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Aus den Sitzungsberichten der philos.-philol. und histor. Classe
der k. bayer. Akad. der Wiss. 1889. Bd. 11. Heft IT.
Ha
Die norwegischen liöldar.
7
Von KT M a n r e r.
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Mflnchen 1889.
Orack der Akademischen Bacbdrackerei von F. Straub.
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I
Philosophisch-philologische Classe.
Sitzung vom 2. November 1889.
Herr v. Maurer hielt einen Vortrag:
„Die norwegischen höldar/'
IUeber keine andere Standesbezeichnung des altnordischen
Rechtes wurden so viele verschiedene Ansichten aufgestellt,
wie über die des höldr, und zvvar ist es sowohl die Bedeu-
, tung des Standes als auch die Etymologie seines Namens
\ welche bestritten erscheint. Der älteste unter den mir be-
j kannt gewordenen Schriftstellern, welche sich über das Wort
\ geäussert haben, ist der isländische Bauer Björn Jönsson
■ von Skardsä (f 1655), welcher nach Hälfdan Einarsson^)
^ } im Jahre 1626 eine Erklärung der alten Rechtsterminologie
zu Ende gebracht haben soll. Von einer Schrift desselben
] Verfassers über die Etymologie der isländischen Sprache, um
; deren Übersendung Ole Worm im Jahr 1635 den Bischof
* |)orläkr Skulason von Hölar bat, und welche nach einem
Antwortschreiben dieses Bischofs aus dem folgenden Jahre
' von ihm abgeschickt worden, aber mit dem Schiflfe unter-
1) Sciagraphia historiae literarise lalandicsB (1777),
/ S. 10.
\ 1889. Philos.-philol. u. bist. Gl. II. 2. 12
\
\
V
170 Sitzung der phüosrphilol. Glosse vom 2. November 1889.
gegangen war,^) scheint jene Schrift geschieden werden zu
müssen; von drei dem Inhalte nach ähnlichen Werken, welche
die Arnamagnae^anische Bibliothek aufbewahrt, ist aber das
weitaus verbreitetste dasjenige, welches den Titel trägt „Dimm
fämaeli lögbokar Islendinga og peirra rädning**, und auf
dieses bezieht denn auch der neueste Biograph des Mannes,
Dr. Jon J)orkelsson, die obige Jahrzahl.*) In einer mir ge-
hörigen Hs. dieses Werkes knüpft der Verfasser unter der
üeberschrift : „Landzleigub. 16 — 18.*' zunächst an die Worte
der Jöusbok, Landsleigub. 18: ,ef i er ort jördu bönda edr hölds"
die Bemerkung an, dass einige Hss. des Gesetzbuches die
„höldsmanns kona'' auch gelegentlich der Vorschriften über
die den Weibern gewährten Dispositionsbefugnisse erwähnen,
was freilich in den gedruckten Texten, Kaupab. 24, nicht
der Fall ist; dann aber giebt er, ohne eine Quelle anzuführen,
die Definition, dass ein höldr derjenige sei, der Stammgut
von Vater und Mutter geerbt habe, mit dem Beifügen, dass
ein solcher bestimmte Vorrechte in Bezug auf gefundene
Walfische habe, — er erwähnt ferner, dass die höldar dem
Landherrn zunächst stehen, und Bauern aus den besten Häu-
sern und von vollem Rechte seien, und bemerkt schliesslich
auch, dass der höldr 3 M. Busse beziehe, die von ihm ab
um ein Drittel wachse. Es wird sich unten noch zeigen,
dass die erste Notiz aus den Landslög, Landsleigub. 64, die
zweite aus Skäldskaparm. 53/456, die dritte aber aus PrJ)L. X,
34 abgeschrieben ist. Ahnlich definirt der isländische Pfarrer
Magnus Ölafsson von Laufäss (f 1636), dessen betref-
fendes Werk freilich erst nach seinem Tode von Ole Worm
herausgegeben wurde, ^) den höldr unter Berufung auf das
1) Olai Wormii et ad eum epistolsB (1761), I, S. 103 — 4;
Hälfdan Einarsson, ang. 0., S. 11, Anm. a.
2) {)ättur af Birni Jönssyni ä Skardsä, im Timarit bins
i8lenzka bökmenntafjelags, VIII (1887), S. 76—77.
3) Specimen lexici runici (1650), S. 54.
Maurer: Die norwegischen höldar, 171
gemeine Landrecht Norwegens als einen Mann „qui haere-
ditario jure possidet praßdia, patema et materna*' ; doch fügt
er bei: „üsurpatur saepiuscule Höldur i bue, quod et denotat
viduum'^ Dagegen meint der dänische Jurist Christen
Osterssön Veylle in seinem „Glossarium juridicum Danico-
Norwegicum*'/) es sei unter dem „Haulder-Mand" ein Mann
zu verstehen, der „odelsbaaren", d. h. zu Stammgut geboren,
oder noch besser sei; er sei etwas mehr als ein bäuerlicher
Grundeigenthümer , aber etwas weniger als ein richtiger
Adeliger, also ungeföhr das, was man in Holstein und in
einigen Theilen von Jütland vordem einen Knappen genannt
habe. Doch will er Jedermann darüber seine Meinung lassen,
und fühlt sich somit seiner Sache nicht recht sicher; er be-
ruft sich sodann noch auf einige, unten zu besprechende
Stellen des norwegischen Gesetzbuches von 1604. In dem
Wörterbuche, welches der Isländer Gudmundr Andresson
(f 1654) verfasste, welches aber erst nach seinem Tode durch
P. J. üesen veröflfentlicht wurde,*) findet sich dagegen nur
der Eintrag : „Hauldr, Vir caelebs, h0llder i Bue, Vir Viduus,
h0ldar, poetice Viri quilibet"; auf die Rechtssprache wird
somit hier gar keine Rücksicht genommen. Der Schwede
Olaf Verelius hingegen spricht sich zunächst unter Be-
rufung auf mehrere Stellen des gemeinen norwegischen Land-
rechts dahin aus, dass unter den „hauldar*' Bauern zu ver-
stehen seien, welche auf dem alten Erbgute ihrer Väter
sitzen, verzeichnet aber sodann noch gesondert das Wort
„hoUdar", welches treue und verlässige ünterthanen und
Bauern bezeichnen soll, unter Berufung auf eine später noch
zu besprechende Stelle der Snorra-Edda, Skäldskaparmal,
1) S. 355—56 der 3. Ausgabe (1665) und gleichlautend in der
zweiten (1652), wogegen die erste (1641) nur das dänische Recht be-
handelt hatte, und demnach auch nur unter dem Titel ^Glossarium
juridico-Danicum* erschienen war.
2) Lexicon islandicum (1683), S. 104.
12*
172 Sitzung der phÜos.'philol, Glosse vom 2. November 1889.
65/530. ^) Der isländische Geschichtsschreiber {)orm6dur
Torfason (Torfaeus) sagt gleichlautend in zwei verschiedenen
Werken^): „est autem status hauldicus idem qui nobilitatis",
indem er beifügt, dass dieser Stand ein Geburtsstand, und
von jeder königlichen Ernennung unabhängig gewesen sei;
er betont zugleich sehr entschieden dessen Begründung auf
den Besitz von Stammgut und erklärt, der höldr sei „medius
inter barones seu satrapas et rusticorum eos, qui bona soli,
sed non gentilitia possident^^ Der isländische Lögmann Pall
Vf dalin (f 1727) bezeichnet in seinen „Skyrmgar yfir fomyrdi
Lögbokar J>eirrar, ex Jonsbok kallast" den hold als „colonus
odelicus, v. bonis avitis praeditus'' ; ^) dann aber giebt er die
schon von Björn Jönsson herangezogene Definition der Lands-
lög, und bemerkt, dass die Benennung von dem Zeitworte
„halda^^ abzuleiten sei, indem der höldr Land in ererbtem
Besitze halte. Der norwegische Jurist Hans Paus giebt
das Wort in G|)L. 56, oder nach seiner Citirweise JEgteskabs
Bolck, cap. 6, ebenfalls durch „Odelsbonde", „Odelsmand'' ;*)
aber er meint, unter Berufung auf Skaldskaparmäl, 53/456,
und Hyndluljöd, 16, es sei unter der Bezeichnung ungefähr
dasselbe zu verstehen, was man jetzt mit einiger Veränderung
Adel nenne. Er bemerkt ferner ganz richtig, dass wie in
den alten GfL., so auch noch in den Landslög des K. Magnus
lagaboetir und dem norwegischen Gesetzbuche K. Christians IV".
die Bezeichnung „haulder" laute, wogegen in K. Christians V.
1) Index linguse veteris Scytho-ScandicsB (1691), S. 112,
und 122.
2) Orcades (1697), S. 17 ; Historia rerum norvegicarum
(1711), II, S. 50.
3) In der Ausgabe des Werkes (1854) fehlt zwar der Artikel;
dagegen bringen ihn die Auszüge aus demselben, welche pörarinn
Sigvaldason Liliendal in den Rit t)ess Islenzka Lffirdöms-
Lista Felags (1783), HI, S. 238—39, gab.
4) Sämling af gamle norske Love (1751), I, S. 71 — 73.
Maurer: Die norwegischen höldar. 173
norwegischem Gesetzbuche „hvaldar'* geschrieben stehe, doch
wohl, weil der Verfasser dieses letzteren das Wort vom Wal-
fische ableiten zu sollen glaubte, auf welchen den höldar ein
besonderer Anspruch eingeräumt war ; er selber will dasselbe
dagegen von ,,höll", d. h. Halle ableiten, sei es nun weil die
höldar Hofleute des Königs gewesen seien, oder auch weil
sie selbst stattliche Gebäude besessen und ihren eigenen Hof
gehalten hätten. Wenn er aber schliesslich noch sagt, dass
der höldr in der Jonsbök nicht vorkomme, vielmehr in deren
Kaupab. 24 der „riddari" an dessen Stelle getreten sei, so
wird sich unten noch zeigen, dass diese seine Angabe nur
theilweise richtig ist. Der schwedische Dichter und Ge-
schichtsschreiber Olofvon Dalin spricht die Behauptung
aus, ^) dass jeder vermögliche Hausvater, Odalsmann oder
Bauer, was ursprünglich Alles dasselbe gewesen sei, das will
sagen jeder angesessene Adelige, der ein Stück Land mit
dessen Bewohnern unter sich hatte, seine eigene Halle („Hall,
Hauld"), Hofhaltung oder seinen Herrensitz hatte, woran
ihm sein Haulds- Recht zustand, oder seine vollkommene
Freiung und Freiheit, über alle seine Hausdiener und Pächter,
freigelassene wie leibeigene, zu regieren und zu richten,
und sein Ödalgut in Sicherheit zu bewahren, ungestört und
frei von jeder Bürde, die er nicht selbst verwilligt habe.
Eine Anmerkung zu dieser Stelle fügt noch bei, dass dieses
Hauldsrecht, welches man jetzt Hals-rätten, d. h. Halsgerichts-
barkeit nenne, nichts Anderes sei als das spätere Adelsrecht
oder Frälsemanna-rätten ! Zwei neue Gedanken treten in
dieser höchst abentheuerlichen Darstellung auf, die Zurück-
führung der Stellung des höldr auf ihm angeblich zustehende
Immunitätsrechte und die Anknüpfung seines Namens an die
Halle eines Herrenhofes; dürfte man annehmen, t^as ich zur
Zeit nicht festzustellen vermag, dass die im Jahre 1747 er-
1) Svea rikes Historia, I, S. 209 (ed. 2; 1763).
174 Sitzung der phüos.-philoL Glosse vom 2, November 1889,
schienene erste Ausgabe des betreflfenden Bandes schon die-
selben Sätze enthalten habe, wie die mir allein vorliegende
zweite Ausgabe, so läge die Vermuthang nahe, dass Hans
Paus seine wunderliche Etymologie von Dalin bezogen haben
möge. Der dänische Rechtshistoriker Kofod Ancher weist
mit aller Entschiedenheit Dalin's Behauptung zurück, dass
dem höldr irgendwelche Jurisdictionsrechte zugestanden hätten,
indem er unter Berufung auf eine Reihe von Quellenstellen
ausführt, dass dieser nur ein vornehmer und reicher Ödals-
bauer gewesen sei;^) bezüglich der Etymologie aber schliesst
er sich an Pall Vidalm an, während freilich die Heraus-
geber seiner gesammelten Schriften, also J. F.W. Schlegel
und R. Nyerup, in einer Anmerkung zu dieser Stelle viel-
mehr der Ableitung von „höll", Hof, den Vorzug geben.*)
Tyge Rothe hinwiederum legte gerade auf die Steuerfrei-
heit und auf die financielle Immunität des höldr, den er im
übrigen als Ödalsmann bezeichnet, das entscheidende Gewicht,^)
und kehrte somit wieder einigermassen zu Dalin 's Auffassung
zurück. Inzwischen waren aber von zwei verschiedenen Seiten
her neue Ansichten aufgestellt worden. Einerseits nämlich
hatte Gerhard Schöning schon in seiner norwegischen Ge-
schichte,*) und ungleich bestimmter noch in seiner Anmerkung
zur Heimskr. Haralds s. härfagra, 27,^) hervorgehoben, dass der
höldr von dem gewöhnlichen Odalsbauern zu unterscheiden sei,
indem er nicht nur, wie dieser, auf freiem Alode gesessen
gewesen sei, sondern auf einem in ganz bestimmter Weise
vererbten Stammgute; er meint hiemach auch seinerseits in
1) Dansk Lovhistorie (1776), ü, S. 275—76.
2) Peder Kofod Anchers samlede juridiske Skrifter
(1809), II, S. 556, Anm. 8.
8) Nordens Stataforfatning för Lehnstiden (1781), T,
S. 38—42.
4) Norges Historie (1773), II, S. 162, Anm. t.
5) Heimskr in gla (1777), I, S. 105, Anm.
Maurer: Die norwegischen höldar, 175
den höldar eine Art von Adel erkennen zu sollen, welcher,
durch mancherlei Vorrechte ausgezeichnet;, zwischen den
jarlar, hersar und lendirmenn auf der einen Seite und den
gewöhnlichen Ödalsbauern auf der andern, in der Mitte ge-
standen sei. Andererseits wird in dem Glossare, welches Jon
Eiriksson seiner Ausgabe der Gunnlaugs saga ormstungu bei-
gab (1775), der höldr erklärt als: „vir (quasi halldandi,
tenens)", mit dem Beifügen: „in genere qvemlibet significat,
qvi aliqvid tenet vel in potestate habet, qvo sensu curator
minorennis vel absentis in Legibus antiqvis , halldsmadr,
dicitur, et halld, tutela" ; eine schon wiederholt erwähnte
Stelle der Snorra-Edda will dabei darauf zurückgeführt werden,
dass man zu derartigen Verrichtungen nur Leute von gutem
Ruf und anerkannter Zahlungsfähigkeit, und darum zunächst
nur Grundeigenthümer verwendet habe. Der Propst Björn
Haldörsson (f 1794) übersetzt in seinem Wörterbuche,
welches im Jahre 1814 von R. Kr. Rask herausgegeben
wurde, das Wort mit ,, dominus fundi aviti, vel allodialis",
ohne sich auf dessen Etymologie einzulassen. Dagegen meint
Gudmundr Magnüsson in seinem Glossare zum ersten
Bande der Eddalieder,^) s. v. havldar, es sei diess „hominum
vocabulum poeticum", wobei er indessen sofort beifügt, dass
das Wort in der Zusammensetzung havldborinn „magis ad-
stricta notione" stehe; die bekannte Stelle der Snorra-Edda,
welche die höldar für Bauern erklärt, erwähnt er, ohne sich
über deren Sinn äussern zu wollen, und bezüglich der Ety-
mologie bemerkt er, offenbar dem Glossare zur Gunnlaugs-
saga folgend, welches er auch anführt : „Forte Havldar pro-
prio sint Tutores, protectores, ab at hylia''. Im Glossare
zum zweiten Bande desselben Werkes bemerkt hinwiederum
Finnr Magnüsson,*) dass das Wort havlldr, havldr oder
1) Edda Saemundar hinns Fröda (1787), I, S. 546—47.
2) ebenda, II, S. 657 (1818).
1
176 Sitzung der phüos.'philöl, Glasse vom 2. November 1889.
höldr „vir; alias insignis colonus, i. e. proprium fundum
tenens" bedeute, und fügt bei: „unde proverbium havldr i
bui"; hinsichtlich der Etymologie aber entscheidet er sich
wieder für die Ableitung des Wortes von halda, teuere. Auch
der Geheimearchivar Grimr Jonsson Thorkelin definirt
im Glossare zu seiner Ausgabe der Landslög^) den hauldr als
„dominus prasdii liberi et aviti", mit dem Beisatze „ab at
halda"; dagegen baut F. C. Dahlmann wieder auf der von
Schöning gelegten Grundlage fort, wunderlicher Weise ohne
von dessen Vorgange zu wissen, indem er die höldar als
einen rechten Ausbund der Ödalsbauern bezeichnet, welcher
sich vor den übrigen auf freiem Stammgute gesessenen Bauern
dadurch ausgezeichnet habe, dass ihm sein Stammgut auf
bestimmt vorgeschriebenem erbrechtlichem Wege zugefallen
sein musste. *) Der norwegische Historiker P. A. Munch
identificirte dafür die höldar wieder mit den Ödalsbesitzern
überhaupt, indem er zugleich als die charakteristischen Eigen-
schaften des ödals die volle Freiheit des Grundbesitzes und
dessen Stammgutsqualität hervorhob,^) und auch R. Keys er
bezeichnete in einem erst nach seinem Tode (f 1864) heraus-
gegebenen Werke *) den höldr als einen odalbürtigen Mann,
oder als einen Mann, welcher odal zu Eigen hatte, jedoch
mit dem beachtenswerthen Zusätze, dass das neuere Recht
die Bezeichnung etwas enger begrenzt zu haben scheine, als
das ältere. Auf die Etymologie des Wortes gehen beide nicht
ein. Fr. Brandt hatte sich bereits in einer früheren Schrift*)
dahin ausgesprochen, dass der hauldr oder ödalsborinn madr
1) Magnus konongs laga-bseters Gula-Things-Laug
(1817), Glossar, S. 59.
2) Geschichte von Dännemark (1841), II, S. 303.
3) Det norske Folks Historie, I, 1, S. 118—21 u. II, S.967
u. 977—78 (1862 u. 1866).
4) Norges Stats- og Retsforfatning i Middelalderen
(1867), S. 296 u. 328.
6) Om Odels- og Aassedesretten (1850), S. 9—13.
Maurer: Die norwegischen höldar, 177
den Angehörigen eines Geschlechtes bezeichne, welches sein
Land zu uneingeschränktem Rechte besitze, also den Grund-
eigenthümer im Gegensatze zum Pächter, und er leitet das
Wort von halda, d.h. zu Eigen haben, ab; nur secundär
habe sich die Stamragutseigenschaft dieses Gutes entwickelt,
als ein Mittel, die besitzenden Häuser im Genüsse ihrer
Standesvorrechte zu erhalten. In einer Reihe späterer
Schriften ^) wiederholt er im Grunde nur dieselben Anschau-
ungen'. Ebenso versteht auch E. Hertzberg unter dem ödal
das im Gesammteigenthume einer einzelnen Familie befind-
liche freie Grundeigenthum und unter den ödalsmenn die Mit-
glieder einer solchen Familie, während der hauldr derjenige
Angehörige eines solchen Hauses sein soll, welcher kraft des
Ödalsrechtes den Besitz des Hauses thatsächlich ausübte.^)
Auch E. Sars schliesst sich sachlich wesentlich den Aus-
führungen Fr. Brandt's an, während er bezüglich der Ety-
naologie des Wortes auf einen unten noch zu erwähnenden
Aufsatz Konräd Gislason's verweist;^) doch betont er den
aristokratischen Charakter des Standes der höldar noch ent-
schiedener, und polemisirt in diesem Sinne gegen W. E.
Wilda, welcher die höldar oder ödalsmenn zwar als Stamm-
gutsbesitzer bezeichnet und von den geringeren Freien unter-
schieden, aber die Bedeutung einer Adelsclasse ihnen aus-
drücklich abgesprochen hatte.*) Unter den neueren Lexiko-
graphen hinwiederum giebt Sveinbjörn Egilsson (f 1852)
1) Den norske Odelsret (1863), S. 3— 5; Tingsretten, ed. 1
(1867), S. 265— 67, und ed. 2 (1878), S. 250— 51; kürzer in den Brud-
stjkker af ForelsBsninger over den norske Retshistorie
(1864), S. 2 u. 3, dann 36—37 (1868) und in den Forelaesninger
over den norske Retshistorie, I, S. 78 u. 79, dann 161 (1880).
2) En fremstilling af det norske aristokratis historie
(1869), S. 2—3.
3) üdsigt over den norske Historie, I, S. 124 — 31 (ed.
1, 1878), oder S. 147—56 (ed. 2, 1877).
4) Strafrecht der Germanen (1842), S. 343, Anm.
178 Sitzung der phüos.-phüol. Glosse vom 2. Noveniber 1889.
in dem nach seinem Tode herausgegebenen Wörterbuche der
dichterischen Sprache für höldr die Bedeutung „coloiius liber,
proprii fundi possessor", ^) und knüpft etymologisch an das
Zeitwort „halda, teuere" an, im übrigen auf eine Reihe ein-
zelner Belegstellen eingehend; Eirikr Jonsson übersetzt,
ohne sich auf die Etymologie des Wortes einzulassen, „en
fribaaren Jordeier, Odelsmand, en af den lavere Adel i Norge"*) ;
Th. Möbius erklärt das Wort ebenfalls, ohne sich über
dessen Etymologie zu äussern, unter Bezugnahme auf ver-
schiedene Quelleustellen als ,,der einer Odelsfamilie angehö-
rige freie Grundbesitzer in Norwegen;^) Joh. Fritzner
giebt in der ersten Ausgabe seines Wörterbuches, wiederum
ohne jede Bemerkung in etymologischer Richtung, die dop-
pelte Bedeutung*): „Karl i Alm. 2). Odelsbonde"; H. Gering
in seinem Glossare zur Saemundar Edda (1887) übersetzt:
^erbbauer; mann, mensch überhaupt* ; endlich Th. Wisen
bietet die Deutung ,,colonus liber; proprii agri arator; civis;
vir*', ohne die Etymologie des Wortes zu erörtern.^) Eine
völlig neue etymologische Deutung hatte aber inzwischen
Jakob Grimm aufgestellt, und zwar, soviel ich sehen kann,
zuerst in der zweiten Ausgabe seiner Deutschen Mythologie
(1844), I, S. 316,^) von wo aus dieselbe dann auch in den
von W. Scherer besorgten neuen Abdruck seiner Deutschen
Grammatik (1878), II, S. 239 überging, während an der ent-
sprechenden Stelle der ersten Ausgabe dieses Buches (1826)
die Bemerkung fehlt, und auch sonst bei Besprechung des
Wortes (S. 29, nr. 314; S. 260 u. S. 458) der nordischen
1) Lexicoti poeticum antiquse linguse septentrionalis
(1860), S. 375—76.
2) Oldnordisk Ordbog (1863), S. 269.
3) Altnordisches Glossar (1866), S. 168; vgl. auch S. 196.
4) Ordbog over det gamle norske Sprog (1867), S. 319.
5) Carmina Norroena, II, S. 154—55 (1889).
6) Wörtlich übereinstimmend auch noch in der vierten, von
E. H. Meyer besorgten Ausgabe (1875), I. S. 283.
Maurer: Die norwegischen höldar. 179
Form desselben nicht gedacht wird, gleichwie auch die erste
Ausgabe der Mythologie (1835), S. 201, der etymologischen
Erörterung entbehrt. Das nordische höldr will aber von
J. Grimm auf ein älteres höludr zurückgeführt und als eine
Fortbildung des einfachen halr aufgefasst werden, gleichwie
ags. häled sich zu ags. häle stellt; es würde hiernach ur-
sprünglich nur „miles", ,,vir*\ bedeuten und unserem Worte
„Held" zur Seite gehen. L. Diefenbach gedenkt dieser
Ableitung mit der Bemerkung, ^) dass das altnordische Wort
nach Form und Bedeutung nicht ganz passe, wogegen Kon-
räd Gfslason sich ihr mit einer kurzen Motivirunsc an-
schliesst,*) und bemerkt, dass haludr oder höludr gegenüber
halr den Mann in höherer Potenz bezeichne. Mit noch ein-
gehenderer Begründung bringt sodann auch S. Bugge die-
selbe Etymologie,^) mit dem ausdrücklichen Beifügen, dass
die älteste Bedeutung des Wortes nicht „Odelsbonde'S son-
dern „Mand" sei; endlich schliesst sich ihr auch Gudbrandr
Vigfüsson an, unter ausdrücklicher Abweisung der Ab-
leitung von „halda'',*) wogegen J. Fritzner in der zweiten
Ausgabe seines Wörterbuches gegen sie das Bedenken er-
hebt, *•) dass das Wort höldr im Hinblick auf einzelne vor-
kommende Formen desselben eher ein Adjectiv als ein Sub-
stantiv zu sein scheine.
Mir scheint nun zunächst in etymologischer Bezieh-
ung die letztere Erklärung des Wortes die richtige zu sein.
Den von Fritzner gegen sie erhobenen Zweifel halte ich
nicht für begründet. Allerdings ist richtig, dass einmal für
1) Vergleichendes Wörterbuch deröothischen Sprache
(1861), II, S. 524.
2) Aarböger for nordisk Oldkyndighed og Historie
(1866), S. 264—65.
3) Norroen fornkvsBdi (1867), S, 144-145, Anm.
4) Icelandic-English Dictionary (1869), S. 309.
5) Ordbog over det gaml e norske Sprog, II, S. 181 (1887).
]
180 Sitzung der phüos.-phüöl. Glosse vom 2, November 1889.
den accus, plur. des Wortes die Form hauldamenn gebraucht
steht,^) und für den genit. sing, mehrmals die Form haulds-
manns,*) woraus man auf einen ursprünglich adjecti vischen
Gebrauch des Wortes schliessen könnte. Aber die erstere
Form bietet nur der ältere Text des hochländischen Rechtes,
welcher an der fraglichen Stelle auf einer einzigen Hs. be-
ruht, wogegen die beiden Hss. des jüngeren Textes überein-
stimmend hauldboma menn lesen;*) die zweite Form giebt
femer in dem älteren Texte des Rechtes von Vikin ebenfalls
nur eine Hs., während die zweite haulds, und die beiden
jüngeren Texte hauldmanns bieten ; *) vom drönter Rechte
steht nur eine einzige Hs. zu Gebote, und an der betreifen-
den Stelle des gemeinen Landrechts lesen ebenfalls wieder
zahlreiche Hss. haulds, während die für sie benützten Quellen
hauldmanns ^) oder haulds gewähren.®) Von den vier Stellen,
auf welche sich die Annahme eines ursprünglich adjecti vischen
Gebrauches des Wortes höldr allenfalls stützen Hesse, ist dem-
nach an dreien die hiezu verwendbare Lesart entschieden
falsch, oder doch dringend verdächtig, und an der dritten,
nur in einer einzigen Hd. erhaltenen, würde sich aus dem
unmittelbar zweimal vorausgehenden haulds rett die irrige
Lesung haulds manns rett für hauldmannsrett ebenfalls sehr
einfach erklären, zumal da auch noch lendsmanns rett sofort
folgt. Weiterhin ist die wiederholt vorkommende Schreibung
hauldr für höldr doch wohl rein graphisch zu erklären, da
au sehr häufig das ö zu ersetzen pflegt, und die regelmässige
Schreibung höldr für das nur weit seltener vorkommende
höldr erweist sich lediglich als eine Consequenz der Regel,
dass d nach einer auf 1 auslautenden Silbe zu d wird; end-
lich hat schon Eonrad Gislason darauf hingewiesen, dass
höldr zu höludr sich ganz ebenso verhalte, wie börgr zu
1) E|)L. I, 50. 2) BI)L. I, 9, Anm. 9; FrJ)L. IV, 60; Landsl.
Kaupab. 21. 3) E{)L. II, 89. 4) BI>L. II, 18; III, 13. 5) GI)L. 56.
6) FrI)L. XI, 22.
Maurer: Die norwegischen höldar. 181
börugr = ahd. paruc, hörgr zu hörugr = ahd. haruc, oder
Bärdr zu Bärudr. Wie bereits von J. Grimm bemerkt, ver-
hält sich überdiess an. höldr = höludr zu halr ganz wie
ags. häled zu häle, und es bezeichnet nur den Mann in
höherer Potenz, also den hervorragenden, tapferen Mann;
ohne seiner Grundbedeutung nach mit irgendwelchen Besitz-
verhältnissen , oder überhaupt mit irgendwelchen Standes-
verhältnissen das Mindeste zu thun zu .haben, konnte das
Wort aber hinterher ganz ebensogut in verengerter Bedeutung
zur Bezeichnung eines bestimmten Standes werden, wie diess
bei den Ausdrücken karl oder ceorl, f)egn, rekkr, und wohl
auch jarl oder eorl ebenfalls der Fall war. Ob man, wie
J. Grimm in weiterer Verfolgung eines von Gudmundr
Magnüsson in etwas anderer Fassung angeregten Gedankens
andeutet, bei halr an das Verbum „haljan, occulere, defendere,
tueri" denken , und damit einen „Übergang von tutor auf
vir und miles* gewinnen, oder mit Konräd Gislason vom
Stamme ,hala« aus für halr die Bedeutung eines Kleidung
brauchenden Wesens ableiten kann, überlasse ich Sprach-
forschern zu entscheiden ; jedenfalls aber scheint mir nicht
nur die von Dalin, Paus und Schlegel vertretene Ableitung
des Wortes höldr von höll völlig unhaltbar, sondern auch
die durch Päll Vidalin und viele Andere angenommene Ab-
leitung von dem Zeitworte halda nicht zulässig. Insbesondere
darf man sich nicht, mit Sveinbjörn Egilsson, zu Gunsten
der letzteren Ableitung darauf berufen, dass ein einzelnes
Mal für „hölda" die Variante , halda* vorkommt. Richtig
ist ja allerdings, dass in einer Strophe des Halldörr hinn
ükristni, welche die Ölafss. Tryggvasonar, cap. 245, mittheilt,
„halda^^ gedruckt steht ;0 aber es ist nur eine einzige Hs.,
AM. 61. fol., welche diese Lesung bietet, während zwei
andere Hss., AM. 53. fol. u. 54. fol., „havlda" lesen, und
1) FMS. n, S. 294.
182 Sitzung der phUos-phäci. Clane vom 2. Notember 1889,
stammen nicht nur alle diese Hss. ziemlich aus derselben
Zeit, dem Ende nämlich des 14. Jhdts./) sondern es wird
die letztere Lesung auch dnrch die Flatejjarbök, die Heims-
kringia und die Fnssbök bestätigt, ') wie denn auch Gud-
brandr Yigfnsson die Form „haulda^* eingesetzt hat,') und
kann wohl kaum einem Zweifel unterli^en, dass jene erstere
Lesart lediglich auf einem Schreibfehler beruht.
In sachlicher Beziehung wird aber zunächst bedeut-
sam, dass gerade die farblosere Bedeutung des Wortes, welche
etymologisch als die ursprüngliche sich erweist, in der dich-
terischen Sprache festgehalten wird. In den sogenannten
Eddaliedern heisst es:
Voluspä, 43: sa vekr holda
at herjafodrs;
Havamäl, 42: hlatr yip hlätri
scyli haulj^ar taca;
und 94: heimsca 6r horscom
gorir haul|)a sono
sa inn matki mynr;
Helgakv. Hjörv. 12: Hverir Vo hauldar
i Hatafirpi?
Fäfnismäl, 19: heipt at meiri verj^r
haul|)a sonom,
at ^ann hialm hafe;
Brot af Sigurdarkv. 15: |)at er hlgiandi
haul|»a beiddi;
Gudrünarkv. II, 28: hirpapu hauUdom
heiptir gialda;
unter den Skalden aber braucht J)orbjörn hornklofi die Worte :
1) Vgl. den Katalog over den Arnamagnseanske Hand
skriftsamling, l (1888), S. 37—38 und 40-41.
2) Flbk, I, 374/473; Heimskr. 106/206; Frissbök, 106/158.
3) Corp. po6t. bor. II, S. 101.
Maurer: Die norwegischen höldar. 183
„hugfyldra haulda", d. h. virorum animosorum/) und „hladnir
väru feir haulda", d. h. ODeratae erant illae viris,*) Hildr
Hrölfsdöttir „hölda barmi*^ d. h. frater virorum,*) und Torf-
Einarr jarl ,,hauldar", d. h. viri:*) in den Eiriksmäl heisst es^) :
„erumk 6r heimi
haulda vänir
göfngra nökkurra;
Kormakr sagt: „höldr ä holde'*, d.h. viri came, ^) Einarr
Skälaglam „Härs-drffu-hölda", d. h. die Männer des Sturmes
Odins,'') und „haulda mordsvaldr", d. h. der Urheber des
Männermordes,®) Hallfredr vandraedaskäld „hvat um dyldi
|)ess hauldar'*, d. h. qvid viros id celaret?®), Gunnlaugr orms-
tunga „hjörfeys höldr'*, d. h. vir pugnae, ^^) Sighvatr skäld
haulda kvitt", d. h. hominum rumorem,^^) Hallar-Steinn in
seiner Rekstefja „Härs gnott hölda", d. h. numerosa turba
virorum, „höldar fellu", d. h. ceciderunt viri, „hölda kindum",
d. h. filiis virorum, „höldar flydu", d. h. fugerunt viri;^*)
Markus Skeggjason „ötal hölda", d. h. innümera multitudo
virorum, „grimmir höldar", d. h. incolae crudeles, „hölda
reynir", d. h. hominum explorator, ^^) Einarr Skulason im
Geisli „meginfjöldi hölda", d. h. magnus numerus hominum,
„bydr höldum", d. h. homines invitat.^*) Femer steht in
1) Heimskr. Haralds s. härfagra, 17/60. Ich begnüge mich mit
einer Nachweisung, auch wo eine Strophe öfter vorkommt; die meisten
Nachweise lassen sich ohnehin aus Gudbrand Vigfüsson's Corpus
poeticum boreale (1888), Theod. Wisen's Carraina Norraena, Bd. I
(1886), dann Jon Sigurds8on*s und Fi nn Jons so n's Anmerkungen
zum Skäldatalim Bd. III der Snorra-Edda (1880—87) leicht entnehmen.
2) ebenda, 19/62. 3) ebenda, 24/66. 4) ebenda, 32/71.
5) Fagrskinna, 28/16. 6) Kormakss., 8/17 (ed. Möbius).
7) Heimskr. Haralds s. gräfeldar, 6/116. 8) Fagrskinna,
45/38. 9) Heimskr. Olafs s. Tryggarsonar, 22/142. 10) Gunn-
laugs 8. ormstungu, 11/251. 11) Heimskr. Magnus s. göda,
16/527. 12) Wis^n, Carmina Norrsena, I, S. 46, 47 und 48.
13) Knytlinga, 76/306 und 80/314. 14) Wisän, ang. 0., S. 54.
184 Sitzung der pküos.-phüol. Clcisse vom 2. November 1889.
den Erakumäl „ör hölda hausum^^ d. h. e craniis virorum,
„hölda harmr", d. h. dolor virorum;^) in der Jömsvikinga-
drapa des Bischofs Bjami Kolbeinsson: „hölda", d. h. viros;*)
in der Islendingadräpa des Haukr Valdisarson: „sart lek halr
vid hölda", d. h. schlimm gieng der Mann mit den Leuten um ;
„hold fra ek hraedast aldn", d. h. ich hörte, dass der Mann
sich nie fürchtete: „feldi horska hölda", d. h. er erlegte tapfere
Krieger.^) Wiederum sagt Snorri Sturluson in seinem Hattatal:
„bera höldar", d. h. viri gestaut;*) Sturla |)6rdarson in seiner
Hrynhenda: „grimmra hölda", d. h. atrocium virorum, „mildir
höldar*, liberales coloni, *) dann in seinen Hrafnsmäl: „kapp-
studda hölda", d. h. viros pertinacia fidentes;^) endlich Einarr
föstri in der Skidarima, 37, 83, 152 u. 198, braucht den Aus-
druck höldar auch noch unbedenklich für Männer oder Leute.''')
Ungleich seltener nur findet sich der Ausdruck in diesem
seinem ältesten Sinne in der prosaischen Sprache gebraucht;
doch wird er nicht nur gelegentlich unter den „mannaheiti"
aufgeführt,®) sondern es gebraucht auch einmal in einem
späteren Einschiebsel der Olafs s. Tryggarsonar die Flatey-
jarbök den Ausdruck: „sa hinn heimski höldr", während ein
anderer Text dafür „sa hinn heimski hrotti*' giebt, ^) und
überdies scheint die spätere isländische Vulgärsprache das
Wort nur in diesem Sinne festgehalten zu haben. Schon
Magnus Olafsson von Laufass und Gudmundr Andresson
kennen es in diesem Sinne, und verweisen dabei auf die
Bezeichnung „höldr i bui'^ ; bei Finn Maguüsson kehrt diese
Verweisung wieder, und noch heutzutage kann ein tüchtiger
Landwirth ganz ebensogut als „bühöldr" bezeichnet werden,
wie als büpegn oder als bümadr. Schon in einem erheblich
1) ebenda, S. 63 u. 64. 2) ebenda, 8.71. 3) Islendinga-
dräpa (ed. Möbiua), S. 44, 50 u. 52. 4) Snorra-Edda, I, S. 656.
5) Häkonar s. gamla, 286/67; 289/74 (FMS. X). 6) ebenda, 326/141.
7) Wisen, ang. 0., S. 103, 105, 109 u. 112. 8) Skäldskaparmil,
75/558. 9) Flbk. I, 315/391; vgl. mit FMS. II, 203/161.
Maurer: Die norivegischen höldar. 185
engerem Sinne steht dagegen das Wort gebraucht, wenn in
den Eigsmäl, 24, neben Balr und Drengr, J)egn und Bondi,
Bui und Seggr, auch Höldr unter den Söhnen Karls genannt,
und damit von den Söhnen |)r8els einerseits und von den
Söhnen Jarls andererseits scharf abgetrennt wird. In dem-
selben engeren Sinne mag ferner das Wort auch in den
Hyndluljöd, 11 und 16, zu nehmen sein, wo der Gegensatz
der „höldbornir menn" und der „hersbornir menn'' sehr
bestimmt betont wird, und jedenfalls kann es nur in diesem
Sinne verstanden werden, wenn die jüngere Edda einmal
ausspricht^): „pegnar ok höldar, svä eru büendr kalladir*'.
Die Zugehörigkeit der höldar zu einem bestimmten Stande,
und zwar zu dem der Gemeinfreien, ist damit hervorgehoben;
nur unter dieser Voraussetzung können sie zu den unfreien auf
der einen Seite und zu den hersar oder den jarlar als den An-
gehörigen der herrschenden Geschlechter andererseits in einen
durchgreifenden Gegensatz gebracht, oder frischweg mit den
Bauern zusammengeworfen werden. Endlich aber weist auf
einen noch mehr verengten Begriff dieselbe jüngere Edda hin,
wenn sie an einer anderen Stelle^) sagt: „far naest (d. h. nach
den hersar oder lendir menn) eru peir menn, er höldar heita,
fat eru büendr, peir er gildir eru af settum ok rettum fuU-
um", und wenn sie dann auch noch die hirdmenn und
hüskarlar als handgengnir menn den höldar gegenübersetzt.
Zu den Bauern wurden diese letzteren allerdings auch hier
gezählt; aber sie fallen nicht mehr mit diesen zusammen,
bilden vielmehr eine durch die Geburt ausgezeichnete und
zugleich mit besserem Rechte ausgestattete bevorzugte Classe
unter ihnen. Auch die oben angeführten beiden Strophen
in den Hyndluljod könnten möglicherweise unter diesen
Gesichtspunkt gestellt werden; jedenfalls aber gehört hieher
eine Reihe von Angaben in den Geschichtsquellen, welche die
1) Skäldskaparmä*!, 65/530. 2) ebenda, 53/456.
1889. PhUoB.-phUoL u. bist. Ol. IL 2. 13
186 Sitzung der plnla$.'phüd. Gasse nm S. Soremher 1889.
höldar einerseits yod den priTilegiiten Classen der konif^lichen
Diensilente, also zamal von den jarlar und den lendir menn
scharf getrennt halten, andererseits aber doch als diejenige
Classe der ausserhalb des Konigsdienstes stehenden Lente
betrachten, welche jener Dienstaristokratie am Nächsten steht.
Wenn z. B. Björn, des Hersen Brynjolfir Sohn, nicht in des
Königs Dienst treten, nnd wie sein Bruder ^rdr des Königs
Landherr werden wollte, sondern Yorzog, als unabhängiger
Mann auf seinem freien Erbgute zu sitzen, wurde er dafür
durch die Bezeichnung Björn höldr ausgezeichnet.^) Wenn
ferner Halladr Rögnyaldsson in Folge der unaufhörlichen
Kämpfe, welche er mit Yikingem zu bestehen hatte, seines
Jarlthums auf dem Orkneys überdrüssig wurde, so trat er,
indem er seine Jarlswürde aufgab, auch sofort in die Classe
der höldar zurück.') Wenn endlich Högni Langbjamarson
die von K. Haraldr hardradi ihm angetragene Würde eines
Landfaerm ablehnt, weil er, bäuerlicher Abkunft wie er ist,
lieber unter den Bauern der Erste als unter den Landherrn
der Letzte sein will,') so wird dabei zwar der Name der
höldar nicht genannt, kann aber doch keinem Zweifel unter-
liegen, dass gerade sie unter jenen besten Bauern verstanden
werden müssen, deren Kreis zu verlassen der tüchtige Mann
sich weigert.
Insoweit besteht also das Ergebniss meiner Untersuchung
darin, dass ein allmählicher Wechsel in der Bedeutung des
Wortes höldr zu bemerken ist, indem dieses ursprünglich den
Mann im Allgemeinen, dann insbesondere den gemeinfreien
Mann im Gegensatze zum Unfreien sowohl als zum Hoch-
freien, endlich aber mit noch engerer Begrenzung einen
innerhalb des gemeinfreien Standes durch besondere Vorzüge
1) Eigla, 41/128; vgl. mit 40/127 (ed. Finnr Jöngson.)
2) Heimskr. Haralds s. harfagra, 27/68; FMS. I, 96/195;
Flbk. I, 180/222; Orkney in ga s., 5/6 (ed. Gudbrandr Vigfüsson).
3) FMS. VI, 62/278-79; Flbk. III, 87/349.
Maurer: Die norwegischen fiMdar. 187
begünstigten Mann bezeichnete, wobei jedoch die älteren Be-
deutungen des Wortes neben den späteren immerhin noch
in gewissem Umfange fortlebten. Völlig einwandsfrei ist
allerdings dieses Ergebniss nicht. Wenn nämlich zwar die
dichterische Sprache sowohl als die isländische Vulgärsprache
sehr häufig ältere Wortbedeutungen festhält, welche die prosa-
ische Schriftsprache der Regel nach fallen gelassen hat, so
kommt es doch auch umgekehrt vor, dass beide einen ursprüng-
lich in engerer und zumal in vornehmerer Geltung stehenden
Ausdruck hinterher erst generalisiren , und wäre demnach
immerhin auch denkbar, dass die von Anfang an für den
gemeinfreien Stand, oder sogar nur für eine bevorzugte
Classe desselben übliche Bezeichnung erst hinterher für den
Mann überhaupt gebraucht worden wäre. Zwischen dem
Gebrauche der Bezeichnung für den gemeinfreien Stand über-
haupt und für eine besonders ausgezeichnete Abtheilung des-
selben lässt sich ferner in den meisten Fällen nicht scharf
unterscheiden, und liesse sich von hier aus allenfalls auch
die Frage auf werfen, ob ein solcher Unterschied in Bezug
auf dieselbe überhaupt durchführbar sei? Indessen dürfte
doch die Ursprünglichkeit des dichterischen und zugleich des
späteren vulgär-isländischen Sprachgebrauches in dem eine
Stütze finden, was oben über die Etymologie des Wortes zu
bemerken war; die Zwiespältigkeit aber des Sprachgebrauches
in der letzteren Richtung scheint sich nicht nur durch die
Vergleichung der beiden aus den Skäldskaparmäl angeführten
Stellen mit Bestimmtheit zu ergeben, sondern viel sicherer
noch in dem Inhalte der Rechtsbücher ihre Bestätigung zu
finden, zu dessen Betrachtung ich nunmehr übergehe.
Unter den Rechtsbüchern brauchen die Borgar{>ings-
lög in ihrem ersten Texte die Bezeichnung hauldr,^) oder
nach einer andern Hs. hauldmadr, hauldr madr oder auch'^)
1) BpL. I, 9. 2) ebenda, I, 12.
13^
188 Sitzung der philos.'phÜol. Classe vom ^. November 1889.
hauldborenn madr; der zweite Text bietet die Bezeichnungen
hauldmadr^) und hauldborenn madr,*) der dritte endlich
hauldmadr oder hauldsmadr. ^) Sie setzen dabei den höldr
mit seinen Kindern einerseits dem lendr madr und anderer-
seits dem leysingi mit seiner Nachkommenschaft entgegen,
unter welchem letzteren dann noch der frjälsgjafi sammt
seinen Kindern und der unfreie steht.*) Dem Landherrn
stellen sie unter seinen Kindern aber nur die gleich, welche
noch „1 landvonum'* sind,^) womit denn doch stillschweigend
gesagt ist, dass diejenigen Kinder einas solchen, welche ohne
derartige Aussichten sind, in die nächstniedrige Classe, also
in die der höldar herabsinken, und sie bezeichnen anderer-
seits den Theil des Kirchhofes, innerhalb dessen die holdar
begraben werden sollen, als „böndalega",®) welcher demnach
mit der gleichfalls genannten „höldslega" identisch ist, wo-
raus sich denn doch deutlich ergibt, daas die BegriflFe böndi
und höldr diesem Rechtsbuche als sich deckende gelten. Von
den Eidsifjapingslög ferner braucht der erste Text die
Bezeichnungen hauldmadr, hauldsmadr, der zweite hauld-
borinn madr;'') beide aber unteracheiden die höldar, ganz
wie die Borgar|)ingslög, einerseits von den lendir menn und
andererseits von den leysingjar und deren Kindern, während
die Kinder der Landherrn bis zum erreichten vierzigsten
Lebensjahre den Stand ihres Vaters theilen, dann aber nach
der ausdrücklichen Bestimmung der Quelle zum Stande der
höldar herabsinken sollen, und auch nach diesem Rechts-
buche ist somit neben den höldar für eine von ihnen ge-
schiedene Classe der boendr kein Platz mehr oflFen. Beide
Rechtsbücher brauchen demnach die Bezeichnung höldr in
der zweiten oben nachgewiesenen Bedeutung, und beide wissen
1) BI)L. II, U u. 18. 2) ebenda, II, 20. 3) ebenda, III, 13.
4) ebenda, I, 9 u. 12; H, 18 u. 20; IE, 13; vergl. auch II, 14.
5) ebenda, I, 12; U, 20. 6) ebenda, I, 9; II, 18; III, 14. 7) EI)L.
I, 48 u. 50; II, 37 u. 39.
I
Maurer: Die norwegischen höldar. 189
noch Nichts von der Ausscheidung einer höheren Classe inner-
halb des Bauernstandes, auf welche der Name der höldar
ausschliesslich angewandt worden wäre. Ganz anders ver-
halten sich dagegen die beiden Rechtsbücher des westlichen
Norwegens, von welchen die Gulafingslög die Bezeichnung
hauldr^) oder hauldmadr*) bieten, während in den Frost a-
Jingslög die erstere Form der Bezeichnung ganz entschieden
vorwiegt,') und die Form hauldmadr oder hauldrmadr nur
ganz vereinzelt auftritt.*) Beide Rechtsbücher scheiden aber
die höldar in allen den Punkten, in welchen sich die Sonde-
rung der verschiedenen Stände überhaupt geltend zu machen
pflegt, scharf von den blossen Bauern und selbst von den
altfreigeborenen Leuten, und schieben sie somit geradezu als
einen weiteren besonderen Stand zwischen diese und die
Landherrn in die Mitte. So halten demnach einerseits die
Gulajfngslög an dem Satze fest,*) dass der Sohn des Land-
herm „haullz retf' nehme, wenn er nicht selbst Land vom
König erhält, und wie von einer besonderen Busse der höld-
ar (höldsrettr) sprechen sie gelegentlich®) auch von einem
besonderen Wergeide derselben (höldsgjöld); andererseits
unterscheiden aber die Frostajingslög die höldar doch auch
wieder sogar von den besten Bauern,'') sofern sie diese letz-
teren in gewissen Fällen zu bestimmten gerichtlichen Diensten
nur unter der Voraussetzung verwendet wissen wollen , . dass
höldar schlechterdings nicht zu haben sind. Obwohl keines
der beiden Rechtsbücher uns eine Definition der Bezeichnung
giebt, lassen sich überdiess aus ihnen doch auch die Be-
dingungen feststellen, an deren Vorhandensein die Zugehörig-
keit zum Stande der höldar gebunden war, sowie auch die
besonderen Vorzüge und Rechte, welche die Theilnahme an
1) GpL. 149, 198, 200, 243. 2) ebenda, 56, 91, 129, 200.
3) Fr|)L. IV, 8, 49, 53 u. 60; IX, 17; X, 34, 41 u. 46; XI, 21 u. 22;
Xni, 15; XIV, 7 u. 10; XV, 11. 4) ebenda, IV, 60; X, 35.
5) GpL. 200. 6) ebenda, 243. 7) FrpL. IV, 8; XIV, 7; XV, 11.
190 Sitzung der pküosrphüol. Classe vom 2. November 1889.
demselben verlieh. In der ersteren Beziehung ist vor Allem
beachtenswerth, dass die Gnlapingslög in einem ihrer ver-
schiedenen Verzeichnisse von Strafgeldern den odalborinn
madr genaa an derselben Stelle nennen, welche sonst der
höldr einzunehmen pfl^,*) und dass eine ihrer Wergeids-
tafeln von dem Falle ausgeht |,ef sä er odalborinn er viginn
er*, während die andere von den „haullz giolld" ihren Aus-
gangspunkt nimmt.^) Man wird hieraus den Schluss ziehen
dürfen, dass unter dem höldr ein Mann zu verstehen sei,
dessen Haus sich im Besitze von odal befinde, und dieser
Schluss wird auch noch durch eine später zu besprechende
Erklärung bestätigt, welche das gemeine Landrecht über den
Ausdruck giebt, und welche, wenn auch nicht völlig mit
dem aus den Gula|»ings]ög gewonnenen Ergebnisse zusammen-
fallend, doch ebenfalls auf den Besitz von odal als die Grund-
lage des Standes der höldar hinweist. Berücksichtigt man
nun, dass beide Provincialrechte unter dem odal Stammgut
verstehen, d. h. Gut, welches schon eine Reihe von Genera-
tionen hindurch sich in einer und derselben Familie in ge-
rade absteigender Linie vererbt hat, und welches in Folge
dessen auch für die Zukunft in bestimmter Weise an diese
Familie gebunden erscheint, so stellt sich der höldr als der
Angehörige eines mit solchem Stammgute angesessenen Hauses
dar, und kann es nicht auffallen, wenn derartige Leute eines
gewissen Vorranges vor anderen Freigeborenen sich erfreuen.
Die Vorrechte aber, welche beide Rechtsbücher den höldar
vor den gewöhnlichen Bauern zuerkennen, beziehen sich zu-
nächst, wie bereits zu bemerken war, auf die Höhe der An-
sätze im Compositionensystem. Nach den Gulaj^ingslög steigt
die Busse des höldr der des gewöhnlichen Bauern gegenüber
im Verhältnisse von 1 : 2 ,^) und dasselbe Verhältniss gilt
1) vgl. GJ>L. 185 mit 200, u. s. w. 2) vgl. ebenda, 218 mit
243. 3) ebenda, 91, 185, 198, 200.
j
Maurer: Die norwegischen höldar, 191
auch in Bezug auf die Wergeidszahlungen;*) in Bezug auf
die der Ehefrau eingeräumten Dispositionsbefugnisse,*) sowie
auch in Bezug auf die bei den Vergabungen an den J)yborinn
sonr einzuhaltenden Grenzen ; ') die Prostafingslög dagegen
lassen die Bussen im Verhältnisse von 2:3 steigen,*) und
halten dasselbe Verhältniss auch bezüglich der Vergabungen
an den ^jborinn sonr,^) dann wie es scheint auch bezüglich
der Dispositionsbefugnisse der Ehefrau fest,®) obwohl sie sich
über diesen Punkt nicht ganz bestimmt aussprechen, ihre
Wergeldstafel aber erscheint überhaupt nicht mehr auf die
Gliederung der Stände gestützt. Weiterhin hat dann der
höldr auch noch das Recht, Walfische von einer gewissen
Grösse sich anzueignen, wenn sie gefunden werden, wogegen
diess, und zwar nach beiden ßechtsbüchern, den einfachen
Bauern nur bei Fischen von zur Hälfte geringerem Werthe
gestattet ist ; '^) nach einer im gemeinen Landrechte ent-
haltenen Bestimmung, die aber entschieden älteren Ursprunges
sein muss, lässt sich überdiess annehmen, dass ihm auch
ein vorzugsweises Anrecht auf den innerhalb seines Grund-
besitzes gefundenen Schatz zugestanden habe. *) Wiederum
lassen die Gulapingslög im Stammgutsprocesse nur odalsbornir
menn zur Ablegung des Zeugnisses zu ; ^) die Frosta|)ingslög
aber lassen nicht nur in gewissen Processen über Liegen-
schaften den ödalsmadr vor dem kauplendmgr zum Partheien-
eide zu,^^) welcher Vorzug vielleicht nicht sowohl ein Standes-
vorrecht, als vielmehr in den besonderen Beziehungen des
einen oder des anderen Streittheiles zu dem streitigen Gute,
beziehungsweise in den Behauptungen desselben über diese
1) GJ)L. 218, 243. 2) ebenda, 66. 3) ebenda, 129. 4) Frl)L.
IV, 49 u. 53; X, 34, 35, 41 u. 46; XIII, 15; vgl. auch XI, 21 mit
GpL. 198. 5) Fr|)L. IX, 17. 6) ebenda, XI, 22 vgl. mit 21.
7) Gl)L. 149; Frl)L. XIV, 10; Bjark. R. III, 145. 8) Landslög,
Landabrb. 16; vgl. indessen G{)L. 148. 9) Gl)L. 266. 10) FrI)L.
XIII, 25.
192 Sitzung der phüosrphüöl. Glasse vom 2, November 1889,
Beziehungen begründet ist, sondern sie lassen auch in All-
mendesachen nur höldar zum Erfahrungszeugnisse zu, falls
solche zu haben sind, dagegen sogar die besten unter den
sonstigen Bauern nur unter der Voraussetzung, dass höldar
nicht vorhanden sind,^) und ebenso verfahren sie auch ganz
allgemein in allen anderen Sachen hinsichtlich des Zwölfer-
eides mit ernannten Eidhelfem,*) sowie bezüglich eines eben-
solchen Sechsereides. ^) Man sieht, es handelt sich bei allen
diesen Vorrechten, soweit nicht blosse Folgen der Stamm-
gutseigenschaft des Grundbesitzes in Frage stehen, um ein-
fache Standesvorzüge, wie sie auch sonst in völlig entsprechen-
der Weise den Angehörigen je eines höheren Standes gegen-
über denen eines geringeren zukommen, oder doch nur um
die vorzugsweise Verwendung zu Diensten, die ein besonderes
Maass von Verlässigkeit oder auch von Vertrautheit mit den
Zuständen des heimatlichen Bezirkes voraussetzen, wie man
Beides bei erbeingesessenen Grundeigenthümem allerdings in
erhöhtem Masse erwarten konnte. Es ist sehr wohl möglich,
dass das Stammgüterrecht in einer Landschaft schon längst
bekannt und ausgebildet war, ohne dass doch die Stammguts-
besitzer derselben sich zu einem besonderen Stande abge-
schlossen, und als ein solcher von den übrigen freien Bauern
sich abgetrennt hatten ; in der östlichen Reichshälfte scheint
diess in der That der Fall gewesen zu sein. Der fragmentarische
Zustand, in dem uns sowohl die Borgarfingslög als die Eidsifja-
pingslög überliefert sind, gestattet uns allerdings nicht zu be-
stimmen, wie weit etwa nach beiden Rechtsbüchern der Besitz
von Stammgut irgendwelche Bevorzugung begründet habe oder
nicht ; aber es wäre immerhin sehr wohl denkbar, dass auch
sie die ödalbornir menn bereits in einzelnen Richtungen
bevorzugt hätten, ohne dass sich diese ihre Bevorzugung
doch noch in einer Erhöhung ihrer Busse, ihres Wergeides
1) FrI)L. XIV, 7. 2) ebenda, IV, 8. 3) ebenda, XV, 11.
Maurer: Die norwegischen höidar. 193
u. dgl. m. geäussert hätte, und ohne dass sich die Bezeich-
nung als höldar bereits auf sie beschränkt hätte. Wenn
unsere Geschichtsquelien von der angeblichen Einziehung der
Odalsgüter durch K. Harald härfagri und von deren Rück-
gabe durch K. Häkon gödi sprechen, so nehmen sie dabei
weder die Landschaft Vikin noch die üpplönd von beiden
Massregeln aus, vielmehr heben sie allenfalls sogar ausdrück-
lich den günstigen Eindruck hervor, welchen die Handlungs-
weise des letzteren Königs in den Hochlanden hervorgerufen
habe.^) Wir können hiernach sicher sein, dass Stammgüter
auch dem Rechte jener beiden Landschaften schon von der
ältesten Zeit an bekannt waren, wie denn auch dem schwe-
dischen Rechte der Begriff des ofal geläufig war, wenn auch
nicht ganz in derselben Gestalt wie dem Rechte Drontheims
und des Gulapinges; eine gewisse Bevorzugung der Stamm-
gutsbesitzer vor den übrigen Bauern, welche sich nur noch
nicht zu einer vollen Standesverschiedenheit ausgeprägt hatte,
wäre also für beide Rechtsgebiete recht wohl möglich. Es
wird sich nun für uns darum handeln, soweit als möglich
den Zeitpunkt zu bestimmen, in welchem für die westliche
Reichshälfte die Umbildung der Classe der Stammgutsbesitzer
zu einem besonderen Stande, und damit zusammenhängend,
die Beschränkung des Namens der höldar auf sie sich voll-
zogen hat.
Keinen erheblichen Werth für die Ergründung der Ge-
schichte des Standes glaube ich zunächst der Thatsache bei-
legen zu sollen, dass nach dem älteren Stadtrechte alle
freien Leute vom Landherrn abwärts bis zum Freigelassenen,
welcher sein Freilassungsbier gehalten hat, einschliesslich in
der Stadt gleiche Busse nehmen sollten, und zwar die des
1) vgl. meinen Aufsatz: , lieber die Einziehung der norwegi-
schen Odelsgüter durch K. Harald härfagri", in der Germania, Bd. XIV,
S. 27 — 28.
194 Sitzung der philosrphüol. Classe vom 2. November 1889.
höldr. ^) Den Umstand freilich halte ich für unbedenklich,
dass dieselben Auszöge aus dem Stadtrechte, welche diesen
Satz aussprechen, anderwärts nicht nur in Bezug auf den
gefundenen Wal genau denselben Vorzug des höldr vor dem
arborinn oder aetbborinn madr und anderen Freien kennen
wie die FrJ)L.,*) sondern auch in Bezug auf die Busse ge-
legentlich ganz dieselbe Abstufung wie diese unter den ver-
schiedenen Ständen durchfähren.*) Ganz abgesehen davon,
dass dieser Selbstwiderspruch sich nur im Texte III, nicht
aber im Texte II findet, vermag ich nämlich in demselben
nur die Folge einer ungeschickten Ergänzung des Stadtrechtes
aus den FrJ)L. zu erkennen, mit welchen dasselbe ja im
üebrigen allerdings oft genug übereinstimmt, möge nun
dieser Verstoss erst von den Verfassern der uns vorliegenden
Auszüge, oder bereits von dem Compilator der von ihnen
benützten Vorlage begangen worden sein. Wenn sich aber
zwar von hier aus kein Grund ergiebt, welcher zu einer
Beanstandung der obigen dem Stadtrechte eigenth um liehen
Regel berechtigen könnte, so muss doch auffallen, dass diese
in Bezug auf den Betrag der Busse nicht etwa blos den
höldr mit den gemeinfreien Bauern zusammenwirft, sondern
dass sie auch den Landherrn einerseits und den Freigelassenen
höherer Ordnung andererseits beiden gleichstellt. Ueber die
Regeln, welchen die Borgarfingslög und die Eidsifjafingslög
folgen, wird demnach in beiden Richtungen ganz entschieden
hinausgegangen, und ergiebt sich schon hieraus, dass der
Gesichtspunkt, von welchem aus das Stadtrecht zu seiner
Regel kommt, ein ganz anderer sein muss, als der für die
1) BjarkR. II, 47 u. 111,97; vgl. auch Norges gamle Love,
IV, S. 80.
2) BjarkR. III, 145, oder Norges gamle Love, IV, S. 94;
vgl. FrI)L. XIV, 10.
3) BjarkR. 111,161—62, oder Norges gamle Love, IV, S. 88;
vgl. FrJ)L. X, 34-35.
J
Maurer: Die norwegischen höldar. 195
letzteren beiden Provincialrechte massgebende. Man wird
sich, um diesen Gesichtspunkt ausfindig zu machen, daran
zu erinnern haben, dass den Isländern, so lange sie in Nor-
wegen auf der KauflFahrt waren, ein für allemal das Recht
des höldr zugestanden war, während andere Ausländer sich
mit dem Rechte des einfachen Bauern zu begnügen hatten,
wenn sie nicht ihren Anspruch auf ein besseres Recht be-
weisen konnten.^) Man wird ferner mit dieser Bestimmung
auch noch den anderen Satz zusammenzuhalten haben, dass
der Bjarkeyjarrettr wie in der Stadt, so auch an den grossen
Fischereiplätzen und auf der KauflFahrt gelte,*) und wird
sich aus der Combination beider Bestimmungen die Regel
ergeben, dass überall da, wo dieses Stadt- und Schiflferrecht
galt, alle freien Leute in Bezug auf ihre Busse gleich ge-
halten wurden, mit Ausnahme nur der fürstlichen Personen
(tignarmenn) einerseits und der erblich abhängigen Leute
(J)yrmslamenn) andererseits, und dass dabei für die Einheim-
ischen sowohl als für die übrigen Angehörigen des norweg-
ischen Stammes das Recht des höldr, für andere x4.usländer
dagegen das Recht des gemeinfreien Bauern als das mass-
gebende galt. Das Stadtrecht stellt sich somit in dieser wie
in so mancher anderen Beziehung nur als ein localisirtes,
und damit zugleich auch stabil gewordenes Schiflferrecht dar;
der massgebende Gesichtspunkt für unsere Bestimmung kann
aber kein anderer gewesen sein als der, dass bei Fremden
und aus den verschiedensten Gegenden zusammengeströmten
Leuten der überaus schwierige Nachweis des dem Einzelnen
seiner Geburt nach zukommenden Rechtes durch einen ein
für allemal geltenden Rechtssatz ersetzt und überflüssig ge-
1) GI)L. 200, sowie Kgsbk. 248/195 und Skinnastadabök,
S. 464.
2) BjarkR. II, 42; vgl. meinen Artikel „Gula})ing8lög'* in
der Allgemeinen Encyklopädie der Wissenschaften u. Künste, I. Sect.,
Bd. 97, S. 38.
196 Sitzung der phüosrphüoh Glosse vofn 2. November 1889.
macht werden sollte. Mit dem Verhältnisse der höldar zu
den gewöhnlichen Bauern hat demnach diese Bestimmung
nicht das Mindeste zu thun, ausser etwa insofern, als sie
erkennen lässt, dass zur Zeit ihrer Entstehung beide Glassen
im Drontheimischen in Bezug auf den Betrag der ihnen zu-
kommenden Busse sich bereits von einander geschieden hatten.
Bedenklicher ist, dass auch das isländische Recht inner-
halb des Freienstandes keinerlei weitere Standesunterschiede
kennt. Allerdings unterscheidet es gelegentlich zwischen
den baßndr und den einhleypingar oder den gridmenn, und
lässt die ersteren ausschliesslich oder doch vorzugsweise zu
gewissen öffentlichen Functionen verwenden, während es
ihnen zugleich bezuglich der Allmendenutzungen ein gewisses
Vorzugsrecht vor den letzteren einräumt. Wohl macht sich
ferner auch innerhalb der Classe der Bauern wiederum der
Gegensatz der landeigendir und der leiglendingar geltend,
und werden nur die ersteren, oder doch vorzugsweise die
ersteren zu den Gemeindeämtern und zu allerlei anderen
öfiFentlichen Dienstleistungen herangezogen. Den einvirkjar
endlich, d. h. denjenigen Bauern, welche ihre Wirthschaft
ohne Beihülfe von Dienstboten betreiben, werden mancherlei
Erleichterungen in Bezug auf das Tragen öffentlicher Lasten
gewährt, und umgekehrt wird den Bauern, welche das J)ing-
fararkaup zu bezahlen haben, also hinreichend vermöglich
sind, um entweder Jahr für Jahr das Allding besuchen oder
für den Fall ihres Ausbleibens eine Abgabe von bestimmter
Höhe entrichten zu müssen, noch manche andere Verpflich-
tung auferlegt, wie denn z. B. nur sie der Zelmtlast unter-
liegen, als Zeugen oder Geschworene zum Ding kommen
müssen ohne eine Reiseentschädigung beanspruchen zu dürfen
u. dgl. m.^) Aber alle diese unterschiede sind einerseits
1) vgl. meine Schrift „Island von seiner ersten Entdeckung bis
zum Untergange des Freistaats*, S. 146—52.
Maurer: Die norwegischen höldar. 197
steten Schwankungen unterworfen, und werden andererseits
nur in ganz vereinzelten Beziehungen wirksam; zu Standes-
verschiedenheiten sind sie demnach keineswegs geworden,
wie denn auch gar manche von ihnen in Norwegen über-
haupt, oder doch in einzelnen Theilen von Norwegen eben-
falls einzelne rechtliche Wirkimgen äussern, ohne darum doch
als in Busse, Wergeid u. dgl. ausgeprägte Standesunterschiede
aufzutreten. Indessen darf doch aus diesen isländischen Ver-
hältnissen nicht ohne Weiteres auf die Urzustände Norwegens
zurückgeschlossen werden. Die ungeordnete Art, in welcher
sich die Besiedelung Islands vollzog, konnte sich von vorn-
herein der Bildung von Stammgütern nicht förderlich er-
weisen, da sie eine geregelte Landestheilung ausschloss und
zugleich den Zusammenhalt der Familien schwächte. Die
eigenthümlichen wirthschaftlichen Zustände, wie sie im Klima
und in der Bodenbeschaffenheit der Insel begründet waren,
Hessen den Ackerbau ganz zurücktreten hinter die Viehzucht,
und schwächten eben damit sehr erheblich den Werth des
Grundeigenthums und seiner festen Verknüpfung mit der
Familie. In Folge beider Umstände kennt das isländische
Recht keinen Stammgutsbesitz, während dieser in Norwegen
von Anfang an eine sehr bedeutende Rolle gespielt hatte^
und von höldar im Sinne der Gulapingslög und der Frosta-
|>ingslög konnte demnach hier schlechterdings nicht die
Rede sein. Dazu kommt noch eine gewisse coloniale Gerad-
linigkeit der Rechtsverfassung des isländischen Freistaates,
und deren scharf ausgeprägte Rücksichtnahme auf die indi-
viduelle Freiheit, welche zu einer ähnlichen demokratischen
Gleichstellung der verschiedenen Volksgenossen ganz wohl
führen mochte, wie sie das norwegische Schifferrecht ohne-
hin schon kannte, unter dessen Herrschaft der grössere Theil
der nach Island Einwandernden bereits längere Zeit gestanden
war. Alles diess zusammengenommen mochte recht wohl
zu einer völligen Verwischung aller Standesunterschiede inner-
198 Sitzung der phihsrphüot. Ctasse vom 2. November 1889.
halb der freien Volksgemeinde geführt haben, wenn auch
in Norwegen selbst solche Unterschiede zu der Zeit völlig
ausgeprägt bestanden hatten, in welcher die Auswanderung
erfolgte. Finden wir doch auch die regierenden Häuser auf
Island durch keinerlei Standesvorzüge vor dem übrigen Volke
ausgezeichnet, so bedeutsam auch das Uebergewicht war,
welches sie thatsächlich über dieses besassen.
In hohem Grade bedeutsam erscheint dagegen, dass in
englischen Quellen schon ziemlich frühzeitig „holdas*
unter den in England eingedrungenen Nordleuten genannt
werden. Die angelsächsische Chronik nennt im Jahre 905
einen Ysopa hold und einen Oscytel hold unter den auf dän-
ischer Seite Gefallenen;^) dann im Jahre 911 einen Apulf
hold und Agmund hold als in einem weiteren Gefechte ge-
blieben,*) wobei andere Texte auch noch Benesing hold,
J)urferd hold und Gudferd hold unter den Todten erwähnen.^)
Zum Jahre 918 berichtet dieselbe Quelle, wie »pa holdas
ealle and fa ieldestan men ealle maeste* von Bedford und
Northhampton zugleich mit J)urcytel eorl ihren Frieden mit
K. Eadweard machten,*) und zum Jahre 921 erzählt sie
ganz Aehnliches von ,J)urferd eorl and |>a holdas and eal se
here pe to Hamtune hierde*.^) Ausserdem erzählt die zweite
Chronik des Simeon Dunelmensis, wie Ucthred von North-
umberland »peremptus est a quodam Dano praedivite Thure-
brando cognomento Hold, permittente Cnutone*,*) und pflegt
man den Vorgang in das Jahr 1016 oder 1017 zu setzen.
Wiederum findet sich in einer angelsächsischen Rechtsauf-
zeichnung, welche die üeberschrifk trägt „Northleoda laga",
und welche ich mit R. Schmid dem Anfange des 10. Jhdts.
1) John Earle, Two of the Saxon Chronicles, S. 98.
2) ebenda, S. 101, D. 3) Monnmenta historica Britannica,
I, S. 375. 4) Earle, ang. 0., S. 104. 5) ebenda, S. 107. 6) Ho-
nnmenta bist. Brit., I, S. 687, Anm. d.
Maurer: Die norwegischen höldar. 199
zuweisen möchte,^) der hold berücksichtigt; er wird dabei
halb so hoch angesetzt als der Bischof und der ealdorman,
aber doppelt so hoch als der Priester und der J)egn, also
15 mal so hoch als der einfache ceorl. Da der hold zugleich
mit dem „cyninges heähgerefa", d. h. des Königs Hochgrafen
gleichgestellt wird, einem Beamten höheren Banges, der auch
sonst öfter genannt wird, über dessen Stellung jedoch Nichts
bekannt ist,*) und da ihm auch nach den vorhin angeführten
Stellen ein ziemlich hoher Rang zuzukommen scheint, möchte
man zunächst in ihm einen höheren Beamten vermuthen,
wofür sich auch noch anführen Hesse, dass im Evangelium
Marci 6, 21 northumbrische Hss. den „tribunus" derVulgata
durch „hold" übertragen, worauf zuerst Joh. Steenstrup, ^)
und neuerdings wieder Joh. Fritzner aufmerksam gemacht
hat. Indessen ist doch bezüglich dieser letzteren Stelle zu
berücksichtigen, dass die Vulgata von „principibus et tribunis
et primis GalilaBSö*' spricht; südenglische üebersetzungen
geben diese Worte durch „bis ealdormannum and pam fyr-
mastum on Galilea'* wieder, und lassen demnach den tribunus
unübertragen, so dass die northumbrischen Hss., wenn sie
lesen „daßm aldormannum and holdum and forvastum Gali-
laes", ganz wohl für einen unverstandenen Ausdruck einen
ihnen geläufigeren und dem Range nach einigermassen pas-
senden gesetzt haben mögen, wenn dieser auch streng ge-
nommen keineswegs vollkommen entsprach. Bezüglich der
Wergeidsnotiz aber möchte ich darauf hinweisen, dass nach
dem Frieden K. ^Elfreds mit K. Gudrum, § 2,*) die Tödtung
jedes beliebigen Engländers oder Dänen mit 8 Halbmarken
1) Die Gesetze der Angelsachsen (ed. 2), 8. 396; vgl.
S. LXVI.
2) vgl. Bosworth-Toller, Anglosaxon Dictionary, h. v.,
S. 516.
3) Normannerne, IV, S. 112.
4) bei R. Schmid, ang. 0., S, 106.
200 Sitzung der phüos.-phüol. Classe vom 2. November 1889.
reinen Goldes gesühnt werden sollte mit Ausnahme des eng-
lischen „ceorles", welcher auf Zinsland sitzt, und der nor-
dischen ,,1iesingas^\ welche letzteren beiden gleichmässig mit
200 Schillingen vergolten werden sollten. Die Urkunde
gehört den Jahren 880 — 90 an;^) um ein Jahrhundert später
aber bestimmt der Friedensschluss zwischen K. ^delred und
Olaf Tryggvason mit seinen Genossen, in seinem cap. 5,*)
dass der Todtschlag, welchen ein Engländer an einem freien
Dänen oder umgekehrt ein Däne an einem freien Engländer
begeht, mit 30, oder vielmehr nach der richtigen Lesart mit
25 W zu sühnen sei. Offenbar sind jene 8 Halbmarken oder
2 W reinen Goldes mit diesen 25 W in Silbergeld gleich-
werthig zu denken, oder mit anderen Worten, der freie Mann
soll mit dem Wergeide des cyninges |>egn vergolten werden,
wenn er nur nicht zu den ganz kleinen Leuten gehört, den
englischen Zinsbauern also oder den nordischen Freigelassenen ;
unter dieser Voraussetzung stellt sich dann aber das Wer-
geid des holdes doppelt so hoch als das des gemeinen Freien,
also genau ebenso wie nach den Gulapingslög, und wenn
wir berücksichtigen, dass der ealdorman, welcher doppelt so
hoch angesetzt wird als der hold, seiner ganzen Lebens-
stellung nach wesentlich dem nordischen lendrmadr ent-
spricht, so finden wir auch nach dieser Seite hin die Parallele
mit demselben Rechtsbuche vollständig eingehalten. Jeden-
falls aber zeigt sich, dass in der Zeit, aus welcher weitaus
die meisten jener Zeugnisse stammen, in der ersten Hälfte
also des 10. Jahrhunderts, die höldar wenigstens im westlichen
Norwegen, von welchem die meisten Heerfahrten nach Eng-
land ausgingen, schon eine ziemlich hohe Stellung einge-
nommen haben müssen ; damals musste im Bereiche des
Gula|>inges und doch wohl auch des Frosta|>inges, die Ab-
trennung der höldar von den geringeren Bauern und deren
1) bei R. Schmid, ang. 0., S. XXXVIÜ. 2) ebenda, S. 206.
(awer: Die nanoegiscben hSldar.
lem besonderen Stande sich bereits v
die beiden Provincialrechte der i
h um zwei Jahrbunderte später auf >
tren Entwicklungsstufe verharrten, fc
Heerleuten in England, unter welcl
iche nach gar manche befanden, die
Jmwälzungen in ihrem Vaterland dic^^- .v.
der Name des höldr gerade darum als ein
ititel betrachtet wurde, weil er" den bestimm-
zu allem Köuigadienste zu bezeichnen schien,
oben erwähnte Björn höldr nach der Eigia
im Grunde diesen seinen Beinamen erhielt.
n Bisherigen die Geschichte des Standes der
die Mitte des 13. Jhdts. herabgeriihrt worden
noch ein Blick auf die Gesetzgebung des
K. Magnus lagaboetir geworfen werden, theils weil die
weitere Entwicklung des Standes in der späteren Zeit ge-
wissermassen als Prüfstein dienen mag für die Haltbarkeit
der Vermuthungen, welche ober deren früheren Verlauf aus-
gesprochen wurden, theils aber auch darum, weil der Inhalt
dieser späteren Gesetzgebung mehrfach für die Oesammtauf-
fassung des Standes bestimmend geworden ist. Es knüpft
aber diese Gesetzgebung im Wesentlichen an die Bestimm-
ungen der Gula|)fngslög und der Frosta^fngslög an, und sie
kennt somit den höldr ab eine über den gemeinen Bauern
emporge rückte vornehmere Persönlichkeit. An die Stelle der
ein für altemal bestimmten Buss- und Wergeidsbeträge, wie sie
das ältere Recht gekannt hatte, sind freilich nunmehr Ansätze
getreten, welche von Fall zu Fall durch eigens zu ernennende
Scbätzleute festgestellt werden,*) und im Compositionenwesen,
in welchem die Standesunterschiede sich vordem am Schärf-
1) vgl. Beimskr. Haralds s. hdrfagra, 20/62—63.
2) Landalög, Mannh. 12; neuerer BjarkR. 13; auch schon
Jirnaida, Mannh. 29.
I8S9. Pliiloe.-pM](>L u. bist Cl. U. 2. 14
202 mtung der phOog.-pltiki. Claie e
sten au^epr^t hatten, konnten sie
iDehr in gleicherweise hervortreten
.landnäm* bezeichneten Basse fSr
in fremdes Gnindeigecthuin die Äbsti
stens noch insoweit beden^am, als
sie die Manmalgrenze vetschieden b
Zahlung nicht überschreiten dnrfle, nnd galt dabei fOr den
einfachen Bauern and den höldr das Verhältniss toii 2 : 3,
ganz wie es äach schon nach den Frosta{>fngGlög für beide
geölten hatte.*) Dabei ist nicht ohne Interesse zn bemerken,
dass in der JönstMSb anstatt des hÖldr, der anf Island des
hier fehlenden Stammgntsbesitzes halber nicht rorkominen
konnte, der „riddari" eingesetzt wurde;*) die gedruckten
Ausgaben des Gesetzbaches*) sagen sodann bei Besprechung
des gemeinen Bauern : „ef i er ort jÖrd b6nda ectr hanlds",
und brauchen somit den letzteren Ausdruck, doch wohl an
den s^teren volgär-isländischen Sprachgebranch sich an-
schliessend, für den gewöhnlichen Landwirth, aber in den
neuerdings dnrch G. Siorm benfltzteu ältesten Hss. findet
sich der auf ihn bezügliche Beisatz noch nicht. Hinsichtlich
der den Weibern eingeräumten Dispositionsbefuguisse wird
femer die Frau des höldr im gemeinen Landrechte doppelt
BD hoch angesetzt als die des gewöhnlichen Bauern, und
gilt demnach in dieser Beziehung das den Gnlapfngslög ent-
lehnte Yerhältniss von 1:2;*) auch in diesem Falle aber
setzt das isländische Gesetzbuch fSr die hauldsmanns kona
wieder die „riddara kona" ein. ^) Es wiederholt sich femer
1) Lftndsl. Landaleigub. 20; trI. Fr^iL. XIII, 15.
2) JönBbök, Landslb. 18; vgl. Norgea gamle Love, IT,
8. 266.
3) So schon die Anagabe von 1578.
4) Landsl. Kaupab. 21; vgl. GfiL. 66.
6) Jänsb. Eanpab. 24; vgl. Norges gamle Love, 17, S. 318;
vgl. JndeaaeD, wa« oben S. 170 über die AeuBaeraogen des BjOm
von SfcardaÄ zu aagen war.
Maurer: Die norwegischen höldar, 203
im gemeinen Landrechte die ältere Vorschrift, dass in Odals-
sachen nur ödalsbomir menn Zeugniss geben ^) und dass in
AUmendesachen nur höldar aussagen sollen , falls solche
überhaupt zu haben sind;*) die erstere Bestimmung fehlt
natürlich in der Jonsbok, und die zweite zeigt in ihr eine
durchaus veränderte Gestalt. Der Anspruch auf einen be-
stimmten Antheil am gefundenen Schatze, welcher dem odals-
manne doch wohl schon von Alters her zugekommen war,
wird im gemeinen Landrechte ausdrücklich anerkannt und
wie es scheint nur neu regulirt,*) und nicht minder wird
auch das althergebrachte Vorzugsrecht des höldr bezüglich
des gefundenen Walfisches in seinem früheren Umfange be-
stätigt. *) Von beiden Bestimmungen weiss die Jönsbök
Nichts; dagegen giebt das gemeine Landrecht gelegentlich
der letzterwähnten eine Definition des höldr, welche der
neueren Literatur mancherlei Schwierigkeiten bereitet hat,
und lautet dieselbe folgendermassen : „En sä er höldr, er
bann hefir ödöl at erfdum tekit baedi eptir fadur ok modur,
J)au er hans forellrar hafa ätt ädr fyrir {>eim, ok eigi ann-
arra manna ödöl i at telja, |)aii er med kaupi eru at komin
eda üterfdum". Hier wird also der höldr nicht mehr mit
dem ödalsborinn madr in früherer Weise identificirt, und
der blosse Besitz von Stammgut genügt nicht mehr, um den
Antheil an seinem Stande zu gewähren; man musste viel-
mehr jetzt von väterlicher und mütterlicher Seite her ödal
ererbt haben, wenn man als höldr gelten wollte, oder viel-
mehr, da der Wortlaut der Stelle doch wohl kaum strengstens
auszulegen sein dürfte, man musste von beiden Eltern her
in Bezug auf irgendwelchen Grundbesitz ödalsberechtigt sein.
Wenn demnach als höldr ursprünglich der Mann, später der
1) Landsl Landabrigdisb. 9.
2) ebenda, Landsleigub. 61.
3) ebenda, Landabrb. 16.
4) ebenda, Landslb. 64.
14
204 Sitzung der phäos.-phäol, Glosse vom 2, November 1889.
gemeinfreie Mann, endlich der stammgntsbereclitigte freie
Mann bezeichnet worden war, so sollte jetzt gar nor noch
der holdr heissen, der von der Mutterseite sowohl als von
der Yaterseite her stammgntsberechtigt , also nach beiden
Seiten zugleich odaLsborinn war. Es ist sicherlich unbe-
gründet, wenn Dahlmann, wie vor ihm bereits Björn Jöns-
son Yon Skardsa, Magnus Ölafsson von Laufass, dann Gerb.
Schöning gethan hatten, diese letztere Gestaltung des Standes
als die alleinige und von Anfang an gegebene ansehen will,
oder wenn E. Sars dafür hält, ^) dass sich unter dem Ein-
flüsse der Alleinherrschaft in Norwegen sogar eine allmäliche
Verminderung der aristokratischen Bevorzugung desselben
geltend gemacht habe; meines Erachtens zeigt der Verlauf
der Entwicklung vielmehr eine stets weiter gehende aristo-
kratische Verengerung des Standes, und bezeugt die im ge-
meinen Landrechte gegebene Definition desselben nur dessen
letzte Verknöcherung, welcher dessen völliger Untergang
bald genug gefolgt zu sein scheint. Allerdings ist ja richtig,
dass die Identität der höldar mit den odalbornir menn sich
nur für den Bezirk des Gula|)inges strengstens beweisen lässt,
und bleibt insoweit die Möglichkeit bestehen, dass die Be-
grenzung des Standes im Drontheimischen eine andere ge-
wesen, und dass somit die im gemeinen Landrechte gegebene
Definition desselben aus dem Rechte der letzteren Landschaft
geschöpft sein könnte. Indessen fehlt doch jeder positive
Anhaltspunkt, auf welchen sich eine derartige Annahme
stützen könnte und überdies ist wenig wahrscheinlich, dass
die beiden Dingbezirke der westlichen Reicbshälfte ziemlich
gleichzeitig in diesem Punkte erheblich verschiedene Wege
gegangen sein sollten; endlich lässt sich auch ein Motiv
entdecken, welches den K. Magnus zu der Aenderung des
älteren Rechtes bestimmen konnte, auf welche seine Defini-
1) üdsigt, S. 147-48 (ed. 2).
Maurer: Die norweffischen hÖldar. 205
nition des Standes hinweist, während für die Prostapfngslög
ein ähnlicher Nachweis schwer zu erbringen sein dürfte.
Die Gula|)ingslög hatten als Stammgüter nur solche Liegen-
schaften gelten lassen, welche bereits durch volle 5 Genera-
tionen innerhalb der Ascendenz ihres derzeitigen Besitzers
sich vererbt hatten,^) und die Frostafingslög hatten wenig-
stens noch die Vererbung durch volle 3 Generationen zum
gleichem Behufe gefordert;*) dagegen begnügt sich das
gemeine Landrecht alternativ mit dieser letzteren Voraus-
setzung auch schon mit dem blossen Besitzstande eines und
desselben Hauses während eines Zeitraums von 60 Jahren.')
Da mag nun wohl sein, dass K. Magnus gerade darum, weil
er die Verwandlung des Grundeigenthums in Stammgut so
erheblich erleichtern zu sollen glaubte, eine engere Begren-
zung des Standes der höldar für nothwendig erachtete, weil
er von jener ersteren Neuenmg eine allzu beträchtliche Er-
höhung der Zahl der odalsbcendr befürchten zu müssen
glaubte; begründet erwies sich diese Befürchtung allerdings
nicht, und mag sein, dass in Folge dessen auch die von
K. Magnus beliebte engere Begrenzung des Standes der
höldar keine bleibende Geltung erlangte. Wir haben bereits
gesehen, dass schon die Frostajingslög mit der Möglichkeit
rechnen mussten, dass in einzelnen Volkslanden die zur Ver-
richtung gewisser öffentlicher Functionen in erster Linie
berufenen höldar nicht in der erforderlichen Zahl vorhanden
sein könnten.*) Dieselbe Erscheinung kehrt auch im ge-
meinen Landrechte des K. Magnus wieder,*) und aus späterer
Zeit weiss Fritzner nur eine einzige Urkunde, und zwar aus
dem Jahre 1431, aufzuführen, in welcher ein „fuller eighw
man ok hawlder'' erwähnt wird.^) Das norwegische Ge-
setzbuch K. Christians IV. erwähnt zwar noch den An-
1) G{)L. 266U.270. 2) FrI)L. XII, 4. 3) Landsl. Landabrb. 2.
4) siehe oben S. 189, Anm. 7. 5) siehe oben S. 203, Anm. 2. 6) Di-
plom, norveg., VIII, 2S6/318.
206 Sitzung der phüos.-phüöl. Classe vom 2. November 1889,
Spruch des Ödalsmanns auf gefundene Schätze, und wieder-
holt auch die älteren Bestimmungen über das landnäm des
höldr, dessen Verwendung im AUmendegerichte und dessen
Recht auf den gefundenen Wal ; ^) aber an den drei zuletzt
angeführten Stellen wird der „hauldermand" wieder mit dem
„odelbonde" oder „odelsbaaren'^ zusammengeworfen, und ein-
mal sogar ausdrücklich gesagt: „Haulder, det er den, som
er odels haaren", und von hier aus ist die Erklärung „Hval-
der, eller Odelsbaaren" anlässlich der zuletzt erwähnten Be-
stimmung auch in K. Christians V. norwegisches Ge-
setzbuch übergegangen.*) Hiernach ist schwer zu sagen,
ob und wie lange die engere Begrenzung des Standes der
höldar durch K. Magnus Geltung gewann und behielt; die
angeführte Urkunde und die gleichfalls angeführten Bestim-
mungen der Gesetzbücher K. Christian IV. und V. könnten
ganz wohl auf ein Fallenlassen derselben und auf eine Rück-
kehr zum älteren Rechte bezogen werden, welches alle und
jede odalsbornir menn auch als höldar hatte gelten lassen .
Jedenfalls aber zeigen diese letzteren Gesetzbücher sowohl
als Ostersön Veylle's oben angeführtes juristisches Glossar sehr
deutlich, dass man im 17. Jahrhundert Seitens der dänisch-
norwegischen Praxis sich darüber ganz und gar nicht mehr
klar war, was man unter einem höldr zu verstehen habe,
und dass man dessen Namen völlig unverstanden aus den
älteren Vorlagen in die neueren Gesetzbücher herübernahm.
Zum Schlüsse bleibt noch eine zwiefache Bemerkung zu
machen übrig. Der Stand der höldar kann insoferne ein
Geburtsstand genannt werden, als es gewisse Eigenschaften
der Eltern waren, welche die Theilnahme an demselben be-
gründeten ; odalborinn oder höldborinn musste der Mann
sein, und einer höldssett musste er angehören, wenn er die
1) Odelsb. 11; Landslejeb. 18, 58 u. 61.
2) Norske Lov, V, 12, 1.
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Maurer: Die norwegischen häidar. 207
Vorrechte des Standes beanspruchen wollte. Auf eine be-
stimmte Anzahl von Häusern war aber dieser Stand darum
doch nicht für die Dauer abgeschlossen, vielmehr blieb eine
Vermehrung der ursprünglich zu ihm zählenden Geschlechter
stets möglich, da ja die ununterbrochene Erbfolge in ab-
steigender Linie nach einer bestimmten Zahl von Successions-
fällen den gewöhnlichen bäuerlichen Grundbesitzer zum höldr
machte; sogar durch das gemeine Landrecht wurde eine der-
artige Erneuerung und Auffrischung des Standes nur erschwert,
aber keineswegs ausgeschlossen. Andererseits beruhte aber der
Stand der höldar zwar nicht weniger auch auf gewissen
Grund besitz Verhältnissen; jedoch rechnete man zu den
höldar nicht blos den wirklichen Besitzer von odal, sondern
auch die blosen odalsnautar, d. h. diejenigen Mitglieder einer
höldsaett, welche, ohne selbst im Besitze von odal sich zu
befinden, doch ein Folgerecht an solchem, und damit ein
Vorkaufs- und Eialösungrecht in Bezug auf dasselbe besassen.
Es entschied also, ganz ähnlich wie bei unserem hohen
Adel, nicht der Besitzstand der einzelnen Person über deren
Stand, sondern vielmehr der Besitzstand des gesammten Hauses,
za welchem die betreffende Person gehörte, und zählten so-
mit zur Classe der höldar alle Leute, deren Haus seinen
Besitzverhältnissen nach zu den höldsaettir zu rechnen war.
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