielleicht Jubal und Jaflatine.
s) Altcosseir. b) Derfani. 7) Gebel Amahr. 8) Babuto.
9) Im 26. Cap. 10) Die Küste von Habesch und Nubien.
»») Rasel Enf. ,J) Zemorgete.
476
Sechstes Buch.
Juba, der diese Gegenden am sorgfältigsten behandelt
zu haben scheint, hat jedoch (wenn es nicht ein Fehler
der Abschriften ist) ein zweites Berenice, mit dem Beina-
men Panchrysos J), und ein drittes, mit dem Beinamen
Epidires 2), welches sich durch seine Lage auszeichnet,
vergessen. Letzteres steht nämlich auf einer weit vorlau-
fenden Anhöhe, da wo die Mündung des rothen Meeres
7500 Schritte breit ist. Dort liegt auch die Insel Cytis %
auf der ebenfalls Topas gefunden wird.
Weiterhin liegen die Waldungen, wo Philadelphus die
Stadt Ptolemais 4) am See Monoleus wegen der Elephanten-
jagden anlegte, weshalb dieselbe auch den Beinamen Epi-
theras 5) erhielt. Dies ist die bereits im 2. Buche 6) von
uns erwähnte Gegend, in welcher 45 Tage vor und eben-
so lange nach dem Sommer-Solstitium die Schatten allemal
um die 6. Stunde verschwinden, in den übrigen Stunden
dieser Tage aber nach Mittag und an den übrigen Tagen
nach Mitternacht fallen, während in dem zuerst erwähnten
Berenice nur am Tage des Solstitii um die sechste Stunde
kein Schatten stattfindet. Wir wollen von dieser Stadt
weiter nichts Neues anmerken, als dass sie 602,000 Schritte
von Ptolemais entfernt ist — ein Gegenstand von der
grössten Wichtigkeit, und eine Gelegenheit zu Anwendung
des feinsten Scharfsinnes, weil man dadurch in das Innere
der Welt eindringt, denn Eratosthenes begann aus dem
unbezweifelten Verhältniss des Schattens die Grösse der
Erde zu bestimmen. Nun folgt das azanische Meer7); ein
Vorgebirge, das Einige Hispalum nennen; der SeeMandalum;
die Insel Colocasitis 8), und noch viele andere auf dem
hohen Meere, wo sich sehr viele Schildkröten aufhalten.
Die Stadt Suche 9), die Insel Daphnis10), die Stadt Aduliton11):
') Salaca. -) Minet-Bellad-el-habest. 3) Cytis Mehum.
4) Ras-Ahehas. 5) Jagdstadt. 6) 75. Cap.
7) So hiess dev Theil des indischen Oceans, der Azania, d. h.
die heutige Küste Ajan bespühlt.
•) Massauah. 9) Artiko. ">) Dhalak. ll) Thulla.
Sechstes Buch. 477
letztere wurde von ägyptischen Sclaven, die ihren Herren
entlaufen waren, erbauet, sie ist der grösste Handelsplatz
der Troglodyten und Aethiopier, und ihre Entfernung von
Ptolema'is beträgt 5 Seetagereisen. Man bringt dort sehr
viel Elfenbein, Rhinoceroshörner, Flusspferdhäute, Schild-
krötenschalen, Affen und Sclaven zum Verkauf. Weiter
hinauf wohnen die aroterischen r) Aethiopier; die Inseln,
welche Aliäuheissen, dessgleichen Bacchias, Antibacchias und
Stratioton. Ferner an der Küste von Aethiopien ein unbe-
kannter Meerbusen, was mich wundert, da doch die Kauf-
leute die noch darüber hinaus liegenden Gegenden besuchen.
Ein Vorgebirge mit der Quelle Cucios; welche die Schiffer
benutzen. Weiterhin der Hafen der Isis, zu dem man auf
Ruderschiffen in 10 Tagen von der Stadt der Aduliter aus
gelangt. Hierher wird von den Troglodyten Myrrhe gebracht.
Die 2 vor dem Hafen liegenden Inseln heissen Pseudopylä;
im Hafen selbst sind 2 unter dem Namen Pylä, auf einer
derselben befinden sich steinerne Säulen mit unbekannten
Inschriften. Der Busen Abalites; die Insel des Diodorus 2)
und noch mehrere andere wüste. Auch auf dem Festlande
kommen Wüsten vor. Die Stadt Gaza 3), das Vorgebirge 4)
und der Hafen 5) der Mossyliter, wohin der Zimmt gebracht
wird. Bis hierher führte Sesostris sein Heer.
Einige setzen noch eine äthiopische Stadt weiter hinaus
an die Küste von Baricaza. Bei dem mossylischen Vor-
gebirge soll nach Juba das atlantische Meer anfangen, auf
dem man vor seinem Mauritanien vorüber mit dem Corus
nach Gades segeln könne. Wir dürfen hierbei seine ganze
Ansicht dem Leser nicht vorenthalten. Von dem Vorge-
der luder 6) an, das Lepteacra, von Andern auch Drepa-
nuni 7) genannt wird, giebt er die Entfernung, bei Exusta
vorüber, bis zur Insel Malichu in gerader Richtung auf
') Ackerbauenden. 2) Permi, auch Mehum genannt.
3) Zeyla? *) Cap Felis? 5) Bunder Cassini.
c) So nennt Juba hier die Aethiopier.
7) Der Berg Ghareb. an der Mündung des Meerbusens von Suez.
478 Sechstes Buch.
1,500,000 Schritte an; von da bis zu dem Orte, der Sceneoa
heisst 225,000, und von da bis zur Insel Adanu 150,000
Schritte. Demnach betrüge die Entfernung bis zum offnen
Meere 1,875,000 Schritte. Alle andern Schriftsteller be-
zweifeln, dass man wegen der Sonnenhitze dort schiffen
könne. Auch beunruhigen die ascitischen Araber *) von
den Inseln aus den dortigen Handel, indem sie über zwei
lederne Schläuche eine Brücke legen und mit vergifteten
Pfeilen bewaffnet Seeräuberei treiben. Juba erzählt ferner,
die Troglodyten würden von der Jagd, die sie treiben,
Therothoer 2) genannt und wären ausserordentlich gewandt
und schnell; die Ichthyophagen könnten wie Seethiere
schwimmen; ferner nennt er die .Bangener, Gangorer, Cha-
lyber, Xoxiner, Syrecher, Daremer und Domazamer. Nach
ihm sind die am Nil wohnenden Völker von Syene bis
Meroe keine Aethiopier sondern Araber; auch sollen die
Araber die Sonnenstadt, welche, wie wir schon bei der
Beschreibung Aegyptens gesagt haben 3), nicht weit von
Memphis liegt, erbauet haben. Einige trennen auch das
jenseitige Ufer von Aethiopien und rechnen es zu Afrika;
die Ufer aber würden nur des Wassers wegen bewohnt.
Wir überlassen einem Jeden sein Urtheil darüber, und
führen die Namen der Städte auf beiden Seiten in der
Ordnung, wie sie uns überliefert sind, an.
35.
In Aethiopien folgen von Syene an zunächst auf der
arabischen Seite die Catapuder 4), dann die Syeniter. Die
Städte: Tacompson 5), auch Thathice genannt, Aramasos,
Sesamos, Sanduma, Masindomacum, Arabeta, Boggia, Leu-
pithoiga, Tantarene, Moecindira, Noa, Gloploa, Gystate,
Megada, Lea, Rhenni, Nupsa, Direa, Patiga, Bagada, Du-
mana, Rhadata, wo eine goldene Katze als Gott verehrt
') Schlaucharaber, wohnten um das Vorgebirge Fartasch an der
SüdkÜBte Arabiens.
2) Schakaljäger. ») V. B. 9. Cap. <) S. V. B. 10. Cap.
s) Kobban.
Sechstes Buch. 479
wird. Bovon, mitten im Lande, Mallos, nahe bei Meroe.
So berichtet Bion.
Nach Juba folgen sie also: die Stadt Megatichos auf
einem Berge, zwischen Aegypten und Aethiopien, von den
Arabern Myrsos genannt, dann Tacompsos, Arannum, Sesa-
nmm, Pide, Mamuda, Orambis, in deren Nähe Erdpech
quillt, Amodita. Prosda, Parenta, Mama, Tessatta, Gallasr
Zotos, Graucome, Emeum, Pidibotä, Endondacometas, in
Zelten lebende Nomaden, Cyste, Macadagale, Proaprimis,
Palois, Primis, Nups, Detrelis, Patis, Ganibreves, Magasneos,
SegasmaTa, Cromdala, Demna, Cadeuma, Thena, Batha, Alana,
Mascoa, Scamni, Gora auf einer Insel, Abala, Andropalis,
Sesere, Mallos und Agole.
Auf der afrikanischen Seite werden genannt: eine zweite
Stadt Tacompsos, oder auch wohl nur ein Theil der
ersteren *), Mogore, Sea, Edos, Plenaria, Pinnis, Magassa,
Buma, Lintuma, Spintum, Sydop, Censoe, Pindicitora, Actig,
Orsum, Sausa, Maumarum, Urbim, Molum, von den Griechen
Hypaton genannt, Pagoarca, Zmanes, wo man die ersten
Elephanten trifft, Mambli, Berresa, Acetuma. Auch lag
Meroe gegenüber der Stadt Epis, welche aber schon vor
Bion's Zeiten zerstört war.
Dies sind die Städte, welche man bis Meroe angegeben
findet, von denen aber gegenwärtig auf beiden Seiten fast
keine einzige mehr vorhanden ist. Der Kaiser Nero,
welcher ausser andern*Kriegen auch einen mit den Aethio-
piern im Sinn hatte, sandte eine Abtheilung seiner Leib-
wache mit einem Tribun zur Auskundschaftung jener Ge-
genden dorthin, diese brachten aber die bestimmte Nach-
richt, dass dort lauter Wüsten wären. Uebrigens sind doch
auch bis hierher die römischen Waffen zur Zeit des Kaisers
Augustus unter Anführung des P. Petronius, welcher Pütter
') Die letztere Ansicht ist die richtige; dieser Theil lag auf
dem westlichen Ufer des Nils und jetzt findet man an dieser Stelle
Dakke, Kobban gegenüber.
480 Sechstes Buch.
und Statthalter von Aegypten war, vorgedrungen 1). Dieser
eroberte alle Städte, welche er dort noch vorfand, in fol-
gender Ordnung: Pselcis 2), Primis 3), Abuncis 4), Phthuris 5),
€ambusis 6), Atteva 7), Stadasis 8), wo der herabstürzende
Nil durch sein Getöse den in der Nähe Wohnenden das
Gehör benimmt; er plünderte auch Napata 9) und kam auf
seinem Zuge 970,000 Schritte über Syene hinaus. Aber
durch die römischen Waffen ist jene Gegend nicht zur
Wüste geworden, sondern Aethiopien hat seinen Ruiu den
Kriegen mit Aegypten zu danken lü), indem es abwechselnd
herrschte und gehorchte. Bis zum trojanischen Kriege
unter der Regierung Memnon's war es berühmt und mächtig,
und dass es zur Zeit des Königs Cepheus selbst Syrien
und unsere Küste besessen habe, beweist die Fabel von
der Andromeda ll).
Ebenso verschieden sind die Angaben über die Grösse
dieses Landes. Der erste, welcher weit über Meroe hinaus-
ging, war Dalion12); bald darauf Aristocreon13), Basilis14)
und der jüngere Simonides, welcher sich während der
Ausarbeitung seines Werkes über Aethiopien sogar 5 Jahre
lang in Meroe aufhielt. AuchTimosthenes, der Befehlshaber
der Flotte des Philadelphus, war dort und sagt, ohne jedoch
die Entfernungen im Einzelnen anzugeben, man brauche
') Dieser Kriegszug fällt in das Jahr 22 v. Chr. (Cassius Dio,
LIV. 5).
2) Ist das zweite Tacompsos.
3) Kastell Ibrim in Wady-Nuba? 4) Handieh in Dongola?
5) Bei Sasef im Wady Mahass? 6) Bei Hettan in Dongola?
7) Bei Soleb im Wady Mahass.
») Im Wady Dal, Distrikt Sukkot?
9) Am Berge Berkel, nördlich von Merave?
,0) Hauptsächlich durch den ägyptischen König Sesostris, welcher
Aethiopien verwüstete. Herodet II. 116.
") Sie war des Cepheus Tochter und wurde nach der Sage an
der syrischen Küste bei Joppe an einen Fels gefesselt, um von
einem Seeungeheuer gefressen zu werden.
,2) Unbekannt. 13) Seine Lebenszeit ist ungewiss.
u) Unbekannt.
Sechstes Buch. 481
60 Tage, um von Syene nach Meroe' zu kommen. Erato-
sthenes bestimmt die Entfernung auf 625,000, Artemidorus
auf 600,000 Schritte, Sebosus *) aber von der äussersten
Grenze Aegyptens an auf 1,675,000, von wo aus sie die
eben genannten Schriftsteller nur auf 1,250,000 angeben.
Aber dieser ganze Streit ist neuerlich beendigt worden,
da die Kundschafter des Nero den Weg von Syene an zu
871,000 Schritten und zwar in folgender Weise bestimmten:
Von Syene nach Hierasycaminos 2) 54,000; von da nach
Tama 72,000; von da bis Evonymibos 3), dem ersten District
in Aethiopien, 120,000; bis Acina 54,000; bis Pitara 25,000;
bis Tergedum 106,000 Schritte. Mitten in dieser Gegend
soll die Insel Gagaudes 4) liegen. Dort erblickte man die
ersten Papageyen, und auf einer andern Insel, welche
Artigula 5) heisst, das Thier Sphingion 6), hinter Tergedum
den Cynocephalos 7). Weiter bis Napata 80,000 Schritte;
diese kleine Stadt ist die einzige von den vorgenannten,
welche noch existirt. Von da bis zur Insel Meroe 360,000
Schritte. Die Kräuter um Meroe fand man grüner, auch
sah man einige Waldungen und Spuren von Rhinocerossen
und Elephanten. Die Stadt Meroe 8) selbst soll vom Anfange
der Insel 70,000 Schritte entfernt sein, und wenn man auf
dem rechten Arme des Nils führe, so soll man in der Nähe
noch eine andere Insel Tadu 9) antreffen, wo sich ein
Hafen befände. Die Stadt soll wenig Häuser haben. Eine
Frau, Candace, führe die Regierung; ihr Name sei schon
seit vielen Jahren bei den Königinnen erblich. Auch
hier sei dem Hammon ein Tempel geweihet und in dem
*) Geograph in der Mitte des 1. Jahrh. v. Chr.
2) Ruinen bei Meharraca (Nucharrage) im Wady el Kenous.
3) Im jetzigen Distrikte Sukkot.
4) Wahrscheinlich Argo in Dongola.
5) Vielleicht Gartaoni ebendaselbst.
6) Affenart s. im VIII. B. 80. Cap.
7) Hundskopf, gleichfalls eine Affenart.
•) Ruinen, eine Tagereise nördlich bei Shendy.
s) Kurgos.
31
482 Sechstes Buch.
ganzen Lande ihm Capellen errichtet. Uebrigens war die
Insel, als die Aethiopier dort Herren wurden, sehr berühmt.
Man erzählt, sie habe 250,000 Soldaten gestellt und 400,000
Künstler gehabt. Noch heutzutage soll es 45 äthiopische
Könige geben. Das ganze Volk aber hiess erst das äthe-
rische, dann das atlantische, endlich, nach Aethiops, dem
Sohne des Vulkan, das äthiopische.
Dass an den äussersten Grenzen dieses Landes
monströse Thier- und Menschengestalten vorkommen, ist
kein Wunder, da die bewegliche Kraft des Feuers *) sich
so wirksam bei der Bildung der Körper beweist. Man er-
zählt für gewiss, dass die dort am weitesten gegen Osten
wohnenden Menschen keine Nasen und ein ganz glattes
Gesicht hätten. Andere sollen keine Oberlippen, andere
keine Zunge haben. Bei Andern soll sogar der Mund ver-
schlossen sein und die Nase fehlen, so dass sie nur durch
Eine Oeffnung Athem holen; sie trinken mittels eines Hafer-
halms, und leben von den Körnern eben dieses wildwach-
senden Hafers. Einige nicken nur und bewegen die Glieder
statt zu sprechen. Andere kannten vor der Zeit des ägyp-
tischen Königs Ptolemäus Lathyrus 2) den Gebrauch des
Feuers nicht. Manche Schriftsteller sagen, die Pygmäer
wohnten zwischen den Sümpfen, aus denen der Nil seinen
Ursprung nimmt.
An der Küste 3) aber folgt eine ununterbrochene Reihe
von Bergen, welche ein brennend rothes Ansehen haben.
Das ganze Land von Meroe an wird von den Troglodyten
und dem rothen Meere begrenzt. Auf dem Wege von
Napata nach der Küste des rothen Meeres, welcher 3 Tage-
reisen beträgt, bewahrt man an mehreren Stellen das Regen-
wasser zum Gebrauche auf. Der zwischenliegende District
ist sehr ergiebig an Gold. Das weiterhin liegende Land
haben die Atabuler, ein äthiopischer Stamm, inne. Dann
kommen Meroe gegenüber die Megabarer, von Einigen auch
Adiabarer genannt; sie wohnen in der Apollostadt. Ein
») Des heissen Klimas. 2) 116—106 v. Chr. 3) Aethiopiens.
Sechstes Buch. 483
Theil davon lebt nomadisch und isst Elephantenfleisch.
Gegenüber auf der afrikanischen Seite die Maceobier.
Wiederum bei den Megabaren die Memnoner und Dabeller,
und 20 Tagereisen weiter die Oitenser. Hinter diesen die
Docher und darauf die Gymneter, welche stets nackt gehen.
Ferner die Andeter, Mothiter, Mesager, Ipsodorer, die eine
schwarze Hautfarbe haben und den ganzen Körper roth
bemalen. Auf der afrikanischen Seite die Medimner. Dann
die von der Milch der Cynocephalen lebenden Nomaden,
die Alader und Syrboter, welche 8 Cubiti hoch sein sollen.
Nach Aristocreon beträgt die Entfernung von Meroe
bis zur Stadt Tolle auf der libyschen Seite 5 Tagereisen;
von da 12 Tagereisen bis zur Stadt Esar, welche dieAegypter,
die vor Psammetich *) flohen, gegründet haben, und in der
sie 300 Jahre gewohnt haben sollen. Gegenüber auf der
arabischen Seite soll die ihnen gleichfalls gehörende Stadt
Daron liegen. Die Stadt Esar nennt Bion Sape, und sagt,
dieser Name bedeute: Ankömmlinge. Ihre Hauptstadt
Sembobitis liegt auf einer Insel und eine dritte Stadt derselben
ist Sinat in Arabien. Zwischen den Bergen aber und dem
Nil wohnen die Symbarer und Palugger und in den Bergen
selbst viele Stämme der Asacher. Sie leben von der Jagd
der Elephanten und sollen 5 Tagereisen vom Meere ent-
fernt sein. Eine Insel der Semberriten im Nil wird von
einer Königin beherrscht. Von da 8 Tagereisen entfernt
wohnen die nubischen Aethiopier, deren Stadt Tenupsis
am Nile liegt. Die Sambrer, bei denen alle vierfüssigen
Thiere, sogar die Elephanten, keine Ohren haben. Auf der
afrikanischen Seite die Tonobarer und Ptoempher, welche
einen Hund zum Könige haben, aus dessen Bewegungen
sie seine Befehle errathen. Die Aurusper in einer weit
vom Nile entlegenen Stadt; hierauf die Achisarmer, Phaliger,
Marigerer, Casmarrer.
Bion führt noch andere Städte auf den Inseln an und
schätzt den ganzen Weg von Sembobitis bis Meroe auf
*) Regierte 670—616 vor Chr.
484 Sechstes Buch.
20 Tagereisen. Auf der x) nächsten Insel liegt die unter
einer Königin stehende Stadt der Semberriter, und noch
ein anderes Asara; auf einer anderen Insel liegt Darde.
Eine dritte Insel heisst Medoe, mit der Stadt Asel; eine
vierte Garode, mit einer Stadt gleichen Namens. Von hier
an liegen an den Ufern folgende Städte: Navos, Modunda,
Andatis, Secundum, Colligat, Seconde, Navectabe, Cumi,
Agrospi, Aegipa, Condrogari, Araba und Summara.
Die oberhalb Sirbituni befindliche Gegend, wo die Berge
aufhören, wird von Einigen als der Wohnsitz der Küsten-
Aetliiopier, nämlich der Nisacäther und Nisiten bezeichnet;
diese beiden Namen bedeuten „Männer mit 3 und 4 Augen u,
nicht, weil sie wirklich so viele Augen haben, sondern weil
sie gute Pfeilschützen sind. An dem Theile des Nils aber,
welcher oberhalb der grössern Syrten sich nach dem süd-
lichen Ocean hin erstreckt, sollen, wie Dalion berichtet, die
Cisoren, welche nur Regenwasser gebrauchen und die
Longoporer wohnen. Von den Oecalicern gelangt man
in 5 Tagen zu den Usibalcern, Isbelern, Perusiern, Wallern
und Cispiern. Das Uebrige sind Wüsten und weiterhin
ist Alles fabelhaft.
Gegen Abend wohnen die Nigroer, deren König nur
ein Auge und zwar auf der Stirn hat. Die Agriophagen,
welche grösstentheils vom Fleische der Panther und Löwen
leben; die Pamphagen, welche alles essen; die Anthropo-
phagen leben von Menschenfleisch; die Cynomolgen ver-
zehren Hundsköpfe. Die Artabatiter laufen wie wilde vier-
füssige Thiere umher. Hierauf folgen die Hesperier und
Perorser, welche schon bei der Grenze Mauritaniens ge-
nannt sind 2). Ein gewisser Theil der Aethiopier lebt nur
von Heuschrecken, welche sie gesalzen und geräuchert ein
Jahr lang aufheben; diese werden nicht älter als 40 Jahre.
M. Agrippa hat angegeben, die Länge von ganz Ae-
thiopien mit dem rothen Meere betrage 2,170,000 Schritte,
und die Breite, Oberägypten mit eingerechnet, 1,297,000.
») Bei Meroe. 2) V. B. 1. und S. Gap.
Sechstes Buch. 485
Einige haben die Länge so bestimmt: Von Meroe bis Sir-
bitum 11 Schiffstagereisen, von da bis zu den Dabellern
15, und von diesen bis zum äthiopischen Ocean 6 Land-
tagereisen. Im Ganzen stimmen fast alle Schriftsteller
darin tiberein, dass die Entfernung vom Ocean bis nach
Meroe 625,000 Schritte betrage; wie weit es von da nach
Syene ist, haben wir bereits angegeben. Aethiopien liegt
von Südost nach Südwest. Im südlichen Theile desselben
befinden sich ganze Wälder von Ebenholz; in der Mitte,
nahe am Meere, erhebt sich ein hoher Berg, der beständig
brennt, und bei den Griechen Theon ochema x) heisst. Von
ihm gelangt man zu Schiffe in 4 Tagen zu dem Vorgebirge
Hesperion ceras 2), welches an der Grenze von Afrika
neben dem Gebiete der hesperischen Aethiopier liegt.
Nach Einigen sind in dieser Gegend auch sanfte Hügel
mit schönen schattigen Wäldern, wo die Aegipanen und
Satyren wohnen.
36.
Sowohl Ephorus als Eudoxus und Timosthenes führen
mehrere Inseln in diesem Meere an; Clitarchus aber hat
dem Könige Alexander von einer berichtet, die so reich
sei, dass ihre Bewohner die Pferde mit Goldtalenten be-
zahlen, und einer andern, auf welcher man einen heiligen,
von Hainen beschatteten Berg gefunden habe, wo aus den
Bäumen ein äusserst duftender Balsam tröpfele. Dem per-
sischen Meerbusen gegenüber liegt vor Aethiopien die Insel
Cerne 3), deren Grösse und Entfernung vom Festlande un-
bekannt ist; sie soll nur von äthiopischen Völkern bewohnt
sein. Ephorus sagt, die vom rothen Meere aus dahin Segeln-
den könnten wegen der grossen Hitze, die jenseits gewisser
Säulen (so heissen mehrere kleine Inseln) herrsche, nicht
zu ihr gelaugen. Nach Polybius liegt Cerne am äussersten
Ende von Mauritanien dem Berge Atlas gegenüber und
') Götterwagen. -) Westhorn.
3) Fehdal; Andere wollen fälschlich Porto Santo, Madera, Ar-
guin und selbst Madagascar darin erkennen.
486 Sechstes Buch.
8 Stadien vom Festlande; nach Com. Nepos liegt sie Car-
thago gerade gegenüber, und dieser giebt ihre Entfernung
vom Festlande auf 1000, ihren Umfang auf nicht mehr als
2000 Schritte an. Noch einer anderen, dem Atlas gegen-
über liegenden Insel wird erwähnt, welche selbst Atlas-
insel *) heisst. Von dieser aus erreicht man nach 5 See-
tagereisen die zu den hesperischen Aethiopiern führenden
Einöden, und zu dem Vorgebirge, welches wir Hesperion
ceras genannt haben, von wo an sich die Vorderseite des
Landes zuerst gegen Westen und das atlantische Meer
wendet. Diesem Vorgebirge gegenüber sollen die gorga-
dischen Inseln 2) liegen, der frühere Wohnsitz der Gorgonen;
nach Xenophon von Lampsacus sind sie 2 Seetagereisen
vom Festlande entfernt. Der punische Feldherr Hanno.,
welcher bis zu ihnen vordrang, erzählt, die dortigen Weiber
seien am ganzen Körper rauh, die Männer aber wären
eiligst vor ihm geflohen. Zum Beweise und der Merkwür-
digkeit wegen legte er die Häute von 2 Gorgonen im Tempel
der Juno nieder, wo sie bis zur Einnahme von Carthago
zu sehen waren 3). Weiterhin werden noch 2 hesperische
Inseln 4) angeführt. Alle Nachrichten über diese Gegenden
sind so unsicher, dass Statius Sebosus angiebt, von den
Inseln der Gorgonen schiffe man bei der Atlasinsel vorbei
in 40 Tagen zu den hesperischen Inseln, und von diesen
in einem Tage zum Vorgebirge Hesperion ceras. Ebenso wenig
Bestimmtes weiss man von den mauritanischen Inseln. Nur
so viel ist gewiss, dass einige dem Gebiete der Autololer
gegenüber liegen, die Juba entdeckt hat und auf denen er
das Färben mit gätulischem Purpur lehrte 5).
*) "Vermuthlich eine jetzt vom Meere grösstentheils verschlun-
gene Insel, deren Ueberbleibsel man vielleicht in den capverdischen
Inseln erkennen dürfte. 2) Soll die Inselgruppe Arguin sein.
3) Offenbar waren diess Gorilla-Felle.
A) Dies sind die bald folgenden glückseligen, jetzt canarischen
Inseln.
5) Hier ist wohl das Rothfärben mit Orseille (Liehen Roccella)
gemeint, was noch jetzt auf den canarischen Inseln betrieben wird
Sechstes Buch. 437
37.
Nach Angabe einiger Schriftsteller liegen hinter diesen
die glückseligen Inseln1) und noch mehrere andere,
deren Zahl und Entfernung derselbe Sebosus ebenfalls an-
giebt. Nach ihm beträgt die Entfernung der Insel Junonia 2J
von Gades 750,000 Schritte; ebensoweit sei es von dieser
Insel westlich bis Pluvialia 3) und Capraria 4J. Auf Pluvialia
soll kein anderes Wasser sein, als was der Regen bringt-
250,000 Schritte von derselben liegend, der linken Seite
Mauritaniens gegenüber, nach der achten Tagesstunde 5)
hin die glückseligen Inseln, von denen die eine wegen ihrer
convexen Gestalt Invallis 6), die andere wegen ihrer ebenen
Gestalt Planaria 7) heisst. Invallis hat einen Umfang von
300,000 Schritten und die Bäume auf ihr sollen eine Höhe
von 114 Fuss erreichen.
Juba hat über die glückseligen Inseln folgende Nach-
richten eingezogen: sie liegen ebenfalls zwischen Süden
und Westen, 625,000 Schritte von den Purpurinseln, so dass
man 250,000 Schritte gegen Westen und dann 375,000 Schritte
östlich schiffen müsste. Die erste hiesse Ombrios 8); auf ihr
träfe man keine Spur von Gebäuden an, im Gebirge befinde
sich ein Sumpf, die Bäume wären dünn, und aus ihnen würde
ein Wasser gepresst, welches von den schwarzen Bäumen
bitter, von den weissen aber angenehm schmecke. Eine
zweite Insel hiesse Junonia, auf der nur ein kleiner stei-
nerner Tempel stände. In ihrer Nähe läge noch eine
kleinere mit demselben Namen 9). Dann folge Capraria^
welche von grossen Eidechsen wimmele. Im Gesichtskreise
dieser Inseln liege Nivaria 10), die diesen Namen von ihrem
beständigen Schnee und Nebel habe. Dieser zunächst
Canaria u), so genannt von den vielen grossen Hunden, von
') Die canarischen Inseln. 2) Wahrscheinlich Graciosa.
3) Wahrscheinlich Ferro. 4) Wahrscheinlich Gomera.
5) Südwest. 6) Teneriffa. 7) Canaria.
8) Das griechische Wort für Pluvialia. 9) Soll Lobos sein.
,0) Ist die obige Invallis (Teneriffa^
n) Führt noch jetzt diesen Namen.
488 Sechstes Buch.
denen dem Juba 2 überbracht wurden; hier findet man
noch Spuren von Gebäuden. Alle aber hätten Ueberfluss
an Obst und Vögeln aller Art, und letztere wäre überdiess
reich an Palmfrüchten und Piniennüssen. Auch gäbe es
dort viel Honig; in den Flüssen kämen Papyrus und
Siluri *) vor; man würde aber durch die faulenden, vom
Meere ausgeworfenen Thiere sehr belästigt.
38.
Nachdem wir nun den Erdkreis nach seinen äussern
und innern Theilen ausführlich beschrieben haben, scheint
auch eine kurze Angabe seines Flächeninhaltes nicht
überflüssig zu sein. Polybius giebt die Strecke von der
gaditanischen Meerenge bis zur Mündung des Mäotis in
gerader Linie auf 3,437,500 Schritte an; von demselben
Anfangspunkte in gerader Linie östlich bis Sicilien auf
1,250,500, von da bis Creta auf 375,000, bis Rhodus auf
187,500, bis zu den chelidonischen Inseln ebensoweit, bis
Cypern auf 225,000 und von da bis Seleucia Pieria in
Syrien auf 115,500 Schritte, was zusammen 2,340,000
Schritte 2) ausmacht. Agrippa schätz die gerade Länge
von der gaditanischen Meerenge bis zum issischen Meer-
busen auf 3,440,000 Schritte; ich weiss aber nicht, ob nicht
in dieser Zahl ein Fehler steckt, denn derselbe Schriftsteller
giebt die Entfernung von der sicilischen Meerenge bis nach
Alexandrien auf 1,300,0000 Schritte an. Der ganze Umfang
durch die genannten Busen von eben demselben Punkte an
bis zum Mäotis beträgt 10,058,000 Schritte. Artemidorus
fügt noch 755,000 hinzu. Derselbe giebt den Umfang mit
Einschluss des Mäotis auf 17,390,000 Schritte an. Diess ist
die Maassbestimmung wehrloser, in ruhiger Kühnheit dem
Schicksale trotzender Menschen 3). Nun wollen wir noch
die Grösse der einzelnen Erdtheile miteinander vergleichen,
so viele Schwierigkeiten auch die verschiedenen Angaben
der Schriftsteller herbeiführen. Jedoch wird man die beste
») Eine Fischart, s. IX. B. 17. Cap.
2) Einige dieser Zahlen sind jedenfalls falsch, denn die Summe
beträgt 2,153,500. 3) Der Seefahrer nämlich.
Sechstes Buch. 489
Uebersicht haben, wenn man zu der Länge die Breite hin-
zu rechnet. Nach diesem Verfahren beträgt die Grösse von
Europa 8,294,000 Schritte. Von Afrika die Länge (im
Mittel aus den verschiedenen Angaben) 3,794,000; die
Breite, soweit es bewohnt wird, nirgends über 250,000
Schritte. Da aber Agrippa die Grösse desselben schon
von Cyrenaica, einem Theile Afrika's, mit Einschluss der
Wüsten dieses Landes bis zu den Garamanten, soweit sie
bekannt sind, auf 910,000 bestimmt, so erhält man für die
gesammte Grösse 4,608,000 Schritte. Die Länge Asiens
wird allgemein zu 6,375,000 Schritten angenommen. Die
Breite, welche man wohl am passendsten vom äthiopischen
Meere an bis nach Alexandiien am Nil nimmt, so dass die
Linie durch Meroe* und Syene geht, beträgt 1,875,000 Schritte.
Daraus erhellt also, dass Europa um etwas weniger als
die Hälfte Asiens grösser als letzteres, und dass Asien
gleich 1 Vg von Afrika sei. Wenn man alle Summen zu-
sammen rechnet, so ergiebt sich deutlich, dass Europa
V3 und etwas mehr als Vs? Asien 1/i und Vu, Afrika l/s
und Veo der ganzen Erde ausmacht.
39.
Damit bei der Betrachtung der Länder nichts fehle,
fügen wir hier noch eine höchst scharfsinnige Idee bei,
welche wir den Griechen verdanken, wodurch wir erfahren,
mit welcher jede der angezeigten Gegenden in Verbindung
stehe, und rücksichtlich der Tage und Nächte verwandt
sei; endlich, welche derselben gleiche Schatten und
gleiche Himmelswölbung miteinander gemein haben. Wir
wollen daher auch hiervon Rechenschaft geben und die
ganze Erde in Himmelsstriche theilen. Es giebt aber viele
solcher Abschnitte, welche von uns Kreise, von den Griechen
Parallelen genannt werden.
Den Anfang macht der südliche Theil von Indien.
Dieser Kreis reicht bis nach Arabien und den Völkern am
rothen Meere, und fasst in sich: die Gedroser, Perser, Car-
mauer, Elymäer, Parthyene, Aria, Susiane, Mesopotamien,
das babylonische Seleucien, Arabien bis Petra, Syria Coele,
490 Sechstes Buch.
Pelusium, den untern Theil Aegyptens, welcher der Bezirk
von Alexandrien heisst, die Küstenländer von Afrika, alle
cyrenäischen Städte, Thapsus, Adrumetum, Clupea, Carthago,
Utica, beide Hippo, Numidien, beide Mauritanien, das atlan-
tische Meer und die Säulen des Herkules. In diesem Himmels-
striche wirft am Tage des Aequinoctii Mittags ein Sonnenzeiger
(Gnomon) von 7 Fuss Länge einen nicht mehr als 4 Fnss langen
Schatten. Der längste Tag sowie die längste Nacht dauert
14, die kürzesten hingegen 10 Aequinoctial-Stunden.
Der folgende Kreis beginnt vom westlichen Indien,
geht mitten durch Parthien, Persepolis, den zunächst liegen-
den Theil von Persien, das diesseitige Arabien, Judäa, die
Gegend um den Libanus. Er ümfasst Babylon, Idumäa,
Samaria, Hierosolyma, Ascalon, Joppe, Cäsarea in Phönicien,
Ptolema'is, Sidon, Tyrus, Berytus, Botrys, Tripolis, Byblus,
Antiochia, Laodicea, Seleucia, die Küste von Cilicien, den
südlichen Theil von Cypern, Creta, Lilybäum in Sicilien,
die nördlichen Theile von Afrika und Numidien. Im Ae-
quinoctium wirft ein 35 Fuss langer Sonnenzeiger einen
24 Fuss langen Schatten. Der längste Tag und die längste
Nacht dauert 14l/5 Aequinoctial-Stunden.
Der dritte Kreis nimmt im Gebiete der am Imaus
wohnenden Indier seinen Anfang. Er zieht sich über den
caspisehen Pass nahe bei Medien über Cataonien, Cappa-
docien, den Taurus, Amanus, Issis, den cilicischen Pass,
Soli, Tarsus, Cyprus, Pisidia, Side in Pamphilien, Lycaonien,
Patara in Lycien, den Xanthus, Caunus, Rhodus, Cos, Hali-
carnassus, Gnidus, Doris, Chios, Delos, mitten durch die
Cycladen, Gythius, Malea, Argos, Laconien, Elis, Olympia,
Messenia im Peloponnes, Syracus, Catina, mitten durch Sici-
lien, das südliche Sardinien, Carteja und Gades. Ein Sonnen-
zeiger von 100 Theilen wirft einen solcher 77 Theile langen
Schatten; der längste Tag hat 148/i5 Aequinoctial-Stunden.
In dem vierten Kreise liegen die Länder auf der andern
Seite des Imaus, das südliche Coppadocien, Galatien, Mysien.
Sardes, Smyrna, Sipylus, der Berg Tmolus, Lydien, Carien,
Ionien, Trallis, Colophon, Ephesus, Milet, Samos, Chios
Sechstes Buch. 4c^
das icarische Meer, die nördlichen Cycladeri, Athen, Megara,
Corinth, Sicyon, Achaga, Paträ, der Isthmus, Epirus, das
nördliche Sicilien, der östliche Theil des narbonnensischen
Galliens und die Seeküste Spaniens von Neu-Carthago an
nach Westen. Ein Sonnenzeiger von 21 Fuss wirft einen
16 Fuss langen Schatten; der längste Tag hat 142/3 Aequi-
noctial-Stunden.
Im fünften Kreise liegen von der x) Mündung des cas-
pischen Meeres an: Bactra, Iberia, Armenien, Mysien,
Phrygien, der Hellespomt, Troas, Tenedus, Äbydus, Scepsis,
Ilium, der Berg Ida, Cyzicum, Lampsacus, Sinope, Amisus,
Heraclea im Pontus, Paphlagonien, Lemnus, Imbrus, Thasus,
Cassandria, Thessalien, Macedonien, Larissa, Amphipolis,
Thessalonice, Pella, Edessa, Beröa, Pharsalia, Carystum,
Euböa der Böotiev, Chalcis, Delphi, Acarnanien, Aetolien,
Apollonia, Beundisium, Tarentum, die Thurier, die Lokrer,
Rhegium, die Lucaner, Neapel, Puteoli, das thuscische Meer,
Corsica, die Balearischen Inseln, das mittlere Spanien.
Ein Sonnenzeiger von 7 Fuss giebt einen 6 Fuss langen
Schatten. Die grösste Anzahl von Stunden am Tage zur
Zeit des Aequinoctii ist 15.
Im sechsten Kreise, in welchem die Stadt Rom liegt,
sind enthalten: die caspischen Völker, der Caucasus, das
nördliche Armenten, Apollonia jenseits Rhyndacus, Nicome-
dien, Nicäa, Chalcedon, Byzanz, Lysimachia, der Chersonesus,
der Busen Melane, Abdera, Samothracien, Maronea, Aenuru,
Bessica, Thracien, Mädica, Päonia, Illyrien, Dyrrachium,
Canusium, die äusserste Grenze von Apulien, Campanien,
Etrurien, Pisa, Lima , Luca, Gruna, Ligurien, Antipolis,
Massilien, Narbone, Taracone, der mittlere Theil vom
tarraconensischen Spanien und endlich Lusitanien. Ein
Sonnenzeiger von 9 Fuss wirft einen 8 Fuss langen Schatten.
Der längste Tag hat 15V9 oder nach Nigidius 2) 15Vö Ae-
quinoctial-Stunden.
') Angeblichen. 2) Publius Nigidius Figulus, Freund Cicero's.
Astrolog, Erneuerer derPythagoräischen Schule, nahm im Bürgerkriege
Pompejus Partei und starb 45 v. Chr. im Exil.
492 Sechstes Buch.
Der siebente fängt von der andern Küste des caspischen
Meeres an und geht über Callatis, den Bosporus, Borysthenes,
Tomi, den jenseitigen Theil von Thracien, die Triballer,
den übrigen Theil von Illyrien, das adriatische Meer,
Aquileja, Altinum, Venetia, Vicetia, Patavium, Verona, Cre-
mona, Ravenna, Ancona, Picenum, die Marser, Peligner,
Sabiner, Umbria, Ariminum, Bononia, Placentia, Mediolanum,
und alles Uebrige vom Apenninus an, jenseits der Alpen
das aquitanische Gallien, Vienna, die Pyrenäen und Celti-
berien. Ein Sonnenzeiger von 35 Fuss wirft einen 36 Fuss
langen Schatten, jedoch ist in Venetia der Schatten nicht
länger als der Zeiger. Der längste Tag hat 153/4 Aequi-
noctial-Stunden.
Bis hierher haben wir die Arbeiten der Alten mitge-
theilt. Unter den spätem Schriftstellern bringen die ge-
nauesten die noch übrigen Länder unter 3 Abschnitte.
In dem einen vom Tanais an über den Mäotis und
das Land der Sarmaten bis zum Borysthenes und so weiter
durch Dacien, einen Theil von Germanien, Gallien nebst
der Küste des angrenzenden Oceans hat der längste Tag
16 Stunden. Der zweite geht über das Land der Hyper-
boräer und Britannien, und hier dauert der längste Tag
17 Stunden. Der letzte ist der scythische; er geht von
dem riphäischen Gebirge bis Thule, wo, wie wir gesagt
haben, nur einmal im Jahre Tag und wiederum ebenso-
lange Nacht ist. Dieselben Schriftsteller setzen auch vor
den von uns zuerst genannten Abschnitt noch zwei: der
erste davon geht über die Insel Meroe und Ptolema'is,
welches am rothen Meere liegt und wegen der Elephanten-
jagd erbauet wurde; hier soll der längste Tag 12^2 Stunde
dauern. Der zweite geht über Syene in Aegypten und
die grösste Tageslänge beträgt 13 Stunden. Ebendieselben
haben jedem der folgenden Kreise bis zu dem letzten noch
V2 Stunde an Tageslänge hinzugefügt.
So viel von den Ländern.
DIE
NATURGESCHICHTE
DES
CAJÜS PLI1ÜS SECUNDÜS.
INS DEUTSCHE ÜBERSETZT
UND MIT ANMERKUNGEN VERSEHEN
Prof. Dr. G. C. WITTSTEIN
in München.
ZWEITER BAND:
(VII— XL Buch)
Naturgeschichte des Menschen und der Thiere.
LEIPZIG.
Druck und Verlag von Gressner & Schramm.
1881.
Siebentes Euch.
Von der Entstehung und Beschaffenheit des Menschen, und
von der Erfindung der Künste.
1.
So verhält es sich mit der Welt und mit den Ländern,
Völkern, Meeren, Städten u. s. w. in derselben. Die auf
ihr lebenden Geschöpfe sind aber nicht weniger der Be-
trachtung werth, als irgend ein anderer Theil derselben,
wenn nur der menschliche Geist alles erfassen könnte. Mit
Recht müssen wir mit dem Menschen den Anfang machen,
um desswillen die Natur alles Andere erschaffen zu haben
scheint, wenn sie gleich für ihre grossen Gaben einen so
hohen und strengen Preis setzt, dass man nicht genau ent-
scheiden kann, ob sie gegen den Mensehen eine gute
Mutter oder eine böse Stiefmutter gewesen sei. Von allen
lebenden Wesen ist er das einzige, das sie mit fremder
Hülfe bekleidet; den übrigen hat sie mancherlei Bedeckungen
verliehen, als: Schalen, Rinden, Häute, Stacheln, Zotten,
Borsten, Haare, Federn, Flaum, Schuppen und Wolle. So-
gar die Stämme der Bäume bat sie mit einer zuweilen
doppelten Rinde vor Kälte und Hitze verwahrt. Nur den
Menschen wirft sie bei der Geburt sogleich zum Jammern
und Klagen nackt auf "die blosse Erde, und kein anderes
Thier sonst zum Vergiessen von Thränen, und zwar gleich
von der Geburt an. Aber wahrlich! des Lachens, jenes vor-
Wittstein: Plinius. II. Bd. 1
2 Siebentes Buch.
eiligen, zu schnellen Lachens ist er vor dem 40. Tage
nicht fähig. Von diesem ersten Anfange des Lebens an
kommt er, was nicht einmal mit den bei uns erzeugten
wilden Thieren geschieht, an allen Gliedern in Fesseln und
Bande, und so liegt der glücklich geborene da mit gebun-
denen Händen und Füssen, als ein weinendes Geschöpf,
welches die übrigen beherrschen soll, und beginnt sein
Leben mit Strafen für die einzige Schuld, dass er geboren
ward. Oh über den Unsinn derer, welche nach einem
solchen Anfange glauben, sie seien zum Stolze geboren!
Die erste Ahnung von Kraft, das erste Geschenk der
Zeit, macht ihn zu einem vierfüssigen Thiere. Wann aber
lernt der Mensch gehen? Wann sprechen? Wann ist sein
Mund fest genug, um Speisen zu geniessen? Wie lange
klopft sein Scheitel, ein Beweis, dass er das schwächste
aller Geschöpfe ist? Nun kommen Krankheiten und eben-
so viele dagegen ersonnene Heilmittel, und auch diese
werden oft durch neue Zufälle zu Schanden. Die übrigen
Thiere erlangen bald ihre Ausbildung; einige machen Ge-
brauch von der Schnelligkeit ihrer Füsse, andere von ihrem
schnellen Fluge, andere vom Schwimmen. Aber der Mensch
kann nichts, ohne dass es ihm gelehrt wird, weder sprechen,
noch gehen, noch essen; kurz, er kann von Natur nichts
als weinen. Daher hat es Viele gegeben, welche für das
beste hielten, nicht geboren zu sein, oder doch bald wieder
zu sterben.
Unter allen lebenden Wesen ist nur ihm allein der
Kummer, der Luxus, und zwar in unzähliger Weise und in
Bezug auf jedes einzelne Glied, ihm allein die Ehrsucht,
der Geiz, die unbegrenzteste Lebenssucht, der Aberglaube,
die Sorge für das Begräbniss, ja sogar für die Zukunft
nach seinem Tode eigen. Kein Geschöpf hat ein hinfälligeres
Leben, eine grössere Begierde nach Allem, eine verwirrtere
Furcht und eine heftigere Wuth. Endlich leben die übrigen
Thiere mit ihrer Art friedlich zusammen; wir sehen sie
schaarenweise vereinigt und nur gegen fremde Arten feind-
selig auftreten. Die wilden Löwen kämpfen nicht unter
Siebentes Buch. 3
sich; der Biss der Schlangen ist nicht auf Schlangen ge-
richtet; nicht einmal die Ungeheuer des Meeres und die
Fische wtithen anders, als gegen ihnen verschiedene
Gattungen. Aber wahrlich! der Mensch verdankt seine
meisten Uebel den Menschen selbst.
Von dem menschlichen Geschlechte im Allgemeinen
haben wir bereits grösstentheils bei Aufzählung der Völker-
schaften gesprochen. Auch wollen wir jetzt nicht die un-
zähligen Sitten und Gebräuche, deren es fast ebenso viele
als Gesellschaften unter den Menschen giebt, abhandeln;
Einiges glaul e ich jedoch nicht ganz übergehen zu dürfen,
besonders w "\s die weiter vom Meere entfernten Völker
betrifft, wöbe manches so Wunderbare vorkommt, dass es
ohne Zweifel Vielen unglaublich erscheinen wird. Denn
wer hat wohl an die Aethiopier *) geglaubt, bevor er sie
sah? Oder was kommt einem nicht wunderbar vor, was
man zum ersten Male erfährt? Wie Vieles hält man nicht
für unmöglich, bevor es geschehen ist? Aber die Macht und
Erhabenheit der Dinge in der Natur wird stets unsern
Glauben übersteigen, wenn man sie auch nur theilweise,
nicht einmal in ihrer Ganzheit, im Geiste erfasst. Um
nicht von den Pfauen, den Flecken der Tiger oder Panther
und dem zahlreichen Farbenschmuck der Thiere zu reden,
so ist es leicht gesagt, aber bei gehörigem Nachdenken
etwas unendlich Grosses, dass unter den Völkern so viele
Dialecte und Sprachen, so grosse Verschiedenheiten im Aus-
drucke stattfinden, dass ein Fremder einem andern kaum
als Mensch erscheint. Schon hinsichtlich des Aeusseru
und des Gesichts, welches doch nur aus 10 oder einigen
Gliedern mehr besteht, giebt es unter so vielen Tausend
Menschen nicht zwei vollkommen gleiche Bildungen, was
keine Kunst bei einer noch weit geringern Anzahl nachzu-
ahmen im Stande sein möchte. Jedoch will ich bei den
meisten der folgenden Erzählungen die Wahrheit nicht ver-
bürgen, sondern ich werde vielmehr auf die Schriftsteller
») D. h. die Mohren.
4 Siebentes Buch.
verweisen und sie bei allen zweifelhaften Umständen an.
führen; nur muss man es nicht verschmähen, den Griechen
zu folgen, da ihr Fleiss in dieser Beziehung sehr gross und
ihre Ueberlieferungen die ältesten sind.
•2.
Dass es scytische Stämme, und zwar viele giebt, die
Menschenfleisch essen, haben wir bereits angeführt. Diess
würde uns vielleicht selbst unglaublich dünken, wenn wir
nicht bedächten, dass es mitten auf dem Erdkreise, sogar
in Sicilien und Italien, solche Ungeheuer von Menschen,
nämlich die Cyclopen und Lästrygoner gegeben, und dass
noch kürzlich bei den jenseits der Alpen wohnenden Völkern x)
die Sitte geherrscht habe, Menschen zu opfern, was sich
nicht viel vom Fressen derselben unterscheidet. Neben
den Scythen, welche gegen Norden wohnen, nicht weit von
dem Ausgangspunkte und der sogenannten Höhle des Aquilo,
welcher Ort Erdschloss (yiicxXei&Qov) heisst, sollen die
Arimasper wohnen, welche, wie wir gesagt haben 2), sich
durch ein Auge mittenauf der Stirn auszeichnen. Diese
sollen wegen der Erze in beständigem Kriege mit
den Greifen , der Sage nach einer Art wilden Vögel,
sein, welche mit einer ausserordentlichen Gier das Gold
in Gruben scharren und bewahren, die Arimasper es
ihnen aber wieder rauben. So berichten viele und selbst
berühmte Schriftsteller wie Herodot 3) und Aristeas 4) von
Proconnesus.
Hinter andern menschenfressenden Scythen liegt in
einem grossen Thale des Berges Imaus eine Gegend,
Namens Abarimon, in der wilde Menschen wohnen, deren
Fusssohlen nach hinten gekehrt sind; sie besitzen aber eine
ausserordentliche Schnelligkeit und ziehen mit den wilden
») Die Druiden der Gallier, s. XXX. B. 4. Cap.
IV. B. 26. Cap. VI. B. 11». Cap.
a) 111. B. 106. Cap; er erzählt es aber als Sage, der er selbst
keinen Glauben beimisst.
*) Lebte im 6. Jahrb. v. Chr. Aus einem epischen Gedichte
von ihm schöpfte Herodot obiges Märchen.
Siebentes Buch. 5
Thicren umher. Sie sollen in einem andern Himmels-
striche nicht leben, daher auch zu den benachbarten Königen
nicht gebracht werden können, und aus derselben Ursache
nicht vor Alexander den Grossen geführt worden sein, wie
Bäton, dessen Wegevermesser, erzählt.
Die zuerst erwähnten Menschenfresser, welche, wie
wir gesagt haben *), gegen Norden, 10 Tagereisen jenseits
des Flusses Borysthenes 2) wohnen, trinken aus Menschen-
schädeln und binden sich haarige Felle statt Servietten vor
die Brust, wie Isigonus 3) von Nicäa berichtet. Eben der-
selbe sagt, in Albanien 4) würden Menschen mit meergrünen
Augäpfeln geboren, die schon in der Kindheit graue Haare
hätten und bei Nacht besser als bei Tage sehen könnten.
Nach ihm nehmen die 10 Tagereisen hinter dem Bory-
sthenes wohnenden Sauromater nur alle 3 Tage Nahrung
zu sich.
Crates 5) aus Pergamus erzählt, bei Parium 6) am Helles -
pont habe es eine Gattung von Menschen gegeben, die er
Ophiogenen 7) nennt, welche Schlangenbisse durch blosse
Berührung zu heilen und durch Auflegen der Hand das
Gift aus dem Körper herauszuziehen pflegten. Auch
Varro giebt an, es gebe dort noch einige Menschen, deren
Speichel den Schlangenbiss heilt. InjAfrika lebte, nach
Agatharchides 8), ein ähnliches Volk, die Psyller, so genannt
von ihrem Könige Psyllus , dessen Grabmal sich an der
Seite der grössern Syrte befindet. Ihr Körper enthielt ein
für die Schlangen tödtliches Gift, durch dessen Geruch
diese in Schlaf versetzt würden. Bei ihnen herrschte die
Sitte, die neugeborenen Kinder den gefährlichsten Schlangen
vorzuwerfen und auf diese Weise die Keuschheit ihrer
Gattinnen zu prüfen; wenn nämlich die Schlangen nicht vor
») IV. B. 26. Cap. 2) Dniepr. 3) Unbekannt.
4) Einem Theile des heutigen Georgien. S. VI. B. 10. Cap.
») Nicht näher bekannter Schriftsteller. 6) Kemares.
7) Von Schlangen Abstammende.
») Von Knidos, Geograph des 2. Jahrh. v. Chr.
fi Siebentes Buch.
den Kindern flohen, so waren diese im Ehebruche erzeugt.
Diess Volk ist aber von den Nasamonen, welche jetzt ihre
Wohnsitze inne haben, fast gänzlich vertilgt worden, jedoch
hat sich noch ein geringer Theil derselben von denen
welche entflohen oder während des Kampfes abwesend
waren, bis jetzt erhalten. Ein ähnliches Volk sind die
Marser in Italien, welche von einem Sohne *) der Circe
abzustammen behaupten und denen von Natur jene Kraft
innewohnen soll. Allein alle Menschen haben ein Gift gegen
Schlangen in sich, und man sagt, dass diese Thiere vom
Speichel getroffen eben so fliehen, wie vor dem Uebergiessen
mit kochendem Wasser. Wenn ihnen der Speichel in den
Rachen dringt, sollen sie sogar sterben und besonders wenn
er aus dem Munde eines nüchternen Menschen kommt 2).
Hinter den Nasamonen 3) und ihren Nachbarn den
Machlyern wohnen, wie Calliphanes 4) erzählt, die Andro-
gynen, Menschen beiderlei Geschlechts, die sich wechsels-
weise untereinander begatten. Aristoteles fügt noch hinzu,
ihre rechte Brust sei von männlicher, ihre linke von weib-
licher Bildung.
In demselben Afrika soll es, nach Isigonus und Nyin-
phodorus 5), gewisse Familien von Beschreiern geben, durch
deren Lobsprüche alles verdirbt, Bäume vertrocknen und
Kinder sterben. Derartige Menschen sollen sich nach Isi-
gonus auch unter den Triballern und Illyriern finden, welche
sogar durch den Blick bezaubern, und diejenigen tödten,
welche sie, besonders mit zornigen Augen, längere Zeit an-
sehen; ihre Beschwörungen hätten namentlich auf Erwachsene
Einfluss. Noch merkwürdiger ist es, dass sie in jedem
Auge 2 Pupillen haben. Dass Weiber dieser Art auch in
f) Telegonus, welchen die Zauberin dem Ulysses auf der Insel
Aca gebar.
2) Weiteres darüber im XXVIII. B. 7. Cap.
3) Im heutigen Tripolis.
*) Nicht näher bekannter Schriftsteller.
*) Von Syrakus, dessen Zeitalter ungewiss ist.
Siebentes Buch. 7
Scythien leben, welche Bithyer heissen, erzählt Appollonides 1).
Nach Phylarchus 2) soll es auch am Pontus ein Stamm,
welche Thibier heissen und noch viele andere der Art
geben; diese hätten in dem einen Auge 2 Pupillen und in
dem andern das Bild eines Pferdes, auch könnten sie nicht
untersinken, selbst wenn sie mit Kleidern beschwert wären.
Ein ihnen nicht unähnliches Geschlecht sind, nach Dämon 3),
die Pharnacer in Aethiopien, durch deren Schweiss alle
damit berührten Körper die Abzehrung bekommen.
Dass aber alle Weiber, welche doppelte Pupillen haben,
durch ihren Blick schaden können, hat bei uns selbst
Cicero behauptet. So gefiel es also der Natur, als sie in
dem Menschen, nach Art der wilden Thiere, den Trieb
menschliche Eingeweide zu verzehren gelegt hatte, auch in
dem ganzen Körper und selbst in den Augen Mancher Gift
zu erzeugen, damit es ja nichts Uebles gäbe, was nicht
auch im Menschen wäre.
Nicht weit von der Stadt Rom, im Gebiete der Faliscer,
leben einige Familien, welche Hirper heissen; diese gehen
bei dem jährlichen Opfer, welches am Berge Soracte 4) dem
Apollo dargebracht wird, über einen angezündeten Haufen
Holz ohne sich zu verbrennen; und deshalb sind sie durch
einen unwiderruflichen Senatsbeschluss vom Kriegsdienst
und allen andern bürgerlichen Lasten frei.
Am Körper mancher Personen sind gewisse Theile mit
besonderer Wunderkraft begabt; so heilte der König
Pyrrhus durch blosse Berührung der grossen Zehe seines
rechten Fusses die Milzsüchtigen. Auch soll dieselbe mit
dem übrigen Körper nicht haben verbrannt werden können,
und sei deshalb in einem Kästchen im Tempel aufbewahrt
worden.
') Von Nicaea, lebte wahrscheinlich in der ersten Hälfte dea
1. Jahrh. n. Chr.
2) Aus Athen oder Naucratis, Historiker um 190 v. Chr.
s) Von Cyrene, nicht näher bekannt.
4) St. Oreste.
£ Siebentes Buch.
Namentlich ist Indien und das Land der Aethiopier
voll von wunderbaren Begebenheiten. In Indien leben die
grössten Thiere, so z. B. sind die Hunde dort weit grösser
als anderswo *). Auch die Bäume sollen von solcher Höhe
sein, dass die Pfeile nicht über sie hinaus fliegen. Die
Fruchtbarkeit des Bodens, das milde Klima und der Ueber-
fluss an Wasser wirken so bedeutend ein, dass, wenn man
es glauben will, ganze Reiterabtheilungen sich unter einem
einzigen Feigenbaume 2) verbergen können. Das Rohr aber
erreicht eine solche Höhe, dass ein Schuss zwischen
2 Knoten einen Kahn abgiebt, der 3 Menschen tragen kann.
Viele Menschen weiden dort über 5 Cubitus gross,
spucken nicht aus, leiden weder an Kopf-, Zahnweh, noch
an Augeniibeln und fühlen selten Schmerzen an den übrigen
Theilen des Körpers; sie erlangen diese Dauerhaftigkeit
durch die so milde Wärme der Sonne. Ihre Philosophen,
welche Gymnosophisten heissen, schauen vom frühen Morgen
bis zum Abend unverwandten Blicks die Sonne an, und
stehen den ganzen Tag über in dem heissen Sande ab-
wechselnd auf einem Fusse. Auf einem Berge, der Nulo
heisst, soll es, nach Megasthenes, Menschen mit verkehrten
Fusssohlen und 8 Zehen an jedem Fusse geben.
Auf vielen Bergen aber soll ein Stamm von Menschen
wohnen, welche Hundsköpfe haben, sich in Felle wilder
Thiere hüllen , deren Stimme ein Bellen ist , die mit
Klauen bewaffnet sind und von der Jagd und dem Vogel-
fange leben. Ctesias schreibt, dass zu seiner Zeit ihre Zahl
über 120,000 betragen habe; ferner, dass bei einem ge-
wissen indischen Volke die Frauen nur einmal in ihrem
Leben gebären und die Neugebornen sogleich grau würden.
Auch soll eine Art Menschen unter dem Namen Monocoler
') S. VIII. B. 61. Cap.
*) Ficus religiosa ist hier genannt; die Aeste senken sich näm-
lich zur Erde, wurzeln, treiben neue Bäume, die alle zusammenhängen,
sich auf diese Weise immer weiter fortpflanzen und einen kleinen
Wald bilden.
Siebentes Buch. 9
existiren, welche nur 1 Bein haben, aber eine ausserordent-
liche Gewandheit im Springen besitzen; sie sollen auch
Sciapoden heissen, weil sie bei grosser Hitze rückwärts
auf der Erde liegen und sich durch den Schatten des
Fusses schützen; sie sollen nicht weit von den Troglodyten
entfernt wohnen und wiederum westlich von diesen Andere,
die keinen Kopf und die Augen auf den Schultern
hätten, leben.
Auch Satyrn giebt es auf den subsolanischen (östlichen)
Bergen Indiens (die Gegend heisst die catharcludische) ;
sie sind äusserst schnelle Geschöpfe, gehen sowohl auf
allen Vieren als aufrecht, haben menschliche Gestalt, und
können, wegen ihrer Behändigkeit nur dann, wenn sie alt
oder krank sind, gefangen werden. Tauron l) erwähnt der
Choromander, eines Volkes, welches in Wäldern lebt, keine
ordentliche Stimme, sondern nur ein grässliches Gekreisch
hören lässt, rauh am Körper ist, meergrüne Augen und
Hundszähne hat. Nach Eudoxus wohnen in den südlichen
Theilen Indiens Männer, deren Füsse 1 Cubitus lang
und Weiber, bei denen sie so klein sind, dass sie Strutho-
poden 2) genannt werden.
Nach Megasthenus haben die Scyriten, ein indisches
Nomadenvolk, statt der Nase nur Löcher und schlangen-
artig gewundene Füsse. An der äussersten östlichen Grenze
von Indien um die Quelle des Ganges wohnen die
Astomer, welche keinen Mund haben, am ganzen Körper
rauh sind, sich in Seide kleiden und nur vom Athmen und
dem Dufte, welchen sie mit der Nase einziehen, leben.
Sie gemessen weder Speise noch Trank, sondern nähren
sich bloss von den verschiedenen Gerüchen der Wurzeln
Blumen und wilden Früchte, die sie auf grössern Reisen
bei sich führen, damit sie immer etwas zu riechen haben;
ein etwas starker Geruch soll sie aber leicht tödten.
Hinter diesen, am äussersten Ende der Berge, sollen
die Trispithamer und Pygmäer, welche nicht länger als
') Unbekannter Schriftsteller. 2) Sperlingsfüssige.
10 Siebentes Buch.
3 Spannen, d. h. 21 4 Fuss gross werden, in einer sehr ge-
sunden, stets grünenden und durch Berge gegen Norden
geschützten Gegend wohnen. Nach Homer *) leben sie mit
den Kranichen fortwährend im Kriege. Man sagt, sie ritten
auf Widdern und Ziegen, zögen im Frühlinge in grosser
Anzahl mit Pfeilen bewaffnet ans Meer, und vertilgten die
Eier und Jungen dieser Vögel; diesen Feldzug vollbrächten
sie in 3 Monaten, und im Unterlassungsfalle würden sie
den daraus entstehenden Vögelschaaren auf keine andere
Weise Widerstand leisten können. Ihre Wohnungen be-
reiten sie aus Lehm, Federn und Eierschalen. Nach Ari-
stoteles leben die Pygmäer in Höhlen; im Uebrigen stimmt
seine Erzählung mit denen der andern Schriftsteller überein.
Die Cyrner, ein indischer Stamm, werden nach Isigonus
140 Jahre alt. Dasselbe behauptet er von den äthiopischen
Macrobiern, Serern und den Bewohnern des Berges Athos,
von letzteren aus dem Grunde, weil sie das Fleisch der
Vipern essen, wesshalb sie auch weder auf ihrem Kopfe
noch in ihren Kleidern Ungeziefer haben sollen.
Onesicritus erzählt, an den Orten Indiens, wo kein
Schatten ist 2) , gäbe es Menschen von 5 Cubitus und
2 Palmen Länge, welche 130 Jahre lebten, aber keine
Greise würden, sondern in ihren besten Jahren stürben.
Crates von Pergamus nennt diejenigen Indier, welche über
100 Jahre alt werden, Gymneter, Andere nennen sie Macro-
bier. Nach Ctesias lebt unter diesen ein Stamm, der Pau-
darä heisst, in einem Thale, deren Glieder 200 Jahre lang
leben, in der Jugend weisse und im Alter schwarze Haare
haben. Dahingegen sollen andere , die an die Macrobier
grenzen, das vierzigste Jahr nicht überschreiten, und deren
Frauen nur einmal gebären; dasselbe erzählt auch Agathar-
chides. Uebrigens leben sie von Heuschrecken und sind
sehr behende. Clitarchus und Megasthenes nennen sie
Mander, und letzterer giebt die Anzahl ihrer Dörfer auf
300 an. Die Weiber gebären im siebenten Jahre und
treten mit dem 40. ins Greisenalter.
') lliade III. 3. J) II. B. 75. Cap.
Siebentes Buch. 11
Artemidorus erzählt, dass die Bewohner der Insel
Taprobane ohne irgend eine Schwäche des Körpers sehr
lange lebten. Nach Duris x) begatten sich einige Indier mit
wilden Thieren und die aus dieser Vermischung Erzeugten
wären halbwild. Unter den Calingern, ebenfalls einem in-
dischen Volke, empfingen die Weiber schon im 5. Jahre
und würden nicht über 8 Jahre alt. An andern Orten gäbe
es Menschen mit haarigen Schwänzen und von ausserordent-
licher Schnelligkeit; Andere könnten sich mit ihren Ohren
ganz bedecken. Der Fluss Arbis trennt die Oriten von den
Indiern. Diese kennen keine andere Speise als Fische,
welche sie mit den Nägeln zerreissen und an der Sonne
trocknen; nach Cütarchus sollen sie auch eine Art Brod
aus denselben machen. Crates aus Pergamus schreibt, die
Troglodyten hinter Aethiopien wären schneller als die
Pferde; ferner, die Aethiopier würden über 8 Cubitus gross,
und dieses Volk hiesse die Syrboten.
Unter den äthiopischen Nomaden, die am Flusse
Astragus gegeu Norden hin woLnen, heisst ein Stamm die
Menisminer, diese wohnen 20 Tagereisen vom Meere ent-
fernt und leben von der Milch der Thiere, welche wir
Cynocephalen genannt haben, von denen sie ganze Heerden
haben, die männlichen aber, mit Ausnahme der zur Fort-
pflanzung nöthigen, tödten. In den Einöden Afrika's sieht
man zuweilen Menschengestalten vor sich, die augenblick-
lich wieder verschwinden. Diese und ähnliche Gestalten von
Menschen erschuf die erfinderische Natur sich zum Scherze,
uns aber zum Wunder. Und wer vermöchte wohl alles das,
was sie täglich, ja stündlich hervorbringt, einzeln aufzu-
zählen? Um ihre Macht zu zeigen, mag es genügen, ganze
Völker unter den wunderbaren Erscheinungen angeführt
zu haben. Wir gehen nun zu dem wenigen Zuverlässigen,
was wir über den Menschen wissen, über.
3.
Dass es Drillingsgeburten giebt, ist durch das Bei-
') Aus Samos, Historiker, lebte im 3. Jahrh. v. Chr.
22 Siebentes Buch.
spiel der Horatier und Curiatier *) erwiesen; eine grössere
Anzahl wird für ein Wunderzeichen gehalten, ausser in
Aegypten, wo das Trinken des Nilwassers fruchtbar macht.
In der neuesten Zeit, gegen Ende der Regierung des Kaisers
Augustus, gebar Fausta, eine Plebejerin zu Ostia, 2 Knaben
und 2 Mädchen auf einmal, was ohne Zweifel die darauf
folgende Hungersnoth bedeutete. Im Peloponnes ist sogar
eine Frau 4 mal mit Fünflingen niedergekommen, von denen
der grössere Theil am Leben blieb; und nach Trogus 2)
sollen in Aegypten 7 Kinder von einer Mutter auf ein
Mal zur Welt gekommen sein. Es werden auch Menschen
beiderlei Geschlechts geboren, welche wir Hermaphroditen
(Zwitter) nennen; sonst hiessen sie Androgynen und wurden
für Wunder gehalten, jetzt aber dienen sie zum Vergnügen.
Pompejus der Grosse vermehrte die Verzierung des
Theaters durch Bilder berühmt gewordener Personen, die
zu diesem Behufe von ausgezeichneten Künstlern sorg-
fältig ausgeführt waren. Unter diesen befindet sich auch
Eutychis, die von 20 K;:üern auf den Scheiterhaufen ge-
legt wurde, und zu Tralles 30mal geboren hatte. Ferner
Alcippe, die einen Elephanten gebar, was jedoch mehr unter
die Wunder gehört. Auch zu Anfange des marsischen
Krieges 3) kam eine Magd mit einer Schlange nieder. Unter
den Missgeburten kommen mannigfaltige Bildungen vor.
Der Kaiser Claudius schreibt, dass in Thessalien ein Hippo-
centaur 4) geboren, an demselben Tage jedoch wieder ge-
storben sei. Wir selbst haben einen solchen gesehen, der
ihm während seiner Regierung aus Aegypten in Honig
gebracht wurde. Man kennt ein Beispiel, dass ein neuge-
bornes Kind zu Sagunt sogleich wieder in den Mutterleib
zurückkehrte, und zwar in demselben Jahre, wo diese Stadt
von Hannibal zerstört wurde 5).
') S. Livius 1. 24. 2) Trogus Pompejus, lebte zur Zeit August's.
3) Die Marser waren ein beträchtliches Volk in Mittelitalien.
Im Bundesgenossenkriege standen sie an der Spitze der feindlichen
Partei, daher dieser Krieg 91 v. Chr. begonnen, auch, wie hier
der marsische genannt wurde.
A) Halb Pferd und halb Mensch. *) 219 vor Chr.
Siebentes Buch. 13
Dass Weiber in Männer verwandelt werden, ist keine
Fabel. Wir finden in den Annalen, dass unter den Consuln
P. Licinius Crassus und C. Cassius Longinus l) aus einem
Mädchen zu Casinum 2) im Beisein der Eltern ein Knabe
geworden, und auf Befehl der Wahrsager auf eine wüste
Insel gebracht ist. Licinius Mucianus erzählt, er habe zu
Argos einen gewissen Arescon gesehen, der früher Ares-
eusa geheissen und als solche sogar geheirathet hätte;
bald darauf sei bei ihr der Bart und die Mannheit zum
Vorschein gekommen und sie habe nun eine Frau genommen.
Einen Knaben ähnlicher Art will er in Smyrna gesehen
haben. Ich selbst sah in Afrika den L. Cossicius, einen
thysdritanischen 3) Bürger, der an seinem Hochzeitstage
in einen Mann verwandelt worden war.
Bei Zwillingsgeburten geschieht es selten, dass ent-
weder die Mutter, oder beide Kinder am Leben bleiben.
Sind aber die Zwillinge verschiedenen Geschlechts, so ist
die Rettung beider, der Mutter und der Kinder, noch seltener.
Uie Geburt der Mädchen geht schneller von statten als die
der Knaben; auch altern jene schneller. Die Knaben regen
sich öfter im Mutterleibe und liegen bekanntlich mehr auf
der rechten, die Mädchen mehr auf der linken Seite.
4.
Die übrigen lebenden Geschöpfe haben eine bestimmte
Zeit des Gebarens und der Schwangerschaft; der Mensch
aber wird zu allen Zeiten des Jahres und nach einem un-
bestimmten Zeiträume der Empfängniss, der eine im 7., der
andere im 8W ja bis zu Anfang des 10. und 11. Monats ge-
boren. Vor dem 7. Monate ist kein Kind lebensfähig.
Im 7. Monate findet eine Geburt nicht anders als am Tage
vor oder nach dem Vollmonde, oder auch im Neumonde
statt. Bekanntlich erfolgen in Aegypten die Geburten im
8. Monate, und selbst in Italien sind solche Kinder lebens-
fähig , obgleich die Alten das Gegentheil behaupteten.
Uebrigens gestalten sich dergleichen Ereignisse auf mannig-
') 171 v. Chr. -) Casino. s) El Dschemme.
24 Siebentes Buch.
fache Weise. Vestilia, die Gattin des C. Herdicius, nachher
des Pomponius und dann des Orfitus, dreier berühmter
Bürger, kam von diesen 4 mal im 7. Monate nieder; darauf
gebar sie im elften den Suilius Rufus, im siebenten den
Corbulo, welche beide Consuln waren, später im achten
Caesonia, die Gemahlin des Kaisers Cajus. Alle in einem
dieser Zeiträume Geborene schweben bis zum 40. Tage in
der grössten Gefahr , die Schwangern aber im 4. und
8. Monate, in welchen unzeitige Geburten tödtlich sind.
Masurius 1) erzählt, der Prätor C. Papirius habe, als ein
Erbe zweiten Grades seine Forderung geltend macheu
wollte, den Besitz der Güter dennoch einem Andern, mit
welchem die Mutter 13 Monate lang schwanger gewesen
zu sein behauptete, zugesprochen, weil ihm keine bestimmte
Zeit der Niederkunft festzustehen schien.
5.
Am zehnten Tage nach der Empfängniss sind Kopf-
schmerzen, Schwindel, Dunkelheit vor den Augen, Ekel vor
Speisen und Aufstossen aus dem Magen, Anzeigen vom
Entstehen eines Menschen. Die mit einem Knaben
Schwangere hat eine bessere Gesichtsfarbe und gebärt
leichter. Am 40. Tage fängt das Kind an sich zu rühren.
Das Gegentheil von allem findet statt, wenn das Kind
weiblichen Geschlechts ist; dann ist die Bürde unerträglich,
an den Schenkeln und Schamtheilen zeigt sich eine leichte
Geschwulst, die erste Bewegung aber erfolgt erst am
90. Tage. Allein die grösste Mattigkeit fühlt die Schwangere
bei beiden Geschlechtern, wenn dem Kinde das Haar wächst
und zur Zeit des Vollmondes, der auch auf bereits Ge-
borene einen nachtheiligen Einnuss ausübt. Ja sogar das
Gehen und alles, was man nur nennen kann, wirkt auf
Schwangere; wenn sie z. B. zu stark gesalzene Speisen essen,
so gebären sie Kinder ohne Nägel, und wenn sie Athem
geholt haben, so gebären sie schwieriger. Das Gähnen
') Masurius oder Masurius Sabinus, Rechtsgelehrter aus der
Zeit des Kaisers Tiberius.
Siebentes Buch. j 5
während der Geburt ist tödtlich, sowie das Niesen nach
dem Beischlafe einen Abortus bewirkt.
Man wird mit Bedauern und Scham erfüllt, wenn man
bedenkt, von welch' unbedeutenden Zufällen die Entstehung
des stolzesten unter den Geschöpfen abhängt, da sehr oft
schon der Geruch ausgelöschter Lampen die Ursache un-
zeitiger Geburten ist. Einen solchen Anfang hat der Ty-
rann, einen solchen das blutdürstige Gemüth. Du, der du
auf die Kräfte deines Körpers pochst, der du nach den
Gaben des Glücks haschest und dich nicht einmal für den
Pflegling sondern für das Kind desselben halst; du, dessen
Geist stets mit Siegen umgeht, der du, aufgeblasen durch
irgend ein glückliches Ereigniss, dich für einen Gott halst,
dich konnte ein so unbedeutender Umstand umbringen !
Ja noch jetzt kann diess ein noch geringerer, denn wie
klein ist der Biss vom Zahne einer Schlange! Starb doch
schon der Dichter Anacreon *) an dem Kerne einer Wein-
beere; erstickte schon der Senator und Prätor Fabius an
einem Haar, welches er beim Trinken der Milch mit ver-
schluckte! Der nur wird das Leben seinem wahren Werthe
nach schätzen, welcher der menschlichen Hinfälligkeit stets
eingedenk ist.
6.
Dass bei der Geburt die Füsse zuerst kommen, ist
wider die Natur, und daher hat man solche Kinder Agrippen,
d. h. Schwergeborene 2) genannt. Auf diese Weise soll
M. Agrippa 3) zur Welt gekommen, und er fast das einzige
Beispiel einer solchen glücklich abgelaufenen Geburt sein.
Allein auch er hatte kranke Füsse, eine elende Jugend,
') Geb. 559 v. Chr. zu Teos in Jonien, starb 474. -) Aegre parti.
3) Der berühmte Schwiegersohn des Kaisers Augustus. Mit
seiner Gattin Julia, der ausschweifenden Tochter des Kaiser Augustus.
zeugte er 3 Söhne und 2 Töchter, nämlich: C. Caesar, L. Caesar,
Agr. Postumus, Julia und die ältere Agrippina, die nacbherige Ge-
mahn des Germanicus und Mutter des Cajus (Caligula) und der
jüngeren Agrippina, die sich mit dem Senator Cn. Domitius Aheno-
barbus verheirathete , diesem den Domitius Nero gebar und später
die vierte Gemahn des Kaisers Claudius wurde. Er starb 12 n. Chr.
Itf Siebentes Buch.
brachte sein Leben in Kifcieg und Todesgefahren hin, alle
seine Handlungen waren ihm schädlich, sein Stamm gereichte
der Welt zum Unheil, vorzüglich durch die beiden Agrippinen,
welche den Cajus und Domitius Nero, diese zwei Geissein
des menschlichen Geschlechts, gebaren. Uebrigens lebte
er nicht lange, denn schon im 51. Jahre starb er, und
durch die Betrübniss, welche ihm die Untreue seiner Ge-
mahn, sowie das sclavische Verhältniss zu seinem Schwieger-
vater bereitete , hat er die Bedeutung seiner verkehrten
Geburt büssen müssen. Dass auch selbst Nero, der noch
vor Kurzem Kaiser und während seiner ganzen Herrschaft
ein Feind des menschlichen Geschlechts war, mit den
Füssen zuerst geboren wurde, giebt seine Mutter Agrippina
an. Naturgemäss ist, dass der Mensch mit dem Kopfe zu-
erst auf die Welt kommt, und mit den Füssen voran aus
derselben zu Grabe getragen wird.
7.
Glücklicher kommen die zur Welt, deren Mutter bei
der Geburt stirbt, wie Scipio Africanus der ältere, und
der erste der Cäsaren, der diesen Namen erhielt, weil er
aus dem aufgeschnittenen Leibe der Mutter kam; da-
her auch solche Kinder Cäsonen r) heissen. Auf ähnliche
Weise wurde auch Manilius geboren, der mit einem Kriegs-
heere nach Carthago ging.
8.
Vopiscus heisst derjenige unter Zwillingen, welcher
erst dann geboren wird, wenn der eine durch eine Fehlge-
burt todt abgegangen ist. Es sind in dieser Beziehung
sehr merkwürdige, wenn gleich seltene Beispiele bekannt,
" 9.
Ausser dem Weibe dulden nur wenige Thiere, während
sie trächtig siuJ, die Begattung. Eins oder das andere
wird höchstens überfruchtet. Man rindet in den Schriften
der Aerzte und Anderer, die sich die Erforschung solcher
Dinge angelegen sein Hessen, dass durch eine Fehlgeburt
') Z. B. der Consul Caeso Pabius im J. 481 vor Chr.
Siebentes Buch. 17
schon 12 Leibesfrüchte abgingen. Wenn aber zwischen
Ä\vei Empfängnissen einige Zeit verflossen ist, daun kommen
sie beide zur Reife, wie diess beim Hercules und seinem
Bruder fphicles der Fall war; desgleichen bei einer Frau,
die Zwillinge gebar, von denen der eine ihrem Manne, der
andere aber dem Ehebrecher ähnlich sah. Dasselbe ge-
schah mit einer proconnesischen Magd, die nach einem
doppelten Beischlafe an ein jund demselben Tage mit
einem Kinde, was ihrem Herrn, und mit einem zweiten,
was dessen Verwalter ähnlich sah, niederkam. Eine An-
dere gebar ein rechtzeitiges Kind und ein 5 Monate altes
zugleich; noch eine Andere gebar nach 7 Monaten und be-
kam 2 Monate nachher noch Zwillinge.
10.
Es ist allgemein bekannt, dass gesunde Eltern gebrech-
liche Kinder, kranke Eltern gesunde Kinder erzeugen;
ferner dass die Gebrechen an denselben Theilen wieder
vorkommen, ja, das sogar Zeichen, Maale und Narben sich
fortpflanzen können. Bei den Daciern zeigte sich am Arme
das Merkmal der Geburt bis ins vierte Glied. Unter den
Lepidern wurden, wie ich erfahren habe, 3 in ununter-
brochener Ordnung geboren, deren Auge mit einer Haut
überzogen war. Manche Kinder sehen dem Grossvater
ähnlich; von Zwillingen oft der eine dem Vater, der an-
dere der Mutter, und Geschwister, von denen eins ein Jahr
später geboren ist als das andere, gleichen sich zuweilen
wie Zwillinge. Einige Frauen gebären stets Kinder, die
nur ihnen, manche hingegen nur solche, die dem Manne,
manche solche, die keinem von beiden ähnlich sind, endlich
sind manche Mädchen dem Vater, manche Knaben der
Mutter ähnlich. Einen unbezweifelten Beweis davon liefert
Nicäus, ein berühmter Faustkämpfer in Byzanz, dessen
Mutter im Ehebruche mit einem Mohren erzeugt worden
war und sich hinsichtlich der Hautfarbe von andern
Menschen nicht unterschied; er aber repräsentirte durch
seine Hautfarbe seinen Grossvater, den Aethiopier.
Bei den Aehnlichkeiten kommt es vorzüglich auf die
Wittstein: Pliuins. II. Bd. 9
lg Siebentes Buch.
Beschäftigung des Geistes an, und hierbei sollen viele zu-
fällige Dinge als Gesicht, Gehör, Gedächtniss, und selbst
die während des Beischlafs geschöpften Bilder wirksam
sein. Sogar ein Gedanke, der vor der Seele des Einen
oder Andern schnell vorübergeht, soll eine Aehnlichkeit
hervorbringen oder doch Theil an der Mischung haben.
Deshalb findet eine weit grössere Verschiedenheit unter
den Menschen als unter allen übrigen Thieren statt, denn
die Schnelligkeit des Geistes und der Gedanken und die
Mannigfaltigkeit der Fähigkeiten hinterlässt die verschie-
densten Eindrücke; die Thiere aber haben einen unbeweg-
lichen Geist und sind darum allen sowie jedem einzelnem
ihrer Gattung ähnlicher.
Dem Könige Antiochus von Syrien glich ein Mann aus
der gemeinen Klasse, Namens Artemon, so sehr, dass
Laodice, die königliche Gemalin, nach der Ermordung des
Antiochus1), durch ihn den Betrug, sich dem Volke zu
empfehlen und sich die Nachfolge in der Regierung zu
sichern, ausführen konnte. Dem grossen Pompejus waren
ein gewisser Vibius, ein Plebejer, und Publicius, ein freige-
lassener Sclave, täuschend ähnlich; sie hatten auch dasselbe
ehrfurchtgebietende Gesicht und denselben Adel auf der
hohen Stirn. Aus gleicher Ursache wurde seinem Vater
der Beiname seines Kochs Menogenes, Strabo2), beigelegt,
den dieser wegen seinen^ Augen hatte, um die Aehnlichkeit
dieses Fehlers anzudeuten, und Scipio erhielt den Namen
Serapio von dem elenden Sclaven eines Schweinehändlers.
Ein späterer Scipio aus derselben Familie wurde nach
einem Schauspieler Salvitto benannt. Ferner bekamen
die gleichzeitigen Consuln Lentulus und Metellus 3), der
eine den Beinamen Spinther, nach einem Schauspieler
') 187 vor Chr. Sie legte nämlich den Artemon in das Bett des
von ihr ermordeten Königs, als sei dieser schwer erkrankt, und Hess
sich von jenem dem herbeigerufenen Volke empfehlen. Valer. Maxim .
IX. 14.
2) Strabo heisst ein Schielender. 3) 57 vor Chr.
Siebentes Buch. 19
zweiten, der andere den Beinamen Pamphilus nach einem
Schauspieles dritten Ranges, weil sich der unangenehme
Zufall ereignete, dass man die Ebenbilder beider Consuln
auf der Bühne zugleich erblickte. Auf umgekehrte Art gab
der Redner L. Plancus dem Schauspieler Rubrius einen
Beinamen. Wiederum wurden Curie- der Vater und der
Censor Messala nach Schauspielern, ersterer Burbulejus,
der andere Menogenes genannt. Auch war ein gewisser
Fischer in Sicilien dem Proconsul Sura nicht nur an Ge-
stalt, sondern auch an dem Aufreissen des Mundes beim
Reden, Einziehen der Zunge und der lärmenden Aussprache
ähnlich. Dem berühmten Redner Cassius Severus *) warf
man die Aehnlichkeit mit einem Viehhirten Mirmillo vor.
Toranius, ein Sclavenhändler, verkaufte dem Antonius, als
er schon Triumvir war, 2 sehr schöne Knaben, von denen
der eine in Asien, der andere jenseits der Alpen geboren
war, als Zwillinge, so gross war ihre Aehnlichkeit. Als
sich nachher aus der Sprache der Knaben der Betrug er-
gab, wurde jener vom Antonius wüthend angefahren, und
da dieser sich unter andern über den hohen Preis be-
schwerte (denn er hatte sie für 200,000 Sestertien gekauft),
so entgegnete der schlaue Händler, ebendeshalb habe er
sie so theuer verkauft, denn bei solchen, die von Einer
Mutter geboren wären, sei die Aehnlichkeit nichts unge-
wöhnliches, dass man aber von ganz verschiedenen Völkern
Kinder von solcher Aehnlichkeit fände, sei eine unschätz-
bare Seltenheit. Dadurch erregte er gerade zur rechten
Zeit eine solche Bewunderung, dass jener, der eben noch
über den ihm angethanen Schimpf empört war, nun kein
grösseres Glück zu haben glaubte als die beiden Knaben.
11.
Es giebt eine gewisse ganz besondere Antipathie unter
den menschlichen Körpern, und die, welche unter sich un-
fruchtbar sind, zeugen Kinder, wenn sie sich mit andern
') Lebte unter Augustus und Tiberius.
2*
20 Siebentes Buch.
verbunden haben , wie z. B. Augustus uud Livia x). Des-
gleichen erzeugen manche Männer und Frauen nur Mädchen
oder nur Knaben; gewöhnlich aber wechseln sie ab , wie
die Mutter der Gracchen 2) zwölfmal, und Agrippina 3), die
Gemahlin des Germanicus, neunmal. Einige sind in der
Jugend unfruchtbar, Andere gebären nur einmal in ihrem
Leben. Einige tragen die Frucht nie aus, und bringen,
wenn Arzneimittel und gehörige Sorgfalt dem Uebel ab-
helfen, fast immer Mädchen zur Welt. Der Kaiser Augu-
stus sah, unter andern seltenen Fällen seines Lebens, auch
einen Enkel seiner Enkelin, der in demselben Jahre, wo
er starb, geboren war, den M. Silanus nämlich, welcher,
als er nach geführtem Consulate Asien erhielt, von seinem
Nachfolger, dem Kaiser Nero, durch Gift getödtet wurde 4).
Q. Metellus Macedonicus 5) hinterliess 6 Kinder und 11 En-
kel, mit den Schwiegertöchtern und Schwiegersöhnen aber,
und überhaupt allen, welche ihn mit dem Vaternamen be-
grüssten, 27. In den Jahrbüchern aus den Zeiten des
Kaisers Augustus findet man, dass während seines 12. mit
dem Lucius Sulla geführten Consulates 6) am 11. April
C. Crispinus Hilarus aus der freigebornen fesulanischen 7)
Plebejerfamilie mit 8 Kindern (unter denen 2 Töchter waren),
28 Enkeln, 19 Urenkeln und 8 Enkelinnen in feierlichem
Zuge auf dem Capitole erschienen sei und daselbst ge-
opfert habe.
12.
Das Weib gebärt nach dem 50. Jahre nicht mehr, und
bei den meisten hört die Menstruation schon im 40. auf.
') Sie zeugten keine Kinder miteinander, während doch Augustus
mit seiner ersten Gemahn Scribonia die Julia, und Livia mit ihrem
ersten Gemal Tiberius Nero den Tiberius und Drusus hatte.
-) Cornelia. 3) Die Tochter des M. Agrippa.
4) Tacitus bürdet diess Verbrechen der Agrippina, Mutter des
Nero, auf. Annal. XIII. 1.
•'•) Erhielt diesen Namen nach glücklicher Beendigung des drit-
ten rnacedonischen Krieges, 146 v. Chr. Florus II. 14.
6) Im J. 5 n. Chr. ») FiesOla,
Siebentes Buch. 21
Was die Männer betrifft, so ist bekannt , dass der König
Massinissa nach seinem 86. Lebensjahre noch einen Sohn
erzeugte, den er Methymanus nannte, und der Censor Cato *)
im 80. Jahre mit der Tochter seines Clienten Salonius.
Daher heisst der Zweig seiner andern Kinder der der Lici-
nianer, der seines letzten Sohnes aber der der Salonianer,
und zu letztern gehört der uticensische 2). Kürzlich wurde
sogar dem L. Volusius Saturninus, der als Präfect von Rom
starb, nach seinem 62. Jahre von der Cornelia, aus der
Familie der Scipionen, Volusius Saturninus, welcher später
Consul wurde 3), geboren. Und man hat Beispiele von ge-
ringen Leuten, die bis zum 75. Jahre zeugungsfähig blieben.
13.
Das einzige Geschöpf, welches einen monatlichen
Blutabgang hat, ist das Weib; daher kommen nur in
ihrer Gebärmutter die sogenannten Mondkälber 4) vor.
Diess ist ein unförmliches Stück Fleisch, ohne Leben, das
dem Stiche und Schnitte des Eisens widersteht. Es bewegt
sich und hemmt den Monatsfluss, gleich wie eine Leibes-
frucht; bisweilen wird es den Weibern tödtlich, bisweilen
behalten sie es bis in ihr Alter, oder es geht bei schneller
Eröffnung des Leibes ab. Etwas Aehnliches erzeugt sich
auch im Leibe der Männer, und diess nennt man Blutge-
schwulst 5), wie beim Prätor Oppius Capito der Fall war.
Aber nicht leicht wird man etwas finden, was wunderbarere
Wirkungen hervorbringt als der Blutfluss der Weiber.
Kommen sie in diesem Zustande in die Nähe von Most, so
wird er sauer, die Feldfrüchte werden durch ihre Berührung
unfruchtbar, Pfropfreiser sterben ab, die Keime in den
Gärten verdorren, und die Früchte der Bäume, unter denen
sie gesessen haben, fallen ab. Der Glanz der Spiegel
wird durch ihren blossen Blick matt, die Schneide eiserner
») Lebte 214—148 vor Chr.
2) Cato, der sich 46 vor Chr. zu Utica in Afrika tödtete.
3) 56 nach Chr.
') Molae. 5) Scirrhus.
22 Siebentes Buch.
Geräthe wird stumpf, das Elfenbein verliert seinen Glanz,
ja sogar Erz und Eisen rosten und bekommen einen üblen
Geruch; Hunde, die davon lecken, werden wüthend, und
ihr Biss wird dadurch zum unheilbaren Gifte. Selbst das
sonst so zähe und klebrige Harz, welches zu einer gewissen
Zeit auf dem Asphaltsee in Judäa herumschwimmt, das
sich nicht ablösen lässt und an alles, was damit in Be-
rührung kommt, sich fest anhängt, haftet nicht an einem
Faden, der mit diesem Gifte benetzt ist. Sogar die Ameise,
dieses so kleine Thier, soll eine Empfindung davon haben,
denn sie wirft die zusammengetragenen Körner, welche
davon berührt sind, weg und sucht sie niemals wieder auf.
Und diese grosse Beschwerde tritt bei den Weibern alle
30 Tage, und jedesmal nach 3 Monaten noch stärker ein,
bei einigen öfter als jeden Monat, bei andern niemals.
Allein letztere gebären auch nicht, denn diess ist der Stoff
zur Erzeugung des Menschen, mit welchem sich der Same
des Mannes wie eine geronnene Masse vereinigt und mit
der Zeit Leben und Form bekommt. Wenn daher Schwangere
diesen Fluss noch haben, so kommen schwache, nicht le-
bensfähige oder eiterige Kinder zur Welt, wie Nigidius be-
hauptet. Ebenderselbe ist auch der Meinung, dass- die
Milch einer das Kind säugenden Frau nicht verdorben
werde, wenn sie von demselben Manne wiederum empfängt.
14.
Zu Anfang oder gegen Ende dieses Zustandes soll die
Empfängniss am leichtesten erfolgen. Ein Beweis der
Fruchtbarkeit einer Frau soll, wie ich erfahren habe, sein,
wenn ein Arzneimittel, womit man ihre Augen bestreicht,
sich dem Speichel mittheilt.
15.
Ferner ist es keinem Zweifel unterworfen, dass die
Kinder im 7. Monate nach der Geburt die ersten Zähne
und zwar vorn und zuerst gewöhnlich in der obern Kinn-
lade bekommen. Im 7. Jahre fallen diese wieder aus, und
andere wachsen nach. Manche Kinder werden auch gleich
Siebentes Buch. 23
mit den Zähnen geboren, wie M. Curius 1), der deshalb den
Beinamen Dentatus erhielt, und Cn. Papirius Garbo 2), beide
berühmte Männer. Bei den Mädchen galt diess zu den
Zeiten der Könige für ein sehr unglückliches Zeichen. Als
Valeria so geboren war, verkündete der Ausspruch der
Wahrsager derjenigen Stadt den Untergang, in welche sie
gebracht würde; man führte sie in das damals blühende
Suessa Pometia 3), und der Erfolg zeigte die Wahrheit der
Weissagung. Manche Mädchen werden mit zusammenge-
wachsenen Geschlechtstheilen geboren diess ist eine un-
glückliche Vorbedeutung, wie sich an der Cornelia 4), der
Mutter der Gracchen, erwies. Andere bringen statt Zähne
einen zusammenhängenden Knochen mit zur Welt, wie der
Sohn des bithynischen Königs Prusias in der obern Kinn-
lade hatte.
Nur allein die Zähne werden beim Verbrennen des
Körpers vom Feuer nicht zerstört. Obgleich sie nun den
Flammen widerstehen, so werden sie doch durch den fres-
senden Schleim ausgehöhlt. Ein schönes weisses Ansehen
erhalten sie durch ein gewisses Mittel. Durch den Ge-
brauch reiben sie sich ab und bei manchen Menschen sind
sie das Erste, was zu Grunde geht. Sie sind nicht nur
nothwendig zur Nahrung und Speise, sondern die Vorder-
zähne tragen das meiste zur richtigen Stimme und Aus-
sprache bei, indem sie den Stoss der Zunge mit einer ge-
wissen Gleichförmigkeit auffangen, durch ihre Stellung und
Grösse die Töne brechen, mildern oder schwächen; sind
sie aber nicht mehr vorhanden, so fehlt alle Deutlichkeit
in der Rede.
Auch in den Zähnen glaubt man Vorbedeutungen zu
>) War 290 vor Chr. Consul. 2) War 113 vor Chr. Consul.
2) Eine alte Stadt in Latium (wahrscheinlich an der Stelle des
heutigen Torre Petrara), welche nach Livius I. von Tarquinius Su-
perbus erobert ward.
4) Denn ihre beiden Söhne Tiberius u. Cajus Gracchus starben
<jines gewaltsamen Todes.
24 Siebentes Buch.
finden. Die Männer bekommen 32, mit Ausnahme der Tur-
duler; die welche mehrere haben, glauben sich ein längeres
Leben versprechen zu dürfen. Die Weiber haben eine ge-
ringere Anzahl. Diejenigen, welche auf der rechten Seite
oben 2 sogenannte Hundszähne haben, rechnen fest auf die
Gunst des Glücks, wie z. B. Agrippina, die Mutter des
Domitius Nero; das Gegentheil findet statt, wenn jene Zähne
auf der linken Seite stehen. Einen Menschen zu ver-
brennen, bevor er die Zähne bekommen hat, ist bei keinem
Volke gebräuchlich. Wir werden bald mehr über diesen
Gegenstand sagen, wenn die Beschreibung von Glied zu
zu' Glied geht *).
Ich weiss nur Von einem Menschen, dem Zoroaster 2),
der am Tage seiner Geburt gelacht hat; bei ihm soll sich
das Gehirn so stark bewegt haben, dass es eine aufgelegte
Hand zurückstiess — eine Vorbedeutung seiner nachherigen
Gelehrsamkeit.
16.
Dass der Mensch im 3. Jahre die Hälfte seiner zu-
künftigen Grösse erreicht, ist gewiss. Im Allgemeinen
kann man aber die sichere Beobachtung machen, dass die
Menschheit von Tage zu Tage kleiner wird, indem die
Söhne selten grösser als die Väter sind, da die Verbrennungs-
periode, zu welcher unser Zeitalter sich hinneigt3), die
Fruchtbarkeit des Samens vermindert. In Greta fand man
in einem durch ein Erdbeben zerrissenen Berge einen
stehenden Körper von 46 Cubitus Länge, den Einige für
den Orion, Andere für den Otis 4) halten. Der Körper des
Orests, der auf Befehl des Orakels wieder aufgegraben
wurde 5) , war nach dem Zeugniss alter Ueberlieferuugen
') Im XXVIII. B. 9. u 11. Cap.
2) Mehr über ihn im XXX. Bd. 2. Cap.
3) Nach der Ansicht alter Gelehrten wird die Erde durch Feuer
zerstört. PI. hält diese Zeit für nicht sehr fern. S. auch II. B. 10. Cap.
4) Fabelhafte Riesen.
*) S. Herodot I. 68. A. Gellius, N. A. III. 40.
Siebentes Buch. 25
7 Cubitus lang. Ja schon vor beinahe 1000 Jahren klagte
der grosse Dichter Homer wiederholt, dass die Menschen
seiner Zeit kleiner wären als die Alten. Die Grösse des
Nävius Pollio ist in den Jahrbüchern nicht bemerkt, da er
aber durch den Zusammenlauf des Volks *) beinahe er-
drückt wäre, so muss sie an das Wunderbare gegrenzt
haben. Den grössten Menschen sah unser Zeitalter unter
der Regierung des Kaiser Claudius; er hiess Gabbara, war
aus Arabien, und maass 9 Fuss und eben so viele Zolle.
Unter der Regierung des Augustus lebten zwei Leute, Na-
mens Posio und Secunclilla, welche noch einen halben Fuss
höher waren, und deren Körper der Merkwürdigkeit wegen
in dem Grabe der sallustianischen Gärten aufbewahrt
wurden.
Unter demselben Kaiser war der kleinste Mensch
2 Fuss und 1 Palme hoch; er hiess Conopas, und wurde
der Julia, der Enkelin Augusts, zum Vergnügen gehalten ;
ferner eine Zwergin, Andromeda, eine Freigelassene der
Julia Augusta. M. Varro berichtet, dass Manius Maximus,
und M. Tullius, 2 römische Ritter, nur zwei Ellen gross ge-
wesen wären, und ich selbst, habe sie in ihren Särgen ge-
sehen. Dass Kinder von anderthalb Fuss, mitunter noch
grösser geboren werden, die aber schon im 3. Jahre ihr
Leben beschliessen, ist bekannt.
17.
Wir finden in alten Schriften, dass der Sohn des Eu-
thymenes in Salamis bereits im 3. Jahre eine Grösse von
3 Cubitus erreicht hatte, allein sein Gang war langsam,
seine Sinne mangelhaft, und obgleich seine starke Stimme
die Mannbarkeit anzeigte, so starb er doch an einer plötz-
lichen Contraction der Glieder nach vollendetem drittem
Jahre. Ich selbst habe alles dieses, mit Ausnahme der
Mannbarkeit, an dem Sohne des Cornelius Tacitus 2), eines
römischen Ritters und Procurators beim Rechtswesen im
') Seiner Grösse wegen nämlich.
2) Vater des berühmten Historikers.
2i] Siebentes Buch.
belgischen Gallien, gesehen. JE%rqaTisXoi x) heissen solche
Kinder bei den Griechen; im Lateinischen haben sie keinen
besondern Namen.
Man hat die Bemerkung gemacht, dass der Mensch
von der Fusssohle bis zum Scheitel eben so gross ist, als
bei ausgebreiteten Armen die Länge von der Spitze des
einen Mittelfingers bis zu der des andern beträgt; ferner
dass die rechte Seite die kräftigste ist, dass jedoch bei
Einigen beide Seiten gleich stark sind, bei Manchen die
linke Hand die meiste Stärke hat, \3ass diess aber nie
beim weiblichen Geschlechte vorkommt.
18.
Die Männer sind schwerer am Gewicht 2), und bei allen
Thieren die todten Körper schwerer als die lebenden, die
schlafenden schwerer als die wachenden. Männliche Leich-
name schwimmen auf dem Rücken, weibliche auf dem
Bauche, gleichsam als wollte die Natur ihre Schamhaftigkeit
noch nach dem Tode achten.
Ich habe erfahren, dass Menschen mit durchaus festen
Knochen ohne Mark leben; solche Personen sollen keinen
Durst fühlen und nicht schwitzen, obgleich wir auch wissen,
dass sich der Durst durch den Willen bezwingen lässt. So
soll dem römischen Ritter Julius Viator, von dem mit Rom
verbündeten Volke der Vecontier, dem in seiner Jugend
wegen Hautwassersucht von den Aerzten alles Nasse ver-
boten war, diese Gewohnheit so zur Natur geworden sein,
dass er im Alter gar nicht getrunken hat. Auch Andere
haben sich in vielen Dingen beherrscht.
Man erzählt, dass Crassus, der Grossvater des in Par-
thien getödteten Crassus 3), niemals gelacht habe, und des-
halb Agelastus genannt sei. Auch sollen Viele nie geweint
haben. Socrates, der berühmte Weise, wurde immer mit
') Solche, die von der gewöhnlichen Bahn abweichen.
2) Als die Weiber.
3) 53 vor Chr., als er aus Geldgier einen Feldzug gegen die
lJarther unternommen hatte.
Siebentes Buch. 27
derselben Miene, nie freundlicher und nie trauriger gesehen.
Diese strenge Haltung der Seele artet zuweilen in eine ge-
wisse Kälte, in ein rauhes, hartes und unbeugsames Wesen
aus, und benimmt dem Menschen die Gemütsbewegungen.
Solche heissen bei den Griechen änadsig: es gab deren
viele unter ihnen, und merkwürdigerweise gehörten dazu
die grössten Weisen, wie Diogenes der Cyniker, Pyrrhon,
Heraclitus, Timon, welcher letztere sogar das ganze mensch-
liche Geschlecht hasste. Aber auch verschiedene gering-
fügige Eigenheiten bemerkt man bei Vielen; so soll Anto-
nia, die Tochter des Drusus nie ausgespuckt, der Consul
und Dichter Pomponius nie das Aufstossen gehabt haben.
Menschen mit durchaus festen Knochen sind sehr selten,
und heissen hörnerne.
19.
Varro erzählt unter andern Beispielen wunderbarer
Kraft, dass Tributanus, der sich beim Fechterspiele durch
eine samnitische Rüstung *) auszeichnete, mager am Körper
aber von ausserordentlichen Kräften gewesen sei, und dass
dessen Sohn, ein Soldat des grossen Pompejus, am ganzen
Körper, ja sogar an den Armen und Händen kreuzweise
liegende Sehnen gehabt habe. Selbst einen Feind, der ihn
herausforderte, überwand er unbewaffnet mit einem Finger
der rechten Hand, packte ihn dann und brachte ihn ins
Lager. Vinnius Valens, der unter der Leibwache des Kaisers
Augustus als Centurio diente, pflegte Wagen, die mit
Schläuchen beladen waren, so lange emporzuhalten, bis sie
abgeladen waren; Kutschen hielt er mit einer Hand im
Laufe auf, indem er sich den ziehenden Pferden entgegen-
stellte, und verrichtete noch andere Wunderdinge, welche
man auf seinem Grabmale eingehauen sehen kann. Fusius
wurde, wie M. Varro sagt, Bauerah ercules genannt, weil er
seinen Maulesel in die Höhe hob. Salvius trug 2 Centner-
gewichte an seinen Füssen, ebenso viele an den Händen,
und 4 Centner auf seinen Schultern eine Treppe hinauf.
') Die Livius (IX. 40) ausführlich beschreibt.
2g Siebentes Buch.
Auch ich sah einen Mann, Namens Athanatus, der eine
ausserordentliche Stärke besass; er ging mit einem 500 Pfund
schweren bleiernen Brustharnisch und eben so schweren
Cothurnen auf der Schaubühne umher. Den Athleten Milo
von Croton konnte, wenn er stand, Niemand von der Stelle
bringen, und, wenn er einen Apfel hielt, brachte ihm Keiner
einen Finger gerade.
20.
Dass Philippides den 1160 Stadien langen Weg von
Athen nach Lacedämon in 2 Tagen zurücklegte, wurde
schon für etwas Grosses gehalten, bis der lacedämonische
Läufer Anystis, und Philonides bei Alexander dem Grossen
in 1 Tage 1305 Stadien von Sicyon nach Elis machten.
Ich weiss, dass auch jetzt Manche im Circus 160,000 Schrite
aushalten können. Noch kürzlich legte unter den Consuln
Fontejus und Vipstanus *) ein achtjähriger Knabe von
Mittag bis Abend 75,000 Schritte zurück. Hierüber muss
man sich um so mehr wundern, wenn man bedenkt, dass
Tiberius Nero, als er zu seinem in Deutschland krank
liegenden Bruder Drusus eilte, in einer Nacht und einem
Tage den längsten Weg von 200,000 Schritten mit 3 mal
gewechseltem Fuhrwerk machte.
21.
Von der Schärfe der Augen findet man Beispiele,
die allen Glauben überschreiten. Cicero erzählt, dass
Homer's Iliade auf Pergament geschrieben in einer Nuss
eingeschlossen gewesen sei; ferner, dass ein Mensch 135,000
Schritte weit gesehen habe. Von diesem hat uns M. Varro
auch seinen Namen aufbewahrt, er hiess nemlich Strabo.
Im punischen Kriege soll er sogar gewöhnlich vom Vorge-
birge Lilybäum 2) in Sicilien aus, beim Auslaufen der Flotte
aus dem Hafen von Carthago, die Anzahl der Schiffe an-
gegeben haben. Callicrates schnitt aus Elfenbein Ameisen
und andere so kleine Thiere, dass deren einzelne Theile
von Andern nicht bemerkt wurden. Ein gewisser Myrme-
') 59 nach Chr. ») Capo di Boco.
Siebentes Buch. 29
ekles machte sich gleichfalls in dieser Hinsicht berühmt;
er soll aus demselben Material einen 4 spännigen Wagen,
den eine Fliege mit ihren Flügeln bedecken, und ein Schiff,
das eine kleine Biene unter ihren Flügeln verbergen konnte,
verfertigt haben.
22.
Ein einziges merkwürdiges Beispiel vom Gehör giebt
die Schlacht, in welcher Sybaris zerstört wurde, und die
an demselben Tage, wo sie vorfiel, in Olympia gehört
wurde. Denn die Nachricht von dem Siege über die
Cimbern x), sowie die römischen Castoren, welche den per-
seischen Sieg 2) an demselben Tage, wo er sich ereignete,
verkündigten, waren Zeichen und Wunder der Götter.
23.
Von der Ausdauer des Körpers giebt es, da unglück-
liche Schicksale sehr häufig sind, unzählige Beispiele. Das
berühmteste bei dem weiblichen Geschlechte ist das der
öffentlichen Dirne Leäna, die selbst unter Martern die Ty-
rannenmörder Harmodius und Aristogiton 3) nicht nannte;
unter den Männern verdient das des Anaxarchus genannt
zu werden, der aus einem ähnlichen Grunde gefoltert, sich
mit den Zähnen die Zunge abbiss, und diese einzige
Hoffnung des Verraths dem Tyrannen 4) ins Gesicht spie.
24.
Wem das Gedächtniss, dieses so höchst nothwendige
Gut des Lebens, im vorzüglichsten Grade zu Theil ward,
lässt sich nicht leicht angeben, da sich so viele dadurch
berühmt gemacht haben. Der König Cyrus wusste die
Namen aller Soldaten seines Heeres; L. Scipio, die aller
J) Den Mariu.« erfocht.
2) Sieg des Aemilius Paullus Macedonicus über den letzten
König von Macedonien, Perseus. Ueber diese Begebenheit vergl.
man Cic. de nat. Deor. II. 2.
3) Sie tödteten den Tyrannen von Athen, Hipparch, den Sohn
des Pisistratus. 513 vor Chr. S. auch im XXXIV. B. 19. Cap.
*') Nicocreon von Cjrpern. S. Valerius Maxim. III. 3.
30
Siebentes Buch.
Römer; Cineas, der Gesandte des Königs Pyrrhus, die aller
Senatoren und Ritter zu Rom, und zwar am Tage nach
seiner Ankunft. Mithridates, König über 22 Völker, sprach
in eben so vielen Sprachen Recht, und redete in der Reichs-
versammlung einen jeden Gesandten ohne Dolmetscher an.
Ein gewisser Charmadas in Griechenland sagte jedes Buch,
das einer aus der Bibliothek verlangte, aus dem Kopfe her,
als wenn er es lese. Zuletzt machte man hieraus eine Kunst,
nämlich die, das Gehörte mit denselben Worten wiederzu-
geben 1), welche von dem Liederdichter Simonides 2) er-
funden, aber von Metrodorus aus Scepsis vervollkommnet
wurde. Es giebt aber auch nichts an dem Menschen, was
hinfälliger und den nachtheiligen Einflüssen der Krankheiten
und anderer Unglücksfälle, ja sogar der Furcht mehr aus-
gesetzt wäre, und zwar bisweilen theilweise, bisweilen aber
auch gänzlich. Einer der von einem Steine getroffen war»
vergass nur die Buchstaben. Ein Anderer, der von einem
hohen Dache herabstürzte, vergass seine Mutter, Verwandten
und Freunde; ein Kranker, seine Sclaven; der Redner
Messala Corvinus 3) sogar seinen Namen. Oft sucht es
selbst in einem ruhigen und kräftigen Körper abzunehmen;
auch wenn der Schlaf uns beschleicht, entwischt es uns, so
dass der verlassene Geist suchen muss, wo er sich befindet.
25.
Mit Geisteskraft war, wie ich glaube, der Dictator
Cäsar am vorzüglichsten ausgestattet. Ich will jetzt nicht
von seiner Tapferkeit und Beharrlichkeit, nicht von seiner
grossen Fähigkeit, alles was der Himmel umschliesst zu
erfassen reden, sondern nur von seiner eigenthümlichen
Regsamkeit und durch ein gewisses Feuer beflügelten
Schnelligkeit seiner Gedanken. Wie ich erfahren habe,
war er gewohnt, während er schrieb oder las, zugleich zu
') Die Mnemonik.
-) Geb. 558 vor Chr. auf der Insel Ceos. starb 467 am Hofe des
Königs Hiero in Syrakus.
3) Er lebte zur Zeit Augusts.
Siebentes Buch. 31
dictiren und sich vorlesen zu lassen. Er dictirte auf ein-
mal 4 Briefe in den wichtigsten Angelegenheiten seinen
Schreibern, und wenn er sonst nichts zu thun hatte, 7. Er
hat in 50 Schlachten gekämpft, und hierin allein den
M. Marcellus übertroffen, der 39 geliefert hatte. Denn
ausser seinen Siegen in den Bürgerkriegen sind 1,192,000
Menschen durch ihn in Schiächten umgekommen, welches
grosse, wenn gleich nothgedrungene dem menschlichen Ge-
schlechte zugefügte Unrecht ich ihm aber eben nicht zum
Buhme anrechnen möchte, und er hat diess selbst dadurch
zu erkennen gegeben, dass er die Niederlagen in den
Bürgerkriegen nicht bekannt machte.
26.
Gerechterer Buhm gebührt dem grossen Pompejus da-
für, dass er den Seeräubern 846 Schiffe weggenommen hat.
Cäsar hatte, ausser den oben genannten Tugenden, noch die
eigenthümliche einer ausgezeichneten Milde, wodurch er
Alle bis zur Beue übertraf. Er gab auch ein Beispiel von
Grossmuth, mit dem kein anderes verglichen werden
kann. Die Schauspiele, die er veranstaltete, die Summen,
die er verschwendete, und die Pracht seiner Bauwerke hier
aufzuzählen, hiesse dem Luxus eine Lobrede halten. Das
aber zeugte von einer wahren und unvergleichlichen Er-
habenheit seines unbesiegten Geistes, dass er die bei Phar-
salia erbeuteten . Briefkasten des grossen Pompejus , und
wiederum bei Thapus die des Scipio, gewissenhaft ver-
brannte, ohne ihren Inhalt gelesen zu haben.
27.
Aber zur Zierde des römischen Beiches und nicht bloss
zum Buhme Eines Mannes gehört es, alle Ehrenbezeugungen
und Triumphe des grossen Pompejus hier zu verkünden,
denn der Glanz seiner Thaten erreichte nicht bloss den
des grossen Alexanders, sondern fast sogar den des Herkules
und Bacchus. Er machte den Anfang mit der Wiederer-
oberung Siciliens, wobei er sich zuerst in seiner Stellung
zum Staate als Sullaner zeigte. Nachdem er gauz Afrika
unterjocht und unter römische Botmässigkeit gebracht,
32
Siebentes Buch.
und dadurch den Namen des Grossen als Siegesbeute er-
rungen hatte, kehrte er, als römischer Ritter *) (was noch
Niemand vorher gethan) im Triumphwagen zurück. Gleich
darauf zog er nach Westen, errichtete auf den Pyrenäen
Siegeszeichen, schrieb auf ihnen die Namen von 876 Städten,
die er von den Alpen an bis zu den Grenzen des jen-
seitigen Spaniens erobert hatte, seinen Siegen hinzu, und
verschwieg grossmüthigerweise den Sertorius 2). Nachdem
der Bürgerkrieg 3) (der alle Auswärtigen erregte) beendigt
war, zog er wiederum als Ritter in einem Triumphwagen
nach Rom; so oft war er Feldherr, ohne vorher Soldat ge-
wesen zu sein. Nachher wurde er auf viele Meere und in
den Orient gesandt, und brachte gleich den Siegern in den
heiligen Kämpfen, dem Vaterlande jene Siegesdenkmale
zurück, denn solche Männer krönen sich nicht selbst, son-
dern ihr Vaterland. Der Stadt Rom zu Ehren weihete er
im Tempel der Minerva ein aus der Beute errichtetes
Denkmal mit folgender Inschrift:
„Der Feldherr Cn. Porapejus der Grosse,
welcher einen 30jährigen Krieg beendigt,
12,178,000 Mann zerstreuet, in die Flucht ge-
schlagen, getödtet, gefangen, 846 Schiffe ver-
senkt oder genommen, 1538 Städte und Schlösser
durch Uebergabe bekommen, die Länder vom
mäotischen See bis zum rothen Meere unter-
worfen hat, bringt der Minerva seinen schul-
digen Dank dar."
Diess ist das kurze Verzeichniss seiner Thaten im
Oriente. Die Schrift aber, welche bei seinem am 28. Sep-
tember unter den Consuln M. Piso und M. Messala 4) ge-
haltenen Triumphe vorher getragen wurde, lautete also:
') Nur einem Consul oder Prätor konnte gesetzlich der Triumph
zu Theil werden.
2) Pompejus verzichtete auf den Ruhm, in einem Bürgerkriege
gesiegt zu haben.
3) Den Sertorius, Carbo und Cinna gegen Sulla und Pompejus
führten. *) Gl vor Chr.
Siebentes Buch. 33
„AlsPompejus die Küste des Meeres von den
Seeräubern befreiet, und die Herrschaft über
das Meer dem römischen Volke wieder ver-
schafft hatte, hielt er über Asien, den Pontus,
Armenien, Paphlagonien, Cappadocien, Cilicie n,
Syrien, die Scythen, Judäer, Albaner, Iberieu,
die Insel Creta, die Basterner, und ausserdem
noch über die Könige Mitbridates undTigranes
Triumph."
Die grösste aller seiner ruhmvollen Thaten war (wie
er in einer öffentlichen Versammlung sagte, als er von
seinen Thaten sprach), dass er Asien, welches man ihm
als äusserste Provinz übertragen, zum Mittelpunkte seines
Vaterlandes gemacht hatte. Wollte man dagegen auf
gleiche Weise alle Thaten Cäsars durchgehen, der noch
grösser als jener war, so müsste man wahrlich den ganzen
Erdkreis aufzählen, was eine unendliche Mühe sein würde.
28.
Auch in den übrigen Tugenden haben sich Viele auf
verschiedene Weise ausgezeichnet. Der erste Cato aus
dem porcischen Stamme besass drei der grössten Vor-
züge des Menschen im hohen Grade; er war der beste
Redner, der beste Feldherr und der beste Senator; indessen
scheinen mir alle diese Tugenden, wenn auch nicht früher,
doch heller an Scipio Aemilianus r) geglänzt zu haben, der
noch dazu nicht dem Hasse vieler Menschen, der den
Cato traf, ausgesetzt war. Daher mag es dem Cato zum
eigenthümlichen Ruhme gereichen, dass er sich 44mal vor
Gericht vertheidigte, und dass Keiner öfter verklagt und
stets freigesprochen wurde.
29.
Wer die grösste Tapferkeit besessen habe, ist eine
Frage, die einer unermesslichen Untersuchung bedürfte, zu-
mal wenn man die Erzählungen der Dichter mit dazu
*) Scipio der jüngere, der Carthago und Numantia eroberte.
Witt stein: Plinius. II. Bd. 3
34 Siebentes Buch.
nimmmt. Q. Ennius bewunderte den T. Cäcilius Denter *)
und dessen Bruder so sehr, dass er ihretwegen seinen
Annalen noch ein 16. Buch hinzufügte. L. Siccius Dentatus,
der unter den Consuln Sp. Tarpejus und A. Aterius, nicht
lange nach der Vertreibung der Könige Volkstribun war 2),
hat wohl die meisten Stimmen für sich. Er focht in 120 Treffen,
siegte 8 mal im Zweikampfe, hatte 45 Wunden vorn am
Körper und keine auf dem Rücken. Ferner nahm er
34 Rüstungen weg, wurde mit 18 Spiessen 3), 25 köstlichen
Spangen 4), 83 Halsketten, 160 Armbändern, 26 Kronen, von
denen 14 Bürger-, 8 Gold-, 3 Mauerkronen und 1 wegen
Befreiung einer belagerten Stadt waren, mit einer Summe
von 10,000 Assen 5), Kriegsgefangenen und 20 Stieren be-
schenkt. 9 Feldherren, die vornehmlich durch ihn den
Sieg errungen hatten, folgte er in den Triumphen, und
überwies ausserdem (was ich für die grösste seiner Thaten
halte) einen derselben, den T. Romilius, nach niederge-
legtem Consulate, vor dem Volke der schlechten Führung
des Oberbefehls 6).
Nicht geringer würde der Kriegsruhm des Manlius
Capitolinus sein, wenn er ihn nicht am Ende seines Leben s
verloren hätte 7). Vor seinem 17. Jahre hatte er bereits
2 Rüstungen erobert. Er war der erste Ritter, welcher
eine Mauerkrone erhielt ; ferner wurden ihm 6 Bürger-
kronen und 37 andere Geschenke zu Theil. Vorn an
') Er fiel 284 v. Chr. in der Schlacht hei Aretium gegen die
senonischen Gallier.
2) 454 v. Chr. Fünf Jahre später wurde er von den Decemvirn
umgebracht. Vergl. Liv. III. 43.
3) Hasta pura; so hiess ein Spiess, an dem kein Eisen war, den
ein Krieger als Ehrengeschenk bekam, wenn er ausser der Schlacht-
ordnung einen Feind erschlagen hatte.
4) Phalerae. 5) Fiscus aeris.
6) Romilius war 455 v. Chr. Consul. Er wurde angeklagt, da ss
er nach einer Schlacht mit den Aequem die Kriegsbeute verkauft
hätte. S. Livius III. 31.
7) Er wurde, weil er nach der Alleinherrschaft strebte, von dem
tarpejischen Felsen gestürzt. S. Livius VI. 20.
Siebentes Buch. 35
seinem Körper zählte man 23 Narben. Er rettete den Be-
fehlshaber der Reiterei, P. Servilius, obgleich er selbst an
den Schultern und am Schenkel verwundet war. Den wich-
tigsten Dienst leistete er aber dadurch, dass er allein das
Capitolium und dadurch den ganzen Staat gegen die Gallier
behauptete, hätte er sich nur nicht selbst die Alleinherr-
schaft angemaasst. Wohl hat an solchen Thaten die Tapfer-
keit grossen Autheil, einen grössern aber das Glück.
Dem M. Sergius möchte, wie ich glaube, wohl Niemand
einen andern Menschen mit Recht vorziehen, wenngleich
sein Urenkel Catilina seinem Namen die schuldige Achtung-
benommen hat. In seinem zweiten Feldzuge verlor er die
rechte Hand, bei zwei Feldzügen wurde er 23 mal ver-
wundet, konnte deshalb keine Hand und keinen Fuss recht
gebrauchen, diente aber später, nur von einem Sclaven be-
gleitet, doch noch als Krüppel in vielen Kriegen. Zwei-
mal wurde er von Hannibal gefangen genommen (denn
nicht mit jedem Feinde liess er sich ein), und zweimal ent-
floh er wieder, wurde aber 20 Monate hindurch ununter-
brochen in Ketten und Banden gehalten. Mit der linken
Hand stritt er in 4 Schlachten, und 2 Pferde wurden ihm
unterm Leibe durchbohrt. Er liess sich eine rechte Hand
von Eisen machen, dieselbe am Arme befestigen und kämpfte
damit. Er entsetzte Cremona, vertheidigte Placentia und
nahm in Gallien 12 feindliche Lager ein. Alles diess ist
aus einer Rede bekannt, die er hielt, als er von seinen
Gollegen als ein Gebrechlicher von den heiligen Gebräuchen
bei der Prätur ausgeschlossen wurde. Welche Menge von
Kronen würde dieser Mann einem andern Feinde gegen-
über aufgehäuft haben! Denn es kommt sehr viel darauf
an, in welcher Zeit man seine Tapferkeit zeigt. Welche
Bürgerkronen verliehen die Tage von der Trebia, dem Ticinus
und Trasymenus? Welche Krone wurde bei Cänna l) ver-
dient, wo die Flucht der höchste Grad der Tapferkeit war?
') An allen diesen Orten wurden die Römer von Hannibal ge-
Bchlagen.
ag Siebentes Buch.
Wahrlich, die Uebrigen waren Sieger über Mensehen, Ser-
gius aber besiegte sogar das Glück.
30.
Wer möchte wohl, bei so vielen Zweigen der Wissen-
schaften und bei einer so grossen Mannigfaltigkeit von
Thaten und Werken, eine Auswahl ausgezeichneter
Köpfe nach ihrem Ruhme unternehmen; wenn man nicht
den griechischen Dichter Homer einstimmig für das glück-
lichste Genie sowohl hinsichtlich der Wahl des Stoffes als
der Ausführung seines Werkes erklären will? — Als daher
Alexander der Grosse (denn es ist am besten, eine so
kühne Untersuchung mit Hülfe des Urtheils ausgezeichneter
und von Neid freier Männer durchzuführen) unter der
Beute des persischen Königs Darms auch einen Balsam-
kasten fand, der reich an Gold, Edelsteinen und Perlen
war, und seine Freunde ihm zu diesem und jenem Gebrauche
desselben riethen (denn Salben waren dem staubbedeckten
Krieger zuwider), so sprach er: ja fürwahr, es soll zur
Aufbewahrung der Bücher Homer's dienen, denn das köst-
lichste Werk des menschlichen Geistes muss auch in dem
reichsten Behälter verwahrt werden. Auch befahl er, bei
der Einnahme von Theben, der Familie und des Hauses des
Dichters Pindar zu schonen. Die Vaterstadt *) des Philo-
sophen Aristoteles bauete er wieder auf, und fügte so, dem
ausgezeichneten Ruhme seiner Thaten noch ein so schönes
Zeugniss seiner Milde hinzu.
Die Mörder des Dichters Archilochus 2) zeigte Apollo
zu Delphi au. Den Leichnam des Sophocles 3), des ersten
unter den Trauerspieldichtern, liess Bacchus, als die Lace-
dämonier die Mauern 4), besetzt hatten, begraben, indem er
ihren König Lysander im Schlafe öfter erinnerte, er möge
') Stagirn in Macedonien. Diese Stadt war von Alexanders Vater,
Philipp, zerstört worden.
2) Von Paros. 719—663 v. Chr., soll den jambischen Vers erfun-
den haben.
3) Geb. in dem attischen Demos Kolonos 498 v. Chr., gestorben 406.
4) Von Athen.
Siebentes Buch. 37
seinen Liebling beerdigen. Der König erkundigte sieb, wer
zu Athen gestorben sei, fand den, -welchen ihm der Gott
bezeichnet hatte, leicht heraus, und hielt während des
Leichenbegängnisses Friede.
31.
Dem Plato, diesem Meister in der Weisheit, sandte
der Tyrann Dionysius, der sonst nur zur Grausamkeit und
zum Uebermutbe geboren war, ein schön geschmücktes
Schiff entgegen, und er selbst empfing ihn bei seiner Lan-
dung mit einem von 4 Schimmeln gezogenen Wagen. Iso-
krates *) verkaufte eine einzige Rede für 28 Talente. Als
Aeschines 2) , der grösste Redner unter den Atheniensern,
den Rhodiern die von ihm vorgebrachte Anklage und dann
auch die Vertheidigungsrede des Demosthenes 3), welche
seine Verbannung veranlasste, vorgelesen hatte, und jene
die letztere bewunderten, sagte er, sie würden sich noch
weit mehr gewundert haben, wenn sie ihn selbst hätten
reden hören; so wurde er selbst im Unglück ein mächtiger
Zeuge für seine Feiode. Den Thucydides schickten die
Athenienser als Feldherrn ins Exil, und riefen ihn als Ge-
schichtsschreiber wieder zurück; denn sie bewunderten seine
Beredsamkeit, während sie seinen Mangel an Muth ver-
dammten. Auch dem Lustspieldichter Menander 4) wurde
von Seiten der Könige von Aegypten und Macedonien
grosser Beifall dadurch zu Theil, dass sie ihm eine Flotte
schickten und durch Gesandte einladen Hessen; zu grösserm
') Von Athen, der berühmteste Lehrer der Redekunst, geb. 436
v. Chr , wählte freiwillig den Hungertod , um das Ende der Freiheit
seines Vaterlandes, die mit der Schlacht bei Chäronea verloren ging
(338), nicht zu überleben.
'-) Nach Demosthenes der erste griechische Redner, lebte 389 — 324
v. Chr.
3) Der erste griechische Redner, geb. zu Athen 385 v. Chr., starb
323 durch Selbstvergiftung auf der Insel Kalauria, wohin er vor der
Verfolgung Antipaters geflohen war.
4) Geb. 342 zu Athen, Schüler des Theophrast, starb 290 v. Chr.
(angebl. im Piraeus ertrunken).
;-j(s Siebentes Buch.
Verdienste aber gereicht es ihm, dass er das Studium der
Wissenschaften der königlichen Gunst vorzog.
Auch die vornehmsten Römer haben selbst Ausländern
grosse Ehre erwiesen. Als Cn. Pompejus, nach Beendigung
des mithridatischen Krieges, in das Haus des berühmten
Weisen Posidonius treten wollte, verbot er dem Lictor *)
das gewöhnliche Anklopfen; und so beugte dieser Mann,
dem der Orient und Occident sich unterworfen hatte, die
Fasces 2) vor der Schwelle eines Weisen. Als der Censor
Cato den Carneades 3), einen von jener berühmten, aus
3 Gelehrten bestehenden atheniensischen Gesandtschaft, ge-
hört hatte', rieth er, diese Gesandten so bald als möglich
zu entlassen, denn man könne nicht leicht unterscheiden,
was von den Ansichten dieses Mannes wahr sei. Wie habeu
sich doch die Sitten geändert! Jener Mann dachte nur
immer darauf, alle Griechen aus Italien zu vertreiben, und
sein Urenkel, Cato von Utika, brachte, als er von seinem
Kriegstribunate zurückkehrte 4) , einen Philosophen und
von seiner Gesandtschaft nach Cypern 5) einen andern mit
nach Rom. Es ist bemerkenswerth, dass ein und dieselbe
Sprache von dem einen der beiden Catonen verworfen, von
l) Die Lictoren waren öffentliche Diener der vornehmsten römi-
schen Magistratspersonen, vor denen sie herzugehen, ihnen Platz zu
machen hatten, und wenn sie in ein Haus eintreten wollten, sie durch An-
klopfen mit ihrem Stabe anmeldeten. Die Anzahl derselben richtete
sich nach der Würde; so hatte der Dictator 24, der Consul 12, der
Prätor 6. Sie vollzogen auch die Todesurtheile.
'-') Sie bestanden in einem Bündel Stäbe, in deren Mitte sich ein
Beil befand, und wurden von den Lictoren jenen Magistratspersonen
vorgetragen. Sie waren ein Zeichen der höchsten Gewalt über Leben
und Tod. Doch mussten sie in Gegenwart des Volks, um dessen
Obergewalt dadurch anzuerkennen, gesenkt, auch in der Hauptstadt
die Beile weggelassen werden. Die Lictoren sowie die Fasces
stammten von den Etruriern und wurden von Romulus eingeführt.
3) Von Cyrene, berühmter griechischer Philosoph aus dem 2.
Jahrh. v. Chr.
') Das er in Makedonien bekleidete.
5) S. XXXIV. B. 19. Cap.
Siebentes Buch. 3£
dem andern aber eingeführt wurde. Aber nun wollen wir
auch des Ruhmes unserer Landsleute gedenken.
Der ältere Afrikanus befahl, die Statue des Q. Ennius l)
auf seinem Grabe aufzustellen, damit jener berühmte, im
3. Welttheile als Siegesbeute errungene Name 2) einst mit
dem des Dichters auf seinem Aschenkruge gelesen werde.
Der Kaiser Augustus verbot, die Werke Virgils, wider
dessen in seinem Testamente ausgesprochenen bescheidenen
Willen, zu verbrennen. Diess Zeugniss brachte dem Dichter
grössern Ruhm, als wenn er seine Schriften selbst ge-
lobt hätte.
In der Bibliothek, welche zuerst von allen in der Welt
von Asinius Pollio aus der Beute öffentlich zu Rom aufge-
stellt wurde, sah man nur die Bildsäule eines einzigen
Lebenden, des M. Varro, welche Ehre, wie ich glaube, nicht
geringer war, da der erste Redner und Bürger ihm allein
unter der damals bedeutenden Anzahl von gelehrten Männern
den Preis zuerkannte, als die, wo ihn der grosse Pompejus
nach dem Kriege mit den Seeräubern mit einer Schiffskrone
beschenkte. Es giebt noch unzählige Beispiele der Art bei
den Römern, wenn man sie alle durchgehen wollte, denn
diess eine Volk hat in jeder Art mehr ausgezeichnete
Männer aufzuweisen, als alle übrigen Länder zusammen-
genommen.
Allein, wäre es nicht ein Verbrechen, wenn ich von
dir, M. Tullius, schwiege? Wie soll ich dich vor Allen aus-
gezeichneten Mann würdig preisen? Wodurch kann ich es
mehr, als durch das grossartigste Zeugniss aller Stimmen
jenes Volkes , wenn ich auch aus deinem ganzen Leben
nur die Thaten während deines Consulats 3) heraushebe?
Du redetest, und die Tribus entsagten dem Ackergesetz 4),
*) Einer der ältesten römischen Dichter, geb. 240 v. Chr. zu
Rudiae in Campanien, starb 169 zu Rom.
-) Africanus. 3) 63 v. Chr.
4) Durch welches der Volkstribun P. Servilius Rullus (s. VIII. B
78. Cap.) die Vertheüung der eroberten Ländereien unter das Volk
beantragte.
40
Siebentes Buch.
d. b. ihrem Unterhalt; da riethest, und man verzieh dem
Roscius , dem Schöpfer des Theatergesetzes *) und duldete
ruhig die Bezeichnung und den Unterschied der Plätze;
du batest, und die Kinder der 2) Verbannten schämten sich,
um Ehrenstellen anzuhalten; vor deinem Scharfsinn floh
Catilina; du hast den M. Antonius verbannt. Sei mir ge-
o-rüsst, der du zuerst den Namen „Vater des Vaterlandes"
bekamst , zuerst in der Toga 3) einen Triumph und den
Lorbeer der Beredsamkeit erwarbst; du Vater der latei-
nischen Sprache und Wissenschaften, der du (wie der Dictator
Cäsar, sonst dein Feind, über dich schrieb) dir einen Lor-
beer, grösser als alle Triumphe erwarbst, denn es ist ehren-
voller, die Grenzen des römischen Geistes soweit ausge-
dehnt zu haben, als die des Reichs durch die übrigen Tu-
genden der Seele.
Männer, welche alle Uebrigen an Gelehrsamkeit über-
trafen, bekamen daher bei den Römern die Zunamen
Cati und Corculi 4). Bei den Griechen nimmt, nach dem
Orakelspruch des pythischen Apollo, Sokrates den ersten
Rang unter den Weisen ein.
32.
Feruer haben die Menschen den Lacedämonier Chilo 5)
den Orakeln einverleibt, indem sie seine Lehren zu Delphi
mit goldenen Buchstaben weiheten. Es sind folgende: Er-
kenne dich selbst; begehre nicht zu viel; Schulden und
Processe bringen Unglück. Ganz Griechenland beging, als
!) Lex Roscia theatralis wurde im Jahre 68 v. Chr. vom Tribun
L. Roscius Otho in Vorschlag gebracht. Es bestimmte das Vermögen
der Ritter und wies ihnen, die früher unter den übrigen Zuschauern
untermischt sassen, die 14 ersten Sitzreihen im Theater an. Es
erregte grossen Tumult, ging aber durch Cicero's Beredsamkeit
durch.
2) Durch Sulla. 3) Das ist im Friedenskleide.
■'') Cati hiessen solche, die sich nicht von Andern überlisten lassen;
Corculi aber sind Verständige, von cor, das Herz, welches als der
dea Verstandes angesehen ward.
B) Einer der 7 Weisen; er lebte um die 56. Olympiade.
Siebentes Buch. 41
dieser Mann vor Freude über den Sieg seines Sohnes zu
Olympia gestorben war, seine Leichenfeier.
33.
Die Gabe, zukünftige Dinge vorher zu sehen und
eine gewisse edle Gemeinschaft mit den Himmelsbewohnern
besass unter den Weibern Sibylla *); unter den Männern
bei den Griechen Melampus, bei den Römern Marcius.
34.
Für den rechtschaffensten Mann wurde seit Er-
schaffung der Welt nur einmal einer erklärt, nämlich Scipio
Nasica 2) durch einen Eid des Senats. Ebenderselbe wurde
zweimal bei der Bewerbung um ein Amt abgewiesen und
vom Volke beschimpft, ja ihm war es nicht einmal ver-
gönnt, in seinem Vaterlande zu sterben; wahrlich, den
Kerker abgerechnet, nicht viel besser, als es dem Socrates 3),
der von Apollo für den Weisesten erklärt war, in seinen»
Vaterlande erging.
35.
Für die keuscheste Frau wurde einmal Sulpicia 4),
Tochter des Paterculus und Gemalin des Fulvius Flaccusr
nach dem Urtheile bejahrter Damen erklärt, und aus
100 dazu vorgeschlagenen ausgewählt, um das Bild der
Venus nach der Vorschrift der sibyllinischen Bücher zu
weihen; und dann wieder durch einen religiösen Act Claudia,
als sie die Mutter der Götter nach Rom gebracht hatte 5).
') Die cumanische, welche dem Ancus Marcius die sibyllinischen
Bücher brachte. '-) 204 v. Chr.
3) Der bekannte griechische Philosoph, geb. 469 v. Chr. zu
Athen, Sohn des Bildhauers Sophroniscus und der Hebamme Phae-
narete, Anfangs selbst Bildhauer. Starb 400 im Gefängniss durch
den Giftbecher.
4) Bei derselben Gelegenheit, wo Scipio für den rechtschaffensten
Mann erklärt wurde.
5) Das Bild der Cybele zu Pessinus in Asien. Das Schiff, welches
dieses Bild von daher brachte, gerieth in der Tiber auf eine Sand-
bank und konnte nur durch ein völlig keusches Weib von der Stelle
bewegt werden. Claudia zog es mit ihrem Gürtel weiter. S. Livius
XXIX. 10. 11. 14. Sueton im Leben des Tiberius, 11. Cap.
^2 Siebentes Buch.
36.
Von der Liebe der Kinder gegen ihre Eltern
giebt es zwar überall unzählige Beispiele; indessen hat
sich eins zu Rom ereignet, dem alle übrigen nicht gleich-
kommen. Eine Wöchnerin von gemeinem Stande und da-
her unbekannt, deren Mutter im Gefänguiss den Hunger-
tod sterben sollte, wurde, da sie die Erlaubniss, die Mutter
besuchen zu dürfen, bekommen hatte, aber stets vom Thiir-
hüter untersucht war, ob sie keine Speise bei sich trüge,
einst getroffen, wie sie mit ihren Brüsten dieselbe nährte.
Nach diesem merkwürdigen Ereigniss schenkte man der
Mutter um der Liebe der Tochter willen die Freiheit.
Beide wurden lebenslänglich ernährt, der Ort, wo diess
vorfiel, der Gottheit ge weihet, und unter den Consuln
C. Quinctius und M. Acilins *) ein Tempel der Kindesliebe
an der Stelle des Gefängnisses, da wo jetzt das Theater
des Marcellus ist, erbauet. Als der Vater der Gracchen in
seinem Hause 2 Schlangen gefangen hatte und man ihm
prophezeihete, dass er am Leben bleiben würde, wenn die
weibliche Schlange getödtet würde, sprach er: „Nein,
tödtet die meinige (d. h. die männliche), denn Cornelia ist
noch jung und kann noch Kinder gebären". Das hiess der
Gattin schonen und für den Staat bedacht sein. Und bald
ging auch der Ausspruch in Erfüllung. — M. Lepidus starb
aus Liebe zu seiner Gemalin Apuleja bald nach der Schei-
dung 2). P. Rutilius, der etwas unpässlich war, gab bei
der Nachricht, dass sein Bruder bei der Bewerbung um
das Consulat abgewiesen sei, sogleich den Geist auf.
P. Catienus Plotinus liebte seinen Herrn so sehr, dass er,
obgleich zum Erben aller Güter desselben eingesetzt, sich
auf dessen Scheiterhaufen stürzte.
') 130 v. Chr.
'-) Er liess sich von ihr scheiden, weil er sich durch einen in
seine Hände gekommenen Brief von ihrer Untreue überzeugt hatte.
Plutarch, Leben des Pompejus, C. 5.
Siebentes Buch. 43
37.
In verschiedenenen Künsten haben sich Unzählige
ausgezeichnet, die wir billigerweise hier berühren müssen,
•da sie mit in unsere Darstellung der Blüthe der Mensch-
heit gehören. In der Sterndeutekunst berühmt war
Berosus L), dem die Athenienser wegen seiner göttlichen
Weissagungen auf öffentliche Kosten eine Bildsäule mit
einer vergoldeten Zunge im Gymnasium setzten. In der
Sprachkunde war Apollodorus vorzüglich; ihn hielten selbst
tlie Amphictionen 2) Griechenlands in Ehren. In der
Medicin zeichnete sich Hippocrates aus; er sagte eine
von den Illyriern kommende Pest voraus, und sandte seine
Schürer zur Hülfe in die Städte, wofür ihm Griechenland
dieselben Ehrenbezeugungen wie dem Hercules erwies.
Dieselbe Wissenschaft belohnte der König Ptolemäus an
Cleombrotus aus Ceus mit 100 Talenten bei Gelegenheit
des megalensichen Opferfestes, weil er den König Antiochus
wieder hergestellt hatte 3). Auch Critobolus hat sich da-
durch sehr berühmt gemacht, dass er dem König Philippus
öinen Pfeil aus dem Auge zog und ihm ohne Verunstaltung
des Gesichts das Augenlicht erhielt. Der höchste Ruhm
gebührt aber dem Asclepiades 4) aus Prusien; er gründete
eine neue Schule, verschmähete die Anerbietungen, welche
ihm der König Mithridates durch seine Gesandten machen
liess, erfand die Kunst, Kranke durch Wein zu heilen,
brachte einen Menschen, der schon begraben werden sollte,
wieder ins Leben zurück und heilte ihn völlig; aber am
meisten Ehre erwarb ihm die mit dem Schicksale gemachte
*) Ein Chaldäer aus dem 3. Jahrh. v. Chr., war Priester des Be-
lus zu Babylon.
2) Griechenlands ältestes und wichtiges Bundesgericht, angeblich
von Amphictyon, wahrscheinlicher schon von Deukalion, dessen
Grossvater oder "Vater, 1522 v. Chr. gestiftet.
3) Im XXIX. B. 3. Cap. wird dieser übrigens nicht näher bekannte
Arzt Erasistratus genannt.
4) Liess sich 110 v. Chr. in Rom nieder.
44 Siebentes Buch.
Wette, dass man ihn nicht für einen Arzt halten sollte,
wenn er selbst jemals krank würde, denn er gewann die-
selbe, indem er im hohen Alter durch den Sturz von einer
Treppe starb.
38.
Ehrenvolle Anerkennung wurde auch den geometri-
schen und mechanischen Kenntnissen des Archimecles v)
durch M. Marcellus zu Theil, denn dieser befahl bei der
Einnahme von Syrakus, ihm allein solle nichts geschehen;
allein ein Soldat übertrat aus Unwissenheit den Befehl.
Ferner sind zu rühmen Chersiphron aus Gnossus, der den
bewunderungswürdigen Tempel der Diana zu Ephesus
bauete; Philon, der zu Athen ein Arsenal für 1000 Schiffe
errichtete; Ctesibius, der die Gesetze der Pneumatik und
die Wasserorgel erfand; Dinochares , der dem Alexander
den Plan zur Erbauung der Stadt Alexandrien in Aegypten
entwarf. Derselbe Herrscher sagte, dass ihn kein anderer
als Apelles malen, kein anderer als Pyrgoteles in Stein
hauen, keiner als Lysippus in Erz giessen solle; — Künste,
welche noch durch viele Meister zu grossem Ruhme ge-
langt sind.
39.
Für ein einziges Gemälde des thebanischen Malers
Aristides 2) bot der König Attalus 100 Talente. Für 80 Ta-
lente kaufte der Dictator Cäsar zwei Gemälde des Timo-
machus3), Medea und Ajax, um sie in dem Tempel der
Venus Genetrix zu weihen. Der König Candaules 4) wog
ein Gemälde des Bularchus 5) von nicht geringem Umfange,
welches den Untergang der Magneter vorstellte, mit Gold
auf. König Demetrius, genannt der Städteeroberer 6), Hess
Khodus deshalb nicht in Brand stecken, damit ein an der
') Von Syrakus, berühmter Mathematiker und Physiker, geb.
287 v. Chr., bei der Erstürmung von Syrakus durch die Römer 212.
von einem Soldaten erstochen.
2) Von dessen Werken redet Plinius im XXXV. B. 36. Cap.
3) XXXV. B. 40. Cap. «) In Lydien. •>) XXXV. B. 34. Cap.
*) Poliorcetes.
Siebentes Buch. 45
Stadtmauer befindliches Gemälde des Protogenes l) nicht
zerstört werde. Praxiteles ward berühmt durch seine Ar-
beiten in Marmor und durch seine Gnidische Venus 2), zu
der sogar ein Jüngling eine rasende Liebe fasste, und die
der König Nicomedes so hoch schätzte, dass er sie für
eine grosse Schuld der Gnidier annehmen wo !te. Für die
Geschicklichkeit des Phidias 3) ist der Jupiter Otympius
ein täglicher Beweis, für die des Mentor 4) der Jupiter
Capitelinus und die ephesische Diana, denen die Werkzeuge
dieser Kunst geheiligt sind.
40.
Der höchste Preis für einen in der Sclaverei ge-
borenen Menschen bis auf den heutigen Tag wurde, so viel
mir bekannt ist, für Daphnus, einen Sprachkundigen, be-
zahlt, den der Pisaurenser Natius an M. Scaurus, die erste
Magistratsperson des Staats, für 700,000 Sestertien verkaufte.
Diese Summe haben zu unserer Zeit die Schauspieler auf
eine unmässige Weise überschritten, aber dadurch ihre Frei-
heit verhandelt. Schon bei unsern Vorfahren soll der Schau-
spieler Roscius jährlich 500,000 Sestertien verdient haben;
wenn man vielleicht hier nicht lieber den Zahlmeister in
dem vor Kurzen wegen Tiridates geführten armenischen
Kriege, den Nero für 13,000,000 Sestertien freigab, als Bei-
spiel angeführt wissen will. Allein diess war der Preis
für einen Krieg und nicht für einen Menschen; wahrlich
ebenso, wie die Wollust und nicht die Schönheit bezahlt
wurde, als Lutorius Priscus den Päzon, einen von den Ver-
schnittenen des Sejanus für 5,000,000 Sestertien kaufte. Und
dieser schändliche Kauf ging ihm uugeahndet hin, da er in
die Trauerzeit des Staats 5) fiel, wo Niemand daran dachte
ihn anzuklagen.
41.
Das tapferste aller Völker auf der ganzen Erde ist un-
») XXXVI. B. 36. Cap. -i XXXVI. B. 5. Cap.
3) XXXVI. B. 4. Cap. <) XXXIII. B. 55. Cap.
5) Durch die Tyrannei des Tiberius herbeigeführt.
4ß Siebentes Buch.
streitig das römische. Welcher Mensch aber der glück-
seligste gewesen sei, liegt ausser dem Urtheil des mensch-
lichen Geistes, da der Eine auf diese, der Andere auf jene
Weise, und Jeder sich sein Glück nach eigener Ansicht be-
grenzt. Wenn wir jedoch ein wahres Urtheil, ohne alle
Rücksicht auf Glücksumstände fällen wollen, so können
wir sagen: Kein Mensch ist glücklich. Der ist wohl daran,
und dem ist das Glück überaus günstig, den mau Grund
hat, nicht unglücklich zu nennen; denn wenn auch sonst
nichts fehlt, so ist doch die Furcht, das Glück könne nach-
lassen, vorhanden, und hat diese erst einmal Eingang ge-
funden, dann giebt es auch keine vollkommene Glückselig-
keit mehr. Sagt nicht das Sprichwort: Niemand ist zu
allen Stunden weise? Möchte diess doch falsch sein, und
möchten doch die Meisten nicht glauben, dass es von einem
Dichter gesagt sei! Der eitle und im Selbstbetrug so er-
findungsreiche Mensch rechnet nach Art der Thracier, welche
Steine von verschiedener Farbe, je nach den Vorfällen eines
jeden Tages in eine Urne werfen, beim Tode eines Jeden
sie sondern und zählen, und danach ihr Urtheil fällen.
Allein war nicht oft ein durch einen weissen Stein als gut
bezeichneter Tag die Quelle von Unglück? Wie Viele sind
durch Erlangung von Herrschaften in Trübsal versetzt!
Wie Viele sind durch Glücksgüter ins Verderben gestürzt
und in das äusserste Elend versunken! Das nämlich sind
Glücksgüter, bei denen man nur eine Stunde in Freude ge-
nossen hat. Für wahr, ein Tag entscheidet über den an-
dern, der letzte aber über alle und so ist keinem von ihnen
zu trauen. Kommt das Angenehme dem Unangenehmen
wohl je gleich, wenn auch beider Zahl dieselbe ist, und
steht wohl irgend eine Freude mit dem geringsten Kummer
im Gleichgewicht? Oh, eitles, thörichtes Bemühen, die Tage
ihrer Anzahl nach zu vergleichen, statt dass man ihr Ge-
wicht ermitteln sollte!
42.
Unter den Frauen aller Zeiten findet man nur eine.
Siebentes Buch. 47
Lampido *) eine Lacedämonierin, welche eines Königs Tochter,
eines Königs Gattin und eines Königs Mutter; nur eine,
Berenice, welche Tochter, Schwester und Mutter olympischer
Sieger war; nur die einzige Familie der Curionen, in
welcher 3 Redner unmittelbar nach einander aufzuweisen
waren; nur die eine der Fabier, aus welcher, gleichfalls
unmittelbar nach einander, 3 erste Senatoren2), M. Fabius
Ambustus, Fabius Rullianus dessen Sohn und A. Fabius
Gurges dessen Enkel hervorgingen.
43.
Beispiele von wechselndem Glücke sind übrigens
unzählige, denn was erhöhet die Freuden mehr, als vorher-
gegangenes Unglück? Oder welche Uebel sind grösser, als
die aus grossen Freuden erstandenen? Das Glück war dem
von Sulla verbannt gewesenen Senator M. Fidustius
35 Jahre lang günstig, allein er wurde abermals verbannt.
Er überlebte zwar den Sulla, aber nur bis auf Antonius,
und man weiss, dass dieser ihn aus keinem andern Grunde
verbannte, als weil er verbannt gewesen war.
44.
Das Glück Hess den P. Ventidius allein über die
Parther triumphiren, nachdem es ihn erst als Knaben im
asculanischen Triumphe 3) des Cn. Pompejus gefangen auf-
geführt hatte. Nach Masurius wurde er sogar 2 mal im
Triumphe aufgeführt; nach Cicero war er ein Maulthier-
treiber, der Getreide ins Lager brachte, und die Meisten
') Sie war die Tochter des Leotychidas, Gemalin des Archida-
mus, Mutter des Agis, welche alle zu dem Stamme der Eurypontiden
gehörten und von 600—491 v. Chr. herrschten.
2) Princeps Senatus hiess derjenige Senator, welcher bei der
Musterung des Senats vom Censor zuerst genannt wurde, der dabei
stets auf Verdienst um den Staat und Tugenden Rücksicht nahm.
Bei der Ritterschaft hiess der, welchen der Censor zuerst aufrief,
princeps juventutis.
3) Asculum, jetzt Ascoli, eine bedeutende Stadt, deren Einnahme
im Bundesgenossenkriege 39 v. Chr. der Sache der Römer eine glück-
liche Wendung gab. S. Vellejus Paterculus It. 21.
48 Siebentes Buch.
geben an, dass er seine Jugend in grosser Dürftigkeit als
gemeiner Soldat zugebracht habe. Auch Baibus Cornelius
der ältere wurde Consul, aber erst nachdem er vorher an-
geklagt worden war, und sich die richterliche Untersuchung,
ob er mit Ruthen gepeitscht werden dürfe, hatte gefallen
lassen müssen 1). Er war der erste Ausländer, ja sogar
der erste unter den am Ocean Geborenen2), der jene Würde
bekleidete, welche unsere Vorfahren sogar den Lateinern
verweigerten. Auch L. Fulvius gehört zu den ausgezeich-
neten Beispielen; er war Consul der tusculanischen Empörer,
und wurde, sobald er übergegangen, vom römischen Volke
mit derselben Ehrenstelle bekleidet. Er allein hielt in dem-
selben Jahre, in welchem er als Feind des Staates auf-
trat, zu Rom über diejenigen, deren Consul er gewesen,
Triumph.
Bis jetzt hat sich nur ein Mensch, nämlich Sulla, den
Beinamen des Glücklichen angemaasst, er gründete ihn aber
auf Bürgerblut und Unterdrückung seines Vaterlandes.
Und worin bestanden die Beweise seiner Glückseligkeit?
Darin, dass er so viele Tausend Bürger hatte verbannen
und morden können. Oh schändliche und für die Folge so
unglückliche Ansicht vom Glücke! Waren nicht die, welche
damals umkamen, besser daran, da wir sie noch jetzt be-
dauern, während Jeder den Sulla hasset? Und war nicht
das Ende seines Lebens grausamer als das Schicksal aller
von ihm Verbannten, indem sein Körper sich selbst auf-
zehrte und sich so die Todesstrafe erzeugte? 3) Mag er diess
auch vorsätzlich verhehlt haben, und mögen wir auch seinem
letzten Traume (in welchem er gewissermaassen starb) glauben,
dass er allein durch Ruhm den Neid besiegt habe, so hat
') Er war von Cn. Pompejus mit dem Bürgerrechte beschenkt
worden. Als man ihm dasselbe streitig machen wollte, vertheidigte
ihn Cicero in der noch vorhandenen Rede. Das Consulat verwaltete
er im J. 40 v. Chr.
2) Er stammte von Gades. 3) 322 v. Chr.
3) Sulla starb an der Läusesucht.
Siebentes Buch. 4^
^er doch selbst bekannt, der einzige Mangel seiner Glück-
seligkeit sei, dass er das Capitolium nicht eingeweihet hätte l).
45.
Quintus Metellus behauptete in der Leichenrede, welche
-er seinem Vater L. Metellus, der Oberpriester, zweimal Con-
sul 2), Dictator, Befehlshaber der Reiterei, einer der Fiinf-
zehnmänner zur Vertheilung der Acker gewesen war, und
im ersten punischen Kriege zuerst Elephanten im Triumphe
aufführte, hielt und die er auch schriftlich hinterliess, sein
Vater habe die zehn höchsten und besten Güter, zu deren
Erlangung die Weisen ihr ganzen Leben verwenden, in sich
vereinigt. Er habe nämlich der erste Krieger, der beste
.Redner, der tapferste Feldherr sein wollen, habe getrachtet,
dass unter seiner Leitung die wichtigsten Angelegenheiten
verhandelt würden, habe nach den höchsten Ehrenstellen,
nach der grössten Weisheit, nach der ersten Senatorstelle
gestrebt, getrachtet, das meiste Geld auf eine ehrenvolle
Weise zu erwerben, viele Kinder zu hinterlassen und der
berühmteste im Staate zu sein. Alles diess sei ihm, und
sonst Niemandem seit Roms Erbauung gelungen. Es würde
zu weitläufig und auch überflüssig sein, diese Behauptungen
zu widerlegen, da schon ein einziger Umstand sie umstösst,
denn dieser Metellus brachte sein Alter in Blindheit zu, die
er sich bei einer Feuersbrunst, als er das Palladium 8) aus
dem Tempel der Vesta holte, zugezogen hatte — zwar
ein rühmlicher Beweggrund, aber von traurigem Erfolge.
Man kann ihn deshalb nicht unglücklich, aber auch nicht
glücklich nennen. Ihm räumte das römische Volk ein Vor-
l) Er hatte die Wiederaufbauung des abgebrannten Capitols
übernommen, starb aber vor der Einweihung. 2) 251 und 247 v. Chr.
3) So hiess ein uraltes Bild der Minerva, welches durch Aeneas
aus Troja nach Rom gekommen sein soll. Es war, wie man glaubte,
ein Unterpfand der Wohlfahrt und der Erhaltung des Staats, und
wurde im innersten Heiligthum des Vestatempels verwahrt. Man
glaubte, kein Mann, selbst der Pontifex maximus dürfte es nicht
ungestraft ansehen. Daher soll schon Ilus blind geworden sein, als
•er es erblickte.
Wittstein: Plinius. n. Bd. 4
50 Siebentes Buch.
recht ein, was noch Keinem vorher vergönnt war, nämlich,
so oft er die Senatsversammlung besuchen wollte, in einem
Wagen auf das Rathhaus zu fahren. Ein grosses, erhabenes
Zeichen der Gunst, das er aber seiner Augen wegen erhielt.
Auch der Sohn dieses Q. Metellus, der jene Lobrede
auf seinen Vater hielt, wird zu den seltenen Beispielen
menschlichen Glückes gezählt. Denn ausserdem, dass er
die ansehnlichsten Ehrenstellen bekleidete und sich den
Beinamen Macedonicus *) erwarb, wurde er von 4 Söhnen
auf den Scheiterhaufen getragen, von denen einer Prätorr
drei Consuln gewesen waren, zwei triumphirt hatten und
einer Censor war, welche Auszeichnungen, auch einzeln
genommen, nur Wenigen zu Theil werden. Und doch
wurde er in der Blüthe seines Ansehens von dem Volkstribun
C. Attinius Labeo, mit dem Beinamen Macerionus, den er
als Censor aus dem Senate gewiesen hatte, auf dem Rück-
wege vom Campus 2) zur Mittagszeit, wo Forum und Capi-
tolium menschenleer waren, zum tarpesischen Felsen 3) ge-
schleppt, um ihn hinabzustürzen. Zwar versammelte sich
bald eine Menge Menschen, die ihn Vater nannten, aber
(wie es bei einem so plötzlichen Vorfalle nicht anders sein
konnte) zu spät und gleichsam nur zu seinem Leichen-
zuge, da sie kein Recht hatten, sich der geheiligten Person
eines Tribun zu widersetzen, und er wäre ein Opfer seiner
Rechtschaffenheit und des Censoramts geworden, hätte man
nicht noch mit Mühe einen Tribun gefunden, der sich ins
Mittel legte und ihn von der Schwelle des Todes zurück-
brachte. Später lebte er von milden Gaben Anderer, denn
sein Vermögen war von dem, den er früher verurtheilt
hatte, den Göttern geweihet 4); als wenn es eine noch zu
') Wegen seines Feldzugs in Macedonien, das er im Jahre 14$
v. Chr. in eine römische Provinz verwandelte.
2) Campus Martius, wo die Wahlen und Volksversammlungen
gehalten wurden.
3) Von diesem Felsen wurden die Verräther des Vaterlandes und
andere Verbrecher hinabgestürzt.
') Dergleichen geweihete Güter waren für den frühern Besitzer
unwiderbringlich verloren.
Siebentes Buch. 51
geringe Strafe gewesen wäre, dass man ihm mit einem
»Strick den Hals zugeschnürt und das Blut aus den Ohren
gepresst hatte. Auch dass dieser Macedonicus, nach seiner
eigenen Aussage, mit dem Jüngern Afrikanus in Feindschaft
gelebt hat, möchte ich zu seinen widerwärtigen Schicksalen
rechnen. Zwar sagte er zu seinen Kindern: Geht meine
Söhne, erweiset ihm die letzte Ehre, denn nie werdet ihr
die Leiche eines grössern Bürgers sehen. Und diess sagte
er zu ihnen, als sie schon die Beinamen Balearicus x) und
Diadematus 2) hatten und er schon Macedonicus hiess. Aber
wenn wir auch nur jene einzige Beleidigung annehmen,
wer möchte denn wohl den mit Recht für glücklich halten,
der nach der Willkühr eines Feindes, und nicht einmal
eines Afrikanus, Gefahr läuft umzukommen? Wie viele
Siege wiegt nicht ein solches Ereigniss auf? Oder wie viele
Ehrenstellen und Triumphzüge liess nicht das Schicksal
durch jenen Gewaltstreich in den Hintergrund treten, da
ein Censor mitten durch die Stadt (und diess war noch die
einzige Ursache seiner Rettung 3), auf jenes Capitolium ge-
schleppt wurde, wohin er als Triumphator die erbeuteten
Gefangenen nicht einmal auf solche Weise hatte bringen
lassen. Noch mehr trat diese Schandthat durch sein nach-
folgendes Glück hervor, indem Macedonicus dadurch in die
Gefahr kam, sein prächtiges Leichenbegängniss zu verlieren ;
seine Kinder, welche bereits triumphirt hatten, brachten ihn
auf den Scheiterhaufen, und so glich diese Handlung selbst
einem Triumphe. In der That ist keine Glückseligkeit so
gross, dass sie nicht durch irgend eine, wenn auch nicht
so grosse Schmach im Leben unterbrochen würde. Uebri-
gens weiss ich nicht, ob es den Sitten jener Zeiten zum
Ruhme gereichen, oder den Schmerz der Entrüstung steigern
') So genannt wegen Ueberwindung der Bewohner der baleari-
schen Inseln.
2) So genannt, weil er die durch ein Geschwür verunstaltete Stirn
mit einer diademähnlichen Binde umwunden hatte.
3) Wenn er nämlich ohne Widerstand mit auf das Capitolium
gegangen wäre, würde der rettende Tribun zu spät gekommen sein.
4*
52
Siebentes Buch.
soll, dass bei der zahlreichen Familie der Metelle eine so
gräuliche Frechheit des C. Attinius ungeahndet blieb.
46.
Auchbeidem Kaiser Augustus, den die ganze Mensch-
heit zu den Glücklichen rechnet, findet man, wenn alles
gehörig erwogen wird, einengrossen Wechsel desmensch-
lichenGeschicks. Hierhergehören: die abschlägige Ant-
wort seines Oheims x), als er um den Oberbefehl bei der
Reiterei anhielt und Lepidus ihm vorgezogen wurde; der
Schimpf der Verbannung 2); seine Verbindung mit den
schlechtesten Bürgern im Triumvirat, wobei die Gewalt
nicht einmal gleich vertheilt war, sondern Antonius das
Uebergewicht hatte; seine Krankheit in dem philippensischen
Treffen, seine Flucht und sein dreitägiger Aufenthalt als
Kranker und (wie Agrippa und Maecenas bezeugen) durch
die Hautwassersucht Aufgeschwollener in einem Sumpfe;
sein sicilischer Schiffbruch 3) und seine zweite Verbergung
in einer dortigen Höhle; die an seinen Freigelassenen
Proculejus gerichtete Bitte, ihn zu tödten, als ihn auf der
Flucht nach dem Seetreffen der Feind hart bedrängte4)-
die Sorge wegen der perusinischen Streitigkeiten5); seine
Noth in der Schlacht bei Actium; sein Sturz von einem
Thurme im pannonischen Kriege; die häufigen Empörungen
der Soldaten; so viele gefährliche Krankheiten seines
Körpers; die verdächtigen Wünsche des Marcellus6); die
') Julius Caesar im J. 46 v. Chr.
2) Während des Triumvirats mit Antonius und Lepidus.
3) Im Kriege gegen Sextus Pompejus. S. Sueton, im Leben des
Augustus.
4) Demochares und Apoll ophanes, Feldherren des Pompeji!*,
verfolgten ihn, und er entkam mit einem einzigen Schiffe.
5i Gegen L. Antonius, den Bruder des Triumvirn, der sich in
Perusia festgesetzt hatte; nur mit Mühe zwang man die Stadt zur
Uebergabe.
6) Marcellus war der Sohn seiner Schwester Octaviu,, mit dem
er seine Tochter Julia vermählt hatte. Er kam in den Verdacht
als strebe er nach der Alleinherrschaft, starb sehr jung, und man
glaubte allgemein, dass Livia, Augustus Gemahn, ihn habe vergiften
lassen.
Siebentes Buch. 53
ihn so drückende Zurückziehung des Agrippa1); so viele
Anschläge auf sein Leben; die Beschuldigungen wegen des
Todes seiner Kinder 2), und die damit verbundene Trauer
wegen des Verlusts derselben; die schlechte Aufführung
seiner Tochter und ihr öffentlicher Anschlag auf sein Leben;
die kränkende Entfernung seines Stiefsohnes Nero 8); der
liederliche Lebenswandel seiner Enkelin 4); dann eine Menge
anderer Unglücksfälle: Mangel an Sold; der Aufstand in
Illyrien 5); die Anwerbung von Sclaven; der Mangel an
junger Mannschaft; die Pest in Rom 6); Hungersnoth und
Dürre in Italien, sein Entschluss zu sterben und sein
4tägiges Fasten, wodurch er grösstentheils den Grund zu
seinem Tode legte; dazu noch die Niederlage des Varus 7);
die arge Beschimpfung seines Ansehens 8); die Verstossung
des Postumus Agrippa 9), nachdem er ihn an Kindes Statt
angenommen hatte; seine nachherige Sehnsucht nach dem-
selben10); sein Verdacht gegen Fabius n) und die Furcht,
dieser möge seine Geheimnisse verrathen; endlich die
J) M. V. Agrippa, Augustus Schwiegersohn, ging aus Verclruss
über den vermeintlichen Vorzug, den August dem Marcellus vor ihm
gab, nach Mithylene.
-) Man gab nänilich der Li via Schuld, die Enkel August's, Cajus
und Lucius, aus dem Wege geräumt zu haben, um ihrem leiblichen
Sohne Tiberius die Nachfolge zu sichern.
3) Dieser war mit der Wittwe des Agrippa (August's Tochter)
vermählt; aus Verdruss aber über ihren zügellosen Lebenswandel
entfernte er sich, da er sie wegen ihres Vaters nicht Verstössen
wollte, nach Rhodus, wo er 8 Jahre zubrachte.
4) Der Jüngern Julia, Tochter der Julia und des Agrippa.
5) Im Jahre 35 v. Chr. 6) 22 v. Chr.
7) Durch den Cheruskerfürsten Armin im Teutoburger Walde.
8) Durch Schmähschriften.
9) August verwies ihn wegen seines schändlichen unbändigen
Charakters auf die Insel Planasia. Hier wurde er gleich nach Au-
gust's Tode auf Tiberius Befehl ermordet. Tacit. I. 3.
10) Er soll ihn sogar an seinem Verbannungsorte heimlich be-
sucht haben.
") Fabius Maximus, welcher ihn allein nach der Insel Planasia
begleitet hatte.
54 Siebentes Buch.
Ränke seiner Gemalin und des Tiberius, seine letzte
Sorge. Kurz, dieser Gott, der den Himmel, ich weiss nicht,
ob mehr erreicht oder verdient hat, hinterliess bei seinem
Tode den Sohn seines Feindes *) als Erben.
47.
Bei dieser Betrachtung fallen mir jene delphischen
Orakel ein, welche der Gott, gleichsam um die Eitelkeit
der Menschen dadurch zu strafen, ertheilte. Es sind fol-
gende zwei: „Pedius, welcher kürzlich für sein Vaterland
gestorben, ist der Glücklichste." Wiederum von Gyges,
dem damals mächtigsten Könige befragt, antwortete das
Orakel: „Aglaus von Psophis2) ist glücklicher als du."
Diess war ein alter Mann, der in der engsten Spitze Arka-
diens ein kleines, aber für seinen Lebensunterhalt völlig
hinreichendes Landgut bebauete, dasselbe niemals verlassen
und (wie aus seiner Lebensweise deutlich hervorgeht)
bei den geringsten Wünschen nicht das mindeste Unglück
in seinem Leben erfahren hatte.
48.
Der Faustkämpfer Euthymus, der zu Olympia stets
Sieger, und nur einmal besiegt war 3) , wurde noch bei
seinen Lebzeiten und Bewusstsein auf Befehl desselben
Orakels und mit Zustimmung Jupiters, des höchsten der
Götter, heiliggesprochen. Sein Vaterland war Locri in Italien:
seine daselbst aufgestellte Statue und eine zweite zu Olympia
wurden an ein und demselben Tage vom Blitze getroffen,
worüber sich, wie ich sehe, Callimachus 4) mehr als über
irgend etwas Anderes verwunderte, weshalb er rieth, ihm
Opfer darzubringen, was auch während seines Lebens und
nach seinem Tode mehrmals geschah. Hierbei ist aber
nichts merkwürdiger, als dass die Götter sich dieses ge-
fallen liessen.
') Der erste Mann der Livia; der Vater des Tiberius, stand bei
der Partei des Antonius gegen Augustus.
2) Stadt in Arcadien. S. IV. B. 10. Cap.
3) Nämlich nur durch List und Betrug. *) Der Dichter.
Siebentes Buch. 55
49.
Ueber die Dauer des menschlichen Lebens lässt
sich nichts Gewisses sagen, da nicht bloss das Klima der
Länder, sondern auch die abweichenden Berichte der Schrift-
steller und das über Jeden bei der Geburt verhängt wer-
dende Geschick eine solche Bestimmung unsicher machen.
Hesiodus1), der zuerst darüber geschrieben hat, erzählt
nach meiner Ansicht viel Fabelhaftes über das Alter des
Menschen und behauptet: die Krähe lebe neunmal so lange
als wir, der Hirsch viermal so lange als die Krähe, und
der Rabe dreimal so lange als der Hirsch. Was er vom
Phönix und den Nymphen sagt, ist noch unglaublicher.
Der Dichter Anacreon gibt dem Arganthonius, Könige der
Tartesser, 150 Jahre, dem Cyprischen Könige Cinyras noch
10 Jahre mehr, dem Aeginius 200, Theopomp dem Epime-
nides von Gnossus 2) 153. Hellanicus erzählt, dass manche
unter den in Aetolien wohnenden Epiern 200 Jahre alt
würden. Ihm pflichtet Damastes 3) bei und bemerkt uoch,
dass einer von ihnen, Pictoreus, der sich durch seinen
Körper und seine Kräfte auszeichnete, sogar 300 Jahre ge-
lebt habe. Ephorus sagt, die Könige von Arcadien würden
300 Jahre alt. Nach Alexander Cornelius hat ein gewisser
Dando in Illyrien ein Alter von 500 Jahren erreicht.
Xenophon sagt in seinem Periplus, ein König der lutmischen
Insel 4) sei 600 und, gleichsam als hätte er noch zu wenig
gelogen, dessen Sohn sei 800 Jahre alt geworden. Alle
diese Berichte sind aus der Unkenntniss der verschiedenen
Zeitrechnungen hervorgegangen; denn Einige rechneten den
Sommer für ein Jahr und den Winter für ein zweites, An-
dere, wie die Arcadier, machten sogar aus 1 Jahre 4, so
dass jedes ihrer Jahre nur 3 Monate hatte; wieder Andere
1) Aus Cumae in Aeolis, zwischen 800 und 900 v. Chr.
2) Auf der Insel Kreta, von Einigen an Perianders Stelle unter
<lie 7 Weisen Griechenlands gesetzt, lebte im 7. und 6. Jahrh. v. Chr.
3) Von Sigeum, Schüler des Hellanicus und Zeitgenosse Herodots.
4) Die Lutraier wohnten in Bithynien am schwarzen Meere.
56 Siebentes Buch.
wie die Aegypter, rechnen nach dem Laufe des Mondes,
und daher erklärt sich die Angabe, dass unter ihnen Leute
1000 Jabre alt geworden wären.
Allein um nun auf zuverlässige Angaben tiberzugehen
so ist es gewiss, dass Arganthonius, ein Gaditaner, nahe
an 80 Jahre regiert hat, und man glaubt, dass er erst im
40. Jahre die Kegierung angetreten habe. Dass Massinissa
60 Jahre regiert hat, ist keinem Zweifel unterworfen, eben-
so dass der Sicilianer Gorgias 108 Jahre alt geworden ist.
Q. Fabius Maximus war 63 Jahre lang Augur. M. Perperna
und noch vor Kurzem L. Voluhius Saturninus haben alle
Senatoren, welche sie während ihres Consulats um ihre
Meinung befragt hatten J), überlebt. Perperna hinterliess
nur 7 von denen, welche er als Censor gewählt hatte, und
lebte 98 Jahre. Bei dieser Gelegenheit will ich noch des
Umstandes erwähnen, dass im Ganzen nur einmal ein Zeit-
raum von 5 Jahren verflossen ist, in welchem kein Senator
starb, nämlich von der Zeit an, wo die Censoren Flaccus
und Albinus ihr Lustrum feierten bis zu den nächsten Cen-
soreD, vom Jahre 579 der Stadt Rom an. M. Valerius
Corvinus wurde 100 Jahre alt, uud. zwischen seinem ersten
und sechsten Consulate waren 46 Jahre verflossen. Eben-
derselbe hat 21 mal die Sella curulis 2) inne gehabt, welche
Ehre keinem Andern so oft zu Theil geworden ist. Der
Oberpriester Metellus erreichte ein eben so hohes Alter.
Unter den Frauen wurde Livia, die Gattin des Rutilius,
über 96 Jahre alt. Statilia, unter der Regierung des Clau-
dius, aus einem vornehmen Hause, 99, Terentia, Cicero's
Gattin, 103, Clodia, Ofilius Gattin, 115, und diese ist 15 mal
entbunden worden. Lucceja, eine mimische Künstlerin,
') D. h. alle Senatoren, welche zur Zeit ihres Consulats vorhan-
den waren.
s) Ein mit Elfenbein ausgelegter Stuhl für die Consule, Prätoren
und Aediles curules, welcher zusammengelegt werden konnte. Das
Wort curulis ward von currus abgeleitet, weil die, welche ihn brauch-
ten, ihn zusammengelegt in ihrem Wagen bei sich führten.
Siebentes Buch. 57
sprach noch in ihrem lOOsten Jahre auf der Bühne. Die in
den Zwischenspielen auftretende Tänzerin Galeria Copiola
betrat, als unter den Consuln C. Poppäus und Q. Sulpicius *)
die für die Gesundheit des Kaiser Augustus gelobten Spiele
gefeiert wurden, nochmals die Bühne; sie war zum ersten
Male in ihrem 8. Jahre vom Volksaedil M. Pomponius, unter
den Consuln C. Marius und Cn. Carbo2), vor 90 Jahren
auf's Theater gebracht, und wurde vom grossen Pompejus
bei der Einweihung seines Schauspielhauses, als ein altes
Weib zur allgemeinen Verwunderung wieder auf die Bühne-
geführt. Auch Sammula soll, wie Asconius Pedianus 3) sagtr
100 Jahre alt geworden sein. Weniger wundere ich mich
darüber, dass Stephanio (der zuerst den Tanz in der Toga
einführte) bei beiden Secularspielen 4) getanzt hat, nämlich
bei denen des Kaisers Augustus und denen, welche der
Kaiser Claudius während seines 4. Consulates veranstaltete,
denn zwischen beiden lag nur ein Zeitraum von 63 Jahren,
obgleich er auch nachher noch lange gelebt hat. Auf der
höchsten Spitze des Berges Tmolus, welche Tempsis heisst,
werden nach Mutianus die Bewohner 150 Jahre alt. Für
ebenso alt wurde bei der Volkszählung des Kaisers Clau-
dius der Bononienser Fullonius angegeben, was sich auch
aus der Vergleichung seiner frühern Angaben und den Be-
») 9 nach Chr. 2) 82 v. Chr.
3) Aus Padua, Grammatiker, Freund des Livius und Silius Itali-
cus, unter Claudius und Nero, schrieb einen Commentar über 11
Reden Cicero 's.
'*) Ludi seculares nannte man bei den Römern das feierlichste^,
heiligste Fest, welches für die Erhaltung des Staats angestellt wurde.
Der Name kommt her von Saeculum, worunter man die Lebensdauer,
eines Menschen verstand; denn sie wurden nicht eher wiederholt,
als bis man glaubte, dass von der ganzen Generation, welche bei
der vorigen Feier derselben gegenwärtig war, keiner mehr übrig sei.
Augustus verordnete, dass sie alle 1 1 9 Jahre gefeiert werden sollten^
und beging sie 17 J. v. Chr. Allein schon Claudius wich nach 63
Jahren von dieser Verordnung ab. Ueber ihren Ursprung lese man
Yalerius Maximus II. 4.
58 Siebentes Buch.
weisen seiner Lebensumstände (denn darum bekümmerte
sich der Kaiser ebenfalls gern) als richtig erwies.
50.
Hier scheint es passend zu sein, auch die Meinung der
Sternkundigen anzuführen. Epigenes *) behauptet, der Mensch
könne nicht 112 Jahre alt werden, Berosus sagt, nicht über
117. Es besteht auch noch die Berechnung des Petosiris
und Necepsos, welche nach der Eintheilung (des Thierkreises)
in je drei Sternbilder Tartemorion heisst, und aus welcher
sich ergiebt, dass man in dem Himmelsstriche von Italien
ein Alter von 124 Jahren erreichen könne. Jene läugnen
nämlich, dass ein Mensch das Aufgangsmaass von 90 Graden 2)
(welches sie Anaphoren nennen) überlebe, und sagen, diese
Anaphoren selbst würden durch das Begegnen bösartiger
Gestirne, ja sogar schon durch deren Strahlen und die der
Sonne verstümmelt. Ebenfalls lehrt die spätere Schule des
Aesculap 3), dass die Dauer des Lebens von den Sternen ab-
hinge, allein wie hoch sie das längste annimmt, ist unge-
wiss. Seltener aber soll deshalb ein langes Leben sein,
weil viele Menschen in wichtigen Zeitpunkten von Stunden
und Tagen, die unter dem Einflüsse des Mondes stehen,
wie es mit der 7. und 15. (Tag und Nacht gerechnet) der
Fall ist, geboren werden; diesen werden dann die Stufen-
jahre 4) tödtlich und sie überleben nicht leicht das 54. Jahr.
1) Von Rhodus, Astronom aus dem 2. Jahrb. v. Chr.
2) Oder drei Zeichen des Thierkreises. Nach der Lehre der
Astrologen ist die Jahrbestimmung aus den Zeichen des Thierkreises
nicht überall dieselbe, sondern richtet sich nach der Lage der von
den alten Astronomen gezogenen Parallelkreise und der verschiede-
nen Neigung des Himmels. In Rom war nach Julius Firmicus Ma-
ter nus die Zahlbestimmung der Zeichen folgende: Widder =17
Jahren, Stier = 22, Zwillinge = 27, Krebs = 22, Löwe = 37, Jung-
frau = 42, Wage = 42, Scorpion = 37, Schütze — 32, Stein-
bo ck = 27, Wassermann = 22, Fische = 17. War nun dort Jemand
im Zeichen des Widders geboren, so konnte er 17 + 22 -f- 27 =
■66 Jahre leben u. s. w.
3) Ein nicht näher bekannter griechischer Astronom.
4) Diess sind solche, deren Zahl von zwei miteinander multipli-
•cirten Zahlen gebildet wird, z. B. 6 x 9 = 54.
Siebentes Buch. 59
Allein vor allem zeigt schon die Unbeständigkeit in
dieser Kunst, wie ungewiss die ganze Sache ist. Dazu
kommen noch die Erfahrungen und Beispiele der letzten
Schätzung, welche die beiden Kaiser Vespasianus, Vater
und Sohn, als Censoren l) hielten. Wir brauchen nicht ein-
mal alle Register durchzugehen, sondern heben nur einige
Beispiele aus dem mittlem, zwischen dem Apenninus und
Padus liegenden Thale Italiens heraus. In Parma waren
3 Personen von 120 Jahren, in Brixellum eine von 125, in
Parma 2 von 130, in Placentia 1 von 130, in Faventia
1 Weib von 132, in Bononia L. Terentius, der Sohn des
Marcus, zu Ariminum aber M. Aponius, beide von 140, Ter-
tulla daselbst von 137 Jahren. In der Umgebung von
Placentia auf den Hügeln liegt die Stadt Velejacium, in
welcher 6 Personen ihr Alter auf 110 Jahre, 4 auf 120 und
1, Namens M. Marcius Felix, des Marcus Sohn aus der
Galerischen Bürgerklasse, zu 140 angaben. Allein um uns
nicht länger bei einer ausgemachten Sache aufzuhalten, so
sind im 8. Bezirke Italiens 54 Personen von 100, 14 von
110, 2 von 125, 4 von 130, ebensoviele von 135 oder 137,
und 3 von 140 Jahren eingetragen worden.
Andere Beispiele von der Unbeständigkeit des mensch-
lichen Geschicks sind folgende. Homer 2) erzählt, Hector
und Polydamas, Männer von so verschiedenen Schicksalen 3)?
wären in Einer Nacht geboren. Zur Zeit als C. Marius
und Cn. Carbo zum dritten Male Consuln 4) waren, wurdeu
an Einem Tage, nämlich am 28. Mai, M. Cäcilius Rufus und
C. Licinius Calvus geboren, die zwar beide Redner wurden,
aber mit sehr verschiedenem Erfolge 5). Doch das ereignet
sich täglich auf der Welt, und sogar bei solchen, die in
») 74 n.Chr.
») Iliade XVIII. 249.
3) Ersterer war ein tapferer Krieger, letzterer ein guter Redner.
4) 82 v. Chr.
5) Der erstere war ein schlechter, der andere ein vorzüglicher
Redner.
ßO Siebentes Buch.
ein und derselben Stunde zur Welt kommen, da Herren
und Knechte, Könige und Bettler zugleich geboren werden^
51.
Publius Cornelius Rufus, der mit M. Curius zugleich
Consul war *), wurde im Schläfe blind, eben da er träumte,
dass ihm diess widerführe. Dahingegen fand Jason von
Pherä 2), der wegen eines Geschwürs von den Aerzten schon
aufgegeben war, als er den Tod in der Schlacht suchte,
seine Heilung in einer vom Feinde erhaltenen Brustwunde.
Der Consul Q. Fabius Maximus 3) wurde während der
Schlacht gegen die Allobroger und Arverner am Flusse
Isara am 8. August, in welcher 130,000 Feinde fielen, von
viertägigem Fieber befreiet.
Zu unsicher und gebrechlich ist diess Geschenk der
Natur, was uns auch davon zu Theil wird; selbst bei denen,
welche am reichlichsten bedacht wurden , zeigt es sich
launig und kurz, wenn man die ganze Lebenszeit betrachtet.
Zieht man die Zeit der nächtlichen Ruhe ab, lebt da nicht
der Mensch nur die Hälfte seines Lebens? Also bringt er
die andere Hälfte in einem todesähnlichen Zustande, oder
wenn er nicht schlafen kann, in Pein hin; und hierbei sind
nicht einmal die Jahre der Kindheit, wo der Verstand noch
mangelt, noch die des Alters, welche dem Lebenslustigen
zur Strafe dienen, in Anschlag gebracht. So viele Arten
von Gefahren, so viele Krankheiten, Angst und Sorgen
giebt es, dass kein Wunsch häufiger ausgesprochen wird
als der, zu sterben. Die Natur hat also dem Menschen
nichts Besseres verliehen als Kürze des Lebens. Die Sinne
werden stumpf, die Glieder erstarren, Gesicht, Gehör, Gang,
sogar die Zähne und die zur Nahrung nöthigen Organe
schwinden, und dennoch wird diese Zeit zum Leben ge-
rechnet. Daher war es ein Wunder und man kennt auch.
') 290 v. Chr.
2) Ein berühmter Feldherr, starb 371 v. Chr.
3) 121 v. Chr. Sein College war Lucius Opimius.
Siebentes Buch. 61
nur ein einziges Beispiel, nämlich dass der Musiker Xeno-
philus ohne irgend eine Unbequemlichkeit des Körpers»
105 Jahre lang gelebt hat. Allein bei allen übrigen
Menschen stellt sich, was bei keinem andern Thiere der
Fall ist, an den einzelnen Theilen der Glieder zu gewissen
Stunden eine verderbliche Hitze oder Kälte ein, und zwar
nicht nur zu gewissen Stunden, sondern auch nach
3 — 4 Tagen, ja sogar ganze Jahre hindurch. Aber aus
Vorsatz zu sterben *), ist ebenfalls eine Krankheit; denn
die Natur hat auch die Krankheiten gewissen Gesetzen
unterworfen. Das 4tägige Wechselfieber nimmt nie am
kürzesten Tage, oder in den Wintermonaten seinen Anfang;
einige Krankheiten treten nach dem 60. Lebensjahre nicht
mehr ein, andere verlieren sich mit Eintritt der Mannbar-
keit, besonders beim weiblichen Geschlechte. Alte Leute
werden am wenigsten von der Pest befallen. Manche Krank-
heiten treffen ganze Völker, andere bloss Sclaven, oder
Vornehme oder auch andere Stände. Ebenso hat man die
Beobachtung gemacht, dass die Pest ihren Gang immer
von Mittag gegen Westen und fast nie anders nimmt, dass
sie nie im Winter erscheint und nie über 3 Monate dauert.
52.
Jetzt wollen wir die Anzeigen des nahe bevorstehenden
Todes anführen. Bei der Raserei das Lachen; bei Krank-
heiten, wo das Bewusstsein bleibt, ein Pflücken und Falten
der Kleider und des Bettzeuges, ein Nichtachten auf die-
jenigen, von denen der Kranke aufgeweckt wird, die frei-
willige Entleerung der natürlichen Bedürfnisse. Das sicherste
Kennzeichen aber giebt das Aussehen der Augen und Nase,
und selbst das beständige Liegen auf dem Rücken, ferner
der ungleiche oder schwache Pulsschlag, und was sonst
noch Hippocrates 2), der grösste Arzt, beobachtet hat. So
unzählige Merkmale des Todes es nun giebt, so hat man
*) D. h. allen diesen Uebeln durch Selbstmord ein Ende zu
machen.
-) Geb. auf der Insel Cos 460 v. Chr., gestorben ebendaselbst 356.
£2 Siebentes Buch.
dagegen kein sicheres für Gesundheit und Lebensdauer,,
daher auch der Censor Cato, in einem Schreiben an seinen
Sohn über Gesunde, die einem Orakel ähnliche Bemerkung
macht, dass eine altkluge Jugend das Zeichen eines frühen
Todes sei. Krankheiten giebt es eine unendliche Menge.
So starb Pherecydes aus Syrus an Schlangen, welche in
Menge aus seinem Körper hervorkrochen *). Manche leiden
beständig am Fieber, wie C. Maecenas 2), der in den letzten
3 Jahren seines Lebens keinen Augenblick schlafen konnte.
Der Dichter Antipater von Sidon 3) bekam jährlich einmal
und zwar an seinem Geburtstage das Fieber und starb auch
daran im hohen Alter.
53.
Der Consular Aviola 4) lebte auf dem Scheiterhaufen
wieder auf, da man ihm aber wegen der überhand nehmen-
den Flamme nicht zu Hülfe kommen konnte, so verbrannte
er lebendig. Ein ähnlicher Vorfall wird von dem gewesenen
Prätor L. Lamia 5) erzählt, Auch der Prätor C. Aelius
Tubero soll wieder vom Scheiterhaufen getragen worden
sein, wie Messala, Rufus und viele Andere erzählen. So
ist das Schicksal der Sterblichen, zu diesen und ähnlichen
Zufällen sind wir geboren, so dass man bei dem Menschen
nicht einmal dem Tode trauen darf. Unter andern Bei-
spielen habe ich auch gefunden, dass die Seele des Her-
motimus von Clazomenä ihren Körper verlassen habe, um-
hergeirrt sei und dabei vieles von entfernten Orten her
verkündigt habe, was kein Anderer als einer, der selbst
dort gewesen, hätte wissen können; während dem habe der
Körper in Ohnmacht gelegen, bis endlich seine Feinde
') Mit anderen Worten: Er hatte die Läusekrankheit.
-) Cajus Cilnius Maecenas, einer der angesehensten Römer aus
der Zeit des Augustus und dessen Freund, eifriger Förderer und Be-
sitzer der "Wissenschaften, starb 8 v. Chr.
3) Geb. 100 v. Chr., lehrte zu Athen.
') Der 19 n. Chr. die Andecaver und Turonen in Gallien .schlug.
S. Tacit. Annal. III. 41.
5) Er war 42 v. Chr. Prätor.
Siebentes Buch. 63
(welche Canthaviden genannt wurden) ihn verbrannt, und
dadurch der wiederkehrenden Seele gleichsam ihr Gehäuse
genommen hätten. Dem Aristeas in Proconnesus will man
die Seele, in Gestalt eines Raben, aus dem Munde haben
fliegen sehen, wobei noch mehrere andere fabelhafte Dinge
erzählt werden. Etwas ähnliches habe ich auch von Epi-
menides aus Gnossus erfahren. Ein durch die Hitze des
Tages und das Gehen erschöpfter Knabe soll in einer
Höhle 57 Jahre lang geschlafen haben; beim Erwachen
wunderte er sich über die Veränderung der um ihn be-
findlichen Gegenstände, gleichsam als wenn er vom vorigen
Tage her erwacht wäre; von da an wurde er in ebenso
vielen (57) Tagen zum alten Manne, erreichte jedoch ein
Alter von 157 Jahren. Das weibliche Geschlecht scheint
diesem Uebel *) am meisten ausgesetzt zu sein bei der Ver-
drehung der Gebärmutter; wenn aber diese Krankheit ge-
hoben wird, so kehrt auch das Leben wieder zurück. Dieser
Gegenstand betrifft das bei den Griechen so berühmte
Werk des Heraclides 2) über eine Frau, welche nach einer
7tägigen Ohnmacht wieder ins Leben gerufen wurde.
Auch Varro erzählt, dass zu der Zeit, wo er als einer
der Zwanzigmänner die Ackervertheilung zu Capua besorgt
habe, ein Mensch, der als Leiche hinausgetragen wurde, zu
Fuss wieder nach Hause gegangen sei. Dasselbe soll sich
zu Aquinum ereignet haben. Auch zu Rom sei Corfidiusr
der Gemal seiner Mutter Schwester, nachdem schon das
Leichenbegängniss angeordnet gewesen, wieder aufgelebt,
und der Anordner sei von ihm zu Grabe geleitet. Er fügt
auch noch andere wunderbare Vorfälle an, die wir am besten
ganz vollständig erzählen. Von 2 Brüdern Corfidius aus
dem Ritterstande war der ältere scheinbar gestorben, und
nach Eröffnung des Testaments ordnete der darin zum
Erben eingesetzte jüngere das Leichenbegängniss an; in-
zwischen ruft der ältere durch Händeklatschen die Diener-
') Nämlich dem Scheintode.
2) Von Odessus in Pontus, Schüler des Aristoteles.
£4
Siebentes Buch.
Bckaft zusammen und erzählt, er komme von seinem Bruder,
der ihm seine Tochter empfohlen, ihm ausserdem noch einen
Ort angegeben, wo er ohne Mit wissen eines Andern Gold
vergraben hätte, und gebeten habe, ihn so, wie es von ihm
angeordnet sei, zu beerdigen. Während dieser Erzählung
brachten die Diener seines Bruders die Nachricht, dass
dieser plötzlich gestorben sei, und das Gold fand sich wirk-
lich an dem bezeichneten Platze. Eine grosse Menge solcher
Vorhersagungen findet man verbreitet, allein wir übergehen
sie, da sie oft falsch sind, wie wir durch ein ausserordent-
liches Beispiel zeigen wollen. Im sicilischen Kriege wurde
Gabienus, ein sehr tapferer Seesoldat Cäsars, von Sextus
Pompejus gefangen genommen und auf dessen Befehl ent-
hauptet; der Kopf hing kaum noch mit dem Rumpfe zu-
sammen und so lag er einen ganzen Tag an der Küste.
Gegen Abend bat er unter Seufzen die um ihn zahlreich
versammelten Menschen auf's flehentlichste, dem Pompejus
zu sagen, er möge entweder selbst zu ihm kommen oder
einen seiner Vertrauten schicken, denn er sei aus der Unter-
welt zurückgekehrt und habe ihm etwas zu verkündigen.
Pompejus sandte mehrere seiner Freunde, zu denen Gabie-
nus sagte: den unterirdischen Göttern gefielen die frommen
Pläne *) des Pompejus, daher würden sie auch nach seinem
Wunsche in Erfüllung gehen 2); diese Nachricht habe er
ihn bringen sollen, und zum Beweise der Wahrheit würde
er sogleich nach vollbrachtem Auftrage den Geist aufgeben.
Diess geschah auch wirklich. Es giebt ferner Beispiele
von Menschen, die nach dem Begräbniss wieder gesehen
sind; allein wir übergehen sie, denn unser Zweck ist, die
Werke der Natur, nicht die Wunder kennen zu lernen.
54.
Ganz besonders merkwürdig sind die häufig vorkom-
') Er wollte seinen Vater, den grossen Pompejus, rächen.
2) Was nicht der Fall war, denn S. Pompejus wurde nach man-
cherlei Schicksalen ermordet.
Siebentes Buch. 65
inenden plötzlichen Todesfälle (eigentlich das grösste
Glück des Lebens), die aber, wie ich zeigen werde, auf
natürlichen Ursachen beruhen. Eine grosse Menge der-
selben führt Verrius l) an, ich will jedoch davon nur einige
zur Mittheilung auswählen. Vor Freude starben, ausser
dem schon erwähnten Chilo 2), Sophocles 3) und Dionysius,
der Tyrann Siciliens,, beide bei der Nachricht, dass ihre
Trauerspiele den Sieg davon getragen hätten; ferner jeue
Mutter nach der Schlacht bei Cannä, die, vorher durch eine
falsche Nachricht getäuscht, plötzlich ihren Sohn wohlbe-
halten wiedersah. Vor Schaam starb Diodorus 4), ein Lehrer
der Dialectik, weil er bei einem scherzhaften Thema auf
die Fragen des Stilpo 5) nicht sogleich antworten konnte.
Ohne sichtbare Ursachen starben des Morgens beim
Anziehen der Schuhe zwei Cäsaren 6), der eine als fungiren-
der Prätor, der andere, welcher der Vater des Dictator
Cäsar war, als gewesener Prätor, dieser zu Pisa, Jener zu
Rom. Q. Fabius Maximus starb als Consul am 31. Dec.
(an dessen Statt sich um die nur noch einige Stunden dau-
ernde Würde 7) C. Rebilus bewarb); desgleichen der Senator
C. Vulcatius Gurges; alle diese ereilte der Tod so gesund
und unerwartet, dass sie eben im Ausgehen begriffen waren.
Q. Aemilius Lepidus starb, als er beim Herausgehen aus
dem Zimmer mit der grossen Zehe an die Schwelle stiess;
C. Aufustius, als er in den Senat ging, und an dem Ver-
sammlungsorte mit einem Fusse anstiess. Auch der Ge-
sandte, welcher die Angelegenheit der Rhodier mit allge-
meiner Bewunderung im Senate vorgetragen hatte, starb
plötzlich auf der Schwelle des Rathhauses, als er eben
') Verrius Flaccus, Grammatiker, war Lehrer von August' s En-
keln, Cajus und Lucius, und starb unter Tiberius' Regierung.
-) S. 32. Cap. 3) In seinem 90. Lebensjahre.
4) Aus Jasus in Carien, lebt« gegen Ende des 4. Jahrb. v. Chr.
5) Aus Megara, lebte im 3. Jahrb. v. Chr.
e) Lucius Caesar und Cajus Caesar.
7) Am 1. Januar wurden nämlich die neuen Consuln gewählt.
Wittetein: Plinius. II. Bd. 5
. 66
Siebentes Buch.
hinaus gehen wollte. Cn. Bebius Tamphilus, der die Prätur
bekleidete, starb, als er sich eben bei seinem Diener nach
der Zeit erkundigt hatte; Aulus Pompejus auf dem Capito-
lium, als er eben den Göttern seine Ehrfurcht bezeigt hatte;
der Consul M. Juventius Thalna, während er opferte;
C. Servilius Pansa, als er auf dem Marktplatze an seinen
Bruder P. Pansa gelehnt um die 2. Stunde des Tages vor
einer Bude stand; der Richter Bebius, als er eben einen
Termin verlängern Hess; M. Terentius Corax, während er
auf dem Markte in seine Schreibtafel notirte, und noch im
letztvergangenen Jahre starb plötzlich ein römischer Ritter,
als er einem Consular etwas ins Ohr sagte, vor der elfen-
beinernen Statue des Apollo auf dem Forum des Augustus.
Aber vor allem merkwürdig ist der Tod des Arztes C. Julius,
der ihn ereilte, als er eine Salbe einrieb und eine Sonde
durchs Auge zog; der gewesene Consul Aulus Manlius Tor-
quatus, als er während einer Mahlzeit nach einem Kuchen
langte; der Arzt L. Tuscius Valla, als er einen Honigtrank
zu sich nahm; Ap. Saufejus, als er nach der Rückkehr
aus dem Bade einen Honigtrank zu sich genommen hatte
und eben ein Ei ausschlürfte; P. Quinctius Scapula, da er
bei Aquilius Gallus speiste; der Schreiber Decimus Sau-
fejus, als er zu Hause frühstückte; der gewesene Prätor
Cornelius Gallus und der römische Ritter Q. Haterius starben
während des Beischlafs. Aus unsern Zeiten finde ich be-
merkt, dass 2 Ritter von ausgezeichneter Schönheit bei
ein und derselben mystischen Pantomime gestorben sind.
Ein Beispiel der leichtesten unter allen Todesarten erzählen
die Alten von M. Ofilius Hilarus, einem komischen Schau-
spieler. Als derselbe einst an seinem Geburtstage dem
Volke sehr gefallen hatte, gab er ein Gastmahl, und Hess
sieh nach der Mahlzeit einen warmen Trank in einer
Schale reichen; indem sah er die Maske, in der er an
diesem Tage aufgetreten war, an, setzte ihr den Kranz von
seinem Haupte auf, und erstarrete in dieser Stellung, ohne
dass Jemand es bemerkte, bis sein Tischnachbar ihn er-
innerte, sein Trank werde kalt.
Siebentes Buch. 67
Diess sind glückliche Fälle, dagegen giebt es aber
auch unzählige unglückliche. L. Domitius, aus einer sehr
berühmten Familie *), wurde vom Cäsar bei Massilia be-
siegt und von eben demselben bei Corfinium gefangen; aus
Lebensüberdruss nahm er einen Gifttrank zu sich, nachdem
er aber getrunken hatte, gab er sich alle Mühe, sein
Leben zu erhalten 2). Man findet in den öffentlichen
Schriften, dass bei dem Leichenbegängniss des Felix, eines
Wagenlenkers von der Partei der Rothen3), sich einer
seiner Freunde auf dessen Scheiterhaufen gestürzt habe;
damit aber diese allzukühne That dem Künstler nicht zum
Ruhme gereichen sollte, waren seine Gegner so boshaft zu
behaupten, jener sei nur durch die Menge von Wohlgerüchen
dazu verleitet. Nicht lange vorher ward M. Lepidus, ein
Mann sehr edler Abkunft, von dem wir gesagt haben 4),
dass er aus Kummer über seine Ehescheidung gestorben
sei, durch die Gewalt der Flamme vom Scheiterhaufen ge-
worfen, und da man ihn wegen der Hitze nicht wieder
darauf bringen konnte, so verbrannte man ihn nahe dabei
nackend auf anderm Reisholze.
55.
Das Verbrennen der Leichen ist bei den Römern
keine alte Sitte; früher begrub man sie. Als man aber die
Erfahrung gemacht hatte, dass in den langwierigen Kriegen
die Beerdigten wieder herausgewühlt wurden, so führte
man jenes ein. Dessen ungeachtet blieben viele Familien
dem alten Gebrauche treu; so wurde in der cornelischen
vor dem Dictator Sulla Niemand verbrannt. Dieser aber
') Er war Urgrossvater des Nero.
-) Weil man ihn, nachdem er das Gift genommen hatte, von der
Gros.smuth Cäsar's gegen seine Freunde überzeugte.
3) Russeus oder Russatus. Die Parteien, welche um die Wette
fuhren, unterschieden sich durch die Farben ihrer Kleider. Es waren
ursprünglich 4, nämlich die factio albata (weisse), russata (rothe),
veneta (wasserblaue) und prasina (grüne). Unter Domitian kamen
noch 2, die aurata (goldene) und purpurea (purpurne) hinzu.
4) Im 36. Cap.
5*
gg Siebentes Buch.
soll es deshalb eingeführt haben, weil er den Leichnam
des Marius hatte ausgraben lassen, und nun ein Gleiches
befürchtete. Mit dem Worte sepultus bezeichnet man aber
einen, der auf was immer für eine Weise beigesetzt ist,
dagegen humatus heisst ein wirklich mit Erde bedeckter.
56.
Nach dem Begräbniss kommen wir an die verschiedenen
Meinungen über die Geister der Verstorbenen. Alle
haben nach dem letzten Tage dasselbe Schicksal, was sie
vor dem ersten hatten. Vom Augenblicke des Todes an
hat der Leib sowie die Seele ebenso wenig Empfindung,
wie vor der Geburt. Unsere Eitelkeit dehnt sich aber so-
gar auch auf die Zukunft aus, und lügt sich selbst ein
Leben nach dem Tode vor, indem sie bald der Seele Un-
sterblichkeit, bald eine Seelenwanderung, bald den Ver-
storbenen Empfindung beilegt, die Manen verehrt und den
zum Gotte macht, der bereits aufgehört hat Mensch zu sein;
gleichsam als wenn das Leben des Menschen sich in irgend
etwas von dem des Thieres unterscheide, oder als ob wir
im Leben nicht viele weit dauerndere Dinge fänden, denen
doch Niemand eine ähnliche Unsterblichkeit weissagt.
Welche Gestalt hat die Seele? Aus welchem Stoffe besteht
sie? Wo hat ihre Denkkraft den Sitz? Wie sieht, hört,
fühlt sie? Was thut sie oder worin besteht ohne diese
Organe ihr Glück? Wo hat sie ferner ihren Wohnsitz,
und wie gross ist die Menge der seit so vielen Jahrhunderten
als Schatten abgeschiedenen Seelen? Alles diess sind Ein-
bildungen kindischer Schwärmerei und der Sucht des Men-
schen, nie aufhören zu wollen. Ebenso thöricht war die
Meinung Democrit's, man solle die Leichen (in Honig) auf-
bewahren, denn sie würden wieder lebendig, denn er selbst
lebte ja nicht einmal wieder auf. Welch ein Unsinn ist es,
zu behaupten, dass mit dem Tode ein neues Leben beginne?
Wie kann der Mensch je Ruhe haben, wenn seine Seele
oben, und sein Schatten in der Unterwelt Empfindung be-
halten? Wahrlich, dieser süsse aber alberne Glaube ver-
nichtet das vornehmste Gut, was uns die Natur verliehen
Siebentes Buch. 69
hat, den Tod, und macht den Austritt aus dem Leben
doppelt schmerzhaft, indem uns sogar noch der Gedanke
an die Zukunft bekümmert. Denn wenn es angenehm ist
zu leben, wie kann es dann angenehm sein gelebt zu haben1)?
Aber wie viel leichter und sicherer ist es, seiner eigenen
Ueberzeugung zu folgen und aus der Betrachtung des Zu-
standes vor unserer Geburt auf unsere Ruhe nach dem
Tode zu schliessen!
57.
Bevor wir die Beschreibung des Menschen verlassen,
wird es zweckmässig sein, die wichtigsten Erfindungen
und diejenigen, welchen wir sie zu verdanken haben, anzu-
führen. Kauf und Verkauf hat zuerst Bacchus eingeführt.
Derselbe erfand auch das Diadem, das Zeichen der könig-
lichen Würde, sowie den Triumph; Ceres schuf das Getreide,
denn vorher nährten sich die Menschen von Eicheln. Sie
lehrte auch in Attika das Mahlen und Backen ; auch noch andere
Gegenstände in Sicilien, und deshalb wurde sie für eine
Göttin gehalten. Sie gab ferner die ersten Gesetze, was
indessen Einige dem Rhadamanthus 2) zuschreiben. Die
Buchstaben halte ich für assyrischen Ursprungs, Andere,
wie Gellius 3), wollen sie bei den Aegyptern vom Mercur,
noch Andere bei den Syrern erfunden wissen. Soviel ist
gewiss, dass Cadmus ihrer 16 von Phönicien nach Griechen-
land gebracht hat. Zu diesen soll zur Zeit des trojanischen
Krieges Palamedes noch folgende 4, 6, S, $, X hinzuge-
fügt haben; ebenso viele hat der Liederdichter Simonides
dazu gebracht, nämlich Z, 77, ¥', J2, welche man sämmtlich
ihrer Aussprache nach auch in unseren Buchstaben wieder
erkennt. Nach Aristoteles bestand das altgriechische Al-
') D. h. nicht mehr zu leben.
2) Sohn des Jupiter und der Europa, Bruder des Minos und Sar-
pedon. Er war berühmt wegen seiner Gerechtigkeitsliebe, weshalb
mehrere Dichter ihn nach seinem Tode nebst Minos und Aeacus als
Richter in der Unterwelt auftreten lassen.
3) Cnejus Gellius lebte in der ersten Hälfte des 1. Jahrh. v. Chr.
70 Siebentes Buch.
phabet aus 18 Buchstaben: A, D, r, J, E, Z, I, K, A, M
N, 0, IT, P, I', T, Y, @, und diese seien von Epicharmus,
nicht aber von Palamedes, um die 2, 0, X, vermehrt. An-
ticlides erzählt, diese Erfindung verdanke man einem ge-
wissen Menon in Aegypten, der 1500 Jahre vor Phoroneus 1),
dem ältesten Könige Griechenlands, lebte, und sucht diess
aus Denkmälern zu beweisen. Dahingegen sagt Epigenes,
ein sehr zuverlässiger Schriftsteller, dass man bei den Ba-
byloniern Beobachtungen der Gestirne von 7200 Jahren her
auf Backsteinen eingeschrieben fände; Berosus und Cri-
todemus 2), welche am wenigsten annehmen, geben diesen
Beobachtungen ein Alter von 4900 Jahren. Hieraus geht
hervor, dass die Buchstaben schon seit undenklicher Zeit
im Gebrauche sind. Nach Latium sind sie von den Pelas-
gern gebracht.
Euryalus und Hyperbius, 2 Brüder in Athen, haben zu-
erst Ziegelsteine gemacht und Häuser gebauet; vor ihnen
bewohnte man statt der Häuser nur Höhlen. Nach Gellius
ist Toxius, ein Sohn des Cälus, der Erfinder der Lehmge-
bäude ; er richtete sich dabei nach den Nestern der Schwalben.
Cecrops 3) bauete die erste Stadt und nannte sie Cecropia,
jetzt die Burg von Athen. Nach Einigen soll Argos vom
König Phoroneus noch früher gegründet sein; Andere be-
haupten diess von Sicyon. Die Aegypter aber sagen, dass
bei ihnen lange vorher Diospolis 4) erbauet worden sei,
Cinyra, der Sohn des Agriopas, erfand die Dachziegel und
die Bearbeitung des Erzes, beides auf der Insel Cypern;
ferner die Zange, den Hammer, den Hebebaum und den
Ambos; die Brunnen hat Danaus erfunden, der von Aegypten
nach dem Theile Griechenlands kam, welcher Argos Dip-
*) Der Sohn des Inachus. Mit ihm beginnt die älteste Zeitrech-
nung, auch fällt in sein Zeitalter die ogygische Fluth. Er lebte un-
gefähr 1800 J. v. Chr.
2) Nicht näher bekannter Astronom aus dem 4. Jahrh.
s) Der erste König von Attika; er kam 1556 v. Chr. mit einer
Colonie von Sais aus Aegypten dahin.
4) Theben.
Siebentes Buch. 71
sion *) genannt wird. Steinbrüche hat zuerst Cadmus bei
Theben, oder, wie Theophrastus will, in Phönicien benutzt.
Thrason bauete die ersten Mauern, die ersten Thürme, nach
Aristoteles, die Cyclopen, oder, nach Theophrastus, die
Tirynthier. Die Aegyptier erfanden die Webekunst; die
Lydier zu Sardes das Färben der Wolle; Closter, ein Sohn
der Arachne, die Spindel zum Wollespinnen; Arachne die
Bereitung der Leinwand und der Netze ; Nicias von Megara
die Kunst des Walkens; Tychius aus Böotien die Verfer-
tigung der Schuhe. Die Aegyptier sagen, bei ihnen sei die
Arzneikunde erfunden, Andere schreiben diess dem Arabus,
einem Sohne der Babylonis und des Apollo zu. Chiron,
ein Sohn des Saturn und der Philyra, erfand die Kräuter-
kunde und die Arzneibereitung.
Die Kunst Erz zu schmelzen und zu verarbeiten hat,
nach Aristoteles, der Lyder Scythes, naeh Theophrastus aber
der Phrygier Delas zuerst gelehrt. Die Erfindung des Erz-
schmiedens schreiben Einige den Chalybern, Andere den
Cyclopen zu. Das Eisen benutzten nach Hesiodus diejenigen
Bewohner Creta's, welche die idäischen Dactyler heissen,
zuerst; das Silber Erichthonius, ein Athenienser, oder, nach
Andern, Aeacus. Das erste Goldbergwerk und eine dazu
gehörige Schmelzhütte legte der Phönicier Cadmus am Berge
Pangäus an; nach Andern thaten diess zuerst Thoas
und Eaclis in Panchaja, oder Sol, der Sohn des Oceanus,
4em Gellius auch die Erfindung der aus Honig bereiteten
Arzneien zuschreibt. Blei holte zuerst Midacritus von der
Insel Cassiteris. Das Schmieden des Eisens erfanden die
Cyclopen; die Töpferei Coroebus aus Athen; die Scheibe
der Töpfer der Scythe Anacharsis, oder, nach Andern, Hy-
perbius aus Corinth; die Zimmermannskunst und die dazu
gehörige Säge, Axt, Bleiloth, Bohrer, Leim, Fischleim Däda-
lus; das Winkelmaass aber, die Setzwaage, das Dreheisen
und den Nagel Theodorus aus Samos; Maass und Gewicht
der Archiver Phidon, oder, nach Gellius, Palamedes; Feuer
l) D. h. das durstende, dürre Argos.
72 Siebentes Buch.
mit einem Kieselsteine anzuschlagen Pyrodes, der Sohn des
Cilex, nnd dasselbe im Zunder1) aufzufangen Prometheus-
Einen Wagen mit 4 Rädern hatten zuerst die Phrygier;
Handel trieben zuerst die Punier; Weinbau und Obstzucht
der Athenienser Eumolpus. Wein mit Wasser zu mischen
lehrte zuerst Staphylus, der Sohn des Silenus; den Anbau
und das Pressen des Oels, sowie die Gewinnung des Honigs
Aristäus aus Athen; die Benutzung der Ochsen und den
Pflug Buzyges aus Athen, oder, nach Andern, Triptolemus.
Eine monarchische Verfassung hatten zuerst die Ae-
gyptier, eine republikanische zuerst die Attiker, nach The-
seus Tode. Der erste Tyrann war Phalaris zu Agrigentum.
Die Sclaverei findet man zuerst bei den Lacedämoniem.
Das erste Todesurtheil wurde vom Areopagus 2) ausge-
sprochen. Die Afrikaner kämpften gegen die Aegyptier
zuerst mit Knitteln, welche Phalangen hiessen. Die Schilde
haben Proetus und Acrisius, während sie gegen einander
Krieg führten, erfunden, oder auch Chalcus, der Sohn des
Athamas; den Panzer Midias aus Messene; den Helm, das
Schwert und den Spiess die Lacedämonier ; den Beinhar-
nisch und den Helmbusch die Carier; Bogen und Pfeil Scy-
thes, ein Sohn des Jupiter, nach Andern soll Perses, ein
Sohn des Perseus, die Pfeile erfunden haben; die Lanzen
die Aetolier; den Wurfspiess mit dem Riemen Aetolus,
ein Sohn des Mars; die Spiesse der Veliten 3) Tyrrhenus;
den Wurfspiess der Infanterie die Amazone Penthesilea;
die Streitaxt Pisäus; den Jagdspiess und unter den Be-
') Ferula, nämlich in dem Marke des Stengels von Ferula com-
munis L.
2) Der älteste und berühmteste Gerichtshof in Athen, dessen Ur-
sprung sich nicht historisch nachweisen lässt. Seinen Namen hat
er von dem Orte, an dem er gehalten wurde, nämlich von einem
Hügel der Agsioonciyog — Hügel des Mars genannt wurde. Die
rechtschaffensten der abgehenden Archonten wurden Mitglieder
desselben, und bekleideten diese Stelle lebenslang.
3) Velites hiessen bei den Römern die Soldaten, die nicht in
Reihe und Glied fochten, sondern, wie unsere leichten Truppen,,
den Feind durch Plänkeln beunruhigen mussten.
Siebentes Buch. 73
lagerungsmaschinen den Scorpion die Creter; die Catapulte,
Bailiste *) und Schleuder die Syrophoenicier; die eherne
Tuba erfand der Tyrrhenier Pisäus; die Testudo 2) Artenion
aus Clazomenä; das Pferd (jetzt der Widder genannt) eine
von den zur Erstürmung der Mauern dienenden Maschinen,
Epeus vor Troja; das Reiten zu Pferde Bellerophon, Zügel
und Sattel Palethronius; den Kampf zu Pferde die Thessalier,
welche Centauren genannt wurden und hinter dem Berge
Pelius wohnten. Die Phrygier führten das Zweigespann,
Erichthonius das Viergespann ein. Die Schlachtordnung,
das Geben des Zeichens zum Beginne der Schlacht, die
Feldparole und die Nachtwachen hat Palamedes im troja-
nischen Kriege ersonnen ; das Zeichengeben von einer Warte
Sinon in demselben Kriege; den Waffenstillstand Lycaon;
die Bündnisse Theseus.
Das Wahrsagen nach den Vögeln erfand Car, nach
welchen Carien benannt ist; nach den übrigen Thieren Or-
pheus; das Weissagen aus Eingeweiden Delphus, aus dem
Feuer Amphiaraus, aus dem Fluge der Vögel der Thebaner
Tiresias; die Deutung der Wungerzeichen und Träume Am-
phictyon; die Sternkunde Atlas, der Sohn der Libya, nach
Andern die Aegyptier oder Assyrier; die kreisförmige Be-
wegung der Sterne Anaximander von Milet; die Kenntniss
der Winde Aeolus, der Sohn des Hellen; die Musik Amphion3);
die Pfeife und einfache Flöte Pan, ein Sohn des Mars; die
Querflöte Mi das in Phrygien; die doppelte Flöte Marsyas
in demselben Lande; die lydische Melodie Amphion; die
*) Catapulten und Bailisten waren beides Wurfmaschinen, welche
die Stelle unseres groben Geschützes bei den Alten vertraten. Sie
unterschieden sich dadurch von einander, dass jene ihr Geschoss
mehr horizontal, diese es mehr in Bogen abschössen. Ben Scorpion
beschreibt Marcellinus weitläufig im XXIII. Buche zu Anfang.
2) Ein Schutzdach, dessen sich die Soldaten bei Belagerungen
und im Felde bedienten. Es gab mehrere Arten desselben.
3) Eine der Fabel angehörende Person, Sohn der Antiope und
des Zeus.
jj"4 Siebentes Buch.
dorische der Thracier Thamyris x); die phrygische der
Phrygier Marsyas; die Cither Arnphion, nach Andern Orpheus
oder Linus; Terpander 2) gab ihr statt 3—4, sieben Saiten,
eine 8. fügte Simonides und eine 9. Timotheus 3) hinzu.
Auf der Cither spielte zuerst, ohne dazu zu singen, Thamyris;
Amphion, nach Andern Linus, begleitete sie zuerst mit der
Stimme. Die ersten Gesänge zur Cither dichtete Terpander-
Zur Flöte zu singen hat zuerst der Trözenier Ardalus ein-
geführt. Den Waffentanz lehrten zuerst die Cureten, den
pyrrhichischen Tanz Pyrrhus, und beide in Creta.
Den heroischen Vers verdanken wir dem pythischeu
Orakel 4). Ueber den Ursprung der Dichtkunst herrscht
grosser Streit; gewiss ist, dass es schon vor dem trojani-
schen Kriege Gedichte gegeben hat. Der Syrier Pherecydes
schrieb zuerst eine prosaische Rede, zur Zeit des Königs
Cyrus; die erste Geschichte Cadmus von Milet 5). Die gym-
nastischen Spiele führte zuerst Lycaon in Arcadien ein;
die Leichenspiele Acastus in Jolcus, nach ihm Theseus auf
dem Isthmus; die Kampfspiele Hercules zu Olympia. Das
Ballspiel Pythus; die Malerei der Lydier Gyges in Aegypten,
in Griechenland aber Euchir, ein Verwandter des Dä-
dalus, wie Aristoteles berichtet, nach Theophrastus aber
der Athenienser Polygnotus.
Danaus kam zuerst zu Schiffe von Aegypten nach
Griechenland; vorher fuhr man auf Flössen, die der König
Erytheas zum Besuch der Inseln im rothen Meere erfunden
hatte. Einige Schriftsteller sind jedoch der Meinung, dass
schon früher die Myser und Trojaner deren auf dem Helles-
ponte gehabt hätten, als sie gegen die Thracier zogen.
Sogar noch jetzt bestehen die Fahrzeuge auf dem britanni-
!) Von Odrysa, Dichter aus der mythischen Zeit (Homer. Iliad.
II. 595).
-) Von Antissa auf Lesbos um 648 v. Chr.
3) Von Milet, berühmter Musiker und Dithyrambendichter, 446 bis
356 v. Chr.
*) Welches seine Aussprüche in Hexametern zu geben pflegte.
s) Lebte im 6. Jahrh. v. Chr.
Siebentes Buch. 75
sehen Ocean aus zusammengeflochtenen Ruthen, die mit
Leder überzogen sind, auf dem Nile aus der Papyrusstaude,
Binsen und Schilf. Dass Jason der erste war, der auf
einem langen Schiffe fuhr, erzählt Philostephanus x); nach
Hegesias 2) war aber Paralus der erste, nach Ctesias: Semi-
ramis, nach Archemachus 3): Aegäon. Ein zweirudriges Schiff
sollen nach Damastes die Erythräer zuerst gebauet haben;
ein dreirudriges nach Thucydides: Aminocles von Corinth;
ein vierrudriges nach Aristoteles die Carthagiuienser; ein
fünfrudriges nach Mnesigiton 4): die Salaminier; ein sechs-
rudriges nach Xenagoras 5) die Syracusier; von diesen an
soll es, nach Mnesigiton, Alexander der Grosse bis zu
10 Ruderbänken gebauet haben, nach Philostephanus:
Ptolemäus Soter bis zu 12, Demetrius, der Sohu des Anti-
gonus, bis zu 15, Ptolemäus Philadelphus bis zu 30, und
Ptolemäus Philopator mit dem Beinamen Tryphon, bis zu
40. Das Lastschiff hat Hippus aus Tyrus erfunden; den
Lembus 6) die Cyreneser; die Cymba 7) die Phönicier; den
Celes 8) die Rhodier und den Cercyrus 9) die Cyprier. Die
B eobachtung der Gestirne bei der Schifffahrt die Phönicier
das Ruder die Coper, dessen Verbesserung hinsichtlich der
Breite die Platäer; die Segel Icarus; den Mastbaum und
die Segelstange Dädalus; den Hippagus10) die Samier oder
der Athenienser Pericles; die langen Verdecke die Thasier,
vorher wurde nämlich nur vom Vorder- und Hintertheile
des Schiffs aus gekämpft. Die Schnäbel fügte der Tyrrhener
') Von Cyrene, Schüler des Dichters Callimachus, von dessen
Werken keins mehr vorhanden ist.
2) Von Maronea in Thracien, sonst nicht näher bekannt.
3) Von Euboea, griechischer Historiker, dessen Lebenszeit unl ge-
kannt ist.
A) Ein unbekannter Schriftsteller. 5) Ebenfalls unbekannt.
6) Ein kleines schnellsegelndes Fahrzeug, wie unsere Feluken
oder Kutter.
7) Kleiner Kahn. 8) Jachtschiff.
9) Auch eine Art kleiner Schiffe.
,0) Transportschiff für Pferde.
7g Siebentes Buch.
Pisäus hinzu; den einfachen Anker erfand Eupalamus, den
zweizackigen Anacharsis; die Harpagonen und Hände1) der
Athenienser Pericles; das Steuerruder Tiphys. Die erste
Seeschlacht lieferte Minos. Der erste, der ein Thier tödtete,
war Hyperbius, ein Sohn des Mars; Prometheus erschlug
den ersten Stier.
58.
Die erste stillschweigende Uehereinkunft aller
Völker bestand darin, dass sie sich der jonischen Buch-
staben bedienten. Dass die alten griechischen Buchstaben
fast ebenso beschaffen waren, wie unsere jetzigen lateinischen,
beweist die alte delphische Erztafel, welche sich jetzt als
ein von den Fürsten der Minerva geweihetes Geschenk in
der Bibliothek des Palatium befindet, mit folgender In-
schrift:
NavaixQazrig Tiaaf.isvov sJ&rjväiog ävs&rjxev 2).
59.
Eine zweite Uebereinstimmung der Völker war das
Scheeren des Bartes, was aber bei den Römern nur lang-
sam Eingang fand. Nach Italien kamen Barbiere im
454. Jahre Roms von Sicilien her, von wo sie, wie Varro
berichtet, P. Titinius Mena mitbrachte. Vorher rasirte man
sich bei uns nicht. Der erste von allen, der sich täglich
den Bart abnehmen liess, war der jüngere Scipio Africanus;
der Kaiser Augustus bediente sich stets des Scheermessers.
60.
Die dritte schon mehr von Ueberlegung zeugende Ueber-
einstimmung war die in der Eintheilung der Stunden.
') Eiserne Hacken zum Entern der Schiffe.
-) Der Athenienser Nausicrates , der Sohn des Tisamenes, hat
diess geweihet. — Nach einer andern Lesart lautet die Inschrift:
A4YSIKPATHS ANE0ETO TH AI 02 KOPH THN AEKA-
THN AIA AEZION AIQNA :
Adysikrates weihete der Tochter des Zeus den Zehnten für ein
glückliches Alter. — Eine dritte Lesart ist folgende:
NAÜSIKPATHS ANE&ETO TH AIOZ KOPH:
Nausikrates hat der Tochter des Zeus diess geweihet.
Siebentes Buch. 77
Wann und von wem diese Erfindung in Griechenland ge-
macht wurde, haben wir bereits im 2. Buche *) angegeben.
Auch von ihr machte man zu Rom erst weit später Gebrauch •
Auf den 12 Tafeln ist nur vom Aufgange und Untergange
der Sonne die Rede; einige Jahre später wurde noch der
Mittag hinzugefügt, wo dann ein Gerichtsdiener es ausrufen
musste, wenn er von dem Rathhause aus die Sonne zwischen
der Rednerbühne 2) und der Wohnung der Gesandten er-
blickte. Neigte sich die Sonne von der manischen Säule3)
nach dem Gefängnisse, so rief er den Abend aus. Allein
das konnte nur an heitern Tagen geschehen, und war bis
zum ersten punischen Kriege im Gebrauche. Wie Fabius
Vestalis 4) erzählt, war L. Papirius Cursor der erste unter
den Römern, welcher eine Sonnenuhr einrichtete; diess ge-
schah 12 Jahre vor Ausbruch des Krieges mit Pyrrhus 5),
und zwar an dem von seinem Vater gelobten, von ihm aber
eingeweiheten Tempel des Quirinus. Allein dieser Schrift-
steller giebt weder eine Beschreibung derselben, noch nennt
er den Künstler, noch sagt er, woher man sie gebracht,
oder bei welchem Schriftsteller er diese Nachricht gefunden
habe. M. Varro erzählt, die erste Sonnenuhr sei auf einem
öffentlichen Platze neben der Rednerbühne an einer Säule
angebracht worden, und zwar im ersten punischen Kriege
durch den Consul Valerius Messala, nach der Einnahme
von Catina in Sicilien, von wo sie 30 Jahre später als die
papirianische Uhr, im Jahre 491 der Stadt, hergeholt
wurde. Ihre Striche stimmten zwar nicht mit den Stunden
>) II. B. 78. Cap.
2) Rostra, eigentlich Schiffsschnabel; die Römer erbeuteten einst
von den Antiaten (Bewohnern von Antium) eine grosse Menge Schiffe,
und schmückten mit den Schnäbeln derselben den Ort vor dem
Rathhause, wo die Rednerbühne sich befand, welche deshalb öfters
selbst so genannt ward.
3) Nach C. Manius , dem sie vom Volke errichtet worden war,
benannt.
4) Ein nicht näher bekannter Schriftsteller. 5) 293 v. Chr.
7 g Siebentes Buch.
überein *), allein man richtete sich doch 99 Jahre nach ihr,
bis Q. Marcius Philippus, der mit L. Paulus Censor war,
eine mit mehr Sorgfalt verfertigte daneben setzen Hess —
ein Geschenk , welches mit dem grössten Danke aufge-
nommen wurde. Aber dennoch wusste man bei trübem
Himmel die Stunden nicht und diess dauerte bis zum
nächsten Lustrum. Da Hess Scipio Nasica, der College des
Länas, eine Wasseruhr anfertigen, welche die Stunden des
Tages und der Nacht gleich richtig angab. Diese Uhr,
welche überdeckt war, weihete er im Jahre 595 der Stadt.
So lange entbehrte das römische Volk einer zuverlässigen
Eintheilung der Tageszeit.
Nun gehen wir zur Beschreibung der übrigen Thiere
und zwar zunächst der Landthiere über.
*) Weil Rom fast um 4 Grade nördlicher liegt als Catina.
Achtes Euch.
Von den Landthieren.
1.
Wir gehen nun zu den übrigen Thiereu, und zwar zu-
erst zu den Landthieren über. Das grösste unter ihnen ist
der Elephant. Sein Verstand kommt dem des Menschen
am nächsten, denn er versteht die Sprache seines Landes,
gehorcht den Befehlen, merkt sich die erlernten Verrich-
tungen, und findet Vergnügen an Liebe und Kuhm; ja er
ist sogar (was selbst bei den Menschen zu den seltnen
Fällen gehört) rechtschaffen, klug und gerecht, erweist den
Gestirnen göttliche Ehre und hält Sonne und Mond heilig.
Nach dem Berichte einiger Schriftsteller kommen die Ele-
phanten in den Gebirgen Mauritaniens beim Schimmer des
Neumondes schaarenweise zu einem gewissen Flusse Na-
mens Amilo, wo sie sich feierlich reinigen, Wasser umher-
sprengen, und nach dieser Begrüssung des Gestirns -wieder
in ihre Wälder zurückkehren, wobei sie die ermüdeten
Jungen vor sich hertragen. Sie fordern auch Gewissen-
haftigkeit von Anderen, denn wenn sie über das Meer ge-
bracht werden sollen, so besteigen sie, wie man glaubt, das
Schiff nicht eher, bis der Schiffsführer einen Schwur abge-
legt hat, sie wieder zurück zu bringen. Man hat kranke
Elephanten (denn auch diese Ungeheuern Massen werden
von Krankheiten heimgesucht) gesehen, welche Kräuter
gQ Achtes Buch.
rücklings gen Himmel warfen, gleichsam als wenn sie die
Erde zur Fürbitterin nehmen wollten. Was ihre Gelehrig-
keit betrifft, so verehren sie den König, beugen ihre Kniee
vor ihm und reichen ihm Kränze dar. Die Indier bedienen
sich der kleinern, welche sie unächte *) nennen, zum
Pflügen.
2.
Die ersten Elephanten, welche zu Rom eingespannt
wurden, zogen den Wagen des grossen Pompejus bei seinem
afrikanischen Triumphe, was lange vorher auch vom Bacchus
bei seinem Triumphe über Indien erzählt wird. Procilius 2)
bemerkt, sie hätten beim Triumphzuge des Pompejus nicht
nebeneinander zum Thore herein kommen können. Bei
einem Fechterspiele des Germanicus Cäsar sollen einige so-
gar ungeschickte Bewegungen gemacht haben, als wenn
sie tanzten. Es war etwas Gewöhnliches, dass sie Waffen
in die Luft warfen, ohne dass der Wind dieselben weg-
führte, dass sie miteinander fochten, oder den muntern
pyrrhichischen Tanz aufführten, nachher auch auf Seilen
gingen. Ja vier trugen sogar einen von ihnen, der eine
Wöchnerin nachahmte, in einer Sänfte; sie gingen ferner
in mit Menschen angefüllten Speisesälen mit so abgemessenen
Schritten zwischen den Sesseln hindurch, dass sie keinen
der Gäste berührten.
3.
Thatsache ist, dass ein Elephant, der das was man
ihm lehrte etwas schwer begriff, und deshalb öfters Schläge
bekommen hatte, des Nachts mit Nachdenken über seine
Lectioh beschäftigt angetroffen wurde. Es scheint schon
äusserst wunderbar, dass sie auf einem Seile hinaufgehen,
aber noch wunderbarer, dass sie auf demselben auch wieder
herunter gehen können. Mucianus, der dreimal Consul war,
berichtet, dass eins von diesen Thieren die griechischen
Schriftzüge gelernt, und in dieser Sprache die Worte: „Ich
') Nothi. 2) Ein uns unbekannter Autor.
Achtes Buch. #1
selbst habe diess geschrieben und die celtische Beute ge-
weihet" geschrieben habe. Derselbe erzählt, er habe zu
Puteoli gesehen, wie einige dorthin gebrachte Elephanten
beim Ausschiffen sich vor der Länge der vom Schiffe bis
zum Lande Ehrenden Brücke gefürchtet hätten, und, um
sich über d äugen Weg zu täuschen, rückwärts darüber
gegangen wären.
4.
Sie wissen, dass dasjenige an ihnen, wonach besonders
getrachtet wird, in ihren Waffen besteht, welche Juba
Hörner nennt, die aber bei Herodot, der doch viel älter ist,
sowie im gemeinem Leben richtiger Zähne heissen. Wenn
sie ihnen daher durch irgend einem Zufall oder im Alter
ausfallen, so verscharren sie sie. Diese allein sind das
wahre Elfenbein, die übrigen Knochen aber, sowie der Theil
der Zähne, welcher im Fleische steckt, von weit geringerem
Werthe. Dennoch hat man vor Kurzem aus Mangel an
echtem Elfenbein auch die Knochen in Platten zu schneiden
angefangen; denn sehr grosse Zähne werden jetzt, ausser
in Indien, selten mehr gefunden, das Uebrige ist auf unserm
Erdkreise schon dem Luxus zu Theil geworden. Das
Weisse der Zähne ist ein Kennzeichen der Jugend. Auf
die Zähne halten die Elephanten am meisten; sie schonen
die Spitze des einen, damit er nicht untauglich zum Kampfe
werde; den andern gebrauchen sie als Werkzeug zu andern
Verrichtungen, z. B. zum Ausgraben der Wurzeln, Fort-
wälzen von Lasten. Werden sie von Jägern verfolgt, so
stellen sie die, welche die kleinsten Zähne haben, vor, da-
mit der Kampf von keiner Bedeutung scheine; sind sie
aber müde, so stossen sie sich die Zähne an einem Baume
ab und kaufen sich so durch die dem Jäger zufallende
Beute los.
5.
Merkwürdig ist es, dass die meisten Thiere wissen,
warum sie augegriffen werden, aber auch, wogegen sie sich
überhaupt zu hüten haben. Der Elephant soll, wenn er
einem Menschen begegnet, der einzeln in der Einsamkeit
Wittstein: Plinius. II. Bd. fi
g2 Achtes Buch.
umherirret, milde und zutraulich gegen ihn sein und ihm
sogar den Weg zeigen. Bemerkt er die Spur des Menschen,
bevor er ihn sieht, so soll er aus Furcht vor Nachstellung
zittern, nachdem er ihn gewittert still stehen, um sich schauen,
vor Zorn schnauben, nicht auf dessen Fussstapfen treten,
sondern etwas Erde davon herausscharren und dem zunächst
hinter ihm befindlichen geben. Dieser reicht sie seinem
Nachbar, und so weiter, bis sie an den letzten kommt,
dann wendet sich der ganze Haufe um und stellt sich in
Schlachtordnung. So anhaltend ist der Geruch, dass* sie
ihn alle wahrnehmen, obgleich diese Fussstapfen 'grössten-
theils nicht einmal von nackten Füssen herrühren. So soll
auch der Tiger, der doch gegen alle übrigen Thiere wüthet
und selbst die Spur des Elephanten verachtet, beim An-
blick eines menschlichen Fussstapfens seine Jungen weg-
tragen. Aber auf welche Weise hat er Kenntniss davon be-
kommen? Wo hat er vorher den gesehen, welchen er
fürchtet? Denn solche Wälder, wo diese Thiere sich auf-
halten, werden niemals von Menschen besucht. Wohl mag
ihnen ein so seltener Fusstritt auffallen, allein wissen sie,
dass er zu fürchten ist? Warum zittern sie sogar bei dem
Anblicke des Menschen, da sie diesen doch an Kraft, Grösse
und Schnelligkeit weit übertreffen? Aber darin zeigt sich
gerade die Einrichtung der Natur und ihre Macht, dass
selbst die wildesten und grössten Thiere, das, was sie
fürchten müssen, niemals gesehen zu haben brauchen und
doch gleich wissen, dass sie sich davor in Acht zu
nehmen haben.
Die Elephanten ziehen gesellschaftlich umher. Der
älteste führt den Zug an, und der im Alter auf ihn folgende
beschliesst denselben. Wenn sie über einen Fluss wollen,
schicken sie die kleinsten voraus, damit durch die Tritte
der grössern das Flussbett nicht zu sehr ausgetreten und
die Tiefe grösser werde. Antipater giebt an, der König
Antiochus habe sich zweier Elephanten im Kriege bedient,
die sogar eigne Namen gehabt hätten, denn sie verstehen
dieselben. Cato, der nicht einmal die Namen der Feldherrn
Achtes Buch.
83
in seine Annalen aufgeführt hat, erzählt, dass ein Elephant,
welcher in einer Schlacht gegen die Punier am muthigsten
gekämpft habe, Surus *) genannt worden sei, weil einer
seiner Zähne verstümmelt war. Als Antiochus durch einen
Fluss setzen wollte, weigerte sich Ajax (ein Elephant näm-
lich), der sonst immer der Anführer des ganzen Trupps ge-
wesen war. Da rief man aus, dass derjenige der erste von
allen sein sollte, der zuerst hinüber ginge; Patroclus (ein
anderer Elephant) wagte es, und wurde deshalb mit einem
silbernen Kopfschmuck (woran die Elephanten viel Freude
Laben) und mit dem Vorrange über die andern beschenkt.
Jener aber sah sich dadurch beschimpft und zog den Hunger-
tod der Schande vor. Sie besitzen nämlich ein wunder-
bares Schaamgefühl; der Besiegte weicht vor der Stimme
des Siegers und reicht ihm Erde und Kräuter2) dar.
Aus Schaamhaftigkeit begatten sie sich stets an einem
verborgenen Orte, das männliche Thier zuerst im 5., das
weibliche im 10. Jahre. Die Begattung erfolgt alle 2 Jahre
und dauert, wie man sagt, nie länger als 5 Tage; am
6. Tage reinigen sie sich erst in einem Flusse, bevor sie
zur Heerde zurückkehren. Ehebruch ist ihnen unbekannt,
auch fallen unter ihnen keine Kämpfe wegen der Weibchen,
die bei den übrigen Thieren oft so erbittert sind, vor; je-
doch liegt der Grund davon nicht in einem Mangel an
Liebe, denn man erzählt, dass einer in Aegypten ein Mäd-
chen , die Kränze verkaufte, geliebt habe. Damit man aber
nicht glaubt, seine Wahl sei auf einen gewöhnlichen Gegen-
stand gefallen, so muss ich noch bemerken, dass jene Person
auch bei dem berühmten Grammatiker Aristophanes 3) sehr
in Gunst stand. Ein anderer hatte zu dem Syrakusaner
') Surus heisst ein Pfahl, Stumpf.
-) Verbenae; so hiessen die heiligen Kräuter oder Zweige, z. B.
des Lorbeers, Oelbauins, der Myrte, die zu religiösen Gebräuchen
dienten, auch den Siegern als Zeichen der Hochachtung dargereicht
wurden.
8) Von Milet, übrigens nicht näher bekannt.
6*
84
Achtes Buch.
Menander, einem angehenden Jüngling bei dem Heere des
Ptolemäus, eine solche Neigung gefasst, dass er nichts frass,
wenn er ihn nicht sah. Auch soll, wie Juba erzählt, einer
eine Balsamhändlerin geliebt haben. Bei allen äusserte
sich die Liebe durch Freude beim Anblick, durch unge-
schickte Schmeicheleien und durch Aufbewahrung von Ge-
schenken, die sie vom Volke erhalten hatten und sie dann
indenSchooss des Geliebten schütteten. Eine solche Zuneigung
ist auch kein Wunder beiThieren, die ein Gedächtniss haben;
denn ebenderselbe Schriftsteller sagt, dass sie denjenigen, wel-
cher in der Jugend ihr Führer war, im hohen Alter nach vielen
Jahren wieder erkennen, auch hätten sie eine gewisse
Ahnung von Gerechtigkeit. Als einst der König Bocchus l)
30 Elephanten ebenso viele Menschen, welche er zum Ziele
seiner Wuth erkoren hatte, an Pfähle gebunden, vorwerfen
und Leute unter ihnen umher laufen Hess, welche sie reizen
sollten, konnte man sie nicht dahin bringen, sich zum Dienste
fremder Grausamkeit gebrauchen zu lassen.
6.
Elephanten sah man in Italien zuerst währenddes
Krieges mit dem König Pyrrhus im 472. Jahre der Stadt,
und nannte sie lucanische Ochsen, weil man sie zuerst in
Lucanien erblickt hatte; nach Rom aber kamen sie erst
7 Jahre später bei einem Triumphe. Im Jahre 502 gelangte
daselbst eine grosse Anzahl an, die bei dem Siege des
Pontifex L. Metellus über die Carthaginienser in Sicilien
gefangen waren. 142 waren auf Flössen übergefahren, die
man über zusammengereihete Tonnen gelegt hatte. Verrius
berichtet, man habe sie im Circus miteinander kämpfen
lassen, und sie mit Wurfspiessen getödtet, weil man nichts
mit ihnen anzufangen wusste, denn man wollte sie weder
füttern, noch Könige damit beschenken. Nach L. Piso hat
man sie bloss in den Circus geführt, und, um die Verach-
tung gegen sie zu steigern, von Tagelöhnern mit stumpfen
') Schwiegervater Jugurtha's, gegen Ende des 2. Jahrh. v. Chr.,
König von Mauritanien.
Achtes Buch. 85
Spiessen im ganzen Circus herumtreiben lassen. Was
dann mit ihnen geschehen sei, darüber schweigen die
Schriftsteller , welche nicht glauben , dass sie getödtet
worden wären.
7.
Berühmt ist der Kampf eines Römers mit einem Ele-
phanten, als Hannibal unsere Gefangenen zwang miteinander
zu kämpfen. Einen, der übrig geblieben war, Hess er
einem Elephanten vorwerfen und versprach ihm die Frei-
heit, wenn er ihn tödten würde. Jener betrat allein den
Kampfplatz und tödtete den Elephanten zum grossen Ver-
drusse der Carthaginienser. Hannibal aber, welcher fürchtete,
dass der Ruf von diesem Kampfe die Elephanten in Ver-
achtung bringen würde, schickte dem Sieger Reiter nach
und Hess ihn ermorden. Dass ihr Rüssel sehr leicht abge-
hauen werden kann, ist aus mehreren Beispielen in den
Schlachten des Pyrrhus bekannt. Nach Fenestella's A) Be-
richte kämpften zuerst unter dem Aedilis curulis 2) Claudius
Pulcher, und den Consuln M. Antonius und A. Postumius,
im Jahre Roms 655, Elephanten im Circus zu Rom; ferner
20 Jahre später unter dem Aedilsamte der Luculler gegen
Stiere. Auch während dem zweiten Consulate des Pompe-
jus, als der Tempel der Venus Victrix eingeweihet wurde,
haben 20, oder nach Andern, 17 im Circus gegen mit Wurf-
spiessen bewaffnete Gätuler gekämpft. Merkwürdig war
dabei der Kampf eines Elephanten; dieser kroch, als ihm
die Füsse durchbohrt waren, auf den Knien in die Haufen,
riss den Kämpfern die Schilde weg und schleuderte sie so
in die Luft, dass sie beim Herabfallen zum Ergötzen der
Zuschauer sich wirbelnd im Kreise herum dreheten, als wenn
*) Dichter und Historiker, starb zu Cumae unter August oder
Tiberius.
2) Aediles waren obrigkeitliche Personen zu Rom, welche die Auf-
sicht über die öffentlichen und Privatgebäude, sowie auch über
mehrere öffentliche Spiele führten, und in dieser Rücksicht eine
Art Stadtpolizei verwalteten. Es gab 4 Klassen: Aediles curules, —
plebis, — cereales, — municipales.
86 Achtes Buch.
sie das Thier mit Kunst und nicht in der Wuth geworfen
hätte. Bei einem andern trat der ebenso wunderbare Fall
ein, dass er durch einen Wurf getödtet wurde; der Spiess
war ihm nämlich unter dem Auge bis ins Gehirn gedrungen.
Alle versuchten, nicht ohne Bestürzung des Volkes, die sie
umgebenden Gitter zu durchbrechen. Diess veranlasste den
Dictator Cäsar, als er später ein ähnliches Schauspiel geben
wollte, den Kampfplatz mit Gräben einzuschliessen, die
aber Nero wieder zuwerfen Hess, um Plätze für die Ritter
anzubringen. Die Elepbanten des Pompejus, welche keine
Hoffnung zur Flucht sahen, erfleheten das Mitleid des Volkes
durch unbeschreiblich klägliche Geberden, und bejammerten
sich gleichsam, wodurch das Volk so schmerzlich bewegt
wurde, dass es, des Feldherrn und seines ihm zu Ehren
gehaltenen Festes vergessend, weinend sich erhob, und Ver-
wünschungen gegen Pompejus ausstiess, die auch bald an
ihm in Erfüllung gingen. Während des dritten Consulats
des Dictators Cäsar kämpften 20 Elephanten gegen 500 Mann
Fussvolk; und wiederum ebenso viele mit Thürmen versehene,
worin sich 60 Kämpfer befanden, gegen ebenso viele (500)
Fusssoldaten und eine gleiche Anzahl Reiter. Späterhin
kämpften sie einzeln unter den Kaisern Claudius und Nero,
wenn die Fechter aufhörten.
Der Elephant soll gegen weniger starke Thiere eiue
solche Milde äussern, dass, wenn ihm eine Heerde Schafe
begegnet, er die, welche ihm am nächsten sind, mit dem
Rüssel weghebt, damit er keins aus Versehen zertrete.
Ungereizt fügen sie Niemandem ein Leid zu; stets ziehen
sie schaarenweise umher, und unter allen Thieren sind sie
es, die am wenigsten einzeln angetroffen werden. Werden
sie von Reitern umringt, so nehmen sie die Schwachen,
Ermüdeten und Verwundeten in die Mitte, und wechseln,
gleichsam wie nach einem Commando oder Plane, mitein-
ander ab. In der Gefangenschaft werden sie durch Gersten-
saft am schnellsten gezähmt.
8.
Sie werden in Indien auf folgende Art gefangen. Ein
Achtes Buch. 37
Führer reitet auf einem schon gezähmten Elephanten aus;
trifft er nun einen einzelnen oder einen, der sich von seiner
Heerde getrennt hat, so prügelt er den wilden, und wenn
er ihn ermüdet hat, besteigt er ihn und lenkt ihn eben-
so wie den vorigen. In Afrika fängt man sie in Gruben;
fällt einer hinein, so schleppen die übrigen sogleich Baum-
äste zusammen; wälzen Steine hinab, bauen Dämme, und
bemühen sich mit aller Kraft ihn herauszuziehen.
Früher trieb man, um sie zu zähmen, ganze Heerden
durch Reiter in eine künstlich gemachte, und durch ihre
Ausdehnung täuschende Thalschlucht; hier waren sie dann
durch Kanäle und Gruben eingeschlossen und wurden durch
Hunger gebändigt. Das Kennzeichen, ob einer zahm sei,
war, wenn er einen Zweig, den ihm ein Mensch darreichte,
willig annahm. Jetzt richtet man um der Zähne willen
die Geschosse nach ihren Füssen, die ohnehin die weichsten
Theile an ihnen sind. Die an Aethiopien grenzenden Tro-
glodyten, welche allein von dieser Jagd leben, besteigen
Bäume, an denen ihr Weg vorbeigeht, erwarten hier den
letzten des ganzen Haufens, und springen ihm hinten auf
die Lenden. Mit der linken Hand ergreifen sie den Schwanz
und stützen die Füsse am linken Schenkel. So hängend
hauen sie ihm mit einer in der rechten Hand befindlichen
sehr scharfen zweischneidigen Axt in ein Knie. Ist diess
gelähmt, so hauet der Mann ihm noch die Sehnen des andern
Knies ab und entfliehet dann; alles diess geschieht mit der
grössten Schnelligkeit. Andere befolgen eine minder ge-
fährliche, aber unzuverlässigere Methode. Sie befestigen
nämlich in einiger Entfernung sehr grosse Bögen an der
Erde; junge Leute von vorzüglicher Stärke halten sie, an-
dere von gleicher Kraft spannen sie, schiessen auf die vor-
übergehenden mit Jagdspiessen, und folgen dann der blutigen
Spur. Die weiblichen Elephanten sind weit furchtsamer
als die männlichen.
9.
Die wilden Elephanten werden durch Hunger und
Schläge gezähmt; auch nimmt man andere zu Hülfe, an
gg Achtes Buch.
welche der Unbändige mit Ketten geschlossen wird. Ue-
brigens sind sie zur Zeit der Brunst am wildesten und zer-
stören dann mit ihren Zähnen die Ställe der Indier. Daher
halten diese sie von der Begattung ab, und trennen die
Weibchen von ihnen, die sie ebenso wie anderes Zugvieh
benutzen. Die gezähmten werden im Kriege gebraucht,
tragen Thtirme mit Bewaffneten gegen den Feind, und ent-
scheiden im Oriente grösstenteils die Schlachten. Sie ver-
nichten die Schlachtordnung und zertreten die Krieger.
Aber eben diese Thiere werden durch das geringste Grunzen
eines Schweines in Schrecken gesetzt, und wenn sie ver-
wundet und scheu gemacht sind, laufen sie zu nicht geringem
Nachtheil ihrer eignen Partei stets zurück. Der afrika-
nische Elephant fürchtet sich vor dem indischen, und wagt
nicht ihn anzublicken, denn der indische ist bei weitem
grösser.
10.
Der gemeine Haufen glaubt, das Weibchen sei 10 Jahre
lang trächtig; nach Aristoteles trägt es nur 2 Jahre, gebärt
nur einmal und nie mehr als 1 Junges; sie sollen 200,
einige sogar 300 Jahre alt werden. Ihre Mannbarkeit be-
ginnt im 60. Jahre. Flüsse lieben sie sehr und treiben sich
an denselben herum, da sie wegen der Grösse ihres Kör-
pers nicht schwimmen können l). Kälte können sie nicht
vertragen; sie ist für sie das grösste Ungemach und ver-
ursacht ihnen Blähungen und Durchfall. Ausserdem werden
sie von keinen Krankheiten befallen. Wenn sie Oel trinken,
so sollen ihnen die Pfeile, welche in ihrem Körper stecken,
ausfallen; wenn sie aber schwitzen, so sollen dieselben noch
tiefer eindringen. Erde zu fressen ist ihnen sehr schädlich,
wenn sie nicht öfters schon davon verzehrt haben. Sie
verschlucken auch Steine. Baumäste sind ihre liebste
Nahrung. Hohe Palmen brechen sie mit der Stirn nun, und
verzehren dann die Früchte derselben. Sie fressen mit dem
Munde, athmen, trinken und riechen aber mit dem Rüssel.
') Bekanntlich schwimmen sie mit der grössten Leichtigkeit.
Achtes Buch. 8i(
den man nicht unpassend ihre Hand genannt hat. Unter
allen Thieren ist ihnen die Maus am meisten zuwider, und
wenn sie sehen, dass ihr Futter in der Krippe von einer
berührt wird, so ekeln sie sich davor. Die grösste Qual
verursacht es ihnen aber, wenn sie beim Saufen einen Blut-
igel, den man, wie ich sehe, jetzt anfängt Blutsauger *) zu
nennen, mit verschlucken. Wenn sich dieser in der Luft-
röhre festsezt, so empfinden sie einen unerträglichen Schmerz.
Ihr Fell ist auf dem Rücken am härtesten, am Bauche
weich, und nirgends mit Haaren bedeckt; nicht einmal am
Schwänze haben sie deren, um damit die unangenehmen
Fliegen abzuwehren (denn auch dieses ungeheuere Thier
ist damit geplagt); allein ihre Haut ist gegittert und zieht
durch ihren Geruch jene Thiere an. Haben sich nun auf
der ausgedehnten Haut ganze Schwärme angesammelt, so
ziehen sie dieselbe schnell in Runzeln zusammen, fangen
so die Fliegen und erdrücken sie. Auf diese Weise weiden
ihnen Schwanz, Mähne und Haare ersetzt.
Die Zähne stehen in hohem Preise und geben den
köstlichsten Stoff zu Götterbildern. Die Ueppigkeit hat
noch einen andern Werth am Elephanten erdacht, man
findet nämlich die Schwarte des Rüssels von besonders
gutem Geschmack, aber, wie mir scheint, wohl aus keinem
andern Grunde, als weil man glaubt, das Elfenbein selbst
zu speisen. Die grössten Zähne findet man zwar nur in
den Tempeln; allein in den entferntesten Ländern Afrikas,
da wo es an Aethiopien grenzt, vertreten sie auch die
Stelle der Pfosten in den Häusern, ferner dienen sie bei
den Zäunen um dieselben sowie um die Viehställe statt
der Pfähle, wie Polybius nach dem Berichte des Königs
Gulussa 2) schreibt.
11.
In Afrika kommen die Elephanten jenseits der syrtischen
') Sanguisuga.
2) Ein kleiner König einer nomadischen Horde in Afrika, Zeitge-
nosse des Scipio Africanus. Vergl. Polybius XXXI. B.
yO Achtes Buch.
Wüsten und in Mauritanien vor; auch giebt es deren in
Aethiopien und im Lande der Troglodyten, wie bereits er-
wähnt wurde; aber die grössten erzeugt Indien sowie auch
Schlangen1), die mit ihnen in stetem Kampfe und Feind-
schaft leben, und von solcher Grösse sind, dass sie jene
leicht umwinden und durch Knüpf ung eines Knotens er-
würgen können. Ein solcher Kampf bringt aber beiden
den Tod, denn der Besiegte erdrückt beim Fallen die ihn
umwindende Schlange durch sein Gewicht.
12.
Bewundernswerth ist die Schlauheit, welche jedem
Thiere zu seinem Vortheile zu Gebote steht und wovon ich
hier ein Beispiel mittheilen will. Der Schlange wird es
schwer, auf ein so grosses Thier, wie der Elephant ist, zu
kommen; daher spürt sie den Weg auf, den er nimmt,
wenn er zur Weide geht, und stürzt sich von einem hohen
Baume auf ihn herab. Dieser weiss, dass er im Nachtheile
ist, sobald die Schlange ihn umstrickt hat, und sucht daher,
sie gegen einen Baum oder Felsen zu quetschen. Die
Schlange sucht diess zu verhindern, indem sie zuerst seine
Beine mit dem Schwänze umschlingt. Er löst mit seinem
Rüssel die Knoten wieder auf; allein die Schlange steckt
ihren Kopf in die Oefimung desselben, benimmt ihm so den
Athem, und zerfleischt ihm die weichsten Theile. Kommt
sie einem Elephanten in den Weg, so steigt sie vor ihm
in die Höhe, und richtet ihren Angriff vorzüglich nach
dessen Augen. Daher kommt es, dass man so viele Blinde
und von Hunger und Kummer Verzehrte findet. Wer kann
nun wohl einen andern Grund einer solchen Feindschaft
angeben, als den, dass die Natur sich selbst das Schauspiel
eines Kampfes, wie so viele ähnliche Dinge, bereitete?
Man giebt auch noch eine andere Nachricht über die Ur-
sache dieses Kampfes. Das Blut des Elephanten soll sehr
kalt sein, und deshalb bei grosser Hitze von den Schlangen
gesucht werden. In dieser Absicht lauern sie in den Flüssen
') Dracones; Riesenschlangen aus der Gattung Boa.
Achtes Buch. yj_
untergetaucht dem Elephanten beim Trinken auf, umschlingen
und fesseln den Rüssel und beissen ihm ins Ohr, weil diess
die einzige Stelle ist, welche er mit dem Rüssel nicht ver-
theidigen kann. Die Schlangen sollen von solcher Grösse
sein, dass sie das ganze Blut eines Elephanten zu sich
nehmen können; daher würden diese von ihnen ausgesogen,
stürzten blutlos nieder, erdrückten die vollgetrunkenen
Schlangen und fänden mit ihnen zugleich den Tod.
13.
Auch in Aethiopien giebt es Schlangen, die den in-
dischen gleich kommen, und 20 Cubitus lang werden. Nur
ist es zu verwundern, dass Juba geglaubt hat, sie hätten
(Rticken-)Kämme 1). In dem Lande der asachäischen Ae-
thiopier kommen die meisten vor. Man erzählt, dass an
den Meeresküsten sich 4 oder 5 derselben wie Hürden zu-
sammenflechten, und mit aufgerichteten Köpfen zu besserem
Futter nach Arabien hinüber schwimmen.
14.
Megasthenes erzählt, in Indien erreichten die Schlangen
eine solche Grösse, dass sie ganze Hirsche und Stiere ver-
schlingen könnten. Nach Metrodorus giebt es deren am
Flusse Rhyndacus 2) im Pontus, welche die, wenn auch noch
so hoch und schnell über sie hinfliegenden Vögel weg-
schnappten und frässen. Bekannt ist jene 120 Fuss lange
Schlange, die in den punischen Kriegen am Flusse Bagrada 3)
von dem Feldherrn Regulus mit Ballisten und andern Be-
lagerungswerkzeugen, gleichwie eine Stadt, bekämpft wurde 4 ).
Ihre Haut und Kiefern haben sich bis zum numantinischen
Kriege in einem Tempel zu Rom erhalten. Diese Nach-
richten gewinnen durch die Boaschlangen in Italien Glauben,
denn diese werden so gross, dass der Kaiser Claudius in
') Cristati. !) Oder Lycus, jetzt Lupati.
3) Jetzt Mejerda in Afrika; er floss bei Utica und Carthago vorbei,
und wird für jene Gegenden durch seine jährlichen Ueberschwem-
mungen ebenso wohlthätig, wie der Nil.
«) Im ersten punischen Kriege; 256 v. Chr. fr.
92 Achtes Buch.
dem Bauche einer solchen, die auf dem Vatican getödtet
war, ein Kind fand. Ihre erste Nahrung besteht in einem
der Kuhmilch ähnlichen Safte, woher sie auch ihren Namen
erhalten haben. Die Gestalten der übrigen Thiere (dieser
Art), welche aus allen Ländern zusammengebracht, häufig
nach Italien gelangt sind, genau zu beschreiben, ist un-
nöthig.
15.
Scythien bringt wegen Mangel an Bäumen und Ge-
sträuch die wenigsten Thiere hervor; auch hat das an-
grenzende Germanien nur wenige aufzuweisen. Jedoch
giebt es daselbst ausgezeichnete Arten wilder Ochsen,
Buckelochsen1) mit Mähnen, Auerochsen2) von grosser
Stärke und Schnelligkeit, welche bei dem unkundigen
Volke Büffel 3) heissen; diese sind aber in Afrika zu
Hause, und haben einige Aehnlichkeit mit dem Kalbe und
Hirsche.
16.
Im Norden giebt es auch Heerden wilder Pferde, so-
wie in Asien und Afrika wilde Esel, ausserdem das Elen-
thier4), das sich nur durch seine langen Ohren und den
langen Hals vom Rindvieh unterscheidet. Ferner das auf
der Insel Scandinavien einheimische, bei uns in Born nie
gesehene, aber von Vielen beschriebene Thier Achlis 5).
welches jenem nicht unähnlich ist, aber keine Kniegelenke
hat, daher es auch nicht liegend, sondern an einen Baum
gelehnt schläft. Dieser wird, wenn man es fangen will, an-
gesägt, da man ihm wegen seiner ausserordentlichen
Schnelligkeit nicht anders beikommen kann. Seine Ober-
lippe ist sehr gross, daher geht es beim Weiden rückwärts,
um sich nicht bei der Bewegung vorwärts damit zu ver-
wickeln. In Päonien soll es ein wildes Thier, Namens
') Bisontes: Bos Bison L. 2) Uri: Bos Urus.
3) Bubali: Bos Bubalus. Er ist in Asien, Afrika, der Türken
Ungarn und Italien als Hausthier verbreitet.
4) Alces: Cervus alces. 5) Ein unbekanntes Thier.
Achtes Buch. 93
Bonasus *), geben, das eine Pferdemähne hat, Übrigens aber
dem Stiere gleicht; seine Hörner sind so gegeneinander ge-
bogen, dass es sich nicht damit vertheidigen kann, daher
sucht es sein Heil in der Flucht, und giebt dabei bisweilen
auf einer Strecke von 3 Jugern seinen Mist von sich, der
die Verfolger beim Anfassen wie Feuer brennt.
17.
Es ist merkwürdig, dass die Parder, Panther, Löwen
und ähnliche Thiere beim Gehen ihre spitzigen Krallen in
Scheiden verbergen, damit sie sich nicht verbiegen oder
abnutzen, und dass sie mit nach hinten gerichteten Klauen
laufen, und sie nicht eher ausstrecken, bis sie etwas er-
greifen wollen. Der Löwe 2) hat dann ein besonders edles
Ansehen, wenn die Mähne Hals und Schultern bedeckt. Diess
wird aber in einem gewissen Alter nur solchen zu Theil,
die von (echten) Löwen abstammen; denn die von Pardern
erzeugten entbehren, gleich den Löwinnen, dieses ausge-
zeichneten Schmucks. Sie sind sehr geiler Natur, und die
Männchen werden dabei sehr wiithend. In Afrika nimmt
man diess am meisten wahr, weil sich dort die wilden
Thiere, wegen Wassermangel, in zahlreicher Menge an den
wenigen Flüssen aufhalten. Aus diesem Grunde trifft man
dort auch so viele Spielarten, weil sich Weibchen und
Männchen jeder Gattung entweder durch Gewalt oder aus
Wollust miteinander vermischen. Daher das in Griechen-
land allgemeine Sprichwort: Afrika bringt immer etwas
Neues.
An dem Gerüche nimmt es der Löwe wahr, wenn die
Löwin mit einem Parder zusammen gewesen ist, und rüstet
sich dann mit aller Kraft zur Rache. Deshalb wäscht sie
ihre Schuld an einem Flusse ab, oder begleitet ihn in ei-
niger Entfernung. Wie ich sehe, ist das gemeine Volk der
Meinung, die Löwinnen gebären nur einmal in ihrem Leben,
') Bonasus: Bos Bonasus, der Wiesent. Dieser findet sich nur
noch in dem bialowieyskischen Walde in Litthauen, wo eine Heerde
von ungefähr 600 Stück lebt, die von Seiten der russischen Regie-
rung gehegt wird. 2) Felis Leo.
y4 Achtes Buch.
weil die Gebärmutter bei der Geburt durch die scharfen
Krallen zerrissen würde. Anders urtheilt darüber Aristoteles,
dem ich hierbei grösstenteils folgen werde und deshalb
einiges vorhersagen zu müssen glaube. Der König Alexander
der Grosse, den ein brennender Eifer beseelte, die Thiere
näher kennen zu lernen, hatte dem Aristoteles, diesem in
allen Fächern höchst gelehrten Mann, diese Forschungen
übertragen, und ihm einige tausend Mann in alleu Gegen-
den Asiens und Griechenlands zur Verfügung gestellt,
sämmtlich Leute, die von der Jagd, vom Vogelfange und
der Fischerei lebten, oder über Thiergärten, Heerden, Bienen-
stöcke, Fischteiche und Vogelhäuser die Aufsicht führten,
damit ihm kein Geschöpf unbekannt bliebe. Aus den Nach-
richten, welche ihm diese brachten, stellte er jene 50 vor-
trefflichen Bücher über die Thiere zusammen; diese habe
ich, nebst dem, was ihm unbekannt geblieben war, in einen
gedrängten Auszug gebracht, und bitte deshalb die Leser,
welche die gesammten Werke der Natur, dieses Lieblings-
studium des berühmtesten aller Könige, unter meiner Lei-
tung durchwandern wollen, um gütige Nachsicht. Aristoteles
also berichtet, die Löwin würfe zum ersten Male 5 Junge,
und jedes folgende Jahr eins weniger, bis sie, nachdem sie
eins geworfen, unfruchtbar würde. Die Jungen sollen an-
fänglich unförmliche kleine Fleischmassen von der Grösse
der Wiesel sein, kaum nach 6 Monaten laufen, und sich
nicht vor 2 Monaten bewegen können. In Europa aber soll
es nur zwischen den Flüssen Achelous *) und Nestus 2)
Löwen geben, die indessen an Stärke den afrikanischen
und syrischen weit überlegen wären.
18.
Es giebt zwei Arten Löwen, von denen die eine ge-
drungener und kürzer ist und krausere Mähnen hat. Diese
sollen furchtsamer sein, als die von längerm Körperbau und
') Grenzfluss Aetoliens und Acarnaniens, jetzt Aspro Potauio.
2) Grenzfluss von Thracien und Macedonien, jetzt Nesto oder
Karasu. Löwen giebt es übrigens dort nicht.
Achtes Buch. 95
mit schlichter Mähne, welche sich aus Wunden nichts
machen. Gleichwie die Hunde lassen sie den Urin mit
aufgehobenem Beine, der gleich ihrem Athem einen starken
Geruch hat. Sie saufen selten, fressen nur einen um den
andern Tag, und können, wenn sie sich gesättigt haben,
3 Tage lang des Futters entbehren. So viel nur möglich,
verschlingen sie alles ganz, und wenn der Bauch das, was
sie mit Gier gefressen haben, nicht fassen kann, so fahren
sie sich mit der Tatze in den Rachen und ziehen es wieder
heraus, damit, wenn sie mit vollem Magen zur Flucht ge-
nöthigt sind, diese leichter von Statten gehen kann. Dass
sie sehr lange leben, ergiebt sich daraus, dass die meisten,
welche man rindet, keine Zähne mehr haben. Polybius,
der Gefährte des Aemilianus erzählt, dass sie im Alter dem
Menschen nachstellten, weil ihnen dann zur Verfolgung
wilder Thiere die Kräfte fehlen. Dann lagerten sie sich
vor die afrikanischen Städte, und er nebst Scipio hätten
mehrere Löwen gekreuzigt gesehen, was geschehen war, um
die übrigen durch die Furcht vor gleicher Strafe von ihrem
Vorhaben abzuschrecken.
19.
Der Löwe ist unter allen wilden Thieren allein milde
gegen Bedrängte, und schont die, welche sich vor ihm
niederwerfen; wenn er wüthet, zeigt er sich furchtbarer
gegen Männer als gegen Frauen und an Kindern vergreift
er sich nur beim grössten Hunger. In Libyen glaubt man,
er verstehe die an ihn gerichteten Bitten. Von einer nach
Gätulien zurückkehrenden Gefangenen habe ich als wahr er-
zählen hören, dass sie viele Löwen, von denen sie in den
"Wäldern angefallen wurde, durch Anreden besänftigt habe,
indem sie den Muth fasste zu sagen, sie sei ein flüchtiges
schwaches Weib, welches zu dem grossmüthigsten und dem
Beherrscher aller übrigen Thiere flehe, und eine seinem
Ruhme unwürdige Beute. Die Meinungen sind verschieden
darüber, ob man es dem innern Wesen oder dem Zufalle
zuschreiben soll, wenn solche wilde Thiere sich durch Zu-
reden besänftigen lassen; denn ob es wahr oder falsch sei,
96 Achtes Buch.
dass man Schlangen durch Zauberformeln hervorlocken und
so züchtigen könne, ist durch die Erfahrung noch nicht
entschieden.
Die Gesinnungen des Löwen äussern sich im Schwänze,
sowie bei den Pferden an den Ohren. Denn solche Merk-
male hat die Natur jedem edlen Thiere verliehen. Wenn
er also den Schwanz nicht bewegt, so ist er sanftmüthig,
milde und einschmeichelnd; diess kommt jedoch selten vor,
denn weit häufiger ist er zornig. Wenn er anfängt zornig
zu werden, schlägt er auf die Erde, steigt aber seine Wuth,
so prügelt er seinen Rücken, gleichsam als wollte er sich
dadurch noch mehr reizen. Seine grösste Kraft hat er in
der Brust. Aus einer jeden Wunde, die durch seine Krallen
oder seine Zähne hervorgebracht ist, fliesst schwarzes Blut
Wenn er satt ist, hat man nichts von ihm zu fürchten.
Sein grosser Muth beweist sich besonders in Gefahren, und
nicht bloss dadurch, dass er die Geschosse verachtet, sich
lange nur durch sein Schrecken erregendes Ansehen schützt
und zu erkennen giebt, als ob er bloss gezwungen sich er-
hebe, denn er steht nicht auf, weil ihn die Gefahr dazu
nöthigt, sondern gewissermaassen aus Zorn über die ihm
widerfahrende Störung seiner Ruhe. Noch edler zeigt sich
sein Muth dadurch, dass er bei dem heftigen dringenden
Angriff der Jäger und Hunde mit Verachtung um sich
blickt, öfters stehen bleibt, und auf Ebenen oder dahin, wo
man ihn sehen kann, hinläuft; gelangt er aber ins Gebüsch
und in Wälder, so läuft er so schnell als möglich, gleich-
sam um durch den Ort den Schimpf zu verbergen. Ver-
folgt er etwas, so springt er mit einem Satze darauf los,
auf der Flucht bedient er sich aber des Sprunges nicht.
Wenn er verwundet ist , erkennt er mit bewunderungs-
würdiger Genauigkeit den Thäter und sucht ihn unter einer
noch so grossen Menge zu fassen; den aber, der zwar auf
ihn geschossen, ihn aber nicht verwundet hat, ergreift er,
schüttelt ihn, und wirft ihn zu Boden, ohne ihn jedoch zu
verletzen-. Wenn die Löwin für ihre Jungen kämpft, soll
sie den Blick auf die Erde heften, damit die Geschosse sie
Achtes Buch.
97
nicht furchtsam machen. Uebrigens kennen die Löwen
weder List noch Argwohn; sie blicken nichts mit scheelen
Augen an, und wollen auch nicht, dass man sie so ansehe.
Man hat geglaubt, dass sie über den Tod eines andern
(Löwen) Thränen vergiessen, und beim Sterben in die Erde
beissen. Und doch lässt sich diess gewaltige und furcht-
bare Thier durch im Kreise sich drehende Räder, leere
Wägen, Hahnenkämme, noch mehr durch Hahnengekrähe,
am meisten aber durch Feuer in Schrecken setzen. Von
Krankheiten kennt er keine andere als den Ekel vor
Speisen; hiervon wird er aber durch einen Schimpf geheilt,
indem man Affen in seiner Nähe anbindet, deren Possen ihn
in Wuth bringen. Das Blut derselben dient ihm dann als
Heilmittel.
20.
Q. Scävola l), der Sohn des Publius, gab während seines
Aedil- Amtes zu Rom das Schauspiel einesKampf es zwischen
mehreren Löwen. Aber einen Kampf von 100 Löwen mit
Mähnen veranstaltete zuerst L. Sulla, der nachmalige
Dictator, als Prätor. Nach ihm Hess Pompejus der Grosse
600, worunter 325 mit Mähnen, und der Dictator Cäsar 400
im Circus kämpfen.
21.
Sie zu fangen, war früher ein schwieriges Unternehmen
und man bediente sich dazu meistens der Gruben. Unter
der Regierung des Claudius lehrte der Zufall ein Mittel
kennen, welches einem solchen Thiere fast zur Schande
gereicht; ein gätulischer Hirt warf nämlich einem ihn
wüthend anfallenden Löwen seinen Mantel entgegen. Dieses
Experiment wurde bald nachher auf dem öffentlichen Kampf-
platze wiederholt, und hier sah man, auf welch' eine fast
unglaubliche Weise dieses wilde Thier durch das blosse
Ueberwerfen einer leichten Decke über den Kopf so be-
stürzt wird, dass es ohne Widerstand sich fesseln lässt.
*) Derselbe, welcher 101 v. dir das Consulat verwaltete.
Wittsteiu: Plinius. II. Bd. 7
g^ Achtes Buch.
Alle seine Kraft besteht nämlich in den Augen. Daher ist
es weniger zu bewundern, dass Lysimachus 1), der auf
Alexanders Befehl mit einem Löwen zusammengesperrt
wurde, denselben erwürgte.
M. Antonius war der erste, velcher ihnen zu Rom ein
Joch auflegte und sie vor den Wagen spannte; diess ge-
schah im Bürgerkriege, nach der Schlacht in der pharsa-
li sehen Ebene, nicht ohne eine gewisse Vorbedeutung für
jene Zeiten, denn diese seltsame Begebenheit zeigte an,
dass edle Geister sich unter das Joch würden beugen
müssen; dass er aber auf solche Weise mit der mimischen
Künstlerin Cytheris fuhr, überstieg noch die Wunderzeichen
jener Unglücksfälle. Der erste, welcher einen Löwen mit
der Hand lenkte, zähmte und öffentlich zeigte, soll Hanno,
ein vornehmer Carthaginienser, gewesen sein; er wurde aber
aus dem Grunde verurtheilt 2), weil ein Mann von so er-
findungsreichem Geiste zu Allem zu überreden im Stande
sein würde, und man dem, der die Wildheit soweit ge-
bändigt hätte, die Freiheit nicht wohl anvertrauen könne.
Es sind aber auch Beispiele vorhanden, wo sich der
Löwe zutraulich und milde zeigte. Der Syracusaner Men-
tor wurde in Syrien durch einen Löwen, der ihm entgegen
kroch, aufs höchste erschreckt. Er wollte fliehen, allein
das Thier stellte sich ihm überall in den Weg, und leckte,
gleich einem Schmeichler, seine Fussstapfen; da bemerkte
er in dessen Fusse ein Geschwür, zog ihm den Splitter aus
der Wunde und befreiete ihn von seiner Qual. Ein Ge-
mälde zu Syrakus beglaubigt diesen Vorfall. Etwas
ähnliches widerfuhr dem Elpis, einem Samier, der nach
Afrika geschifft war; dieser flüchtete sich, als er in der
Nähe der Küste einen Löwen mit weit aufgesperrtem
*) Der nach Alexander des Grossen Tod König in Thracien
wurde.
2) Justin führt als Grund seiner Verbannung an, er habe den
Plan gehabt, alle Senatoren bei der Hochzeit seiner Tochter zu ver-
giften, diess sei aber verrathen worden.
Achtes Buch.
99
Kuchen erblickte, auf einen Baum, unter Anrufung des
Bacchus: denn man denkt meistenteils erst ans Beten, wenn
keine Hoffnung mehr vorhanden ist. Der Löwe war ihm,
obgleich er es gekonnt hätte, nicht nachgesetzt, sondern
legte sich unter den Baum, und suchte durch denselben
Rachen, durch den er ihn erschreckt hatte, sein Mitleid zu
erregen. Ein Knochen war ihm bei einem heftigen Bisse
zwischen den Zähnen stecken geblieben, hinderte ihn am
Fressen, und gab ihn so dem Hunger Preis. In diesem
Leiden sah er hinauf und bat gleichsam mit stummem
Flehen um Hülfe; da aber jener es nicht wagte, dem Löwen
ohne Weiteres zu trauen, so dauerte seine Verwunderung
noch länger als seine Furcht, Endlich stieg er herab, und
zog ihm, der den Rachen darreichte und es jenem so be-
quem als möglich machte, den Knochen heraus. Aus Dank-
barkeit soll der Löwe, so lange sich das Schiff am Ufer
befand, eine Menge Wild, das er erbeutet, herbeigebracht
haben. Elpis aber weihete wegen dieser Begebenheit dem
Bacchus einen Tempel in Samos, dem die Griechen den
hierauf bezüglichen Namen „Tempel des rachenaufsperrenden
Bacchus *) gaben. Dürfen wir uns jetzt noch wundern, dass
die wilden Thiere die Spuren des Menschen kenneu, da sie
unter allen Geschöpfen von ihm allein Hülfe erwarten?
Warum wenden sie sich nicht an andere Thiere? Oder wo-
her wissen sie, dass die Hand des Menschen ihnen Heilung
bringt? Es sei denn, dass die Macht der Uebel selbst die
wilden Thiere zwingt, alles zu versuchen.
Einen ebenso merkwürdigen Fall erzählt der Physiker
Demetrius von einem Panther. Dieser lag mitten auf einem
Wege in Erwartung eines Menschen. Plötzlich erblickte
ihn der Vater eines gewissen Philinus, eines Freundes der
Wissenschaften, und wollte voll Schrecken wieder umkehren,
allein das Thier kroch sichtbar schmeichelnd und von
») xexyvotoq Aiovvaov. Man glaubte nämüch, weil der Löwe
ein dem Bacchus heiliges Thier sei, und der gegenwärtige so viel
Milde bewiesen, es habe sich Dionysus selbst in ihn verwandelt.
KjO Achtes Buch.
Kummer, der sogar am Panther wahr genommen werdeu
kann, gequält um ihn herum. Es war ein Weibchen, dessen
Junge in eine nicht weit entfernte Grube- gefallen waren.
Die erste Wirkung seines Mitleids war, dass er sich nicht
mehr fürchtete, die folgende, dass er ihm zu helfen beschloss.
Er folgte ihm dahin, wohin es ihn mit seiner Tatze am
Kleide sanft fortzog; als er die Ursache seines Schmerzes
erfahren, und zugleich den Preis sah, wofür er sein Leben
retten könnte, zog er die Jungen heraus. Mit diesen be-
gleitete es ihn bis zur Wüste hinaus mit so fröhlichen Ge-
bärden, dass man leicht merken konnte, es wolle ihm
danken, und nichts dafür, dass es seiner geschont, anrechnen,
was selbst bei den Menschen ein seltener Fall ist.
22.
Diese Begebenheiten machen auch eine andere, welche
Democrit von einem gewissen Thoas, der in Arcadien von
einer Schlange gerettet wurde, glaubwürdig. Er hatte sie
als Knabe gefüttert und sehr lieb gewonnen; sein Vater
aber, der die Natur und zunehmende Grösse der Schlange
fürchtete, trug sie in eine einsame Gegend. Als Thoas hier
von Räubern angefallen wurde, vernahm sie seine Stimme,
und kam ihm zu Hülfe. Was indessen von ausgesetzten
Kindern erzählt wird, die, wie die Gründer unserer Stadt
von einer Wölfin, von wilden Thieren gesäugt worden sind,
glaube ich eher einer grossen Schicksalsfügung als der
Natur dieser Thiere zuschreiben zu müssen.
23.
Der Panther und Tiger sind fast die einzigen Thiere,
welche buntgefleckt *) sind; von den übrigen hat jedes Ge-
schlecht seine besondere, einfache Farbe. Schwarze Löwen
giebt es nur in Syrien ; der Panther hat auf weissem Grunde
kleine augenähnliche Flecken. Durch den von ihm aus-
gehenden Geruch sollen alle vierfüssigen Thiere auf eine
wunderbare Weise angelockt werden, beim Anblick seines
!) Der eigentliche Tiger, Felis Tigris, hat keine Flecken, sondern
Querstreifen.
Achtes Buch. \qi
sclieusslichen Kopfes aber in Schrecken gerathen. Daher
verbirgt er denselben, und packt die, welche durch seine
übrigen anziehenden Eigenschaften in seine Kühe gekommen
sind. Einige geben an, er habe am Vorderbug einen mond-
ähnlichen Fleck, welcher zu einer Scheibe anwüchse und
auf gleiche Weise (wie der Mond beim Abnehmen) ausge-
höhlte Hörner bilde. Jetzt nennt man dieses ganze Ge-
schlecht, welches in Afrika und Syrien sehr häufig ist, so-
wie die Parder, welche männlichen Geschlechts sind, Ge-
fleckte. Einige unterscheiden von ihnen die Panther mit
weisser Grundfarbe; allein ich habe noch keinen andern
Unterschied gefunden *).
24.
Ehedem verbot ein alter Senatsbeschluss, afrikanische
Thiere 2) nach Italien zu bringen. Diesen Hess der Volks-
tribun Cn. Aufidius 3) aufheben und erlaubte ihre Einfuhr
für die Spiele im Circus. Der erste aber, der 150 solcher
gefleckten Thiere aufführte, war der Aedil Scaurus4); dann
folgte Pompejus der Grosse mit 410, und der Kaiser Au-
gustus mit 420.
25.
Ebenderselbe zeigte, unter dem Consnlate des Q. Tubcro
und Fabius Maximus, am 7. Mai bei der Einweihung des
Theaters des Marcellus, den ersten Tiger zu Rom, der in
einem Käfige befindlich und zahm war, der Kaiser Claudias
aber 4 auf einmal. Die Hyrcanier und Indier erzählen, der
Tiger besitze eine ausserordentliche Schnelligkeit, von der
man sich besonders überzeugen könne, wenn man ihm seine
Jungen, von denen er immer eine grosse Anzahl habe,
') Plinius scheint den Panther für das Weibchen des Pardera zu
halten. Der Parder oder capisclie Panther (Felis pardus] und der
eigentliche Panther (Felis panthera) sind aber 2 verschiedene Arten.
Letzterer ist bei weitem grösser als jener. Eine etwas grössere Ab-
art des Parders ist der Leopard (.Felis Leopardus), der kleine Flecken
auf gelbem Grunde hat.
2) Nämlich Panther und Parder.
3) Im Jahre 84 v. Chr. 4) Im Jahre 58 v. Chr.
102 Achtes Buch.
nehme. Derjenige, welcher den Raub begangen, flieht auf
einem sehr schnellen Pferde, welches er öfters mit frischen
wechseln muss. Sowie die Mutter das Nest leer findet (die
Männchen bekümmern sich nämlich nicht um die Jungen),
stürzt sie, die Spur durch den Geruch verfolgend, fort.
Wenn der Räuber durch das Gebrüll ihre Annäherung er-
fährt, wirft er eins von den Jungen weg. Jene fasst es
mit den Zähnen, trägt es, durch diese Last fast noch mehr
getrieben, zurück, folgt wiederum nach, und so fort, bis
jener das Schiff bestiegen hat, wo dann das getäuschte
Thier wüthend am Ufer umher rennt.
26.
Im Orient lässt man die Kameele mit dem Rindvieh
zusammen weiden; es giebt 2 Arten, das bactrische1)
und das arabische 2). Sie unterscheiden sich dadurch
von einander, dass jenes 2 Höcker auf dem Rücken hat,
dieses aber nur einen; ein anderer Höcker, auf den sie sich
legen, sitzt an ihrer Brust. Die Zähne in der obern Kinn-
lade fehlen, gleich wie bei den Ochsen, bei beiden Ge-
schlechtern 3). Alle aber verrichten, vermöge ihres Rückens,
die Dienste der Lastthiere und werden sogar in Schlachten
zum Reiten gebraucht. Ihre Schnelligkeit kommt der der
Pferde gleich, jedoch ist diese sowie ihre Kraft bei jedem
dieser beiden Thiere eigenthümlich begrenzt. Sie gehen
nie weiter als sie es einmal gewohnt sind und lassen
sich nie überladen. Sie haben einen natürlichen Hass gegen
die Pferde. Durst können sie 4 Tage lang vertragen, und
sie sättigen sich, wenn sich Gelegenheit zum Saufen dar-
bietet, für die Vergangenheit und Zukunft, nachdem sie zu-
vor das Wasser durch Treten trübe gemacht haben, denn
anders saufen sie es nicht gern. Sie erreichen ein Alter
') Camelus Bactrianus, Trampeltbier.
2) Camelus Droniedarius, Dromedar.
3) Die Vorderzähne der obern Kinnlade nämlich fehlen den
meisten Wiederkauern, allein das Kameel macht eine Ausuahme,
denn es hat im Oberkiefer 2 solche Zähne.
Achtes Buch. 203
von 50, ja mitunter von 100 Jahren. Zuweilen werden sie
von der Wuth befallen. Man ist auch darauf gekommen,
diejenigen Weibchen, welche für den Kriegsdienst bestimmt
sind, zu castriren, weil sie nach Beseitigung des Begattungs-
triebs kräftiger werden.
27.
Zwei andere Thiere haben eine gewisse Aehnlichkeit
mit dem Kameele; das eine nennen die Aethiopier Nabus.
Am Halse gleicht es einem Pferde, an den Füssen und
Beinen einem Ochsen, am Kopfe einem Kameel; es hat
weisse Flecke auf röthlichem Grunde und deshalb den
Namen Camelopardalis *) erhalten. Bei den circensischen
Spielen des Dictator Cäsar sah man in Rom zum ersten
Male ein solches. Seitdem kamen öfter welche zu uns. Es
zeichnet sich mehr durch seine Gestalt als durch seine
Wildheit aus, und ist daher auch wildes Schaf genannt
worden.
28.
Bei den Spielen Pompejus des Grossen zeigte man
zuerst das Chama2), welches die Gallier Rufius nennen;
es hat die Gestalt eines Wolfes, und ist gefleckt wie ein
Parder. Bei derselben Gelegenheit zeigte man ein Thier,
welches man xrjTtog 3) nannte, dessen Hinterbeine den
menschlichen Füssen und Beinen, die Vorderpfoten aber
Händen ähnlich waren. Später hat man diess Thier nicht
wieder in Rom gesehen.
29.
Bei denselben Spielen und später noch öfter sah man
auch ein Rhino ceros, das ein Hörn auf der Nase hat.
Diess ist der zweite natürliche Feind des Elephanten. Es
rüstet sich durch Wetzen seines Horns an einem Steine zur
Wehr und sucht während des Kampfes vorzüglich am
Bauche anzukommen, weil es weiss, dass da das Fell
weicher ist. Beide Thiere sind gleich lang, nur hat das
') Camelopardalis Giraffa.
-) Felis Lynx, der Luchs. 3) Ohne Zweifel eine Affenart.
1Q4 Achtes Buch.
Nashorn weit kürzere Beine und eine dunkelgrau-violette
Farbe.
30.
Aethiopien erzeugt sehr viele Lyncen und Sphingen *), .
mit braunen Haaren und 2 Brustwarzen, und noch viele
andere wunderbare Thiere, als geflügelte und gehörnte
Pferde, welche Pegasen beissen; Crocotten 2), die gleich-
sam vom Hunde und Wolfe erzeugt zu sein scheinen, mit
den Zähnen alles zermalmen, und das Verschlungene so-
gleich verdauen; Meerkatzen3) mit schwarzen Köpfeu,
Eselshaaren, und einer Stimme, die von der aller übrigen
Thiere verschieden ist; ein- und dreihörnige indische Ochsen;
den Leucrocotta 4), ein äusserst schnellfüssiges Thier bei-
nahe von der Grösse des Esels, mit Hirschbeinen, am Hals,
Schwanz und Brust dem Löwen ähnlich, mit einem Dachs-
kopfe, gespaltenem Huf, einer bis an die Ohren aufgerissenen
Schnauze, und statt der Zähne einem einzigen ununter-
brochenen Knochen. Dieses Thier soll die menschliche
Stimme nachahmen. Dort giebt es auch ein Thier, welches
Eale5) genannt wird, von der Grösse des Flusspferdes, mit
einem Elephantenschwanz, von schwarzer oder fahler Farbe,
mit Kinnladen wie ein Eber, Hörnern, die mehrere Cubitus
lang und beweglich sind, welche es im Kampfe abwechselnd
aufrichtet, geradeaus oder seitwärts wendet, wie es ihm
gerade sein Vortheil lehrt. Ferner äusserst grimmige Wald-
ochsen, die grösser sind als die Feldochsen und sie an
Schnelligkeit weit übertreffen; sie haben eine gelbliche
Farbe, blaue Augen, rückwärts aufgerichtete Haare, einen
bis an die Ohren gespaltenen Rachen, bewegliche Hörner
und ein steinhartes, nicht zu verwundendes Fell. Sie
machen Jagd auf alle wilden Thiere, können nur in Gruben
gefangen werden, und kommen stets durch ihre Wildheit
um. Eben daselbst ist auch, wie Ctesias schreibt, ein Thierr
') Affenarten. 2) Schakal: Canis aureus. S. auch 52. Cap.
3) Cercopitheci. 4) Fabelhafte Thiere.
8) Ebenfalls ein fabelhaftes Thier.
Achtes Buch. ]^)5
daserMantichoranennt, zu Hause, welches 3 Reihen kainrn-
artig nebeneinander stehende Zähne, Gesicht und Ohren
wie ein Mensch, graugrüne Augen, eine blutrothe Farbe,
den Körper eines Löwen hat und mit seinem Schwänze
wie ein Scorpion sticht. Seine Stimme gleicht dem ver-
mischten Tone einer Pfeife und Tuba, es frisst sehr schnell,
und liebt vorzüglich Menscheufleisch.
31.
In Indien giebt es auch einhörnige Ochsen mit
ungespaltenen Klauen und ein Thier Namens Axis, welches
ein Fell wie ein junger Hirsch mit vielen weissen Flecken
hat und dem Bacchus geopfert wird. Die orsäischen Indier
jagen Affen, die am ganzen Körper weiss sind. Aber das
allerunbändigste Thier ist das Einhorn *), welches am
Körper dem Pferde, am Kopfe dem Hirsche, an den Füssen
dem Elephanten, am Schwänze dem Eber ähnlich sieht,
sehr stark brüllt und mitten auf der Stirn ein 2 Cubitus
langes Hörn trägt. Lebendig soll man es nicht einfangen
können.
32.
Im westlichen Aethiopien befindet sich die Quelle Ni-
giis, welche von den Meisten für den Ursprung des Nils
gehalten wird, was auch die von uns angeführten Gründe ■)
sehr glaublich machen. In der Nähe derselben lebt ein
Thier Catoblepas3) genannt, was nicht gross ist und nur
langsam sich fortbewegt, aber einen so schweren Kopf hat,
dass es ihn kaum tragen kann, den es daher immer auf
die Erde hängen lässt. Und doch gereicht es dem Menschen
zum Verderben, indem alle, welche ihm in die Augen sehen,
auf der Stelle ihren Geist aufgeben.
33.
Dieselbe Kraft besitzt auch der B a s i 1 i s k, eine Schlangen-
art; er lebt in der cyrenaischen Provinz, ist nicht über
•) Monoceros. Ueber die Existenz dieses Thieres ist man noch
im Zweifel.
2) Im V. Buche 10 Cap. 3) Wieder ein fabelhaftes Thier.
106 Achtes Buch.
12 Digitus lang, und hat am Kopfe einen weissen Fleck,
der ihn gleichsam wie ein Diadem schmückt *). Durch sein
Zischen verjagt er alle Schlangen. Er bewegt sich nicht,
wie die übrigen, durch vielfache Windungen des ganzen
Leibes, sondern geht zur Hälfte aufgerichtet umher. Er
vergiftet die Sträucher nicht bloss durch seine Berührung,
sondern auch durch seinen Hauch, verdorrt die Kräuter
und sprengt Felsen. Solche schädliche Wirkung hat seine
Kraft! Ehemals glaubte man, dass, wenn Jemand zu Pferde
ihn mit einem Spiesse getödtet habe, das Gift an dem
Spiesse hinauf dringe, und nicht nur der Reiter, sondern
auch das Pferd davon sterben müsse. Und diesem Unge-
heuer (welches Könige oft todt zu sehen gewünscht haben)
wird die Ausdünstung des Wiesels verderblich; die Natur
hat also die Einrichtung getroffen, dass nichts in ihr be-
steht, dem nicht ein gewisses Gleichgewicht gegeben ist.
Man wirft daher diese Thiere (diese Wiesel) in die Höhlen,
welche man leicht an dem unfruchtbaren Erdboden erkennt;
diese tödten jene dann sogleich durch ihren Geruch, sterben
aber auch, und dadurch wird der Streit der Natur aus-
geglichen.
34.
Aber auch in Italien glaubt man, dass der Blick der
Wölfe2) schädlich sei, und dem Menschen, den sie scharf
ansehen, für den Augenblick die Stimme benehmen. Die-
jenigen, welche in Afrika und Aegypten vorkommen, sind
träge und klein, allein die in kältern Gegenden wild und
grausam. Dass sich Menschen in Wölfe verwandeln und
wiederum ihre vorige Gestalt annehmen können, müssen
wir entweder zuversichtlich für eine Unwahrheit erklären,
oder alles glauben, was man uns Fabelhaftes seit so vielen
Jahrhunderten überliefert hat. Jene Sage ist bei dem ge-
') Daher der Name Basilisk, war ßaaiXsvq, der König, denn das
Diadem oder die weisse Stirnbinde war ein Zeichen der königlichen
Würde.
2j Lupi: Canis Lupus.
Achtes Buch.
107
meinen Volke so eingewurzelt, dass sie sogar zum Sprichworte
dient, denn man sagt von schlechten Menschen, sie wenden
den Pelz um. Evanthes *), einer von den bessern griechi-
schen Schriftstellern, erzählt, die Arcadier schrieben, Einer
aus dem Geschlechte des Anthus, der aus seiner Familie
durchs Loos erwählt sei, werde an einen See dieser Gegend
geführt, hänge hier seine Kleider an einer Eiche auf,
schwimme dann hinüber, ginge in eine Einöde, werde hier
in einen Wolf verwandelt und lebe in Gesellschaft der
übrigen Wölfe 9 Jahre lang. Wenn er sich nun während
dieser Zeit ganz von Menschen entfernt gehalten habe, so
kehre er an denselben See zurück, nähme, nachdem er hin-
über geschwommen, seine vorige Gestalt wieder an, sehe
aber jetzt um 9 Jahre älter aus. Fabius fügt noch hinzu,
dass er auch seine früheren Kleider wieder anzöge. Es
ist merkwürdig, wie weit die griechische Leichtgläubigkeit
geht. Keine Lüge ist so unverschämt, sie findet ihre Ver-
treter. So erzählt Agriopas 2), der über die olympischen
Sieger geschrieben hat, Demänetus aus Farrhasia habe bei
dem Opfer, wo die Arcadier dem Jupiter Lycäus sogar noch
Mensehen weiheten, von dem Fleische eines geopferten
Knaben gekostet, und sei dadurch zum Wolfe geworden;
10 Jahre später sei er wieder in einen Athleten verwan-
delt, habe dann am Faustkampfe Theil genommen, und sei
als Sieger nach Olympia zurückgekehrt. Auch glaubt man
im gemeinen Leben, im Schwänze dieses Thieres sei ein
Liebessaft in einem Haarbüschel verborgen, es werfe ihn,
wenn es gefangen würde, von sich, dieser sei aber nur
wirksam, wenn man denselben dem Thiere noch bei seinem
Leben nehme. Seine Begattungszeit dauert jährlich nur
12 Tage. Bei grossem Hunger soll es Erde fressen. Unter
den Vorbedeutungen giebt es keine bessere, als wenn es
geraden Weges [zur Rechten der Reisenden mit vollem
Rachen geht. Es existirt unter ihnen eine Art, die man
Hirschwölfe nennt; ein solcher aus Gallien wurde, wie
') Unbekannter Schriftsteller. 2) Unbekannter Schriftsteller.
108 • Achtes Buch.
wir bereits gesagt haben, auf dem Kampfplatze Pompejus
des Grossen gezeigt. Dieses Thier soll, selbst wenn es
hungrig ist und frisst, sobald es sich umgesehen hat, so-
gleich seinen Frass vergessen, und davon laufen, um etwas
anderes zu suchen.
35.
Was die Schlangen betrifft, so ist allgemein bekannt,
dass die meisten die Farbe der Erde haben, in welcher sie
sich aufhalten. Es giebt unzählige Arten von ihnen. Die
Hornschlangen 1) haben auf ihrem Körper oft 4 Hörner,
durch deren Bewegung sie, indem sie den übrigen Körper
verbergen, die Vögel an sich locken. Die Amphisbänen 2)
haben 2 Köpfe, nämlich am Schwänze noch einen, als wenn
einer noch nicht genug wäre, um Gift von sich zu geben.
Einige sind schuppig, andere bunt gezeichnet, alle aber
haben ein tödtliches Gift. Die Schiessschlange3) stürzt
sich von den Aesten der Bäume herunter; man hat also
nicht bloss die Füsse vor Schlangen zu hüten, denn sie
fliegen auch wie abgeschossene Pfeile durch die Luft. Die
Hälse der Vipern 4) schwellen an (wenn sie beissen wollen),
und es giebt gegen ihren Biss kein anderes Mittel, als das
verletzte Glied sogleich abzuschneiden. Dieses so giftige
Thier hat nur einen Sinn oder vielmehr nur eine Leiden
schaft. Sie schweifen fast immer gepaart umher, und können
nicht ohne das andere Geschlecht leben; wird daher eine
von beiden getödtet, so ist die andere auf eine unglaubliche
Weise auf Rache bedacht. Sie verfolgt den Mörder,
weiss ihn aus einem noch so grossen Haufen Menschen
herauszufinden und anzugreifen, überwindet alle Schwierig-
keiten, durcheilt weite Räume, und wird nur durch Flüsse
aufgehalten, wenn sich der Verfolgte nicht durch die
schnellste Flucht rettet. Es lässt sich nicht sagen, ob die
') Cerastae. Cerastes- cornutus Wagl. Sie hat auf jedem Augen-
lide ein kleines spitziges Hörn.
r> D. h. Thiere, die vor- und rückwärts gehen können.
3) Jaculum. 4) Aspides.
Achtes Buch.
109
Natur bei Erschaffung der Uebel oder der Gegenmittel frei-
gebiger war. Denn erstens hat sie diesem Thiere schwache
Augen gegeben und sie nicht vorn auf die Stirn, sondern
an die Schläfen gesetzt; daher wird es eher durch den
Fuss des Menschen, als durch seinen Anblick aufgeregt.
Ferner lebt es in Todfeindschaft mit dem Ichneumon l).
36.
Dieses Thier ist eben dadurch vorzüglich bekannt, und
ebenfalls in Aegypten zu Hause. Es wälzt sich häufig im
Schlamme und trocknet sich dann wieder an der Sonne.
Wenn es sich auf diese Weise mit mehrern Krusten um-
panzert hat, so schreitet es zum Kampfe. Dabei hebt es
den Schwanz in die Höhe, fängt abgewandt die vergeb-
lichen Bisse auf, bis es von der Seite schielend die Gelegen-
heit ablauert, und der Schlange in den Rachen kriegt.
Hiermit noch nicht zufrieden, bekämpft es noch ein anderes
nicht wilderes Thier.
37.
Das Krokodil2), welches dem Nile angehört, ist ein
vierfüssiges Ungeheuer und auf dem Lande sowohl wie im
Wasser gleich schädlich. Es ist das einzige Landthier,
welches seine Zunge nicht gebraucht 3); das einzige, welches
mit der obern beweglichen Kinnlade zubeisst, welcher Biss
übrigens furchtbare Folgen hat, da die Zähne gleich einem
Kamme dicht aneinander gereihet sind. Seine Länge be-
trägt meistentheils über 18 Cubitus. Es legt Eier, die
denen der Gänse an Grösse gleichen, und brütet dieselben
allemal entfernt von dem Orte aus, den, wie ihm ein ge-
wisser Instinkt sagt, der Nil in demselben Jahre bei seinem
höchsten Standpunkte erreichen wird. Kein anderes, an-
fänglich so kleines Thier wächst zu einer solchen Grösse
heran wie das Krokodil. Es ist auch mit Krallen bewaffnet
und seine Haut gegen alle Bisse undurchdringlich. Am
Tage lebt es auf dem Lande, des Nachts im Wasser, beides
') Viverra Ichneumon. *) Crocodilus niloticus.
3) Sie ist nämlich ganz festgewachsen.
HO Achtes Buch.
der Wärme wegen. Wenn es sich mit Fischen gesättigt
hat, und mit stets von Speise gefülltem Rachen sich am
Ufer zum Schlafen hinlegt, so reizt ihn ein kleiner Vogel,
der dort Trochilos *), in Italien aber der König der Vögel
heisst, seinen Rachen des Futters wegen aufzusperren,
reinigt ihm, indem er hineinschliipft, zuerst das Maul, dann
die Zähne und sogar den Schlund, den es bei der ange-
nehmen Empfindung, die ihm diess Kratzen verursacht,
soweit als möglich aufsperrt. Wenn es nun unter dieser
wollüstigen Empfindung eingeschlafen ist, so schiesst das
Ichneumon, sobald es diess bemerkt, wie ein Pfeil durch
seinen Schlund und frisst ihm den Bauch durch.
38.
Dem Krokodil ähnlich, aber noch kleiner als das Ich-
neumon, ist der im Nil lebende Scincus2), welcher ein
vorzügliches Gegenmittel für Gifte ist und bei Männern
den Geschlechtstrieb erhöhet. — Allein das Krokodil ist
ein zu verderbliches Thier, als dass die Natur mit Einem
Feinde desselben zufrieden sein könnte. Daher gehen auch
die Delphine, auf deren Rücken sich, wahrscheinlich zu
diesem Behufe, eine messerartige Flosse befindet, in den
Nil, treiben die darin, gleichsam wie in ihrem eigenen
Flusse herrschenden Krokodile von ihrer Beute weg, und
bringen dieselben, da sie ihnen an Kräften nicht gleich
sind, durch List um. Hierin nämlich besitzen alle Thiere
eine grosse Verschlagenheit; sie verstehen nicht nur ihre
eigenen Vortheile, sondern wissen auch, was ihren Feinden
Nachtheil bringt, kennen ihre Waffen, die passenden Ge-
legenheiten und die schwachen Theile der Gegner. Am
Bauche ist die Haut des Krokodils weich und dünn, daher
tauchen die Delphine, gleichsam als wenn sie erschrocken
wären, unter und durchschneiden ihm den Bauch mit jener
Flosse. Ja selbst ein Menschenstamm gehört zu den
') Sylvia Troglodytes, der Zaunkönig.
2) Lacerta Scincus oder Scincus officinalis.
Achtes Buch.
111
Feinden dieses Thieres J); diess sind die am Nile wohnen-
den Tentyriter, welche ihren Namen von der von ihnen be-
wohnten Insel 2) führen. Sie sind klein an Gestalt, allein
ihre Geistesgegenwart bloss bei diesem Thiere verdient Be-
wunderung. Schrecklich ist dasselbe für die, welche vor
ihm fliehen, flüchtig aber vor denen, welche es verfolgen:
jedoch wagen nur allein diese Menschen, ihm entgegen zu
gehen. Sie schwimmen sogar in dem Flusse, setzen sich
wie Reiter ihm auf den Rücken, und bringen ihm, wenn
es den Kopf umwendet, um nach ihnen zu schnappen, eine
Keule ins Maul, die sie an beiden Enden mit der rechten
und linken Hand festhalten, und es, wie am Zügel gefangen
aufs Land bringen. Schon durch ihre Stimme setzen sie
dasselbe in Schrecken, und zwingen es, die kurz vorher
verschlungenen Körper wieder von sich zu geben, damit
sie begraben werden können. Deshalb ist diese Insel die
einzige, zu der die Krokodile nicht hinschwimmen, und
schon der Geruch dieser Menschen verscheucht sie, gleich-
wie die Schlangen den der Psyller 3) meiden. Im Wasser
soll das Gesicht dieser Thiere schwach, dagegen ausser
demselben sehr scharf sein, auch sollen sie jedesmal
im Winter 4 Monate lang ohne Nahrung in einer Höhle
zubringen. Einige sind der Meinung, diess sei das einzige
Thier, welches fortwährend bis zum Tode wächst; es lebt
aber sehr lange.
39.
Ein noch grösseres Thier als das Krokodil, das Fluss-
pferd4), wohnt ebenfalls im Nile. Es hat gespaltene
Klauen wie das Rindvieh, am Rücken, Mähne und der
wiehernden Stimme5) Aehnlichkeit mit dem Pferde, eine
») Die alten Aegyptier dagegen hielten die Krokodile für heilig
und tödteten sie nicht.
2) Tentyra, jetzt Dendevah, Dorf mit Ruinen anweit des Nils in
Oberägypten.
3) Vgl. VII. B. 2. C. 4) Hippopotamus. H. umphibius.
5) Seine Stimme gleicht eher dem Brüllen eines Ochsen; Bach
hat es keine Mähne.
112 Achtes Buch.
eingedrückte Schnauze, Schwanz und krumme Zähne wie
ein Eber, allein die letztern sind weniger gefährlich; seine
Haut dient zu Schildern und Helmen und ist undurchdring-
lich, wenn sie nur nicht nass wird. Es frisst die Saaten
ab, setzt sich (wie man sagt) den Tag dazu im voraus fest,
und geht rückwärts vom Acker, damit man ihm bei der
Rückkehr nicht nachstellt.
40.
Der erste, welcher dieses Thier nebst 5 Krokodilen
in einem eigens dazu gegrabenen Teiche zu Rom zeigte,
war M. Scaurus, bei den Spielen, die er als Aedil gab.
Das Flusspferd ist in einem gewissen Theile der Heilkunst
sogar unser Lehrer geworden. Wenn es nämlich zu viel
gefressen hat, geht es ans Ufer, um frisch abgeschnittene
Rohrstengel zu suchen; gegen den schärfsten, den es nun
findet, drückt es den Körper an, ritzt sich am Beine eine
gewisse Ader auf, erleichtert durch den entstehenden Blut-
fluss seinen kranken Körper, und überzieht dann die Wunde
mit Schlamm.
41.
Etwas Aehnliches hat man gleichfalls in Aegypten bei
einem Vogel, welcher Ibis x) genannt wird, wahrgenommen;
dieser öffnet mit seinem krummen Schnabel denjenigen
Theil seines Körpers, wo die Entleerung der Speisen am
heilsamsten ist. Und nicht bloss dieses ist von den Thiereu
entdeckt und dem Menschen nützlich geworden. Dass das
Kraut Dictamnus 2) die Pfeile herauszieht, haben uns die
Hirsche gelehrt, denn wenn sie von Pfeilen getroffen sind,
fallen diese, sobald sie jene Pflanze fressen, von ihrem
Körper ab. Eben diese Thiere heilen sich, wenn sie von
dem Phalangium, einer Spinnenart, oder von einem ähn-
lichen Thiere gestochen sind, durch das Fressen von
Krebsen. Es giebt auch ein vorzügliches Kraut gegen
«) Tantalus Ibis.
a) Die Deutung dieses und der im Texte -weiter folgenden Pflan-
zennamen findet man in den Büchern XII — XXVII.
Achtes Buch.
113
Schlangenbisse, womit sich die Eidechsen, wenn sie im
Kampfe mit diesen verwundet werden, heilen. Dass die
Chelidonia sehr heilsam für Augen sei, haben uns die
Sehwalben gelehrt, welche damit die kranken Augen ihrer
«langen heilen.
Die Schildkröte erhält durch den Genuss der Cunila,
die auch Bubula heisst, ihre Kräfte gegen die Schlangen;
das Wiesel durch Raute, wenn es auf der Mäusejagd mit
diesen in den Kampf gerathen ist ; der Storch durch Origa-
num. Die wilden Schweine heilen sich, wenn sie krank
sind, durch Edera, oder durch Fressen von Krebsen, be-
sonders solchen, welche das Meer ausgeworfen hat. Die
Schlange, deren Körper während des Winters mit einer
Haut überzogen ist, streift dieselbe mit Hülfe des Fenchel-
saftes ab, und wird im Frühlinge wieder glänzend. Sie
fängt am Kopfe an sich zu häuten, und braucht zu diesem
Geschäfte einen ganzen Tag und eine Nacht; die inwen-
dige Seite der Haut kommt dadurch nach aussen. Hat sich
während ihres winterlichen Verborgenseins ihr Gesicht ver-
dunkelt, so reibt sie sich am Marathrum die Augen ein
und stärkt sie dadurch; wenn aber ihre Schuppen erstarrt
sind, schabt sie sich an Wachholdernadeln. Der Drache
vertreibt seine Uebelkeit im Frühlinge durch den Saft der
wilden Lactuca. Die Barbaren fangen die Panther mit
Fleisch, das mit Aconitum (einem Giftkraute) eingerieben
ist. Sogleich nach dem Genüsse desselben überfällt sie
ein Würgen im Schlünde, weshalb auch Einige jenes Gift
Parderwürger *) genannt haben. Aber der Parder befreiet
sich von diesem Uebel durch Menschenkoth, nach welchem
er auch ausserdem so begierig ist, dass die Hirten aus
List davon in einem Gefässe aufhängen, und zwar etwas
höher als er es im Springen erreichen kann; durch Springen
und Schnappen nach demselben mattet er sich dann so ab,
dass er zuletzt stirbt, obgleich er sonst ein so zähes Leben
') Pardalianches.
Witt stein: Plinius. II. Bd.
114 Achtes Buch.
hat, dass er noch lange Zeit kämpft, wenn ihm die Einge-
weide schon heraushängen. Wenn der Elephant mit einem
gleichfarbigen Kraute ein Chamäleon verschluckt hat, so
wirkt er dessen Gifte durch den Oleaster entgegen. Wenn
die Bären Mandragora-Früchte gefressen haben, locken sie
Ameisen. Die Tauben brauchen das Cinara gegen giftiges
Futter. Die wilden Tauben, Häher, Amseln und Rebhühner
heilen ihren alljährig sich einstellenden Mangel an Appetit
durch Lorbeerblätter; die Tauben, Turteltauben und Hühner
durch ein Kraut, welches Helxine heisst; die Enten, Gänse
und die übrigen Wasser vögel durch Sideritis; die Kraniche
und ähnliche Thiere durch Sumpfbinsen. Hat der Rabe
ein Chamäleon (welches selbst noch dem Sieger schädlich
werden kann) getödtet, so vernichtet er die Wirkung des
eingesogenen Giftes durch Lorbeer.
42.
Ausserdem giebt es noch Tausende von Beispielen der
Art, denn die Natur hat den meisten Thieren die Gaber
den Himmel zu beobachten, Winde, Regen und Stürme vor-
her zu bestimmen, und zwar einigen dieses, andern jenes
verliehen, welches alles durchzugehen eine ebenso unge-
heuere Arbeit sein würde, wie die besondern Beziehungen
anzuführen, in denen sie zu einzelnen Menschen stehen.
Sie warnen auch vor Gefahren, nicht allein durch ihre
Fasern und Eingeweide, an denen ein grosser Theil der
Sterblichen hänget, sondern auch durch andere Zeichen.
Wenn ein Gebäude einzustürzen droht, so wandern zuvor
die Mäuse aus, und die Spinnen fallen sammt ihren Ge-
weben herab. Die Vogelschau hat man bei den Römern
zu einer Kunst erhoben, und das Collegium der Priester
nimmt einen sehr hohen Rang ein. In den kalten Gegen-
den von Thracien richten sich die Leute auch nach dem
Fuchse, einem übrigens wegen seiner Verschlagenheit nicht
zu trauenden Thiere; sie betreten nämlich nicht eher zu-
gefrorene Seen und Flüsse, bis der Fuchs darauf hin und
her gegangen ist. Man hat bemerkt, dass er das Ohr auf's
Eis legt, um dessen Dicke zu erforschen.
Achtes Buch.
115
43.
Man kennt nicht minder berühmte Beispiele von Zer-
störungen, welche selbst von verächtlichen Thieren her-
rührten. M. Varro erzählt, in Spanien sei eine Stadt von
Kaninchen untergraben worden, eine andere in Thessalien
von Maulwürfen; in Gallien sei eine Gemeinde durch
Frösche, in Afrika eine durch Heuschrecken vertrieben;
die Bewohner von Gyarus, einer der Cycladen, sollen von
Mäusen verjagt und Amunclä in Italien von Schlangen ver-
wüstet worden sein. Diesseits der cynamolgischen Aethioper
liegt eine weite, verödete Gegend, deren Bewohner von
Scorpionen und Solipugen *) aufgerieben sind. Nach Theo-
phrastus wurden die Rhötienser von Scolopendern ver-
trieben. Doch wir wollen zu den übrigen wilden Thieren
zurückkehren.
44.
Dass die Hyänen2) beiderlei Geschlechts, und ab-
wechselnd ein Jahr Männchen und das folgende Jahr
Weibchen sind, und dass sie ohne Männchen gebären, glaubt
der gemeine Mann, Aristoteles aber verneint es. Hals und
Mähne bilden eine unmittelbare Fortsetzung des Rückgrats,
und das Thier kann sich nicht wenden ohne sich mit dem
ganzen Körper umzudrehen. Ausserdem wird noch viel
Wunderbares von diesem Thiere erzählt; aber das Merk-
würdigste ist, dass es bei den Ställen der flirten die mensch-
liche Stimme nachahmt, den Namen des einen oder andern
lernt, ihn herausruft und vor der Thür zerreisst. Auch das
Erbrechen der Menschen soll es nachahmen, um die Hunde
anzulocken, welche es dann anfällt. Es ist das einzige
Thier, welches die Gräber aufwühlt, um nach Leichen zu
suchen. Das Weibchen wird selten gefangen. Seine Augen
sollen tausend Mannigfaltigkeiten und Farbenveränderungen
darbieten. Wenn die Hunde nur dessen Schatten berühren,
») Eine Art giftiger Spinnen, Solpuga araneoides; sie haben die
Grösse der Kreuzspinne.
*) Hyaena striata L.
8*
HQ Achtes Buch.
sollen sie schon verstummen. Auch soll die Hyäne jedes
Thier, welches sie dreimal angesehen hat, durch gewisse
magische Künste zum Stillstehen bringen.
45.
Durch Vermischung mit diesem Thiere gebärt die
äthiopische Löwin den Crocuta1), welcher die Stimme so-
wohl der Menschen als des Viehes nachahmt. Er hat fort-
während die Augen offen, an keiner Kinnlade Zahnfleisch,
statt der Zähne zwei fortlaufende Knochen, welche, damit
sie durch das Gegeneinanderstossen nicht stumpf werden,
in Kapseln eingeschlossen sind. Die menschliche Stimme
ahmt nach Juba auch ein Thier in Aethiopien, Mantichora2)
genannt, nach.
46.
Die meisten Hyänen giebt es in Afrika, wo sich auch
viele wilde Esel3) finden. Einzelne Männchen in diesem
Geschlechte herrschen über ganze Heerden von Weibchen.
Sie sind eifersüchtig auf Nebenbuhler, bewachen sogar die
Trächtigen, und castriren die Neugebornen männlichen Ge-
schlechts durch einen Biss 4). Dagegen suchen die Träch-
tigen verborgene Orte auf, um verstohlen zu werfen, und
sind sehr geiler Natur.
47.
Dieselben Geschlechtstheile reissen sich die pontischen
Biber5) bei dringender Gefahr selbst ab, weil sie wissen,
dass man ihnen deshalb nachstellt. Die Aerzte nennen
sie Castoreum 6). Uebrigens ist der Biss dieses Thieres
furchtbar; die Bäume am Ufer der Flüsse durchschneidet
') Hyaea crocuta. 2) Ein unbekanntes Thier.
3) Asini sylvestres. Equus Asinus. Möglicherweise könnte auch
hier das Zebra (Equus Zebra) genannt sein, was sich aber bei der
mangelhaften Beschreibung des Plinius nicht entscheiden lässt.
4) Nämlich der Hoden. 5) Fibri. Castor Fiber.
c) Unter diesem Namen verstehen wir hingegen nicht die Hoden
des Bibers, sondern die unter der Haut zwischen dem Alter und den
Geschlechtstheilen befindlichen Beutel, die sich diese Thiere natür-
lich nicht abbeissen können.
Achtes Buch. U7
es, als wenn diess mit einem Eisen geschieht; hat es einen
Mensehen gepackt, so hört es nicht eher auf zu beissen,
bis die Knochen zermalmt sind. Es hat einen Fischschwanz,
gleicht aber sonst der Fischotter x). Beide leben im
Wasser, und haben Haare, welche weicher als Flaum-
federn sind.
48.
Auch die Laubfrösche2), die sowohl auf dem Lande
wie im Wasser leben, haben viele Heilmittel in sich, die
sie täglich ablegen und mit der Nahrung wieder von
Neuem zu sich nehmen sollen, so dass stets nur das Gift
bei ihnen bleibt.
49.
Eine ähnliche Lebensweise hat das Meerkalb3), das
sich ebenfalls im Meere und auf dem Lande aufhält; auch
in seinen Kunsttrieben ähnelt es dem Biber. Seine Galle,
die es von sich giebt, wird zu vielen Heilmitteln ange-
wandt, sowie ein Schleim 4) von ihm gegen die fallende
Sucht 5). Es weiss, dass man ihm deshalb nachstellt.
Theophrastus giebt an, dass nach Art der Schlangen auch
die Dorneidechsen 6) ihre alte Haut abstreifen, und die-
selbe sogleich verzehren, um uns dadurch diess Mittel wider
die fallende Sucht zu entreissen. Ihre Bisse sind in Griechen-
land tödtlich, in Sicilien aber unschädlich.
50.
Auch die Hirsche7) haben ihre Bosheit, wenngleich
sie sonst sehr sanftmüthige Thiere sind. Werden sie von
') Lutra. Lutra vulgaris.
2) Ranae rubetae, d. h. Frösche, die auf Rubus sich aufhalten,
vergL XXXII. B. 18. C; etwa unser Hyla arborea.
3) Vitulus marinus. Phoca vitulina, Seehund, Robbe.
4) Coagulum.
5) Morbus comitialis. Diesen Namen gaben die Römer deshalb
dieser Krankheit, weil die Comitien (Volksversammlungen) sogleich
geschlossen werden mussten, wenn ein Gegenwärtiger davon befal-
len wurde.
e) Stellio. Stellio vulgaris. 7) Cervus elaph»«.
118 Achtes Buch.
Hunden verfolgt, so nehmen sie ihre Zuflucht zum Menschen.
Wenn die Hirschkuh werfen will, vermeidet sie weniger
die von Menschen betretenen Wege als versteckte und von
wilden Thieren besuchte Orte. Ihre Brunstzeit erfolgt
nach dem Aufgang des Arcturus *). Sie sind 8 Monate
trächtig und werfen zuweilen 2 Junge. Nach der Be-
gattung trennen sie sich; aber die verlassenen Männchen
toben vor Geilheit und scharren Gruben aus. Dann werden
ihre Schnauzen schwarz 2), bis wiederholte Regengüsse sie
wieder rein waschen. Die Weibchen reinigen sich vor dem
Werfen mit einem gewissen Kraute, welches Seselis ge-
nannt wird; hierdurch geht die Geburt leichter von Statten.
Nachher fressen sie 2 Kräuter, Tamnus und Seselis, und kehren
dann zu ihren Jungen zurück. Sie wollen mit diesen
Kräutern, aus irgend einem Grunde, die erste Milch würzen.
Ihre Jungen üben sie im Laufen und lehren sie, zu rechter
Zeit zu fliehen; sie führen sie an Abhänge und zeigen
ihnen das Springen. Nun Haben die Männchen ihre Wollust
verloren und fressen sehr begierig. Wenn sie merken
dass sie sehr fett werden, verbergen sie sich und geben
dadurch zu erkennen, dass ihnen das Fett beschwerlich
ist. Auf der Flucht ruhen sie stets von Zeit zu Zeit aus,
bleiben stehen und sehen sich um, kommt man ihnen aber
nahe, so suchen sie ihr Heil wiederum in der Flucht. Sie
thun diess wegen Schmerzen des Eingeweide, denn diese
sind so dünn, dass sie schon bei einem gelinden Stosse
zerreissen. Sie fliehen, wenn sie Hundegebell hören, stets
mit dem Winde, damit ihre Fährte mit ihnen verschwindet.
Sie finden Gefallen an der Hirtenpfeife und am Gesänge;
wenn sie die Ohren aufrichten, haben sie das feinste Ge-
hör, lassen sie sie hängen, so sind sie taub. Uebrigens ist
1) Das ist im Herbste, gegen Ende September.
2) Nach Aristoteles soll diess von ihrer innern Hitze während
der Brunst herrühren, welche das Blut nach der Oberfläche treibt.
Durch Regen soll sich diese Schwärze wieder verlieren, weil er den
Hirsch abkühlt.
Achtes Buch.
119
der Hirsch ein einfältiges Thier, das sich über alles ver-
wundert, was so weit geht, dass es bei Annäherung eines
Pferdes oder einer Kuh deu danebenstehenden Jäger nicht
bemerkt, oder wenn es ihn sieht, so wundert es sich über
dessen Bogen und Pfeile. Sie durchschwimmen das Meer
heerdenweise in langer Reihe, indem sie die Köpfe auf
die Hintertheile ihrer Vorgänger legen, welche letztere ab-
wechselnd sich auch wieder hinten hin begeben. Diess
bemerkt man am häufigsten bei denen, die von Cilicien
nach Cypern übersetzen. Sie sehen das Land nicht, son-
dern schwimmen dem Gerüche desselben nach.
Die Männchen haben Geweihe, und sind die einzigen
Thiere, welche dieselben alljährig zu einer bestimmten
Periode im Frühlinge verlieren. Daher begeben sie sich
um diese Zeit in unwegsame Gegenden. Wenn sie das
Geweih verloren haben, verbergen sie sich gleichsam wie
Waffenlose, missgönnen aber zugleich dem Menschen dieses
ihr Gut. Das rechte Geweih, welches eine Heilkraft besitzt,
soll man niemals auffinden können, und diess ist deshalb
merkwürdig, weil sie in den Thiergärten jährlich damit
wechseln; man glaubt daher, sie verscharren es. Der von
einem angezündeten Geweihe aufsteigende Dampf vertreibt
die Schlangen und heilt die fallende Sucht. An den Ge-
weihen erkennt man auch das Alter dieser Thiere, denn
jedes Jahr setzt sich, bis sie 6 Jahre alt sind, ein neues
Ende an. Von dieser Zeit an gleichen die neu anwach-
senden den vorigen, und man kann das Alter nicht weiter
daran wahrnehmen. Das hohe Alter aber zeigt sich au
den Zähnen; diese sind nämlich dann nur noch in geringer
Zahl oder gar nicht mehr vorhanden; auch fehlen den alten
Hirschen unten an den Geweihen die Aeste, welche bei
Jüngern Thieren vor der Stirn hervorzuragen pflegen. Die
verschnittenen Hirsche verlieren die Geweihe nicht, und
sind sie einmal abgefallen, so wachsen keine neuen wieder.
Wenn die Geweihe sich wieder erneuern, brechen sie zu-
erst als Knollen mit einer dürren Haut überzogen hervor;
dann wachsen sie in zarten Zweigen fort, und sind, gleich
120 Achtes Buch.
den Rohrbüscheln, mit zarter Wolle umkleidet. So lange
ihnen die Geweihe fehlen, gehen sie des Nachts zum Futter;
während des Wachsens erhärten sie durch die Sonnenhitze.
Sie prüfen dieselben zuweilen an Bäumen, und wenn sie
ihnen hart genug erscheinen, so gehen sie wieder an lichte
Orte. Man hat schon Hirsche gefangen, an deren Geweihen
Epheu grünte, welcher beim Probiren der noch zarten Ge-
weihe an Bäumen, gleich wie in Holz, in dieselben einge-
wachsen war. Zuweilen kommen auch weisse Hirsche vor;
diese Farbe soll die Hirschkuh des Q. Sertorius *) gehabt
haben, welche er bei den Völkern Spaniens für eine Wahr-
sagerin ausgab. Auch die Hirsche leben mit den Schlangen
in Feindschaft. Sie suchen deren Höhlen auf, und ziehen
dieselben, trotz ihres Widerstrebens, durch das Schnaufen
ihrer Nasen heraus. Daher dient der Rauch von brennen-
dem Hirschhorn ganz vorzüglich zur Vertreibung der
Schlangen. Gegen ihre Bisse aber giebt das Lab eines
in Mutterleibe getödteten Hirschkalbes ein vortreffliches Heil-
mittel ab. Es ist bekannt, dass die Hirsche lange leben.
Man fing deren mit goldenen Ketten, welche ihnen 100 Jahre
vorher Alexander der Grosse umgehängt hatte, und die
wegen der Wohlgenährtheit der Thiere schon von der Haut
überwachsen waren. Fieberkrankheiten ist diess Thier
nicht unterworfen, ja es benimmt sogar die Furcht davor.
Ich weiss, dass einige vornehme Frauen jeden Morgen
Hirschfleisch zu essen pflegten, und so lange sie lebten vom
Fieber verschont blieben; doch glaubt man, dass sich diess
Mittel nur dann bewähre, wenn das Thier an einer Wunde
gestorben sei. Von derselben Gestalt, nur durch einen
Bart und wolliges Brusthaar verschieden, ist der sogenannte
Bockhirsch 2),der sich am Flusse Phasis undr sonst nirgends
aufhält.
51.
Afrika ist fast das einzige Land, wo keine Hirsche-
») Vergl. A. Gellius, att. Nächte XV. B. 22. Cap.
2) TQaytka<poq, ohne Zweifel ein fabelhaftes Thier.
Achtes Buch.
121
vorkommen; allein das Chamäleon *) lebt dort, doch findet
sich dieses noch häufiger in Indien. An Gestalt und Grösse
würde es einer Eidechse gleichen, wenn seine Beine nicht
gerade und länger wären. Die Seiten bilden mit dem
Bauche ein Ganzes wie bei den Fischen, auch hat es, wie
diese, eine Rückenflosse. Die Schnauze ist einem Schwein-
rüssel im Kleinen ähnlich; der lange Schwanz läuft in eine
Spitze aus und wickelt sich schlangenartig im Kreise herum.
Die Krallen sind gekrümmt; es bewegt sich langsam wie
die Schildkröte; der Körper ist rauh wie beim Krokodil:
die Augen liegen in einer hohlen Vertiefung, sind durch
eine schmale Wand von einander getrennt, sehr gross und
ebenso wie der Körper gefärbt; es schliesst sie nie, und
bewegt beim Umsehen nicht bloss die Pupille, sondern
wendet das ganze Auge. Es sitzt hoch mit stets offenem
Maule, und ist das einzige Thier, welches weder Speise
noch Trank zu sich nimmt, sondern bloss von der Luft
lebt 2). Zur Zeit der Feigenreife ist es wild, sonst aber
unschädlich. Merkwürdig verhält es sich mit seiner Farbe;
es verändert dieselbe nämlich zuweilen, sowohl an den
Augen, wie am Schwänze und dem übrigen Körper. Man
sieht immer die Farbe desjenigen Körpers an ihm, welchen
es zunächst berührt 3), ausgenommen die rothe und weisse.
Nach dem Tode ist es blasser. Fleisch hat es am Kopfe,
den Kinnbacken, und da, wo der Schwanz festsitzt nur sehr
wenig, und sonst am ganzen Körper gar keins. Blut findet
sich nur im Herzen und um die Augen. Unter den Einge-
weiden fehlt die Milz. In den Wintermonaten hält es sich
verborgen, wie die Eidechsen.
') Chamaeleo vulgaris.
2) Es nährt sich vielmehr von Insekten, die es mit seiner langen,
klebrigen und überaus beweglichen Zunge fängt. Da es sehr grosse
Lungen hat, so kann es sich nach Gefallen aufblähen und dünner
machen; daher vermuthlich der Glaube, dass es von der Luft lebe.
3) Seine Schuppen sind glänzend, daher spiegeln sich zuweilen
die Gegenstände seiner Umgebung mit ihren Farben darauf ab.
Seine Farbe überhaupt ist von Natur grünlich grau; sie verändert
sich besonders, wenn es zornig wird.
122 Achtes Buch.
52.
Auch das in Scythien lebende Rennt hie r x) verändert
seine Farbe, sonst aber kein anderes von den Thieren, die
mit Haaren bedeckt sind, ausgenommen der Lycaon 2),
dessen Hals mit einer Mähne bewachsen sein soll. Dann
der Thos 3) (eine Art von Wölfen, aber von längerm Bau
und kürzern Beinen, ist schnell im Springen, lebt von der
Jagd und schadet dem Menschen nicht), ändert zwar seine
Bekleidung, nicht aber die Farbe; es ist nämlich im
Winter rauh, im Sommer kahl. Das Rennthier hat die
Grösse eines Stiers; der Kopf ist grösser als der eines
Hirsches, aber diesem ähnlich. Die Geweihe sind ästig,
die Klauen gespalten, das Haar hat dieselbe Länge wie
beim Bären. Wenn es ihm aber gefällt seine eigne Farbe
anzunehmen, so sieht es einem Esel ähnlich. Sein Fell ist
so fest, dass man Brustharnische daraus macht. Wenn es
in Furcht ist, zeigt es die Farbe aller Bäume, Strauch er,
Blumen und Orte, wo es sich aufhält, daher wird es auch
selten gefangen. Es ist schon wunderbar, dass der Körper
sein Aussehen so vervielfältigen kann, noch wunderbarer
aber ist diess bei den Haaren.
53.
Stachelschweine4) giebt es in Indien und Afrika;
sie gehören zum Geschlechte der Igel 5), haben aber längere
Stacheln, die sie, wenn sie die Haut anspannen, von sich
schiessen können. Es schiesst sie den verfolgenden Hunden
ans Maul und auch wohl noch etwas weiter. In den
Wintermonaten lebt es verborgen, eine Eigenschaft vieler
Thiere, besonders aber des Bären6).
54.
Die Bären begatten sich zu Anfang des Winters, nicht
aber auf die bei vierfüssigen Thieren gewöhnliche Weiser
l) Tarandus. Cervus Taranclus. -) Unbekanntes Thier.
3) Canis aureus, der Schakal.
*) Hystrices. Hystrix cristata. 5) Herinacei.
*) Ursus. Drsne arctos.
Achtes Buch.
123
sondern indem sie beide liegend sich umfassen. Dann
ziehen sie sich, jeder für sich, in ihre Höhlen zurück; das
Weibchen wirft am 30. Tage und höchstens 5 Junge. Diese
sind weisse unförmliche Fleischklumpen, etwas grösser als
Mäuse, ohne Augen und Haare; nur die Klauen, welche
sich nach und nach durch Lecken ausbilden, ragen hervor.
Es giebt nichts Selteneres, als eine werfende Bärin zu
sehen; denn die Männchen halten sich 40 Tage, die Weibchen
aber 4 Monate lang verborgen. Wenn sie keine Höhle
haben, bauen sie aus zusammengetragenen Aesten und
Buschwerk eine Wohnung, die gegen Regen undurchdring-
lich ist, und bereiten ihr Lager aus weichem Laube. In
den ersten 14 Tagen liegen sie in einem so festen Schlafe,
dass sie nicht einmal durch Verwundungen zu erwecken
sind. Während dieses Schlafs werden sie erstaunlich fett.
Dieses Fett dient zu Arzneien und hilft gegen das Aus-
fallen der Haare. Von dieser Zeit an sitzen sie und nähren
sich durch Säugen an den Vorderfüssen. Die erstarrten
Jungen wärmen sie dadurch, dass sie sie an ihre Brust
drücken, und gerade so über ihnen sitzen, wie die Vögel
über den Eiern. Wunderbarerweise glaubt Theopheastus,
dass selbst das während dieser Zeit gekochte Bärenfleisch,
wenn es aufbewahrt würde, wachse. Von Speise findet
man keine Spur im Magen, sondern nur eine sehr geringe
Menge Feuchtigkeit, ferner in der Gegend des Herzens nur
wenige Tropfen Blut, sonst aber im ganzen Körper keine Spur
davon. Im Frühlinge kommen sie wieder zum Vorschein;
die Männchen sind dann ausserordentlich fett, wovon mau
keine hinreichende Erklärung geben kann, denn ausser in
jenen 14 Tagen, wo sie, wie wir gesagt haben, schlafen,
werden sie nicht einmal durch den Schlaf gemästet. Nach-
dem sie wieder hervorgekommen sind, fressen sie das Kraut
Aron, um ihre zusammengeschrumpften Eingeweide zu er-
weichen, und erhärten ihr Maul an den Schösslingen der
Dornsträucher. Ihre Augen werden oft schwach ; sie suchen
vorzüglich deshalb die Bienenstöcke auf, damit die Bienen
sie in die Schnauze stechen, und der erstehende Blutfluss
124 Achtes Buch.
ihnen einige Linderung verschafft. Das schwächste Glied
am Bären ist der Kopf, der am Löwen gerade das stärkste
ist; wenn sie sich daher, bei Verfolgungen, von einem Felsen
stürzen wollen, so springen sie, indem sie den Kopf mit
den Vordertatzen bedecken, und oft wurden sie auf dem
Kampfplatze dadurch, dass man ihnen durch einen Faust-
schlag das Genick brach, getödtet. Die Spanier glauben,
ihr Gehirn enthalte ein Gift, und verbrennen die Köpfe
der in den Kampfspielen getödteten, weil, wie sie be-
haupten, ein daraus bereiteter Trank Bärenwuth bewirkt,
Sie gehen auch auf 2 Beinen einher. Von den Bäumen
klettern sie rücklings herab. Die Stiere ermüden sie durch
ihre Last, indem sie sich mit allen vier Füssen an deren
Hörner hängen; und kein Thier besitzt bei seiner Dumm-
heit so viel List, andern zu schaden. In den Jahrbüchern
findet sich angemerkt, dass unter den Consuln M. Piso und
M. Messala x) am 16. September der Aediliscurulis Damitius
Ahenobarbus 100 numidische Bären und ebenso viele äthio-
pische Jäger in dem Circus habe auftreten lassen. Ich
wundere mich, dass man beigesetzt hat „numidische", da
doch bekanntlich in Afrika keine Bären vorkommen.
55.
Auch die pontischen Mäuse 2) halten sich im Winter
verborgen, jedoch nur die weissen; ihr Gaumen soll ein
köstlicher Bissen sein, begreife aber nicht, woher die
Schriftsteller diess wissen. Auch die Alpen mause 3),
welche die Grösse der Dachse haben, vergraben sich im
Winter, tragen sich aber vorher Nahrung in die Höhle.
Einige erzählen, dass sie abwechselnd, bald das Männchen
bald das Weibchen, auf dem Rücken liegend ein Bündel
Kräuter über sich halten, sich dann von dem andern mit
den Zähnen beim Schwänze fassen und so zur Höhle ziehen
lassen, deshalb soll auch um jene Zeit ihr Rücken ganz
') 61 v. Chr. 2) Mures pontici. Spermophilus Citillus, Ziesel.
3) Muris alpini. Arctomys Marmotta, Murmelthier.
Achtes Buch. 225
abgerieben sein. Auch in Aegypten giebt es diesen ganz
gleiche Thiere; sie sitzen ebenfalls auf dem Hintertheile,
gehen auf 2 Füssen, und brauchen die Vorderpfoten wie
Hände.
56.
Wintervorrath sammeln auch die Igel x) ein; sie wälzen
sich auf abgefallenen Baumfrüchten, spiessen sie mit ihren
Stacheln, nehmen noch überdiess eine ins Maul, und tragen
sie in hohle Bäume. Ebendiese Thiere zeigen auch durch
ihr Verkriechen in Höhlen an, dass sich der Wind von
Nord nach Süd drehet. Wenn sie einen Jäger gewahr
werden, ziehen sie den Kopf, die Füsse und den ganzen
untern Theil, wo sie wenige und nicht stachlichte Haare
haben, ein, und rollen sich in einen Ball zusammen, damit
jener nichts als Stacheln anfassen kann. In der grössten
Angst aber lassen sie einen pestialischen Urin von sich,
der ihrer Haut und ihren Stacheln schadet, denn sie wissen,
dass man ihnen deshalb nachstellt. Daher besteht die
Kunst darin, ihrer habhaft zu werden, wenn sie zuvor den
Urin gelassen haben; denn nur dann ist ihr Fell gut, sonst
aber verdorben, morsch mit faulenden und ausfaulenden
Stacheln, auch selbst, wenn es sich durch die Flucht rettet.
Daher übergiesst er sich nur mit jener verderblichen
Feuchtigkeit, wenn keine Hoffnung der Rettung mehr für
ihn da ist; denn er verabscheuet selbst sein eignes Gift,
schont sich also bis zum letzten Augenblick und wird da-
her fast immer zuvor gefangen. Nachher öffnet man den
Ball durch Besprengen mit kaltem Wasser, ergreift den
Igel an einem der Hinterbeine, hängt ihn daran auf und
lässt ihn verhungern, denn anders ist es nicht möglich, ihn
zu tödten, ohne das Fell zu verletzen. Diess Thier ist nicht,
wie Viele behaupten, für das menschliche Leben unnütz;
denn wenn man seine Stacheln nicht hätte, so wäre die
weisse Wolle des Schafs dem Menschen vergeblich ge-
l) Herinacei. Erinaceus europaeus.
126 Achtes Buch.
schenkt worden. Mit dem Felle reinigt man die Kleider.
Der Betrug hat aus dem Handel damit grossen Vortheil
gezogen, und über keinen Gegenstand sind mehr Senats-
beschlüsse gefasst worden, und so viele Klagen aus den
Provinzen an jeden Kaiser gelangt, als über diesen.
57.
Auch der Urin von 2 anderen Thieren hat wunderbare
Eigenschaften. Ein kleines Thier, der Löwentödter x)
genannt, welches nirgends anders als in der Nähe des
Löwen zu finden ist, lässt einen Urin von sich, durch dessen
Genuss jenes gewaltige Thier, welches über die übrigen
vierfüssigen Thiere herrscht, sogleich stirbt. Daher be-
streuen die, welche dem Löwen nachstellen, mit der Asche
des verbrannten Körpers jenes Thieres anderes Fleisch,
gleichwie mit Graupen, und tödten ihn also sogar durch
die Asche. So schädlich ist ihm dieses Gift! Nicht mit
Unrecht hasst daher der Löwe diess Thier, zertritt es wo
er es erblickt, und tödtet es ohne Biss. Jenes dagegen
spritzt seinen Urin gegen ihn, wohl wissend, dass er dem
Löwen tödtlich ist.
Die Feuchtigkeit, welche der Luchs in seinem Vater-
lande von sich giebt, gesteht und erhärtet zu einem Edel-
steine, der Lyncurium genannt wird, dem Carbunkel ähn-
lich ist und feurig glänzt, und deshalb glauben Viele, der
Bernstein entstehe auf diese Weise. Die Luchse wissen
diess, und bedecken neidisch ihren Urin mit Erde, wodurch
er aber um so schneller erhärtet.
58.
Einer andern List bedienen sich die Dachse2) in der
Angst; sie blasen sich auf und wehren durch diese Aus-
spannung der Haut die Schläge der Menschen und die
Bisse der Hunde ab. Die Eichhörnchen8) sehen ein
Ungewitter vorher, denn sie verscharren ihre Höhlen da.
') Leontophonos, ein unbekanntes Thier.
2) Meles. Meles vulgaris. 3) Sciuri. Sciurus vulgaris.
Achtes Buch. j97
woher der Wind kommt, und öffnen sie auf der entgegen-
gesetzten Seite. Uebrigens dient ihnen ihr stark behaarter
Schwanz als Decke. — Einige Thiere versorgen sich also
für den Winter mit Futter, andere schlafen statt zu fressen.
59.
Unter den Schlangen soll sich die Viper allein in
der Erde aufhalten, die übrigen aber in hohlen Bäumen
oder zwischen Felsen. Uebrigens können sie wohl ein
Jahr lang Hunger leiden, wenn sie nur vor Kälte geschützt
sind. Alle haben, wenn sie ihren Winterschlaf halten,
kein Gift.
Eine ähnliche Lebensweise haben die Schnecken;
aber diese schlafen auch im Sommer, wo sie sich meisten-
theils an Steine hängen, so dass, wenn man sie auch ge-
waltsam umbiegt und abreisst, sie doch nicht auskriechen
Auf den balearischen Inseln giebt es sogenannte Höhlen -
Schnecken *), die nicht aus ihren Löchern in der Erde
hei vorkriechen, nicht von Kräutern leben, sondern trauben-
artig aneinander hängen. Es giebt noch eine andere,
weniger gemeine Art, die sich vermöge eines au ihrem
Gehäuse befindlichen Deckels verschliessen kann; diese
stecken beständig in der Erde, und wurden vormals nur
in der Gegend der See-Alpen ausgegraben, doch jetzt findet
man sie auch im Liternischen. Die besten unter allen aber
giebt es auf der Insel Astypaläa.
60.
Die Eidechsen, die grössten Feinde der Schnecken,
sollen nicht über ein halbes Jahr alt werden. Die arabischen
Eidechsen sind einen Cubitus lang; in Indien aber auf dem
Berge Nysa giebt es welche, die 24 Fuss Länge, eine fahl-
gelbe, purpurrothe oder blaue Farbe haben.
61.
Auch von den Thieren, welche in unserer Gesellschaft
leben, sind viele einer nähern Betrachtung werth; am
') Cochleae cavaticae.
128 Achtes Buch.
treuesten unter allen sind der Hund und das Pferd dem
Menschen ergeben. Ich habe erfahren, dass ein Hund für
seinen Herrn gegen Räuber kämpfte, und als dieser den
Streichen unterlegen war, nicht von dem Leichnam wich,
sondern die Vögel und wilden Thiere abwehrte. Von
einem andern in Epirus erzählt man, er habe in einer Ver-
sammlung den Mörder seines Herrn erkannt, und denselben
durch Beissen und Bellen dahin gebracht, das Verbrechen
zu bekennen. Einen König der Garamanter brachten
200 Hunde aus der Verbannung zurück, und kämpften
gegen die, welche sich widersetzten. Die Colophonier und
die Castabalenser hielten sich ganze Heerden von Hunden
zum Gebrauche im Kriege; diese stritten immer zuerst in
den Schlachten und zeigten sich niemals widerspenstig; sie
waren die treuesten Hülfstruppen und bedurften keines
Soldes. Hunde verth eidigten nach der Niederlage der Cim-
bern deren auf Lastwagen liegenden Zelte. Ein Hund
wollte nach der Ermordung des Lyciers Jason kein Futter
zu sich nehmen, und starb vor Hunger. Der aber, dessen
Namen „Hyrcanus" uns Duris überliefert hat, stürzte sich
in die Flammen des Scheiterhaufens, auf dem der Leich-
nam des Königs Lysimachus verbrannt wurde; dasselbe
that der Hund des Königs Hiero. Auch Philistus x) er-
wähnt eines treuen Hundes des Tyrannen Gelo, Namens
Pyrrhus. Ferner wird eines Hundes des bithynischen Königs
Nicomedes gedacht, der dessen Gattin Consingis wegen
eines unziemlichen Scherzes mit ihrem Ehemann zerriss.
Bei uns vertheidigte ein Hund den berühmten Volcatius,
der dem Cascellius das bürgerliche Recht lehrte, als er auf
einem asturischen Pferde 2) von seinem Landgute zurück-
kehrte, gegen einen Räuber. Dasselbe war der Fall mit
dem Senator Cälius, welcher krank zu Placentia von Be-
waffneten angefallen, und nicht eher verwundet wurde, bis
sein Hund getödtet war. Aber alle Beispiele übertrifft das,
was sich in unserm Zeitalter ereignet hat, und durch die
') Aus Syrakus, starb 356 v. Chr. '-') Asturco.
Achtes Buch. 12<}
öffentlichen Urkunden des römischen Volkes beglaubigt
wird. Als unter den Consuln Appius Junius und P. Silius l)
der Titius Sabinus und seine Dienerschaft bei der Ver-
schwörung des Nero, des Sohnes des Germanikus, zur
Strafe gezogen wurden, konnte der Hund des einen von
diesen nicht vom Gefängnisse weggetrieben werden; er
wich nicht von dessen Leichnam, als derselbe über die
Seufzerstuffen 2) herabgestürzt war, erhob, von einer Menge
Volks umgeben, ein klägliches Geheul und als ihm jemand
etwas zu fressen vorwarf, trug er diess zum Munde des
Todten. Er schwamm dem Leichnam, welcher in die Tiber
geworfen wurde, nach und suchte ihn oben zu erhalten,
wobei eine Menge Volks herbeiströmte, um das treue Thier
zu sehen.
Nur die Hunde allein kennen ihren Herrn, und wissen
es, wenn ein Unbekannter, sei es auch noch so unvermerkt,
erscheint. Sie allein verstehen ihre Namen, und die Sprache
im Hause. Wege merken sie sich, selbst wenn diese sehr
lang sind. Kein anderes Geschöpf, ausser dem Menschen, hat
ein stärkeres Gedächtniss. Ihre Wuth wird besänftigt,
wenn der von ihnen angefallene Mensch sich auf die
Erde setzt.
Noch viele andere schätzbare Eigenschaften hat man
an ihnen nach und nach entdeckt. Aber ganz vorzüglich
zeigt sich ihre Geschicklichkeit und Klugheit auf der Jagd.
Der Hund sucht und verfolgt die Spur und zieht den ihn
begleitenden Jäger an der Leine zum Wilde hin; sieht er
es, wie still und verborgen und doch wie deutlich ist das
Zeichen, das er erst mit dem Schwänze, dann mit der
Schnauze giebt? Daher trägt man sogar alte, blinde und
schwache Hunde auf dem Anne bei sich, weil sie den Wind
») 27 n. Chr.
J) Gradus gemitorii hiess ein mit Stuffen versehener Ort zu Rom,
wohin die Körper der hingerichteten Verbrecher geschleift wurden.
Hier stürzte man sie die Stuffen hinab, und schleppte sie nach eini-
ger Zeit mit einem Haken in die Tiber.
Wittstein: PliniM. H. B4. 9
130 Achtes Buch.
und die Witterung riechen, und mit der Schnauze die Lager
des Wildes anzeigen. Die Indier lassen sie gern mit Tigern
sich begatten, und binden deshalb die Weibchen zur Lauf-
zeit in den Wäldern an. Die Jungen vom ersten und
zweiten Wurfe halten sie für zu wild, erst die vom dritten
ziehen sie auf. Dasselbe thun die Gallier mit den Wölfen,
und jede ihrer Heerden hat einen solchen Abkömmling zum
Lenker und Führer. Diesen begleiten sie auf der Jagd
und gehorchen ihm; denn sie haben unter sich ordentlich
eine Art Regiment. Dass sie am Nile das Wasser im
Laufe lecken, um nicht der Raubgier der Crocodile zur
Beute zu werden, ist Thatsache. Als Alexander der Grosse
nach Indien zog, schenkte ihm der König von Albanien
einen Hund von ungewöhnlicher Grösse; über dessen Schön-
heit erfreuet befahl jener, Bären, dann Eber und endlich
Dammhirsche auf ihn loszulassen, wobei aber der Hund
voll Verachtung unbeweglich liegen blieb. Diese Trägheit
des grossen Thieres verdross den heldenmüthigen Feldherrn
so sehr, dass er ihn tödten liess. Als diess der König er-
fuhr, sandte er ihm einen zweiten und liess ihm sagen, er
möge keine kleine Thiere, sondern Löwen oder Elephanten
gegen ihn versuchen; er habe nur zwei solcher Hunde ge-
habt, würde auch dieser gotödtet, so gäbe es keinen mehr.
Alexander zögerte nicht mit der Ausführung und sogleich
sähe er den Löwen bezwungen. Hierauf liess er einen
Elephanten vorführen, und wurde durch ein alles überstei-
gendes Schauspiel ergötzt, denn am ganzen Körper des
Hundes starrten die Haare borstig hervor, zuerst brach er
in ein lautes Bellen aus, dann sprang er gegen den Ele-
phanten bald von dieser bald von jener Seite an, kämpfte
mit der hier so notwendigen Kunstfertigkeit, indem er
abwechselnd angriff und zurückwich, und ermüdete ihn
durch stetes Herumtreiben so, dass dieser endlich unter
heftiger Erschütterung der Erde umfiel.
62.
Das Hundegeschlecht wirft zweimal im Jahre. Wenn
sie 1 Jahr alt sind, können sie schon gebären. 60 Tage
Achtes Buch. iq-i
lang tragen sie. Die Jungen werden blind geboren, und
je reichlicher dieselben Milch geniessen, desto später öffnen
sich ihre Augen, jedoch geschieht diess niemals später als
am 21. oder früher als am 7. Tage. Einige sagen, wenn
nur 1 Junges zur Welt käme, so würde es am 9. Tage
sehend; wenn 2 am 10., und so erfolgte mit jedem einzel-
nen Jungen mehr das Sehen um einen Tag später. Auch
soll eine Hündin, die von einer zum ersten Male gebären-
den geworfen ist, Faunen l) sehen können. Das beste unter
den Jungen soll das sein, welches am spätesten sehen
lernt, und welches die Mutter zuerst auf's Lager legt.
63.
Die Hunds wuth, welche während des Leuchtens des
Sirius ausbricht, ist dem Menschen höchst verderblich, denn
die Gebissenen werden, wie wir gesagt haben 2), von einer
tödtlichen Wasserscheu befallen. Man beugt dieser Krank-
heit vor, wenn man während dieser 30 Tage 3) viel Hühner-
mist, oder wenn sie sich schon früher eingestellt hat, Nies-
wurz 4) unter das Futter der Hunde mischt.
Gegen den Biss aber hat man neuerlich das einzige
Heilmittel gleichsam durch eine göttliche Eingebung 5) in
der Wurzel der Waldrose, welche Hundsrose 6) genannt
wird, gefunden. Columella 7) sagt, wenn dem Hunde am
40. Tage nach seiner Geburt der Schwanz durch Abbeissen
dergestalt verstümmelt würde, dass man das letzte Glied
desselben abnähme und den darauf folgenden Nerv auszöge,
so wüchse der Schwanz nicht wieder, und die Hunde würden
auch nicht toll. Unter den Wunderzeichen (denn diess
halte ich für nöthig dabei zu bemerken) finde ich ange-
•) Eine Art Waldgeister, wie die Satyrn etc. 2) VII. B. 13. Cap.
3) Die Anzahl der Hundstage; andere Schriftsteller nehmen 40,
andere noch mehr an. 4) Veratrum.
5) Plinius erzählt diesen Umstand ausführlich im XXV. B. 6. C.
•) Cynorrhodoe. Rosa canina L.
7) Aus Gades, lebte in der Mitte des 1. Jahrh. n. Chr., meist
zu Rom.
9*
132 Achtes Buch.
führt, dass zur Zeit der Vertreibung des Königs Tarquinius *)
ein Hund geredet und eine Schlange gebellt habe.
64.
Eben derselbe Alexander hatte auch ein äusserst sel-
tenes Pferd, welches, entweder wegen seines furchtbaren
Ansehens oder wegen des ihm auf dem Vorderbug einge-
brannten Bildes eines Ochsenkopfes, Bucephalus hiess. Es
soll für 13 Talente aus der Stuterei des Pharsaliers Philo -
nicus gekauft worden sein, und Alexander war schon als
Knabe von seiner Schönheit eingenommen. Es Hess, wenn
es mit dem königlichen Schmucke angethan war, Niemanden
anders als Alexander aufsitzen, ausserdem aber auch An-
dere. In Schlachten soll es ihm besondere Dienste geleistet
haben; bei der Belagerung von Theben wurde es verwundet,
duldete aber nicht, dass Alexander ein anderes Pferd be-
stieg. Ausserdem sind noch vorher andere Beispiele der
Art bekannt. Deshalb Hess es auch der König, als es ge-
storben war, feierlich beerdigen und bauete um sein Grab
eine Stadt, die seinen Namen bekam. Auch das Pferd des
Dictators Cäsar soll Niemanden anders auf seinen Rücken
gelassen haben; seine Vorderhufe sollen Menschenfüssen
ähnlich gewesen sein und in dieser Gestalt ist es vor dem
Tempel der Venus Genetrix angebracht. Auch der Kaiser
Augustus Hess sein Pferd, über welches ein Gedicht des
Germanikus Cäsar vorhanden ist, beerdigen. Zu Agrigent
sind die Gräber mehrerer Pferde mit Pyramiden geziert.
Juba erzählt, Semiramis habe ihr Pferd so sehr geliebt,
dass sie sich mit ihm vermischt habe. Die Scythen rühmen
sich ihrer Reiterei und ihrer Pferde. Als einer ihrer
Könige im Zweikampfe geblieben war und der Sieger her-
bei kam, um jenen zu berauben, wurde er von dem Pferde
des Königs durch Schlagen und Beissen getödtet. Als
man einem andern Pferde die Decke vor den Augen weg-
genommen hatte, und es erkannte, dass es seine Mutter
') Der letzte römische König, der 509 v. Chr. vertrieben wurde.
Achtes Buch.
133
besprungen habe, soll es zu einem Abhänge gelaufen sein
und sich da hinunter gestürzt haben. Aus gleicher Ursache
wurde, wie ich finde, ein Aufseher im Reatinischen von
einer Stute zerrissen. Denn sie kennen ihre Verwandten
und in einer Heerde vom vorigen Jahre geht das weibliche
Füllen lieber mit der Schwester als mit der Mutter. Ihre
Gelehrigkeit ist so gross, dass die ganze Reiterei des Sy-
baritanischen Heeres nach gewissen musikalischen Tönen
zu tanzen pflegte. Sie wissen vorher, wenn eine Schlacht
bevorsteht, beklagen ihre verlorenen Herren und vergiessen
vor Sehnsucht zuweilen Thränen. Nach der Ermordung
des Königs Nicomedes hungerte sich sein Pferd zu Tode.
Phylarchus erzählt, der Galater Centaretus habe, nachdem
Antiochus in der Schlacht getödtet war, dessen Pferd be-
stiegen und so seinen siegreichen Einzug gehalten. Aber
jenes sei so von Unwillen entbrannt, dass es sich der Zügel
bemächtigte, damit man es nicht mehr lenken könne, sich
von einem Abhänge herunter stürzte, und mit dem Reiter
zugleich das Leben aushauchte. Philistus erzählt, Dionysius
habe ein Pferd, was im Kothe stecken geblieben sei, zu-
rückgelassen; nachdem es sich aber heraus gearbeitet, sei
es der Spur seines Herrn mit einem Bienenschwarm auf
der Mähne gefolgt, und in Folge dieses Wunderzeichens
habe sich Dionysius der Herrschaft bemächtigt.
65.
Ihre unbeschreibliche Klugheit erfahren die Lanzen -
reiter *) an ihrem Gehorsam, indem sie schwierige Unter-
nehmungen durch Wendungen ihres Körpers noch erleichtern.
Sie heben sogar Pfeile von der Erde auf und reichen sie
dem Reiter. Ferner die, welche im Circus vor Wagen ge-
spannt laufen, geben unbezweifelt ihren Sinn für Auf-
munterung und Ruhm zu erkennen. Als bei den circen-
sischen Secularspielen des Kaisers Claudius der zur weissen
Parthei 2) gehörige Wagenlenker Corax in den Schranken
') Jaculantes. 2) Vergl. VII. B. 54. Cap.
134 Achtes Buch.
vom Wagen fiel, gewannen dessen Pferde doch den ersten
Preis, indem sie theils den andern den Weg vertraten,
theils aus voller Macht rannten, und alles das gegen ihre
Nebenbuhler thaten, was sie unter Aufsicht des geschick-
testen Wagenlenkers nur hätten vollführen können; da
man sich schämte, dass der Mensch an Kunstfertigkeit von
den Pferden übertroffen würde, blieben sie nach richtig
beendigtem Laufe am Ziele *) stehen. Ein noch grösseres
Wunder trug sich bei unsern Vorfahren zu; bei den plebe-
jischen circensischen Spielen 2) fiel ein Wagenlenker von
seinem Wagen herab, die Pferde aber liefen, als ob er noch
darauf stände, auf das Capitolium und 3mal um den Tempel
herum. Das allermerkwürdigste Ereigniss der Art war
aber, dass Pferde mit Palme und Kranz von Veji her-
kamen, nachdem ihr Wagenlenker Ratumena, der daselbst
gesiegt hatte, herabgestürzt war; man gab deshalb einem
Thore Roms seinen Namen.
Wenn die Sarmaten weite Reisen unternehmen wollen,
so bereiten sie ihre Pferde dazu auf die Weise vor, dass
sie ihnen den Tag zuvor nichts zu fressen und nur sehr
wenig zu saufen geben, und dann reiten sie auf ihnen
150,000 Schritte weit ununterbrochen fort. Einige Pferde
leben 50 Jahre, die Stuten werden jedoch nicht so alt,
diese hören mit dem fünften Jahre auf zu wachsen, die
Hengste mit dem sechsten. Von der Gestalt der Pferde
und worauf man bei ihrer Auswahl vorzüglich sehen muss,
davon hat der Dichter Virgil 3) sehr schön und vollständig
') Creta. Eine am Ende der Rennbahn quer über den Circus
hingehende, mit weisser Erde, Kalk oder Kreide (creta) angefüllte
Furche, vor der man still hielt.
2) Es gab nämlich zweierlei circensische Spiele: patricii, die
von Imperatoren, Consuln und curulischen Aedilen im Circus maximus ;
und plebejische, die von den plebejischen Aedilen im Cireus Fla-
minius gegeben wurden. Jene wurden bei verschiedenen Gelegen-
heiten, diese aber stets vom 20. Oct. an gehalten und dauerten
2 Tage.
3) Virgil vom Landbau B. III. Vers 72.
Achtes Buch.
135
gehandelt. Auch ich habe in meiner Schrift „Von dem
Spiessewerfen der Reiterei" davon gesprochen, und
sehe, dass fast unter allen Schriftstellern gleiche Meinungen
in dieser Beziehung herrschen. Bei solchen Pferden aber,
die im Circus gebraucht werden, geht man von andern An-
sichten aus; während nämlich zu andern Verrichtungen schon
zweijährige gebraucht werden, bedient man sich zum
Kampfe nie jüngerer als fünfjähriger.
66.
Die Pferde sind 11 Monate lang trächtig und werfen
im 12. Die Begattung erfolgt zur Zeit des Frühlingsäqui-
noctii, und beginnt bei beiden Geschlechtern gewöhnlich
mit dem zweiten Jahre, allein das Junge vom 3jährigen
ist dauerhafter. Die Zeugungsfähigkeit dauert bei den
Hengsten bis zum 33. Jahre, wie sie denn auch nach il rem
20. Jahre aus dem Circus als Beschäler entlassen weiden.
Zu Opus sollen sie auch bis zum 40. Jahre ausdauern,
nur muss man ihnen dann durch Hebung ihres Vorderleibes
zu Hülfe kommen. Allein wenige Thiere haben eine gerin-
gere Fruchtbarkeit zur Zeugung; daher lässt man sie auch
nur von Zeit zu Zeit zu, und dessenungeachtet können sie
keine 15 Sprünge in einem Jahre aushalten. Die Stuten
verlieren die Geilheit durch Abschneiden der Mähne. Sie
werfen alle Jahre bis zum 40. Man erzählt von einem
Pferde, welches 75 Jahre gelebt haben soll. Bei dieser
Thiergattung wirft das Weibchen im Stehen und liebt
ihr Junges mehr, als diess bei andern Thieren der
Fall ist. Und wirklich sollen die Pferde ein Liebesgift,
Hippomanes genannt, an der Stirn, von der Grösse einer
Feige und von schwarzer Farbe, mit auf die Welt bringen,
was die Mutter sogleich nach der Geburt auffrisst; wenn
es aber Jemand vorher schon abgenommen hat, so lässt sie
das Junge nicht saugen. Ist jener Stoff vorher schon weg-
genommen, so gerathen diese Thiere schon durch den Ge-
ruch desselben in Wuth. Hat ein Füllen in einer Heerde
seine Mutter verloren, so ziehen die übrigen säugenden
Mütter das verwaiste auf. Das Junge soll vor dem 3. Tage
136 Achtes Buch.
nach der Geburt mit dem Munde die Erde nicht berühren
können. Je mutniger ein Pferd ist, desto tiefer taucht es
beim Saufen die Nase ins Wasser. Die Scythen bedienen
sich im Kriege lieber der Stuten, weil diese den Urin im
Laufe ungehindert Ton sich geben.
67.
Es ist bekannt, dass in Lusitanien in der Gegend der
Stadt Olisipo *) am Flusse Tagus die Stuten, wenn sie sich
dem Westwinde entgegenstellen, einen Lebenshauch em-
pfangen, dadurch trächtig werden und so die schnellste
Art von Pferden gebären, welche aber nicht über 3 Jahre
leben. In Spanien giebt es auch die gallaische und astu-
rische Race (dieselben, welche wir Thieldones 2), und wenn
sie kleiner sind, Asturcones 3) nennen), welche beim Laufen
nicht wie gewöhnlich ausschreiten, sondern durch abwech-
selndes Auswerfen der Schenkel eine sanfte Bewegung her-
vorbringen; daher lehrt man dem Pferde durch Kunst das
Traben. Das Pferd ist fast allen Krankheiten des Menschen
ausgesetzt, und ausserdem noch der Verdrehung der Blase 4),
wie alle Thiere aus der Gattung des Zugviehs.
68.
M. Varro erzählt, der Senator Q. Axius habe einen
Esel für 400,000 Sesterzien gekauft, und ich weiss nicht,
ob jemals ein höherer Preis für ein Thier bezahlt ist.
Die Dienste, welche uns dieses Thier, selbst beim Feldbau
leistet, sind bewunderungswürdig, aber am allerwichtigsten
wird es uns durch die Erzeugung der Maulthiere. Man
sieht auch bei den Eseln aufs Vaterland, und schätzt in
Achaja die arcadischen, in Italien die reatinischen. Dieses
Thier kann keine Kälte vertragen; daher pflanzt es sich
auch am Pontus nicht fort, wird auch nicht zur Zeil des
Frühlings-Aequinoctii, wie die übrigen Hausthiere, sondern
im Sommer -Solstitium zugelassen. Die Männchen ver-
schlechtern sich, wenn sie unthätig sind. Die Eselinnen
') Lissabon. 2) Passgänger. 3; Zelter. 4) Conversio vesicae.
Achtes Buch.
13«
werfen schon im 30. Monate, aber erst nach ihrem 3. Jahre
ist das Junge rechtzeitig; sie werfen ebenso viele, wie die
Pferde, nach ebenso viel Monaten und auf dieselbe Weise.
Aber die Gebärmutter kann den Samen nicht bei sich be-
halten und giebt ihn mit dem Urin wieder von sich, wenn
nicht die Eselin gleich nach dem Sprunge durch Schläge
zum Laufen getrieben wird. Selten wirft sie 2 zugleich;
wenn sie werfen will, flieht sie das Tageslicht und sucht
die Finsterniss, um nicht von Menschen gesehen zu werden.
Sie wirft, so lange sie lebt, d. i. bis zum dieissigsten Jahre.
Für ihre Jungen zeigen sie die grösste Zärtlichkeit, aber
vor Wasser haben sie eine gewaltige Scheu. Sie laufen
durchs Feuer zu ihren Jungen, allein, ist der kleinste Bach
dazwischen, so werden sie dergestalt abgeschreckt, das*
sie sich sehr vorsehen, die Füsse nicht nass zu machen.
Auch saufen sie nur aus den Wasserbehältern in den Vieh-
ställen, an welche sie gewöhnt sind, und auch nur dannr
wenn sie trocknen Fusses dazu gelangen können. Sie
gehen über keine Brücke, durch deren Bisse man das
Wasser durchschimmern sieht. Merkwürdigerweise dursten
sie, und wenn mit dem Wasser eine Veränderung vorge-
nommen ist, so müssen sie durch Gewalt oder Bitten zum
Saufen gebracht werden. Sie liegen auf ihrer Streu ziem-
lich weit von einander entfernt, denn im Schlafe haben sie
mancherlei Träume, wobei sie häufig mit den Füssen um
sich schlagen; gingen nun diese Schläge nicht in die Lüfte7
sondern an harte Körper, so würden sie dadurch bald lahm
werden. Der Gewinn, den man von ihnen zieht, übertrifft
den der einträglichsten Landgüter. Es ist bekannt, dass
in Celtiberien eine einzige Eselin 400,000 Sesterzien ein-
bringt *). Bei den Mauleselfüllen soll es besonders auf
die Haare der Ohren und Augenbraunen der letztern an-
kommen; denn wenn die Eselin auch am übrigen Körper
einfarbig ist, so sollen doch jene ebenso viele Farben haben r
') Durch die Zucht der Jungen, die sie wirft.
138 Achtes Buch.
wie an den genannnten Theilen sich fanden. Die Füllen
dieser Thiere zu essen brachte Mäcenas zuerst auf, und
zu jener Zeit zog man sie den wilden Eseln weit vor;
später aber verlor sich der Geschmack an diesem Fleische.
Hat ein Esel einen andern sterben sehen, so geht er bald
darauf ebenfalls zu Grunde.
69.
Vom Esel und der Stute fällt im 13. Monate das Maul-
thier, ein durch seine Kräfte zur Arbeit äusserst taugliches
Thier. Man wählt hierzu Stuten, die nicht jünger als 4,
und nicht älter als 10 Jahre sind; beide Gattungen aber
sollen nicht zusammen gehen, wenn sie nicht als Füllen
die Milch der andern Gattung, mit der sie sich vermischen
sollen, getrunken haben. Deshalb nimmt man in der
Dunkelheit die Eselsfüllen und bringt sie an die Zizen der
Stuten, und umgekehrt die Pferdefüllen an die der Eselinnen.
Das von einem Hengste und einer Eselin erzeugte Thier
weiblichen Geschlechts x) lässt sich nicht zähmen, und be-
sitzt eine unbezwingliche Trägheit, alles an ihm ist lang-
sam wie bei alten Leuten. Den von einem Hengste em-
pfangenen Samen treibt der darauf folgende Sprung eines
Esels als Fehlgeburt wieder ab, nicht so, wenn nach dem
Esel ein Hengst springt. Man hat beobachtet, dass die
Weibchen den 7. Tag nach dem Werfen am besten em-
pfangen, und dass die Männchen, wenn sie ermüdet sind,
besser befruchten. Das Weibchen, welches nicht vor dem
Verluste der Milchzähne empfangen hat, wird für unfrucht-
bar gehalten, sowie auch das, welches nicht nach dem
ersten Sprunge trächtig wird. Die von einem Hengste und
einer Eselin gefallenen Thiere männlichen Geschlechts
nannten die Alten Maulesel2); dagegen die von einem
Esel und einer Stute gefallenen, Maulthiere 3). Man hat
bemerkt, dass die von 2 verschiedenen Gattungen erzeugten
Thiere eine dritte Gattung bilden und keinem ihrer Eltern
ähnlich, und dass im ganzen Thierreiche alle auf solche
l) Mula. 2) Hinnu*. *) Mulus.
Achtes Buch.
139
Art Geborenen nicht wieder zeugungsfähig sind; daher
denn auch die Maulthiere sich nicht fortpflanzen. In unseren
Jahrbüchern finden sich zwar mehrere Fälle aufgezeichnet,
wo sie Junge bekommen haben, allein dergleichen hielt
man für ein Wunderzeichen. Theophrastus giebt an, in
Cappadocien würfen sie sehr häufig, aber dort bildeten sie
eine eigene Gattung. Das Ausschlagen des Maulthiers wird
durch häufigen Genuss von Wein verhindert. In den
Schriften mehrerer Griechen findet man, dass aus der Ver-
mischung einer Stute mit einem Maulthiere eine Art ent-
stände, die ginnus, d. h. kleines Maulthier, heisst. Von einer
Stute und einem gezähmten Waldesel fallen Maulthiere, die
schnell laufen können, äusserst harte Füsse, einen magern
Leib und unbändigen Sinn haben. Aber ein von einem
Waldesel und einer Eselin erzeugter übertrifft alle andern.
Die Waldesel in Phrygien und Lycaonien sind die besten.
Ihrer durch Geschmack sich auszeichnenden Füllen, welche
Lalisionen heissen, rühmt sich Afrika. Dass ein Maulthier
80 Jahre alt geworden sei, erhellt aus den Geschichtsbüchern
der Athenienser, und aus Freude darüber, dass es bei dem
Tempelbau auf der Burg *), obgleich vom Alter niederge-
drückt, die hinaufsteigenden Lastthiere begleitete und durch
seine Anstrengung ermunterte, erliessen sie eine Verord-
nung, welche den Getreidehändlern untersagte, es von den
Siebbeuteln 2) abzuhalten.
70.
Die indischen Ochsen sollen die Höhe der Kameele
erreichen, und ihre Hörner eine Breite von 4 Fuss ein-
nehmen. In unserm Welttheile sind die epirotischen die
vorzüglichsten, seitdem, wie man sagt, der König Pyrrhus
auf ihre Zucht sich legte. Er erreichte seinen Zweck da-
durch, dass er sie nicht vor dem 4. Jahre sich begatten
Hess. Sie wurden daher ausserordentlich gross, und noch
jetzt haben sich einige jener Stämme erhalten. Jetzt aber
») Zur Zeit des Perikles. ■) Incernicula.
140 Achtes Buch.
werden schon einjährige oder höchstens zweijährige zum
Bespringen genommen. Die Stiere befruchten, wenn sie
4jährig sind, 10 Kühe in jedem Jahre. Man sagt, wenn
die Stiere nach der Begattung nach der rechten Seite hin
abgehen, so entständen Männchen, wenn sie aber nach der
linken Seite hin abgehen, Weibchen. Zur Befruchtung ge-
nügt schon ein Sprung; wenn dieser aber fehl geschlagen
ist, so kommt die Kuh nach dem 20. Tage wieder zum
Stiere. Die Kühe werfen im 10. Monate; was früher ge-
boren wird, taugt nicht. Einige Schriftsteller behaupten,
die Geburt erfolge genau am letzten Tage des zehnten
Monats. Selten kommen 2 Kälber zur Welt. Die Be-
gattungszeit beginnt beim Aufgange des Delphins am
4. Januar und dauert 30 Tage; bei einigen erfolgt sie auch
im Herbste. Bei den Völkern, die von der Milch leben,
ist eine solche Einrichtung getroffen, dass sie zu allen
Zeiten des Jahres dieses Nahrungsmittel in hinreichender
Menge haben. Die Stiere springen nicht öfter als zweimal
des Tages. Diese Thiere sind die einzigen, welche auch
im Rückwärtsgehen weiden; bei den Garamanten aber
fressen sie nie anders. Die Kühe werden höchstens 15,
die Stiere 30 Jahre alt. Ihre volle Kraft haben sie im
5. Jahre. Durch Waschen mit warmem Wasser sollen sie
fett werden, auch, wenn man die Haut aufschneidet, und
mittelst eines Rohres Luft in die Eingeweide bläst. Man
muss sie nicht für schlecht halten, wenn sie nicht schön
aussehen. Am meisten Milch geben die Alpenkühe, obgleich
sie die kleinsten sind, auch können diese die meiste Arbeit
ertragen, und werden am Kopfe, nicht am Halse einge-
spannt. Die syrischen haben keine Wammen, aber einen
Höcker auf dem Rücken. Auch die carischen in einem
Theile Asiens sind von schlechtem Ansehen, haben über
dem Vorderbug am Nacken einen hervorragenden Knollen,
verdrehete Hörner, sollen aber vortrefflich zur Arbeit sein;
übrigens werden nur die schwarzen und weissen zur Ar-
beit genommen. Die Kühe haben kleinere und dünnere
Hörner als die Stiere. Die letztern werden im 3. Jahre
Achtes Buch.
141
gezähmt; vorher ist es zu früh, nachher aber zu spät. Am
besten wird ein junges Thier mit einem schon zahmen zu-
sammen gespannt. Wir haben an diesem Thiere einen
Gefährten bei der Arbeit und beim Feldbau, und die Alten
trugen solche Sorgfalt für dasselbe, dass z. B. Einer von
dem römischen Volke vor Gericht verurtheilt wurde, weil
er auf Veranlassung seines lüsternen Schlafkameraden,
welcher sagte, er habe auf dem Lande noch keinen Ochsen-
magen gegessen, einen Ochsen geschlachtet hatte; man
schickte ihn ins Exil, gleichsam als wenn er seinen Pächter
erschlagen hätte.
Der Stier hat ein ehrwürdiges Ansehen; seine Stirn
ist furchtbar, die Ohren sind borstig, und die Hörner
scheinen immer zum Kampfe aufzufordern. Aber sein
Drohen zeigt sich nur in den Vorderfüssen. Im Zorne
steht er, scharrt mit einem Vorderfusse um den andern
rückwärts, und wirft sich Sand gegen den Bauch; er ist
das einzige Thier, was sich auf diese Weise zur Wuth
reizt. Ich habe welche gesehen, die auf Befehl mit ein-
ander kämpften und deshalb öffentlich gezeigt wurden; sie
umkreisten sich, wurden, wenn sie fielen, vom Gegner mit
den Hörnern aufgefangen, machten sich wieder auf und
hoben die liegenden von der Erde auf; ja sie standen, gleich
wie Wagenlenker, auf zweispännigen Wagen, die im vollen
Laufe waren. Die Thessalier haben erfunden, die Stiere
auf die Weise zu tödten, dass man neben ihnen herreitet,
ein Hörn fasst und ihnen den Hals umdreht; der Dictator
Cäsar gab zuerst ein solches Schauspiel zu Rom. Diese
Thiere geben die reichsten Opfer und sie sind es, wodurch
die Götter am feierlichsten besänftigt werden. Unter allen
Thieren, welche langgeschwänzt sind, ist diess das einzige,
dessen Schwanz nicht gleich bei der Geburt, wie bei den
übrigen, seine vollkommene Länge hat; ihm allein wächst
er fort bis er unten an die Füsse reicht. Daher besteht
die Probe beim Kalbe, wenn es zum Opfer genommen
werden soll, darin, dass der Schwanz die Kniekehle be-
rühren muss; ist er kürzer, so wird es nicht geopfert. Man
142 Achtes Buch.
bat auch bemerkt, dass Kälber, die auf den Schultern eines
Menschen zum Altare gebracht sind, kein günstiges Opfer
geben, sowie sich die Götter weder durch hinkende, noch
durch fremde *) Opfer-Thiere , oder solche , die sich vom
Altare wegsträuben, besänftigen lassen. Unter den Wunder-
zeichen der Alten findet sich auch häufig angeführt, dass
ein Ochse geredet habe; wenn diess bekannt wurde, so
pflegte man den Senat unter freiem Himmel zu halten.
71.
In Aegypten wird sogar ein Ochse, unter dem Namen
Apis als Gott verehrt. Seine Auszeichnung ist ein weisser
Fleck auf der rechten Seite mit zwei, dem zunehmenden
Monde gleichen Spitzen; ferner ein Knoten unter der Zunge,
welcher cantharus genannt wird. Er darf nicht eine ge-
wisse Anzahl Jahre 2) tiberleben; sie ersäufen ihn daher in
der Quelle der Priester, suchen voll Betrübniss einen
andern an seine Stelle zu bekommen, und trauern sogar
mit geschornem Haupte so lange, bis sie ihn gefunden haben.
Jedoch brauchen sie niemals lange zu suchen. Der Ge-
fundene wird von den Priestern nach Memphis gebracht.
Er hat dort 2 Tempel, welche Thalami heissen, und für
die Völker Orakel sind. Geht er in den einen, so bedeutet
es Glück, geht er aber in den andern, Unglück. Einzelnen
ertheilt er auf die Weise Antwort, dass er aus ihren Händen
frisst. Von der Hand des Germanicus Cäsar 3) wandte er
sich ab, und dieser starb auch nicht lange nachher. Uebri-
gens lebt er ganz abgesondert; wenn er aber unter das
Volk kommt, so machen ihm Lictoren Platz, und eine
Schaar Knaben begleiten ihn, und singen ihm zu Ehren
Hymnen. Es scheint, dass er diess versteht und angebetet
sein will. Diese Knaben werden plötzlich begeistert und
') So durften z. B. dem Jupiter keine Stiere, Eber oder Widder,
der Minerva keine Ziegen geopfert werden.
2) Nämlich 25.
3) Vergl. Sueton im Leben des Tiberius Cap. 52 und Tacitus
Annalen II. 40.
Achtes Buch.
143
sagen künftige Dinge vorher. Einmal im Jahre wird ihm
eine Kuh gezeigt, die auch ihre, wenn auch andere als die
obige Auszeichnung hat; sie soll stets an demselben Tage,
wo sie gefunden wird, sterben. Zu Memphis ist ein Ort
am Nile, der wegen seiner Gestalt den Namen Schale x)
bekommen hat; daselbst wird jedes Jahr an den Tagen,
die sie für den Geburtstag des Apis halten, eine goldene
und eine silberne Schale versenkt; es sind dieser Tage 7,
es ist merkwürdig, dass während derselben Niemand von
den Crocodilen ergriffen wird, und dass am 8. Tage nach
der 6. Stunde die Wildheit dieser Ungeheuer wiederkehrt.
72.
Auch das Schaf2) steht sowohl hinsichtlich seines Ge-
brauchs zu Sühnopfern der Götter, als auch seiner nütz-
lichen Wolle wegen in hohem Ansehen. Sowie die Ochsen
beim Anbau der Nahrungsmittel helfen, so verdanken wil-
den Schafen die Bedeckung unsers Körpers. Ihre Fort-
pflanzung geht vom 2. bis zum 9., bei einigen auch bis
zum 10. Jahre. Die zum ersten Male gebären, bringen
kleinere Jungen zur Welt. Der Anfang ihrer Begattungs-
zeit fällt bei allen auf den Untergang des Arcturus, d. i. auf
den 12. Mai, und dauert bis zum Untergange des Aquilo,
am 21. Juli. Sie sind 150 Tage trächtig; die später em-
pfangenen werden schwächlich. Die Alten nannten die-
jenigen, welche nach dieser Zeit kamen, Spätlinge 3).
Viele ziehen die Winterlämmer den Frühlingslämmern vor,
denn sie glauben, es sei besser, dass sie vor dem längsten
als vor dem kürzesten Tage wüchsen, und bei diesem
Thiere allein sei es besser, wenn es im Winter geboren
würde. Der Bock hat einen angebornen Widerwillen gegen
die jungen Schafe und geht nur an die alten; er selbst ist
auch im Alter besser, und noch nützlicher, wenn er seiner
Hörner beraubt wird. Seine Wildheit verliert sich, wenn
ihm die Hörner nahe am Ohre durchbohrt werden. Unter-
bindet man ihm die rechte Hode, so zeugt er bloss Weibchen,
') Phiala. s) Pecus. Capra Ovis. 3) Chordi.
\ 44 Achtes Buch.
unterbindet man die linke, Männchen. Donner bewirkt bei
einzeln gehenden Schafen Fehlgeburten. Man treibt sie
daher in Haufen zusammen, wodurch jenem Uebel vorge-
beugt wird. Beim Wehen des Nordwindes sollen Männchen,
beim Südwinde aber Weibchen empfangen werden. Bei
dieser Thiergattur; c sieht man besonders auf das Maul des
Widders, denn dieselbe Farbe, welche die Adern unter
seiner Zunge haben, bekommt die Wolle der Lämmer, und
sie wird bunt, wenn dort mehrere sind. Auch die Ver-
änderung des Wassers und der Tränke verändert die Farben.
Es giebt in allen 2 Arten von Schafen, das starkwollige1)
und das Feldschaf 2), jenes hat weichere Wolle; dieses ist
wählerischer in seinem Futter, während das erstere Dorn-
sträuche frisst. Die arabischen liefern ganz vorzügliche
Wolle.
73.
Die geschätzteste Wolle ist die apulische, und die,
welche in Italien griechische 3), anderswo aber italische ge-
nannt wird. Den dritten Rang nehmen die milesischen
Schafe ein. Die apulischen haben kurze Wolle, die sich
nur zu Oberkleidern eignet. In der Gegend von Tarent
und Canusium giebt es die besten dieser Race. In Asien
aber zeichnen sich in derselben Weise die laodiceischeu
aus. An Weisse wird die Wolle der um den Po gezogenen
Schafe von keiner andern übertroffen, und doch hat bis
jetzt das Pfund davon nie mehr als 100 Sesterzien ge-
kostet. Nicht allenthalben werden die Schafe geschoren;
in einigen Gegenden herrscht noch die Sitte, sie zu rupfen.
Es giebt mehrere Arten farbiger Wolle; doch fehlen ihnen
noch eigene Namen. Von den sogenannten eingebornen
Schafen giebt es in Spanien einige Spielarten; schwarze
wollige von vorzüglicher Güte findet man zu Pollentia an
den Alpen, roth wollige, welche erythräische heissen, in
•) tectus. 2) colonicus.
3) D. i. die, welche aus Grossgriechenland (ein Theil des öst-
lichen Italiens) kommt.
Achtes Buch.
145
Asien sowie in Bätica, gelbliche in Canusiuui, von eigen-
tümlich dunkelbrauner Farbe zu Tareut. Alle frischge-
schorene Wolle besitzt Heilkräfte. Die istrische und libur-
nische l) nähert sich dem Haare mehr als der Wolle, und
passt nicht zu wollenen Kleidern, wohl aber zu dem ge-
gitterten Zeuge, welches zu Salacia in Lusitanien sehr gut
bereitet wird. Aehnlich ist die vou Piscenä in der Nar-
bonensischen Provinz, und aus Aegypten; Kleider aus dieser
Wolle lässt man färben, wenn sie abgetragen sind, worauf
sie dann noch lange Zeit halten. Die struppige grobe
W7olle wendet man schon seit geraumer Zeit zu Teppichen
an; Homer wenigstens erzählt, dass die Alten schon diesen
Gebrauch davon gemacht haben. Die Gallier färben anders,
und die parthischen Völker wiederum anders. Auch aus
Wolle, die für sich zusammengewalkt ist '), macht man
Kleider, und setzt man dabei noch Essig hinzu, so wider-
steht das Zeug selbst dem Eisen, ja sogar dem Feuer,
nachdem sie die letzte Reinigung erlitten hat; wann sie
nämlich in den Kesseln der Wollreiuiger ausgekocht ist,
so wird sie zu Polstern verarbeitet, die, wie ich glaube,
eine Erfindung der Gallier sind. So viel steht fest, dass
sie heutigen Tages durch gallische Namen unterschieden
werden, doch kann ich nicht sagen, wann dieser Gebrauch
zuerst aufgekommen ist; denn die Alten schliefen auf Stroh -
Säcken, wie es noch jetzt in den Lagern geschieht. Die
dickfaseiigen Zeuge 3) kamen bei Lebzeiten meines Vaters
auf, die auf beiden Seiten rauhen 4) aber, sowie die haarigen
Bauchgurtel, erst jetzt, denn die breitverbrämte friesartig
gewebte Tunica fängt erst an getragen zu werden. Schwarze
Wolle nimmt keine Farbe an. Vom Färben der übrige u
Sorten werden wir, wenn von den Seeschnecken und den
Kräutern die Rede ist, am geeigneten Orte 5) handeln.
•) Auch alle Schafe zwischen den Wendekreisen haben lange«
schlichtes Ziegenhaar anstatt der Wolle.
-) Wie unser Filz. 3) Gausapa. ') Amphinialla.
») IX. B. 42. 43 und 44. Cap.
Wittstein: Pliniin. II. Bd. 10
146 Achtes Buch.
74.
M. Varro erzählt, Wolle, Rocken und Spindel der
Tanaquil *), welche auch Caja Cäcilia genannt wird, habe
sich noch zu der Zeit, als er schrieb, im Tempel de»
Sancus 2) befunden, ebenso die von ihr verfertigte wellen-
förmige königl. Toga, welche Servius Tullius trug, im
Tempel der Fortuna. Daher die Sitte, den Bräuten einen
aufgewickelten Rocken nebst Spindel und Faden mitzu-
geben. Jene webte zuerst ein schlichtes 3) Unterkleid 4),
wie es, nebst der einfachen Toga, die Jünglinge und Neu-
vermählten tragen. Ein wellenförmiges Kleid gehörte an-
fangs zu den vorzüglichsten; davon kam hernach das bunt-
gesprenkelte 5) (?). Geschorene und friesartige Togen
wurden erst in den letzten Jahren des Kaisers Augustus
getragen, wie Fenestella berichtet. Die dichten mohn-
farbigen Kleider sind älteren Ursprungs, denn schon zur
Zeit des Dichters Lucilius tadelte man sie am Torquatus.
Die mit Purpur verbrämten haben die Etruscer zuerst ge-
habt. Der Trabea 6) bedienten sich, wie ich finde, schon
die Könige; bemalte Kleider kommen schon bei Homer
vor, und aus diesen sind die Triumphkleider entstanden.
Die Kunst Malereien in Kleider zu sticken, ist eine Er-
findung der Phrygier, daher solche auch phrygionische ge-
nannt werden. Das Einweben des Goldes wurde ebenfalls
in Asien vom König Attalus 7) erfunden; daher der Name
*) Die Gemahn des römischen Königs Tarquinius Pviscus.
2) Diess ist der sabinische Name des Hercules.
3) Recta. 4) Tunica.
5) Sororiculata. Was dies für Kleider gewesen sind, lässt sich
wohl nicht genau angeben. Die Wahl der Namen der mannigfaltigen
Stoffe hing bei den Römern ebenso vom Zufall und der Laune der
Erfinder ab, wie bei uns.
6) Ein Staatskleid der Consuln, Ritter und Augurn bei solennen
Aufzügen, Wahrscheinlich kommt das Wort von trabs, Balken, und
würde dann ein gestreiftes, bandartig gewebtes etc. Kleid bedeuten.
7) Attalus III. Philometor, Sohn des Eumenes und der Strato-
nike, Nachfolger des Attalus II. Philadelphus, König von Pergamus
regierte 138—133 v. Chr.
Achtes Buch. ^.-,
attalische Gewänder. Im Einweben bunter Malereien hat
sich Babylon am berühmtesten gemacht, und auch der-
gleichen Stoffen den Namen gegeben. Das Weben mit
vielen Fäden, die sogenannten Polymiten '), wurde zuerst
in Alexandrien, und die rautenförmige Weberei zuerst in
Gallien betrieben. Metellus Scipio warf dem Celo vor, dasa
er schon damals einen babylonischen Speiseteppich 2) mit
800,000 Sesterzien bezahlt habe, der jetzt dem Kaiser Nero
auf 4,000,000 zu stehen kam. Die verbrämten Gewänder
des Servius Tullius, mit denen das von ihm geweihete
Bild der Fortuna bekleidet war, haben sich bis zum Tode
des Sejanus 3) erhalten. Es ist zu verwundern, dass sie
nicht abgefallen, und in einem Zeiträume von 560 Jahren
von den Motten zerfressen sind. Ich habe auch schon ab-
geschorene Pelze noch lebender Schafe gesehen, die pur-
purn, Scharlach und schneckenfarbeu, je anderthalb Fuss
breit gefärbt waren, gleichsam als wenn der Luxus uns
nöthigen wollte zu glauben, sie wären so geboren.
75.
Bei den Schafen selbst zeigt sich die edle Kace an
den kurzen Beinen und der Bekleidung des Bauchs; die-
jenigen, bei denen dieser nackt ist, nannte man Kahlbäuche4)
und verwarf sie. Die Schwänze der syrischen Schafe sind
1 Cubitus lang, und an ihnen sitzt die meiste Wolle. Die
Lämmer, bevor sie 5 Monate alt sind, zu verschneiden,
wird für zu früh gehalten. Es giebt auch in Spanien, vor-
züglich aber in Corsica, ein dem Schafe nicht unähnliches
Geschlecht, die Musmonen5), jedoch gleicht ihre Be-
deckung mehr dem Ziegenhaar als der Schafwolle. Die
aus der Vermischung dieser und der Schafe entstandenen
Thiere wurden von den Alten Umbrer genannt. Der
schwächste Theil am Schafe ist der Kopf, daher müssen
sie, mit dem Rücken gegen die Sonne gewandt, auf die
') Eine Art Dammastweberei. 2) Tricliniare.
3j Der vertraute Minister des Kaisers Tiberius.
4) Apicae. 5) Musmones. Ovis Musimon L. der Muflon.
148 Achtes Buch.
Weide getrieben werden. Die wolletragenden Thiere sind
die dümmsten unter allen. Wenn sie sich fürchten, wohin
zu gehen, so ergreift man eins bei den Hörnero, worauf
die andern nachfolgen. Sie leben höchstens 10 Jahre, in
Aethiopien aber 13 Jahre. Die Ziegen in diesem Lande
werden 11, anderswo aber nie über 8 Jahre alt. Beide
Arten weiden beim vierten Sprunge trächtig.
76.
Die Ziegen *j werfen sehr selten vier Junge. Sie
sind, gleich den Schafen, 5 Monate trächtig; durch Fettig-
keit werden sie unfruchtbar. Unter 3 Jahren, sowie nach
dem vierten Jahre taugen sie weniger zur Zucht. Sie
fangen schon im 7. Monate, wenn sie noch saugen, an,
sich zu begatten. Die ungehörnten werden bei beiden Ge-
schlechtern vorgezogen. Der erste Sprung befruchtet noch
nicht, der zweite ist schon wirksamer, u. s. f. Die Be-
gattung erfolgt im November, so dass sie im März, wenn
die Bäume ausschlagen, gebären; die Jungen vom ersten
Jahre sind zuweilen, die vom zweiten und dritten aber
stets brauchtbar zur Zucht. Die Ziegen werfen acht Jahre
hindurch. Durch Kälte entstehen leicht Fehlgeburten.
Bei unterlaufenen Augen entledigt sich die Ziege des Bluts
durch den Stich mit einer Binse, der Bock durch einen
Dorn. Ein Beispiel der Klugheit dieser Thiere, das er
selbst mit angesehen hat, erzählt Mucianus. Zwei Ziegen
begegneten sich auf einer sehr schmalen Brücke; da nun
der beschränkte Raum das Ausweichen so wenig gestattete,
als die Länge des schmalen Stegs das Umkehren, denn
leicht hätten sie fehl treten können, und unten schoss ein
reissend er Giessbach drohend hin, so legte sich die eine
nieder, und die andere stieg über sie weg. Böcke mit
möglichst platter Nase, langen herabhängenden Ohren und
sehr stark behaarter Brust sind die besten. Bei dea
Ziegen besteht das Kennzeichen, dass sie von edler Raco
') Caprae. Capra Hircus.
Achtes Buch. ]4ji
sind, in 2 Lappen, die vom Halse herabhängen. Nicht alle
haben Hörner, aber bei denen, welche deren haben, erkennt
man das Alter an der Zahl der knotigen Ausätze derselben.
Die der Hörner beraubten geben mehr Milch. Archelaus *)
sagt, sie athmeten mit den Ohren, und nicht mit der Nase,
und hätten beständig das Fieber: daher mag es auch viel-
leicht kommen, dass ihr Athem heisser ist als der der
Schafe, und sie hitziger in der Begattung sind. Ferner
sollen sie des Nachts ebenso gut sehen wie am Tage, da-
her werden auch diejenigen, welche des Abends nicht gut
sehen könen 2), wenn sie Ziegenleber essen, von ihrem
Fehler befreiet. In Cilicien und in der Gegend der Syrten
werden sie geschoren. Die Ziegen sollen, wenn die Sonne
untergehen will, sich auf der Weide nicht ansehen, sondern
von einander abgewandt liegen, in den übrigen Stunden
aber zu einander gekehrt, und traulich beisammen sein.
Am Kinne hängt allen ein Büschel Haare herab, den man
Ziegenbart 3) nennt; wenn man eine aus der Heerde dabei
fasst und fortzieht, so sehen die andern staunend zu.
Diess soll auch geschehen, wenn eine von ihnen ein ge-
wisses Kraut anfrisst. Ihr Biss ist den Bäumen sehr nach-
theilig. Den Oelbaum machen sie schon durch ihr Lecken
unfruchtbar, und desshalb werden sie der Minerva nicht
geopfert.
77.
Die Schweine4) weiden vom Februar an bis zur
Frühlings-, Tag- und Nachtgleiche zur Begattung gelassen,
und zwar vom 8., ja sogar in einigen Gegenden vom
4. Monate ihres Alters an bis zu ihrem achten Jahre. Sie
werfen zweimal im Jahre, und sind 4 Monate lang trächtig.
Die Zahl ihrer Jungen steigt bis zu 20, doch können sie
diese nicht alle ernähren. Nach Nigidius Behauptung
kommen die 5 Tage vor und 5 Tage nach dem kürzesten
Tage gebornen sogleich mit den Zähnen zur Welt. Schon
') König von Macedonien, 412—398 v. Chr.
*) Nycüilopep. 3) Aruncu«. *) Sues. Sus *crofa.
150 Achtes Buch.
ein Sprung befruchtet, er wird aber wiederholt, weil leicht
eine Fehlgeburt entstehen kann. Ein Mittel dagegen ist
auch noch, dass man sie nicht bei der ersten Brunst, noch,
bevor ihre Ohren schlaff herunter hängen, zusammen lässt
Die Männchen zeugen nach dem dritten Jahre nicht mehr.
Die altersschwachen Sauen lassen sich im Liegen befruchten.
Dass diese Thiere ihre Jungen fressen, ist nichts Seltenes.
Ein Ferkel ist am 5. Tage rein zum Opfer, ein Lamm am
7. und ein Kalb am 30. Coruncanius *) behauptet, dass
die wiederkäuenden Thiere nicht eher zum Opfer rein
wären, als bis sie 2 Zähne hätten. Man glaubt, Schweine,
welche ein Auge verloren hätten, stürben sogleich; übrigens
bringen sie ihr Leben auf 15, mitunter auch auf 20 Jahre.
Sie können rasend werden, und sind noch andern Krank-
heiten, besonders der Bräune und dem Kröpfe ausgesetzt.
Ein Zeichen, dass ein Schwein krank sei, ist Blut an der
Wurzel einer aus dem Rücken gezogenen Borste, und der
schief hängende Kopf beim Gehen. Wenn sie sehr fett
sind, haben sie Mangel an Milch, und im ersten Wurfe
wenig Junge. Sie wälzen sich gerne im Kothe herum.
Ihr Schwanz ist gedreht; auch hat man bemerkt, dass sie
sich leichter opfern lassen, wenn er zur Rechten, als wenn
er zur Linken gedreht ist. Sie können in 60 Tagen ge-
mästet werden, allein sie werden noch fetter, wenn man
ihnen vor der Mästung 3 Tage lang nichts zu fressen giebt
Dieses Thier ist unter allen das ungeschlachteste, und der
Einfall, dass die Seele bei ihm die Stelle des Salzes ver-
trete 2), nicht übel. Man weiss, dass gestohlene Schweine,
als sie die Stimme ihres Hirten hörten, sich alle auf die
eine Seite des Fahrzeugs drängten, dasselbe umwarfen und
wieder zurückrannten. Sogar die Leitschweine in der Stadt
lernen den Markt und die Häuser finden und die wilden
besitzen die Klugheit, ihren Urin in einen Sumpf zu lassen 3),
') 280 v. Chr. Consul, 254 der erste plebejische Pontifex maxiraus,
starb 245.
*) Damit es nicht verfaule.
3) Damit er den Hunden und Jägern nicht als Spur diene.
Achtes Buch. jgj^
um sich die Flucht zu erleichtern. Man verschneidet auch
die Weibchen wie die Kameele; nachdem sie nämlich
2 Tage nichts zu fressen bekommen haben, hängt man sie,
an den Hinterfüssen auf und schneidet ihnen die Gebär-
mutter aus; in Folge dessen werden sie schneller fett.
Auch in Absicht der Leber der Säue wendet man,
gleichwie bei den Gänsen, ein künstliches Mittel an, welches
von M. Apicius erfunden ist; nachdem sie nämlich mit
trocknen Feigen gemästet sind, tödtet man sie dadurch, dass
man ihnen plötzlich einen Trank Meth giebt. Kein anderes
Thier liefert eine grössere Anzahl von Stoffen für die
Küche, denn man bereitet davon fast 50 verschiedene
Speisen, während von den übrigen Thieren nur einzelne
gewonnen werden. Hierauf beziehen sich die Stellen in
den Verordnungen der Censoren, und die Verbote, die Euter,
männlichen Glieder, Hoden, Gebärmutter und die Köpfe
der Eber auf die Tafel zu bringen; dennoch wird kein
Gastmahl des Mimendichters Publius, nach seiner Befreiung
aus der Sclaverei erwähnt, wo es nicht Schweinseuter ge-
geben hätte, den er selbst mit dem Namen sumen belegt.
Auch die wilden Schweine sind in Aufnahme ge-
kommen. Schon in den Reden des Censors Cato werden
die wilden Schweinschwarten den Römern vorgeworfen.
Doch theilte man das Schwein in 3 Theile, von denen der
mittlere Theil, welcher wilde Schweinslende hiess, aufge-
setzt wurde. Einen ganzen Eber brachte unter den Römern
zuerst P. Servilius Rullus, der Vater des Rullus, welcher
unter dem Consulate Cicero's das Aekergesetz bekannt
machte, auf die Tafel. So neu ist der Ursprung einer jetzt
ganz alltäglichen Sache. Auch findet man in den Annalen,
und zwar um die damaligen Sitten zu rügen, aufgezeichnet,
dass nicht etwa während der ganzen Mahlzeit, sondern zu
Anfang derselben, 2 bis 3 wilde Schweine gegessen wurden.
Thiergärten für diese und andere wilde Thiere hat unter
den Römern zuerst Fulvius Lupinus, der im Tarquinischen
152 Achtes Buch,
das Wild hegen Hess, angelegt, und bald nachher fand er
an L. Lucullus und Q. Hortensius Nachahmer.
Die wilden Schweine werfen jährlich einmal. Die Eber
sind in der Brunstzeit äusserst wild. Sie kämpfen dann
untereinander, härten sich ihre Rippen durch Reiben an
Bäumen und umpanzern sich mit Koth. Die Weibchen
zeigen, wenn sie Junge haben, die meiste Wildheit, wie
diess fast bei allen Arten der wilden Thiere der Fall ist-
Die Eber begatten sich erst, wenn sie ein Jahr alt sind.
Bei den indischen Schweinen treten zwei krumme, einen
Cubitus lange Zähne aus dem Rüssel, und ebenso viel aus
der Stirne, wie die Hörner beim Kalbe hervor. Die Borsten
bei den wilden sind kupferfarbig, bei den übrigen aber
schwarz. In Arabien dagegen giebt es gar keine Schweine.
79.
Bei keiner Tbiergattung vermischt sich die zahme Art
so leicht mit der wilden, wie bei dieser. Die dadurch Er-
zeugten nannten die Alten Bastarde oder Halbwilde, und
trugen selbst diese Benennung auf Menschen über, wie
z. B. auf den C. Antonius, den Collegen Cicero's im Con-
sulate. Aber nicht bloss bei den Schweinen, sondern auch
bei allen andern Thieren, welche zahme haben, giebt es
wilde; und ebenso haben wir viele Stämme wilder Menschen
bereits angeführt. Allein die meisten Arten enthält das
Ziegengeschlecht. So giebt es wilde Ziegen, Gemsen1),
Steinböcke2), welche eine unglaubliche Schnelligkeit be-
sitzen, obgleich ihr Kopf mit mächtigen Hörnein, welche
Degenscheiden gleichen, beschwert ist. Auf diese stützen
sie sich, und schwingen sich, wie von einer Wurfmaschine
geschleudert, auf die Felsen; am meisten machen sie Ge-
brauch davon, wenn sie von einem Berge zum andern
hinübersetzen wollen, und durch den erhaltenem Schwung
springen sie um so schneller, wohin sie wollen. Es giebt
auch eine Art Ziegen, Namens Oryx 3), die einzigen Thiere,
') Rupicaprae Antilope rupicapra. 2) lbices. Capra Ibex.
a) Antilope Oryx.
Achtes Buch. jto
welche, wie man sagt, mit verkehrten, nach dem Kopfe
zugetriebenen Haaren bekleidet sind. Feiner Dam-
hirsche ]), Pygargen, Kudus 8) und viele andere ähn-
liche. Jene kommen von den Alpen, diese aber jenseits
des Meeres her.
80.
Die Affen, welche an Gestalt dem Menschen am
nächsten kommen, werden durch ihre Schwänze von ein-
ander unterschieden. Ihre Klugheit ist bewunderungs-
würdig; sie sollen sich mit Vogelleim bestreichen und die
Ftisse mit Stricken bebinden, worin sie den Jägern nach-
ahmen. Mucianus erzählt, sie hätten auf einem Brette mit
Steinen gespielt und Wachslarven durch den blossen An-
blick von wirklichen Gesichtern unterschieden. Bei ab-
nehmendem Monde sollen die geschwänzten Affen traurie
sein, den zunehmenden aber sollen sie freudig verehren;
denn vor den Verfinsterungen der Himmelskörper fürchten
sich auch die übrigen vierfüssigen Thiere. Dem Affenge-
sehlecht ist eine ganz vorzügliche Liebe zu ihren Jungen
eigen. Diejenigen, welche gezähmt sind und in den Häusern
geworfen haben, tragen die Jungen umher, zeigen sie Jedem,
und freuen sich, wenn man sie anfasst, gleichsam als wenn
sie diess für einen Glückwunsch aufnehmen. Daher er-
drücken sie dieselben auch meistenteils aus Liebe, Von
wilderer Natur sind die Paviane 3), sowie auch die Orang-
Utangs 4). Die Bartaffen5) unterscheiden sich von den
übrigen fast in ihrer ganzen Gestalt; sie haben im Gesichte
ejnen Bart und der Schwanz ist am obern Theile breit.
Dieses Thier soll in keinem andern Himmelsstriche als in
Aethiopien, wo es zu Hause ist, leben können.
81.
Auch von den Hasen6) giebt es mehrere Arten. In
') Damae. Cervus Dama.
2) Strepeicerotes. Antilope strepsieeros.
*) Cynocephali. Cynocephalus Marmon und C. Sphinx.
*) Satyri. Simia Satyrus. 5) Callitriches. Simia silenue.
*) Lepores, Lepus timidus.
154 Achtes Buch.
den Alpen giebt es weisse *), welche, wie man glaubt, in
den Wintermonaten vom Schnee leben, wenigstens werden
sie alle Jahre, wenn der Schnee schmilzt, rcthlich; übrigens
können sie die stärkste Kälte ertragen. Zum Hasenge-
schlechte gehören auch die Thiere, welche man in Spanien
Kaninchen2) nennt; sie vermehren sich ausserordentlich
und auf den balearischen Inseln 3) haben sie schon durch
Wegzehrung aller Saaten Hungersnoth veranlasst. Die
Jungen, welche man ihnen aus dem Leibe schneidet, oder
von den Zizen wegnimmt, hält man, ohne sie auszunehmen,
für ein sehr delikates Gerücht, und nennt sie Laurices.
Es ist Thatsache, dass die Balearier gegen die überhand
nehmende Menge dieser Thiere vom Kaiser Augustus mili-
tärische Hülfe sich erbeten haben. Bei der Jagd auf diese
Thiere thuen ihnen die Viverren4) grosse Dienste. Mau
schickt sie in die Höhlen in der Erde, welche viele Oeff-
nungen haben, von denen auch das Thier seinen Namen 5)
hat; die Kaninchen werden dadurch heraus gejagt und
oben gefangen. Archelaus sagt, so viel der Hase Höhlen
im Leibe zu seinem Kothe habe, so viele Jahre sei er alt.
In der That findet man ihre Anzahl verschieden. Auch
giebt er an, jeder Hase besitze beiderlei Zeugungsvermögen,
und könne auch ohne Zuthun eines Männchens gebären.
Die Natur ist in dieser Beziehung gütig, indem sie un-
schädliche und essbare Thiere so fruchtbar machte. Der
Hase, ein Allen zur Beute bestimmtes Thier, ist mit Aus-
nahme der Gürtelthiere 6) das einzige, welches über-
fruchtet wird, denn während er ein Junges aufzieht, hat er
ein zweites schon behaartes im Leibe, ein drittes ist noch
nackt, und ein viertes erst im Entstehen. Man hat auch
versucht, Kleider aus Hasenhaaren zu machen, sie sind
') Lepus variabilis.
2) Cuniculi. Lepus cuniculus. 3) Mallorca, Minorca etc.
*) Viverra Genetta.
5) Cuniculus, ein unterirdischer Gang.
6) Dasypodes. Die Gattung Dasypus zählt mehrere Arten.
Achtes Buch.
155
aber nicht so weich wie auf dem Felle und reissen wegen
der Kürze der Haare leicht.
82.
Diese Thiere lassen sich selten zähmen, obgleich man
sie eigentlich auch nicht wild nennen kann; denn sehr viele
Thiere sind weder sanft noch wild, sondern stehen
zwischen beiden in der Mitte, wie z. B. bei den geflügelten
die Schwalben und Bienen, und im Meere die Delphine.
— Zu dieser Gattung rechneu viele auch die Hausmäuse l),
ein Thier, was selbst bei Vorbedeutungen, die den Staat
betreffen, nicht zu verachten ist. Als sie zu Lanuvium die
silbernen Schilde benagt hatten, bedeutete dieas den marA
sischen Krieg; dem Feldherrn Carbo, dem sie bei Clusium
die Schuhriemen angefressen hatten, bedeutete diess den
Untergang 2). In dem cyrenaischen Distrikte giebt es
mehrere Arten von ihnen; einige mit breiter, andere mit
spitzer Stirn, noch andere mit igelartigen Stacheln. Theo-
phrastus erzählt, als sie die Bewohner der Insel Gyara
vertrieben hätten, hätten sie sogar Eisen benagt, und diess
sollen sie von Natur auch bei deu Chalybern in den Eisen-
werkstätten thun. In den Goldwerkstätten schneidet man
ihnen deshalb den Bauch auf und findet stets das Ge-
stohlene; so gross soll ihr Hang zum Diebstahl sein. Die
Annalen berichten, dass man zur Zeit, als Hannibal Casili-
num belagerte 3), eine Maus für 200 Denare gekauft habe;
der Verkäufer soll vor Hunger gestorben, der Käufer aber
am Leben geblieben sein. Das Erscheinen weisser Mäuse
gilt für ein glückliches Zeichen. Dass das Pfeifen der
Spitzmäuse4) die Auspicien stört, davon finden sich in
unsern Annalen viele Beispiele. Nigidius sagt, auch die
Spitzmäuse verbärgen sich im Winter, ebenso die Sieben-
schläfer5), welche durch die Verordnungen der Censoren
und des Marcus Scaurus. des Ersten im Consulate, ebenso
') Mures. Mus musculus. -)»60 v. Chr.
3) Vergl. Livius römische Geschichte B. XXIII. 1».
*) Sorices. Sorex. araneus. s) Glires. Myoxus Glis.
]5ß Achtes Buch.
wenig von den Mahlzeiten ausgeschlossen wurden, als
Muscheln oder Vögel aus andern Welttheilen. Auch dieses
Thier *) ist halbwild, und Jener, der zuerst die wilden
Schweine in Thiergärten hegte, lehrte auch sie in Fässern
lebendig aufbewahren. Man hat hierbei bemerkt, dass nur
Bewohner ein und desselben Waldes zusammengesperrt
werden können; kommen fremde, die auch nur durch einen
Fluss oder Berg von den andern getrennt sind, hinzu, so
beissen sie sich einander todt. Ihre durch Alter entkräfteten
Eltern ernähren sie mit der grössten Sorgfalt. Ihr Alter
endigt mit dem Winterschlafe; denn auch sie verbergen
sich, und werden im Sommer wieder jung. Die Hamster 2)
halten gleichfalls einen Winterschlaf.
83.
Es ist merkwürdig, dass die Natur nicht nur einem
Lande diese, dem andern jene Thiere gegeben, sondern
auch, dass sie manchen Orten unter ein und demselben
Himmelsstriche gewisse Thiere versagt hat. In dem ma-
gischen Walde in Italien werden nur an einer Stelle jene
Siebenschläfer gefunden. In Lycien gehen die Gazellen3)
nicht über die an Syrien grenzenden Berge, und die wilden
Esel nicht über das Gebirge, welches Cappadocien von
Cilicien scheidet. Am Hellesponte gehen die Hirsche nicht
auf fremdes Gebiet, und bei Arginussa nicht über den
Berg Elaphus hinaus; die Hirsche auf diesem Berge haben
gespaltene Ohren. Auf der Insel Poroselene laufen die
Wiesel nicht über einen Weg; die nach Lebadia in Böotien
gebrachten Maulwürfe fliehen diesen Boden, während sie
nahe dabei in Orchomenos ganze Aecker unterwühlen. Ich
habe Schlafdecken gesehen, die aus den Fellen dieser
Thiere gefertigt waren; also hält nicht einmal eine Scheu
den Luxus von hässlichen Thieren zurück. Die nach Ithaka
gebrachten Hasen sterben an den äussersten Küsten dieser
Insel; die Kaninchen an der Küste von Ebusum, und nicht
') Nämlich der Siebenschläfer. -) Nitelae.
3) Dorcades. Antilope Dorcas.
Achtes Buch. I57
weit davon in Spanien, sowie auf den Baleareu wimmelt
es von ihnen. In Cyrene waren alle Frösche stumm, und
selbst nachdem man quakeude vom Festlande dahin ge-
bracht hat, ist jene Art noch vorhanden. Stumme Frösche
giebt es auch jetzt noch auf der Insel Seriphus; trägt man
diese wo anders hin, so quaken sie. Dasselbe soll auch
mit den Fröschen im See Sicanclrus in Thessalien der Fall
sein. In Italien ist der Biss der Spitzmäuse giftig; jenseits
des Apennins giebt es deren uicht. Wo sie aber auch sein
mögen, so sterben sie, wenn sie über eine Wagengleise
laufen. Auf dem Berge Olympus in Macedonien und auf
der Insel Greta giebt es keine Wölfe. Ebendaselbst sind
auch keine Füchse und Bären und überhaupt kein schäd-
liches Thier weiter als das Phalangium, eine Art Spinne,
von der ich am gehörigen Orte reden werde. Noch merk-
würdiger ist es, dass man auf dieser Insel, mit Ausnahme
des Gebietes der Cydoniaten, keine Hirsche, wilden
Schweine, Igel und Haselhühner findet. In Afrika aber
giebt es weder wilde Schweine, noch Hirsche, noch wilde
Ziegen, noch Bären.
84.
Einige Thiere, die den Eingeborenen nicht schaden,
todten dagegen die ankommenden Fremden, wie z. B. die
kleinen Schlangen in Tiryns, welche die Erde erzeugen
soll. So auch rühren die Schlangen in Syrien, besonders
die an den Ufern des Euphrat keinen schlafenden Syrier
an, und selbst, wenn sie ihn gebissen haben, weil er sie
getreten, schadet es ihm nichts; gegen jeden Fremden
aber sind sie feindselig, und tödten ihn begierig auf eine
schmerzhafte Weise. Daher schonen auch die Syrier der-
selben. Dagegen werden, wie Aristoteles erzählt, auf dem
Berge Latmus in Carien, die Fremden von den Scorpiouen
nicht verletzt, die Einheimischen aber umgebracht. — Doch
wir wollen, ausser den Landthieren, auch die Arten der
übrigen durchgehen.
Neuntes Buch.
Von den Wasserthieren.
1.
Nachdem wir die von uns als Landthiere bezeichneten
Geschöpfe abgehandelt haben, gehen wir zunächst zu den
in den Meeren, Flüssen und Seen lebenden über, und lassen
dann die mit Flügeln versehenen, welche bekanntlich die
kleinsten sind, folgen. Unter den Wasserthieren giebt es
sehr viele, welche selbst die Landthiere an Grösse über-
treffen, woran offenbar die Productionskraft des Wassers
Schuld ist. Ein anderes Schicksal haben die Vögel, welche
ihr Leben schwebend hinbringen. Allein in dem so aus-
gedehnten, milden und fruchtbaren Nahrungsstoff enthalten-
den Meere, das aus der obern stets schaffenden Natur den
Zeugungsstoff empfängt, trifft man auch die meisten und
seltsamsten Gebilde, weil sich die Samen und Grundstoffe
untereinander verwirren, bald hier, bald dahin, bald durch
den Wind, bald durch die Wellen durcheinandergetriebeu
werden, so dass die allgemeine Meinung, alles was irgend-
wo in der Natur erzeugt werde, und dazu noch vieles, was
sonst nirgends anzutreffen sei, finde sich im Meere — als
richtig angenommen werden muss. Im Meere kommen
nicht bloss Aehnlichkeiten von andern Thieren, sondern
auch von sonstigen Gegenständen der Natur und Kunst
Neuntes Buch. 2 59
vor; so von der Traube, der Säge und des Schwertes in
Bezug auf die Gestalt, von der Gurke hinsichtlich der
Farbe und des Geruches; um so weniger dürfen wir uns
also wundern, Pferdekopfe an kleinen Muscheln hervorragen
zu sehen.
2.
Die grössten und meisten Thiere aber enthält der
indische Ocean, unter ihnen die Wallfische1), die
4 Jugera und die Pristen 2), die 200 Cubitus gross sind;
die Locusten 3) erreichen dort eine Länge von 4 Cubitus
und im Ganges giebt es Aale von 30 Fuss. Jene grossen
Meeres-Geschöpfe lassen sich zur Zeit der Solstitien am
häutigsten sehen. Dann brechen in jenen Gegenden Wirbel-
winde hervor, dann strömen Platzregen nieder, dann wühlen
die von den Gipfeln der Berge herabstürzenden Sturmwinde
das Meer vom Grunde auf, und wälzen die aus der Tiefe
getriebenen Thiere mit den Wellen herum. Auch gab es
vormals eine solche Menge Thunfische 4), dass die Flotte
Alexanders des Grossen nicht anders, als wenn ihr ein
Feind in Schlachtordnung entgegen stände, ihren Zug ver-
einigt gerade auf sie richten musste, denn einzeln konnten
die Schiffe nicht hindurchkommen. Sie lassen sich weder
durch Rufen, noch durch Lärmen, noch durch Schlagen,
sondern nur durch Krachen in Schrecken setzen, und werden
nur durch einen plötzlichen Einbruch auseinander gejagt.
Im rothen Meere liegt eine grosse Halbinsel, Namens
Cadara5); diese bildet durch ihr Vortreten einen weiten
Meerbusen, welchen der König Ptolemäus 6) erst in 12 Tagen
und Nächten mit Hülfe der Ruder durchschiffen konnte,
weil gänzliche Windstille herrschte. In dieser äusserst
ruhigen Gegend wachsen die Seethiere zu einer solchen
') Balaenae. Balaena Mysticetus und ähnliche Arten.
!) Pristes. Squalus Pristis ist der Sägefisch, doch ist die Grösse
von diesem sowohl, wie vom Wallfisch ausserordentlich übertrieben
3) Ein Meerkrebs. 4) Thynni. Scomber Thynnus L.
5) An der Südseite Arabiens. 6i Philadelphus.
IßQ Neuntes Buch.
Grösse heran, dass sie sich fast gar nicht bewegen können.
Die Gedroser, welche am Flusse Arbis wohnen, sollen nach
dem Berichte der Befehlshaber der Flotten Alexanders des
Grossen die Thtiren in ihren Häusern aus den Kinnladen
solcher Thiere machen, und die Knochen derselben, deren
es viele von 40 Cubitus Länge giebt, zu Balken beim
Dachstuhl gebrauchen. Auch gehen dort die Seethiere
gleich dem Rindvieh aufs Land, fressen die Wurzeln der
Gesträuche, und kehren dann wieder zurück; ferner haben
einige Pferde-, Esels- und Stierköpfe, und diese fressen die
Saaten ab.
3.
Das grösste Thier im indischen Meere ist der Pistrix
und der Wallfisch; im gallischen Ocean der Potfisch l), der
sich wie eine ungeheuere Säule erhebt, über die Segel der
Schiffe hinausragt, und einen Strom Wasser von sich giebt
Im gaditanischen Ocean steht ein Baum mit so weit aus-
gedehnten Aesten, dass er •), wie man glaubt, deshalb durch
die Meerenge nicht hat gelangen können. Es erscheinen
auch zuweilen von der Aehnlichkeit sogenannte Seeräder,
mit 4 Speichen, und deren Nabe von 2 Augen auf beiden
Seiten geschlossen ist.
4.
Dem Kaiser Tiberius brachte einst eine deshalb eigens
abgeschickte Gesandtschaft der Olisiponneser die Nach-
richt, man habe in einer gewissen Höhle einen Triton von
der bekannten Gestalt gesehen und auf einer Muschel
blasen hören. Auch die Gestalt der Nereiden ist nicht
erdichtet, nur sind sie am ganzen Körper, und selbst da,
wo sie dem Menschen ähnlich sehen, mit Schuppen bedeckt;
denn auch eine Nereide hat man an derselben Küste ge-
sehen, deren trauriges Winseln beim Sterben die Bewohner
der Umgegend weithin gehört haben. Ferner schrieb ein
gallischer Gesandter dem Kaiser Augustus, dass mehrere
l) Physeter. Physeter macrocephalus.
*) Der PotSsch nämlich.
Neuntes Buch. \Q\
todte Nereiden am Ufer gesehen worden seien. Angesehene
Männer aus dem Ritterstande haben versichert, sie hätten
im gaditanischen Ocean einen dem menschlichen Körper
aufs vollkommenste ähnlichen Seemenschen erblickt. Er
stiege zur Nachtzeit in die Schiffe, die Seite, wohin er sich
setzt, neige sich sogleich hinunter, und wenn er länger ver-
weile, so sinke das Schiff unter. Unter dem Kaiser Tibcrius
liess einst das Meer, bei der Ebbe, auf einer der Küste
der lugdunensischen Provinz gegenüberliegenden Insel auf
einmal mehr als 300 Seethiere von wunderbarer Mannig-
faltigkeit und Grösse zurück, und eine nicht geringere Zahl
fand man auf der Küste der Santoner *); unter diesen gab
es auch Elephanten2) und Widder, deren Hörner3) sich
nur in der Weisse glichen. Turranius aber erzählt von
vielen Nereiden; auch soll ein Seethier an die gaditanisehe
Küste geworfen sein, dessen Schwanzende zwischen den
Spitzen der beiden Felsen 16 Cubitus betragen habe, ferner
hätte es 120 Zähne gehabt, von denen die grössten 3 U und
die kleinsten * 2 Fuss gemessen hätten. Von dem Seeun-
geheuer, welchem die Andromeda ausgesetzt gewesen sein
soll, wurde das Gerippe aus der Stadt Joppe iu Judäa
nach Rom gebracht, und nebst andern Merkwürdigkeiten
von M. Scaurus während seines Aedilamts gezeigt. Seine
Länge betrug 40 Fuss, die Rippen übertrafen an Höhe noch
die indischen Elephanten, und das Rückgrat war andert-
halb Fuss dick.
5.
Die Wallfische dringen auch bis in unsere Meere ein
Im gaditanischen Ocean soll man sie nicht vor dem kürzesten
Tage wahrnehmen. Sie sollen sich zu bestimmten Zeiten
in irgend einem ruhigen und weiten Meerbusen verborgen
halten, und ein Vergnügen finden, dort zu gebären. Diess
') Im heutigen Guienne.
*) Wahrscheinlich das Wallross: Trichecus Rosmarus.
3) Nämlich die langen Zähne der See-Elephanten und die Hörner
der See-Widder.
Wittstein: Plinius. II. Bd. 11
U2
Neuntes Buch.
wüssten die Orken1), ein jenem feindliches Geschlecht,
deren Bild sich durch keine andere Vorstellung ausdrücken
lässt, als die einer Ungeheuern Fleischmasse mit furcht-
baren Zähnen. Diese brechen also in den verborgenen
Aufenthalt ein, zerfleischen durch ihren Biss die Jungen,
oder die Mütter, ja selbst die Trächtigen, und bohren sie
im Anlauf, gleichwie mit den Schnäbeln der liburnischen
Schiffe an. Jene, zu schwerfällig zum Umwenden, zu träge
zum Widerstände, und durch ihre Schwere gehindert, be-
sonders dann, wenn sie trächtig sind, oder die Geburts-
schmerzen sie geschwächt haben, wissen sich bloss dadurch
zu helfen, dass sie ins hohe Meer fliehen und sich so mit
Hülfe des ganzen Oceans vertheidigen. Dagegen streben
die Orken, ihnen entgegen zu kommen, den Weg zu ver-
sperren, sie in engen Klippen zu tödten, auf seichte Stellen
zu jagen, oder an Felsen zu drängen. Man erkennt der-
gleichen Kämpfe, wobei das Meer gleichsam gegen sich
selbst wüthet, wenn kein Wind im Meerbusen wehet, daran,
dass vom Schnauben und Schlagen dieser Thiere Wogen
entstehen, wie sie kein Wirbelwind emporwälzt. Auch in
dem Hafen von Ostia sah man einst eine Orke, auf die
der Kaiser Claudius Jagd machen liess. Sie war nämlich
zu derselben Zeit, als der Kaiser jenen Hafen ausbauen
liess, durch ein mit Häuten aus Gallien beladenes und
untergegangenes Schiff angelockt, dorthin gekommen, wühlte
sich, nachdem sie mehrere Tage hindurch davon gefressen
hatte, in einer Untiefe ein Lager aus, wurde aber von den
Fluthen so sehr mit Sand umhäuft, dass sie sich auf keine
Weise mehr umdrehen konnte. Als sie nun ihren Frass
wieder verfolgte, wurde sie von den Wogen so nahe an
die Küste getrieben, dass ihr Rücken, gleich einem umge-
kehrten Fahrzeuge, hoch über die Wasserfläche hervorragte.
Nun liess der Kaiser eine Menge Netze am Eingange de»
Hafens aufspannen, zog selbst mit seiner Leibwache dahin
und gab dem römischen Volke ein Schauspiel seltener
') Delphinus Orca.
Neuntes Buch. jß3
Art; die Soldaten mussten nämlich von den Schiffen aus,
in denen sie sich ihr näherten, Speere gegen sie schleudern.
Eins dieser Schiffe wurde durch das Spritzen des Thieres
mit Wasser angefüllte und sank unter.
6.
Die Wallfische haben auf der Stirn Oeffnungeu, aus
denen sie, wenn sie auf der Oberfläche des Wassers
schwimmen, ganze Wasserströme emporblasen. Nach der
übereinstimmenden Meinung aller Schriftsteller holen aber
nur die wenigsten Thiere im Meere Athem, nämlich nur
die, welche mit Lungen versehen sind, weil, wie man an-
nimmt, ohne dieselben kein Athmen möglich ist. Auch die
Fische, welche Kiemen haben, ferner die vielen andern
Gattungen, denen selbst die Kiemen fehlen, sollen, nach
dem Urtheile Jener weder Luft einnehmen noch aushauchen.
Auch Aristoteles ist, wie ich sehe, dieser Meinung, und hat
sie durch viele gelehrte Gründe zu rechtfertigen gesucht.
Allein ich muss gestehen, dass ich derselben nicht ganz
beipflichte, denn jene Thiere können, wenn es die Natur
so will, statt der Lunge andere zum Athmen dienende
Organe in ihrem Innern haben, gleich wie viele statt des
Blutes eine andere Flüssigkeit in sich führen. Wen darf
es wundern, dass dieser Lebenshauch ins Wasser gelangt,
da wir sehen, dass er wieder von ihm ausgestosseu wird,
ia dass er sogar in die Erde, diese weit dichtere Materie,
dringt, wie uns die Thiere, welche immer in derselben ver-
graben leben, z. B. die Maulwürfe, beweisen? Dazu kommen
bei mir noch mehrere gewichtige Gründe, die mich glaube u
machen, dass alle im Wasser lebenden Thiere je nach
ihrer eigentümlichen Beschaffenheit Athem holen; denn
erstens hat man im heissen Sommer an Fischen oft ein ge-
wisses Keuchen, und bei ruhigem Wetter ein Gähnen wahr-
genommen. Selbst die Bekenner der Gegenmeinung geben
zu, dass die Fische schlafen; wie kann aber Schlaf ohne
Athmen stattfinden? Einen anderen Beweis für meine An-
sicht giebt das Aufblasen des sprudelnden Wassers, und
selbst das Wachsen der Schnecken durch den Einfluss de»
64 Neuntes Buch.
Mondes. Der Hauptbeweis aber ist das unbezweifelte
Vorhandensein des Gehörs und Geruchs bei den Fischen ;
beide aber stehen mit der Luft im Zusammenhange, denn
unter dem Gerüche kann man sich nichts anderes, als eine
mit fremden Theilen erfüllte Luft denken. Doch mag ein
Jeder hiervon glauben, was ihm beliebt. Kiemen haben
weder die Walltische noch die Delphine. Beide Gattungen
athmen durch Röhren, die zu den Lungen führen, und bei
den Wallfischen auf der Stirn, bei den Delphinen auf dem
Rücken ausmünden. Auch die Seekälber oder Robbenr
ferner die Schildkröten, von denen ich bald ausführlicher
handeln werde, athmen und schlafen auf dem Lande.
7.
Das schnellste unter allen und nicht bloss unter den
Seethieren, ist der Delphin1). Er ist schneller als ein
Vogel, schneidender als ein Pfeil, und wenn er nicht sein
Maul weit unter dem Schnabel, fast mitten am Bauche
halte, so würde kein Fisch ihm entwischen. Allein die
vorsichtige Natur gab ihm dieses Hindernis«, denn er kann
nur auf dem Rücken liegend und umgewandt seine Beute
ergreifen, und hierbei zeigt er vorzüglich seine Behendig-
keit. Wenn er nämlich vom Hunger getrieben, einen
fliehenden Fisch bis in die unterste Tiefe verfolgt, und den
Athem zu lange an sich gehalten hat, so eilt er, wie von
einem Togen abgeschossen, zum Athmen empor, und springt
mit solcher Gewalt heraus, dass er meistens über die Segel
der Sci.iffe hinweg fliegt. Die Delphine ziehen fast immer
paarweise umher, werfen im 10. Monate, zur Sommerzeitr
ein auch zwei Junge, nähren sie an Brüsten, wie der
Wallfisch, und tragen sie, wenn sie noch sehr jung sind,
mit sich herum. Ja sogar die bereits erwachsenen be-
gleiten sie aus mütterlicher Liebe noch lange Zeit. Sie
wachsen schnell heran, und sollen nach 10 Jahren schon
ihre ganze Grösse erreicht haben. Sie leben gegen 30 Jahre,,
was man an solchen erfahren hat, denen man zu diesem
' Delphinus Delphis.
Neuntes Buch. jg5
Behufe den Schwanz abschnitt. Um die Aufgangszeit des
Hundssterns verschwinden sie, und halten sich auf eine un-
bekannte Weise verborgen, was um so mehr zu bewundern
ist, da sie unter dem Wasser nicht athmen können. Sie
pflegen ans Land zu kommen, man weiss jedoch nicht
weshalb; sie sterben nicht sogleich, wenn sie die Erde be-
rühren, viel schneller hingegen, wenn ihre Luftröhre ver-
stopft ist. Ihre Zunge ist — ein ungewöhnlicher Fall bei
Wasserthieren — beweglich, kurz und breit, und unter-
scheidet sich nicht von der eines Schweines. Ihre Stimme
ist ein menschenähnliches Stöhnen; der Rücken ist auf-
wärts gebogen und die Schnauze platt, sie kennen daher
alle merkwürdiger Weise den Namen Simon l) und lassen
sich gern so nennen.
8.
Der Delphin ist nicht nur ein dem Menschen freund-
lich zugethanes Thier, sondern er liebt auch die Tonkunst,
ergötzt sich an harmonischem Gesänge, und namentlich an
dem Klange der Wasserorgel. Er betrachtet den Menschen
nicht als einen Fremden, den er zu fürchten hätte, sondern
er kommt den Schiffen entgegen, scherzt und springt um
sie her, und wetteifert mit ihnen im Schwimmen, wenn sie
auch mit vollen Segeln bei ihm vorbeifahren. Unter der
Regierung des Kaiser Augustus war ein in den lucrinischen
See gekommener Delphin dem Knaben eines gewissen
armen Mannes, der von Bajanum nach Puteoli in die Schule
ging, und der ihn, wenn er Mittag dort blieb, bei dem
Namen Simon gerufen, und öfters durch einige Stückchen
Brot, die er deshalb bei sich trug, an sich gelockt hatte,
ausserordentlich zugethan. Ich würde Anstand nehmen,
diese Geschichte zu erzählen, wenn sie nicht in den
Schriften des Mäcenäs, Fabianus, Flavius Alfius -) und vieler
Anderer aufgezeichnet wäre. Zu jeder Tageszeit, wenn der
Knabe ihn rief, eilte er, so verborgen und entfernt er auch
') D. h. einer, der eine platte, aufwärtsgebogene Nase hat,
8) Ein nicht näher bekannter Autor.
166 Neuntes Buch.
war, aus der Tiefe hervor, frass ihm aus der Hand und
reichte ihm dann seinen Rücken zum Aufsitzen dar, indem
er die Stacheln seiner Flossen wie in einer Scheide ver-
barg. Wenn er ihn aufgenommen hatte, trug er ihn mitten
durch den See nach Puteoli zur Schule, und brachte ihn
ebenso wieder zurück. Diess dauerte so mehrere Jahre
hindurch. Als der Knabe an einer Krankheit gestorben
war, kam er zuweilen an den gewohnten Ort, schien be-
trübt und traurig zu sein, und starb endlich selbst (wie
Niemand zweifelte) aus Sehnsucht.
Ein anderer Delphin, der sich in deu letzt verflossenen
Jahren an der afrikanischen Küste bei Hippo Diarrhitus *)
aufhielt, frass ebenfalls den Menschen aus der Hand, Hess
sich streicheln, scherzte um die Schwimmenden herum, und
trug sie, wenn sie sich auf ihn setzten. Als ihn Flavianus,
def Proconsul von Afrika, mit Salben bestrichen hatte,
wurde er (wie* es schien) von den ungewohnten Gerüchen
betäubt, wie todt auf dem Wasser herumgetrieben, mied
mehrere Monate lang den Umgang mit Menschen, als ob
ihn eine Beleidigung verscheucht hätte, kam aber später
wieder und war abermals der Gegenstand der Bewunderung.
Allein da viele angesehene Personen kamen, um das Thier
zu sehen, und die Gastfreundschaft der Hipponeser miss-
brauchten, so wurden diese bewogen, es zu tödten.
Aus früherer Zeit erzählt man eine ähnliche Geschichte-
von einem Knaben in der Stadt Jasos, den ein Delphin
lange Zeit liebte; dieser folgte ihm aber einst beim Weg-
gehen zu eifrig auf die Küste nach, gerieth auf den Sand
und starb: den Knaben machte Alexander der Grosse zu
Babylon zum Oberpriester des Neptun, weil er jene Liebe
für einen Beweis der Gunst von Seiten der Gottheit aus-
legte. In derselben Stadt Jasus war, wie Hegesidemus2)
berichtet, noch ein anderer Knabe Namens Hermias, der
ebenfalls auf einem Delphin zu reiten pflegte; als dieser
') Bi6erta. s) Von Cythnus, sonst unbekannt.
Neuntes Buch. Itf7
nun bei einem plötzlichen Sturme in den Wogen seinen
Tod fand, so gab der Delphin dadurch, dass er nicht mehr
ins Meer zurückkehrte, sondern auf dem Lande starb, zu
erkennen, er sei die Ursache seines Todes. Nach Theo-
phrastus soll sich ein ganz ähnlicher Fall zu Naupactum
zugetragen haben. Und solcher Beispiele giebt es in
Menge. Gleiches erzählen die Amphilocher und Tarentiner
von Knaben und Delphinen. Alle diese Vorfälle machen
auch die Sage von dem Citherspieler Arion glaublich; als
nämlich die Schiffsleute, um sich seiner Schätze zu be-
mächtigen, beschlossen hatten, ihm im Meere den Tod zu
geben, und. er nach erhaltener Erlaubniss zuvor noch ein-
mal auf der Cither spielte, da versammelten sich die Del-
phine um das Schiff, und als er sich ins Meer stürzte, nahm
ihn einer auf seinen Rücken, und trug ihn bis an die
Küste bei Tänarum.
9.
In der narbonensischen Provinz, im neinausiensischen l)
Gebiete liegt ein See Namens Latera, wo die Delphine
mitden Einwohnern gemeinschaftiichFische fangen.
Eine unzählige Menge Meeräschen '2) bricht nämlich zu einer
gewissen Zeit durch den engen Theil des Sees ins Meer,
indem sie dabei die Ebbe abwartet. Man kann deshalb
keine Netze ausspannen, weil sie unmöglich dem starken
Andränge widerstehen würden, wenn auch diese Thiere den
richtigen Zeitpunkt nicht abwarten sollten. Mit gleicher
Vorsicht gehen sie sogleich in die Tiefe, die durch einen
benachbarten Strudel erzeugt wird, und eilen, die einzige
zum Ausspannen der Netze passende Stelle zu vermeiden.
Sobald diess die Fischer merken (es laufen aber eine
Menge Menschen zusammen, welche die Zeit wissen, und
auf diess Vergnügen sehr begierig sind), so ruft alles Volk
vom Ufer so laut als möglich „Simon". Schnell hören die
Delphine den Ruf, wenn der Nordwind den Schall bringt,
») Nemausus, jetz* Nismes. Der See heisst jetzt Lac de Maguellone.
2) Mugiles. Mugil Cephalus.
168 Neuntes Buch.
etwas später aber, wenn der entgegengesetzte Südwind
wehet. Allein auch denen fliegen sie sogleich zur Hülfe
herbei. Rasch bilden sie eine Schlachtordnung, postiren
sich dahin, wo der muthmaassliche Kampfplatz ist, stellen
sich in der Tiefe den Fischen entgegen, und drängen die
in Schrecken gesetzten auf Untiefen. Dann werden sie
von den Fischern mit Netzen, die durch Gabeln unterstützt
sind, umstellt. Dennoch springen die schnellen Meeräschen
hinüber, werden aber von den Delphinen aufgefangen, und
diese begnügen sich vorerst damit sie zu tödten und ver-
schieben ihren Frass bis Dach dem Siege. Nach und nach
wird der Kampf hitziger, und sie selbst lassen sich, indem
sie heftig vordringen, gern mit in die Netze einschliessen;
und damit der Feind keine Gelegenheit zur Flucht habe,
schlüpfen sie so unvermerkt zwischen den Schiffen, Netzen
und schwimmenden Menschen hindurch, dass sie keiuen
Ausgang offen lassen. Durch den Sprung, den sie sonst
sehr lieben, versucht keiner zu entkommen, wenn sich nicht
die Netze unter ihm befinden. Ist der Delphin herausge-
gangen, so kämpft er auch sogleich wieder vor der Ver-
zäunung. Nach beendigter Schlacht verschlingen sie die
von ihnen getödteten Meeräschen. Allein da sie sich be-
wusst sind, dass ihre Mühe mehr als eintägigen Lohn werth
ist, so warten sie bis zum folgenden Tage, und werden
dann nicht bloss mit Fischen, sondern auch mit in Wein
getunktem Brote gefüttert.
10.
Was Mucianus von einer ähnlichen Art zu Fischeu im
jasischen Meerbusen sagt, unterscheidet sich dadurch von
jener, dass die Delphine von selbst, ohne gerufen zu werden,
bei der Hand sind, ihren Antheil aus den Händen em-
pfangen, und dass jeder Nachen einen von ihnen zum Ge-
fährten hat, obgleich der Fang des Nachts bei Fackelschein
geschieht. Auch unter ihnen selbst herrscht ein allgemeines
geselliges Band. Als ein König von Carien einst einen ge-
fangen und am Ufer angebunden hatte, „versammelte sieh
eine grosse Schaar der übrigen, und baten mit unverkenn-
Neuntes Buch. 169
barer Betriibniss so lange um Mitleid, bis der König ihn
loszulassen befahl. Die kleinein begleitet sogar stets ein
grösserer als Aufseher. Man hat auch schon welche ge-
sehen, die einen Todten wegtrugen, damit er nicht von
andern Thieren gefressen würde.
11.
Aehnlichkeit mit den Delphinen haben die Braun-
fische *); sie unterscheiden sich von jenen durch ihr
trauriges Ansehen, denn es fehlt ihnen deren Munterkeit;
vorzüglich aber deuten ihre hayfischähnlichen Schnäbel
auf ein bösartiges Wesen.
12.
Schildkröten wirft das indische Meer von solcher
Grösse aus, dass man mit der Schale einer einzigen ein
Wohnhaus decken kann, und auf den Inseln, besonders
des rothen Meeres bedient man sich derselben als Kähne.
Man fängt sie zwar auch auf vielerlei Art, allein vorzüglich
dann am leichtesten, wenn sie Vormittags bei warmem
Wetter auf die Oberfläche des Meeres kommen, und mit
hervorragendem Rücken auf den ruhigen Wogen umher-
schwimmen. Diese Wollust frei zu athmen, macht sie so
sehr ihrer selbst vergessen, dass die Schale durch die
Sonnenhitze austrocknet und sie nicht wieder untertauchen
können, sondern wider Willen oben schwimmen müssen,
und dann eine leichte Beute des Jägers werden. Sie sollen
auch des Nachts zum Fressen auf's Land gehen, und nach-
dem sie sich gesättigt haben, so müde werden, dass wenn
sie am andern Morgen zurückgekehrt sind, sie auf der
Oberfläche des Wassers einschlafen, und sich so durch ihr
Schnarchen verrathen. Dann schwimmen zu einer allemal
3 Männer leise hin, zwei wenden sie auf den Rücken, der
dritte wirft ihr einen Strick um, und mehrere Andere
ziehen sie ans Ufer. Im phönicischen Meere werden sie
ohne alle Schwierigkeit gefangen, und dort kommen sie
*) Tursiones. Delphinus Phocaena.
270 Neuntes Buch.
zu einer bestimmten Zeit des Jahres in ungeheuerer Menge
in den Fluss Eleutherus. — Die Schildkröten haben keine
Zähne, statt deren aber scharfe Mundränder, von denen der
obere den untern wie eine Büchse einschliesst. Im Meere
leben sie von Muscheln, denn ihr Mund hat eine solche
Härte, dass sie Steine zermalmen können; auf dem Lande
fressen sie Kräuter. Sie legen Eier, die denen der Vögel
gleichen, zu hunderten, und zwar in Löcher ausserhalb des
Wassers, bedecken sie mit Erde, machen letztere mit der
Brust fest und eben und sitzen des Nachts darüber. Ihre
Jungen führen sie ein Jahr lang mit sich herum. Einige
glauben, dass sie ihre Eier mit den Augen durch blosses
Anblicken ausbrüten, und dass das Weibchen so lange die
Begattung flieht, bis das Männchen ihm von hinten einen
Halm auflegt. Bei den Troglodyten giebt es gehörnte,
deren Hörner breit und wie an der Lyra gestellt, aber be-
weglich sind, und die sie beim Schwimmen als Ruder ge-
brauchen. Chelyon heisst die Schale dieser ausgezeichneten
aber seltenen Schildkröte, denn die Chelonophagen werden
durch die hohen Klippen abgeschreckt, sie zu erlegen. Die
Troglodyten aber, zu denen jene Thiere hinschwimmen,
halten dieselben heilig. Es giebt auch Landschildkröten,
die deshalb in mehreren Werken Chersinä x) genannt werden;
sie halten sich in den dürrsten und sandigsten Theilen der
afrikanischen Wüsten auf, und leben, wie man glaubt, vom
Thau. Kein anderes Thier findet sich dort.
13.
Die Schalen der Schildkröten in Platten zu
schneiden, und Bettgestelle und Schränke damit zu über-
kleiden, hat Carvilius Pollio 2) erfunden, ein Mann von
äusserst fruchtbarem und erfinderischem Geiste für Dinge
des Luxus.
') D. h. auf der Erde lebend.
*) Wie aus B. XXXIII. 51. C. hervorgeht, lebte dieser Mann noch
tot Sulla1 s Zeiten.
Neuntes B»ch. 171
14.
Die Bedeckungen der Wasserthiere sind ver-
schieden. Einige haben Haut und Haare, wie die Seekälber
und Flusspferde; andere nur eine Haut, wie die Delphine;
eine Schale, wie die Schildkröten; steinharte Hüllen, wie
die Austern und Muscheln; Rinden, wie die Locusten;
Rinden mit Stacheln, wie die Seeigel; eine rauhe Haut, wie
der Squatina, womit Holz und Elfenbein polirt wird; eine
weiche Haut, wie die Muränen; andere endlich haben gar
keine, wie die Polypen.
15.
Diejenigen, welche mit Haaren bekleidet sind, ge-
bären lebendige Junge, wie der Pristis, der Wallfisch, der
Robbe *). Letzterer wirft auf dem Lande, und es geht,
gleich wie bei dem Rindvieh, auch bei ihm eine Nachge-
burt ab. Bei der Begattung hängen sie wie die Hunde
zusammen; zuweilen gebären sie mehr als 2 Junge, die sie
an Brüsten säugen. Nicht vor dem 12. Tage führen sie
dieselben ins Meer, nachher gewöhnen sie sie allmälig
daran. Sie sind schwer zu tödten, wenn man ihnen nicht
den Kopf abhaut. Ihre Stimme ist ein Brüllen, daher haben
sie den Namen Seekalb bekommen. Sie lassen sich je-
doch abrichten und begrüssen das Volk sowohl mit der
Stimme als mit Blicken; weiden sie bei Namen gerufen,
so antworten sie mit einem wilden Gebrülle. Kein Thier
hat einen festern Schlaf. Auf den Flossen, deren sie sich
im Meere bedienen, kriechen sie auf dem Lande wie auf
Füssen. Ihre abgezogenen Felle sollen sogar eine Em-
pfindung vom Meere behalten, und allemal zur Zeit der
Ebbe die Haare emporrichten; ausserdem soll die rechte
Flosse eine schlaferregende Kraft besitzen, und Schlaf
bringen, wenn man sie unter den Kopf legt. Von den
Seethieren, welche unbehaart sind, bringen überhaupt nur
zwei Arten lebendige Junge zur Welt, nämlich der Del-
phin und die Viper.
3) Vitulus. Phoca vituJina.
172 Neuntes Buch.
16.
Man zählt 74 Arten Fische, mit Ausnahme derer, welche
mit Schalen bedeckt sind, und die sich auf 30 belaufen.
Von einer jeden einzelnen werde ich an einem andern
Orte reden; jetzt sollen bloss die merkwürdigsten be-
schrieben werden.
17.
Von besonderer Grösse sind die Thunfische l); ich
finde, dass ein solcher 15 Talente wog und dass dessen
Schwanz 5 Cubitus und eine Palme breit war. Es giebt
auch in einigen Flüssen Fische, welche diesen an Grösse
nicht nachstehen, wie der Wels 2) im Nil, der Hecht 3) im
Rhein, der Attilus im Po, der vor Trägheit so fett wird,
dass er bisweilen 1000 Pfund wiegt, und, wenn er durch
einen an einer Kette befindlichen Haken gefangen ist, nur
von 2 Ochsen herausgezogen werden kann. Und doch
tödtet ihn ein ganz kleiner Fisch, Clupea genannt, indem
er ihm mit ausserordentlicher Begierde in den Schlund
kriecht und eine gewisse Ader aufbeisst. Der Wels raubt
allenthalben, trachtet nach jedem Thiere, und zieht oft die
schwimmenden Pferde unter's Wasser. Im Main, einem
Flusse Deutschlands, wird dieser mit vorgespannten Ochsen
herausgezogen, und in der Donau fängt man einen mit
Haken, der viel Aehnlichkeit mit einem Meerschweine
hat. Auch im Borysthenes soll ein sehr grosser Fisch 4)
leben, der keine Knochen und Gräten in seinem Körper und
ein sehr wohlschmeckendes Fleisch hat. Die sogenannten
Platanisten im Ganges in Indien haben Schnauze und
Schwanz des Delphins, aber eine Länge von 16 Cubitus.
In demselben Flusse sollen sich, wie Statius Sebosus zu
nicht geringem Erstaunen erzählt, Thiere mit 2 Kiemen,
von 6 Cubitus Länge und von blauer Farbe aufhalten,
welche ihrer Gestalt wegen Würmer genannt werden. Sie
') Thynni. Scomber Thynnus.
*) Silurus. Silurus Glanis. 3) Esox. Esox Lucius.
*) Acipenser- Arten sind hier gemeint.
Neuntes Buch. 173
sollen eine solche Kraft besitzen, dass sie die Elephanten,
welche zum Trinken kommen, mit dem Gebiss beim Rüssel
ergreifen und herabziehen.
18.
Die männlichen Thunfische haben am Bauche keine
Flossen. Sie dringen im Frühlinge aus dem grossen Meere
in den Pontus, und laichen sonst nirgends. Ihre Jungen
heissen Cordylen, und diese begleiten die Alten im Herbste
bei ihrer Rückkehr ins Meer. Im nächsten Frühjahre nennt
man sie Limosen oder vom Kothe Pelamiden *), und erst
wenn sie 1 Jaht alt sind, Thynnen. Wenn diese in Stücke
getheilt werden, so schätzt man besonders den Hals und
Bauch, sowie auch die Kehle; diese aber nur im frischen
Zustande und auch dann verursacht sie starkes Aufstossen.
Die übrigen fleischigen Theile werden eingesalzen aufbe-
wahrt. Man nennt diese Melandrya 2), weil sie Eichen-
spänen sehr ähnlich sehen. Die schlechtesten Stücke sind
die zunächst dem Schwänze befindlichen, weil sie kein
Fett haben, die besten aber die vom Schlünde; dagegen
wird bei andern Fischen das Schwanzstück am meisten
vorgezogen. Die Pelamiden werden in Stücke geschnitten,
in dieser Form Apolecten 3) genannt , und zu den ver-
schiedenen Fischspeisen 4) gethan.
19.
Alle Fischgattungen erreichen in sehr kurzer Zeit ihre
gehörige Grösse, vorzüglich im Pontus. Der Grund davon
mag in den vielen Flüssen liegen, welche ihr süsses
Wasser hineinbringen. An dem sogenannten Ami a 5) kann man
das Wachsen schon an jedem einzelnen Tage wahrnehmen;
sie ziehen nebst den Thunfischen und Pelamiden in Schaaren,
jede Partei mit ihren Anführern zu süsserer Nahrung in
den Pontus; die ersten von allen aber sind die Scombri 6),
') Limue, sowie nrfia/Mq bedeuten Koth.
*) D. h. der innere schwarze Theil der Eiche.
3) unoXexzoq abgeschlagen, auserlesen. 4) Cybia.
&) Eine Art Thunfisch. 6) Scoraber Scomber L.
274 Neuntes Buch.
welche im Wasser eine schwefelgelbe Farbe haben, jedoch
ausser demselben wie die übrigen Fische aussehen. In
Spanien füllen diese die Fischbehälter, wenn keine Thun-
fische hinkommen.
20.
In den Pontus kommt kein den Fischen schädliches
Thier, ausgenommen Seekälber und kleine Delphine. Die
Thune ziehen am rechten Ufer hinein und am linken
wieder heraus. Der Grund davon soll sein, weil sie mit
dem rechten Auge besser sehen können, obgleich beide
Augen von Natur schwach sind. In der Meerenge des
thracischen Bosporus, welche den Propontis mit dem Pon-
tus Euxinus verbindet, da wo der Pass, welcher Asien von
Europa trennt, am schmälsten ist, bei Chalcedon an der
asiatischen Seite, steht ein Felsen von ausserordentlich
weissem Glänze, der von der Tiefe des Meeres bis nach
oben durchschimmert. Durch dessen Anblick plötzlich in
Schrecken gesetzt, eilt der ganze Haufen zu dem gegen-
überliegenden Vorgebirge von Byzanz, das daher den
Namen „goldenes Horn': bekommen hat Aus diesem
Grunde werden sie auch alle in Byzanz gefangen, und
Chalcedon leidet grossen Mangel an Fischen, obgleich die
dazwischen strömende Meerenge nur 1000 Schritte breit ist.
Sie erwarten aber das Wehen des Nordwindes, damit sie
mit günstiger Strömung aus dem Pontus schwimmen
können, und nur die, welche in den Hafen von Byzanz
kommen, werden gefangen. Mitten im Winter ziehen sie
nicht, wo sie daher bis zum Aequinoctium angetroffen
werden, da überwintern sie. Oft begleiten sie die segeln-
den Schiffe; man sieht sie oft mit freudiger Verwunderung
einige Stunden hindurch mehrere tausend Schritte weit mit-
ziehen , und sie lassen sich nicht einmal dadurch ver-
scheuchen, dass man den Dreizack unter sie wirft. Einige
nennen diejenigen Thiere, welche diese Lebensweise führen,
Pompilen. Viele bleiben den Sommer über im Propontis
und gehen gar nicht in den Pontus; so auch die Zungen *),
') Soleae. Pleuronectes Solea L.
Neuntes Buch. 175
wogegen die Schollen l) hineingehen; auch die Tintenfische2)
nicht, wohl aber der Loligo 8). Unter den an Felsen le-
benden fehlen dort der Turdus und der Merula 4), sowie
die Muscheln, Austern dagegen sind im Ueberfluss vor-
handen. Alle aber überwintern im ägeischen Meere. Unter
allen, die in den Pontus einziehen, kehren allein die Sar-
dellen 5) nicht wieder zurück. (Es möchte wohl am besten
sein, mich bei den meisten Thieren der griechischen
Namen zu bedienen, weil ein und dieselben in dieser Ge-
gend so, in jener wieder anders genannt werden.) Sie
sind aber die Einzigen, welche in den Ister gehen; aus
diesem Flusse kommen sie durch unterirdische Kanäle ins
adriatische Meer, daher sieht man sie auch von dort her
hinab-, niemals aber aus der Tiefe des Meeres aufsteigen.
Der Fang der Thunfische dauert vom Aufgange des Sieben-
gestirns bis zum Untergange des Arcturus6); während des
Winters halten sie sich in den tiefsten Schlünden auf, wenn
sie nicht durch die Wärme oder den Vollmond hervorge-
lockt werden. Sie werden so fett, dass sie bersten, und
leben höchstens 2 Jahre.
21.
Ein kleines Thier, das die Gestalt eines Scorpions und
die Grösse einer Spinne hat, hängt sich mit seinem Stachel
unter die Flosse des Thuns sowohl wie des sogenannten
Schwerdfisches 7), der häufig den Delphin an Grösse
übertrifft, und verursacht diesen Thieren solche Schmerzen,
dass sie oft in die Schiffe springen. Diess thun auch
andere Fische, wenn sie sich vor anderen fürchten, nament-
*) Rhombi. Pleuconectes Rhombus und P. Platessa. 2) Sepiae.
3) Auch eine Sepie.
*) Beides sind Namen von Vögeln (turdus heisst der Krammts-
vogel und merula die Amsel), welche diesen Fischen wegen der
Aehnlichkeit in der Färbung beigelegt wurden.
3) Trichiae. Clupea Encrasicolus.
6) Vom Mai bis November.
:) Gladius. Xiphias fJladius.
276 Neuntes Buch.
lieh die Meeräschen, welche so schnell sind, dass sie zu-
weilen quer über die Schiffe hinüber schnellen.
22.
Auch in diesem Reiche der Natur giebt es Vorbedeu-
tungen, denn auch die Fische zeigen zukünftige Dinge
an. Als im sicilischen Kriege Augustus einst am Ufer
spazieren ging, sprang ein Fisch aus dem Meere zu seinen
Füssen; die Wahrsager deuteten diess so: es würden die-
jenigen zu des Kaisers Füssen liegen, welche damals die
Herrschaft über die Meere behaupteten. Sext. Pompejus
hatte sich nämlich damals einen Sohn des Neptun genannt:
so gross war sein Ruhm zur See.
23.
Bei den Fischen sind die Weibchen grösser als die
Männchen. In einigen Gattungen giebt es gar keine
Männchen, wie bei den Rothfischen x) und den Channen2),
denn alle, die gefangen werden, haben Eier in sich. Fast
alle mit Schuppen bedeckten Fische ziehen schaarenweise
umher. Man fängt sie vor Sonnenaufgang, denn dann
trügt sie ihr Gesicht am meisten. Des Nachts ruhen sie,
und in heitern Nächten sehen sie ebenso gut wie am
Tage. Man sagt, der Fang solle besser von Statten gehen,
wenn man im Wasser einen Wirbel erzeuge, und deshalb
sollen auch beim zweiten Zuge mehr gefangen werden als
beim ersten. Vorzüglich lieben sie den Genuss des Oeles
sowie massige Regenschauer, und werden dadurch ernährt.
Ebenso wächst auch das Schilf, obgleich es im Sumpfe
steht, nicht ohne Regen heran. Uebrigens sterben alle
Fische, die stets in ein und demselben Wasser leben, was
keinen Zufluss hat.
24.
Ein sehr kalter Winter ist allen empfindlich, besonders
aber denen, welche, wie man glaubt, einen Stein im
Kopfe haben, wie die Seewölfe 3), Chromen, Umber-
') Erithini. 2) Chanae. Perca cabrilla L.
3) Lupi. Anarrhichas Lupus.
Neuntes Buch. 177
^fische l) und Meerbrassen 2). Nach sehr rauhen Wintern
fängt man viele blinde. Daher liegen sie während dieser
Monate in Höhlen verborgen, ebenso wie wir es bei den
Landthieren angeführt haben. Besonders wird der Stutz-
kopf 3) und der Coracinus im Winter nicht gefangen, aus-
genommen an gewissen wenigen Tagen, aber an diesen
immer; desgleichen die Muräne 4), der Orphus, Couger, die
Barsche 5) und alle an Steinen lebenden. Der Zitterrochen 6),
Psetta und Solea sollen sich im Winter in der Erde, d. h.
in einer ausgehöhlten Untiefe des Meeres verborgen halten.
25.
Einige wiederum verbergen sich, weil sie die Hitze
nicht vertragen können, während der 60 heissesten Tage,
wie der Glaucus, die Kabliaus 7) und die Goldbrachsen 8).
Unter den Flusstischen erstarrt der Wels beim Aufgange
des Hundssterns, und ausserdem wird er stets vom Blitze
betäubt. Diess soll auch im Meere dem Karpfen9) be-
gegnen. Uebrigens hat der Aufgang dieses Gestirns auf
das ganze Meer Einfluss, besonders ist diess aber am Bos-
porus augenscheinlich, denn die Seegräser und Fische
kommen dort auf die Oberfläche, und alles wendet sich
von unten nach oben.
26.
Die Meeräschen10) haben eine lächerliche Eigenschaft
an sich; sie Verstecken nämlich bei der drohenden Gefahr
den Kopf, in der Meinung, nun ganz verborgen zu sein.
Sie sind aber so geil, dass wenn man z. B. in Phönicien oder
in der narbonensischen Provinz zur Zeit der Begattung
ein Männchen aus einem Fischbehälter an einer langen
durch den Mund gezogenen und an den Kiemen befestigten
') Sciaenae. Sciaena nigra. 2) Pagri. Pagrus vulgaris.
3) Hippurus. Coryphaena Hippurus.
*) Gyxnnothorox muraena. 5) Percae.
6) Torpedo. Raja torpedo. 7) Aselli. Gadus Morrhua.
8) Auratae. Sparus aurata. 9) Cyprinus.
l0) Mugil. Mugil Cephalus.
^Vittstein: Plinius. II. Bd.
12
178 Neuntes Buch.
Schnur in's Meer wirft, und wieder zurückzieht, die Weibchen:
bis an die Küste folgen; und ebenso folgen die Männchen
den Weibchen zur Laichzeit.
27.
Bei den Alten galt der Stör *) für den edelsten Fisch,
weil an ihm allein die Schuppen nach dem Munde, also
der Richtung des Schwimmens entgegen gekehrt sind. Jetzt
wird er nicht mehr geschätzt, was mich wundert, da er so
selten zu finden ist. Einige nennen ihn Elops.
28.
Späterhin stand, wie Cornelius Nepos und der Mimen-
dichter Laberius 2) erzählen, der See wo lf und der Kab Hau3)
im besondern Ansehen. Unter den erstem sind diejenigen,
welche man wegen der Weisse und Weichheit ihres
Fleisches wollige genannt, die beliebtesten. Es giebt zwei
Arten Asellen, die Callarien 4), welche kleiner sind, und
die Bacchen, welche nur auf der hohen See gefangen und
daher den erstem vorgezogen werden. Unter den See-
wölfen giebt man den in Flüssen gefangenen den Vorzug.
29.
Jetzt stellt man den Scarus 5) oben an; diess soll der
einzige Fisch sein, der wiederkauet, und sich von Kräutern
und nicht von andern Fischen nährt. Er kommt sehr
häufig im carpathischen Meere vor, und geht von selbst
nie über das Vorgebirge Lecton in Troas hinaus. Von
dorther Hess, unter der Regierung des Tiberius Claudius,
Optatus Elipertius, der Befehlshaber der Flotte, mehrere
bringen und zwischen der ostiensischen und kampanischen
Küste in's Meer setzen. Beinahe 5 Jahre lang sorgte man
dafür, dass die gefangenen wieder in's Meer geworfen
wurden, und seitdem trifft man sie häufig an der Küste
von Italien, während sie früher daselbst nicht vorkamen.
So verschaffte sich der Gaumen durch Verpflanzung dieser
') Acipenser. Acipenser Sturio.
*) Lebte zu Caesar's Zeit. ') Siehe d. 25 Cap.
*) Gadus Callarias, der Dorsch. &) Labrus Scarus L.
Neuntes Buch. I79
Fische neue Genüsse, und gab dem Meere einen neuen Be-
wohner, damit sich Niemand wundern möge, dass in Rom
ausländische Vögel hecken.
Den nächsten Rang auf der Tafel giebt man der Leber
der Mustela1), welche merkwürdigerweise der brigan-
tinische See 2) in den rhätischen Alpen in derselben Güte
enthält, wie sie im Meere vorkommen.
30.
Von den übrigen edlern Fischgattungen sind die ge-
schätztesten und häufigsten die Meer-Barben 3), sie haben
eine massige Grösse, wiegen selten über 2 Pfund, gedeihen
nicht in Behältern und Teichen, und kommen bloss im
nördlichen und dem zunächst daran grenzenden westlichen
Theile des Oceans vor. Uebrigens giebt es mehrere Arten
derselben; denn sie nähren sich theils von Seegewächsen,
theils von Austern, theils vom Schlamme, theils von dem
Fleische anderer Fische. Sie zeichnen sich durch einen
doppelten Bart am untern Kiefer aus. Die schlechtesten
unter ihnen nennt man Kothbarben 4). Letztere werden
beständig von einem andern Fische, Namens Sargus5),
begleitet, und wenn sie im Schlamme wühlen, so frisst
dieser das aufgescharrte Futter weg. Auch die, welche
sich an den Küsten aufhalten, sind nicht beliebt. Die
besten schmecken wie Muscheln. Ihren Namen sollen sie,
nach Fenestella, von der Farbe der purpurfarbenen Schuhe 6)
haben. Sie laichen 3 mal im Jahre; wenigstens kommt
so viele Male junge Brut von ihnen zum Vorschein. Die
grössten Schmecker sagen, man nähme an der Meerbarbe
ein viel wechselndes Farbenspiel wahr, indem seine röth-
lichen Schuppen erst nach mannigfacher Veränderung blass
würden, was man besonders wahrnehmen könne, wenn er
sich in einem Glase befände. M. Apicius, der für alle
') Gadus Lota. 2) Der Bodensee.
3) Mulli. Mullus Surmuletus. 4) Lutarii. B) Sargus raucus.
e) Calciamenta mullea; welche nur die Consuln, Prätoren und
Ardiles curules trugen.
12*
IgO Neuntes Buch.
Arten des Luxus ein merkwürdiges Genie besass, hielt es
für etwas Herrliches, ihn in der gesellschaftlichen Fisch-
sauce *) (denn auch diese hat einen Zunamen bekommen)
zu tödten, und forderte auf, aus der Leber derselben eine
Lake zu ersinnen; diess ist aber leichter zu sagen als
auszuführen.
31.
Der Consular Asinius Celer, welcher in diesem Fische
viel verschwendete, kaufte unter der Regierung des Cajus
einen einzigen für 8000 Sesterzien. Diese. Thatsache
bringt den Geist vom Erstaunen zur Betrachtung derer,
welche bei der Klage über den Luxus sich darüber be-
schwerten, dass ein Koch mehr koste als ein Pferd. Jetzt
aber ist der Preis eines Koches dem eiues Triumphes
gleich, und die Fische sind so theuer wie die Köche. Fast
kein anderer Mensch wird jetzt höher geschätzt als der,
welcher das Vermögen seines Herrn am geschicktesten zu
Wasser machen kann. Licinius Mucianus erzählt, im
rothen Meere sei eine Meerbarbe von 80 Pfunden gefangen.
Wie theuer würden den die Schwelger bezahlt haben,
wäre er an dem der Stadt Rom nächsten Ufer gefangen
worden!
32.
Die Natur hat auch die Einrichtung getroffen, dass hier
diese, dort jene Fische den Vorzug haben, wie z. B. der
Coracinus in Aegvpten, der Zeus, auch Faber2) genannt,
zu Gades, der Salpa in der Gegend von Ebusum, der an
andern Orten verachtet ist, und sich nicht mürbe kochen
lässt, wenn er nicht zuvor mit Ruthen geschlagen wird; in
Aquitanien wird der Fluss-Salm 3) allen andern Seefischen
vorgezogen.
33.
Einige Fische haben vielfache Kiemen, andere ein-
fache, noch andere doppelte. Durch diese geben sie das
') Garum sociorum. 2) Zeus Faber, der Sonnentisch.
3) Salmo fluviatilis, diess ist der Lachs, Salmo Salar.
Neuntes Buch. 181
Wasser, was sie durch den Mund empfangen haben, wieder
von sich. Ein Kennzeichen ihres Alters giebt die Härte
der Schuppen, die nicht bei allen gleich sind. In Italien
liegen 2 Seen am Fusse der Alpen, der Larius J) und Ver-
banus 2), in welchen sich jedes Jahr beim Aufgange des
Siebengestirns 3) Fische mit vielen sehr spitzen Schuppen,
welche den Schuhnägeln gleichen, zeigen. Ausser dieser
Zeit sieht man sie nicht weiter.
34.
Auch Arcadien bewundert seinen Exocoetus 4), der da-
her so genannt ist, weil er, um zu schlafen, an's Land geht.
Um Clitorium soll er einen Laut von sich geben, und
keine Kiemen haben; er wird von Einigen auch Adonis
genannt.
35.
An's Land gehen auch die sogenannten Seemäuse5),
die Polypen und Muränen. Selbst in den indischen Flüssen
giebt es eine gewisse Gattung von Fischen, die erst an's
Land und dann wieder zurück springen; denn der Grund,
warum die Seefische in stehende Gewässer und Flüsse
übergehen, ist kein anderer, als ihren Laich sicher absetzen
zu können, weil es da keine Thiere giebt, welche die Jungen
verschlingen, und die Wogen ruhiger sind. Dass jene
Thiere diese Gründe kennen, und den Wechsel der Jahres-
zeilen zu beachten wissen, verdient um so mehr Be-
wunderung, wenn man bedenkt, wie wenigen Menschen es
bekannt ist, dass der Fischfang am reichlichsten ausfällt,
wenn die Sonne durch das Zeichen der Fische geht-
36.
Einige Seefische sind platt, wie die Rhomben6), die
Soleae7) und die Passeres8), welche sich von den
•) Lago maggiove. -) Lago di Como. 3) Den 7. Mai.
4) Exocoetus exsiliens, der Fliegfisch.
5) Sind Rocheneier, welche eine Hornschale und Stacheln haben.
°) Pleuronectes Rhombus und Platusa.
7) Pleuronectes Solea.
8) Pleuronectes maximus.
182 Neuntes Buch.
Rhomben nur durch die Lage ihres Körpers unterscheiden;
bei den Rhomben ist nämlich die rechte, bei den Passeres
aber die linke Seite zurückgebogen. Andere sind lang,
wie die Muräne und der Conger x).
37.
Auch die Flossen, welche den Fischen statt der
Füsse gegeben sind, weichen untereinander ab. Kein Fisch
hat deren mehr als 4, einige nur 2, andere gar keine.
Bloss im fucinischen See giebt es einen Fisch, der mit
8 Flossen schwimmt. Zwei haben durchgehends die langen
und schlüpfrigen, wie die Fluss- 2) und Meer-Aale 3). Gar
keine haben z. B. die Muränen, denen auch die Kiemen
fehlen. Alle diese bewegen sich durch Beugungen des
Leibes ebenso im Meere wie die Schlangen auf dem Lande.
Selbst auf dem Trocknen können sie kriechen, und haben
daher ein zäheres Leben. Auch unter den platten Fischen
haben einige keine Flossen wie z. B. die Stech rochen4);
sie schwimmen nämlich auf der breiten Seite. Ferner die-
jenigen, welche man weiche nennt, wie die Polypen, bei
denen die Füsse die Stelle der Flossen vertreten.
38.
Die Aale leben 8 Jahre. Beim Wehen des Nord-
windes können sie 6 Tage lang ausser dem Wasser zu-
bringen, beim Südwinde nicht so lange. Den Winter hin-
gegen halten sie weder in seichtem, noch in trübem Wasser
aus; daher fängt man sie grössentheils um die Zeit des
Leuchtens des Siebengestirns, weil dann die Flüsse vorzüg-
lich trübe sind. Des Nachts suchen sie sich ihr Futter.
Sie sind die einzigen Fische, welche nach dem Tode nicht
schwimmen. Im veronesischen Gebiete Italiens liegt der
See Benacus 5), durch welchen der Mincius fliesst; wenn
nach dem alljährig ungefähr im Monat October erfolgenden
Austritt des letztern der See durch die herbstliche Sonne,
M Anguilla Conger. 2) Anguilla. Anguilla fluviatilis. 3) Conger.
4) Pastinacae. Raja Pastinaca. s) Lago di Garda.
Neuntes Buch. 183
-wie bekannt ist, kalt wird, so werden sie haufenweise von
den Fluthen fortgewälzt, und zwar in so erstaunlicher
Menge, dass sie in eigens deshalb gefertigten Fängen zu
Tausenden beisammen gefunden werden.
39.
Die Muräne *) laicht alle Monate, während die Übrigen
Fische diess nur in einem bestimmten Monate thun. Ihre
Eier wachsen sehr schnell. Da sie auf's trockne Ufer
kriechen, so glaubt der gemeine Mann, sie würden von
Schlangen befruchtet. Aristoteles nennt das befruchtende
Männchen Zmyrus. Sie sollen sich dadurch von einander
unterscheiden, dass die Muräne bunt und schwach, der
Zmyrus aber einfarbig und kräftig ist, und seine Zähne
ausserhalb des Mundes hat. Im nördlichen Gallien haben
alle Muränen an der rechten Kinnlade 7 Flecke in Gestalt
des grossen Bären; diese glänzen, so lange sie leben, gold-
gelb, und verschwinden zugleich mit dem Tode. An diesem
Thiere fand der römische Ritter Vedius Pollio, einer von
den Freunden des Kaiser Augustus, ein Mittel seine Grau-
samkeit auszuüben. Er liess nämlich verurtheilte Sclaven
in die Behälter derselben werfen, als wenn die wilden
Thiere auf dem Lande dazu nicht hinreichend gewesen
wären, sondern weil er bei andern Thieren nicht so sehen
konnte, wie der ganze Mensch zerrissen wurde. Durch
den Genuss des Essigs sollen sie vorzüglich in Wuth ge-
rathen. Ihre Haut ist sehr dünn, dagegen die der Aale
dicker; mit dieser pflegte man, wie Verrius erzählt, die
Knaben zu züchtigen, und deshalb sei ihnen keine Geld-
strafe auferlegt.
40.
Eine andere Gattung der Plattfische ist die, welche
^tatt des Rückgrats einen Knorpel hat, wieder Glatt-Rochen2),
der Stechrochen, der Meerengel 3), der Zitterrochen 4) und
') Muraena Helena. 2) Raja. Raja Batis L.
*) Squatina. Squatina Angelus Cuv.
A) Torpedo. Raja Torpedo L.
184
Neuntes Buch.
diejenigen, welchen die Griechen die Namen: Ochse, Lamia,.
Adler und Frosch gegeben haben. Zu dieser Anzahl ge-
hören auch die Haifische1), obgleich sie nicht platt sind;,
ihnen hat Aristoteles zuerst den allgemeinen griechischen
Namen ösla%vi gegeben; wir können sie am besten mit
dem Namen cartilaginea bezeichnen. Alle diese Fische
sind fleischfressend, und fressend auf dem Rücken liegend,
wie wir es von den Delphinen berichtet haben. Und
während die übrigen Fische Eier legen,, so gebärt dieses
Geschlecht allein, gleich wie die sogenannten Wale, leben-
dige Junge, ausgenommen der sogenannte Frosch 2).
41.
Es giebt einen ganz kleinen an Felsen lebenden Fisch?
Namens Schiffshalter3); wenn sich dieser an die Schiffe
hängt, so glaubt man, sie gingen langsamer, und hiervon
hat er seinen Namen erhalten. Aus demselben Grunde
steht er auch in dem Rufe, ein Liebesgift zu enthalten,
und in Rechtsstreitigkeiten und Processen Aufschub zu be-
wirken; diese üblen Eigenschaften gleicht er aber durch
eine gute wieder aus, indem er den Gebärmutterfluss der
Schwangern hemmt, und die Leibesfrucht bis zur richtigen
Zeit der Geburt zurück hält. Gegessen wird, er jedoch nicht.
Aristoteles meint, er habe Füsse, weil die Flossen auf ähn-
liche Weise gestellt sind. Mucianus hält ihn für eine
Stachelschnecke 4), die breiter ist als die Purpurschnecke,
weder einen rauhen noch runden Mund, noch in Winkel
ausgehenden Schnabel, sondern eine einfache, sich auf
beiden Seiten schliessende Schale hat. Als sie sich einst
an ein mit vollem Winde segelndes Schiff hingen, welches
vom Periander die Nachricht überbrachte , dass die edlen.
Knaben verschnitten werden sollten, soll es still gestanden,
haben, und eben die Muscheln, welche diess bewirkt hatten,
sollen im Tempel der Venus zu Gnidus verehrt werden .
') Squali. Squalus Carchariaa.
2) Rana. Lophius piscatorius, der Seeteufel.
3) Echeneis. Echeneis remora. 4) Murex.
Neuntes Buch. 185
Trebius Niger sagt, die 1 Fuss lang und 5 Finger dick
wären, vermöchten Schiffe festzuhalten; ausserdem sollen
sie, selbst eingesalzen, noch die Kraft haben, Geld, welches
in die tiefsten Brunnen gefallen ist, durch ihre Annäherung
h erauszuziehen.
42.
Die Menen verändern ihre weisse Farbe und
werden im Sommer schwärzlich. Auch die Phycis *) ist
im Frühjahr gefleckt, die übrige Zeit weiss, und der ein-
zige Fisch, welcher sich ein Nest bauet und darin laicht.
43.
Die Seeschwalbe2) fliegt und ist dem Vogel dieses
Namens sehr ähnlich; so auch die Seeweihe3). Auf die
Oberfläche des Meeres kommt ein Fisch, der von seiner
Eigenschaft Seeleuchte4) genannt wird, und mit seiner
feurigen aus dem Munde gestreckten Zunge in ruhigen
Nächten leuchtet. Der Hornfisch 5) erhebt seine lV* Fuss
langen Hörner über das Meer, und hat davon seinen Namen
erhalten. Der Seedrache6) wühlt sich, wenn er gefangen
und auf Sand geworfen wird, mit seinem Rüssel mit un-
glaublicher Schnelligkeit ein Loch.
44.
Einige Fische haben kein Blut, und von diesen
wollen wir jetzt handeln. Es giebt deren 3 Gattungen; zu
der ersten gehören die sogenannten weichen, dann folgen
die mit dünnen Schalen bedeckten, und endlich diejenigen,
welche in harte Schalen eingeschlossen sind. Weiche sind:
der Loligo, die Sepia, der Polyp 7) und andere ähnliche.
Sie haben den Kopf zwischen den Füssen und dem Leibe
*) Petroinyzon fluviatilis. 2) Hirundo. Trigla volitans.
3) Milous. A) Lucerna. Trigla lucerna L.
5) Cornuta. Esox Belone.
6) Draco marinus. Trachinus Draco.
7) Man theilt die Tintenfische oder Sepien in 2 Klassen: a) Oc-
topoda (der Polyp des Plinius) mit 8 gleichlangen Armen, b) Deca-
poda mit 10 Armen, von den 2 länger sind. Dahin gehören Lo-
ligo off. und Sepia off.
jgß Neuntes Buch.
und sämmtlich 8 Füsse. Bei der Sepia und dem Loligo
sind zwei Füsse sehr lang und rauh; mit diesen bringen
sie den Frass zum Munde und halten sich in den Wogen,
gleich wie mit Ankern darin fest; die übrigen sind Fang-
arme und dienen ihnen zum Rauben.
45.
Der Loligo fliegt sogar, wenn er sich aus dem Wasser
erhebt; dasselbe thun auch die Kammmuscheln *) mit
pfeilartiger Schnelle. Die Männchen der Sepiagattung
sind gefleckt, dunkler gefärbt und von grösserer Ausdauer.
Sie eilen dem mit dem Dreizack verwundeten Weibchen zu
Hülfe, das Weibchen hingegen fliehet, wenn das Männchen
getroffen ist. Beide aber lassen, wenn sie merken, dass
man sie greifen will, eine tintenartige Flüssigkeit von sich,
die bei ihnen die Stelle des Bluts vertritt, und verbergen
sich in dem dadurch verdunkelten Wasser.
46.
Es giebt viele Gattungen von Polypen; die Land-
polypen sind grösser als die Seepolypen. Alle bedienen
sich ihrer Arme, wie der Füsse und Hände, des Schwanzes
aber, der gabelig und spitz ist, zur Begattung. Die Po-
lypen haben eine Röhre im Rücken, durch welche sie das
Seewasser von sich geben, und die sie bald auf die rechte,
bald auf die linke Seite bringen. Sie schwimmen schief
auf dem Kopfe, der sehr hart, und so lange sie leben auf-
geblasen ist. Uebrigens hängen sie sich mittelst kleiner
über die Arme verteilter Saugwarzen an, und halten den
ergriffenen Gegenstand rücklings liegend so fest, dass man
sie nicht losreissen kann. Seichte Orte lieben sie nicht.
Grössere können sich nicht so festhalten wie kleinere. Sie
sind die einzigen Weichthiere, welche auf's Trockne gehen,
nur muse der Boden rauh sein, denn einen glatten haben
sie nicht gern. Sie fressen das Fleisch der Muscheln,
deren Schalen sie mit ihren Armen umfassen und zer-
•) Pectunculi. Pectunculus subauritus.
Neuntes Buch. 187
drücken, dalier erkennt man ihren Aufenthalt an den um-
herliegenden Schalen. Und wenn man auch dieses Thier
für sehr dumm halten muss, da es dem Menschen gleichsam
in die Hand schwimmt, so besitzt es doch in seiner Lebens-
weise eine gewisse Verschlagenheit. Es trägt alles in
seinen Versteck, und wenn es die Schalen abgenagt hat,
so schafft es sie heraus, und macht Jagd auf die nach
denselben herbeischwimmenden kleinen Fische. Es ver-
ändert, meistentheils in der Furcht, seine Farbe und nimmt
die der Umgebung an. Dass es selbst an seinen Armen
nage, ist unwahr, denn diess geschieht ihm von den Meer-
aalen, allein ebenso unbegründet ist es, dass sie ihm
wieder wachsen, wie den Stellionen und Eidechsen die
Schwänze.
47.
Unter die vorzüglichsten Merkwürdigkeiten gehört das
Thier, welches Nautilos1), von Andern Pompilos genannt
wird. Es kommt auf dem Kücken liegend auf die Ober-
fläche des Wassers, indem es sich dadurch, dass es alles
Wasser durch eine Röhre von sich giebt, einer Last ent-
ledigt, um nun leicht schwimmen zu können, beugt dann
die beiden Vorderarme zurück, und spannt zwischen beiden
eine äusserst feine Haut aus. Mit Hülfe derselben segelt
es, wenn der Wind weht, mit den übrigen Armen rudert
es, uud mit dem in der Mitte befindlichen Schwänze lenkt
es sich wie mit einem Steuerruder. So gleitet es auf der
Meeresfläche hin, und gleicht an Gestalt einem liburnischen
Fahrzeuge; glaubt es sich aber nicht sicher, so schluckt
es Wasser ein und taucht unter.
48.
Zu dem Geschlechte der Polypen gehört auch die
Ozäna, sogenannt von dem starken Gerüche ihres Kopfes,
weshalb sie auch von den Muränen verfolgt wird. Die
Polypen verbergen sich 2 Monate lang, leben nicht über
.2 Jahre, und sterben stets an der Abzehrung, die Weibchen
•) Nautilus Pompilius, das Schiffsboot, der Segler.
Ig^ Neuntes Buch.
noch schneller, und bald nachdem sie geboren haben. Wir
dürfen die unter L. Lucullus, dem Proconsul in Bätika, ge-
machten Erfahrungen über die Polypen, welche Trebius
Niger, einer seiner Begleiter veröffentlicht hat, nicht mit
Stillschweigen übergehen. Sie sollen nämlich sehr begierig
nach Muscheln sein, diese aber schliessen sich bei der Be-
rührung, schneiden dadurch den Polypen die Arme ab, und
bekommen so von dem Räuber selbst Frass. Die Muscheln
entbehren des Gesichts, auch jedes andern Sinnes, ausge-
nommen für das Essen und die Gefahr. Daher stellen
ihnen die Polypen nach, wenn sie offen sind, und legen
einen Stein zwischen die Schalen, aber nicht nahe an den
Körper, damit er nicht durch dessen Bewegung heraus ge-
worfen werde; so gehen sie nun sicher auf ihren Raub los
und ziehen das Fleisch heraus , jene suchen sich zu
schliessen, aber wegen des eingeschobenen Keils vergebens.
So besitzen selbst die unvollkommensten Thiere einen
hohen Grad von Schlauheit. Derselbe Autor sagt ferner
es gäbe kein Thier im Wasser, welches den Menschen auf
eine grausamere Weise umbrächte. Wenn es nämlich
Schiffbrüchige oder Taucher anfällt und mit ihnen kämpft,
so umklammert es sie, saugt sich mit seinen vielen Sang-
näpfen fest und zieht sie tief hinab; wird es aber umge-
dreht, so erschlafft seine Kraft, denn so wie es auf dem
Rücken liegt, streckt es seine Arme auseinander. Was
dieser Schriftsteller sonst noch von ihnen erzählt, klingt
seltsam genug. Zu Carteja bei den Fischhändlern pflegte
ein Polyp aus dem Meere in die offnen Behälter derselben
zu gehen, und ihre eingesalzencn Fische zu plündern (denn
merkwürdigerweise gehen alle Seethiere dem Gerüche der
Salzlake nach, weshalb man auch die Netze damit be-
streicht), und zog durch sein anhaltendes Rauben den Un-
willen der Aufseher auf sich. Diese hatten ihm zwar hohe
Zäune entgegengesetzt, allein er überstieg sie durch Hülfe
eines Baumes und konnte bloss durch das Spüren der
Hunde erwischt werden. Diese umringten ihn, als er einst
des Nachts wieder zurückging, und riefen durch Bellen die
Neuntes Buch. 189
Aufseher herbei, welche sich über das unerwartete Schau-
spiel nicht wenig entsetzten, denn er war von unerhörter
Grösse, sah wie von Salzbrühe überzogen aus und ver-
breitete einen fürchterlichen Gestank. Wer hätte hier einen
Polypen erwartet oder unter dieser Gestalt erkannt? Sie
glaubten es mit einem Ungeheuer zu thun zu haben; denn
er trieb die Hunde mit schrecklichen Blasen von sich,
peitschte sie bald mit seinen äussersten Armen, schlug
bald auf sie mit seinen stärkern Armen wie mit Keulen,
und konnte nur mit Mühe durch viele Dreizacke getödtet
werden. Sie zeigten dem Lucullus den Kopf dieses Thieres,
der so gross war wie ein Fass, welches 15 Amphoren
fassen kann, und (um mich der eigenen Worte des Trebius
zu bedienen) seine Barte *), die kaum mit zwei Armen um-
spannt werden konnten, waren so stark wie Keulen, sie
hatten eine Länge von 30 Fuss und ihre Saugnäpfe oder
Kelchlein fassten eine Urne. Die Zähne waren der Grösse
des Thieres angemessen. Der Ueberrest, welcher der Merk-
würdigkeit wegen aufbewahrt wurde, wog 700 Pfund. Dass
auch Sepien und Loligen von solcher Grösse an der dor-
tigen Küste ausgeworfen werden, erzählt derselbe Schrift-
steller. In unserm Meere werden Loligen von 5 und
Sepien von 2 Cubitus gefangen; auch sie werden nur
2 Jahre alt.
49.
Ein anderes ähnliches Segeltbier will Mutianus im
Propontis gesehen haben; es soll eine Muschel sein, die
wie ein kleines Fahrzeug 2) gestaltet sei, ein eingebogenes
Hintertheil und geschnäbeltes Vordertheil habe. In diese
setze sich das Nauplium, ein der Sepia ähnliches Thier,
bloss um sich in Gesellschaft zu vergnügen, was auf
zweierlei Art geschieht; wenn nämlich das Meer ruhig ist,
so schlägt dieser Schiffer 3) mit herabhängenden Händen
das Wasser, wie mit Rudern, wenn aber der Wind dazu
M barbae, d. i. Arme. 2) acatium.
3) Nämlich das Nauplium.
jcjQ Neuntes Buch.
«inladet, so streckt er dieselben aus, um sie als Steuer-
ruder zu gebrauchen, und lenkt die Beugung der Muschel
dem Winde entgegen. Bei dieser besteht das Vergnügen
darin, dass sie jenes trägt, bei letzterm, dass es lenkt, uud
so haben 2 stumpfsinnige Geschöpfe zu gleicher Zeit einen
Genuss; wenn darin nur nicht (und diess ist bekannt) für
die Schiffer ein trauriges Zeichen und die Ursache zu
menschlichem Unglücke läge.
50.
Die Krabben1) sind mit einer zerbrechlichen Schale
bedeckt, gehören zu den blutlosen Thieren uud halten sich
5 Monate lang verborgen; Aehnlichkeit mit ihnen haben
die Krebse 2), welche sich zu derselben Zeit verkriechen,
beide aber streifen zu Anfang des Frühlings, wie die
Schlangen, ihre alte Decke ab, und bekommen neue
Schalen. Die übrigen Wasserthiere schwimmen im Wasser,
die Krabben aber bewegen sich kriechend fort. Wenn sie
keine Furcht anwandelt, so nehmen sie eine gerade Rich-
tung, und stecken die Hörner, welche auf eigene Weise
gerundet und zugespitzt sind, zur Seite aus; sind sie aber
in Furcht, so tragen sie dieselben aufrecht und schwimmen
auf der Seite liegend schief fort. Mit den Hörnern
kämpfen sie auch untereinander. Diess ist das einzige
Thier, welches, wenn es nicht lebendig in Wasser gekocht
wird, keine festen Theile am Fleische hat. Sie leben an
steinigen Orten, die Krebse aber an schlammigen. Im
Winter gehen sie an sonnige Ufer, im Sommer in schattiger
Tiefen zurück. Alle Thiere dieser Art magern im Winter
ab, werden aber im Herbst und Frühlinge fett, und be-
sonders zur Zeit des Vollmondes, weil diess Gestirn durch
seinen lauen Schein die Nächte milde macht.
51.
Arten derKrebse sind die Carabi, Astaci 3), Majae4)
*) Locustae. 2) Cancri.
3) Astacus fluviatilis, der Flusskrebe. 4) Maja Squinado.
Neuntee Buch. 191
Paguri *) Heracleotici, Leones und andere weniger be-
deutende. Die Carabi unterscheiden sich von den übrigen
Krebsen durch ihren Schwanz. In Phönicien heissen sie
Innslq 2), und besitzen eine solche Schnelligkeit, dass man
sie nicht einholen kann. Die Krebse leben lange und
haben 8 Füsse, welche sämmtlich schief gebogen sind, der
vorderste Fuss ist bei dem Weibchen doppelt, bei dem
Männchen einfach. Ausserdem haben sie 2 mit gezähnten
Zangen (Scheeren) versehene Arme. Der obere Theil an
diesen vordem Extremitäten ist beweglich, der untere un-
beweglich; der rechte Arm der grösste von allen. Zuweilen
versammeln sich alle Krebse, können aber die Mündung
des Pontus nicht durchschwimmen, kehren daher wieder
um, und man sieht dann deutlich den Weg, welchen sie
nehmen.
Der sogenannte Muschelwächter3) ist der kleinste
in dieser Gattung, und daher auch den Nachstellungen sehr
ausgesetzt. Er besitzt die Schlauheit, in die leeren Auster-
schalen, und wenn er grösser wird, in grössere zu kriechen.
Die Krebse gehen bei Gefahr mit derselben Schnellig-
keit auch rückwärts, und kämpfen unter sich wie Widder,,
indem sie mit den Hörnern gegeneinander rennen. Gegen
den Schlangenbiss liefern sie ein Heilmittel. Wenn die
Sonne in das Zeichen des Krebses tritt, soll sich ihr Körper
nach dem Tode auf dem Trocknen in einen Scorpion um-
wandeln.
Hierher gehören auch die Seeigel *), welche statt der
Füsse Stacheln haben. Ihr Gehen ist ein Wälzen im
Kreise; daher findet man sie oft mit abgenutzten Stacheln.
Diejenigen unter ihnen, welche die längsten Dornen und
die kleinsten Saugnäpfe haben, heissen Echinometrä. Nicht
alle haben ein und dieselbe glasartige Farbe. In der
') Cancer Pagurus, Taschenkrebs.
5) Springer. Cancer Cursor L.
3) Pinnotheres. Cancer Mytilorum (Pinnotheres MytilorunO.
A) Echini. Echinus esculentus.
192 Neuntes Buch.
Gegend von Torone giebt es weisse mit kleinen Stacheln.
Die Eier bei allen sind bitter, und ihrer 5 an der Zahl.
Der Mund ist in der Mitte des Körpers und gegen die
Erde gekehrt. Man sagt, sie wüssten vorher, wenn ein
Meeressturm ausbräche, und bedeckten sich dann mit zu-
sammengetragenen Steinchen, um ihre Beweglichkeit zu
hemmen, und zu verhindern, dass ihre Stacheln durch das
Umwälzen leiden. Sowie diess die Schiffer gewahrt werden,
halten sie sogleich das Schiff durch Auswerfen mehrerer
Anker an.
Ferner gehören hierher die Wasser- und Land-
schnecken, welche sich aus ihrem Gehäuse heraus-
strecken, und zwei Hörner haben, die sie ausdehnen und
zusammenziehen. Weil ihnen die Augen fehlen, untersuchen
sie den Weg mit den Hörnern.
Auch die im Meere lebenden Kammmuscheln1)
werden zu diesen Thieren gerechnet und verbergen sich
gleichfalls bei grosser Kälte und Hitze; ebenso die Nagel-
muscheln2), welche im Finstern, sogar im Munde derer,
welche sie essen, wie Feuer leuchten.
52.
Eine festere Schale haben die Stachelschnecken 3) und
die verschiedenen Muschelarten, in denen sich eine
grosse Mannigfaltigkeit des Naturspiels zeigt. Was für
verschiedene Farben, wie vielerlei Gestalten giebt es hier!
Flache, hohle, längliche, mondförmige, kreisförmig gewun-
dene, im Halbkreis durchschnittene, höckrige, glatte, runzelige,
gezähnte, gestreifte, an der Spitze purpurschneckenförmig
gewundene, mit spitz auslaufendem, auswärts gehendem,
nach Innen sich wickelndem Rande! Ferner unterscheidet
man gestreifte, haarförmige, krause, röhrig oder kammartig
getheilte, schuppige, wellenförmige, gegitterte oder netz-
förmige, schiefe, gerade, dichte, ausgestreckte, buchtige,
durch kleine Knoten verbundene, mit der ganzen Seite zu-
sammenhängende, zum Klatschen geöffnete, zum Blasen ge-
!) Pectines. Pecten maximus. -) Ungues. s) Murices.
Neuntes Buch. 193
krümmte. Von diesen bewegen sich die Venusmuscheln1)
auf die Weise, dass sie den hohlen Theil dem Winde ent-
gegen richten und so auf dem Meere segeln. Die Kamm-
muscheln springen, fliegen aus dem Wasser, u;id fahren
auch selbst darauf umher.
53.
Aber warum erwähne ich solche Kleinigkeiten, da die
Verdorbenheit der Sitten und der Luxus von nichts mehr
als von den Muscheln Nahrung zieht? Gewiss ist unter
allen Schöpfungen der Natur das Meer auf so mannigfaltige
Weise, durch so viele Speisen, so viele Leckereien von
Fischen, deren Preise sich nach der Gefahr der Fischer
richten, dem Bauche am allerverderblichsten. Doch, wie
unbedeutend erscheint diess noch, wenn wir die Purpur-
schnecken, Conchylien und Perlen bedenken? Man war
nicht damit zufrieden, die Schätze des Meeres in die Kehle
zu versenken, nein, sie mussten auch an den Händen,
Ohren, am Kopfe, ja am ganzen Körper vom weiblichen
und männlichen Geschlechte getragen werden. Was hat
das Meer mit den Kleidern zu thun? Was die Wogen mit
der Wolle? Diese nehmen uns eigentlich nur nackend auf.
Mag sich der Bauch mit dem Meere befreunden, wozu die
Haut? Nicht genug, dass wir mit Gefahr Anderer essen,
wir wollen uns auch damit kleiden, und uns gefällt am
ganzen Körper das am meisten, was mit Lebensgefahr
herbeigeschafft ist.
54.
Den ersten Rang und höchsten Preis unter allen
Dingen behaupten nämlich die Perlen. Die meisten
kommen zu uns aus dem indischen Ocean, zwischen so
■vielen und grossen von mir bereits angeführten Seethieren,
über so viele Meere, aus einem so entfernten brennend
heissen Lande her, und selbst die Indier suchen sie nur
an wenigen Inseln. Am fruchtbarsten ist in dieser Be-
ziehung Taprobane und Stoidis, wie ich schon bei der Be-
•) Veneriae. Venus Dione.
Wittstein: Plinius. II. Bd. 13
194 Neuntes Buch.
Schreibung der Erde gesagt habe *); ferner das Vorgebirge
Perimula in Indien. Vorzüglich aber wird die arabische
Küste im persischen Meerbusen des rothen Meeres als
perlenreich gepriesen.
Der Ursprung und die Entstehung der P e r 1 e n m u s c h e 1 2)
ist nicht viel von der der Austermuscheln verschieden.
Wenn die zur Zeugung bestimmte Stunde den Reiz in ihnen
erweckt hat, so öffnen sie sich, gleichsam als wenn sie
gähnten, und werden, wie man sagt, vom Thau befruchtet;
hierauf gebären sie, und die Geburten dieser Muscheln
sollen die Perlen sein, deren Qualität sich nach dem em-
pfangenen Thau richtet. War der Thau rein, so sind die
Perlen von glänzend weisser Farbe; war er aber trübe, so
wird auch die Frucht unrein, und sie ist blass, wenn
während der Empfängniss der Himmel drohend umwölkt
war. Hieraus geht hervor, dass sie mehr Gemeinschaft
mit dem Himmel als mit der Erde haben; denn von jenem
erhalten sie eine wolkige, oder je nach der Klarheit am
Morgen, eine mehr oder weniger helle Farbe. Wenn sie
sich zu rechter Zeit sättigen, wächst auch die Frucht.
Wenn es blitzt, schliessen sich die Muscheln, und ver-
kleinern sich, je nachdem sie Hunger leiden müssen.
Wenn es aber donnert, so erschrecken sie, schliessen sich
plötzlich, und bringen die sogenannten Perlblasen 3) hervor,
welche nur die Gestalt einer aufgeblasenen Perle haben,
inwendig hohl und die Fehlgeburten der Muscheln sind.
Die gesunden Geburten bestehen nämlich aus vielfachen
Häuten, so dass man sie füglich für einen Auswuchs des
Körpers halten könnte. Von Kunstverständigen werden sie
gereinigt. Ich wundere mich, dass sie so sehr vom Himmel
abhängen, von der Sonne geröthet werden und, wie der
') VI. '24. und 28 Cap.
2) Es giebt mehrere Muschelarten, welche Perlen führen; die
schönsten haben die Mytilus margaritifer und Mya margaritifera.
Von diesen kommt auch das beste Perlmutter. Die eigentliche Ent-
stehungsart der Perlen ist bis jetzt noch unbekannt.
3) Physemntfi.
Neuntes Buch. 195
menschliche Körper, ihre Weisse verlieren. Daher ent-
halten diejenigen Muscheln die vorzüglichsten Perlen, welche
zu tief im Meere liegen, um von den Sonnenstrahlen er-
reicht zu werden. Jedoch auch diese werden durchs Alter
gelb, bekommen Runzeln, und haben nur in der Jugend
den Glanz, um deswillen sie gesucht sind. Sie werden
sogar dicker im Alter, hängen fest an den Muscheln, und
können nur mittelst einer Feile losgemacht werden. Die-
jenigen, welche nur auf einer Seite schön und rund, auf
der andern aber flach sind, heissen deshalb Paukenperlen 1).
Ich habe Perlen gesehen, welche in der Perlmutter, die
man dieser Merkwürdigkeit wegen zur Aufbewahrung von
Balsam benutzte, zusammengewachsen waren. Uebrigens
sind die Perlen im Wasser weich, erhärten aber sogleich,
wenn sie daraus genommen werden.
55.
Die Perlmuschel schliesst sich, sowie sie eine Hand
bemerkt, und verbirgt ihre Schätze, wohl wissend, dass
man ihr deshalb nachstellt. Kommt ihr die Hand zuvor,
so schneidet sie dieselbe mit ihren scharfen Rändern ab,
und keine Strafe ist gerechter als diese. Sie wird auch
noch durch andere Strafen geschützt, denn der grössere
Theil derselben befindet sich zwischen Klippen, und auf
dem hohen Meere werden sie sogar von Seehunden be-
gleitet. Allein dessen ungeachtet lassen sich die Frauen
nicht abhalten, sie in den Ohren zu tragen. Einige er-
zählen, wie bei den Bienen, wären auch bei grossen
Schaaren von Perlmuscheln einige durch Grösse und Alter
sich auszeichende gleichsam die Anführer, und diese
wüssten mit grosser Schlauheit den Nachstellungen auszu-
weichen; daher würden sie von den Tauchern emsig auf-
gesucht, denn hielte man diese gefangen, so Hesse sich der
übrige Schwärm leicht von den Netzen einschliessen. Sie
werden dann in irdenen Gefässen mit vielem Salz über-
') Tympänia.
13"
jC)ß Neuntes Buch.
schüttet, welches alles Fleisch herausbeizt, und einige
feste Körner, d. i. die Perlen, zu Boden fallen lässt.
56.
Dass die Perlen durch den Gebrauch abgenutzt
werden uud bei nicht sorgfältiger Behandlung die Farbe
verändern, ist ausser Zweifel. Ihr ganzer Werth besteht
in ihrer Weisse, Grösse, Runde, Glätte und Schwere, Eigen-
schaften, die so selten sind, dass niemals 2 vollkommen
gleiche vorkommen; daher hat ihnen auch der römische
Luxus den Namen „Einheiten"1) gegeben, denn bei den
Griechen ist dieser Name nicht gebräuchlich, und selbst
bei den Barbaren, welche sie zuerst fanden, heissen sie
nicht anders als Margariten. Auch in der Weisse ist ein
grosser Unterschied; die am rotben Meere vorkommenden
sind heller. Die indischen gleichen den Schuppen des
Spiegelsteins 2), und zeichnen sich ausserdem durch ihre
Grösse aus. Am höchsten schätzt man die sogenannten
alaunfarbigen. Auch die länglichen stehen im Werthe;
heissen Elenchen, laufen in eine lange Spitze aus und
endigen nach Art der Balsambüchsen in eine volle Rundung.
Diese an die Finger, und je zwei oder drei in die Ohren
zu hängen, gehört bei den Damen zum höchsten Glänze.
Mir fallen die Namen davon nicht ohne Widerwillen ein,
da sie durch die verderblichste Sehwelgerei ersonnen sind.
Sie nennen nämlich einen solchen Schmuck eine Klapper3),
gleichsam als wenn sie sich selbst an dem durch das Zu-
sammenschlagen bewirkten Klange ergötzen wollten. Sogar
die Armen trachten schon darnach, und sagen, eine Perle
sei der Lictor einer Dame beim Publikum 4). Selbst au
den Füssen, und nicht bloss an den Schuhviemen, sondern
überall an den Schuhen bringt man sie au. Nicht genug
') Uniones.
2) Lapis specularis, das sogenannte Fraueneis. Vgl. XXXVI. B.
45. Cap.
3) Crotalium. *
4) D. h. sie flösse Respekt ein, und man würde einer solchen
Dame ehrerbietig Platz machen.
Neuntes Buch. li)7
dass man Perlen trägt, nein, man will auch auf ihnen
gehen.
In unserm Meere, und noch häufiger in der Nähe des
thracischen Bosporus, findet mau in den Muscheln kleine
röthlicbe, welche Myä heissen, und in Acärnanien von der
Steckmuschel r) erzeugt werden, woraus sich ergiebt, dass
sie nicht bloss in Einer Muschelart entstehen. Auch er-
zählt Juba, in den arabischen Gewässern gäbe es eine
kammähnlich eingeschnittene, und gleich den Seeigeln
stachlige Muschel, in deren Fleisch eine Perle stecke, die
einem Hagelkorne ähnlich wäre. Dergleichen Muscheln
kommen jedoch nicht zu uns. Aber auch in Acärnanien
werden keine guten gefunden; sie sind sehr gross, roh und
marmorfarbig. Besser sind die aus der Gegend von Actium,
aber ausserordentlich klein, desgleichen von der Küste
Üauritaniens. Alexander Polyhistor und Sudines 2) glauben,
dass diese durch's Alter die Farbe verlieren.
57.
Dass die Perlen einen durchaus dichten Körper
bilden, ersieht man daraus, dass sie beim Fallen niemals
zerbrechen. Sie werden aber nicht immer mitten im Fleisch
gefunden, sondern bald an dieser, bald an jener Stelle. Ich
habe schon solche gesehen, die am äussersten Rande sassen,
gleichsam als wenn sie aus der Muschel heraus wollten,
und in einigen befanden sich 4 oder 5. Nur wenige haben
bis auf diese Zeit mehr als V2 Unze und einige Scrupel
gewogen. Man weiss, dass in Britannien kleine und farb-
lose vorkommen, denn Julius Cäsar gab den Brustharnisch,
welchen er in den Tempel der Venus Genetrix weihete,
für ein aus britannischen Perlen gefertigtes Werk aus.
58.
Lollia Paulina, die Gemalin des Kaisers Cajus, sah ich
einst, und zwar nicht etwa bei einem wichtigen und feier-
lichen Feste, sondern bei einem mittelraässigen Hochzeits-
') Pinna. Pinna nobilis.
'-) Ein nicht näher bekannter Schriftsteller.
198 Neuntes Buch.
schmause, mit Smaragden und Perlen, die abwechselnd an
einander gefügt am ganzen Kopfe, in den Haaren, Lockeu,
Ohren, am Halse, an den Händen und Fingern glänzten,
und deren Werth sich auf eine Summe von 40,000,000 Se-
sterzien belief, bedeckt. Sie selbst war sogleich bereit,
den Kaufpreis durch Rechnungen zu belegen. Und diess
waren nicht etwa Geschenke des verschwenderischen Fürsten,
sondern von ihrem Gross vater ererbte, durch die Plünderung
der Provinzen gewonnene Schätze. Diess ist das Schicksal
des Eaubes; deshalb also nahm M. Lollius x), der wegen
der Geschenke der Könige im ganzen Oriente berüchtigt
war, als ihm vom Cajus Cäsar, dem Sohne des Augustus,
die Freundschaft aufgekündigt war, Gift zu sich, damit
seine Enkelin mit einem Schmucke von 40,000,000 Sesterzien
bei Lichte glänzen konnte. Erwägt man nun einerseits.
wie viel Curius und Fabricius bei ihren Triumphen mit-
brachten, denkt man an die aufgehäuften Bahren dieser
Männer, und betrachtet man andererseits die Lollia, eine
einzige Frau bei Tische; sollte man da nicht wünschen.
dass jene lieber vom Triumphwagen herabgerissen worden
wären, als dass sie solche Beweise des Sieges geliefert
hätten?
Aber diess sind noch nicht die grössten Beispiele von
Verschwendung. Die beiden Perlen, welche Cleopatra, die
letzte Königin von Aegypteu, als ein Geschenk orientalischer
Könige besass, waren von jeher die grössten. Als sich
Antonius bei ihr mit den ausgesuchtesten Leckerbissen
mästete, verh&mte sie mit übermüthigem und frechem
Stolze, wie es einer königlichen Buhleriu zukommt, all'
seine Pracht und festlichen Veranstaltungen; und als er
fragte, wodurch sie seineu Glanz noch erhöhen könne, er-
widerte sie, sie wolle bei einer Mahlzeit 10,000,000 Sesterzien
') Der Miteonsul des Lepidus im J. 21 v. Chr. Er war von Au-
gustus zum Führer seines Sohnes, des Cujus Cäsar ernannt worden,
hatte sich aber vom Könige der Parther durch ungeheure Geschenke
für dessen Pläne gewinnen lassen.
Neuntes Buch. 199
verzehren. Antonius war begierig;, diess zu erfahren, hielt
es jedoch für unmöglich. Man wettete daher. Als sie am
folgenden Tage, an welchem die Sache ausgemacht werden
sollte, ein zwar prächtiges, wie jeden Tag, aber für Anto-
nius ganz gewöhnliches Mahl auftragen liess, verlachte sie
dieser und verlangte die Rechnung. Aber jene versicherte,
das Verwettete sei nur ein Beiessen, und die bestimmte
Summe werde bei dieser Mahlzeit darauf gehen, denn sie
allein wolle für 10,000,000 Sesterzien zu sich nehmen.
Darauf liess sie den Nachtisch bringen. Nach der gegebenen
Weisung setzten die Diener nur ein G-efäss mit Essig vor
sie hin, der so scharf und kräftig war, dass er Perlen in
einen Schleim auflöste. Sie trug jenes ausgezeichnete und
in der That einzige Naturproduct in den Ohren. Als nun
Antonius in Erwartung war, was sie thun würde, nahm sie
die eine ab, legte sie in den Essig und trank, nachdem sie
aufgelöst war, denselben aus. Da griff L. Plancus, der
Schiedsrichter dieser Wette, sogleich nach der andern, die
sie auf gleiche Weise zu verzehren im Begriff stand, und
erklärte den Antonius für besiegt; — eine eingetroffene
Vorbedeutung *). Ebenso berühmt wurde die andere Perle.
Als nämlich die in dieser so bedeutenden Wette siegreiche
Königin gefangen war, schnitt man die Perle durch, damit
die eine Hälfte jener Mahlzeit sich in den beiden Ohren
der Venus im Pantheon zu Rom befände.
59.
Doch auch die Perlen werden diesen Vorrang nicht
behaupten, sondern ihres Ruhmes in der Ueppigkeit be-
raubt werden. Früher schon hatte Clodius, der Sohn des
tragischen Schauspielers Aesopus, der jenen als Erben eines
grossen Vermögens hinterliess, dasselbe mit Perlen von
bedeutendem Werthe gethan. Antonius brauchte sich also
seines Triumvirats nicht sehr zu rühmen; denn ein Schau-
spieler stand ihm fast gleich, und dieser wurde nicht ein-
') Bald darauf verlor er die Schlacht bei Actium gegen Augustus.
200 Neuntes Buch.
mal durch eine Wette dazu verleitet (wodureh seine That
noch königlicher erscheint), sondern er wollte bloss zum
Ruhme seines Gaumens erfahren, wie die Perlen schmecken.
Da ihm dieser Geschmack ausserordentlich gefiel, so gab
er, um es nicht allein zu wissen, einem jeden Gaste eine
Perle zum Genuss.
Zu Rom sollen sie in allgemeinen und häufigen Ge-
brauch gekommen sein, nachdem Alexandrien unter unsere
Herrschaft gebracht war. Fenestella erzählt, anfangs, zu
den Zeiten des Sulla, habe man bloss kleine und schlechte
gehabt, allein hierin irrt er sich offenbar, denn Aelius Stilo
berichtet, dass im jugurthinischen Kriege die grössten
Perlen Unionen genannt worden seien.
60.
Jedoch auch dieser Gegenstand bildet ein fast ewiges
Besitzthum; er kommt auf den Erben, und wird wie ein
Landgut veräussert. Die Purpurschnecken und Conchylien,
denen dieselbe Mutter, die Ueppigkeit, beinahe gleichen
Werth mit den Perlen giebt, finden sich an jeder Küste.
Die Purpurschnecken1) leben höchstens 7 Jahre. Sie
verbergen sich wie die Stachelschnecken2), beim Auf-
gange des Hundssterns 30 Tage lang. Im Frühlinge ver-
sammeln sie sich, und geben durch gegenseitiges An-
einanderreihen einen wachsähnlichen zähen Saft von sich.
Auf ähnliche Weise machen es die Stachelschnecken.
Aber die Purpurschnecken haben den edelsten zum Färben
der Kleider so gesuchten Saft mitten im Munde. Hier be-
findet sich eine geringe Menge Feuchtigkeit in einer weissen
Ader, aus welcher jene köstliche ins dunkelrosenrothe
spielende Farbe gezogen wird; der übrige Körper enthält
weiter nichts davon. Man sucht sie lebendig zu fangen
weil sie beim Sterben diesen Saft von sich geben. Den
grössern Purpurschnecken nimmt man ihn, nachdem man
die Schale abgezogen hat; die kleinen zerquetscht man
lebendig mit der Schale, worauf sie den Saft von sich geben«.
') Purpurae. '-) Murex.
Neuntes Buch. 201
Der vorzüglichste Purpur in Asien ist der von Tyrus,.
in Afrika von Meninx, und an der gätulischen Küste des
Oceans, in Europa der von Laconien. Ihm bahnen die
römischen Bündel und Beile den Weg x), auch tragen ihn
die vornehmen Knaben 2) in Rom. Er unterscheidet den
Senator von dem Ritter 3); man bedient sich seiner bei den
Sühnopfern der Götter 4), und schmückt damit jedes Kleid.
Am Triumphkleide wird er mit Gold durchwirkt. Daher
sei die Sucht hinsichtlich des Purpurs entschuldigt. Aber
warum steht die Muschelfarbe, welche beim Färben einen
heftigen. Geruch verbreitet, eine finstere graugrüne Farbe
hat, und dem wüthenden Meere ähnlich sieht, so sehr im
Preise?
Die Zunge der Purpurschnecke hat die Länge eines
Fingers, und mit ihr durchbohrt sie andere ihr zur Nahrung
dienende Conchylien; von solcher Härte ist ihr Stachel.
In süssem Wasser sterben sie, sowie auch da, wo ein
Fluss sich ins Meer ergiesst; übrigens leben sie, wenn sie
gefangen sind, noch 50 Tage von ihrem Speichel. Alle
Schnecken wachsen sehr schnell, namentlich aber die Pur-
purschnecken, und erreichen innerhalb eines Jahres ihre
vollständige Grösse.
61.
Wenn ich jezt in meinem Vortrage zu etwas Anderm
übergehen wollte, so könnte der Luxus in der That glauben,
er sei zu kurz gekommen, und würde mich der Nachlässig-
keit beschuldigen. Daher will ich auch die Werkstätten
beschreiben, damit auf ähnliche Weise, wie man im Leben
die Behandlung der Feldfrüchte weiss, Alle, die sich an
») Zu den Insignien der consularischen Würde zu Rom gehörte
ausser 12 Lictoren und der Sella curulis, auch ein purpurner Vor-
stoss an der Toga.
2) Daher hiessen auch die freien Knaben bis zum männlichen
Alter praetextati.
3) Beide trugen Purpurstreifen an der Tunika, nur war der der
Senatoren breiter (latus clavus).
4) Auch die Priester trugen Purpurkleider.
202 Neuntes Buch.
jenen Dingen ergötzen, auch die Annehmlichkeiten ihres
Lebens kennen lernen. Von den Schnecken, welche die
Purpur- und Conchylienfarbe liefern (denn der Stoff ist bei
beiden derselbe, und unterscheidet sich nur durch die Be-
reitungsweise), giebt es 2 Gattungen. Die kleinere heisst
Meertrompete *), und hat ihren Namen von dem Instrumente2),
auf welchem geblasen wird, denn ihre Mündung ist rund,
und am Rande eingeschnitten. Die andere heisst Purpur-
sehnecke, hat einen röhrenförmig vorgestreckten Schnabel,
und an der innern Seite der Röhre eine Oeffnung, durch
welche das Thier die Zunge hervorstrecken kann. Ausser-
dem ist sie bis beinahe zum obersten Gewinde hin mit
Nägeln versehen, indem allemal 7 Stacheln im Kreise bei-
sammen stehen, was bei der Meertrompete nicht der Fall
ist. Aber beide haben so viele Gewinde, als sie Jahre alt
sind. Die Meertrompete hängt sich nur an Felsen an, wo
sie auch gefangen wird. Die Purpurschnecken heissen
auch Pelagien. Es giebt mehrere Arten, die sich durch
Nahrung und Boden von einander unterscheiden. Die
Schlammschnecke 3), welche vom faulen Schlamme, und die
Grasschnecke 4), welche vom Seegras lebt, sind die schlech-
testen; besser ist die Landschnecke5), welche in langen
Reihen von Meeresklippen gefangen werden, aber auch sie
giebt noch eine zu leichte und verdünnte Farbe. Die Stein-
schnecke 6) hat ihren Namen von den Steinen im Meere,
und eignet sich ganz vorzüglich zur Conchylienfarbe; die
beste zur Purpurfarbe aber ist die Dialutensische, d. h. die
auf verschiedenem Boden lebende. Die Purpurschnecken
werden mit kleinen, weitläufig gestrickten Netzen, welche
man in's Meer wirft, gefangen. In diesen befindet sich eine
Lockspeise, nämlich sich schliessende und beissende Muscheln,
wie z. B. die Mitulia. Diese sind halbtodt, allein, wenn sie
wieder in's Meer geworfen werden, leben sie, indem sie die
Schalen weit aufsperren, wieder auf. Die Purpurschnecken
') Buccinum. -) Buccina, Trompete. 3) Lutensis.
A) Algensis . 5) Taeniensis. 6) Calculensis.
Neuntes Buch. 203
suchen diese nun auf, und greifen sie mit vorgestreckter
Zunge an; allein jene schliessen sich, durch den Stachel
gereizt, quetschen die beissenden, und so werden die
durch ihre Habgier festhängenden Purpurschnecken herauf-
gezogen.
62.
Die beste Fangezeit ist nach dem Aufgange des Hunds-
sterns oder vor dem Eintritt des Frühlings, weil nach ihrer
Schleimabsonderung die Säfte flüssiger sind. Allein in den
Färbereien weiss man diess nicht, obgleich sehr viel
darauf ankommt. Man nimmt dann die Ader heraus, von
der ich sagte *), und thut das nöthige Salz hinzu, etwa
1 Sextarius auf 100 Pfund, lässt sie aber nicht länger als
3 Tage damit in der Beize; denn ihre Kraft ist um so
grösser, je frischer sie sind. Man siedet sie dann in einem
bleiernen Kessel, lässt jede 100 Amphoren zu 500 Pfund
einkochen, und darauf alles bei massiger Wärme in einer
langen Ofenröhre stehen. Wenn nun auf diese Weise die
Fleischtheilchen, die nothwendigerweise an den Adern hängen
müssen, nach und nach abgeschöpft sind, so taucht man
ohngefähr am 10. Tage etwas gereinigte Wolle zur Probe
in den flüssigen Inhalt des Kessels, und lässt den Saft so
lange in der Hitze, bis er der Erwartung entspricht. Die
röthliche Farbe ist schlechter als die schwärzliche. In
5 Stunden färbt sich die Wolle; dann wird sie gekrämpelt
und wieder hineingelegt, bis sie alle Farbe in sich gesogen
hat. Das Buccinum für sich taugt nicht, weil seine Farbe
verschiesst; wenn sie aber mit der der Pelagien verbunden
wird, giebt sie der allzugrossen Schwärze der letztem jenes
Feuer und jenen Glanz des Scharlachs, der so sehr gesucht
wird. So wird durch Vermischung beider Kräfte die eine
durch die andere gehoben oder gebunden. Man braucht
zu 50 Pfund Wolle 200 Pfund Buccinum- und 111 Pfund
Pelagien-Farbe. Dadurch erhält man jene vortreffliche
') Im 60. Cap.
204: Neuntes Buch.
Amethystfaibe. Will man aber die tyrische Farbe hervor-
bringen, so wird die Wolle zuerst mit der pelagischen ge-
sättigt, wenn sie noch ungekocht und roh im Kessel ist,
und dann erst mit der buccinischen. Diese Farbe wird
am meisten geschätzt, wenn sie wie geronnenes Blut aus-
sieht, von oben herab betrachtet schwärzlich, von der Seite
gesehen aber gläuzend erscheint. Daher nennt auch Homer
das Blut purpurfarbig l).
63.
Wie ich finde, war der Purpur von jeher in Rom im
Gebrauche, allein Romulus hatte ihn nur an der Trabea2);
denn, dass Tullus Hostilius unter den Königen der erste
war, der nach Besiegung der Etrusker die verbrämte
Toga3) und den breiten Purpurstreifen4) trug, ist
hinlänglich bekannt. Cornelius Nepos, der unter der Re-
gierung des Kaisers Augustus starb, sagt: „In meiner Jugend
war der violette Purpur Mode, von dem das Pfund
100 Denare kostete, nicht lange nachher aber der taren-
tinische. Diesem folgte der doppelt gefärbte tyrische, von
dem man das Pfund nicht unter 1000 Denaren kaufen
konnte. Dem Aedilis curulis P. Lentulus Spinther wurde
es zum Vorwurf gemacht, dass er sich desselben zuerst an
der Prätexta bediente, und wer, fährt er fort, besucht nicht
ietzt schon in diesem Purpur Gastmähler?" Spinther war
Aedil im Jahre 691 der Stadt Rom, unter dem Consulate
Cicero's. Was zweimal gefärbt war, nannte man damals,
gleichsam wegen des kostbaren Aufwandes, Diphaba. Jetzt
werden fast alle beliebteren Purpurstoffe auf solche Weise
gefärbt.
64.
Zu einem conchylienfarbigen Kleide werden die-
selben Ingredienzien ausser dem Buccinum gebraucht; über-
») lliade XV. 360.
2) Amtskleid der Augurn und Ritter, zur Kaiserzeit Staatskleid
der Consuln, kürzer als die Toga.
3J Toga praetexta. '') Latior clavus.
Neuntes Buch. 205
diess vermischt man den Saft mit Wasser, und setzt gleiche
Theile menschlichen Urin hinzu; auch bedarf man noch
halbmal so viel von den Farbstoffen. So entsteht jene ge-
priesene blasse Farbe, wenn sie ihr Dunkel verloren hat,
und sie wird um so heller, je mehr die Wolle einsaugt.
Die Preise der Farben sind zwar um so niedriger, je er-
giebiger eine Küste daran ist; dass jedoch 100 Pfund Pe-
lagien niemals über 500, und ebenso viele Buccinen nie
über 100 Sesterzien kommen, mag denen zur Nachricht
dienen, welche dergleichen zu Ungeheuern Preisen kaufen.
65.
Doch ist man mit dem Einen fertig, so fängt man
wieder etwas Anderes an; man treibt ein Spiel mit seinem
Aufwände, sucht den Luxus durch Mischung zu verdoppeln,
und selbst die Verfälschungen der Natur auf's Neue zu
fälschen. So färbt man Schildkrötenscbalen l), schmelzt
Gold und Silber zusammen, um Electrum 2) zu machen, und
setzt noch andere Metalle hinzu, um das corinthische Erz 3)
zu erhalten. Man begnügt sich nicht damit, dem Edelsteine
Amethyst seinen Namen genommen zu haben, denn wenn
die Amethystfarbe fertig ist, tränkt man sie wieder mit
tyrischer, so dass aus beiden ein verdorbener Name4)
und zugleich eine doppelte Verschwendung hervorgehen;
und ist die Conchylienfarbe fertig, so glaubt man, sie ginge
besser in die tyrische über. Die Reue muss diess zuerst
erfunden haben, indem nämlich ein Künstler eine Farbe,
die ihm missfiel, umänderte. Daher der Ursprung dieses
Verfahrens. Seltsame Menschen fanden an dem, was ein
Fehler hervorgebracht hatte, Gefallen, und dadurch, dass
man eine Farbe mit einer andern bedeckte, und behauptete,
sie sei dadurch angenehmer und milder geworden, wurde
dem Luxus eine neue Bahn eröffnet. Ja man mischt sogar
erdige Theile darunter, und überzieht das mit tyrischer
Farbe Behandelte noch mit Coccus, um ein gewisses
') Vgl. XVI B. 84. Cap.
2) Vgl. XXXIII. B. 23. Cap. 3) Vgl. XXXIV. B. 3. Cap.
*) Color tyriamethystus.
206 Neuntes Buch.
Dunkelroth1) zu erzeugen. Der Coccus 2), eine rothe
Beere, die in Galatien oder in der Umgegend von Emerita
in Lusitanien vorkommt, und von der ich bei den Landge-
wächsen reden werde, ist sehr beliebt. Die einjährige
Beere giebt, um bei dieser Gelegenheit die vornehmsten
Farbestoffe durchzugehen, eine matte Farbe, die von der
vierjährigen verschiesst ganz. Es hat also weder die junge
noch die alte Beere besondere Kräfte. Somit haben wir
denn die Dinge, wodurch das männliche und weibliche Ge-
schlecht seine Schönheit am meisten zu erhöhen glaubt,
zum Ueberfluss abgehandelt.
66.
Zu der Gattung der Muscheln gehört auch die Steck-
muschel3). Sie lebt in Sümpfen, ist stets aufgerichtet,
und niemals ohne Begleiter, welcher Muschelwächter4)
oder Pinnophylax heisst. Diess ist eine kleine Krabbe 5)
oder Krebs, der auf folgende Weise seinem Frasse nach-
geht. Die Pinne öffnet ihre Schalen, und giebt ihren
darin befindlichen augenlosen Körper den kleinen Fischen
preis. Diese eilen sogleich herbei, und füllen, indem sie
durch diese Erlaubniss immer kühner werden, die Schalen
an. Diesen Zeitpunkt nimmt der Begleiter wahr, und giebt
ihr durch einen leichten Biss ein Zeichen. Jene drückt zu,
tödtet dadurch alles, was darin ist, und theilt mit ihrem
Gefährten den Raub.
67.
Um so mehr wundere ich mich, dass Einige behauptet
haben, die Wasserthiere hätten keinen Sinn. Der Zitter-
fisch6) kennt seine Kraft, ohne selbst betäubt zu sein,
verbirgt sich im Schlamme, ergreift die sorglos über ihm
hinschwimmenden Fische und macht sie erstarren. Seine
J) Hysginus.
2) Die Scharlachbeere, vergl. XVI. B. 12. Cap. XXII. 3. XXIV. 4.
3) Pinna. Pinna nobilis.
•'*) Pinnotheres. Cancer Mytilorum. s"i Sqtrilla
6) Torpedo. Raja Torpedo.
Neuntes Buch. 207
Leber wird wegen ihrer Zartheit allem andern Fleische
vorgezogen. Nicht geringer ist die Geschicklichkeit eines
Frosches, der im Meere lebt und der Fischer1) genannt wird.
Er streckt, nachdem er das Wasser getrübt hat, seine unter
den Augen hervorragenden Hörner aus, und zieht die her-
beieilenden kleinen Fische zu sich hin, bis sie ihm so nahe
kommen, dass er sie durch den Sprung erreichen kann.
Auf ähnliche Weise machen es auch der Meerengel 2) und
die Scholle 3); verborgen strecken sie ihre Flossen aus und
bewegen sie, als wenn es Würmer wären; ebenso die soge-
nannten Rajen. Auch der Stachel röche raubt vom Ver-
steck aus, indem er die voriiberschwimmenden Fische mit
seinem Stachel (der ihm als Speer dient) durchbohrt. Ein
Beweis dieser Geschicklichkeit ist, dass man unter diesen
Fischen, welche doch die langsamsten sind, welche findet,
die eine Meeräsche, ein pfeilschnelles Thier, im Bauche
haben. — Die den Land-Scolopendern ähnlichen Wasser-
Scolopen der, welche Hundert-Füssler heissen, speien, wenn
sie einen Angelhaken verschluckt haben, alles was sie im
Leibe haben so lange aus, bis der Haken wieder heraus
ist, und fressen es dann wieder. Die Seefüchse 4) hingegen
schlucken, wenn sie in ähnlicher Gefahr sind, die Angel
immer weiter hinunter, bis sie den schwachen Faden in
den Hals kriegen, welchen sie dann leicht abbeissen.
Noch vorsichtiger ist der Wels; er beisst von hinten in
die Angel und verschluckt sie nicht, sondern frisst den
Köder ab. Der Meerwidder5) raubt wie ein Strassen-
räuber; bald verbirgt er sich im Schatten grosser Schifte,
die still stehen, und lauert, bis Einem die Lust zu
schwimmen anwandelt; bald streckt er seinen Kopf aus
dem Wasser hervor, schauet nach Fischerbooten, schwimmt
verborgen hinzu und versenkt sie.
1) Piscatrix. Lophius piscatorius, der Seeteufel.
2) Squatina. Squatina Angelus.
3) Rhombus. Pleuronectes Rhombus.
4) Vulpes marinae. Squalus Alopecia L. 5) Aries.
208 Neuntes Buch.
68.
Daher bin ich der Meinung, dass auch diejenigen Ge-
schöpfe einen Sinn haben, welche weder Thiere noch
Pflanzen sind, sondern eine dritte aus beiden zusammenge-
setzte Natur haben; ich meine die Seenesseln1) und
Seeschwämme 2). Die Nesseln schweifen des Nachts
umher und verändern sich, haben fleischige Zweige und
leben von Fleisch. Sie erregen, gleichwie die Landnesseln,
auf der Haut ein brennendes Jucken; sie ziehen sich näm-
lich so steif als möglich zusammen, breiten, wenn ein
kleiner Fisch vorbeischwimmt, ihre Aeste auseinander, um-
schlingen und verzehren ihn. Ausserdem sieht diess Thier
einer welkenden Nessel ähnlich, lässt sich, gleich wie das
Seegras, von den Wellen umhertreiben, und fällt die von
ihm berührten Fische au, wenn sie sich an Steinen reiben,
um dadurch die juckende Stelle zu kratzen. Des Nachts
stellt es den Kammmuscheln und Seeigeln nach. Wenn
es merkt, dass sich ihm eine Hand nähert, verändert es
die Farbe und zieht sich zusammen. Wird es berührt, so
verursacht es ein Brennen, und wenn es nur ein wenig
Zeit hat, verbirgt es sich. Den Mund soll es unten am
Körper haben, und seinen Unrath ganz oben durch eine
dünne Röhre von sich lassen.
69.
Von den Schwämmen sind nur 3 Grattungen bekannt.
Diejenige, welche dicht, sehr hart und rauh ist, wird
Tragos 3) genannt; die dichte und weichere heisst Manos 4),
und die dünne und dichte, aus der man Pinsel verfertigt,
Achilleum. Sie erzeugen sich alle an Felsen und nähren
sich von Muscheln, Fischen und Schlamm. Dass sie nicht
ganz stumpfsinnig sind, geht daraus hervor, weil, wenn sie
merken, dass man sie greifen will, sie sich zusammen-
ziehen, in welchem Zustande sie sich schwieriger abreissen
lassen. Ebenso machen sie es beim Wellenschlage. Dass
') Urticae. Actininae Cuv: 2) Spongiae.
s) Spongia fasciculata Pallas. 4) Spongia officinalis L.
Neuntes Buch. 209
sie wirklich fressen, zeigt sich deutlich an den kleinen
Muscheln, die man in ihnen findet. In der Umgegend von
Torone x) sollen sie sogar, nachdem sie abgerissen sind,
noch fressen, und aus dem zurückgebliebenen Wurzeln sich
wieder erneuern. An den Felsen kleben sogar Spuren von
ihrem Blute, besonders von denen, die an den afrikanischen
Syrten wohnen. Die grössten und weichsten wachsen an
der Küste von Libyen. Im tiefen Meere aber, wo kein
Wind auf sie einwirkt, sind sie immer weicher. Im Helles-
ponte sind sie rauh, und bei Malea dicht. An sonnigen
Orten faulen sie, daher diejenigen in den Tiefen die besten.
Im lebenden Zustande haben sie ebenso, wie wenn sie nass
gemacht werden, eine dunklere Farbe. Sie hängen weder
theilweise noch ganz und gar fest, denn sie enthalten etwa
vier bis fünf hohle Röhren, durch welche sie, wie man
glaubt, ihre Nahrung zu sich nehmen. Sie haben auch
noch andere Röhren, die aber oben verschlossen sind. Auch
nimmt man unter ihren Wurzeln eine Art Haut wahr. Es
ist gewiss, dass sie lange leben. Die schlechtesten unter
ihnen sind die, welche Ungewaschene 2) heissen, denn man
kann sie nicht auswaschen; sie enthalten grosse Röhren,
und ihr übriger Körper ist sehr dicht.
70.
Hauptsächlich sind es die vielen Hundsfische3),
welche die nach Schwämmen suchenden Taucher in grosse
Gefahr versetzen. Diese Leute erzählen, es entstände über
ihren Köpfen eine Art dicker, an Gestalt den Plattfischen
ähnlicher Wolke, welche sie niederdrücke und am Auf-
steigen hindere. Sie führten deshalb auch sehr spitzige
Eisen an Stricken befestigt bei sich, weil jene Wolken nicht
eher zurückwichen, bis sie dieselben durchstochen hätten.
Meiner Meinung nach rührt diese Erscheinung von der
Finsterniss und Furcht her, denn eine Wolke oder einen
') Stadt in Macedonien an einem nach ihr benannten Meerbusen.
2) Aplysiae. Spongia fistularis L.
3) Caniculae. Squalus Canicula L.
\V ttBtein: Plinius. II. Bd. 14
210 Neuntes Buch.
Nebel (wie sie dieses Uebel nennen) hat noch Niemand
unter den Thieren bemerkt. Dagegen ist der Kampf mit
den Hundsfischen äusserst gefährlich. Diese fallen den
Unterleib, die Fersen, und alles, was am Körper weiss ist,
an. Die einzige Rettung besteht darin, ihnen entgegen zu
gehen und sie dadurch in Schrecken zu setzen, denn sie
fürchten den Menschen ebensosehr, als sie ihn erschrecken.
In der Tiefe bleibt der Vortheil auf beiden Seiten gleich,
kommen sie aber an die Oberfläche des Wassers, so wird
der Kampf gefährlich und schwankend, indem dem TaucherT
wenn er versucht emporzukommen, die Gelegenheit be-
nommen ist, ihm entgegen zu gehen. Nur von seinen Ge-
fährten kann er dann dadurch Hülfe erwarten, dass sie ihn
an einem an den Schultern befestigten Seile heraufziehen;
an diesem zuckt der Kämpfer, zum Zeichen, dass er in
Gefahr ist, mit der linken Hand, während seine rechte das
spitzige Eisen zur Vertheidigung führt. Das Ziehen ge-
schieht im Allgemeinen langsam, sowie aber der Fisch in
die Nähe des Fahrzeugs gekommen ist, muss der Mann
mit der grössten Schnelligkeit heraufgerissen werden, sonst
wird er verschlungen. Oft sogar werden die Taucher, wenn
sie schon hervorgezogen sind, den Ziehenden aus den
Händen geraubt, wenn sie diesen beim Ziehen nicht dadurch
helfen, dass sie ihren Körper wie einen Ball zusammen-
krümmen. Einige strecken zwar ihre Dreizacke vor, allein
das Ungeheuer ist so klug, unter die Schiffe zu kriechen
und so aus einem sichern Hinterhalte zu kämpfen. Daher
untersucht man vorher so genau als möglich, ob dieser
Feind vorhanden ist. Am sichersten ist man, wenn man
Plattfische wahrgenommen hat, denn diese zeigen sich nie-
mals da, wo Raubfische sind; und aus diesem Grunde
nennen die Taucher letztere Fische „heilige".
71.
Von den in steinharte Schalen eingeschlossenen
Thieren muss mau zugeben, dass sie keine Sinne haben,
z. B. von den Austern. Viele haben die Natur der Pflanzen.
Neuntes Buch. 211
wie die Holothurien *), die Seelungen und Seesterne 2). So
^giebt es also nichts, was nicht auch im Meere erzeugt
wird; sogar die Sommerthiercheu der Wirthshäuser, die
durch ihr schnelles Springen beschwerlich fallen, und die,
welche vorzüglich das Haupthaar birgt, finden sich darin,
und werden oft klumpenweise am Köder herausgezogen.
Einige aber entstehen selbst in den Fischen, und unter
diese gehört der Chalcis 3).
72.
Selbst schreckliche Gifte fehlen nicht, wie z. B. im
Seehasen 4), der im indischen Meere schon dur^h blosse
Berührung vergiftet, und auf der Stelle Brechen und Durch-
fall erregt. Er bildet eine unförmliche Fleischmasse, die
in unserm Meere nur der Farbe nach, in den indischen Ge-
wässern nur durch Grösse und Haar den Hasen ähnlich
sieht, obgleich letzteres etwas härter ist; auch wird er dort
nie lebendig gefangen. Ein ebenso giftiges Thier ist der
Araneus, der durch die Spitze seines auf dem Rücken be-
findlichen Stachels schädlich wird. Allein es giebt wohl
nichts Entsetzlicheres, als der Stachel, welcher am Schwänze
des Stachelrochen 5)v der bei uns Pastinaca heisst, hervor-
ragt, und 5 Uncien lang ist. Bäume, in deren Wurzel er
damit gestochen, sterben ab; durch Waffen dringt er, wie
ein Speer, er hat die Kraft des Eisens und wirkt wie
ein Gift.
73.
Dass ganze Geschlechter von Fischen von Krank-
heiten befallen werden, wie diess bei den übrigen, sogar
den wilden Thieren der Fall ist, darüber finde ich keine
Angaben. Dass aber einzelne Erkrankungen vorkommen,
sieht man deutlich an der Magerkeit mancher, während
andere von derselben Gattung gefangen werden, die sehr
fett sind.
*) Holothuria tubulosa. 2) Stellae. Asteriae Cuv:
3) Eine kleine Wespenart. 4) Lepus. Aplysia depilans.
8) Trygon. Raja Pastinaca.
14*
212 Neuntes Buch.
74.
Die Wissbegierde und Bewunderung der Menschen er»
laubt nicht, dass ich die Art und Weise ihrer Fort-
pflanzung länger aufschiebe. Die Fische begatten sich
durch Aneinanderreihen ihrer Bäuche, und zwar mit einer
solchen Schnelligkeit, dass man es kaum bemerkt; bei den
Delphinen und den übrigen Walen geschieht es auf ähn-
liche Weise, nur dauert es etwas länger. Das Weibchen
folgt zur Begattungszeit dem Männchen, und stösst es mit
der Schnauze an den Bauch, während der Laichzeit aber
folgen die Männchen auf gleiche Art den Weibchen, und
fressen von den Eiern derselben. Zur Zeugung ist aber
die Begattung allein nicht hinreichend, wenn nicht die
Männchen auf die gelegten Eier ihren belebenden Saft
spritzen. Dieser trifft jedoch bei der ausserordentlichen
Menge der Eier, nicht alle, denn sonst würden die Meere
und Seen mit Fischen angefüllt werden, da jedes Weibchen
unzählige hat. Die Eier der Fische wachsen im Meere,
einige mit der grössten Schnelligkeit, wie die der Muränen,
andere etwas langsamer.
Die Plattfische, denen weder Schwanz noch Stacheln
im Wege sind, und die Schildkröten, steigen bei der Be-
gattung aufeinander. Die Polypen hängen sich mit einem
Arme an die Nase des Weibchens, die Sepien und Loligen
begatten sich mit den Zungen, wobei sie ihre Arme um-
einander schlingen und gegeneinander schwimmen, gebären
auch aus dem Munde. Dagegen begatten sich die Polypen
mit zur Erde gerichtetem Kopfe; die übrigen Weichthiere
von hinten wie die Hunde; so auch die Locusten und
Squillen; die Krebse mit dem Munde. Die Frösche steigen
aufeinander, indem das Männchen mit den Vorderfüssen
die Achseln und mit den Hinterfüssen die Lenden des
Weibchens fasst. Ihre Jungen sind kleine schwarze Fleisch-
klumpen, welche man Kaulquappen *) nennt, und an denen
') Gyrines.
Neuntes Buch. 213
man bloss Augen und einen Schwanz unterscheiden kann.
Bald nachher bilden sich die Füsse aus, und der Schwanz
spaltet sich in die Hinterbeine. Es ist auch merkwürdig,
dass sie, wenn sie Va Jahr alt sind, sich in Schlamm auf-
lösen, ohne dass es Jemand sieht, und wiederum im
Frühlingswasser sich ebenso beleben, wie sie zuvor waren.
Die Natur muss daher hierbei stets sehr geheimnissvoll zu
Werke gehen, da diess doch alle Jahre erfolgt.
Auch die Miessmuscheln *) und Kammmuscheln bringt
die Natur von selbst in sandigen Orten hervor. Diejenigen,
welche härtere Schalen haben, wie die Murices, Purpur-
schnecken, entstehen aus einem speichelartigen Schleime,
sowie die Mücken 2) aus einer säuerlichen Feuchtigkeit;
die Apuä aus warmem Meerschaume, wenn es darauf ge-
regnet hat. Diejenigen aber, welche mit einer steinartigen
Hülle bedeckt sind, wie die Auster, entstehen aus faulem
Schlamme, oder aus dem Schaume, welcher längere Zeit
an Schiffen, eingerammten Pfählen und namentlich am
Holze gestanden hat. Vor Kurzem hat man in Austernteichen
die Entdeckung gemacht, dass ihnen ein milchartiger
Zeugungssaft ausfliesst. Die Aale reiben sich an Steinen,
und das Abgeriebene belebt sich; auf andere Weise pflanzen
sie sich nicht fort. Fische verschiedener Gattungen be-
gatten sich nicht, ausgenommen der Meerengel mit dem
Rochen, und aus dieser Vermischung entstehen Fische, die
am Vordertheile dem Rochen ähnlich sind, und bei den
Griechen einen aus beiden zusammengesetzten Namen
führen.
Einige werden zu einer gewissen Jahreszeit, sowohl
im Wasser als auf dem Lande erzeugt. Im Frühlinge die
Kammmuscheln, Wegschnecken 3) und Meerschwalben; eben
diese verschwinden auch wieder zu einer bestimmten Zeit.
Unter den Fischen laichen der Seewolf4) und Trichias,
sowie alle Steinfische zweimal im Jahre; die Meerbarben5)
') Mituli. 2) Culices. 3) Limaces. 4) Lupus. Anarrhichas Lupus.
5) Mulli. Mullus barbatus.
214 Neuntes Buch.
und der Chaleis dreimal, der Karpfen *) sechsmal, die-
Scorpionen zweimal, und die Meerbrassen 2) im Frühling
und im Herbst. Unter den Plattfischen der Meerengel
allein zweimal, im Herbst und beim Untergange des Sieben-
gestirns. Die meisten Fische in den drei Monaten: April,
Mai, Juni. Die Salpen im Herbst, die Sargen, der Zitter-
rochen und die Haie zur Zeit des Aequinoctiums; die Weich-
fische im Frühlinge, die Sepia alle Monate. Die Eier der
letztern, welche vermittelst eines schwarzen Leimes trauben-
artig zusammenhängen, bläst das Männchen fortwährend
an, sonst werden sie unfruchtbar. Die Polypen begatten
sich im Winter, legen im Frühjahre ihre Eier in Gestalt
einer gewundenen Weinranke und sind so fruchtbar, dass
die leere Kopfhöhle eines getödteten Polypen die vielen
Eier nicht fassen kann, da sie doch während ihrer Träch-
tigkeit darin lagen. Am 50. Tage kriechen sie aus, viele
aber kommen wegen der Ungeheuern Menge um. Die Lo-
custen und die übrigen mit dünnen Schalen legen Eier auf
Eier und brüten sie aus. Das Weibchen vom Polypen
sitzt -bald auf den Eiern, bald verschliesst es die Höhle
mit kreuzweise durcheinandergeschlungenen Armen. Die
Sepia laicht auf dem Lande zwischen Schilf, oder wo See-
gras wächst, und am 15. Tage kriechen die Jungen aus.
Die Loligen legen im Meere zusammengehäufte Eier wie
die Sepien. Die Purpurschnecken, Murices und andere
dieses Geschlechts gebären im Frühlinge. Die Seeigel
haben zur Zeit des Vollmondes im Winter ihre Eier und
die Schnecken kommen im Winter aus.
75.
Der Zitterrochen wird mit 80 Jungen im Leibe ge-
funden; er erzeugt in sich sehr weiche Eier, und bringt sie
an eine andere Stelle der Gebärmutter, woselbst sie dann
ausschlüpfen. So verhält es sich mit allen Thieren, welche
wir knorpelige genannt haben. Daher kommt es, dass sie
allein unter allen Fischen lebendige Junge zur Welt bringen
») Cyprinus. Cyprinus Carpio. *) Sargi. Sargus raucus.
Neuntes Buch. 215
und Eier erzeugen. Der männliche Wels ist der einzige
Fisch, der die gelegten Eier bewacht, und zwar oft 50 Tage
lang, damit sie nicht von andern Thieren verzehrt werden.
Die übrigen Weibchen bringen in 3 Tagen die Jungen
aus, wenn das Männchen sie berührt hat.
76.
Der Hornhecht x) oder Belone ist der einzige Fisch,
dessen Gebärmutter wegen der Menge der Eier beim
Laichen platzt; nachher wächst die Wunde wieder zu.
Dasselbe soll auch bei den Blindschleichen 2) stattfinden.
Die Seemaus legt ihre Eier in ein in der Erde ausge-
scharrtes Loch und bedeckt sie wieder mit Erde; am
30. Tage gräbt sie sie wieder auf, öffnet sie, und führt die
Jungen in's Wasser.
77.
Die Rothfische und Channen 3) sollen eine Sc ha am
haben; das Thier, welches bei den Griechen Trochus 4) ge-
nannt wird, soll sich selbst begatten. Die Jungen aller
Wasserthiere können anfangs nicht sehen.
78.
Vom Alter der Fische habe ich neulich ein merk-
würdiges Beispiel erfahren. Pausilypum ist eine Villa in
Campanien, nicht weit von Neapel; dort soll, wie Annäus
Seneca schreibt, in den Fischteichen Cäsars ein von Pollio
Vedius hineingesetzter Fisch nach dem 60. Jahre gestorben
sein, und zwei andere ebenso alte, von derselben Gattung,
sollen damals noch gelebt haben. Diese Erwähnung der
Fischteiche erinnert mich, noch etwas mehr darüber zu
sagen, bevor ich die Wasserthiere verlasse.
79.
Austernteiche hat zuerst Sergius Orata zu Bajä, zur
Zeit des Redners L. Crassus, vor dem Marsischen Kriege
erfunden, jedoch nicht, weil er lecker war, sondern aus
Habsucht, weil er aus dieser seiner Erfindung grosse Ein-
') Acus. Esox Betone. 2) Serpentes caeci.
3) Perca cabrilla L. 4) Kreiselschnecke.
21(3 Neuntes Buch.
künfte zog. Er war auch der erste, der die hängenden
Bäder errichtete, mit denen er Landgüter versah, die er
dann wieder verkaufte. Er erkannte zuerst den lucrinischen
Austern den besten Geschmack zu, denn Wasserthiere eines
und desselben Geschlechts sind oft an einem Orte besser
wie an dem andern, so z. B. die Hechte in dem Tiber
zwischen den beiden Brücken, die Schollen zu ßavenna, die
Muränen in Sicilien, der Eidechsenfisch *) auf ßhodus, und
so weiter, um nicht den ganzen Küchenzettel durchzuführen.
Damals, als Orata die lucrinischen Austern so zu Ansehen
brachte, waren die britannischen Küsten noch nicht unter-
worfen. Später gab man sich die Mühe, aus dem entfern-
testen Theile Italiens, von Brundisium, Austern zu holen,
und damit wegen dieser 2 Leckereien kein Streit ent-
stände, kam man vor Kurzem auf den Gedanken, die von
der langen Reise von Brundisium her ausgehungerten im
lucrinischen See wieder auszufüttern.
80.
In demselben Zeitalter, aber etwas früher, erfand Lici-
nius Muräna Teiche für die übrigen Fische; seinem
Beispiele folgten bald mehrere angesehene Männer, wie
Philippus uud Hortensius. Lucullus Hess sogar einen Berg
bei Neapel ausstechen, was ihm mehr kostete als die Er-
bauung seiner Villa, und leitete einen Canal vom Meere
aus hinein; darum nannte ihn Pompejus der Grosse den
römischen Xerxes. Nach seinem Tode wurden aus diesem
Teiche für 4,000,000 Sesterzien Fische verkauft.
81.
Einen Teich für Muränen erfand zu seinem eigenen
Gebrauche zuerst C. Hirrius, der zu den Triumphmahlen
des Dictators Cäsar 6000 Stück Muränen lieh; denn für
Geld oder andere Waare wollte er sie nicht weggeben.
Die Fischteiche auf seinem nicht sehr grossen Landgute
verkaufte man zu 4,000,000 Sesterzien. Nachher riss die
Liebhaberei für einzelne Fische ein. Bei Bauli im Baja-
') Elops. Elops Saurus.
Neuntes Buch. 217
irischen hatte der Redner Hortensius einen Fischteich, in
welchem sich eine Muräne befand, die er so liebte, dass
er geweint haben soll, als sie gestorben war. Auf der-
selben Villa hatte Antonia, die Gemarin des Drusus, eine
Muräne, die sie liebte, mit Ohrgehängen geschmückt, wes-
wegen Manche Lust bekamen, Bauli zu besuchen.
82.
Teiche für Schnecken Hess Fulvius Hirpinus im
tarquinischen Gebiete kurz vor dem mit Pompejus dem
Grossen geführten Bürgerkriege anlegen, wobei er auch die
verschiedenen Gattungen von einander absonderte, so dass-
die weissen, die im reatinischen Gebiete vorkommen, die
illyrischen, die besonders gross, die afrikanischen, die sehr
fruchtbar sind und die solitänischen, die zu den besten ge-
hören, getrennt blieben. Ja er hat sogar eine Mästung für
sie ersonnen, die aus eingedicktem Moste, Mehl und andern
Dingen besteht, damit auch fette Schnecken in die Küchen
kämen; und diese Kunst ist somit vorgeschritten, dass das
Gehäuse mancher Schnecken 80 Quadranten fasste. So
erzählt M. Varro.
83.
Auch Theophrastus führt noch manche merkwürdige
Thiergattungen an. In der sumpfigen Umgebung von Ba-
bylon bleiben nämlich nach dem Rücktritt der Flüsse
Fische in den wasserhaltenden Vertiefungen zurück. Einige
sollen von da aus auf ihren Flossen nach Futter gehen,
häufig den Schwanz bewegen, vor den Jägern in ihre
Löcher zurückfliehen, und in diesen Widerstand leisten.
Ihre Köpfe sollen denen der Seefrösche, ihre übrigen Theile
aber denen der Meergrundeln x) gleichen, auch hätten sie
Kiemen wie andere Fische. In der Gegend von Heraclea,
Cromna, am Lycus und an vielen Orten in Pontus soll
eine Gattung Fische sein, welche bis au die äussersten
Quellen der Flüsse hinaufgeht, sich daselbst Höhlen in die
') Gobiones.
218
Neuntes Buch.
Eide macht und darin lebt, wenn auch der Fluss zurück-
tritt und die Ufer trocken werden. Sie werden daher aus-
gegraben, und nur an der Bewegung ihres Körpers be-
merkt man, dass sie leben. Bei demselben Heraclea und
beim Rücktritt desselben Flusses Lycus sollen sich aus
zurückgebliebenen Eiern im Schlamme Fische erzeugen,
welche, um Futter zu suchen, ihre kleinen Kiemen in Be-
wegung setzen; sie haben also kein Wasser nöthig und
aus gleichem Grunde leben auch die Aale längere Zeit
ausser dem Wasser. Die Eier aber sollen, wie die der
Schildkröten, auf dem Trocknen zur Reife gedeihen. In
derselben Gegend des Pontus trifft man unter den Fischen
besonders die Meergrundeln im Eise an, die nur dann eine
Lebensregung von sich geben, wenn sie in warme Schüsseln
kommen. Diess ist, so wunderbar es auch scheinen mag,
doch gegründet. Derselbe Schriftsteller erzählt, in Paphla-
gonien grübe man Erdfische von äusserst angenehmem Ge-
schmacke aus tiefen Gruben; und zwar an Orten, wo kein
Wasser steht; und er wundert sich, dass sie sich ohne Be-
gattung fortpflanzen; zwar habe, wie er glaubt, diese
Feuchtigkeit eine andere Kraft als das Wasser der Brunnen,
als wenn keine Fische in Brunnen gefunden würden. Wie
dem auch sein mag, so lässt uns diese Thatsache das Leben
des Maulwurfs, dieses unterirdischen Thieres, weniger
wunderbar erscheinen, und vielleicht haben diese Fische
die Natur der Erdwürmer.
84.
Allein dergleichen wird durch die Ueberschwemmung
des Nils, welche alles an Wunderkraft übertrifft, glaub-
würdig; denn, wenn er das Land wieder verlässt, so findet
man kleine Mäuse, deren Erzeugung aus Wasser und Erde
eben begonnen hat, indem sie an einem Theile des Körpers
schon leben, während das Uebrige noch aus Erde besteht.
85.
Auch von dem Anthias darf ich nicht verschweigen,
was (wie ich finde) Viele geglaubt haben. Dieser Fisch
Neuntes Buch. 2191
wird an den in einem klippenreichen Meere vor einem
Vorgebirge liegenden, früher von mir erwähnten chelido-
nischen Inseln in grosser Menge und auf folgende schnelle
Weise gefangen. Ein in ein gleichfarbiges Gewand ge-
kleideter Fischer fährt in einem kleinen Kahne, und alle-
mal zu derselben Stunde einige Tage hindurch eine ge-
wisse Strecke entlang, und wirft Köder aus. Der Fisch,
dem das verdächtig ist, hütet sich anfänglich davor, ge-
wöhnt sich aber nach öfterer Wiederholung daran und lässt
sich endlich verlocken, danach zu schnappen. Diesen (Fisch)
muss man sich auf's sorgfältigste merken, denn er wird
der Begründer der Hoffnung und trägt zum Fange bei; und
diess ist nicht schwierig, da er mehrere Tage hindurch
allein herbeizukommen wagt. Endlich findet er auch einige
Nachahmer, nach und nach wird die Begleitung zahlreicher,
und zuletzt führt er unzählige Heerden herzu, unter denen
die ältesten den Fischer schon kennen, und ihm die Speise
aus der Hand zu reissen pflegen. Alsdann wirft der Fischer
unter der Lockspeise einen Angelhaken mit aus und hascht
sie mehr einzeln als dass er sie fängt, indem er sie im
Schatten des Fahrzeugs auf behende Weise so an sich
reisst, dass es die übrigen nicht merken; ein anderer
Fischer nimmt den gefangenen in Lappen auf, damit sein
Zappeln oder Geräusch die übrigen nicht verjagt. Es ist
hiebei nothwendig, dass man den Unterhändler kennt, da-
mit er nicht gefangen wird, weil sonst der ganze Schwärm
die Flucht ergreifen würde. Man erzählt, ein mit dem
Fischer uneiniger Gehülfe habe dem ihm wohlbekannten
Anführer nachgestellt und aus bösem Willen gefangen;
auf dem Speisemarkte habe ihn Jener, zu dessen Schaden
es geschehen war, erkannt, und eine Klage deshalb einge-
reicht, worauf der andere, wie Mutianus hinzufügt, zum
Schadenersatze verurtheilt wurde. Eben diese Anthien.
sollen, wenn sie sehen, dass einer von ihnen an der Angel
hängt, mit ihren sägeförmigen Rückenflossen die Schnur,
welche von dem daranhängenden Kameraden zu diesem
Behufe angespannt wird, zerschneiden. Wenn hingegen
220 Neuntes Buch.
von den Sargen einer gefangen ist, so zerreibt dieser selbst
die Schnur an Steinen.
86.
Ausserdem finde ich, dass berühmte Schriftsteller sich
über den Seestern wundern. Was seine Gestalt betrifft,
so befindet sich inwendig etwas Fleisch, auswendig eine
härtere Hülle. Er soll eine feurige Glüht in sich haben,
alles was er im Meere berührt entzünden, und alle Speise
sogleich verdauen. Durch welche Versuche diess bekannt
geworden ist, kann ich nicht bestimmt angeben, für bei
weitem bemerkenswerther halte ich dagegen das, zu dessen
Untersuchung man täglich Gelegenheit hat.
87.
Zu dem Geschlechte der Muscheln gehören auch die
Fingermuscheln1), die von der Aehnlichkeit mit den
menschlichen Nägeln diesen Namen führen. Sie besitzen
die Eigenschaft, im Dunkeln einen hellen Schein von sich
zu geben, und zwar umsomehr, je mehr Feuchtigkeit sie
bei sich haben. Sie leuchten im Munde derer, welche sie
essen; es leuchten die Hände und. sogar der Fussboden
und die Kleider, wenn Tropfen davon darauf fallen, so
dass unbezweifelt der Saft dieselbe Eigenschaft besitzt,
welche wir am Körper bewundern.
88.
Es giebt auch merkwürdige Beispiele von Feindschaft
und Freundschaft unter den Wasserthieren. Die
Meeräsche und der Seewolf brennen von gegenseitigem
Hasse; der Conger und die Muräne fressen einander die
Schwänze ab. Den Polypen fürchtet die Locuste so sehr,
dass, wenn sie ihn in ihrer Nähe erblickt, sie sogleich
stirbt. Die Locuste fürchtet den Conger und letztere zer-
reissen wiederum die Polypen. Nigidiüs erzählt, der See-
wolf nage der Meeräsche den Schwanz ab, aber zu gewissen
Zeiten wären sie einig: miteinander. Jedoch bleiben alle
') Dactyli. Solen Vagina L.
Neuntes Buch. 221
diejenigen, denen dor Schwanz auf diese Weise verstümmelt
ist, am Leben. Dagegen aber findet man auch Beispiele
von Freundschaft, wie z. B. (ausser den Thieren, von deren
Eintracht wir bereits gesprochen haben) zwischen dem
Wallfische und der Seemaus; wenn nämlich seine Augen
durch die schweren Wimpern bedeckt sind, zeigt sie vor-
anschwimmend ihm die seiner Grösse schädlichen Untiefen
und vertritt die Stelle der Augen. — Nun wollen wir von
den Vögeln handeln.
Zehntes Buch.
Von den Vögeln.
1.
Es folgt nun die Naturgeschichte der Vögel, unter denen
die Strausse1) die grössten sind und den Landthieren
beinahe gleichkommen. Die afrikanischen und äthiopischen
überragen an Höhe einen zu Pferde sitzenden Reiter und
übertreffen ihn an Schnelligkeit. Die Flügel hat der Strauss
nur zur Unterstützung beim Laufen, denn er kann sich da-
mit nicht von der Erde erheben, ist also eigentlich kein
flugfähiges Thier. Seine Klauen, mit denen er kämpft,
sind denen der Hirsche ähnlich, zweigespalten, und dienen
ihm zum Ergreifen von Steinen, welche er auf der Flucht
seinen Verfolgern entgegenwirft. Er besitzt eine wunder-
bare Kraft, alles, was er ohne Auswahl verschlungen hat,
zu verdauen, allein bei seiner Grösse ist auch seine Dumm-
heit nicht weniger zu bewundern, denn wenn er seinen
Kopf im Gebüsche versteckt hat, glaubt er sieh ganz ver-
borgen. Man benutzt von ihm die Eier, welche wegen
ihrer Grösse zu Gefässen dienen, und die Federn zur Zierde
-der Kriesrshauben und Helme.
') Struthiocameli.
Zehntes Buch. 223
2.
Die Aethiopier und Indier erzählen von sehr bunten
und unendlich zahlreich in ihren Ländern wohnenden
Vögeln, und die Araber von ihrem vor allen berühmten
Vogel Phönix, der angeblich der einzige seiner Art auf der
ganzen Erde ist und nur sehr selten gesehen wird l). Er
soll so gross wie ein Adler, goldglänzend um den Hals,
übrigens purpurfarben sein, einen blauen mit rosenfarbenen
Federn versehenen Schwanz, einen Kamm am Halse und
einen Federbusch auf dem Kopfe haben. Zuerst und am
ausführlichsten unter den Römern beschrieb ihn Manilius,
jener berühmte Senator, der sich ohne Lehrer einen hohen
Grad wissenschaftlicher Bildung verschaffte; dieser sagt,
noch Niemand habe ihn fressen sehen, in Arabien sei er
der Sonne heilig, er lebe 540 Jahre, baue sich im Alter
ein Nest aus Cassien- und Weihrauch-Zweigen, fülle es
mit Räucherwerk an und sterbe auf demselben. Darauf
entstände aus seinen Knochen und Marke zuerst ein kleiner
Wurm, aus diesem würde ein junger Vogel; dieser bestatte
den vorigen zuerst feierlich zur Erde, trüge dann das ganze
Nest in die Sonuenstadt in Pamhaja 2), und lege es daselbst
auf einem Altare nieder. Derselbe jManilius sagt, mit dem
Leben dieses Vogels hänge die Rückkehr des grossen
Jahres 3) zusammen, und dieselben Anzeichen der Witter-
ung und der Sterne kehrten wieder. Diese Periode fange
aber zu Mittag an eben demselben Tage an, wo die Sonne
') Man vergleiche, was Herodot von diesem Vogel erzählt (II.
73). Tacitus (Annal. VI. 28) erzählt von 4 Erscheinungen des Phönix
in der historischen Zeit, unter Sesostris, Amasis, Ptolemäus III. und
Tiberius. Seine Lebensperiode deutete eine gewisse Epoche des
grossen Weltjahrs an. Vergl. Creuzer, Symbolik I. p. 438 sq.
*) Ein Distrikt von Unterägypten unweit Memphis, in welchem
Heliopolis (die Sonnenstadt) lag.
3) Das grosse Jahr hat nach Harduin 19 x 28 = 532 Jahre,
nach Andern 14617, und wird, wie man aus den Zahlen sieht, durch
die Sonnen- und Mondzirkel bestimmt, darf aber mit dei julianischen
Periode, welche aus 19 x 28 x 15 = 7980 besteht, nicht verwech-
selt werden.
224 Zehntes Buch.
in das Zeichen des Widders tritt. Zu der Zeit als er schrieb.,
nämlich unter den Consuln P. Licinius und Cn. Cornelius *),_
soll das 205. Jahr dieser Periode gewesen sein. Cornelius
Valerianus erzählt, der Phönix sei unter den Consuln
Q. Plautius und Sex. Papinius 2) nach Aegypten geflogen.
Im Jahre 800 der Stadt, als der Prinz Claudius Censor
war, wurde auch einer nach Rom gebracht, und, wie die
öffentlichen Urkunden bezeugen, auf dem Gerichtsplatze
ausgestellt; aber Jedermann hielt ihn für unächt.
3.
Unter den Vögeln, welche wir kennen, hat der Adler
das höchste Ansehen und auch die meiste Kraft. Es giebt
6 Arten: der bei den Griechen sogenannte Schwarzadler 3j
oder Valeria ist der kleinste, aber stärkste, schwärzlich ge-
färbt, der einzige unter den Adlern, der seine Jungen auf-
füttert (denn die übrigen jagen sie, wie wir noch anführen
werden, fort), giebt keinen Laut von sich, und wohnt auf
Bergen. Die zweite Art, die Kornweihe 4), lebt in Städten
und auf Feldern und hat einen weisslichen Schwanz. Die
dritte Art, der Entenadler 5), den Homer Percnos, Andere
Plangus oder auch Anataria nennen, ist der zweite an
Grösse und Stärke, und lebt an Seen. Phemonoe 6), die
für eine Tochter des Apollo gehalten wird, sagt, er habe
Zähne, übrigens sei er ohne Stimme und Zunge, unter
allen Adlern der schwärzeste und habe den längsten
Schwanz. Hiermit stimmt auch Böus 7) überein. Er be-
sitzt die Klugheit, Schildkröten, welche er geraubt hat,,
aus der Höhe herabfallen zu lassen und dadurch ihre
Schalen zu zerbrechen. Durch einen solchen Fall kam der
') 100 v. Chr.
2) Ein Jahr vor dem Tode des Kaisers Tiberius; im Jahre Roms
789 (36 n. Chr. Gr.)
3) Melanaetus. Falco Melanaetus L.
4) Pygargus. Falco Pygargus L.
5) Morphnos. Falco Naevius L.
n) Eine Sibylle, erste Pythia in Delphi, erfand den Hexameter.
7) Unbekannter Schriftsteller.
Zehntes Buch. 215
Dichter Aeschylos l) uni's Leben, als er dem Tode, der ihm
(wie man sagt) vom Schicksale auf diesen Tag vorherge-
sagt worden war, in freier Luft entgehen wollte. Die
vierte Art heisst der Schwarzbuntgeflügelte 2), oder der
Bergstorch 3) , hat die Gestalt des Geiers , sehr kleine
Flügel, ist übrigens bedeutend gross, aber so feige und
entartet, dass ihn der Rabe bezwingt, ein unersättlicher
Fresser, lässt eine klägliche Stimme hören und schleppt
todte Körper weg, während die übrigen Adler bei den von
ihnen getödteten Thieren sitzen bleiben. Daher heisst die
5. Art yv^aiov 4); sie ist gleichsam die wahre und unver-
dorbene, von mittlerer Grösse, röthlicher Farbe, aber nur
selten sichtbar. Nun ist noch der Fischadler 5) übrig; er
hat ein äusserst scharfes Gesicht, schwingt sich aus der
Höhe herab, stürzt sich, wenn er im Meere einen Fisch
sieht, auf denselben, durchschneidet mit der Brust die
Wogen und raubt ihn. Derjenige, welchen wir als die
dritte Art bezeichnet haben, stellt an den Seen den Wasser-
vögeln nach, welche sich öfters vor ihm untertauchen, bis
sie endlich so müde und erschöpft sind, dass er sie weg-
holen kann. Dieser Kampf ist sehenswert!] ; der Vogel
sucht nämlich seine Zuflucht am Ufer, und namentlich da
wo es dicht mit Schilf bewachsen ist, der Adler treibt ihn'
durch den Schlag seiner Flügel von da weg, und fällt, um
ihn zu ergreifen, in's Wasser. Alsdann lässt er dem unter
dem Wasser schwimmenden Vogel seinen Schatten am
Ufer sehen, worauf der Vogel an einer andern Stelle, wo
er am wenigsten erwartet zu werden scheint, auftaucht.
Aus diesem Grunde schwimmen auch diese Vögel schaaren-
weise, denn mehrere zugleich werden nicht angefallen, da
sie mit ihren Flügeln den Feind bespritzen und dadurch
•) Aus Eleusis in Attika, Stifter des tragischen Schauspiels, lebte
525 — 457 V. Chr.
2) Percnopterus. Vultur percnopterus, der ägyptische Aasgeier
») Onpelargus. <) Der echte, Falco chrysaetus, der Goldadler
5) Hahaetus Falco Haliaetus.
Wittitein: Plinius. II. Bd.
15
226 Zehntes Buch.
blenden. Oft können auch die Adler die ergriffene Last
nicht fortschleppen und sinken zugleich mit unter. Nur
der Fischadler schlägt seine noch unbefiederten Jungen,
zwingt sie oft in die Sonne zu sehen, und wirft denjenigen,
von dem er merkt, dass er blinzelt oder feuchte Augen be-
kommt, als einen Bastard oder Ausgearteten aus dem Neste;
den hingegen, dessen Blick fest gegen die Sonne gerichtet
ist, zieht er auf. Die Fischadler bilden keine eigene Art,
sondern werden durch die Begattung verschiedener Adler
erzeugt. Die Sprösslinge von diesen gehören zu der Art
der Steinbrecher *), von denen die kleineren Geier ab-
stammen und von diesen entstehen die grossen, welche
sich nicht fortpflanzen. Einige fügen noch eine Art hinzu,
welche sie bärtige 2), die Tuscer aber den Steinbrecher
nennen.
4.
Die drei ersten uud die fünfte Art bauen in ihre
Nester den Adlerstein 3), den Einige Gangites nennen; er
dient in vielen Fällen als Heilmittel und wird vom Feuer
nicht zerstört. Dieser Stein ist gleichsam schwanger, denn,
wenn man ihn schüttelt, so hört man, wie in einer Gebär-
mutter, einen andern in ihm klappern. Jene Kraft aber
besitzen die Steine nur dann, wenn sie aus dem Neste ge-
holt werden. Die Adler nisten auf Felsen und Bäumen,
legen 3 Eier und brüten 2 Junge aus; zuweilen sind auch
wohl 3 gesehen worden. Das eine Junge werfen sie, um
des Fütterns überhoben zu sein, heraus, denn die Natur
hat ihnen um diese Zeit selbst die Nahrung versagt, und
zwar aus Vorsicht, damit nicht die Jungen aller wilden
Thiere von ihnen geraubt würden. Sogar ihre Krallen
M Ossifragae. Falco ossifragus.
2) Barhatae. Vultur barbatus. Der Lämmergeier.
3) Lapis aetites. Sie bestehen aus platten, ellipsoidischen, in-
wendig hohlen, oder mit einem klappernden Kerne versehenen Stücken,
finden sich in Lehm- und Thonlagern, und sind als ein unreiner
Brauneisenstein zu betrachten.
Zehntes Buch. 227
wenden sich in diesen Tagen einwärts und ihre Federn
werden durch das Hungern weiss, so dass ihre Jungen
ihnen mit Recht lästig sein müssen. Allein die von ihnen
herausgeworfenen Jungen werden von den verwandten
Ossifragen aufgenommen, und mit ihrer eigenen Brut auf-
erzogen. Aber selbst, wenn sie schon erwachsen sind,
werden sie von ihren Eltern verfolgt und als Nebenbuhler
ihres Raubes weit fortgejagt. Ueberdiess bedarf ein Adler-
paar schon ein grosses Revier zum Raube, wenn es hin-
reichende Nahrung haben soll. Sie bestimmen sich daher
ihre Gebiete und gehen in dem nächstgelegenen nicht auf
Beute aus. Ihren Raub tragen sie nicht sogleich fort, son-
dern legen ihn zuerst nieder, und fliegen erst dann, wenn
sie sein Gewicht geprüft haben, damit weg. Sie sterben
weder aus Altersschwäche noch wegen Krankheit, sondern
vor Hunger, weil der obere Theil des Schnabels so sehr
heranwächst, dass sie ihn wegen der Krümmung nicht
mehr öffnen können. Nachmittags sind sie thätig und
fliegen, in den ersten Stunden des Tages sitzen sie müssig,
bis die Märkte mit Menschen angefüllt sind. Die Adler-
federn verzehren die der übrigen Vögel, wenn man sie mit
ihnen vermischt. Diess soll der einzige Vogel sein, den
noch nie der Blitz getödtet hat, daher hält man ihn auch
gewöhnlich für den Waffenträger des Jupiter.
5.
C. Marius hat in seinem zweiten Consulate a) den Adler
ausschliesslich als Feldzeichen für die römischen Le-
gionen bestimmt. Er war auch schon früher mit 4 andern
das Hauptzeichen; Wölfe, Minotauren, Pferde und Eber
wurden den einzelnen Abtheilungen vorangetragen. Wenige
Jahre vorher hatte man angefangen, ihn allein mit in die
Schlacht zu nehmen; die übrigen wurden im Lager zurück-
gelassen; Marius schaffte jedoch diese ganz ab. Seitdem
hat man bemerkt, dass fast nirgends eine Legion ihr
Winterlager hielt, wo nicht ein Adlerpaar war.
') 104 v. Chr., im cimbrischen Kriege.
15*
228
Zehntes Buch.
Die Adler der ersten und zweiten Art rauben nicht
bloss kleine vierfüssige Tbiere, sondern kämpfen sogar mit
dem Hirsche. Sie setzen sich ihm auf die Hörner, schütteln
ihm eine Menge Staub, den sie durch Wälzen auf der Erde
gesammelt haben, in die Augen, und schlagen ihn mit den
Flügeln so lange in's Gesicht, bis er sich auf einen Felsen
stürzt. Und dieser eine Feind ist ihm noch nicht genug;
heftiger und viel zweifelhafter ist sein Kampf mit dem
Drachen, obgleich er in der Luft stattfindet. Dieser geht
nämlich mit böser Begierde den Eiern des Adlers nach,
letzterer aber packt ihn deshalb, wo er ihn sieht. Der
Drache fesselt durch vielfaches Umschlingen seine Flügel,
und verwickelt sich so sehr, dass er mit ihm zugleich
herabstürzt.
6.
Allgemein berühmt hat sich ein Adler in der Nähe der
Stadt Sestos l) gemacht. Dieser war von einer Jungfrau
aufgezogen, und gab seine Dankbarkeit dadurch zu er-
kennen, dass er ihr anfangs Vögel, nachher auch Wildpret
zutrug. Als sie gestorben war, soll er sich auf ihren an-
gezündeten Scheiterhaufen geworfen und zugleich mit
ihr verbrannt haben. Deshalb errichteten die Einwohner
auf dieser Stelle ein sogenanntes Heroum 2), welches den
Namen „Heroum des Jupiters und der Jungfrau" erhielt,
weil jenem Gotte der Adler beigesellt wird.
7-
Unter den Geiern 3) sind die schwarzen am kräftigsten.
Zu ihren Nestern ist noch Niemand gelangt; Einige glaubten
deshalb sogar, sie flögen aus der entgegengesetzten Welt 4)
herüber, jedoch mit Unrecht, denn sie nisten auf den höchsten
Felsen. Ihre Jungen, gewöhnlich 2 an der Zahl, sieht man
oft. Umbricius 5), der erfahrenste Vogeldeuter unserer Zeit,
') Im thracischen Chersones, jetzt Jalowa.
2) Ein Denkmal für einen Helden (heros). 3) Vultures.
4) Der südliche jenseits des Weltmeeres liegende, nach der Mei-
nung der Alten aber unzugängliche Theil der Erde.
s) Umbricius Melior, ein nicht näher bekannter Autor.
Zehntes Buch. 229
erzählt, sie legten 13 Eier, mit einem derselben sühnten
sie die übrigen Eier und das Nest aus, und würfen es
dann heraus. Auch flögen sie schon 3 Tage zuvor dahin,
wohin Aas gebracht würde.
8.
Ueber den Vogel Sanqualis und Immussulus sind
die römischen Wahrsager in grossem Streite. Einige halten
den Immussulus für den Jungen eines Geiers und den
Sanqualis für den des Ossifragen. Massurius sagt, der
Sanqualis sei ein Ossifrage, der Immussulus aber ein junger
Adler, bevor sein Schwanz weiss wäre. Einige haben ver-
sichert, sie wären nach dem Augur Mutius nicht mehr zu
Rom gesehen worden. Ich glaube (und diess dürfte das
Wahrscheinlichere sein), dass bei dem Verfalle aller Dinge
auch ihre Kenntniss verloren gegangen ist.
9.
Von den Habichten *) finde ich 1(3 Arten angeführt.
Unter diesen soll der Aegithus, welcher an einem Fusse
lahm ist, die glücklichste Vorbedeutung bei Heirathsange-
legenheiten und der Viehzucht geben. Dem Triorches 2)
der diesen Namen von der Anzahl seiner Hoden hat, giebt
Phemonoe den Vorzug bei Weissagungen; die Römer nennen
ihn Buteo, und nach ihm erhielt sogar eine Familie diesen
Beinamen, da sich einer als günstiges Zeichen auf das Schiff
des Anführers gesetzt hatte. Epileus nennen die Griechen
denjenigen, welcher zu jeder Zeit allein zu sehen ist; die
übrigen ziehen im Winter weg. Die Eintheilung in Arten
beruht auf der verschiedenen Weise des Raubens. Einige
bemächtigen sich eines Vogels nicht anders als von der
Erde aus; andere nur dann, wenn er Bäume umflattert,
andere, wenn er hoch sitzt, noch andere, wenn er im Freien
fliegt. Daher kennen auch die Tauben die Gefahren, welche
ihnen von denselben drohen, und setzen sich entweder^
wenn sie einen sehen, oder fliegen auf, kurz, sie helfen sich
') Accipitres. 2) Falco Buteo L. der Bussard.
230 Zehntes Buch.
dadurch, das» sie seiner Gewohnheit entgegen handeln.
Auf der im Ocean liegenden afrikanischen Insel Cerne
legen die Habichte aus ganz Masäsylien ihre Eier auf die
Erde und brüten sie aus; sie sind an diese Völker so sehr
gewöhnt, dass sie sich anderswo nicht fortpflanzen.
10.
In einem Theile Thraciens jenseits Amphipolis gehen
die Menschen und Habichte gleichsam in Gesell-
schaft auf den Vogelfang. Jene jagen die Vögel aus
den Wäldern und Rohrgebüschen auf, diese überfliegen sie
und drücken sie herab. Die Vogelfänger fangen sie dann
und theilen sie mit den Habichten. Man erzählt, dass sie
die Vögel, welche man ihnen in die Höhe zujagt, auffangen,
und, wenn es Zeit zum Fangen ist, durch Geschrei und
eine eigene Art des Flugs erinnern, die Gelegenheit zu be-
nutzen. Etwas Aehnliches thun die Wölfe am mäotischen
See; wenn diese aber von den Fischern nicht ihren Antheil
bekommen haben, so zerreissen sie die ausgespannten Netze
derselben. Die Habichte fressen das Herz der Vögel nicht.
Der nächtliche Habicht wird Cybindis *) genannt; man
trifft ihn selten in den Wäldern, und er kann am Tage
nur wenig sehen. Mit dem Adler führt er einen tödtlichen
Krieg und oft werden beide aneinanderhängend gefunden.
11.
Aus dem Habichte scheint der Kukuk2), welcher zu
einer gewissen Jahreszeit seine Gestalt ändert, zu entstehen,
denn bei seinem Erscheinen bemerkt man die übrigen Ha-
bichte nur noch wenige Tage hindurch; er selbst wird nur
kurze Zeit im Sommer und nachher nicht weiter gesehen,
hat weder die hakenförmigen Krallen noch den Kopf der
übrigen Habichte, sondern ähnelt ihnen bloss in der Farbe,
und sein Schnabel gleicht vielmehr dem einer Taube. Ja
er wird sogar, wenn er mit dem Habichte zusammenkommt,
von diesem getödtet, und ist der einzige Vogel, der durch
') Falco vespertinus L. 2) Coccyx, Cuculus canorus L.
Zehntes Buch. 231
sein eigenes Geschlecht umkommt. Er ändert aber
auch seine Stimme, kommt im Frühling zum Vorschein,
verbirgt sich beim Aufgange des Hundssterns, und legt
seine Eier beständig in fremde Nester, besonders in die der
Tauben; grösstentheils legt er nur ein Ei, was sonst kein
anderer Vogel thut, selten zwei, «[an glaubt, er schiebe
deshalb seine Jungen andern unter, weil er wisse, dass er
den übrigen Vögeln verhasst ist; denn selbst die kleinen
Vögel greifen ihn an und die Sicherheit seiner Nach-
kommenschaft würde, wie er glaubt, gefährdet sein, wenn
er nicht zu dieser Täuschung seine Zuflucht nehme. Er
bauet daher auch kein Nest, ist aber sonst ein furchtsames
Thier. Das fremde Weibchen füttert also den unterge-
schobenen Kukuk in ihrem Neste auf. Dieser gefrässig
von Natur, entreisst den übrigen Jungen das Futter, wird
dadurch fett und glänzend, und zieht die Aufmerksamkeit
seiner Pflegemutter auf sich. Diese freuet sich über sein
Aussehen, und wundert sich selbst darüber, dass sie einen
solchen Vogel gezeugt hat, verachtet bei Vergleichung mit
ihm ihre eigenen Jungen als Fremdlinge, lässt sie sogar
in ihrer Gegenwart auffressen, bis er, wenn er fliegen
kann, sie selbst ergreift. Kein Vogel hat um diese Zeit
ein so angenehm schmeckendes Fleisch als der Kukuk.
12.
Die Milane1), welche ebenfalls zu den Habichten ge-
hören, unterscheiden sich durch ihre Grösse. Man hat be-
merkt, dass dieser sonst äusserst raubgierige und stets
hungrige Vogel nichts Fressbares von einer Todtenbahre
oder von einem Altare zu Olympia nimmt, ja nicht einmal
aus den Händen der Träger, wenn es nicht als eine traurige
Vorbedeutung bei den Opfern der Municipalstädte geschieht.
Sie scheinen uns durch die Wendung ihres Schwanzes den
Gebrauch des Sturmruders gelehrt zu haben; so zeigte uns
also die Natur in der Luft, was wir in der Tiefe bedürfen.
») Milvi. Falco Milvus, der rothe Milan.
232 Zehntes Buch.
Auch (He Milane verbergen sich in den Wintermonaten,
ziehen jedoch nicht vor den Schwalben fort. Nach den
Solstitium sollen sie aber vom Podagra befallen werden.
13.
Der nächste und beste Unterschied zwischen den
Vögeln lässt sich an ihren Füssen abnehmen; denn sie
haben entweder krumme Krallen, oder Finger, oder band-
förmige Füsse, wie die Gänse und die meisten Wasser-
vögel. Die mit krummen Krallen versehenen nähren sich
grösstentheils nur vom Fleische.
14.
Die Krähen1) leben auch von anderer Nahrung,
Wenn die Härte einer Nuss ihrem Schnabel widersteht, so
fliegen sie in die Höhe und werfen sie so lange auf
Steine oder Dächer, bis sie sie aufbeissen können. Dieser
Vogel besitzt eine unglücksbedeutende Schwatzhaftigkeit,
die jedoch von Einigen gern gesehen wird. Vom Aufgange
des Arcturus an bis zur Ankunft der Schwalben soll man
ihn in den Hainen und Tempeln der Minerwa selten, an
andern Orten aber, wie zu Athen, gar nicht wahrnehmen.
Uebrigens ist er der einzige Vogel, welcher seine Jungen
selbst dann noch eine Zeit lang füttert, wenn sie fliegen
können. Am unheilbringendsten ist die Krähe, wenn sie
Junge hat, d. i. nach dem Solstitium.
15.
Alle übrigen Vögel dieses Geschlechtes treiben ihre
Jungen aus den Nestern und zwingen sie zu fliegen; so
auch die Raben2), welche sich ebenfalls nicht bloss vom
Fleische nähren, und ihre erwachsenen Jungen weit weg-
jagen. Daher befinden sich in kleinen Orten nicht mehr
als 2 Paare, in der Umgegend von Cranon in Thessalien
stets nur eins. Die Alten machen ihren Jungen Platz.
Zwischen diesem und dem obengenannten Vogel finden
einige Unterschiede statt. Die Raben legen vor dem SoU
') Coraices. Corvus Corone. 2) Corvi. Corvus Corax.
Zehntes Buch. 233
stitium, und sind 60 Tage lang meist vom Durste, bevor
die Feigen im Herbste reif werden, krank. Nach dieser
Zeit aber wird die Krähe von einer Krankheit befallen.
Die Haben legen in der Regel 5 Eier. Der gemeine
Mann glaubt, ihre Eier kämen aus dem Schnabel, und mit
diesem begatteten sie sich auch, und daher gäben schwangere
Weiber, wenn sie ein Rabenei essen, ihre Leibesfrucht
durch den Mund von sich; jedesmal aber soll die Geburt
schwer von Statten gehen, wenn Raben in ein Haus ge-
tragen werden. Aristoteles leugnet diess, und es ist wahr-
lich bei ihnen ebensowenig wahr, als bei dem ägyptischen
Ibis; jenes Schnäbeln aber, was man oft an ihnen bemerkt,
soll dem der Tauben ähnlich sein. Die Raben scheinen
die einzigen Vögel zu sein, welche einen Begriff von der
Bedeutung der Zeichen, die sie bei den Auspicien geben,
haben. Denn als die Gastfreunde des Medias getödtet
waren, flogen sie alle aus dem Peloponnes und x\ttika fort.
Das schlimmste Zeichen ist, wenn sie ihre Stimme ver-
schlucken, als wenn sie erwürgt würden.
16.
Gebogene Krallen haben auch die nächtlichen Vögel?
wie die Nachteule1), der Uhu2) und der Kauz3). Alle
diese sehen bei Tage schlecht. Der Uhu bringt Unglück
und wird am meisten verwünscht bei öffentlichen Auspicien;
er bewohnt Einöden, und nicht bloss verlassene, sondern
auch grauenvolle und unzugängliche Orte. Er ist ein
nächtliches Ungeheuer, das keine klangvolle Stimme, son-
dern nur klägliche Laute von sich giebt. Wird er daher
in Städten oder überhaupt am Tage irgendwo gesehen, so
ist diess ein schreckliches Zeichen. Wenn er sich auf ein
Privatgebäude setzte, so war diess, so viel ich weiss, fast
wie todtverkündend. Er fliegt niemals dahin, wohin er
will, sondern er wird quer fortgetrieben. Unter den Con-
suln Sext. Papelius Hister und L. Pedanius kam er sogar
1) Noctua. Strix nyctea L. s) Bubo. Strix Bubo.
a) Ulula. Strix. Ulula.
234 Zehntes Buch.
in die Kapelle des Capitoliums, weshalb die Stadt am
9. März desselben Jahres feierlich gereinigt wurde.
17.
Auch der Brandvogel1) ist von übler Vorbedeutung
und ich finde in den Jahrbüchern, dass seinetwegen in
Rom sehr oft Sühnopfer gehalten sind, z. B. unter den
Consuln L. Cassius und C. Marius 2). In demselben Jahre
fand wegen eines Uhu, der sich hatte sehen lassen, dieselbe
Ceremonie statt. Was jener eigentlich für ein Vogel ist,
darüber sind weder schriftliche noch mündliche Nachrichten
vorhanden. Einige erklären die Sache so: ein jeder Vogel,
den man eine Kohle von einem Altäre oder Opfersteine
wegtragen sehe, sei ein Brandvogel. Andere nennen ihn
Spinturnix; allein ich habe noch keinen Schriftsteller ge-
funden, der angiebt, zu welcher Gattung von Vögeln der-
selbe gehört. Auch der Vogel, den die Alten Clivia ge-
nannt haben, ist, wie ich finde, unbekannt. Einige nennen
ihn den Schreier3), Labeo 4) aber den Verhinderer5).
Bei Nigidius heisst ein Vogel, der die Eier der Adler zer-
bricht, Subis. Es sind ausserdem noch mehrere Gattungen
in den etruscischen Wahrsagebüchern abgebildet, jedoch
von Niemandem gesehen worden; man muss sich wundern,
dass diese aufgehört haben zu existiren, da doch die,
welche der menschlichen Kehle dienen, noch in Menge vor-
handen sind.
18.
Unter den auswärtigen Schriftstellern über Vogeldeu-
terei wird Hylas 6) für den besten gehalten. Dieser sagt,
die Nachteule, der Uhu, der Specht 7), welcher Bäume aus-
höhlt, der Bartvogel8) und die Krähe kämen mit dem
') Avis incendiaria.
2) Diess war das erste Conaulat des Marius, im J. 103 v. Chr.
3) Clamatoria.
4) Antistius Labeo, Schüler des Trebatius, Jurist unter Augustus.
Decemvir, dann Praetor. 5) Prohibitoria.
6) Ein unbekannter Schriftsteller. 7) Picus. Picus Martius.
8) Trogon. Trogon viridis.
Zehntes Buch. 235
Schwänze zuerst aus dem Eie, weil sich die Eier durch
das Gewicht des Kopfes umdreheten, und dadurch der
hintere Theil des Körpers der brütenden Mutter zuge-
kehrt würde.
19.
Die Nachteulen wissen geschickt mit andern Vögeln
zu kämpfen. Sind sie von einer grössern Menge umringt,
so legen sie sich auf den Rücken, wehren sich mit den
Klauen, ziehen sich eng zusammen, und decken sich mit
dem Schnabel und den Krallen. Der Habicht steht ihnen
aus einer gewissen natürlichen Freundschaft bei, und nimmt
Theil an dem Kampfe. Die Nachteulen sollen, wie Nigidius
berichtet, im Winter 60 Tage hindurch schlafen, und neun
verschiedene Stimmen haben.
20.
Es giebt auch kleine Vögel mit krummen Krallen, wie
die Spechte1); unter ihnen zeichnen sich diejenigen aus,
welche mit dem Beinamen Martius belegt werden und
beim Vogelfluge von grosser Bedeutung sind. Zu diesem
Geschlechte gehören ferner diejenigen, welche Bäume aus-
höhlen und nach Art der Katzen leise hinaufklettern; ja
sie gehen selbst rückwärts hinauf, und merken, wenn sie
an die Rinde hacken, am Klange, ob sich Futter darunter
befindet. Sie sind die einzigen Vögel, welche ihre Jungen
in Höhlen aufziehen. Der gemeine Mann glaubt, Keile, die
ein Hirt in ihre Löcher getrieben hätte, fielen heraus, wenn
sie dieselben mit einem gewissen Kraute berührten.
Trebius berichtet, ein selbst mit der grössten Kraft in den
Baum, in welchem sie ihr Nest haben, getriebener Nagel
oder Keil spränge sogleich unter Krachen des Baumes
wieder heraus, wenn der Specht sich auf den Nagel oder
Keil setze. Sie sind in Latium beim Vogelfluge seit dem
Könige 2), der ihnen ihren Namen gab, die wichtigsten
») Pici.
-) Ancus Martius, der vierte römische König, Numa's Tochtersohn,
regierte 638-616 v. Chr.
236 Zehntes Buch.
Vögel. Eine Vorbedeutung von ihnen kann ich nicht über-
gehen. Als der Prätor urbanus Aelius Tubero auf dem
Forum vor dem Tribunale Recht sprach, sass ein Specht
auf seinem Kopfe so ruhig, dass er ihn mit der Hand er-
greifen konnte. Die Wahrsager legten diess so aus: wenn
man ihn fliegen liesse, so bedeute diess den Untergang des
Reichs, tödte man ihn aber, den des Prätors. Dieser zer-
riss nun den Vogel auf der Stelle, und nicht lange nachher
ging der Ausspruch an ihm in Erfüllung.
21.
Viele aus diesem Geschlechte nähren sich auch von
Eicheln und Obst, aber bloss die, welche kein Fleisch fressen,
ausgenommen der Milan; und dieser Umstand ist selbst
bei den Augurien von schlimmer Vorbedeutung. Diejenigen,
welche krumme Krallen haben, leben nicht gesellig,
sondern ein jeder geht für sich auf Raub aus. Mit Aus-
nahme der Nachtvögel haben sie alle, und besonders die
grössern, einen hohen Flug. Alle haben grosse Flügel und
einen kleinen Leib. Das Gehen wird ihnen schwer. Auf
Felsen setzen sie sich selten nieder, da die Krümmung der
Krallen ihnen dabei hinderlich ist.
22.
Nun wollen wir von dem zweiten Geschlechte reden,
welche« in 2 Abtheilungen zerfällt, in Singvögel r) und in
Flugvögel 2); bei jenen besteht der Unterschied im Gesänge,
bei diesen in der Grösse. Daher mögen auch letztere iu
der ganzen Reihe und unter ihnen selbst vor allen übrigen
die durch Schönheit, Eitelkeit und Ruhm sich auszeichnende
Gattung der Pfauen3) vorangehen.
Wenn der Pfau gelobt wird, breitet er seine gleich
Edelsteinen schimmernden Federn aus, und zwar meistens
gegen die Sonne, weil sie dann noch glänzender erscheinen.
Zugleich sucht er durch die muschelförmige Ausbreitung
') Oscines, aus deren Gesänge geweissagt wurde.
2) Alites, aus deren Fluge geweissagt wurde.
3) Pavo. Pavo cristatu6.
Zehntes Buch. 237
seines Schwanzes etwas Schatten auf die übrigen Federn
zu werfen, damit sie im Schatten heller glänzen, und zieht
alle Augen der Federn, die er gern sehen lassen will, in
einen Haufen zusammen. Wenn er, wie diess alljährig
mit dem Abfallen der Blätter geschieht, seinen Schwanz l)
verloren hat, so versteckt er sich voll Schaam und Be-
ti übniss, bis er ihm wieder zur Zeit der Baumblüthe wächst.
Er wird 25 Jahre alt. Im 3. Jahre fangen seine Farben
an zu spielen. Von den Schriftstellern wird er nicht nur
für ein stolzes, sondern auch boshaftes, und gleich der
Gaus, für ein schamhaftes Thier gehalten, und Einige führen
diese Eigenschaften unter den Merkmalen dieser Vögel mit
an, was mir aber nicht gefällt.
23.
Der erste, welcher zu Rom einen Pfau zum Verspeisen
tödtete, war der Redner Hortensius, als er beim Antritt der
Priesterwürde ein Gastmahl gab. Der erste, welcher Pfaueu
mästete, war M. Aufidius Lurco, um die Zeit des letzten
Seeräuberkrieges; er zog aus diesem Unternehmen ein Ein-
kommen von 60,000 Sestertien.
24.
Nächst den Pfauen haben auch unsere nächtlichen
Wächter 2), welche die Natur erschuf, um uns Menschen
zur Arbeit zu rufen und den Schlaf zu unterbrechen, einen
gewissen Stolz. Sie kennen die Gestirne und unterscheiden
am Tage die Zeit von 3 zu 3 Stunden durch ihr Krähen.
Mit der Sonne gehen sie zur Ruhe und rufen uns um die
4. Feldnachtwache 3) zu Sorgen und Arbeit zurück. Sie
dulden es nicht, dass der Aufgang der Sonne uns unge-
meldet beschleicht, und verkündigen den kommenden Tag
durch ihr Krähen, das Krähen selbst aber durch das Schlagen
der Flügel. Sie beherrschen ihr Geschlecht, und regieren
in jedem Hause, wo sie sich aufhalten. Sie führen deshalb
!) Nicht die Schwanzfedern sind es, welche dem männlichen
Pfau seinen Schmuck verleihen, sondern die Bürzelfedern.
2) Die Hähne. 3; Morgens zwischen 3 und 6 Uhr.
238 Zehntes Buch.
auch Kämpfe untereinander, gleichsam als wenn sie wüssten,
dass sie zu diesem Behufe Waffen an ihren Beinen hätten,
und oft endigt ein solcher Kampf mit dem Tode beider.
Wenn einer die Oberhand behalten hat, krähet er sogleich,
um seinen Sieg zu verkünden, und zu bezeugen, dass er
nun der Herr ist. Der Besiegte verbirgt sich schweigend
und erduldet voll Gram die erlittene Demüthigung. Jedoch
das Volk *) ist ebenso stolz, und schreitet mit erhobenem,
mit hohem Kamm gezierten Kopfe einher. Er ist der ein-
zige Vogel, welcher oft den Himmel ansieht, und dabei
seinen sichelförmigen Schwanz in die Höhe hebt, wodurch
er sogar dem Löwen, dem Herzhaftesten aller Thiere,
Schrecken einflösst. Einige unter ihnen werden bloss zum
Kriege und beständigen Kampfe bestimmt, und machen
dadurch sogar ihr Vaterland berühmt, wie die zu Ehodus
und. Tanagra. Der zweite Rang wird den melischen und
chalcidischen zugestanden, so dass selbst diese Vögel bei
. den vornehmsten Römern in hohem Ansehen stehen. Bei
ihnen beobachtet man die Tripudia solistima 2); sie regieren
täglich unsere Magistratspersonen, und verschliessen und
öffnen ihnen ihre Häuser. Sie setzen die römischen Fasces
in Bewegung oder halten sie zurück, befehlen oder ver-
bieten Schlachten und sind die Verkündiger aller Siege
auf der ganzen Erde; sie besonders beherrschen die Herr-
scher der Länder, und selbst ihre Eingeweide und ihr
. Fleisch sind den Göttern nicht weniger angenehm als die
reichsten Opfer. Auch ihr sehr spätes und am Abend statt-
findendes Krähen hat seine Vorbedeutung. Denn als sie
einst ganze Nächte hindurch kräheten, verkündigten sie
den Böotiern jenen berühmten Sieg über die Lacedämonier 3);
') Die Hühner.
2) Das Springen auf die Erde. Wenn nämlich die Weissage -
hühner so begierig frassen, dass die Speise ihnen aus den Schnabel
fiel, folglich auf die Erde sprang, so hielt man diess für ein sehr
glückliches Zeichen.
3) Bei Leuktra.
Zehntes Buch. 239
man legte diess nämlich so aus, dass ein besiegter Hahn
nicht krähet.
25.
Wenn sie verschnitten sind, krähen sie nicht mehr.
Das Verschneiden geschieht auf doppelte Weise, indem man
sie entweder an den Lenden oder an den äussersten Enden
der Schenkel mit einem glühenden Eisen brennt, und die
Wunde mit Töpferthon verstreicht; dadurch werden sie
leichter fett. Zu Pergamus wird alle Jahre ein öffentliches
Kampfspiel zwischen Hähnen, gleichwie zwischen Gladia-
toren gegeben *). Man findet in den Annalen, dass unter
den Consuln M. Lepidus und Q. Catulus ein Hahn auf der
Villa des Galerius geredet habe, der einzige Fall der
Art, so viel ich weiss.
26.
Auch die Gans ist wachsam und besorgt, wie sie
durch die Rettung des Capitoliums 2) bewiesen hat, während
zu derselben Zeit durch das Schweigen der Hunde der
Staat verrathen wurde. Daher setzen die Censoren das
Futter der Gänse in den Rechnungen oben an. Man er-
zählt sogar Fälle, die von Liebe bei diesem Thiere zeugen;
so verliebte sich eine zu Aegium in den schönen Knaben
Olenius. eine andere in die Glauce, die Citherspielerin des
Königs Ptolemäus, welche gleichzeitig auch von einem
Widder geliebt worden sein soll. Fast scheint es auch,
als wenn sie einen Sinn für Intelligenz hätten; so soll eine
dem Philosophen Lacydes 8) als stete Begleiterin gefolgt,
und niemals, weder an öffentlichen Orten noch im Bade,
weder bei Tage noch bei Nacht von ihm gewichen sein.
27.
Unsere Landsleute sind klüger, denn sie schätzen sie
wegen der Vortrefflichkeit ihrer Leber. Denen, die ge-
*) Dies geschah auch zu Athen, nach dem Siege des Theinisto-
cles bei Salamis über die Perser.
2) Vgl. Livius römische Geschichte V. B.
3j Er starb im 4. Jahre der 130. Olympiade.
240 Zehntes Buch.
mästet werden, wächst sie zu einer bedeutenden Grösse
heran; und selbst wenn sie herausgenommen ist, nimmt sie
durch Milchmeth *) noch zu. Nicht gleichgültig ist die
Frage, wer zuerst eine solche Leckerspeise aufgebracht
hat, ob der gewesene Consul Scipio Metellus oder M. Sejus,
ein zu derselben Zeit lebender römischer Ritter. Allein
(und diess ist gewiss) Messalinus Cotta, der Sohn des
Redners Messala, erfand die Kunst, die platten Fiisse der
Gänse zu braten, und mit Hahnenkämmen in Schüsseln zu
würzen. Ich will nämlich einem Jeden seine Verdienste
um die Küche ungeschmälert zuerkennen. Merkwürdig ist
es an diesem Vogel, dass er von den Morinern 2) bis nach
Rom zu Fuss kommt. Die ermüdeten werden vorn hinge-
bracht, und so treiben die übrigen sie vorwärts, weil sie
von Natur dicht gedrängt gehen. Ein zweiter Tribut, den
uns die weissen Gänse zollen, besteht in ihren Federn.
An einigen Orten werden sie zweimal im Jahre gerupft,
die federtragenden Thiere bekleiden sich nämlich bald von
Neuem. Diejenigen Federn, welche sich dicht am Körper
befinden, sind am weichsten, und unter diesen die aus
Deutschland kommenden am besten. Die dortigen weissen
Gänse, welche aber kleiner sind, heissen Gantä. Der
Preis ihrer Federn beträgt aufs Pfund 5 Denare. Von
daher liefen auch viele Beschwerden über die Befehlshaber
der Hülfstruppen ein, weil sie, um diese Vögel zu fangen,
ganze Cohorten von den Wachtposten ihnen nachschickten.
Soweit ist die Weichlichkeit schon gekommen, dass ohne
diesen Gegenstand die Hälse der Männer nicht mehr aus-
dauern kennen 3).
28.
Etwas Anderes von den Gänsen wurde in dem Theile
Syriens, der Commagene heisst, erfunden, ihr Fett bedeckt
*) Lac mulsuni.
a) Im belgischen Gallien, am Kanal, in der Gegend von Arras
in Artois.
£_3) Man wickelte ein Federkissen um den Hals.
Zehntes Buch. 241
man nämlich in einem ehernen Gefässe mit Zimmt und
vielem Schnee, überlässt das Ganze einer strengen Kälte
und bedient sich dieser Zubereitung als eines vortrefflichen
Arzneimittels, welches nach dem dort wohnenden Volke
Commagenum genannt wird.
29.
Zum Geschleehte der Gänse gehören auch die Chena-
lopeces und die Chenerotes *), die etwas kleiner als
die Gänse sind, und in Britannien das köstlichste Gericht
ausmachen. — Die Auerhähne2) ziert ihr glänzendes,
durchaus schwarzes Gefieder, und ihre scharlachrothen
Augenlider. Eine zweite Art derselben übertrifft an Grösse
die Geier, und gleicht diesen in der Farbe. Kein anderer
Vogel, ausser dem Strausse, erreicht eine grössere Körper-
schwere, und diese nimmt so zu, dass er sogar unbeweg-
lich auf der Erde sitzen bleibt und so gefangen werden
kann. Sie wohnen in den Alpen und den nördlichen Ge-
genden. In den Vogelhäusern verliefen sie ihren Geschmack.
Sie sterben aus Vorsatz, indem sie den Atheni an sich
halten. Am nächsten kommen ihnen die Vögel, welche in
Spanien Tarda 3), in Griechenland wtideg heissen, aber
nicht gegessen werden; denn wenn das .Mark aus den
Knochen gelassen ist, entwickelt sich sogleich ein ekel-
hafter Gestank.
30.
Die Pygmäen haben (wie bereits angeführt wurde)
nach dem Abzüge der Kraniche 4), die mit ihnen streiten.
Waffenstillstand. Der letztem Weg ist, wenn man bedenkt,
dass sie vom eoischen Meere kommen, ungeheuer weit.
Wenn sie abreisen wollen, vereinigen sie sich, fliegen hoch.
um sich umsehen zu können, wählen sich einen Führer,
dem sie folgen; an das Ende des Zuges werden abwechselnd
einige postirt, welche schreien, und durch ihre Stimme die
') Wahrscheinlich bloss Spielarten der Gans und Ente.
2) Tetraones. Tetrao Urogallus. 3) Otis Tarda L. Trappe.
4) Grues. Grus cineria L.
Wittstein: Plinius. II. Bd. tfi
242 Zehntes Buch.
Schaar zusammenhalten. Des Nachts stellen sie Wachen
aus, welche einen Stein in einer Klaue halten, die, wenn
sie einschlafen, erschlafft, den Stein fallen lässt und so>
ihre Nachlässigkeit verrät!). Die übrigen schlafen mit
unter die Flügel verborgenem Kopfe, und abwechselnd auf
einem oder den andern Beine stehend. Der Anführer sieht
sich mit langvorgestrecktem Halse um und warnt. Wenn
sie gezähmt sind, springen sie muthwillig umher und laufen
jeder besonders im Kreise herum. Man weiss, dass, wenn
sie über den Pontus fliegen wollen, sie vor allen die Meer-
enge zwischen den beiden Vorgebirgen Criumetopon und
Carambis aufsuchen und sich dann mit Ballast beschweren.
Sind sie über die Mitte hinaus, so lassen sie die Steine
aus ihren Klauen fallen, und haben sie das Festland er-
reicht, so geben sie auch den Sand aus ihrer Kehle. Cor-
nelius Nepos, der unter der Regierung des Kaisers Augustus
starb, fügt da, wo er von dem Mästen kurz vorher ge-
fangener Krammetsvögel *) spricht, hinzu, die Störche wären
beliebter als die Kraniche, da doch gegenwärtig dieser
Vogel ausserordentlich geschätzt wird, und jenen Niemand
anrühren mag.
31.
Woher die Störche '2) kommen, oder wohin sie wieder
zurückziehen, hat man bis jetzt noch nicht erfahren können..
Dass sie, ebenso wie die Kraniche, weit her kommen, ist
keinem Zweifel unterworfen; jene stellen sich im Winter,
diese im Sommer ein. Wenn sie uns verlassen wollen, ver-
sammeln sie sich an einem bestimmten Orte, und ziehen
alsdann in Gesellschaft, so dass keiner ihres Geschlechts,
der nicht gefangen oder gefesselt ist, zurückbleibt, an einem,
wie durch ein Gesetz bestimmten Tage ab. Niemand sieht
den Schwärm wegziehen, wenn man es gleich merken
kann, dass er sich fortbegeben will; auch sehen wir sie
nicht ankommen, sondern dann erst, wenn sie bereits da-
sind, denn beides geschieht des Nachts. Und obgleich sie
') Turdi. Turdus pilaris. a) Ciconiae.
Zehntes Buch. 243
hin und her fliegen, so glaubt man doch nirgends, dass sie
anders als zur Nachtzeit angekommen sind. In einer aus-
gedehnten Ebene Asiens heisst ein Ort Pythonsdorf '), wo
sie sich versammeln, gemeinschaftlich ein Geschrei erheben,
den zuletzt ankommenden zerreissen, und dann fortziehen.
Man hat bemerkt, dass sie nach dem 13. August dort in
der Regel nicht mehr gesehen werden. Einige behaupten,
die Störche hätten keine Zunge. Sie stehen wegen der
Vertilgung der Schlangen in solchem Ausehen, dass es in
Thessalien für ein Capital- Verbrechen galt einen Storch zu
tödten und dass die Gesetze dieselbe Strafe dafür dictirten,
wie für einen Menschenmord.
32.
Ebenso ziehen auch die Gänse und Schwäne 2) in Ge-
sellschaft, allein diese sieht man fliegen. Sie schweben in
Gestalt eines liburnischen Fahrzeugs mit vorgestrecktem
Schnabel, weil sie auf diese Art die Luft besser durch-
schneiden können, als wenn sie eine breite Fronte bilden
würden. Nach hinten verlängert sich der Schwärm wie
ein allmählig zunehmender Keil, und giebt der Luft dadurch
Gelegenheit sie fortzutreiben. Die Hälse legen sie auf die
vor ihnen fliegenden, und die ermüdeten Führer nehmen
sie auf den Rücken. Die Störche nehmen von ihren alten
Nestern wieder Besitz; die alten werden von den jungem
ernährt. Die Schwäne sollen beim Sterben einen kläglichen
Gesang hören lassen, jedoch halte ich diess, einigen
Beobachtungen zufolge, für eine Fabel. Sie fressen sich
untereinander auf.
33.
Bei Erwähnung dieser gemeinschaftlichen Reisen obiger
Vögel über Meere und Länder darf ich auch die kleinern
Vögel nicht länger unberührt lassen, welche eine jenen
ähnliche Lebensweise haben, wenn gleich die obengenannten
durch ihre Grösse und Kräfte mehr dazu geeignet scheinen
') Pythonos couie. *) Olores. Cygnus Olor.
16*
244 Zehntes Buch.
könnten. Die Wachteln 1) kommen stets noch früher als
die Kraniche an; es sind kleine Vögel, die sich bei uns
mehr auf der Erde als in der Höhe aufhalten. Sie fliegen
auf gleiche Weise zu uns her, nicht ohne Gefahr der
Schiffer, wenn sie sich dem Lande nähern; denn oft fallen
sie auf die Segel, und zwar immer des Nachts, und. ver-
senken die Schiffe. Auf ihrem Wege haben sie bestimmte
Herbergen. Beim Südwinde fliegen sie nicht, weil dieser
feucht und schwer ist. Jedoch wollen sie wegen der Schwere
ihres Körpers und wegen ihrer geringen Kräfte vom Winde
fortgetragen sein. Daher rührt jenes Angstgeschrei, das
ihnen beim Fliegen die Anstrengung auspresst. Deshalb
fliegen sie auch meistens, wenn der Nordostwind wehet
unter der Anführung des Wachtelkönigs 2). Die erste von
ihnen, welche sich dem Lande nähert, ergreift der Habicht.
Daher kehren sie immer wieder zurück, und suchen ihre
Begleiter zum Vorangehen yai bewegen; es ziehen nämlich,
von ihnen verlockt der Glottis, der Ortolan3) und die
Ohreule4) zugleich mit.
Der Glottis streckt seine lange Zunge heraus, wobei-
er auch den Namen hat. Er zieht Anfangs, wo ihn die
Reise ergötzt, eifrig vorwärts, später aber reuet ihn der
Flug, wegen der Anstrengung. Ohne Begleitung mag er
nicht umkehren oder folgen; folgt daher nie länger als
einen Tag mit und trennt sich auf dem nächsten Ruhe-
punkte vom Zuge. Hier findet er aber andere, die im
vorigen Jahre zurückgeblieben waren, und ebenso an
jedem folgenden Tage. Der Ortolan ist ausdauernder
und eilt sogar, in das gesuchte Land zu kommen; daher
weckt er des Nachts die Wachteln, und mahnt sie an die
Reise. Die Ohreule ist kleiner als der Uhu, grösser als
die Nachteule, und hat hervorragende befiederte Ohren, von
denen sie ihren Namen führt. Einige nennen ihn im La-
') Coturnices. Perdix Coturnix.
'-) Ortygometra. Rallus Crex L.
::) Cychramus. Emberiza hortulans. 4) Otus. Strix Otus.
Zehntes Buch. 245
teinischen Asia. Er ist übrigens ein n «ach ahm ender, ein-
schmeichelnder Vogel, der auch eine gewisse Art von Tanz
versteht. Er wird, wie die Nachteule, leicht gefangen;
während er seine Aufmerksamkeit auf den einen Jäger
richtet, umgeht ihn der andere. Wenn der Wind von der
entgegengesetzten Seite wehet und den Zug hindert, so be-
schweren sie sich mit Steinen, die sie ergreifen oder mit
Sand, mit dem sie die Kehle anfüllen, und geben sich da-
durch mehr Festigkeit im Fliegen. Den Wachteln ist der
Samen von Giftpflanzen das angenehmste Futter, sie werden
aber deshalb nicht gegessen, und zugleich ist man auch
gewohnt, vor ihnen auszn speien, weil sie, und zwar ausser
dem Menschen, einzig und allein diejenigen unter den
Thieren sind, welche der fallenden Sucht unterworfen sind.
34.
Auch die Schwalben ziehen in den Wintermonaten
fort. Sie sind die eiuzigen Vögel, welche Fleisch fressen
und keine krummen Krallen haben. Sie begeben sich je-
doch in benachbarte Gegenden, und suchen sonnige Berg-
winkel auf, in denen man sie auch nackend und federlos
gefunden hat. Man sagt, in Theben kämen sie in kein
Haus, weil die Stadt oft eingenommen worden sei, auch
nicht nach Bizya, wegen der Schandthat des Tereus *).
Cäcina Volaterranus, ein Ritter und Besitzer eines Vierge-
spanns, Hess Schwalben einfangen, nahm sie mit sich nach
Rom, und schickte sie, weil sie zu ihren Nestern zurück-
') Der König Tereus von Daulis in Phocis Genial der Prokne,
Panclions Tochter, und Vater des Itys, wurde einst, als er nach Athen
reiste, von Prokne gebeten, ihre Schwester Philomela mitzubringen.
Kr nahm sie mit sich, schändete sie aber unterwegs und schnitt ihr
die Zunge aus, damit sie diess nicht verrathen könne. Philomela
entdeckte aber diese Schandthat ihrer Schwester durch ein Gewebe.
Aus Rache schlachteten Beide den Itys und setzten ihn dem Vater
als Gericht vor. Dieser erkannte die That und verfolgte die entflie-
henden Schwestern. Letztere riefen die Götter um Erbarmen an,
worauf alle verwandelt wurden, Prokne in eine Nachtigall, Philomela
in eine Schwalbe und Tereus in einen Wiedehopf. Spätere, besonders
römische Dichter Hessen die Philomela zur Nachtigall werden.
246 Zehntes Buch.
kehren, mit der Farbe der siegenden Parthei bestrichen
seinen Freunden als Siegesboten zurück. Auch Fabius
Pictor v) erzählt in seinen Annalen: als eine römische Be-
satzung von den Ligustinern belagert wäre, habe man eine
Schwalbe von ihren Jungen genommen und zu ihm gebracht,
damit er ihr einen leinenen Faden an's Bein binden, und
durch die Anzahl der in demselben geknüpften Knoten zu
erkennen geben möchte, am wie vielsten Tage Hülfe an-
langen würde und ein Ausfall unternommen werden könnte.
35.
Auch die Amseln 2), Krammetsvögel 3) und Staare 4)
ziehen fort, bleiben aber ebenfalls in den benachbarten
Gegenden. Sie verlieren ihre Federn nicht und verbergen
sich auch nicht; oft sieht man sie dort ihr Winterfutter
suchen. Die Krammetsvögel werden im Winter in Deutsch-
land am meisten wahrgenommen. Richtiger ist es, dass
die Turteltaube5) sich verbirgt und die Federn verliert.
Auch die Holztauben 6) ziehen weg, man weiss aber nicht
wohin. Die Staare haben das Eigenthümliche, schaaren-
weise zu fliegen, und sich wie ein Ball im Kreise herum-
zudrehen, indem sich alle nach der Mitte des Haufens
drängen. Unter den Vögeln hat die Schwalbe allein einen
äusserst schnellen wellenförmigen Flug: sie ist deshalb
auch der Raubsucht anderer Vögel nicht ausgesetzt. End-
lich ist sie auch der einzige Vogel, der nur im Fliegen
frisst.
36.
Hinsichtlich der Zeit ihres Aufenthalts herrscht bei
den Vögeln eine grosse Verschiedenheit. Einige bleiben
das ganze Jahr hindurch bei uns, wie die Feldtauben7);
') Der erste römische Annalist, lebte um 222 v. Chr.
-) Merulae. Turdus Merula L.
3i Turdi. Turdus pilaris L.
4) Sturni. Sturnus vulgaris L.
5) Turtur. Columba Turtur L.
G) Palumbes. Columba Palumbus L.
7) Columbae. Columba livia L.
Zehntes Buch. 247
andere nur ein halbes Jahr, wie die Schwalben; wieder
andere nur 3 Monate, wie die Krammetsvögel und Turtel-
tauben, und einige ziehen weg, sobald sie ihre Jungen aus-
geführt haben, wie der Galgulus1) und Wiedehopf2).
37.
Mehrere Schriftsteller erzählen, es kämen jedes Jahr
Vögel aus Aethiopien nach Ilium geflogen, und kämpften
bei dem Grabhügel des Memnon, weshalb sie Memnon s-
Vögel Wessen. Dasselbe sollen sie alle 5 Jahre in Aethi-
opien bei der Residenz des Memnon thun, wie Cremutius 3)
erfahren haben will.
38.
Auf ähnliche Weise kämpfen die Meleagers-Vögel
in Böotien. Diess ist eine Art afrikanischer Hühner, welche
bucklig und mit bunten Federn bedeckt sind; sie waren
unter den ausländischen Vögeln wegen ihres unangenehmen
Geschmacks die letzten, welche man auf die Tafel brachte,
allein das Grab des Meleager hat sie berühmt gemacht.
39.
Seleuciden heissen gewisse Vögel, deren Ankunft die
Bewohner dss Berges Casius vom Jupiter erflehen, wenn
Heuschrecken ihre Felder verwüsten. Man weiss weder
woher sie kommen, noch wohin sie ziehen, und sie werden
nur dann gesehen, wenn man ihrer Hülfe bedarf.
40.
Auch die Aegypter rufen ihren Ibis4) gegen die an-
kommenden Schlangen an, und die Eleer den Fliegengott 5),
wenn die vielen Fliegen ihnen Verderben bringen; sobald
diesem Gotte geopfert ist, kommen die Fliegen sogleich um.
') Wahrscheinlich der Racke, Coracias garruht.
2) Upupa. Upupa Epops L.
3) Aulus Cremutius Cordus, beschrieb unter Augustus dessen
Thaten und die Bürgerkriege, wurde aber wegen seiner Freimüthig-
keit bei Tiberius verklagt, und starb, von seinem Untergange über-
zeugt, freiwillig den Hungertod.
4) Ibis. Ibis religiosa Cuv. 5) Myiagrus Deus.
248 Zehntes Buch.
41.
Beim Wegziehen der Vögel sollen sich die Nachteulen
wenige Tage hindurch verborgen halten; ihr Geschlecht
Hmlet man auf der Insel Creta nicht, und wenn eine dahin
gebracht wird, so stirbt sie. Denn auch hierin zeigt die
Natur eine wunderbare Verschiedenheit, indem sie einigen
Orten dieses, andern Orten jenes versagt hat; wie sie es
mit den verschiedenen Früchten und Sträuchern macht, so
auch mit den Thieren. Das Nichtvorkommen erscheint
nicht sehr auffallend und als etwas Gewöhnliches, aber,
dass die eingeführten sterben, bleibt höchst wunderbar.
Was ist das nun, was dem Gedeihen dieser oder jener
Gattung entgegen steht? Woher kommt dieser Hass der
Natur? Oder, welches sind die den Thieren bestimmten
Ländergrenzen? Auf der Insel Rhodus giebt es keine Adler.
Im transpadanischen Italien, am Fusse der Alpen, liegt ein
See, Namens Larius, mit angenehmer waldiger Umgebung,
an welchen keine Störche kommen, ja ihn in einem Um-
kreise von 8 Meilen meiden. In dem angrenzenden Gebiete
der Insubrier giebt es ungeheuere Schwärme von Racken *)
und Dohlen2), von denen die letztern die einzigen Vögel
sind, welche einen merkwürdigen Trieb haben, Gold und
Silber zu stehlen. Im tarentinischen Gebiete soll es keinen
Schwarzspecht geben. Neulich, aber bis jetzt noch selten,
haben sich vom Apennin an bis nach Rom Elstern 3) sehen
lassen, welche sich durch einen langen Schwanz auszeichnen,
und die man bunte nennt. Sie haben das Eigentümliche,
dass sie sich alle Jahre, wenn der Rübsamen gesäet wird,
mausern. Die Rebhühner 4) fliegen nicht über die Grenzen
von Böotien nach Attika, und auf der Insel im Pontus, auf
welcher Achilles begraben ist, fliegt kein Vogel über den
jenem geweiheten Tempel. Im fidenatischen Gebiete un-
') Gracculi. Coracias Garrula L.
2) Monedulae. Corvus Monedula.
3) Picae. Corvus Pica L.
4j Perdices. Perdix cinerea.
Zehntes Buch. 249
weit Rom hecken und bauen keine Störche. Dagegen
kommen alljährlich eine grosse Menge Holztauben vom
Meere her in's volaterranische Gebiet. In den Tempel des
Herkules auf dem Ochsenmarkte *) zu Rom kommen
weder Fliegen noch Hunde. Ausserdem wäre noch vieles
Aehnliche bei den einzelnen Gattungen anzuführen, was
ich aber, um nicht zu langweilen, übergehe. Theophrastus
erzählt noch, die Tauben, Pfaue und Raben in Asien, und
die mit einer Stimme versehenen Frösche in der cyrenaischen
Provinz wären eingeführte Thiere.
42.
Eine andere Art von Bewunderung verdienen die
Singvögel; fast alle ändern nämlich zu einer bestimmten
Jahreszeit die Farbe und Stimme, und werden auf einmal
ganz andere Vögel, was unter den grössern Gattungen nur
bei den Kranichen der Fall ist, denn diese bekommen im.
Alter eine schwarze Farbe. Die Amsel geht aus dem
Schwarzen in's Rothe über, singt im Sommer, stammelt im
Winter und ist zur Zeit des Solstitiums stumm. Auch der
Schnabel wird, wenn sie jährig sind, weiss, jedoch nur bei
den Männchen. Die Krammetsvögel sind im Sommer um
den Hals herum bunt, im Winter einfarbig.
43.
Die Nachtigall 2), welche 15 Tage und Nächte hin-
durch zur Zeit des Laubausbruchs ununterbrochen ihren ge-
schwätzigen Gesang hören lässt,. verdient nicht die letzte
Bewunderung unter den Vögeln, denn erstens erwäge man
eine so starke Stimme und einen so ausdauernden Athem
in einem so kleinen Körperchen. Ferner ist sie der einzige
Vogel, der Töne hören lässt, die vollkommen nach den
Regeln der Musik mit einander abwechseln; bald hält sie
den Ton in einem Athem lange aus, bald wechselt sie mit
Läufen, bald setzt sie kurz ab und verbindet die Töne
') Vergl. Plin. XXXV 4. und Liv. X. 86: Das Forum boarium
war ein Theil des jetzigen Campo vaccino.
2) Luscinia. Sylvia Luscinia.
250 Zehntes Buch.
schleifend; bald singt sie mit in sich gezogenem Athem,
bald auf eine unerwartete Weise mit unterdrückter Stimme.
Zuweilen ist der Ton murmelnd oder voll, stark, hell, schnell
oder gedehnt, und wie es ihr gefällt, trillernd in der Höhe,
Mitte und Tiefe. Kurz alles, was die Kunst der Menschen
auf den besten musikalischen Instrumenten zu leisten ver-
mag, ist in dieser kleinen Kehle beisammen, so dass ohne
Zweifel diese Anmuth durch eine kräftige Deutung vorher
verkündigt wurde, als eine Nachtigall auf dem Munde des
noch jugendlichen Stesichorus sang. Und damit Niemand
an dem Kunstgemässen dieses Gesanges zweifle, so be-
merke ich noch, dass eine jede auf verschiedene Weise zu
singen weiss und ihre eigene Melodie hat. Sie wetteifern
untereinander, und streiten muthvoll öffentlich um den Sieg.
Die Besiegte hat oft den Tod davon, indem sie eher den
Athem ausgehen lässt, als sie aufhört zu singen. Andere
jüngere üben sich, und hören Stücke an, die sie dann nach-
singen. Die Schülerin ist äusserst aufmerksam, singt nach
und schweigt abwechselnd. Man merkt an dem verbesserten
Gesänge, wenn sie getadelt ist, und sieht es der Lehrerin
an, wenn diese tadelt. Daher stehen sie in gleichem Werthe
mit den Sclaven, und werden jetzt theurer bezahlt, als vor-
mals die Waffenträger. Ich weiss, dass einst eine weisse,
(was eine grosse Seltenheit ist), für 6000 Sesterzien ge-
kauft, und der Agrippina, der Gemalin des Kaisers Claudius
geschenkt wurde. Schon oft hat man bemerkt, dass sie
auf Befehl zu singen angefangen, und mit einer Symphonie
abgewechselt haben; sowie man auch Menschen gefunden
hat, welche deren Stimme dadurch, dass sie Wasser in
eine Querflöte gössen, in das Loch bliesen und die Zunge
etwas anhielten, auf das Täuschendste nachahmten. Allein
dieser so vortreffliche und kunstvolle Gesang hört nach
15 Tagen allmählig auf, ohne dass man sagen kann, sie
sind dadurch ermüdet oder dessen überdrüssig. Bald nach-
her, wenn die Hitze zunimmt, wird ihre Stimme eine ganz
andere, und ist dann weder abwechselnd noch mannigfaltig.
Auch ihre Farbe ändert sich. Endlich im Winter sieht man
Zehntes Buch. 251
sie gar nicht. Ihre Zunge ist vorn nicht so dünn, wie bei
den übrigen Vögeln. Sie legen im Anfange des Frühlings,
und nie mehr als (3 Eier.
44.
Anders verhält es sich mit den Feigenschnepfen l),
denn diese verändern zugleich Gestalt und Farbe. Sie
führen jenen Namen im Herbste, nicht aber späterhin, son-
dern heissen dann Schwarzköpfe 2). So heisst ein anderer
Vogel im Winter Rothkelchen3), im Sommer Roth-
schwänzchen4). Auch der Wiedehopf verändert sich, wie
der Dichter Aeschylus augiebt; dieser, übrigens hinsicht-
lich seiner Lebensweise schmutzige Vogel hat auf seinem
Kopfe einen schönen Kamm, der sich zusammenfalten lässt,
und den er der Länge des Kopfes nach zusammenziehen
und aufrichten kann.
45.
Der Oenanthe5) hat auch seine bestimmten Tage, an
-denen er sich versteckt, denn beim Aufgange des Sirius
verschwindet er, und beim Untergange desselben kommt
er wieder zum Vorschein, und, was merkwürdig ist, beides
geschieht stets genau an denselben Tagen. Auch der
Grünling6), der ganz gelbgrün ist, lässt sich im Winter
nicht sehen, und kommt zur Zeit der Solstitien hervor. Die
Amseln7) sind in der Gegend von Cvllene in Arcadien,
sonst aber nirgends weiss. Der Ibis ist nur bei Relusium
schwarz 8), sonst überall weiss 9).
46.
Die Singvögel, ausser denen, die wir ausgenommen
haben, hecken nicht leicht vor dem Frühlings- oder nach
dem Herbst-Aequinoctium; vor dem Solstitium aber kommen
l) Ficedulae. Motacüla Ficedula L. s) Melancoryphi.
3) Erithacus. Sylvia rubecula.
4) Phoenicurus. Sylvia phoenicurus.
5) Saxicola oenanthe, der Steinschmätzer.
6) Ohlorion. Loxia chloris. T) Merulae. Turdus Merula.
3) Ibis Falcinellus. 9) Ibis religiosa.
252 Zehntes Buch.
sie nur selten auf, nach dem Solstitium hingegen bleiben
sie am Leben.
47.
Besonders zeichnen sich hierin die Eisvögel1) ausr
Die Tage, an welchen sie Junge bekommen, sind dem
Meere und den Schiffern bekannt. Der Vogel selbst ist
etwas grösser als ein Sperling, grösstentheils von blauer
Farbe mit untermischten purpurnen und weissen Federn,
und hat einen dünnen und langen Hals. Die kleinen singeu
im Schilfe. Es ist ein seltener Fall, einen Eisvogel zu
sehen; man erblickt sie nur beim Untergange des Sieben-
gestirns und zur Zeit des Wintersolstitiums, wo zuweilen
einer ein Schiff umflattert, aber sogleich wieder in sein
Versteck zurückkehrt. Sie hecken während des Winter-
solstitiums, welche Tage die halcyonischen genannt werden,
weil während derselben das Meer, und besonders das sici-
lische ruhig und schiffbar ist. Sie bauen aber 7 Tage vor
dem kürzesten ihre Nester, und legen ebenso viele Tage
hindurch. Ihre Nester sind bewunderungswürdig, sie haben
nämlich die Gestalt eines Balls, eine etwas hervorragende,
sehr enge Oeffnung, und sehen aus wie ein grosser
Schwamm. Mittelst Eisen können sie nicht zerschnitten
werden, sie zerbrechen aber durch einen starken Schlag
wie trockner Meerschaum. Man weiss nicht, woraus sie
zusammengesetzt sind, glaubt aber aus spitzen Gräten,,
denn sie leben von Fischen. Sie kommen auch in die
Flüsse und legen 5 Eier.
48.
Die Möven 2) nisten auf Felsen; die Sägetaucher 3) auch
auf Bäumen. Sie legen meistens 3 Eier, aber jene im
Sommer, diese zu Anfang des Frühlings.
49.
Die Gestalt des Nestes der Eisvögel erinnert mich
auch an die Geschicklichkeit der übrigen Vögel in dieser
') Halcyones. Alcedo Ispida L.
") Gaviae. Larus L. 3) Mergi. Mergus merganser.
Zehntes Buch. 253
Beziehung, und in keinem andern Stücke ist ihr Verstand
bewunderungswerther. Die Schwalben bauen aus Lehm
und befestigen das Ganze durch Stroh. Wenn es ihnen an
Lehm mangelt, so machen sie sich nass und besprengen
den Staub mit ihren Flügeln. Das Nest selbst aber legen
sie mit weichen Federn und Flaum aus, damit die Eier
warm bleiben, und die Jungen kein hartes Lager haben.
Die Jangen füttern sie der Reihe nach gleichmässig. Mit
besonderer Reinlichkeit schaffen sie den Unrath der Jungen
heraus, und lehren diesen, wenn sie etwas herangewachsen
sind, sich herumzudrehen, und die Excremente zum Neste
heraus zu lassen, Eine andere Art von Schwalben sind
die Land- r) und Feldschwalben 2), welche selten in Häusern
bauen, deren Nester anders gestaltet, aber von demselben
Mateiiale, ganz umgekehrt, mit einer lang zugehenden
Oeffnung, und einem geräumigen Bauche versehen sind; es
ist merkwürdig, mit welcher Kenutniss sie dieselben zur
Yerbergung und zum weichen Lager der Jungen einzu-
richten wissen. An der heracleotischen Mündung von Ae-
gypten setzen die Schwalben durch fortgesetztes aneinander-
bauen ihrer Nester dem austretenden Nile einen unzer-
störbaren Wall, der beinahe 1 Stadium misst, entgegen;
Menschenhände würden ein so grossartiges Werk nicht zu
Stande bringen. Ebendaselbst liegt bei der Stadt Coptos
eine der Isis geheiligte Insel, welche sie durch ihre Arbeit
schützen, damit der Fluss sie nicht wegschwemme. Sie
fangen in den ersten Frühlingstagen damit an, die Spitze
der Insel mit Spreu und Stroh zu befestigen, und fahren
damit 3 1 Tage und 3 Nächte hindurch mit solcher An-
strengung fort, dass, wie man weiss, viele dabei ihren
Tod finden. Und diese Arbeit erwartet sie jedes Jahr
wieder.
Eine dritte Art von Schwalben sind diejenigen, welche
•die Ufer aushöhlen.3), und daselbst ihre Wohnung auf-
') Hirundines rusticae. -) Hirimdines agjpqstes.
3) Hirundo riparia.
254 Zehntes Buch.
schlagen. Ihre Jungen weiden zu Asche gebrannt als Heil-
mittel bei einem tödtlichen Halsübel und vielen andern
Krankheiten des menschlichen Körpers gebraucht. Sie
bauen keine Nester, und ziehen viele Tage vorher fortr
wenn zu erwarten steht, dass der Fluss bei seinem Steigen
ihre Wohnsitze erreicht.
50.
Zu dem Geschlechte der Vitiparren x) gehört ein Vogel,,
der sein Nest aus tiocknem Moose zu einem so vollkommen
runden Balle bauet, dass man den Eingang dazu nicht
finden kanD, Der sogenannte Acanthyllis bauet sein
Nest in gleicher Gestalt aus Flachs. Eine Art Spechte
hängt ihr becherförmiges Nest an einem der obersten
Aeste auf, so dass es kein vierfüssiges Thier erreichen
kann. Der Galgulus soll sogar, wie man versichert, an
seinen Beinen herabhängend schlafen, weil er auf diese
Weise sicherer zu sein hofft. Alle aber haben das gemein,
dass sie die Stellen, wo sich Aeste kreuzen zum Tragen
des Nestes wählen, dass sie es zum Schutze gegen den
Regen wölben und dicht mit Laub bedecken. In Arabien
bauet der sogenannte Zimmtvogel 2) sein Nest aus Zimmt.
Die Eingebornen schiessen dasselbe des Zimmts wegen mit
bleibeschlagenen Pfeilen herab. In Scythien ist ein Vogel
von der Grösse der Trappe, welcher 2 Eier legt, und sie
stets in einem Hasenfelle, das an den Spitzen der Aeste
aufgehängt ist, ausheckt. Wenn die Elstern merken, dass
ihr Nest von einem Menschen aufmerksam betrachtet worden
ist, so tragen sie die Eier anderswohin. Diess soll von
diesen Vögeln, deren Klauen zum Ergreifen und Tragen
der Eier nicht geeignet sind, auf eine wunderbare Weise
bewerkstelligt werden. Sie legen nämlich einen Zweig
über je zwei Eier, leimen ihn mit ihrem zähen Miste fest,
legen den Hals mitten darunter, und bringen sie so im
Gleichgewichte an einen andern Ort.
«) Pari (?), Meisen.
a) Cinnamolgos.
Zehntes Buch. 255-
51.
Nicht geringer ist aber auch die Geschicklichkeit der-
jenigen Vögel, welche sich auf der Erde ihr Lager bereitenr
weil die Schwere ihres Körpers sie hindert in die Höhe
zu gelangen. Der sogenannte Immenvogel x) futtert seine
verborgenen Alten; seine Flügel sind unterhalb blass, oben
blau, vorn röthlich. Er nistet in einer ti Fuss tief ge-
grabenen Höhle.
Die Rebhühner schützen ihr Nest so sehr durch Dornen
und Gesträuch, dass sie vor wilden Thieren hinreichend
sicher sind. Für die Eier häufen sie eine Unterlage von
weichem Staube auf, und brüten dieselben nicht da aus,,
wo sie sie gelegt haben, sondern tragen sie, damit ihr
öfterer Aufenthalt an demselben Orte keinen Verdacht er-
rege, wo anders hin. Sie täuschen auch ihre Männchen,
denn diese zerbrechen ihnen aus übermässiger Wollust die
Eier, damit sie durch das Brüten nicht von ihnen abgezogen
weiden. Dann kämpfen die Männchen unter sich aus Be-
gierde nach dem Weibchen, und, wie man sagt, soll sich
der Besiegte treten lassen. Trogus erzählt, diess geschehe
auch zuweilen von den Wachteln und Hähnen, die Reb-
hühner aber, sie mögen wild, jung oder überwunden sein,
würden von den zahmen ohne Unterschied getreten. Man
fängt sie bei diesem wollüstigen Streite, indem der Führer
des ganzen Schwanns auf den Lockhahn des Vogelfängers
losgeht, um mit ihm zu kämpfen. Wird er gefangen, so
tritt ein anderer hervor, und so einer nach dem andern.
Die Weibchen hingegen fängt man während des Tretens,
indem sie alsdann auf das Lockhuhn des Vogelfängors los-
gehen, um es durch Streiten zu verjagen. Bei keinem an-
dern Thiere äussert sich die Gewalt der Brunst auf solche
Weise. Wenn die Weibchen den Männchen gegenüber
stehen, so werden sie schon durch die von diesen zu ihnen
herüberwehende Luft trächtig; während dieser Zeit aber
sperren sie vor Hitze den Schnabel auf und strecken die
x) Merops. Merops Apiaster L.
.256 Zehntes Buch.
Zunge heraus. Sie empfangen auch durch den Luftzug
eines über sie hinfliegenden Männchens, ja oft schon, wenn
sie seine Stimme hören. Die Wollust besiegt sogar die
Liebe zu ihren Juugen; wenn nämlich das Weibchen,
welches verstohlen und verborgen brütet, merkt, dass das
Leithuhn des Vogelfängers sich ihrem Männchen nähert, so
schreiet und ruft sie es zurück, und giebt sich seiner
Wollust preis. Ja ihre Wuth geht so weit, dass sie sich
oft, blind vor der Furcht, dem Vogelsteller auf den Kopf
setzen. Wenn dieser auf das Nest zugehen will, läuft ihm
die Alte vor die Füsse, stellt sich schwerfäliig und lenden-
lahm, fällt plötzlich im Laufe oder nach kurzem Fliegen,
als ob sie einen Flügel oder einen Lauf gebrochen habe,
läuft wiederum vor ihm her, entwischt ihm, wenn er sie
schon ergreifen will, und hält ihn in eitler Hoffnung hin,
bis sie ihn von ihrem Neste nach einer andern Richtung
geführt hat. Ist sie von ihrer Furcht befreiet und der
mütterlichen Sorge entledigt, so legt sie sich rücklings in
eine Furche, ergreift mit den Füssen eine Erdscholle, und
bedeckt sich damit.
52.
Nächst diesen nimmt man vorzüglich an den Tauben
dieselben Triebe auf ähnliche Weise wahr; aber vor allen
ist ihnen Schaamhaftigkeit eigen, und keins von beiden
Geschlechtern kennt den Ehebruch. Sie verletzen die ehe-
liche Treue nicht, und leben in einer gemeinschaftlichen
Wohnung. Bloss ein eheloser Tauber oder eine Wittwe ver-
lässt das Nest. Auch sollen die Männchen herrschsüchtig
und oft sogar unwillig sein, denn sie vermuthen Ehebruch,
obgleich er ihrer Natur widerstreitet. Dann ist ihre Kehle
voll Klage, und sie hacken wüthend mit dem Schnabel;
bald aber schnäbeln sie sich zur Versöhnung, und er geht
unter Liebesbitteu und Schmeicheln mehrere Male um sie
herum. Die Liebe zu ihren Jungen ist bei beiden Ge-
schlechtern gleich stark, und oft veranlasst dieser Umstand
das Männchen zu einer Züchtigung, wenn sich das Weibchen
zu saumselig im Besuche der Jungen zeigt. Während der
Zehntes Buch. 257
Brütezeit wird das Weibchen von dem Männchen getröstet
und bedient. Den Jungen bringen sie zuerst salzige Erde,
die sie in ihrer Kehle gesammelt haben, in den Schnabel
wodurch sie die künftige Verdauung der Speisen vorbe-
reiten. — Diese, sowie die Turteltauben haben das Eigen-
thtimliche, dass sie beim Saufen den Hals nicht hinter-
wärts beugen, sondern wie das Zugvieh in vollen Zügen
trinken.
Einige Schriftsteller geben an, die Holztauben lebten
bis zum 30., andere sogar bis zum 40. Jahre, und die ein-
zige Unbequemlichkeit ihres Alters bestände in ihren
Krallen, die eben deshalb auch ein Kennzeichen ihres
Alters wären, und ohne Gefahr abgeschnitten werden
könnten. Der Gesang ist bei allen gleich und derselbe;
er besteht aus 3 Absätzen und ausserdem am Sclilusse aus
einem Seufzer. Im Winter sind sie stumm und erst im
Frühlinge lassen sie wieder ihre Stimme hören. Nigidius
ist der Meinung, die sogenannte Holztaube verlasse während
der Brütezeit, selbst wenn sie au's Haus gewöhnt sei, das
Nest. Sie hecken aber nach dem Solstitium. Die Feld-
ünd Turteltauben werden 8 Jahre alt. Dahingegen hat der
Sperling x), der ihnen an Geilheit gleichkommt, ein sehr
kurzes Leben. Die Männchen sollen nicht länger als ein
Jahr alt werden, was man dadurch beweisen will, dass
man im Anfange des Frühlings keinen mit schwarzem
Schnabel sieht, den sie im Sommer bekommen. Die Weib-
chen leben etwas länger.
Die Tauben haben auch einen gewissen Ehrgeiz. Man
sollte glauben, sie kennten ihre Farben und deren Mannig-
faltigkeit, ja selbst im Fluge suchen sie mit den Flügeln
zu klatschen und in der Luft verschiedene Wendungen zu
machen. Bei dieser Prahlerei überliefern sie sich aber
gleichsam gefesselt dem Habichte, denn durch das Rauschen,
welches sie nur durch den hintern Theil der Flügel be-
!) Passer. Fiingilla domestica.
Wittstein: Plinius II. Bd. 17
258 Zehntes Buch.
wirken können, verwickeln sich ihre Federn, während sie
sonst beim freien Fluge weit schneller sind. Der Räuber
belauert sie hinter einem Busche verborgen, und packt den
in seiner Eitelkeit trunkenen. Man muss deshalb mit den
Tauben noch den sogenannten Thurmfalken *) halten*^
denn dieser vertheidigt sie, und erschreckt durch seine an-
geborne Macht die Habichte so sehr, dass letztere schon
vor seinem Anblick und seiner Stimme fliehen. Aus diesem
Grunde lieben ihn die Tauben sehr. Auch sollen die
Tauben, wenn Thurmfalken in 4 Ecken in neuen ver-
strichenen Töpfen vergraben werden, ihren Wohnsitz nicht
verlassen (was Einige dadurch bezwecken wollen, dass sie
ihnen mit einem goldenen Instrumente, denn nur dann ist
die Wunde gefahrlos, Einschnitte in die Flügelgelenke
machen),1 'sonst schweift dieser Vogel überall umher. Sie
verstehen die Kunst, einander zu schmeicheln und zu ver-
führen, und in Begleitung der Entführten zurückzukehren..
53.
Die Tauben haben auch schon in wichtigen Angelegen-
heiten als Boten gedient 2); Decimus Brutus schickte näm^
lieh bei der mutinensischen Belagerung Briefe, die er an
ihre Füsse gebunden hatte, in das Lager der Consuln.
Was nützte nun dem Antonius der Wall, die Wachsam-
keit des Belagerungsheeres und selbst die im Flusse aus-
gespannten Netze, da der Bote durch die Luft ging?
Viele treiben die Liebhaberei zu diesen Vögeln bis zum
Unsinn; sie bauen ihnen auf den Dächern Thürme, und
zählen den Adel und die Abkunft einer jeden Taube her.
Beispiele der Art fiudet man schon im Alterthum. Der
römische Ritter L. Axius kaufte, wie M. Varro erzählt, vor
dem pompejanischen Bürgerkriege ein einziges Paar Tauben
*) Tinnunculus. Falco Tinnunculus L.
s) Man bedient sich dazu im Orient einer besondern Art, Co«
lumba tabellaria, die sich durch einen breiten, kahlen, warzigen und
rothen Augenkreis auszeichnet.
Zehntes Buch. 259
für 400 Denare. Sie haben sogar ihr Vaterland berühmt
gemacht; in Campanien sollen die grössten vorkommen.
54.
Ihr Flug veranlasst mich, auch von dem der übrigen
Vögel zu reden. Alle übrigen Thiere haben einen gewissen,
einförmigen und ihrer Gattung eigenthümlichen Gang;
bloss die Vögel bewegen sich auf der Erde sowohl wie in
der Luft auf verschiedene Weise. Einige schreiten lang-
sam, wie die Krähen; andere hüpfen, wie die Sperlinge
und Amseln; andere laufen, wie die Rebhühner und Wald-
schnepfen1); werfen die Fttsse vorwärts, wie die Störche
und Kraniche; breiten die Flügel aus, lassen sie schweben
und setzen sie nur selten in Bewegung; andere thun diess
häufiger, aber nur mit den Spitzen der Flügel. Einige
breiten die ganzen Flügel aus, manche aber pressen sie
beim Fliegen grösstenteils zusammen; einige schweben
unter einmaligem, andere unter doppeltem Schlage durch
die Luft; und indem sie dieselbe gleichsam zusammen-
pressen, schiessen sie in die Höhe, gerade aus oder nieder-
wärts. Von einigen sollte man glauben, sie würden fort-
gestossen, von andern, sie stürzten von oben herab, von
andern, sie tanzten in der Luft. Nur die zum Geschlechte
der Enten gehörenden erheben sich plötzlich in die Höhe,
steigen sogleich in die Luft, und diess sogar aus dem
Wasser. Daher kommen sie auch allein wieder aus den
zum Fange des Wildes gegrabenen Gruben, wenn sie
hinein gefallen sind. Der Geier und andere grosse Raub-
vögel können nicht fliegen, wenn sie nicht einen Anlauf
nehmen oder sich von einer Erhöhung aus in Bewegung
setzen; ihren Flug lenken sie durch den Schwanz. Einige
sehen umher, andere wenden den Hals. Einige verzehren
im Fluge das, was sie mit den Füssen geraubt haben.
Viele lassen im Fliegen ihre Stimme hören, andere hin-
gegen sind beständig ruhig. Einige schweben aufrecht,
») Rusticolae. Scolopox rusticola L.
17"
260 Zehntes Buch.
andere vorwärts geneigt, in schräger Richtung, nach der
Seite, auf dem Kopfe, und einige auf dem Rücken, so dass,
wenn man mehrere Arten zugleich fliegen sieht, es scheint,
als wenn sie sich nicht in ein und demselben Elemente
bewegten.
55.
Am meisten fliegen die sogenannten Fusslosen1),
weil ihnen der Gebrauch ihrer Füsse versagt ist; Andere
nennen sie auch Höhlenvögel2). Sie gehören zu den
Schwalben, und nisten in Felsen. Diese sind es, welche
man allenthalben auf dem Meere erblickt, und nie entfernen
sich die Schiffe so weit und auf so lange Zeit vom Lande,
dass sie nicht von demselben umflattert würden. Die
übrigen Vögel setzen und stellen sich doch, diese aber haben,
ausser in dem Neste nirgends Ruhe, denn entweder fliegen
sie oder sie liegen.
56. ♦
Die Verstandeskräfte der Vögel sind gleichfalls sehr
verschieden, besonders was die Nahrung anbetrifft. Die
sogenannten Ziegenmelker3), welche einer grössern
Amsel ähnlich sind, stehlen bei Nacht, denn am Tage
können sie nicht sehen, kommen in die Ställe der Hirten,
und fliegen nach den Eutern der Ziegen, um die Milch zu
saugen. Durch diese Gewaltthätigkeit stirbt das Euter ab,
und die Ziegen, welche er auf diese Weise gemolken hat,
werden blind. Der Löffelreicher4) fliegt auf die Vögel,
welche sich in's Meer tauchen, und beisst sie so lange in
den Kopf, bis er ihnen den Raub abgepresst hat. Wenn
dieser Vogel sich mit Muscheln vollgepfropft hat, speiet er
sie, nachdem sie durch die Wärme des Bauchs zergangen
sind, wieder von sich, und sucht mit Zurücklassung der
Schalen, das Geniessbare heraus.
57.
Die Haushühner haben auch religiöse Gebräuche. Sie
') Apodes. Cypselus Apus, die Mauerschwalbe.
2) Cypselli. 3) Caprimulgi. Caprimulgus europaeus.
*) Platea. Platalea Leucorouia.
Zehntes Buch. 261
schaudern, wenn sie ein Ei gelegt haben, und schütteln
sich, drehen sich herum, reinigen sich oder sühnen sich
und die Eier durch einen Halm. — Die kleinsten unter
den Vögeln, die Distelfinken *), thun was man ihnen be-
hehlt, nicht bloss mit der Stimme, sondern auch mit den
Füssen und dem Schnabel, die ihnen die Stelle der Hände
vertreten. Es giebt auch einen Vogel, der das Gebrüll der
Ochsen nachahmt, und im avelatensischen Gebiete der
Stier 2) genannt wird, übrigens nicht gross ist. Ein andrer,
der Pieper3), ahmt sogar das Wiehern der Pferde nach,
wenn sie ihn durch ihre Ankunft von seinem Futter im
Grase vertreiben, und rächt sich auf diese Weise.
58.
Aber alle werden von den Papageien4), welche die
menschliche Stimme nachahmen, und sogar sprechen
lernen, übertroffen. Dieser Vogel kommt aus Indien, wo
er Sittace heisst, ist am ganzen Körper grün und bloss am
Halse durch einen zinnoberrothen Ring unterschieden. Er
grüsst die Fürsten, spricht die gelernten Worte, und ist
besonders possierlich, wenn er Wein genossen hat. Sein
Kopf ist ebenso hart wie sein Schnabel. Man schlägt ihn,
wenn er sprechen lernt, mit einem eisernen Stäbchen da-
rauf, denn anderswo fühlt er die Schläge nicht. Wenn er
abwärts steigt, so hängt er sich mit dem Schnabel an,
stützt sich auf denselben, und macht sich so leichter, weil
er schwach auf den Füssen ist.
59.
Weniger berühmt, weil sie nicht aus der Ferne kommen,
allein geschickter zum Sprechen sind die Elstern. Sie
finden Gefallen an den Worten, welche sie sprechen, lernen
nicht nur, sondern thun es auch mit Lust, und verhehlen,
wenn sie sich üben, durch Sorgfalt und Nachdenken ihre
Aufmerksamkeit nicht. Man weiss, dass sie sterben, wenn
') Cardueles. Fringilla Carduelis.
2) Taurus. Ardea stellaris L. Rohrdonnel.
3) Anthus. Anthus campestris. 4) Psittaci.
262 Zehntes Buch.
sie die Schwierigkeit eines Wortes nicht besiegen können;
dass, wenn sie nicht zuweilen ein und dasselbe hören, ihr
Gedächtniss sie verlässt, und dass sie sich ausserordent-
lich freuen, wenn sie das Wort, welches sie suchen, hören.
Ihre Gestalt ist nicht schlecht, wenn auch gerade nicht
schön. Es macht ihnen übrigens Ehre genug, dass sie die
menschliche Stimme nachahmen können. Aber bloss die-
jenigen Elstern sollen sprechen lernen, welche zu dem Ge-
schlechte der Eichelnfresser x) gehören, und unter diesen
am leichtesten die, welche 5 Zehen an den Füssen haben,
und selbst die letztern sollen nur in den ersten 2 Jahren
ihres Lebens dazu fähig sein. Sie haben eine breitere
Zunge, sowie überhaupt alle Vögel, welche die menschliche
Stimme nachahmen, ein jeder in seiner Art, obgleich diess
letztere fast bei allen der Fall ist. Agrippina, die Gemalin
des Kaisers Claudius, hatte einen Krammets vogel, der zu
der Zeit, wo ich diess schrieb, die menschliche Stimme
nachahmte (was vorher noch nie geschehen war). Auch
hatten die jungen Cäsaren 2) einen Staar und Nachtigallen,
welche griechische und lateinische Worte lernten; sie übten
sich täglich, lernten stets etwas Neues und sogar zusammen-
hängende Sätze. Sie werden im Verborgenen al gerichtet,
wo sich keine andere Stimme hineinmischt, indem einer
beständig bei ihnen sitzt, der ihnen das, was sie behalten
sollen, häufig vorsagt und ihnen durch Futter schmeichelt.
60.
Auch den Raben gebührt ihr Lob, und hiermit ist
das römische Volk nicht nur einverstanden, sondern hat
auch seine Meinung selbst durch seinen Unwillen an den
Tag gelegt. Unter der Regierung des Kaisers Tiberius
flog nämlich ein junger Rabe von einer auf dem Tempel
der Castoren geheckten Brut auf einen gegenüber befind-
lichen Schusterladen, und war also dem Besitzer desselben
') Corvus Glandarius, Holzheher.
*) Der Sohn und der Stiefsohn des Claudius — Britannicus und
Nero.
Zehntes Buch. 263
"sogar durch die Religion empfohlen. Er lernte frühzeitig
sprechen, flog alle Morgen auf die Rednerbühne, nach dem
Forum hin, grüsste den Tiberius, dann die Prinzen Germanicus
und Drusus bei ihrem Namen, zuletzt das vorübergehende
römische Volk, kehrte hierauf zu der Bude zurück, und
Verrichtete zur allgemeinen Bewunderung diesen Dienst un-
unterbrochen mehrere Jahre hindurch. Da tödtete ihn der
Pächter des nächsten Schusterladens entweder aus nach-
barlichem Neide, oder, wie er vorgab, aus Zorn, weil er
durch seinen Koth seine Schuhe beschmutzt hatte. Hierüber
wurde das Volk so entrüstet, dass es ihn zuerst aus diesem
Stadttheile vertrieb, und ihn nachher sogar tödtete, dem
Vogel aber ein prächhtiges Leichenbegängniss hielt. Zwei
Mohren trugen ihn auf ein Bett gelegt auf ihren Schultern,
^in Flötenbläser ging voran, und der ganze Weg bis zum
Scheiterhaufen, welchen man rechts von der appischen
Strasse beim zweiten Meilenstein auf der sogenannten Ebene
des Rediculus errichtet hatte, war mit Kränzen aller Art
geschmückt. So war also die Klugheit eines Vogels hin-
reichend, das römische Volk zu veranlassen, ihm ein feier-
liches Leichenbegängniss zu halten, und einen römischen
Bürger mit dem Tode zu bestrafen, und zwar in derselben
Stadt, wo Niemand die Leiche so vieler berühmten Männer
begleitet, wo Niemand den Tod des Scipio Aemilianus, des
Eroberers von Carthago und Numantia, gerächt hatte.
Diese Begebenheit ereignete sich unter den Consuln
M. Servilius und C. Cestius x) am 26. April. Noch jetzt,
während ich diess schreibe, besitzt ein römischer Ritter eine
Krähe aus Bätika, die erstens schon durch ihre ausser-
ordentlich schwarze Farbe merkwürdig ist, feiner mehrere
Worte im Zusammenhange aussprechen kann, und häufig
noch andere hinzulernt. Und noch ganz kürzlich erzählte
man von einem gewissen Craterus mit dem Beinamen
') Im 22. Jahre der Regierung des Tiberius. Im Jahre Rom*
789 (35 J. n. Chr.)
264 Zehntes Buch.
Monoceros, er habe sich in der asiatischen Landschaft Eri-
zena der Raben zum Jagen bedient, und sie auf den Hörnern
seines Helmes und auf seinen Schultern mit in den Wald
genommen. Sie verfolgten die Spuren, trieben das Wild
auf, und er brachte es nach und nach dahin, dass ihm auch
die wilden Raben beim Nachhausegehen begleiteten. Ei-
nige haben auch folgende Begebenheit für mittheilungswerth
gehalten: man habe nämlich einen Raben gesehen, der, vom
Durste getrieben, in die Vertiefung eines Denkmals, in
welchem Regenwasser stand, welches er aber nicht erreichen
konnte, Steine zusammentrug, weil er sich fürchtete hinab-
zusteigen, und dadurch das Wasser so in die Höhe trieb,
als nöthig war, um davon trinken zu können.
61.
Auf die Diomedes-Vögel *) darf ich nicht übergehen.
Juba nennt sie Catarracten, und sagt sie hätten Zähne,
feuerfarbige Augen, wären aber sonst weiss. Sie haben
stets zwei Anführer, von denen einer den Zug eröffnet und
der andere ihn antreibt. Sie höhlen mit dem Schnabel
Gruben aus, legen Reisholz darüber, bedecken diess mit
der Erde, die sie vorher ausgeworfen haben, und hecken
darin. Eine jede Grube hat 2 Oeffnungen, eine östliche,
aus der sie zum Fressen gehen, und eine westliche, durch
welche sie zurückkehren. Wenn sie sich entleeren wollen,
fliegen sie stets hoch und gegen den Wind. Man sieht sie
nur an einem Orte auf der ganzen Erde, nämlich auf der
Insel, welche, wie wir gesagt haben 2), durch das Grab und
den Tempel des Diomedes berühmt ist, und der Küste
Apuliens gegenüber liegt. Sie sind den Wasserhühnern 3)
ähnlich. Barbaren, welche dorthin kommen, fallen sie mit
Geschrei an; nur gegen die Griechen, die sie merkwürdiger
Weise zu unterscheiden wissen, sind sie freundlich, gleich-
sam als wenn sie dem Geschlecute des Diomedes diesen
Beweis von Achtung bringen wollten. Den dortigen Tempel
') Diomedea exulans, der Albatros. 2) Vergl. III. B. 29. Cap.
3) Fulica. Fulica atra L.
Zehntes Buch. 265
sprengen und reinigen sie täglich mit Wasser, womit sie
ihre Kehle angefüllt und ihre Flügel benetzt haben. Daher
ist die Fabel entstanden, die Gefährten des Diomedes
wären in Vögel verwandelt worden.
62.
Da ich eben von den Verstandeskräften der Thiere
rede, darf ich nicht zu bemerken unterlassen, dass unter
den Vögeln die Schwalben, unter den Landthieren die
Mäuse ungelehrig sind1), da doch die Elephanten thun,
was ihnen befohlen wird, die Löwen sich unter das Joch
begeben, die Seekälber im Meere und so viele Arten von
Fischen sich zähmen lassen.
63.
Die Vögel trinken saugend; diejenigen unter ihnen,
welche lange Hälse haben, setzen ab, beugen den Kopf
zurück und giessen sich das Wasser gleichsam ein. Das
Purpurhuhn *) allein trinkt kauend. Dieses ist von eigen-
tümlicher Art; jede Speise benetzt es mehrere Male mit
Wasser und bringt sie dann mit der Kralle, wie mit einer
Hand, in den Schnabel. Die besten giebt es in Commagene,
Ihre Schnäbel und langen Beine sind roth.
64.
Dieselbe Farbe hat auch der Hi man t opus 3), der zwar
viel kleiner ist, dennoch aber eben so lange Beine hat.
Sein Vaterland ist Aegypten. Er steht auf 3 Zehen. Seine
vorzüglichste Nahrung sind Fliegen. In Italien lebt er nur
wenige Tage.
65.
Alle schwerfälligen Vögel nähren sich von Feldfrüchten,
die hochfliegenden nur von Fleisch. Unter den Wasser-
vögeln pflegen die Taucher die Exremente der übrigen zu
verschlingen.
') Eine Behauptung, che wenigstens auf die Mäuse nicht passt,
2) Porphyrie». Fulica Porphyrie- L.
s) Himantopus atropterus Meyer.
266 Zehntes Buch.
Die Kropfgänse1) haben Aehnlichkeit mit den
Schwänen, und man würde sie nicht für verschiedene Vögel
halten, wenn sie nicht an ihrer Kehle eine Art zweiten
Bauchs hätten. Hierin sammelt diess unersättliche Thier
alles an, dass man sich wundern muss, wie es nur so viel
aufnehmen kann; bald nachdem es mit Rauben fertig ist,
und die Speise von hier aus wieder in den Mund gebracht
hat, gelangt dieselbe nun erst, wie bei den Wiederkäuern,
in den eigentlichen Bauch. Diese Vögel kommen aus dem-
jenigen Theile Galliens, der an den nördlichen Ocean
grenzt.
67.
In dem hercyniseben Walde in Deutschland soll es,
wie ich erfahren habe, ungewöhnliche Gattungen von
Vögeln geben, deren Gefieder des Nachts wie Feuer glänzt ;
im Uebrigen aber ist mir ausser dem Rufe, den sie durch
die Entfernung erlangt haben, nichts Bemerkenswerthes an
ihnen kund geworden.
Die Phaleriden sind im parthischen Seleucia und in
Asien die schönsten unter den Wasservögeln; ferner giebt
es in Colchis Fasane2), die 2 Federohren haben, welche
sie niederlassen und aufrichten können. Die numidische n
Vögel3) sind in Numidien, einem Lande Afrikas, einhei-
misch. Jetzt hat man alle diese Vögel bereits in Italien.
68.
Dass die Zunge des Flamingo4) einen ganz vortreff-
lichen Geschmack besitzt, hat Apicius, der grösste aller
Schwelger, gelehrt. Das Haselhuhn5), vorzüglich das
jonische, wird gerühmt; es hat eine Stimme, aber wenn es
gefangen wird, verstummt es. Vormals zählte man es zu
') Onocrotali. Pelecanus Onocrotalus L.
*) Phasianae. Phasianus colchicus.
3) Numidicae. Numida Meleagris L. das Perlhuhn.
4) Phoenicopterus. Phoenicopterus ruber L.
6) Attagen. Tetrao Bonasia.
Zehntes Buch. 267
den seltenen Vögeln, jetzt aber wird es auch in Gallien
nnd Spanien, und selbst in den Alpen gefangen, wo auch
die Scharben1), Vögel von den balearischen Inseln, ein-
heimisch sind. In den Alpen findet man auch die Roth-
raben 2), welche einen gelben Schnabel haben und schwarz
sind, und das Schneehuhn3), das einen vortrefflichen
Geschmack besitzt. Den Namen Lagopus hat es von seinen
mit Hasenhaaren bewachsenen Füssen bekommen, übrigens
ist es weiss und von der Grösse einer Taube. Man kann
es nicht wohl ausser seinem Vaterlande essen, weil es sich
nicht zähmen lässt, und sein Körper gleich nach dem Tode
in Fäulniss übergeht. Es giebt noch einen andern Vogel,
der ebenso heisst, sich von den Wachteln bloss durch seine
Grösse unterscheidet, und mit Safranbrühe eine angenehme
Speise liefert. Egnatius Calvinus, Präfect in den Alpen,
will auch dort den m Aegypten einheimischen Ibis gesehen
haben 4).
69.
Während der bedriacensischen 5) Bürgerkriege kamen
auch nene Vögel (denn so heissen sie jetzt noch) über
den Po nach Italien. Sie haben Aehnlichkeit mit den
Krammetsvögeln, sind etwas kleiner als Tauben und
schmecken angenehm. Von den balearischen Inseln erhalten
wir ein Purpurhuhn, welches noch vorzüglicher ist als das
bereits angeführte. Dort lebt auch der zum Habichtge-
schlechte gehörige Bussard 6), ein beliebtes Gericht, sowie
der Vipio, eine kleinere Gattung von Kranichen.
70.
Den Pegasus, einen Vogel mit einem Pferdekopfe, und
den Greif mit ohrförmig gekrümmtem Schnabel halte ich
») Phalacrocoraces. Carbo Corinoran Meyer.
2) Pyrrhocorax. Pyrrhocorax alpinus Cuv.
3) Lagopus. Tetrao Lagopus L.
*) Diess ist der Ibis Falcinellus, vergl. C. 45.
5) Von Bedriacum, einer Stadt in der Nähe von Creiaona. Pli-
nius meint hier die Unruhen unter dem Kaiser Otho.
6) Buteo. Falco Buteo L.
628 Zehntes Buch.
für fabelhaft; jene sollen in Scythien, diese in Aethiopien
vorkommen. So auch den Bartgeier *), von denen Mehrere
behaupten, er sei grösser als ein Adler, habe an den
Schläfen krumme Hörner, eine rostrothe Farbe, und sei nur
am Kopfe rotb. Auch die Sirenen verdienen keinen
Glauben, obschon Dinon, der Vater des berühmten Schrift-
stellers Clitarchus, behauptet, sie existirten in Indien,
brächten die Menschen durch ihren süssen Gesang in
Schlaf und zerrissen sie alsdann. Wer solche Dinge glaubt,
der wird auch zugeben, dass die Drachen dem Melampus 2)
durch Lecken seiner Ohren die Gabe beigebracht haben,
die Stimme der Vögel zu verstehen, oder was Democrit
erzählt, wenn er die Vögel hernennt, aus deren vermischtem
Blute eine Schlange entstände, die den der sie ässe eben-
falls in den Stand setzten, die Gespräche der Vögel zu
verstehen; sowie auch das, was er von einem Vogel Galerita3)
als etwas Geheimes erwähnt, da ohnehin schon so viele
Heimlichkeiten bei den Augurien vorkommen. Homer 4)
nennt eine Art Vögel Scopes; allein ich kann mir ihre
von Vielen erwähnten satyrischen Bewegungen, wenn sie
auf etwas lauern, ebenso wenig vorstellen, als die Vögel
selbst bekannt sind. Daher wird es besser sein, wir reden
von ausgemachten Dingen.
71.
Die Deliacer waren die ersten, welche Hühner
mästeten, und daher rührt die verderbliche Gewohnheit,
fette Vögel in ihrem eigenen Fette bereitet zu verzehren.
Ich finde, dass diess unter den alten Tafelverordnungen zu-
erst durch ein Gesetz des Consuls C. Fannius, 11 Jahre
vor dem dritten punischen Kriege, verboten wurde, wo es
heisst, dass kein Geflügel weiter auf den Tisch kommen
solle, als ein jedoch ungemästetes Huhn. Dieser Satz ist
hernach immer wieder eingerückt, und durch alle Gesetze
') Tragopana. Vultur barbatus L.
2) Eine fabelhafte Person.
3) Alauda cristata Haubenlerche. *) Odyssee V. 66.
Zehntes Buch. 269
gegangen. Man fand aber einen Ausweg, um die Gesetze
zu umgehen, indem man die Thieie mit Futter, welches
in Milch eingeweicht war, fütterte, und dadurch machte
man sie noch schmackhafter. Nicht alle Hühner nimmt
man zur Mast, sondern nur solche, welche im Nacken eine
fette Haut haben. Nachher entstanden die Küchenkünste,
den Keulen ein schönes Ansehen zu geben, und sie im
Rücken zu theilen, so dass sie mit ausgespannten Füssen
die Schüsseln einnehmen. Die Köche haben auch von den
Parthern manche Handgriffe entlehnt. Jedoch selbst bei
diesem Gerichte ist nicht jeder Theil allgemein beliebt, da
hier die Keule, dort bloss die Brust den Vorzug hat.
72.
Der erste, welcher Vogelhäuser zur Aufnahme aller
Gattungen von Vögeln einrichtete, war der Ritter M. Länius
Strabo zu Brundisium. Seit dieser Zeit fingen wir an,
Thiere einzukerkern, denen die Natur die freie Luft zum
Wohnsitze angewiesen hat. Ganz besonders ausgezeichnet
war aber in dieser Beziehung die Schüssel des tragischen
Schauspielers Clodius Aesopus *) , welche auf 100,000 Se-
sterzien geschätzt wurde; in dieser setzte er Vögel auf,
die entweder durch ihren Gesang oder durch Sprechen be-
rühmt waren, und die er einzeln mit 6000 Sesterzien be-
zahlt hatte. Was ihn dazu verleitete, war nichts als das
Behagen, Thiere zu essen, welche den Menschen nachahmen
konnten. Er scheuete also weder jene Kosten, noch schonte
er die wegen ihrer Stimme geschätzten Vögel, und war ge-
wiss eines solchen Sohnes würdig, von dem wir gesagt
haben, dass er Perlen verschlang 2). Es möchte jedoch, um
die Wahrheit zu gestehen, nicht leicht zu entscheiden sein,
welcher von Beiden am schändlichsten gehandelt hat, man
müsste es denn für geringer halten, die grössten Schätze
der Natur zu speisen, als menschliche Zungen.
73.
Die Fortpflanzung der Vögel scheint einfach zu
\) Lebte um 100 v. Chr. *) Vergl. IX. B. 59. Cap.
270 Zehntes Buch.
sein, obgleich sie doch auch ihre Wunder hat, denn selbst
vierfüssige Thieie, wie die Chamäleonen, Eidechsen und
andere, die wir bei den Schlangen aufgeführt haben, legen
Eier. Aber unter dem Federvieh sind diejenigen, welche
krumme Krallen haben, nicht sehr fruchtbar; nur der
Cenchris x) legt mehr als 4 Eier. Die Natur hat den
Vögeln, welche vor andern fliehen müssen, eine grössere
Fruchtbarkeit verliehen als den starken. Die meisten Eier
legen die Strausse, Hühner und Rebhühner. Bei den Vögeln
giebt es nur 2 Arten der Begattung; das Weibchen sitzt
entweder auf der Erde, wie bei den Hühnern, oder es steht,
wie bei den Kraninchen.
74.
Einige Eier sind weiss, wie die der Tauben und Reb-
hühner; andere blassgelb, wie die der Wasservögel; andere
punctirt, wie die der Truthühner; noch andere roth, wie
die der Fasanen und Cenchriden. Inwendig aber ist jedes
Vogel ei zweifarbig. Die Eier der Wasservögel haben mehr
Gelbes als Weisses, auch ist es bei ihnen trüber als bei
den andern. Die Fischeier sind einfarbig, und enthalten
nichts Weisses. Die Vogeleier sind in der Wärme zer-
brechlich, die Schlangeneier in der Kälte zähe, und die
Fischeier im Wasser weich. Die Eier der Wasserthiere
sind rund, die der übrigen fast alle oben zugespitzt. Beim
Legen kommen die Eier mit dem rundern Theile zuerst
heraus; ihre Schale ist weich, wird aber gleich, sowie das
Ei gelegt ist, an allen Theilen hart. Horatius Florous a)
meint, die länglichen Eier hätten einen angenehmen Ge-
schmack. Aus den rundern kommen Weibchen, aus den
übrigen aber Männchen. Der Nabel befindet sich bei den
Eiern auf der Spitze, und gleicht einem auf der Schale
hervorragenden Tropfen.
Einige begatten sich zu jeder Jahreszeit, wie die
*) Derselbe Vogel, den Plinius im 52. Cap. Tinnunculus nennt.
2) Dessen Satyren IL 4. — Der Dichter Horaz lebte 65 — 8 v. Chr.,
meist zu Rom und stammte aus Venusia in Apulien.
Zehntes Buch. 271
Hühner, und legen nur in den beiden Wintermonaten, in
denen die kürzesten Tage sind, nicht. Unter ihnen legen
die jungen Hühner mehrere aber kleinere Eier als die
alten, und bei ein und derselben Legeperiode sind auch
die ersten und letzten die kleinsten. Ihre Fruchtbarkeit
ist aber so gross, dass einige sogar 60 Eier, andere täg-
lich einmal, andere zweimal des Tages, und noch andere
so oft legen, dass sie dadurch erschöpft sterben. Die
adrianischen werden am meisten geschätzt. Die Haustauben
legen jährlich zehnmal, einige auch elfmal, in Aegypten
aber selbst im December. Die Schwalben, Amseln, Holz-
und Turteltauben legen zweimal im Jahre, die übrigen
Vögel in der Regel nur einmal. Die Krammetsvögel, welche
ihre Nester auf den Gipfeln der Bäume aus Lehm und fast
eins an dem andern bauen, hecken im Verborgenen. Nach
der Begattung sind 10 Tage hinreichend, um die Eier im
Leibe zur Reife zu bringen. Bei den Hennen und Tauben
aber, denen man Federn ausreisst, oder wenn man sie sonst
quält, dauert es länger. In der Mitte eines jeden Eigelbs
befindet sich ein kleiner blutartiger Tropfen, den man für
das Herz des Vogels hält, in der Meinung nämlich, dass dieses
sich vom ganzen Körper zuerst erzeuge; so viel ist ge-
wiss, dass dieser Tropfen im Eie hüpft und klopft. Der
Körper des Thieres selbst bildet sich aus dem Weissen
und erhält seine Nahrung von dem Gelben l). Bei allen
Vögeln, wenn sie noch im Eie sind, ist der Kopf grösser
als der ganze übrige Körper; die Augen sind geschlossen
und grösser als der übrige Theil des Kopfes. Wenn das
Junge grösser wird, kommt das Weisse in die Mitte, und
das Gelbe fliesst darum. Wenn man das Ei am zwanzig-
sten Tage schüttelt, so hört man schon innerhalb der
Schale die Stimme des lebenden Jungen. Von diesem Zeit-
punkte an bekommt es Federn; seine Lage ist so, das der
*) Gerade der umgekehrte Fall findet statt. Man vergleiche
hierüher: Dr. Reichert, das Entwickelungsieben im Wirbelthierreich.
Berlin 1840.
272 Zehntes Buch.
Kopf auf dem rechten Beine, der rechte Flügel aber auf
dem Kopfe liegt. Nach und nach verschwindet das Gelbe.
Alle Vögel kommen, gegen die Natur der übrigen Thiere,
mit den Füssen zuerst auf die Welt 1). Manche Hühner
legen lauter Doppeleier, aus denen auch zuweilen, wie
Cornelius Celsus 2) angiebt, zwei Junge kommen, und von
denen das eine grösser ist. Andere leugnen das Ausbrüten
Von Zwillingen gänzlich. Mehr als 25 Eier soll man nicht
auf einmal zum Brüten unterlegen. Die Hühner fangen
nach dem kürzesten Tage an zu legen. Die beste Brut
ist die, welche vor dem Frühlingsäquinoctium auskommt.
Diejenigen, welche nach dem Solstitium geboren werden,
erreichen nicht die gehörige Grösse, und werden immer
kleiner, je später sie auskommen.
75.
Es ist am besten, wenn die Eier innerhalb der 10
Tage, nachdem sie gelegt sind, bebrütet werden; ältere
oder jüngere sind unfruchtbar. Man muss sie in ungerader
Zahl unterlegen. Wenn man am 4. Tage nach dem Be-
ginnen des Brütens die Eier, mit der Hand an der Spitze
gefasst, gegen das Licht hält, und eine reine und gleich-
artige Farbe durchschimmern sieht, so hält man sie für
unfruchtbar und legt statt ihrer andere unter. Auch giebt
es eine Probe mit Wasser; ein todtes Ei schwimmt. Da-
her soll man nur solche, welche untersinken, d. h. volle,
unterlegen. Die Probe des Schütteins aber wird nicht gut-
geheissen, denn wenn die Lebensadern verwickelt werden,
kommt nichts aus. Das Brüten lässt man mit dem Neu-
monde beginnen, weil die Eier, welche eher bebrütet werden,
unfruchtbar bleiben. In warmen Tagen kommen die Jungen
eher heraus, daher im Sommer schon am 19., im Winter
hingegen erst am 25. Tage. Wenn es während der Brüte-
zeit dämmert, verderben die Eier; auch ist es ihnen nach-
') Plinius irret hierin, denn die Vögel kommen ebenfalls mit
dem Kopfe zuerst.
2) Arzt unter Augustus.
Zehntes Buch. 273
theilig, wenn ein Habicht seine Stimme hören lässt. Ein
Hülfsmittel gegen den Donner ist ein eiserner Nagel, den
man unter das Lager der Eier legt, oder Erde von einem
Pfluge. Manche kommen aber von selbst, ohne Brüten
aus, wie in den Misthaufen l) in Aegypten. Man erzählt
eine Anecdote von einem Menschen zu Syrakus, der so
lange zu trinken pflegte, bis Eier, die mit Erde bedeckt
waren, auskamen.
76.
Selbst durch Menschen können Eier zur Reife gelangen.
Als Livia Augusta in ihrer frühen Jugend mit dem Tibe-
rius vom Nero schwanger war, und gern einen Sohn gebären
wollte, bediente sie sich folgender jungfräulichen Wahr-
sagung. Sie wärmte ein Ei in ihrem Busen, und gab es,
wenn sie es weglegen musste, einer Amme in den Busen,
damit die Wärme nicht unterbrochen würde. Und die Pro-
phezeiung soll auch nicht falsch gewesen sein. Vielleicht
kommt hiervon die neulich gemachte Erfindung, Eier an
einem warmen Orte auf Spreu zu legen, bei massigem Feuer
warm zu halten, und von einem Menschen umwenden zu
lassen, wodurch auf gleiche Weise am bestimmten Tage
die Jungen durchbrechen. Man erzählt von der Kunst
eines gewissen Hühnerwärters, der sagen konnte, von wel-
cher Henne jedes Ei war. Auch sollen, als eine Henne
gestorben war, ihre Männchen abwechselnd ihre Stelle ver-
treten, alles Uebrige gleich wie eine brütende Henne ver-
richtet, und sich des Krähens enthalten haben Aber
höchst bewuuderungs würdig ist es, wenn man einer Henne
Enteneier unterlegt, und sie dieselben ausgebrütet hat;
denn anfangs erkennt sie die Jungen nicht so ganz als die
ihrigen an, bald nachher aber ruft sie dieselben, ungewiss,
ob sie sie ausgebrütet hat, sorgfältig zusammen, und zuletzt
erhebt sie an den Fischteichen ein Klagegeschrei, wenn
die Jungen, von ihrem Naturtriebe geleitet, untertauchen.
77.
Die edlen Hühnerarten erkennt man an dem auf-
l) Durch die darin entwickelte Wärme.
Wittstein: Plinius. II. Bd. ls
274 Zehntes Buch.
rechtstehenden, zuweilen doppelten Kamme, den schwarzen
Federn, dem rechlichen Schnabel, und der ungleichen Zahl
der Zehen, indem sich zuweilen über den vieren noch ein.
fünfter querstehender befindet. Zum gottesdienstlichen Ge-
brauche werden die mit gelbem Schnabel und Füssen nicht
für rein gehalten; zu den geheimen Opfern wählt man die-
schwarzen. Auch das Geschlecht der Zwerge ist bei ihnen
nicht unfruchtbar, was bei keinen andern Vogel stattfindet^
denn denjenigen welche selten befruchtet werden, schadet
auch das Bebrüten der Eier.
78.
Unter allen Krankheiten ,ist für diese Thiere die
verderblichste der Pips *), besonders zwischen Erndten und
Weinlese. Ein Hülfsmittel dagegen besteht darin sie hun-
gern zu lassen, und ihr Lager mit Lorbeeren und Sadebaum
zu räuchern. Ferner steckt man ihnen eine Feder quer-
durch die Nase, und dreht sie alle Tage um, giebt ihnen
Knoblauch mit Getreide oder Wasser vermischt, in welchen
sich eine Nachteule gebadet hat, oder man kocht ihr Futter
mit Samen von Vitis alba, und dergleichen mehr.
79.
Die Feldtauben haben die eigenthiimliche Gewohnheit,,
sich vor der Begattung zu schnäbeln. Sie legen gewöhn-
lich 2 Eier, denn die Natur hat es so eingerichtet, das»
einige Thiere öfter eine geringere, andere eine grössere
Zahl von Jungen auf einmal zur Welt bringen.
Die Holz- und Turteltauben legen meistens 3 Eier, hecken
nicht mehr als 2 mal im Frühlinge, und auch nur dann
zum zweiten Male, wenn die erste Brut verdorben ist. Ob
sie gleich drei Eier legen, so bringen sie doch nie mehr
als 2 aus; das dritte, welches taub ist, heisst Windei 2).
Die Holztäubin sitzt auf den Eiern vom Nachmittage an
bis zum andern Morgen, in der übigen Zeit der Tauber.
') Pituita, ein catarrhalisches Leiden der Nase mit nachfolgender.
Verhärtung der Zungenspitze.
2) Urinuni .
Zehntes Buch. 275
Die Haustauben bringen immer ein Männchen und ein
Weibchen zur Welt, zuerst kommt jenes aus, und den Tag
nachher dieses. Auch bei dieser Art sitzen beide Alte,
am Tage das Männchen und des Nachts das Weibchen;
die Jungen schlüpfen am 20. Tage aus. Sie legen am 5.
Tage nach der Begattung. Im Sommer bringen sie bis-
weilen 3 Paar Junge aus, denn diese kommen danu am
18. Tage aus, und die Alten empfangen sogleich wieder.
Daher findet man oft Eier unter den Jungen, unter diesen
welche, die flügge sind, und solche, die eben die Schalen
durchbrechen, Selbst die Jungen hecken schon, wenn sie
5 Monate alt sind. Sogar die Weibchen treten sich (wenn
keine Männchen da sind), unter einander, und legen taube
Eier, aus denen nichts kommt; die Griechen nennen die-
selben Hypenemia *).
Der Pfau legt erst, wenn er 3 Jahre alt ist, und zwar
zuerst ein oder 2, im folgenden Jahre 4 oder 5, in den
übrigen 12 Eier, aber nicht mehr. Er legt in Zwischen-
räumen von 2—3 Tagen, und, wenn man die Eier Hühnern
zum Ausbrüten unterlegt, dreimal des Jahres. Die Männ-
chen zerbrechen die Eier aus Begierde nach den brütenden
Weibchen. Daher legen sie des Nachts und im Verborge-
nen, oder wenn sie hoch sitzen, wobei aber die Eier, wenn
sie nicht auf eine weiche Unterlage fallen, zerbrechen. Ein
Männchen kann 5 Weibchen befriedigen; wenn es bloss
eins oder zwei hat, so wird die Fruchtbarkeit durch ihre
Geilheit verdorben. Die Jungen schlüpfen am 27. oder
spätestens am 30. Tage aus.
Die Gänse begatten sich im Wasser und legen im
Frühlinge, oder wenn sie sich zur Zeit des kürzesten Tages
begatten, 40 Tage nach dem Solstitium. Sie legen zwei
mal des Jahres, wenn Hühner die erste Brut ausbrachten;
übrigens höchstens 16 Eier, und mindestens 7. Nimmt
mau ihnen die Eier weg, so legen sie bis sie bersten.
') Windeier.
18*
276 Zehntes Buch.
Fremde Eier brüten sie nicht aus. Am besten ist es, wenn
man ihnen 9 oder 11 Eier zum Brüten unterlegt. Die
Weibchen sitzen 30 Tage lang, wenn sie aber hitziger
sind, nur 25. Ihren Jungen bringt das Berühren einer
Nessel den Tod; nicht minder schädlich ist ihnen auch ihre
Gehässigkeit, und zwar theils wegen der Uebersättigung,
theils wegen der grossen Anstrengung dabei, denn wenn
sie eine Wurzel ergriffen haben, und sie abbeissen oder
loszerren wollen, reissen sie sich oft eher den Hals ab.
Ein Mittel gegen die Nessel ist, eine Wurzel dann gleich
nach ihrem Auskommen unter das Lager zu legen.
Es giebt 3 Arten von Reihern *) den weissen 2), den
Sternreiher 3), und den schwärzlichen 4). Diesen Vögeln
wird die Begattung sauer, denn den Männchen läuft unter
heftigem Geschrei sogar das Blut dabei aus den Augen.
Eben so schwer wird den Weibchen das Legen. Der Adler
sitzt 30 Tage lang, und so fast alle grossem Vögel. Die
kleinem, wie der Milan und Habicht 20 Tage. Er legt
fast immer nur 1 Ei, niemals aber über 3; der sogenannte
Aegolios 4; der Rabe bisweilen sogar 5, und sie sitzen
eben so lange. Wenn die Krähe brütet, wird sie von dem
Männchen gefüttert. Die Elster legt 9 Eier, der Schwarz-
kopf wie kein anderer Vogel, über 20, aber immer in un-
gerader Zahl. So übertreffen also die kleinern Vögel die
grössern an Fruchtbarkeit. Die Jungen der Schwalben und
fast aller Vögel, deren Brut zahlreich ist, sind anfangs blind.
80.
Die tauben Eier, die wir Hypenemia 5) nannten, em-
pfangen die Weibchen entweder dadurch, dass sie in ein-
gebildeter Wollust einander selbst treten, oder vom Staube.
Nicht bloss die Tauben, sondern auch die Hühner, Reb-
hühner, Pfauen, Gänse und Chenalopeces legen dergleichen.
Sie sind aber unfruchtbar, kleiner, von weniger angenehmem
•) Ardeola. Ardea L. 2) leucos. Ardea garzetta L.
3) Asterias. Ardea nycticorax L.
4) pellos. Ardea cinerea L. 5) Windeier.
Zehntes Buch. 277
Geschmack und wässriger. Einige glauben, sie würden
vom Winde erzeugt, und daher heissen sie auch Zephy-
rische Eier. Sie entstehen aber nur im Frühlinge aus dem
Miste, den die Henne nach dem Brüten im Neste zurück-
gelassen hat; Einige nennen sie cynosurische. Wenn
man Eier in Essig legt, werden sie so weich, dass sie sich
durch einen Ring ziehen lassen. Man bewahrt sie am
besten in Bohnenmehl *) auf, oder im Winter in Spreu,
im Sommer in Kleie. In Salz gelegt sollen sie austrocknen.
81.
Das einzige geflügelte Thier, welche lebendige Junge
gebärt ist die Fledermaus; sie allein hat nur häutige Fit-
tige, nährt ihre Jungen mit Milch und reicht ihnen die Zizen.
Die Alte umfasst beide Jungen, und führt sie beim Fliegen
mit sich. Sie sollen nur ein Hüftbein haben, und Mücken
ihre liebste Nahrung sein.
82.
Dahingegen legen unter den Lan dt liieren die
Schlangen Eier, von denen wir noch nicht geredet haben.
Sie umschlingen sich bei der Begattung, und winden sich
so umeinander herum, dass man sie für ein zweiköpfiges
Thier halten könnte. Das Männchen der Viper steckt
seinen Kopf dem Weibchen ins Maul, und diese nagt den-
selben in wollustigem Gefühle ab. Sie ist das einzige Land-
thier, welches gleich den Fischen einfarbige und weiche
Eier legt. Am dritten Tage bringt sie die Jungen im Leibe
aus, und gebärt hierauf an jedem Tage eins, bis etwa zu
20. Daher werden die letzten ungeduldig, brechen an den
Seiten durch, und tödten so die Mutter. Die übrigen Schlan-
gen bebrüten ihre zusammenhängenden Eier in der Erde,
und bringen die Jungen im folgenden Jahre aus. Bei den
Krokodilen sitzt abwechselnd das Männchen und das Weib-
chen. Doch wir müssen auch von der Fortpflanzung der
übrigen Landthiere reden.
') Lomentum.
278 Zehntes Buch.
83.
Unter den zweifüssigen Thieren gebärt der Mensch
allein lebendige Junge. Nur der Mensch empfindet nach
den ersten Beischläfen Reue, und diess ist gewiss ein Zei-
chen, dass man den Ursprung des Lebens zu bereuen Ur-
sache hat. Die übrigen Thiere begatten sich zu bestimm-
ten Zeiten des Jahres; der Mensch ist, wie gesagt1) zu
allen Stunden des Tages und der Nacht dazu aufgelegt.
Die übrigen Thiere haben ein Maass in der Begattung, der
Mensch aber fast gar keins. Messalina, die Gemalin
des Kaisers Claudius, welche einen Sieg hierin für könig-
lich hielt, erwählte zu diesem Wettstreite die berüchtigtste
unter den öffentlichen Lohndirnen, und übertraf sie, denn
sie wohnte binnen 24 Stunden fünfundzwanzigmal bei.
Unter dem menschlichen Geschlechte haben sich die Männer
zur Schande ihrer Natur Nebenwege für ihre Wollust, die
Weiber aber das Abtreiben ihrer Frucht ersonnen. Um
wie viel sind wir hierin sträflicher als die wilden Thiere!
Nach Hesiodus Behauptung sind die Männer im Winter,
und die Weiber im Sommer begieriger nach dem Beischlafe.
Von hinten begatten sich die Elephanten, Kameele,
Tiger, Luchse, Rhinocerosse, Löwen, Dasypoden und Ka-
ninchen, weil ihre Zeugungstheile nach hinten liegen. Die
Kameele suchen sogar Einöden, oder wenigstens verborgene
Stellen auf, und man darf sie, ohne sich der grössten Ge-
fahr auszusetzen, dabei nicht stören, Ihre Begattung währt
den ganzen Tag über, und diess ist unter allen deneu,
welche Hufe haben, nur bei ihnen der Fall. Bei den vier-
füssigen Thieren werden die Männchen durch den Geruch
gereitzt. Auch die Hunde, Robben und Wölfe begatten
sich von hinten, und hängen mitten in diesem Akte auch
wider ihren Willen zusammen. Bei den meisten der oben-
genannten Thiere kommen die Weibchen zuerst zum Be-
springen, bei den übrigen aber die Männchen. Die Bären
») VII. B. 4. Cap.
Zehntes Buch. 27 9
legen sich, wie gesagt wurde, nach Art der Menschen nieder;
die Igel umfassen sich stehend; bei den Katzen steht das
Männchen, während das Weibchen liegt; die Füchse liegen
auf der Seite, und das Weibchen umfasst das Männchen.
Die Weibchen der Ochsen und Hirsche können die Last
nicht tragen, gehen daher während des Bespringens. Die
Hirsche gehen abwechselnd von einer Hirschkuh zu andern,
und von diesen wieder zu den erstem zurück. Die Ei-
dechsen umschlingen sich, gleichwie die fussloaen Thiere,
bei der Begattung.
Alle Thiere sind um so weniger fruchtbar, je grösser
ihr Körper ist. Die Elephanten, Kameele und Pferde
bringen nur ein Junges zur Welt; der Zeisig, der kleinste
Vogel, zwölf. Am schnellsten gebären die, welche die
meisten bringen. Je grösser ein Thier wird, desto länger
dauert seine Ausbildung im Uterus. Auch werden dieje-
nigen länger getragen, deren Lebensdauer grösser ist. So
lange die Thiere wachsen, sind sie noch nicht reif zur
Fortpflanzung. Diejenigen mit ungespaltenem Hufe werfen
ein Junges, die mit gespaltenem zwei; die, deren Füsse
in Zehen getheilt sind, mehrere, Allein alle jene bringen
ihre Jungen vollkommen ausgebildet, diese hingegen noch
nicht völlig entwickelt zur Welt. Zu dieser Art gehören
die Löwinen und Bärinen, ja die Füchse werfen noch un-
förmlichere Junge als jene; selten sieht man ein Weibchen
während des Werfens. Alle diese Thiere wärmen und bilden
ihre Jungen nachher durch Lecken, und werfen höchstens 4.
Blinde Jungen bringen die Hunde, Wölfe, Panther und
-der Thos zur Welt. Von den Hunden giebt es mehrere
Arten; die laconischen *) begatten sich schon im achten
Monate, und sind 60 Tage trächtig, meistens mit 3 Jungen.
Die übrigen Hunde lassen sich auch mit 6 Monaten be-
springen. Sie werden alle schon durch einen Sprung be-
fruchtet. Die Jungen derjenigen Hündinnen, welche vor der
•*) Nach Aristoteles grosse Windhunde mit zottigem Schwänze.
280 Zehntes Buch.
»rechten Zeit empfangen haben, bleiben länger blind, allein
nicht alle gleich lange. Man glaubt, sie heben, wenn sie-
beinahe 6 Monate alt sind, beim Urinlassen das Bein,
diess ist nämlich das Zeichen, dass sie ihre völlige Stärke
erlangt haben. Die Weibchen verrichten diess im Sitzen.
Der zahlreichste Wurf sind 12, übrigens kommen gewöhnlich
5, 6, zuweilen auch nur eins, was ebensowohl für ein
Wunderzeichen gehalten wird, als wenn lauter Männcheu
oder Weibchen erscheinen. Die ersten sind Männchen, dar-
nach kommen diese abwechselnd mit den Weibchen. Im
sechsten Monate nach dem Werfen begatten sie sich
wieder. Die laconischen Hündinnen werfen 8 Junge. Ihre
Männchen besitzen nach der Arbeit einen besonderen Trieb
zur Begattung; sie leben 10 Jahre, ihre Weibchen 12, die
übrigen Arten 15, bisweilen auch 20 Jahre; sie zeugen
nicht ihr ganzes Leben hindurch, sondern hören etwa nach
dem 12. Jähre auf. Die Katzen und das Ichneumon haben
das Meiste mit den Hunden gemein, und werden 6 Jahre alt.
Die Dasypoden werfen alle Monate und überfruchten,
sich wie die Hasen. Sie werden gleich nach dem Werfen
wieder besprungen und empfangen, wenn auch die Jungen,
noch saugen; diese sind anfangs blind. Die Elephanten
werfen, wie gesagt, jedesmal nur 1 Junges, was so gross
ist wie ein Kalb von 3 Monaten. Die Kameele tragen
12 Monate lang, werfen im Frühlinge des dritten Jahres,,
und werden erst ein Jahr nachher wieder befruchtet. Die
Stuten der Pferde aber glaubt man schon drei Tage oder
gar 1 Tag nach dem Werfen mit Erfolg wieder zulassen
zu können, und zwingt sie dazu wider ihren Willen. Auch
eine Frau soll schon am 7. Tage nach der Entbindung sehr
leicht wieder empfangen. Man sehreibt vor, den Stuten die
Mähnen abzuschneiden, damit sie die Erniedrigung, sich
von einem Esel bespringen zu lassen, erdulden; denn auf
ihre langen Haare sollen sie stolz sein. Sie sind die ein-
zigen Thiere, welche nach dem Sprunge gegen den Nord-
odex Südwind laufen, je nachdem sie ein Männchen oder
Weibchen empfangen haben. Ihre Farbe ändern sie von.
Zehntes Buch. 281
Stund' aD, und bekommen ein rötheres oder, wie es auch
sein mag, volleres Haar. Wenn sich diess zeigt, so lassen
sie den Hengst nicht mehr zu, und geben auch noch zu er-
kennen, dass sie ihn nicht wollen. Manche lassen sich
durch die Geburt nicht von der Arbeit abhalten, und ihre
Trächtigkeit geht unvermerkt vorüber. So finde ich, dass
die trächtige Stute des Thessaliers Echecratis zu Olympia
den Sieg davon trug. Hengste, Hunde und Schweine sollen,
wie genauere Schriftsteller berichten, früh morgens Lust
zur Begattung haben, die Weibchen aber nach Mittag.
Zahme Stuten sollen 60 Tage früher rossen als wilde;
nur die Schweine lassen bei der Begattung Schaum aus
dem Rüssel fliessen; ein Eber, der die Stimme einer brün-
stigen Sau gehört hat, und nicht zugelassen wird, soll nicht
mehr fressen, die Sauen aber sollen so wüthend werden,
dass sie die Menschen, besonders wenn sie weisse Kleider
an haben, zerreissen. Diese Wuth wird durch Besprengen
ihrer Geburtstheile mit Essig gemildert. Die Begierde zur
Beiwohnung soll auch durch gewisse Nahrungsmittel ent-
stehen, so bei dem Mann durch Eruca, beim Vieh durch
Zwiebeln. Es ist merkwürdig, dass wilde Thiere, wenn sie
gezähmt werden, nicht empfangen, wie z. B. die Gänse,
die Eber aber erst spät, und die Hirsche nur dann, wenn
sie von frühester Jugend an aufgezogen sind. Unter den
vierfüssigen Thieren dulden die Trächtigen das Bespringen
nicht, ausgenommen die Stute und die Sau. Ueberfruchtet
wird aber bloss der Dasypus und der Hase.
84.
Diejenigen Thiere, welche lebendig geboren werden,
drehen sich bei der Geburt herum, und kommen mit dem
Kopfe zuerst; vorher liegen sie in der Gebärmutter lang-
gestreckt. Die vierfüssigen Thiere liegen mit der Länge
nach ausgestreckten und an ihren Bauch gelegten Beinen;
der Mensch ist in sich zusammengerollt so, dass sich seine
Nase zwischen den Beinen befindet. Mondkälber, von denen
schon früher die Rede war, sollen sich dann erzeugen, wenn
ein Weib nicht vom Manne, sondern von sich selbst be-
-2g2 Zehntes Buch.
fruchtet wird, daher soll ein solches Gebilde auch nicht be-
seelt sein, weil es nicht von zweien erzeugt ist, und bloss
das, den Saaten und Bäumen verliehene, vegetative Leben
haben. Von allen, welche vollkommen Junge zur Welt
bringen, sind die Schweine die einzigen, welche sie in
grosser Anzahl werfen, und demnach auch in dieser Be-
ziehung von den Ein- und Zweihufern abweichen.
85.
Ueber alles geht aber die Zeugung der Mäuse; indessen
lässt sich doch nichts ganz Zuverlässiges darüber sagen,
obgleich wir uns dabei an Aristoteles und die Krieger
Alexanders des Grossen halten. Ihre Befruchtung soll
durch Lecken, und nicht durch Bespringen geschehen; eine
Maus soll 120 Junge geworfen haben; in Persien aber hat
man Junge gefunden, die schon im Mutterleibe trächtig
waren. Auch durch Fressen von Salz sollen sie trächtig
werden. Daher ist es nichts Wunderbares mehr, dass die
Feldmäuse in so ungeheuerer Menge vorkommen, dass sie
ganze Erndten aufzehren können, und dennoch bleibt hiebei
unerklärlich, wie so viele auf einmal verschwinden, denn
man findet weder todte, noch hat man Beispiele, dass im
Winter Mäuse auf dem Felde ausgegraben wurden. Die
meisten kommen bei Troas vor, und dort haben sie schon
die Einwohner vertrieben. Sie erscheinen bei trocknem
Wetter. Man erzählt sogar, wenn ihr Tod herannahe, er-
zeuge sich in ihrem Kopfe ein kleiner Wurm. Die ägyp-
tischen Mäuse haben harte Haare wie die Igel, und gehen
auch, gleich den Alpenmäusen, auf 2 Füssen. Wenn sich
Thiere verschiedener Gattungen vermischen, so erzeugen
sie bloss dann Junge, wenn die Zeit der Trächtigkeit bei
beiden gleich ist. Unter den vierfüssigen Thieren, welche
Eier legen, soll die Eidechse mit dem Munde gebären, wie
man allgemein glaubt, Aristoteles aber leugnet diess. Diese
Thiere brüten nicht, sie vergessen nämlich wegen Mangel
des Gedächtnisses wohin sie die Eier gelegt haben; daher
brechen ihre Jungen von selbst durch.
Zehntes Buch. 283
86.
Ich habe von Vielen erfahren, aus dem menschlichen
Hückenmarke erzeuge sich eine Schlange. Sehr viele
Thiere, selbst vierfüssige, erzeugen sich auf eine verborgene
uns unbekannte Weise; so kommt der Salamander, ein
Thier von der Gestalt einer Eidechse und sternartig ge-
zeichnet, niemals anders als bei heftigem Regen zum Vor-
schein, und verschwindet, wenn es wieder heiter wird. Er
ist so kalt, dass durch seine Berührung das Feuer, ebenso
wie vom Eise auslöscht. Von dem milchartigen Schleime,
der aus seinem Munde fliesst, gehen bei Berührung jeglichen
Theiles des menschlichen Körpers alle Haare aus, die be-
rührte Stelle selbst verändert die Farbe und hinterlässt
ein Maal.
87.
Einige Thiere aber werden von nicht gebornen Dingen
hervorgebracht, und haben keinen ähnlichen Ursprung wie
die oben genannten, und diejenigen, welche das Frühjahr
und eine bestimmte Jahreszeit erzeugt. Einige von diesen
haben keine Zeugungsfähigkeit, wie z. B. die Salamander.
Sie sind weder männlichen noch weiblichen Geschlechts,
ebenso wie die Aale und alle diejenigen Thiere, welche
weder lebendige Junge noch Eier zur Welt bringen. Ge-
schlechtlos sind auch die Austern und die übrigen auf
dem Grunde des Meeres und an Klippen hängenden Thiere.
Die aber von sich selbst entstehen, erzeugen zwar, wenn
unter ihnen Männchen und Weibeben sind, durch Vermischung
etwas, allein diess ist unvollkommen, ihnen unähnlich und
pflanzt sich nicht weiter fort, wie die Maden der Fliegen.
Diess alles wird klarer aus der Naturgeschichte derjenigen
Thiere, welche Insecten heissen, deren Beschreibung ein
schwieriger Gegenstand ist und einem besondern Buche
vorbehalten ist. Wir fahren daher in der Beschreibung der
vorgenannten Thiere fort.
88.
Was die Sinne betrifft, so steht der Mensch hinsicht-
lich des Gefühls und Geschmacks über den andern Thieren,
284 Zehntes Buch.
hinsichtlich der übrigen aber wird er von vielen tibertroffen.
Die Adler sehen schärfer, die Geier haben einen feinern
Geruch, die mit Erde bedeckten Maulwürfe hören besser
in ihrem so dichten und tauben Elemente; denn obgleich
eine jede Stimme in die Höhe geht, so vernehmen sie sie
doch, sollen es merken wenn von ihnen die Rede ist und
entfliehen. Ein Mensch, dem von seiner Geburt an der Ge-
hörsinn fehlt, kann auch nicht sprechen, und es giebt
keinen Taubgeborenen, der nicht auch stumm wäre. Dass
die Austern im Meere hören, ist nicht wahrscheinlich, aber
die Solenen sollen, wenn sie einen Schall vernehmen, unter-
tauchen. Daher verhalten sich auch die im Meere Fischen-
den ruhig.
89.
Die Fische haben zwar weder Werkzeuge noch Oeff-
nungen zum Hören, können aber demungeachtet doch hören,
denn man hat in einigen Teichen ungezähmte Fische ge-
wöhnt, sich auf Händeklatschen zum Füttern zu versammeln.
In den Fischteichen Cäsars kommen ganze Fischgattungen,
sowie auch einzelne herbei, wenn man sie beim Namen
ruft. Man behauptet sogar, die Meeräsche, der Seewolf,
die Salpe und der Chromis hätten ein sehr feines Gehör
und lebten daher auf Untiefen.
90.
Dass die Fische den Geruchsinn haben ist erwiesen,
denn sie lassen sich nicht alle durch ein und denselben
Köder fangen, und riechen zuvor daran, ehe sie zubeissen.
Manche Fische, die in Höhlen verborgen leben, treibt der
Fischer dadurch heraus, dass er den Eingang derselben mit
Salzlake bestreicht, wovor sie fliehen, gleich als wenn sie
den Geruch der todten Körper ihrer Gattung witterten.
Sie kommen sogar vom hohen Meere nach manchen Ge-
rüchen herbei, wie z. B. nach gebrannten Sepien oder Po-
lypen, die man deshalb in die Netze wirft. Vor dem Ge-
rüche des Unraths in Schiffen fliehen sie weit hin, am
meisten aber vor Fischblut. Den Polyp kann man nicht
vom Felsen losreissen; sowie man ihm aber das Kraut
Zehntes Buch. 285
Cunila nähert, springt er durch den Geruch getrieben so-
gleich ab. Auch die Purpurschnecken fängt man mit
stinkenden Gegenständen. Wer zieht wohl bei den übrigen
Thieren den Geruchsinn in Zweifel? Die Schlangen fliehen
vor dem Gerüche des Hirschhorns, am meisten aber vor
dem des Styraxharzes; die Ameisen werden durch den Ge-
ruch von Origanum, Kalk oder Schwefel getödtet. Die
Mücken fliegen nach sauren, nicht aber nach süssen Sachen.
Den Sinn des Gefühls haben alle, selbst die, denen die
übrigen fehlen, wie z. B. die Austern1), und unter den
Landthieren die Würmer.
91.
Ich sollte meinen, dass alle auch den Geschmacks-
sinn hätten; denn warum wählen die einen dieses, die an-
dern jenes zum Fressen? und hierin zeigt sich insbesondere
die weise Einrichtung der Natur. Einige fassen ihren
Raub mit den Zähnen, andere mit den Klauen, einige er-
greifen ihn mit ihrem krummen, andere durchwühlen ihn
mit ihrem breiten, noch andere höhlen mit ihrem spitzen
Schnabel aus; einige saugen, andere lecken, schlürfen, kauen
oder schlingen. Nicht geringer ist die Mannigfaltigkeit im
Gebrauche der Füsse; denn sie fangen oder zerreissen,
halten, treten damit, hängen sich daran, oder scharren un-
aufhörlich die Erde.
92.
Die Ziegen und Wachteln, beide sehr feindliche Thiere,
werden (wie wir bereits gesagt haben), durch Gifte fett;
die Schlangen von Eiern, wobei die Geschicklichkeit der
Drachenschlangen zu bewundern ist, denn sie verschlucken
dieselben entweder ganz, wenn ihr Rachen weit genug da-
zu ist, rollen sich dann zusammen, um sie im Leibe zu
zerdrücken, und husten die Schalen wieder aus; oder winden,
wenn sie noch zu jung und zu zart sind, sich um das Ei
im Kreise herum, drücken es nach und nach mit solcher
') Diese Behauptung steht im Widerspruch mit C. 71. des vorigen
.Buches.
2g(5 Zehntes Buch.
Gewalt ab, dass die eine Hälfte, wie mit einem Messer ab-
geschnitten ist, und schlürfen dann die andere Hälfte, die
sie noch umschlungen halten, aus. Auf ähnliche Weise
geben sie, wenn sie ganze Vögel verschlungen haben, die
durch Anstrengung abgelösten Federn wieder von sich.
93.
Die Scorpione leben von Erde. Die Schlangen sind,
wenn sie Gelegenheit dazu haben, äusserst begierig nach
Wein, obgleich sie sonst wenig Getränks bedürfen. Auch
fressen sie wenig oder gar nichts, wenn sie eingesperrt ge-
halten werden; sowie auch die Spinnen, welche sonst vom
Saugen leben. Kein giftiges Thier kommt also vor
Hunger oder Durst um; denn sie haben weder Wärme,
noch Blut, noch Schweiss, Dinge, welche durch ihre salzige
Beschaffenheit die Begierden des Leibes vermehren. Alle
diese Thiere sind gefährlicher, wenn sie, bevor sie ver-
wunden, ein Thier ihrer Art gefressen haben. Die Sphingien
und Satyren verwahren ihr Futter in Backentaschen, holen
davon nach und nach mit ihren Händen zum Fressen
heraus, und thun das, was die Ameisen auf ein ganzes Jahr
zu verrichten pflegen, nur für Tage und Stunden.
Ein einziges mit Zehen versehenes Thier, nämlich der
Hase, nährt sich von Kräutern, frisst aber auch Feldfrüchte.
Die Einhufer, und unter den Zweihufern die Schweine,
fressen allerlei, auch Wurzeln. Die Einhufer haben die
Eigentümlichkeit, sich zu wälzen. Alle Thiere mit säge-
artigen Zähnen sind Fleichfresser. Die Bären nähren sich
auch von Feldfrüchten, Laub, Weintrauben und Obst, fressen
sogar Bienen, Krebse und Ameisen. Die Wölfe nehmen,
wenn sie Hunger haben, wie schon gesagt auch Erde zu
sich. Die Schafe werden vom Saufen fett, daher ist ihnen
Salz sehr zuträglich; ebenso die Zugthiere, obwohl diese
auch durch Feldfrüchte und Gras fett werden, aber sowie
sie saufen, so fressen sie auch. Ausser den eben genannten
kauen unter den in Wäldern wohnenden Thieren auch die
Hirsche wieder, wenn sie von uns genährt werden, alle
aber mehr im Liegen als im Stehen, auch im Winter mehr
Zehntes Buch. 287
wie im Sommer, fast 7 Monate hindurch. Auch die pon-
tischen Mäuse kauen wieder.
94.
Die Thiere mit sägeförmigen Zähnen lecken, wenn sie
saufen, desgleichen die gemeinen Mäuse, obgleich sie zu
einer andern Gattung gehören. Deren Zähne eine ununter-
brochene Reihe bilden, schlürfen, wie die Pferde und Ochsen..
Die Bären thun keins von beiden, sondern beissen gleich-
sam ins Wasser und verschlucken es dann. In Afrika
saufen die meisten wilden Thiere im Sommer wegen
Mangels an Regen nicht; daher sterben die gefangenen
libyschen Mäuse wenn sie saufen. Die wilde Ziege, welche
in den stets dürren Wüsten Afrika's zu Haus ist, muss
wegen der Beschaffenheit ihres Aufenthaltsortes dursten,
und enthält doch wunderbarer Weise ein Mittel wider den
Durst; denn die gätulischen Räuber erhalten sich durch
die in dem Körper dieses Thieres befindlichen Blasen voll
des gesundesten Wassers. In demselben Afrika setzen
sich die Parder auf dicht belaubte Bäume, verstecken sich
zwischen den Aesten, springen auf die vorübergehenden
Thiere herab , und rauben so vom Sitze der Vögel aus.
Wie still, mit welchen leisen Schritten schleichen die
Katzen zu den Vögeln! Wie lauern sie im Verborgenen
und springen auf die Mäuse los! Ihren Unrath bedecken
sie mit aufgescharrter Erde, weil sie wissen, dass dessen
Geruch sie verräth.
95.
Dass es also auch noch einige andere Sinne als die
obengenannten geben muss, wird mau aus den unter den
Thieren herrschenden Feindschaften und Freund-
schaften erkennen, aus welchen sich, ausser den von uns
gehörigen Orts besprochenen, gewisse Abneigungen ent-
wickeln. Die Schwäne und Adler leben in Zwietracht;
der Rabe und Chloreus suchen bei Nacht gegenseitig ihre
Eier auf. Ebenso lebt der Rabe mit dem Milan in Feind-
schaft, denn er entreisst diesem das Futter; ferner die Krähe
mit der Nachteule, der Adler mit dem Zaunkönig, und zwar
=288
Zehntes Buch.
letzterer (wenn wir es glauben wollen) deshalb, weil jener
der König der Vögel genannt wird; ferner die Nachteulen
mit den übrigen kleinen Vögeln. Von den Landthieren
sind feindlich gesinnt: die Wiesel gegen die Krähen;
wiederum sind Feinde die Turteltauben und die Wickler !),
das Ichneumon und die Wespen und Spinnen, die Wasser-
thiere, Enten und Möven, der Harpe und der 3hodige Ha-
bicht, die Spitzmäuse und die Reiher, die gegenseitig ihren
Jungen nachstellen; der kleine Vogel Aegithus und der
Esel, denn wenn dieser sich an den Dornhecken schabt, so
zerstört er jenem das Nest, wovor sich dieser so sehr
fürchtet, dass, so bald er nur des Esels Stimme vernimmt,
er die Eier herauswirft, und die Jungen sogar vor Schrecken
herausfallen. Daher fliegt er auf ihn, und hackt ihn mit
seinem Schnabel wund. Ferner sind Feinde: die Füchse
und Sperber2), die Schlangen, Wiesel und Schweine. Der
kleine Vogel Aesalon zerbricht die Eier des Raben, und
seinen Jungen wird von den Füchsen nachgestellt. Da-
gegen rupft der Rabe wieder die Jungen des Fuchses und
ihn selbst, denn sowie die Raben jenes bemerken, leisten
sie Hülfe, wie gegen einen gemeinschaftlichen Feind. Der
Zeisig3) lebt im Dorngebüsch, daher hasst er auch den
Esel, der die Blüthen von den Dornhecken abfrisst. Der
Aegithus hasst den Pieper so sehr, dass ihr Blut sich (wie
man glaubt) nicht vermischt, und deshalb wegen seiner
Anwendung zu Vergiftungen verschrieen ist. Der Thos
hasst den Löwen. Unter den kleinsten Thieren finden der-
gleichen Abneigungen eben sowie unter den grössten statt.
Die Raupen vermeiden die Bäume in denen sich Ameisen
aufhalten. Die Spinne lässt sich an ihrem Faden auf den
Kopf der Schlange, die im Schatten ihres Baumes nieder-
gestreckt ist, herab, und sticht sie mit solcher Kraft in
das Gehirn, dass sie sogleich zischend sich umherwälzt,
und da sie nicht einmal den Faden, an dem jene hängt,
*) Pyralis. Pyralis ponianana Hübn. ein Nachtschmetterling.
a) Nisi. Falco Nisus L. 3) Acanthis. Fringilla Spinus L.
Zehntes Buch. 289
zerreissen, also auch nicht fliehen kann, so macht bloss der
Tod ihrer Qual ein Ende.
96.
Dagegen sind Freunde: die Pfauen und Haustauben;
die Turteltauben und Papageien; die Amseln und Turtel-
tauben; die Krähen und Reiher, andererseits haben beide
eine gemeinschaftliche Feindschaft gegen die Füchse; der
Harpe und Milan gegen den Triorches. Und findet man
nicht auch selbst bei den Schlangen, den bösartigsten
aller Thiere, Merkmale von Zuneigung? Ich habe bereits
die Geschichte von einem Manne, der von einer Schlange
errettet wurde, als diese seine Stimme erkannte, erzählt1);
eine andere wunderbare Begebenheit von einer Aspis theilt
Phylarchus mit. Diese Schlange sei nämlich jedesmal von
der Tafel eines Mannes gefüttert worden; sie bekam Junge,
von denen eins den Sohn ihres Gastfreundes tödtete. Als
sie nun wieder nach ihrer Gewohnheit zum Fressen kam,
soll sie das Verbrechen gemerkt, jenes Junge getödtet
haben, und nachher nie wieder in diess Haus zurückge-
kehrt sein.
97.
Die Frage, ob die Thiere schlafen, ist nicht schwierig
zu beantworten. Unter den Landthieren schlafen unbe-
zweifelt alle, welche die Augen schliessen. Auch die
Wasserthiere sollen, wie sogar die annehmen, welche es
von den übrigen bezweifeln, zwar nur wenig, aber doch
schlafen; man kann diess zwar an ihren Augen nicht wahr-
nehmen, weil sie keine Augenlider haben, wohl aber sieht
man sie zuweilen in sanfter Ruhe, gleichsam schlummernd,
ohne etwas anders als den Schwanz zu bewegen, und bei
irgend einem Geräusch plötzlich auffahren. Von den Thun-
fischen wird diess mit noch mehr Zuverlässigkeit versichert,
denn diese schlafen am Ufer oder auf Felsen. Die Platt-
fische aber schlafen auf seichten Stellen, so dass man sie
oft mit der Hand aufheben kann. Die Delphine und Wall-
») VIII. B. 22. C.
Witts tein : Plinius. II. Bd. l'.i
290 Zehntes Buch.
fische hört man sogar schnarchen. Ohne Zweifel schlafen
auch die Insekten, da sie zuweilen ruhig sind, und nicht
einmal durch herbeigebrachtes Licht aufgestört werden.
98.
Der Mensch liegt von seiner Geburt an mehrere Monate
hindurch in tiefem Schlafe, alsdann wacht er von Tage zu
Tage etwas länger. Schon als Kind träumt er, denn er
fährt schreckend auf, und macht die Gebärde des Saugens.
Manche Menschen träumen niemals, und ich weiss Beispiele,
wo es solchen ein Anzeichen ihres bevorstehenden Todes
war, wenn sie wider Gewohnheit einen Traum hatten. Bei
dieser Gelegenheit sehen wir uns zu einer wichtigen Frage,
die viele Thatsachen für und gegen sich hat, veranlasst;
ob nämlich die Seele im Schlafe eine gewisse Vorbedeutung
des Zukünftigen habe, und worin diese begründet, oder ob
der Traum, wie so viele andere Dinge, etwas Zufälliges
sei? Wollte man diese Frage durch Beispiele lösen, so
würden sie in der That auf beiden Seiten gleich sein.
Darin ist man fast einstimmiger Meinung, dass diejenigen
Träume, welche sich zunächst nach den Genüsse von Wein
oder Speisen, oder wenn man nach dem Aufwachen sogleich
wieder einschläft, einstellen, nichts bedeutend sind. Der
Schlaf ist aber nichts anderes, als ein Zurückziehen der
Seele in ihr Inneres. Es leidet keinen Zweifel, dass ausser
dem Menschen auch die Pferde, Hunde, Ochsen, Schafe und
Ziegen träumen. Daher muthmaasst man diess von allen
Thieren, die lebendige Junge zur Welt bringen. Von denen,
welche Eier legen, ist es ungewiss, gewiss aber ist, dass
sie schlafen.
Doch wir wollen zu den Insekten übergehen.
Elftes Buch.
Von den Insekten.
1.
Noch sind uns die Insekten, unendlich kleine und
zarte Thiere, denen Einige das Athmen, ja sogar das Blut
abgesprochen haben, zu betrachten übrig.
Es giebt viele und vielerlei Gattungen von Insekten,
und ihr Leben kommt theils mit denen der Landthiere,
theils mit denen der Vögel tiberein. Einige sind geflügelt,
wie die Bienen, andere theils geflügelt, theils nicht, wie die
Ameisen; noch andere haben weder Füsse noch Fitigel,
Mit Recht heissen sie alle wegen der Einschnitte, welche
in der Gegend des Nackens oder der Brust oder des Leibes
die Glieder in so weit trennen, dass sie nur durch eine
dünne Röhre zusammenhängen, Insekten. Bei einigen aber
geht der Einschnitt nicht ganz um den Körper herum,
sondern läuft bloss am Bauche oder bloss auf dem Rücken,
und die Gelenke sind durch schuppenförmige Lagen bieg-
sam und so zusammengefügt, dass sich an keinem andern
Gegenstande die Kunst der Natur glänzender erweist. Bei
grossen oder doch wenigstens grössern Körpern war die
Bearbeitung wegen des bildsamen Stoffes leicht; in diesen
so kleinen und fast in Nichts verschwindenden Thierchen
aber, welche Sorgfalt, welche Macht, welche unerforschliche
Vollendung zeigt sich da? Wohin hat sie in einer Mücke
so viele Sinne und noch andere kaum zu nennende Dinge
gebracht? Wo hat sie in derselben das Gesicht, den Ge-
il*
2^2 Elftes Buch.
schmack, den Geruch hingesetzt? Wohin hat sie ihr die
rauhe und verhältnissmässig so starke Stimme verlegt?
Mit welcher Feinheit hat sie die Flügel angefügt, die
Beine langgestreckt, die leere Höhle als Bauch angefügt,
und ihren gierigen Durst besonders nach Menschenblut ent-
zündet? Mit welcher Kunst spitzte sie ihr den Stachel, die
Haut zu durchbohren? und, als wenn er noch so gross
wäre, obgleich man ihn wegen seiner Kleinheit nicht wahr-
nehmen kann, zeigte sie ihre Kunst doppelt daran, indem
sie ihn sowohl zum Stechen spitz, als auch zum Saugen
hohl machte. Was für Zähne verlieh sie dem Holzwurme,
welcher die Eichen durchbohrt (wie sich an dem Schalle
ihrer Rinde erweist), und grösstentheils vom Holze lebt?
Aber wir bewundern nur die thurmtragenden Schultern der
Elephanten, die Nacken der Ochsen und ihr gewaltiges in
die Höhe Werfen, die Raubgier der Tiger und die Mähnen
der Löwen, während doch die Natur sich nirgends vollen-
deter zeigt als im Kleinen. Daher bitte ich die Leser,
denen vielleicht vieles von den Insekten verächtlich vor-
kommt, nicht auch meine Beschreibung mit Widerwillen
von sich zu weisen, denn bei der Betrachtung der Natur
kann nichts als überflüssig erscheinen.
2.
Viele haben das Athmen der Insekten deshalb ge-
läugnet, weil in ihren Eingeweiden kein Organ zum Athem-
holen vorhanden sei; sie lebten daher wie die Früchte und
Bäume, denn es sei ein grosser Unterschied zwischen
Athmen und Leben. Aus demselben Grunde hätten sie auch
kein Blut, w7as überhaupt jedem Thiere, welches ohne
Herz und Leber sei, fehle; ebenso holten alle Thiere, welche
keine Lunge hätten, nicht Athem. Hieraus entspringt nun
noch eine zahlreiche Reihe von Fragen, denn Jene sprechen
auch, trotz des Summens der Bienen, des Zirpens der Ci-
caden und anderer, die an ihrem Orte näher behandelt
weiden sollen, den Insekten die Stimme ab. Allein ich bin
bei Betrachtung der Natur zu der Ueberzeugung gekommen,
dass ihr nichts unmöglich ist, und ich sehe nicht ein, warum
Elftes Buch. 293
es möglicher sein sollte, dass diese Thiere ohne Athem zu
holen leben, als ohne besonders dazu vorhandene Einge-
weide athmen könnten; die Möglichkeit des letztern habe
ich bei den Seethieren gezeigt, obgleich die Dichtigkeit
und Tiefe des Wassers die Luft mehr abhält. Es giebt
unter ihnen einige, welche fliegen, also in der Luft leben,
einen Sinn für Nahrung, Zeugung und Arbeit haben, sogar
für die Zukunft Sorge tragen, und diese sollten nicht
athmen? Und wer möchte nicht ohne Weiteres zugeben,
dass, obgleich ihnen die Organe, welche die Sinne gleich-
sam wie in einem Kahne zuführen, fehlen, sie -dennoch Ge-
hör, Geruch, Geschmack, und ausserdem noch andere aus-
gezeichnete Naturgaben, Klugheit, Versfand und Kunst be-
sitzen? Dass sie kein Blut haben, gestehe ich selbst ein
wie denn nicht einmal alle Landthiere solches führen; allein
etwas Aehnliches vertritt dessen Stelle. So hat die Sepie
statt des Blutes einen schwarzen Saft, das Geschlecht der
Purpurschnecken jenen bekannten Färbesaft, und auf gleiche
Weise führen auch die Insekten einen gewissen Lebens-
saft bei sich, der als ihr Blut gelten kann. So lange nun
ein Jeder in dieser Sache seine eigenen Ansichten hat, ist
es mein Vorsatz, nicht über Streitfragen zu entscheiden,
sondern die Naturgegen stände, über welche kein Zweifel
mehr obwaltet, zu beschreiben.
3.
Die Insekten scheinen, so viel sich erkennen lässt,
weder Sehnen, noch Knochen, noch Rückgrat, noch Knorpel,
noch Fett, noch Fleisch, ja nicht einmal eine zerbrechliche
Schale, wie einige Seethiere, und auch selbst keine wahre
Haut zu haben, sondern ihr Körper ist von einer zwischen
allen diesen das Mittel haltenden Beschaffenheit, gleichsam
ausgedörrt, weicher als die Sehnen, an den übrigen Theilen
aber mehr vor Gefahr geschützt als hart. Diess ist alles
was sie haben, ausserdem findet sich nichts, und nur bei
Wenigen inwendig etwas verschlungenes Eingeweide. Da-
her haben sie auch ein sehr zähes Leben, und abgerissene
Theile zucken noch lange fort. Was nun auch der Grund
294 Elftes Buch.
ihrer Lebenskraft sein mag, so liegt dieselbe doch gewiss
nicht in einzelnen Gliedern, sondern ist im ganzen Körper
verbreitet, am wenigsten jedoch im Kopfe, denn dieser
allein ist es, welcher sich nicht mehr bewegt, ausgenommen,
wenn er mit der Brust zugleich abgerissen wurde. In
keiner Klasse von Thieren giebt es Individuen mit mehr
Füssen als in dieser; und je mehr ein solches Thier Fiisse
hat, um so länger leben abgerissene Theile derselben, wie
wir z. B. an den Scolopendern wahrnehmen.
Die Insekten haben Augen, und von den übrigen
Sinnen das Gefühl und den Geschmack, einige auch Geruch,
wenige aber Gehör.
4.
Unter allen diesen Thieren nun verdienen die Bienen
mit Recht den ersten Platz und die meiste Bewunderung,
weil sie allein um der Menschen willen geschaffen worden
sind. Sie sammeln Honig, den süssesten, feinsten und heil-
samsten Saft, bilden Wachsscheiben und Wachs, welches
zu tausend Dingen nützlich ist; sind arbeitsam, vollenden
ihr Werk, haben eine Staatsverfassung, halten einzeln Rath,
stehen schaarenweise unter Führern, und, was Ober alles
geht, sie haben auch eigenthümliche Sitten. Obgleich sie
weder zahm noch wild sind, so ist doch die Macht der
Natur so gross, dass sie beinahe aus dem Schattenrisse
des kleinsten Thieres etwas Unvergleichliches hervorge-
bracht hat. Welche Nerven sollen wir mit einem solchen
Fleiss und solcher Wirksamkeit vergleichen? Welche Kräfte,
und wahrlich, welche Männer mit ihrem Verstände? Denn
sie zeichen sich hierin weit mehr aus, insofern sie nur
einen gemeinschaftlichen Zweck vor Augen haben. Unter-
suchen wir daher nicht die Frage über ihren Athem; auch
der Streit über ihr Blut mag auf sich beruhen, denn wie
viel kann wobl in so kleinen Thierchen enthalten sein?
Wir wollen vielmehr ihre Kunstfertigkeit ins Auge fassen.
5.
Im Winter sind sie verborgen, denn woher sollten sie
zur Ertragung von Reif, Schnee und kalten Winden die
Elftes Buch. 295
Kräfte hernehmen? Zwar verkriechen sich alle Insekten,
aber nicht alle auf so lange Zeit, und diejenigen, welche
sich in unsere Wände begeben, werden frühzeitiger wieder
belebt. Hinsichtlich der Bienen hat sich entweder die Be-
schaffenheit der Jahreszeiten und der Gegenden geändert,
oder die früheren Schriftsteller haben sich geirrt. Sie ver-
bergen sich beim Untergange des Siebengestirns, und bleiben
bis nach dem Aufgange desselben in Ruhe, jedoch nicht
bis zum Anfang des Frühlings, wie Mehrere behauptet
haben und was Niemand in Italien glaubt. Vor der Blttthe-
zeit der Bohnen gehen sie nicht an ihre Arbeit, und ver-
lieren, wenn der Himmel günstig ist, keinen Tag durch
Müssiggang. Zuerst bauen sie die Scheiben und bilden
das Wachs, d. h. sie machen sich Wohnungen uud Zellen.
Darauf legen sie ihre Brut, bereiten dann Honig und Wachs
aus den Blumen, Bienenharz l) aus den Thränen derjenigen
Bäume, welche einen klebrigen, gummigen oder harzigen
Saft ausschwitzen, wie die Weiden, Ulmen und Rohre.
Hiemit bestreichen sie wie mit Tünche erst den ganzen
Stock inwendig und machen dann darüber noch einen
Ueberzug mit andern mehr bittern Säften zum Schutze
gegen die Raubgier anderer kleiner Thiere, denn sie sind
sich bewusst, dass sie etwas bereiten, wonach andere
trachten. Mit diesen Säften endlich bekleiden sie auch
die weitern Oeffnungen des Stocks.
6.
Die erste Grundlage heisst bei den Sachverständigen
der Gummigroand2), die zweite das Harzwachs3), die
dritte das Stopifwachs4); letzteres liegt zwischen der
äussern Rinde und dem Wachse, und wird vielfach als
Arzneimittel angewendet. Der Gummigrund ist die erste
Kruste, und hat einen bittern Geschmack. Auf diesen
folgt das Harzwachs, eine Art weichern Wachses, womit
sie den Stock gleichsam verpichen. Aus dem mildern
*) Melligo. a) Commosis. 3) Pissoceros.
*) Propolis.
296 Elftes Buch.
Harze des Weinstocks und der Pappel wird das Stopf-
wachs, ein schon festerer Stoff, mit Zusatz von Blumen-
staub bereitet; jedoch ist es noch nicht das eigentliche
Wachs, sondern das Befestigungsmittel der Scheiben, wo-
mit alle Zugänge gegen Kälte und andere schädliche Ein-
flüsse verschlossen werden; es hat ausserdem einen so
starken Geruch, dass Viele sich desselben statt Galbanum
bedienen.
7.
Ausserdem tragen sie auch Bienenbröt1) zusammenr
welches Manche Sandarace, Andere Cerinthus nennen. Es
schmeckt ebenfalls bitter, findet sich oft in den leeren
Räumen der Scheiben, und mag wohl das Futter der Bienen
während ihrer Arbeit sein. Es wird vom Frühlingstbau-
und Baumsaft, gleich dem Gummi erzeugt. Beim Wehen
des Süd Westwindes trifft man es in geringerer Menge, beim
Südwinde ist es schwärzer, beim Nordwinde besser und
von röthlicher Farbe, und am häufigsten findet man es an
den Mandeln 2). Menecrates3) sagt, es sei eine Blume4)
und zeige die kommende Erndte an, aber Niemand anders
ist dieser Meinung.
8.
Die Bienen bereiten das Wachs aus den Blüthen
aller Bäume und Felder, mit Ausnahme des Rumex und-
Echinops, zwei Kräutern. Aber mit Unrecht nimmt man
auch das Spartum aus, da doch der Honig, welcher in den
mit dieser Pflanze in Spanien bebaueten Plätzen 5) erhalten
wird, stark nach derselben schmeckt. Für ebenso falsch
halte ich es, die Oelbäume auszuschliessen, da bekanntlich
zu der Zeit, wo dieselben hervorbrechen, die Bienen am
l) Erithace. 2) Nuces graecae.
3) Dies ist wahrscheinlich nicht der in dem Autorverzeichnisse
des VIII. B. vorkommende Dichter, sondern der unter Tiberius zu
Rom lebende Arzt. Erfinder des Bleiglättepflasters.
4) Es ist vielmehr der Blumenstaub, den Plinius oft mit dem
Namen flos bezeichnet.
5) Spartaria.
Elftes Buch. 297
meisten schwärmen. Den Früchten thun sie keinen Schaden-
Sie setzen sich weder anf abgestorbene Blüthen, noch auf
dergleichen Körper. Ihr Wirkungskreis erstreckt sich auf
60 Schritte, und wenn zuweilen alle Blumen in ihrer Nähe
ausgesogen sind, so senden sie Kundschafter aus, um in.
grösserer Entfernung Futter aufzusuchen. Werden sie auf
ihrer Reise von der Nacht tibereilt, so schlafen sie auf dem
Rücken liegend, um die Flügel vor dem Thaue zu schützen.
9.
Einen merkwürdigen Beweis, wie weit die Liebhaberei
für diese Thiere geht, liefert der Solenser Aristomachus *),
der sich 58 Jahre lang mit nichts weiter beschäftigte, so-
wie der Thasier Philiscus 2), der in der Einsamkeit Bienen-
zucht trieb, und deshalb den Zunamen „der Wilde" 3) er-
hielt. Beide haben über die Bienen geschrieben.
10.
Folgendes ist der Gang ihrer Arbeiten. Am Tage
stellen sie, gleichwie in einem Lager, eine Wache an den
Zugängen auf, des Nachts ruhen sie bis zum Morgen, wo
eine die andern durch ein- oder zweimaliges Summen wie
durch eine Trompete aufweckt. Sodann fliegen sie, wenn,
ein milder Tag bevorsteht, alle heraus; denn sie haben ein
Vorgefühl von Wind und Regen, und halten sich in solchem
Falle in ihren Wohnungen. Wenn nun bei heiterm Himmel
(denn auch diess wissen sie vorher) der Schwärm zur Ar-
beit hinausgezogen ist, so tragen einige an den Füssen
Blumen 4) herbei, andere im Munde Wasser und Tropfen
an ihrem behaarten Körper. Die jungen unter ihnen gehen-
zur Arbeit heraus und tragen das Obengenannte zusammen,
die altern arbeiten innerhalb. Diejenigen, welche Blumen
herbeitragen, beladen mit den Vorderfüssen die Hinter-
schenkel, welche zu diesem Behufe rauch sind, die Vorder-
') Nicht näher bekannt.
2) Nicht näher bekannt. 3) agrius.
4) Wie schon im 7. Cap. angedeutet wurde, versteht Plinius hier
unter flos den Bluraenstaub.
298 Elftes Buch.
beine aber durch Hülfe des Rüssels, und so kehren sie
ganz belastet und von der Bürde ganz gekrümmt zurück.
Drei oder vier andere empfangen und entladen sie, denn
auch innerhalb des Stocks sind die Arbeiten vertheilt.
Einige nämlich bauen, andere glätten, andere tragen her-
bei, noch andere bereiten aus dem, was herbeigeschafft
wurde, Speise. Sie fressen auch nicht einzeln, damit keine
Ungleichheit in der Arbeit, im Fressen und in der Zeit
entsteht. Sie beginnen den Bau von der Wölbung des
Stocks an, führen also gleichsam ihr Gewebe von oben
herab aus, lassen aber um jedes Stockwerk 2 Wege frei,
einen zum Ein-, den andern zum Ausgange. Die Scheiben
sind oben befestigt, hängen auch an den Seiten etwas fest,
und schweben so; den Stock selbst berühren sie nicht. Sie
sind bald schief, bald rund, wie es gerade die Form des
Stocks mit sich bringt; zuweilen findet man sie auch von
zweierlei Art, wenn zwei Schwärme zwar einträchtig mit
einander leben, aber verschiedene Gebräuche haben. Das
dem Einstürze nahe Wachs stützen sie durch vom Boden
aufgewölbte Reihen von Pfeilern, dergestalt, dass ihnen
der Zugang zum Ausbessern nicht versperrt wird. Etwa
die drei ersten Zellenreihen werden leer gelassen, damit
•das, was die Diebe reitzt, nicht gerade vor Augen liegt;
die letzten dagegen werden am meisten mit Honig ange-
füllt, und daher nimmt man auch die Scheiben von der
hintern Seite des Stockes aus. Die Lastbienen warten
günstigen Wind ab; entsteht ein Sturm, so halten sie sich
durch das Gewicht eines ergriffenen Steinchens im Gleich-
gewichte; Einige sagen, sie nähmen ihn auf die Schultern.
Bei widrigem Winde fliegen sie dicht an der Erde und
vermeiden dabei vorsichtig die Dornsträucher. Zu bewun-
dern ist ihre strenge Ordnung bei der Arbeit. Sie be-
merken die Trägheit der Säumigen, züchtigen sie, und be-
strafen sie mit dem Tode. Ebenso viele Bewunderung ver-
dient ihre Reinlichkeit. Sie schaffen alles Unnütze bei
Seite, und nirgends bleibt etwas Unreines liegen. Ja so-
vgar der Unrath der inwendig Arbeitenden wird an einem
Elftes Buch. 299
Ort zusammengebracht, damit sie sich nicht weit von der
Arbeit zu entfernen brauchen, und an trüben Tagen oder
wenn die Arbeit ruhet hinausgeschafft. Wenn der Abend
nahet, wird das Geräusch im Stocke immer schwächer, bis
endlich eine mit demselben Gesumse, womit sie des Morgens
weckt, darin herumfliegt, und ebenfalls, wie im Lager, gleich-
sam Ruhe gebietet. Hierauf werden alle plötzlich still.
Zuerst bauen sie die Wohnungen für das Volk, nachher
für die Könige *). Wenn auf eine zahlreiche Nachkommen-
schaft zu hoffen ist, bauen sie noch besondere Behältnisse
für die Drohnen. Die Zellen der letztern sind am kleinsten,
obgleich sie selbst grösser als die übrigen Bienen sind.
11.
Die Drohnen2) haben keinen Stachel; sie sind gleich-
sam unvollkommene Bienen, zuletzt von den ermüdeten
und ausgedienten erzeugt, eine spätere Brut, und gleichsam
in der Sclaverei der eigentlichen Bienen; daher herrschen
diese über sie, treiben sie zuerst zur Arbeit an, und strafen
die saumseligen ohne Erbarmen. Und nicht bloss bei der
Arbeit, sondern auch beim Brüten stehen sie ihnen bei, in-
dem sie durch ihre Menge viel zur nöthigen Wärme bei-
tragen, denn je grösser ihre Anzahl, um so grösser wird
auch die Nachkommenschaft. Wenn der Honig anfängt zu
reifen, so treiben sie dieselben hinaus, und viele fallen
Über einzelne her und tödten sie. Man sieht auch diese
Art nur im Frühjahre. Wird eine Drohne, nachdem ihr die
Flügel ausgerissen sind, wieder in den Stock geworfen, so
nimmt sie sie den übrigen auch.
12.
Ihren künftigen Herrschern erbauen sie im innersten
*) Worunter die Königinnen zu verstehen sind, von denen
aber in einem jeden Stocke nur eine einzige ist.
2J Fuci. Diese haben keine andere Bestimmung als sich mit der
Königin zu paaren. Sie sterben entweder gleich nach der Begattung,
oder müssen verhungern, und die übriggebliebenen werden von den
Arbeitern umgebracht. In einem grossen Stocke befinden sich gegen
700 Drohnen und 10.000 Arbeiter.
300 EUtes Buch.
Theile des Stocks weite, prächtige, abgesonderte, auf einem»
Hügel hervorragende Paläste; wenn dieser Hügel gedrückt
wird, so entsteht keine Brut. Alle Zellen sind sechseckig,,
weil sie an jeder Ecke mit einem Fusse arbeiten. Keine
ihrer Arbeiten geschieht in einer bestimmten Zeit, sondern
sie eilen mit denselben an heitern Tagen, und füllen in
1 oder höchstens 2 Tagen die Zellen mit Honig an. Der
Honig kommt aus der Luft, und entsteht am meisten beim
Aufgange der Gestirne, besonders aber wenn der Sirius-
leuchtet, und nie vor dem Aufgange des Siebengestirns,,
gegen Tagesanbruch. Daher findet man beim Beginn der
Morgenröthe die Blätter der Bäume mit Honigthau bedeckt;
und diejenigen, welche früh Morgens unter freiem Himmel
verweilten, finden ihre Kleider von jener Feuchtigkeit durch-
drungen und ihre Kopfhaare zusammengeklebt. Mag diess
nun entweder ein Schweiss des Himmels, oder ein speichel-
artiger Ausfluss der Sterne, oder ein Saft der sich reinigen-
den Luft sein, so wäre zu wünschen, dass er eben so rein
und flüssig und von derselben Beschaffenheit wäre, wie er
zuerst ausfliesst; so aber fällt er aus einer bedeutenden
Höhe herab, ist, wenn er ankommt, sehr mit Schmutz be-
laden, und durch die ihm entgegenkommenden Ausdünstungen
der Erde verdorben. Ausserdem hat er vom Laube und
Grase Feuchtigkeit angenommen, und wird in den Magen
der Bienen (denn sie geben ihn durch den Mund wieder
von sich) gebracht; dazu kommt noch, dass er durch den
Saft der Blumen verdorben und in den Bienenstöcken ver-
ändert ist, und, trotz seiner so vielfachen Veränderung,
bringt er doch noch einen grossen Theil himmlischen Natur
mit sich.
13.
Derjenige Honig ist der beste, welcher in den Honig-
gefässen l) der besten Blumen verborgen war. Hieher ge-
hört der aus einer Gegend Attika's und Sicilien's, nämlich
Doliolum.
Elftes Buch. 301
■von den Orten Hymettus und Hybla; dann folgt der von
der Insel Calydna. Anfänglich aber ist der Honig dünn
wie Wasser, und in den ersten Tagen braust er wie Most
und reinigt sich; mit dem zwanzigsten Tage wird er dick,
und bald darauf überzieht er sich mit einer dünnen Haut,
die von dem durch die Hitze entstandenen Schaume ent-
steht. Der beste und am wenigsten mit Blatttheilen ver-
unreinigte wird von den Blättern der Eichen, Linden und
der Rohrpflanzen gewonnen.
14.
Die Güte des Honigs hängt, wie wir oben gesagt
haben, besonders vom Vaterlande, und zwar auf verschiedene
Weise ab. Denn an einigen Orten sind die Wachsscheiben
von vorzüglicher Schönheit, wie im Pelignischen und in
^icilien; anderswo wird mehr Honig gewonnen, z. B. in
Creta, Cypern, Afrika; in noch andern Gegenden sind sie
von bedeutender Grösse, wie z. B. im Norden, wie man
denn schon in Deutschland Scheiben von 8 Fuss Länge,
die auf der hohlen Seite schwarz waren, gesehen hat.
Ueberall unterscheidet man jedoch 3 Arten Honig: den
Frühlingshonig, wenn der Bau der Scheiben aus Blumen
gemacht ist, daher er auch Blumenhonig1) genannt wird.
Einige wollen nicht, dass man diesen ausnehmen soll, da-
mit die junge Brut durch reichliche Nahrung kräftig werde.
Andere lassen hingegen den Bienen von keiner Sorte
weniger, weil sie glauben, dass alsdann beim Aufgange
der grossen Gestirne eine desto reichlichere Erndte erfolge.
Uebrigens ist zur Zeit des Solstitiums, wenn der Thymian
und Weinstock zu blühen anfangen, der vorzüglichste Stoff
•für die Zellen vorhanden. Beim Schneiden der Stöcke ist
es nothwendig, eine gewisse Eintheilung zu beobachten,
weil die Bienen bei Mangel an Nahrung den Muth ver-
lieren, sterben oder wegziehen, dahingegen Ueberfluss sie
träge macht, und sie sich alsdann vom Honig und nicht
') Anthirmm.
302 Elftes B«ch-
vom Bienenbrote nähren. Daher lassen aufmerksame Bienen-
wärter ihnen den 15. Theil dieser Erndte zurück. Der
richtige Zeitpunkt zum Beginne der Erndte ist, wie durch
ein Naturgesetz bestimmt, wenn die Menschen es nur wissen
und beobachten wollten, der 30. Tag vom Ausfluge des
Schwanns angerechnet, die Erndte fällt also ungefähr in
den Monat Mai.
Die zweite Sorte ist der Sommerhonig, der von seiner
vorzüglichen Reife „der reife" l) genannt wird; man sammelt
ihn, wenn der Sirius scheint, ungefähr 30 Tage nach dem
Solstitium. Hiebei zeigt sich eine unendliche Genauigkeit
der Natur, wenn nur die Arglist der Menschen nicht alles
verdürbe und verschlechterte; denn nach dem Aufgange
eines jeden Gestirns, besonders aber der bedeutendem oder
nach einem Regenbogen, falls kein Platzregen darauf folgt,,
sondern der Thau durch die Sonnenstrahlen erwärmt wird
bekommt man keinen Honig, sondern Heilmittel als himm-
lische Geschenke bei Augenübeln, Geschwüren und für die
innern Eingeweide. Wenn diese beim Aufgange des Sirius
gesammelt werden, und zufällig, wie es sich oft ereignet,.
der Aufgang der Venus, des Jupiter oder des Mercur auf
denselben Tag fällt, so würde es kein angenehmeres und
kräftigeres Mittel, um die Sterblichen vor tödtlichen Uebeln
zu bewahren, geben als dieser göttliche Nectar.
15.
Der Honig wird beim Vollmonde reichlicher, und an
einem heitern Tage fetter gewonnen. Von jeder Honigsorte
heisst das, was schon von selbst wie Most und Oel fliesst,
acetum 2). Sehr geschätzt wird aller röthliche Sommer-
honig, sowie der an trocknen Tagen erzeugte. In hohem
Ansehen steht der aus Thymian bereitete, welcher eine
goldgelbe Farbe und einen sehr angenehmen Geschmack
besitzt. Der in den Honiggefässen der Blumen befindliche
ist fett; der vom Rosmarin, dick. Welcher dick wird, findet
') copaTov.
2) Vom griechischen uxtjtov das beste, reinste.
Elftes Buch. 303
keinen Beifall. Der Thymianhonig gesteht nicht, und lässt
sich in dünne Fäden ziehen, welche Eigenschaft der beste
Beweis seiner Güte ist. Wenn sieh aber die Tropfen so-
gleich losreissen und abfallen, so zeigt diess seine schlechte
Beschaffenheit an. Ein zweites Kennzeichen seiner Aecht-
heit ist, dass er angenehm riecht, süsslich scharf schmeckt,
klebt und durchscheint. Cassius Dionysius *) sagt, man
solle bei der Sommerhonigerndte den Bienen den zehnten
Theil zurücklassen wenn der Stock voll ist, und so nach
Verhältniss weniger wenn er nicht ganz voll ist; sei er
aber fast leer, so solle man nichts herausnehmen. Die
Attiker geben als Zeitpunkt für diese Erndte den Anfang
der Feigenreife, Andere aber den dem Vulkan geheiligten
Tag an.
Die dritte, am wenigsten geachtete Sorte ist der Wald-
oder sogenannte Haidhonig: Er wird nach den ersten Herbst -
schauern, wenn bloss noch die Myrice in den Wäldern
blüht, gesammelt, und sieht daher sandig aus. Er ent-
steht hauptsächlich beim Aufgange des Arcturs gegen den
11. September. Einige verschieben das Schneiden des
Sommerhonigs bis zum Aufgange des Arcturs, weil von da
an bis zum Herbst-Aequinoctium noch 14 Tage übrig sind,
und vom Herbst-Aequinoctium bis zum Untergange des
Siebengestirns 48 Tage hindurch die meiste Erice blüht.
Die Athenienser nennen dieselbe Tamarice, die Euböenser
Sisirum, und glauben, sie sei den Bienen am liebsten,
vielleicht aber nur deshalb, weil um diese Zeit kein an-
deres Futter in reichlicher Menge vorhanden ist. Diese
Honigerndte findet daher gegen Ende der Weinlese und
den Untergang des Siebengestirns, etwa am 13. November
statt. Ein richtiges Urtheil lehrt, von dieser Erndte den
Bienen 2 Theile, und zwar immer denjenigen Theil der
Scheiben, welche das Bienenbrot enthalten, zurückzulassen.
') Von Utica, übersetzte ein Werk des Puniers Mago über den.
Ackerbau ins Lateinische.
304 Elftes Buch.
Vom kürzesten Tage an bis zum Aufgange des Arcturus,
♦60 Tage lang, nehmen sie keine Nahrung zu sich, sondern
schlafen. Vom Aufgange des Arcturus bis zum Frühlings-
Aequinoctium wachen sie zwar schon in wärmeren Gegen-
den, allein auch dann bleiben sie noch im Stocke zurück,
und nähren sich von der für diese Zeit aufbewahrten
Speise. In Italien aber thun sie diess vom Aufgange des
Siebengestirns an, denn bis dahin schlafen sie.
Einige wägen die Stöcke beim Schneiden des Honigs,
und bestimmen dadurch, wie viel sie darin lassen sollen.
Dieses Verfahren macht sich selbst noth wendig, denn, wie
-man behauptet, sterben die Stöcke aus, wenn man den
Bienen zu wenig lässt. Vor allem wird vorgeschrieben,
dass diejenigen, welche den Honig schneiden wollen, sich
zuvor waschen und reinigen. Einen Dieb, sowie Weiber
während ihrer monatlichen Reinigung hassen sie. Wenn
•der Honig geschnitten werden soll, verjagt man die Bienen
am besten durch Rauch, damit sie nicht zornig werden
oder selbst begierig mitfressen. Durch häufiges Räuchern
werden auch die Faulen unter ihnen zur Arbeit getrieben;
denn wenn sie lange still sitzen, machen sie die Scheiben
schmutzig. Andererseits werden sie durch zu viel Rauch
krank, und ihre Krankheit äussert sogleich auf den Honig
einen nachtheiligen Einfluss, denn dieser wird selbst durch
die geringste Menge Thau sauer. Daher hat man unter
den Honigsorten eine, welche ungeräucherte genannt wird.
16.
Auf welche Weise die Bienen sich fortpflanzen,
diess ist unter den Gelehrten eine grosse und schwierige
Frage gewesen; denn noch nie hat man ihre Begattung be-
obachtet. Mehrere glaubten sie müssten aus zweckmässig
und geschickt zusammengesetzten Blüthen gebildet sein.
Andere nehmen an, sie entständen durch die Begattung
einer einzigen, der in jedem Schwärme der König genannt
wird. Dieser allein sei männlichen Geschlechts, und aus-
nehmend gross, damit er nicht müde werde. Ohne ihn
könne daher keine Brut entstehen, und die übrigen Bienen
Elftes Buch. 305
begleiteten ihn, wie die Weibchen ihr Männchen, nicht aber
als ihren Anführer. Allein diese sonst wahrscheinliche
Meinung wird durch das Vorkommen der Drohnen ent-
kräftet; denn warum sollten aus ein und derselben Gattung
einige vollkommen, andere aber unvollkommen hervorgehen?
Wahrscheinlicher würde die erstere Meinung sein, wenn
ihr nicht wiederum eine andere Schwierigkeit entgegenträte.
Es entstehen nämlich zuweilen an den äussersten Scheiben
grössere Bienen, welche die übrigen verjagen. Bremse x)
heisst diess schädliche Thier. Wie entsteht nun dieses,
wenn die Bienen nur sich selbst erzeugen?
Soviel weiss man, dass sie nach Art der Hühner brüten.
Das ausgeschlüpfte Thierchen erscheint zuerst als ein
weisser Wurm, der in der Quere liegt, und so festhängt,
dass er wie ein Theil des Wachses aussieht. Der König
hat gleich anfänglich eine Honigfarbe, als wenn er aus den
Besten Blumen unter dem ganzen Vorrathe gemacht wäre,
und ist kein Wurm, sondern sogleich geflügelt. Wenn die
vom übrigen Haufen anfangen, ihre eigentliche Gestalt zu
bekommen, werden sie Nymphen genannt, sowie die Drohnen
dann Sirenen oder Cephenen heissen. Wenn man einer
dieser Arten den Kopf abreisst, bevor sie Flügel haben
so sind sie den Müttern das liebste Futter. Im Verlaufe
der Zeit bringen sie ihnen Nahrung bei, sitzen über ihnen
und summen dann am meisten, um (wie man glaubt) die
zur Ausbrütung der Jungen nöthige Wärme zu erregen, bis
endlich der ganze Schwärm die Häute, welche jeden ein-
zelnen wie eine Eierschale umschliesst, durchbricht und
zum Vorschein kommt. Alles diess wurde auf dem Land-
gute eines Consulars bei Rom beobachtet, der seine Stöcke
aus durchsichtigem Laternenhorne hatte machen lassen.
Die Brut wird innerhalb 45 Tagen vollständig entwickelt 2j .
In einigen Scheiben entsteht eine sogenannte Warze3) von
x) Gestrus.
2) Es sind bloss zwanzig und einige Tage dazu nöthig.
3) Clavus.
Wittstein: Plinius. II. Bd. 20
306 Elftes Buch.
der Härte des bittern Wachses, wenn sie entweder wegen>
Krankheit oder Trägheit oder natürlicher Unfruchtbarkeit
die Brut nicht zur rechten Zeit ausführen; es ist diess die
Fehlgeburt der Bienen. Sobald die Jungen ausgeführt sind,,
arbeiten sie in einer gewissen Ordnung mit den Müttern *)*
Den jungen König begleitet ein ähnlicher Schwärm.
Mehrere Könige werden zugleich ausgebildet, damit
es nicht daran fehle. Wenn später die Nachkommen von
diesen anfangen heranzuwachsen, so tödtet man durch ein-
stimmigen Beschluss die schlechtesten , damit sie die
Schwärme nicht zertheilen. Es giebt aber zwei Arten von
ihnen; die röthliche ist besser als die schwarze und bunte.
Alle haben stets eine ausgezeichnete Gestalt, sind doppelt
so gross als die übrigen Bienen, haben kürzere Flügel, ge-
rade Beine, einen höhern Gang, und an der Stirn einen
weisslicben diademähnlichen Fleck. Auch unterscheiden
sie sich durch ihren Glanz bedeutend von den gemeinen
Bienen.
17.
Möchte nun wohl noch Jemand fragen, ob es nur einen
Herkules, wie viele Bacchus und andere unter dem Schutt
des Alterthums vergrabene Dinge es gegeben habe? Sind
doch die Schriftsteller bei einem so geringfügigen, auf un-
sein Landgütern im Ueberfluss vorhandenen Gegenstände
nicht einig, ob nämlich der König allein keinen Stachel
besitze, und bloss mit seinem königlichen Ansehen be-
waffnet sei, ob ihm die Natur zwar einen gegeben, aber
den Gebrauch desselben versagt habe. Man weiss wenig-
stens, dass er sich des Stachels nicht bedient, Bewunder-
ungswürdig ist der Gehorsam, den das Volk ihm erweist^
Wenn er aus dem Stocke geht, begleitet ihn der ganze
Haufe, hängt sich kugelförmig um ihn herum, schützt ihnr
und lässt ihn nicht sehen. Während der übrigen Zeit, wenn
') Plinius meint hier die Arbeiter; sie sind zwar weiblichen Ge-
schlechts, allein ihre Eierstöcke enthalten keine Eier und sind daher
unfruchtbar.
Elftes Buch. 3Q7
das Volk beschäftigt ist, besucht er im Innern die einzelnen
Arbeiten gleich einem Aufmunternden, thut aber selbst
nichts weiter. Um ihn sind einige Trabanten und Lictoren,
die beständig sein Ansehen bewachen. Er kommt nicht
eher heraus, bis der ganze Schwärm im Begriff ist, den
Stock zu verlassen. Diess kann man lange vorher merken,
indem einige Tage hindurch ein starkes Summen im Stocke
stattfindet, ein Zeichen, dass sie zum Ausziehen bereit sind
und nur einen passenden Tag abwarten. Wenn man dem
Könige einen Flügel abschneidet, geht der Schwärm nicht
fort. Wenn sie aber ausgezogen sind, so wünscht jede ihm
am nächsten zu sein, und in ihrem Dienste von ihm be-
merkt zu werden. Ist er ermüdet, so unterstützen sie ihn
mit ihren Schultern, und fühlt er sich noch mehr ermattet,
so tragen sie ihn ganz. Wenn eine ermüdete nicht mit-
kommen kann, oder sich verirrt hat, so folgt sie dem Ge-
rüche. Ueberall wo der König sich niedersetzt, schlagen
sie alle ihr Lager auf.
18.
Die Bienen dienen zu Vorbedeutungen in öffent-
lichen und Privat - Angelegenheiten. Wenn sie nämlich
traubenförmig an Häusern oder Tempeln hängen, so deutet
diess oft grosse Ereignisse an. So setzten sie sich auf den
Mund des Plato, als er noch Knabe war, und kündigten
dadurch die Anmuth seiner Beredsamkeit an. Sie setzten
sich im Lager des Feldherrn Drusus nieder, als bei Arbalon
glücklich gestritten war, ungeachtet der Auslegung der
Wahrsager, welche diess immer für ein böses Zeichen hielten.
Wenn der Führer gefangen ist, hält der ganze Schwärm
an; ist er aber verloren gegangen, so zerstreuet sich der
Schwärm und schliesst sich einem andern an, denn ohne
König können sie nicht sein. Ungern tödten sie dieselben,
wenn ihrer mehrere sind, und zerstören lieber die Baue
ihrer Brut, wenn sie Mangel an Nahrung befürchten; in
diesem Falle treiben sie auch die Drohnen aus. Obgleich
ich sehe, dass man über diese noch im Zweifel ist, indem
Einige sie für ein eigenes Geschlecht halten, sowie die
20*
308 Elftes Buch.
Diebesbienen, welche die grössten unter jenen, aber von
schwarzer Farbe sind, einen breiten Bauch haben, und des-
halb so genannt werden, weil sie heimlicher Weise den
Honig wegfressen — so ist doch so viel ausgemacht, dass
die Drohnen von den übrigen Bienen umgebracht werden.
Diese haben keinen Konig; allein, wie sie ohne Stachel
geboren werden, bleibt noch unentschieden.
In einem feuchten Frühjahre gedeihet die Brut besser,
in einem trocknen erhält man mehr Honig. Wenn es in
einem oder dem andern Stocke an Nahrung fehlt, machen
dessen Bewohner einen Angriff auf die benachbarten, um
zu rauben. Allein diese rüsten sich gegen jene zum Kampfe,
und wenn ein Bienenwärter zugegen ist, wird er von der-
jenigen Partei, welche merkt, dass er es mit ihr hält, nicht
überfallen. Sie kämpfen auch oft aus andern Ursachen
miteinander, und zwei Feldherren ordnen die gegenein-
ander stehenden Heere. Meistens entsteht der Streit beim
Einsammeln der Blumen, wobei denn eine jede Biene ihre
Genossen zu Hülfe ruft. Man kann ihu durch Einwerfen
von Staub oder durch Rauch aufheben, aber durch Milch
oder Meth sie wieder versöhnen.
19.
Es giebt auch Land- und Waldbienen von hässlichem
und rauhem Ansehen, die viel jähzorniger, aber im Fleiss
und Bauen besser sind. Von den Stadtbienen giebt es
2 Arten; die besten sind kurz, bunt, rundlich und gedrungen;
die schlechten lang und den Wespen ähnlich, und die
schlechtesten unter ihnen behaart. Am Pontus giebt es
weisse Bienen, welche in jeden Monate 2 mal Honig be-
reiten. Am Flusse Thermodon *) hat man 2 Arten, von
denen die eine den Honig in Bäumen, die andere ihn unter
der Erde ansammelt; sie bauen 3 Scheiben Wachs über
einander, und geben eine sehr reiche Ausbeute.
Die Natur hat den Bienen den Stachel am Bauche be-
l) In Cappadocien.
Elftes Buch. 309
festigt. Einige glauben, dass sie nach einem Stiche, den
sie damit gemacht haben, sogleich stürben-, Andere sind
der Meinung, der Tod erfolge nur dann, wenn sie so stark
gestochen hätten , dass ein Theil ihrer Eingeweide mit
herauskäme, aber dann würden sie Drohnen, könnten
keinen Honig mehr bereiten, und hörten, gleichsam ihrer
Kräfte beraubt, auf zu schaden und zu nützen. Man hat
Beispiele, dass sie Pferde todtgestochen haben.
Sie hassen üble Gerüche, und fliehen weit davor, aber
auch künstlich bereitetes Parfüm ist ihnen zuwider. Daher
verfolgen sie diejenigen, welche nach Salben riechen; sie
selbst sind den Angriffen der meisten Thiere ausgesetzt.
Es befinden sich nämlich unter ihnen Afterarten ihres Ge-
schlechts, die Wespen l) und Hornisse2), und sogar vom
Geschlechte der Mücken die sogenannten Mulionen. Auch
die Schwalben und einige andere Vögel richten Verheer-
ungen unter ihnen an. Wenn sie nach Wasser fliegen,
ihrer Hauptbeschäftigung während der Blütezeit, stellen
ihnen die Frösche nach, und unter letztern nicht nur die,
welche in Seen und Bächen sitzen, sondern auch die Laub-
frösche kommen herbei, kriechen an die Oeffnungen der
Stöcke und blasen hinein; hierauf fliegen sie heraus, und
werden sogleich weggeschnappt. Die Frösche sollen die
Stiche der Bienen nicht fühlen. Auch die Schafe sind ihre
Feinde, weil sie sich aus ihrer Wolle nur mit Schwierig-
keiten herauswickeln können. Schon vom Gerüche der
Krebse, die in ihrer Nähe gekocht werden, sterben sie.
20.
Die Bienen unterliegen von Natur sogar gewissen
Krankheiten. Anzeigen derselben sind eine träge Traurig-
keit, wenn andere sie vor die Oeffnungen des Stocks in
Sonnenwärme bringen und füttern, wenn sie die Todten
hinausschaffen, und gleich Leidtragenden die Leichen be-
gleiten. Ist der König von einer solchen Krankheit hin-
l) Vespae. Vespa vulgaris. 2) Crabrones. Vespa Crabro.
310 MÜea Buch.
weggerafft, so trauert das ganze Volk, arbeitet vor Schmerz
nicht, trägt keine Nahrung zusammen, geht nicht heraus,
und hängt sich unter traurigem Summen kugelförmig um
seinen Körper herum. Daher treibt man den Schwärm
auseinander, und schafft den todten König bei Seite, denn
so lange sie ihn vor Augen haben, mindert sich ihre Trauer
nicht. Und selbst dann noch sterben sie vor Hunger, wenn
man ihnen nicht zu Hülfe kommt. Ihre Gesundheit erkennt
man daher an ihrer Munterkeit und ihrem Glänze. Auch
in ihren Arbeiten zeigen sich mitunter Fehler; wenn sie
ihre Scheiben nicht füllen, so nennt man diess Ciaron, wenn
sie keine Brut zu Stande bringen, Blapsigonie.
21.
Nacht heilig ist ihnen ferner das durch einen Schall
entstehende Echo, das durch seine Wiederholung diese
furchtsamen Thiere erschreckt; ebenso der Nebel. Unter
ihre grössten Feinde gehören auch die Spinnen; wenn diese
so viel Kraft haben, dass sie die Oeffnungen überspinnen
können, so tödten sie ganze Schwärme. Selbst der träge
und wenig geachtete Schmetterling, welcher nach brennen-
den Lichtern hinfliegt, wird ihnen auf mehr als eine Weise
schädlich; denn er frisst nicht nur das Wachs und hinter-
lässt seinen Unrath, aus welchem sich Würmer *) erzeugen,
sondern er überzieht auch alles, wohin er gekrochen ist,
mit spinnartigen Fäden, und besonders mit der wolligen
Bedeckung seiner Flügel. Auch selbst im Holze erzeugen
sich Würmer, welche namentlich dem Wachse nachgehen.
Ferner ist ihnen die allzugrosse Fressbegierde schädlich,
besonders im Frühjahre, wenn sie von Blumen leben; denn
sie leiden dann am Durchfalle. — Durch Oel werden nicht
nur die Bienen, sondern auch alle Insekten getödtet, be-
sonders wenn man ihnen den Kopf damit bestreicht und
sie dann an die Sonne legt. Zuweilen sind sie selbst
Schuld an ihrem Tode, sie fressen nämlich gierig den Honig,
wenn sie merken, dass er herausgenommen werden soll.
') Teredines.
Elftes Buch. 311
flJebrigens sind sie sehr massig und jagen die Verschwen-
der und Fresser, ebenso wie die Faulen und Trägen fort.
Ihr eigner Honig ist ihnen sogar nachtheilig, und sie
sterben, wenn man ihnen den Rücken damit bestreicht.
So vielen Feinden und Unfällen (und welche geringe Zahl
habe ich davon erwähnt) ist ein so nützliches Thier ausge-
setzt! Die Htilfsmittel werde ich am gehörigen Orte an-
führen 1), denn jetzt soll bloss von den Naturgegenständen
die Rede sein.
22.
Sie ergötzen sich an dem Klange des Erzes, und werden
dadurch herbeigelockt. Hieraus ergiebt sich genügend, dass
sie den Sinn des Gehörs haben. Ist ihr Bau beendigt, die
Brut ausgeführt, und sind alle ihre Geschäfte abgemacht,
-so halten sie feierliche Uebungen. Sie spazieren im Freien
herum, steigen in die Höhe, machen Kreise im Fluge, und
kehren endlich zum Fressen zurück. Sie leben, wenn sie
allen Feinden und Zufällen glücklich entgehen, längstens
7 Jahre. Ein Stock soll nie über 10 Jahre gedauert haben.
Einige glauben, todte Bienen könnten wieder aufleben,
wenn man sie den Winter über im Hause bewahrte, dann
an der Frühlingssonne dörrte, und einen ganzen Tag lang
in Asche vom Feigenbaume erwärmte.
23.
Sind Bienen ganz verloren gegangen, so soll man
deren durch frische mit Mist bedeckte Stierwänste wieder
herstellen können; nach Virgil auch durch den todten
Körper junger Stiere, sowie durch Pferde die Wespen und
Hornisse, durch Esel die Käfer, indem die Natur Einiges
^von jenen in diese verwandelt. Aber von allen diesen
Insekten kann man auch die Begattung beobachten; und
•doch ist ihre Brut von derselben Beschaffenheit als die der
Bienen.
24.
Die Welpen bauen ihre Nester hoch aus Lehm, und
*) XXI. B. 42. €.
312 Elftes Buch.
bereiten darin die Wachsscheiben; die Hornisse in
Höhlungen oder unter der Eide. Die Zellen aller dieser
Thiere sind sechseckig und haben einen spinngewebeartigen
Ueberzug. Die Brut kommt zu ungleicher Zeit und wild
durcheinander, denn ein Theil davon fliegt aus, während
ein anderer noch Nymphe und ein dritter noch Wurm ist..
Alles diess geschieht aber im Herbste, nicht im Frühjahre..
Beim Vollmonde wachsen sie am schnellsten. Die Wespen,,
welche Ichneumons *) heissen (sie sind kleiner als die
übrigen), tödten eine Art Spinnen, die sogenannten Pha-
langen, tragen sie in ihie Nester, bestreichen sie dann,
und bringen aus ihnen durch Brüten ihr eigens Geschlecht
hervor. Ausserdem nähren sie sich alle von Fleisch, und.
unterscheiden sich hierin von den Bienen, welche keinen
thierischen Körper berühren. Die Wespen aber jagen den
grössern Fliegen nach, beissen ihnen den Kopf ab, und
bringen den übrigen Körper bei Seite. Die Waldhornisse
wohnen in hohlen Bäumen, verkriechen sich, gleich den
übrigen Insekten, im Winter, und bringen ihr Leben nichtr
über 2 Jahre. Ihr Stich hat gewöhnlich ein Fieber zur
Folge. Einige Schriftsteller geben an, dass von 27 Stichen
ein Mensch getödtet werde. Von andern minder gefähr-
lichen giebt es 2 Arten, nämlich die Arbeiter, welche
kleiner sind und im Winter sterben, und die Mütter, welche
2 Jahre leben; auch sind sie milder als jene. Ihre Nester,
die sie im Frühlinge bauen, haben gewöhnlich 4 Oeffnungen,
und in ihnen werden die Arbeiter erzeugt. Sind diese aus-
geführt, so bauen sie noch grössere Nester, in welchen sie-
die künftigen Mütter ausbringen. Dann verrichten die-
Arbeiter schon ihre Dienste und füttern jene. Die Mütter
sind breiter, und es ist noch zweifelhaft, ob sie Augen
!) Diess ist die Afterwespe, Sphex sabulosa L. Die Weibchen
derselben graben Höhlen in die Erde, schleppen eine grosse Spinne
hinein, legen ein Ei dazu und werfen das Loch wieder zu. Alsdann
saugt die ausgekrochene Larve der todten Spinne den Saft zum
Gespinnste aus, aus welchem sie sich selbst ein Verwandlungsge-
häuse spinnt.
Elftes Buch. 313:
haben, weil sie nie herausgehen. Auch sie haben ihre
Drohnen. Einige sind der Meinung, dass allen diesen
Thieren im Winter die Stacheln ausfallen. Weder bei den
Hornissen noch bei den Wespen trifft man Könige oder
ganze Schwärme, sondern ihre Anzahl erneuert sich nach
und nach durch junge Brut.
25.
Die vierte Gattung dieser Thiere ist die der Seiden-
spinner1); sie ist in Assyrien einheimisch und grösser
als die obenbeschriebenen. Sie bauen ihre Nester aus
Lehm und einer Art Salz, befestigen sie an Steinen, und
machen sie so hart, dass man dieselben kaum mit einer
Nadel durchstechen kann. In ihnen bereiten sie noch reich-
lichere Mengen Wachs als die Bienen, auch brüten sie
einen grössern Wurm aus.
26.
Auch ist ihre Entstehung anders. Aus einem grössern
Wurme, der 2 eigenthümliche Hörner hervorstreckt, wird
zuerst eine Raupe; aus dieser ein sogenannter Bombylius,
aus diesem ein Necydalus, und endlich aus diesem nach.
6 Monaten der Bombyx. Sie weben Gespinnste nach Art
der Spinnen, welche zu Kleidern und andern Luxusartikeln
der Frauen dienen, daher man diese bombycinische nennt.
Diese Gespinnste abzuwickeln und wieder zu weben erfand
ein Weib auf Coos 2), Namens Pamphila, die Tochter der
Platea, der man den Ruhm nicht absprechen kann, ein.
Mittel erfunden zu haben, eine Dame in Kleidern nackt
darzustellen.
27.
Auch auf der Insel Cos sollen Seidenspinner ent-
stehen, und zwar dadurch, dass die Ausdünstung der Erde
die vom Regen abgeschlagenen Blüthen der Cypressen,
Terebinthen, Eschen und Eichen belebt Zuerst würden
es kleine nackte Schmetterlinge, bald aber bekämen sie,
') Bonibyces. Ohne Zweifel unser Seidenspinner, Bombyx mori.
a) Eine kleine Nebeninsel von Euböa.
314 Elftes Buch.
da sie die Kälte nicht vertragen könnten, eine rauhe Decke
von Haaren, und gegen den Winter hin verfertigten sie
sich eine dichte Bekleidung, indem sie mit ihren rauhen
Füssen das weiche Haar der Blätter zu einer Art Wolle
machten. Dieses krämpelten sie mit ihren Krallen, zögen
es sodann zwischen Zweigen auf, und machten es wie mit
einem Kamme dünn. Hierauf ergriffen sie es, und wickelten
sich so, wie in ein aufgerolltes Nest, hinein. In diesem
Zustande nimmt sie ein Mensch ab, hält sie in irdenen
Gefässen warm und ernährt sie mit Kleie; allmälig wüchsen
ihnen die ihrer Gattung eigenthümlichen Fitigel, und wenn
sie damit bekleidet wären, würden sie zu neuer Arbeit
entlassen. Die von ihnen gemachten Gewebe aber Hesse
man durch Wasser erweichen, und spänne sie dann auf
einer aus Binsen gefertigten Spindel ab. Selbst Männer
haben sich nicht geschämt, der Leichtigkeit wegen solche
Kleider im Sommer zu tragen. So weit haben uns die
Sitten vom Tragen des Panzers entfernt, dass uns sogar
ein Kleid zur Last wird. Indessen haben wir noch bis
jetzt die assyrische Seide den Damen tiberlassen.
28.
Es wird schicklich sein, jetzt die Naturgeschichte der
Spinnen, welche unserer ganzen Bewunderung werth ist,
folgen zu lassen. Es giebt mehrere Arten davon, die ich
aber nicht alle anzuführen für nöthig halte, da sie bekannt
genug sind. Phalangen heissen diejenigen unter ihnen,
deren Biss schädlich ist, die einen kleinen gefleckten zu-
gespitzten Körper und einen hüpfenden Gang haben. Eine
andere Art sind die schwarzen, mit sehr langen Vorder-
beinen. Alle haben 3 Knotengelenke an den Beinen. Die
kleinsten sind die Wolfspinnen, welche, nicht weben; die
grössern weben bloss vor ihren Löchern einen kleinen Vor-
hof. Die dritte Art ist wegen ihrer künstlichen Arbeit be-
merkenswerth. Sie macht Gewebe und das Material zu
einem solchen Werke liefert ihr der eigene Leib in hin-
reichender Menge; sei es nun, dass, wie Democrit annimmt,
dasselbe von zu gewissen Zeiten im Leibe entstehenden
Elftes Buch. 315
verdorbenen Säften, oder von der Fähigkeit, im Innern
eine Art Wolle zu erzeugen, herrührt. Mit welcher Ge-
schicklichkeit bedient sie sich dabei der Ftisse, mit welch'
runden und gleichartigen Fäden führt sie ihr Gewebe aus,
und dient sich selbst dabei als Gewicht! Sie fängt in der
Mitte an zu spinneu, knüpft den Einschlag zirkeiförmig
an, lässt die Maschen gleichweit von einander abstehen,
allein allmälig grösser werden, so dass sie vom Engen
in's Weite übergehen, und verknüpft alle mit unauflöslichen
Knoten. Mit welcher Kunst verbirgt sie die auf dem ge-
würfelten Netze gelegten Schlingen? Wie wenig scheint
die Dichtigkeit des siebartigen Gewebes und die wie durch
Kunst hervorgebrachte Glätte der von Natur schon klebrigen
Fäden darauf hinzudeuten? Wie schlaff ist das Netz, um
dem Winde nachzugeben, und die hineingekommene Beute
nicht von sich abzustossen? Man möchte glauben , die
Spinne habe aus Ermüdung das Gewebe am obersten
Theile aufzuspannen unterlassen, allein diese Fäden lassen
sich kaum wahrnehmen, und schleudern, gleichwie die
Fanglinien an den Netzen, die Beute in die Mitte hinein.
Mit welcher Kunst ist selbst ihr Schlupfwinkel gewölbt?
und wie viel wolliger gegen die Kälte? Wie weit ist sie
von der Mitte entfernt, hat das Ansehen, als wenn sie
ganz etwas Anderes vor hätte, und hält sich so verborgen,
dass man nicht wahrnehmen kann, ob Jemand darin ist
oder nicht? Endlich, die Festigkeit des Netzes! wie wider-
steht es dem Andränge des Windes, und der drückenden
Last, des Staubes? Oft breitet sich das Gewebe, wenn die
Spinne ihre Kunst übt und weben lernt, zwischen 2 Bäumen
aus und die Länge des Fadens geht von der Spitze des
Baumes herab und von der Erde wieder hinauf; auf diesem
läuft sie mit der grössten Schnelligkeit hinauf und hinunter,
indem sie zugleich spinnt. Wenn aber ein Fang vorkommt,
wie wachsam und zum Laufen bereit ist sie da? und wenn
sie auch am äussersten Ende des Netzes sich befindet, so
läuft sie doch stets in die Mitte, weil sie dadurch die
Beute am besten erschüttern und umstricken kann. Risse
316 Elftes Buch.
bessert sie sogleich aus und stellt selbst den Glanz wieder
her. Selbst jungen Eidechsen stellt sie nach, indem sie
zuerst den Mund derselben mit dem Netze umwickelt,,
und dann beide Lippen durch einen Biss festhält, was für
den Beobachter ein Schauspiel eigner Art ist. — Die
Spinnen dienen auch zu Vorbedeutungen. Bei bevor-
stehendem Wachsen der Flüsse nämlich hängen sie ihre
Gewebe höher. Auch weben sie bei heiterm Himmel nicht,,
sondern nur bei trübem, und aus diesem Grunde sind viele
Spinnengewebe Anzeichen von Regen. Man glaubt, das
Weibchen webe und das Männchen jage, so dass also beide
Eheleute gleiches Verdienst hätten.
29.
Die Spinnen begatten sich mit den Lenden, und
bringen ähnliche Würmer zur Welt; denn ich darf die Art
ihrer Erzeugung nicht länger aufschieben, weil ich von
den übrigen Insekten fast immer dasselbe sagen müsste.
Alle Eier legen sie in die Netze, aber vereinzelt, weil sie
dieselben unter Hüpfen von sich geben. Bloss die Pha-
langen legen in ihrer Höhle die Eier, und zwar in grosser
Anzahl; wenn diese auskommen, so verzehren die Jungen
die Mutter und oft auch den Vater, denn dieser hilft dann
beim Brüten. Sie legen aber 30 Eier, die übrigen weniger,
und brüten 3 Tage. Nach 28 Tagen sind die Spinnen
völlig ausgebildet.
30.
Ebenso bringen auch die Landscorpione eiähnliche
Würmer zur Welt, und kommen auf dieselbe Weise um.
Diese sind ein verderbliches Ungeziefer, giftig wie die
Schlangen, wenn nicht noch fürchterlicher, denn sie be-
wirken einen langsamen, durch 3tägige Martern verzöger-
ten Tod. Jungfrauen ist ihr Stich stets tödtlich, auch den
Frauen fast immer. Männern aber bloss früh Morgens,
wenn sie aus ihren Höhlen hervorkriechen, bevor sie durch
irgend einen Biss ihr nüchternes Gift von sich gegeben
haben. Ihr Schwanz ist stets zum Stechen bereit, und er
hört nie auf, darauf bedacht zu sein, damit ihm keine Gc-
Elftes Buch. 317
legenheit dazu entgehe. Er sticht auch mit schief stehen-
dem und eingebogenem Schwänze. Nach Apollodorus l) soll
ein weisses Gift von ihnen ausfliessen, und er theilt sie
in 9 Arten, die sich besonders durch ihre Farbe unter-
scheiden, was aber überflüssig ist, da wir daraus nicht
entnehmen können, welche er für die unschädlichsten ge-
halten hat. Einige sollen 2 Stacheln haben, und die
Männchen am wüthendsten sein. Er will auch von einer
Begattung unter ihnen nichts wissen. Die Männchen soll
man an ihrem dünnen und langen Körper erkennen. Gift
haben sie alle zur Mittagszeit, wenn sie von der Sonne
erhitzt sind, desgleichen wenn sie Durst haben und ihn
nicht stillen können. Es ist bekannt, dass diejenigen mit
7 Schwanzgelenken giftiger sind, die meisten aber haben
deren 6. Diess schädliche Thier machen die Südwinde in
Afrika gleichsam fliegend, wenn es beim Wehen desselben
seine Arme ausbreitet, und sich derselben anstatt Ruder
bedient. Apollodorus erzählt auch, einige hätten sogar
Flügel. Oft haben die Psyller, welche um ihres Gewinnes
willen die Gifte anderer Länder einführen, und Italien be-
reits mit fremden Plagen angefüllt haben, versucht auch
diese Thiere uns zuzubringen, allein sie konnten diesseits
•des sicilischen Klima's nicht leben. Dennoch sieht man
zuweilen welche in Italien, die aber unschädlich sind;
ebenso an mehreren andern Orten, wie bei Pharus in Ae-
gypten. In Scythien tödten sie sogar die Schweine, welche
doch sonst für dergleichen Gifte weniger empfänglich sind,
und zwar die schwarzen noch schneller, wenn sie in's
Wasser gehen. Wenn ein Mensch gebissen ist, soll die
Asche derselben 2) in Wein getrunken ein Hülfsmittel da-
gegen sein. Zwischen in Oel getauchten Scorpionen und
Dorneidechsen soll eine grosse Abneigung herrschen, in-
') Welcher A. diess ist, lässt sich nicht angeben. Aus dem Au-
torenverzeichnisse dieses XI. B. geht hervor, dass er ein Werk über
giftige Thiere schrieb.
2) Der Scorpione nämlich.
318
Elftes Buch,
dessen sollen sie den letztern, die wie die übrigen Ei-
dechsen kein Blut haben, unschädlich sein; und die Scor-
pionen überhaupt keinem blutlosem Thiere schaden. Einige
glauben, sie verzehrten ihre eigene Brut, und Hessen nur
das klügste ihrer Jungen übrig; diess setze sich auf die
Lenden der Mutter, und wäre so vor dem Schwänze und
dem Bisse sicher. Dasselbe würde später der Rächer der
übrigen, und frässe Vater und Mutter auf. Sie bringen
11 Junge zur Welt.
31.
Die Dorneidechsen1) sind in gewisser Beziehung
den Chamäleons ähnlich, leben nur vom Thau und von
Spinnen.
32.
Auf ähnliche Weise leben die Cicaden, von denen
es 2 Arten giebt; die kleinere kommt zuerst hervor, stirbt
zuletzt und ist stumm. Die andere Art fliegt herum. Die,
welche singen, heissen Acheten, und unter diesen die
kleinern Tettigonien, allein jene singen stärker. Bei
beiden Arten singen aber bloss die Männchen2), die
Weibchen sind still. Von den Völkern des Orients, selbst
von den reichen Parthern werden sie gegessen. Diese
ziehen die Männchen vor der Begattung, und die Weibchen
nach derselben zur Speise vor, wobei sie die weissen Eier
derselben vernichten. Die Cicaden begatten sich von hinten.
Auf dem Rücken haben sie ein sehr rauhes scharfes Organ,
womit sie ihrer Brut ein Lager in die Erde graben. Zu-
erst entsteht ein kleiner Wurm, aus diesem die Larve 3)r
welche um die Zeit der Solstitien die Hülle durchbricht
und ausfliegt, und zwar stets des Nachts. Anfänglich sind
sie schwarz und hart. Diess ist unter allen lebenden Ge-
schöpfen das einzige, welches keine Mundöffnung hat. Statt
*) Stelliones. Stellio vulgaris Rüpp.
2) Sie haben unter dem Bauche 2 Höhleu, welche oben mit einer
Platte bedeckt sind, womit sie ihre zirpenden Töne hervorbringen.
3) Tettigometra.
Elftes Buch. 31 9
dessen haben sie einen zungenähnlichen Stachel auf der
Brust, womit sie den Thau lecken. Die Brust selbst ist
röhrig, und mit dieser singen, wie wir gesagt haben, die
Acheten. Uebrigens befindet sich in ihrem Leibe nichts.
Wenn sie aufgescheucht fortfliegen, geben sie eine Feuchtig-
keit von sich, welche schon allein den Beweis giebt, dass
sie vom Thau leben. Sie sind auch die einzigen Thiere,
welche keine Oeffnung zum Abgange der Excremente l)_
haben. Ihre Augen sind so schwach, dass, wenn man
einen Fiuger zusammenzieht und wiederausstreckend ihnen
nähert, sie darauf zugehen wie auf ein Blatt. —
Manche theilen die Cicaden in 2 andere Arten ein,
nämlich in die Baumcicade 2), welche grösser ist, und in
die Fruchtcicade 3), die bei Andern auch Hafercicade heisst,
denn sie erscheint gerade dann, wenn die Feldfrüchte
reifen. Cicaden giebt es nicht in baumarmen Gegenden;
daher trifft man keine bei der Stadt Cyrene; ebensowenig
auf Feldern und in kalten schattigen Hainen. Auch bei
ihnen findet hinsichtlich ihrer Wohnorte eine Verschieden-
heit statt. In der Gegend von Milet sind sie nur an
wenigen Orten, dagegen ist in Cephalonien ein Fluss, auf
dessen einer Seite es viele, auf der andern dagegen nur
wenige giebt, Im rheginischen Gebiete sind sie alle stumm,
jenseits des Flusses4) aber, im lokrischen, singen sie.
Ihre Flügel sind ebenso beschaffen wie die der Bienen,
nur im Verhältniss zum Korper grösser.
33.
Einige Insekten haben zwei Flügel, wie die Fliegen ;
andere vier, wie die Bienen. Auch die Cicaden fliegen
mit häutigen Flügeln. Vier haben diejenigen, welche am
Bauche mit einem Stachel bewaffnet sind. Kein Insekt,
welches den Stachel im Munde hat, fliegt mit mehr als
zwei Flügeln. Jene haben ihn der Rache, diese des
') Diese Behauptung ist so unwahr, wie die, dass sie keinen
Mund hätten.
J) Surcularia. 3) Frumentaria. *) Cäcinus.
320 Elftes Buch.
Frasses wegen erhalten. Abgerissene Flügel wachsen keinem
unter ihnen wieder. Keins, was den Stachel am Bauche
iiat, ist zweiflügelig.
34.
Einige Insekten haben zum Schutze der Flügel noch
Flügeldecken darüber, wie die Käfer1), deren Flügel zu
zart und zu zerbrechlich sind. Diese besitzen keinen
Stachel; dagegen trifft man bei einer gewissen grössern
Gattung derselben sehr lange Hörner mit scheerenartigen
:am Ende gezahnten Zangen, welche sie zum Beissen nach
Belieben zusammenbringen können. Diese werden den
"Kindern als Heilmittel um den Hals gehängt. Nigidius
nennt sie Lucani 2). Wiederum eine andere Gattung bilden
diejenigen, welche mit den Füssen hinten grosse Ballen
aus Mist zusammenwälzen, und ihre wurmartigen Jungen
in denselben gegen die Strenge des Winters beherbergen3).
Einige fliegen unter starkem Summen und Brummen; andere
graben viele Löcher in Heerde und Wiesen, und lassen
des Nachts ein Zirpen hören4). Die Lampyriden 3) leuchten
bei Nacht wie Feuer durch die Farbe ihrer Seiten und
Lenden; bald glänzen sie durch Ausbreiten ihrer Flügel,
l>ald aber verdunkeln sie sich wieder durch Einziehen der-
selben. Sie kommen nicht vor der Futterreife zum Vor-
schein, und lassen sich nach der Erndte nicht mehr sehen.
Dagegen leben die Schaben 6) bjoss in der Dunkelheit und
fliehen das Licht; sie entstehen meistens in Bädern durch
den feuchten Dampf. In derselben Gattung giebt es röth-
liche und sehr grosse Käfer, welche in trocknem Erdboden
scharren, und darin Scheiben bereiten, welche kleinen
porösen Schwämmen gleichen und einen zu medicinischem
Gebrauche tauglichen Honig enthalten. In Thracien bei
•) Scarabaei.
2) Lucanus cervus L. Hirschkäfer.
3) Diess ist der Pillenkäfer, Scarabaeus pilularis L.
4) Heimchen, Gryllus domesticus.
5) Lampyris noctiluca, Johanniswürmchen. 6) Blattae.
Elftes Buch. 321
HMynthus ist ein kleiner Ort, wo bloss diess Thier stirbt,
tind der daher Käfertod l) genannt wird.
Die Flügel der Insekten haben keine Einschnitte; kein
Insekt hat einen Schwanz, ausgenommen der Scorpion.
Dieser ist auch unter ihnen das einzige, welches Arme
und am Schwänze einen Stachel hat. Unter den übrigen
haben einige den Stachel im Munde, wie die Raubfliege 2),
die auch Tabanus 3) heisst, desgleichen die Mücken und
einige Fliegen. Allen diesen dient der Stachel im Munde
statt der Zunge. Bei einigen ist er stumpf, und diese
können damit weder stechen noch saugen, wie diejenige
Gattung von Fliegen, bei welcher die Zunge eine deutliche
Röhre bildet. Solche Thiere haben keine Zähne. Andern
ragen vor den Augen schwache Hörnchen hervor, wie den
Schmetterlingen. Einige Insekten haben keine Flügel, wie
'die Scolopender.
35.
Diejenigen Insekten, welche Füsse haben, bewegen
sich seitwärts damit. Bei einigen sind die hintersten länger
und auswärts gekrümmt wie bei den Heuschrecken4).
Diese legen, indem sie einen Stachel in die Erde stecken,
zur Herbstzeit zusammenhängende Eier, welche den Winter
über unter der Erde verborgen bleiben. Im folgenden
Jahre gegen Ende des Frühlings kommen kleine schwärz-
liche Thiere aus, die ohne Beine und Flügel umherkriechen.
Daher gehen die Eier in einem nassen Frühjahre zu Grunde,
hingegen entstehen in einem trocknen mehr Junge. Einige
berichten, sie brächten eine doppelte Brut uud kämen 2 mal
um. Zuerst legten sie beim Aufgange des Siebengestirns,
diese stürben dann beim Aufgange des Hundssterns und
hierauf kämen neue zum Vorschein, uud zwar beim Unter-
gange des Arcturus. Dass die Mütter sterben wenn sie
gelegt haben, ist gewiss, indem sich sogleich an ihrem
') Cantharolethrus. 2) Asilus. Asilus crabviformis L.
3) Diess ist eine von Asilus verschiedene Gattung.
4) Locustae.
Wittstein: Plinius. II. Bd. 21
322 Elftes Buch.
Schlünde ein kleiner Wurm erzeugt, der sie erstickt. Zu
derselben Zeit sterben auch die Männchen. Auf eine so
elende Weise gehen diese Thiere zu Grunde, und doch ist
eins von ihnen im Stande eine Schlange zu tödten, wenn
es sie in die Kehle beisst. Sie erzeugen sich nur an rissigen
Plätzen. In Indien sollen sie 3 Fuss lang sein, und ihre
Beine, wenn sie getrocknet sind, als Sägen dienen. Sie
kommen auch noch auf andere Weise um. Der Wind treibt
sie nämlich mitunter schaarenweise in die Höhe, so dass
sie in's Meer oder in Teiche fallen. Diess geschieht von
ohngefähr und zufällig, und nicht (wie die Alten glaubten)
dadureh, dass ihre Flügel durch nächtliche Feuchtigkeit
nass geworden sind. Sie erzählen nämlich, sie könnten
des Nachts wegen der Kälte nicht fliegen, wussten aber
nicht, dass sie sogar über weite Meere ziehen, und (was
das Merkwürdigste ist) selbst mehrere Tage hindurch zu-
hungern und deshalb auswärtiges Futter zu suchen wissen
Diess Ungeziefer deutet den Zorn der Götter an. Auch
noch grössere werden bemerkt, und diese fliegen unter so
heftigem Rauschen ihrer Flügel, dass man sie eher für Vögel
halten sollte; sie verfinstern die Sonne und die Menschen
blicken zu ihnen hinauf aus Besorgniss, sie möchten ihre
Felder überfallen. Dazu reichen nämlich ihre Kräfte hin,
und gleich als ob es ihnen noch zu wenig wäre, über das
Meer gekommen zu sein, so ziehen sie auch noch über un-
geheuere Strecken Landes, bedecken gleich einer furcht-
baren Wolke die Getreidefelder, versengen vieles durch
ihre Berührung, und alles, ja selbst die Hausthüren werden
von ihnen zernagt l). Italien wird meistens von denen, die
aus Afrika kommen, heimgesucht, und oft schon sah sich
das römische Volk aus Furcht vor Hungersnoth gezwungen,
seine Zuflucht zu den sibyllinischen Büchern zu nehmen.
In der cyrenaischen Provinz besteht sogar das Gesetz, sie
') Diess ist die Wanderheuschrecke , Acridium migratorium
(Gryllus migratorius).
Elftes Buch. 323
3 mal des Jahres zu bekriegen, und zwar das erste Mal
ihre Eier, das zweite Mal die Jungen, und das dritte Mal
die Ausgewachsenen zu vernichten. Wer diess unterliess,
verfiel in die Strafe eines Deserteurs. Auch auf der Insel
Lemnos ist eine bestimmte Menge Heuschrecken vorge-
schrieben, welche ein Jeder tödten und an den Magistrat
abliefern muss. Sie verehren auch dort deshalb die Krähen,
weil diese ihnen entgegenfliegen und sie vertilgen. Auch
in Syrien werden die Einwohner durch militärische Gewalt
gezwungen, sie zu tödten. In so vielen Theilen der Erde
ist diess schädliche Thier verbreitet. Die Parther essen
auch diese gern. Ihre Stimme scheint vom Hintertheile
des Kopfes auszugehen; an dieser Stelle sollen sie näm-
lich in den Fugen der Schultern eine Art Zähne haben,
welche durch Aneinanderreihen jenes Geräusch veranlassen.
Hauptsächlich hört man es um die Zeit der beiden Aequi-
noctien, die Töne der Cicaden aber zur Zeit des Sol-
stitiums.
Die Begattung der Heuschrecken ist dieselbe, wie bei
allen andern Insekten, welche sich begatten; das Weibchen
trägt nämlich das Männchen, biegt sein Schwanzende auf
das Männcheu zurück, und dann gehen sie langsam aus-
einander. In diesem ganzen Geschlechte sind die Männchen
kleiner als die Weibchen.
36.
Die meisten Insekten erzeugen einen kleinen Wurm,
unter ihnen die Ameisen einen eiförmigen im Frühjahre.
Auch diese Thiere arbeiten gemeinschaftlich wie die Bienen;
aber sie verbergen ihren Vorrath, während die Bienen eine
nützliche Speise bereiten. Wenn man die Lasten, welche
sie tragen, mit ihrem Körper vergleicht, so muss man be-
kennen, dass kein Thier verhältnissmässig mehr Kraft be-
sitzt. Sie tragen mit dem Munde, grössere Lasten wälzen
sie von hinten mit den Hinterfüssen fort, und stemmen sich
mit den Schultern dagegen. Auch sie haben eine Art
Staatsverfassung, sind mit einem Gedächtniss versehen,
und besorgen alles genau. Die Samenkörner benagen sie,
21*
324 Elftes Buch.
bevor sie sie zum Vorrathe legen, damit sie in der Erde
nicht keimen. Siud die Körner zu gross für ihren Eingang,
so zertheilen sie dieselben vorher; die durch Regen nass
gewordenen bringen sie heraus und lassen sie trocken
werden. Beim Vollmond arbeiten sie auch des Nachts;
beim Neumond hingegen ruhen sie aus. Aber welche
Thätigkeit, welche Emsigkeit zeigen sie bei ihrem Arbeiten!
Da sie von verschiedenen Seiten her eintragen, wobei die
eine von der andern nichts gewahr wird, so halten sie ge-
wisse Markttage, wo sie sich gegenseitig treffen. Welch'
ein Durcheinanderlaufen bemerkt man dann! welche eifrige
Unterredung, welches Befragen der sich begegenden! Man
findet Kieselsteine auf ihrem Wege, die durch das Hin- und
Hergehen abgerieben sind, und Steige, die sie selbst ge-
bildet haben; woraus sich deutlich ergiebt, wie viel in
jeder Sache die Beharrlichkeit vermag. Sie sind ausser
dem Menschen die einzigen Geschöpfe, welche ihre Todteu
begraben. In Sicilien giebt es keine geflügelten.
Die zu Erythrä in dem Tempel des Hercules aufge-
hangenen Hörner einer indischen Ameise galten für ein
Wunder. Diese schaffen das Gold aus den Höhlen der
Erde im nördlichen Indien, da wo die Darder wohnen,
haben die Farbe der Katzen, und die Grösse der ägypti-
schen Wölfe. Das Gold, welches sie im Winter ausge-
graben haben, stehlen die Indier während des heissen
Sommers, wo sich die Ameisen wegen der Hitze in Höhlen
verborgen halten; diese jedoch, durch den Geruch aufge-
reitzt, kommen hervor, und zerreissen oft die Räuber, wenn
sie auch auf noch so schnellen Kameelen entfliehen. Solche
Wuth und Grausamkeit ist die Folge der Liebe zum Golde.
37.
Viele Insekten entstehen auch auf andere Weise, und
namentlich vom Thaue. Dieser setzt sich zu Anfang des
Frühlings auf Kohlblätter, wird hier durch die Sonne ver-
dickt, und zieht sich bis zur Grösse eines Hirsekerns zu-
sammen. Hieraus kriecht ein kleines Würmchen, was nach
3 Tagen eine Raupe wird: diese wächst noch einige Tage
Elftes Buch. 325
hindurch, wird dann unbeweglich und von einer harten
Rinde umschlossen, bewegt sich nur, wenn sie berührt
wird, ist noch mit einem Spinnegewebe umgeben, und heisst
in diesem Zustande Puppe1). Endlich 'platzt die Hülle
und ein Schmetterling fliegt heraus.
38.
So erzeugen sich auch einige in der Erde aus Regen,
andere im Holze; und nicht bloss im Holze wie die Holz-
würmer 8), sondern auch aus Holz, wie die Viehbremsen 3)
u. s. w., und wo Ueberfluss an Feuchtigkeit ist, wie die
Bandwürmer4) im Menschen, die 30 Fuss und zuweilen
noch länger sind.
39.
Auch in todtem Fleische und im Haare lebender
Menschen erzeugen sich Insekten, an welcher scheussliclien
Krankheit der Dictator Sulla und der berühmte griechische
Dichter Alcman 5) starben. Auch die Vögel sind diesem
Uebel unterworfen, und die Phasanen unterliegen ihr, wenn
sie sich nicht im Staube baden. Unter den Thiereu, welche
Haare haben, sollen nur der Esel und das Schaf frei davon
sein. Sie erzeugen sich ferner in einer gewissen Art von
Kleidern, namentlich in solchen, die aus der Wolle derjenigen
Schafe, welche ein Wolf zerrissen hat, verfertigt sind. Auch
^manche Arten Wasser, mit denen wir uns waschen, sind,
wie ich bei einigen Schriftstellern finde, sehr fruchtbar an
solchem Ungeziefer. Ja selbst das Wachs bringt eins
hervor, und diess wird für das kleinste aller Thiere
gehalten. Andere wiederum erzeugen sich aus Schmutz
durch die Sonnenstrahlen, und diess sind die, welche mit
ihren Hinterbeinen Luftsprünge machen. Noch andere,
die aus feuchtem Sande in Höhlen entstehen, können
fliegen.
40.
Ein ebenso ekelhaftes Thier ist das, welches stets mit
') Chrysallis. 2) Cossi. 3) Tabani. «) Taeniae.
5) Aus Sardes um 670 v. Chr.
326 Elftes Buch.
dem Kopfe im Blute steckend lebt und dadurch anschwillt.
Es ist 'das einzige Thier, welches keinen After hat;
wenn es sich übersättigt hat, platzt es, und stirbt also an
der Nahrung selbst. Man findet es nie auf Lastthieren,
häufig auf Rindvieh, und zuweilen auf Hunden, die über-
haupt alle Arten von Ungeziefer haben. Die Schafe und
Ziegen haben nur allein dieses Insekt auf sich 1). Ebenso
gross ist der Blutdurst bei dem Geschlechte der Blutigel,
welche in Sümpfen leben, denn auch diese stecken mit dem
ganzen Kopfe im Blute. Es giebt noch ein geflügeltes,
den Hunden eigenthümliches Ungeziefer 2), das sie besonders
in die Ohren frisst, wo sie sich nicht vertheidigen können.
41.
Der Staub in der Wolle und in Kleidern erzeugt die
Motten3), besonders dann, wenn eine Spinne mit einge-
schlossen ist. Diese saugt nämlich vom Durste getrieben
alle Feuchtigkeit ein und vermehrt dadurch die Trocken-
heit. Dasselbe Ungeziefer entsteht auch in Büchern. Es
giebt eine Art Motten, welche nach Art der Schnecken ihr
Gehäuse mit sich ziehen, aber Füsse haben. Nimmt man
ihnen die Schale, so sterben sie. Wenn sie herangewachsen
sind, verpuppen sie sich. Der wilde Feigenbaum erzeugt
die Feigenmücken 4). Aus den kleinen Würmern der Feigen,
Birnen, Fichtenbäume, Hundsdistel und Rosen entstehen
die spanischen Fliegen5). Das Gift dieses Thieres be-
sitzt medicinische Kräfte: die Flügel sind heilsam, nimmt
man sie dem Thiere weg, so stirbt es. Wiederum andere
Gattungen von Mücken erzeugen sich in sauer werdenden
Stoffen. Sogar im Schnee, selbst wenn er alt ist, findet
man weisse Würmer, und in der Mitte seiner Höhe röth-
licue (denn der Schnee wird selbst durch Alter roth), rauh-
haarige, grössere und erstarrende.
') Schaflaus, Hippobosca ovina.
2) Pferdelaus, Hippobosca equina. 3) Tineae.
4) Culices ficarii. Cynips Psenes.
5) Cantharides. Meloe vesicatorius.
Elftes Buch. 327
42.
Sogar das entgegengesetzte Naturelement erzeugt einige
Insekten. In den Schmelzöfen auf Cypern nämlich fliegt
mitten im Feuer ein geflügeltes, vierfüssiges Thier von der
Grösse einer starken Fliege umher; es wird Pyralis, von
Andern Pyrausta genannt. So lange es im Feuer ist,
lebt es, sowie es aber etwas zu lange draussen umherfliegt,
stirbt es.
43.
Der Fluss Hypanis im Pontus führt zur Zeit des Sol-
stitiums dünne Häute von der Gestalt kleiner Beeren mit
sich, aus welchen ein vierfüssiges geflügeltes dem vorigen
ähnliches Thier hervorbricht, das nur 1 Tag lebt, daher
es den Namen Hemerobion hat. Bei den übrigen derartigen
Thieren fiudet man von ihrer Geburt bis zu ihrem Tode
die Zahl sieben; die Mücken und Würmchen leben omal 7,
und die, welche einen förmlichen Körper gebären, 4 mal
7 Tage. Verwandlungen und Uebergänge in andere Ge-
stalten erfolgen in 3 bis 4 Tagen. Die übrigen geflügelten
Insekten sterben fast alle im Herbste, die Bremsen sogar
in Blindheit. Wenn man Fliegen, die im Wasser umge-
kommen sind, in Asche legt, leben sie wieder auf.
44.
Nun will ich die Beschreibung der Thiere nach
den einzelnen Theilen ihres Körpers, mit Ausnahme
dessen, was schon gesagt ist, Glied für Glied abhandeln.
Alle mit Blut versehenen Thiere haben auch einen Kopf.
Wenige Thiere, und unter diesen nur die Vögel, haben
Hauben auf dem Kopfe, die aber von verschiedener Art
sind. Beim Phönix bildet sie eine Reihe Federn, aus deren
Mitte noch eine andere hervorgeht; bei den Pfauen haarige
Büschel; bei dem Stymphalis eine Locke; beim Fasan
kleine Hörner. Ausserdem hat auch ein kleiner Vogel eine
solche Haube, der deswegen früher Galerita genannt wurde,
später aber den gallischen Namen Alauda, den man eben-
falls einer Legion beilegte, erhielt. Wir haben bereits ge-
sagt, welchem Vogel die Natur einen faltigen Kamm ge-
328 Elftes Buch.
geben hat1). Dem Geschlechte der Wasserhühner gab sie-
einen vom Schnabel an mitten über den Kopf gehenden,
dem Schwarzspecht und dem balearischen Kranich einen
Haarbüschel. Aber das merkwürdigste Abzeichen besitzen
die Hühner; ihr Kamm hat eine gewisse Dichtigkeit, Säge-
zähne, und wir können mit Recht sagen, dass er weder
Fleisch, noch Knorpel, noch eine Schwiele, sondern von,
ganz eigenthümlicher Beschaffenheit ist. Ob Jemand den
Kamm des Drachen gesehen hat, ist mir unbekannt.
45.
Hörn er sind zwar vielen Wasser- und Seethieren und
Schlangen von mancherlei Beschaffenheit zugetheilt, allein
Hörner im strengsten Sinne nur den 4füssigen Thieren, denn
die Erzählungen von Actäon, und selbst in der lateinischen
Geschichte von Cipus 2) halte ich für Mährchen. Bei keinem
andern Gegenstande trieb die Natur ein grösseres Spiel,
denn sie spielte mit den Waffen der Thiere, theilte sie in
Arme, wie bei den Hirschen, andere bekamen einfache
Hörner, wie das Geschlecht der Subulonen3), die eben
deshalb sogenannt sind. Bei andern bildete sie dieselben
platt und Hess fingerartige Spitzen daraus hervortreten,
weshalb solche Thiere Platyceroteu heissen. Den Rehen
gab sie ästige, aber kleine, die nicht abfallen. Den Wid-
dern gab sie solche die krumm und in sich gewunden sind
wie Castus 4); den Stieren zum Kampfe taugliche. In diesem
Geschlechte theilte sie auch den Weibchen welche zu, in
vielen andern aber nur den Männchen. Die Gemsen haben
nach hinten gekrümmte, die Damhirsche nach vorn ge-
krümmte Hörn er; aufrecht stehende aber, .ringsum runzlige
gewundene, und nach oben in eine dünne Spitze ausgehende,
») Dem Wiedehopf, vergl. X. B. 44. C.
2) Römischer Prätor, dem angeblich, als er einst im Kriegskleide
vor Rom ging, ein Hörn aus dem Kofe wuchs. Vergl. Val. Maximus
V. B. 6. 3) Spiesser.
4) Starke lederne, wie Handschuhe um die Hand gewundene, zu-
sammengedrehte, auch mit Blei und Eisen versehene Riemen, womit
die Faustkämpfer auf einander losschlugen.
Elftes Buch. 329
ähnlich der Lyra , der Kudu *) , welcher in Afrika Addace
genannt wird. Das phrygische Rindvieh hat bewegliche,
wie Ohren, das troglody tische gegen die Erde gerichtete,
daher diese letztern beim Weiden den Hals schief halten.
Manche Thiere haben nur 1 Hörn, und zwar mitten am
Kopfe oder auf der Nase, wie bereits gesagt wurde. Bei
einigen sind sie kräftig zum Anlauf, bei andern zum Stossen
bestimmt; bei einigen nach unten, bei andern nach oben
zurückgekrtimmt; bei noch andern zum Werfen geeignet
und zwar auf verschiedene Weise, gerade hervorragend,
einander zu- oder abgekehrt, alle aber gehen in eine Spitze
aus. Bei einem gewissen Geschlechte dienen sie statt der
H an de zum Schaben des Körpers. Die Schnecken ge-
brauchen ihre Hörner, um den Weg zu untersuchen; bei
ihnen wie bei den Hornschlangen sind sie fleischig. Letz-
tere haben zuweilen nur ein Hörn, die Schnecken aber
immer zwei, die sie vorstrecken und zurückziehen können.
Aus den Hörnern der Auerochsen trinken die nördlichen
Barbaren; beide Hörner eines Kopfes fassen eine Urne.
Andere haben vorwärts gerichtete Hörner, die sie als Spiesse
gebrauchen. Die bei uns in Blätter geschnittenen sind
durchscheinend, und selbst ein Licht, was davon einge-
schlossen ist, verbreitet weithin Helligkeit. Man wendet
sie auch zu vielen andern Luxusartikeln an, färbt sie, über-
zieht sie, oder braucht sie in der enkaustischen Malerei 2) .
Alle diese sind aber hohl und nur an der Spitze dicht, bei
den Hirschen hingegen durchaus dicht, und fallen jedes
Jahr ab. Die Landleute heilen die wundgeriebenen Klauen
des Rindviehs dadurch, dass sie die Hörner mit Fett ein-
schmieren. Und so folgsam ist die Natur, dass man die
Hörner an lebendigen Thieren durch heisses Wachs bieg-
sam machen, auch beim Hervorbrechen zerth eilen und die
Theile nach verschiedenen Richtungen hin drehen kann, so
dass auf einem Kopfe 4 Hörner entstehen. Die Hörner
') Strepsieeros. Antilope Strepeiceros. a) Pictura cestrota.
330 Elftes Buch.
der Weibchen, sowie der verschnittenen Widder sind dünner.
Die Schafe, Hirschkühe, Vielhufer und Einhufer, mit Aus-
nahme des indischen Esels, der 1 Hörn hat, haben keine.
Die Zweihufer haben 2, aber diejenigen, welche in der
obern Kinnlade Vorderzähne haben, keins Wer da glaubt,
dass diese Zähne in Hörner übergehen, kann leicht durch
das Beispiel der Hirschkühe widerlegt werden, welche
gleich den Männchen oben keine Zähne, und demungeachtet
kein Geweihe haben. Bei den übrigen Thieren stehen die
Hörner mit den Knochen in Verbindung, bei den Hirschen
aber wachsen sie nur aus der Haut.
46.
Die Fische haben im Verhältniss zu ihrem Körper den
grössten Kopf, vielleicht damit sie besser untertauchen
können. Das Geschlecht der Austern, die Schwämme
und fast alle Thiere, welche nur den Sinn des Gefühls
haben, sind kopflos. Bei einigen ist der Kopf nicht vom
Körper gesondert, wie bei den Krebsen.
47.
Der Mensch hat unter allen Thieren die meisten Haare
auf dem Kopfe, und zwar die Männer sowohl als die
Weiber, was man namentlich bei den Völkern, welche die-
selben nicht scheeren, wahrnehmen kann. Daher führen
sogar die Alpenbewohner den Namen Capillati, und ein Theil
von Gallien den Namen comata. Dennoch findet in dieser
Hinsicht unter den Ländern ein Unterschied statt; denn
die Myconier, sowie die Milzsichtigen in Caunum l), haben
keine Haare. Auch einige Thiere sind von Natur kahl,
wie die Strausse und die Wasserraben, welche deshalb auch
bei den Griechen einen darauf bezüglichen Namen haben 2).
Den Weibern gehen die Haare selten aus, bei den Ver-
schnittenen hat man es nie bemerkt, und überhaupt bei
keinem vor dem Genuss des Geschlechtstriebes. Ferner
fallen sie nicht unterhalb des Gehirns, des Scheitels oder
') Eine Stadt in Carien, die eine sehr ungesunde Lage hatte.
2) Sie hiessen Phalacrocoraces, vergl. X. B. 68. C.
Elftes Buch. 331
Um die Schläfe oder Ohren aus. Der Mensch ist, mit Aus-
nahme der Thiere die so geboren werden, das einzige Ge-
schöpf, welches kahl wird. Nur er und das Pferd be-
kommen graue Haare, der Mensch aber anfangs vorn am
Kopfe, und später erst hinten.
48.
Nur einige Menschen haben 2 Scheitel. Die Knochen
des Kopfes sind platt, dünn, ohne Mark und mit säge-
förmigen Fugen kammartig in einander gefügt. Brüche
derselben können nicht wieder geheilt werden; wenn man
sie aber mit Vorsicht herausnimmt, so sind die Brüche
nicht tödtlich, weil dann an ihrer Stelle eine Fleischnarbe
entsteht. Dass die Bären die schwächsten und die Papa-
geien die härtesten Kopfknochen haben, wurde bereits ge-
hörigen Orts gesagt.
49.
Alle Thiere, welche mit Blut versehen sind, haben
auch Gehirn, selbst diejenigen im Meere, welche wir
„weiche" genannt haben, obgleich ihnen das Blut fehlt, wie
z. B. die Polypen. Aber der Mensch hat verhältnissmässig
das grösste und feuchteste. Es ist unter den Eingeweiden
das kälteste, und wird von zwei übereinander liegenden
Häuten umgeben; zerreisst die eine oder andre von diesen,
so erfolgt der Tod. Uebrigens haben die Männer mehr
Gehirn als die Weiber. Das Gehirn des Menschen enthält
weder Blut noch Adern, und das der übrigen Thiere kein
Fett. Sachverständige halten es für etwas anderes als
das Mark, weil es durch Knochen erhärtet. Mitten im Ge-
hirn aller Thiere finden sich kleine Knochen. Nur bei dem
Menschen pocht es in der Kindheit, und wird nicht eher
fest, bis er anfängt zu sprechen. Es ist das höchste und
der Wölbung des Kopfes nächste Eingeweide, ohne Fleisch,
Blut und Unrath. Hier haben die Sinne ihren Sitz, hieher
strebt alle Kraft der Adern aus dem Herzen, und hier er-
reicht sie ihr Ende; hier ist der höchste Gipfel, hier die
Herrschaft des Geistes. Bei allen Thieren ist es nach vorn
gerichtet, weil die Sinne vorwärts streben. Von ihm geht
332 Elftes Buch.
der Schlaf, sowie das Nieken des Kopfes aus. Thiere,
denen das Gehirn fehlt, schlafen auch nicht. Die Hirsche
sollen im Kopfe unter der Höhlung der Zunge und an dem
Gelenke, welches den Kopf mit dem übrigen Körper ver-
bindet, 20 kleine Würmer haben.
50.
Nur der Mensch hat unbewegliche Ohren. Von ihnen
rührt der Beiname Flaccus *) her. Kein anderer Theil des
Körpers verursacht den Weibern grossem Aufwand, denn
sie hängen die Perlen daran. Im Oriente wird es auch
bei Männern für eine Zierde gehalten, Gold in den Ohren
zu tragen. Einige Thiere haben grosse, andere kleinere
Ohren. Nur bei den Hirschen sind sie geschlitzt und gleich-
sam getheilt; bei der Spitzmaus bestehen sie aus Haaren.
Ohrlappen haben alle diejenigen Thiere, welche lebendige
Junge gebären, ausgenommen das Seekalb, der Delphin,
die sogenannten Knorpelthiere und die Vipern. Diese haben
nur Höhlen statt der Ohren, ausgenommen die Knorpel-
thiere und der Delphin; letztere können aber demungeachtet
hören, denn sie ergötzen sich am Gesänge, und werden ge-
fangen, wenn sie durch einen Schall betäubt sind. Wie
diese Thiere hören können, bleibt wunderbar; auch haben
sie keine Spuren von Geruchswerkzeugen , und dennoch
einen äusserst feinen Geruch. Unter dem Geflügel besitzen
nur die Uhu's und Ohreulen ohrenähnlich gestellte Federn,,
die übrigen, sowie die Schuppenthiere und Schlangen bloss
Löcher zum Hören. Bei den Pferden und allen Lastthieren
sind die Ohren die Anzeigen ihres Gemüthszustandes ; sind
die Thiere müde, so stehen sie schlaff, fürchten sie sich,
so wackeln sie hin und her; sind sie wüthend, so tragen
sie sie aufrecht; sind sie krank, so lassen sie sie hängen.
51.
Ein Gesicht hat nur der Mensch, die übrigen haben
eine Schnauze oder einen Schnabel. Eine Stirn haben
auch andere Thiere, aber nur bei dem Menschen ist sie
') Schlaffohriger.
Elftes Buch. • 333
•der Anzeiger der Traurigkeit, Munterkeit, Sanftmuth und
des Ernstes. Der Grund davon ruhet in der Seele selbst.
Der Mensch kann seine Augenbrauen sowohl zugleich
als auch abwechselnd bewegen, offenbart in ihnen eben-
falls zum Theil seinen Seelenzustand, verneint und bejahet
damit. Sie vorzüglich verkündigen das Geschehene; der
Hochmuth hingegen entspringt anderswo, hat aber hier
seinen Sitz, er geht nämlich vom Herzen aus und bleibt
dort, denn er findet am ganzen Körper keinen höhern und
steilern Platz, wo er allein verweilen könnte.
52.
Unter ihnen liegen die Augen, der köstlichste Theil
des Körpers, welche durch den Genuss des Lichts das
Leben vom Tode unterscheiden. Nicht alle Thiere haben
Augen, z. B. die Austern, und bei einigen Muscheln ist ihr
Vorhandensein zweifelhaft, denn wenn man sich einer
geöffneten Kammmuschel mit den Fingern nähert, so
schliesst sie sich, als wenn sie es sähe. Auch die Solenen
fliehen, wenn man ihnen Eisen nähert. Unter den vier-
füssigen Thieren haben die Maulwürfe kein Sehorgan, ob-
wohl man etwas den Augen Aehnliches bemerkt, wenn
man die vorliegende Haut wegzieht. Unter den Vögeln
sollen die sogenannten weissen Reiher nur ein Auge haben.
Sie geben die besten Vorbedeutungen, wenn sie gegen
Süden oder Norden fliegen, denn dann sollen Gefahr und
Furcht verschwinden. Nigidius sagt, auch die Locusten
und Cicaden hätten keine Augen. Bei den Schnecken ver-
tritt das Vorstrecken der beiden Hörner die Stelle der
Augen. Auch die Regenwürmer und überhaupt das ganze
Geschlecht der Würmer sind ohne Augen.
53.
Nur die Menschen haben Augen von verschiedener
Farbe; bei den übrigen Thieren sind sie sich in jedem Ge-
schlechte gleich. Einige Pferde haben graue Augen. Bei
den Menschen findet in dieser Beziehung eine grosse Mannig-
faltigkeit und Verschiedenheit statt; denn da giebt es grosse,
mittlere, kleine, vorstehende, die man für schwächer hält,
334 ' Elftes Buch-
tiefliegende, die wie die ziegenfarbigen am hellsten sehen,
sollen.
54.
Ausserdem sehen manche Menschen weit in die Fen *~
Andere bloss dann, wenn die Gegenstände ganz nahe u
ihnen sind. Viele können nur sehen, wenn die Sor
scheint, nach dem Untergange derselben, sowie an neblige^11
Tagen dagegen nicht. Bei Andern sind die Augen am*
Tage schwächer, des Nachts aber um so besser. Von'
doppelten Pupillen, oder von solchen Thieren, deren Blick
schädlich ist, haben wir bereits genügend gesprochen. (
Blaue Augen sehen im Finstern besser.
Man sagt, der Kaiser Tiberius und sonst kein anderer
Sterblicher habe die Fähigkeit besessen, des Nachts beim
Aufwachen alles ebenso wie bei hellem Lichte zu sehen j
nach und nach sei aber wieder Finsterniss eingetreten« -
Der Kaiser Augustus hatte, gleich den Pferden, graue
Augen, und das Weisse darin war grösser als bei andern j
Menschen; er wurde daher auch leicht unwillig, wenn man
sie aufmerksam betrachtete. Beim Kaiser Claudius war
das Weisse von den Winkeln au fleischig und mit blutigen
Adern durchlaufen. Der Prinz Cajus hatte starre Augen.
Nero war kurzsichtig, und konnte nur sehen, wenn er
blinzelte. Bei dem Spiele des Prinzen Cajus waren 20 Paare
Fechter, und unter diesen nur zwei, die bei keiner drohen-
den Bewegung blinzelten, und daher auch unbesiegt blieben.
So schwer fällt diess dem Menschen. Den meisten aber
liegt es in der Natur, dass sie unaufhörlich blinzeln, und
diese hält man für furchtsam.
Kein Mensch hat einfarbige Augen, denn stets unter-
scheidet sich die Farbe in der Mitte vom Weissen. An
keinem andern Theile zeigt sich bei den Thieren die
Stimmung des Innern deutlicher, am meisten jedoch bei
dem Menschen, denn man erkennt darin Mässigung, Sanft -
muth, Mitleiden, Hass, Liebe, Traurigkeit und Fröhligkeit.
Auch im Blicken gestalten sie sich auf mannigfache Weise,
denn sie sind drohend, verdreht, flammend, ernst, schielend,
Elftes Buch.
335
niedergeschlagen, schmeichelnd. Fürwahr in den Augen
hat die Seele ihren Sitz. Sie brennen, starren, werden
feucht, schliessen sich. Aus ihnen fliessen die Thränen des
Mitleids. Wenn wir sie küssen, so scheinen wir die Seele
kj. :lbst zu berühren. Von hier aus geht das Weinen und
d 'Bäche von Thränen benetzen die Wangen. Was ist das
^ -r eine Feuchtigkeit, die beim Schmerze so häufig und be-
r reitwillig fliesst? oder, wo weilt sie in der übrigen Zeit?
Mit der Seele aber sehen und betrachten wir; die Augen
nehmen, gleichsam als Gelasse, den sehkräftigen Theil der-
selben in sich auf und geben ihn wieder von sich. Daher
kommt es auch, dass man durch angestrengtes Nachdenken
erblindet, indem die Sehkraft nach innen gezogen wird.
Daher sehen Diejenigen, welche von Epilepsie befallen sind,
selbst bei offenen Augen nichts, weil ihre Seele selbst ver-
dunkelt ist. Sogar die Hasen und viele Menschen schlafen
mit offenen Augen, was die Griechen „das alberne Gaffen" i)
nennen. Die Natur hat die Augen aus vielen dünnen Häuten
gebildet, und gegen Hitze und Kälte äusserlich mit einer
dicken Haut versehen, welche durch die Thränenfeuchti°-
keit zuweilen gereinigt wird; sie machte sie wegen hinein-
fliegender Dinge schlüpfrig und beweglich.
55.
Die Mitte der Augen wird durch eine hornartige Pu-
pille fensterartig durchbrochen. Die Enge der letztern
erlaubt dem Blicke nicht unstät umher zu schweifen, son-
dern giebt ihm wie durch einen Kanal seine Richtung, und
lenkt die nebenbei einfallenden Strahlen leicht ab. Sie
ist bei Einigen von schwarzen, bei Andern von bräunlichen,
bei Andern von grauen Kreisen umgeben, damit das
Licht durch eine passende Mischung von dem umgebenden
Weissen aufgefangen werde und bei einem massigen An-
stosse kein Hinderniss erfahre. Die Spiegelkraft dieser
Kreise ist so stark, dass die so kleine Pupille dennoch
das ganze Bild eines Menschen in sich wieder giebt. Hierin
') xoQvßavxiäv.
336 Elftes Buch-
liegt auch die Ursache, warum die meisten Vögel an todten
Menschen zuerst auf die Augen losgehen, weil sie ihr Bild
in denselben sehen, und gleichsam nach etwas Ihnen Be-
kanntem hinstieben.
Nur einige Lastthiere leiden bei zunehmendem Monde
an Augenkrankheiten. Aber nur der Mensch wird durcb
Abfluss der Feuchtigkeit von der Blindheit geheilt, unu
man weiss, dass Viele nach zwanzig Jahren ihr verlornes
Gesicht wieder erhalten haben. Manche können gleich
Von der Geburt an nicht sehen, ohne dass ein Fehler an
den Augen ist. Ebenso verlieren Andere plötzlich das Ge-
sicht ohne vorhergegangene Beschädigung. Die gelehrtesten
Schriftsteller berichten, von den Augen erstreckten sich
Adern bis zum Gehirn, und ich glaube, selbst bis zum Ma-
gen; wenigstens ist noch Keinem ein Auge ausgenommen
worden, ohne dass Erbrechen erfolgt wäre. Den Sterben-
den die Augen zu schliessen, und auf dem Scheiterhaufen
wieder zu öffnen, ist ein heiliger Gebrauch der Römer,
der durch die Ansicht entstanden ist, dass es eben so sträf-
lich sei, die Augen zuletzt noch von einem Menschen be-
trachten zu lassen, als, sie dem Himmel nicht zu zeigen.
Der Mensch ist unter allen Geschöpfen das einzige, dem
sie verunstaltet werden; daher kommen die Beinamen
Strabo *) und Paetus 2). Diejenigen, welche nur mit einem
sehenden Auge geboren wurden, hiessen Cocliten, die,
welche kleine Augen hatten, Oceller3), und die, deren
Augen verletzt waren, Lusciner4).
Die Augen der nächtlichen Thiere, wie der Katzen,
funkeln und strahlen im Dunkeln, sodass man ihren Blick
nicht ertragen kann; auch die der Ziegen und Wölfe glän-
zen und werfen das Licht zurück. Die der Seekälber und
Hyänen spielen zuweilen mit tausend Farben. Ja auch
die Augen vieler Fische leuchten; wenn sie trocken sind,
1) Ein Schielender.
2) Einer, der nur etwas schielt. 3) Ocellus, Dim. von oculus.
4) Luscinus, ein Blödsichtiger.
Elftes Buch. 337
im Dunkeln, gleichwie durch Alter faul gewordene Baum-
stämme. Dass solche Tbiere, welche ihre Augen nicht zur
Seite bewegen können, sondern den Kopf umdrehen müssen,
wenn sie umsehen wollen, nicht blinzeln, habe ich bereits
gesagt. Die Augen des Chamäleons sollen sich gänzlich
umdrehen. Die Krebse sehen von der Seite. Die Thiere,
welche in eine zerbrechliche Schale eiugeschlossen sind,
haben starre Augen. Die Locusten und Squillen, die zum
Theil dieselbe Bekleidung haben, besitzen sehr harte und
vorstehende Augen. Thiere mit harten Augen sehen weni-
ger gut als solche mit feuchten. Wenn man jungen Schlan-
gen und Schwalben die Augen ausreisst, sollen sie wieder
wachsen. Bei allen Insecten und Thieren mit Schalen
sind die Augen ebenso beweglich, wie bei den vierfiissigen
Thieren die Ohren. Die Thiere mit zerbrechlichen Decken
haben harte Augen. Alle diese, sowie auch die Fische
und Insecten haben keine Augenlider, und bedecken die
Augen nicht. Bei allen ist eine glasartig durchsichtige
Haut über die Augen gespannt.
56.
Der Mensch hat an beiden Augenlidern Wimpern.
Bei den Weibern werden diese sogar täglich gefärbt; so
weit geht also die Putzsucht, dass man selbst die Augeu
bemalt. Die Natur aber gab sie uns aus einer andern
Ursache, nämlich gleichsam als Wall für das Auge, und
als vorspringendes Schutzwerkzeug gegen die Anfälle der
Thiere, oder andere zufällig hineinkommende Dinge. Den-
jenigen, welche zu oft den Beischlaf pflegen, sollen sie
ausfallen, und das mit Recht. Von den übrigen Thieren
haben diejenigen keine Wimpern, welche am übrigen Krö-
per ohne Haare sind. Aber bei den vierfiissigen Thieren
ist nur das obere Augenlid behaart, bei den Vögeln bloss
das untere, ebenso bei den weichhäutigen z. B. den Schlan-
gen und bei den vierfiissigen eierlegenden, wie den Eidech-
sen. Der Strauss ist der einzige Vogel, der Wimpern wie
der Mensch hat.
Wittstein: Tlinius. II. Bd. 22
338 Elftes Buch.
57.
Auch Augenlider haben nicht alle Thiere, daher
können auch diejenigen, welche lebendige Junge gebären,
nicht blicken. Die grössern Vögel schliessen die Augen
mit dem untern Augenlide. Sie blicken dadurch, dass sich
von den Augenwinkeln her eine Haut vorzieht. Die Tau-
ben und ähnliche Vögel schliessen die Augen von oben
und unten; aber die vierfüssigen Thiere, welche Eier legen,
wie die Schildkröten und Krokodile, bloss mit dem untern,
können auch nicht blicken, weil ihre Augen zu hart sind.
Den äussersten Rand des oberen Augenlides nannten die
Alten cilium , daher der Name supercilia *). Wenn dieser
Theil durch eine Wunde zerrissen ist, wächst er nicht
wieder zusammen; dasselbe ist bei noch wenigen andern
Gliedern des menschlichen Körpers der Fall.
58.
Unter den Augen hat bloss der Mensch Wangen,
welche die Alten genae nannten; den Frauen wurde es in
den 12 Tafeln untersagt, sie zu ritzen. Hier ist der Sitz
der Schaam, denn auf ihnen hauptsächlich zeigt sich die
Röthe.
59.
Innerhalb derselben befinden sich die Backen, auf
welchen sich Fröhlichkeit und Lachen verkünden. Etwas
höher hat bloss der Mensch die Nase, welche die neuern
Sitten zum Sitze des hämischen Spottes gemacht haben.
Bei keinem andern Thiere ragt die Nase hervor. Die Vö-
gel, Schlangen, Fische haben keine Nase, sondern nur
Oeffnungen zum Riechen. Daher rühren die Beinamen
Simus 2), Silo3)' Menschen, die im siebenten Monate ge-
boren waren, fehlten häufig die Ohren- und Nasenlöcher.
60.
Nun folgen die Lippen, von denen die Beinamen
') Augenbrauen.
2) Einer mit aufwärtsgebogener, platter Nase.
3) Bedeutet dasselbe wie Simus.
Elftes Buch. 339
Brochi l) und Labeonen 2) entstanden sind. Einen festen
harten Mund haben tlie Thiere, welche lebendige Junge
gebären; statt dessen besitzen die Vögel hornartige und
spitze Schnäbel. Bei denen, die vom Raube leben, ist er
gekrümmt; bei denen, die ihr Futter auflesen, gerade; bei
denen, die Kräuter ausrupfen und im Schlamme wühlen,
breit, gleichwie bei den Schweinen. Dem Zugvieh dienen
die Lippen statt der Hände zum Auflesen des Futters.
Bei denen die ihre Beute zerfleischen, ist der Rachen weit.
Nur der Mensch hat ein Kinn und Wangen. Das Croco-
dil kann nur die obere Kinnlade bewegen; die vierfüssi-
gen Landthiere kauen auf dieselbe Weise wie die übrigen ,
nur bewegen sich dabei die Kinnladen schräg.
61.
Es giebt 3 Arten von Zähnen, sägenförmige, zusam-
menhängende und hervorragende. Die sägenförmigen passen
wie zwei Kämme in einander, damit sie nicht durch ge-
genseitiges Aufeinandertreffen gerieben werden; solche haben
die Schlangen, Fische und Hunde. Eine ununterbrochene
Reihe bilden die Zähne beim Menschen und Pferde. Her-
vorragende finden sich beim Eber, dem Flusspferde und
Elephanten. Unter den zusammenhängenden sind die,
welche zum Zerschneiden der Speisen dienen, breit und
scharf, diejenigen zum Kauen doppelt, und die, welche
diese beiden Arten trennen, werden Hundszähne 3) genannt.
Diese sind unter den sägenförmigen die längsten. Zusam-
menhängende (eine ununterbrochene Reihe bildende) stehen
entweder in beiden Kinnladen, wie beim Pferde, oder in
der obern Kinnlade fehlen die Vorderzähne, wie bei dem
Rindvieh, den Schafen und allen, welche wiederkäuen.
Die Ziegen haben oben keine, ausgenommen 2 Vorderzähne.
Die Thiere mit sägenförmigen Zähnen haben keine hervor-
ragenden; auch sind die letztern bei dem Weibchen selten
und haben sie sie auch, so machen sie doch keinen Ge-
') Dicklippige.
2) Menschen mit aufgeworfenem Munde. 3j Eck zahne.
22*
340 Elftes Buch.
brauch davon. Während also die Eber hauen, beissen die
Säue. Kein Thier mit Hörnern hat hervorragende Zähne.
Alle diese sind hohl, die übrigen Zähne dagegen durchaus
fest. Alle Fische haben sägenförmige Zähne, ausgenom-
men der Scarus, und dieser ist das einzige Wasserthier
mit flachen Zähnen. Uebrigens haben viele derselben an
der Zunge und im ganzen Munde Zähne, sodass es ihnen
möglich ist, durch eine Menge Wunden dasjenige zu er-
weichen, was sie nicht zermalmen können. Viele haben
auch Zähne am Gaumen, ja sogar am Schwänze. Ausser-
dem sind sie bei denen, die kein besonderes Mittel zum
Festhalten der Speisen besitzen, nach innen gekehrt, damit
diese nicht herausfallen.
62.
Eine ähnliche Beschaffenheit haben die Zähne der
Aspis und der Schlangen, aber zwei an ihrer obern
Kinnlade rechts und links sind sehr lang, und von einer
dünnen Röhre durchzogen, durch welche sie, wie derScorpion
mit dem Stachel, Gift ergiessen. Die kundigsten Schrift-
steller berichten, diess sei nichts anderes als die Galle der
Schlangen, welche durch Adern unter dem Rückgrate hin
in den Mund gelange. Nach Einigen hätten sie nur einen
Zahn, den das Thier, weil er krumm wäre, zurückböge,
wenn es beissen wolle. Manche sagen, er fiele ihnen dann
aus, und es wüchse ein neuer wieder; er sei leicht auszu-
brechen, und die Schlangen, welche wir Kunststücke machen
sähen, hätten ihn nicht mehr. Auch im Schwänze des
Scorpions soll ein solcher Giftzahn sein, und die meisten
hätten deren 3. Bei den Vipern sind die Zähne im Zahn-
fleische verborgen; sie haben dasselbe Gift bei sich, und
wenn sie beim Beissen ihren Zahn eingedrückt haben, fliesst
das Gift in die Wunde. Die fliegenden Thiere haben
keine Zähne, ausgenommen die Fledermaus. Das Kameel
ist das einzige unter den nicht gehörnten Thieren, welches
oben keine Vorderzähne hat. Die hörnertragenden Thiere
haben keine Sägezähne. Auch die Schnecken haben Zähne;
diess ersieht mau daraus, dass selbst die kleinsten unter
Elftes Buch. 341
ihnen die Wicken benagen. Aber ich wundere mich, wie
man hat wahrnehmen können, dass unter den Seethieren
die Schalen- und Knorpelthiere Vorderzähne, und die See-
igel deren 5 haben. Bei den Insekten vertritt der Stachel
die Stelle der Zähne. Die Zähne der Affen sind denen des
Menschen gleich. Der Elephant hat inwendig 4 zum Kauen,
und ausser diesen noch die hervorragenden, welche bei
den Männchen zurückgebogen, bei den Weibchen gerade
und abwärts gerichtet sind. Die Seemaus, welche vor dem
Wallfische herschwimmt, hat keine Zähne, aber statt der-
selben inwendig den Mund, die Zunge und den Gaumen
mit Borsten besetzt. Bei den kleinen vierfüssigen Land-
thieren befinden sich in der obern und untern Kinnlade
2 sehr lange Vorderzähne.
63.
Die übrigen Thiere werden mit den Zähnen geboren,
der Mensch bekommt sie erst im 7. Monate nach seiner
Geburt. Die übrigen Thiere behalten sie zeitlebens, nur
der Mensch, der Löwe, das Zugvieh, der Hund und die
Wiederkäuer wechseln sie, aber der Löwe und Hund nur
die sogenannten Hundszähne. Der rechte Hundszahn des
Wolfes wird sehr hoch geschätzt1). Die auf die Hunds-
zähne folgenden Backenzähne wechselt kein Thier. Der
Mensch bekommt seine letzten Zähne, welche die Weisheits-
zähne 2) genannt werden, ungefähr im 20. Jahre, viele, na-
mentlich die Frauen, erst im 80., aber bloss diejenigen,
welche sie in der Jugend nicht bekamen. Dass sie im
Alter ausfallen und auch wohl kurz nachher wieder neue
wachsen, ist ausser Zweifel. Mucianus erzählt, er habe
einen Samothracier, Namens Zocles, gesehen, dem sie im
104. Jahre nachgewachsen wären. Uebrigens hat das männ-
liche Geschlecht beim Menschen, den Schafen, Ziegen,
Schweinen mehr Zähne als das weibliche. Timarchus, der
Sohn des Paphiers Nicocles, hatte in jeder Kinnlade zwei
1) Man bediente sich desselben als Amulet in der Meclicin und
/um Poliren des Goldes.
2) genuini dentes.
342 Elftes Buch.
Reihen Backenzähne. Sein Bruder wechselte die Vorder-
zähne nicht, und nutzte sie daher ab. Man kennt auch ein
Beispiel, wo einem Menschen ein Zahn am Gaumen her-
vorgewachsen ist. Sind die Hundszähne auf irgend eine
Art verloren gegangen, so ersetzen sie sich nicht wieder.
Bei allen übrigen Thieren werden sie im Alter bräunlich,
nur beim Pferde werden sie weisser.
64.
Das Alter des Zugviehs wird an den Zähnen er-
kannt. Das Pferd hat 40 Zähne. Es verliert im 30. Mo-
nate zwei Vorderzähne in beiden Kinnladen; im folgenden
Jahre die beiden nächstfolgenden, worauf dann die soge-
nannten Säulenzähne ') kommen. Zu Anfang des fünften
Jahres verliert es abermals 2, welche im 6. Jahre wieder
ersetzt werden. Im siebenten Jahre hat es lauter neue,
und diese bleiben unveränderlich. Einem zuvor verschnit-
tenen Pferde fallen die Zähne gar nicht aus. Das Ge-
schlecht der Esel -verliert sie ebenso im 30. Monate und
dann alle 6 Monate. Wenn sie nicht vor dem Ausfallen
der letzten Zähne geworfen haben, bleiben sie bestimmt
unfruchtbar. Die Rinder wechseln die Zähne im 2. Jahre.
Den Schweinen fallen sie nie aus. Wenn man sich auf
diese Beobachtung nicht mehr verlassen kann, so beurtheilt
man das Alter der Pferde und übrigen Zugthiere nach dem
Hervorragen der Zähne, an der grauen Farbe der Augen-
brauen , und den Vertiefungen um dieselben herum, und
in diesem Zustande schätzt man ihr Alter auf 16 Jahre.
In den Zähnen des Menschen wohnt ein gewisses Gift,
denn wenn man sie einem Spiegel gegenüber entblösst, so
wird der Glanz desselben matt, und die noch unbefiederten
jungen Tauben sterben davon. Das Uebrige von den Zähnen
habe ich bereits, als von der Erzeugung des Menschen
die Rede war, angeführt. Wenn die Kinder Zähne be-
kommen, werden sie krank. Die übrigen Thiere, welche
sägenförmige Zähne haben, beissen am fürchterlichsten.
') Columellaves.
Elftes Buch. 343
65.
Die Zunge hat nicht bei allen Thieren gleiche Be-
schaffenheit. Bei den Schlangen ist sie äusserst dünn und
dreispaltig, zitternd, von schwarzer Farbe, und wenn man
sie herauszieht, sehr lang; bei den Eidechsen zweispaltig
und haarig. Auch die Seekälber haben eine doppelte
Zunge, aber bei den obengenannten ist sie so dünn wie
ein Haar. Die übrigen Thiere können sich den Mund da-
mit ringsum belecken. Den Fischen ist sie bis auf ein
Geringes, den Krokodilen aber ganz angewachsen. Zum
Schmecken haben dagegen die Wasserthiere statt der Zunge
einen fleischigen Gaumen. Die Löwen, Parder und alle
derartigen Thiere, auch die Katzen haben eine schuppige,
rauhe, einer Feile ähnliche Zunge, womit sie die Haut des
Menschen wund lecken. Sie werden daher, selbst wenn
sie gezähmt sind, doch zur Wuth gereizt, wenn ihr Speichel
sich mit dem nahe liegenden Blute vereinigt. Von der
Zunge der Purpurschnecken habe ich bereits geredet. Bei
den Fröschen hängt die Zunge vorn fest, und ist hinten
von der Kehle getrennt; vermöge dieser Einrichtung bringen
die Männchen zu der Zeit, wenn sie Quakende1) genannt
werden, ihr Geschrei hervor, was in einer bestimmten Peri-
ode geschieht und wodurch sie die Weibchen zur Begattung
locken. Sie lassen nämlich ihre Unterlippe herabhängen,
nehmen zur Erhaltung der Zunge in der Schwebe ein
wenig Wasser in dem Mund, und bewirken durch einen
Zungenschlag jenen Laut. Alsdann werden die aufgebla-
senen Backen durchsichtig, und die von der Anstrengung
hervorgetriebenen Augen funkeln. — Thieren, welche am
hintern Theile ihres Körpers einen Stachel haben, fehlen
auch die Zähne und die Zunge nicht. Bei den Bienen ist
letztere sogar sehr lang, und bei den Cicaden ragt sie her-
vor. Thiere mit einem hohlen Stachel im Munde haben
weder Zunge noch Zähne. Einige Insekten haben die Zunge
*) Ololygones. OXokvyoveg hiessen bei den Griechen die Frösche
zur Begattungszeit.
344 Elftes Buch.
inwendig 1), z. B. die Ameisen. Ganz besonders breit ist
sie beim Elephanten. Bei den übrigen Thieren ist sie, bei
jedem in seiner Art, gelöst, nur bei dem Mensehen oft so
durch Adern gebunden, dass diese durchgeschnitten werden-
müssen. Der Oberpriester Metellus soll eine so schwere
Zunge gehabt haben, dass er sich Monate lang quälen
musste, um die Bede zur Einweihung des Temfels der
Opifera2) einzustudiren. Uebrigens wird der Mensch in
seinem siebenten Jahre fähig, deutlich zu sprechen. Viele-
besitzen die Kunst, die Stimme der Vögel und anderer
Thiere täuschend nachzuahmen. Die Wahrnehmung des
Schmeck ens liegt bei allen übrigen Thieren in der Zungen-
spitze, bei dem Menschen aber auch im Gaumen.
66.
Der Mensch hat Mandeln3), das Schwein Drüsen4)..
Was zwischen diesen hinten am Gaumem herabhängt und
Zapfen5) heisst, ist bloss dem Menschen verliehen. Unter
demselben liegt noch eine kleinere Zunge, die Epiglossis6),.
welche sich bei keinem eierlegenden Thiere findet. Sie hat
einen doppelten Zweck; sie liegt nämlich zwischen 2 Röhren,
deren innere die Arterie7) heisst, zu den Lungen und
dem Herzen führt, und beim Essen durch die Epiglossis be-
deckt wird, damit nicht, weil Athem und Stimme von diesem
Gange ausgehen, Trank und Speise in die unrechte Kehle
kommen und Schmerzen verursachen. Der andere, äussere
Kanal wird mit Recht Speiseschlund8) genannt, denn
er verschlingt Speise und Trank, führt in den Magen und
dieser in den Bauch. Diesen Kanal verschliesst die Epi-
glossis dann, wenn wir bloss athmen oder sprechen wollen,
damit nicht ein unzeitiges Aufstossen aus dem Magen uns
dabei hinderlich werde. Die Luftröhre besteht aus Knorpel
und Fleisch, die Speiseröhre aus Sehnen und Fleisch.
») D. h. sie ragt nicht aus dem Munde hervor.
2) Auch Rhea und Cybele genannt.
3) Tonsillae. 4) Glandulae. 5) Uva.
c) Der Deckel auf der Luftröhre.
7) Die Luftröhre selbst. 8) Gula.
Elftes Buch. 345
67.
Kein Thier, was nicht diese beiden Organe besitzt,
hat einen Nacken. Diejenigen, welche bloss mit einer
Speiseröhre versehen sind, haben nur einen Hals. Der
Nacken ist aus vielen kreisförmig gewirbelten, durch Ge-
lenkknoten verbundenen Knochen zusammengefügt, und
hiedurch so biegsam, dass das Thier sich umsehen kann.
Bloss bei dem Löwen, dem Wolfe und der Hyäne besteht
er aus einzelnen geraden Knochen und ist steif. Uebrigens
knüpft er sich an das Rückgrat, und dieses an die Len-
den. Das Rückgrat besteht aus Knochen von rundem Bau,
durch deren Oeffnung in der Mitte das Rückenmark vom
Gehirn aus hinabsteigt. Dass dasselbe mit dem Gehirn
von gleicher Beschaffenheit sei, schliesst man daraus, weil
die geringste Verletzung seiher zarten Haut sogleich den
Ted nach sich zieht. Thiere, die lange Beine haben, haben
auch lange Hälse; desgleichen die Wasservögel, obgleich
ihre Beine kurz sind, und die krummkralligen.
m.
Bloss bei dem Menschen und dem Schweine schwillt
die Kehle an1), was meistens von einer fehlerhaften Be-
schaffenheit des Trinkwassers herrührt. Der oberste Theil
der Speiseröhre heisst Schlund2), der unterste Magen.
Unter letzterm Namen versteht man eine fleischige Höhlung
unter der Lufröhre, die an dem Rückgrate befestigt istr
und sich der Länge und Breite nach wie eine Flasche aus-
dehnt. Thiere, welche keinen Schlund, haben auch weder
Magen, noch Hals, noch Kehle, wie z. B. die Fische, und
der Kopf ist bei ihnen unmittelbar mit dem Leibe verbun-
den. Die Seeschildkröte hat weder Zunge noch Zähne,
sondern zermalmt alles mit ihren scharfen Mundrändern.
Dahinter liegt die Luftröhre und der mit einem, gleich den
Stacheln des Brombeerstrauchs, gezahnten Wulste versehene
Magen, um die Speisen vollends zu zerreiben; jeweiter die
Kerben nach dem Bauche zu gehen, desto mehr nehmen
') D. h. es entsteht der Kropf. -) Fauces.
346 Elftes Buch.
sie ab, vorn aber gleicht die Rauhheit der einer Schlosser-
Raspel.
69.
Die übrigen Thiere haben das Herz mitten in der
Brust, nur bei dem Menschen liegt es unter der linken
Warze, und ist mit seiner kegelförmigen Spitze nach vorn,
bei den Fischen aber nach dem Munde gerichtet. Das
Herz soll sich bei der Entstehung eines Thieres im Uterus
zuerst bilden, dann das Gehirn und zuletzt die Augen; aber
diese sterben zuerst ab, das Herz hingegen zuletzt. Das
Herz hat die meiste Wärme. Es klopft, als wenn sich im
Thiere noch ein zweites Geschöpf bewegte, ist mit einer
äusserst weichen aber festen, häutigen Hülle bedeckt, und
durch eine von der Brust und den Rippen gebildete Mauer
geschützt, weil es die Hauptursache und den Ursprung des
Lebens in sich schliesst. In seiner geräumigen Höhlung,
die bei grossen Thieren dreifach, bei den übrigen aber
mindestens zweifach ist, bietet es der Seele und dem Blute
den vornehmsten Wohnsitz dar. Hier wohnt der Verstand;
hier entquellen zwei grosse Adern, fliessen nach Vorn und
dem Rücken hin, vertheilen sich in viele Aeste, und führen
durch andere kleinere allen Gliedern das belebende Blut
zu. Es ist das einzige Eingeweide, welches von keiner
Krankheit heimgesucht wird, und frei von den Strafen des
Lebens ist; wird es aber verletzt, so erfolgt augenblicklich
der Tod. Wenn auch alle übrigen Körpertheile verdorben
sind, so dauert doch das Leben im Herzen noch fort.
70.
Man hält diejenigen Thiere für dumm , welche ein
hartes, starres Herz, für kühn, welche ein kleines, und für
furchtsam, die ein sehr grosses Herz haben. Das grösste
im Verhältniss haben die Mäuse, Hasen, Esel, Hirsche,
Panther, Wiesel, Hyäneu und alle furchtsamen oder aus
Furcht bösartigen Thiere. In Paphlagonien haben die Reb-
hühner zwei Herzen. Im Herzen der Pferde und Rinder
werden zuweilen Knochen gefunden. Die Aegypter, bei
denen die Sitte herrscht, die Leichname eiuzubalsamiren,
Elftes Buch. 347
glauben, das Herz im Menschen werde von Jahr zu Jahr
grösser, und nähme bis zum 50. Jahre alljährig um
2 Drachmen zu; von dieser Zeit an nähme es aber immer
wieder um ebenso viel ab, der Mensch könne daher nicht
über 100 Jahre alt werden, weil ihm dann das Herz fehle.
Manche Menschen sollen mit einem rauhen Herzen geboren
weiden, und andere an Klugheit und Stärke übertreffen,
wie z. B. der Messenier Aristomenes, der 300 Lacedämonier
tödtete. Er wurde selbst verwundet und gefangen, ent-
wischte aber durch einen Gang eines Steinbruchs, indem
er die engen Ausgänge der Füchse verfolgte. Nochmals
gefangen, wälzte er sich, als seine Wächter schliefen, zum
Feuer, und brannte die Fesseln von seinem Leibe weg.
Als er endlich zum dritten Male gefangen war, schnitten
ihm die Lacedämonier lebendig die Brust auf, und fanden
sein Herz behaart.
71.
Oben am Herzen befindet sich eine gewisse Art Fett,
was eine glückliche Vorbedeutung hat. Nicht immer aber
ist das Herz zu den weissagenden Eingeweiden gerechnet
worden. Erst unter dem Opferkönig *) L. Postumius Al-
binus, nach der 126. Olympiade, um die Zeit als der Kö-
nig Pyrrhus Italien verliess, fingen die Wahrsager an, das
Herz unter den Eingeweiden mitzubeschauen. Als der
Dictator Cäsar zum ersten Male im Purpurkleide erschien,
und auf dem goldenen Throne sass, fehlte bei 2 Opferthieren
das Herz. Daher entstand unter denen, welche über Vor-
bedeutungen urtheilten, die grosse Streitfrage, ob das
Opferthier ganz ohne diess Eingeweihte gelebt, oder ob es
dasselbe erst in einer gewissen Zeit verloren habe. Das
Herz derer, welche an der Herzkrankheit gestorben oder
durch Gift umgekommen sind, soll nicht verbrannt werden
») Rex sacrorum; so hiess zu Rom nach Vertreibung der Könige
ein gewisser dem Pontifex maximus unterworfener Priester, der bei
feierlichen Opfern die Handlungen, welche ehemals die Könige voll-
brachten, verrichten musste. Yergl. Liv. II. 2.
348 Elftes Buch.
können. Wenigstens existirt noch eine Rede des Vitellius *)„
worin er den Angeklagten Piso des Mordes beschuldigt,,
indem er diesen Umstand als Beweis anführt, und öffent-
lich bezeugt, dass das Herz des Germanicus Cäsar wegen
des empfangenen Giftes nicht habe verbrennen können..
Dagegen wurde Piso durch die Art der Krankheit, an
welcher Germanicus gestorben war, vertheidigt.
72.
Unter dem Herzen liegt die Lunge, die Werkstätte
des Athmens, welche die Luft einzieht, und wieder zurük-
giebt, und deshalb schwammig und mit vielen leeren Ka-
nälen versehen ist. Wenige Wasserthiere haben (wie
schon gesagt wurde) eine Lunge. Dagegen ist sie bei den
übrigen eierlegenden Thieren klein, schaumig und ohne
Blut; diese dursten daher nicht. Davon kommt es auch,
warum Frösche und Robben sehr lange unter Wasser
bleiben können. Auch bei der Schildkröte hat 'die Lunge
kein Blut, obgleich sie von ausserordentlicher Grösse und
sich unter dem ganzen Panzer ausbreitet. Je kleiner sie
im Verhältniss zum Körper ist, um so grösser ist die
Schnelligkeit des Thieres. Das Chamäleon hat verhältniss-
mässig die grösste Lunge, und sonst weiter nichts im Leibe.
73.
Die Leber liegt an der rechten Seite. Bei ihr findet
hinsichtlich dessen, was man den Kopf der Eingeweide 2)
nennt, eine grosse Verschiedenheit statt. Um die Zeit des
Todes des M. Marcellus3), der durch Hannibal umkam,
fehlte er unter den Eingeweiden (eines Opferthieres); am
folgenden Tage fand man einen doppelten. Er fehlte auch,
als C. Marius zu Utica opferte, desgleichen dem Prinzen
Cajus, als er am 1. Januar desselben Jahres, in welchem
') P. Vitellius. Rechnungsführer bei Augustus, war der Schwieger-
sohn des edlen Germanicus Cäsar, der auf Tiberius Befehl höchst
wahrscheinlich heimlich vergiftet wurde. Vergl. Tacitus Annal. III,
2) Der oberste Theil der Leber.
3) Vergl. Valerius Maximus I. 6. und Livius XXVII.
Elftes Buch. 34y
er getödtet wurde, das Consulat antrat, und seinem Nach-
folger Claudius in demselben Monate, wo man ihn vergif-
tete. Als der Kaiser Augustus zu Spoletum am ersten
Tage seiner Herrschaft opferte, fand man bei 6 Opferthieren
die Lebern vom untersten Ende an einwärts gefaltet; auf
diese Erscheinung antworteten die Wahrsager, seine Macht
würde sich innerhalb eines Jahres verdoppeln 1). Auch hat
man diesen Kopf der Eingeweide beim Schlachten für ein
trauriges -Zeichen gehalten, ausgenommen in Bekümmerniss
und Furcht, denn alsdann benimmt es die Sorgen. Die
Hasen in der Umgegend von Briletum und Tharne, ebenso
im Chersones am Piopontis haben 2 Lebern; und merk-
würdig ist es, dass die eine vergeht, wenn man das Thier
wo anders hinbringt.
74. *
An der Leber liegt die Galle, welche sich nicht bei
allen Thieren findet. Zu Chalcis auf Euböa hat sie kein
Schaf. Auf Naxos dagegen ist sie bei diesem Thiere sehr
gross und doppelt, sodass Fremden beides seltsam vorkommt.
Pferde, Maulthiere, Esel, Hirsche, Ziegen, Eber, Kameele
und Delphine haben keine Galle. Unter den Mäusen haben
nur einige eine Galle. Nur wenigen Menseben fehlt sie,
und diese geniessen eine dauerhaftere Gesundheit und ein län-
geres Leben. Einige glauben, das Pferd habe sie zwar
nicht an der Leber, wohl aber im Bauche, und der Hirsch
im Schwänze oder in den Eingeweiden; daher sind dieso
letztern so bitter, dass kein Hund sie berührt. Die Galle
ist aber nichts anderes als die Reinigung und der schlech-
teste Theil des Bluts, und darum auch bitter. Wenigstens
hat kein Thier, was blutlos ist, eine Leber. Sie empfängt
die Galle vom Herzen, mit dem sie verbunden ist, und er-
giesst sie in die Adern.
75.
Schwarze Galle verursacht beim Menschen Raserei,
*) Noch in demselben Jahre besiegte er seinen Nebenbuhler An-
tonius bei Actium.
350 Elftes Buch.
und wenn er sie ganz von sich giebt den Tod. Daher
kommt es auch, dass man ein Verbrechen gegen die Sitten
mit dem Namen der Galle l) bezeichnet. So gross ist die
giftige Wirkung dieser Materie, wenn sie sich in das Ge-
müth verbreitet. Ja sie läuft sogar im ganzen Körper
herum, benimmt den Augen und, hat man sie von sich ge-
geben, selbst metallenen Gefässen ihre Farbe, denn diese
werden schwarz, wenn etwas davon daran kommt. Daher
kann sich Niemand darüber verwundern, dass' man das
Gift der Schlangen für ihre Galle hält. Die Thiere am
Pontus, welche Wermuth fressen, haben keine Galle. Bei
den Raben, Wachteln und Fasanen steht sie mit den Nie-
ren und den übrigen Gedärmen bloss auf einer Seite in
Verbindung, bei einigen, wie den Tauben, Habichten und
Muränen bloss mit den Gedärmen. Wenige Vögel haben
sie in der Leber. Die Schlangen und Fische haben ver-
hältnissmässig am meisten Galle. Bei den meisten Vögeln,
z. B. dem Habichte, dem Milan, ist sie im ganzen Darm-
kanale vertheilt. Uebrigens haben die andern Vögel auch
Galle in der Brust; die der Seekälber hat einen vielfältigen
Nutzen. Aus der Ochsengalle zieht man eine goldgelbe
Farbe. Die Vogeldeuter weihen sie dem Neptun und den
Wassermächten, und der Kaiser Augustus fand an dem
Tage seines Seesiegs bei Actium eine doppelte Galle im
Opferthiere.
76.
In den kleinen Lebern der Mäuse sollen die Fasern
ihrer Zahl nach mit dem Mondwechsel übereinstimmen,
und man soll stets so viele vorfinden, als Lichtwechsel des
Mondes gewesen sind; ausserdem sollen sie auch zur Zeit
des Wintersolstitiums wachsen. Bei den Kranichen in Bä-
tica hat man stets zwei Lebern gefunden. Die zweite Fa-
ser in der Leber der Laubfrösche wird von den Ameisen
nicht angerührt, und zwar, wie man glaubt, ihres Giftes
wegen. Die Leber hält sich ausserordentlich lange, und
») Bilis.
Elftes Buch. 35 \
dass sie 100 Jahre dauern könne, haben die Nachrichten
von Belagerungen gezeigt.
77.
Die Eingeweide der Schlangen und Eidechsen sind lang.
Dem Cäcina aus Volaterra sollen sich als gute Vorbe-
deutung, Drachen aus den Eingeweiden gezeigt haben, und
denen, die da glauben dass König Pyrrhus an dem Tage
seines Todes die abgehauenen Köpfe der Opferthiere herum-
kriechen und ihr eigenes Blut lecken sah, mag wohl in
der That nichts unglaublich vorkommen. Die oberen Ein-
geweide des Menschen werden von dem untern Theile der-
selben durch eine Haut getrennt, welche Herzhaut1) heisst,
weil sie sich vor dem Herzen ausspannt; die Griecheu
nennen sie (fgivai. Alle Haupteingeweide hat die weise
Natur in besondere Häute, gleichsam wie in Scheiden ein-
geschlossen, und diess that sie besonders wegen der Nach-
barschaft des Magens, damit der Geist nicht durch die
Speisen beunruhigt werde. Von dieser Herzhaut hängt
also die Feinheit des Geistes ab; daher besteht sie nicht
aus Fleisch sondern nur aus feinen Nerven. In ihr befin-
det sich der Hauptsitz der Fröhlichkeit, was man vorzüglich
beim Kitzeln unter den Achseln, bis wohin sie geht, wahr-
nimmt. An keinem andern Theile ist die Haut zarter; da-
her empfindet man hier die Wollust des Kratzens am ersten,
und deshalb sind in den Gefechten und Fechterspielen
manche unter Lachen gestorben, wenn ihr Zwerchfell
durchstochen war.
78.
Unter der Herzhaut liegt der Bauch2) bei denen,
welche einen Magen haben; er ist bei allen übrigen Thieren
einfach, nur bei den Wiederkauern doppelt, und den Blut-
losen fehlt er ganz, denn der Darm beginnt bei diesen
sogleich vom Munde, und kehrt auch bei einigen z. B. den
Sepien und Polypen wieder dahin zurück. Beim Menschen
') Praecordia, das Zwerchfell.
*) venter; hier als Magen zu verstehen.
352 Elftes Buch.
ist er unten an den Magenmund befestigt und gleicht dem
eines Hundes. Bloss bei diesen Thieren ist er am unterm
Theile enger, daher brechen sie allein sich nur, weil, wenu
er angefüllt ist, die Speise wegen der Enge nach oben ge-
drückt wird, was aber bei denen nicht geschehen kann,
welche einen so weiten Magen haben, dass die Speisen
nach unten gehen können.
79.
Auf diesen Theil folgen beim Menschen und beim Sshafe
die Dünndärme1)? durch welche die Speisen gehen; bei
den übrigen Thieren aber die kleinen Därme 2). Darauf
folgen die grössern Gedärme, welche nachdem Unterle ibe3)
zu, und bei dem Menschen in den verschlungensten Kreisen
liegen. Daher sind diejenigen Thiere, welche eiuen län-
gern Leib haben, fressgieriger, und die fettleibigen weniger
klug und munter. Einige Vögel haben sogar 2 Speisebe-
hälter, einen, wohin sie das frische Futter bringen, nämlich
den Kropf4), und den andern in welchen sie das gehörig
erweichte Futter hinablassen. Dahin gehören die Hühner ,
Tauben, und Rebhühner. Fast allen übrigen Vögeln fehlt
der Kropf, allein sie haben dafür eine weitere Speiseröhre,
wie die Dohlen, Raben und Krähen. Einige haben keins
von beiden, sondern den lang- und enghalsigen, wie z. B.
dem Porphyrio, liegt der Magen dem Halse sehr nahe.
Der Magen der Einhufer ist rauh und hart. Bei einigen
Landthieren hat er eine zahnartige Rauhigkeit, bei andern
ist er gegittert und scharf. Bei allen Thieren, welche we-
der in beiden Kinnladen Zähne haben, noch wiederkäuen,
werden hier die Speisen zermalmt und gelangen so in den
Unterleib. Die Mitte desselben ist bei allen Thieren mit
dem Nabel verbunden; beim Menschen ist der untere Theil
dem eiues Sehweines ähnlich. Bei den Griechen heisst er
') Lactes. 2) Hillae.
3) Alvus, d. h. die im Innern des Bauches befindlichen grossen
Gedärme.
4) Guttur.
Elftes Buch. 353
Kolon *), und in ihm ist der Sitz der heftigsten Schmerzen.
Am engsten ist er bei den Hunden, weshalb ihn diese nur
durch heftiges Drängen, und nicht ohne Schmerzen erleich-
tern. Unersättlich sind diejenigen Thiere, bei denen
die Speisen aus dem Magen unmittelbar in den Mastdarm 2)
übergehen, wie z. B. der Hirsch wolf, und unter den Vögeln
der Taucher. Der Elephant hat 4 Mägen, übrigens ist
sein innerer Bau dem des Schweines gleich, und seine
Lunge 4 mal so gross als die eines Ochsen. Der Magen
der Vögel ist fleischig und dickhäutig. Im Magen der
jungen Schwalben findet man kleine Steine von weisser
oder röthlicher Farbe, welche Schwalbensteine heissen, und
zu Zauberkünsten dienen sollen. Auch im Magen junger
Stiere findet sich ein runder ballartiger schwärzlicher
Tophus3), der fast gar kein Gewicht, und wenn er die
Erde noch nicht berührt hat, ein äusserst wirksames Mittel
bei schweren Geburten sein soll.
80.
Der Magen und die Gedärme werden von einem fetten
dünnen Netze4) bedeckt, ausgenommen bei den eierlegen-
den Thieren. An dieses schliesst sich auf der linken Seite
der Leber gegenüber die Milz, welche mit jener zuweilen
den Platz vertauscht, was alsdann von wichtiger Bedeutung
ist. Einige sind der Meinung, auch die eierlegenden Thiere
hätten eine Milz, ebenso hätten die Schlangen eine ganz
kleine; wenigstens ist sie bei der Schildkröte, dem Kro-
kodil, den Eidechsen und Fröschen vorhanden. Dass der
Vogel, genannt Ziegenkopf5), keine hat, steht fest, und
dasselbe gilt von den blutlosen Thieren. Sie ist zuweilen
ein eigenes Hinderniss beim Laufen, wird deshalb den
Läufern, welche daran leiden, gebrannt. Auch sollen selbst
Thiere, denen man sie herausgeschnitten hat, am Leben
') Grimmdarm. 2) Intestinum rectum.
s) Diese Ballen bestehen aus verschluckten Haaren,, und finden
sich fast bei allen wiederkauenden Thieren.
*) Omentum. 8) Aegocephalus ; s. X. B. 79. Cap.
Wittstein: Plinius. II. Bd. ->3
^54 Elftes Buch.
bleiben. Einige glauben, mit dem Verluste der Milz würde
dem Menschen auch das Lachen benommen, und eine un-
mässige Lachsucht rühre von der Grösse der Milz her.
In Asien liegt ein Distrikt, Namens Scepsis, wo die Schafe
eine sehr kleine Milz haben, und dort sollen auch Mittel
gegen die Milz erfunden worden sein.
81.
Zu Briletum und Tharne haben die Hirsche 4 Nieren,
dagegen die geflügelten und beschuppten Thiere gar keine-
Die Nieren hängen mit den obern Theilen der Lenden zu-
sammen; die rechte liegt bei allen Thieren höher, ist we-
niger fett und mehr trocken. Bei beiden aber geht das
Fett von der Mitte aus, ausgenommen beim Seekalbe. Die Nieren
sind bei den Thieren der fetteste Theil, und die Schafe
müssen sterben, wenn ihnen das Fett um die Nieren zu-
sammenwächst. Zuweilen werden Steine darin gefunden.
Alle vierfüssigen lebendiggebärenden Thiere haben Nieren :
unter den eierlegenden bloss die Schildkröte, die auch alle
übrigen Eingeweide besitzt. Die des Menschen sind den
Kalbsnieren ähnlich, und gleichsam aus vielen Nieren zu-
sammengesetzt.
82.
Die um das Herz liegenden Lebensorgane hat die Natur
mit der Brust, einem Vereine von Knochen, umgeben, den
Bauch aber, der Spielraum zum Zunehmen haben musste,
hat sie nicht mit einer solchen Wand versehen. Kein Thier
hat daher Knochen um den Bauch herum. Nur bei dem
Menschen ist die Brust breit, bei den übrigen Thieren kiel-
förmig, zumal bei den Vögeln, und am meisten bei den
Wasservögeln. Der Mensch hat bloss 8 R i p p e n , die Schweine
haben 10, die gehörnten Thiere 13, und die Schlangen 30~
83.
Unten im Bauche nach Vorn liegt die Blase, welche,,,
ausser der Schildkröte, keine ierlegendes Thier, auch keins
mit blutloser Lunge, und keins, welchem die Füsse fehlen,..
hat. Zwischen ihr und dem Unterleibe liegen die Arterien^
welche nach den Geschlechtstheilen hinlaufen und Ilia ge-
Elftes Buch. 355
nannt werden. In der Blase des Wolfes befindet sich ein
Steinchen, das Syrites genannt wird. Aber in den Blasen
mancher Menschen entstehen zuweilen Steine, welche
schreckliche Schmerzen verursachen, auch borstige Haare.
Die Blase besteht aus einer Haut, die, wenn sie verletzt ist,
nicht wieder zuheilt, ebensowenig wie die, welche das Ge-
hirn und das Herz umgiebt; es giebt nämlich verschieden-
artige Häute.
84.
Bei dem weiblichen Geschlechte finden sich alle diese
Organe; ausserdem steht mit der Blase noch ein kleiner
Schlauch in Verbindung, der deshalb Uterus1) genannt
wird, und was man mit einem andern Namen „den Ort"
nennt, das heisst bei den Thieren vulva. Diese ist bei
den Vipern und denjenigen Thieren, welche ihre Jungen
lebendig zur Welt bringen, doppelt. Bei den Eierlegenden
hängt sie mit dem Zwerchfell zusammen, und beim Weibe
hat sie 2 Buchten, und zwar nach jeder Seite hin eine.
Es ist tödtlich, wenn sie sich verwendet und Luft ein-
schliesst. Trächtige Kühe sollen, selbst wenn sie Zwillinge
haben, doch bloss in der rechten Höhlung der Gebärmutter
tragen. Die Gebärmutter ist besser 2) wenn das Thier ver-
worfen, als wenn es normal geboren hat; im erstem Falle
heisst sie ejectitia, im letztern porcaria. Von einer Sau,
die zum ersten Male geworfen hat, ist sie am besten, am
schlechtesten von solchen, die nicht mehr werfen. Nach
dem Werfen ist sie unterlaufen und mager, ausgenommen, wenn
man die Sau noch an demselben Tage schlachtet. Diejenigen
von jungen Sauen werden nur dann geschätzt, wenn sie
schon ein Mal geworfen, besser sind die von alten, wenn
sie nur noch nicht ausgeworfen haben, aber man soll sie
weder 2 Tage vor, noch 2 Tage nach dem Wurf, noch an
dem Tage des Wurfs nehmen. Nächst der Vulva ejectitia ist
') Gebärmutter.
2) In der feinem Kochkunst der Römer gehörten diese Theile
zu den ausgesuchtesten Delicatessen.
23*
356 Elftes Buch.
die beste diejenige von einer 1 Tag nach dem Werfen ge-
schlachteten Sau; von einer solchen auch das Euter ganz
vorzüglich, wenn die Jungen noch nicht daran gesogen
haben. Dahingegen taugt das Euter von einer Sau, die
verworfen hat, nichts. Die Alten nannten das Euter ab-
domen, ehe es hart ward, denn sie pflegten die trächtigen
Thiere nicht zu tödten.
85.
Gehörnte Thiere, die nur in einer Kinnlade eine voll-
ständige Zahnreihe, und an den Füssen Knöchel haben,
liefern, wenn sie fett sind, Talg1); die Zweihufer oder die,
deren Füsse in Zehen gespalten sind und die keine Hörner
tragen, Schmalz2). Das Schmalz ist fest, wenn es kalt
goworden ist, zerbrechlich und sitzt stets da, wo das Fleisch
aufhört. Dagegen liegt das Fett3) zwischen der Haut und
dem Fleische und ist flüssiger. Einige Thiere, z. B. der
Hase, das Rebhuhn werden nicht fett. Alle fetten Thiere,
sowohl männlichen als weiblichen Geschlechts sind weniger
fruchtbar, altern auch schneller, als andere. Alle Thiere
haben eine Art Fett in den Augen. Das Schmalz ist bei
allen ohne Empfinduug, weil es keine Arterien und Venen
hat. Bei den meisten Thieren ist auch das Fett empfin-
dungslos; daher sollen selbst lebendige Schweine von Mäusen
angefressen werden. Auch soll man dem Sohne des Con-
sulars L. Apronius das Fett abgezogen und dadurch seinen
Körper von einer hinderlichen Last befreiet haben.
86.
Dahin scheint auch das Mark zu gehören, welches in
der Jugend rötblich, im Alter weisslich ist. Es befindet
sich nur in den hohlen Knochen, aber weder in den Beinen
des Zugviehs, noch der Hunde, daher können Brüche an
denselben nicht wieder zusammengeheilt werden, weil der
Zufluss des Markes fehlt. Bei den Thieren, welche Schmalz
haben, ist das Mark fettig, bei den Gehörnten talgig, bei
') Sevum. *j Adeps. 3) Pingue.
Elftes Buch. 357
denen, die keine Knochen haben, wie die Fische, sehnig
und nur im Rückgrate befindlich. Die Bären haben keins;
beim Löwen findet man nur wenig, und diess in einigen
Hüft- und Schulterknochen, aber diese Knochen sind so
hart, dass man damit, wie mit einem Kieselsteine, Feuer
schlagen kann.
87.
Auch die Thiere, welche nicht fett werden, haben harte
Knochen; die der Esel dienen zu Flöten. Die Delphine
haben Knochen und keine Gräten, denn sie gebären leben-
dige Junge. Die Schlangen haben Gräten. Unter den
Wasserthieren haben die weichen weder Knochen noch
Gräten, sondern ihr Körper wird durch Fleischringe zu-
sammengehalten, wie z. B. die Sepia und der Loligo. Auch
den Insekten sollen sie fehlen. Die im Wasser lebenden
Knorpelthiere haben Rückenmark. Das Seekalb hat Knor-
pel, keine Knochen. Ebenso hat auch die weise Natur
allen Thieren die Ohren, und die vorstehende Nase weich
und biegsam gemacht, damit sie nicht zerbrechen. Zerris-
sener Knorpel heilt nicht wieder zusammen. Auch wachsen
abgetrennte Knochen nicht wieder, ausgenommen bei den
Lastthieren die vom Hufe an bis zum Hinterbug. — Der
Mensch wächst in die Länge bis zum 21. Jahre, dann
ferner zu seiner vollkommenen Ausbildung. Am meisten
aber merkt man, dass beim Eintritt der Mannbarkeit, und
besonders durch Krankheit, ein gewisser Knoten sich löst.
88.
Die Nerven entspringen am Herzen, beim Rinde
schlingen sie sich sogar um dasselbe herum, haben eine
ähnliche Beschaffenheit und Bestimmung, sind bei allen
Thieren an den schlüpfrigen Knochen angebracht, und ver-
binden im Körper die Knoten, welche Gelenke heissen,
hier durch Zwischenliegen, dort durch Umschlingen, dort
dadurch, dass sie hindurchgehen, miteinander. Hier sind
sie rund, dort breit, wie es die Bildung eines jeden Theiles
erfordert. Wenn sie zerschnitten sind, heilen sie nicht
wieder zusammen, und es ist merkwürdig, dass ihre Ver-
358 Elftes Buch.
wundung den heftigsten Schmerz verursacht, jedoch gar
keinen, wenn sie durchgeschnitten sind. Einige Thiere
nahen keine Nerven, z. B. die Fische, denn diese bestehen
nur aus Arterien, doch auch diese fehlen den Weichlingen
unter den Fischen. Wo Nerven sind, da geben die innern
den Gliedern Bewegung, und die äussern bringen sie wieder
in ihre Lage zurück. Zwischen den Nerven liegeu die
Arterien x) d. h. die Luftadern. Auf diesen schwimmen
gleichsam die Venen oder Blutadern. Das Schlagen der
Arterien ist besonders an den Enden der Glieder deutlich
wahrzunehmen, dient oft als Anzeigen von Krankheiten,
und ist von Herophilus 2), einem berühmten Arzte, mit be-
wunderungswürdigem Scharfsinne in gewisse Schläge und
metrische Gesetze, nach dem Lebensalter und zwar in ein
gleichförmiges, sehnelleres und langsames eingetheilt worden.
Man hat jedoch diese Theorie wegen ihrer Subtilität wieder
verlassen, denn diese Beobachtung des schnellern oder
langsamem Pulsschlages giebt schon hinreichenden Auf-
schluss über den körperlichen Zustand.
89.
Die Arterien sind ohne Empfindung denn sie ent-
halten kein Blut. Sie enthalten nicht sämmtlich Lebens-
luft, und schneidet man eine durch, so stirbt bloss der zu-
nächst liegende Theil des Körpers ab. Die Vögel haben
weder Venen noch Arterien, ebenso die Schlangen, Schild-
kröten, Eidechsen, die auch nur sehr wenig Blut haben.
Die Venen verzweigen sich zuletzt in äusserst feine Fa-
sern unter der ganzen Haut, und verengen sich so, dass
l) Plinius verstellt unter Arteria allerdings das, was wir jetzt
darunter verstehen, nämlich die Pulsadern; allein nach der damals
herrschenden Ansicht enthielten sie kein Blut, sondern Luft oder
Athem. Bekanntlich sind nach unsern jetzigen Begriffen die Puls-
adern dazu bestimmt, das Blut vom Herzen in die übrigen Theile
des Körpers zu leiten, während die Venen es wieder zurückführen.
a) Aus Cbalcedon um 280 v. Chr., berühmtester Anatom seiner
Zeit, Schüler des Praxagoras; zergliederte zuerst menschliche Leich-
name.
Elftes Buch. 359
nicht das Blut selbst, sondern bloss eine feine vom Blute
herrührende Flüssigkeit, welche aus den unzähligen Ader-
spitzen dringt und Seh weiss genannt wird, hindurch drin-
gen kann. Die Venen bilden am Nabel einen Knoten und
bewirken dadurch den Vereinigungspunkt des Blutes.
90.
Thiere, welche viel und fettes Blut haben, gerathen
leicht in Zorn; beim männlichen Geschlechte ist es schwärzer
als beim weiblichen, und zwar in der Jugend mehr als im
Alter, auch hat es in den untern Theilen mehr Fett. In
ihm liegt ein grosser Theil der Lebenskraft. Lässt man
es ab, so nimmt es den Lebensgeist mit sich fort, ist je-
doch ohne Gefühl. Mit der Stärke der Thiere wächst
auch die Dicke des Blutes; die klügern haben dünneres,
die furchtsamen wenig oder gar keins. Das Blut der Och-
sen stockt sehr schnell und wird hart, das Blut der Eber,
Hirsche, Ziegen und Büffel gerinnt nicht. Das fetteste
Blut hat der Esel, das dünnste der Mensch. Alle Thiere,
welche mehr als 4 Füsse haben, sind blutlos. Fette Thiere
haben weniger Blut, weil viel davon durch das Fett ver-
zehrt wird. Der Mensch allein ist dem Blutfluss aus der
Nase ausgesetzt; Einige bluten nur aus einem Nasenloche,
Andere aus beiden, bei Andern geht es durch die untern
Theile weg, bei Vielen zu bestimmten Zeiten durch den
Mund, wie neulich dem gewesenen Prätor Macrinus Viscus,
und bei dem Stadtpräfect Volusius Saturninus, der über
90 Jahre alt wurde, fand diess alle Jahre statt. Nur das
Blut vermehrt sich zu gewissen Zeiten im Körper; so geben
die Opferthiere mehr Blut, wenn sie zuvor gesoffen haben,
91.
Ich habe schon angeführt, welche Thiere sich zu ge-
wissen Zeiten verbergen; dann haben sie — eine merk-
würdige Einrichtung der Natur — kein Blut, ausgenom-
men einige Tropfen um das Herz. Eben so ändert sich im
Menschen seine Wirkung bei der geringsten Veranlassung,
indem es nicht nur überhaupt ins Gesicht tritt, sondern
sich bei jeder Gemüthsbewegung, bei Schaam, Zorn, Furcht,
3(30 Elftes Buch.
anders, sowohl in Hinsicht der Blässe als der Röthe ver-
hält; denn anders zeigt sich die Röthe beim Zorn, als bei
der Reue. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass es bei
der Furcht zurücktritt, und nirgends zu finden ist, denn
bei Vielen, welche durchbohrt wurden, floss es nicht
Dieser Umstand zeigt sich nur bei dem Menschen; denn
die Thiere, von denen ich gesagt habe, dass sie eine andere Far-
be annehmen, erhalten dieselbe nur durch den Wiederschein
anderer Gegenstände, der Mensch hingegen trägt die Ursache
seiner Farbenänderung in sich selbst. Alle Krankheiten,
auch der Tod zehren das Blut auf.
92.
Manche sind der Meinung, die Schärfe des Geistes
beruhe nicht auf der Dünne des Blutes, sondern der hö-
here oder geringere Grad der Dummheit eines Thieres
hänge von seiner Haut und Leibesbedeckung ab, und füh-
ren die Austern und Schildkröten als Beispiele an. Ferner
hinderten die Haut der Rinder und die Borsten der
Schweine den Zufluss der feinern Luft, und Hessen sie nicht
in ihrer ursprünglichen Reinheit und Flüssigkeit durch;
ebenso verhielte es sich auch mit dem Menschen, wenn
eine dicke schwielige Haut ihrem Eindringen entgegen
wäre. Als wenn man dem Krokodile nicht beides, ein
hartes Fell und Klugheit zugestehen müsste!
93.
Die Haut des Flusspferdes hat eine solche Dicke, -
dass Spiesse daraus gedrehet werden, und doch besitzt diess
Thier eine gewisse Geschicklichkeit, seine Krankheiten
zu heilen x). Auch das Fell der Elephanten besteht aus
undurchdringlichen Schilden, und doch muss man ihnen
die meiste Klugheit unter allen Thieren einräumen. Die
Haut selbst ist unempfindlich, besonders am Kopfe, und
überall wo sie allein und ohne Fleisch auftritt, wächst sie
nach einer Verwundung nicht wieder zu, wie z. B. auf den
Backen und an den Augenlidern.
') Vergl. VIII. B. 40. Cap.
Elftes Buch. 36B
94.
Die Thiere, welche lebendige Junge gebären, haben
Haare, die eierlegenden Federn oder Schuppen oder auch
Schalen, wie die Schildkröten, oder eine purpurne Haut,
wie die Schlangen. Die Kiele der Federn sind hohl.
Werden sie abgeschnitten, so wachsen sie nicht wieder^
wohl aber dann, wenn man sie ausreisst. Die Flügel der
Insekten bestehen aus zerbrechlichen, die der Meerschwal-
ben aus feuchten, und die der Fledermäuse aus trocknen
Häuten. Die Flügel der letztern haben auch Gelenke.
Haare, die aus einer dicken Haut hervorwachsen, sind
borstig, bei dem Weibchen jedoch dünner. Das Pferd hat
an der Mähne, und der Löwe an den Schultern reichliches
Haar, der Dasypus auch an der innern Seite der Backen
und an den Füssen, was beides Trogus gleichfalls von dem
Hasen -berichtet und hieraus schliesst, dass stark behaarte
Menschen wollüstiger als andere wären. Das behaarteste
Thier ist der Hase. Nur der Mensch allein bekommt
Haare an den Geschlechtstheilen , und wenn sie nicht er-
scheinen, so ist er zur Fortpflanzung unfähig, er sei nun
männlichen oder weiblichen Geschlechts. Die Haare bringt
der Mensch zum Theil mit auf die Welt, zum Theil wach-
sen sie ihm später nach, jedoch nicht bei den Castrirten..
Die angebornen Haare gehen nicht aus, die Frauen aber
behalten alle Haare eher. Indessen rindet man einige
unter ihnen, welche am Ausfallen der Kopfhaare leiden,
sowie andere, die Flaumhaare um den Mund bekommen,
wenn ihr Monatsfluss ausbleibt. Bei manchen Männern
wachsen die Haare, welche erst nach der Geburt zum
Vorschein kommen, nicht von selbst nach. Bei den vier-
füssigen Thieren erfolgt das Ausgehen und Nachwachsen
der Haare alljährig. Bei den Männern wachsen vorzüglich
die Kopfhaare, später kommt erst der Bart. Abgeschnittene
Haare wachsen nicht, wie Gras und andere Pflanzen vom
Schnitte an, sondern von der Wurzel aus. Sie wachsen
auch in einigen Krankheiten, besonders der Schwindsucht,,
auch im Alter, ja selbst an Leichnamen fort. Bei wollü.-
362 Elftes Buch.
stigen Menschen geben die angebornen Haare früher aus,
die nachgekommenen aber wachsen schneller. Bei den
vierfüssigen Thieren werden sie im Alter dick, und ihr
Vliess wird spärlicher daran. Die vierfüssigen Thiere sind
auf dem Kücken behaart, am Bauche glatt. Aus den Rinds-
häuten wird Leim gekocht; der vorzüglichste kommt von
denen der Stiere.
95.
Unter den männlichen Geschöpfen hat bloss der Mensch
Brustwarzen1); die übrigen haben nur eine Andeutung
davon. Allein die Weibchen haben nicht einmal welche
an der Brust, wenn sie nicht ihre Jungen in die Höhe
heben können. Die eierlegenden Thiere haben überhaupt keine;
auch geben bloss die, welche lebendige Junge gebären,
Milch. Beides findet unter den flugfähigen Thieren bloss
bei der Fledermaus statt; denn die Erzählungen von der
Ohreule, welche Kinder an ihren Brüsten tränken soll,
halte ich für ein Mährchen. Bekanntlich zählten schon die
Alten diesen Yogei zu den verwünschten, allein ich glaube
nicht, dass man weiss, was es eigentlich für ein Vogel ist.
Die Esel haben nach dem Werfen Schmerz am Euter, da-
her entwöhnen sie ihre Jungen schon im 6. Monate, wäh-
rend die Pferdestuten ihre Füllen fast ein Jahr lang saugen
lassen. Alle Einhufer werfen nicht über 2 Jungen, haben
2 Zitzen, und diese nirgends anders als zwischen den
Schenkeln. An demselben Orte befinden sie sich bei den
Zweihufern und gehörnten Thieren. Die Kühe haben 4
Zitzen, die Schafe und Ziegen 2; diejenigen welche mehr
Junge werfen, und die mit mehr spaltigen Klauen, mehrere,
welche am ganzen Bauche in doppelter Reihe stehen, wie
z. B. die Sauen, unter denen die edlere Ra§e 12, die ge-
meinen zwei weniger haben. Ebenso die Hunde. Bei an-
dern stehen mitten am Bauche vier, wie bei den Panthern,
bei noch andern zwei, wie bei den Löwinnen. Nur der
Elephant hat zwei unter dem Vorderbuge, nicht an der
') Mammae.
Elftes Buch. 3(33
Brust, sondern unter den Achseln verborgen. Die Thiere
mit zeheuartig gespaltenem Füssen haben sie nicht zwischen
den Schenkeln. Bei jedem Wurfe einer Sau legen sich
die zuerst geworfenen Jungen an die ersten d. h. die dem
Halse am nächsten liegenden Zitzen, jedes Junge kennt
die ihm nach der Ordnung der Geburt zukommende, und
nährt sich an dieser und keiner andern. So wie ein Säug-
ling von der ihr gehörigen Zitze genommen wird, giebt
diese keine Milch mehr und tritt zurück. Bleibt aber von
dem ganzen Haufen nur eines übrig, so tritt auch bloss
die eine, welche dem Jungen seiner Geburt nach zukam,
hervor und giebt Milch. Die Bärinnen haben 4 Zitzen;
die Delphine bloss zwei am untersten Ende des Bauches,
welche nur wenig hervortreten und schief stehen. Kein
anderes Thier als dieses lässt im Fortschreiten an sich
saugen. Auch die Wallfische und Seekälber nähren ihre
Jungen an Brüsten.
96.
Die Milch, welche bei den Frauen vor dem siebenten
Monate kommt, taugt nicht; von diesem Monate an, wo die
Leibesfrucht lebensfähig wird, ist sie nahrhaft. Bei vielen
Weibern quillt die Milch aus den ganzen Brüsten, ja sogar
aus den Achselhöhlen hervor. Die Kameele haben so
lange Milch, bis sie wieder trächtig werden; sie soll äusserst
angenehm schmecken, wenn ein Maass davon mit 3 Maass
Wasser vermischt wird. Die Kuh hat vor dem Wurfe keine
Milch. Aus der ersten Milch nach der Geburt entsteht das
Colostrum, das, wenn es nicht mit Wasser vermischt
wird, zu einer bimsteinartigen harten Masse gerinnt. Die
Eselinnen geben während ihrer ganzen Tragzeit Milch.
Ihren Füllen ist in den Gegenden, wo fettes Futter wächst,
der Genuss der Muttermilch in den ersten 2 Tagen nach
der Geburt tödtlich. Dieses Uebel heisst Colostratio.
Die Milch derjenigen Thiere, welche in beiden Kinn-
laden vollständig bezahnt sind, giebt keinen Käse, denn
sie gerinnt nicht. Die dünnste Milch haben die Kameele,
dann folgt die der Pferde; am dicksten ist die Eselsmilch,
364 Elftes Buch.
daher dient sie auch als Coagulum l). Sie soll auch zur
Erhaltung der Weisse der Haut bei den Frauen beitragen.
Wenigstens führte Poppäa, die Gemalin des Domitius NeroT
500 trächtige Eselinnen mit sich herum, und rieb sich im
Bade mit deren Milch den ganzen Leib ein, weil sie glaubte,
dass die Haut dadurch mehr ausgedehnt werde. Alle
Milch verdickt am Feuer, und wird in der Kälte zu Mol-
ken. Die Kuhmilch giebt mehr Käse als die Ziegenmilch,
es wird nämlich aus derselben Quantität noch einmal so
viel gewonnen. Die Milch solcher Thiere, welche mehr
als 4 Zitzen haben, taugt nicht zum Käse, besser ist dieser
von den 2zitzigen. Das Coagulum vom jungen Hirsch,
Hasen und Bock wird gelobt; das vorzüglichste jedoch
kommt vom Dasypus, welches auch als Mittel gegen den
Durchfall angewendet wird. Diess ist unter den Thieren,
die in beiden Kinnladen vollständig bezahnt sind, das ein-
zige, welches Coagulum liefert. Man muss sich wundein,
dass die wilden Völker, welche seit so vielen Jahrhunderten
von der Milch leben, den Käse nicht kennen oder verach-
ten, da sie doch sonst die Milch zu einer angenehmen
Säure und zu einer fetten Butter zu verdicken wissen.
Butter ist ein dickerer Milchschaum, als die sogenannten
Molken. Hiebei darf ich nicht vergessen zu bemerken,
dass die Butter eine ölartige Beschaffenheit hat, und dass
alle Barbaren und wir unsere Kinder damit einreiben.
97.
Zu Rom, wo die Producte aller Länder zusammen-
kommen, wird der Käse aus den Provinzen am meisten
geschätzt, und zwar vor allen der nemausensische 2), der
lesurische und gabalische 3); allein er hält sich nicht lange,
und ist bloss im frischen Zustande gut. Die Alpen liefern
!) Coagulum wird gewöhnlich mit „Lab" übersetzt, was aber
hier durchaus nicht angeht. Plinius versteht unter Coagulum gewiss
nichts anderes als Milch, welche durch Stehen dick geworden (coa-
culirt) ist.
2) Aus der Gegend des heutigen Nismes.
3) Jetzt Gewaudom.
Elftes Buch. 365
in 2 Sorten den Beweis ihrer vortrefflichen Weiden; die
dalmatischen Alpen schicken den docleantischen J) und
die centronfschen 2) den vatusischen Käse. Noch mehr
Sorten liefert der Apennin; denn der coebanische 3) kommt
aus Ligurien und wird grösstenteils aus Schafmilch ge-
macht; der äsinatische aus Umbrien, und da wo Etrurien
und Ligurien sich berühren, der lunensische 4), der sich
durch seine Grösse auszeichnet, denn die Laibe wiegen
bis zu 1000 Pfund. Der nächste bei Rom ist der vestini-
sche und unter diesem wird die Sorte vom ceditischen Ge-
filde am meisten geschätzt. Auch die Ziegenheerden haben
in dieser Hinsicht ihren Werth, besonders beim frischen
Käse, wenn man dessen Wohlgeschmack durch Räuchern
vermehrt; ein ähnlicher, der in Rom selbst bereitet wird,
verdient den Vorzug vor allen andern Sorten, denn der
gallische schmeckt fast wie Arznei. Unter den überseei-
schen aber ist wohl der bithynische der berühmteste. Dass
die Futterkräuter selbst da, wo es kein Salz giebt, Salz
enthalten, wird man besonders am alten Käse gewahr,
und ein untrügliches Mittel, diesem wieder einen frischen
Geschmack zu geben, ist, ihn in Essig und Thymian zu
legen. Zoroaster soll 30 Jahre lang in den Wüsten von
Käse, der so zubereitet war, dass man ihm sein Alter
nicht anmerkte, gelebt haben.
98.
Unter den Landthieren hat nur allein der Mensch 2
Füsse. Er allein hat Schlüsselbeine 5) und Schultern, die
übrigen haben nur einen Bug; er allein Ellenbogen. Bei
den Thieren mit Händen sind diese bloss inwendig fleischig,
aussen sehnig und häutig.
99.
Einige Menschen haben 6 Finger an den Händen.
') Von Doclea (Antivariaci) in Dalniatien.
*) Die savoyischen Alpen.
3) Von Ceba, einer Stadt im heutigen Piemont.
4) Von Luna in Toscana. 5) Iuguli.
3(36 Elftes Buch.
Die beiden Töchter des C. Horatius wurden deshalb wie
ich gehört habe, die Sechsfingerigen, und der berühmte
Dichter Volcatius aus gleichem Grunde Sedigitus genannt.
Die Finger des Menschen haben 3 Glieder, der Daumen
2, und dieser lässt sich gegen alle Finger hin biegen, für
sich aber steht er schräg und ist dicker als die übrigen.
Ihm kommt der kleinste Finger an Länge gleich; die bei-
den ihnen zunächst befindlichen sind wiederum unter sich
gleich, und zwischen diesen steht der Mittelfinger, welcher
am längsten hervorragt. Die vierfüssigen Thiere, welche
vom Raube leben, haben an den Vorderfüssen 5 Zehen,
an den hintern 4. Die Löwen, Wölfe, Hunde und noch
wenige andere Thiere haben an den Hinterfüssen 5 Zehen,
von denen eine unweit des Schenkelgelenkes herabhängt.
Die übrigen Thiere, welche kleiner sind, haben auch 5
Zehen. Die Arme sind nicht bei allen Menschen gleich
lang. Es ist bekannt, dass der rechte Arm eines thraci-
schen Fechters bei den Kampfspielen des C. Caesar länger
war, als der linke. Einige Thiere bedienen sich der Vor-
derpfoten ebenso wie wir der Hände, und sitzen wenn sie
das Futter zum Munde führen, wie z. B. die Eichhörnchen.
100.
Bei den Affen findet man hinsichtlich des Gesichts,
der Nase, Ohren, Augenwimpern, welche sie unter allen
vierfüssigen Thieren allein auch am untern Augenlide ha-
ben, eine vollkommene Nachahmung des Menschen. Selbst
die Warzen an der Brust, die Arme, die Beine, welche
ebenfalls in entgegengesetzter Richtung gebogen werden,
die Nägel an den Händen, die Finger, unter denen der
mittelste am längsten ist, haben die Affen mit dem Menschen
gemein. Nur durch die Füsse unterscheiden sie sich etwas;
diese sind nämlich, wie die Hände, ausserordentlich lang;
und hinterlassen dieselbe Spur wie eine flache Hand. Sie
haben auch einen Daumen und Gelenke daran wie der
Mensch, und mit Ausnahme der Geschlechtstheile, jedoch
nur bei den männlichen, sind sogar die innern Eiügeweide
sämmtlich den menschlichen ähnlich.
Elftes Buch. 3^7
101.
Die Nägel werden für die letzten Enden der Nerven
gehalten. Man findet sie bei allen Thieren, welche Finger
oder Zehen haben. Bei den Affen sind sie wie Hohlziegel
gestaltet, bei den Menschen breit. Sie wachsen auch an
Leichnamen. Bei den Raubthieren sind sie krumm, bei
den übrigen gerade, z. B. bei den Hunden, mit Ausnahme
derjenigen Zehe, die bei den meisten am Schenkel herun-
terhängt. Alle Thiere mit Füssen haben auch Zehen, mit
Ausnahme des Elephanten, bei welchen sie unförmlich,
zwar auch der Zahl nach 5, aber ungetheilt, nur wenig
voneinander getrennt, und mehr Hufen als Klauen ähnlich
sind. Auch hat er längere Vorder- als Hinterfüsse, und
die Gelenke der letztern sind kurz. Die Kniee biegt er
nach Innen zu, wie der Mensch. Bei den übrigen Thieren
biegen sich die Gelenke der Hinterbeine anders ein als
die der Vorderbeine; diejenigen nämlich, welche lebendige
Junge gebären, biegen die Kniee nach vorn, und die Glieder
der Hinterschenkel nach hinten.
102.
Bei dem Menschen haben die Kniee und Eilenbogen
eine entgegengesetzte Richtung, ebenso bei den Bären und
Affen , die daher auch nichts weniger als schnell sind.
Die eierlegenden vierfüssigen Thiere, wie das Krokodil
und die Eidechsen, biegen die vordem Kniee nach hinten,
die hintern aber nach vorn. Ihre Beine stehen schief, wie
der Daumen des Menschen. Ebenso verhält es sich mit
den Vielfüssern, mit Ausnahme derer, welehe mit den
Hinterbeinen hüpfen. Die Vögel biegen nach Art der vier-
füssigen Thiere ihre Flügel vorwärts, und die Beingelenke
hinterwärts.
103.
Die Kniee des Menschen werden bei einigen Völkern
heilig verehrt. Bittende berühren sie, strecken ihre Hände
nach ihnen aus, beten vor ihnen wie vor Altären; vielleicht
deswegen, weil sie eine gewisse Lebenskraft enthalten,,
denn in den Gelenkfugen beider Kniee befindet sich am.
.3(38 Elftes Buch.
vordem Theile rechts und links eine doppelte backenartige
leere Höhle; Wird diese durchbohrt, so entweicht aus ihr
gleichwie aus der Gurgel, der Lebensgeist. Auch andern
Körpertheilen wird eine gewisse Verehrung gezollt; so
küsst man die äussere Seite der rechten Hand, und reicht
sie als Zeichen der Treue dar. Bei den alten Griechen
war es Sitte, beim Bitten das Kinn (des Andern) zu be-
rühren. Im innern Ohre ist der Sitz des Gedächtnisses.
Daher berühren wir diess, wenn wir Jemand zum Zeugen
aufrufen. Der Ort hinter dem rechten Ohre ist der Neme-
sis (welche Göttin nicht einmal einen lateinischen Namen
auf dem Capitolium erhielt) heilig, daher bringen wir den
auf den kleinen nächstfolgenden Finger vom Munde aus
dahin, um dort die Verzeihung der Götter wegen unserer
Reden in Anspruch zu nehmen.
104.
Krampfadern an den Schienbeinen bekommt nur
das männliche Geschlecht, das weibliche selten. C. Marius,
der siebenmal Consul war, soll, wie Oppius x) berichtet,
der einzige Mensch gewesen sein, welcher sich im Stehen
eine Krampfader ausnehmen Hess.
105.
Alle Thiere schreiten von der rechten Seite zuerst aus,
und liegen auf der linken; gehen übrigens nach Willkühr
weiter. Nur der Löwe und das Kameel gehen Schritt vor
Schritt, d, h. der linke Fuss überschreitet nie den rechten
sondern folgt ihm. Der Mensch hat die grössten Füsse,
bei dem weiblichen Geschlechte sind sie aber stets kleiner
als beim männlichen. Nur der Mensch hat Waden und
fleischige Schienbeine. Einige Schriftsteller berichten,
ein Mann in Aegypten habe keine Waden gehabt. Der
Mensch allein hat Hand- und Fusshöhlen, und nur Wenigen
') Caesar's Freund und Legat in Afrika und von diesem auf
Cicero's Fürsprache begnadigt, als er sich dem Pompejus zugewendet
hatte.
Elftes Buch. 369
fehlen sie; davon kommen die Beinamen Plancus *), Plau-
tus*), Scaurus3), Pansa4), sowie von den Schienbeinen
die Namen Varus5), Vacias6), Vanitius7), und dergleichen
Fehler finden sich auch bei vierfüssigen Thieren. Die un-
gehörnten Thiere haben auch ungespaltene Hufe, daher
dienen ihnen diese als Vertheidigungswaffen; es fehlen
ihnen auch die Knöchel s), welche sich bei den Zweihufern
finden. Die Thiere, mit Zehen an den Füssen haben keine
Knöchel; sie finden sich überhaupt auch bei keinem Thiere
an den Vorderfüssen. Die Knöchel des Kameeis sind denen
des Rindviehs ähnlich, nur etwas kleiner; der Fuss des-
selben ist nämlich fast ebenso gespalten, die Sohle fleischig
wie beim Bären, daher es auch auf längern Märschen er-
müdet, wenn es nicht beschlagen wird.
106.
Nur bei den Lastthieren wachsen die Hufe wieder
nach. In einigen Gegenden Illyriens haben die Schweine
ungespaltene Klauen. Die gehörnten Thiere sind fast
alle zweigespalten. Kein Thier hat zugleich ungespaltene
Hufe und 2 Hörner. Nur der indische Esel ist einhörnig;
der Oryx einhörnig und zweigespalten. Der indische Esel
ist das einzige Thier unter den Einhufern, welches Knöchel
hat; denn die Schweine kann mau zu beiden Abtheilungen
nehmen, daher auch ihre Knöchel so hässlich sind. Die-
jenigen , welche glauben , der Mensch habe auch Knö-
*) Plancus, eigentlich platt, eben, daher einer der einen Platt-
fuss hat (Beiname der Munatischen Familie).
2) Plautus, der einen flachen Fuss hat.
3) Scaurus, ein Klumpfüssiger (Beiname des Aemilischen, Aure-
lischen und anderer angesehener Häuser).
4) Pansa, breitfüssig (Beiname der Vibischen Familie.)
5) Varus, einer mit auswärts gebogenen Beinen (Beiname der
Quintilischen Familie.)
6) Vacias, krummbeinig. 7) Vanitius, was Vacias. 8) Tali.
Wittstein: Plinius. II. Bd. 24
370 Elftes Buch.
chel *), können leicht vom Gegentheile überzeugt werden. Der
Luchs hat allein unter den Zehen tragenden Thieren etwas
einem Knöchel Aehnliches, ebenso der Löwe, bei dem dieser
Theil etwas gewunden ist. Der eigentliche Knöchel aber
ist gerade, ragt am Fussgelenke mit hohlen Bauche hervor,
und sitzt am Gelenke des Wirbelbeins fest.
107.
Einige Vögel haben Zehen, andere Plattfüsse, noch
andere breite Zehen, stehen also mitten zwischen jenen
beiden Gruppen; alle aber 4 Zehen, 3 vorn und eine an
der Ferse , nur fehlt die letztere einigen langbeinigen.
Nur bei dem Wendehals 2) stehen 2 Zehen nach vorn und 2
nach hinten, auch hat dieser Vogel eine schlangenartige
Zunge, die er sehr lang herauszustrecken vermag; den
Hals kann er ganz herumdrehen; seine Krallen sind gross
wie die der Dohlen. Einige grössere Vögel haben ausser-
dem noch Sporen 3) an den Beinen; aber kein Vogel mit
krummen Krallen hat deren. Die langbeinigen Vögel
strecken beim Fliegen die Beine nach dem Schwänze hin
aus, die kurzbeinigen ziehen sie nach der Mitte hin zu-
sammen. Diejenigen welche leugnen, dass es Vögel ohne
Beine gäbe, behaupten, auch die Apoden, der Oces und
der Drepanis, Vögel welche sich sehr selten sehen lassen,
hätten welche. Man hat sogar Schlangen mit Gänsefiissen
gesehen.
108.
Bei den Insekten, welche harte Augen haben, sind die
Vorderbeine länger, um zuweilen die Augen damit zu rei-
') Aus dieser Stelle geht hervor, dass Plinius unter talus keines-
wegs das versteht, was wir im gemeinen Leben Knöchel nennen.
Letzterer ist beim Menschen so gut wie bei den meisten Thieren
anzutreffen. Er meint vielmehr den Knochen, der sich bei den
Thieren mit zweigespaltenen Hufen an dem Gelenke ansetzt, wo
sich der Hüft- und Schenkelknochen mit der Röhre des Beins ver-
bindet, und der sich von da an längs der hintern Seite der Beinröhre
bis an die Ferse herabzieht, wo er nach aussen zu eine bauchartig
hervortretende Erhöhung bildet.
2) Iynx. Iynx torquilla L. 3) Radii.
Elftes Buch. 371
nigen, wie wir diess bei den Fliegen wahrnehmen. Die
mit langen Hinterbeinen versehenen springen, z. B. die
Locusten. Alle diese haben 6 Füsse, einige Spinnen noch
2 sehr lange mehr. Jedes Bein hat 3 Gelenke. Wir haben
bereits angeführt x), dass auch einige Seegeschöpfe 8 Beine
haben, nämlich die Polypen, Sepien, Loligen, Krebse, welche
ihre Arme in entgegengesetzter Richtung (zu einander), und
ihre Füsse im Kreise oder schräg bewegen. Nur bei diesen
Thieren sind die Beine rund. Die Krebse unter ihnen
haben 4 Füsse, die ihnen als Führer dienen 2), die übrigen
deren nur 2. Diejenigen Landthiere, welche, wie die mei-
sten Würmer, diese Zahl von Beinen überschreiten, haben
nicht unter 12, und einige sogar hundert. Kein Thier hat
eine ungerade Anzahl Füsse. Die Beine der Einhufer
kommen gleich in der richtigen Länge zur Welt; später
dehnen sie sich mehr aus als dass sie wachsen. Daher
können sie sich in der Jugend mit den Hinterbeinen die
Ohren kratzen, was ihnen im spätem Alter nicht mehr
möglich ist, weil der Körper in der Länge zunimmt. Aus
demselben Grunde können sie auch anfangs nur mit ge-
bogenen Knien weiden, denn ihr Hals hat die gehörige
Länge noch nicht erreicht. Unter allen Thiergattungeu,
and sogar unter den Vögeln giebt es Zwerge.
109.
Bei welchen männlichen Thieren die Geschlecht s-
t heile nach hinten gerichtet sind, haben wir bereits er-
schöpfend mitgetheilt 3). Bei den Wölfen, Füchsen, Wie-
seln und Frettchen sind sie knochenhart, und daher ein
vorzügliches Mittel gegen den menschlichen Blasenstein.
Auch beim Bären sollen sie, sobald er todt ist, knochen-
hart werden. Die Völker des Orients bedienen sieb des
Kameelgliedes, als der besten Sehne zum Spannen des
Bogens. Auch unterscheiden sich die Völker in Beziehung
auf diesen Theil durch mancherlei Sitten und Gebräuche,
') IX. B. 44. Cap. 2) Die sogenannten Scheeren.
3) X. B. 83. Cap.
24*
372 Elftes Buch.
so /. B. schneiden sich die Priester der Cybele dasselbe
ohne Gefahr ab. Dahingegen haben manche Weiber, was
diesen Theil anbelangt, eine wunderbare Aehnlichkeit mit
den Männern, sowie es auch Zwitter, welche beiderlei
Geschlechts sind, giebt. Sogar unter den vierfiissigen
Thieren soll man dergleichen während der Regierung
Nero's, und wie ich glaube zum ersten Male gefunden
haben. Wenigstens prahlte er mit Zwitterstuten, die vor
seinen Wagen gespannt waren, und die im treverischen
Gebiete Galliens aufgefunden wären, als wenn das eine
Sehenswürdigkeit sei, wenn sich der Beherrscher der Erde
von Missgeburten ziehen lässt.
110.
Bei dem Schaf- und Rindvieh hängen die Hoden an
den Beinen herab, bei den Schweinen sind sie angewach-
sen, beim Delphin sehr lang und am Ende des Bauches
verborgen, und auch beim Elephanten sieht man sie von
Aussen nicht. Bei den eierlegenden Thieren hängen sie
innerlich an den Lenden, und diese begatten sich am schnell-
sten. Die Fische und Schlangen haben keine, aber statt
deren 2 von den Nieren bis zu den Geschlechtstheilen
führende Adern. Die Buteonen haben 3. Bloss beim
Menschen werden sie entweder durch Verletzung oder von
selbst verstümmelt, und dadurch entstellt ausser den Zwit-
tern und Verschnittenen noch eine dritte Art von Halb-
männern. Bei allen Gattungen ist das Männchen der
stärkere Theil, ausgenommen bei den Panthern und Bären.
111.
Ausser dem Menschen und Affen J) haben fast alle
Thiere, sowohl diejenigen, welche lebendige Junge zur
Welt bringen als auch die eierlegenden, Schwänze, je
nach dem Bedürfniss ihres Körpers. Bei den borstigen
Thieren, z. B. den Schweinen, ist er nackt; bei den rauhen,
z. B. den Bären klein, bei langen Thieren z. B. den Pfer-
den langhaarig. Den Eidechsen und Schlangen wachsen
') Fast sämmtliche Affenarten sind geschwänzt.
Elftes Buch. 373
sie, wenn sie abgeschnitten sind, wieder. Die Fische len-
ken ihren Lauf damit wie mit einem Steuerruder, bewegen
ihn rechts und links, und gebrauchen ihn auch als Ruder.
Es giebt auch Eidechsen mit 2 Schwänzen. Bei den Rin-
dern ist der Schwanz sehr lang, und unten büschelig. Auch
bei den Eseln ist er länger wie bei den Pferden, aber bei
den Lastthieren langhaarig. Der Schwanz des Löwen hat,
gleich dem des Stiers und der Spitzmaus eine Quaste,
nicht aber der des Panthers; bei den Füchsen und Wölfen
ist er zottig, wie bei den Schafen, welche letztere jedoch
einen längern haben. Bei den Schweinen ist er gedreht;
die Hunde von schlechterer Rage ziehen ihn unter den
Bauch.
112.
Aristoteles behauptet, nur die Thiere, welche Lungen
und Arterien haben, d. i. welche athmen, hätten eine
Stimme; desshalb gäben auch die Insekten bloss einen
Ton von sich, aber keine Stimme, indem die Luft in sie
hineinzieht und eingeschlossen tönt. Einige lassen ein
Summen vernehmen, wie die Bienen; andere ein gedehntes
Zirpen wie die Cicaden. Wenn nämlich die Luft von den
beiden unter der Brust befindlichen Höhlen aufgenommen
ist, so stösst sie inwendig auf eine bewegliche Haut, und
durch diese Reibung entsteht der Ton. Die Fliegen, Bie-
nen und ähnliche Thiere fangen beim Fliegen an zu sum-
men, und hören damit auf; denn der Ton entsteht durch
Reibung und die im Innern befindliche Luft, nicht aber
durch den Athem. Man glaubt mit Recht, dass die Locu-
sten durch Aneinanderreihen der Flügel und Schenkel ihren
Ton von sich geben. Ebenso lassen unter den Wasser-
thieren die Kammmuscheln ein Geräusch hören, wenn sie
sich fortbewegen; die Weich- und Schalenthiere hingegen
geben weder Ton noch Stimme von sich. Aber die übrigen
Fische sind, obgleich sie weder Lunge noch Luftröhre
haben, nicht durchaus blutlos. Die Angabe jedoch, dass
das Geräusch, was sie machen, durch die Zähne hervorge-
bracht werde, muss als ein Scherz betrachtet werden. Der
374 Elftes Buch.
sogenannte Caper im Flusse Achelous, hat eine grunzende
Stimme, ebenso andere von denen wir schon geredet ha-
ben l). Die eierlegenden Thiere zischen , und zwar die
Schlangen anhaltend, die Schildkröten abgebrochen. Die
Frösche haben, wie schon erwähnt ist, eine Stimme eigner
Art, welche (wenn man sonst die davon gegebene Erklä-
rung nicht in Zweifel ziehen will) vorn im Munde, und
nicht in der Brust erregt wird. Jedoch kommt bei diesen
Thieren viel auf die Beschaffenheit des Landes an. In Mace-
donien sollen sie, wie auch die dortigen Eber, stumm sein.
Unter den Vögeln sind die kleinern, namentlich zur
Zeit der Begattung, am geschwätzigsten. Einige schreien,
wenn sie miteinander streiten, wie die Wachteln, andere
vor dem Kampfe wie die Rebhühner, noch andere nach dem
Siege, wie die Hühnerarten. Bei diesen haben die Männchen
eine eigene Stimme, bei andern z. B. den Nachtigallen,
ist sie in beiden Geschlechten dieselbe 2). Einige singen
das ganze Jahr hindurch, andere nur zu gewissen Zeiten,
wie bereits bei den einzelnen Gattungen bemerkt ist. Der
Elephant stösst, ausser der Nase, auch aus dem Munde
einen und zwar dem Niesen ähnlichen Ton hervor; der
Ton aber, den er durch die Nase giebt, klingt wie das
Schnarren einer Trompete. Bloss bei den Rindern ist die
Stimme des Weibchens stärker, bei allen übrigen Gattun-
gen ist sie schwächer bei den Weibchen als bei den Männ-
chen, unter den Menschen sogar bei den Verschnittenen.
Das Kind giebt bei der Geburt nicht eher einen Laut von
sich, bis es aus dem Leibe der Mutter ganz heraus ist.
Erst nach einem Jahre fängt es an zu sprechen. Der
Sohn des Krösus sprach schon, als er > 2 Jahr alt war,
und noch mit der Klapper spielte, durch welches Wunder
das ganze Reich unterging. Je schneller die Kinder an-
fangen zu sprechen, desto später lernen sie gehen. Im
') IX. B. 32. Cap.
*) Nur das Männchen der Nachtigall schlägt, das Weibchen
nicht.
Elftes Buch. 375
14. Jahre erhält die Stimme ihre Stärke; im Alter wird
sie wieder schwächer, und bei keinem andern Thiere än-
dert sie sich öfter als beim Menschen. Ausserdem giebt
es hinsichtlich der Stimme mehrere merkwürdige Begeben-
heiten zu berichten. In den Orchestern *) der Theater
wird sie durch aufgestreuete Sägspähne oder Sand verschluckt,
ebenso wenn die Wände bloss roh beworfen, oder leere
Fässer hineingestellt sind; sie pflanzt sich zwischen gerade
oder muschelförmig laufenden Wänden schnell fort, und
wenn keine Unebenheiten im Wege sind, so gelangen selbst
leise gesprochene Worte zum andern Ende hin. An der
Stimme hat die Gesichtsbildung des Menschen grossen An-
theil. Wir stellen uns dieselbe vor, ehe wir sie hören,
nicht anders als ob wir sie mit den Augen wahrnähmen,
es giebt eben so viele Stimmen als Menschen in der Welt,
und ein Jeder hat eine eigentümliche, sowie ein eigen-
thümliches Gesicht. Daher kommt jene Verschiedenheit
der Völker und so vieler Sprachen auf dem Erdkreise, so-
wie die vielerlei Gesänge, Melodien und Biegungen der
Stimme. Aber vor Allem ist es die Ausbildung des Geistes,
welche uns von den Thieren unterscheidet, und die unter
den Menschen wieder einen eben so grossen Unterschied
herbeiführt, als der ist, welcher zwischen ihnen und den
Thieren stattfindet.
113.
Glieder, welche den Thieren noch zugewachsen
sind, nützen ihnen ebenso wenig, wie dem Menschen der
sechste Finger. In Aegypten fand man einst Gefallen
daran, eine Missgeburt aufzuziehen, welche am Hintertheile
des Kopfes noch 2 menschliche Augen hatte, mit welchen
sie jedoch nicht sehen konnte.
114.
Ich wundere mich, dass Aristoteles nicht nur geglaubt
') Orchestra, so hiess bei den Alten der von den Sitzreihen und
der scena mit dem Proscenium eingeschlossene runde Platz im
Theater. Bei den Griechen war er zu den Chortänzen bestimmt.
Bei den Römern befanden sich daselbst die Sitze für die Senatoren.
376 Elftes Buch.
sondern auch ausgesprochen hat, es gäbe am Körper selbst
gewisse Vorbedeutungen über seine Lebensdauer. Wenn
ich gleich derlei Dinge für gänzlich unbegründet halte, und
nicht ohne Bedenken vortragen mag, damit nicht der eine
oder andere solche Anzeichen an sich selbst ängstlich
aufsuche, will ich sie doch nicht übergehen, weil ein so
gelehrter Mann sie seiner Betrachtung werth hielt. Er
giebt also als Zeichen eines kurzen Lebens an: weitläu-
fig stehende Zähne, sehr lange Finger, eine Bleifarbe, und
mehrere nicht durchlaufende Striche in der Hand. Dagegen
sollen Menschen mit krummen Schultern, mit 1 oder 2
langen Linien in der Hand , mehr als 32 Zähnen und
grossen Ohren lange leben. Diese Zeichen betrachtet er,
wie mir scheint, nicht insgesammt, sondern einzeln als
solche Merkmale, was meiner Meinung nach ganz albern
ist, und dennoch oft von ihm angeführt wird. Auf ähnliche
Weise hat bei uns Trogus, ein sehr genauer Schriftsteller
äussere Merkmale des Charakters angegeben, welche
ich mit seinen eigenen Worten hier anführen will: „Eine
grosse Stirn bezeichnet einen darunter wohnenden trägen,
eine kleine, einen regsamen, eine runde, einen zum Zorn
geneigten Geist, weil hier gleichsam das Merkmal der
Aufgeblasenheit erscheint. Wenn die Augenbrauen gerade
aus stehen, zeigen sie ein sanftes, wenn sie sich neben der
Nase krümmen, ein finsteres, wenn sie sich an den Schlä-
fen krümmen, ein spöttisches, und wenn sie ganz herab-
hängen, ein missgünstiges und neidisches Wesen an. Lange
Augen deuten auf Bosheit. Fleischige Augenwinkel an den
Seiten der Nase sind Zeichen eines bösartigen Charakters.
Ist das Weisse des Auges sehr gross, so verräth diess Un-
verschämtheit; die die Augen oft zu schliessen pflegen, sind
unbeständig. Grosse Ohrläppchen sind Kennzeichen von
Geschwätzigkeit und Thorheit." — Soweit Trogus.
115.
Der Athem des Löwen enthält ein starkes Gift, der
des Bären ist ebenfalls verderblich. Was von ihm ange-
haucht wird, rührt kein wildes Thier mehr an; auch geht
Elftes Buch. 377
es schneller als andere Gegenstände in Fäulniss über.
Nur der Athem des Menschen sollte nach dem Willen der
Natur auf mehrfache Weise, sowohl durch schlechte Speise
als durch krankhafte Zähne, vorzüglich aber durch das
Alter verdorben werden. Schmerzen kann er daran nicht
leiden, denn ihm x) fehlt alles Gefühl und jeder andere
Sinn, ohne welchen nichts empfunden wird. Er geht be-
ständig frisch ein, erst im letzten Augenblicke aus, und
bleibt vom Menschen nur allein übrig2). Kurz, er wird
aus dem Himmel gezogen. Doch auch für ihn ist eine
Plage erfunden, damit selbst das, wodurch wir leben, uns
im Leben nicht erfreuen sollte. Die parthischen Völker
sind wegen ihrer ohne Unterschied genossenen Speisen
schon von Jugend auf diesem Uebel unterworfen; ja selbst
von dem zu häufigen Genüsse des Weines wird der Athem
verdorben. Die vornehmen Parther befreien sich davon
durch den Genuss des Kernes vom assyrischen Apfel 3),
der auch den Speisen einen sehr angenehmen Geschmack
ertheilt. Der Athem der Elephanten zieht die Schlangen
aus ihrem Löchern; der der Hirsche ist brennend. Wir
haben schon die Menschen-ßa^en angeführt, welche das
Gift der Schlangen durch Saugen aus den Körpern ziehen.
Die Schweine fressen sogar Schlangen, während letztere
für andere Thiere Gift sind. Die Thiere, welche wir In-
sekten genannt haben, sterben, wenn sie mit Oel besprengt
werden. Die Geier welche man mit Salben verjagen kann,
gehen wieder andern Gerüchen nach; die Käfer ziehen
nach den Rosen. Der Scorpion tödtet einige Schlangen-
arten. Die Scythen tauchen ihre Pfeile in Viperngift und
Menschenblut; gegen diese Pest giebt es kein Gegenmittel
1) Dem Athem nämlich.
2) Plinius glaubt nämlich, der Geist sei nichts anderes als die
Lebensluft, die wir durch die Lungen ein- und ausathmen; man
vergl. Cicero de Nat. D. IL, welcher sagt: die Seele ist das, was wir
durch das Athmen in die Lungen einziehen.
3) S. XII. B. 7. Cap.
378 Elftes Buch.
und die geringste Verletzung damit zieht sogleich den Tod
nach sich.
116.
Welche Thiere von Gift leben, haben wir bereits
gesagt *). Einige Thiere sind sonst nicht schädlich, werden
es aber durch den Genuss von Gift. Wer in Pamphylien
und dem gebirgigen Theile Ciliciens von einem Eber isst,
der einen Salamander verschlungen hat, muss sterben, ob-
gleich man weder am Gerüche noch am Geschmacke des
Fleisches etwas Verdächtiges merken kann. Auch Wasser
und Wein, in welchen ein Salamander umgekommen ist,
ja selbst, wenn er nur davon gesoffen hat, wird tödtlich.
Dasselbe bewirkt auch der sogenannte Laubfrosch. So
vielen Nachstellungen ist das Leben ausgesetzt! Die Wes-
pen fressen begierig von einer Schlange, und ihr Stich
wird dadurch tödtlich. Wir finden also eine grosse Ver-
schiedenheit in der Lebensweise. So erzählt Theophrastus,
dass in einer Gegend, wo die Menschen sich von Fischen
nähren, auch das Rindvieh Fische, aber bloss lebendige
frässe.
117.
Einfache Speisen sind dem Menschen am zuträg-
lichsten, vielfach zusammengesetzte Gerichte schädlich, und
werden es noch mehr durch die Gewürze. Alle zu scharfe
Speisen, sind schwer zu verdauen, eben so alles, was man
im Uebermaasse und zu hastig geniesst. Auch verdauet
man im Sommer schwerer als im Winter, im Alter schwerer
als in der Jugend. Erbrechungen, die man als Hülfsmittel
dagegen erdacht bat, erkälten den Körper, und sind beson-
ders den Augen und Zähnen nachtheilig.
118.
Das Verdauen im Schlafe befördert mehr die Korpu-
lenz als die Stärke, daher machen sich die Athleten nach
dem Essen Bewegung. Am besten verdauet man die
') Im X. B. 92. Cap.
Elftes Buch. 379
Speisen durch langes Wachen. Durch süsse und fette
Nahrungsmittel sowie durch Trinken nimmt der Körper
zu, durch trockene, kalte Kost und Durst ab. Einige Thiere
und selbst die Schafe in Afrika saufen bloss alle 4 Tage.
Dem Menschen wird 7 tägiges Fasten nicht allemal tödt-
lieh, aber so viel steht fest, dass die Meisten nach dem
11. Tage sterben, und er ist das einzige Thier, welches
an einer unersättlichen Begierde des Hungers stirbt.
119.
Einige Speisen stillen schon in geringer Menge
genossen, Hunger und Durst, und erhalten die Kräfte,
wie z. B. Butter, Hippace *), Süssholz. Aber das Verderb-
lichste in jeder Lebensweise ist das Zuviel, namentlich
für den Körper 2), wesshalb man auch alles, was ihm Be-
schwerden verursacht, möglichst vermindern muss. — Doch
wir wollen zu den übrigen Reichen der Natur übergehen.
>) Ein Kraut; vergl. XXV. B. 44. Cap.
2) corpori, hier wohl speciell auf den Magen zu beziehen.
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