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291 03L
3^
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34.
DIE
OSTEß- UND PASSIONSSPIELE.
LITERARHISTORISCHE UXTERSÜCHÜNGEN UEBER DEN URSPRUNG
UND DIE ENTWICKELUNT, DERSELBEN BIS ZUM SIEBENZEHNTEN JAHRflüNDERT
VORNEHMLICH IN DEUTSCHLAND
KBBST
DEM ERSTMALIGEN DIPLOMATISCHEN ABDRUCK
I>£8
KUENZELSAUER FRONLEICHNAMSSPIELES
VON
GUSTAV MILCHSACK
ibo dl: u br
* FOREIGN
PROGRESG!
I. DIE I.ATEINISCHEK OSTERFEIERK
WOLFENBUETTEL,
JULIUS ZWISSLER
1880.
DRÜCK VON L. HOLLE'S NAOHFOLOER IN WOLFKNBUETTEL.
HERRN PROFESSOR
rRIEDRICH ZARNCKE
zu LEIPZIG
AUS DANKBARKEIT UND INNIGER VEREHRUNG.
Als ich im jannar 1876 mit der kollazion der heidelberger papierhandsohrift des jüngeren Titnrel no 141, der letzten
von den vielen handsofariften dieses gediohtes beaobaftigt war, erhielt iob von T. 0. Weigel in Leipzig die anfforderong, einige
altdentsohe manaskripte nach alter, inhalt u. s. w. zn bestimmen, welohe aus der nachgelassenen bibliotek des privatgelehrten
dr Hermann Lotze herrührten und mit dieser letzteren zur Versteigerung gebracht werden sollten. Das unter diesen manu*
Skripten befindliche gedieht von Unser vrouwen klage zog besonders meine aufinerksamkeit auf sich, weil es mir anderwärts
noch nicht bekannt zu sein schien. Aber auch nachdem ich gefunden, dass es aus einer anderen handschrift von Mone in
seinen Schauspielen des mittelalters 2, 210 ff. schon zum abdruck gebracht worden war, reizte es mich, diesen gegenständ noch
eine weile zu verfolgen. Sohönbachs abhandlung Üeber die Marienklagen, Graz 1874, welche am Schlüsse auch der beziehungen
dieses gedichtes zu den dramatischen marienklagen gedenkt, führte mich auf das gebiet der passions- und osterspiele hinüber
und ich musste alsbald erkennen, dass ich mich hier einer materie gegenüber befand, die, trotz der von jähr zu jähr sich
hänfsnden publikazionen und abhandlungen, eine nach wissenschaftiiohen grundsatzen gerichtete und metodische bearbeitung'
noch nirgends er&hren hatte, obschon sie offenbar eines der wichtigsten und interessantesten probleme der mittelalterlichen
literatnrgeschiohte umschloss und für die auf hellung ihres entwickelungsprozesses nicht unbedeutende erfolge in gewisse aussieht
steUte. Dennoch würde ich dieses von dem geraden wege meiner studieu abseit liegende gebiet nicht ernstlich betreten haben,
wenn mich die umstände dazu nicht gedrängt hätten.
Als mitglied des deutschen seminars hatte ich im februar des genannten jahree eine wissenschaftliche arbeit zu liefern.
Dass ich in den wenigen wochen, welche mir dazu noch erübrigten, auch nicht in annähernd befriedigender weise, das ver-
hältniss des jüngeren Titurels zu demjenigen Wolframs von Eschenbach in jener partie strofe 416 — 1340, in welche die erhal->
tenen bruchstücke des letzteren vergebt sind, auf grund meiner umfassenden kollazionen zu lösen, mich versucht fühlen koniite»
war klar. Ich entschloss mich diüier, das gedieht von Unser vrouwen klage, welches mir der zufall in die bände gegeben,
zur erfüUung meiner seminaristischen pflichten zu bearbeiten und ich hatte das glück in der b'teratur des 14. und der folgen-
den jiüirhunderte eine beträchtliche anzahl aus ihm herrührender entlehnungen zu finden, wodurch es sich als eines der g&-
lesensten und geschätztesten, weil in die damals dem marienkult und der mystik immer mehr huldigenden geistes- und gemüts-
riohtung einschlagenden poetischen erzeugnisse erwies i. Nach solchen resultaten und bei der gegründeten aussieht auf grössere
und wichtigere, welche eine durchforschnng der oster- und passionsspiele ergeben musste, glaubte ich einen gegenständ nicht
sogleich wieder verlassen zu dürfen, bei welchem man über Mones und Grimms hypotesen noch in keinem einzelnen wich-
tigeren punkte hinausgediehen war, der zumal bei dem ihm in neuerer zeit von den verschiedensten seiten entgegengebrachten
interesse eine endliche klarlegung nicht minder als die titurelfrage erheischte und den ich überdies im laufe des sommers auf
nicht viel mehr blättern abzuhandeln hoffte, als nun die lateinischen osterfeiem für sich allein in ansprucb genommen haben.
Diese hoffnung war nur leider allzu sanguinisch. Der ent¥rickelung8gang der osterdramen war zwar verhäitnissmässig leicht
1. Da Enut Martin in der neuen aoigabe Ton Waokemagele Gesotaiohte der deatachen literatnr 8. 306 die suent ron H. Hofbnann aufj^eBtellte und
lodann ron Schade, GeietUche gedlohte rom Kiederrhein s. XYI. XVII and 244. 347,> nnd Schönbaob, Ueber die marienklagen e. 47, anerkannte
behanptung wiederholt, dau die in Haapt nnd Hofbnanne Altdeataohen bitttem 2, 200 f. mitgeteilte marienklage noch im 12. Jahrhundert gedichtet
wäre, so möge es mir erlaubt sein, dJeeen irrtom, bcTor er grOsserea unheil anstiftet, gleich hier su berichtigen. Man wolle nur y. 3—6, 7. 8,
9 — 12, 18. 14, 15. 16, 38 — 85, 36 — 38, 30, 40—42, 43 dieser marienklage mit Unser rronwen klage in Paul-Brannes Beiträgen sur gesch. d. d. spr.
n. lit. 6, 193 ff. T. 101—105, 94—96, 476—481, 802—896, 1122-1125. 1102. 1108 n. 0., 692—594 und 682. 688, 446 IL und 484—487^ 482. 483, 489—491,
461 ff. in bedehni^ setsen und man wird sich, somal wenn man die flbereinstbnmende gesammteinlage beider hinsunimmt, alsbald abenengen,
dass wir es hier nur mit einer elenden auf unser Troowen klage beruhenden kompilasion des 14. Jahrhunderts sn tun haben. — Dieselbe ent-
itehung bekunden der Anselmus bei Schade, Oeistl. gedichte s. 248 IL und Labben, Zeno oder die legende Ton den heil, drei kOnigen, sowie die
marienklage aas einem kölner druck t. J. 1618 bei Sehade, Oeistl. gedickte s. 214 ff. und di^nige in den ron W. Orimm in Haupts Zeltsöhrift f.
d. altert. 10, s. 1 — 183 herausgegebenen marienliedem enthaltene s. 19, 10 — 86, 24. "^
VI
7SU. verfolgen, weil sioh denkmäler denellien von den ältesten und einÜBUshsten nooh ganz lateinisoben formen bis zn ihrer end-
lichen Vollendung in den deutsch- lateinisohen osterspielen in £ut ununterbrochener folge und über den Zeitraum vom 11. bis
zum ausgange des 15. Jahrhunderts verbreitet in zahlreichen exemplaren erhalten haben. Bei den passionsspielen erhoben sich
dagegen sehr bald die grossesten Schwierigkeiten. Denn nicht genug, dass hier die ältesten formen, welche zufolge nicht miss-
zuverstehender historischer Zeugnisse in ziemlichem umüange schon im 12. Jahrhundert existiert, haben mQssen, vollständig fehlen
und dass die frühesten uns überkommenen fragmente jenes passionsspieles aus dem kloster Muri (Bartsch, Grermania 8, 284 ff.)
mit keinem der späteren auch nur die leiseste verwantechafb verraten und nur als die ohne naohwirkung gebliebene drama-
tisierung eines verlorenen epischen gedichtes betrachtet werden können (vgl. unten s. 21): auch bei dem benediktbeuemer und
den wiener bruchstücken des 13./14. Jahrhunderts, mit welchen wir uns wenigstens auf dem boden der allgemeinen entwickelung
befinden, föngt die genesis der passionsspiele noch nicht wesentlich an sich zu erhellen, obwohl sie sich in der anläge des
ganzen, wie iu mancherlei einzelnheiten ihrer szenen, karaktere und selbst ihres textes mit den grossen dramen aus der blüte-
zeit in der zweiten hälfte des 15. Jahrhunderts nahe verwant erweisen. Erst bei diesen sind wir im stände ihren inneren festen
Zusammenhang zu überblicken und das werden dieses literatorzweiges in hunderten von entlehnungen genauer zu verfolgen,
welche von allen seiten auf die im Zentrum stehende trias des frankfurter, alsfelder und des leider verschollenen friedberger
Spieles ^ zurückgehen, um von diesen aus wiederum in der von K. Bartsch herausgegebenen Erlösung, als ihrer hauptsächlichsten
quelle zu münden, vgl. unt. s. 21 u. 131. Damit hatte ich allerdings schon ein für die letzte, gewiss literar- und kulturgeschichtlich
wichtigste periode, nicht unbedeutendes resultat gewonnen. Je erfreulicher dieses war, um desto weniger glaubte ich an dem
endlichen erfolge auf die durchdringung des die ältere periode des 12. und 13. Jahrhunderts umgebenden mystischen dunkeis
gerichteter unermüdlicher Studien verzagen zu sollen. So geschah es, dass ich mich je länger je tiefer in diese Studien verlor,
und so kommt es, dass ich Ihnen heute, hochverehrtester herr professor, anstatt eines Versuches die titurelfrage zu lösen, nur
den entwickelungsprozesB der lateinisch-dramatischen osterfeier darbringen kann. Dass ich jedoch auch jene ältere schuld ein-
lösen werde, deren erfüllung Sie sich als eine umfängliche hegründung Ihrer im Graltempel s. 420 ff. ausgesprochenen ansichten
gewünscht hatten, dafür darf Ihnen meine dankbare gesinnung bürgschaft sein, die der aufopferungsvollen gute, welche mir
während sechs monaten in Ihrem hause handschriftlichen kollazionen obzuliegen gestattete, niemals vergessen wird.
Zu der nachstehenden Untersuchung habe ich nur noch weniges zu bemerken. Als ich mich im herbst 1876 zur zu-
sammen&ssung des gesammelten materiales anschicken musste, schrieb ich eine dissertazion notgedrungen in weniger als vier-
zehn tagen. Die als einleitung für diese Untersuchungen verfassten ersten beiden kapitel, s. 3 — 22, sind, nur stilistisch geglättet
und durch einige zusätze erweitert, unverändert geblieben. Für das dritte Ursprung und entwickelung überschriebene kapitel
wurde dagegen eine stärkere Umarbeitung nicht allein erforderlich, weil ich damals von den hier zur Verhandlung gekommenen
denkmälem nur ABCDEGJMNOPQRUWXYZab kannte, sondern ganz besonders auch, weil ich um eine darstellung bemüht
war, die es dem leser so viel als irgend möglich leicht machen sollte, meinen entwickeluiigen zu folgen. Aus diesem gründe
vornehmlich habe ich mich auch nach langem bedenken dazu verstanden, sämmtliche stücke hier nochmals zum abdruok zu
bringen. Und es konnte dieses um so eher geschehen, als die bücher, welche die meisten enthalten, sehr selten und teuer
geworden sind, überdies die denkmäler in einer ihre entwickelungs Stadien nicht berücksichtigenden folge und noch dazu ohne
bezifferung ihrer einzelnen sätze zum abdruck gebracht haben, so dass korrektes zitieren gleicherweise wie schnelle und sichere
Orientierung und Übersichtlichkeit sehr erschwert und somit das verständniss des lesers im höchsten grade behindert gewesen wäre.
Zu bedauern habe ich endlich noch, dass die im anhange mitgeteilten rituale zu spät in meine bände gerieten, um
gehörigen ortes eingeschaltet zu werden. Sie deshalb auszuschliessen schien mir nicht rätlich; denn man wird sie auch so
ohne grosse mühe bei den ihre entwickelungsformen behandelnden abschnitten herbeiziehen können und wenn sie auch den
gefundenen resultaten ein wesentlich neues nicht hinzufügen konnten, so dienen sie doch zur Verstärkung der beweise sowohl
für die nachgewiesene älteste form als für die entwickelungsstufen der ersten und zweiten gruppe und widerlegen endgültig
die bisherige ansieht über die aufführungszeit der lateinisch-dramatischen osterfeiem, indem sie die matutin des ostermorgens
augenscheinlich als solche bezeugen.
WOLFENBUETTEL, DEK 9. DECEMBER 1879.
]. Von di«Miii hat bekanntlich Weigand in Haupts Zeituhrift f. d. a. 7. •. 646 ff. eine kune besohreibong gegeben. Einer an diesen anfiuigi ISTO
geriohteten bitte, um mitteüung über den eigentflmer der handeofarift, konnte er leider nicht entsprechen, da er sie L J. 1849 durch rei^
mittelnng eines dritten sur benutxung erhalten habe, nun aber beide nicht mehr am leben seien. Sein Rundliches anerbieteui nach l&berstandener
krankheit erkundigungen fttr mich einiusiehen, hat ihn der tod su eiftülen rerhindert. Sollten dieae seilen jemandem au geeicht kommen, der
über das Schicksal der handschrifl kenntniss erhalten, dem wllrde ich für geflUlige auskunft sehr dankbar sein.
I^^HALTSÜEBERSICHT.
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN * gtita
1. Die bisherigen ansichten aber den Ursprung und ^die entwickelnng der oster- und
passionsspiele S
2. Unkenntniss und falsche auffiftssung der Mone'scben teorie bei den späteren 16
3. Ursprung und entwickelung 23^
A. Die älteste form . . . / 26
B. Erste gruppe, ABCDE 36
C. Zweite gruppe, FGHIKLMN 46
D Dritte gruppe, OP 68
E. Vierte gruppe, QRSTirVWXYZah 64
F. Das mysterinm aus Tours, c 97
G. Ergebnisse 116
ANHANG I. Ordo wirceburgensis I, c. a. 1490 121
II. Wien II, XV. Jahrhundert 124
III. Ordo augustensis I, 1487 126
IV. Ordo augustensis U, 1680 131
V. Bigot, XIII. Jahrhundert 133
VI. Ordo wirceburgensis II, 1664 138
Berichtigungen und Zusätze VIII
BERICHTIGUNGEN' UND ZÜSAETZE.
S. 24, z. 22 lies p. 116 statt p. 316. — S. 25, z. 5 lies ü statt T. — S. 26, z. 6 lies XII. statt XIII. — S. 26, anmerk. 2
lies requisivirnus. — S. 28, Illa 1 ist C zu streicheiL — S. 28, Illb 4 lies Ihesam Nazarenum orucifixum (cnicifixum fehlt N)
quaerimus GHKLNT. — S. 29, IVa 1 lies praedixerat. — S. 30, z. 6 lies MATTH. 28, 6—7. — S. 30, z. 6 v. u. lies (Luk.
24, 6). — S. 31, Illa ist C zu streichen. — S. 43, z. 1 v. u. lies nuas. — S. 46 G lies 1 = A 1. 2. — S. 51 N 19 lies vide-
hitis. — S. 53 beziffere M 10. 11. 12 statt 9. 10. 11. — Zu s. 54 anmerk. 2: noch eine andere yersifizierte form des Dicant
nunc ludei findet sich unter den hymnen in der handschrifb des mysteriums aus Tours, bei Luzarche, Office de paques p. 40:
In bac die dei, Quo modo, o Scariothei, Quomodo in ortu diei, .
dicant nunc Hebrei, 10 dicant nunc Hebrei, dicant nunc Hebrei,
quo modo ludei ludea [?] ludei viri Galilei
regem perdiderunt, male dormierunt? 20 dominum viderunt?
5 Nostri corpus dei? Quo modo, mater Zebedei, Quo modo pharisei,
dicant nunc Hebrei, dicant nunc Hebrei, dioant nunc Hebrei,
numquid [VJ Pilati 15 mater Salomei omnes erant rei,
petram revoluerunt? Petrum proveneruntV omnes perieruntl
— S. 63, z. 1 ist T zu streichen. — S. 64, S 2 lies est statt et und queritis statt quaeritis. — S. 69, X 7 lies . . . looutus [est]
in Galilaea. — S. 86, z. 16 v. u. lies c 185. 186 und 204. 205. — S. 88, z. 3 v. u. lies von statt vor. — S. 108, z. 15 lies
reuoluii, — Zu s. 110, z. 16 und s. 86, z. 1 v. u.: die stelle ev. Lukas 24, 32 findet sich auch zu einer antifone verarbeitet
im Missale verdense v. j. 1493 (vgl. s. 123 zu anhang I, 1, 1 — 8) im graduale des zweiten ostertages fol. 79b Nonne cor nostrum
ardens erat in nobis de hiesu, dum nobis loqueretur in via? und auf dieser antifone wird das Ardens est cor meum desiderio etc.
der Magdalena X 16 und c. 202. 203 beruhen, da man mit Sicherheit annehmen darf, dass sich die bearbeiter der dramatischen
osterfeiem bei erweiterungen und Zusätzen stets zuerst in den kirchlichen ritualen nach etwas passendem umschauten, ehe sie
unmittelbar auf die bibel selbst zurückgriffen. — S. 102, c 269 — 271 : auch dieser satz ist eine antifone und steht wörtlich
•ebenso in dem für den weissen sonntag bestimmten rituale des Missale verdense v. j. 1493, fol. 85a; der Verfasser des myste-
riums aus Tours hat also ebenfalls, . obschon er den für seine bearbeitung des aktes vom ungläubigen Thomas im ev. Job. 20, 27
entsprechenden text fertig vorfand, der antifone den vorzug gegeben. Da die osterfeiem alle musikalisch sind, so ist es nioht
unwahrscheinlich, dass die bearbeiter der lateinischen osterdramen durch die benutzung schon in musik gesetzter antifonen der
Schwierigkeit, eigene melodien zu erfinden, nach möglichkeit zu entgehen suchten. — S. 121, anh. I, 1, 16 ist die interpunkzion
nach anh. VI, 1, 7 zu verbessern.
Neuerdings hat ^n^ag, ^loro^ixav Boxi/iov Tts^tl rov &edT^ov xal r^g /tiovaixfjg Ttav Bv^avrivcav. Ev Beviqria 1879. 8
pag. ir, ff. die entstehung der geistlichen mysterien im abendlande byzantinischem einflusse zu unterstellen versucht und ebenso
scheint Gerh. von Zezscbwitz in seinem vortrefflichen buche Vom römischen kaisertum deutscher nazion. Leipzig 1879, s. 99
und anmerk. 144 dieser ansieht zuzuneigen. Die imposante dramatische anläge des orientalischen messgottesdienstes hat Heinr.
Alt, Teater und kirohe. Berlin 1846. 8, schon in die beurteilung über diese frage gezogen, der seitdem vielfach, wenn auch
meistens etwas verblümt, weil es an direkten anknüpfungspunkten fehlt, als die veranlassung zur abfassung unserer kirchlichen
dramen angeführt worden ist. Ohne dem ergebniss meiner weiteren Untersuchungen, wobei namentlich auch die vielen histo-
rischen Zeugnisse in betracht kommen werden, vorgreifen zu wollen, glaube ich, wird man doch schon jetzt diese meinung als
unhaltbar bezeichnen dürfen, weil die lateinischen osterfeiern, die ja die frühesten erhaltenen formen des geistlichen dramae
im abendlande sind, im Orient bisher noch nicht nachgewiesen werden konnten und ihre aus den primitivsten anfangen hervor-
gehende so allmälige entwickelung bei der anknüpfiing an das schon im 10. Jahrhundert zu grösserer ausdehnung gelangte
byzantinische geistliche teater schwerlich zu erklären sein würde.
»
I.
DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN,
s,
^eit B. J. Docen i. j. 1806 als der erste zwei mittelalterliche Schauspiele der Öffentlichkeit über-
geben^, sind die bekanntmachungen auf diesem gebiete unserer literatur zu einem ströme gewachsen.
Neben Heinr. Hoffmann von Fallersleben, der den wert der fOnf von ihm herausgegebenen dramen^
durch hinzufiigung einer reihe alter Zeugnisse wesentlich erhöhte, hat sich F. J. Mone in diesem bezuge
hervorragende Verdienste erworben; seine Altteutschen Schauspiele' und die Schauspiele des mittelalters *
sind bis auf diese stunde eine hauptquelle für die kenntniss eines teils unserer ältesten dramatischen
poesie geblieben.
Nachdem einmal die bahn gebrochen, das Interesse geweckt war, geschahen weitere Veröffentlichungen
in rascher folge und mit ihnen machte sich das bedürMss geltend, den wiedergewonnenen denkmälem durch
wissenschaftliche behandlung in der gcschichte unserer literatur ihren platz anzuweisen. Es fehlt daher
nicht an versuchen, die entstehung und den verlauf der allmäligen entwickelung unseres altdeutschen Schau-
spiels aufzuhellen, wozu von Mone selbst ein in mancher hinsieht sicherer boden schon geschaffen war.
Nirgends aber ist diese nunmehr erste und notwendigste aufgäbe auch nur für einen abgesonderten zweig
desselben in befriedigender weise gelöst worden. Es bedarf nur eines hinweises auf unsere literatur-
geschichten, in denen man eine klare darstellung gerade der älteren periode unserer dramatischen dichtung
vergeblich suchen wird, um dieses zu bestätigen, und jedes ernsthafte unternehmen in das dunkel dieser
epoche tiefer einzudringen hat darum in der sache selbst vollkommene begründung.
1. DIE BISHERIGEN ANSICHTEN UEBEB DEN IJBSPRIJNG UND DIE ENTWICKELUNG
DER OSTER. UND PASSIONSSPIELE.
Bevor ich darangehe, meine eigene Untersuchung darzulegen, wird dem leser eine Orientierung über
den gegenwärtigen stand der frage willkommen sein. Ich führe daher in der kürze die ansichten deijenigen
forscher vor, welche zuerst und auf grund eigener Studien über den Ursprung und die antriebe zur Weiter-
bildung des altdeutschen oster- und passionsdramas sich geäussert haben, und übergehe hier eine grosse
1. Den LnduB pasohaÜB de passione domizii in Aretins Beitragen zur geschichte und literatur 7 (1806), s. 497 — 508 und
eine Marienklage im Neuen literar. Anzeiger. 1806. Sp. 82 — 84.
2. Fundgruben für gesch. deutscher spr. u. lit. 2, 8. 289 — ^336, darunter den schon von Dooen abgedruckten Ludus paschalis
unter dem titel Christi leiden und die Marienklage.
8. Als 21ster bd, der Bibliothek d. ges. deutschen nationalliteratur von der ältesten bis auf die neuere zeit Quedlinburg
u. Leipzig (Gottfr. Basse). 1841.
4. Zwei bände, Karlsruhe (C. Macklot) 1846.
1*
4 DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
anzahl von kleineren abhandlungen und besonderen Schriften, welche die ansichten jener übernommen haben,
ohne sie aus eigener beobachtung wesentlich zu modifizieren. Den besonderen Verdiensten dieser werde
ich, wenn sich nicht im laufe meiner arbeit gelegenheit dazu bietet, im Schlusskapitel gerecht zu werden
suchen, welches die resultate der bisherigen forschungen übersichtlich zur darstellung zu bringen
bestimmt ist.
Schon der Inhalt, namentlich des benediktbeuemer Ludus paschalis aber auch der anderen spiele,
welche Hoff mann aufgefunden hatte, machte den geistlichen karakter derselben unzweifelhaft, und die
darin erhaltenen reste der römischen liturgie wiesen ihren Ursprung direkt in die kirche und deren gottes-
dienstliche gebrauche. Etwa im 12. Jahrhundert, meint Hoifmann^, habe man zuerst versucht, die wichtig-
sten lehren des kristlichen glaubens in dramatischer form mit selbst- und Wechselgesprächen, die die ganze
römische liturgie und das täglich geübte amt der heiligen messe selbst dargeboten habe, öffentlich darzu-
stellen. Die wunderbaren begebenheiten aus dem leben und leiden Kristi, seine geburt, seine kreuzigung
und auferstehung seien die ersten gegenstände der aufführung gewesen, die aber schon frühe veranlassung
gegeben, solche aus dem alten testamente und der legende auf gleiche weise zu behandeln. Dass zunächst
die kirche selbst der Schauplatz, geistliche die darsteiler waren und die gesprochenen und gesungenen werte sich
ganz an die bibel und die kristliche Überlieferung hielten, so jedoch, dass deutsche verse mit den lateinischen
wechselten, lag nahe zu vermuten und schien in dem benediktbeuemer Ludus paschalis, dem bis dahin
ältesten bekannten stücke, bestätigung zu finden. — Dann aber haben sich laien unter die darsteiler ge-
mischt, welche in neuen scenen fremdartiges herzutrugen, und da zu gleicher zeit auch fahrende leute an-
gefangen dergleichen spiele aufzuführen, so sei eine allmälige ausartung der anfangs zu religiöser erbauung
und andacht bestimmten dramen in weltliche kurzweil die natürliche folge gewesen, wogegen auch die
ermahnungen und verböte der päbste und bischöfe nichts auszurichteu vermocht hätten. Bald sei dann
das geistliche spiel, obschon es sich noch hie und da als alte sitte in kirchen und klöstem erhalten, vor
den fastnachtspielen und possen eines Folz, Rosenblüt u. a. verschwunden.
Dieser deduktion, welche den weg, den die entwickelung des mittelalterlichen dramas geganget«, in
den ersten allgemeineren zügen aufzuhellen ganz geeignet war, stellte Jacob Grimm sogleich eine ganz
entgegengesetzte zur seite. Schon in der ersten ausgäbe der Deutschen mythologie ^ hatte er sich für den
Zusammenhang der altgermauischen mit wechselreden verbundenen aufzüge mit dem späteren deutschen
Schauspiele ausgesprochen und wiederholte diese ansieht mit nur geringen stilistischen änderungen in der
dritten'. ,Ich hoffe alter und bedeutsamkeit der Vorstellungen von sommer und winter gewiesen zu haben
und möchte nur noch eins näher ausführen. Das einkleiden der beiden Vorkämpfer in laub und blumen, in stroh
und moos, ihre wahrscheinlich geführten wechselreden, der zuschauende begleitende kor zeigen uns die
ersten rohen behelfe dramatischer kunst, und von solchen aufzügen müsste die geschichte des deutschen
Schauspiels beginnnen'. Die recension ' des zweiten bandes von Hoffmanns Fundgruben gab ihm gelegenheit,
seine meinung näher auszuführen. Er glaubt, dass umgekehrt ,die uralte, heidnische oder weltliche, lust
des volki> nm Schauspiele auch in die kirche drang und die sogenannten mysterien, oster und weihnachts-
spiele hervor brachte, deren heitere und scherzhafte folie gerade das echt dramatische Interesse begründete
Dies sei aber schon lange vor dem 12. Jahrhundert geschehen, volks- und kinderspiele, die sich ins höchste
1. Fundgruheu 2, 2.^9 ff.
2* Göttin>c«n 1835. S. 465.
3. GöttinjTHii 1654. S. 744.
4. 0«>tt'n>rer gelehrte anzeigen, 1833 (56. stück), 1, 551 — 553.
1. DIE BISHERIGEN ANSICHTEN. J. GRIMM. G. FREYTAG. 5
altertum verlören, heidnische opferv^rsammlungen und julfeste, scenen aus dem gebiete der tierfabel, ein-
führungen und Verkündigungen des sommers, mairitte, schwerttänze, vermummungen, welche sich um frau
Holda, Berchta und knecht Ruprecht drehen, schienen die ältesten und eigentlichen anknüpfungen des
Schauspiels in deutschland. ,Die kirche suchte, wie in andern fällen, zur Zähmung und Sättigung des volks
einen teil jener gebi*äuche mit erbaulichen kristlichen Vorstellungen zu vermählen, und so entsprang eine
reihe von mysterien und dramen, die um so unlebendiger werden, je mehr sie das weltliche element ein-
zuengen und auszuschliessen trachten'. Die heilige geschichte habe eine menge handlungen von grosser
dramatischer Wirkung dargeboten, welche durch die entgegenStellung geistlicher und weltlicher, d. h. tra-
gischer und komischer demente die ergreifendsten und die fantasie des volkes lebendig anregende züge
ergeben. So verbinde sich im schwäbischen sternspiel von den heiligen drei königen Vergangenheit und
gegenwart, heilige geschichte und schwäbische lokalität auf das ergötzlichste, wie auch im österspiele die
kaufmannsscene auf eine komische Wirkung berechnet sei. —
Damit waren der geschichte unseres Schauspiels zwei probleme in die wiege gelegt worden, von denen
das erstere durch die einfachheit seiner Voraussetzungen lockte, die man aus den überkommenen stücken
und aus dem wesen des kristlichen kultus unter faerbeiziehung zeitlich und örtlich verschiedener kirch-
licher gebrauche fester zu begründen hoifen durfte, während das andere, gestüzt durch die autorität seines
Urhebers und die begreifliche anziehungskraft, welche das germanische Volksleben und sein kämpf mit dem
kristentume zumal für die gemüter vor vierzig jähren hatte, zu einer lösung in dieser richtung gar wohl
reizen konnte. Gustav Frey tag entschied sich für das letztere. Er versuchte, indem er Grimms ansieht
weiter entwickelte, die entstehungsfasen des dramas bestimmter gegeneinander abzugränzen und, da sich
HoiTmanns argumente doch nicht ganz ignorieren Hessen, beide mit einander zu versöhnen.^
Er geht davon aus, dass das volk, noch bevor es geistliche dramatische aufführungen gegeben, seine
eigenen uralten belustigungen und spiele gehabt habe, die vorzüglich an den höchsten kirchlichen festtagen
zur Unterhaltung des volkes dienten. Diese seien eben mit den alten heidnischen festen durch die kluge
Politik des Klerus zusammengetroffen, der denn auch bald sowohl durch die erhabenheit, als das äusserliche
glänzende und pomphafte gepränge des gottesdienstes die Schaulust und den Sinnenreiz der herbeigekom-
mi^nen menge mehr als die fahrenden durch ihre^ spässe zu fesseln verstanden habe. Auf diese weise seien
die alten volksgewohnheiten in die kirchen selbst hinübergeleitet und nun in diesen jener mummenschanz
und die tanze ausgeübt worden. Hier aber haben die geistlichen durch eine möglichst feierliche und die
gemüter ergreifende Vorführung des leidens und der auferstehung Jesu in symbolischen handlungen den
sieg davongetragen. Man habe im anfange der osterwoche das bildniss des gekreuzigten aufgestellt, am
karfreitage und samstage, nach recitation der passion aus der liturgie, dasselbe in einem eigens dazu auf-
geschlagenen grabe bestattet, um es am Sonntage in der ersten frühe feierlich wieder zu erheben und das
fest des auferstandenen freudig und dankerfüllten herzens zu begehen. Diese feier habe zwar mit scenischer
darstellung ausser jenen liturgischen wechselgesängen und symbolischen handlungen noch nichts gemeinsam
gehabt, aber man habe nun diese dramatischen elemente, welche der kultus von selbst darbot und die
gerade wegen ihrer ähnlichkeit mit den alten heidnischen gewohnheiten auf das volk einen besonderen ein-
druck machten, dahin vervollkommnet, dass man die von der Maria, dem Johannes und Kristus gesprochenen
paitien ausschied und einzelnen personen übertrug. So sei, nachdem zu gesang und handlung ent-
sprechende kleidung und gebärde hinzugetan worden, der anfang der mysterien ins leben getreten. Wann
dies geschehen, sei ungewiss und wohl hier früher dort später; jedoch glaubt Freytag für das ende des 11.,
1. De initiis soenicae poesis apud Germanos. Berol. 1838. 8^ pag. 32 flf.
6 1. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
oder den anfang des 12. Jahrhunderts solche auffährungen schon annehmen zu dürfen. — Diese spiele,
sagt Freytag weiter, seien anfangs lateinisch gewesen und der text bisweilen wörtlich aus der heiligen
Schrift genommen worden; die kirche sei der Schauplatz, die geistlichen die agierenden gewesen, während
das volk zugeschaut habe. Nicht lange jedoch und man habe in die der bibel entnommenen wechselreden
und die gesänge der liturgie deutsche Strophen eingestreut, um dem volke verständlicher zu werden.
Nachdem aber einmal die deutsche spräche eingang gefunden, habe sie, die lateinische mehr und mehr
verdrängt, laien und besonders die fahrenden haben sich mancher rollen bemächtigt, aber die kirche und
die kirchhöfe seien noch der ort der darstellungen geblieben. Als man dann aber auch allerlei weltliche
und komische teufelsscenen eingelegt, seien die zuerst rein geistlichen spiele dem Klerus langsam entrissen
worden und im 15. und 16. Jahrhundert ganz in die bände des bürgertums übergegangen und ver-
weltlicht.
Die stücke welche F. J. Mone in den Altteutschen Schauspielen herausgab, brachten doch, weil sie
schon der blute des dramas angehören, keine wesentlichen neuen aufschlüsse über die ursprünglichste
form desselben, womit indessen ihr wert, den sie in gemeinschaft mit den übrigen denkmälem für die
geschichte der dramatik haben, keineswegs bestritten werden soll. Das zweite, die ,Aufer8tehung KristiS
ist dem durch Hofimann bereits bekannten wiener osterspiel in der scenischen anordnung und ausfuhrung
vollkommen ähnlich, zeichnet sich jedoch durch die erhaltung eingestreuter lateinischer hymnen und bibel-
stellen aus, von denen sich in diesem, da es weit jünger ist, nur noch die deutschen Übersetzungen finden.
Daher konnte auch die einleitung Mones^ für die geschichte unseres Schauspiels nichts eigentlich neues
geben. Er wiederholt, dass die anfange des dramas lateinisch waren und die deutschen stücke manchmal
noch reste der lateinischen texte enthielten (was aus dem benediktbeuemer ludus und der trierer marien-
klage schon bekannt war). Man sehe es den passions- und osterspielen an, dass sie nach einem gemein-
samen originale gemacht seien. Diese lateinische urform und der religiöse Inhalt beweise, dass die geist-
lichkeit die Urheberin und die besthnmung des Schauspiels eine gottesdienstliche gewesen. Auch er führt
die entstehung auf die kirchliche liturgie zurück. ,Die Vorlesung der leidensgeschichte am palmsonntage
und karfreitag nach den evangelien des Matthäus und Johannes geschah auf eine art, die ungezwungen
zum dramatischen gesang führte, indem der Vorleser den . text der evangelien in einem monotonen recitativ
vortrug, die werte Kristi darin aber, nach art des evangeliums, gesungen wurden (Grerbert, De cantu et
musica Sacra. I, 533). Es durften zu diesem vortrage nur zwei stimmen verwendet werden, so war der
dramatische wechselgesang vorhanden*^. Der grundkarakter unseres alten Schauspiels sei demnach musi-
kalisch. Dieser gesang sei aber noch nicht dramatisch (d. h. vielmehr drama, handlung), wozu eine mit
demselben verbundene persönliche darstellung nöthig gewesen wäre. Dies sei aber über die kirchliche
liturgie hinausgegangen, habe in willkühr ausarten und verboten werden müssen (Gerbert, a. a. o. und
Hoffmann, Fundgruben 2, 239). Die laien und die deutsche spräche haben dadurch eingang erhalten,
dass die personen nicht nacheinander auftraten, sondern alle zugleich aufstellung nahmen, und dass bei
ihrer grossen zahl, welche die stücke erforderte, das geistliche kontingent nicht immer ausreichte. Da-
durch seien deutsche bearbeitungen notwendig geworden, die, wenn sie von laien ausgeführt wurden, von
den kirchenlehren abgewichen und endlich durch aufnähme weltlicher Zwischenspiele, obschon wider den
willen der Verfasser und der zuhörer, zu einer Verhöhnung des heiligen herabgesunken seien. Die oster-
1. AltteuUche scliausp. s. V6.
2. Altteutsche scliausp. 8. 14.
1. DIE BISHERIGEN ANSICHTEN. GRIESHABER. MONE. 7
spiele betrachtet Mone als eine fortsetzung^ der passionsspiele und wo sie gesondert auftreten, weil sie
deß tragischen Schlusses entbehren, nur als eine episode derselben.^
In der reihe der forscher würde hier F. K. Grieshaber zu nennen sein, wenn dieser, wie
Ant. Schönbach angibt', schon vor ihm, die sequenz Victimae paschali, als grundlage der lateinischen
osterfeiem in Deutschland angefahrt hätte. Grieshaber^ ist indessen weit entfernt der von ihm besprochenen
Sequenz eine derartige bedeutung beizulegen und ist gegen diese Insinuation schon durch Wilken* ge-
schützt worden. Nachdem er auf s. 1 — 9 seines schriftchens über die Sequenzen und prosen im allgemeinen
gehandelt, bespricht er s. 10 — 12 die roUenverteilung, die der dichter des Victimae paschali beim absingen
der Sequenz in der kirche beabsichtigt habe, und weiterhin, dass sie so auch am Schlüsse der St. Galler
Kindheit Jesu* zur anwendung gekommen sei (s. 13. 14). Was Grieshaber im folgenden (s. 18—24)
über die entstehung der mysterien und Schauspiele sagt, ist der hauptsache nach der eben besprochenen
einleitung zu Mones Altteutschen Schauspielen entnommen.
Mit dem erscheinen von Mones Schauspielen des mittelalters beginnt eine neue epoche für unsere
kenntniss des mittelalterlichen dramas. Durch sie wurden die bisher veröffentlichten denkmäler mehr als
verdreifacht. Sie forderten mit einem zuge eine ganze reihe umfangreicher stücke der verschiedensten
art aus dem 14. und 15. Jahrhundert ans tageslicht, aber auch mehrere jener ältesten kirchlichen mysterien,
theils in den einfachsten ursprünglichen formen, theils schon mit mannigfachen ei*weiterungen, aber noch
ganz ohne beimischung deutscher Strophen und Übertragungen der bisher wohl vermutheten, hier aber zum
ersten male erscheinenden ausschliesslich lateinischen texte. Auf der grundlage so wertvollen materiales
konnte Mone in bestimmterer weise den ursprünglichen keim und das allmälige Wachstum des schau*
Spiels in seinen einzelnen entwickelungsstufen bezeichnen. Er tat dies in einzelnen äusserungen, welche
durch die Vorbemerkungen beinahe sämmtlicher stücke zerstreut sind, und es ist zunächst nur meine auf-
gäbe, diese zu sammeln und in gehöriger Ordnung zu verzeichnen. — Das drama des mittelalters nahm
seinen anfang im 12. Jahrhundert ^ ist anfänglich lateinisch und geistlich, bestimmt zur erbauung des volkes,
und wurde in der kirche selbst zur auffQhrung gebracht®. Es entlehnte seinen Stoff aus der bibelgeschichte
und der legende, mit dem der dichter nicht willkürlich schalten konnte, und ist somit geschichtlich. Daher
war es an bestimmte festtage gebunden, deren kirchliche texte sich ganz oder teilweise wiederfinden *, und
seine wechselgesänge beruhen auf den responsorieu des gottesdienstes, das sind wechselgesänge zwischen
dem Priester und volke, solo und kor^^. Man fügte diesen ,wech8elgesängen die notdürftigste handlung
bei, welche im gehen, kommen und räuchern bestand, und erlaubte sich weder eine erweitemng des textes,
noch eine andei*e handlung, als die übergäbe der grabtücher an die apostel Petrus und Johannes^ So
entstand die dramatische osterfeier", — Diese einfache abfassung wurde seit dem 12. Jahrhundert durch
1. Altteutscbe Schauspiele s. 17.
2. A. a. o. s. 16.
3. In seiner recension v. E Wilken, gesch. d. geisU. spiele i. Deutschland. Zacher, Zeitschrift für deutsche philo]. IV, 369.
4. Ueh. d. ostersequenz Victimae paschali und deren beziehung zu den religiösen Schauspielen des mittelalters. Carlsruhe
1844. 80 (Als beilage zum programme des rastatter lyceums)
5. Ueb. d. kritische behandlung der geistl. spiele. Halle 1873 80 s. 21.
6. Mone, Schausp. des mittelalters 1, 128.
7. Schausp, d. mittelalt 1, 1.
8. A. a. o. s. 2.
9. A. a. o. 8. 3. 4.
10. A. a. 0. s 6.
11. A. a. o. 8. 7.
8 1. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
strofische lateinische gesänge ausgeschmückt, welche zuerst, nämlich seit dem 13. Jahrhundert, anlass
gaben, eine deutsche Übersetzung derselben beizufügen, wovon der kirchentext, der grösstenteils aus bib^I-
Versen (antifonen) bestand, noch unberührt blieb ^ Die strofische form dieses die osterfeiem erweiternden
schmuckes forderte eine gleich regelmässige abfassung der deutschen Übertragungen und diese regelmässig-
keit ist ein kennzeichen des alters^. Erst in späterer zeit sei man dazu übergegangen, anstatt der
strofen reimpaare zu gebrauchen'. Es habe daher kein plötzlicher Übergang von den lateinischen zu den
deutschen stücken stattgefunden, sondern sie seien eine zeit lang zweisprachig gewesen*. Der einfluss
dieses sch«m auf einer höheren entwickelungsstufe stehenden deutsch-lateinischen Schauspiels, sei in einigen
lateinischen stücken nicht ganz vermieden, weil sie die gereimten lateinischen stellen vollständiger, als sie
in anderen lateinischen stücken vorkommen, besässen und diese stellen mit den deutschen Strophen jener
im zusammenhange ständen^. Nachdem aber einmal der anfang zum verdeutschen gemacht worden, so sei
dies um so schneller geschehen, je weitläufiger das lateinische Schauspiel wurde und je mehr laien es zu
seiner darstellung nötig gehabt habe. Im 13. Jahrhundert sei der anteil des volkes noch ein geringer
gewesen, im 14. schon sei die kirche nur noch die begleiterin des deutschen textes, und habe sich im 15.
ganz von diesen aufführungen zurückgezogen, die darauf ganz weltlich geworden wären •. Schon im an-
fange des 14. Jahrhunderts müsse die dramatische dichtung eine ziemlich schnelle entwickelung genommen
haben, deren verlauf er jedoch aus mangel an hinlänglichen beispielen nicht nachweisen könne ^.
Anders zeichnet Mone die entstehung und ausbildung der passionsspiele. Beim vertrag der passion in
*
der kirche ist des erzählende text des evangelisten recitativ, welches die einzelstimmen verbindet. Im
drama aber traten die evangelisten, da sie zugleich auch apostel sind, handelnd auf und konnten darum
nicht zugleich die erzählung fuhren, ohne die darstellung zu verwirren. Diese wurde daher einem andei'en
heiligen oder an einen herold übertragen, und stücke dieser art waren eigentlich nur gereimte passionen,
deren aufführungen nicht im handeln, sondern im hersagen stillstehender personen bestand. Diese rezitie-
rende passion sei der erste versuch, den kirchentext in der Volkssprache vorzutragen und darum interessant
als die erste stufe der dramatischen entwickelung. Hierauf sei die rolle des herolds weggefallen und durch
scenische anleitungen ersetzt worden, die den auftretenden personen, welche sich selbst mit nennung ihrer
namen eigeführt haben, als anleitung dienten. Dann erst sei man dazu übergegangen die ganze handlung
in dramatischer gesprächsform vorzuführen und habe dem herold (präcursor etc.) nur noch die eröffhung
und beschliessung der spiele oder grösserer abschnitte derselben belassen^.
Bezüglich der heimat des deutschen Schauspiels nimmt Mone Trier als den ausgangspunkt an, von
wo es sich über Mitteldeutschland (Frankfurt, Alsfeld) ausgebreitet habe, um in Thüringen zu endigen.
Für Süddeutschland sei nur so viel gewiss, dass das mittelrheinische spiel dahin gekommen, und einige
Zeugnisse bewiesen, dass schwäbische stücke in der Schweiz eingang gefunden. Auch die böhmischen stücke
wiesen auf Thüringen zurück. Bei allen deutschen stücken sei französischer einfluss nachweisbar, so z. b.
beim frankfurter, besonders aber bei den niederdeutschen, bei denen er sich bis an die ostsee erstrecke
1. Schaosp. d. mittelalt. 1, 6. 7 und 54.
2. A. a. o. 8. 29.
S. A. a. o. 8. 58.
4. A. a. o. 8. 28 und 55.
5. A. a. o. 8. 23.
6. A. a. o. 8. 54. 55.
7. A. a. o. 8. 51 and 53.
8. A. a. o. B. 55 und 2, 29 ff.
1. DIE BISHERIGEN ANSICHTEN. MONE, PRÜTZ, ALT ü. A. 9
und nur durch den verkehr der hansestädte vermittelt worden sein könne, weil aus dem Elsass und vom
Mittelrhein keine dramen bekannt seien, daher hier in der reihe der anfangspunkt fehle, indem auch die
niederdeutschen stücke auf die mitteldeutschen zurückzuführen wären. Dieser einfluss beruhe jedoch nicht
auf dem unmittelbaren anschluss und wörtlicher Übertragung französischer Vorbilder^.
Diese von Hoffmann und Jakob Grimm begründeten und von Mone und Freytag vollständiger aus«
gebildeten teorien sind in den zahlreichen darstellungen der folgenden zeit, welche den Ursprung und die
entwickelung des mittelalterlichen Schauspiels behandeln, in allen wesentlichen zügen unverändert aufrecht
erhalten worden.. So von Rob. Prutz^, der die allmäligen Übergänge noch auf seine besondere weise aus-
malt, von Karl Alt', an den sich Ed. Devrient* näher angeschlossen, bei Wilh. Wackemagel*, Ad. Fr.
von Schack«, K. Weinhold ^ K. Haase», H. Holland», Schletterer ^«, Drosihn", Heinr. Reidt", Anton Peter",
Tittmann", Emil Knorr***, K. Bartsch bei Gervinus" und Koberstein", F. Schönfeld" u. a., indem ge-
wöhnlich die von Freytag zuerst angestrebte Versöhnung der gegensätze in den ansichten von Grimm und
Hofimann, deren viele sich nicht einmal recht bewusst geworden zu sein scheinen, angenommen wird.
Ebenso von den hoUändem J. H. Gall^e^» und Moltzer^^ den franzosen, z. b. Victor Luzarche'^ und
E. du M^riP', der ebenfalls in seinem durch eine fülle des wertvollsten materiales ausgezeichneten, aber
leider nun so selten gewordenen buche der älteren geschichte des dramas eine neue Seite nicht abzuge-
winnen vermocht hat.
Fehlte es somit nicht an Schriften, die das Interesse an diesem wiedereroberten gebiete unserer alt-
deutschen literatur nicht allein in den kreisen der Wissenschaft, sondern auch, unterstützt durch die mit gestei-
gerter lebhaftigkeit gepflegten und besuchten aufführungen der passionsspiele in Oberammergau, im grösseren
1. Schausp. d. mittelalt. 2, 165 ff.
2. Yorlesungen über die gesch. des deutschen theaters. Berlin 1847.
3. Theater und kirche in ihrem gegens. verhaltniss. Berlin 1846. S. 842 ff. Vgl. s. 328 ff.
4. Geschichte der deutsch. Schauspielkunst. Leipzig 1848-— 61. I, s. 11 ff.
5. Gesch. d. deutsch. Uteratur. Basel 1848. §§ 83—86 und Gesch. d. deutsch, dramas bis zum anfange des 17. jahrh. (1845),
in den Kl. Schriften II, s. 69 ff.
6. Gesch. d. dramat lit. und kunst in Spanien. Berlin 1845. 3 bde. und Nachträge, Frankfurt a. M. 1854.
7. Weihnachtsspiele und lieder aus Süddeutschi. u. Schles. Wien 1853 und 1875 (Titelausgabe).
8. Das geistliche Schauspiel. Leipzig 1858.
9. Die entwickelung des deutsch, theaters im M. A. u. d. ammergauer passionsspiel. München (Carl Merhoff) 1861.
10. Das deutsche singspiel (auch u. d. t. Zur Gesch. dramatischer musik und poesie in Deutschland. I. bd.) Aogsburg 1863.
11. Ueber d. redentiner osterspiel. Progr. d. fOrsti. hedwigsohen gymn. zu Neustettin 1866.
12. Das geisü. schausp. des mittelalt. in Deutsohl. Frankfurt a. M. 1868.
13. ZuckmanÜer passionsspiel. Programm des Torgauer ober-gynmas. 1868.
14. Schausp. aus dem 16. jahrh. Leipzig 1868. £inl. (Deutsch, dichter d. 16. jh. hsg. ▼. Goedeoke u. Tittmann. 1. bd.)
15. Entstehung und entwickelung der geistl. Schauspiele in Deutschland u. d. passionsspiel im Ober-Ammergau. Leipzig
und Lissa. 1872.
16. Geschichte der deutschen dichtung. ' Leipzig 1871. I&, 558 ff.
17. ^ Grundriss der deutsch, nationalliteratur. Leipzig 1872. I^ 358 ff.
18. Ueb. d. kulturgesch. bedeutung d. alt. rel.-ethisch. dichtnngen in der deutsch, lit. Wissenschaftl. beilage zum progr.
d. grossherzogl. realschule zu Darmstadt 1878. S. 34 ff.
19. Bijdrage tot de geschiedenis der dramat. yertoon. in de Nederlanden gedurende de middeleeuwen. Haarlem 1873.
20. De middelnederl. dramat. poezie. Te Groningen (Wolters) 1875. Jnleid«
21. Office de paqnes ou de ia resurreotion. Tours 1858. Introduction.
22. Origines latines du th6£tre moderne. Paris (Franok) 1849. Introd. pag. 42 s.
Miloktaok, Osler und pawionwplele. 2
10 I. DIE LATEINISCHEN 08TERFEIERN.
Publikum bezeugten und wach erhielten, so drängten andererseits die von jähr zu jähr sich mehrenden publika-
zionen schon bekannter oder wieder aufgefundener stücke, zu erneuter prüfung jener seit länger als fünfund-
zwanzig Jahren in unbestrittener geltung bestehenden und verbreiteten ansichten über den Ursprung und die
entwickelung der oster- und passionsspiele zu schreiten. Denn dass die behauptung Grimms, trotz vieler von
den verschiedensten Seiten beigebrachter Zeugnisse von im volke erhaltenen altgermanischen oder mit krist-
lichen elementen versetzten teatralischen gebrauchen, vermummungen, aufzügen, spielen, keinesweges als er-
wiesen gelten durfte, so lange nicht das unmittelbare überleiten und aufgehen derselben in die oster- und
passionsspiele gezeigt worden war, konnte dem, der sich mit diesen dingen eingehender beschäftigte, eben-
sowenig verborgen bleiben, als dass die hypotesen in der von Mone gegebenen entwickelungsweise durch
vielerlei hinzugetretene beobachtungen und geringfügigere modifikazionen noch lange nicht als gesichert
anzusehen seien. Ja die frage, wie jene aus der kirchlichen liturgie hervorgegangenen und ursprünglich
wenig umfangreichen dramen im laufe der zeit gewachsen und von scene zu scene erweitert worden sind, bis
sie endlich eines so gewaltigen apparates und eines Zeitraumes von drei tagen zu ihrer aufluhrung bedurften,
war seit den ersten von Mone selbst schon gemachten vereinzelten versuchen, für die passionsspiele wenigs-
tens zu beantworten gar noch nicht einmal unternommen worden. Ernst Wilken^ hat das verdienst, diese
aufgäbe zuerst vom Standpunkte der Wissenschaft wieder aufgenommen und ihre lösung in umfassender
weise versucht zu haben. Seine dedukzion, so weit sich dieselbe aus der analysierenden besprechung der
einzelnen stücke erkennen lässt, ist folgende.
Unter hinweisung auf die grossartigkeit der orientalischen urliturgie und des reich symbolischen
messrituals der römischen kirche für die feier des Osterfestes knüpft er die entstehung der dramatischen
osterfeier, wie es vor ihm schon Freytag gethan hatte, an die sitte einzelner klöster und kirchen, ein am
karfreitag in einem eigens dazu hergerichteten grabe niedergelegtes Kruzifix in der ostemacht oder am oster-
morgen feierlich wieder zu erheben, wodurch die auferstehung des erlösers symbolisch dargestellt werden sollte.
Da nämlich in einem wormser synodalbeschluss v. j. 1316' den geistlichen befohlen werde, dieses mysterium
resurrectionis vor der ankunft des volkes in der kirche zu vollziehen, weil es sich herbeidränge in dem
aberglauben, dass es dem tode in dem jähre entgehen werde, in welchem es diese feier gesehen habe, so,
glaubt er, könne anderwärts die kirche diesem unwesen zu steuern versucht haben, indem sie den sym-
bolischen akt zu einem liturgisch-dramatischen erweiterte, der nicht nur dem äuge, sondern auch dem
höheren auffassungssinne des volkes Unterhaltung und erbauung geboten. Die älteste form dieses drama-
tischen mysteriums, die in den klöstem üblich gewesen zu sein scheine, sei die osterfeier aus
St. Blasien (D'). Priester in frauenhafter gewandung und mit rauchfässem versehen, die drei Marien
darstellend, kommen zum grabe und fragen Quis revolvit nobis lapidem etc., darauf der engel Quem quaeritis?,
die frauen Jesum nazarenum, der engel Non est hie und Ite, nuntiate etc., womit die frauen zum köre
zurückkehren und, ihre priesterfunkzionen wieder übernehmend, singen Surrexit dominus de sepulchro.
Das darauf vom abte angestimmte Te deum mache den schluss der feier. Sie sei herorgegangen aus dem
Markusevangelium cap. 16, 3 — 7, indem die anrede des engeis in v. 6 Jesum quaeritis Nazarenum cruci-
ficum: surrexit, non est hie zum zwecke des dramatischen dialoges in die erste frage des engeis, die
antwort der frauen und den bescheid des ersteren teils umgearbeitet, teils aufgelöst worden sei. — Mehr
1. Geschiobte der geistl. spiele in Deatsehland. GAttingen 1872. Cap. 11, 8. 66 ff.
2. K. Alt, Theater und kirohe. S. S48 Ainn. Dieser synodalbeeohliufl wird später, wenn die biBtorifohen leognisse im
zusammenhange zur verhandlang kommen, mitgetheilt werden.
3. Nach meiner bezeichnang. S. u. s. 20 ff.
1. DIE BISHEBIGEN ANSICHTEN. WILKEN. U
Bütwickelt sei schon dasi Züricher officium (H), in dem nach der rückkehr der firauen die apostel Petrus
und Johannes unter dem IgesangeQdes kores Currebant duo simul (Joh. 20, 4) zum grabe eilen und mit
den von dem engel empfangenen schweisstQchem wiederkommen und singen Cemitis, o socii. Hier sei also
auch das Johanneseyangelium fQr die dramatische aufführung verwertet. — Diese aus Markus 16, 1 — 7
und Joh. 20, 1 — 10 kombinierte ostemachtfeier sei mit geringfügigen Variationen im 12. und 13. Jahrhundert
wohl über die gr&nzen Deutschlands hinaus verbreitet und weiteren fortbildungen leicht zugänglich gewesen,
die zwar dem texte der Vulgata fremd, aber als ,ver8us licet non authentici' von den kirchlichen oberen
gerne geduldet worden seien. Solcher stücke gäbe es in Deutschland fünf, in süddeutschen handschriften
erhalten.
Zwei in Einsiedeln. Das erste (AGr) sei aus zwei teilen zusammengesetzt, von denen der zweite In
resurrectione betitelte aus zwei fassungen bestehe. In der ersten sei die frage der frauen Quis revolvet etc.
ausgefallen; das die zweite fassung beschliessende Selbstgespräch der frauen Dicant nunc Judaei und der
bericht an die jünger Ad monumentum venimus etc. nebst dem Te deum lasse sich an die erste nach
dem Non est hie des engeis unmittelbar anschliessend Diese osterfeier sei somit eine hauptsächlich nach
vorne ausgeführte bearbeitung von D. — Eine andere, aus Klostemeuburg (N) bekannte, bilde dagegen ein
Seitenstück zu H, als dessen karakteristische eigentümlichkeit der auf Joh. 20, 4 beruhende wettlauf der
jünger bezeichnet worden sei.
Das reichenauer femer sei in dem wichtigeren anfangsteile verkürzt^ und bestehe hauptsächlich
aus dem zweiten teile der sequenz Victimae paschali. Beide teile dieser sequenz seien in den alten oster-
feiem niemals zusammenhängend verwandt worden und dieser zweite von Die nobis Maria an, sei als ein
dem karakter einer sequenz femliegendes und ursprünglich selbständiges responsorium anzusehen. Es
schliesse sich dasselbe scheinbar an D, weil die jünger nicht selbst zum grabe eilen, sondem die M. Magdalena
über das von ihr gesehene befragen; aber die antwort der letzteren Angelicos testes, sudarium et vestes
bezeuge die indirecte benutzung von Joh. 20, 3 — 7 oder von H. — Dieses responsorium erscheine darauf
in dem lichtenthaler mysterium (Z) in mehrfach variierter anwendung, während der einleitende korgesang
in seinem gedankengange der figentlichen sequenz ,Victimae paschali' sich nähere. Die erweitemng enthalte
eine art erbaulicher belehrung über Kristi leiden und tot, wodurch zuerst karfreitagsmomente in die oster-
feier aufgenommen würden.
Die beiden letzten stücke, das zweite einsiedelner (R) und ein engelberger (Q) stimmen in allem
wesentlichen überein. Den kern bilde das auf Mark. 16, 3 — 7 bemhende D. Dieser kern sei zunächst
durch zwei hymnen Heu nobis intemas mentes und Cum venissem ungere mortuum erweitert. Sodann aber
auch durch das auftreten Jesp, der der M. Magdalena erscheint, welche scene bei R in etwas künstlicher
weise eingeführt sei. Sie sei hervorgegangen aus JoL 20, 13 if., schliesse sich zuerst an v. 15. 16 und
werde dann durch einen auf v. 17 bemhenden hymnus und das trishagion weitergeführt, um in Q mit dem
Victimae paschali, in R minder glücklich mit dem responsorium die feier zu endigen.
Im 2. §, s. 72 ff. werden die Ludi de nocte paschae und Marienklagen behandelt. Die ludi unter-
scheiden sich von dem streng kirchlichen officium durch das zuerst meist interpretationsartige ein-
dringen der deutschen spräche. Zeit und ort der aufiührung und die komposition des textes blieben
unverschoben. Die weitere entwickelung zeige sich im trierer ludus^ vornehmlich in den mehrfach aus-
1. Diesen an dieser steUe zweideatigen ansdraok glaube ich im sinne Wükens = absichtlich gekOrzt nehmen zu mOssen,
nicht = nnyollstandig überliefert.
2. Fundgruben. 2, s. 272—279.
2*
12 I. DIE LATEINISCHEN ORTERFEIERN.
•
gesponnenen Übertragungen des hymnus Heu nobis intemas mentes^, in dem tristichon Sed eamus unguen-
tum emere', das schon genauer auf den gang zum salbenkrämer deute, imd der einfügung eines neuen
hymnus Jesu nostra redemptio'; im wolfenbütteler osterspiel S das sich sonst enge an das vorige an-
schliesse, in der aufnähme eines neuen hymnus Omnipotens pater altissime^, der krämerscene* und der
doppelscene zwischen M. Magdalena und Thomas und dem letzteren und Jesus ^. Das alles beruhe auf einem
weiterspinnen des fadens, wie es mit ungeschickter Verwertung alter ritualstücke ein jüngerer redaktor wol-
gemut sich erlauben durfte.
Darauf wendet sich Wilken im 3. §, s. 81 ff. zu den synoptischen osterspielen. Die bezeichnung
,synoptisch' ist von ihm für die umfangreicheren stücke ' eingeführt worden, welche im zusammenschluss die
hauptmomente von Kristi lehr- und leidenszeit zur darstellung bringen^. — In dem benediktbeuemer
osterspiele* wird nur dem zweiten teile (v. 195 — 300*^ = interrogatio coram pilato, flageUatio, illusio,
ecce homo, crucifixio, planctus Mariae, Longinus et sepultura) höheres alter und ursprünglichkeit zuerkannt,
obschon auch hier die eigentliche osterfeier fehle, die giablegung nur fragmentarisch erhalten sei und weder
in der scene unter dem kreuze noch der des Longinus diskrete anordnung herrsche. Die grössere erste
hälfte des Stückes (v. 2— 194 = vocatio apostolor., sanatio caeci, Zachaeus, convivium Simonis, conversio
M. Magdalenae, suscitatio Lazari, Judae pactio, oratio in horto, captio, Petri negatio, consilium Judaeorum,
interrogatio coram Pilato erste hälfte) hält er für interpolation, weil man zufolge der spielordnung und dem
Ingressus Pilatus an der spitze des Stückes einen anderen fortgang der handlung erwarten müsse, als er
in den nächsten blättern der handlung vorliege. Der angelpunkt derselben sei die anrede der M. Magdalena
an den inercator und dessen antwort (v. 82 — 88), welche, unmittelbar aus dem osterspiele herübergenommen,
vielleicht dessen Wegfall am ende zur folge gehabt hätten. Diese, zur bekehrung der Magdalena gehörende
scene, habe jene andere nach sich gezogen, welche das weltliche leben der Maria schildere und gleichfalls
durch eine kaufinannsscene eröfihet werde. Die die pactio Judae bis Petri negatio" umfassende partie
dieser interpolation hätten, meint Wilken, ,fast den schein' für sich einer älteren vorläge angehört
zu haben.
Das osterspiel aus dem Uoster Muri ^', merkwürdig wegen seiner höfischen spräche, habe als ganzes
nur einen geringen wert.
Auch bei dem osterspiel aus St. Gallen^* wird die aUmälige erweiterung durch kronologische Ver-
stösse bezeichnet. So die hochzeit zu Kana, weil sie vor die taufe Jesu gesetzt sei. Die Magdalenenscene
1. Fundgraben. 2, 273, 15—274, 3.
2. Fundgraben. 2, 274, 4—8.
3. Fundgraben. 2, 276, 23 spielanweisung und y. 28—26.
4. Otto Sohönemann, der Sandenfall und marienklage. Hannover 1855. S. 149 — 168.
5. S. 151, e. f,
6. S. 152, g— Ten 69.
7. V. 237—267.
8. Geeoh. d. geitÜ. spiele S. 81, anm. 5
9. Fundgraben. 2, 8. 245—258 und Andr. Sohmeller, Carmina burana. (Bibliothek des literar. Vereins in Stuttgart.
Nr. XVI.) 1847. S. 95—107.
10. Diese litate nach eigener bezifferung des Hoifmannscben abdracks in den fundgraben.
11. V. 187—179.
12. Herausgegeben von Bartsch, Germania 8, 284—297.
13. Schauspiele d. mittelalt. 1, 72—128.
U DIE BISHERIGEN ANSICHTEN. WILKEN. 13
habe hier, ans der ,yer8neh6artigen' gestalt, in der sie noch im benediktbeuemer spiele erscheine, heraus-
getreten, eine festere, in der folgezeit nur wenig sich variierende gestalt empfangen. Als ältester kern des
ganzen Vorspiels (v. 1 — 547) dürfe ,sicher wohl die Magdalenenrolle in ihrer festen Verknüpfung mit der
älteren Magdalena des ostemachtspiels betrachtet werden'. Die scene vor der interrogatio coram Pilato
(v. 863 — 80) sei dadurch wichtig, dass das Ingressus pilatus hier genauer erscheine und dadurch seine
beziehung auf Job. 18, 38 sicher stelle. Das streben nach synoptischer Vollständigkeit zeige sich in der
au&abme beider Schacher. Der schluss (v. 1192 — 1340 = sepultura cum planctu Mariae et Magdalenae,
custodia, discessio ad infemum und die scene de tribus Mariis) bezeuge seine unverkennbare anlehnung an
die ältere ostemnachtfeier trotz der wortreichen deutschen Übertragung. — Die entwickelung des zweiten
älteren teiles der synoptischen spiele von der ingressio urbis an denkt sich Wilken so, dass zu dem ur-
sprünglichen ersten akt des officium sepulchri, der grablegung (?), die dabei mitwirkenden Nicodemus und
Josef von Arimathia hinzutreten. Diese zogen den Pilatus nach sich, von dem sie den leichnam Jesu zu
erbitten hatten. An die person des Pilatus liesen sich sodann die Verurteilung Kristi, anknüpfend an
Job. 18, 33 ff., und im weiteren die hauptmomente des lebens Jesu aus den ergänzenden berichten der
anderen evangelisten leicht anschliessen.
Jedoch habe man sich im 14. und 15. Jahrhundert mit verliebe wieder besonderen, mehr eine populäre
und burleske behaudlungsweise gestattenden scenen der osterspieltradition zugewant, nämlich dem um die
höllenfahrt und die grabwächterscene vermehrten apparat der ludi de nocte paschae, wobei aber trivialste
nebendinge, behaglich ausgesponnen, das allbedeutsame verkürzt, verschoben und oft fast zur Unkenntlichkeit
verdunkelt haben. Diese weitere ausbildung durch populäre behandlung bespricht Wilken im 4. §, s. 94 ff.,
und versucht die dahin gehörenden spiele in bezug auf die entwickelung der höllenfahrt in denselben zu
ordnen. Es werden in hauptsächlich referierender weise das wiener, insbrucker, redentiner und das
tyroler (sterzinger) vorgefahrt Bei dem ersten werden besserungsvorschläge in den Spielanweisungen der
ersten scene der grablegung gemacht, es wird hervorgehoben, dass die höllenfahrt noch einfacher gehalten
und in der klage der Juden bei Pilatus über die auferstehung der zweite teil^ älter sei. Im insbrucker^
verrate sich die thomasscene^ durch ihre unrichtige Stellung als einschaltung, auch mehrere teile der kauf-
mannsscene^ seien als rohe zusätze einer späteren zeit kenntlich. Im redentiner^ sei der älteste kern,
der schon im vorigen als eine veraltete materie erscheine, mit sicherer band ausgestossen, Kristus in der
vorhölle' der hauptakt Im tyroler^ endlich, das sonst auf alter tradition beruhe, weise die kontamination
der gärtner- und krämerscene^ in ihrer breiten humoristischen ausführung und die burleske behandlung der
thomascene* und des wettlaufs der apostel'® auf die Popularisierung einer nach plumpen witzen lüsternen
späteren Zeit. In eine besondere kategorie stellt Wilken die ,passions-osterspieleS um irrthümem vorzu-
1. Ftmdgraben. 2, 812, 5—813, i.
2. Mono, AltteatBcdie sobansp. (,Kri8ti aufentehung'.) S. 107—144.
3. V, 1108—1139.
4. y. 446—749, 790—862 und 911—984.
5. Sohaosp. d. mittelalt. 2, 88—107.
6. V. 269—762.
7. Piobler, Drama d. mittelalt. in Tirol. S. 141—168.
8. y. 266t-467.
9. y- 607—686.
10, y. 627-728.
14 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIEKN. .
beugen, ,ftl8 ob passions- und osterspiele zwei verschiedene gattungen seien' ^. Hierher rechnet er
die frankfurter* und die friedbeiger dirigierrolle', das alsfelder ^ heidelberger^, donaueschinger spiel*,
Gundelfingers grablegung^ die sterzinger passion^, das passionsspiel bei St. Stephan in Wien* and
bruchstücke.
In seiner recension^® von Wilkens geschichte der geistl. spiele hat Anton Schönbach eine eigene
Untersuchung über die ausbildung der osterspiele gegeben, welche auf elf lateinische osterfeiem, französische
und deutsche, und sieben deutsch-lateinische osterspiele gestützt ist. Ausgehend von dem orl6ui8'er
officium, X(K)", als dem vollkommensten lateinischen mysterium, bezeichnet er die einzelnen abschnitte,
d. h. scenen mit denselben personen, mit von 1 beginnenden fortlaufenden nummem und bestimmt nach
dem auftreten dieser in den übrigen stücken den grad ihrer Verwandtschaft. Derzufolge ergibt sich erstens:
es zerfallen die lateinischen stücke aus Frankreich in zwei gruppen, WU(GD) beruhen auf gemeinsamer
grundlage und sind in X(K) überarbeitet worden, welches die basis der späteren französischen fortbildungen
wurde, OP(BE) unterscheiden sich von dieser ersten französischen gruppe durch das responsorimn
(= Victimae paschali zweite hälfte); zweitens : OP bilden den Übergang zu den aus Deutschland stammen-
den osterfeiem, deren gemeinsames merkmal, eben jenes responsorium, schon von Grieshaber als die grund-
lage der lateinischen osterfeier in Deutschland angeführt worden sei ; drittens : das seiner form nach älteste
deutsche stück sei 6(F), dem in fortschreitender entwickelung B(G), Q(H), Z(J), X(K), a(L), M und
N^* sich anschliessen : da R allen stücken von M — S^' gemeinsam sei, ergebe dieses sich als die älteste
grundlage derselben, das verhältniss von OPQRS^^ unter einander werde sich jedoch kaum mit Sicher-
heit feststellen lassen; für den gebrauch des responsoriums (in Deutschland) liege es sehr nahe an eine
entlehnung aus Frankreich oder an eine gemeinsame kirchliche Ordnung von Rom aus zu denken, für die
vielleicht Gerberts bekannte werte das älteste zeugniss seien. N(A) hält Schönbach für eine streng
klösterliche nach den evangelien zusanmien gestellte osterfeier, die aus der reihe der entwickelung
herausfalle.
Ich hoffe durch mein referat gezeigt zu haben, dass von den bestehenden ansichten bisher k&ne
eine wissenschaftliche begründung oder entkräftung erfahren, die sich, sei es auch nur in der hauptsache,
allgemeinerer anerkennung zu erfreuen gehabt hätte. Nach wie vor behaupten die schroffen gegensätze
der Grimm-Freytag'schen und der Hoffinann-Mone-Wilken 'sehen entwickelungsweisen in zahlreichen anhängem
ihre geltung. Die grosse der herrschenden Unsicherheit geht aber am deutlichsten daraus hervor, dass
1. Geech. d. geittl. spiele. S. 108, Anm. 3.
2. Fichard, Frankfortisches arohiy. S, ISl ff.
3. Im auBZuge raitgetheilt von Weigand in Haupts ztscbr. f. d. alterth. 7, 545—556.
4. Besohraibang and bruchstücke von Yilmar in Haupts ztschr. f. d. alterth. 3, 477 — 518; vollständiger abdrook dorrii
C. W. M. Grein, Alsfelder passionsspiel mit wörterb. Cassel (Kay) 1874.
5. Vgl. Gervinus, Ge eh. d. d. dichtung. 2*, 581 ff.
6. Schausp. d. mittelalt. 2, 183—350.
7. Schausp. d. mittelalt. 2, 131—150.
8. Beschreibung und auszUge bei Pichler, Drama d. mittelalt. in Tirol. S. 14 — 30.
9. Beschreibung bei Schlager, Wiener skizzen. 2. bd.; vollständig abgedruckt durch v. Camesina in den Berichten und
mittheilung d. alterth -Vereins zu Wien. Bd. 10 (1869), 327—340.
10. Zeitschr. f d. philol. 4, 364—370, vgl. bes. s. 367 u. ff.
11. Ueber die buchstabenbezeidinung der stQoke vgl. u. s. 22 ff. die in klammem gesetzten sind die benennungen Sohönbadis.
12. Nach Schönbachs bezeichnung; es sind lat-deutsche spiele, die erst im 2. capitel zur Verhandlung kommen.
13 14. Vgl. anm. 12.
1. DIE BISHERIGEN ANSICHTEN. 15
Schönhach mit geringer mühe eine von jenen wesentlich verschiedene neue teorie aufstellen konnte.
Schlimmer aber noch als mit dieser principiellen frage ist man im punkte des entwickelungsganges beraten,
den die oster- und passionsspiele in vielen einzelnen Stadien durchlaufen haben müssen. Das was Mone in
dieser hinsieht geleistet, durfte sich dem stände der forschung, der erst durch ihn eine grössere aber immer
noch verhältnissmässig geringe zahl von denkmälern zugänglich wurde, und der anläge seiner herausgaben
entsprechend auf bezeichnung allgemeiner gesichtspunkte und zerstreute beobachtungen über einzelne züge
in den Schauspielen beschränken. Hier einzusetzen, und mit hülfe des reichen materiales, welches ihm
zu geböte stand, zu begründen, zu widerlegen, in einzelnheiten einzudringen, wäre Wilkens aufgäbe ge-
wesen. Den weg, auf dem er solche Untersuchungen machen musste, bevor er das unternehmen, eine
,ge8chichte* der geistlichen spiele zu verfassen, wagen konnte, wiesen ihm schon die bemerkungen Schöne-
manns zu der marienklage und dem osterspiel, deutlicher noch die von Bartsch zum egerer fronleichnams-
spieP. Jedem kundigen müssen so massenhaft auftretende Übereinstimmungen des deutschen so gut wie
des lateinischen textes, die sich oft durch die ganze reihe der spiele hindurchziehen, meistens aber grössere
oder kleinere gruppen derselben in Verbindung setzen, sofort als die nächstliegendste und sicherste hand-
habe für die enthülluiig der entwickelung des dramas einleuchten ; genaue vergleichung muss die ursprüng-
lichste form einzelner Sätze und ganzer scenen ergeben, ihre modifikazionen, Zusätze und erweiterungen die
weise der Umbildung und des Wachstums. Die resultate dieser und ähnlicher Untersuchungen geben erst
das fundament für die historische darstellung. Bei Wilken blickt man an keiner stelle, wenigstens was
die oster- und passionsspiele betrifft, bei denen ich es beweisen kann, auf die basis gründlicher und er-
folgreicher Vorstudien. Das zeigt schon mein referat, das ich deshalb so ausführlich gegeben habe. Was
er daher bei den Inhaltsangaben der verschiedenen stücke über das früher oder später einzelner Sätze
oder ganzer scenen und akte sagt, sind lediglich Vermutungen, die darum auch mit so vielen ,wohlS
,vielleichtS ,wenn und aber' umgeben werden, dass sie auch als solche wissenschaftlichen wertes baar sind.
— Der weg der vergleichung, den Schönbach eingeschlagen hat, ist unzweifelhaft der richtige. Wenn er
dennoch zu teils unrichtigen, teils ungenügenden ergebnissen gelangte, so lag dies am mangel der ge-
nauigkeit, welche diese Untersuchung erfordert.
Bin ich manchem, der meinen gegenständ mit wärmerem Interesse verfolgt, in den bisherigen aus-
führungen zu weitläufig gewesen, so hoffe ich dafür bei vielen anderen meiner leser Verzeihung zu finden,
die es in der folge angenehm empfinden werden, auf diese einleitung verwiesen zu werden, anstatt auf eine
abhandlung, die wie die Freytags nicht jedem immer zur band sein wird, oder auf lose bemerkungen
Mones, die erst durch den Zusammenhang mit allen übrigen ganz verstanden werden.
1. Pfeiffers Germania. 3, 267 ff. Vgl. ))es. die verweise s. 281—295.
2. UNKENNTNISS UND FALSCHE AUFFASSUNG DER MONE'SCHEN TEORIE
BEI DEN SPAETEBEN.
Die grundsätze, welche Mone zur erklärung des Ursprunges und der entwickelungsformen der oster-
und passionsspiele aufgestellt hatte, oder vielmehr die missverständnisse, welche sich durch die oberfläch-
liche lektüre seines buches bei dem mangel einer zusammenhängenden darstellung seiner ansichten erklären,
sind seitdem beinahe dreissig jähre in unbestrittenem ansehen geblieben. Auch Wilken ist diesen. miss-
verständnissen zum opfer gefallen. Denn nirgends tut er der Verschiedenheit seiner auffassung von der-
jenigen Mones erwähnung, so dass man an die schönste Übereinstimmung beider glauben könnte, während
sie sich doch tatsächlich in diametralem gegensatze befinden. Zumal hätte er sich da, wo er für die
gewaltigen dramen des 15. und 16. Jahrhunderts als der letzten stufe im erweiterungsprocesse der oster-
spiele die bezeichnung von populären ,passions-osterspieIen* einfuhrt, ,um irrthtimem vorzubeugen, als ob
passions- und osterspiele zwei verschiedene gattungen seien' \ nicht so sehr gegen Vilmar als gegen Mone
wenden müssen, der durchaus in der anschauung lebt, dass beide von haus aus verschieden sind. Denn
Mone hält die passionsspiele für die älteren, die unmittelbar aus der liturgie, welche für die karfreitags-
messe das evangelium Johannes vorschreibt und in seinen erzählenden recitativischen partien von einem
köre, in den reden Jesu, des Judas und des Pilatus von einzelstimmen gesungen wurde, hervorgingen,
indem dem gesangsdialog die persönliche darstellung hinzugefügt wurde; sie umfassten das ganze leiden
Jesu von seiner gefangennähme in Gethsemane bis zur grablegung, ev. Joh. cap. 18 und 19. Die 'oster-
spiele dagegen betrachtet Mone als eine fortsetzung jener, nicht aber etwa so, dass sie durch das streben
nach erweiterung und Vervollständigung den passionsaufführungen angeschlossen worden seien: eine solche
annähme wäre schon wegen der zeit, in welche die letzteren fielen, unstatthaft gewesen, da man am k^-
freitag leiden und auferstehung nicht zur darstellung bringen konnte, ohne die hohe kirchliche bedeutung
des todes- und auferstehungstages auf das tiefste zu beeinträchtigen; auch wusste Mone sehr gut, dass
die ältesten primitivsten osterfeiem immer selbständig überliefert worden und dass ihre aufFühning für den
vorabetid (nach der vigilie) oder den frühmorgen des ersten ostertages mehrfach bezeugt ist. Er glaubt
vielmehr, man werde wohl annehmen müssen, dass die osterspiele durch den österlichen gottesdienst ver-
anlasst wurden und die vielen feiertage dramatische spiele begünstigten. D. h., nachdem die karfreitags-
spiele in aufnähme gekommen waren und man geschmack daran gefunden hatte, trieben diese dazu, auch
für andere festtage ähnliche dramen einzurichten und das Osterfest und seine liturgie gaben hierzu die
nächste veranlassung.
1. Siebe oben s. 13. 14.
2. MONE UND SEINE NACHFOLGER. 17
Wilkens entwickelung steht hiemit, wie wir gesehen haben, im geradesten gegensatze. Nach ihm sind
die osterdramen die früheren, die ebenso wie bei Mone die passionsspiele aus dem karfreitagsevangelium,
aus dem evangelium des ersten ostertages Marc. 16, 1 — 7 entstanden, in ihrer weiteren ausbildung auch
die besonderen berichte der anderen evangelisten, besonders des Johannes, aufgenommen und als der Stoff
des Osterfestes erschöpft war, die darstellung von karfreitagsmomenten nach sich gezogen hätten, bis sie,
immer rückwärts schreitend, zu ,synoptischen' und ,passion8-osterspielen^ heranwuchsen.
Es ist von Wichtigkeit, die entstehung dieser grundsätzlich verschiedenen entwickelungsweisen und
die ihnen zu gründe liegenden motive, welche für beide entscheidend waren, vollständig ans licht zu ziehen.
Vor allem muss man im äuge behalten, dass Mone die passionsspiele bei seinen kombinazionen stets
in den Vordergrund stellt, was bisher hartnäckig verkannt worden ist. Die leitenden gesichtspunkte seiner
darlegung aber ergaben sich ihm aus der betrachtung des benediktbeuerner ludus paschalis. In diesem
glaubte er die merkmale der vier ersten Stadien des entstehungsprozesses deutlich zu erkennen. Erstens
nämlich enthält dasselbe einzelne teile der passion im texte des Johannesevangeliums, welches, wie schon
erwähnt, zum karfreitagsgottesdienste gehört und von einem köre und einzelstimmen gesungen wird, wie der
kurze dialog beider gefangennähme Jesu (v. 164— 170 = Joh. 18, 4—8), die verhöre vor Pilatus (v. 187 — 198
= Joh. 18, 29-38; 205- 217 und 225. 226 = Joh. 19, 5—15) u. a.; dazu stellen wie v. 184* Clerus cantet:
Ab ipso ergo die cogitaverunt etc. (Joh. 11, 53) und eine andere (vor v. 235) Tune suspendatur in eruce et titulus
fiat: Jesus Nazarenus Rex Judeorum (Joh. 19, 19), die, weil sie mit musiknoten versehen ist, ebenfalls gesungen
ward, aber beide nicht zum dialog gehören, sondern zum recitativ des evangelisten, resp. hier eines kores.
Darin lag für ihn der augenscheinliche beweis, dass diese partie des Spieles aus der liturgie und zwar im gottes-
dienste selbst entstanden sein müsse, und dass die ältesten dramen rein lateinisch und musikalisch waren.
Zweitens aber enthält das benediktbeuerner spiel schon lateinische strofen, wie die des Judas Poenitet
me gtaviter etc. 220 — 222, der Maria mater Flete, fideles animi etc. (244— 266), den hymnus Mi Johannes
planctum move etc. (257 ff. und 266 ff.) und die Sequenz Planctus ante nescia etc. (2(55), woraus er als
zweite stufe folgerte: Ausschmückung des bibeltextes durch lateinische hymnenstrofen. Da aber drittens
auch deutsche strofen in diesem spiele auftreten, von denen jedoch der text des evangeliums noch unan-
getastet bleibt, so ist, schliesst er weiter, die einführung dieser, die dritte fase. Als vierte endlich be-
trachtet Mone diejenigen scenen, welche über das karfreitagsevangelium hinausgehend abschnitte aus der
lehrzeit Jesu darstellen, wie die berufung der apostel, die heilung des blindgeborenen u. s. w. — Diese
hohe entwickelungsstufe des benediktbeuerner ludus paschalis setzte natürlich eine sehr lange zeit des
Werdens voraus, um so mehr, wenn man erwägt, dass die ersten fortschritte einer neu ins leben gerufenen
dichtungsart gewöhnlich die langsamsten zu sein pflegen, und die osterspiele, die vom 11. — 13. jahrh. und
in weitester Verbreitung existierend, in deutschland wenigstens erst im 14. durch aufnähme deutscher
elemente aus den engsten gränzen kirchlicher Übung herausgetreten, geben dazu eine beachtenswerthe
analogie. Demgemäss verlegte Mone den Ursprung des Schauspiels, also zunächst der passionsspiele, in
eine zeit, aus der uns nicht der dürftigste rest eines solchen, nicht einmal ein historisches zeugniss über
dieselben erhalten ist. Einen bestimmten anhaltspunkt hiefür fand er in den , Silentium habete^ ^, mit welchem
^ngel oder der prolocutor ludi das spiel, häufig auch einzelne handlungen eröffnen. Durch diese fomiel,
nur mit der geringen abweichung ,Silentium facite', wird aber in der mozarabischen und gallikanischen
1. Ich gebe diese zitate nach Hoffmaniu abdruok, Fundgraben 2, Z4b ff. und nach eigener zeilenbezifferong, bei der nur
die eigentlichen spielanweisungen Übergegangen wurden«
2. Sohaosp. d. mittelalt. 2, 167 ff.
Milohiaok, Oittr iind puaioBMpial«. 8
18
I. DDE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
liturgie vor der messe oder dem evangelium durch den diakon stillschweigen geboten, sie fehlt dagegen
in der romischen. Da nun das gallikanische ritual in folge der bemühungen pabst Hadrian I. gegen ende
des achten Jahrhunderts durch das römische ersetzt wurde, so datieren die anfange des fi*anzösischen
Schauspiels aus der zeit, in welcher jenes noch in gebrauch war. Die deutschen aber entstanden unter dem
einflusse der französchen, wofür gründe geltend gemacht werden, wie die aufnähme lateinischer strofen,
welche in rytmus und reiroverkettung denen der französischen stücke ähnlich sind^, von stücken aus Sybillen
Weissagung, wie den gang Seths zum paradiese^ der drei Marien (trois iMagdelaines) auf dem leidenswege^
des teufelsspiels mit nachbildung französischer teufelsnamen ^ die karakteristik des Malchus^, die Personi-
fikation der Christiana und Judaea (Synagoga)*, die stychotomie im Wechsel des dramatischen dialogs^
Ist es hieraus schon klar, wie wenig der gedai)kengang Mones und dessen eigentliche motivierung
von seinen nachfolgem erkannt worden ist, so erhellt doch das vollständige missverständniss derselben erst
aus der fälschlichen übQitragung von erläuterungen über den Ursprung der ostermysterien auf denjenigen
der passionsspiele. P'ast so oft man ein buch oder eine abhandlung in die band nimmt, welches über unser
mittelalterliches Schauspiel handelt, wird man jenen ^ aus der Einleitung Mones zu den lateinischen oster-
feiern entnommenen Sätzen begegnen, die die entstehung der ältesten ostermysterien erklären sollen, und
ebenso oft wird man diese Sätze als die kern- und- angelpunkte seiner teorie von der geschichte nicht
bloss der osterspiele, sondern auch jder passionsspiele aufgefasst sehen. ,Ihren wechselgesängen [der latein.
osterfeiern] liegen nämlich die responsorien des gottesdienstes zu gründe. Die responsorien sind wechsel-
gesänge zwischen dem priester und volkeS das sind die fundamentalsätze und gewissermassen die schlag-
worte geworden, die, auf die zuerst bekannten von Gerbert mitgeteilten riten bezogen, allein für sich selbst
zu sprechen und über jeden Widerspruch erhaben zu sein schienen. Waren es doch bibelverse, aus denen
hauptsächlich jene einfachsten mysterien bestanden, die in allen folgenden stücken immer wiederkehrten,
wie sehr sich dieselben auch erweitert und um eine reihe ganzer scenen vermehrt haben mochten. Passions-
feiern von so ursprünglicher einfachheit aber gab es nicht, auch die ältesten enthielten schon mehr, als
die eigentliche leidensgeschichte Jesu. Was also konnte Mone anders gemeint haben, so urteilte man, als
dass die schon vorhandenen osterspiele, die, aus den responsorien des gottesdienstes entstanden, mit hand-
greiflicher deutlichkeit ihre entwickelung von scene zu scene erkennen liessen, die passionsspiele nach sich
zogen und, wenn auch allerdings zuerst im engeren anschlusse an das karfreitagsevangelium, sogleich in
kompakterer form ins leben riefen. Allein, wie weit entfernt war Mone von einer solchen auflfassung. Von
diesem Standpunkte aus die entstehung der passionsspiele zu eiklären, würde er geradezu für eine Unmög-
lichkeit gehalten haben. — Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass Mone sogleich in den einleiten-
den Worten zur ersten osterfeier, welche die verschiedene bedeutung des responsoriums und der antifone
definieren sollten, nicht verstanden wurde und dass man die begriffe beider identifizierte. Er sagt: ,Ibren
Wechselgesängen liegen nämlich die responsorien des gottesdienstes zu gründe. Die responsorien sind
Wechselgesänge zwischen dem priester und volke* . . . ,die kirchentexte der passion und der auferstehung
1. A. a. o. 1, B. 47 ff.
2. A. a'o. 1, s 308 und 2, b. 27 f.
:*!. A. a. o 2, 8. 165.
•1. A. R. o. 2, 8. 27.
r>. A. a. o. 2, 8 164 f.
6, A. a. ü. 1 8. 105 und 2, n. 164.
7. A. R o 2 8. 28 ff.
8 Siehe olnsn s. 7. Schausp. d. mittelalt. 1, 8. 6
a. MONE UND SEINE NACHFOLGER. 19
sind in ^o$a und bestehen gröstenteils aus bibelversen (antifonen^)'. Wie kann man diese Sätze
anders in eine logische beziehung setzen, als: die osterfeiern sind aus responsorien, d. h. wechselgesängen,
entstanden, die aber nicht prosaische kirchentexte, bibelverse, antifonen sind ; allerdings kommen auch kirchen*
texte, bibelverse in denselben vor, die alsdann als antifonen von ,yersweis abwechselnden kören' gesungen
wurden. Mone fährt fort «gereimte texte, wie in folgenden stücken, habe ich vor dem zwölften Jahrhundert
keine gefunden, sie wurden nur in einzelnen kirchen zugelassen, nicht in das allgemeine ritual. Wo diese
stücke wieder in bibelverse übergehen, enthalten sie gewöhnlich den kirchentext' ^. . . . ,Ich halte es für
hinreichend, dass ich den begriff der antifonen und responsorien angegeben, um daran zu erkennen, wo
die Schauspiele den ki^chentexten folgen.'^ D. h., gereimte texte (versus), nämlich die auf strofischen
Wechselgesängen, responsorien beruhenden osterfeiern gab es, oder kennt man erst seit dem 13. jahrhundeit,
und nur vereinzelt, weil sie zum allgemeinen ritual nicht gehörten (non autentici). Sie enhalten aber zu-
gleich auch bibelverse und es ist der begriff der responsorien und antifonen. angegeben worden, um jene,
die eigentliche osterfeier, von diesen, dem kirchentexte, zu unterscheiden. Und weiter fügt er noch hinzu \
dass diese gereimten osterfeiern (versus) geduldet worden seien (non improbamus), wem! sie im kirchen-
Stile blieben, und dass sie verhältnissmässig jüngeren Ursprunges sein müssten, weil der ordo romanus, dem
die meisten liturgien folgten und ebensowenig Amalarius von Metz (um 830), der ausfuhrlich vom oster-
samstag spreche, nur den kirchentext gebe und keine dramatische feier erwähne, sondern nur wechselge^änge
(= antifonen). Und endlich ,In diesen feiertagen [nämlich der woche vom ostersonntag bis dominica iu
albis, welche in Frankreich aus lauter feiertagen bestand] wurden hauptsächlich osterlieder gesungen
(hymnis paschalibus indulgentes) zum lobe des erlösers' . . . ,Man wird wohl annehmen müssen, dass
sie [die dramatischen osterfeiern] durch den österlichen gottesdienst veranlasst wurden und die vielen
feiertage dramatische spiele begünstigten'^. Das kann doch nur heissen, dramatische aufführungen der
auferstehung entwickelten sich nicht etwa unmittelbar aus dem osterevangelium und seiner Vortragsweise,
wie die dramatischen passionen, somlern es steht zu vermuten, dass sie durch die osterlieder, die festtage,
den österUchen gottesdienst hervorgerufen, ^veranlasst' wurden.
Wie war es aber möglich, dass Mone, obgleich er sich über seine meinung so deutlich ausgesprochen
hatte, dennoch missverstanden wurde? Auch dafür findet sich die erklärung. Es ist schon oben darauf hinge-
wiesen worden, dass die eben angeführte definizion des responsoriums von seinen nachfolgem stets mit
den aus Gerbert entnommenen ritualen in Verbindung gesetzt wird und das war gegen Mones absieht,
denn er bezeichnet sie ausdrücklich als ,kirchengebräuche', deren wechselgesänge er nach seiner eigenen
definizion, da sie lediglich aus bibelversen bestehen, nur als antifonen betrachten konnte. Allerdings trugen
diese ,kirchengebräuche' mit zur entstehung der Schauspiele bei, sie selbst waren aber nach seiner an-
sieht noch keine dramen, sondern wurden es erst durch hinzunahme gereimter texte, responsorien (versus
non autentici). Dies geht auch daraus hervor, dass er jene ,kirchengebräucheS um den weitläufigen abdruck
der verschiedenen rituale zu vermeiden, hauptsächlich nur zur erläuterung der vorhergehenden äusserungen
in , der einleitung gegeben hat, welche ausdrücklich ,A. Die kirchengebräuche^ überschrieben ist, während
1. Vei^gl. dazu die anm. Sohausp. d. mittelalt 1, 8. 6, in der er zur yerdeatlichong die antifoaeD yon psalm- und an-
deren bibelversen in der vesper und im introitus der messe herbeizieht and sieh auf die übereinstimmang seiner auf-
' fassung mit Du Gange, Glossarium (v. Antiphona) und Basilius, De Constitutione s- missae beruft.
2. Sohausp. d. mittelalt. 1, s. 6 ff.
8. Ebenda.
4. Sohausp. d. mittelalt. 1, s. 10.
6. A. a. o. 2, 8. 168. Vgl. oben s. 16.
8*
20 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
das eigentliche draroa (Einsiedeln I und II = A,G) erst unter dem titel ,B« Text der osterfeier^
(S. 10) folgt.
Meine leser werden gewiss ein wenig mit mir darüber erstaunt sein, zu gewahren, dass Mone bis
auf den heutigen tag als der urheber einer anficht über die entstehungsweise der osterspiele angesehen
wird, die er selbst von vorneherein von sich abzuwehren bemüht war. Und es ist in der tat eine seltene
und originelle literarische erscheinung, dass gerade immer dieselben argumente für ein missversändniss
geltend gemacht werden, welche Mone, um es zu verhüten, gegen dasselbe ins feld geführt hatte, ohne
dass irgend jemandem, selbst nicht dem geschichtschreiber der geistlichen spiele dieser seltsame Widerspruch
zum bewusstsein gekommen wäre. Dass vielleicht die falsch verstandene richtiger war, als die wahre Mone'sche
meinung, kann das missverständniss wohl begreiflicher machen^ nicht aber es entschuldigen. Die ganze
teorie Mones ist, wie wir gesehen haben, aus einem sorgrältigen Studium der historischen denkmäler und
nach allen Seiten wohl erwogenen kombinaziouen hervorgegangen und seine anschauung über den Ursprung
der ostermysterien lag folgerichtig in deren konsequenzen. Niemand. von denen, die bis heute über unser
altteutsches Schauspiel geschrieben haben, besass eine ähnliche kenntniss dieses, des ausserdeutschen und
der kirchlichen Verhältnisse, niemand hat mit gleich ernsthafter bemühung und gleicher liebe zu seinem
gegenstände den entwickelungsgang und die gegenseitigen beziehungen aus den historischen bedingungen
zu erkennen versucht, und niemand hat eine entwickelungsweise gefunden und begründet, welche der seinigen
ebenbürtig an die seite zu stellen wäre. Ich habe mich daher verpflichtet gehalten, das sachverhältniss
auf das eingehendste zu verfolgen und darzulegen« Es war ein grosses und für sein buch verhängnissvolles
versehen Wilkens, dass er über Mone zur tagesordnung überging. Hätte er Mones teorie gekannt, so
würde er sich einer genauen Widerlegung derselben nicht haben entziehen können. Er würde gefunden
haben, dass gerade die erklänmg der entstehung und entwickelung der passionsspiele bis zum 14. Jahr-
hundert, welche ihm so leicht und einfach sich zu ergeben scheint, den grössten Schwierigkeiten begegnet.
Einem manne wie Mone, der auf diesem gebiete wie kein anderer zu hause war, war und konnte die nach
ihm vulgär gewordene ansieht nicht verborgen sein. Dass er sie nicht benutzte, beweist nur, dass sie ihm
nicht genügte. Der benediktbeuemer ludus paschalis (mit dem das wiener osterspiel ^ im lateinischen texte
beinahe vollständig, im deutschen gar nicht übereinstimmt) hat inhaltlich schon fast die höchste entwickelungs-
stufe erreicht; denn er bringt das ganze leben Jesu von der berufung der apostel bis zur grablegung zur dar-
stellung (noch mehr das wiener osterspiel, welches mit dem fall der engel beginnt). In der gesammtentwicke-
lung steht er aber in der auffallendsten Isolierung, weil von ihm keine Vorläufer, die in mannigfachen abstufungen
vorhanden gewesen sein müssen, erhalten sind und die späteren stücke wohl einzelne beziehungen zu ihm,
nicht aber die merkmale einer stetigen entwickelung aus ihm erkennen lassen, wie es bei den osterspielen
in der greifbarsten weise der fall ist. Mone erfand deshalb in der weise des gelehrten eine auf viele be-
obachtungen und kombinazionen gestützte hypotese \ Wilken formte nach art des dilettanten, die Schwierig-
keiten vollständig übersehend, aus weit geringeren heobachtungen, die jenem keinesweges entgangen waren S
einen beweis. Ich bekenne gerne, dass es mir nicht gelungen ist, das problem vollständig zu lösen und glaube,
dass man die geschichte der passionsspiele bis zum ende des 13. Jahrhunderts auf der grundlage der hypotese
Mones weiter aufzuhellen wird versuchen müssen. Dann aber habe ich einen neuen Standpunkt gefunden,
von dem aus zwar der blick in die Vergangenheit noch mehr getrübt erscheint, nach vorwärts aber einen teil
U yBrachstOck einet ostertpiels aus dem 18. Jahrhundert' heransg. von Josef Haupt in Wagners Arohiv Ar die g^-
deuteoher spräche u. diohtung. Wien (Kubasta u. Voigt) 1874, s 865 — ^881.
2. Siehe oben s. 17 ff.
3. Siehe s. 22.
a. MONE UND SEINE NACHFOLGER. 21
wenigstens der Ursachen erkennt, die einen schon von Mone^ vermuteten plötzlichen und schnellen auf-
schwang des Schauspiels im 14. Jahrhunderts erklären: die benutzung geistlicher epen^. Die entlehnung
einer stelle der erlösung^ in dem bruchstücke eines weihnachtsspieles ^ (?) ist schon lange durch Bartsch^
bekannt und das bisher einzige beispiel dieses Verfahrens. Die erlösung ist aber höchst wahrscheinlich
Ursache und quelle der grossen populären passionsspiele überhaupt. Denn in dem alsfelder spiele ist eine
grosse zahl von scenen aus ihr entstanden, indem die erzählenden teile ausgeschieden und die gesprochenen
mit meist ganz geringen änderungen zum dramatischen dialog verarbeitet wurden. Das alsfelder spiel steht
mit dem frankfurter und friedberger in engster verwantscfaaft und bei den übrigen ist die abhängigkeit von
demselben in grösserem oder geringerem grade nachweisbar. Es ist ein schönes zeugniss für Mones sorg*
fältiges Studium und seinen Scharfblick, dass er die mittlere Stellung der thüringisch-hessischen spiele er-
kannte und betonte*. Auch für die stellenweise benutzung anderer epischer dichtungen, z. b. des Anegenge,
der Urstende, B. Philipps Marienleben, finden sich vereinzelte belege. Andere spiele mögen andere epen
benutzt haben, was ganz besonders das osterspiel aus dem klosterMuri^ und die st. galler Kindheit Jesu ^
vermuten lassen. Die ganze bedeutung dieses punktes wird bei der Untersuchung der passionsspiele ge-
nauer dargelegt werden. Hier habe ich nur darauf hinweisen wollen, um zu zeigen, dass es Wilken keines-
wegs ,gelungen ist, Ursprung und entwickelung metodisch^ zu erfassen, so dass sich die einzelbeziehungen
der verschiedenen spiele auf der von ihm geschaffenen basis leicht nachholen liessen'. Gerade in dieser
hinsieht hat sein buch seinen beruf verfehlt, zum teil, wie gesagt, weil er Mone nicht kannte. Mone's
forschungen sind durch ihn keinesweges überholt und ich bin mir bewusst nicht zu viel zu sagen, wenn ich
behaupte, dkss sie im ganzen noch heute das beste sind, was wir über die geschichte unserer oster- und
passionsspiele besitzen.
Ueber die tiefere motivierung der Wilkens'schen anschauungsweise ist nach den bisherigen ausein^
andersetzungen nichts mehr zu sagen. Auch er- erlag, wie die übrigen, den vulgären missverständnissen,
die jeden, der in den bereich der schauspielstudien trat, unbewusst gefangen nahmen. An der band geläufiger
ansichten analysiert er jedes stück und giebt dabei allerhand beobachtungen, die keinem, der sich der mühe
unterzieht, die Schauspiele mit einiger Sorgfalt zu lesen, entgehen können. Es fehlt ihm sozusagen voll-
ständig an eigenen scharf entwickelten allgemeineren gesichtspunkten, man müsste]^denn die kapitelüber-
Schriften dafür nehmen, denen ich indessen dringend wünsche, dass sie über die gränzen seines buches
keine anwendung finden. Die ludi de nocte paschae sind auch nach Wilken nichts anderes als lateinisch-
deutsche osterspiele; warum also den eingebürgerten und bezeichnenden namen aufgeben. Die synoptischen
osterspiele heissen von alters und nach Mones terminologie ihrem inhalte gemäss passionsspiele, ,synoptisch'^
sind nach Wilkens eigenem Zugeständnisse^® schon die entwickelteren lateinischen osterfeieiii, so dass
diese bezeichnung den engeren begriff dieser stücke gar nicht karakterisiert. Von den ,populären oster-
1. Siehe oben b. 8.
2. ,Dmb epische behandlungen geistUoher stoffe aber nicht wohl zur kritik geistlicher spiele verwant werden können, hatte
ich im aUgeroeinen eingesehen/ Wilken, kritische behandlung, s. 24.
8. Hsggb. von Karl Bartsch. Quedlinburg und Leipzig 1858.
4. V. Stade, Spedmen leetionum antiq. Frandc. et Otfridi libr. evang. Stade 1708. 40. s. 84.
6. Koberstein-Bartsch, Grundriss der gesch. d. d. nationalliteratur. P, 862 und anm. 22 und 23.
6. Siehe oben s. 7 und Sbhausp. des mittelalt. 2, 168.
7. Siehe oben, s. 12, anm. 12.
8. Schausp. d. mitelalt. 1, s. 143—181.
9. Ueb. d. krit. behandlung d. gebtl. spiele, s. 3.
10. Gesch. d. geisU. spiele, s. 81, anm. 6.
"22 I. I>IE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
fipielen' gehört das insbrucker und sterzinger zu der klasse der lateinisch-deutschen, das wiener und
Tedentiner zu den deutschen. Was ,populäre passionsosterspiele' sind, wird jedermann sicherer verstehen, wenn
wir ihm sag^n, dass die ,fronleichnamsspiele* damit gemeint sind. — Von ander^i gesichtspunkten, welche
Wilken gefunden und sich zum verdienst gerechnet haben möchte, war die einteilung der spiele im anschlass
an die Ordnung des römischen kirchei\jahres ^ und ihre bedeutung für die entwickelungsgeschichte derselben
mehrfach schon von Mone^ hervorgehoben, die anlehnung der dramatischen osterfeier an den gebrauch der
knizifixbestattung * schon seit Freytag ^, von Alt^, Haase* u. a. betont und besonders auch die beobachtung,
•dass die magdalenenscene der osterspiele frühzeitig in den passionsspielen eingang gefunden von Mone er-
kannt worden'^. Gegenüber seiner Verurteilung wollen wii* uns nicht zum Verteidiger dilettantischer
Tergleichungsversuche ^ auf werfen, aber ebensowenig uns davon abhalten lassen, durch meto dis che ver-
gleichung die lösung der probleme zu finden, welche vor einer unmetodischen, das einzelne mäkelnden, für
das bedeutsame geblendeten kritik immer scheu zuruckfliehen wird.
1. Gesoh. d. geistl. spiele, vorwort s. VI uod Krit. behandiung d. geistl. spiele, s. 2.
2. Sohausp. d. mittelalt. 1, s. 133. 251. 265.
3. Gesob. d. geistl. sp. s. 64 und Krit. behandl. s. 21.
4. De init. soen. poes. pag. 34 s.
^. Tbeater and kircbe. S. 34a
6. Das geistl. sohaasp. S. 16.
7, Sohaasp. d. mittelalt. 1, 8. 53.
5. Kritisohe behandlang. S» 3.
8. UESPEUNG UN» ENTWICKEIUNG.
Lateinische osterfeiern in dem hier besprochenen sinne, sind bis heute 28 veröiFentlicht worden,
davon entfallen 13 auf Deutschland, 14 auf Frankreich und 1 auf Holland. Aus Italien haben sich solche,
wenn sie überhaupt existierten, nicht erhalten; die älteste nachricht von der auiFührung geistlicher spiele
daselbst datiert aus dem jähre 1244 und berichtet schon von der darstellung des leidens und der aufer-
stehung Kristin Auch in England und Spanien hat man, so viel ich weiss, bislang diese mysterien nicht
gefunden.
Ich gebe zunächst ein vollständiges verzeichniss der bekannten nebst angäbe der orte, wo sie zuerst
und demnach wieder abgedruckt wurden. In der benennung der stücke durch buchstaben habe ich mich
an die von Schönbach schon eingeführten bezeichnungen nicht gebunden, weil hier eine grössere zahl der-
selben in die Untersuchung gezogen und die sich ergebende entwickelungsweise von der seinigen verschieden
ist. Die Übereinstimmung der alfabetischen folge der buchstaben mit den entwickelungsstufen der durch
sie bezeichneten stücke schien mir bei der ohnehin schwierigen darstellung zur erleichterung der lektüre
notwendig, und es wird immer noch leichter sein, sich die Unregelmässigkeit von 11 aufeinanderfolgenden
buchstaben einzuprägen, als die von 28. Schönbachs bezeichnungen habe ich in klammem beigefügt.
Ay Einsiedeln I, cod. no. 179, XII. jhdt; abgedruckt bei Mone, JSchausp. des mittelalt. 1, 10 — 12.
B, Paris, handschr. der nationalbibliotek no. 1240 fol. SO"", XI, jhdt, bei Du M^ril, Origines latines
du th^&tre moderne (auch unt. d. tit. Theatri liturgici quae latina superstant monumenta edita recensuit,
inedita vulgavit, adnotationibus illustravit E. Du M^ril), Paris (Franck) 1849, 8® s. 97, note 1.
Cy St. Martial, Limoges, jetzt nationalbibliotek zu Paris handschr. no. 1139, fol. 53^, XI. jhdt.,.
bildet den eingang zu ,Les vierges sages et les vierges foUes' und wurde zuerst bekannt gemacht durch
Raynouardy Choix des po^sies originales des troubadours, t. II, p. 139 — 143; danach bei Thom. Wright,
Early mysteries and other latin poems of the twelfth and thirteenth centuries. London (Nichols and son)
1838, p. 57; Monmerqu^e et Michel, Th^itre fran^ais au moyen äge. Paris (Firmin-Didot) 1839 und neue
titelausgabe 1874. 8^ p. 3; Du M6ril, Orig. lat. p. 97, note 1, wo die osterfeier von dem p. 233 ff. ab-
gedruckten Myst^re des vierges sages et vierges folles gesondert sich findet; E. de Coussemaker, Drames
liturgiques du moyen äge, textes et musiques, Paris (Didron) 1871. 4^ p. 1 — 10 und 311 ff. nebst faksimile,
wo jedoch die osterfeier fehlt, nach der im facsiroile angedeuteten lücke zu schliessen in folge absichtlicher
auslassung, nicht weil die handschr. kennzeichen trüge, welche dieselbe aus der gemcinschaft mit dem
folgenden verwiesen.
1. Yg]. Ad. Ebert Die älteaten italienisohen mysterien. Jabrbaoh fQr romanisohe und englische literatur. Bd. 5, s. 51 ff.
24 I DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
Hf St. Blasien im Schwarz walde, ex ordine operis dei, handschr. des XIV. jbdts«, bei Mail
Oerbert, Monumenta veteris liturgiae alemannicae. II, 237 und daher bei Mone, Schauspiele d, mittelalt
1, 8. 7; Du M6ril, Orig. lat. p. 107, note 2; Drosihn, Redentiner osterspiel, s. 5, anm. 3; Peter, Zuck-
mantler passionssp., s. 3, anm. 6.
E^ Dunstanus, Goncordia; Ed. Martene, De antiquis monachorum ritibus. I, p. 446 und Da
Meril, Orig. lat. p. 116, note 1.
V, Rheinauer directorium, cod. 49, s. 113, bei Anselm Schubiger, Die sängerschule St Gallens
vom achten bis zwölften Jahrhundert. Einsiedeln und New- York (Benziger) 1858. 4®, s. 21, anm. 2.
6(F), Ein sie dein II, handsclir. nr. 179, XII. jhdt. (siehe A), bei Mone, Schauspiele d. mittelalt.
1, s. 10 — 13; Du M6ril, Orig. lat, p. 100. 101; Drosihn, Redentiner osterspiel, s. 8.
H, Cividale I, handschr. im archive der katedrale zu Cividale bezeichnet T. VII, XIV. jhdt., bei
Coussemaker, Drames liturgiques, p. 307 — 310 und 347 mit noten.
I, Zürich, handschr. v. j. 1260, bei Gerbert, Vetus liturg. alem. p. 864; danach Mone, Schausp.
d. mittelalt. 1, s. 9; Du M^ril, Orig. lat. p. 107, note 2; Pichler, Ucber. d. drama d. mittelalt. in Tirol.
Innsbruck (Wagner) 1850. 8^ s. 37; Drosihn, Redentiner ostersp. s. 6, anm. 9. •
K, St. Blasien in Braunschweig, Cod. St. Blasii VII, B 31 fol. XII. jhdt., auf dem herzogl. landes-
hauptarchive zu Wolfenbüttel. Aufgefunden und mir mitgeteilt von meinem freunde Dr. Paul Zimmermann.
L, St. Lambrecht in Steiermark, handschr. der grazer universitätsbibliotek nr. 40/6, 8®, fol. 135*,
pgmt., 2. hcälfte des XII. jhdts., aufgefunden und mitgeteilt von Ant. Schönbach, Zeitschr. f. deutsch, alterth.
20, s. 131 ff.
M, Wien, handschr. d. k. k. hof- und Staats -bibliotek nr. 3322, XII. jhdt, mitgeteilt von Denis,
Codices theologici raanuscripti, tom. II, col. 2100. 2101 und danach bei Du M6ril, Orig. lat. p. 316, note 1.
N(A), Klosterneuburg, nach einer abschrift von Maximilian Fischer mitgeteilt von Franz Kurz,
Oesterreich unt. herzog Albrecht IV. 2, s. 425 — 427, vgl. s. 29 und wiederholt von Du M6ril, Orig, lat. p. 89 —91.
0(3), Narbonne, nach einem alten ordinär bei Martene, De antiqua ecclesiae disciplina, cap. 25,
p. 479; Daniel, Thesaurus hymnologicus. III, p. 290, 1; Du M^ril, Orig. lat. p. 91—94.
P(E), Sens, nach einer handschr. des XIII. jhdts. in den M^langes de la Soci^tö des bibliophiles,
1833. p. 165 und bei Du Meril, Orig. lat. p. 98— li>0.
Q(H), Engelberg in Unterwaiden, handschr. I 4/25 (nach Schubiger, a. a. o. s. 21, I 4/23), 4*,
Bl. 75, mit musiknoten, v. j. 1372; bei Mone, Schausp. d. m'.ttelalt. 1, s. 23 — 27; auszüglich bei Du Meril,
Orig. lat. p. 102, note 7. Voran steht die nachricht : Anno domini 1372 in vigilia pascae factum est hoc
opus per fratres, scilicet fratrem Waltherum et Johann em Grebler et Waltherum Stoffacher.
R(G), Einsiedeln III, handschrift no. 300, s. 93, XIII, jhdt, mit alten musiknoten; bei Mone,
Schausp. d. mittelalt. 1, s. 15—19; Du M6ril, Orig. lat. p. 101—107; Reidt, Das geistl. Schausp. s. 16-20
mit Verdeutschung der Spielanweisungen.
S, Utrecht, antiphonarium auf der Utrechter bibliotek Script, eccles. no. 319, fol. 64^, XII. jhdt.,
in der ersten hälfte mitgeteilt von Gall^e, Bijdrage tot de geschiedenis der dramat. vertoon., bl. 57. 58.
T, Cividale II, nach dem Processional A des XIV. jhdts. mit noten im archiv der der katedrale
zu Cividale herausgegeben von Coussemaker, Drames liturgiques, p. 298 — 306.
U(D), Ronen, aus Johannis Abrincensis Liber de officiis ecclesiasticis, App. p. 211 sehr ungenau
mitgeteilt von Du Ca'nge, IV. p. 195, col. 2; bei Du M^ril, Orig. lat. p. 96-98. — Dieses officium findet
sich ausserdem in einer handschr. des 15. jhdts. auf der nationalbibliotek zu Paris no. 1213, s. 86 and
in zwei anderen handschr. der bibliotek zu Ronen no. 48y und 50y und war nach de Molton (Lebrun des
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. ERHALTENE DENKMAELER. 25
Marettes), Voyages liturgiques en France, p. 305, während des ganzen 16. jhdts im gebrauch. Vgl. Du
M^ril, Orig. lat., p. 96, note 1.
Y, Bigot, aus dem mit der biblioth^que Bigot in die nationalbibliotek zu Paris übergegangenen
Antifonarium no. 904, s. 215, zweite hälfte des XIII. jhdts, mit noten; abgedruckt bei Coussemaker,
Drames liturgiques, p. 250 — 255 nebst faksimile. Das stück stimmt mit T ausser in den Spielanweisungen
vollständig überein.
W(C), Mont St. Michel, handschrift auf der bibliotek zu Avranches unter den nummem inwendig
14, auswendig 2524, aus dem anfange des XIV. jhdts, bei Du Möril, Orig. lat., p. 94 — 96.
X(K) Orleans I, handschrift der bibliotek zu Orleans no. 178, s. 220, XIII. jhdt, zuerst ver-
öffentlicht von Monmerqu6 in den M^langes de la Soci^tö des bibliophiles 1833 und daher bei Wright, Early
mysteries, p. 32 — 36; Du MMl, Orig. lat., p. 110 — 116; Coussemaker, Drames liturgiques, p. 178 — 194.
T, Durandus, Rationale divinorum officiorum (verfasst 1286), lib. VI., rubr. de noctumo officio
sabbati sancti. Strassburger ausgäbe v. j. 1486, bl. 110^ (antwerpener ausg. v. j. 1614, bl. 378 (1. 376)';
bei Mone, Schausp. d. mittelalt. 1, s. 9. 10; Du Möril, Orig. lat., p. 107, note 2; Drosihn, Redent. ostersp.,
s. 7, anm. 12.
Z(J), Lichtenthai, handschr. ohne nummer, XIII. jhdt, bruchstück; bei Mone, Schausp. des
mittelalt. 1, s. 19—21; Du M6ril, Orig. lat., p. 108—110.
a(L), Reichenau, Antifonarium jetzt auf der bibliotek zu Karlsruhe no. 209, bl. 11, XIV. jhdt,
mit musiknoten; bei Mone, Schausp. d. mittelalt. 1, s. 22.
b, Orleans II, handschr. der bibliotek zu Orleans no. 178, s. 225, XIII. jhdt (vgl. X), mit der auf-
schrift Sanctae mulieres; bei Du M6ril, Orig. lat, p. 116, note 1; es bildet den eingang zu dem Mysterium
apparitionis d. n. Jhesu Christi duobus discipulis in Emmaus vico bei Wright, Early mysteries, p. 37.
c, Tours, handschr. auf der bibliotek zu Tours no. 237, kl. 4^ XII. jhdt (?), auf baumwollenpapier
geschrieben, unter dem titel Prieres en vers; herausgegeben von Victor Luzarche, Office de päques ou de
la r^surrection accompagne de la notation musicale et suivi d'hymnes et de sequences in^dites etc. Tours
(Bouserez) et k Paris (Potier) 1856. 8® nebst faksimile und wiederholt von Coussemaker, Drames litur-
giques, p. 21 — 48. Eine genaue beschreibung dieses wertvollen codex hat Luzarche in der einleitung zu
einem anderen stücke desselben gegeben: Adam, drame anglo-normand du XII* siecle. Tours 1854. 8®
und danach Coussemaker a. a. o. p. 319.
Ausser diesen gibt es noch eine anzahl bisher ungedruckter lateinischer ostermysterien. Drei solcher,
die sich nur in ganz unwichtigen lesarten von U unterscheiden, sind bei diesem schon erwähnt worden.
Vier andere finden sich in den handschr. der nationalbibliotek zu Paris no. 909, fol. 21^, no. 1120, fol. 20^,
no. 1240, fol. 30^, alle dem XI. jhdt angehörend, und Suppl. lat. no. 184, fol. 179'; vgl. Du M6ril, Orig.
lat., p. 116, note 1. — Mit wenigen änderungen steht L auch in den hss. der grazer universitätsbibl. 40/96,
4®, Xn. jhdt, und 42/13, 4®, XIII. jhdt. Vgl. Schönbach a. a. o. s. 131. — Eine Visitatio sepulchri in nocte
Paschatis in der wiener handschr. no. 2054 des XV. jhdts und einen vielleicht schon im XIII. jhdt auf-
gezeichneten Ritus visitationis sepulchri ante resurrectionem domini in der wiener handschr. Cod. rec. 2237
verzeichnet Denis, Codd. theol. manusc. II, col. 2054 und 2102. — Die zehn lateinischen mysterien einer
aus St. Benoist-sur-Loire stammenden, jetzt der bibliotek zu Orleans gehörenden handschr., welche Luzarche,
Office de päques, p. XXVI erwähnt, waren damals schon durch den abb6 la Bouderie und Monmerqu6 ediert
in den publikazionen der Soci^t^ des bibliophiles fran^ais und demnächst von Wright, Early mysteries,
p. 1—53; vgl. Coussemaker, Drames liturg. p. 326 f. und Wright, p. VI. — Meine Vermutung, dass die
von Schubiger (Die sängerschule St. Gallons, s. 21) bezeichneten st. galler direktorien, codd. 445 und
Milohiaok, Öfter nnd pMsioiuiplele. 4
26 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
582 — 538, lat. osterfeiern enthalten möchten, veranlasste mich, heim bibliotekar Idtensohn um eine durch-
sieht dieser handschriften zu bitten ; seine bemühungen haben indessen ergeben, dass sie dramatische oster-
of&zien nicht enthalten. Ob sich in den ebenfalls von Schubiger angezogenen rheinauer handschr. no. 80
und 74 etwa solche befinden, weiss iqh nicht
Endlich ist noch der Ludus paschalis^ zu erwähnen, den Bemh. Pez in einer pergamenthandschr.
des Xm. jhdts zu Elostemeuburg fand, aber trotz eindringlicher bitten zur abschrift nicht erlangen konnte'.
Maidmilian Fischer, der geschichtschreiber des Stiftes, hat bei später angestellten erneuerten nachforschungen
das unzweifelhaft höchst wertvolle stück ^ nicht wieder auffinden können*; das oben angeführte (N), durck
dessen auffindung er für seine bemühungen entschädigt wurde, vermag uns den schmerzlichen verlust jenes
nicht zu ersetzen. Denn nach dem von Pez mitgeteilten eingangs jenes Spieles zu schliessen, waren in
demselben die gränzen, in denen sich die übrigen noch ausschliesslich bewegen, schon weit überschritten.
Das auftreten des Pilatus unter dem später stereotyp gewordenen korgesange ,Ingressus Pilatus' etc.
(ev. Job. 18, 33 ff.) und der pontifices, die ihn an die aussage Jesu erinnern, dass er in dreien tagen
wieder auferstehen werde, beweisen, dass hier die bestellung der grabwache schon zur darstellung gebracht
wurde. Es schloss mit dem bekannten ,Krist der ist erstanden^ war aber sonst jedenfalls vollständig
lateinisch', denn es ist nicht wahrscheinlich, dass das vorkommen deutscher strofen oder reimpare von
Pez unbeachtet geblieben oder verschwiegen wäre. Das deutsche lied am Schlüsse ist wohl nur darum
angefügt worden, um auch dem bis dahin stumm zuschauenden volke eine gelegenheit zu verschaffen, seiner
festfreude lauten ausdruck zu geben.
Der Ludus paschalis de adventu et interitu Antichristi^ obgleich auch ein lateinisches
osterdrama, steht mit den hier besprochenen mysterien in keiner beziehung. Ich darf mich daher damit
begnügen, ihn zu erwähnen, und auf die abhandlung von J. 6. V. Engelhard, De ludo paschali saeculi
duodecimi, qui inscriptus est: De adventu et interitu Antichristi. Erlanger Universitätsprogramm
ostem 1831. 4^ die neueste ausgäbe von 6. v. Zezschwitz, Vom römischen kaisertum deutscher nation.
Leipzig (Hinrichs) 1877 und die metrische Übersetzung von Johannes Wedde, Das drama vom römischen
reiche deutscher nation, eine nationale dichtung aus Barbarossa's zeit. Hamburg (Grädener) 1878. 8^
hinzuweisen.
A* DIE AELTESTE FOBM.
Der verhältnissmässige reichtum und das hohe alter einzelner der erhaltenen denkmäler, dazu die
langsamkeit ihrer entwickelung, die wir auf einem grossen Frankreich, Süd-und Westdeutschland umfassenden
gebiete in einem Zeiträume von beinahe drei Jahrhunderten (vom 11. bis in die zweite hälfte des U.)
schrittweise verfolgen können, geben die hoffhung, dass sich annähernd wenigstens die älteste form der
1. B. Pez, Thejiauras anecdotorum novissimus. Tom. ü. Dissert. isagog. pag. LIII.
2. Perlul enter ludum pascbalem clauBtroneoburgenBem adjanxissemus, nisi preoes et litterae, in qnibiu aliqnod eju»
apographam magno studio requaivürnns, irritae fuissent Pez ibid.
3 Aus dem 13. jhdt besitzen wir nur zwei lat.-deatsche passionsspiele, den benediktbeaemer Ijudus pasoh. und das als
,ostei-8piel' von Jos Haupt herausgegebene wiener (Wagners archiv f. d. gesch. deutsch, spr. u. dicht. Wien 1874.
S. 359—381): das erstere bekanntlich in verworrener und unvollständiger Überlieferung, das zweite nur in spärlichen
lirnchstüken. Alle späteren stocke sind sozusagen yollständig verdeutscht.
4 Frz Kurz, Oesterreich unter herzog Albrecht lY. 2, s. 29.
6. Vgl. Fundgruben. 2, 241.
e Hoffmann a. a. o. vermutet aus diesem Schlüsse, dass es nicht durchweg lateinisch gewesen.
7. Aufgefunden und mitgeteilt von Pez, Thes. anecdot. nov. Tom. II, pars III, pag. 185 — 196. t
S. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. A. DIE AELTESTE FORM. 27
lateinischen osterfeiern werde feststellen lassen. Gemäss den drei über ihre entstehung aufgestellten an-
sichten kann sie eine dreifach, verschiedene gewesen sein, ihre spuren können in keinem falle ganz verloren
sein, wenn eine jener hypotesen begründeten anspruch auf Wahrscheinlichkeit erheben darf. Denn mög^i
es lateinische gottesdienstliche responsorien (versus) gewesen sein, welche, das osterdrama erzeugend, mit
kirchlichen gebrauchen wie dem aus St. Blasien (D), Zürich (J) und von Durandus beschriebenen (Y) in
Verbindung traten (Mone), oder mögen die gesprochenen Sätze des osterevangeliums Markus 16, 1 — 7
(Wilken), oder endlich die wechselreden in der zweiten hälfte der sequenz ,Victimae paschali* (Schönbach),
als die grundlagen angesehen werden, die sich zur dramatischen auferstehungsfeier entfalteten: immer wird
man entweder jene keime^ selbst als einen integrierenden bestandteil bei denselben anzutreffen und die
ihnen innewohnende zur gestaltung der vorliegenden osterdramen treibende kraft zu erkennen, oder aber
die gründe zu finden erwarten müssen, welche die Vernachlässigung und das aufgeben des ursprünglichen
keimes hinreichend erklären. Der weg, den hienach die folgende Untersuchung einzuschlagen hätte, könnte
also der sein, dass die gründe, welche für die bestehenden ansichten geltend gemacht worden sind, gegen
einander abgewogen, widerlegt oder bekräftigt würden, so dass einer von ihnen, als der den umständen
nach wahrscheinlichsten, der Vorzug eingeräumt werden dürfte. Allein, es sind diese teorien in Wirklichkeit
aus einem umfassenden Studium der vorhandenen denkmäler weder hervorgegangen, noch überhaupt ein-
gehender begründet worden, und sie haben einstweilen durch wenig anderes, als durch die autorität ihrer
Urheber eine bedeutung. Müssen also dafür oder dagegen sprechende entscheidende beweise erst noch ge-
funden werden, so wird doch eine vorurteilslose und von grund aus neue sorgfaltige Untersuchung ange-
messener und eher gesicherte resultate zu ergeben geeignet erscheinen. Und wenn diese aufgäbe metodisch
angegriffen wird, so muss ihre lösung von selbst zur Übereinstimmung mit einer der früheren ansichten
führen, oder die beweise ihrer unhaltbarkeit im gefolge haben.
Jedem der eine grössere anzahl der erhaltenen lateinischen osterfeiern hintdreinander liest, werden
alsbald gewisse Sätze auffallen, die, wenn auch mit mannigfachen stilistischen abweichungen, in allen stücken
wiederkehren. Es ist jener kurze dialog, welcher die begegnung der drei Marien mit dem oder den engein
im grabe des gekreuzigten am ostermorgen vergegenwärtigen, durch welche die auferstehung Jesu
zuerst bekannt und erwiesen wurde und die eine unmittelbare anlehnung an die evangelischen berichte
deutlich erkennen lässt. Versuchen wir also zunächst die reden und gegenreden der frauen und engel
in allen vorkommenden fassungen zusammenzustellen und unter sich und mit den biblischen darstellungen
zu vergleichen, um zu sehen, ob sie sich in solcher Übereinstimmung befinden, dass daraus auf eine oder
mehrere ursprüngliche formulierungen derselben geschlossen werden darf, und ob einige davon und welche
die eigenen werte des biblischen textes benutzt haben können. Es ergibt sich sofort, dass bei jedem
Satze zwei wesentlich verschiedene fassungen zu unterscheiden sind, nämlich
la
1. Quig revolvet nobis lapidem ab ostio monumenti? RUV
2. Et dioebant ad invioem:
Quis revolvet nobis lapidem ab ostio? M
3. Quis revolvet nobis lapidem? D
4. Quis revolvet? FJW
5. Sed nequimns hoc patere sine adiatorio;
quisnam saxum hoo revolvet ab monumenti ostio? X
Ib
6. Quis revolvet nobis ab ostio lapidem, quem tegere
sanctum (saorum T) oemimus sepulohrum? GHKLNQT
4*
28 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
Dieser satz fehlt in ABGEOPS. DEFJO können nur in beschränktem masse hier herbeigezogen
werden, weil sie nicht in ihrer eigentlichen Spielabfassung überliefert sind, sondern nur in beschreibender
form von kirchenschriftstellem mitgeteilt werden, die nur auf eine veranschaulichung der feier im ganzen,
nicht auf die einzelheiten gewicht legten und deshalb die einzelnen Sätze meist nur durch ihre anfangs-
worte bezeichneten, vielleicht auch solche, die ihnen unwesentlich erschienen, ganz übergingen. Auch W
gibt ausschliesslich die notwendigsten anfange, gewiss weil diese genügten, um das übrige zum teil so
geläufiger bibelstellen in einer alljährlich sich wiederholenden kirchlichen feier im gedächtnisRe der agie-
renden geistlichen sofort zu reproduzieren.
Die fassung von RUV ist wörtlich die aus Markus 16, 3 bekannte; M gibt den ganzen vers ein-
schliesslich der erzählenden werte des evangelisten, welche nicht zum dialog gehören, nur monumenti fehlt.
FJW deuten die frage offenbar nur an, wahrscheinlich auch D: auch das letztere lautete vollständig, nach
dem anfange zu schliessen, wie im evangelium, während sich von FJW nicht sagen lässt, ob sie la, oder
Ib folgten. X repräsentiert nächst dem officium aus Tours die ausgebildetste form der lateinischen oster-
feiem und zeigt an dieser und an mehreren anderen stellen die neigung auch anderer späterer stücke
(namentlich T), den dialog rytmisch umzugestalten, hier ersichtlich aus der durch RUVMDFJW bezeugten
ursprünglichen fassung. — Dass auch Ib auf jenem älteren biblischen texte beruht, ist klar. Derselbe ist
jedoch in eine bestimmte neue form umgeprägt worden und zwar schon im 12. jhdt und begegnet auch
in HT, zwei französchen stücken, was zu beachten ist.
na
1. Quem quaeritis in sepulchro, o (o fehlt P) ohristioolae? ABGMPSUy(W)X
2. Quem quaeritis in sepulohro?
3. Quem quaeritis? DEFJ
4. Quem vos, quem flentes? R
IIb
5. Qaem quaeritis, o tremulae mulieres, in boo tumulo ge-
mentes (plorantes 6HT)? 6HKLNQT
Im ganzen dasselbe verhältniss, wie bei I. W deutet diese stelle nur an durch Venüe, venite! es
muss aber ebenfalls eine ähnliche frage der engel enthalten haben, wie die anderen stücke, weil sonst die
folgende antwort der frauen der motivierung entbehrte. Bei I stellte sich W zu la und wird demgemäss
hier IIa beizuzählen sein. stimmt mit der hauptmasse der durch IIa vertretenen stücke überein, es
fehlt nur die anrede. DEFJ sind zweifelhaft, jedoch gehört D nach analogie von I zu IIa, ebenso K
nach IV. R scheint verderbt. — IIb ist wiederum eine besondere eigentümliche fassung und erscheint in
denselben stücken wie Ib. — Auch bei diesem satze finden beziehungen zu den evangelien statt. Es empfiehlt
sich indessen zuerst noch no. III, IV und V vorzulegen, die in den biblischen darstellungen enge mit ein-
ander verflochten sind, und sich daher besser im zusammenhange besprechen lassen.
Ula
1. Jesum Nazarenum orucifixum (orudf. fehlt M), o ooelicola
(coelioolae BCP)1 ABCMPQSÜVX
2. Jesum Nazarenum t DEFJO W
8. Nos Jbesum Christum 1 R
inb
4. Jbesum Nazarenum cruoifixum quaerimus! 6HKLNT
Die Verteilung der stücke ist im ganzen unverändert. DEFJOW lassen wiederum ihre zugehörigteit
nicht erkennen, jedoch wird man auch hier von DEOW annehmen dürfen, dass sie sich Ula angeschlossea
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. A. DIE AELTESTE FORM. 29
haben. Bemerkenswert ist nur, dass dieses mal Q bei Illa begegnet, während im übrigen in der besondem
fassung Illb dieselben stücke zusammengehen, wie bei Ib und IIb.
IVa
1. Non est hio, snrrexit ricut (enim sicat UV, sioat ipse B)
praedixerrat (dixit BUV) ABCEMPSUV
2. Qnid, ohristioolae, qoaeritis ^iventem oom mortuis?
Non est hio, sed surreidt, praedixit ut disoipalis! X
3. Non ert hio, snrrexit! G
4« Non est hio, yerel R
5. Non est hio! DFJOW
6. Nolite metuere vel laedi terrore;
scio quia qoaeritis lesum hie sepoltom,
coias Yos intenditis venerari coltam.
iam snrrexit, hio non est, ut non loqnar maltum,
miohi si non creditis, videte sepalohmm! T
IVb
7. Non est hio, quem quaeritis! HKLNQ
Die Scheidung der dramen in zwei klassen bleibt im wesentlichen dieselbe. DFJOW bleiben in der
schwebe. X hat wiederum seinem streben nach rytmischer änderung nachgegeben, lässt aber die ursprüng-
liche mit IVa 1 übereinstimmende form in. seiner zweiten zeile noch erkennen. Q ist zur gruppe IVb zu-
rückgekehrt, während G und T ausscheiden, G mit annäherung an IVa 1, T mit ganz neuer versifizierter
Umgestaltung.
Va
1. Ite, nnntiate discipolis eins, qma praeoedet yos in Galilaeam! C
2. Ite, nnntiate quia surrezit! BP
3. Ite, nnntiate quia snrrexit a mortuis! £
4. Ite, nontiate qnia sorrexit de sepnlohro! AM
6. Ite, nontiate qma snrrexit dioentes Sorrexit dominus de
sepnlohro 1 S
6. Ite, nnntiate D
7. Ite ad discipnlos eisque nnntiate,
quod dominus a mortuis surrezit; festinate,
in Galilaeam ibitis oum gaudio et paoe,
ibi eum videbitis; nolite dubitare. T
Vb
8. Sed cito (Et UV) euntes dicite (nnntiate HKLN) disdpulis
eins et Petro quia snrrexit Jhesus (Jhesus fehlt ÜY)I GHKLNQUV
9. Cito euntes dicite discipulis, quod sorrexit dominus. Alleluial X
Euntes didte disdpulis dus, quia snrrexit et eooe praeoedit
vos in Galilaeam: ibi eum videbitis. W
Fehlt: FJOR.
Die bisher beobachtete einmütigkeit der der ersten rezension angehörenden dramen ist hier verloren.
Man darf indessen vermuten, dass die wenigen werte Ite, nuntiate quia surexit, welche als das konstante
in den meisten der verschiedenen fassungen hervortreten, die originale form dieses satzes repräsentieren.
Bei Vb hat sich dagegen nun auch G wieder eingefunden. UV treten hier zum ersten male in dieser
rezension auf, und X und W, welche früher ebenfalls hauptsächlich der ersten folgten, haben sich der
zweiten in bemerkenswerter weise genähert, W allerdings zunächst nur durch den wörtlichen anschluss an
Matthäus 18, 7, vielleicht aber doch nicht ohne einwirkung der zu Vb zählenden stücke. Dass diese rede
30
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
in FJOR ganz gefehlt habe, ist nicht unmittelbar aus dem fehlen derselben in der Überlieferung zu schliessea;
vielmehr wird man annehmen dürfen, dass das andeutende Non est hie des vierten Satzes auch diesen in
sich begreife, da er z. b. in GHKLMNQ direkt mit jenem verbunden ist
Sehen wir nun, wie sich dieser dialog zur darstellung der drei ersten evangelisten verhält. Die
bezüglichen stellen sind folgende
EV. MARK, »le, 6. 7
6 Qiii [so angelus] dielt illis Nolite ex-
pavesoere: lesam quaeritis Nazare-
num crucifixum: surrexit, non est
hie: ecoe locus ubi posaerunt eum.
7 Sed ite dieite diseipulis eins et
Petro qaia praecedit vos in Gali-
la eam: ibi eum videbitis, sicut dixit
vobis.
EV. LUK. 24,
5 cum timerent autem et declinareat
Yultum in terram, dixerunt ad illas Quid
quaeritis viventem cum mortnis?
6 Non est hie, sed surrexit: recor-
damini qualiter locutus est vobis com
adhuc in Galilaea esset, 7 dioens quia
oportet filium hominis tradi in manoi
hominum peocatorum et orucifigi et die
tertia resurgere.
EV. MATTH. 18, 5—7
6 Respondens autem angelus dixit mn-
lieribus Nolite timere vos: seio enim
quod lesum qui crueifixus est
quaeritis: 6 non est hie, surrexit
enim sicut dixit: venite et videte
locam ubi positus erat dominus. 7 Et
cito euntes dieite diseipulis eins
quia surrexit, et eooe praecedit
vos in Galilaeam: ibi eum videbitis.
Ecoe praedixi vobis
Diese einfachen erzählungen unterscheiden sich von den dramatischen osterfeiem in sehr wesentlichen
punkten. Erstens ist hervorzuheben, dass sie nicht dialogisch gehalten sind, dass vielmehr nur der engel
redend eingeführt wird, der die fragen der Marien vorwegnimmt und zugleich die auferstehung Jesu und
die botschaft seiner erscheiuuug in Galiläa verkündet. Zweitens sind seine worte auch nicht der art, dass
sie unverändert zum dramatischen dialog verwant werden konnten. Dennoch sind auch diese partien der
evangelien zur abfassung der osterdramen benutzt worden, das zeigen einige wörtliche Übereinstimmungen
schon bei der oberflächlichsten vergleichung . Es ist also zunächst zu untersuchen, in welcher weise ihre
benutzung stattgefunden hat. Selbstverständlich nur in bezug auf die stücke der ersten rezension, denn die
zweite ist eine spätere eigene bearbeitung, die nur auf grundlage der ersten entstanden sein kann.
Die erste frage der frauen Quis revoluet etc. hatte das evangelium Markus sogleich in passender
form dargeboten; man sollte demnach erwarten, dass dasselbe, besonders auch weil es das evangelium des
ostertages ist, dem ganzen drama zur grundlage gedient habe. Für die frage des engeis Quem quaeritis etc.
und die antwort der Marien Jesum Nazarenum crucifixum etc. ist in der tat die anlehnung an Markus 16, 6
wahrscheinlicher, als an Matthäus 18, 5. IVa Non est hie etc. dagegen lässt sich auf die worte jenes
Surrexitj non est hie nicht zurückführen, sondern steht in offenbarer abhängigkeit zur fassung des letzteren.
Denn UV stimmt mit Matth. 18, 6 wörtlich zusammen, B setzt nur sicut ipse statt enim sicut und die
hauptmasse der übrigen stücke sicut praedixerat für enim sicut dixit. Va enthält nichts, was einen engeren
anschluss an ^ines der beiden evangelien zu behaupten gestattete. — Das evangelium des Lukas ist bei
der ursprünglichen abfassung gar nicht in betracht gezogen worden. Die frage des engeis Quid viventem
quaeritis cum mortuis? (Luk. 18, 5) liess sich im drama nicht gebrauchen, weil sie die Verkündigung der
auferstehung schon vorwegnimmt und den in dem Non est hie etc. konzentrierten dramatischen effekt ganz
abgeschwächt haben würde. In dem hier besprochenen abschnitt ist sie nur von X in IVa verwertet
worden.
Fast ebenso häufig, wie die bisher besprochenen fünf Sätze, begegnet in den lateinischen osterfeieni
der sogenannte^ ambrosianische lobgesang, das Te deum laudamus. Es ist zwar nur in DEF6JKLMN0P
1. Der wahrscheinliche Verfasser ist bekanntlich nicht der h. Ambrosius, sondern Nicetus, bischof von Trier (um 585).
Vgl. K. Alt, der christliche Cultus. Berlin 1843. S. 428 anm.
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNO. A. PIE AELTESTE FORM.
31
B(S)UVWXY überliefert, hat aber ohne zweifei auch die übrigen stücke (ABCHQT) beschlossen und ist
bloss deshalb in diesen nicht erwähnt worden, weil er bekanntennassen im österlichen ritus eine feste stelle
inne hatte. Durch die ihm unmittelbar voraufgehende dramatische aufführung musste die Wirkung dieses
gewaltigen gesanges erheblich gesteigert werden, dessen hohe bedeutung vielleicht durch sie erst den
Dichtgeistlichen andächtigen zum verständniss gebracht wurde.
Es ist im obigen gezeigt worden, dass die genannten fünf Sätze allen deutschen, französischen und
dem holländischen mysterium gemeinsam sind und mit ausnähme des ersten aus dem ev. Markus wörtlich
entlehnten, unter benutzung der erzählungen der evangelisten Markus und Matthäus zu einem dramatischen
dialog frei komponiert wurden. Es hat sich dabei zugleich ergeben, dass sich dieselben in zwei streng
geschiedene Versionen teilen, deren zweite ein eigentümliches festes von dem biblischen texte stärker ab-
weichendes gepräge erhalten hat und deshalb späteren datums sein muss. Bei den dramen, welche der
ersten version folgen, war dagegen eine Unsicherheit und ein schwanken bemerkbar in der formulierung,
die ja durch die quelle, die evangelien, nicht eine gegebene bestimmte war, sondern durch den oder die
Urheber und Verfasser der ursprünglichen dramatischen formen erst gefunden werden musste. Diese werden
wir daher noch einmal genauer ins äuge fassen müssen, um zu entscheiden, ob sie auf einer mehrfachen
von einander unabhängigen autorschaft beruhen, oder auf ^ine bestimmte, erkennbare urform schliessen
lassen und als unwesentliche leicht erklärbare yariazionen einer solchen betrachtet werden dürfen. Dabei
wird es nicht ohne Interesse sein, die nationalität der stücke zu beachten; denn es ist gar wohl denkbar,
dass die französischen stücke mit den deutschen anfänglich nichts zu schaffen gehabt haben, sondern nur
zufällig in Verfolgung des gleichen Zweckes und durch die naheliegende benutzung derselben evangelien
zu einer nur scheinbaren, mehr äusserlichen Übereinstimmung gekommen seien. Ich trenne deshalb die
stücke beider länder durch einen senkrechten strich und stelle die deutschen vor, die französischen, denen
ich das utrechter (S) anschliesse, hinter denselben. Da femer hier nur bestimmte Urformen eruiert werden
sollen, so bedürfen erkennbar willkührliche spätere ausweichungen einzelner stücke nur einer erwähnung
mit übergehung der bereits angegebenen speziellen fassungen. Die nur die anfangsworte gebenden dramen
führe ich bei Übereinstimmung derselben mit denen anderer unter diesen auf, setze sie aber, um das urteil
' des lesers nicht zu trüben, als zweifelhaft in klammem ; es sind dies, wie schon bemerkt, besonders DEFJO W.
la: Qms revolvet nobis lapidem ab ostio monnmenti? (DF) (J)M R
ÜV(W); abweioh. X; fehlt AjBCEOFS.
IIa: Quem qnaeritis in sepulohro, o ohristioolae?
Illa: lesiim Nazarenam omcifixiiin, o coelioolae!
IVa: Non est hio, surrexit dcat praedixeratl
Ya: Ite nuntiate qoia surrexit.
abweichend CT, fehlt FJR|OW.
A(DF) (J)M I BC(EO)PÜV(W)XS.
A(DF) (J)MQ |BC(EO)PÜV(W)XS; abweich. R.
A(DFGJ)M |BC(EO)PÜV(W) S; abweich. IITX.
so nur die französ. stQcke BP, anfangsworte D, mit Zusätzen AM | ES,
Gegenüber dieser Übersicht wird man sich der Überzeugung nicht verschliessen dürfen, dass diese
fassungen die ursprüngliche form der lateinischen osterfeiem überhaupt darstellen. Denn es ergibt sich,
dass in IIa, Illa, IVa AM|BCPÜVS und den anfangsworten nach zu schliessen auch DFJ|EOW regel-
mässig zusammengehen, dass X in IIa und Illa diese ältere form bewahrt und IVa in offenbar ihm eigen-
tümlicher weise geändert hat, dass ferner Q und 6, die im übrigen durchaus zur zweiten rezension ge-
hören in IIa resp. Illa noch die ursprüngliche fassung erhalten haben und die übrigen abweichungen in R
und T (das ebenfalls hauptsächlich zur zweiten rezension gehört) dagegen nichs beweisen können. Wenn
die angegebene fassung von Va die ursprüngliche form repräsentiert, was durchaus wahrscheinlich ist, so
stimmen auch hier die meisten stücke überein, nämlich A(D)M|BPES. Zweifelhaft ist nur der erste satz
Quis revolvet etc., der in A|BCEOPS fehlt, also in solchen dramen, die sowohl wegen ihres hohen alters,
32 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
als auch weil sie von den erweiternden Zusätzen späterer stücke (namentlich der schon sehr firühe aufge-
nommenen Ad monumentum venimus etc., Cernitis, o socii etc., Currebant duo simul etc.) noch ganz oder naheza
frei sind, die annähme, der ursprünglichen abfassung besonders nahe zu stehen, sehr wahrscheinlich
machen. Dabei ist zu beachten, dass sie drei verschiedenen ländern angehören und dass jenes Quis re-
volvet etc. aus Markus 16, 3 wörtlich entnommen ist, also sehr leicht an weitauseinander liegenden orten
mit vollkommener gegenseitiger Übereinstimmung dem von ^inem Verfasser komponierten urdrama hinzuge-
fügt werden konnte. Dass aber die angegebenen fassungen der übrigen Sätze nicht bloss die ältesten sind,
sondern auch wirklich von 6inem Verfasser herrühren müssen, wird durch folgende beobachtungen unwider-
leglich erwiesen. Erstens ist dieser kurze dialog, wie wii gesellen haben, eine ziemlich freie bewusste
komposition aus zwei evangelien, der sich also nicht aus dem osterevangelium des Markus und seiner Vor-
tragsweise mit verteilten rollen gleichsam von selbst im gottesdienste zum drama gestaltete, sondern aus
ganz Ulidialogischen erzählungen mit erheblichen Veränderungen des biblischen textes in bewusstcr absieht
zum dramatischen dialog erst geschaffen werden musste. Es geschah dieses zweitens mit einer solchen
ausnahmslosen Übereinstimmung in der auswahl der gegebenen Stoffe, dass sich z. b. die übergehung von
stellen wie Ecee locus etc. (Mark. 16, 6), oder Venite et videte locum etc. (Matth. 18, 6), die sich unmittel-
bar zur benutzung darboten und späterhin ihrer Verwendung in den osterdramen auch nicht entgangen sind,
bei der Voraussetzung mehrerer Verfasser nicht erklären iiesse. Drittens ist die gestaltung des dialogs als
ganzes bei allen erhaltenen und die fast wörtliche Übereinstimmung der meisten zur ersten rezension ge-
hörenden dramen eine solche, dass die erstere schwerlich, die letztere niemals von mehreren unabhängigen
Verfassern eiTeicht worden sein könnte. Denn, wenn man schon voraussetzt, dass die verschiedenen Ver-
fasser ihr augenmerk sofort auf die beiden evangelien des Markus und Matthäus gerichtet hätten, — wozu
indessen eine nötigung keineswegs vorliegt, da sich die auferstehung Jesu auch in anderer weise drama-
tisieren Hess und in den lateinisch-deutschen osterspielen tatsächlich auch noch anders dargestellt worden
ist und z. b. nach Schönbachs annähme durch die wechselreden der M. Magdalena mit den aposteln
Petrus und Johannes in der zweiten hälfte der Sequenz Victimae paschali ursprünglich zur anschauung ge-
bracht worden sein soll, — so hätte die ausführung doch immer noch sehr verschiedenartig ausfallen können
■
und müssen, weil die evangelien den Verfassern in dieser beziehung hinreicliend Spielraum gewährten. Die
reden IIa und Illa mussten ja erst gemacht werden; es wäre aber in der tat ein äusserst merkwürdiger
Zufall, dass unter der Voraussetzung je eines Verfassers für Frankreich, Deutschland und Holland alle drei
hier gerade an Markus 16, 6 sich enger angeschlossen haben sollten, als an Matthäus 18, 5, bei IVa die
Version Matthäus 18, 6 enim skut dixit in sicut praedixerat einhellig geändert und wiederum bei Va sämmt-
lich eine übereinstimmende aber von beiden evangelien abweichende fassung gefunden haben sollten, anstatt
eine der von diesen zur aufnähme gebotenen einfach anzunehmen.
Hieraus ergiebt sich von selbst, dass die ansieht Wilkens durchaus falsch ist, bei der kritischen
betrachtung unserer deutschen osterfeiern könnten die gallikanischen, so viel ähnliches sie enthalten möchten,
ohne schaden bei Seite bleiben*, da man auf beiden ufern des Rheines von selbst gewusst habe, welche
stellen des neuen testamentes für ein osterspiel in betracht kommen, weshalb die Übereinstimmung solcher
texte für einen direkten Zusammenhang nichts beweise^. Wilken konnte eine solche behauptung natürlich
nur aussprechen, weil er eine sorgtältige vergleichung der deutschen und frsnzösischen stücke gar nicht
unternommen und eine scharfe Unterscheidung zwischen dem nicht gemacht hatte, was von untereinander
1 TeUer die kritische 1>eh;indlung der geisilicben spiele. S. 19.
2. Daselbst s. 18, anra. 1.
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. A. DIE AELTESTE FORM. 33
unabhängigen Verfassern bei der dialogisierung des markusevangeliums übereinstimmendes hervorzubringen
möglich oder unmöglich war. Eine darauf gerichtete Untersuchung ist ihm auch dann nicht in den sinn
gekommen, als Schönbach den unmittelbaren Zusammenhang der französischen und deutschen dramen be-
hauptet und ihm darum die gänzliche übergehung der ersteren zum Vorwurf gemacht hatte ^, wo es doch
sehr in seinem interesse gewesen wäre, denselben durch stichhaltige beweise von sich abzuwehren. Dass
er nicht schon vorher von Mone dazu gedrängt worden war, erklärt sich, wie wir gesehen haben', aus der
völligen unkenntniss und verkennung seiner anschauungen. Er glaubt sich vielmehr mit Mone in voll-
kommenem einvernehmen und bezieht sich auf ihn als einen solchen, der seine entwickelungsweise schon
,mit genügender klarheit' gezeigt habe'. Aber gerade in der dialogisierung des markusevangeliums, welche
Wilken sogar unter der Voraussetzung mehrerer Verfasser so sicher und leicht sich zu ergeben scheint,
dass er sich jeglichen beweises überhoben erachtet, lag für Mone eine Schwierigkeit, gross genug, um ihn
auf andere formen und antriebe für die ableitung der osterdramen sinnen zu lassen. Ich will jedoch hier
nicht wiederholen, was ich oben s. 16 ff. schon des weiteren auseinandergesetzt: ich habe nur geglaubt an
dieser stelle nochmals darauf hinweisen zu inüssen.
So weit die erste rezension. Mit der zweiten werden wir uns ungleich viel schneller abfinden
\können. Es begegnen hier nur sehr wenige differenzen und diese sind ganz nebensächlicher art. Die
Variante saerum T statt sanetum 6HKLNQ in Ib ist ganz irrelevant; die andere plorantes 6HT statt ge^
mentes KLNQ in IIa könnte nur etwa für plorantes als die ursprünglichere lesart geltend gemacht werden,
weil sie von den beiden französischen stücken LT und 6, dem seiner entwickelungsstufe nach ältesten
deutschen dieser rezension, bezeugt ist, während sich bei der dritten nuntiate KLNjH statt dkite GQ|UV in
Vb auf beiden Seiten französische und deutsche stücke gegenüber stehen ; da indessen die stücke der ersten
rezension sämmtlich nuntiate vertreten und dicite aus Matthäus 18, 7 und Markus 16, 7 sehr leicht nach-
träglich eingang gefunden haben mag, so wird man sich mit mehr Wahrscheinlichkeit für ersteres entscheiden
müssen. Daran, dass diese rezension nur das werk eines umarbeiters sein kann, wird von vorne herein
niemand den geringsten zweifei haben. Die einzelnen Sätze tragen ein viel bestimmteres aber auch von
den evangelien stärker abweichendes gepräge, als die der ersten, Q steht bei Illa, G bei IVa mit einem
fusse noch in dieser, UV sind zuerst mit Vb in die zweite übergetreten, und die annähme, dass die
zweite rezension die frühere sei, dass die stücke der ersten später jedoch einen engeren anschluss an
die eigenen werte des biblischen textes gesucht hätten, würde die dabei erreichte und oben nachgewiesene
Übereinstimmung in den einzelnen fassungen völlig rätselhaft erscheinen lassen. Ausserdem ist die zweite
rezension nur in solchen dramen vertreten, die zufolge augenscheinlich später eingeschalteter elemente einen
höheren entwickelungsgrad bezeichnen, und wenn wir sehen, dass die folgende zeit nicht allein durch die auf-
nähme von neuen bibel- und ritualsätzen, hymnen und ganzen szenen, sondern auch durch die umdichtung der
schon vorhandenen formen (z. b. T IVa und Va, X la und IVa) unaufhaltsam zu weiterer entwickelung trieb, so
können wir auch in dieser zweiten rezension nichts anderes erblicken, als eine Wirkung eben dieser schon im 12.
Jahrhundert erwachten neigung nach rundung und Vervollständigung des dialogs und des dramatischen stoflFes.
Schliesslich scheint mir die eigentümliche mischung von Matthäus 18, 7 und Markus 16, 7 in Vb
noch eine besondere anmerkung zu verdienen. Man sollte erwarten, dass ein umarbeiter, der hier auf die
evangelien zurückging, die eine oder die andere version unverändert aufgenommen habe, weil beide seinem
1. In seiner rezension, Zeitschrift für deutsche Philologie 4, 367 ff. Vgl. oben s. 14.
2. Siehe oben s. 16 ff.
3. üeber die kritische behandlung der geistlichen spiele s. 19 und 21.
Milohiaok, Oitor und pMtionitpiele.
34 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
zwecke entsprachen. Hier jedoch bildet Matthäus 18, 7 ersichtlich den kern, aber statt Et cito euntes
liest man mit Markus Sed (ausgenommen in UV) und aus demselben evangelium ist das bei Matthäus
fehlende diseipulis eius et Petro hinzugefügt worden. Dieser zusatz lässt sich aber nicht, ¥rie man an-
zunehmen versucht sein könnte, aus der einrichtung des Spieles erklären, dass zuweilen die übergäbe der
engelsbotschaft durch die frauen an die jünger durch einen dialog zwischen Maria Magdalena und Petras
vermittelt wird. Denn in GHKLNÜV findet ein solcher dialog noch nicht statt, in QT nur unter anwendung
der zweiten hälftc der Sequenz Vietimae pasehali, des Die nobis Maria etc., aber auch hier pflegt der frag-
steller nicht Petrus allein, sondern der kor der jünger zu sein. Femer würde man auch nicht begreifen
können, warum nicht in allen zur zweiten rezension gehörenden stücken jene sequenz sich findet, wenn der
umarbeiter durch das et Petro wirklich eine solche beziehung ausdrücken wollte, sei es nun, dass er die-
selbe in dem von ihm bearbeiteten exemplare schon vorgefunden, oder in dasselbe erst eingefügt habe.
zumal (He anwendung der sequenz seit dem 12. Jahrhundert im gottesdienste schon ziemlich verbreitet
war, mithin in ihr selbst ein hinderniss nicht gefunden werden durfte.
Das vorkommen der zweiten rezension auch in den französischen LT ist vorhin schon mehrfach er-
wähnt worden. Wir sehen also auch hier wieder, wie unrecht Wilken that, die herbeiziehung derselben so-
gleich von der band zu weisen und ihren direkten Zusammenhang mit den deutschen auf den oberflächlich-
sten augenschein hin zu leugnen.
Das resultat unserer bisherigen Untersuchung ist demnach folgendes. Die fünf nachgewiesenen Sätze
mit dem Te deum sind der gemeinsame kern aller lateinischen osterfeiem. Sie beruhen auf ev. Markus
16, :>. (). 7 und Matthäus 18, 6. 7 und spalten sich in zwei scharf geschiedene rezensionen, die beide gemäss
den übereinstimmenden besonderheiten ihrer fassungen an einem orte enstanden sein und von Einern Ver-
fasser herrühren müssen. Die erste bekundet sich als die ältere durch die treuere bewahrung des biblischen
textes und weil sie in den meisten, ältesten und einfachsten, darunter dem einzigen holländischen stücke
erscheint und in einigen der zweiten (GQ) noch nicht ganz überwunden ist; zweifelhaft ist jedoch, ob die
erste frage der frauen Quis revolvet etc. von anfang an darin aufgenommen war. Die erste rezension ist
in Frankreich und Deutschland ziemlich gleichmässig verbreitet, in Holland durch die einzige bekannte
utrechter osterfeier vertreten; die zweite ist dagegen hauptsächlich in Deutschland heimisch und findet
sich nur in «zwei französischen dramen, die überdies aus derselben Stadt Cividale stammend —
Dass die erste rezension zugleich die ursprüngliche form der lateinischen osterfeier repräsentiere, ist
schon jetzt im höchsten grade wahrscheinlich. Sie oder die aus ihr später entstandene zweite ist der einzige
konstante kern sämmüicher mysterien und macht bei AB ohne jeden ferneren zusatz überhaupt das ganze
drama aus. Wären responsorien, versus, osterlieder (hymnen) die das osterschauspiel erzeugenden demente
gewesen, so müssten sie einen gewissen dramatischen karakter gehabt und den Stoff behandelt haben, der
in unsem osterfeiem dramatisiert worden ist, oder ähnliche, die zur dramatisiening dieses trieben. Iß
diesem falle aber müsste es wunderlich erscheinen, dass derartiges in unsem denkmälem nicht mehr ge-
funden wird. Unter den spärlichen hymnen oder Sequenzen, welche in denselben vorkommen, hat nur die
zweite hälfte des Vietimae pasehali gesprächsform. Die sequenz kommt jedoch nur in QRa| OPTc vor, ist also
bei weitem nicht ein gemeinsames merkmal auch nur der deutschen stücke, wie Schönbach angibt*. ^»^
1. In lateim»oh-franzdti«oheii ostertpielen habe iob den ersten säte der zweiten rezension nur in einer handscbrift J*
U. Jahrhunderte aus der abtei d'Origny Sainte-Benoite gefunden. Vgl. Lee trois Maries bei Coussemaker, Dram« h*«^
gique« no XVIII, p. Ä66 ss. Coussemaker setzt die handschr. ins 13. Jahrhundert, wie ich indessen nach dem fok''^
simile glaube mit unrecht.
2. Siebe oben s. U.
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. A. DIE AELTESTE FORM. 35
ist allerdings schon frühe in den ritus des ostergottesdienstes aufgenommen worden und hat sich bis heute
darin erhalten. Ob dies aber schon im 11. Jahrhundert geschehen, aus dem unsere ältesten dramen da-
tieren, wissen wir nicht, war doch bis vor wenigen jähren noch unbekannt, ob sie in dieser zeit überhaupt
existierte. Andererseits ist es aber sehr wohl begreiflich, dass ein so schönes lied, das wie zur aufnähme
in die dramatischen osterfeiem gemacht zu sein scheint und ohne alle Schwierigkeit eingefügt werden
konnte, tatsächlich hin und wieder in dieselben aufgenommen worden ist. Wilken vermutet sogar, dass
nur die erste hälfte der Sequenz alt, die zweite von Die nobis Maria an und als ,responsorium' bezeichnete
dagegen urspünglich selbständig gewesen und in den osterdramen selbst im freien anschluss an Mai*kus 16, 7
und mit benutzung von Joh. 20, 3 — 7 enstanden sei. Dass ist jedoch ein irrtum. Er hat übersehen, dass
Anselm Schubiger schon im jähre 1858 zu Einsiedeln eine mit neumen versehene handschrift aus dem
12. Jahrhundert gefunden hat, welche beide teile der Sequenz umfasst und Wipo (f um 1050), den priester
und kaplan kaiser Konrads II. und Heinrichs III., als Verfasser nennte Seine heimat ist wahrscheinlich
Deutschburgund, seine Wirksamkeit gehört aber hauptsächlich Deutschland an, da er am hoflager des
kaisers lebte und nur wenn ihn seine kränklichkeit verhinderte demselben zu folgen, in Burgund zurück-
geblieben zu sein scheint. Wir werden daher auch seine sequenz als ein deutsches erzeugniss ansehen und
«eine Verbreitung zunächst in den kirchen deutschlands voraussetzen dürfen^. Wenn also Schönbach die sequenz
als die grundlage der deutschen stücke zu erweisen sucht, weil sie eine gemeinsames kennzeichen dieser
und vielleicht aus Frankreich, wo es schon dramatische osterfeiem gegeben (?), entlehnt oder durch eine
kirchliche Ordnung von Rom in Deutschland eingeführt worden sei, so hat sich der erste dieser gründe als
unzutreffend ergeben, der zweite aber ist mindestens sehr unwahrscheinlich'. Auch ist es mir unverständ-
lich, wie diese annähme mit jener anderen in einklang gesetzt werden soll, dass die französische gruppe
OP(BE) mit dem responsorium am schluss den Übergang zu den aus Deutschland stammenden bildet
Denn meint er damit, dass stücke von der entwickelungsform OP selbst nach Deutschland gekommen seien,
so ist es nicht nötig eine besondere entlehnung der sequenz anzunehmen; meint er aber nur, dass die
ältesten aus der sequenz hervorgegangenen deutschen osterfeiem OP sehr ähnlich wären, so ist nicht ab-
zusehen, wamm bloss die deutschen und nicht auch die französischen auf gmndlage der sequenz entstanden
sein sollen.
Aber auch von andern hymnen enthalten die lateinischen osterfeiem nur eine, die zu der szene der
engel und frauen am grabe gehört und zugleich in mehreren stücken vorkommt, nämlich Heu nobis intemas
mentes. Sie bildet die einleitung zu QRT, indem von den drei Marien wechselnd je eine Strophe gesungen
wird. Auf diese wird indessen noch weniger jemand die entstehung der. dramen zurückführen wollen. Was
sich überdies*in einer grösseren anzahl von stücken gemeinsames findet, sind entweder bibel- und ritualverse, die
allerwärts jedem zu geböte standen, oder neue dramatische eleroente, die behufs Vervollständigung erst nachher
1. Sohubiger, Die sängersohule St. Gallens vom 8. — 12. Jahrhundert. S. 03 und taf. VIII, der Monumenta no 35, cod.
Einsidl. frag. 1. Vgl. Jos. Kehrein, Lateinische Sequenzen des mittelalters. Mainz (Kupferberg) 1873, no 83.
Schubiger setzt die handschrift ins 11. jhdt; so weit meine erfahruugen reichen, trägt dieselbe den regelmässigen
schriftkarakter der handschriften des 12. — lieber Wipo ist ausser Schubiger a. a. o. s. 90 ff. auch W. Wattenbach,
Deutschlands geschichtsquellen im mittelalter. 2'^, 10 ff. zu vergleichen.
2. Früher hat man geglaubt, dass sie wohl in Italien gedichtet sein könnte, weil sie in italienischen drucken besonders
häutig gefunden wird. Vgl. Daniel, Thesaurus hymnologicus. IT, 1)6.
3. Was Schönbach unter Gerberts bekannten werten meint, die für eine Weisung aus Rom als ältestes zeugniss gelten
sollen, weiss ich nicht.
4. Siehe oben s. 14.
5*
36
1. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
verfasst und eingeschaltet wurden. Mit diesen werden wir uns ferner hauptsächlich zu beschäftigen haben«
Von jenen nahm jedes kloster auf, was ihm zur erweiterung und Verschönerung der feier passend erschien.
Mone kannte nur erst wenige unserer alten osterdramen und er war, wie wir gesehen haben, zu seiner
hypotese durch die Unmöglichkeit bewogen worden, dieselben wie die passionsspiele aus der Vortragsweise
des markusevaugeliums im gottesdienste abzuleiten. Einen beweis fär dieselbe hat er nicht geliefert and
wir sehen, dass ein solcher nicht geliefert werden kann.
B. ERSTE GftUPPE, ABCDE.
Die nachgewiesene älteste form der lateinischen osterfeier ist in keinem denkmal ganz rein über-
liefert. Die einfachsten foimen liegen in ABCDE vor, es fehlen jedoch in ABCE das Quis reuolvet etc.
und in ABC auch das Te deum, Sie folgen alle der ersten rezension und die zusätze, welche in CDE
aufnähme gefunden haben, gehören zum kirchlichen ritus des ostertages. Sie bilden die erste gruppe,
die ich zunächst in übersichtlicher Zusammenstellung folgen lasse, um dem leser das zum teil schwer er-
reichbare material in geordneter gruppierung vorzulegen und die mühsame vergleichung desselben nach
möglichkeit zu erleichtem.
A,
BIÜSIEOELM, XII.4HDT.
[PROPHETAE:]
1 Gloriosi et famosi
regis festum cele-
hrantes
gaudeamus,
cuius oitum, vitae
portum,
nobis (Intum prae-
dicantes
habeamus.
CHORUS:
Gloriosi etc.
PROPHETAE:
Ecce regem, novam
legem
dantem, orbis cir-
cuitum *
praedicamus,
quem futurum reg-
naturum
prophetico ammoni-
tum
nuntiamus.
♦ Vor diesein wort©
ibt )>er zu verstehen,
Mon«.
B,
PIBIS, XI. JHDT.
c.
ST. MkRTlkL, XI. JHDT.
ST. BLASIBHy XIV. JHDT.
E,
HABTBHEy I 4HDT.
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. B. ERSTE GRUPPE, ABCDE.
37
A,
EIH8IEDELN l, XII. JHDT.
CHORUS:
Gloriosi etc.
PBOPHETAE:
Sunt impleta, quae
propbeta
quisque dixit de fu-
turo
summo rege,
impiorum ludaeorum
corda negant regna-
turum
sua lege.
CHORUS:
Gloriosi etc.
PROPHETAE:
Dilatata iam privata
fit regali potestate
plebs ludaea,
et gentiles prius viles
convertuntur maies-
täte
aethereä.
CHORUS:
'Gloriosi etc.
PROPHETAE:
Deum verum, regem
regum
confitentes per lava-
crum
salvabuntur,
sed ludaei, facti rei,
condemnantes sa-
crum regem
damnabuntur.
CHORUS :
Gloriosi etc.
PROPHETAE:
Floruisse et dedisse
novum fructum di-
noscitur
radix lesse,
Israheli infideli
iam Maria natus sei-
tur
[hie*] adesse.
* Fehlt in der hf.
Mone.
B,
PABIS» XI. JEDT.
c,
ST. HABTIAL, XI. JHBT.
ST. BLASlBNy XIT. JHDT.
E,
HAETEHB» ! JHDT.
38
I. DIE LATEINISCHEN 08TERFEIERN.
A,
XI1ISIE9BL9 ly XII.JHDT.
CHORUS:
Gloriosi etc.
(PROPHETAE :
2Hortum praedesti-
natio,
parvo sabbati spatio,
providerat in proximo
civitatis pro fascio
[Sic!]
Hoitum pomorum
vario
non insignem edulio,
quantum virtutis
spatio
coaequalem Elysio.
In hoc magnus de-
curio
ac nobilis] centurio
florem Mariae pro-
prio
sepelivit in tumulo.
Flos autem die tertio,
qui floret ab initio,
•
refloruit e tumulo
summo mane dilu-
culo.
In resurrectione.
ANGELUS dicit:
3 Quem quaeritis
in sepalehro^ o
ehristieolaei
Ml'LIERES respon-
dent:
4 Jesam Nazare-
num craciflxam, o
Goelicola!
AXÜELIS dicit:
5 Non est hie, 8ur-
rexit sieut prae-
dixerat;
B,
PABIS, XI. JH»T.
c,
8T. HARTIAL, XI. JHDT.
[CHORUS:]
1 Psalliteregi magno,
devicto mortis im-
perio.
[ANGELI :]
2 Quem quaeritis
in sepuleluro, o
christicolae t
[MULIERES:]
3 Jesum Nazare-
num craciflxam, o
eoelieolael
[AXGELI:]
4 Non est hie, sar-
rexit sicat ipse
dixit;
[H]oc est de mu-
lieribus.
[VIRGO MATER DEI:]
1 übi est Christus,
meus dominus et
filius excelsus.
[MULIERES:]
2Eamus videre se-
pulchrum.
[ANGELUS :]
3 Quem quaeritis
in sepulchro, o
christicolae!
[MULIERES:]
[4 Jesam Nazare-
num cruciflxum^ o
eoelicolal]
[ANGELUS:]
5 Non est hie, sur-
rexit sicat prae-
dixerat;
ST. BLA8IEN9 XIV. aHDT.
DUO SACERDOTES
86 oappis induunt sum-
mentes duo thuribula, et
hameraria in oapita po-
nent intrantes ohonim,
paulatim euntes versus
sepulcbrum, Tooe me-
diocri cantantes:
1 Quis rOTOlyet no-
bis lapidem!
quos DIACONUS, qui
debet esse retro sepal-
chrum, interroget psal-
lendo :
2 Quem quaeritis?
deinde IL LI [sc. mu-
lieres] :
3 Jesum Nazare-
num!
Qaibus DL^CONUS
respondet:
4 Non est hie!
Mox incensent sepul-
chrum et dioente DIA-
CONO:
E,
MABTEHS, I JHBT.
Dum tertia recitatur lec-
tio, quafcaor fratres in-
duant se Quorum unus
alba indutus acsi ad
aliud agendum ingredia-
tur, atque latenter se-
pulchri locom adeat;
ibique, manu teneoi pal-
mam, quietus sedeat.
Duraque tertium perce-
lebratur responsorinm
residui tres suooedant,
omnes quidem cappia
induti, thurihula cum in-
oenso manibus gestantes
ac pedetenüm. ad simi-
litudinem quaerentinm
quid, veniant ad locom
sepulchri. Aguntur emm
haec ad imitatlonem an-
geli sedentis in mona-
mento atque mubenm
cum aromatibus venieo-
tium, ut ungerent corpu
Jesu. Cum eigo ILLE
RESIDENS tres, velut
erroneos ac aliquid quae-
rentes, viderit sibi ad-
proximare, inoipiat me-
diocri voce dulcisoos
cantare:
1 Quem quaeritis!
Quo decantato finetonus,
respondeant hi TRE^
[sc. mulieres] uno ore:
2 Jesum Nazare-
num!
Quibus ILLE:
3 Non est hie, »ur-
rexlt sicut prae-
dixerat;
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. B. ERSTE GRUPPE, ABCDE.
39
A,
BUISISDELHI, XII.JHDT.
6 ite, nantiAte qnia
snrrexit de sepul»
chro.
B,
PABIS» XI. JHDT.
6 ite, nantiate qnia
surrexit.
BT. HJLBTUL, XI. JHDT.
6 ite, nantiate dis-
eipulis eins qnia
praecedet tos in
Galilaeam.
[MULIERES :]
B,
ST. BLJLSIEN» XIV. JHDT.
5 ite, nantiate
verteilt se [MULIERES]
ad chomm, remanentes
super gradum , et oantent :
7 Vere surrexit do-
minus de sepulcro
cum gloria. Alleluia!
6 iSurrexit dominus
de sepulchro, [qui
pro nobis pependit in
ligno.]
usque in finem. Finita
antiphona domnus AB-
BAS incipiat:
superponantque linte-
um altari. Finita an-
tiphona, PRIOR congau-
dens pro triumpho regia
nostri, quod devicta
monte surrexit, incipiat
hymnum :
7 Te deani lauda- 8 Te deam lauda-
mas niU8.
in media ante altare.
Moxque campanae so-
nentur in angularibus.
Das karakteristische an diesen stücken ist allein der urspüngliche dialog. Was darüber hinaus geht,
sind selbständige zutaten, deren quellen leicht nachgewiesen werden können. Das Venite et videte heum, ubi
positus erat dominus E 6 stammt aus ev. Matth. 18, 7, das Surrexit dominus de sepukhro, qui pro nobis pepen-
dit in ligno D6 und E7 (?) aus dem introitus der ostermesse und auch das Alleluia, surrexit dominus E 5 und
Vere surrexit dominus de sepukhro cum gloria G 7 wird man unter den responsorien des unten abgedruckten
E,
XAUTfiNB, f JMDT.
4 ite<p nantiate qaia
sarrexit a mortais.
Cuius nuBsionis voce
vertant se ILLI TRES
ad chorum dicentes:
5 Alleluia! Surrexit
dominus !
Dicto hoc, rursus ILLE
RESIDENS, velut revo-
cana illos, dicat antipho-
nam:
6 Venite et videte
locum, [ubi positus
erat dominus.]
Haeo vero dioens surgat
et erigat V9lum osten-
datque eis locum cruce
nudatum, sed tan tum
linteamina posita, qui-
bus crux involuta erat.
Quo viso, deponant thu-
ribula, quae gestaverunt
in eodem sepulchro, su-
mantque linteum et ex-
tendant contra clerum;
ac veluti ostendentes,
quod surrexit dominus
et iam non sit involutus,
hano canant antiphonam
[MULIERES:]
7 Surrexit dominus
de se[)ulchroI
40 I I>IE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
ordinars für die matutin des ostertages finden, aus welchem D herrührt Diese Zusätze zeigen nur, dass min
schon bald anfing das anfangs in den engsten gränzen gehaltene drama in einzelheiten weiter auszufahren mid
wirkungsvoller zu machen. An dieser stelle wurde man dazu auch durch die lacke in der dramatischen kern-
Position getrieben, welche durch den plötzlichen Übergang von dem Ite nuntiate der engel zum Te deum des
an der auflPührung unbeteiligten kores entsteht. Die botschaft der engel ist an die frauen gerichtet, welchen
durch den plötzlich einfallenden kor der rückweg abgeschnitten wird. Es ist klar, dass sich hier bei der dar-
stellung die notwendigkeit eines Überganges sogleich fühlbar machen musste, der zugleich den frauen eine
ungezwungene rückkehr in den kor gestattete und die mitteilung der erhaltenen botschaft an den kor ver-
mittelte. Durch das responsorium Surrexit dominus etc. wurde beides in ebenso einfacher als durchaus
angemessener weise erreicht. — Auch das Venite et videte etc. ist ganz geeignet die dramatische Wirkung za
erhöhen; denn indem der engel die frauen mit solchen Worten herbeiruft, schlägt er sich aufrichtend das
,velumS welches ihn bis dahin verborgen hatte, zurück, weist die geleerte grabstätte und übergibt ihnen
die schweisstücher angesichts des erwartungsvoll schauenden volkes zum beweise der Wahrhaftigkeit seiner
wunderbaren worte. Nur allerdings sollte man diese aufforderung wie im evangelium vor jener für ^e
jünger bestimmten botschaft erwarten, weil sie zur ei^änzung und bekräftigung des Non est hie etc. dient
Darin, dass sie hier einen anderen platz erhalten hat, liegt für uns der inderekte beweis für ihre spätere
aufnähme und dass sie zur ältesten form der osterfeier noch nicht gehörte.
Natürlich war auch eine einleitung gottesdienstlicher oder gesanglicher art erforderlich, welche die
dramatische auSührung vorbereitete. Aus den grossen Verschiedenheiten, welche sich hier in beinahe
Bämmtlichen stücken zeigen, (vgl die Übersichtstabelle), geht jedoch hervor, dass sie ebenfalls in der ur-
sprünglichen abfassung nicht einbegriffen war, sondern dem eigenen ermessen jeder kirche anheimgegeben
blieb. In A sind dazu zwei hymnen verwant worden. Der erste Ghriosi et famosi wurde von zwei kören
gesungen, indem man die erste strofe nach jeder der übrigen von einem gegenkore in refrainartiger weise
vriederholen liess. Es ist offenbar ein preislied auf die gehurt Eristi, also für das weihnachsfest bestimmt,
darauf deutet auch die bezeichnung des hauptkores als ,prophetaeS weil an diesem feste 'die alttestament-
liehen profetien vorgetragen zu werden pflegten ^ Der zweite, Hortum praedestinatio etc., aus vier vier-
zeiligen strofen bestehend, ist nur von der zehnten zeile an erhalten, der anfang konnte jedoch aus P,
welches diesen hymnns ebenfalls als einleitung benutzt hat, ergänzt werden. Wenn die lücke in der hand-
schrift, wie Mone vermutet, durch den ausfall eines ganzen blattes enstanden ist, so wird ausser den ersten
zehn Versen dieses liedes auch der schluss des ersten, oder etwas anderes verloren sein, weil jene, die no-
tation eingerechnet, ein ganzes blatt nicht wohl ausgefüllt haben können, (Mone hat weder die grosse des
hs. angegeben, noch in seinem textabdruck den blattwechsel derselben angegeben)'. Dieser zweite hymnus i
enthält direkte beziehungen zur osterfeier und ist daher zur Vorbereitung der folgenden dramatischen aof-
führung ganz geeignet. Beide hymnen kommen in den bekannten hymnensammlungen nicht vor und es ist
mir nicht bekannt, ob sie sich anderwärts erhalten haben. — Auch in B dient ein korgesang als einleitung
der dramatischen feier, von dem ich jedoch nicht anzugeben vermag, woher er genommen ist. — Sehr be-
merkenswert ist C 1, welches offenbar von der Maria mater gesungen wurde, die sonst in diesen drsmea
niemals auftritt. Die Spielanweisungen hat Du M^ril hinzugefügt, da sie in der handschrift gänzlich fehlen,
vielleicht jedoch sind G 1 und 2 nicht an verschiedene personen zu verteilen. G bildet bekanntlich den
anfang des mysteriums von den klugen und thorichten Jungfrauen, sehr merkwürdiger weise, dass dies aber
1. Wilken, Grctohiohte der geistliohen Spiele. S. 67, anmerk. 7
2. Wilkin, a. a. o. 8. 67, anmerk. 6. — MftgHoh ist a« avob, dass der erste hymnns nioht su dar osterfeier, aoademSB
weihnachtsspiele gehört, welches mit jenem blatte verloren gegangen ist.
\
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. B. ERSTE GRUPPE, ABCDE. 41
für die Untersuchung der gallikanischen osterfeiem eine besondere bedeutung haben könnte, vemuig ich
^nicht zu ersehen und auch Wilken' scheint darüber eine bestimmte ansieht nicht gehabt zu haben,
D und E haben keine gesangliche einleitung, wie ABC, sie sind vielmehr zwischen der dritten lektion
und dem Te deum des matutinalen gottesdienstes am ostermorgen eingeschaltet und damit zu einem teil6
^dieser im engeren sinne gottesdienstlichen handlung erhoben worden. So wird es der erfinder der drama-
tischen osterfeier selbst gewollt haben, denn auch bei mehreren späteren stücken finden wir denselben brauch
und bei denen, die uns ohne einleitung überliefert worden sind, dürfen wir ihn mit aller Wahrscheinlichkeit
vermuten, weil ja abweichungen von den gewöhnlichen kirchlichen riten in dieser hinsieht ebenso sehr eine
besondere aufzeichnung erfordert haben würden, als das drama selbst. Dazu weisen die vom ritus der
matutin abweichenden vorspiele unter sich die grösten Verschiedenheiten auf, welche in dem masse nicht
vorhanden sein könnten, wenn der urheber des dramas selbst in dieser beziehung bestimmte Vorschriften
und texte gegeben hätte. D ist aus einer beschreibung des kirchlichen gottesdienstes am ostermorgen ent-
nommen, den ich deshalb hier zum besseren verständniss und weil später auch noch aus anderen rück-
sichten darauf verwiesen werden muss vollständig mitteilen will. Er findet sich in Gerberts Monumenta
veteris liturgiae alemannicae, pars II, pag. 236 — 238, aus einer handschrift des 14. Jahrhunderts zu
St. Blasien gezogen, unter der aufschrift
In die sacro resurrectionis dominicae.
Nocte sacratissima resurrectionis domini, cum tempus fuerit pulsandi matutinum, secretarius surgat, sumens
latemam cum lumine domnum abbatem excitabit atque priorem, deinde alios de fratribus ad compulsandas
campanas, qui sibi placuerint. Surgens autem domnus abbas ad ecclesiam eat et induit se alba, stola
•et cappa, prior autem alba et caeteri firatres summentesque duo thuribula cum incenso praecedentibus can-
delabris eant ad sepulchrum cum responsorio Maria Magdalena cum versu et eant ad sepulchrum, ac illud 5
incensent exterius, deinde levato tegimento iterum incensent interius. Postea sumens corpus domini super
altare ponit cantans responsorium Surrexit pastor honus cum versu. Interim levet corpus dominicum incensisque
candelis sonetur classis. Post ternas orationes incipiat domnus abbas XV gradus. Omnes qui in hac nocte
aliquid cantare vel legere volunt, debent esse revestiti albis praeter puerum, qui dicit versum. Infra XV
gradus sonentur duo maxima Signa in angulari, deinde duo maiora Signa in choro, postea fiat compulsatio 10
ab Omnibus campanis. Tunc veniens domnus abbas ante altare indutus cappa incipiat Domine, labia mea
aperies^ deinde Deus in adiutorium. Postea tres fratres induti cappis ante gradus cantent invitatorium
Aüeluia, ps. Venite exuUemus. Postea exuunt cappas et remanent in albis. Hymnus non cantatur, sed
statim incipiet hebdomadarius ant. Ego sum, quae dividitur in duas partes per constructiones : primam
partem canit chorus, in quo concepta est, secundam partem canit chorus oppositus. Similiter fit de 15
1. Ueber die kritisobe behandlang der geistlichen spiele, s. IS.
Zeile 5. Mmriu Magdalena ti aiia Maria ferebant dilucHh aromaia^ dominum «^•Mnles in monumenio als respoDsorinm und
Vi venieniu une^rtni Jetam, Aliehia! lautet der dazu gehörende versus. Beide nach ev. Markus 16, 1. Vgl. K 1
L 6 und 1, N 9, 7, 8.
Z. 7. Smnesii potior t<ma$^ qmi posniT animam tamm pro otibus mit als responsorium, Ei pro grege tuo mori dignalus esf.
AlUluia! als versus. Vgl. N 1.
Z. 11. Domiiie; lahia mta aptrt«!, sf ot mtam annuntiabil laudem tuam, Psalm 50, 17.
Z* 12. 00*4s in adimioriam moam inimd: Domino^ ad adunoandam me fotüna, etc. Ps. 69.
Z. 13. Kfiiilf, §9uUomat deminOf iubiUmut dso, $almlari notiro. Ps. 94, 1.
Z. 14. Ego swn, fut fMi», ei consiliam meum non esi cum impüf» eed in lege domini voluntas mta eei, AUeluia!
2t, 15. Beaiue «tr, ^iii non abiii in contilio impiorum, ei in eia peecaiorum non sieüi, ei in eaikedra peeiilenliae non itdii, Ps. 1, 1.
Kllohtaok, Otttr md pMttoatipi«!«. 6
42 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
ps. Beatus vir, qui incipiendus est in choro, in quo incepta est antiphona, et secundus versus leg»K
dus est in choro opposito. Finito psaimo et Gloria cantanda est antiphona per totum ob omnibos.
Similiter fiat ad ant. Postulavi patrem et Ego donnivi, ac psalmos Quare fremerunt et Domine quid muUi"
plieati. Omnes antiphonae cantandae sunt ad hoc matutinum sine finalibus. Versus Resurrexit dam-
f) nu8 dicendus est a puero. Ad tertium psalmum induit se levita, qui primam evangelicam lectionem
lecturus est, stola et dalmatica, et accedens ad aualogium, in quo liber matutinalis est repositus, prae-
cedantque eum tres conversi, unus portans incensum, alii duo candelabra et Stent iuxta eum. Deinde
diaconus petat benedictionem dicens lube domine, et pronuntians evangelium secundum Marcum dicens
Leetio s. evangelii seeundum Mareum. In illo tempore Maria Magdalena; cumque dixit Et reliqua, tunc re-
10 cedant conversi ab eo et incendant omnia lumina. Interim induant Uli se, qui debent primum respon-
sorium cantare, cappis et incensent principale altare; venientes autem ad fratres in superioribas locis debent
sedere usque in finem lectionis. Tunc accipiant duo conversi thuribula ab ipsis et offerant incensum onmi-
bus, qui sunt in utroque choro. Post lectionem incipiant responsorium Angelus domini cum versu et Gloria.
Similiter faciendum est ad secundam et tertiam lectionem atque responsoria. Qui secundam lectionem
15 legit, debet remanere in sola alba: similiter, qui tertiam legit, faciat, excepto abbate, qui debet legere in
cappa. Tertium vero responsorium cantent tres cantores in cappis, quorum duo incensent altare, ut supra
scriptum est. Responsorium Dum transissent, quod post Gloria patri reincipiendum est. Interim duo sacer-
dotes se cappis induunt summentes duo thuribula, et humeraria in capita pcment intrantes chorum, paulatim
euntes versus sepulchrum, voce mediocri cantantes Quis revolvet nobis lapidem. Quos diaconus, qui debet
20 esse retro sepulchrum interroget psallendo Quem quaeritis, deinde illi Jesum Nazarenum, quibus diaconus
respondet Non est hie. Mox incensent sepulchrum et, dicente diacono Ite, nuntiate, vertont se ad chorum
remanentes super gradum et cantent Surrexit dominus de sepulehro usque in finem. Finita antiphona domnus
abbas incipiat Te deum laudamus in medio ante altare, moxque campanae sonentur in angularibus. Cam
cantatur per singulos dies sonentur omnia Signa in choro. Finito Te deum laudamus procedat dominus
2fy abbas ante altare et dicat cap. In resurreetione tua Christo. Deinde inchoet matutinas laudes Deus in
adiutorium. Mox incipiet hebdomadarius ant. Et valde mane, quae altematim per constructiones est cao*
tanda sicut ant. Ego sum qui sum. De psaimo Dominus regnavit etiam faciendum est, ut de psaimo BeoAus
vir et sie primus versus incipiendus est in illo choro, in quo incepta est antiphona et secundus versus in
rlmro opposito. Cap. Si eonsurrcxistis, rof^ponsoriiim duo cantores in cappis cantent SurrexU dominus.
Zeile 3. Pothtlavi pairem meum^ alleiuia! dedii mihi gentes^ alleluia! in heredidaley alltluial — Ego dormivi ei iomnum cepi^ ''
erurrexif quem dominm micepii me, ? — Quare fremerunt geniet et fopti/t meditati sunt inania, Psalm 2, 1. — Dominik
quid multiplieati ntnt^ qui IribuUtnt me? mulii inntrgant adversum me. Ps. 3, 2.
Z. 4. Returrßxit dttminue de eepulehro^ qui pro nobis pependit in tigno» Alleluia!
Z. 8. In illo tempore Maria Magdtilene ei Vlaria taeobi et Salome emerunt aromata^ ui venientes ungerent lesum etc. £v. Markii»
IG, 1. Die kleinen Abweichungen des ritnali vom wortlaat des evangelisten finden sich auch in den dramat. osterfeiam.
Z. 13. Angelus domini desrendit de celo et accedens revolmt lapidem^ et super eum sedii ei dirii mulieribus Noliie Omere; <^
eiiiiN, qui crucifirum quaeritis: iam surrexit: cenile el videie /ocwm, tf6i posiius erat dominus, Alleluia! £y. Matih. 28, 2. ^- ^*
Z. 22. Surreseii dominus de sepulehro^ qui qro nobis pependit in ligno. Alleluia.
Z. 25. In resurreetione hta Ckriste, alleluia! Coelum ei terra laeieniur, Alleluia!
Z. 26. Ei ralde mane una sabbalorum venimnt ad monumentum^ orto iam sole, £v. Mark. 16, 2. ^
Z. 27. Ihminus regnavii^ iraseanimr papuli: qui sedH super chnubimf moveaiur terra etc. Psalm 98.
Z. 29. Si eonsurremisiis eum Christo^ quae sursum sunt quaerüef alleluia! ubi Christus est in deaetera dei sodens: quae sur>^
sunt sapüe. Alldui^ Coloss 3, 1. 2.
Z. 29. ttaee esi dies^ quam ftcit dominsts^ esmiiewsus ei laetemur in ea. Psalm 117, 24.
I
3. URSPRUNG UND ENTWICKELÜNG. B. ERSTE GRUPPE, ABCDE. 48
BymnuB Clara pasehaU. Versus Haee est dies; iste versus dicatur ad laudes, ad tertiam, ad seztam, ad
nonam et ad vesperas per totam hebdomadam usque ad sabbatum. Ad primam autem et completorium
-versus solito more dicantur; nam Uli duo nunquam mutantur. Ad Benedietus, ant. ÄUeluia lapis. Post
haec domnus abbas in medio ante altare dicat Dominus vobiseum. Coli. Deus qui hodiema die. Deinde
cantores induti cappis cantent Benedieamus domino cum ÄUeluia, De s. cruce antiphona Crueem sanetam, 5
Ista antiphona cantatur per totam hebdomadam paschae et per totam hebdomadam pentecostes ad laudes
et ad vesperas et in omnibus maioribus et minoribus festis: reliquis vero diebus in tempore paschali can-
tatur ad laudes ant. Surrexü Christus, ad vesperam autem ant. Surrexit. Gap. Dieite in nationibus. Oratio
Deus qui pro nobis. Suffiragia sanctorum ut supra ad vesperas. De omnibus sanctis ad matutinum super
psalmos ant. Saneti tui, domine, florebunt, Gap. Seimus quoniam diligentibus. Besponsorium Justi autem, 10
Hymnus Jesu salvator. Versus Mirabilis deus. Ad Benedietus In tabemaeulis iustorum. Oratio coosueta.
Deinde eant in dormitorium. Gum tempus primae fuerit, Scilla parva sonetur in dormitorio^ deinde faciant
trinas orationes. Interim hebdomadarius capellae celebret missam et ibi communicent pueri, officiales et
infirmi. Post missam sonentur duo signa ad primam. Post primam eant in capitulum. Ad tertiam hymnus
€horus novae lerusalem sine augmentatio versus, Quaesumus auetor, ant. Ite nuntiate, Post tertiam ant. 15
In die resurrectionis mae. Deinde duo cantores incipiant Salve festa dies et statim iiat processio more
Z. 4. Deus qui hodiema die jter unigenitum tuum aetemiiaUs nobis aditum devicia morte reserasti^ vola nostrot quae jtroveniendo
aspiras etiam adiuvando jtrosequere per eundem dominum no$trum lesum. Oratio ex missa in die sancto pasohae resurrect.
Z. II. Jesu, salvator saeeuli, Verbum patris altissimi eto. Daniel, Thesaurus hymnolog. I, 238 nach dem Elenchus hymno-
rvaa \, 364, das zitat ist jedoch falsch.
Z. 15. Chorus novae lerusalem Kovam meli duleedinem etc. Daniel, Thesaur. hymnol. I, 222, auch dieses zitat trüft nicht zu.
— /fe, nuntiate discipulis eius et Petro, quia praecedit vos in Galilaeam. Ev. Mark. 16, 7.
Z. 16. Salve festa dies, toto venerabilis aevo. Es gibt vier hymnen, welche mit dieser zeile beginnen und für besondere
kirchenfeste bestimmt sind, nämlich 1. In ascensione domini, Daniel, Thesaurus hymnologicus II, p. 181; Kehrein, La-
teinische Sequenzen des mittelalters no 117; 2. In die pentecostes, Daniel II, p. 182; Kehrein no 134; 3. In feste cor-
poris Christi, Daniel 11, p. 183; Kehrein, no 161 und 4. In dedicatione ecclesiae, Daniel II, p. 184; Kehrein, no 876.
Darunter ist also keiner für das Osterfest (in resurreotione domini). Es ist aber gewiss nicht anzunehmen, dass mit den
im ordinär gegebenen gleichlautenden anfangsworten einer der genannten für bestimmte andere feste gedichteten hymnen
gemeint sei. Es muss also auch einen osterhymnus mit dem bezeichneten eingang gegeben haben und ich finde in der
tat einen solchen in der , Agenda: siue Exequia|le saoramentorum. Et eorum|que in ecclesijs parrochi|alibus aguntur'
(wahrscheinlich eine inkunabel, doch kann ich sicheres darüber nicht sagen, weil das letzte blatt in dem mir vorliegen-
den wolfenbütteler exemplare fehlt und anderwärts ein druckvermerk nicht vorkommt) bl. LXKVIIab, hinter einem
,Ordo visitationis sepulcri', den ich im anhange abdrucken werde. Er lautet
Hymnus Lactantij cantetur a pueris in 15 Qui genus humanum cernens mersisse [mersum esse]
processione. [rot] profunde,
Salue festa dies, toto venerabilis euo, Utque hominem eriperes, es quoque factus homo. Sal.
Qua deus infemum uicit et astra tenet. Funeris exequias pateris vite [nouus] autor et orbis,
Ecce renascentis testatur gratia mundi, Intrans mortis iter dando salutis opem. Qui.
Omnia cum domino dona redisse suo. Salue. Solue catbenatas infemi carceris vmbras.
5 Namque triumphanti post tristia tartara Christo 20 Et reuoca sursum, quidquid ad ima mit. Sal.
Undique fronde nemus, gramina flore fauent. Qua de. Sollicitam sed redde fidem, precor, alma portans [potestas] ,
Legibus inferni oppressis, super astra meantem Tertia lux redijt: surge sepulte mens. Qua.
Laudant rite deum [lux,] polus, arua, &etum. Qui. Redde tuam faciem, videant vt secula lumen:
Qui crucifixus erat, deus ecce per [bl. 77b] omnia regnat, Redde diem, qui nos, te moriente, fugit. Sal.
10 Dantque creatori cuncta creata preoem. Qua. 25 Eripis in numenim [innumerum] populum de carcere mortis,
Mobilitas anni, mensium [mensum], lux alma dierum, Et sequitur liber, quo suus autor adit [abis.] Qua.
Horarum splendor, stridula cuncta fauent. Sal. Hinc tumulum repetens, post tartara came resumpta,
Christo, Salus rerum, bone conditor atque redemptor. Belliger ad oelos ampla trophea re [bl. 78a] fers. Salue.
Unica progenies ex deitate patris: Qua.
6*
44 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIBKN.
s
solito. Ad introitum Christus resurgenSj interim ascendant super gradus duo bene vociferati et vertant se-
■
ad chorum cantantes tropum Hodie totus arhis. Ad summam missam sequentia Landes säUmtori. Ad ve^
param ant AUeJuia erueifixus. Psalmi Laudate pueri, Laudate dominum omnes gentes, Laudate dominum
quoniam bonus^ Lauda lerusalem. Isti psalmi dicantur quotidie ad vesperas usque ad sabbatam. Cap.
5 Epurgtäe v^us. Ad quartum psalmum exeant duo cantores et induant se albis et cappis et cantent re-
sponsorium Surrexit dominus. Hymnus lam paseha. Interim praedicti cantores in cappis incensent altaria.
Ad Magnifieat ant. Surrexit enim mox cantet eam primus chorus usque Ibiy secundus chorus Ibi eum vide-
bitis. Iterum primus chorus Magmfieat^ secundus chorus reincipiat ant SurrexU enim, iterum primus
chorus Ihi eum videbitis, tunc secundus chorus Et exuüavit usque in finem psalmi. Postea recapitulat
10 primus chorus antiphonam cantando Surrexit enim, deinde chorus oppositus Ibi eum uidebitis. Tunc sab-
sequitur Gloria patri, Sieut erat. Postea omnes simul resolvant antiphonam per totum. Oratio DeuSy fui
hodiema die, Benedicamus domino aUeluia, aüeluia cantent duo cantores in cappis.
Unter dem texte habe ich hauptsächlich diejenigen responsorien etc. nachgewiesen, welche in obigeD
stücken schon vorgekommen sind, oder femer noch begegnen werden. Die orte, an denen ich sie gefunden^
genau zu bezeichnen, habe ich nicht für nothwendig gehalten. Wer in drei bis Tier missalen oder bre-
viarien nachschlagen will, wird die stellen bald finden können. Die von mir benutzten waren meist in-
Dies ist ohne zweifei das gedieht, welches das ordinär andeatet. Der schwang und die warme begeisterang, mit der
die aaferstehnng des heilandes vorgetragcD wird, und die bezeiohnnng als ,Hymnus Laotant^' geben demselben eine be^
sondere bedentong. Allerdings wissen wir von den poesien des Lactantins (am 800) nar, das er wahrsoheinlich dis
Carmen de Phoenioe (vgl. Ebert, Gesch. der kristl.-latein. literat. s. 98 ff.) and vielleicht das Carmen de passione
domini (vgl. Teaffel, Gesch. der röm. lit. 3. aafl. § 397, 8) verfasst hat, von hymnen dag^en verlantet die Uberliefenzn^
nichts. Wohl aber ging frflher ein gedieht im elegischen versmasse De resarreotionis dominicae die anter seinem namen,
welches in neuerer zeit dem Yenantias Fortunatas (um 670) zugeschrieben wird (vgl. Teaffel a. a. c). Diese elegie hst
mit obigen hymnen denselben eingang und eine genauere vergleichung lehrt, dass der osterhymnus aus vers 1. 2. 88 — 42.
47. 48. 55. 66. 59. 60. 78. 74. 65. 66. 75. 76. 81. 82. 85. 86 der ersteren zusammengesetzt ist (ich zitiere nach der
Baseler ausgäbe vom j. 1563, welche nur fünfzig distichen enthält. Die eingeldammerton werte sind die Varianten dieses
druckes). Es erhebt sich also die frage: ist der osterhymnus nur ein auszug aus dem grösseren gedichte des Fortunatiu
und die bezeiohnung ,Hymnus Lactantij' falsch, oder liegt uns in demselben wirklich ein werk des Laotantius vor, welches
far den Fortunatus anregung und grundlage seines grösseren gedichtes gewesen ist? Die kirchlich lateinische hymnen-
dichtung beginnt bekanntlich mit Hilarius (um 360) und Ambrosius (um 380). Dass es aber schon vor Hilarius lateinische
hymnen, wenn auch nicht zum kirchlichen Gebrauche bestimmt, gegeben, ist wahrscheinlich (vgl. Ebert, a. a. o. s. 164 ff.))
so dass Lactantius gar wohl ein auch sprachlich so schönes gedieht verfasst haben könnte. Und wie steht es
alsdann mit den anderen vier h3nnnen? Daniel scheint sie mit den werten ,vides poetam oantus suos direxisse ad normst
Fortunati' (pag. 185) ^inem dichter zu vindizieren, der den Fortunatus sich zum vorbild genommen habe. Mir ist die
ganze neoere einschlilgige literatur nicht zur verfdgung und es ist auch hier nicht der ort, diese fragen zu untersochen.
[Vgl. flbrigens Wackemagel, Das deutsche kirchenlied I, s. 66 f. Anmerk. während des druokes.]
Z. 1. Ckrigimt returgtnt ex tmorims tarn non WMrihtr: mors ilH ultra nan dominabiiur, Quod enim vivii, 9wU deus, Alffi**^
aHehiü! £p. ad Rom. 6, 9. 10. Vgl. Clicbtovaeus, Elucidatorium ecolesiastioum, fol. 97b.
Z. 2. Laude$ sahatori toet moduUmur mppUei. Notker Balbulus bei Daniel II, 12; Mone no 148; Kehrein no 81.
Z. 3. Laudate fmeri dominum^ laudate nomen domini. Psalm 112.
Z. 6. Laudate dominum omnes genles^ laudate eum omnes popu/i. Psalm 116. — Laudate dominum quoniam bonus esi pf^ft»^**^
deo nostro sit iueunda deeoraque laudatio. Psalm 146.
Z. 4. Lauda lerusalem dominum^ lauda deum tuium Sion, Psalm 147.
Z. 7. Surrexit enim tieui dixU dominus: praeeedit tos in Oalilaeam, Alleluial Ev. Matth. 18, 6. 7.
Z. 9. Ibi eum ridebiüs. Alleluia! Ev. Matth. 28, 7.
Z. 9. Ei exultatU — ?
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. C. ZWEITE GRUPPE, FGHIKI.MN. 45
kunabeln. — Auch E ist offenbar, wie D, aus einem alten ordinär entnommen. Es steht mir aber weder
des Dunstanus Concordia noch Martenes De antiquis monachorum ritibus zur Verfügung, so dass ich mehr,
als Du M^ril gibt, aus demselben nicht mitteilen kann. Dass es aber ebenfalls, wie D, unmittelbar in den
matutdnalen gottesdienst aufgenommen war und eine besondere hymnische oder dergleichen einleitung nicht
hatte, erhellt aus den gegebenen anweisungen ,Dum tertia recitatur lectio' etc. und ,Dumque tertium per-
celebratur responsorium' etc. im eingange desselben.
Wenn ich oben s. 27 gesagt habe,, dass sich die richtigkeit oder Unrichtigkeit der dort gekenn-
zeichneten früheren ansichten aus der hier nach eigener metode geführten Untersuchung von selbst ergeben
müsse, so sehen wir hier zunächst durch die stücke der ersten gruppe — was oben s. 34 ff. vorgreifend
aus einander gesetzt wurde — tatsächlilch erwiesen, dass jene behauptung Mones, die dramatischen oster-
feiern seien weniger aus den von ihm als ,kirchengebräuche' bezeichneten ritualen, als vielmehr aus den
zv^ar nicht autentischen, wohl aber geduldeten versus, responsorien, osterliedem hervorgegangen, in folge
der beobachteten verschiedenartigkeit der einleitungen imd Zusätze dieser dramen vollständig unhaltbar ist.
Gerade die sogenannten ,kirchengebräucheS welche wir als die älteste form des dramas nachgewiesen haben,
t^ilden den in allen stücken ausschliesslich festen und dramatischen körper, sie sind eben nicht blosse zu-
fällige kirchengebrättche, sondern das aus ^iner beabsichtigten komposizion hervorgegangene drama selbst,
die versus etc. dagegen nur spätere formell und inhaltlich äusserst schwankende erweiterungen und zu-
tatop jenes ursprünglichen kemes.
C. ZWEITE GBUPPE, FGHIkLlEN.
Obschon die entwickelimgsformen, welche die stücke F — N zeigen, in mannichfacher weise verschie-
den sind, werden wir sie doch sogleich in einigen wichtigeren beziehungen als eine besondere gruppe zu-
sammenfassen dürfen. Dahin rechne ich vornehmlich, dass sie, ausgenommen M und vielleicht FH, die sich
nach dieser Seite nicht zu erkenne geben, alle der zweiten rezension angehören und überdies mehrere
Zusätze enthalten, die nicht aus vorhandenen kirchlichen quellen geflossen, sondern eigens für diese dramen
verfasst sind und daher auf mehrere dieser gruppe zu gründe liegende neubearbeitungen mit Sicherheit
schliessen lassen. Ehe ich jedoch zur besprechung der einzelnen stücke imd ihrer besonderheiten schreite,
will ich diese selbst, wie die früheren, in übersichtlicher gruppierung vorlegen.
46
I. DIE IJLTEmiSCHEN OSTERFKIERN.
UHKIKAO, I JHDT.
Visitatur sepul chrum
hoc ordine.
6,
KMSIEBELN II, XII. JHDT.
1=A 1.
CIYIDILB l, XIF. J»T.
In resurrectione domini
u. J. C. Ad matutinum.
8. UESPRUNG UND ENTWICKELDNG. C. ZWEITE GRUPPE, F6HIKI.MN.
47
IKH BR^UHSCIL, XIL JHDT.
iHORUS:]
ST. LAMBBBCHT, XII. JHDT.
WIBH« XII. JHDT.
1 Cum transisset 8abbatuiD,Ma-
ria Magdalena et Maria lacobi
et Salome emenmt aromata,
B[esp.] ut venientes ungerent
Jhesum. Alleluia !
2 Et valde mane una sabba-
torum veniunt ad roonumen-
tum orto iam sole,
[Resp.] ut venientes [ungerent
Jhesum. Alleluia!]
3 Gloria patri.
4 Cum transisset sabbatum.
6 Ave.
Der CHOR singet:
laria Magdalena et alia i 6 Maria Magdalena et alia
ria ferebant diluculo aro- < Maria ferebant diluculo aro-
ta, dominum quaerentes mata, dominum quaerentes
monumento. in monumento.
N,
KLOSTEBNEÜBUBG» t JHDT.
In sancta nocte, antequam bo>
nentor matutinae, PRAELATÜS^
ALIQUIBÜS SIBI ADIÜNCTIS,
corpus dominicum et crucem de se-
pulchro tollant cam devotione et
reverentia aspergentes et adorantes
ea, ac canentes sub silentio re-
sponsorium :
1 Surrexit pastor bonus, qui
posuit animam suam pro ovi-
bus suis,
[Resp.] et pro grege suo mori
dignatus est. Alleluia!
2 Surrexit dominus de se-
pulchro, qui pro nobis pepen-
dit in ligno,
[Resp.] et pro grege suo mori
dignatus est. Alleluia!
Deinde hos psalmos cantent:
3 Gonserva me, domine.
4 Domine, probasti me.
5 Surrexit dominus de se-
pulchro, alleluia!
qui pro nobis pependit in
ligno. Alleluia!
Oremus:
6 Dens qui hodiema die [per]
unigenitum.
Qaando debet secundo visitari se-
pulchram, oantetur responsorium:
7 Dum transisset sabbatum Ma-
ria Magdalene et Maria lacobi
et Salome emerunt aromata,
[Resp.] ut venientes ungerent
Jesum. Alleluia !
8 Et valde mane una sabba-
torum veniunt ad monumen-
tum orto iam sole,
[Resp.] ut venientes ungerent
Jesum. Alleluia!
Sicque, ut mos habet, sepulchrum
visitatur, ibique, olero in duos or-
dines diviso, ut fieri solet in choro,
CANTORKS imponant hanc ant.:
9 Maria Magdalena et alia
Maria ferebant diluculo aro-
mata, dominum quaerentes
in monumento.
48
I. DIE LATEINISCHEN 08TERFEIERN.
F,
EHBIKAU, I IHDT.
TRES PRESBYTERI sive dia-
ooni albis oappis indnti, capita
humeralibusvelatahabentes, singu-
lique singala cum inoenso turibula
in manibus tenentes pedetemp-
tim prooedunt ad sepalohrum do-
mini cantantes sammissa vooe ant.:
1 Qois reTolyet
Qua finita subsistunt non longe
ab ilHs duobus fratribus, qui in-
duti dahnaticis, yelatis eimiliter
capitibus, sedent infra sepulchruni,
quique statim quasi vice an^lorum
illoB tres ad imitationem mulierum
venientes ita compellant: ant.:
2 Quem quaeritls?
Econtra ISTI:
3 Jesam Naearenum.
Item ILLI:
4 Non est Uc.
Tunc isti intrant sepulcbrum et
illis [fe. ANGEIil] iterum canen-
tiboB ant.:
5 Venite et videte locum, [ubi
positus erat dominus. AUe-
luia!]
turificant locum, ubi cmx po-
sita erat, — nam antequam ad noo-
tumos pulsaretur sublata est a
oustodibus eodesiae, — sioque tollen-
tee linteum reportant illud inter
•e expansum, simul etiam geetantee
turibula et oantantes medioori
Tooe ant. [MULIERES:]
6 Dicant nunc ludaei [Quo-
modo milites custodientes
sepulchrum perdiderunt re-
gem ad lapidis positionem?
Quare non servabant petram
6,
BIVSIEDEIiK n, XII. /HBT.
MÜLIER secum cantat:
2 Qois reTolyet nobis ab
osüo lapidem, quem tegere
sanetum cemlmus sepul-
chrum i
ANGELÜS inquirit:
3 Quem quaeritls, o tre-
mulae mulieres, iu hoc tu-
mulo plorautes!
Respondent MULIERES:
4 Jhesum Nazarenum cru-
ctflxum quaerimus.
ANGELÜS didt:
5 Nou est hie, surrexit!
6 sed cito euutes dielte
discipulis eius et Petro
qula surrexit Jhesus.
MULIERES redeuntes seoum
cantant:
7 Dicant nunc ludaei Quo-
modo milites custodientes
sepulchrum perdiderunt re-
gem ad lapidis positionem?
I Quare non servabant petram
CIFIDALK I, XIT. JHDT,
Finitotertio responsorio, TRES
M ARIAE de sacrario veniant aptate
et cum thuribulis et inoenso, et
vadant ad sepulchrum oanendo
Bubmissa voce hos versus:
1 Quls reTolyet nobls ab
ostio lapldem, quem tegere
sauctum cemlmus sepul-
chrum!
ANGELDS, sedens in dextera
sepulchri, respondeat cantando
hunc versum:
2 Quelu quaeritls, o tre-
mulae mulleres, in hoc tu-
mulo plorantes!
M ARIAE:
3 Jhesum Nazarenum cru-
ciflxum quaerimus.
Respondet ANGEIiUS:
4 Non est hlc, quem quae-
ritls;
5 sed cito euntes nuntlate
discipulis eius et Petro
qula surrexit Jhesus.
Finito versu, ANGELÜS levat
cortinam et cantat hanc antlpho-
nam:
6 Venite et videte locum, ubi
positus erat dominus. Alle-
luia! Alleluia!
nixBici,«,»
Stantes [MüLßlr
8>to angeli devote an.
1 Qois reTohet
ANGELÜS:
2 Quem quaeritii*
MUL.I£RES:
3 Xhesom Nazin*^
ANGELÜS:
4 Non est hie.
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. C. ZWEITE GRUPPE, FGHIKLMN.
49
BH-BBAUKSCHW., XII. JHDT.
f^ reTolTet nobis ab
lapidem, quem te-
iüctum eemimus se-
Kdm quaerltis^ o tre-
3 mulieres^ in hoc
lo gementes?
-.lERES:
^^sum Nazarenum cra-
im quaerimas,
iELUSr
^a est hie, quem quae-
9
d cito euntes nunciate
Ipulis eins et Petro
k surrexit JThesus.
1,
ST. LiMBRBGHT, XII. JHDT.
Die VROWEN:
7 Qnis reyolTet nobis ab
ostto lapidem, quem tegere
sanctum eemimus sepnl-
climm?
Der ENGEL:
8 Quem quaeritls, o tre-
mnlae midieres, in hoc
tamnlo gementes?
Die VROWEN:
9 Jhesum Nazarenum cra-
ciflxnm quaerimus.
Der ENGEL:
10 Non est hie, quem quae-
ritis;
11 sed cito euntes nunciate
discipulis eins et Petro
quia surrexit Jhesus.
WIKH, XII. JHDT.
MÜLIERES dioont:
1 Et dicebant ad inyicem
Quis reTolyet nobis lapi-
dem ab ostio!
ANGELI:
2 Quem quaeritis in sepul-
chro^ christicolael
MÜLIERES:
3 Jesum Nazarenum, o
coelicolae.
ANGELUS:
4 Non est hie, surrexit
sieut praedixerat;
5 ite, nuntiate quia surre-
xit de sepulchrol
N,
KLOSTKBKEUBUBG, t JHDT.
Tunc TRES PRESBYTERI ad
hoo officium dispositi, portantes
thoribula et incensum et inenndo
sepulohrum in persona mulierum ad
invioem cantent hanc antiphonam:
10 Quis reTolyet nobis ab
ostio lapidem, quem tegere
sanctum eemimus sepul-
chrum}
Et DL^CONÜS Bolemni ac alba
veste vestitas, intra sepulchrom
residensi in persona angeli homili
[vooe] respondeat:
11 Quem quaeritis, o tre-
mulae mulieres, in hoc
tumulo gementes?
Iterum PRESBYTERI in per-
sona mulierum aromata ferentium
respondeant:
12 Jesum Nazarenum [cru-
ciflxum] quaerimus.
Et ANGELDS respondeat:
13 Non est hie, quem quae-
riüs;
14 sed cito euntes nuntiate
discipulis eins et Petro
quia surrexit Jesus.
Item subiungant [/. subiungat]
antiphonam [ANGELUS:]
15 Venite et videte locum,
ubi positus erat dominus.
AUeluia I
Milchtftek, Otter- und pMtioiitipieU.
50
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
RBEIHAU» XII. JHDT.
iu8titiae? Aut sepultum red-
dant, aut resurgeHtem ado-
rent nobiscuTD, dicentes:
aUeluia!]
6,
BIHSIBBILH n, Xn. JHDT.
iusticiae? Aut sepultum red-
daiit, aut resurgentem ado-
rent nobiscuiUi dicentes :
alleluia !]
Yenientes autem ad discipulos
dicunt [MULIERES:]
8 Ad monumentum veni-
mus plorantes, angelum
domini sedentem vidi-
mus ac dicentem quia
surrexit Jhesus.
H,
CITIPALV I, XIT. JHDT.
Deinde MARIAE intrant ad se-
pulohram et tollunt Imtbeamina,
et intrant choram cantando bos
versus usqne in medimn ohori:
7 Ad monumentum veni-
mus gementes, angelum
domini sedentem vidi-
mus et dicentem quia
surrexit Jhesus.
nsRici, •. im
Finito isto versu, vertunt se
MARIAE versus chorum, et exten-
dunt lintheamina et cantant alta
i voce hoc Carmen:
8 Cernitis, o socii! eccc
linteamina et sudarium,
et corpus non est in se-
pulchro inventum.
MULIERES redeu.>
locom stationis ciencon'
5 Ad monumentu:
nimus geroeotes.
lum domini sedeo:
dimus et dicentn
surrexit Jhesus.]
Quo finito CLERV>:-
quantuliim reinisse anu:
6 Currebant duo
[et ille alius dis<
praecucurritcitiu?
et venit prior ad:
mentum.]
Et interim DUO A>i
RES ET HONORABILIOK:
NONICI casulati, rej^efr
Petrum et lofaannem, P'
nanter vadnntad altoren»'"
sed iunior citfus soni'^^
duobus oandidissiroi? -•'
ipso canonico, angelm n",
tante, reoeptis, ip» ^^'''
reportantes ad clernni f
dentes cantant:
7 Cernitis, socii!
linteamina et sudi:
et corpus üon ^^^'■
pulchro inventum..
I
S. UBSPRÜNÖ UND ENTWICKeLÜNO. C ZWEITE GRUPPE, FGHIKLMN.
51
H
mSCVW«yXII.JHDT.
L,
ST. LAUESCHT, XII. JHBT.
JLiIEBES veniunt et dioant
pulis:
Ld monumentum veni-
s gementes, angelum
mini sedentem vidi-
Qus et dicentem quia
rrexit Jhesus.
'\iiio vemunt disoipoli duo ad
alcrum, dum CHORUS o[aiLtat]:
Currebant duo simul
ille alius discipulus
aecucurrit cicius Petro
venit prius ad monu-
entum.
nii duo [jc. PETRUS et 10-
^lKNES] reversi dioant:
) Cernitis, o socii! ecce
linteamina et sudarium,
et corpus non est in se-
pulchro inventum.
Die VROWEN oe dem cbore:
Win» xn. iH»T.
12 Ad monumentum ve-
nimus gementes, ange-
lum domini sedentem vi-
dimus et dicentem quia
surrexit Jhesus.
So loafent zwene [PETRUS et
lOHANNES:]
13 Currebant duo simul
et ille alius discipulus
praecucurrit citius Pe-
tro et venit prior ad mo-
numentum. AUeluia!
PETER unde lOHANNES:
14 Cernitis, o socii! ecce
linteamina et sudarium,
et corpus non est in se-
pulchro inventum.
Der CHOR:
15 Surrexit enim sicut dixit
dominus; praecedet vos in
Galylaeam, alleluia! ibi eum
videbitis, alleluia!
[MULIERES] levertontor in
ehoro [dioentee:]
6 Et recordatae sunt [ver-
borum eius, et regressae a
monumento nuntiaverunt baec
omnia illis undecim et cete-
ris Omnibus.]
[MULIERES ad gradum:]
7 Ad monumentum veni-
mus gementes, angelos
domini sedentes [vidi-
mus] et dicentes, quia
surrexit Jesus.
DUO APOSTOLI:
8 Currebant duo simul
et ille etc. [alius disci-
pulus praecucurrit ci-
tius Petro et venit prior
ad monumentum.]
[APOSTOLI reverri dioant:]
N,
KLOSTuurnmuBe» i jhdt.
Et abscedente angelo PRESBY-
TERI ad denim se vertentes oan-
tent:
16 Ad monumentum ve-
nimus gementes, ange-
lum domini sedentem vi-
dimus et dicentem quia
surrexit Jesus.
Et illis abeontibus CHORUS
cantet antiphonam:
17 Currebant duo simul
et ille alius discipulus
praecucurrit citius Pe-
tro et venit prior ad mo-
numentum. Alleluia!
Interim oaoitur haeo antipbona
DUO PRESBTTERI anb per-
sona lOHANNIS et PETRI ad
sepnlohrum venientes tollnnt sn-
darium et, ad clerom populnmqne
oonversi, praeoedont sio deoantan-
tes antiphonam:
[9 Cernitis, o socii! ecce
linteamina et sudarium,
et corpus non est in se-
pulchro inventum.
18 Cernitis, o socii! ecce
linteamina et sudarium,
et corpus non est in se-
pulchro inventum.
Tone CLERUS succinat omnis
antiphonam:
19 Surrexit enim sicut dixit
dominus; praecedet vos in
Galilaeam, aUeluia! ibi eum
videbetis alleluia!
7*
52
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
BHSlKiV» I JHBT.
6,
BIHSUDSLH 11« XU. IHDT.
[Et MULIERES] ragrediuntur
alia via, qua venemiit, et finita anti-
phona ante introitnm ohori intrant
tacentes et saper gradum sanctaa-
rii conaistentes, versa fade in
chorum et elevato linteo, prae-
oeUa vooe intonant ant.:
7 Surrexit!
Qua ab ipsis peroantata impo-
nitur [se. a CLEBO:]
8 Te denm landamns!
Statim omnia signa oonpul-
santur.
CHORUS:
9 Te deum landamns I
CITIDALB I, XII. JHDT.
Hoc peraoto, indpiunt GHORA-
BU alta voce antiphonam:
9 Surrexit dominus de sepul-
chro, qui pro nobis [pependit
iu ligno. AUeluia!]
8ITBUCI, a. Uli
Finita ea antiphona, statim in-
choetor [se. aCHORO:]
10 Te denm landamns I
Et statim CHOBU^ ^'
subiungens:
8 Te denm lauten
in choroin reverdri'
Lesarten. F: die ab weichungen meines textes von demjenigen Schubigers beruhen auf erneuter ytr:
der handschrift, welche ich nebst den Varianten des cod. augiensis 80, s. 118 f. der gütigen mitteflong >
oberbibliotekars professor Fritzsche in Zürich verdanke. Es sind folgende: Fl spielanweis. pedeienUim Sehe
temptim codd. 59 und 80; submUsa Schub., summUsa codd. 59 und 80; F6 spielanweis. thurtficcaU Sd&
codd. 59 u. 80; F7 spielanweis. alia uia qua cod. 80, a. v. quam cod. 59; F7 Surrexi Schub., Surrexit codti.'
F8 spielanweis. imponitur Schub., inpon. codd. 59 u. 80; et statim Schub., statim codd. 59 u. 80; expuUasiar
eonpuls. cod. 59, puls. cod. 80. — K2 Idbidem hs.; KIO surruxit hs. — L findet sich in drei st U*
handschriften (vgl. oben s. 25), welche Schönbach mit A,B,G bezeichnet hat; ich nenne sie, um venrechsis:^
verhüten L, Lii, Lm. Lnl . . . ungerent Jhesum et reUqua; Lii8 Quem quaeritis an Jhesum q^t&rs^
änderung, die aus einem öfter in missalen vorkommenden responsorium der ostermesse eingedrungen ist; Lc-
anweis. Petrus und Johannes; Lml6 wird vom probst gesungen. — N16 spielanweis. äbseendente.
Indem man diese tabelle überblickt, wird man zunächst in den gesperrt gedruckten stellen szenis«^''
rangen erkennen, welche ABCDE nicht enthielten. Aber auch in dem älteren teile ist das aus jenen ^t^'
8. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. C. ZWEITE GRUPPE, FGHIKLMN.
sa
SISH-BBAUKSCH W., XII. JHDT.
«US :]
Texit dominus de sepul-
L,
ST. LAMBBEGHT, XII. JHOT.
[Der CHOR:]
16 Te deum laudamus!
Noli flere Maria. Alleluia!
Resurrexit dominus. Alleluia!
M,
WIEH» XI 1. JDHT.
APOSTOLI et MUIJERES in
choro :
9 Dicant nunc ludaei Quo-
modo milites custodientes
sepulcfarum perdiderunt re-
gem ad lapidis positionem?
Quare non servabant petram
iustitiae? Aut sepultum red-
dant, aut resurgentem ado-
rent nobiscum, dicentes :
aevia, aevia!
EÜVANGELISTA:
10 Surrexit enim sicut dixit
dominus.
[CHORUS:]
11 Te deum laudamus I
N,
KLOSTEBHECBURG. t IBDT.
Ac deinde CANTORES:
20 Dicant nunc ludaei Quo-
modo milites custodientes
sepulchrum perdiderunt re-
gem ad lapidis positionem?
Quare non servabant petram
iustitiae? Aut sepultum red-
dant, aut resurgentem ado-
rent nobiscum, dicentes:
alleluia!
Hac finita [antiphona] impona-
tur [sc. a CHORO:]
Te deum.
>ii i^
ff
;U.
bild durch die früher nachgewiesene, hier in GHKLN zum ersten male auftretende zweite rezension wesentlich
ert Die zweite rezension hat in den einzelnen stücken, wie wir früher gesehen haben, nur wenige sehr ge-
^ge modifikazionen erlitten, unter denen plorantes 6HT statt gemeiUes KLNQ in IIb und nuntUUe HKLN statt
' QQUV in Vb die bemerkenswertesten waren. Ebenso ist dort gezeigt worden, dass M die erste rezension im
^ i genommen ziemlich rein überliefert
'^'^ ' Das Venite et videte loeum etc. F15 H6 N15 hatte schon in £6 eingang gefunden und ergab sich als eine nahe-
^^^ le und die dramatische Wirkung nicht unwesentlich steigernde ergänzung aus Matthäus 28, 6. Auch hier ist
^i^ ^ lufforderung des engeis, wie in £ und entgegen der korrekteren darstellung des matthäusevangeliums, nach dem
- ^ "^0 euntes etc. angefügt worden. Dennoch wird man daraus auf eine entlehnung dieses Satzes aus E oder
M'E gleichen stücke nicht schliessen dürfen, weil man sich dann das fehlen desselben in GJKLM nicht zu er-
einp vermöchte. Man wird vielmehr annehmen müssen, dass man in dem streben nach erweiterung der dramatischen
liie^ein augenmerk zuerst auf die bekannte biblische quelle richtete und das von dieser gebotene dem vorhandenen
^itock ohne langes besinnen anschloss.
iJtJ«^^
54 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
Zur beseitigUDg der szenischen lücke zwischen dem Ite nuntiaie etc. und dem Te deum war in CDE
das aus der ostermesse genommene responsorium Surrexit dominus etc. verwant worden (siehe oben
t(. 34): hier finden wir zwei neue Sätze, welche die rückkehr der frauen vom grabe vermitteln und von
denen einer zu diesem zwecke eigens komponiert worden ist. Der erste, Dieani nunc ludaei etc. F6 67
MIO N20, also nur in deutschen stücken vorkommende, gibt im allgemeinen der von den frauen gewonneiu»
Überzeugung ausdruck, dass Kristus auferstanden ßei, was die Juden dagegen auch einwenden möchten. Im
zweiten, Äd monumeiihijn venimus etc. 68 H7 J5 K7 L12 M7 N16, wenden sie sich direkt an die jünger
(Petrus und Johannes) ausgenommen H (und RX^), und geben bericht von dem, was sie erschaut und
erfahren. Der erste deutet mithin auf den schluss der handlung, der zweite auf eine fortsetzung der-
selben, indem durch ihn das auftreten des Petrus und Johannes nach anleitung von ev. Joh. 20, 4 — 7 vor-
bereitet wird, 80 dass beide in demselben stücke benutzt werden konnten, wie es in 6MN wirklich geschehen
ist. Demgemäss schliesst F sofort, nachdem die frauen unter dem gesange des ersten Satzes zurückgekehrt und
^super gradum' mit lauter stimme das Surrexit (F7) gesungen haben, mit dem Te deum. Auch in 6 scheint an-
fangs dem Dieant nune ludaei etc. das Te deum unmittelbar gefolgt zu sein ; dann aber ist auch der zweite
Satz Äd monumentum etc. aufgenommen und zwischen beide hineingeschoben worden, wodurch das drama,
da die jünger noch nicht eigentlich mitspielen, einen unklaren und unfertigen karakter erhalten hat. In M
und N konnte jedoch der erste satz der intenzion bei seiner ersten aufnähme entsprechend nicht mehr
verwant werden, weil hier die einfügung auch des Ad monumentum etc. und die erweiterung der szene
durch den wettlauf der apostel den verlauf des dramas wesentlich verändert haben. M hat wenigstens
die ursprüngliche absieht insofern gewahrt, als es das Dieant nunc ludaei etc. den frauen und apostein
in den mund legt, während dasselbe in N von an der dramatischen handlung unbeteiligten ,cantores' gesungoi
wird ; in beiden stücken aber dient es nicht mehr dazu, die rückkehr der frauen und apostel zu vermitteln,
sondern nur noch, den schluss des dramas anzudeuten, nachdem jene zurückgekehrt sind. In N folgt
denn auch das Te deum sofort, in M geht jedoch dem letzteren noch das Surrexit enim sieut dixit domi-
nus (M10=Matth. 28,6) des ,evangelistaS gleichsam zur bekräftigung der von den frauen und apostein
ausgesprochenen Überzeugung durch die Zuschauer voraus. — Dieser satz ist, wie früher bei CDE das
Surrexit dominus de sepukhro, aus dem österlichen rituale, in welchem er als responsorium auf den versus
Christus resurgens (siehe oben s. 44, z. 1 und anmerk.) diente, genommen und schon von Mone (Schausp.
des mittelalt. 1, s. 13, anmerk. 2) bei Jodocus Clichtoveus, Elucidatorium ecclesiasticum (Basileae,
lo. Frohen 1517 in 2^) fol. 97b und 98b nachgewiesen worden.^
1. Unter den späteren stücken findet sich das Ad monumenhim etc. nur in QRTX. RX sind fOr die folgende beweu-
fabrang von bedeutung and darum an dieser stelle antizipiert worden. Den übersichtlichen abdruok der stücke sieb^
weiter unten.
2. Du Meril, Origines latines, p. 91, note 2 bemerkt dazu ,C'est une antienne qni se chantait autrefois, dans qualqa«
eglises, pendant la quadragesime (ap. Liturgia antiqua bispanica, t. U, p. 494 [ein mir unbekanntes buch]); dans d
autres, le jour de paques k la procession (ap. Jean d' Avranches, Liber de offioiis eodesiasticis, p. 68), et dsD«
presque toute^, pendant le temps pascal (ap. Clichtovaeus, Elucidatorium ecclesiasticum, 1. 1, p. 506, ed. de 1548)'
In der von mir benutzten älteren ausgäbe des Clichtovaeus findet sich keine notiz über die Verbreitung des respoo^
riums und ich bezweifele doch, dass diesell>e eine so grosse war, als man nach den werten Du Merils annehmen soUtd
Bei der durchsieht von einer ziemlichen anzahl älterer drucke ist es mir in osterritualen nur in einem Breoiarium sei
Dnioi nouit« Tpressum in q vbioäque ps. hy». Resp. antiphona vel quod aliud signat«: ibide babes numenun oh»n*
in qua totum integre et cöplete ponitur. 0. o. u. j., 8<>, druckerzeichen L. A., und in der Agenda caerimonitß*
■eoundum ritum Cathedralis eoolesiae Olomuoensis: Ad vsum eiusdem dioecesis- Olomucij 1586. 4<), pag. S09 "• ^
8. URSPRUNG UND ENTWICKELÜNG. C. ZWEITE GRUPPE, FGHIKLMN. 55"
•
Wenn nun der zweite satz. Ad monumentum etc., wie angegeben, nicht bloss die rückkehr der frauen
Tom grabe vermitteln, sondern auch eine erweiterung der szene durchs das auftreten der apostel Petrus und
Johannes einleiten soll, so muss es befremden, den wettlauf derselben nur in J6.7, K8.9, L13.14, M8.9, N17.18
zur darstellung gebracht zu sehen, in GrH aber nicht In der spielanweisung zu GS heisst es ausdrücklich ,Ve-
nientes [sc. mulieres] autem ad discipulos dicunt'; treten dennoch die jünger persönlich nicht auf, so müssen
sie wenigstens durch gesonderte aufstellung und entsprechende gewänder für die Zuschauer als solche
kenntlich gewesen sein. Wir aber tun bei dieser zuerst nur statistischen mitwirkung derselben einen blick
auf die langsamkeit der dramatischen entfaltung. — Mehr Schwierigkeiten macht H. Die frauen singen das
Ad monumentum etc. bis sie ,in medium chori' gelangen, wenden sich alsdann ,versus chorumS d. h. gegen
die im köre aufgestellten kleriker, und intonieren unter Vorzeigung der schweisstücher Cemüis o soeii etc.,
einen satz, der von JKLMN den zurückkehrenden jungem zugeteilt und für diese nach ev. Joh. 20, 6. 7 und
Luk. 24, 3 eigens komponiert worden ist. Die kleriker antworten und endigen die feier mit dem Te deum.
In JKLMN folgt dagegen dem Ad monumentum etc. der frauen, das persönliche auftreten der apostel, die
unter dem gesange des kores^ Currebant duo simul etc. (ev. Joh. 20, 4) zum grabe eilen und mit den*.
von den engein empfangenen schweisstüchem zurückkehrend das Cemitis, o soeii etc. singen. Vergleichen
wir femer die späteren stücke (siehe weiter unten) und sehen wir, dass in OPQTÜVW von dieser szene
gar nichts vorhanden ist, dass R30 die mit 'den frauen vom grabe zurückkehrenden apostel nicht das Cer^
nitis, soeii etc., sondern einen R eigenen satz singen, dass die ursprüngliche anläge von X der von L
analog gewesen sein muss, weil X27 wohl das Cemitis, o soeii etc., wenn auch in hexametrisch überarbeiteter
form, nicht aber das Currebant duo simul etc. sich findet, und der X9. 10 dargestellte wettlauf in ganz
neuer eigenartiger weise inszeniert ist, so werden wir der annähme nicht entgehen können, dass zunächst
das Cemitis, o soeii etc. unter erstmaliger herbeiziehung des Johannesevangeliums nicht für die jünger,
sondem für die frauen und zur illustrazion des Ad monumentum etc. derselben verfasst wurde, dass dieses
zur weiteren ausbeutung desselben evangeliums und, indem es nunmehr auf die apostel übertragen wurde,
zur darstellung des wettlaufs nach Joh. 20, 4 ff. veranlassung gab, und dass wir also in H und einer vorläge
von X repräsentanten der mittleren entwickelungsstufe zwischen G und JKLMN zu erblicken haben.
So also haben wir uns diese wichtige' Weiterbildung der osterfeiem entstanden zu denken. Schon
der durch die osterfeiem und Clichtovaeus gegebenen fassung begegnet. Eine erweiterte form mit noten fand ich
dagegen noch in einer papierhandsohrift des 15. jhdts mit noten zu Wolfenbüttel (Helmstad. 472, fol., bl. 17b f.), die^
ich, weil sie noch nicht bekannt zu sein scheint, hier folgen lasse:
Dicant nunc iudei, 10 Ad uoluerant enim sepulcro lapidem:
Qui orucifixerunt filium dei, Qware non seruabant,
Quomodo milites, Sicut paoti fuerant,
Scelerum suorum complices, Petram iusticie?
5 Cnstodientes sepulohrum, Üt sint oonvictisne perfidie?
Ubi fnerat corpus ihesu reconditum, 15 Aut sepultum reddant,
Perdiderunt regem Alterum istorum eligant,
Gel um terramque regentem. Aut resurgentem adorent
Ad lapidis posidonem Et laudent xpm nobiscnm, dicentes [alleluial]
1. Die kurzgefasten spielanweisungen in L und M lassen es ungewiss, ob der kor oder die apostel selbst das Currebant
sangen, wahrscheinlich jedoch wie in den übrigen der kor. Vgl. auch R 29. In dem französisch-lateinischen stücke Les
trois Maries ist dieser vers zwischen die apostel und den kor verteilt worden, so dass die ersteren Currebant duo simul
anstimmen und der kor das Ei UU aliui etc. respondiert. Vgl. Coussemaker, Drames liturgiques, p. 279.
2. Die ganze bedeutung dieser szene werden wir bei den lateinisch-deutschen osterspielen kennen lernen. Sie hat wescr.t*-
lieh dazu beigetragen, diese zu popularisieren.
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
bei GDE war der sprunghafte schluss, von dem Ite nuntiate zum Te deum des kores bemerkt und zu
verbessern versucht worden. Das dort gefundene auskunftsmittel genügte aber nicht dem künstleri-
schen sinne zweier, die dasselbe darum durch andere gehaltvollere komposizionen aus dieser stelle ver-
drängten. Der bearbeiter, welcher das Dieant nunc ludaei aufiiahm, fand jedoch nur in vier (fiinf^) süd-
deutschen dramen (FGMN) anerkennung; unter diesen ist F im ganzen genommen das einfachste, wie
überhaupt in dieser gruppe, es enthält auch noch nicht das Äd monumentum und man wird die Vermutung
nicht sofort von der band weisen dürfen, dass jener satz vielleicht in Rheinau zuerst für das drama yer-
want worden sei und sich von dort aus darin weiter verbreitete. Der Verfasser des Äd monumentum etc.
dagegen hat sich eines besseren erfolges zu erfreuen gehabt, wir werden ihm ausser in GJHKLMN auch
in QRTX und den lateinisch-deutschen osterspielen wieder begegnen. Jetzt kamen die frauen nicht mit
einem einfachen ausruf der freude über die empfangene botschaft, wie das Surrexit dominus de sepukhro etc.
es war, in den kor zurück, sondern sie berichten ausführlicher, dass sie den engel gesehen und dass dieser
selbst ihnen die auferstehung des erlösers verkündigt habe. Und wie sie damit den ersten teil ihrer er-
lebnisse am grabe, die nun gewi&fsermassen als ein von dem publikum ungesehener Vorgang hinter der
Szene erschienen, dem klerus und dem schauenden volke überbrachten, so mussten sie nun auch die her-
kunft und die bedeutung der linnen erklären, welche sie in ihren bänden trugen^. Für diese erklärung
fand sich nur im evangelium des Johannes eine biblische unterläge, denn nur in diesem geschieht der
schweisstücher erwähnung (kap. 20, 7). Damit hatte man jedoch biblische begebenheiten auf personen
übertragen, welche mit denselben tatsächlich in keiner beziehung standen; denn nicht die frauen, sondern
Johannes und Petrus fanden die Umhüllungen, welche der auferstandene im grabe zurückgelassen hatte.
Diesen Verstoss gegen die historische treue suchten die deutschen stücke JKLMNR wieder auszugleichen,
indem sie die beiden jünger selbst handelnd auf die szene brachten. In 6 schon war ihnen, wie wir oben aus
der Spielanweisung ersahen, eine Statistenrolle zugeteilt worden, nun Hess man sie aus dem kor der kleriker
heraustreten, so dass die botschaft der frauen Ad monumentum etc. an sie gerichtet wird, worauf sie
unter dem gesange des kores Currebant duo simul etc. zum grabe eilen, die linnen in empfang nehmen
und zurückgekehrt das Cemitis^ o socii etc. singen: alles, wie es Job. 20, 1 — 7 beschrieben wird.
Wenn ich oben s. 53 gesagt hatte, dass das Ad monumentum etc. an die jünger gerichtet sei und
darum den keim zur weiteren entwickelung in sich berge, so sehen wir nunmehr, dass dies nur ein schein
war, den oberflächliche und einseitige betrachtung erzeugte. Die wege historischer entwickelungen sind eben
selten diejenigen, welche uns die geradesten dünken. Fragen wir aber, welcher von beiden wegen natür-
licher erscheine, so werden wir uns unbedenklich für jenen entscheiden müssen, der den wetüauf der jünger
aus einzelnen schösslingen hervorgehen lässt, die der fruchtbare boden der vorhandenen älteren szene lang-
sam emportrieb. Nur wenn uns die wichtigen mittelstufen fehlten, würden wir uns allerdings notgedrungen
dazu verstehen müssen, die plötzliche einführung eines neuen auftritts mit neuen personen begreiflich zu
finden. Befriedigen aber könnte uns diese annähme nicht. Denn wo fände sich die erklärung für eine so
sprunghafte erweiterung des dramatischen dialogs, der die embryonolen kennzeichen seiner gehurt in der ge-
halteneren spräche der zweiten rezension kaum überwunden und abgestreift hatte, bei einem Stoffe, der,
weil er einen der heiligsten und erhabensten momente des kristlichen glaubenslebens betraf, die zart-
fühlendste behandlungsweise erheischte und nur widerstrebend in eine form sich fügte, bei der die kirche
1. Siehe unten im anhange no I.
2. Schon in D empfingen und brachten die frauen die schweisstücher in den kor zurück, jedoch ohne eigene worte. Dort
war eben das drama in dem dialog am grabe beschlossen.
t. URSPRÜKG UND ENTWICKELUNG. C. ZWEITE GRUPPE, FGHIKIAIN. 57
^Ibst koDzessionen an die Schaulust des Volkes machen musste, die erst im laufe der zeit und bei der
allmäligsten entwickelung unter dem einfluss liberalerer anschauungen sich durchsetzen konnten. Nachdem
uns daher ein günstiges geschick durch so zahlreiche aus den verschiedensten entwickelungszeiten erhaltene
Denkmäler in den stand gesetzt hat, eine kette unabweisbarer tatsachen aufzuzeigen, welche in der oben
geschilderten Verknüpfung die apostelszene vermittelst naturgemäss entwickelter demente vorbereiten und
ilurch Übertragung und erweiterung derselben fortschreitend herausbilden und vollenden, werden wir uns
vager Voraussetzungen um so lieber entschlagen, als sie uns anstatt dieses stetigen bildungsprozesses, in
<lem sich so merkwürdige erscheinungen werdend zum ganzen zusammenschliessen, nur das rätselhafte
nebeneinander der erscheinungen zu bieten vermögen.
Nach der apostelszene schliessen M und N in der oben s. 54 angegebenen weise, nur dass N19 der
klerus dem ^emitis, o soeii etc. der apostel noch mit einer komposition aus Matth. 28, 6. 7 antwortet,
bevor die ,cantores' mit dem DieaiU nunc ludaei etc. einfallen. Den anfang dieser antifone haben wir in
MIO schon oben a. a. o., jedoch nach dem letzteren satze verwertet gefunden; sie begegnet vollständig
-auch Llö in derselben Verwendung wie in N und stammt wahrscheinlich aus dem kirchlichen ritual, so dass
^us der eigentümlichkeit ihrer abfassung auf eine genauere verwantschaft zwischen LMN in bezug auf sie
nicht geschlossen werden darf. Nach diesem satze folgt auch in L das Te deum und alsdann noch zwei
sätzchen, die zwar auch aus dem kirchlicheu rituale stammen und X15 und in dem mehrfach erwähnten
-stücke Les trois Maries (vgl. ob, s. 34) benutzt wurden, an dieser stelle aber o£fenbar nicht am platze
sind und darum zur dramatischen feier nicht gerechnet werden dürfen. — Auch H und K haben an dieser
stelle eine antifone eingeschoben, Surrexit dominus de sepulchro, qui pro nobis pependit in Ugno, alleluia
H9 und Surrexit dominus de sepulehro KIO, welche beide in den ritualen der ostermesse häufig begegnen.
Das Te deum ist jedoch in K nicht überliefert, ohne zweifei nur deshalb, weil es sich für den geistlichen^
der die dramatische feier auf dem vorsetzblatte der agende seines klosters verzeichnete, von selbst ver-
stand, dass dieselbe vor dem im ordentlichen rituale von alters bestehenden hymnus eingefügt werden
müsse und dass deshalb die widerholung des letzteren an jener stelle überflüssig sei. — J hat sich damit
begnügt, unmittelbar nach dem Cemitis^ o soeii etc. der apostel mit dem Te deum zu schliessen.
Was die einleitung der stücke F — N betri£ft, so sind in G sicherlich dieselben hymnen als solche
verwant worden, welche wir bei A schon besprochen haben. Denn diese, A und G, stehen in derselben
einsiedelner handschrift unmittelbar nacheinander, was nur so zu erklären ist, dass man in diesem kloster
zuerst die der ersten rezension folgende auSiihrung A mit jenen hymnen als einleitung gebrauchte und
niederschrieb, dass aber A nach dem bekanntwerden der zweiten rezension verdrängt und diese in der
gestalt von G unmittelbar hinter A aufgezeichnet wurde, indem jene hymnen von da an als einleitung zu G
galten. FHJM haben gar keine besondere einleitung. Nl — 9 ist die vollständige erste hälfte der messe
des ersten ostertages, wie man sie in jedem missale mit geringen variazionen finden kann, Kl und LI — 6
teile aus derselben. Es wird daher nicht notwendig sein, die einzelnen Sätze besonders nachzuweisen,
zumal sie ausser N3 Conserva me^ domine ps. 15 und N4 Domine^ probasti me ps. 138 schon in dem zu
D gehörenden und oben s. 41 — 44 mitgeteilten rituale enthalten sind. Wir sehen also auch hier, dass es
eine eigentliche einleitung zu diesem osterdrama nicht gab, dass dieses überhaupt keine solche besondere
kirchliche lizenz war, welche in den kanonischen ritus nicht aufgenommen werden durfte, sondern, dass es
vielmehr sein Urheber selbst dazu bestimmte als ein integrierender bestandteil im matutinalen gottea-
dienste zu dienen, in welchem sinne es auch von den meisten klöstem angenommen und verwant wurde. —
Diese beobachtungen stimmen mit den bei den stücken der ersten gruppe gemachten in der hauptsache
vollständig überein, so dass die unhaltbarkeit der ansieht Mones hier lediglich bestätigt wird.
Milcbiaok, Oiltr- nod pMtiontipi«!«. 8
1
w
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
D. DRITTE eRÜPPBy OP.
Der grund, welcher mich bestimmt hat, OP als eine besondere gruppe zu behandeln, ist, dass sie
bei erhaltener ältester form der ursprünglichen szene über diese hinaus nur in der aufnähme der seqaeni
Victimae paschali eine wesentliche weitere entwickelung zeigen. Sie • würden demnach in bezug auf die
erstere ihren platz vor den stücken der zweiten gmppe haben erhalten müssen, weil sie hinter der ent-
Wickelung dieser, sowohl was das eindringen der zweiten rezension, als die einfügung der apostelszene be-
trifft, vollständig zurückgeblieben sind. Für die historische betrachtung kann dieses jedoch nur die be-
deutung haben, dass OP ausserhalb des kreises lagen, in welchem sich die fortgeschrittenere entwickelang
der die zweite gruppe begreifenden dramen vollzog, und sich deshalb auf jener älteren stufe erhielten, bis
sie auf ihre eigene weise dem dränge nach grösserer entfaltung durch die Verwertung der sequenz sich
fügten, und insofern stehen beide gruppen gleichberechtigt nebeneinander. Aus der kronologie der Über-
lieferung aber ergibt sich, dass die aufnähme der sequenz wahrscheinlich zuerst um die wende des
12713. Jahrhunderts eintrat, während die entwickelung der zweiten gruppe schon durch fünf handschriftea
aus dem 12. Jahrhundert bezeugt wird und sich augenscheinlich sogleich des allgemeinsten anklangs zu
erfreuen hatte. Die Stellung von OP nach den stücken der zweiten gruppe ist also aus dieser rücksicht
vollkommen gerechtfertigt. Die zweite und dritte gruppe zusammen bilden die Vorstufen zur vierten.
Ich schicke zunächst einen abdruck der beiden stücke voran, um alsdann die betrachtungen, zu
denen sie veranlassung geben, folgen zu lassen.
0,
NABBOHHB, I JHDT.
Post altiniura responsorium sequitur prosellns:
1 Almum te.
Quo finito, sint parati TRES CLERICI cum cappis albis et
amictibus in capitibus eorum, portantes quilibet eorum in mani-
bus ampuUatam fampoUatam ? Du Meril] argenti, et ille qui
fungitur officio Magdalenae vadat in medio, et introitu chori
inoipiant, oantando insimul primum versuin:
2 Omnipotens pater altissime,
[angelorum rector mitissime,
quid faciamus nos miserriniacV]
et in fine ipsorum versuum flexi« genibug dicant [TRES
CLERICI:]
3 Heu, quaiitus est dolor noster?
Postea accedant ante altare et ibi dicant ah'ufn versum:
4 Scd eamus unguentum emere,
[cum quo bene possumus ungere
corpus (lomiiii sacratum.]
Quibus dictis, sint DUO PUERI saper altare, induti albis
et amictibus cum stolis violatis et sindone ruhea in facie
eorum et alis in bumeris, qui dicant:
& <{uem qiiaeritis in Hepulchro, [o christieolae ?]
Quo dicto, omnes MARIAE insimul respondeant:
6 Jesum Nazarenum [emciflxamy o coelieolae!]
Deinde PrEUl dicint:
7 Non est hic, [sarrexit 8icut praedixerat;]
|H Ite, uuntiate quia Hurrexit.]
SEHS« XIII. JHDT.
1 Hortum praedestinatio,
parvo sabbati spatio,
providerat in proximo,
civitatis pro fascio.
Hortum pomorum vario
non insignem edulio,
quantum virtutis spatio
coaequalem Elysio
In hoc magnus decurio
ac nobilis centurio
florem Mariae proprio
sepelivit in tumulo.
Flos autem, die tertio,
qui floret ab initio,
refloruit e tumulo
summo mane diluculo.
PUER, in vestitu angelioo sedens super palpiiam a oomu
altaris sinistro, cantat:
2 Quem qnaeritis in isepulchro, christieolae?
TRES MARIAE simnl reipondent genua fleotendo:
3 Jesum Nazarenum cmciflxum, o coelicola!
ANGELUS autem sublevans tapetum altaris, taroquaia
respiciens in sepulchrum, cantnt:
4 Non est hie, sarrexit sicut praedixerat;
5 ite, nuntiate quia snrrexit.
S. URSPRUNG UND ENTWICKELÜM6. D. DRITTE GRUPPE, OP.
59^
0,
NiSBORMB, I IU»t.
Lievent cam filo pannam, qui est super libros argenti super
altflure in figora aepolchri, et, facta responsione a pueris, omnes
Mariae insimol vertäut se versus chorum et MAGDALENA
'Cantet sola:
9 Victimae paschali laudes immolent christiani.
Deinde [MARIA] lACOBI:
Agnus redemit oves; Ohristus innocens patri recon-
ciliavit peccatores.
Postea [MABIA] SALOME:
Mors et vita duello conflixere mirando; dux vitae
mortuus regnat vivas.
Hoo dioto, dao oanonioi, tamqoam APOSTOLI, sint parati
retro pulpitam et dioant omnes insimul:
10 Die nobis, Maria, quid vidisti in via?
Deinde MAGDALENA sola reepondeat:
Sepulchrum Christi viventis et gloriam vidi resurgentis.
Angelicos testes, sudarium et vestes.
Et quando dioat Ang^ieoi feflei vertat se ad altare sola
ao demonstret cum digito angelos praediotos, stantes super
altare, pronuntiando versum snpradiotum. Monstratis angelis,
vertat se ad chorum et dioat [MAGDALENA:]
Surrexit [Christus,] spes mea, praecedet suos in
Galilaeam. ^
Finito versu CHORUS dioat:
Credendum [est] magis soli Mariae veraci, quam lu-
daeorum turbae fallaci.
Ac etiam [CHORUS:]
Seimus, Christum surrexisse a mortuis vere: tu nobis,
Victor, rex, miserere!
His Omnibus finitis, REGENTES chorum inoipiant:
11 Te deum laudamus.
SBHS» XUI. JH»T.
MARIAE xevertentes ad öhomm cantant:
6 Resurrexit dominus hodie, resurrexit leo fortiSi
Christus, filius dei.
DUO VICARII, induti oappis serids, in medio chori oantant:
7 Die nobis, Maria, quid vidisti in via?
PRIMA MARIA, stans a parte sinistra, retpondet:
Sepulehrum Christi viventis et gloriam vidi resurgentis.
SECUNDA MARIA:
Angelicos testes, sudarium et vestes.
TERTIA MARIA:
Surrexit Christus, spes mea, praecedet suos in
Galilaeam.
DUO YIGARU respondent:
Credendum est magis soli Mariae veraci, quam lu-
daeorum turbae fallaci.
Totus CHORUS respondet:
Seimus, Christum surrexisse a mortuis vere : tu nobis,
Victor, rex, miserere!
Deinde didtur:
8 Te denm.
Indem wir oben s. 27 ff. die älteste form der lateinischen osterfeiern in der weise zu eruieren ver-
suchten, dass die verschiedenen fassungen der einzelnen Sätze jener allen dramen gemeinschaftlichen szene,
welche sieh zwischen den engein und frauen am grabe abspielt, zusammen getragen und unsere entschei-
dung auf die migorität der für je eine unter den vorhandenen zur ersten rezension gehörenden fassungen
abgegebenen stimmen gestellt wurde, sprach sich schon diese abstimmung bei den mit IIa — IVa bezeichneten
Versionen für einzelne unter ihnen mit solcher entschiedenheit aus, dass über die richtigkeit des ergebnisses
nicht der geringste zweifei walten konnte. Bei Va dagegen ergab sich eine solche majorität unmittelbar
nicht. Die als grundform vermuteten werte /to, nuntiate quia surrexit Hessen sich nur, wenn auch mit
grösster Wahrscheinlichkeit, aus der wesentlichen Übereinstimmung von BPEAMS erschliessen, insofern sie
in BP die ganze fassung, in EAMS den konstanten kern derselben ausmachten. Wenn wir auch diese
folgerung, zumal im hinblick auf die totale Verschiedenheit, welche die genannten und die beiden übrigen
Versionen CT (D spricht dem anschein nach für BP etc.) in ihren Zusätzen oder eigentümlichen abfassungen
darbieten, als nahezu gesichert und das fehlen des ersten aus ev. Markus 16, 3 wörtlich entnommenea
60 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
Satzes Quis reuolvet etc. in ABCEOPS (=Ia) nicht als eine zufällige auslassung in diesen, sondern
Tielmehr als eine nachträglich hinzugefügte ergänzung der ursprünglichen komposizion betrachten können
(vgl. oben s. 31 f.)» so werden 'wir doch die an dieser stelle gebotene gelegenheit nicht vorüber gehen
lassen dürfen, den in folge des oben eingeschlagenen Verfahrens unvollkommen bleibenden beweiss «uf
grund der bisher gefundenen resultate zu vervollständigen und, wie ich hoffe, zu vollkommener evidenz zu
erheben.
Es ist vorhin s. 58 gesagt worden, dass (so weit dies die andeutenden worte seines teztes und
die ähnlichkeit in der Spieleinrichtung anzunehmen gestatten) und P' und die stücke der zweiten gruppe
in ansehung ihres entwickelungsganges im verhältniss der koordinazion zu einander stehen, weil sie nur die
ursprüngliche szene in ihrer ältesten form als die gemeinsame basis ihrer entwickelung voraussetzen, In-
der letzteren selbst aber gänzlich verschiedene und von einander unabhängige wege betreten haben. In
demselben koordinierten verhältniss, wie OP zu den stücken der zweiten gruppe, befinden sich A,B,C,E,S^
unter sich und zu jenen beiden, denn sie haben weder an den entwickelungsprozessen, welche jene durchge-
macht haben, teil genommen, noch auch zeigen ihre Varianten irgend eine auf direkte oder mittelbare ab-
hängigkeit zweier oder mehrerer derselben beziehbare Übereinstimmung. Ausgeschlossen hievon ist natürlich,
das responsorium G7, E7 und Sil, welches aus früher angegebenen gründen schon als eine spätere er-
Weiterung aus dem rituale des ostergottesdienstes erkannt wurde, wie auch der gleichlautende zusatz bei
AM in Va (siehe oben s. 29) nur auf derselben quelle beruht. OP, die zweite gruppe D' F — N und A,B>-
C,E, S stehen sich mithin als kritisch gleichwertige absenker der Urform gegenüber, so dass diese immer
da hervortritt, wo zwei oder mehrere dieser faktoren zusammentreffen. — Gibt es für diese wichtige, aber
einigermassen befremdliche erscheinung eine erklärung? Vielleicht in der kronologie der handschriften, oder
in der geographischen läge ihrer entstehungsorte? Vielleicht in beiden. OP (Narbonne und Sens, 13. jhdt>
stammen aus Westfrankreich, S (Utrecht, 12. jhdt) aus Holland; B und G finden sich in handschriften des^
11. jhdts, A in einer handschrift des 12., von E ist über herkunft und alter nichts genaueres bekannte
Die dramen der zweiten gruppe, zu der ich auch D zähle ^, fallen dagegen sämmtlich ins 12. bis 14. jhdt
und ihre entwickelung hat sich noch keinesweges allseitig vollzogen, sondern wie DF {Quis revohei) von
derselben hauptsächlich noch unberührt bleiben S so beginnt sie erst in G {Ad monumeniwn)^ tut in H
{Cemüis, o soeii) einen weiteren schritt vorwärts, um sich endlich in JKLMN {Currebant duo simut)^ wahr-
scheinlich gegen das ende des 12. jhdts, zu vollenden. Wie also OPS räumlich, so lagen ABCE zeitlich
ausserhalb des kreises, in dem diese entwickelung sich durchsetzte. Doch nicht ganz, denn G kommt mit
A aus derselben einsiedehier handschrift. Allein dies ist nur ein fall, in dem an 4inem orte bald nach
der ersten ui*spriinglichen szene die zweite schon entwickeltere bearbeitung eingang erhielt (vgl. oben s. 57),
I
1. 8, die utrechter osterfeier, gehört nicht, was ich erat jetzt nach einsieht der handschrift erkannt habe, zur yierton-
gruppe, sondern zur ersten. Siehe das nähere weiter unten.
2. D gehört seiner entwickelung nach schon in die zweite gruppe und hätte demgemäss seine stelle nach £ finden mOsMn^
denn die aufnähme des Qwit rewlvei etc. Dl ist, wie sogleich gezeigt werden wird, ein späterer, die stQoke der zweüei^
gruppe karakterisierender zusatz, wahrend das Venite et tidele etc. E6 nur als eine zufallige selbständige erweiterang
dieses stQckes zu betrachten ist.
3. Denn D ist durch die aufnähme des Qiiif rmoohet etc. schon in das erste Stadium der entwickelung der zur zweitei^
gruppe gehörenden stQcke getreten und hätte eigentlich in dieser und nach E seine stelle finden müssen.
4. Die vereinzelten besonderen erweiterungen aus dem osterrituale, wie das Dieani nunc htdan in F haben mit der die
sämmtliohen übrigen stücke erfassenden entwickelung nichts zu sdiaffen und dürfen, da sie ohne naohwirkung blieben^
mit dieser auch nicht auf eine stufe gestellt werden.
8. URSPRUNG UND ENTWICKELÜNG. D. DRITTE GRUPPE, OP. 61
irelcher nnr dazu dienen kann, unsere ai^Eaasong zu exmiplifizieren. — Wir sind daher vollkommen be-
rechtigt, das genealogische verhältniss der bisher besprochenen stücke durch folgendes diagramm aus-
zudrücken
X ttrform.
ABGES y aufnähme der sequenz z aufnähme des
mit geringfügigen selbständigen fieHmae fuuehmii. (hüs rewoittei.
Änderungen und Zusätzen. OP DF
6 anfiiahme des
Ad monmmeiUum,
H aufnähme des
CernUis^ o sacü.
JKLMN aufnähme des
Citrrebani duo stmi«/.
Natürlich roU diese aufstellung nicht etwa dahin verstanden werden, dass von den dramen ABCESyz jedes
einzelne unmittelbar aus der urform x geflossen sei, sondern nur, dass sie nach dem befund ihrer texte,
die Wahrscheinlichkeit mittelbarer abstammungen zugegeben, weder direkt, noch indirekt in dem zustande
wechselseitiger abhängigkeit sich befinden, wie auch z, DF, G und H nur die typen jener durchgangsstadien
bezeichnen sollen, aus denen JKLMN hervorgingen, nicht aber diese selbst. Anders aufgefasst würden
manche in ihren konsequenzen für die gesammtentwickelung unbedeutendere eigentümlichkeiten, wie die, dass
(DFJ)M der ersten, 6HKLN dagegen der zweiten rezension angehören, dass F6MN das Dicant nunc ludaei etc»
und EFHN das Venite et uidete etc. den mit ihnen auf gleicher oder höherer entwickelungsstufe stehenden
voraus haben u. a., zu den wunderlichsten kreuzungen fuhren, während sie nun den erforderlichen Spiel-
raum gewinnen, bald hier, bald dort zu erscheinen, und in den kirchlichen ritualen, aus welchen sie über-
all und zu jeder zeit genommen werden konnten, für ihr scheinbar anakronistisches auftreten ausreichende
erklärung finden.
Unter dem gesichtspunkte dieses handschriftenverhältnisses (wenn der ausdruck erlaubt ist) erhalten
die einzelnen Überlieferungen ein wesentlich anderes mass kritischen wertes, als ihnen bei unserem früheren
verfahren, die älteste form der dramatischen osterfeier zu bestimmen, zuerkannt werden durfte. Dort
nahmen die beiden gruppen DFGHJELMN und OP fQr jeden ihrer Vertreter die gleiche beweisskraft in
anspruch, wie je eins der stücke ABGES; hier dagegen gilt jedes der letzteren mindestens so viel, als die
stücke je einer gruppe zusammen genommen, ja noch mehr, insofern diese ihren Ursprung nachweislich
nicht unmittelbar aus der urform selbst ableiten, sondern aus quellen, die ihre ursprüngliche reinheit durch
die aufnähme fremder bestandteile schon eingebüsst hatten. Und wenn wir nunmehr die früheren resul-
täte an der band dieses grundsatzes einer prüfung unterwerfen, so sehen wir nicht allein die echtheit der
für IIa, Illa und IVa gefundenen urfassungen bestätigt, sondern erhalten auch für die ursprünglichkeit der
als Va hervorgetretenen fassung Ite, nuntiate quia siarexit bei der wesenhaften Übereinstimmung von
AM|BP|S, gegenüber der totalen divergenz der über diese werte hinausgehenden zusätze und der übrigen
Versionen (OT), nicht minder, als für die unursprünglichkeit des dort zweifelhaft gebliebenenen Quis revoU
V9t etc. (= la) eine bestätigung von vollkommener wissenschaftlicher Zuverlässigkeit. Ich sage wissenschaft-
licher Zuverlässigkeit, namentlich in bezug auf das letztere; denn man wird ein gewisses befremden über
die, sei es zufällige oder absichtliche, Umgebung dieses Satzes seitens des ersten Verfassers der lateinisch-
dramatischen osterfeier nicht unterdrücken können, und die möglichkeit, dass A|BCOPS, obgleich dies»-
stücke aus Deutschland, Frankreich und Holland herrühren und zugleich zu den ältesten Überlieferungen
zählen, auf einer durch zufall unvollständigen vorläge beruhen können, verhehle ich mir nicht. Wer jedoch
gegen die resultate einer exakten und metodischen Untersuchung solche möglichkeiten ins fehl stellen will,
62 1- ^>IK LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
wird auf den erfolg wissenschaftlicher forschung von vornherein verzieht leisten müssen. Ich glaabe in-
zwischen meinen "beweiss als vollständig betrachten zu dürfen.
Der Schreiber von hat sich damit begnügt, den text der osterfeier nur mit den an&mgaworta
seiner reden aufzuzeichnen, offenbar in der erwartung, dass es jedem bei der aufführung des dramjis mit-
wirkenden geistlichen leicht sein werde, denselben nach einsieht des manuskripts aus dem gedächtnisse zu
ergänzen. Nur die sequenz Vieümae pasehali ist ganz ausgeschrieben. In folge aber der nahen verwantschaft»
in welcher und P zu einander stehen, schien es mir unbedenklich, ersteres in Übereinstimmung mit
diesem zu vervollständigen. Für die Untersuchung ist von diesen ergänzungen selbstverständlich kein ge-
brauch gemacht worden (vgl. oben s. 28 f.).
Die zunächst an den ursprünglichen auftritt sich anschliessende erweiterung P6 Reswrexü domimu
hodie, resurrexit leo fortis^ ChristuSj filius dei, kann erst nach der sequenz aufgenommen worden sein, da
sie sich sonst auch in finden müsste. Auch dieses responsorium begegnet in den osterritualen dniger
missalen und man hat also in diesen seine herkunft zu suchen. Seine einfügung geschah aus demaelbea
gründe, aus dem wir früher G7, D6 und E7 das Surrexit dominus etc. und später das Dieant nunc luda&i
oder das Ad monumentum sich einstellen sahen, nämlich um den frauen die rückkehr in den kor zu er-
möglichen. Wir werden es später in ÜVX wieder antreffen.
Von der in OP alsdann folgenden sequenz Victimae pasehali ist bisher angenommen worden, dass
sie schon in der vorläge beider stücke eingang gefunden habe. Wir dürfen jedoch hier nicht verschweigen,
dass stringente beweise dafür nicht vorhanden sind. Es ist bekannt, dass die sequenz schon in sehr alter
zeit im ostergottesdienst verwant wurde, aus welchem sie auch durch Pius V., als er i. j. 1568 bei revi-
sion und neuredakzion der ritualbücher auf grund der beschlüsse des tridentiner konzils die anwendung
von Sequenzen in der messe auf eine sehr kleine anzahl beschränktes wegen ihrer hohen Schönheit nicht
entfernt wurde, so dass sie sich bis heute in derselben erhielt. Warum also sollte man sich nicht hier
und dort ein gedieht dienstbar gemacht haben, dass so nahe zur band lag und durch inhalt und form wie
zur Vollendung des dramatischen aktes bestimmt zu sein schien, ohne den Vorgang oder die anregung Yon
anderer seite abzuwarten? Und es kann ja bei und P für diese möglichkeit noch der umstand geltend
gemacht werden, dass jenes die ganze sequenz, dieses aber nur das Die nobis Maria enthält. — Allein,
wie ansprechend diese aufifassung auch erscheinen mag, von einem andern Standpunkte betrachtet finden
jene beiden motive eine ganz entgegengesetzte und wie mir scheint richtigere Würdigung. Oder ist es
etwa weniger glaubhaft, dass sich die kirchen, welche die sequenz im ritual ihrer ostermesse schon be-
sassen, einer benutzung derselben in der immerhin profaneren dramatischen auSÜhrung gerade deshalb ent-
hielten, abgesehen von dem hindemisse, welches die zweimalige absingung derselben an einem tage bereiten
musste? Und ist es nicht in hinblick auf den nachgewiesenen so allmäligen und behutsamen fortschritt in
der entwickelung der lateinisch-dramatischen osterfeiem passender, die aufnähme des zweiten dialogischen
teils ergehen zu lassen, ehe die einverleibung des gegenüber der kleinheit der ursprünglichen szene so
umfangreichen ganzen geschah? Und wenn femer die sequenz durch den kirchlichen gebrauch so bekannt
war, dass von daher ihr selbständiges eintreten in und P nur natürlich erscheinen müsste, wie konunt
es dann, dass sie unter neunundzwanzig vollständig erhaltenen stücken' nur in acht tatsächlich benutzt
1. Hugo Riemann, Goschichte der notenschrift. Leipzig 1878, 8. 215.
2. Es sind dabei die oben s. 21 erwähnte bisher ungedniokte wiener osterfeier, von der ioh inzwischen durch die fineond«
liehe vermittelang des herrn prof. Heinzel und die bemühung des herm dr Sauer in Wien eine abschrift eriialtea
habe, und drei von mir nachträglich aufgefundene sticke eingerechnet, die ich im anhange vollständig mitteilen werde.
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. D. DRITTE GRUPPE, OP. ßg
wurde und zwar, ausser in 0, in Tc (sowie no III u. IV des anhanges) und vielleicht Q vollständig, in PR
dagegen nur in ihrer zweiten hälfte? Diese beobachtungen zusammen genommen machen die Wahrschein-
lichkeit, dass die aufnähme der sequenz in OP mittelst deren vorläge und unter anfänglicher hereinziehung
des Die nobis Maria etc. erfolgt sei, unzweifelhaft grösser, als die, dass jedes von beiden die iniziative
zu dieser erweiterung ergriffen habe, zumal auch die geografische läge von Narbonne und Sens dieser auf-
fassung nicht widerspricht.
Weit wichtiger als diese sekundäre frage ist jene prinzipielle, ob die zweite hälfte der sequenz, das
,responsorium*, als die grundlage der dramatischen osterfeier in Deutschland betrachtet werden darf.
Schönbach, der für seine ansieht in Grieshaber irrtümlicher weise (vgl. oben s. 7) schon einen Vorgänger
zu haben glaubte, begründete das diese frage bejahende zweite ergebniss seiner Untersuchung durch die
beobachtung, dass das responsorium ein gemeinsames merkmal aller deutschen stücke sei. Es ist dagegen
widerholt nachgewiesen worden, das auch diese letztere annähme unrichtig ist, vgl. oben s. 34 f. und
vorhin s. 62. Dürfte ich mich also schon nach Widerlegung gegenteiliger ansichten über die korrektheit
meiner beweisführung beruhigen, so will ich mich doch sogleich an dieser stelle dagegen verwahren, dass
mir die ansieht Schönbachs in anderer formulierung entgegengehalten werde. Die sequenz ist nachweislich
in der ersten hälfte des 11. jhdts gedichtet und aus einer früheren zeit ist uns auch keine dramatische
osterfeier erhalten; könnte also nicht doch jenes ,responsorium* durch seine Vortragsweise mit verteilten
rollen am osteimorgen auf die abfassung des dramas in der von mir nachgewiesenen ältesten form hingewirkt
haben, indem es selbst von der dramatischen auiführung wider ausgeschieden wurde? Dass dies allerdings
der fall hätte sein können, halte ich nicht für unmöglich: wohl aber halte ich es für im höchsten grade
unwahrscheinlich und jeder haltbaren wissenschaftlichen stütze entbehrend, dass es wirklich geschehen ist;
denn es ist ganz undenkbar, dass sich bei der richtigkeit jener Voraussetzung in den stücken A — N und S,
die zum teil aus handschriften des 11. Jahrhunderts herrühren, einzelne erkennbare spuren der sequenz
oder ihrer einstigen Wirksamkeit nicht sollten erhalten haben.
Die einleitungen von und P haben durch hymnen eine besondere ausschmückung erhalten, und
zwar P durch den hymnus Hortum praedesHnatio etc, den wir bei AG schon kennen gelernt haben, vgl.
oben s. 38 u. 46. Eine Spielanweisung, die angäbe, von wem und in welcher weise er vorgetragen wurde, ist
nicht vorhanden. Wahrscheinlich gehört er zur rolle der frauen, von denen er entweder im kor, oder mit
den strofen wechselnd solo gesungen wurde, während sie sich auf dem wege zu grabe befinden. Aehiilich
wenigstens ist die einrichtung in 0, wo der hymnus Omnipotens pater aUissime zur Verwendung gekommen
ist. Die frauen singen beim eintritt in den kor zunächst die erste strofe geroeinsam mit dem refrain
Heu, quantus est noster dolor! Darauf die dritte Sed eamus unguentum emere jedenfalls mit widerholung
desselben refrains, auf welche hin sie von den engein angeredet werden. Dass dieser refrain der anfang
einer strofe oder antifone aus dem kirchlichen rituale sei, wie du M^ril meinte glaube ich nicht; doch mag
er zu dem hymnus eigentlich nicht gehören, sondern nur aus zwecken des dramas hinzugefügt worden sein.
Dieser hymnus ist nun aber nur die engere einleitung zur dramatischen auiführung, welche ,post ultimum
responsorium' und vor dem Te deum in die matutin des ostertages eingeschaltet wurde, wie der eingang und
schluss zeigen. Und ebenso wird es sich mit P verhalten haben, dessen Schreiber es nur als überflüssige
mühe erscheinen mochte, etwas so bekanntes und selbstverständliches besonders anzugeben. Den prosellus
Almum te . . . Ol habe ich ebensowenig, wie Du M^riP, in missaleu und dergleichen auffinden können.
1. Origines latiiies p. 92, note 2.
2. Ori^ineR latiiies p. 91, note 4.
64 I- I>IE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
E. TIEBTE GRUPPE, QBSTUYWXYZAb.
In den stücken J — N der zweiten gruppe hat die ursprüngliche anhige der lateinischen osterfeier
ihre entwickelung nach form und inhalt vollendet Der dialog zwischen den frauen und engein am grabe,
der zuerst die worte des biblischen textes, aus welchem er entstanden war, möglichst festzuhalten versucht
hatte, empfing in der zweiten rezension jene gehaltvollere fassung, die, weil die osterfeier kein gesprochenes
drama, sondern ein Singspiel war, durchaus als ein fortschritt in der entwickelung betrachtet werden muss.
Die einfüguug des Venite et videte etc. verstärkte nicht unwesentlich die dramatische Wirkung und die
lücke in der abwickelung der dramatischen handlung, welche zwischen der Verkündigung der engelsbotschaft
an die frauen und ihrer vermittelung an den kor, resp. die jünger klaffte, war zuerst versuchsweise durch
bekannte responsorien, wie das Surrexit dominus de sepulehro etc., dann aber in glücklicherer weise durch
das Ad monumentum etc. überbrückt worden. Damit schon war dieser akt, sowohl in bezug auf die ab-
sieht, welche er erstrebte, als auf die mittel und die form, mit denen diese in anschaulicher und wirkungs-
voller weise erreicht werden konnte, beschlossen. Der Verstoss aber gegen die darstellung des vierten
evangelisten, nach welchem nicht die frauen, sondern die apostel Petrus und Johannes die schweisstücher
finden und zurückbringen, führte von selbst zu der entSchliessung, diese, — für welche ja auch die engels-
botschaft bestimmt war, — handelnd auf die szene zu bringen. Nun aber waren der Stoff und die motive
erschöpft, welche zur ausdichtung dieses aktes verwant werden konnten. Sollte das drama noch fernere
erweiterungen erfahreu, so mussten neue Stoffe mit neuen personen verknüpft herbeigetragen und zu selb-
ständigen Szenen verarbeitet werden. Und das ist in den stücken der vierten gruppe geschehen, aus-
genommen S.
S, die, wie es scheint, einzige in Holland erhaltene lateinische osterfeier war mir bis vor kurzem
nur aus dem von Gall^e, ihrem entdecker, gegebenen abdruck bekannt. Die öfteren dort durch punkte
angedeuteten auslassungen und ganz besonders die bemerkung am Schlüsse desselben ,dan volgt de ont-
moeting van Jezus en Maria Magdalena' liessen mir jedoch eine vollständige kenntniss dieses in einem
dritten lande ganz vereinzelt dastehenden und noch dem 12. jhdt angehörenden dramas in hohem grade
wünschenswert erscheinen. Meiner deshalb an die universitätsbibliotek zu Utrecht gerichteten bitte, um
Übersendung der handschrift^ wurde von Seiten des herm oberbibliotekars dr Balfoort in entgegenkom-
mendster weise entsprochen, wofür ich ihm an dieser stelle meinen aufrichtigen dank widerhole. Die
osterfeier findet sich auf bL 93ab, sie bietet jedoch nur die älteste szene in dramatischer form, von der
,ontmoeting' dagegen bloss die gebräuchlichen responsorien und antifonen des rituals in loser folge. S ge-
hört demnach nicht zu den stücken der vierten gruppe, sondern zu denen der ersten. Der vollständige
und getreue text derselben, in dem nur die abkürzungen aufgelöst und einige durch schmutz und vielfachen
«
gebrauch unlesbar gewordene worte, sowie die responsorien S. 2. 4 und 6, wel(;he die handschrift nur an-
deutet, in eckigen klammern ergänzt worden sind, ist folgender.
S, Utrechter osterfeier, XII. jhdt.
Respousoria.
Versus :
l ANGELUS domini descendit de celo et accedens
reuoluit lapidem et super eum sedit et dixit mulie-
ribus Nolite timere, s[cio] enim quia crucifixum queritis.
Responsoriam :
lam surrexit I uenite et u[idete loc]um ubi positus
erat dominus. AUeluia!
YersuB:
2 Angelus domini locutus et mulieribus dicens Quem
queritis, an Jhesum quaeritisV
1. Die biblioteksbezeichnung der handschrift ist Script, eccles. no 318 foL, nicht no 319, wie bei GaUee, b. 54, anmerk. 1
wohl in folge eines druckversehena angegeben wird.
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. E. VIERTE GRUPP£, QRSTUVWXYZab.
65
Versus:
6 Et ualde inane una sabbatorum ueniunt ad monu-
mentuin orto iam sole,
[Responsoriam :]
Ut uenientes [ungerent Jliesum. Alleluia, alleluia!]
Ad sepulclirum.
ANGELT;
7 Quem queritis in sepulchro, o christicolel
MULIERES:
8 Jhesum Nazarenum crucifixum^ o celicole!
ANGELI:
9 Non est hie, surrexit sicut predixerat;
10 ite, nunciate qnia surrexit dicentes
11 Surrexit dominus de sepulchrol
[CHORUS:]
12 Te denm laud[amns.]
[Kesponsorium:]
Iam surr[exitl uenite et uidete locum, ubi positus
erat dominus. Alleluia!]
Versus:
3 Angelus domini locutus est mulieribus dicens
[Quem] queritis, au Jhesum [queritis?]
[Fol. XCIII b. Responsorium :]
Surrexit! uenite et uidete. Alleluia, alleluia!
Versus :
4 Ecce prccedet uos in Galileam, ibi eum uidebitis
sicut dixit uobis.
Responsorium :
Iam surrexit! [uenite et uidete. Alleluia, alleluia!]
[Versus :]
o Dum transisset sabbatum Maria Magdalena et
Maria lacobi et Salome emerunt aromata,
[Responsorium:]
Ut uenientes ungerent Jhesum. Alleluia, alleluia!
S gibt also die älteste form der osterfeier bis auf das nachträglich hinzugefügte responsorium Sil
in der ursprünglichen fassung der ersten rezension, denn auch das Quis reuolvet ist noch nicht aufgenommen
und das Te deum, welches oben s. 30 f. als schluss derselben vermutet wurde, wird durch die handschrift
bestätigt. S hätte also in der entwickelungsreihe zwischen C und E seine stelle erhalten müssen. Die
Wichtigkeit des Stückes, sowohl durch sein immerhin hohes alter, als durch die Überlieferung in einer
holländischen handschrift, konnte demgemäss oben s. 60 f. bei dem aus der handschriftengenealogie her-
geleiteten beweisverfahren zur eruierung der ältesten form noch gebührend gewürdigt werden. Die versus
und responsoria haben mit dem drama selbst so wenig etwas zu schaffen, als die in den einleitungen der
früheren stücke. Sie gehören zum eigentlichen kirchlichen officium und beruhen auf ev. Matthäus 28, 2.
5. 6. 7 und ev. Markus 16, 1. 2. 7,
Wir werden daher im folgenden statt zwölf, nur elf stücke zu behandeln haben und auch diese
reduzieren sich für die Untersuchung, auf welche dieser abschnitt gerichtet ist, auf zehn, weil U und V
im texte vollständig koinzidieren und nur in den Spielanweisungen untereinander verschieden sind. V ist
deshalb in den tabellarischen abdruck der stücke dieser gruppe mit rücksicht auf die Schwierigkeit, welche
die einrichtung des Satzes bereitet haben würde, nicht mit aufgenommen, sondern in den anhang verwiesen
worden, so dass die Vollständigkeit des materials auch nach dieser Seite keine einbusse erleidet. Auch
YZab durften von der aufnähme in den tabellarischen abdruck füglich ausgeschlossen bleiben, denn Y mit
seinen nur vereinzelt hervortretenden reden der spielenden in der beschreibung des Durandus ist in dieser
unVollständigkeit mehr als ein historisches zeugniss anzusehen; Zab sind bruchstücke, von denen b nur
die einleitung zum drama gibt, Za zusammengefügt zur erweiterung von ß dienen, in dem sie aber, an
gehöriger stelle eingeschoben, unverhältnismässig viel räum in anspruch genommen haben würden. Es
schien mir darum vorzuziehen, sie gesondert vorzuführen.
M i 1 c h • » k , Ottar- und paaaionHpUU.
9
66
BlieBLBBBO, ». 1S72.
T. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
R,
Omnes TRES [te. MARIAE:]
1 Maria Magdalena et Maria lacobi
[et] Salomee sabbato quidem siluerunt
secundum mandatum. Allcluia!
2 Cum autetn transisset sabbatum,
eroentes aromata venenint ungere Jesum.
Alleluia! AUeluia!
Sola [fc. MARIA lACOBI:]
3 Heu nobis, intenias mentes
quanti pulsant gemitus
pro Dostro consolatore,
quo privamur miserae,
quem crudelis ludaeorum
morti dedit populus.
Sola [le. MARIA SALOME:]
4 lam percusso, heu, pastore,
oves errant miserae:
sie, magistro discedente,
turbantur discipuli,
atque nos, absente eo,
dolor tenet nimius. (Surrexit)
Sola, scilicet MARIA MAGDALENA:
5 Sed eamus et ad eius
properemus tumulum;
si dileximus viventem,
diligamus mortuum.
Omnes TRES [sc, MARIAE:]
EIXSIBDBLH III, XlII. JHDT.
In resurrectione domini.
Ad visitandum dominicam sepolturam ÜNA
DE MULIERIBUS cantet sola:
1 Heu nobis, internas mentes
quanti pulsant gemitus
pro nostro consolatore,
quo privamur miserae,
quem crudelis ludaeorum
morti dedit populus.
ALTERA item sola:.
2 lam percusso, heu, pastore,
oves errant miserae:
sie, magistro decedente,
turbantur discipuli,
atque nos, eo absente,
dolor tenet nimius.
MARIA MAGDALENA:
3 Sed eamus et ad eius
properemus tumulum;
si dileximus viventem,
diligamus mortuum.
Simul oantont [fc, MARIAE:]
T,
CiTIDAIiB II, XIT. ÜBT.
In resurrectione domini
repraesentatio.
[PRIMA MARIA:
1 Heu nobis, internas mentes
quanti pulsant gemitus
pro nostro consolatore,
quo privamur miserae,
quem crudelis ludaeorum
morti dedit populus.
SECÜNDA MARIA:
2 lam percusso, heu,] pastore
oves errant miserae:
sie, magistro discedente,
turbantur discipuli,
atque nos, absente eo,
dolor tenet nimius.
Dicat tunc TERTIA MARU:
3 Sed eamus et ad eius
properemus tumulum;
si dileximus viventem,
diligamus mortuum.
Omnes TRES MARIAE tuno liiiiiü^
haDO versum stantes:
3. URSPRTJHO UND ENTWICKELUKG. E. VIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab.
67
AOVKN^ 1 JHDT. - BieOT, XIIL JüllT.
TRES DIAGONI de maiori sede, induti
dalinatiois et amictus habentes super oapita
fua AD SmiLlTÜDINEM MULIERÜM, vas-
oola tenentes in manibus, veniant per medium
iihori et, versus sepulchrum properantes, vulti-
bu8 Bubraissis cantent pariter huno versum:
w,
«CHT ST. MICHEL, XIT. JHDT.
Ad matutinum paschae, ante 7« dflmn /an-
danmty frater, qui erit deus, habebit habitum
de alba tinota siout in sanguine cum diade-
mate et barba, nudis pedibus cum enioe, tran-
siet per ohorum in fine ultimorum [versuum
tertii respons.] et revertetur in revestiarium.
Tres [fratres], qui erunt MÜLIERES, post
ultimum [Teirsum],r6ve8t]ti^de dalmaticis albis,
habentes admitta super oapita ad modum ma-
tronamm, deferentes alabastra, venientes per
inferiorem partem chori versus altare oantent:
OBLEAHS I, XIII. JHDT.
Ad fadendam similitudinem dominioi
pulobri primum prooedant TRES FRATRES,
praeparati et vestiti IN SIMILITUDINEM
TRIÜM MARIARUM, pedetentim et, quasi
tristes, altemantes hos versus oantantes:
PRIMA earum dicat:
1 Heu, pius pastor occidit,
quem culpa nulla infecit.
res plangenda!
SECUNDA:
Heu, verus pastor obiit,
qui vitam sanctis contulit.
mors lugenda!
TERTIA:
Heu, nequam gens iudaica,
(quam) dira frendens vesania,
plebs execranda!
PRIMA:
Cur nece pium impia
damnasti, saeva(m), invida?
(o) ira nefanda!
SECUNDA:
Quid iustus hie promeruit,
quod crucifigi debuit?
gens damnanda!
TERTIA:
Heu, quid agamus, miserae,
dulci magistro orbatae?
(heu,) sors lacrymanda!
PRIMA:
Eamus ergo propere,
quod solum quimus facere
mente devota.
SECUNDA:
Condimentis aromatum
ungamus corpus sanctissimum,
quo pretiosa.
TERTIA:
Nardi vetet commixtio,
ne putrescat in tumulo
caro beata.
Cum autem venerint in ohorum, eant ad
monumentum quasi quaerentes et oantantes
omnes [»c MARIA E] simul huno versum:
9*
68
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
S5GELBERe, a. 1872.
6 Quis revolyet nobis ab ostio la.
pidem, quem tegere sanctum cerni-
mus sepulchrum?
ANGELI:
7 Quem quaeritis, o tremulae mu-
lieres. In hoc tumulo gementes?
OMNES TRES:
8 Jesum Nazarenum crucifixum, o
coelicolae!
ANGELI:
EINSIEDELK III« XIII. JHDT.
4 Quis reyolTet nobis lapidem ab
ostio monumenti?
ANGELUS:
9 Non est bic, quem quaeritis;
10 sed cito euntes dicite discipuüs
eins et Petro quia surrexit Jhesus.
ANGELI alta vooe:
11 Venite et videte locum, ubi positus
erat dominus. Alleluia, alleluia!
Omnes TRES alta vooe:
12 Sunexit dominus de sepulchro,
qui pio nobis pependit in ligno.
Alleluia I
5 Quem tos quem [|. quaeritis,]
flentes i
MULIERES:
6 Nos Jhesum Ghristunl!
Item ANGELUS:
7 Non est lue yerel
T,
CIVIDALE II9 XIV. JÜT.
4 Quis revolyet nobis all o§tb.
pidem, quem tegere saenm n-w
mus sepulchrnm? l
Tunc respondet ANGELUS e«
li-
5 Quem quaeritis^ o tremohei
lieres, in hoc tumulo plonnü'
Omnes MARIA E respondent sinni
6 Jesum Nazarenum eroofn
quaerimus!
Statim ANGELUS dicat huiK? tct*^
7 Nolite metuere vel laedi ter :
scio quia quaeritis Jesum hicser "
cuius vos intenditis venerari cl'
iam surrexit, hie non est u'
loquar mulu
michi si non creditis, videte jr*
chnim.
ANGELUS sequendo dicat hone v.:
8 Venite et videte locum, ubi j*^
erat dominus. AUeluya, alleluu'
t." -
Tunc omnes Mariae vadant ad ^f-
et thurifioent illud et revertantor a«i
suum, et tunc ANGELUS dicat hone vtrr-
9 Ite ad discipulos eisqne niuti^'
quod dominus a mortuis siim'^
festinate.
in Galilaeam ibitis cum gau iio ft "^
ibi eum videbitis; nolite dubiUr^.
S. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. E. VIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab.
69
XJ(V),
OUEN, T JHDT. — BieOT, XIII. JHDT.
is reTolTet nobis lapidem ab
monuTnenti?
3c finito, quidam puer, quasi AN6ELUS,
as alba et amicta, tenens spicam in manu
sepulchruin dicat:
aem quaeritis in sepulchro, o
Isticolae 2
[ARIAC respondeant:
esum Nazarenum crucifixum, o
Ucola!
:uiic ANGEI.US dicat:
!toii est hie, surrexlt enim sicut
dt.
Venite et videte locum, ubi positus
jrat,
et euntes dicite discipulis eins et
^etro quia surrexit.
■OHT ST. MICHEL9 XIY. JHDT.
1 Quis reTolyet.
nie [frater], qui erit ANGELUS, erit super
altare, indutus de capa alba, tenens palmam in
manu et Habens coronam in oapite, cantet post:
2 Venite, venite!
MULIERES dicant:
3 Jhesnm Nazarenum!
ANGELUS iterum dicat:
4 Non est hie
[5 Venite et videte locum, ubi positus
erat dominus.]
Et tum didt Ventia ei videte, appropinquant
se MULIERES de sepulchro et dicant:
6 lam cemere.
OBLEANS l, XIII. JHDT.
2 Sed nequimus hocpatere sine adiutorio;
quisnam saxum Iioc reTolvet ab
monnmenti ostio?
Quibus respondeat ANGEIjUS, sedens foris
ad Caput aepulchri, vestitus alba deaurata, mi-
tra tectus caput etsi deinfulatus, palmam in
sinistra, ramum candelarum plenum tenens in
manu dextra, et dicat moderata et admodum
gravi voce:
3 Quem quaeritis in sepulchro, o
christicolae?
MULIERES:
4 Jesum Nazarenum eruciflxum,
coelicola!
Quibus respondeat ANGELUS:
5 Quid, christicolae, viventem quaeritis
cum mortuis?
6 Non est hie, sed surrexit, prae-
dixlt ut discipulis.
7 Mementote, quid iam vobis locutus
est in Galilaea:
70
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
EHeELBERfi, ft. It72.
EIHSIIMLI in, XUL IHDT.
Omnes TBES:
13 Ad monumentum venimus ge-
mentes, angelum domini seden-
tem vidimus et dicentem quia
surrexit Jhesus.
MULI ERES revertenteB canteiit ad öhomm:
8 Ad monumentum venimus ge-
mentes, angelum domini seden-
tem vidimus et dicentem quia
surrexit Jhesus.
evmiLm u, xir.
Tono omnes MARTAR stanie« im uk
simol dkant:
10 Ad monumentam Tenimiis:
mentes, angelum domini se^
tem vidimus et dicentem ^^:
surrexit Jhesus.
8. UB8PRUN6 UND ENTWICKELÜNO. E, YIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab.
71
OUSV» 1 JHDT. — BieOT» XHL JHDT.
w,
MOIT ST« nCHKL, XIT. JHDT.
X,
Christum oportebat pati atque die tertia
resurgere cum gloria.
MÜLIERES, ooDversae ad populum, cantent :
8 Ad monumentum domiui ve-
nimus gementes, augelum dei se-
dentem vidimus et dicentem
quia surrexit a mortuis.
Post haeo MARIA MAGDALENA, relictir
duabus aliis, acoedat ad sepolohrum, in qnod
saepe aspioiens dicat:
9 Heu dolor, heu, quam dira doloris
angustia,
quod dilecti sum orbata magistri prae-
sentia!
heu, quis corpus tarn dilectum sustu-
lit e tumulo?
Deinde pergat velociter ad illos, qui in
similitudine Petri et lohannis praestare debent
erecti, stansque ante eos qnasi tristiB dioat
[MARIA MAGDALENA:]
10 Tuierunt dominum meum et nescio,
ubi posuerunt eum, et monumentum
vacuum est inventum et sudarium cum
sindone intus est repositum.
Uli autem, hoc audientes, pergant ad ae-
pulchmm aosi currentes, sed iunior, sanctos
lohannes, perveniens stet extra sepulchnim; se-
nior vero, sanctus Petrus, sequens eum, statim
intret; postquam et lohannes intret Cum inde
exierint, 10 HANNES, quasi mirans, dicat:
11 Miranda sunt, quae vidimus,
An (furtim) sublatus est dominus.
PETRUS:
Imo, ut praedixit vivus,
surrexit, credo, dominus.
lOHANNES :
Sed cur liquit in sepulchro
sudarium cum lintheo?
PETRUS:
Ista, quia resurgenti
non erant necessaria,
imo resurrectionis
restant haec indicia.
Dlis aatem abeuntibus, aooedat MARIA ad
sepulchnim et prius dioat:
12 Heu dolor, heu, quam dira dolori»
angustia,
quod dilecti sum orbata magistri ))rae-
sentia!
heu, quis corpus tam dilectum sustulit
e tumulo?
72
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
ENGELBEBG, a. It72.
EIKSIBDELN lU, XIII. JHDT.
T,
ciTiDiiiE II, xin. jnrr.
Omnes TRES:
14 £n angeli aspectum vidimus
et responsum eius audivimus,
qui testatur dominum vivere;
sie oportet te, Simon, credere.
MARIA MAGDALENA:
15 Cum venissem ungere mortuum,
monumentum inveni vacuum;
heu, nescio recte discernere,
ubi possum magistrum quaerere.
MULIERES, verteiltes se ad personam
Petri apostoli, omnes cantent:
9 £n angeli aspectum vidimus
et responsum eius audivimus,
qui testatur dominum vivere;
sie oportet te, Symon, credere.
MARIA MAGDALENA sola cantet hos
tres versus:
10 Cum venissem ungere mortuum,
monumentum inveni vacuum;
heu, nescio locum discernere,
ubi possim magistrum quaerere.
Tuno MAGDALENA m reverUt ^
ortom Christi et dicat hano yersuxn:
11 Cum venissem ungere domiDur:
monumentum inveni vacuum
et nescio recte discernere,
ubi possim magistrum quaerere.
Statim dioat hnnc versam ipsaMA..*
LENA:
12 En lapis est vere depositus,
qui fuerat cum signo positus, —
1
8. URSPRUNG UND ENTWICK£LUNG. E. VIERTE GRUPPE, QRSTUTWXYZkb.
73
TJ(T),
LOUKH» f JKDT. — BIOOT, ZUL JHDT.
looain. digito ostendat. Hoo finito
18 citisflime disoedat et DUO PRESBT-
de maioTi sedein taniois, intas septil-
i reBidentes dioant:
liier, quid ploras?
EDIÜS TMUM MULIEEUM reepondeat
oens:
uia tulerunt dominum meum et
io, ubi posueruDt eum.
UO RESIDENTES dioant:
^uem quaeritis, mulieres? viven-
cum mortuis? non est hie, sed
exit:
recordamini qualiter locutus est
18, dum adhuc in Galilaea esset,
Is dicens, quia oportet filium ho-
is pati et crucifigi et die tertia
irgere.
w,
MOIT ST. HICBSL, XIT. JHDT.
Duo fratres in sepulobro, qtd enint DUO
AK6ELI, induti de capis mbeis dioant:
7 Mulier(es), quid [ploras]?
MTJLIERES dioant post:
8 Quia tulerunt dominum [meum et
nescio, ubi posuerunt eum.]
AK6ELI de sepnlohro dioant:
9 Quem quaeritis, [mulieres? viventem
cum mortuis? non est hie, sed surrexit:]
[10 recordamini qualiter locutus est
vobis, dum adhuc in Galilaea esset,
vobis dicens, quia oportet filium ho-
minis pati et crucifigi et die tertia
resurgere.]
1 1 Venite et videte [locum, ubi positus
erat dominus.]
12 Euntes [dicite discipulis eins, quia
surrexit et ecce praecedit vos in Ga-
lilaeam: ibi eum videbitis.]
Et com dixerint Fentl« if vid9i€, intrant
[l. intrent] MULIEBES in sepulohram, et
cum dixerint EunUt^ exeant et eant oiroa
altare et dioant:
13 In sepulchro.
X,
OBLKilS l, XIU. JWT.
Quam aUoqnantor DUO ANGELI, sedentes
infira sepulohram, dioentee:
13 Mulier, quid ploras?
MABU:
14 Quia tulerunt dominum meum et
nescio, ubi posuerunt eum.
ANGELUS:
15 Noli flere, Maria; resurrexit domi-
nus. Alleluia 1
MARIA:
16 Ardens est cor meum desiderio
yidere dominum meum, quaero et non
invenio, ubi posuerunt eum. AUelulal
Uilchiaok, Otter- und pastioaaiplale.
10
"H
1 tXB LAT8INISCHEN 08TERFEIERII.
Item MABIA MAGDALENA:
16 Dolor crescit, tremunt praecordia
de magistri pii absentia,
qui salvayit me plenam yitiis,
fnüBto a me Septem daemoniis.
Item MARIA MA0DAIi£NA:
17 En lapis est vere depositus,
qiü fuerat cum signo positus;
mumera[ii]t locum militibus:
locus yacat, illis absentibus.
B,
BimiBDIIill in, XIII. JBVT.
DOMINICA PERSONA:
18 Mulier, quid ploras? quem quaeris?
MARIA MAGDALENA:
19 Domine, si tu sustulisti eum, dieito
micbi, ubi posuisti eum, et ego eum
tollam. ^ Alleluia! Alleluia!
DOMINIGA PERSONA:
30 Maria 1 Maria! Maria 1
MARIA MAGDALENA:
21 Rabbi!
DOMINICA PERSONA:
22 Noli me tangere: nondum enim
ascendi ad patrem meum. Alleluia!
Alleluia !
23 Prima quidem sufiragia
Stola tulit camalia,
exhibendo communia
se per naturae munia.
11 Dolor crescit, tremunt praecordia
de magistri pii absentia,
qui sanavit me plenam vitiis,
pulsis a me Septem daemoniis.
12 En lapis est vere depositus,
qui fuerat in Signum positus;
munierant locum militibus:
locus vacat, illis absentibus.
CHORUS:
13 Una [autem] sabbati [Maria Mag-
dalene venit mane, cum adhuc tenebrae
essent, ad monumentum, et videt la-
pidem sublatum a monumento.]
Malleres reourrentes iterum ad Bepultoram
niohil dicant. MARIA MAGDALENA quae-
rendo ciroumqaaqae cantet:
14 Victimaepaschali ete. usque Die nobis.
DOMINICA PERSONA, subito Mariae
Magdalenae apparens, dicat:
15 Mulier, quid ploras? quem quaeris?
MARIA respondeat:
16 Domine, si tu sustulisti eum, dieito
michi, ubi posuisti eum, quod ego eum
tollam. Alleluia! Alleluia!
DOMINICA PERSONA iterum ad eam:
17 Maria! Maria! Maria!
ILLA prooidens dioat:
18 Rabbi, quod dicitur magister.
DOMINUS, ab ea paulolum diyertens,
dioat:
19 Noii me tangere: nondum enim
ascendi ad patrem meum. Alleluia!
Alleluia I
DOMINICA PERSONA stans oantet:
20 Prima quidem sufiragia
Stola tulit camalia,
exhibendo communia
se per naturae munia.
emiiisefa[n]t locum railitibuB:
locus vacat, eis absentibiis.
Statim dioat MARIA:
13 Dolor crescit, tremunt praecori
de magistri pii absentia,
qui salvavit me plenam vitüs,
pulsis a me sept^n daemimüs.
JHESÜS admirans reepondet ei diosic-
14 Mulier, quid ploras?
MARIA respondet ei dioens:
15 Quia tulerunt dominum meum
nescio, ubi posuerunt eum.
16 Domine, si tu sustulisti eum, d.:
michi, ubi posuisti eum, et ego e:
tollam.
JHESÜS dioat statim:
17 Maria!
MARIA oorrendo ad Jhesiun didt:
18 Raboni!
Tnno Mariae didt [JHESÜS:]
19 Maria, noli me tangere,
sed fratribus nuntia propere:
ascendo ad patrem meum,
deum meum et vestrum deum.
8. UBSPBÜNG UND ENTWICKELÜNG. B. VIERTE GKUFFE, QBSTÜYWXTZab.
75
BOUSN» t MDT. — BI80f» Xm. JHDT.
Marias osoolentur lootrm, postea exeasit de
)ulcbro. Interim qoidam SACERDOS IN
:KS0NA DOMINI, albatofl oom stola, tenens
ioem, obviaiiB eis in sinistro oomu altaris
at:
Mulier, quid ploras? quem quaeris?
MEDIUS MÜLIERUM dicat:
i Domine, si tu sustulisti eum, dicito
ihi, et ego eum tollam.
SACERDOS, iVi oraoem ostendens, dioat:
\ Maria!
Quod com audierit, pedibos eins dtiBsime
«e offerat et alta yooe dicat [MAGDALENA :]
l Rabboni!
SAGERDOS, innuens mann, dioat:
5 Noli me tangere: nondum enim
scendi ad patrem meum; vade autem
d fratres meos et die eis Ascendo ad
atrem meum et patrem vestrum, deum
leum et deum vestrum.
MOTT 81. WICBXL, XIT. JDV.
DEÜS yeniat per aliam yiam et ponat se
ante altare. [Post] dioat ad piimam mnlierem:
14 Mulier, [quid ploras? quem quaeris?]
MÜLIER respondeat:
15DomiDe, si tu [sustulisti eum, dicito
micbi, ubi posuisti eum, et ego eum
toUam.] '
DEÜS dioat:
16 Maria 1
MÜLLER dioat:
17 Rabbin!
Et prostemet se in tarram, sioat siyeilet
[ampleoti pedes eins], et maneat sio. Deinde
DEÜS dioat:
18 Noli me tangere: [nondum enim
ascendi ad patrem meum ; vade autem
ad fratres meos et die eis Ascendo ad
patrem meum et patrem vestrum et
deum meum et deum vestrum.]
ÖBliBilS I, XIIL m>T.
Interim yeniat QÜIDAM PRAEPARATUS
IN SDQLITÜDINEM HORTÜLANI stansqne
ad oapnt sepolohri dioat:
17 Mulier, quid ploras? quem quaeris?
MARIA:
18 Domine, si tu sustulisti eum, dicito
mihi, ubi posuisti eum, et ego eum
tollam.
Et ILLE:
19 Maria!
Atqne prooidens ad pedee eins MARIA
dioat:
20 Rabboni!
At ILLE snbtrahat se et, qnasi taotom
eins deyitans, dioat:
21 Noli me tangere: nondum enim
ascendi ad patrem meum et patrem
vestrum, dominum ineum et dominum
vestrum.
10»
76
I. DIE LATEINISCHEN OSTEKFEIEBN.
MABIA:
24 Saiicte deus!
DOMINICA PERSONA:
25 Haec priori dissimilis,
haec est incorruptibilis,
quae dum fiiit passibilis,
iam non erit solubilis.
MARIA MAGDALENA:
26 Sancte deus!
DOMINICA PERSONA:
27 Ergo noli me tangere,
nee ultra velis plangere,
quem mox in puro sidere
cemes ad patrem scandere.
MARIA MAGDALENA:
28 Sancte et immortalis, miserere nobis !
DOMINICA PERSONA:
29 Nunc ignaros huius rei
fratres certos reddes mei:
in Galilaeam, die, ut eant,
et me viventem videant
KnrsiBDSLR III, xin. jwt.
MARIA adorans in terra oantet:
21 Sancte deus!
DOMINICA PERSONA:
22 Haec (est) priori dissimilis,
haec est incorruptibilis,
quae dum fuit passibilis,
iam non erit solubilis.
MARIA eodem modo, quo prins:
23 Sancte fortis!
DOMINUS iterum ibidem stans dioat:
24 Ergo noli me tangere,
nee ultra velis plangere,
quem mox in puro sidere
cemes ad patrem scandere.
MARIA, ut Bupra:
25 Sancte immortalis, miserere nobis!
Item DOMINUS ad eam:
26 Nunc ignaros huius rei
fratres certos reddes mei:
Galilaeam, die, ut eant.
et me viventem videant.
T,
CITIDILK U, XIT. JKVT.
MARIA, reUquis oomitantibas, ad öhorom
Bola dioat:
27 Surrexit enim, sicut [dixit dominus,
Tapc MARIA levartitar (se) ad Uko
saom et dioat:
20 Vere vidi dominum vivere,
nee dimisit me pedes tangere:
discipulos oportet credere,
quod ad patrem velit ascendere.
8. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. E. VIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab.
TT
BOülH« t lEDT. — BI80T« XIII. JHDT.
w,
MOHT ST. MIGHBL, XIT. J1I1IT.
ORLCiNS I, XIIL JHDT.
Sic disoedat hortalaniu, MARIA vero oon-
yena ad popalum dioat:
22 Congratulamini mihi omnes, qui dili-
gitis dominum, quia quem quaerebam
apparuit mihi et, dum flerem ad moau-
mentum, vidi dominum meum. Alleluiat
Tano DUO ANGELI exeant ad ostium se-
pulohri, ita ut appareant foris, et dioant:
23 Venite et videte locum, ubi positus
erat dominus. Alleluia!
24 Nolite timere vos:
Yultum tristem iam mutate,
Jesum vivum nuntiate,
Oalilaeam iam adite;
si placet videre, festinate.
25 Cito euntes dicite discipulis, quod
surrexit dominus. Alleluia!
Tano MÜLIERES, disoedeiitea a sepulohro,
dioant ad plebem:
26 Surrexit dominus de sepulchro,
qui pro nobis pependit in ligno. Alleluiat
78
I. DIE LATEINISCHEN OSTEBFEIEBN.
CHORUS:
30 Victimae paschali laudes immolent
Christian].
KIH8IEDBLR III« XIII. JHDT.
praecedit vos in Galilaeam, alleluia!
ibi eum videbitis. Alleluia!]
CHORUS ad eam:
28 Die nobis, Maria, [quid vidisti in via?]
IPSA ad öhorum:
Sepulchrum Christi eum r[esp. viventis
et gloriam vidi resurgentis;
Angelicos testes, sudarium et vestes;
Surrexit Christus, spes mea, praecedet
suos in Galilaea!]
CHORUS:
Credendum est [magis soli Mariae ve-
raci, quam ludaeorum turbae fallaci.]
Seimus, Christum [surrexisse a mortuis
vere; tu nobis, victor, rex, miserere!]
Item CHORUS:
29 Currebant duo simul [et ille
alius discipulus praecucurrit
eitius Petro et venit prior ad
monumentum.]
Interea cum mulieribus PETRUS et 10-
HANNES ourrant, et lohannee praeoorrens ex-
peotet Petrum, et niohil invenieates revertantor
melodiam oantantes:
30 Ergo die ista exultemus, [qua nobis
viam vitae resurgens patefecit Jesus.]
Astra, solum, mare [iocundentur
Et cuncti gratulentur in coelis
Spiritales chori trinitati.]
T,
OITIDALB U, XIT. HÜMT.
Timc dioat CHORUS:
21 Die nobis, Mari^ quid vidisti in vj^
Tone MARIA dioat hone veraam :
Sepulchrum Christi viventis et gloriai
vidi resurgentis;
Angelicos testes, sudarium et vest«^
Surrexit Christus, spes mea, praect^i-^
vos in Galilaeam.
CHORUS oantat et Maria moveat se ^«ei.-
choram dicentem:*
Credendum est magis soli Mariae >r
raci, quam ludaeorum turbae fallaä.
Seimus, Christum surrexisse a mom.
vere; tu nobis, victor, rex, misertrr
Alleluya!
8. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. B. VIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab.
19
U(V),
X,
0BLK1H8 I, Xllk JHDT.
Hoo facto, ezpandant [MÜLIEBES] sindo-
nem, dioentes ad plebem:
27 Cerniie, vos socii, sunt cor-
poris ista beati
lintea, quae vacuoiacuererelicta
sepulchro.
Et dioat [DEUS:]
19 Benedictionem.
Et post benedictionem reYertator in rere-
Btiariam. PRIMA MÜLIER snrgens dioat:
20 Christum viveDS.
SEGÜNDA MÜLIEB dioat:
Laniatur.
TERTIA MULIER dioat:
Ergo clausa.
ANGELUS de altari dioat:
Resurrexit!
80
I. DIE LATEINISCHEN OSTEBFEIEBN.
KK«KLBBBe, ft. 1S7S.
»,
KIHSISDlLir lU, XIII. JHDT.
CHORUS alta voce:
31 Te deum laudamusl
CITIDALK n, XIT.
Lesarten. Q4, v. 1 heu] ceu Mone; Q8 coelicola Mone; Q12 qui] quo handschr.; Q27, v. 3 quem] ^^uri
handschr; Q29, v. 1 Nune ignaros] Nam ignoras bandscbr.: — R2, v. 1 heu] eeu Mone; R14 spielanw. reccum^
Mone. — Wl spielanw. revertatur handschr.; W? spielanw. inductiDnMMl] WlS spielanw. sepukhro Du iienl. — lr\
textabdrücke von X bei Du Meril und Coussemaker weisen mehrfache Verschiedenheiten auf; derjenige Coussemaktri
beruht auf erneuter vergleichung der handschrift und man wird daher meistens bei ihm das richtige anzutreffen t:
warten dürfen. X2 spielanw. venerunt Du M^ril; et quasi Coussemaker; X2 text patere ist wahrscheinlich venieri:
statt ab monumenti ostio konjiziert Du M^ril sepukhri ab ostio; X4 Jhesum Coussemaker; X7 quod Christum handickr
X8 quia Coussemaker, quod Du M^ril; X9 spielanw. Magdalene Coussemaker; XIO intus est fehlt Du Meril; X!'
spielanw. pergent Du M^ril; quasi mirans fehlt Du M^ril; Xll text linteo Du Meril; X18 ego ego Du M^riL
8. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. E. VIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab.
81
U(T),
BOOBH» I IHDT. — BieOT, XIII. JHDT.
Hoc finito, SAGERDOS in dextro oornu
taris itenun appareat et, illis transeuntibaB,
ite altare dioat:
6 Avete, nolite timere: ite, nuntiate
atribus meis, ut eant in Galilaeam:
n me videbunt.
Hoo finito, 86 absoondat et MULIERES,
3C aadito, laetae inclinent ad altare et, oon-
srsae ad ohomm, hone versum oantent:
7 Alleluia, resurrexit dominus,
irrexit leo fortis, Christus, filius dei !
Hoc finito, dominus ARCHIEPISCOPUS
3l Baoerdos ante altare oam turribalo in-
piat alte:
S Te deum laudamusl
et sine neama finiatur.
w,
MOHT ST. MIGHKL, :aJ^lBDT,
ANGELT de sepalöhro dioant:
Alleluia! Resurrexit!
Deinde MULIERES revertentes,
primo venerint, dioant:
21 Allehiia! Resurrexit!
unde
Et poBt dioant [MULIERES:]
22 Te deum laudamusl
OBLBANS I, XIII. JHDT.
PoBtea ponant sindonem super altare atque
revertentes altement hos versuB. Prima
[seil. MARIA MAGDALENA] dioat:
28 Resurrexit hodie deus deorum!
Seounda [MARIA UCOBI:]
Frustra signas lapidero, plebs ludaeo-
rum.
Tertia [MARIA SALOME:]
lungere iam populo christianorum.
Item prima [MARIA MAGDALENA] dioat:
Resurrexit hodie rex angelorum.
Seounda [MARIA I ACORI:]
Ducitur de tenebris turba piorum.
Tertia [MARIA SALOME:]
Reserator [I. Reseratur] aditus regni
coelorum !
Interea is, qui ante fuit hortulanus, in simi-
litudinem domini veniat, dalmatioatus Candida
dalmatioa, Candida infula infulatus, phylaoteria
pretiosa in capite, oruoem cum labaro in dextra,
textum auro paratorinm in sinistra habens et
dioat rauHeribus [DOMINUS:]
29 Nolite timere vos: ite, nuntiate
fratribus meis, ut eant in Galilaeam:
ibi me videbunt, sicut praedixi eis.
CHORUS:
30 Alleluia, resurrexit hodie dominus !
Quo finito, dioant omnee [M ARIAE] insimul :
Leo fortis, Christus, filius dei!
Et CHORUS dioat:
31 Te deum laudamusl
Im hinblick auf die konsequente entwickelung, die wir die ursprüngliche form der osterfeier in den repräsen-
inten der zweiten gruppe beginnen und sowohl in der Stilisierung des dialoges, als in der ausnützung des dramatischen
tofifes zu harmonischer abrundung sich vollziehen sahen, sollte man erwarten, dass diese, da sie schon im 12. jähr-
undert beendet und über Süd-, Südost-, Norddeutschland und Frankreich (?) verbreitet war, die feste und unveränderliche
asis jeder ferneren ausbildung des osterdramas geworden wäre. Es ist daher eine befremdliche erscheinung, unter den
Micken der vierten gruppe keinem zu begegnen, welches diese mühsamen errungenschaften früherer bearbeiter vollständig
doptiert hat, obgleich die Überlieferung der ältesten von ihnen nicht über das 13. Jahrhundert hinaufreicht.
In jener ältesten szene zwischen den engein und firauen am grabe zeigen QT hauptsächlicdi zwar die fassuug
er zweiten rezension, aber wie Q8 diejenige der ersten bewahrt, so sind T7 und 9 durch eine gereimte umdichtung
Xiletataok, Oator- vnd pMaioiiMi4«to.
11
82 I DIE LATEINISCHEN 08TERFEIERN.
ZU verechönern versucht worden. UV folgen bis auf UV6, X in X3. 4 und R nur in R4 der ersten rezen-
sion, während UV6 der zweiten sich anschliesst, X2. 5. 6 wiederum gereimt erscheinen und R5. 6. 7 von
beiden rezensionen sich entfernen. Ausserdem enthält X an dieser stelle nur die erste hälfte dieser szene, ,
die Verkündigung der auferstehung Jesu, jedoch um die verse ev. Lukas 24, 6, 7 Mementote, quid iam uobis
loeutus est etc. X7 ei*weitert. W deutet den dialog durch die anfangsworte seiner Sätze nur an, dürfte aber,
nach dem Euntes W12 zu urteilen, zur zweiten rezension gehören; das Venite, venüe! W2 muss seinem
inhalte nach der frage der engel Quem quaerüis etc. entsprochen haben und ist vielleicht nach c, dem
mysterium aus Tours, v. 93. 94 Venite, venite, uenite! Nolite timere uos. Dieite, quem queritis in sepukroj o
cristieole? zu ergänzen. Das Venite et videte loeum etc. ist hier, ausgenommen R, in allen stücken auf- i
genommen und begegnet QU T8 UV5 W5 X23, jedoch mit dem unterschiede, dass es nur in Q, wie in
EFHN, nach dem Sed eito euntes etc. eintritt, in den übrigen dagegen, entsprechend dem ev. Matthäus
28, 6. 7 vor demselben, vgl. ob. s. 39. 48. 49. Das Surrexit dominus de sepukhro etc. erscheint allein Q12 und
nicht mehr, wie in CDE, um die rückkehr der frauen zu bewerkstelligen, sondern lediglich als antwort auf
das Venite et videte etc. der engel. Dieser satz war freilich später durch das Ad monumentum etc. ersetzt
worden, aber auch dieses findet sich nur Q13 R8 TIO X8, und von dem wettlauf der apostel ist nur je
€in satz R29 und X27 vorhanden. In X dient derselbe, das Cemitis, o soeii etc. X27, noch seiner anfäng-
lichen bestimmung, wonach diese werte von den frauen, welche mit dem Ad monumentum etc.' in den kor
der kirche zurückgekehrt waren, zur erklärung der linnen in ihren bänden für die Zuschauer gesprochen
werden sollten. Wir haben oben s. 55 daraus geschlossen, dass X auf eine vorläge zurückweise, welche
mit H im wesentlichen identisch gewesen sein müsse, und diese folgerung wird in evidenter weise durch
die ganz neue und singulare art, in welcher der wettlauf in X in szene gesetzt worden ist, bestätigt.
Nachdem nämlich die frauen mit dem Ad monumentum vom grabe zurückgekommen sind, befiehlt die spiel-
anweisung zu X9 ,Maria Magdalena, relictis duabus aliis, accedat ad sepulchrum, in quod saepe aspiciens
dicat Heu dolor etc. Deinde pergat velociter ad illos, qui in similitudine Petri let lohannis praestare debent
«recti, stansque ante eos quasi tristis dicat Tulerunt dominum meum etc. Illi autem, hoc audientes, pergant
ad sepulchrum acsi currentes* etc. (Ev. Job. 20, 2. 6. 7.) Diese darstellung beruht auf ev. Job. 20, 1 üna
autem sabbati Maria Magdalena venit mane, cum adhuc tenebrae essent, ad monumentum, et videt lapidem
sublatum a monumento. 2 Cucurrit ergo et venit, ad Simonem Petrum et ad alium discipulum, quem
amabat Jesus, et dicit eis Tulerunt dominum de monumento et nescimus, ubi posuerunt eum.
3 Exiit ergo Petrus et ille alius discipulus, et venerunt ad monumentum. Hier also wird der wettlauf der
apostel in präzisem anschluss an den bericht des Johannes direkt durch die Magdalena veranlasst, in
JKLMN dagegen durch das Currebant duo simul etc. des kores. Die entstehung dieser inszenienmg ist
früher des genaueren dargelegt worden. Ebenso ist der gereimte dialog XI 1, welchen Petrus und Johannes
am grabe führen, eine neuerung, denn in JKLMN hat die rolle der apostel, ausser dem CemiHs, o som
etc., überhaupt keine worte. Die emeuerung oder richtiger die einfügung dieses auftritts, der sich nicht,
wie bei den stücken der zweiten gruppe, aus der vorhandenen handlung und ihren teudenzen organisch
entwickelt, sondern als ein loses einschiebsei deutlich erkennbar ist, würde der bearbeiter von X sicherlich
nicht vorgenommen hahen, wenn er die ältere fassung desselben gekannt hättet Dass auch R auf einer
vorläge beruhe, welche den wettlauf in jener älteren auüührungsweise nicht gekannt hätte, ist dagegen keines-
Weges wahrscheinlich. Die vertauschung des CemiHs, o socii etc. mit den strofen 21 ff. aus der Sequenz
1. Auch in den deutsch-lateinisohen osterspielen hat die darstellung des wettlaufes von X keine nachwirkung hinterlassen
und ist niemals wie in X vor, sondern stets nach der erscheinungssaene gesetzt worden.
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. E. VIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab. 8?
des Notker Balbulas Laudes salvatari voce modulemur supplici (Eehrein no 81 ; Daniel II, 12. 383; III, 286;
Mone no 148) R. 30, die nach Daniel II, 13 in vielen kirchen am ostersonntag gebräuchlich gewesen, ist
von untergeordneter bedeutung und kann in der laune irgend eines dirigierenden geistlichen ihren grund
haben. Das Ourrebant duo simul etc. aber, das auch hier, wie in JKLMN, zur eröShung der szene und
zur ausfüllung des Zeitraumes, den die jünger auf ihrem wege vom kor zum grabe gebrauchen, vom klerus
gesungen wird, kann nicht ohne weiteres als das nächstliegendste mittel angesehen werden, auf welches ein
mit jenen stücken unbekannter bearbeiter bei der dramatisierung des wettlaufes nach ev. Johannes 20, 1 ff.
von selbst habe verfallen müssen. Auch will es mich bedünken, dass, — wie bei den stücken der zweiten
gruppe, gemäss ihrer behutsamen und schrittweisen entfaltung, die beibehaltung des kores, der schon vorher
gewissermctösen die jüngerschar vertreten hatte, an welche die botschaft der frauen sich richtete, und aus
welchem darauf die beiden apostel nur als ein besonderer handelnder teil desselben sich ablösten, zur
Inszenierung dieses auftritts am begreiflichsten ist, — so hier, nachdem die osterfeier durch die aufnähme
der erscheinungsszeue schon eine so beträchtliche ausdehnung erhalten hat, vielmehr eine freiere und von
dem ausserhalb der dramatischen akzion stehenden kor unabhängige gestaltung natürlicher erschienen wäre.
X kann in dieser beziehung als beispiel dienen, lieber die anderen stücke QTUVW, welche den wettlauf
gar nicht zur aufführung bringen, wird es besser sein die entscheidung zurückzuhalten, bis wir sie in ihrem
weiteren verlaufe kennen gelernt haben. —
Die nun in QRTUVWX folgende szene, die begegnung Magdalenens und Jesu am ostermorgen, ist
die bedeutsame erweiterung, von der wir im eingange dieses abschnitts gesprochen haben. Sie ist das
wichtigste merkmal, durch welches sich die stücke dieser gruppe von den früheren unterscheiden und durch
die Überwindung des Wagnisses einer persönlichen darsteUung Jesu für die fernere entwickelung des dramas
von weittragendster bedeutung. Auch sie beruht, wie der wettlauf, auf dem evangelium Johannes, die
dramatisierung seiner erzählung ist aber in QRT eine andere, als in UVWX. Um dies zu verstehen,
werden wir uns den abschnitt aus dem Johannesevangelium kurz vergegenwärtigen müssen. Nachdem die
apostel vom grabe zurückgegangen sind, heisst es weiter v. 11 ff. Maria autem stabat ad monumentum
foris plorans. Dum ergo fleret, inclinavit se et prospexit in monumentum, 12 et vidit duos angelos in
albis sedentes, unum ad caput et unum ad pedes, ubi positum fuerat corpus Jesu. 13 Dicunt ei illi
Mulier, quid ploras? Dicit ei Quia tulerunt dominum meum et nescio, ubi posuerunt eum.
14 Haec cum dixisset, conversa est retrorsum et vidit Jesum stantem, et non sciebat quia Jesus est.
15 Dicit ei Jesus Mulier, quid ploras? quem quaeris? lila existimans quia hortulanus esset, didt
ei Domine, si tu sustulisti eum, dicito mihi, ubi posuisti eum, et ego eum toUam. 16 Dicit
ei Jesus Maria. Conversa illa dicit ei Rabboni, quod dicitur magister. 17 Dicit ei Jesus Noli me tan-
gere: noudum enim ascendi ad patrem meum; vade autem ad fratres meos et die eis Ascendo
ad patrem meum et patrem vestrum et deum meum et deum vestrum. Johannes berichtet
also nicht bloss von einer begegnung Magdalenens mit Jesu, sondern auch dieser vorausgehend, von einer
solchen mit den engein im grabe. In UVWX sind beide zur darstellung gekommen, in QRT dagegen
nur die erste.
Wenn sich die ansieht Wilkens^, dass die Verwendung derselben neutestamentlichen stellen nichts
fUr den direkten Zusammenhang französischer und deutscher stücke beweise, einmal bewähren sollte, so wird
sie es hier tun können. Bei den ältesten formen der dramatischen osterfeier war es nicht schwer, aus der
durchgehenden Übereinstimmung in den veränderten fassungen der nicht dialogisch gehaltenen bibeltexte den
1. Ueber die kritische behandlang der geiBtliohen spiele b. 18.
11*
84 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIEBN.
nachweis einer allen dramen zu gründe liegenden urabfassung zu liefern, und mit gleicher Sicherheit gab
sich die weitere ent Wickelung aus diesen und anderen gründen als eine, wenn auch nur gruppenweise,
gemeinsame zu erkennen. Die Schilderung des begegnisses zwischen Magdalena, den engein und Jesus
hat dagegen im Johannesevangelium selbst schon, mit ausnähme einiger den ort und die weise des auf-
tretens der personen betreffenden bemerkungen, eine vollständig dialogische form: hier also war die dra-
matisierung sehr einfach dadurch zu erreichen, dass man eine anzahl passend kostümieiter geistlicher auf
die Szene brachte und jenen dialog vortragen fiess. Obgleich dies in der tat bei der erscheinungsszene
in präzisem anschluss an Johannes geschehen ist, indem man den dialog ausschied und ohne irgend eine
bemerkenswerte änderung oder hinzufügung in das drama versetzte, wird man dennoch einige bedenken an
der Unabhängigkeit der französischen von den deutschen stücken schon deshalb^ nicht ganz überwinden
können, weil es dieser frühen entwickelungspehode nach den bisherigen erfahrungen allzusehr an tatr
kräftiger iniziative zu grösseren selbständigen, obschon naheliegenden erweiterungen des dramas fehlte, und
dieses bedenken muss sich um so stärker hervordrängen, wenn, wie wir sogleich sehen werden, in der
allerdings nur den französischen dramen UVWX angehörenden ersten szene zwischen den engein und
Magdalena zugleich auch einige momente auftreten, welche die abfassung dieser durch ^inen bearbeiter
unzweifelhaft machen. Dieser beweis gründet sich vornehmlich auf die über den johanneischen dialog hin-
ausgehenden übereinstimmenden zusätze und die Inszenierung.
Der kern der ersten UV7 — 10, W7 — 13 und X13 — 16 umfassenden szene zwischen Magdalena und
den engein wird durch die frage Mulier, quid ploras? und die antwort Quia tulerunt etc., ev. Johannes
20, 13, gebildet. Daran schliesst sich aber UV9 WO die weitere aus dem ev. Lukas 24, 5 genommene
frage der engel Quem quaeritis, mulieres? uiventem cum mortuis? worauf von den engein selbst UV9. 10
W9. 10 mit Lukas 24, 6 Non est hie, sed surrexit: reeordamini qualüer loeutus est vobis etc. sogleich die
antwort erfolgt. Denn dass auch in W, welches alle gesprochenen Sätze nur durch die anfangsworte an-
deutet, die beiden letzten vollständig gemeint gewesen sein müssen, geht schon aus der vom evangelium
abweichenden lesart Quem statt Quid quaeritis etc. hervor, welche W9 mit UV9 offenbar auf grund einer
gemeinsamen vorläge teilt. Dieselben zusätze finden sich aber auch in X, allerdings an anderen stellen,
und zwar Quid, ekristieolae, viverUem quaeritis cum mortuis? X5 in der ursprünglichen szene als erweiterung
vor der in allen stücken stereotypen antwort der engel Non est hie etc. und Memeniote, quid iam uobis
loeutus [est] in Galilaea: Christum oportebat pati atque die tertia Resurgere cum gloria X7 nach der-
selben. Dieser örtlich verschiedenen Verwendung ist jedoch in diesem falle ebenso wenig eine erheblichere
bedeutung beizumessen, welche gegen die aus diesem UVWX gemeinsamen zusätze zu folgernde nähere
beziehung dieser stücke geltend gemacht werden dürfte, als der gereimten Umarbeitung, weil die verse in
keiner der übrigen lateinischen dramatischen osterfeiem sich finden, bei X in einer UVW ganz homogenen
situazion erscheinen und durch die wesentlich fi*eiere redakzion von X ihre ortsveränderung leicht erklären
lassen. Ist daher schon in folge dieses Zusatzes, der gewiss nicht als diejenige erweiterung, — wenn sie
überhaupt eine solche fiir notwendig oder wünschenswert hielten, — betrachtet werden kann, auf welche
mehrere unter einander unabhängige redaktoren gerade in dieser stelle von selbst hätten geraten müssen,
die annähme einer gemeinsamen vorläge für UVWX in dieser szene in hohem grade wahrscheinlich, so
wird diese durch die von der seitherigen spieltradizion in einem punkte gänzlich verschiedenai szenischen
anordnungen unwiderleglich erwiesen.
In allen stücken, welche ausführlichere bühnenanweisungen enthalten, ausgenommen O, treffen die
drei Marien den oder die engel im grabe sitzend an, jene sprechen hinein, diese aus demselben heraus.
Das entspricht den evangelischen darstellungen des Matthäus, Markus und Lukas und ist, wie sich später
8. URSPRUNG UND EKTWICKELDNG. E. VIERTE GRUPPE, QRHTUTWXYZftb. 85
leigen wird, ohne zweifei die ursprüngliche einrichtung. Bei UVWX dagegen begegnen die frauen zuerst
in jener ältesten Bzene nur Einern engel, der nicht im grabe selbst platz genommeD hat, sondern ausserhalb
desselben, und zwar in UV .ante sepulchnim', in X ,foris ad caput sepulchri', in W sogar ,super altare', also
an einem ganz anderen orte. Nach beendigter Unterredung muss sich dieser engel auf irgend eine weise
entfernen, die Marien treten alsdann vor das grab, in welchem nun zwei engel sitzen, mit denen Magdalena
das zweite gespräch fahrt. Mit diesem Szenenwechsel wird nicht nur eine änssere Verschiedenheit beider
auftritte erreicht, die namentlich für die des lateinischen unkundigen Zuschauer notwendig war, sondern
vor allem auch die erforderliche Steigerung des effektes, ohne welche zwei so äbnlicbe und in ihrem end-
zweck gleichbedeutende dramatische Vorgänge nicht neben einander bestehen konnten. Die älteste szene
aber, welche bisher, im mittelpunkte der handlung stehend, die rolle dramatische Wirkung auszuüben
bestimmt war, ist durch dieses wohl überlegte manöver zu einem blossen Vorspiel der zweiten begegnung
herabgedrückt worden, und man wird nicht umhin können, in dieser offenbar durchdachten und absicht-
lichen änderung des ursprünglichen planes die geschickte band ^ines bearbeiters zu erkennen, der den im
johanneseTangelium dai^ebotenen Stoff verwerten wollte nnd auch das bis dahin unbenutzt gebliebene
evangelium des Lukas mit kap. 24, 5. 6 und 7 tributpflichtig machte.
Es ist schon bemerkt worden, dass auch von der regel eine ausnähme macht Auch in ihm
findet die begegnung der frauen und engel nicht beim grabe statt, — ein solches kommt in überhaupt
nicht zur anwendung, — sondern, wie in W, beim altar, auf welchem ein dieses vorstellendes behältniss
aus bQchem aufgebaut ist. Dass jedoch diese einrichtung, trotz der auf ältester Überlieferung beruhenden
aufzeichnung von und~ seiner immerhin beachtenswerten Übereinstimmung in diesem punkte mit Vf, nicht
etwa darum, weil sie die einfachere, auch als die ursprünglichere weise der inszeniening gedeutet werden
darf, von der man späterbin erst zur aufstellung eines grabee übergegangen wäre, ergibt sich schon aus
der Spielanweisung des nächstverwanten und in bezug auf treue der Oberlieferung mindestens gleich-
wertigen P zu ?2 ,Puer, in vestitu angelico sedens super pulpitum a comu altaris sinistro'. Denn da hier
an der linken Seite des altars eine förmliche bühne (pulpitum) hergerichtet ist, auf welcher das drama
agiert wird, so muss, obschon des grahes selbst nicht ausdrücklich erwähnung geschiebt, das Vorhandensein
eines solchen schon um deswiUen vorausgesetzt werden, weil man den engel nicht wohl ohne das zum
verständniss des darzustellendeu auferstehungsaktes für das volk so wichtige syrohol auf die nackte bühne
gesetzt haben kann. Wenn aber somit die ausnahmestellung von keine allgemeinere bedeutung besitzt,
60 kann sie auch nicht als einwand gegen unsere beweisfflhrung dienen, wonach die vorhin dargelegte
eigentümliche Inszenierung in UVWX für die annähme äines bearbeiters ein entscheidendes kriterium ist.
— Ohne haltlose Vermutungen vorbringen zu wollen, glaube ich doch auf ein zeugniss des Durandus
hinweisen zu müssen, aus dem vielleicht, einen schluss auf die entetehung dieses merkwürdigen gebrauches
in zu machen, gestattet ist Seiner, oben s. 25 mit Y bezeichneten, und weiterhin noch zu besprechenden
beschrmbung der dramatischen osterfeier fügt Durandus die bemerkung hinzu ,Qnidam vero hsnc reprae-
sentationem faciunt, auteqnam matutiuuro inchoSnt, sed btc est proprior locns, eo quod Te dam laudamut
exprimet horam, qua dominus resurrexit: quidam eti&m faciunt ad missam, cum dicitur eequentia illa
Vietimae pasehali, cum dicitur versus Die tiobU et sequentes'. Daraus geht hervor, dass die matutin des oster-
morgens die für die dramatische anfführung übliche zeit war, weil man um diese zeit die einstige auf-
erstehung annehmen zu müssen glaubte, und diese dogmatische meinung ist für unseren aus den dramen
selbst gelieferten nachweis eine vriUkommene besUtlgnng. Von einigen jedoch, — aber gewiss viel seltener,
das zeigen schon die erhaltenen stücke, — werde die aufführung in die messe verlegt wo die sequenz
Vietimae panlutU gesungen wird, und da ist es wohl zu begreifen, dass man die kleine szene vom altar
86 I- I>I£ LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
aus sich abspielen iiess, indem man von grösseren szenischen zurüstungen, welche die beilige handlang
allzu stark unterbrochen haben würden, abstand nehmend, ein mit einem tuche überdecktes büchergehäose
die stelle des grabes vertreten liess.
Das zeugniss des Durandus ist noch in einer anderen beziehung wichtig und es sei mir gestattet, an
dieser stelle nachzuholen, was ich oben s. 62 f. bei der Verhandlung über die aufnähme der sequenz Victimae
paschali in die dramatische osterfeier leider anzuführen unterlassen habe. Ich habe mich dort aus den
angegebenen gründen dahin entschieden, dass zunächst das sogenannte ,responsorium' von Die nobü Maria
an in das drama eingang erhalten habe, wie es in PRT tatsächlich der faU ist, und dass das ,respon8onum^
alsdann auch den ersten teil der sequenz in OcQ nach sich gezogen. Dabei ist zu beachten, dass OP
und QRT sehr nahe verwant sind und OP im übrigen auf uralter und ursprünglicher Überlieferung beruhen.
Aus der anmerkung des Durandus ,quidam etiam faciunt [sc. repraesentationem] ad missam, cum dicitur
sequentia illa Victimae paschali, cum dicitur versus Die nobis et sequentes' geht nun mit voller klarheit
die richtigkeit unserer argumentazion hervor. Zugleich damit muss ich diese stelle auch gegenüber der
behauptung für mich in anspruch nehmen, dass die lateinische dramatische osterfeier aus dem ,responso-
rium' entstanden sei. Denn, wie ich sie verstehe, gibt sie durch die voranstellung des ,quidam vero hanc
repraesentationem faciunt, antequam matutinum inchoänt' und die beigefügte erklärung ,sed hie est proprier
locus, eo quod Te deum laudamus exprimit horam, qua dominus resurrexit' der anschauung des Durandus
ausdruck, dass diese zeit und aus dem angegebenen gründe die passendere und allgemein gebräuchliche
zur dramatischen auiführung gewesen, während die einfügung derselben in die messe eine gegen die korrekte
kirchliche tradizion verstossende ausnähme sei. Allerdings ist die auffassung des Durandus allein noch
nicht entscheidend und ich verkenne keineswegs, dass seine äusserung auch im sinne jener behauptung
interpretiert werden könnte. Ich hoffe jedoch, dass dies ebenso wenig geschehe, als ich überzeugt bin,
dass sich dadurch allein niemand die Wahrscheinlichkeit derselben wird einreden lassen.
Endlich noch eine Vermutung in bezug auf die schon beregte lesart Quem UV9W9 statt Quid quaeritis
etc. bei Lukas 24, 5. Dieser vers findet sich nur in UVWX und in c, dem mysterium aus Tours. X hat
ihm eine eigene gereimte fassung gegeben und liest mit Lukas übereinstimmend Quid; c dagegen liest
quem, wie UVW, hat jedoch nicht das anstössige di^er Variante, da der vers als frage und antwort
zwischen die engel und frauen verteilt ist, nämlich c 203, 204
ANGELÜS interroget Marias:
Quem queriüs?
MARIE simul respondent:
Viuentem cum mortuis!
Hiedurch, so scheint mir, wird es sehr wahrscheinlich, dass die fassung von c die originale ist und dass
in UVWX eine verderbniss vorliegt, welche durch irrtümliche auslassung der zweiten Spielanweisung und
zusammenziehung beider vershälften entstanden ist.
Diese Übereinstimmung in der aufnähme der beiden aus dem ev. Lukas genommenen verse, der
veränderten Inszenierung, dazu das zeugniss des Durandas und die bemerkenswerte Variante zusammen-
genommen, zwingen, wie ich meine, zur annähme £ines bearbeiters für diesen auftritt, von dem UVWX
dependieren. — Die ferneren zusätze in W, VeniU et videte etc. WIl und Buntes dicüe diseipulis eka etc.
W12 und In sepukhro W13 sind selbständige erweiterungen dieses Stückes, ohne eine andere weitergehende
bedeutung; Wll und vielleicht auch W12 sind blosse Wiederholungen von W5, W13 vermag ich jedoch
nicht nachzuweisen und darum anch nicht zu ergänzen. X15 NoU flere, Maria, returrexU dominm, aUdmal
fand sich dagegen in etwas rätselhafter weise am Schlüsse von L. X16 Ardem e$t cor meum etc. werdea
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. E, VIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab. 87
wir c200 — 202 wieder antreffen; beide Sätze bilden indess schon den Übergang zum folgenden auftritt
dieses aktes.
Dieser auftritt, die begegnung Jesu und Maria Magdalenens, beruht auf ev. Johannes 20, 14 — 17,
vgl. oben s. 83. Frage und antwort sind hier, wie bei der vorigen szene, aus der erzählung ausgeschieden
und als dialog ins drama versetzt worden, und zwar in UVWX ohne jeden ferneren zusatz, in QRT unter
hinzufügung des hymnus Cum venissem tmgere mortuum etc. als einleitung und in QR auch eines aus dem
hymnus Prima quidem suffragia etc. und dem trishagion bestehenden dialogischen Schlusses. QRT erweisen
sich somit schon durch diese zutaten näher verwant, UVWX könnten dagegen diesen auftritt gänzlich
unabhängig von einander zugerichtet und aufgenommen haben, wenn sich eine solche annähme nicht wegen der
für die unmittelbar voraufgehende zweite engelsszene nachgewiesenen gemeinsamen vorläge von selbst ver*
böte. Denn diese ist für sich allein nicht möglich, sondern nur als Vorbereitung auf die sich anschliessende
begegnung Magdalenens mit Jesus zu motivieren. Diese müsste daher zum wenigsten gleichzeitig mit
jener verfasst sein, und da in UVWX die erstere erwiesenermassen ihre entstehung änem bearbeiter verdankt,
so kann auch die letztere nur entweder von diesem zugleich mit gemacht oder in dem seiner bearbeitung
unterliegenden drama schon vorgefunden worden sein. Und dass es wirklich noch andere stücke gab,
welche die erscheinungsszene schon besassen, ergibt sich aus der Verfassung von QRT, da, wenn zwischen
diesen und UVWX ein näheres abhängigkeitsverhältniss bestände, QRT auch die zweite begegnung mit
den engein, oder UVWX den ersten hymnus jener aufzeigen müssten, es sei denn, dass hier der hymnus,
oder dort die engelsszene willkürlich ausgeschlossen worden wäre, eine jedoch durchaus unwahrscheinliche Ver-
mutung. Ob daher die erscheinungsszene zunächst in der streng johanneischen form und von mehreren
unabhängigen autoren in die dramatische osterfeier aufgenommen wurde oder das werk eines einzigen ist,
aus welchem QRT und UVWX sich entwickelten, ist, meines erachtens, nach läge der sache nicht zu
entscheiden.
Eine teilweise engere verwantschaft vrird dagegen für QRT durch den hymnus Cum venissem ungere
mortuum etc. begründet, der ohne zweifei in folge der erscheinungsszene gedichtet wurde; man hat ihn
meines Wissens bisher nur in den osterdramen gefunden und auch hier, ausser in T, bloss in deutschen.
Cividale scheint aber in einem eigentümlichen verhältniss zu Deutschland zu stehen; schon bei H, welches
ebenfalls aus dieser stat herrührt, fand sich gelegenheit, die wichtige mittlere Stellung dieses unter den
übrigen ausschliesslich Deutschland angehörenden stücken der zweiten gruppe fQr die aufklärung ihres
entwickelungsganges hervorzuheben. Wie H, so zeigt aber auch T, abgesehen von den überarbeiteten
gereimten Sätzen, die spezifisch deutsche zweite rezension und stellt sich in seiner weiteren entwickelung
durch die mit QR übereinstimmende aufnähme der hymnen Heu nobis intemas mentes etc. und Cum venissem
ungere mortuum etc., sowie der Sequenz unmittelbar an die Seite der deutschen dramen, gegenüber welchen
UVWX, gemäss der ihnen eigenen zweiten und dritten engelsszene und des zweimaligen auftreteus Jesu in
UVX, als repräsentanten einer von jenen unabhängigen französischen entwickelung gekennzeichnet werden.
Die nächste verwantschaft von H und T zu den gleichartigen deutschen stücken ist hienach über jeden
s^weifel erhoben und man würde sie, da beide in derselben stat Cividale auftreten, am einfachsten als
vereinzelte Überläufer deutscher spielformen auf französisches gebiet ansehen können, wenn nicht manche
anklänge, wie das Quü revolvet etc. in der fassung der zweiten rezension, das Ad monumefUum etc., das
Cwrrebani duo simul etc. und das CemUis, o sodi etc., auch in den französischen dramen Les trois Maries
und X sich fänden, welche für dieselben sowohl ein älteres vorkommen, als eine weitere Verbreitung in
Frankreich beweisen. Für X ergab sich zufolge der Verwendung des Ad monumentum etc. und besonders
des CemMs, o socü etc. die vorläge eines in dieser partie H ähnlich angelegten Stückes, das drama Les
88 I- DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
trois Maries stellt dagegen, bei übrigens beachtenswerten Übereinstimmungen mit X, den wettlauf in der
weise von JELMN dar. Die frage, welchem lande die Priorität in der hervorbringung dieser mittleren
entwickelungsformen zu vindizieren sei, muss somit als eine offene gelten, bis andere französische denk-
mäler bekannt werden, die namentlich die allmälige entfaltung der dramatischen osterfeier in Frankreich
deutlicher erkennen und dadurch auch ihre berührungspunkte mit den deutschen schärfer hervortreten
lassen. Für den Vorgang der deutschen spricht einstweilen die häufigkeit der stücke, die alle fasen der
dramatischen entwickelung (ausgenommen die form H) für Deutschland bezeugen und den verlauf derselben
und die motive, welche ihre bearbeiter leiteten, mit Sicherheit auffinden liessen, ihre grosse und frühzeitige
Verbreitung und überhaupt ihr bei weitem höheres alter. Und wie hier, so werden wir auch die ausbil-
düng der deutsch-lateinischen osterspiele von stufe zu stufe verfolgen können. Den nächsten anlass
dazu scheinen die in QR zuerst vorkommenden hymnen gegeben zu haben, die in diesen beinahe regel-
mässig und meist mit deutscher Übertragung oder auch in dieser allein auftreten, so z. b. in den oster-
spielen aus Trier, Wolfenbüttel, Frankfurt, Eger, Innsbruck, Wien, Sterzing: wir werden im folgenden
hauptabschnitt genauer auf sie zurückkommen müssen und dort auch eine kritische herstellung ihrer texte ver-
suchen. Hier sei nur erwähnt, dass sich die in QR der ersten strofe des hymnus Cum vmissem ungere mariuum
etc. vorangehende En angeli aspectum vidimus etc. nur in diesen beiden stücken findet, die strofe Dolor crescü,
tremunt praecordia etc. anderwärts stets, und gewiss richtig, der strofe En lapis est vere deposüus etc. nach-
gestellt wird und damit übereinstimmend die lesarten in der zuletzt genannten strofe iUis QR statt eis
gegen alle anderen auf eine besonders nahe verwantschaft zwischen QR schliessen lässt. Darauf deutet
auch der die erscheinungsszene in QR schliessende und in T fehlende hymnus Prima quidem suffragia etc.,
welcher von Jesus gesungen wird, indem Magdalena nach den drei ersten strofen mit je einem satze des
trishagions antwortet. —
Im Schlüsse des spiels gehen alle stücke dieser gruppe, ausgenommen QR, sehr stark auseinander.
In T kehrt Magdalena nach den letzten werten Jesu Maria, noU me tangere etc. T19 ,ad locum suumS
d. h. an den platz im köre zurück, von welchem die frauen ausgegangen waren, indem sie, wie bei der
ersten engelsszene durch das Ad monummtum etc., ihre erlebnisse berichtet Vere vidi dominum vivere etc.
T20. Sie wird darauf vom köre, d. h. den jungem, mit dem Die nobis, Maria etc. empfangen, und unter
wechselweiser absingung dieses teils der sequenz endigt das drama ohne zweifei mit dem Te deum, ob-
gleich es in der handschrift nicht angegeben ist. — In UV erscheint der ,sacerdos-dominus^ den nach
dem NoU me tangere etc. UV15 zurückkehrenden frauen zum zweiten male ,in dextro comu altaris' während
jene vorübergehen, erteilt ihnen seine botschaft an die apostel mit Matthäus 28, 10 Avete, nolite Umere:
He, nuntiate frtUribta meis, ut eani in Galäaeam: ibi me videbunt UV16 und verschwindet Die Marien aber
knieen am altare nieder und verkünden zum köre gewant die auferstehuug Aüeluia, restsrrexü dominus,
resurrexii leo fortis, Christus, fUius dei UV17, der archiepiscopus oder der zelebrierende priester antwortet
mit dem Te deum. — Ein wechselgesang zuerst der frauen, dann der frauen und engel beschliesst W.
Jesus zieht sich zurück, nachdem er den Marien seinen sogen erteilt hat; darauf singen diese alternierend
drei Sätze, die nur mit den anfangsworten bezeichnet werden und responsorien oder hymnenstrofen sind
(ich habe sie nicht nachweisen können), der am altar sitzende engel antwortet Resurrexii W20, diesem
die engel im grabe AUebäa, returreadt und ebenso die in den kor sich zurückwendenden frauen AUeluia,
returrexit W21, worauf diese selbst auch das Te deum anstinmien. — X28 — 30 hat die beiden schluss-
motive vor UV und W vereinigt; diese dritte engelsszene ist jedoch nichts anderes als die zweite hälfte
der planmässig geteilten ursprünglichen szene am grabe, vgl. ob. s. 82. Die erste begegnung der engel
und frauen am grabe enthält in X2 — 7 nur die Verkündigung von der auferstehuug Jesu und schliesst
8. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. E. VIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab. 89
daher mit dem Nmi est Mc, sed surrexü, praedixit ut discipulü X6, jedoch durch das MemmUote, quid lom
vobis locutiis eit etc., vgl. oben s. 69, erweitert; die botschaft an die jünger ist dagegen unterblieben, um
hier am Schlüsse als ein besonderer auftritt eingertigt zu werden. Sobald sich also Jesus mit den werten
NoU m$ längere etc. X21 zurückgezogen, wendet sicif Magdalena zum volke, sprechend (kngraiulammi mihi
amnes^ etc. X22, darauf treten die engel aus der tür des grabes, rufen die frauen herbei {Venüe et videU
etc. X23), tragen ihnen auf nach Galiläa zu gehen, wo sie Jesum sehen würden {NoIiU Hmere vos: vuUum
tristem iam mutaie etc. X24), und den jungem zu sagen, dass Kristus auferstanden sei (Cito euntes dicite
discqnUis etc. X25). Alsdann treten die frauen den rückweg an, verkündigen dem volke die auferstehung
(Surrexit daminui de sepulchro, qui pro nobis pependit in ligno, AUeluial X26) und zeigen die schweisstücher
{Cemitey vos socii etc. X27), welche sie auf den altar niederlegen. Dann folgt die zweite erscheinungsszene,
nachdem die frauen unter versweise wechselnder absingung einer anderwärts nicht nachweisbaren hymnen-
strofe (Resurrexit hodie deus deorum etc. X28) nochmals zurückgekehrt shid, ganz wie in UV, nur dass
X30 nicht, wie UV17, den frauen allein zufällt, sondern zwischen den kor und diese verteilt ist UY und
X haben diesen Schlussauftritt ersichtlich aus derselben quelle geschöpft.
Das gesammtbild also, welches die dramen der vierten gruppe uns darbieten, ist von demjenigen der
beiden vorhergehenden gruppen in hohem grade verschieden. Dort zeigte es eine in einer gegebenen
richtung fortschreitende konsequente entwickelung, hier dagegen neben mehreren auf älterer und ältester
grundlage beruhenden gemeinsamen formen die unregelmässige agglomerazion einer grösseren anzahl teils
kleineren gruppen, teils eitzelnen stücken allein angehörender schon bekannter und neuer züge. Allen
dramen gemein ist nur die ursprüngliche szene der engel und frauen am grabe und der auftritt, welcher
die begegnung Magdalenens und Jesu behandelt, soweit er auf ev. Johannes 20, 14 — 17 beruht; durch die
hymnen Heu nobis, intemas mentes etc.. Cum venissem ungere mortuum etc. und die Sequenz Victimae pMchali
werden QRT, durch die ^zweite an Johaunes 20, 11 — 13 anknüpfende engelsszene und die beidei» in UV
und W einzeln, in X vereinigt erscheinenden kurzen auftritte am ausgange der dramen werden UVWX zu
kleineren gruppen verbunden, in welchen wiederum QR vermittelst der ersten, in T fehlenden, strofe En
angeli aspectum vidimus jenes hymnus', der offenbar unrichtigen strofenfolge, sowie des andern, die erschei-
nungsszene beschliessenden hymnus Prima quidem suffragia^ QT vermittelst der vorwiegend die zweite
rezension aufweisenden ersten szene, während RUVWX hauptsächlich die älteste fassung bewahren, in nähere
verwantschaftliche beziehungen gesetzt werden. Das mass dieser Verwirrung aber voll zu machen, müssen
wir sodann das Ad monumentum etc. in QRTX, das Currebant duo simul etc., durch einige strofen der
Notker sehen Sequenz Laudes salvatori zur wettlaufszene ergänzt, in R, das Cemitis, o socii etc., jedoch in
der entwickelungsfase H, und den wettlauf in ganz neuer abfassung in X, und überdies noch eine ganze
reihe an sich zwar unwichtigerer modifikazionen, Verschiebungen und zusätze hervortreten sehen, um uns
sofort von der absoluten unmöglichheit zu überzeugen, diese heterogenen und in der willkürlichsten weise
sich kreuzenden erscheinungen auch nur bei einem einzigen satze unter den gesichtspunkt einer allge-
meinen und gar auf der basis der zweiten und dritten gruppe fortgesetzten entwickelung zu bringen.
Allein auch für diese bildungen der lateinischen osterfeier muss es eine erklärung geben. Aus der im
1. Du Meril, Origiiies laUofls p. 114, note 2 schlägt ganz unnötiger weise vor quia kic quem zu lesen. Das responsorium
lautet vollständig Resp. Congraiulamini mihi omnes, qui diligitis dominum, quia quem querebam apparuii mihi, Ei dum
ßerem ad monumentum^ vidi dominum meum alMuia, alleluia. Vers. Reeedentibus ditcipulii, non recedebamf ei amorie
eius igne succenta, ardebam desiderio^ Ei dum ßerem etc. und findet sich z. b. in einem Breuiarium { Romanum, Üenetijs |
ipressum arte et impSsis Oe-|orgij de Ariuabenis Man|tuani. Anno incamationis | domini. M occc xcvij. zvij. | Cal'.
lun^. 40, fol. 192 b.
MllohiAck, Otter- und paMiooMpi«!«. 12
90 I I>IE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
gaDzen genommen übereinstimmenden form der ältesten szene zwischen den frauen und engein am grabe
geht hervor, dass sie ursprünglich wenigstens auf dieser gemeinsamen grundlage beruhen, die hinzanabiiie
des auftritts Magdaleneiis mit Jesu muss ferner, weil er in allen stücken identisch, der erste schritt ihrer
entwickelung gewesen sein, und diese beiden Szenen, beschlossen durch das Te deum, haben wir als den urtfpiiB
der vierten gruppe zu betrachten, der, wenn er nicht von nur ^inem bearbeiter herrührt, — was nicht ent-
schieden werden konnte, — in Frankreich von Deutschland unabhängig entstand, alsdann aber in bei-
den ländem eigentümliche formen des dramas erzeugte. Die beiden deutschen QR und das zweite dvidaler
mysterium T suchten die weitere entfaltung durch die anwendung des Ad monumentum und je eines hynmiiB,
resp. der sequenz Vietimae pasehali vor jeder szene und vor dem Te deum, die französischen UVWX in einer
zweiten grabszene vor dem erscheinen Jesu als hortulanus, und bis hieher ist die entwickelung auf jeder
Seite eine gemeinschaftliche. Und dass diese formen weit früher vorhanden waren, als die erhaltenen
stücke, wird durch c, das mysterium aus Tours, bewiesen, das noch ins zwölfte Jahrhundert hinaufreicht
und in seinem älteren kerne genau dieser stufe der französischen entwickelung entspricht. Was sich aber
über diese Stadien hinausgehend in unseren dramen noch findet, ist je nach dem gutdünken des mit der
regle seines klosters betrauten geistlichen neu hinzugefügt, oder aus andern stücken aufgenommen, wie
sie in den bereich seiner kundschaft gerieten. So beruht die zweite rezension in Q und T offenbar auf ver-
schiedenen quellen, da einerseits Q8, andererseits T9 im gegensatz zu seinem partner die ältere fassung
bewarte. Solche Übereinstimmungen haben daher keine allgemeinere bedeutung, weil ihnen der zentrale
ausgangspunkt fehlt. Für uns und die weitere Untersuchung beanspruchen natürlich die beiden deutschen
osterfeiem QR das grösste Interesse, von denen jedoch nicht Q(6) allein, das ja des wettlaufs und viel-
leicht auch der zweiten hälfte der sequenz noch ermangelt, die grundlage aller deutsch-lateinischen oster-
spiele, wie Schönbach angibt, sondern eine aus beiden in vermehrter und verbesserter bearbeitung ent-
standene komposizion, welche in vollständig lateinischer fassung bis jetzt nicht bekannt ist.
In der ei nie i tun g dieser stücke treten dieses mal entschiedener, als es bisher der fall gewesen,
lateinische hymnen auf. Der hymnus Heu, pius pastor oeeidü etc. XI ist allerdings wiederum eine eigen-
tümlichkeit dieses Stückes und kommt wie früher, so auch in den späteren dramen nicht mehr vor. Die viel-
fachen Verderbnisse im texte dieses hymnus sind, wo sie mit Sicherheit zu verbessern waren, durch aus-
schliessung der den rytmus störenden zusätze in runden klammem nach dem vorgange Du M^rils beseitigt
worden; die für den zweiten vers der vorletzten strofe zur wähl gestellten konjekturen Du M^rils perunga^
mus corpus sanetum oder ungamus corpus sanctum scheinen mir jedoch das richtige nicht zu treffen. Wich-
tiger ist dagegen der in QRT benutzte hymnus Heu nobiSy internas mentes etc., weil er in den deutsch-
lateinischen osterspielen sozusagen stereotyp geworden ist. Dort wird von demselben, wie schon ange-
geben, ausfürlicher die rede sein müssen. Die aufnähme der hymnen und der grössere umfang dieser
dramen schliesst natürlich die einfügung derselben in den gottesdienst der matutin des ostermorgens noch
nicht aus. 0, welches ebenfalls einen hymnus als einleitung benutzte, zeigte daneben in Ol eine antifone
oder ein responsorium, welches ebenso wie Ql. 2 die stelle des rituals bezeichnet, bei welcher die dra-
matische auflührung erfolgen sollte. UVW haben zwar keinen lyrischen eingang, dafür aber werden durch
die Spielanweisung zu Wl ,Ad matutinum paschae, ante Te deum laudamus' etc. nochmals die zeit und der
ort des spieles ausdrücklich bezeugt.
8. URSPRUNG UND ENTWICKELÜNQ. E. VIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab. ^|
Gemäss der Scheidung» welche ich für die untersuchang unter den in der aufschrift dieses ab-
Schnitts genannten stücken getn»ffen habe (vgl. oben s. 64. 65)« harren nun die erhaltenen bruchstücke
von dramatischen osterfeiem noch einer kurzen besprechung.
Was wir von T wissen, findet sich in d^ beschreibung des Durandus, welche sich leider haupt-
sächlich darauf beschränkt, den verlauf der handlung im allgemeinen und die auftretenden personen an-
zugeben, die einzelnheiten des dialogs jedoch nur an zwei stellen deutlich hervortreten zu lassen. Ihr
Wortlaut ist folgender:
Tertio responsorio cum Gloria patri decantato, cum cereis et solemni processione de choro ad ali-
quem locum tendimus, ubi sepulc^um imaginarium coaptatur et ubi introducuntur personae sub forma et
habitu mulierum et duorum discipulorum, scilicet lohannis et Petri, qui ad sepulcrum Christum quaerentes
venerunt, et quaedam aliae personae in personis et forma angelorum, quae Christum a mortuis resurrezisse
dixerunt; in personis quorum recte cantari potest illa secunda responsorii primi particula NoU timere etc.
usque in finem responsorii. Tunc redeunt ad chorum, quasi fratribus referentes, quae viderunt et audierunt,
et unus redit citius alio, sicut Johannes cucurrit citius Petro; in personis quorum convenienter cantatur
illud responsorium Congratulamini sine versu. Si qui antem habent versus de hac repraesentetione com-
positos, licet non autenticos, non improbamus. Tunc chonis, audita resurrectione Christi, prorumpit in
vocem altisone cantans Te deum laudamus.
Alsdann folgt noch die schon besprochene stelle über den verschiedenen gebrauch, die dramatische
aufiführung in der matutin oder in der messe statt finden zu lassen, vgl. oben s. 85 f.
Soviel geht zunächst aus dieser beschreibung mit Sicherheit hervor, dass das personal in dem drama,
welches Durandus vor äugen hatte, aus frauen,, engein und den aposteln Johannes und Petrus bestand und
dass ein aufgeschlagenes grab den wesentlichsten bestandteil des szenischsn apparates bildete; dass femer
das drama zwei auftritte hatte, die ursprüngliche engelszene und den wettlauf der jünger, mithin den
stücken JKLMN sehr nahe verwant gewesen sein muss. In der Inszenierung unterscheidet es sich jedoch
von diesen und allen übrigen dadurch, dass die apostel den ersten gang der Marien zum grabe mitmachen«
Der Inhalt des ersten auftritts war natürlich die Verkündigung von der auferstehung Jesu, über die form
des dialogs lässt sich jedoch aus den angaben des Durandus nichts genaueres entnehmen, ausser dass zur
schliesslichen antwort der engel die zweite hälfte eines responsoriums verwant wurde, dessen form sich
indess wiederum nicht bestimmen lässt, da man nicht wissen kann, welches missale Durandus im sinne
gehabt hat. Die bibelstelle, welche diesem responsorium zu gründe liegt, ist natürlich nicht Matthäus 28,
V. 10, sondern y. 5. 6 Nolite timere vos : scio enim quod lesum, qui crucifixus est, quaeritis : non est hie,
surrexit enim sicut dixit: venite et videte locum, ubi positus erat dominus, und die fassung des respon-
soriums ist annähernd wenigstens aus Sl zu ersehen. Hinter den werten ,quasi fratribus referentes, quae
viderunt et audieruntS welche den satz, den die vom grabe zurückkehrenden zu singen hatten, seinem In-
halte nach wiedergeben, verbirgt sich offenbar das Ad monumentum venimus etc. Dann folgt der wettlauf.
Da aber die apostel schon mit den frauen beim grabe gewesen sind, so sieht man nicht, inwiefern das
spiel ihre rückkehr dahin motiviert, ob durch das Currehant duo simul etc. des kores, oder etwas anderes,
und das Congratulamini mihi omnes etc. der zurückkommenden, welches wir nur X22 und in anderer Ver-
wendung angetroffen haben, könnte um so mehr auf die Vermutung leiten, dass die darstellung dieses
auftritts von den sonst bekannten ganz abgewichen sei. Das Te deum des kores macht auch hier
den scUuss.
Wenn wir somit art und umfang dieses dramas im ganzen aus der beschreibung des Durandus
wohl SU erkennen im stände sind, so bleiben doch die am meisten interessierenden eigentümlichkeiten
92
I. DIE LATEINISCHEN 08TERFEIERN.
dunkel, und der verlust desselben ist^ um so mehr zu bedauern, weil gerade die französischea stücke noch
Zu wenig zahlreich und zu verschieden sind, als dass man von ihm nicht einige aufklärung über manche
punkte ihrer entwickelung hätte erhoffen dürfen. —
Die beiden bruchstücke aus Lichteuthal und Reichenau, Z und a, sind bisher stets als unter
einander ganz unabhängige fragmente zweier dramatischer osterfeiem betrachtet worden und es ist in der
tat recht sehr zu verwundern, dass ihre Zusammengehörigkeit sowol Mone, als Du M^ril, Drosihn, Reidt,
Wilken und Schönbach verborgen blieb, da sie sich doch in der reihenfolge, in welcher sie Mone abgedruckt
hat, lückenlos zum ganzen vereinigen lassen. Mone vermutete, dass a den text des einsiedelner Spieles
in R28 ergänze, Z aber hält er nach seiner ersten strofe für die einleitung zu einer osterfeier, die man
nur deshalb keiner besonderen aufzeichnung bedürftig erachtet habe, weil die letztere selbst in ihrem her-
kömmlichen texte jedermann bekannt gewesen sei. Wilken hat in der besprechung des reichenauer frag-
ments nur seine ansieht von der ursprünglichen Selbständigkeit des ,responsoriums' Die nobis Maria etc.
gegenüber dem ersten teile der sequenz Vietimae pasehäli zu begründen gesucht \ind erblickt in a, wie in
Z, mit ausnähme der beiden ersten strofen, nur zwei die form des ,responsoriums' nachahmende erwelte-
rungen dieses. Die verwantschaft beider besteht aber für ihn bloss im responsorium, welches ihnen zur
grundlage diente, und dass er Z tatsächlich nicht etwa als eine fortbildung von a ansieht, zeigt er in der
sechsten anmerkung zu s. 69 seiner Geschichte der geistlichen spiele, in welcher er Mone und Reidt tadelt,
weil sie auch Z als ein bruchstück behandeln, ,da es doch, wenn man sich das [mit dem Die nobis, Maria,
quid vidisti etc. angedeutete] responsorium ausgeschrieben denkt, vernünftigerweise nichts mehr erwarten
lässt^ Hätte Wilken Z für eine fortbildung von a gehalten, so würde er nicht auf eine ergänzung des-
selben durch das responsorium, sondern durch a selbst haben hinweisen müssen. Der in Z fehlende schluss
kann allerdings das blosse responsorium Die nobis Maria etc. gewesen sein; wenn man aber in a den
schluss eines Stückes besitzt, das einen Z ganz analogen karakter gehabt haben muss, wenn beide frag-
mente ohne jede Schwierigkeit zusammengefügt werden können, von anderen derartigen auf der grundlage
des responsoriums dialogisierten hymnen aber keine spur vorhanden ist, so wird jeder unbefangene ohne
alles bedenken der Vermutung räum geben müssen, dass die beiden bruchstücke nichts anderes, als
die durch zufall oder absieht fragmentarisch überlieferten teile desselben ganzen sind, und in ihnen nicht,
einer nutzlosen hypotese zu liebe, ohne zwingenden grund verschiedene und von einander unabhängige
bearbeitungen des respodsoriums sehen wollen, die unserer kenntniss der entwickelungsgeschichte des
dramas, anstatt sie zu fördern, vielmehr irreleitende hindernisse in den weg setzen. Glücklicher weise
kommen uns dieses mal ausser der lichtentbaler und reichenauer noch fünf andere handschriften und
drucke zu hülfe, welche diesen dialog mehr oder weniger vollständig darbieten und einen text herzustellen
gestatten, der hoffentlich aUen zweifei an der Zusammengehörigkeit von Z und a beseitigen wird.
SBqCBlITU DBYOTi AVTIQUOBUM NOSTBOBUH DB BB8UBBECT10NI8 ABOUHBHTIS.
BANCTABUM VTROINXJM MABIE AO MABIE HAODALENE DE G0BCPA88I0NB HOBTIS CHBI8TI PEB MODÜM DTALOOI BEQUENTIA.
CHORUS:
Surgit Christus cum tropheo,
iam ex agno factus leo,
solenni victoria.
moi*tero vicit sua morte.
5 reserauit seras porte
sue mortis gracia.
Hie est agnus, qui pendebat
et in cruce redimebat
totum gregem ovium.
ttanduchrifftn: y4, Collectio s, gallenns Iropnrum ei sequentiarumy pupierAf. in j^O p. j /50^, no $iB^ hl. 9%^ 9U Si Oafim^
mmtiknoUn, li[7j\ hand»chr, de* 4S. jkdtt s« Ltchlenlhat ohne nummer^ mit munknoten; rtji, oben s. iS» C(a)^ anüfo
8. URSPRUNG UND ENTWICEELÜNO. E. VIERTE GRTTPPE, QRSTÜYWXTZab.
93
10 cui cum nullos condolebat
Magdalenam consumebat
doloris incendiuin.
Tres bene vooiferati soolares reepondent pato [?] Y . .
H* CHORUS primo:
Die, Maria, quid vidisti,*
contemplando crucem Christi?
SCOLARES nJ:
15 Uidi Ihesum spoliari
et in cruce sublevari
peccatorum manibus.
CHORUS:
Die, Maria, quid vidisti,
contemplando crucem Christi?
SCOLARES:
20 Spinis caput coronatum,
Yoltum sputis maculatum
et Plenum liuoribus.
CHORUS:
Die, Maria, quid vidisti,
contemplando crucem Christi?
SCOLARES lU:
25 Clavos manus perforare,
hastam latus volnerare,
vivi fontis exitum.
CHORUS:
Die, Maria, quid vidisti,
contemplando crucem Christi?
SCOLARES nj:
«
30 Quod se patri comendavit
et quod caput inclinavit
et emisit spiritum.
CHORUS:
Die, Maria, quid feeisti,
postquam Ihesum amisisti?
SCOLARES nJ:
35 Matrem flentem sociavi,
quam ad domum deportavi:
et in terram me prostravi
et utrumque deploravi.
CHORUS:
Die, Maria, quid fecisti,
40 postquam Ihesum amisisti?
SCOLARES 3:
Post unguenta preparavi,
et sepulchrum visitavi:
non inueni, quem amaui,
planctus meos duplieaui
CHORUS:
45 Maria, noli flere!
iam surrexit Christus vere?
[SCOLARES nJ:]
Corte, multis argumentis
vidi Signa resurgentis.
CHORUS:
Die nobis, Maria,
50 quid vidisti in via?
ANGhELI lU, Boil. soolares:
Sepulchrum Christi viventis
et gloriam vidi resurgentis.
CHORUS:
Die nobis, Maria,
quid vidisti in via?
SCOIiARBS:
55 Angelicos testes,
sudarium et vestes.
4§s fi. jhdts atifl Reiehenam^ jetti auf der hofbibli^iek tu KarUruhe no JOf, hl. 49^ mit musiknoten; vgl. oben s. j85. H, miitaU
leruaceniB {TournayJ v. j. 4H$; ahgedrmeki bei Jo. M, Neale^ StanailMM ex mietalibui germ, angl. galL aliieque medU tuni coUeeteiu
Londini 485ft^ pag. 48 s». E, papierht, in iO dee 1$. jhdiSf no 877 f fl. f^ m St Qaiien, K, Hisioriae et sequenlia«» fergamun^»
in 8^ det 44. jhdiSj no 472, pag, 488, mi Si GaUenm t?, wUesale magunHnum v. j. 4 SIS, deeten von D abtoeiehende lesarten (volU
Miändig?) miigeieili hai Keale a. a, o., pag. if, ann^erk. 5— i. — Abeekriflen der drei ii galler handtchriften verdanke iek der premndm
liehen vermiiUlung des kerm giifitbibliotekari idiensohn tu 8i QaUen.
Veber$ehrifien: ▼irginiü A vielleicki nur ein letefMer^ In pascha annotino D, fehlen BCEFQ. 1—46 fdUen C
t Srgit £. 3 solempnis F. 4 Tincit F. sua fehlt E. 5 portem E. 6 Sua DO, gracie £, exitum F. 7 pen-
dedat E, 9 Tatam E. 10 Qui F. cum fehlt ADQ. 11 Magdalena D, Matrem eins G, Mariam doloris £. inoen*
dedat D. 12 Doloris fehli E. a V... der durch die punkie angedeuieie amrande geeiandene teil des wories iei abgesehniUen A,
13 Die Maria] Mater Christi 0. qnod £. 15 Ihesom] Chiistom DQ. la 19 Die Maria £, fehlen DFÜ. 18 Dio
Mftria] Mater Dei 0. 20—23 fehlen 0. 20 Caput spinis D. coronari: maeulari BD. 23. 24 Die E, fehlen BCDFQ*
25* 26 Vidi Talde cruentatam Hattft latus perforatnm 0. 25 perforari F. ^6 Hasta E. 27 exitus F. 28. 29 feUm
DEF. 28 Die Maria] Mater dei 0. 30 pater F, matri G. 31 olinayit £. 33 Die Maria] Viigo mater 0. 34 Ihesum]
Christum D, natum Q. amisti E. 35—38 Post |i0O domum deportata Et ex totä cnientata Sic iacebam desolata Repleta
moeroribus 0. 35 saciavi F. 36 Quam] Et D. domum semivivam rep. A. reportayi i4F, ropotayi £• 37 Et]
Post B. Tunc ad terram A Et in terra F. 39* 40 fMen DEF", 41 ungenta i4£F. 42. 43 Et £1 42 E. s. lamen-
tando Tis. A. 43 Non] Nee BF. 44 Planctos £» Fletus DO. 45—64 Die nobis Maria quid vidisti etc. B. 46 Iam]
Nam K 48 Signa ridi r. DG. 49^-52 fehien DQ. 49—60 fAlen F. 49—62 fehlen E. 53. 54 fehlen C
94
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIEBN.
CHORUS:
Die nobis, Maria,
quid vidisti in Tia?
SCOLARES:
Surrexit (/hristus, spes mea,
60 praecedet suos in Galileam.
CHORUS TOTUS:
Gredendum est magis soli Marie yeraci,
quam ludeorum turbe faUaci.
Seimus, Christum surrexisse a mortuis vere ;
tu nobis, vietor, rex, miserere!
57. 58 fehlen CDQ. 60 bbos] tos A jedoch undtutlieh, tmd DQ. GalilAea C, Galilss DQ. 61. 62 feUen DQ. 61—64
Credendmii. Sdams Chridtam etc. Resp. sop 89 Af d, i. dU anfangtworie dieser slrofen tubei der «enoetftm^ auf eine fruhmrm
MieUe deetelben kode»^ im dae ganwe responsorium eiehen wird, 63 a] ez CK, 64 Ta] Oam £F. miserere allelaia F^
Ollis. Amen. Allelaia DQ,
Angaben über die Vortragsweise der Sequenz finden sich, wie es seheint, nur in A, B und G. Die
beiden eingangsstrofen und den sehlusssatz von Credendum est an singt der ganze kor, die frage Die nobis
Maria in ihren verschiedenen variazionen wird jedoch in A, obschon sie ebenfalls dem kor zugeteilt ist,
wie die anweisung zu A, v. 61 ,chorus totus' beweist, nur von einem teile desselben, wahrscheinlich von
nur zwei geistlichen gesungen worden sein, welche die apostel Petrus und Johannes vorstellen sollten und
demgemäss durch besondere aufstellung oder gewandung ausgezeichnet gewesen sein müssen. In B dagegen
sind die fragsteiler als ,angeli' bezeichnet, die partie der Maria Magdalena ist mit ,Maria' übersehrieben»^
während diese in A durch ,tres bene vociferati scolaresS in durch ,duo pueriS die natürlich auch nur
klosterschüler gewesen sein können, vertreten wird. Demnach stünde zu vermuten, dass B entweder als
selbständiges drama oder als einschiebsei in einer dramatischen osterfeier zur darstellung gelangte, wenn
nicht diese unerklärliche Verwechselung der apostel mit den engein, für welche weder früher noch später
eine analogie sich findet, gegen den Schreiber der handschrift den verdacht erregte, diese roUenbesetzang^
selbst erfunden zu haben, ohne von den gebräuchlichen osterdramen eine ordentliche Vorstellung zu besitzen.
Mone, Wilken und die übrigen haben an der besetzung der rollen in B keinen anstoss genommen und
halten die inszenierung der sequenz nach art eines dramas, d. h. eine aufführung derselben durch personen^
welche sich durch kostüm, geberde und, so weit dies der mangel an eigentlicher handlung erlaubt, durch
bewegung auf einer bühne, oder in einem für diese geltenden abgegränzten räume als Schauspieler erweisen,
für selbstverständlich. Ich meine indessen, dass es besserer anhaltspunkte bedarf, als die dialogische form
der sequenz, und die verdächtige bezeichnung der rollen in B, um eine solche auffassung zu begründen,
und glaube, eine Vortragsweise, zu der, wie bei dem Vktimae paschaU, — auf dessen grundlage diese
grössere sequenz ja entstanden ist, — mehrere köre verwant wurden, sei die einzige, welche form and
Überlieferung anzunehmen gestatten. Daher bleibt auch die Vermutung Mones, dass das rdchenauer
fragment und also, nachdem sich das lichtenthaler als die korrekte ergänzung jenes erwiesen, die ganze
sequenz nur eine lücke bei R28 auszufüllen bestimmt sei, ohne ernsthafte bedeutung, bis sich bestimmtere
Indizien finden, welche die direkte Verwendung derselben in den lateinisch-dramatischen osterfeiem sicher
stellen. Dasselbe gilt von der dedukzion Wilkens, nach der das responsorium Die nobis Maria etc. eine
ursprünglich von der sequenz Vietimae pasehaU unabhängige und selbständige komposizion, die reichenauor
und lichtenthaler bruchstücke verschiedene zu eigenartigen dramen entwickelte erweiterungen desselben
sein sollen, von denen die letztere wegen der darin vorgetragenen karfreitagsmomente als ein Vorspiel
(d. h. wol eine vorläuferin) der dramatischen marienklagen anzusehen wäre, vgL Gesch. d. g. sp. s. 68 ff. u. 75^
denn das responsorium ist, wie wir gesehen haben, ein ursprünglicher teil der sequenz des Wipo, Za sind
nur besondere ausdichtungen desselben, ohne darum schon dramen zu sein und als solche verwant zu werden
(der titel lautet in der st galler hs. no 546 einfach ,sequentiaO, und eine nachwirkung auf die dramati-^
8. UBSPRUNG UND ENTWICKELUNG. E. VIERTE GRUPPE, QRSTUVWXYZab.
95
sehen marienklagen, in welchen auch nicht Maria Magdalena, sondern Maria mater die trägerin der hand-
lang ist, hat Wilken nicht nachweisen können, weil von ihr in der tat keine spur vorhanden ist.
Dass die ersten beiden strofen unserer sequenz eine art hymnus seien, ist schon von Wilken, Oesch.
d. geistl. sp. s. 69 bemerkt worden. Er hat dagegen übersehen, dass auch die folgenden, der rolle Magda-
lenens zufallenden verse bis v. 32 denselben rytmus haben und durch die dazwischen geschobenen firagen
der ,scolares' Die, Maria etc. in halbstrofen zerlegt worden sind, wodurch sie sich in iTtmiscber hinsieht
allein von jenen unterscheiden. Diese naheliegende beobachtung lässt indessen Z und sicherlich auch a
als blosse dialogisierungen älterer hymnen (denn auch v. 35 — 38 und 41 — 44 sind offenbar hymnenstrofen)
erscheinen, was ja allerdings Wilkens bemühungen, diesen fragmenten eine hervorragende bedeutung für
die entwickelungsgesehichte der lateinisch-dramatischen osterfeiem beizulegen, nicht gerade forderlich ist.
Den hymnus, aus welchem der erste teil der sequenz entstand, hat Mone schon in einer handschrift der
hofbibliothek zu Karlsruhe, cod. augiens. chart no 36, fol. 48^ nach neuerer foliierung, 15. saec, (vgl.
Schausp. des mittelalt. 2, s. 361) nachgewiesen; herr hofbibliotekar dr Holder hatte die gOte, mir eine
genaue abschrift desselben mitzuteilen, nach der ich das meines Wissens bisher unbekannte gedieht hier
folgen lasse. Es bildet den ,prologus' zu einem ,PIanctus gloriosissime Marien
Surgens Ihesus cum tropheo,
iam ex agno factus leo,
solempni victoria:
mortem uieit sua morte,
5 reserauit seras porte
sue mortis gratia.
•
Hie est agnus, qui pendebat,
et in cruce redimebat
totam gregem ouium:
10 cui cum nullus condolebat
hoc Mariam consummebat
doloris incendium,
Yidens natum spoliari
et in cruce conclauari
15 peceatorum manibus,
spinis Caput coronatum,
wltum sputis maculatum
plenumque liuoribus:
•Clauos manus perforare,
20 hastam latus wlnerare,
viui fontis exitum:
quod se patri commendauit
et quod caput inclinauit,
patri tradens spiritum.
25 Ergo, mater, nos agnosee,
libro uite nos deposee
cum electis miseris,
ut, consortes tue sortis,
et a penis et a portis
30 eruamur inferi[s.]
Virgo, mater, pia, bona,
aduöcata et patrona,
prece semper sedula,
apud thronum summi regis
35 derelicti uices [oues?] gregis
commenda per secula.
Amen. Amen.
An zwei stellen scheint in der handschrift eine verderbniss vorzuliegen, nämlich v. 11, wo statt
h9 maia besser Magdälenam gelesen wird, und v. 34, wo tuam> \ ganz unverständlich, und desshalb von mir
einstweilen durch thronum ersetzt worden ist. — Wie gesagt zweifle ich nicht daran, dass auch v. 35 bis
38 und V. 41 — 44 der sequenz aus einem hymnus entnommen sind, ich habe den betreffenden jedoch nicht
ausfindig machen können.
Da die benutzung der sequenz weder in den lateinischen, noch in den lateinisch-deutschen oster-
dramen nachweisbar ist, so fragt es sieh nicht nur, ob sie etwa hin und wieder als sehluss eines solchen,
wie die uns bekannten, benutzt wurde, sondern ob sie überhaupt in den kreis unserer osterdramen ge-
hört, und nicht vielmehr nur ein oratorienartiger ostergesang ist, der an die stelle des üblichen und
üa
96
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIEBN.
einfachen! Victimae pasehali trat. Für die entwickelungsgeschichte des dramas ist sie jedenfalls, wie Bädt
(D. geisü. schausp.. d. mittelalt. in Deutschi. s. 20) richtig bemerkt, ohne jede bedeutung, vgl. Wilken,
Gesch. d. geistl. sp. s. 69 und anmerk. 3. —
Das letzte bruchstück b, Orleans II, bildet ohne zweifei die einleitung zu einer dramatiBchen
osterfeier, keinesfalls jedoch zu dem Mysterium apparitionis d. n. Ihesu Christi duobus disdpulis in Em-
maus vico, an dessen spitze es Wright abgedruckt hat; ob es in der handschrift selbst mit diesem Stacke
unmittelbar verbunden ist, lässt sich aus den vorhandenen angaben nicht erkennen. Der text des bnich-
stückes nach Du M^ril ist folgender.
b« OBLilHS II, Uli. JHDT.
PRIMA [MARIA:]
1 Heu, miserae, cur contigit videre mortem salva-
toris?
SECUNDA [MARIA:]
2 Heu, redemptio Israeli utquid mortem sustinuit?
TERTIA [MARIA:]
3 Heu, consolatio nostra, utquid taliter agere voluit?
OMNES insimiü:
4 lamiam ecce, iam properemus ad tumulum, uo-
gentes- corpus sanctissimum.
Bei Goussemaker, Drames liturgiqu6s p. 184 und 194 lauten die Spielanweisungen zu 1 — 3 nur
prima, secunda, tertia; die nähere bezeichnung ,Maria' ist also von Du M^ril wohl gegen die handschrift
hinzugefügt worden, da der abdruck Goussemakers auf erneuter vergleichung der letzteren beruht. Die
anwendung dieser Sätze scheint eine grössere ausdehnung gehabt zu haben, als man nach ihrem verein-
zelten auftreten in den lateinischen osterfeiem vermuten sollte; wir werden ihnen zunächst in c, dem
mysterium aus Tours, v. 68 — 74 und dann mehrfach auch in den lateinisch-deutschen osterfeiem wieder
begegnen. —
Aus derselben grazer pergamenthandschrift 40/6 8®, bl. 136ab, aus welcher L (a nach Schönbachs
bezeichnung) herrührt, hat Schönbach, Zeitschrift für deutsches altertum 20, s. 133, noch ein anderes stück
(b nach Schönbachs bezeichnung) mitgeteilt, das jedoch kein drama ist, sondern nur österliche re^onsorien
darbietet. Ohne einsieht der handschrift vermag ich über die Verwendung beider nicht zu entscheiden,
ich glaube jedoch, dass wie L(a) die nicht obligatorische dramatische aufiuhrung, so b nur einen teil, die
responsorien des kirchlichen rituales der matutin des ostertages enthält, die wir zwar in den einleitungen
der lateinischen osterfeiem wiederholt angetroffen haben (vgl. z. b. Sl ff.), die aber darum mit dem
drama selbst noch nicht identifiziert werden dürfen. Sie haben daher für die vorliegende Untersuchung
keine bedeutung, wesshalb ich mir eine Wiederholung derselben erspare.
Das stück dagegen, welches Schöubach a. a. o. s. 134 aus dem grazer kodex 40/81 4^, bL 187b
abgedruckt hat, ist, obschon auch kein drama, doch insofern für uns interessant, als es die Sätze der
lateinischen osterfeier in der fassuug der zweiten rezension ausgelöst und mit einer art deutscher über^
tragung verbunden darbietet. Es lautet
Du solt in [l. ein] aue singen. Gum transisset sabbatum. do di dri verauen gi[n]gen ze vronem
grabe sauwen: Maria Magdalena et alia Maria ferebant diluculo aromata, dominum quaerentes in monu^
mento. Under wegen war si nemen, wer in abe dem grabe solt walgen den stain: Quis revolvet
nobis ab ostio lapidem, quem tegere sanctum cernimus sepulchram. Zu in sprah der engel, wen sie in
dem grabe suchen wellen: Quem quaeritis, o tremulae mulieres, in hoc tumulo gementes? Sie sprahen,
den cmciten hailant: Ihesum Nazarenum cmcifixum quaerimus. Der engel sprah, er ist erstan, daz sait
sinen ju[n]geren unde Peter: Non est hie, quem quaeritis; sed cito euntes nunciate discipulis eins et Petra
quia surrexit Ihesus. Sie saiten den poten, Erstanden was der hailant: Ad monumentum venimus ge«
mentes, angelum domini sedentem vidimus et dicentem quia surrexit Ihesus. Hie leuffen die ze grabe uiL
8. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. F. DAS MYSTERIUM AUS TOURS, o.
97
here; Peter [unde] lohans zaigoten den anderen den uberdon [d. h. die schweisstücher], solt du lute sin-
gen Currebant etc. Hie heift man den Ruf Criste der ist irstanden. Surrexit. Alleluia. Laus mettinen.
Dass dieses stück ein verkürztes rituale sei, wie Schönbach annimmt, glaube ich nicht, doch weiss
auch ich nicht zu sagen, welchen zweck es gehabt haben mag.
F. DAS MTSTEBIÜM AUS TOUBS^ c
[fol. la] Tunc erit error peior.
Hio PILATUS oonao[oet»] militee ad se et dioat:
Uenite ad me, milites
fortes atque incolumes;
diligenter pergite,
5 quod uobis dico facite:
tres dies cum noctibus
uigilate cum studio,
ne fure[n]tur discipuli
[eum] et dicant plebi:
10 surrexit a mortuis.
Ite, uos milites, sollerti cur&
uobis commissa sit [nunc] sepultura.
Statim MIIilTES eant inidmnl oanendo hos uersuB usque-
dam ueniant ante sepulohram:
Ergo eamus
et quid dixit faciamus:
15 uigilando custodiamus,
ne sepultum amittamus,
Ne forte ueniant eins discipuli
et furando transferant alibi,
inuadamus eos cum [fol. Ib] lanceis
20 et uerberemus eos cum gladiis.
Modo ueniat angelns et inipdajt e[i]8^ folgura; xmlites
oadant in terra[m] uelut mortni. Tuno tres pneri« nel derioi,
qni debent esse Marie [ueniant], dne nero deferant aas oom
unguento pred manibus, tema autem torribalam. Tunc ueniant
ante hostium eodesie et dicant* hos uersus. MARIA MAG-
DALENE incipiat:
[OJmnipotens pater altissime,
angelorum rector mitissime,
quid faciunt iste miserrime?
Heu, quantus ;est noster dolor!
MARIA lAGOBI:
25 Amisimus enim solacium,
Ihesum Gristum, Marie filium:
ipse erat nobis consilium.
Heu, quantus [est noster dolor I]
1 Diese woHe hai lM*arehe als einen teil der folgenden sj^ielanweienng genommen^ toohl weil sie keine nolauon kaben^ wm
der weiierkin alle reden, rytmiseke wie presaiseke^ ausgenommen t. jB5— 5i8, begleitet sind. Dagegen spricki Jedock nicki nur^ dass da»
Hie pilat9 ele. in der ks, eine neue *ei\e mU grossem anfangsbueksiahen beginni^ sondern nock mekr der inkali jener worie^ der jedem
versueke^ ikn als eine anweisung für die spielenden jtereenen mi deuten^ wiederslrebi, Kaek der anaiogie anderer »piele an urteilen^
sind diese worle okmt wweifel der sektuss der ersten s*ene des Vorspiels^ in welekem die Juden vor tiUUus ersekeinen, um die bewaekung
des grabes ron ikm sm erbiUen^ damil der leicknam nickt von seinen jungem gestohlen und gesagt werde^ er sei auferstanden; denn
alsdann würde das ärgerniss im volke grösser, als es gewesen» iHe wweiie siene dieses vorsyiels ist in den versen S — $0 erkalten.
Beide beruken auf ee, Ulattkäus tj8, tt^^tt Altera autem die, quae est post parasceven, convenerunt piindpes saoerdotnm et
Pharisaei ad Pilatum 63 dicentes Domine, reoordati sumus quia seductor iUe dixit adhuo vivens Post tres dies resnrgam. 64 lube
ergo oustodiri sepulohrum usque in diem tertium, ne forte veniant discipuli eins et furentur eüm et dicant plebi Surrexit
a mortuis, et erit novissimus error peior priore. 65 Ait illis Pilatus Habetis custodiam: ite, custodite siout soitis. 66 Uli
autem abenntes munierunt sepulobrum signantes lapidem cum custodibus. Die benutuung dieser stelle wird durek die fast wörtlicke
Übereinetimmung der gesperrt gedruckten worte mit v. 4 und «. 9 — 44 augenfällig erwiesen, a convocet Coussemaker. 3 Dae a
in atque ist im faks. eekr undeutlick, 4 Die abbreoiatur ßr per in pergite ist die für pro gebräuekliake. 7 uigilare fuks,]
Vigilate Ins. Couss. 8 furetur faks,] furentur Lue, Couss. 11 cora ist durokstricken^ dann aber eon derselben kand wieder
daruntergesckrieben, 19 lanoeas faks, b Die buckslaben icia in inüdat und i t» eis sekeinen in der ks, erloseken mu sein.
c ym, dae p mit dem eeicken der abbreeiatur ßr per, par faks.; demgemäss sekreiben Lau und Couse, panii, die ricktige auflöeung
ist jedock kier pueri, vgl. die spielanweisungen mi« 5, P I, Za. dp faks.] pro Lui. Couss. e dicant i»t eine emendawum
wm Ins. ifft<f Couss,, im faks. steki dagegen didt 23 fadunt f0ks.] faciant Ins. Couss. 27 ipe faks.] Ipse Lue. Couee.
y. 21 — 24 2. 3, wolfenbfltteler osterspiel e (vgl. Der stlndenfaU und marienklage, berausg. von 0. Scbönemann, s. 149 if.),
frankfurter dirigierroUe s. 153 (vgl. Fidhard, Frankf. arohiv III, s. 151 ff.), alsfelder pass.-spiel (berausg. von Grein) v. 7522,
egerer fronldohnamsspiel (besproch. von K. Bartsch in Pfeiffers Germania HE, s. 267 ff.) s. 289, 1—4, innsbrucker Auferstehung
Christi (berausg. von Mone, Altteutsohe Schauspiele s. 109 ff.) v. 422 — 425, sterzinger osterspiel (berausg. von Pichler, Drama
des mittelalt. in Tirol, s. 143 ff.) v. 182 — 185, freiburger pass.-spiel (berausg. von Martin in der Zdtsohrift der histor. geeellsob.
in Frdburg i. B., HI. bd., 1. heft 1873) v. 1888. 25—28 wolfenb. ostersp. f., frankf. dirigierroUe s. 153, alsfelder pass.-sp.
MilohiAok, Oti«r- und pAuionsspiele. 23
98
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
MARIA SALOliE:
Sed eamu8 unguentum emere,
30 ut hoc corpus possimus ungere,
quod nunquam uermes possint commedere.
Heu, [quantus est noster dolor!]
Timo MERCATOR dioat:
Venite, si complacet emere
hoc unguentum, quod uellem uendere,
35 de quo bene potestis ungere
corpus domini sacratum.
Quod, si corpus possetis ungere,
non amplius posset putrescere,
neque uermes possent commedere.
MARIE simul:
40 Heu, quantus [est noster dolor!]
Tudo MARIE inteiTOgent meroatorem:
Die nobis, tu mercator iuuenis,
hoc unguentum, si tu uendideris,
die precium, quod tibi dederimus.
Heu, [quantus est noster dolor!]
R6[8pondeat»] MERCATOR:
45 Mulieres, michi intendite.
hoc unguentum, si uultis emere,
datur genus mire potencie.
MARIE umul:
Heu, [quantus est noster dolor!]
MERCATOR:
Hoc unguentum, si m[u]ltum cupitis,
50 unum auri talentum ^abitis,
ne aliter umquam portabitis.
MARIE flimiil:
Heu, [quantus est noster dolor!]
Atins MERCATOR dioat eis:
[fol. 2a] Quid queri[ti]s?
MARIE Bimul respondeant:
Aromata uenimus emere, o pigmentare, ^i habes
55 illud, quod nobis necesse est.
Re[8pondeat^] MERCATOR:
Dicite, quid uultis?
MARIE simul respon[deanto]:
Balsamum, thus et mirram, silaloe et aloes.
Rafspondeatd] MERCATOR:
Ecce, iam ante uobis sunt omnia; dicite, Quan-
tum uultis emere?
MARIE simul respondent«:
60 Quasi centum libras satis habemus; die nobis,
quantum denos, domine?
Refspondeat'] MERCATOR:
Mille solides potestis habere.
MARIE simul respoudents:
Libenter, domine.
Tuno Marie dent munera et aooipiant unguentum et per-
gant ad sepulorumi». MARIE simul ^ primum:
0, summe rex e[fol. 2b]teme, regem ostende
65 nobis.
MARIA lACOBI:
Pilatus iussit militibus sepulcrum custodire.
MARIA SALOME:
Nil timeamus, Ihesum uenimus ungere.
MARIA MAODALENE:
Heu, misera, cur contigit uidere mortem re-
demptoris?
MARIA LACOBI:
70 Heu, redemptio Israel, ut quid mortem sustinuit!
MARIA SALOME:
Heu, consolatio nostra, ut quid taliter Skgete
uoluit.
MARIE k simul respondent^:
Iam, iam ecce, iam properemus ad tumulum
unguentes dilectj corpus sanctisimum.
29 emere] ed faks. 31 nüqm fakg,] unquam Ins. 85 potestis ersekmnt im fakt, nur aU nn p, dmmi bogm nmeh «4«i
9miäMf9H und in koriwofUakr tiehimng Hommml dur^kUriekm uL 87 Qd' fakt.] Quo Im*. Cous$. 88 Die ohbr&oitUmt finr ius
im amplius itl nimhi die gewöknUeke. 43 tibi] t falu^ te Im», Omti. a Re faki,] Respondeat Imk G#ims. 49 mltö fak».]
multum Lift. Ccm»$. 51 unquam 1m%, Coubm, 58 Dan queris nmr ein eckreibfekler isi^ beweiti mutner den tpieUMweiwmm§en
mtiek die noiaeion. 6 Cemt. b Re okne mbbreeiaimr fake,] Respondeat Ime, Couti. c Respö fake*] respondeant lm%. Game.
d Ifis eerker h. 58 didte feUi Ins. e respGdent fiUu,] respondeant Lus. f Wie vorhin b. g respödent fekej}
respondeant Lm, Ctms». h sepulom /a^.] sepulohrum Lws. Coues. i Maria siml' f^f^s.] Maria Salome Em^ CemM$»
64 suronit f^»] summe Lue, Caui$, 67 timeamg fake.] timeas Lne., timeasti Cmms. k M fäk$.] Marie ime. Cemm,
1 respöddt f^ke.] respondeant Im*, Coumm, 74 santissimum Imm. Gotws.
7526, egerer fronleiohnarassp. s. 290, 19—22, innsbrucker Auferstehung Christi 434 — 437, sterzinger osterspiel 190 — 198, frei-
burger pass.-sp. 1888. 29 — 32 trierer Ludus de noote pasohe (herausg. von Hoffmann, Fundgruben II, 272 ff.) s. 274, 4 — 6,
frankf. dirigierrolle s. 154, alsfelder pass-sp. 7586, egerer fronleiohnamsspiel s. 290, 29 — 31, innsbruoker Auiersteh. Christi
446-*448, sterzinger ostersp. 198 — 201, freiburger pass.-sp. 1888. 33—36 vgl. wolfenb. osterspiel g, frankf. dirigierroUe
s. 154, abfelder pass.-sp. 7562, innsfiruoker Auferstehung Christi 863—866. 41 — 44 wolfenb. osterspiel b, frankf. dirigiei^
rolle s. 154, alsfelder pass.-sp. 7582, innsbruoker Auftrstehung Christi 867 — 870. 49 — 52 wolfenb. osterspiel x, firankf.
dirigierroUe s. 154, alsfelder pass.-Bp. 7588, innsbruoker Auferstehung Christi 871—874. 68—74 = Orleans II (b), siehe
8. URSPRUNG UND BNT WICKELUNG. F. DAS MYSTERIUM AUS TOURS, ö.
99
ANGELUS respondet«:
75 Non eget unguentum, quia Cristus de monu-
[fol. 3a]Tnento surexit uere; locus ecce, uenite,
uenite, videte!
Tuno Maria Magdalene oam Maria laoobj uadat uidere
sepalomm^; non inuento corpore, redea[n]t ad aliam et dioat
MARIA MAGDALENE:
Lamentemus, tristisime
sorores, nunc karissime,
80 nos de filio Marie
sepulto tercia die.
MARIA lACOBI:
Tres uenimus iam hodie
corpus uDgere glorie,
ut non possed putrescere.
MARIA SALOME:
85 Angelofum eloquio
scientes sine dubio,
quia surexit de tumulo,
reuertaniur cum gaudio.
ANGELUS respondito:
Ad uos dico, mulieres, nolite expauescere, neque
90 timere: ego sum Michael arcangelus; dicite
michi, quem queritis, aud quem uultis [fol. 3b]
uidere?
MARIA MAGDALENE re6po[n]d[eatd] :
deus, qois reuoloit nobis lapidem ab
hostio monamentit
MARIE sixnul dioant:
95 Ecce, lapis reuolutus et iuuenis stola Candida
coopertus.
ANGELUS alta uooe damat« Marias dioens:
Venite! venite! uenite I nolite timere uos : dicite,
quem queritis in sepulcro, o cristicolet
MARIE rimul respondent':
Ihesum NaEarenun cmeiflxiim qaerimus, o
100 celicola!
ANGELUS :
Non est Ue, surexit sicut predixerrat:
uenite et uidete locum, ubi posuerunt eum,
et euntes dicite di[8]cipaU8 eins et Fetro
quia [bl. 4a] surexit.
105 üultum tristem iam mutate,
Ihesum ui[u]um (suis) nunciate.
Galileam nu[n]c abite,
si placet uidere, festinate.
Tuno MILITES surgant et redeant ad Pilatom triati animoff
oanendo:
Heu miseri,
110 quid facimus,
quid dicimus,
quia perdidimus,
quem custodimus?
De celo uenit angelus,
115 qui dixit mulieribus,
quia surexit dominus.
Deinde dioat PILATUS ad milites:
Vos, romanj milites,
precium accipite
et Omnibus dicite,
120 quod uobis sublatum est
MILITES simul respondeant:
Pro[h,] quo gentiles fuimusl
sepulcrum custodiuimus,
magnum sonum audiuimus
et in terra[m] cedimus.
[fol. 4b] Itomm dioat PILATUS:
125 Legem non habuistis,
sed mentiri potestis,
quod discipuli uenerunt
et eum sustulerunt.
MILITES sinral reMpondenti^:
Nos ueritatem dicimus:
130 de celo uenit angelus,
qui dixit mulieribus,
quia surexit dominus.
a respödet ydU.] respondeat Int. Omu, 76 snrrexit Im%> Gm!». b sprorä tti^\ sepalohnim Ims. Gmim. 78 tristissime
Im%, Grm«s. 84 possed ui tu dt ikaiiib«lkr. wM dmHliük9r^ mU im fakM.^ wonaeh «mm polled l—m Mtssfc 87 sanvodt JLmi
Cout». o reepödit faks,] respondeat Ins. Gmiw. d Reepod fühi,] respondeat Im*. Coun. 93 revolvet Lm. e otamot
iM%, Conti, 98 sepulchro Lu» Gsims. 6 Cau$$. f respöddt fakM,] respondeant im*. Couu. 99 6 Omm, 100 oeU-
oole fmks, Ins. Couts, 101 sorrexit Im%. Couu. predixeirat, «i« Emk Kesi^ oder predixerrat, mdom des r hti dmr isrdk die
noUuion orfordorton Ironnung dor sUbon wiedorkoli wurdo, 103 disoipulis Im. Gm». 104 surrezit Isis. Owit. 106 niiim
fmki.] vivum Lui. Couis, 107 nuo faks.] nuno Im: Comu, 108 festinare fahi, g aio fdk$,] modo Lw«, Cb«fs. 114
de fmki. 116 snrrexit Ins. Cou9$. 117 vos fmks. 122 sepuldhrom oustodimus Emb, Couss, 128 andimns Em*.
128 sabtnlenint Em: h repödöt fmki] respondeant Lws. Comu. 132 sorrexit Em%, Couu,
A.
oben 8. 96. 89. 90 ans ev. Markus 16, 6. 98. 94 = reEeosion la, vgl. oben s. 27 n. 31. 96. 96 naoih er. Markus
16, 4. 5. 97 Tgl. W 2. 98 vgl. oben s. 28 u. 31 Ha. 99. 100 vgL oben s. 28 u. 31 Dia und IHb. 101 Tgl.
oben 8. 29 u. 31 IVa. 102 vgl. E 6, F 6, H 6, N 15, Q 11, T 9, ÜV 6 W 6. 11, X 23. 108. 104 ygl. oben 8. 29 u. 81 YK
106—108 vgl. Orleans I (X) 24.
18^
100
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIEBN.
Hoo audito, PILATUS dioat militibns hos uersiu:
Hec ergo uolo, ut sint uestra munera,
ne uos credatis aliqua mendatia,
135 que uos seducant
et perire faciant.
Ad domos uestras ite nu[D]c cum gaudio
et que uidistis tegite silentio,
De ad auditum populi eueniad.
MILITES simul re8pondea[n]t* ad Piiatam:
140 Cite erit.
Ei, faoto hoo, MARIA MAGDALENE in sinistra parte
eooleeie stans ^ exorget inde et eat quatenos sepulommo
et, plausis manibas, plorando dioat:
[foL 5a] Heu, me misera!
magBUS labor,
magnus dolor,
magna est tristitia.
145 Ihesu Christe,
mundi totius gloria!
de te nascj
teneo memoria,
quam emistj
150 tua misericordia:
qui condonasti
Magdaleue grauia
peccamina:
per te uita
155 perfruar perpetua.
roagister!
quare pie te si quando
bis uidebo oculis,
[quem] ludei suspenderunt
160 crucis in patibulis
et audii^ surexisse
dictis nunc angelicis.
Rex cun[c]torum angelorum
pro nobis occisus est.
165 heu, michi tristi [et] dolentg .
de morte altissimi.
quam magna dies [fol. 5b] ea,
celebrando gaudio,
quam ingentis, tam deuoto,
170 recolendo studio.
Angelus de celo uenit,
lapjdem reuuoluit, sedit
deus et homo! deus et homo! deus et homo!
Ihesu Griste, tu spes mea,
175 Salus uiua seculi,
memorare Magdalene
tuique amicj Lazari.
te ui[u]um spero « uidere
cum ceptro imperii.
180 Me misera! me misera! me misera!
quid agam? heu tristis! quid dicam?
Stans IHESÜS iuxta sepulonimd in ord[in>« dioat M[a]g-
dalene':
Mulier, quid ploras?
MARIA MAGDALENE responditff:
Quia tulerunt dominum meum et nescio, ubi
posuerunt eum.
[fol. 6a] ANGELÜS dioat ad M^mi>:
185 Quem queritis?
MARIAi lAGOBI et SALOME respondentesk:
Yiuentem cum mortuis.
ANGELUS dioat:
Non est hie, sed surexit: recordamiiy qualiter
locutus est uobis, dum adhuc in Galilea essed,
uobis diceret [I. dicens Lue.], quia oportet, filiom
190 hominis tradj et crucifigi et die tercia resurgere.
134 mendacia Lus. Cou»s. 187 ite nuc falu,] nunc ite Lm«. Cautt, a Respödeat fakt,] respondeant Lu«. Cou§». liO Cite
erit mü noim fakt.] Tunc exit als spUkuimeinnuf Lm ., «Um Uxt Couu. b ta0«i huehtiaben mii etntr abbfüimiurf von iMatnrek* mmd
OwwMMiiUr gan* überyangenf die ich niehi w 9Hiüffem vermag, e Die abbretiaiuren dieses und des vorkergekmtden woriee sind $ekt
undeuiliek^ sepulonim lässi sieh nrnr erraien. Ii4 tristioia Sm». (huss. 145 leliu faks.] liiesu !<«». Couss. 147 nascj] yasqne
Lm«. Omss. 158 An oouIib ist ein neiehen angefügt^ von dem ich niehi iMifs, ob man es als eine abbreviaiur von quem {vgL v. 159),
Mbr sUs ein notemeiehen ansAen soll. 159 Saspenderüt faks,] suspendere Ems. 161 sorrexisse JLus. Couss, 163 oon-
tomm faks.] ounctonim Im«. Couu. 165 tristi ist im faks, sehr undeuiUeh. 167 ea faks.] ista Lu*. Couss,; das e m ea
kAri in derselben form nieder in Angelas v. 171, ista ans lesen isi gan% unmöglich. 174 lehü xpiste faks.] Ihesu Xriste Imu
Couss. 178 te uium faks,] Te vivum Lus. Couss, d sepulohrum Im^, Couss, e orde faks.] ordine Lu%. Couss.
f ragdal' faks,] Magdalene Lus. Couss. g respödit faks.] respondeat Lu9. Couss, 183 necio faks. h Dicat ad Marias
[== MJ faks.] angelus Im*, u. Couss, i M fakg,] Marie Ims. Couss. k respös faks,] respondeant i«s. Couss. 187 surext
faks.] surrexit Im». Couu. 188 nobis Im». Couu. 189 Nobis Ems, Couss.
_ ^' '■■ ■
182 vgl. T 14, UV 7, W 7, X 13, trierer ostersp. 276, 5, wolfenbütteler ostersp. y, frankfurter dirigierrolle s. 155, egerer froii-
leiohnamssp. a. a. o., innsbmoker Auferstehung Christi 1043, sterzinger ostersp. 276, st g^Uener pass.-sp. 1825. 183. 184
vgl. T 15, UV 8, W 8, X 14, frankfurter dirigierrolle s. 155, egerer fronleiohnamssp. a. a. o. 185. 186 aus ev. Lukas 24, 5;
vgl. UV 8. 9, W 8. 9, X 5. 187—190 ev. Lukas 24, 6; vgl. UV 9. 10, W 9. 10, X 7.
8. UK8PRUNG UND ENTWICKELUNG. F. DAS MTSTERTOM AUS TOURS, o.
101
Et dioat MARIA MAGDALENE lenens» mftnos ad oelnm:
Tu pater, qui es in celis, (tunc) sanctificatum
est nomen tuum in eternom. Nolj me derelin-
quere, sed demonstrare omnibus. Recordare, do-
mine, misere Magdalene, quando michi dimisisti
195 peccata mea. Heu dolens, heu amara, [foL 6b]
heu miseral quem interrogem, et ubi est pater
nescio.
Deinde ueniat Maria laoobj et Bostentet braohinm dextrum
et Maria Salome per nnifttram^ et leae[n]t de terra Maria[ino]
Magdalenam et dioat ipsa [sc. MARIA SALOME:]
Cara soror, nimis langer
insidet in animo
200 de magistri Ihesu Cristj
morte tibi cocanta.
MARIA MAGDALENE dicat:
Ardens est cor meum desiderio, uidere dominum
roeum : quero et non inuenio, ubi posuerunt eum.
ANGELUS interroget Marias:
Quem queritis?
MARIE flimul respondent^:
205 Viuentem cum mortuis.
ANGELUS dicat hos versus:
Nichil tibi est timendum,
sed gaudere pocius;
Ihesus enim resurrexit,
uere dei filius.
210 tu Maria Magdalena clama resurexit uere Cristus,
surexit Cristus . . .
*
[PETRUS:]
[foK 7a] uideam
hanc meam dolenti cordi
tribue leticiam.
Et« reuersus interroget [PETRUS^:]
215 Die michi, sorqr Maria, quod iter incipiam?
MARIA dioat 9:
Vade cito hanc per viam,
unde nunc regressa sum;
set memento mei, Petre,
dum illum inuenieris.
Deinde ueniat Maria. DISGIPULIi^ oantando dioa[n]t:
220 Tristes erant apostoli
de nece [sui domini,
quem pena mortis crudeli
serui damnarant impii.
Sermone blande angelus
225 predixit mulieribus:
in Galilea dominus
videndus est quantocius.]
De alia parte^ ueniant alii \n. cantando^ fauno yTn[n]uni
totum:
[Ille, dum pergunt concite,
apostolis hoc dicere,
230 videntes eum vivere,
osculantur pedes domini.
Quo agnito, discipuli
in Galileam propere
pergunt, videre faciem
235 desideratam domini.]
MARIA MAGDALENE ueniat ante eos [et] dioat hunc
versvun :
lesu, nostra redempcio,
[amor et desiderium,
deus, Creator omnium,
homo in fine temporum.]
240 Solutis iam gemitibus
[et infemi . doloribus,
quia surrexit dominus
resplendens clamat angelus.]
a lenet faki,] et levet Lus. Couss. 191 tue sanotificatus faka,] Tuum sanctificatum Lu* Cou$$, 192 tuum i$i überg§sekri^en
MM fmks»t fd^li hei Imu relinquere Im». 193 Sed omnihns demonstrare Lh9. 194 miserere fakt. und Couss,] Misere Im%,
b sinistr f^ks.] sinistrura Lvs. Couit, c M fakt.] Mariam Lu%. Cousi. 201 tibi fükt.] michi Im». Coums, ooncanta Em»,
Cim$t. 202 desidero faks.] desiderio Lfif. Cousb. d respödet fakt.] respondeant 1m%. Cous». 207 potius Cou$9, 210
Magdalene i^i. Coums, resurrexit Ims. Cthiss. 211 surrexit Ims. Cousa. * kier kai die ks. eine gröasere iüeke, 213 meo?
oorde faks.] cordi Em». Cowff. 212 — 214 eiful offenbar verte^ deren ryhnu» Im%. und Gmiss. jedoek meeifeÜee verkannt kab^n.
e Et fak*.\ Tunc Lnt.^ Post Cxm$%. f Anstatt dem Fsfms kaben Emm, und Coute, v. f 15 einer Maria mtgewieten and ergäneen
Maria dicat. 215 tsl am unteren rande dee hlattee naekgetragen und ^rd durch ein »eicken unriekiig kintar das folgende Maria
dioat venoiuen. g diese spiehnweieung wird kinier dem am unieren rande naekgetragenen $t8n verse mii den werten Maria ad
petrum dicat wiederholt. 218 Sed Lue, Couss» 219 inueniesris faks.] invenieris Im*, Couss. h disoipulis Lue. Couss.
i De alia parte (par im faks, in der übUeken abbreviaiur) faks,] Alleluia Lue. k cätando cantädo fi ymü fnks,] cantando
hymnum Lue, Couss. 240 Diesen vers kaben Jjueareke und Conesmnaker wu der folgenden rede Jma %4i^$i7 hinübergeaogen»
202. 208 nach ev. Lukas 24, 32; vgl. X 16. 204. 205 vgl. oben v. 186. 186. 220—236 Aus dem hymnua Aurora lueie
futilat^ dessen verschiedene bearbeitungen in mehrere Unterabteilungen zerlegt, als besondere hymnen im gottesdienste verwant
wurden; vgl. Daniel, Thes. hymnol. I, p. 82 f. 286 vgl. trierer ostersp. 275, 23, wolfenbütteler ostersp. u, egerer fronleioh-
namssp. a. a. o., innsbrucker Auferstehung Christi 1014 — 17, sterzinger ostersp. 265, st gallener pass.-sp. 1888. 240 — 243 ist
102
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
Statim Petras oadat ad disGipalos et maneat • oam eis.
Deinde aeniat [IHESUS], dalmatioa indutas, ferens in manibas
oruoeiii dicat:
Pax uobis: ego sum: nolite timere: uidete manus
245 meas et pedes meos quia ego ipse sum: palpate
et uidete quia Spiritus carnem et ossa non ha-
[fol. 7b]bet, sicut me uidetis habere. Alleluia!
DISCIPÜLI aideant eam et otoolentur et dioant:
Ecce, deus noster.
Surrexit dominus de sepulchro,
250 qui pro nobis pependit in ligno. Alleluia, al-
leluia, alleluia!
THOMAS neniat oantando:
Thomas dicet Didimus.
omnes fugam cepimus,
(omnes) congreget nos dominus,
255 post laudes in omnibus
deo nostro dabimus.
fallax Inda, proditor,
magistrum tradidisti,
quem pro paucis argenteis
260 ludeis uendidisti.
quod accepisti precium,
heu michi, quid fecisti?
Et» DUO DISGIPULI uadant et dioant ei:
Thomas, uidimus dominum!
THOMAS . .b indignatos dicat eis:
[fol. 8a] Nisi uidero in manibus eins fixuram
265 clauorum et mittam manum meam in latus eius,
non credam.
Tone ueniat IHESUS ad disoipolos, indatus saoerdotalibos
Teetimentis candidis, et dioat eis iteram:
Pax uobis: ego sum, alleluia! nolite timere,
alleluia!
Deinde dicat [IHESÜS] ad Tbomam:
Thomas, mitte manum tuam et cognosce loca
270 clauorum, alleluia! et noli esse incredulus, sed
fidelis. Alleluia!
Tnnc ostendat do et THOMAS oadat ad pedes eins et dioat
tribus nioibuB:
Dominus meus et deus mens. Alleluia!
DOMINUS responditd:
Quia uidisti me, Thomas, credidisti: beati, qui
non uiderunt et crediderunt. Alleluia!
Et« THOMAS, nersa fade oontra popolum, dioat alta nooe:
275 Misi digitum meum in fixuram clauorum et
manum [fol. 8b] meam in latus eius, et dixi
Dominus meus et deus meus. Alleluia!
Finito hoo, MARIA' redeat ad sepoloramff et stans ante
sepulonnnff comb DÜOBUS DISGIPÜLIS indpiant prosam:
Victime paschali usque Dux uite mortuus regoat
uiuus.
Tnno RELIQÜI DISGIPULI ueniant ad Mariam [et*] in-
terrogent dioendo ita:
280 Die nobis, Maria, [quid uidisti in uia?]
Et MARIA ostendat ds sepalohnun et dioat:
Sepulchrum Gristi [uiuentis et gloriam uidi re-
surgentis.]
Hio ostendat ds angelos:
Angelicos testes.
Bio ostendat ds sepal[orilQ sudariun:
Sudarium et uestes.
Hio ostendat eis onioem:
285 Surrexit Cristus, [spes mea, precedet suos in
Galileam.]
Et DISCIPIJLI indpiant . . . A et oompleant totam prosam:
Credendum est magis soli [Marie ueraci, quam
ludeorum turbe fallaci.]
Et CHORUS indpiat alta nooe:
Te deum laudamus.
246 habet, der teiUe btiehMiab die»€$ worim wl «n /oJkt. Mlig nieki m eriksnnsit, iM%arckt und Gniss. /««» babeo, ipm c&er
«f. Lukmi 14, 8t, 5f, daher die$B UelU genommen, mmrieklig iil. 251 deu drUie aUeloia fekU hei Lwt. a Et fmke,] Tnno Im.
b einiffe buehiiabeitf weUke iMutrcke und Ctmuemaker übergangen haben und die auch ich niehi enieifem kama; mieU, qi := qnad?
d fehlt Ins. GotMfl. d respödit /<i^-] respondeat Ivs. Ceme. e Et faks.] Post Lub, Cause. f m fake,] tuno luf
modo Coust. g sepulchrum Lu*, Couu, b on faks,] oum Emb. Couss, i et Ua. Coues, k sepulohri Ihm. Cemee,
1 mell. an ^ antiphonam oder ods = omnes, wen JMaardie und Coussemaker gane übergaagen.
die vierte strofe des hymnus Aurora lueie mlifal, die aber in den osterspiden sonst nioht vorkommt. 244 — 247
24, 36 u. 39. 249—251 vgl. D 6, H 9, K 10, M 11, N 2. 5, Q 12, S 11, X 26. 252 vgl. ev. Johannes 20, 24.
vgl. ev. Joh. 20, 25. 267 vgl. ev. Lukas 24, 36 und ev. Job. 20, 26. 269—274 vgl. ev. Job. 20, 27—29.
nadi ev. Joh. 20, 27; vgl. oben 269—272. 278 vgl. 9, Q 80. 280—288 vgl. 10, P 7, R 28, T 21.
ev. Lukas
263—266
275—277
Eiue reprodukzion des mysteriums aus Tours würde, wenn auch meine absieht, das zerstreute
material der lateinischen osterfeiem in dieser abhandlung vollständig zu vereinigen, nicht von selbst dazu
geführt hätte, schon deshalb wünschenswert gewesen sein, weil die beiden bisherigen ausgaben von Lozarche
8. URSPRUNG UND BNTWICKELUNG. F. DAS MYSTERIUM AUS TOURS, o. 103
und Goussemaker in Deutschland «beinahe unbekannt zu sein scheinend Ueberdies ist der abdruck der
handschrift, die allerdings mit einiger aufmerksamkeit gelesen sein will, bei Luzarche, trotz seiner Ver-
sicherung diplomatischer treue, äusserst fehlerhaft, von Goussemaker nur teilweise verbessert, und die ab-
teilung der verse, in welcher der letztere nur in einigen untergeordneten fällen von jenem abweicht, so
oberflächlich und willkürlich vorgenommen worden, dass auch aus diesem gründe eine neue und, wie ich
hoffe, nunmehr korrekte Wiederholung erforderlich wurde. Die von den meinigen abweichenden lesarten
Luzarche's und Coussemaker*8 habe ich zur kontrole des lesers sämmüich in den Variantenapparat auf-
genonmien, ihre verseinteilung dagegen, der gegenüber sich die vorliegende hoffentlich durch sich selbst
rechtfertigen wird, nicht weiter b'erücksichtigen zu müssen geglaubt. Aus dieser will ich beispielsweise
nur anführen, dass z. 97. 98, 183. 184, 191 — 197 und 202. 203 in verse geschieden sind, während die
reimwörter in v. 212 — 214 verkannt wurden und in v. 206—209 sogar ganz unbemerkt blieben.
Das mysterium aus Tours ist unter den denkmälem, welche die geschichte unseres osterspiels be-
treffen, eines der wichtigsten; wii" besitzen kein zweites, das bei gleichem oder auch nur annäherndem
umfang des Stoffes vollständig in lateinischer spräche abgefasst wäre, seitdem jenes drama, welches
Bemh. Pez in Klostemeuburg entdeckte, verschollen ist (vgl oben s. 26). Auch die umfangreicheren der
bisher behandelten dramen bestanden im wesentlichen aus nur drei kurzen Szenen, der begegnung der
Marien und engel, der erscheinung Jesu und dem wettlauf der apostel: der darsteUung also der wichtigsten
historischen ereignisse, welche die auferstehung des heilandes begleiteten und bezeugen. Eine in diesen
gränzen gehaltene auffQhrung Hess sich leicht in das kanonische ritual der matutin oder der messe ein-
schalten, indem sie die gottesdienstliche handlung nicht etwa überbot und zurückdrängte, sondern nur
erläuterte, so dass noch die absieht ihres Stifters, die hohe bedeutung dieses erinuerungstages mit der
zumal in der kirche ungewohnten und wunderbaren Vorstellung der heiligsten personen und begebnisse
unter frommen schauern in die andächtigen Seelen des Volkes zu senken, ihr hauptsächlichster zweck blieb.
Eine darstellung aber, in welcher Juden auftreten, und Pilatus mit dem pomp eines römischen Statthalters^
umgeben von einer leibwache bewaffneter Söldner, in der für die erreichung des ursprünglichen Zweckes
ganz nebensächliche szenen, wie die erscheinung Jesu bei verschlossenen türen und bei Thomas und selbst
der beinahe unbiblische auftritt zwischen den frauen und salbenkrämem ausführlich behandelt werden, er-
forderte einen aufwand an zeit und teatralischen requisiten, die, abgesehen von den im geweihten räume
der kirche verpönten profanen und vulgären elementen, ihre einfügung in den gottesdienstr selbst zur
Unmöglichkeit machten. Eine solche auffUhrung war nicht mehr eine einfache dramatische osterfeier,
sondern ein osterschau spiel, ihre endabsicht nicht allein das durch die dramatische form zu lebendiger
anschauung gesteigerte innigere verständniss der evangelischen tatsachen und eine kräftigung des glau-
bens an das erlösungswerk Kristi, sondern ebenso sehr und in vielleicht noch höherem masse die freude
an der befriedigung jenes menschlicheren reizes, welchen das bühnenspiel selbst zu allen zeiten auf die
Schaulust des volkes ausgeübt hat. Die literargeschichtliche bedeutung des Stückes beruht also nicht bloss
in der inhaltlichen erweiterung, welche die entwickelung der lateinischen osterfeiem durch fortwährende
agglomerazion verwanten Stoffes in stetigem fortschritt begriffen zeigt, sondern nicht minder auch in der
durch die aufnähme unkirchlicher und profaner elemente bewirkten entfernung von ihrem anfänglichen
zweck und dem Übergang der zu kristlicher erbauung und belehrung erfundenen kirchlichen feier zu einem
auf den Sinnenreiz und die ergötzlichkeit berechneten volkstümlichen Schauspiel.
1. Nirgends habe ich sie, so weit meine erinnernng reicht, in den über den Torliegenden gegenständ handelnden bflchern
und abhandlnngen erwähnt gefunden. loh habe fOr die bekanntsohaft mit deijenigen Lozarohe's herm dr Reinhold
Köhler in Weimar, mit der Goussemaker's herm prof. Emile Pioot in Paris verbindlichst zu danken.
104 I- I>I£ LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
Unser Schauspiel, — denn so dürfen wir es wohl nennen, — zerfällt in fünf abteilungen oder akte,
welche wiederum aus mehreren auftritten bestehen, nämlich
I. akt, 1. ftuftritt: * — v. 1, die judeQpriester erscheinen vor Pilatus und fordern, eingedenk der voraosaage
Jesu, dass er nach drei tagen wieder auferstehen werde, eine militärische bewachung des grabes,
um den diebstahl des leichnams durch die jünger zu verhindern. Nach ev. Matthäus 27, 62 — 64.
2. auftritt: v. 2 — 20, Pilatus befiehlt seinen söldnern, das grab drei tage und drei nachte zu bewachea.
Nachdem sie beim grabe angekommen, erscheint ein engel, der sie mit einem blitz zu boden
schleudert, so dass sie wie tot liegen bleiben. Nach ev. Matthäus 27, 66. 66; 28, 2 — 4.
II. akt, 1. auftritt: v. 21 — 63, M. Magdalena, M. Jacobi und M. Salome treten auf {Omnifoimu paier altumme)
und verhandeln mit zwei salbenkrämern (mercatores) um die salben zur einbalsamierung d«B
leichnams Jesu. Nach ev. Markus 16, 1.
2. auftritt: v. 6i — 108, M. Magdalena, M. Jacobi und M. Salome wandern zum grabe und finden den
engel Gabriel, der ihnen die auferstehung Jesu verkündigt. Nach ev. Markus 16, 3 — 7.
3. auftritt: v. 109—140, die söldner erheben sich und kehren zu Pilatus zurück, klagend, dass ein engel
vom himmel gekommen sei und den weiberu die auferstehung Jesu verkündigt habe.
III. akt, 1. auftritt: v. 141 — 211, M. Magdalenens klage. Die drei Marien gehen abermals zum grabe, um die
auferstehung Jesu von dem engel zu vernehmen. Zum teil nach ev. Johannes 20, 13.
2. auftritt: * Jesus erscheint der M. Magdalena in gestalt des gärtners. Nach ev. Johannes 20, 14 — 17.
3. auftritt: * — 219, M. Magdalena und Petrus. Wettlauf.
4. auftritt: v. 220 — 243, M. Magdalena und die übrigen jünger.
lY. akt, 1. auftritt: v. 244—261, Jesus erscheint den zwölf jungem bei verschlossenen türen. Nach ev. Lukas
24, 36—40.
2. auftritt: v. 252—266, Thomas und die übrigen jünger. Nach ev. Johannes 20, 24. 25.
3. auftritt: v. 267 — 277, Jesus erscheint den jungem zum zweiten male und Thomas. Nach ev. Johannas
20, 26—29.
V. akt, 1. auftritt: v. 278. 279, M. Magdalena kehrt zum grabe zurück und singt mit Petrus und Johannes die
erste hälfte der sequenz VieHmae fOickali,
2. auftritt: v. 280 — 288, die übrigen jünger kommen hinzu und singen mit Maria Magdalena dam
Die nobis Maria.
3. auftritt: v. 289, der kor singt das Te deum taudamus.
Per erste auftritt fehlt in der handschrift, er fällt in die lücke, welche wir mit dem verlast. des
ersten blattes zu beklagen haben. Dass er den angegebenen inhalt gehabt haben muss, geht aus dem
erhaltenen letzten verse desselben Tune erit error peior, d. i. y. 1 unseres abdrucks, hervor, der von
Luzarche und Coussemaker, allerdings sehr mit unrecht, zu der folgenden spielanweisuug gezogen worden
ist. Denn diese werte sind beinahe wörtlich aus ev. Matthäus 27, 64 entnommen, also aus deijenigen
stelle, welche allein die von den pontifices an Pilatus gestellte forderung einer grabwache berichtet, vgL
8. 97, zu vers 1. Da nun die Söldner in der folgenden szene, c 2 — 20, von Pilatus mit der hut des
grabes beauftragt werden und hinausziehen, um seinen befehl zu erfüllen, wobei die gepflogenen reden in
y. 6 — 11. 17. 18 wiederum die benutzung von Matthäus 27, 64. 65 deutlich erkennen lassen, so ist klar,
dass der verlorene erste auftritt nur eine auf dem bezeichneten passus des matthäusevangeliums beruhende
Verhandlung über die bestellung einer grabwache zwischen den Juden und Pilatus enthalten haben kann.
Diese erklärung ergibt sich, wie mir scheint, völlig ungesucht aus den vorhandenen tatsachen, und ich
begreife das verfahren Luzarche's und Goussemaker's, diesen vers als Spielanweisung zu betrachten, um
80 weniger, als ersterem wenigstens die entlehnung desselben aus Matthäus, wie seine daher genommene
jedenfalls unrichtige und nutzlose ergänzung peior [priore] beweist, nicht unbekannt war und eine auffassung
desselben im sinne einer direktive für die Schauspieler geradezu unmöglich ist. — Ob dieser auftritt das
ganze verschwundene blatt ausgefüllt habe, lässt sich natürlich nicht sagen; ich möchte es indessen nicht
glauben, da Pilatus in anderen dramen, z. b. dem innsbrucker (Mone, Altt. schausp. s. 110 ff.) und dem
3. URSPRUNG UND ENTWICKELÜNG. F. DAS MYSTERIUM AUS TOURS, c. 105
wiener (Hoflfmann, Fundgr. 2, s. 298 ff.) durchaus keine Schwierigkeiten erhebt, dem wünsche der Juden
zu willfahren, und Weiterungen, wie sie hier durch die aussendung von boten, die beratung der Juden, das
markten um den seid für die Wächter u. s. w. gesucht und erreicht werden, in c schwerlich schon ein-
gang gefunden hatten.
Von offenbar gleichem inhalt, wie in c, ist der erste auftritt in dem verlorenen klosterneuburger
osterspiele gewesen, von dem durch die hemtihungen Pezens einige, wenn auch leider allzu dürftige, immer-
hin schätzbare mitteilungen zu unserer kenntniss gelangt sind. Seine angaben sind folgende. ,Insignis
in his [seil, exemplis paschalium ludorum] est ludus paschalis in codice daustroneoburgensis canoniae
quingentorum annorum, in quo resurrectionis dominicae historia pereleganti ac pio dramate proponitur.
Incipit in hunc modum:
Primo producatur Pilfttus cum responaorio:
Ingressus Pilatus.
et sedeat in looum sibi praedeterminatam. Post haeo . . . PONTIFIGES cantant:
domine, recte meminimus,
quod a turba saepe audivimus,
seductorem consuetum dicere:
5 post tres dies volo resurgere.
Respondet PILATUS:
Sicut mihi dictat discretio etc.
In fine:
Et populus universus iara certificatos de domino, CANTOR sie ünponit:
Christ, der ist irstanden etc.'
Das spiel begann demnach mit dem erscheinen des Pilatus, welcher unter <lem vorantritt seiner
leibwache, — worauf ich das ,producatur' beziehe, — und dem korgesange der antifone Ingressus Pilatus
nach ev. Nicod. 28, den für ihn bestimmten platz einnahm. Die übrigen mitspielenden personen hatten
entweder schon aufstellung genommen, da das auftreten der pontifices, welche unmittelbar darauf den
dialog eröffnen, nicht besonders erwähnt wird, oder sie folgten jenem während des gesanges in gestalt
einer prozession und in der reihenfolge, in welcher sie nachher auftreten mussten, auf die bühne, um sich
hier auf die ihnen voraus bezeichneten stände zu verteilen. Alsdann beginnt die akzion, indem die ponti-
fizes den Pilatus an die voraussage Kristi, dass er nach drei tagen wieder auferstehen würde, erinnern;
die verse aber, welche ihnen in den mund gelegt werden, sind zweifelsohne aus jener mehrfach genannten
stelle des matthäusevangeliums Domine, recordati sumus quia seductor ille dixit adhuc vivens Post tres
dies resurgam hervorgegangen. Die ersten auftritte können also auch im klosterneuburger spiele nur die
bestellung der grabwache zum gegenstände gehabt haben, und da sie mit c auf derselben bibelstelle basieren
und deren eigene werte, wie dort, zu verwerten ersichtlich beflissen sind, so dürften sie sich auch in ihrer
spezielleren anläge und ausführung von denen in c nicht wesentlich unterschieden haben, wenn nicht gar
auch hier wieder einmal eine Wechselwirkung oder ein direkter austausch zwischen Frankreich und Deutsch-
land statt gefunden hat.
Der zweite akt gliedert sich hauptsächlich in drei szenen. In der ersten sehen wir zunächst die
drei Marien auftreten, die beiden ersten, M. Magdalena und M. Jacobi mit salbengefässen, M. Salome mit
dem rauchfass versehen. Sie scheinen von ausserhalb der kirche hereinzukommen und als sie ,ante hostium
ecclesie' sichtbar werden, heben sie, mit den strofen alternierend, den hymnus Omnipotens pater aUissime
an zu singen, dessen benutzung in diesen dramen wir zuerst 02 — 4 angetroffen haben. Nachdem sich die
trauen damit eingeführt, ihre absieht, den leichnam Jesu zu balsamieren, kund gegeben und die situazion
Milchsack, 0tt«r- und paasicnsapi«!«. 14
106 I- I>I£ LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
in eine mit dem ersten akte stark kontrastierende Stimmung versetzt haben, entspinnt sich die kaufmaims*
dzene, bei der die Spielanweisungen leider so kurz gehalten sind, dass man die abwickelung derselben auf
der bühne durch die kombinazion verschiedener andeutungen zu gewinnen versuchen rouss. — Wir sehen
nach einander zwei krämer auftreten; der erste, welcher durch den gesang der Marien von ihrem vorhaben
vernommen, fordert sie auf, an seinen laden zu kommen und von seinen salben eine zu kaufen. Da er
V. 41 ,mercator iuvenis^ genannt wird und nicht ohne einen anflug grosstuerischen wesens die vorzüglichkeit
seiner spezereien anpreist (vgl. bes. v. 46 — 51), so ist anzunehmen, dass wir in ihm nur den laufburscben
und handlanger des meisters zu erblicken haben, der in der abwesenheit des letzteren die gelegenheit wahr-
nimmt, den herm zu spielen und sich wichtig zu machen. Darüber kommt jedoch der meister selbst herzu,
fragt die Marien nach ihrem begehr und wird ohne langes feilschen handelseinig mit ihnen, v. 53 — 63.
Wir sehen also, dass der Verfasser, den Vorgang auf der bühne durch die zugäbe eines komischen Inter-
mezzos der drastischen Wirklichkeit des marktlebens näher zu bringen und damit einen besondem effekt
bei seinen Zuschauern zu erreichen beabsichtigte, die sich trotz der noch zaghaften form dieses Zwischen-
spiels und der übrigens durchaus ernsthaften haltung des ganzen auftritts, falls die rollen der krämer in
die bände für sie passender und geschickt^" Schauspieler geriehten, einer gelinden heiterkeit über die
wichtigmacherei des burschen und die wortlose Überlegenheit seines geschäftsmässigen herm kaum erwehrt
haben werden. Es ist dies der erste anlauf zur Verfolgung komischer tendenzen im geistlichen drama des
mittelalters. Ist er auch noch schwach, so wird man dem dichter doch nachrühmen müssen, dass er so«
wohl die notwendigkeit erkannte, als das richtige mittel fand, einer marktszene, die ob ihrer alltäglichkeit
an sich ein tieferes interesse nicht hatte, dramatisches leben zu geben, ohne die schmale gränze zu ver-
letzen, welche die sprödigkeit seines Stoffes zumal nach der humoristischen' Seite ihm zog.
Nach empfang der salben setzen die Marien ihren weg in der richtung zum grabe fort. Die ge-
länge, welche sie dabei anstimmen, geben aufs neue ihrem schmerz über den Verlust des meisters aus-
druck, bis sie z. 73. 74 lam iam, eeee, iam properemus ad tumulum, unguentes dileetj corpus sanetisimum,
selbst ihre ankunft am ziele und den zweck ihrer Wanderung bezeichnen. Z. 68—74 dieser gesänge
stimmen mit b, dem bruchstück aus Orleans (vgl. oben s. 96), wörtlich überein, welches jedenfalls noch
ganz lateinisch und mit c entweder identisch, oder ihm doch nahe verwant gewesen sein wird. — Den
kern des nun folgenden auftritts bildet die ursprüngliche osterfeier, die begegnung des engeis und der
frauen am grabe. Die fett gedruckten Sätze z. 93. 94. 98 — 104 sind sofort als die originale fassung der
von uns unter der ersten rezension begriffenen dramen erkennbar, welche hier nur durch einige zum teü
schon frühzeitig verwertete ergänzungen aus den evangelien erweitert erscheint. Diese szene macht jedoch
nur den zweiten wichtigsten teil der begegnung aus; ihr voraus geht eine andere, die ihr zwar gleichartig
ist, aber in den bisherigen stücken nicht einmal andeutungsweise, oder im keime vorgebildet vorhanden
war. Nachdem nämlich die Marien, beim grabe angekommen, jenes Iam iam, eeee etc. gesungen, antwortet
der engel Non eget unguentum, quia Cristus de monumento zurexit uere: locus eeee! uenüe, uenite, videU!
c 75 — 77. M. Magdalena und M. Jacobi nähern sich dem grabe, schauen hinein und, da sie Jesu leichnam
nicht finden, kehren sie zu M. Salome zurück. Alsdann singen sie abwechselnd drei hymnenstrofen, in
denen M. Magdalena in neue klagen über den verlorenen meister ausbricht, c 78 — 81, M. Jacobi ihre ab*
sieht, den leichnam Kristi zu salben, kiind gibt, c 82 — 84, woran M. Salome mit der aufforderung zurück-
zukehren sich anschliesst, seitdem sie durch den engel die gewissheit von Jesu auferstehung erlangt haben,
c 85 — 88. Nun erst folgt der eben besprochene hauptteil dieses auftritts. Der engel befiehlt ihnen nicht
zu erschrecken, noch sich zu fürchten, denn ego sum Mkhael areangelus; dieite mieki, quem queritis, aud
quem uuUis uidere? c 89 — 92. M. Magdalene erwiedert schüchtern deus, quis reuoluuit nobis lapidem ai
-^
8. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. F. DAS MYSTERIUM AUS TOURS, c. 107
hosiio mowumenH? worauf die Marien, da sie den stein herabgewälzt sehen, gewissennassen freudig erstaunt
gemeinsam einfallen Eeee, lapis reuolutus et iuuenis stola eandida eoopertus! nach ev. Markus 16, 4. ö. Der
engel heisst sie abermals näher zu kommen und ihre furchtsamkeit abzulegen, und richtet darauf an sie
die bekannte frage Quem querUis in sepulero^ o msticole? die Marien antworten Ihesum Nazarenum etc., der
engel Non est kic etc., Uenite et ttidete etc., Et euntes etc. und schliesst mit den versen üuUum tristem tarn
mutate etc., welche wir X24 schon kennen gelernt haben. Der ganze auftritt unterscheidet sich also von
seinen bisherigen fassungen erstens in seinem zweiten, dem hauptteile, durch die eröflhung desselben mit
der anrede des engeis Ad uos dko, midieres, nolüe expauesrere etc. nach ev. Matthäus 28, 5 und Markus
16, 6 = c 89—92, den auf Markus 16, 4. 5 beruhenden ausbruch freudigen erstaunens der Marien, c
96. 97, sowie jene gereimten schlussverse des engeis, die, aus ev. Lukas 24, 5 und Matthäus 28, 7 oder
Markus 16, 7 entstanden, die frauen auffordern, ihre trauer fahren zu lassen, die auferstehung Jesu zu
verkünden und sich zu beeilen ihn in Galiläa wiederzusehen ; zweitens durch die einfügung der dieser szene
voraufgehenden szene c 73 — 88, welche der biblischen unterläge gänzlich entbehrt und eine vollkommen
freie Schöpfung des dichters ist, und drittens die gleichfalls neuen den auftritt einleitenden gesänge c
64—74. Dass diese weitgehende Umgestaltung nicht mehr aus jenem früheren gesichtspunkte erklärt wer-
den kann, wonach spätere bearbeiter die in rücksicht auf das angestrebte ziel, dem volke die wichtigste
tatsache des christlichen glaubens durch eine dramatische aufführung mit greifbarer deutlichkeit vor die
seele zu stellen, nach form und inhalt so unvollkommene als unvollständige osterfeier älteren Stiles zu-
nächst durch gehaltvolleren ausdruck der spräche, dann auch durch einzelne ergänzungen im texte und
endlich durch ein- und anfägung ganzer Szenen zu vervollkommnen trachteten, wobei sie jedoch die ur-
sprüngliche absieht ihres Urhebers stets im äuge behielten, dass das drama nur als ein mittel und darum
als untergeordnetes beiwerk des eigentlichen gottesdienstes, niemals jedoch als Selbstzweck auftreten dürfe,
ist klar. Der ganze erste akt hätte unter diesem gesichtspunkte seine existenzberechtigung einbüssen
müssen; denn er war nicht nur, worauf wir schon hingewiesen haben, zur erreichung des bezeichneten
nächsten Zweckes durchaus überflüssig, sondern es mussten auch die profanen elemente in seinem gefolge
und der bedeutendere aufwand an zeit und teatralischen requisiten, den durch ihn das drama erheischte,
notwendiger weise die bedingungen aufheben« unter welchen allein dieses in dem engen rahmen des gottes-
dienstes bestehen konnte. Wenn daher allerdings die auf der grundlage evangelischer texte entstandenen
Zusätze im dritten teile dieses auftritts c 89 — 108 nach jenem älteren grundsatz als zweckentsprechende
und der dramatischen Wirkung forderliche erweiterungen gar wohl noch beurteilt werden dürfen, so muss
dagegen schon die abfassung der neuen einleitung c 64 — 74 als ein natürliches ergebniss der tendenz des
dichters erkannt werden, die ihn, nachdem er den ehemals als einleitung für diesen auftritt verwanten
hymnus Omnipotens pater aüissime verbraucht hatte, zur herstellung eines ersatzes zwang, während in der
freien erfindung des mittleren teiles, c 75—88, seine absieht, die ehedem sekundäre osterfeier zu einem
von den beengenden fesseln des gottesdienstes entbundenen selbständigen Schauspiele zu erheben, unverhüllt
in den Vordergrund tritt. Denn weder die anlehnung an die evaligelischen berichte, welche zu diesem
verspiel nicht die geringste veranlassung darbieten, noch die bessere erreichung des gesteckten Zieles ist,
so lange wir auf dem boden der einfachen osterfeiem und ihrer absiebten stehen, für den dichter der an-
trieb zur abfassung desselben gewesen; er glaubte vielmehr, sowohl in ansehung des umfanges, welchen
der bloss die exposition bildende erste akt und die erste szene des zweiten erhalten hatten, ein entsprech^-
des mass in der vorliegenden gewinnen, als auch besonders in bezug auf die grosse Verschiedenheit der
in diesen beiden akten vorwaltenden situazionen und Stimmungen, den effekt, welchen die eigentliche
engelsszene am grabe hervorbringen sollte, gehörig vorbereiten und aas diesem gnrnde das verspiel c 73
108 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
•
bis 89 einscbalten zu müssen. Dass er dies keineswegs in geschickter weise begonnen, zeigt indessen eine
genauere betrachtung.
Falls die gesänge c 64 — 74, mit denen die Marien vom laden der salbenhändler aus ihre Wanderung
zum grabe fortsetzen, noch nicht im Stande gewesen waren, die aufmerksamkeit des publikums auf den
ernst der handlung zurückzulenken, so musste dies mit einem schlage geschehen, wenn nach dem gemein-
samen ausruf der frauen c 73., 74 lam iam, ecce, iam properemus ad tumulum, unguentes dilectj eorpuf
sanctisimum plötzlich die sonore stimme des engeis, der bis dahin von dem veliim vor dem eingange d^
grabes verborgen sein mochte, einfiel Non eget unguentum, quia Cristus de monumento surexü uere, tevs
eeee: uenite, uenite, videte! Wenn aber nunmehr M.Magdalena und M. lacobi, wie die Spielanweisung vor-
schreibt, hinzugehen ,uidere sepulcrum, non inuento corpore' aber wiederum zu M. Salome zurückkehren, um
den heimweg anzutreten, so ist es doch einerseits fraglich, ob nicht dadurch die Wirkung des folgenden,
anstatt vorbereitet und erhöht zu werden, vielmehr vorweggenommen und gebrochen wird; andererseits aber
ist es nicht zu begreifen, wie der dichter dieses betreten des grabes und die Verkündigung von Jesu aof-
erstehung des Vorspiels mit dem ganzen folgenden, inhaltlich gleichen, dritten teile dieses auftritts in ein-
klang zu bringen gedacht hat. Denn wie können die Marien nun noch zweifelnd fragen deus, quis reuobiuit
nobis lapidem ab hostio monumenii? c 93. 94, da sie doch schon im grabe gewesen, und wie darf der enge!
erst jetzt nach ihrem begehr forschen Dicite, quem queritis in sepulcro, o cristicole? c 98, nachdem er das-
selbe schon vorher erkannt und beantwortet hatte? Man sieht, dieses verspiel ist so vollständig verfehlt
dass man es demselben dichter, der auch das übrige schuf, kaum zutrauen und es lieber für das machweik
eines ungeschickten dritten halten möchte, der von den intenzionen jenes so wenig, als von dramatiscfaer
Ökonomie überhaupt eine vorsteUung besass. Allein man wird in dieser zeit einen starken nussgriff auch bei
einem begabteren manne gewärtigen müssen und ich glaube nicht, dass man bloss um seiner ungeschicklieb-
keit willen diesen absatz dem unbefugten eingri£f eines Stümpers aufzubürden das recht hat Auch wurde die
spielbarkeit des ganzen auftritts durch die stoffliche kongruenz seiner teile gewiss nicht verhindert. Waren
die Marien schon nach der ersten auiforderung des engeis c 76. 77 zu ihm eingetreten, um sich von der
abwesenheit des leichnams Jesu zu überzeugen, so brauchte sich diese handlung bei der zweiten c 97 und
dritten c 102 nicht zu wiederholen, und da entsprechende Spielanweisungen fehlen, so scheint der engel in
der tat die ganze partie von dem Non e$l hie etc. bis zu dem Utdätm tristem iam muiate in einem tenor
ohne Unterbrechung gesprochen zu haben, während die frauen, auf einer stelle verharrend, seine botsckiA
in empfang nahmen. Die späteren entwickelungen der bei ihm, von den angegebenen vollständig zweck-
dienlichen aus den evangelien geschöpften ergänzungen abgesehen, in ihrer ursprünglichen reinheit erhaHeoen
ältesten fassung der lateinischen osterfeier scheinen bis in die gegend, in welcher der dichter lebte, noch
nicht vorgedrungen zu sein, und es ist zu bedauern, dass er die so mühsam errungenen vorteile, wdcbe
auch ihm diese für einen angemessenen rückzug der frauen gewährt haben würden, nicht kannte. I"^
dritte Szene dieses aktes, das erwachen und die rückkehr der Wächter zu Pilatus, beginnt unmittelbar
nach den letzten versen des engeis, ohne dass man zunächst weiss, ob die Marien bis auf weiteres beim
grabe verblieben, oder ob und wohin sie sich schweigend entfernen sollten. Aus der spielanweisiuig ^"
v. 141 ist erst nachträglich zu schliessen, dass sie sich ,in sinistram partem ecclesie' zurückziehen mussten.
Der folgende auftritt c 109—140 ist vollständig gereimt. Die Soldaten erheben sich und beklagt
ihr missgeschick, dass sie den, welchen sie zu bewachen ausgesant waren, verloren. V. 114 — 116, weJcto
sich c 130 — 132 wiederholen, sind o£fenbar aus dem responsorium hervorgegangen, welches im oifertoriaiD
der feria seconda post pascha statt findet und nach ev. Matthäus 28, 2 ff. verfasst ist Angelas domini
descendit de codo et dixit mulieribus Quem queritis? surrexit, sicut dixit, alleluia! Ausserdem ist diese
3. URSPRUNG UND ENTWICKELUNG. F. DAS MYSTERIUM AUS TOURS, c. 109
szene nach ev. Matthäus 28, 11 — 15 gebildet . . • ecce, quidam de custodibus venerunt in civitatem et
nuntiaverunt principibus sacerdotum omnia, quae facta fuerant. 12 Et congregati cum senioribus, consUio
Accepto, pecuniam copiosam dedenint militibus, 13 dicentes Dicite quia discipuli eins nocte venerunt et
furati sunt eum, nobis donnientibus : 14 et si hoc auditum fuerit apraeside, nos suadebimus ei et securos
vos faciemus. 15 At Uli, accepta pecunia, fecerunt, sicut erant docti. Der dichter hat sich jedoch hier
weniger strenge an seine vorläge gehalten, als beim ersten akte; er lässt die Wächter nicht, wie Matthäus
berichtet, zu den häuptem der jüdischen priesterschaft zurückkehren, sondern zu Pilatus, dem daher auch
die aufgäbe zufallt, sie durch bestechung und durch einschüchterung vor der räche der priester zu über-
reden, die Wahrheit zu verschweigen und zu sagen, dass die jünger den leichnam Jesu gestolen. Nach-
dem also die Söldner ihren klagegesang c 109 — 116 beendigt und bei Pilatus ang^ommen sind, werden
sie von diesem angeredet ,ihr römische Soldaten, empfanget den lohn und berichtet mir nun, was euch
begegnet ist^ Die Wächter antworten klagend Proh, quo genttles fuimus! ein donnerschlag hat uns, während
wir das grab bewachten, zur erde geworfen. Legem non habuistis; daher mögt ihr lügen und vorgeben,
dass die jünger kamen und den leichnam gestolen haben, rät Pilatus. Die Söldner aber widerstreben
Nos verüatem dieimu$: de eelo uenit angelus etc., worauf ihnen Pilatus, ihnen den sold aushändigend, im tone
•des befehles, wie ein mann, der an solche mährchen nicht glaubt, den wohlmeinenden rat gibt, davon zu
schweigen, da sie ihnen bei den judenpriestem zum unheile gereichen- könnten, falls sie im volke ruchbar
würden. — An zwei stellen scheint mir der handschriftl. text verderbt, nämlich c 119, wo omnibus ebenso
wenig am platze ist, als c 126 das einen hier ganz unpassenden gegensatz ausdrückende $ed; ich habe
fUr ersteres nunc rnkhi, für das letztere et in den Varianten vorgeschlagen, wodurch wenigstens der an*
stoss, welchen man beim lesen an ihnen nehmen muss, beseitigt ist, wenn sie auch den urtext nicht
wiederherstellen mögen.
Der dritte akt führt uns mit der erscheinung Jesu am ostermorgen auf die höhe der entwickelung
unseres dramas, wenn ich sc sagen darf, zur katastrofe. Die erscheinungsszene war, wie wir gesehen
haben, die wichtigste gemeinsame neuerung, welche die stücke der vierten gruppe vor denjenigen der
übrigen auszeichnete. Allein schon dort machte sich eine wesentliche Verschiedenheit zwischen den vor*
wiegend deutschen QRT und den französischen stücken UVWX bemerkbar, insofern das auftreten Jesu in
den ersteren durch den hymnus Cum venissem ungere mortuum, in den letzteren durch eine zweite engeis-
Szene eingeleitet und vorbereitet wurde, und diese engelsszene ist es auch, welche in c, nur in ähnliche
weise wie der zweite des vorigen erweitert, den ersten auftritt des dritten aktes bildet. Sie beruht der
hauptsache nach auf ev. Job. 20, 11 — 13j hat aber aus ev. Lukas 24, 5. 6 noch einen zusatz erfahren,
welcher aus besonderen, oben s. 86 dargelegten gründen, ihre komposizion und einfOgung in die lateini*
sehen osterfeiem auf 4inen Verfasser zurückzuführen und die Überlieferung in c 185. 186 als die originale
fassung anzunehmen gestattete. Diese szene ist der unversehrte feste kern unseres auftritts, seine er-
weiterung nächst der lyrischen einleitung im wesentlichen nur eine zum teil wörtliche Wiederholung dessel-
ben (vgl. c 204. 205 mit c 185. 186), von welcher der dichter auch die veränderte inszenierung, in folge
-deren sie aller Wahrscheinlichkeit nach entstand, den Vorwurf nutzloser dehnung und störender gleich-
förmigkeit nicht hat abzuwenden vermögen. Leider sind auch hier wieder die spielanweisungen, welche
vielleicht eine genauere erUärung dieser Wiederholungen aus der auff&hrungsweise zu geben vermöchteni
allzu dürftig und ebenso wenig wird man aus dem texte selbst, da der wichtigste auftritt dieses aktes,
das zusammentreffen Jesu und Magdalenens, auf welches der erste auftritt hinsteuert, fehlt, keinen sicheren
schluss ableiten können. Soweit man nach läge der sache urteilen darf, geschah die darstellung, wie folgt.
Zuerst tritt Maria Magdelena, scheinbar allein, auf, denn die Spielanweisung zu c 141 ff. spricht nur von
HO I. DIE LATEINISCHEK OSTERFEIERN.
ihr. Sie kommt von der linken seite der kirche, also wohl von dem vorausbezeichneten stände, auf dem
sie sich, so lange sie im spiele nicht mitwirkte, aufieuhalten hatte. Sie singt eine Sequenz c 141—178,
die, zum teil aus sechszeOigen strofen von abwechselnd reimlosen vollständigen und gereimten katalektischen
dimetem bestehend, sonst nicht bekannt ist, und vom dichter selbst herrühren mag; die Überlieferung unserer
handschrift ist jedoch vollständig korrupt und nicht dazu angetan, an ihr den versuch zur herstelluog
eines korrekten textes zu machen. Mit dem ende ihres gesanges ist Magdalena beim grabe angekommen,
worauf die vorhin erwähnte, aus UVWX bekannte und aus ev. Job. 20, 11 — 13 entstandene szene sieb
abspielt* Abweichend und unverständlich ist, warum Jesus selbst die erste frage Mulier, quid phras? e 182
an M. Magdalena richtet. Nachdem diese geantwortet Quia tulerunt etc., fragt der engel Quem queritii?
und die beiden anderen Marien erwiedem Viuentem cum mortuis, worauf der engel mit dem Non est hie, sed
mrexU: recardamini etc. schliesst. Woher, wann und wie M. Jacobi und M. Salome hieher gekommen,
ist nicht zu ersehen, vermutlich also doch zugleich mit M. Magdalena. — Diese beginnt nun aufs neae
zu klagen Tu, paier, qui es in cdis etc. c 191 — 197, die beiden anderen kommen herbei, sie, auf jeder seite
unter ihre arme fassend, zu stützen und ihr mit den versm Cara soror, rUmis langor c 198 — 201, deren
Schlusszeile wiederum stark verderbt ist, trost einzuflössen. Magdalena aber fährt fort zu klagen
Ardens est cor meum deiiderio etc. c. 200 — 202 (nach ev. Lukas 24, 32; vgl. X16) und der engel fragt aber-
mals Quem queritis? worauf die Marien gemeinsam antworten Viueniem cum mortuis und der engel, zu M.
Magdalena gewant, die tröstende Versicherung gibt Nichü tibi est timendum etc., welche mit c 210, wofern
nicht auch hier dne verderbniss vorliegt, in prosa übeif^eht Der schluss scheint mitsammt dem ganzen
auftritt zwischen Jesus und M. Magdalena dem Schicksale der beiden blättert verfallen zu sein, welche an
dieser stelle in der handschrift fehlen.
Die entstehung des auftritts aus der älteren szene c 182 — 190 ist klar. Die hinzufügung der lyri-
schen klage Magdalenens als einleitung, welche das wiederholte auftreten derselben motivieren und, indem
sie den grundton des dramas anschlug, die aufrnerksamkeit des publikums auf die folgende erscheinung
Jesu zurücklenken sollte, sowie die nächsten zusätze c 191 — 203 sind vollkommen zweckentsprechend und
geeignet die Spannung bis zu dem momente in sanft geschwungener Wellenlinie zu steigern, wo die in
ängstlicher erwartung aufhorchenden zuschauer durch das persönliche hervortreten des wiederauferstandenen
auf das tiefste ergriffen und erschüttert werden mussten. Jedoch bleibt das frühzeitige auftreten im
c 182 auffallend und unerklärt, da ihn ja Magdalena nicht erkennt, noch auch erkennen darf; vielleickt
war es als Vorbereitung für die zuschauer berechnet, vielleicht auch versteckt sich die eigentliche absieht
des dichters in der inszenierung, welche durch das ,in ordine' in der Spielanweisung zu c 182 angedeotet
ist; möglich endlich ist es auch, dass nur ein abschreibefehler vorliegt Die intenzion aber, welche der
dichter mit der Wiederholung von c 204 — 211 muss verbunden haben, ist mir völlig rätselhaft und unier
den vorhandenen möglichkeiten erblicke ich keine, die sich mit einiger Wahrscheinlichkeit, das richtige tu
treffen, für ihre erklärung geeignet erwiese. Dass es ihm ausschliesslich darum zu tun gewesen sei,
diesen auftritt in die länge zu ziehen, wird man doch ohne weiteres nicht annehmen dürfen und auch das
1. Die gH^tte dieees und des den anfang unseres mysteriuniB betreffenden verlostes, weloben die handschrift erlitten^ iit
Ton Lnsaiehe nicht so genau und sicher bestimmt worden, als es fttr die beorteilung des umfanges an verlorenem
texte erwOnscht und vermittelst Zahlung der blatüagen und ihrer bestandteile an erhaltenen blättern wohl tanlicb
gewesen wäre. Er sagt nur einleitung p. XY ,notre manusorit presente deux facheuses Uounes: la premiere, tont ta
ooromenoeroent du po^me, n'est probablement que d'un seul feuillet; la seconde, sans doute un peu plus etendue, se troave
vers la fin, k la page 21 [seiner ausgäbe, wo die stelle genauer bezeichnet ist], immediatement apres le dialogae de
Tange et des deux
3. URSPRUNG UND ENTWICKBLUNG. F. DAS MYSTERTOM AUS TOURS, o. Hl
auskiinftsmittel, diesen passus auf rechaang eines unverständigen interpolators zu setzen, halte ich, so
lange tauglichere grQnde, als dass diese Wiederholung an dieser stelle ganz unpassend ist, fehlen, für allzu
leicht bei einer handschnft, die, noch dem 12. Jahrhundert angehörend, der zeit des dichters selbst sehr
nahe stehen muss und so st^irken eingriffen kaum schon ausgesetzt 'gewesen sein dürfte.
Der zweite auftritt des dritten aktes, der, wie schon bemerkt, verloren ist, bestand ohne allen
zweifei in der begegnung Jesu und Magdalenens und hat ebenso gewiss — denn auch darin ist nach der
bisher beobachteten Übereinstimmung der älteren teile in c mit den übrigen lateinischen osterfeiem ein
irrtum kaum möglich — der hauptsache nach dieselbe auf ev. Johannes 20, 14 — 17 beruhende form inne-
gehalten, welche uns aus QRTUVWX hinlänglich bekannt ist. Immerhin mag diese, die notazion einbe-
griffen, nicht ausgereicht haben, zwei blätter der handschrift zu füllen und die neigung des dichters hat
sich vielleicht auch hier in einer anzahl eigener Zusätze genüge getan, lieber die art indessen, wo und
wie dies geschehen, wird man sich vager Vermutungen füglich entschlagen müssen, da es durchaus an
passenden analogien zu ihrer begrüudung gebricht.
Auch der dritte auftritt ist bis auf die wenigen zeilen c 212 — 219 verloren, von denen die drei
ersten nicht einmal ein Indizium darbieten, die person, welche spricht oder angesprochen wird, geschweige
denn die beschaffenheit der ganzen szene zu erkennen. Luzarche hat sie dem Petrus zugewiesen und
gemäss der folgenden Spielanweisung ,Et reuersus interroget', wonach c 212 — 214 derselben rolle zufallen,
wie c 215, nämlich eben deijenigen des Petrus, wahrscheinlich mit recht. Allein auch wenn dieses richtig
ist, bleibt der, auftritt selbst und seine Verknüpfung mit dem vorausgehenden grösstenteils dunkel. In allen
übrigen lateinisch-dramatischen osterfeiem tritt Petrus bloss in seinem bekannten wettlauf mit Johannes
auf: was sie dabei zu i*eden haben, beschränkt sich regelmässig auf das an das volk gerichtete Cendtis,
socii etc. bei Vorzeigung der von den engein empfangenen linnen, und nur XI 1 fand sich eine neue
komposizion dieser szene mit einigen gereimten wechselreden, welche die apostel am grabe führten.
Stammen auch die drei verse c 212 — 214 aus einer wettlaufszene her, — und ich wüsste in der tat nicht,
in welcher anderen beziehung der dichter ein auftreten des Petrus an dieser stelle bewerkstelligt und
motiviert haben könnte, — so können sie nicht an Johannes, sondern, so weit ich urteile, nur an die M.
Magdalena gerichtet gewesen sein, und dann sind dieselben dahin zu erklären, dass Magdidena ihre botschaft
von der auferstehung Jesu zunächst dem Petrus und zwar ihm, da er nach der spielanweisung zu c 243
auch allein zurückkommt, allein überbringt, worauf dieser mit * — 214 erwiedert und, im begriffe zur grab-
stätte zu eilen, sich nochmals an Magdalena zurückwendend (so ist dann das ,reuersus' aufzufassen) fragt
Die nächif saror Maria, quod iter incqriamf und diese ihn anweist Vade cüo hanc per viam, unde nunc re-
gressa mm etc. c 216—219. Auch die antwort der Magdalena spricht für diese darstellung; denn der
weg, den sie dem Petrus einzuschlagen befiehlt, ist derselbe, auf welchem sie selbst so eben zurück-
gekommen, und kann doch wohl kein anderer sein, als der weg zum grabe. Ziemlich sicher ist also, dass
c 212 — 219 aus einem auftritt herrühren, welcher den wettlauf des Petrus behandelt, der aber anstatt
jener älteren, dem dichter vielleicht unbekannten abfassung Ad monumenlum etc., Currebant duo simul etc.,
Cemitis, o xocU etc., eine neue von dem Verfasser selbst erfundene komposizion hatte, über deren einzeln*
heiten, ihre Verbindung mit dem vorhergehenden und ihre textliche gestaltung wir daher nichts anderes
wissen können, als was uns in der handschrift selbst erhalten ist.
Der vierte auftritt ist sehr einfach und sehr kurz, gewissermassen nur eine variazion des vorigen,
indem M. Magdalena ihre botschaft, welche sie nach Vorschrift des engeis vor allem dem Petrus zu ver-
kündigen beauftragt war, nun auch den übrigen jüngeren mitteilt. Während sie also dem köre sich
nähert, kommen ihr die apostel (ausser Petrus), in zwei gleiche scharen geteilt, entgegen, zuerst sechs
112 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
Ton der einen Seite, welche den hymnus Tristes erant apostoli anheben, darauf die übrigen sechs von der
andern, um denselben zu ende zu singen. Alsdann tritt Maria vor die jünger und singt die erste strofe
des hymnus Jesu, nostra redempcio zum lobe des erlösers, um ihnen mit einer zweiten strofe Soluiis tarn
gemüibus, der vierten des hymnus Aurora Itids nUäat, die frohe botschaft zu geben, dass nun alle Seufzer
und die schmerzen der höUe ein ende haben, nachdem ihr ein engel die auferstehung Jesu verkündigt.
In der handschrift sind Spielanweisungen und text dieser partie so neben einander geschrieben, dass man
für den ersten augenblick zweifelhaft sein kann, wie. dieselben zusammengehören. So haben denn auch
Luzarche und Coussemaker der Magdalena nur die erste strofe zugewiesen, die anfangszeile der zweiten
jedoch c 240, da sie den jambischen rytmus und die herkunft derselben verkannten, als prosa behandelt und
zu der folgenden rede Jesu gezogen, c 244 — 247. Diese Verbindung hätte ihnen indessen schon deshalb
auffallend und befremdlich erscheinen sollen, weil die rede Jesu im übrigen wörtlich aus ev. Lukas 24.
36 — 39 genommen ist. Der nachweis aber, dass wir in dieser zeile nur den anfang einer hymnenstrofe
vor uns haben, und ganz besonders der inhalt dieser strofe, der von dem dichter Jesu selbst unmöglich in
den mund gelegt worden sein kann, dagegen in dieser szene nicht allein passend, sondern für den zweck
und die bedeutung dersdben unentbehrlich ist, muss jeden zweifei über die richtigkeit in der anordnung
unseres textes beseitigen.
Mit der katastrofe des dritten aktes hatte der dichter den nächsten Zweck seines Schauspiels er-
reicht Er hätte darum hier schon mit der sequenz Vietimae pasehaU den schluss können eintreten lassen,
und wenn er die grosse Wirkung dieses aktes, welche er nicht mehr zu überbieten vermoqhte, nicht ab-
schwächen und die aufmerksamkeit seiner zuhörer nicht ermüden wollte, so blieb ihm nur übrig, das stück
in einem vierten akt mit ein par kurzen szenen schnell und wirksam zu ende zu führen. Es ist sehr :c
loben, dass er dies erkannte und unter den Stoffen, welche die ostergeschichte der evangelien noch enthielt
den wirksamsten und dramatischesten in der erzählung vom ungläubigen Thomas herausfand, die ihm über-
dies noch den vorteil bot, dass er die mit dialogen untermischte darstellung des Johannes (kap. 20, 24 — 29)
mit wenigen, aber allerdings bedeutsamen änderungen unmittelbar dramatisieren konnte. Nur im ersten
auftritt ist er i^uf ev. Lukas 24, 36 — 39 zurückgegangen, weil er dadurch, die an dieser stelle in der
dritten person gehaltene erzählung des Johannes 20, 19^ 20 in die eigene rede Jesu umzuwandeln enthoben
wurde. Die aussendung der apostel und die erteilung des heiligen geistes, Job. 20, 21 — 23, liess er mit
recht unberücksichtigt; denn die versöhnende und tröstende kraft, welche das erscheinen Jesu bei den
jungem und Thomas im besonderen und darum auch für die Zuschauer haben musste und durch die be-
gegnung mit M. Magdalena nur erst teilweise bewirkt worden war, lag vor allem darin, dass er sich ihnen
als den wirklich körperlich von dem tode wieder auferstandenen bewies, nicht aber, zumal für das drama^
in jenen anderen momenten, die die handlung nur in die länge ziehen, den dramatischen effekt jedoch
eher vermindern als verstärken konnten. So aber schliessen sich die drei szenen kurz und knapp an*
einander. Erster auftritt: Jesus erscheint plötzlich inmitten der erschreckten apostel, zeigt ihnen die Wund-
male in bänden und füssen, die sie betasten, und mit dem freudigen ausruf Ecccj deus nosterl Surrexit
diminus etc. c 248—251 erkennen sie ihren aus dem grabe zu ihnen zurückgekommenen meister. Zweiter
auftritt: darauf komnxt Thomas, der nicht zugegen war, singend und über sie selbst, die bei der gefangen-
nähme Jesu furchtsam geflohen, und Judas, den Verräter, seine klage ergiessend c 252 — 262; die jünger
eilen ihm entgegen und, begeistert von dem soeben erlebten frohen ereigniss, brechen sie in die erregten
werte aus Thomas, uidimus dominum l Thomas aber, indigniert über die Zumutung, solches zu glauben, ant-
wortet mit kühler abwehr Nisi uidero in manibus eius ßxuram clauorum etc. c 264 — 266. Dritter auftritt :
Alsdann erscheint Jesus zum andern male, gebietet frieden und lässt auch den Thomas seine Wundmale
8. URSPRUNG UND ENTWIGKELUN6. F. DAS MYSTERIUM AUS TOURS, o.
113
berührea; Thomas ist erschüttert, er fäUt Jesu zu füssen und ruft dreimal laut Dominus meus et dem meus.
AUehdal Jesus antwortet mit sanftem Vorwurf Qiiia uiäiili me, Tkotnat, erediditti etc., Thomas aber singt
frohlockend zum volke gewant mit erhobener stimme Mm digüum meum m fixuram dauorwn ei mamsm
meam m UUu$ em, ä diooi Dammut meus et deus mens. AlkMal
Dass dieser akt mit seinem lebhaften Wechsel tiefister und energischester selischer bewegungen bei
geeigneter darstellung auch nach der imponierenden Wirkung des Yorigen noch einen bedeutenden eflfekt
ausüben' und das publikum in atemloser Spannung erhalten konnte, wer möchte das bestreiten? Die
apostel in trauriger haltung über den yerlust ihres meistens versammelt, die plötzliche erscheinung Jesu
nach tradizioneller anschauung in seinem irdischen habit mit kreuz und labarum, ihr schreck und das
freudige erkennen; dann die karakteristische gestaltdes Thomas^ sein klagender gesang, seine kühle Zurück-
haltung gegenüber der fast unglaublichen mitteilung der aufgeregten genossen, das abermalige erscheinen
Jesu, diesmal in den glänzendsten priestergewändem, des Thomas ttefinnerste ersehütterung und begeisterte
bekehrung, und alle diese eindrücke noch unendlich verstärkt und gehoben durch die zuerst geisterhafte,
dann aber grossartig vergeistigte, gleichsam in überirdischem glänze strahlende gestalt des heilandes: was
kann man sich denken, das auf die gemüter einer andächtigen, solchen Schauspiels ungewohnten menge
packendem und erschütterndem eindmck gemacht hätte? — Allein auch der dichter selbst hat die dra-
matische gewalt, welche in diesem Stoffe lag, deutlich empfunden. Nicht ^lein beweist er in den Zusätzen,
welche er zur ergänzung einiger lücken in der ftthrung des dialogs, wie ihn die evangelien darboten, zu
machen genötigt war, eine gegenüber seiner früheren, oft störenden Weitschweifigkeit sorgsame mässigung
und bescheidung, sondem er hat sich sogar zu wiederholter kürzung des bibeltextes verstanden und man
ist unwillkürlich erstaunt über die klarheit der intuizion, mit der er seinen immerhin rohen Stoff durch-
drang, in seinen treibenden momenten erfasste, reinigte, ergänzte und zu vollkommener dramatischer
Prägnanz, Spannung und mndung herausarbeitete. Und wie vortrefflich ihm diese arbeit auch nach dem
urteile seiner Zeitgenossen und seiner nachfolger auf dem felde der geistlich-dramatischen dichtung gelang,
geht am besten daraus hervor, dass von den letzteren unter den neuerungen des dichters keine, selbst
nicht die kaufinannsszene, gleich sehr der nachahmung würdig befanden, verbreitet und bis in die zeiten
der grossen fronleichnamsspiele erhalten wurde, bisweilen sogar (z. b. im egerer) mit grosser treue wenig-
stens in der bewahmng des textes. Es ist daher doppelt interessant und wichtig die quelle und das werk
des dichters in genauere vergleichung zu setzen, damit man vollständig erkenne, wie viel er tat, um aus
dem rohen Stoffe die geläuterte form des dramas zu schaffen.
■V. LUKAS XXIV, M-4«.
36 Dum haec autem loquuntur,
lesus stetit in medio eorum et diät
eisPaxvobis: egosum, nolite
timere. 37 Conturbati vero et
conterriti existiroabant se spiritum
videre. 38 Et dixit eis Quid tur-
bati estis et cogitationes ascendunt
in corda vestra? 39 Videte
manus meas et pedes, quia
ipse ego sum: palpate et vi-
dete, quia Spiritus carnem
non habet, sicut me videtis
habere. 40 Et cum hoc dixisset,
ostendit eis manus et pedes.
Milohtaok, Ott«p- mnd panionMpi«!«.
■V. JOHIIIBS XX, l»-iS.
19 Cum esset ergo sero die illo
una sabbatorum et fores essent
clausae, ubi erant discipuli propter
metum ludaeomm, venit lesus et
stetit in medio et dicit eis Fax
vobis. 20 Et hoc cum dixisset,
ostendit eis manus et latus. Ga-
visi sunt ergo discipuli, viso do-
mino. 21 Dixit ergo eis itemm
Fax vobis: sicut misit me pater,
et ego mitto vos. 22 Hoc cum
dixisset, insufflavit et dicit eis
Accipite spiritum sanctum : 23 quo-
mm remiseritis peccata, remittun-
e i44— M7.
. . . ueniat IE8U8, dalmatioa indutuB, fe-
reiu in maniboB onioem, dioat:
Fax uobis: ego sum: nolite timere:
uidete manus meas et pedes meos
quia ego ipse sum: palpate et
uidete quia spiritus camem et ossa
non habet, sicut me videtis ha-
bere. Alleluia!
DISCIPULI nideant enin et oaoalentar
et dioant:
16
114
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIBRN.
BT. iORlHins XX» i4— St. e i49— tn.
Ecce, deus noster!
Surrexit dominus de sepolchro,
qui pro nobis pependit in ligno.
Alleluia, alleluia, alleluia!
THOMAS ueniat oantando:
Thomas dicet Didimus.
omnes fngam cepimus . . .
Et DUO DISCIPULI uadant et di-
oant ei:
Thomas, uidimus dominum!
THOMAS indignaiofl dioat oii:
Nisi uldero in roanibus eins fixuram
clauorum
et mittam mauum
meam in latus eius, non credam.
Tuno ueniat IHESUS ad diBCspolo«,
indutos BaoerdotalibuB vectiniaiitifl ouidi-
dis, et dioat eis iterum:
Fax uobis: ego sum, aUeluial no-
lite timere, alleluia!
DeiDde dioat ad Thomain:
Thomas, mitte manum tuam et
cognosce loca clauorum, alleloia!
et noli esse incredulus, sed fidelis.
Alleluia !
Tuno ostendat ei et THOMAS «dit
ad pedet eins et dioat tribas oicibiu:
Dominus mens et deus meus.
Alleluia !
DOMINUS respondit:
Quiauidisti me, Thomas, credidisti:
beati, qui non uiderunt et credi-
derunt. Alleluia!
Et THOMAS, ueraa fade oonin po-
pulom, dioat alta vooe:
Misi digitum meum in finv**
clauorum et manum meam in 1^
eius, et dixi Dominus meufi et deuB
meus. Alleluia! «
Diese übersieht zeigt uns, dass die darstellung des Johannes, obschon hauptsächlich dialogisch
verfasst, dennoch mehrere Ittcken enthielt, welche einer anderweiten ergänzung bedurften. Die rede Jesu
bei seinem erstmaligen erscheinen liess sich allerdings bequem und mit der erzählung jenes übereinstin«
mend aus dem evangelium des Lukas ersetzen, bei der erwiederung der jünger, dem auftreten des Thomas
und dessen schliessender rede zum volke dagegen musste der dichter mit seiner eigenen erfindongsg^)^
eintreten. Und wie im ersten falle der blosse ausruf Eeee^ deus nosier und^ das responsorium aas der
ostermesse Surrejcü dominm de eepulekro etc. c 249 — 251, welches wir schon in den ältesten und einfach-
Bten osterfeiem zur Verwendung kommen sahen, der geeignetste ausdruck freudigen erkennens war, so
konnte im letzten die tiefinnerste und begeisterte Überzeugung des Thomas, den aus dem grabe attferstas*
denen herm wirklich und wahrhaftig gesehen zu haben, nicht anschaulicher, eindringlicher und ergreifender
tur eis, et quorum retinueriüs, re-
tenta sunt. 24 Thomas autem,
unus ex duodecim, qui dicitur
Didymus, non erat cum eis,
quando venit lesus. 25 Dixerunt
ergo et alii discipuli Vidimus
dominum. Ille autem dixit eis
Nisi videro in manibus eius
fixuram clauorum et mittam
digitum meum in locum clavorum
et mittam manum meam in
latus eius, non credam. 26 Et
I post dies octo iterum erant dis-
cipuli eius intus et Thomas cum
eis. Venit lesus, ianuis clausis,
et stetit in medio et dixit Fax
vobis. 27 Deinde dicit Thomae
Infer digitum tuum huc et vide
manus meas, et aifer manum tuam
et mitte in latus meum, et noli
esse incredulus, sed fidelis.
28 Respondit Thomas et dixit ei
Dominus meus et deus meus.
29 Dicit ei lesus
Quia vidisti me, credidisti:
beati, qui non viderunt et
crediderunt
d. URSPRUNG UND ENTWICKELUNO. F. DAS MYSTERIUM AUS TOURS, o. 115
»
ausgedräckt und dem volke vor äugen gestellt werden, als durch die im tone überschwenglichster freude
ausgesprochene yersicherung, dass er sdbst seine hände in die wundmale der füsse und der seite des
gekreuzigten gelegt habe, womit er zugleich — zur wamung fOr andere — ein reuiges bekenntniss seiner
früheren ungläubigkeit ablegte. Mehr werte erheischte die einführung des Thomas c 252—262, nicht
allein um keine pause eintreten zu lassen, während er den weg von seinem stände bis zum Versammlungs-
orte der apostel zurücklegte, sondern auch um die kernige natur dieses jflngers in ihrem tiefen schmerze
über die tat des elenden Verräters sogleich in edlerem lichte zu zeigen, welches seiner hartnäckigen un-
gläubigkeit, zumal nach der vorhergehenden szene, den eindruck eines sonst allzu hart berührenden
razionalismus nahm, ohne jedoch den wirkungsvollen kontrast seiner trostlosen traurigkeit mit der fieber*
haft freudigen aufregung der ihm entgegen eilenden genossen aufzuheben, der die empfindimgen der zu»
schauer bei der kühlen abweisenden antwort des Thomas zu intensivster selischer anspanntmg steigern
musste und der ganzen szene eine bewegung von höchster dramatischer lebendigkeit verlieh« Was der
dichter sonst noch hinzugefügt hat, beschränkt sich ausser dem mehrmaligen AlieMa c 247. 271. 272 und
274, auf die ergänzung der anrede Jesu bei seinem zweiten erscheinen c 267. 268 nach c 244 = Lukas
24, 36. — Und in demselben masse, wie bei diesen zutaten erweist sich das gesunde und künstlerische
urteil des dichters über die auf der bühne wirksamen dramatischen momente in der zurüstung des evan-
gelischen textes durch mehrfache kürzungen und änderungen desselben. Keiiie von den in den evangelien
enthalteneu reden, mit ausnähme der wenigen werte der apostel Thomai, uidmm dominum, des Thomas
Dommus meus et deus meus bei erkennnung des meisters, sowie dem sanften Vorwurf Jesu Quia vidüH me etc.,
die eine Umgestaltung weder erforderten noch erlaubten, ist unverändert in das drama übergegangen. So
wurden in der anrede Jesu c 244 — 247 die beiden mittleren verse Lukas 24, 37. 38 . gestrichen in der
richtigen erkenntniss, dass bestürzung, staunen, schreck und argwöhn der apostel nicht sowohl durch die
Worte Jesu, als viehnehr in angemessenen gesten und geberden der dieselben darstellenden Spieler ausge-
drückt werden müsste, um auf der bühne erfolgreich zu wirken. Ausgelassen ist femer et nitttom digitum
meum in locum cUmorum Job. 20, 25 in der ungläubigen antwort des Thomas c 264—266, und die auf-
forderung Jesu Thomiu, mitte manum iuam etc. c 269 — ^271 anders als bei Johannes 20, 27 gefasst worden,
gewiss, weil es dem dichter darauf ankam das notwendige, ohnedies schon gedehnt durch den rezitativi-
schen Vortrag/ so kurz zu sagen, als es bei wirkungsvollen schnell dahingleitenden geistererscheinungen,
— welchen karakter diese szene bis zu einem gewissen grade bewahren musste, — sich ziemt, zumal der
grösste teil des erfolges doch auf die kunst der Schauspieler gesetzt war.
Haben wir früher schon gesehen, dass der Verfasser unseres mysteriums die lateinisch-dramatische
osterfeier älteren Stiles, welche gewissermassen wie die szenische interpretazion einer der wichtigsten be-
gebenheiten der neutestamentlichen geschichte zur belehnmg für das volk angesehen und demgemäss als
ein unkanonischer und untergeordneter teil des gottesdienstes behandelt worden war, emanzipieren und aus
diesem, ausschliesslich einem höheren, kirchlichen zwecke dienenden stände zu einem in erster linie seine
eigene dichterische tendenz verfolgenden geistlichen Schauspiel erheben wollte, haben wir femer auch
wiederholt die beobachtung machen müssen, dass es dem Verfasser durchaus nicht an gesundem gefühl
und richtigem verstädniss für die mittel und Wirkungen bühnenmässiger darstellung fehlte, wenn er auch
nicht immer, wie bei der kaufmannsszene, wo er dem genius eigener erfindung und gestaltung unbehinderter
folgen durfte, zu einem vollständigen erfolge gelangte, so werden wir ihm für die behandlung dieses aktes
rückhaltlos das prädikat eines eminenten dramatischen dichters zuerkennen müssen, der, sicB seinem Stoffe
frei gegenübergestellt fühlend, einer von dem historiker (Johannes) prinzipiell verschiedenen, dichterischen
absieht und Wirkung zustrebte und mit vollkommener beherrschung der dramatischen Ökonomie durch er-
16*
116 ' I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERK.
hebliche zusätze und minderungen eines wegen seines dramatischen gehaltes für den niedergang der tiand-
lung (die katabasis) vortrefflich ausgewählten aktes, sein kunstwerk zu einem gleicherweise spannenden
und ruhrenden, erschütternden und erhebenden mkd endlich die herzen seiner Zuschauer erlösenden und
begeisternden abschlusse führte.
Denn mit diesem vierten akte ist das eigentliche Schauspiel zu ende. Der fünfte akt, die sequenz
Vietimae pasehaU mit dem Te deum, der zwar zu scharf gegen den vorigen sich abgränzt, um mit diesem
als eine blosse szene verbunden zu werden, ohne jedoch den vollen wert einer abteilung der eigenüicheii
dramatischen handlung zu besitzen, hat unzweifelhaft in folge der tradizion aus der vorläge des dichten
aufnähme gefunden. Und wenn auch die symbolische hinweisung auf das leere grab und die engel, die
Vorzeigung der schweisstücher und des kreuzes als die mittelbaren zeugen der auferstehung nach dem
mehrmaligen auftreten Jesu als verspätet und überflüssig gelten müssen, so ist doch anzuerkennen, dass
den dichter ein richtiges gefuhl leitete, wenn er seine zuscbauer nach den aufregenden Szenen des YOiigen
aktes nicht von sich entliess, sondern ihnen eine gelegenheit gab, von den wunderbaren und gewaltigen
ereignissen, die sie geschaut und in andachtsvoller, tiefinnerlicher erschütterung und begeisterung selbst
nun erlebt hatten, auszuruhen und die wogenden empfindungen unter den mächtigen klängen dieser oster-
gesänge mählig sich beschwichtigen und ausklingen zu lassen.
e. EBeEBNISSE.
Am Schlüsse unserer umfangreichen und detaillierten Untersuchung sei es gestattet, den verlaof der-
selben kurz zu rekapitulieren und ihre ergebnisse etwas übersichtlicher zusammenzufassen. Dabei mögen
auch die fragen stärker herausgehoben und der aufmerksamkeit der für diesen zweig unserer literatur sich
interessierenden besonders empfohlen werden, welche zum teil aus mangel einer genügenden anzabl oder
doch der für ihre entscheidung notwendigen karakteristischen formen der lateinisch-dramatischen oster-
ieier hier noch nicht ausreichend beantwortet werden konnten, zum teil erst durch die aui&ndung histo-
rischer Zeugnisse ihre lösung erwarten, die sich dem gerade danach suchenden meist hartnäckig verber-
gen, um gar oft an entlegenen orten unvermutet sich zu ergeben.
Ausgehend von der Voraussetzung, dass die von den urhebem jener drei für die entstehung der
lateinisch-dramatischen osterfeier ausgegebenen urelemente in folge der verhältnissmässig grossen zahl onl
des teilweise ausserordentlich hohen alters unserer denkmäler entweder selbst als ein integrierender Be-
standteil der letzteren erhalten, oder doch die gründe erkennbar sein müssten, welche die spätere aus-
scheidung derselben begreiflich machten, schien eine sorgfältige vergleichung sämmtlicher stücke am ehesten
und sichersten zur bestätigung einer jener ansichten, oder zur entdeckung einer anderen besser begrfind<^
entstehungsweise zu führen. Diese vergleichung ergab, dass in der tat vier Sätze gemeingut aller m^te-
rien sind, die zusammen einen kurzen dialog, eine dramatische szene ausmachen und bei den älteren und
einfacheren stücken das ganze drama repräsentieren. Sie beruhen auf dem evangelium des ersten oster-
tages Markus 16, 1 — 7 mit benutzung von ev. Matthäus 28, 6, und zeigen eine vom evangelischen texte
so erheblich abweichende, unter einander jedoch in allem wesentlichen so übereinstimmende fassung, dass
sie nur als verschiedene lesarten einer ursprünglich von ^inem Verfasser herrührenden komposizion be-
trachtet werden konnten. Diese feier, zu der sich als koraler schlussgesang noch das T$ dmm gesellte,
war schon im ^11. Jahrhundert in Deutschland und Frankreich, im 12. auch in Holland verbreitet Dass sie
wirklich auch einem dramatischen zwecke diente, bevriesen die auf die agierenden personen, ihre kostüme,
die bühne und die akzion bezüglichen spielanweisungen, weshalb wir sie mit Sicherheit als die älteste form
8. URSPRUNG UND ENTWIGKELÜNO. G. ERGEBNISSE. 117
des osterscliauspiete bezeichnen durften. — ^ Eine kleine Vervollständigung erhielt diese szene wahrschein-
lich sehr bald nach ihrer ersten abfassung durch hinzuf&gung des Satzes Qmg reoohä nobü lapidmn ab
o$iio mommmui aus ev, Markus 16, 3, der von ihrem Urheber kaum übersehen, sondern auflEallender weise
absichtlich abergangen worden war. Wir besitzen sechs denkmäler, welche die osterfeier, ganz gering-
fügige selbständige änderungen und zusätze abgerechnet, in dieser form überliefern, nämlich A|BGE|S
noch ohne das Quii rmfoluei etc., das deutsche D mit demselben, und die s. 36 — 39 (vgl. s. 65) als erste 1
gruppe zum abdruck gebracht worden sind.
Dieselbe zuerst angestellte vergleichung brachte zugleich auch schon einen bedeutenden entwicke-
lungsfortschritt zum Vorschein; denn -jene f&nf Sätze des primitiven dramas wiesen in einer ziemlichen
anzahl von stücken nicht mehr die älteste fassung, sondern eine stilistische Überarbeitung derselben auf,
die ihnen fülle und rundung und einen erhabeneren oratorischen Schwung geben soUte. Zunächst dieses,
dann aber auch die alsbald sich erhebende gleichartige weitere entfaltung gestattete, die dramen FGHIKLMN
in einer zweiten gruppe zusammen zu fassen. Diese ausdehnung vollzog sich in mehreren stufen und die
nächste veranlassung dazu war eine lücke in der komposizion des dramas, das mit der antwort des engeis
Ite, nuntiate quia sumjrit schloss und die frauen schweigend von der grabstätte zurückkehren liess, so dass ,
i
der an der dramatischen handlung unbeteiligte kor das festliche Te d$itm anstimmen musste, obschon er
die Verkündigung des engeis eigentlich noch nicht kftnnte. Dieser doppelten, störenden Unebenheit, die
sich bei den aufführungen frühzeitig fühlbar gemacht haben wird, hatte man schon im 11. Jahrhundert
dadurch abzuhelfen gesucht, dass man die frauen auf ihrem rückwege ein osterresponsorium (Surrexü do'»
minus de upuhhro etc.) singen und damit die früher bei ihrem abtritt entstehende pause ausfüU«i und
dem köre, d. h. den jungem, die auferstehung Jesu mitteilen liess. Allein dieses so wenig, als die anti-
fone Dieant nune ludaei etc. (F6MN) hatte sich eines allgemeinen beifalls zu erfreuen und man entschloss
sich daher schon im 12. Jahrhundert einen eigenen, auf ev. Johannes 20, 1 gestützten und in seiner Stili-
sierung mit der zweiten rezension übereinstimmenden satz, das Äd mcnumerUum etc., zu verfassen, dem
sogleich auch die weiteste Verbreitung zu teil wurde (6). Diesem folgte kurz darauf als zweites das
CemitU, o $ocü etc., mit welchem die frauen die Vorzeigung der vom grabe mitgebrachten schweisstücher
begleiteten und ihre bedeutung erklärten (H), und da ihre botschaft, das Äd rmmwnentwn etc., zunächst
für die jünger bestimmt war und nach Johannes 20, 4 — 8 nicht sie, sondern die apostel Petrus und Johannes
die linnen im grabe auffinden, so erforderte nunmehr die treue der dramatischen darsteUung das wirkliche
auftreten dieser und die inszenierung des wettlaufes, welche sehr einfach vermittelst des korgesanges
CwrrtbaiU duo sbnul etc. bewerkstelligt wurde (JKLMN).
Einen von diesen verschiedenen weg der entwickelung betraten die beiden französischen dramen
OP. Sie bewahrten die älteste szene in ursprünglichster fassung und form, wodurch sie für die eruierung
derselben eine besondere Wichtigkeit erhielten, vgl. oben s. 60 f. Was aber in der vorigen gruppe durch
den wetüauf der apostel bewirkt werden sollte, suchten sie in allerdings einfacherer aber auch weniger
dramatischer weise durch den dialogischen vertrag der sequenz Vktimae pa$ehdU von Maria Magdalena
und zwei den Johannes und Petrus darstellenden geistlichen zu erreichen. verwante die ganze sequenz,
P nur die zweite dialogisch gehaltene hälfte und es konnte aus mehreren gründen wahrschemlich gemacht
werden, dass zuerst diese allein und dann erst auch die erstere zur aufriahme gelangte.
Die stücke der vierten gruppe schienen bei der ersten betrachtung die eigentümlichen entwickelungs-
produkte der zweiten und dritten zum grosseren teile verschmolzen zu haben, und ausserdem noch durch
die aujhahme der erscheinungsszene zwischen Jesu und M. Magdalena in der allgemeinen entfaltung um
einen schritt weiter geführt worden zu sein. Unsere Untersuchung lehrte indessen das gerade gegenteil
118 I. DIB LATEINISCHEN OSTERFEIERK.
Aus ihr ergab sich definitiv, dass die vorkommenden elemento-der früheren gruppen wegen ihres völlig
fragmentarischen and nur ganz sporadischen auftretens unmöglich die gemeinsame grundlage der vierten
gruppe gewesen sein können, dass diese vielmehr ursprünglich auf einem jenen koordinierten, völlig unab-
hKagigen und selbständigen typus basiert, welcher unmittelbar aus der ältesten szene in erster rezensioa
mit dem Te deum durch die einfugung der erscheinungsszene entstand und schon im 12. Jahrhundert existierte
(vgl. c 92 — 104. 182 — 190). Ob dieser typus jedoch zuerst in Deutschland oder Frankreich entwickelt und
darauf dorthin oder hieher übertragen wurde, oder ob ihn beide länder besonders erzeugten, war aus dem
mangel an gemeinsamen karakteristischen formen hier nicht zu entscheiden. Sämmtliche stücke hielten
sich in der wichtigsten mittleren szene zwischen Magdalena und Jesu streng an der evangelischen vorläge
und die französischen UVWX erwiesen sich in den darüber hinausgebenden partien ebenso sehr spezifisch
französisch als die deutschen QR deutsch, so dass die in bezug auf die älteste form und die erscheinungs-
szene herrschende vollkommene Übereinstimmung beider nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit für die
gemeinsame entstehung zu geben vermochte, und noch weniger das den deutschen als ein vereinzelter^
später Überläufer sich anschliessende T (Gividale II). Geschah die entwickelung dieses typus in beiden
ländem besonders, so kann er auch von anfang an in Deutschland schon die hymnen Heu nobk inkrwu
mentei. Cum vemssem ungere mortuum und die Sequenz Victimae poMehaU, in Frankreich die zweite nach
ev. Johannes 20, 11 — 13 gebildete engelsszene enthalten haben, indessen halte ich das erstere für wenig-
stens sehr unwahrscheinlich. Sicherlich aber waren diese demente im andern falle die frühesten erweite-
rungen, die sich alsdann aber durch die aufnähme schon bekannter {Äd monumentum QRTX, CurrtbMt
duo rimul R, Cemüis, o iocii X) oder neuer im laufe der zeiten vielfach vermehrten, und, je nachdem sie
in den bereich eines die dramatischen osterfeiern pflegenden klosters gerieten oder dem dieselbe diri-
gierenden geistlichen passend erschienen, bald hier, bald dort eingang fanden.
Das mysterium aus Tours endlich beruht offenbar auf dem durch die zweite engelsszene bereicherten
französischen typus und ist ein merkwürdiges und höchst wertvolles zeugniss nicht allein für das drama-
tische talent seines Verfassers, sondern auch für die ausserordentliche beliebtheit dieser spiele, welche die-
selben schon im zwölften Jahrhundert in solcher weise auszudehnen und von dem ursprünglichen zweck n
entfernen und zu popularisieren gestattete.
Somit ergibt sich, dass die lateinisch-dramatische osterfeier in Deutschland, Frankreich und HollaDd
ursprünglich aus derselben in ihrer eigentümlichen form mit Sicherheit erkennbaren szene bestand, welche
auf dem osterevangelium Markus 16, 1 — 7 beruht und gemäss den von diesem abweichenden besonder-
heiten an Einern bestimmten orte und von Einern Verfasser verfertigt wurde. Aus ihr gingen sodann drei
untereinander unabhängige, verschiedengeartete entwickelungen hervor, von denen die erste FG(fl)IKLMN
vorzüglich in Deutschland, die zweite OP in Frankreich, die dritte QRT|UVWX in beiden ländern gleich
verbreitet gewesen zu sein scheint. Von den verschiedenen entwickelungsformen, welche aus dieser letzteren
entstanden, wurde die deutsche, nachdem sie die besonderen produkte der früheren sich vollständig assi-
miliert und einige, in c schon vorgebildete und im folgenden kapitel genauer zu bestimmende bestandteile
mit aufgenommen hatte, grundlage der deutsch-lateinischen osterspiele und des französisch-lateinischen
Les trois Maries. Daneben aber erhielt sich die älteste form (vgl. anhang I, 3) bis zum ende des fünf*
zehnten und die form JKLMN bis tief ins sechzehnte Jahrhundert beinahe unverändert im kirchlichen
gebrauch (vgl. anhang no II — IV).
Die lateinisch-dramatische osterfeier ist also weder aus den responsorien des gottesdienstes, wie
Mone annahm, noch auch nach Schönbachs meinung in Deutschland, unabhängig von Frankreich, aus der
zweiten hälfte der Sequenz Vietimae paschali, dem ,responsoriumS entstanden, und der zuletzt von Wilken
8. UK8PRUNG UND EHTWICKELÜBG. G. ERGEBNISSE. 119
Tertreteoe Standpunkt, sie aus altkirchlichen, auf dem osterevangelium des Markos bernhen,deD riten her-
TOi^eben zu lassen, kommt wenigstens im allgemeinen der Wahrheit am nächsten. Allein, wenn schon die
ansichten Moue's und SchÖnbach's dazu angetan waren, die anschauungen über den Ursprung und die ent-
wickeliiDg dieser dramen zu verwirren und auf abwege zu leiten, so blieb doch auch die von Wilken
wiederum betonte gegenteilige behauptung für die aufklärung des tatsächlichen Verhältnisses ohne reale
bedeutung, wenn nicht zugldch auch die beweise f&r ihre richtigkeit beigebracht wurden. Von diesen
aber findet &ich doch bei ihm keine spur, und dass er von den primitivsten formen der lateinischen oster-
feier und ihrer schrittweisen entfaltung in mehreren gnippen ho wenig als irgend ein anderer eine ent-
fernte ahnung gehabt habe, zeigt s^ne bloss über den inhalt von fQnf deutschen stocken referierende dar^
Stellung, die Z und a, welche mit unseren dramen wahrscheinlich gar nichts zu schaffen haben, als zwei
eine besondere Staffel in ihrer entwickelungsgescbichte ausmachende denkmäler behandelt und von den
französischen stücken vollständig absehen zu dürfen glaubt.
Die auffUhrungszeit und nächste veranlassung der dramatischen osterfeier war, wie wir oben s. &
und 22 sahen, von Gustav Freytag, Grieshaber, Alt, Hase und Wilken mit der feierlichen aufhebung eines
kruzifixes am ostermorgen, welches man, zur symbolisierung der bestattung des leichnams Jesu, am kar-
freitag zu grabe getragen, dadurch in Verbindung gesetzt worden, dass man dem volke, uistatt es, wie ein
wormser synodalbeschluss v. j. 1316 befahl', wegen seines abergläubischen zudranges von dieser zemnonie
völlig auszuschliessen, das unverstandene und daher abergläubischen missdeutungen ausgesetzte sjrmbolische
ritual durch hinzofUgung einer dramatisierung des osterevangeliums zu veranschaulichen und zu erklären
veiBucbt habe. Dem entgegen ist die einschaltung des dramas in die matutin (oder die messe) des ersten
ostertages sowohl aus den resten des rituals dieses frUhgottesdienstes, welche in mehreren handschriften
mit den dramen verbunden eich vorfanden (vgl. KLNS), als aus der wiederholten und bestimmten uiwei-
sung, dass die dramatische darstellung nach dem dritten responsorium (der matutin nämlich, vgl. HW)
anfange, wie endlich aus dem sämmtliche stflcke bescbliessenden Te deum erwiesen worden, insofern dieses
nach der kircblichen auffassung des mittelalters in der stunde gesungen wurde, in welcher einst Kristus
aus dem grabe erstand, die daher auch mit recht als die geeignetste zeit für die dramatische darstellung
dieses ereignisses betrachtet wurde.
, Qnnm a noitrii anteoeMoribttt ad nos aaqoe pervennit, nt in taora noot« donunicae reaorrectdoniB ad suBtollendam
orumflxi imaginem de lepaloro, nbi in panwoev« looata fderat, nimia Tiramm et mnlieram numerositas, oertatim isse
oomprinieudo, «oolMdam waoal oara oKutnici« et Tioariü introire nitautnr, opinanUk erronee, quod n viderent orudtixi
imagioem atutoUi, eraderent hoo anno inaritabilm mortii horara. Ria itaqae obviante« ftatuimiu, ut reBurreotionü
myiterinm ante iugrefinm plebii in aooleaiaEQ peragatnr. Synod. Dioeoes. Wonnat. ad annum 1316. Vgl. Alt, Teatar
and kirohe, 8. 346.
ANHANG.
Diese tatsache, dass nänüich die entstehung der lateinischen dramatischen osterfeier auf die feier
der kreuzeserhebung und die dabei vorkommenden missbräuche weder zurückgeführt, noch mit ihr in
irgend einen unmittelbaren Zusammenhang gebracht werden darf, empfilngt durch die in diesem anhange
abgedruckten ritüale noch eine nachträgliche und mit unserer früheren beweisführung vollkommen über-
einstimmende bestätigung. Ich habe die auch wegen ihrer bedeutung für die deutsch-lateinischen 08te^
und passionsspiele, bei welchen wir auf dieselben noch öfter werden zurückkommen müssen, wichtigen
rituale für die sepultura domini am karfreitag und die elevatio crucifixi in der osteruacht namentUch, um
die bisher so dunkeln und verworrenen anschauungen über das gegenseitige verhältniss zwischen kirche
und drama endgültig klar zu stellen, schon hier abdrucken lassen, woraus man nunmehr ersieht, dass die
kirchlichen feiern der elevatio crucis und resurrectio zwei der Sache und der zeit nach ganz verschiedene
gebrauche sind, von denen der erste den eigentlichen akt der auferstehung zum gegenstände hatte, aber
noch in der osteruacht und nur in gegenwart eines teiles oder sämmtlicher geistlichen des klosters, aber
unter ausschluss der gemeinde begangen wurde, während man den letzteren, die matutin, den frühgottes-
dienst am ersten oster tage, als die offizielle feier der auferstehung im beisein des volkes feierte, indem
man die auferstehung selbst als schon stattgefunden voraus setzte. Schon daraus ergibt sich, dass unsere
dramatischen osterfeiem mit der elevatio crucis gar nicht in Verbindung gesetzt werden konnten, denn
auch sie suchen nicht die auferstehung als solche, sondern die nächsten ereignisse nach derselben m
darstellung zu bringen. Dem entsprechend tritt das drama in den folgenden ritualen stets als eine ein-
Schaltung in der matutin des ersten ostertages auf und zwar, wie schon Durandus angab (vgl. ob. s. 85.
91) nach dem dritten responsorium und vor dem Te deum laudamiu, dessen gewaltige köre, wie vorber
den gottesdienst der matutin, so nun das drama in feierlichster und erhebendster weise abschlössen.
Nummero I, III, IV dieses anhanges sind von mir erst aufgefunden worden, als der grössere teil
dieser abhandlung schon gedruckt war, so dass sie in den tabellarischen abdruck der stücke der ersten
und zweiten gruppe, deren entwickelungsformen sie darbieten, nicht mehr aufgenommen werden konnten.
Ebenso erhielt ich no II, flir welches ich der überaus entgegenkommenden gefalligkeit der herren professor
Heinzel und dr Sauer in Wien zu dank verpflichtet bin, in dieser hinsieht zu spät, weil ich mich leider
nicht früh genug entschloss, auf die gute dieser herren zu rekurrieren. No V stimmt im text mit U, dem
mysterium aus Ronen überein und ist hier nur wegen seiner von diesem abweichenden Spielanweisungen wieder-
holt worden, nachdem es bei dem abdruck der stücke der vierten aus typografischen rücksichten hatte
ausgeschlossen werden müssen, lieber seine geschichtliche Stellung ist dagegen oben s. 65 ff. gebührend
gehandelt worden.
AKHANOL
121
L
I
[OBDO WntCEBUSeENSIS I, c. a. 1490.]
1. SEXTA FERTA IN PARASCEÜE ORDO OFFICIJ.
Post nonam pamom lintbeam ponator super altare. De-
inde 3ACERD0S, indutas saoris vestibas et casola nigra, aooe-
dens altare, non dioat Om/Ileor, sed tamen osooletur altare et
legitur leotio sine titnlo:
1 In tribulatione.
Traotos:
2 Domine audiui. '
3 Ore[fol. LXbjmus.
4 Flectamus genua.
Oratio:
5 Dens a quo et ludas.
Altera lectio tine titnlo.
6 Dixit dominus ad Moysen.
Traotos:
7 Eripe me.
Quo finito, legitur Passio seoundum lohannem absque titnlo :
8 Egressus Ibesus.
Finita pasdone, PRESBYTER sine AniNiNif vo[biBeumJ reoitet
alta Yoce super altare:
9 Oremus dilectissimi.
SAGERDOS, portando onioem oasnla velatam, dioat versnm
et in fine aliquantulum procedat:
10 Popule meus, quid feci tibi aut in quo contristaui
te? responde mihi, quia eduxi te de twra Egypti,
parasti crucem saluatori tuo?
DUO PÜ^I respondent:
11 Agios theos. Agios iscbyros. Agios athanatos
eleyson ymas.
CHORUS:
12 Sanctus deus. Sanctus fortis. Sanctus immor-
talis miserere nobis.
Et, quotiensounque hoo verbum Sametiu repetitur, ad genua
yeniam petunt. Versus, in ouius fine progrediatur paulatim
[SAGERDOS :]
13 Quia eduxi te per desertum quadraginta annos
et raanna ci[fol. LXIaJbaui te, et introduxi te in
terram satis optimam, parasti crucem saluatori tuo?
Respondent PÜERI:
14 Agios.
Et GHORÜS:
15 Sanctus.
BAIÜLI GRÜGIS oantent tertium versnm:
16 Quid Vitra debui facere tibi et non feci ego quidem :
plantaui te vineam meam speciosissimam et tu facta
es mihi nimis amara: aceto namque sitim meam
potasti, et lancea perforasti latus saluatori tuo.
Milehtack, Otttr- nnd pattionMpi«!«.
[DUO PÜERI :]
17 Agios.
[CHORUS:]
18 Sanctus.
ORÜGIS BAIULI, cantato tertio versu, non progrediantur,
sed quando tertia vice a ohoro oantatur itmeiiu «I ffutnorfulif,
tuno vno tenore ad gradum veniant. Et, finito tertia vice
SoftclMf, velamen a ministris sursum vsque supra pedes orud-
fixi leuatur, et crucem ostendentes Antiphona:
19 Ecce lignum crucis, in quo salus mundi pependit:
venite, adoremus.
Versus:
20 Deus misereatur nostri et benedicat nobis: illu-
minet vultum suum super nos et misereatur nostri»
Altius leuant velamen, ostendentes faciem et oaput [foL
•LXIb] crucifixi, repetunt antipbonam:
21 Ecce lignum.
Versus :
22 Beati immaculati in via, qui ambulant in lege
domini.
Hie velamen a ministris tollitur et totus crudfixus osten-
ditur. Antiphona:
23 Ecce lig[num.]
Et subsequenti antiphona et versu Oru» ßdeUi PRESBYTER,
se inolinando ad oruoifixum, dicat infrascriptas tres orationes.
Antiphona:
24 Dum fabricator mundi mortis supplicium pateretur
in cruce, clamans voce magna tradidit spiritum, et
ecce velum templi diuisum est, monumenta aperta
sunt, terre motus enim factus est magnus, quia mor-
tem filij dei clamabat mundus se sustinere non posse :
aperto ergo lancea militis latere crucifixi domini, ex-
iuit sanguis et aqua in redemptionem salutis nostre.
Versus:
25 admirabile precium, cuius pondere captiuitas
redempta est mundi, tartarea confracta sunt claustra
inferni, aperta est nobis ianua regni.
Versus Fortunati:
26 Crux fidelis inter omnes
arbor vna nobi[fol. LXIIaJlis ete.
In prima genuflectione:
27 Domine Jesu Christe, deus verus de deo vero, qui
pro redemptione generis humani, serpentina suasione
decepti, mundum erroribus implicatum illuminare et
crucis [fol. LXnia] patibulum subire voluisti, vt et
lignum ligno vinceres, et peccati hereditariam mortem
morte potentissima superares: exaudi me miserum
16
122
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
prostratum ante oeulos benignissime maiestatis tue,
et adorantem te, et benedicentem nomen sanctum
tuum atque terribile, et concede mihi, te puro corde
sapere, te laudare et predicare et per vexillum buius
sancte crucis, quam hodie in nomine tuo adoraturus
adueni, mentem meam corpusque sanctifica, scuto
fidei tue me circumcinge, galeam salutis mibi im-
pone, gladio spiritali acciuge, vt contra bostem ne-
quissimum pugnaturus et tue muniar miserationis
auxilio et salutifere crucis vexillo, cunctique tuo
sancto nomine insigniti ab hostis perfidi sint incur-
8ione securi. Per te, lesu Christo, saluator mundi,
qui viuis et regnas in secula seculorum. Amen.
In secunda gennflectione oratio:
28 [fol. LXIIIb] DEus, qui Moysi, famulo tuo, in via
squalentis heremi serpentem eneum in medio populi
multitudine ad liberandas letali viro infectas animas
exaltari iussisti, vt, si quis mortifero vuhiere inflictus,
ad eum respexerit, et venenum exitiale euaderet, et
optate salutis vitam adipisceretur, significas teipsum
futura longo post curricula pro tui plasmatis salute
crucis extollendum patibulo, vt, quos diabolus armis in-
uidie captiuauerat, tua desiderabilis passio ad patriara
reuocaret, concede tamen mihi misero peccatori, quam
Omnibus tuo cruore mercatis, qui hodie sanctam pas-
sionera tuam supplices venerantur, lignum quoque
vite adorant, vt dyabolicas insidias, te adiuuante,
vincamus, et eterne vite participes esse mereamur.
Qui cum deo patre.
In tertia gennflectione oratio:
29 [fol. LXIIIIa] Dümine Ihesu Christe, qui nos per
crucis passionem hodiema die de diabolica seruitute
liberasti, vt, quo die hominem condideras, eodem et
reformares, exaudi me miserum peccatorem coram
hoc signaculo crucis confitentem et deprecantem, vt
huius venerabilis et vitalis ligni tuitione munitus,
et hostis nequissimi ignea tela repellere, et ab in-
flictis euacuari vulneribus, et ad vitam eternam valeam
peruenire. Per te, lesu Christe, saluator mundi.
Qui cum deo patre et spiritu sancto viuis et regnas
deus, per omnia secula.
Tuno, resumptis caloiamentis, PRESBYTER intret sacrarium,
vbi positum fiiit oorpus domini, quod pridie remansit. Casnla
indutus, illud deferat super altare et calix preparetur more
solito. Deinde dicat:
30 Confiteor.
quo facto, corpus domini et calicem solito more operiatr
incensoque adhibito et lotis digitis medioori vooe di[foL
LXIinb]cat:
31 Oremus. Preceptis salutaribus ete. [moniti et di-
uina institutione formati, audemus dicere]
32 Pater noster.
per totum et:
33 Libera nos quesumus, domine
usque Per omnia teeula. Et corpus domini diuidat, ac de-
inde Yoce mediocri cum oantu feriali dicat:
34 Per omnia secula seculorum.
Responsorium:
Amen.
Sumat S ACERDOS solitam partioolam et, per qu&ttoor
partes calicis cruce facta, ponat calicem nihil dicensy nisi se-
orete velit dicere. In nomine pofm el fUij eC tpiriiuMMmmeiL
Non dicitur Pax domini, quia non datur bodie osoulnm pacis.
Et communioet ipse et alij, qui voluerint, cum silentio. Et
condatur corpus domini in sepulchro cum Responaorio [YerBos:]
35 Sicut ouis ad occisionem ductus est et, dum male
tractaretur, non aperuit os suum,
[Responsorium :]
Traditus est ad mortem, vt viuificaret populum suum.
Versus:
36 In pace factus est locus eins, et in Syon habi-
tatio eins.
[Responsorium :]
Tradi[tus est ad mortem etc.]
Antiphona:
37 In pace in idipsum dormiam et requiescam.
Antiphona:
38 Garo mea requiescet in spe.
Sacerdote nectente fila, caxi[fol. LXYajtetur heo antiphona:
39 Sepulto domino, signatum est monumentum, po-
nentes milites, qui custodirent illud.
Statim legantur vespere in eodem loco, soilioet psalmuB:
40 Confitebor [tibi, domine, in toto corde meo;
quoniam audisti verba oris mei etc.]
cum quattuor sequentibus, sine Qloria pafri. Sequitnr:
41 Magnificat.
42 Pater noster.
Psabnus:
43 Miserere [mei, deus, secundum magnam miseri-
cordiam tuam etc.]
Versus :
44 In pace factus est locus eins.
[Responsorium:]
Et in Syon habitatio eins.
2. ORDO VISITATIONIS SEPÜLCRI IN DIE PASCE.
Sunimo mane, antequam pulsetur ad matutinum, conueniat
clerus et, QUI VOLUERINT INTRARE SEPÜLCRUM, lauent
manus suas et veniant ante prindpale altare vel prope sepul-
ohrum et legant septem psalmos penitentia[fol. LXVbJle«.
Quibus finitis, dicant:
1 Kirieleyson. Christeleyson. Eyrieleyson.
ANHANG I.
123
2 Pater noster.
Preoes: [Yeraus:]
3 Exurge, domine, adiuua nos,
[Responsorinm:]
Et redime nos propter nomen tuum.
[VersoB ;]
4 Exurge, gloria mea,
[Responsorium :]
Exurge, psalterium et cythara.
[Versus:]
5 Exurgam diluculo,
[Reeponsorium:]
Confitebor in populis, domine.
[Venus:]
6 Domine, exau[di orationem meam,]
[Reeponsorium :]
Et cla[mor mens ad te veniat.]
[Versus:]
7 Dominus vo[bi8cum.]
[Reeponsorium:]
Et cum [spiritu tuo.]
8 Oremus.
Oratio :
9 Exaudi, quesumus, domine, supplicum preces et
confitentium tibi: parce peccatis, vt pariter indul-
gentiam tribuas benignus et pacem. Per Christum.
Deinde dioant:
10 Confiteor deo patri.
Facta oonfessione, vadant ad sepulonim dioendo psalmos:
11 Domine, quid multipli[cati sunt, qui tribulant
me? etc.]
Sequitur antiphona, quam cantent sub silentio:
12 Ego dormiui et somnum cepi et exurrexi, quem
dominus suscepit me. AUeluia, alleluia!
et tollentee inde corpus domini, redeant in chorum, oan-
tando submissa vooe antiphonam:
13 Cum rex glorie.
Dimisso ibidem sudario, statim cum redierint in ohorum,
ostenso saorameato, siout [fol. LXXVIa] fitinraissa. Deinde
cantentur matutine. Leota tertia leotione, duo vadant ad
sepulcrum, induti oappis albis, expectantes chorum iuxta oon-
suetudinem. Et GEIilGOLE in sepulcro interrogant per
versum:
14 Quem queritis in sepulcro, o christieolel
Reepondent:
15 lesum Nazarenum craclfixum, o celicole!
CELIGOLG versum:
16 Non est hie, surrexit sicat predixerat;
17 ite, Auntiate quia surrexit de sepulcro.
CELICOLE, leuantee velamen sepulcro superpositum, dant
eis sudarium oantando antiphonam:
18 Uenite et vidite locum, vbi positus erat dominus.
Alleluia, alleluia!
Aooepto sudario, redeant in chorum. Et cantent voce so-
nora antiphonam:
19 Dicant nunc ludei Quomodo milites custodientes
sepulcrum perdiderunt regem ad lapidis positionem ?
Quare non seruabant petram iusticie ? Aut sepultum
reddaut, aut resurgentera adorent nobiscum dicentes :
alleluia, alleluia!
Venientibus ad chorum, vultibus versis ad derum ante
ma[foL LXXVIb]ius altare, expanso sudario canent CHRISTI-
COLE antiphonam:
20 Surrexit dominus de sepulcro
qui pro nobis pependit in ligno.
Alleluia !
CHORUS, antiphonam :
21 Surrexit Christus et illuxit populo suo, quem re-
demit sanguine suo. Alleluia!
CHRISTICOLE cantent antiphonam :
22 Surrexit enim sicut dixit dominus et precedet
vos in Galileam, alleluia!
ibi eum videbitis. Alleluia, alleluia, alleluia!
Deinde persequatnr:
23 Te deuni laudamus.
Hec prescripta visitatio sepulcri obseruetur secundum con-
suetudinem oniuslibet eoolesie.
Anhang I, 1, 1 — 8 vgl. Missale verdense Cösumatü Opulenta in vrbe Magdeborch Arte | et ingenio Mauridj
Brädis Anno immacl'te v^ginis marie post partü vltra | MiUesimQ ^tatq\ o^tesimü nonogesimoteroio Die vero lune eiusds pen-
ultio. 20, fol. 70b— 75a. I, 1, 1 Osea 6, 1—6. I, 1, 6 Exod. 12, 1—11. I, 1, 7 psalm 189, 1—14. I, 1, 8 ev.
Johannes 18. I, 1, 22 psalm 118. I, 1, 24 vgl. ev. Matth. 27, 50. 51 und ev. Joh. 19, 34. 1, 1, 31 vgl. anh. HI, 1, 9.
I, 1, 38 vgl. anh. m, 1, 10. I, 1, 35 nach Esaias 63, 6. 7. 1, 1, 36 nach psalm 75, 3. I, 1, 39 nach ev. Matth. 27, 66.
I, 1, 40 psalm 137, 1 ff. I, 1, 43 psahn 50, 3 ff. I, 1, 44 vgl. anhang I, 1, 36. Anhang I, 2, 8 psaLn 48, 26.
I, 2, 4 psalm 107, 8. I, 2, 5 psalm 107, 8. 4. I, 2, 6 psalm 101, 2. I, 2, 11 psalm 3, 2 ff. I, 2, 12 psalm 3, 6.
I, 2, 13 vgl. anh. III, 2, 9.
Die beiden vorstehenden rituale sind der Agenda: siue Exequiajle sacramentorum ^ Et eorum que
r ecclesijs parrochi|alibus aguntur. entnommen, deren druckort und jähr ich leider nicht angeben kann, weil
1. Die bekannte ligatnr des rum in sacramentorum und eorum, welche das original darbietet, habe ich, weil in der
druckerei die entsprechenden typen fehlen, auflösen messen. Im dbrigen werde ich jedodh die bflchertitel, um die
identifizierung sbu erleiahtem, so genan als möglich wiederzugeben versnoben.
16*
124 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
das letzte blatt, auf welchem sich die Schlussschrift des druckers ohne zweifei befand, in dem mir vor-
liegenden wolfenbütteler exemplar fehlt. Ihre Übereinstimmung mit den im anh. VI, 1. 2 abgedrackteiL
Würzburger ritualen gibt der Vermutung räum, dass dieser druck aus Würzburg stammt und f&r die Würz-
burger diözese bestimmt war, weshalb ich sie unter hinzufügung eines ? und eckiger klammem als Ordo
Wirzeburgensis bezeichnet habe. Diese agenda ist jedenfalls noch im 15. Jahrhundert gedruckt worden.
Das erste stück gibt das rituale des gottesdienstes, wie er in der kirche, für welche diese agenda bestimmt
war, in der sechsten ferie des karfreitages gehalten zu werden pflegte und besteht aus der adoraüo crucis
und der symbolischen bestattung, hier nicht des kruzifixes, sondern des kelches mit einer hostie (vgL an-
hang I, 1, 35 — 39), an welche die vesper sich unmittelbar anschliesst Das zweite zerfällt ebenfalls in
zwei teile, die elevatio crucis, d. h. hier calicis, und die matutin des ostermorgens, welche die visitatio
sepulchri im engeren sinne, d. i. die 'dramatische osterfeier, nach der dritten lekzion aufnimmt. Die aof-
führungszeit der ersteren pflegt sonst nicht wie hier (vgl. anhang I, 2, 1) bloss allgemein als ,summo mane,
antequam pulsetur ad matutinumS sondern ,in nocte sancta pasce', die matutin mit der visitatio dagegen
,in sancto resurrectionis die'* bezeichnet zu werden, so dass also die elevatio crucis und die visitatio se-
pulchri, welche zumal im vorliegenden drucke durch die auslassung des als bekannt vorausgesetzten stehen-
den rituales der eigentlichen matutin in eins zusammeugezogen erscheinen, auch zeitlich als zwei durchaas
getrennte und verschiedene gottesdienstliche handlungen angesehen wurden.
Die dramatische osterfeier, welche also, wie wir das früher bei HWY schon beobachtet haben, nadi
der dritten lekzion ihren anfang nimmt, gibt der hauptsache nach die älteste form des dramas in aein^
ursprünglichen fassung, d. h. in der ersten rezension und noch ohne das Quis revolvet etc., wieder nnd ist
mithin ein neues beweisstück ftlr die richtigkeit der im ersten abschnitt des dritten kapitels (vgL oben
s. 26 fif.) unternommenen untersuchuug und ihres ergebnisses. Sie hat jedoch diese form durch eine reihe
späterer zusätze erweitert, von welchen das Venite et videte etc. offenbar aus demselben oben s. 40 erör-
terten gründe aufnähme gefunden, wie E6. Das DicafU nunc ludet etc. anhang I, 2, 19 stellt diese fassung
zu F6MN in nähere beziehung, während anh. I, 2, 20 Surrexit dominus de sepukhro etc., ein aus der
ostermesse bekanntes responsorium, schon D6, E7 und in etwas anderer form G7 und demnach öfter
sich flndet, jedoch für eine besondere verwantschaft mit diesen stücken so wenig etwas bedeutet, als das
andere, anh. I, 2, 22 mit LMNR oder mit Wien II (vgl. LI 5, MIO, N19, R27 und anhang n, 17).
Sie haben wahrscheinlich ebenso unabhängig von der beeinflussung fremder osterfeiem eingang erhalten,
als das responsorium Surrexit dominus et illuxit etc. anh. I, 2, 21, welches hier zum ersten male in diesen
dramen erscheint. In der gesammtreihe der entwickelungsformen würde diese Würzburger zwischen- £ und
F ihre stelle erhalten müssen.
Die Schlussbemerkung ,Hec prescripta visitatio sepulcri' etc. beweist, dass diese feier in die kiichen der
diözese, für welche diese agenda bestimmt war, nidit etwa als ein neuer gebrauch eingeführt wurde, son-
dern ein altes, lange geübtes gewohnheitsrecht schon besass.
IL
WIEN n, XT. JHDT.
Responsorium [Vertus:] Versus:
1 Dum transisset sabbatum, Maria Magdalena et 2 Et ualde mane una sabbatorum ueniuat ad monn-
Maria lacobi et Salome emerunt aromata,
[Responsorium:]
mentum, orto iam sole.
[Responsorium :]
ut uenientes ungerent Ihesum. ut uen[ientes ungerent Ihesum.]
ANHANG n.
125
[Yenos:]
3 Dum transisset [sabbatum, Maria Magdalena et
Maria lacobi et Salome emerunt aromata,
BespoiiBonam:
ut uenientes ungerent Ihesum.
Veraiu:
4 Et ualde mane una sabbatorum ueniunt ad monu-
mentum, orto iam sole,
Besponsorinm:
ut uenientes ungerent Ihesum.]
Ezaoto retpoüBorio oom. Qhrim iMftii, itemin repetitor.
[Versas:
5 Dum transisset sabbatum, Maria Magdalena et
Maria lacobi et Salome emerunt aromata,
Regponsorium:
ut uenientes ungerent Ihesum.
Yenus:
6 Et ualde mane una sabbatorum ueniunt ad monu-
mentum orto iam sole,
Reeponsoriam:
ut uenientes ungerent Ihesum.
YoTBus:]
7 Gloria patri [et filio et spiritui sancto,
Besponsorium:
sicut erat in principio et nunc et semper et in se-
cula seculorum. Amen.]
Sioqae, at mos habet, sepolohram visitator. Ibiqne dero
in duas partes dioiso, at fieri seiet in ohoro, imponat CANTOR
antiphona[in:]
8 Maria Magdalena [et alia Maria ferebant diluculo
aromata, dominum querentes in monumento.]
Tnnc DUO ael TRES PRESBYTERI, ad hoo offidam dis-
positi, portantes thnribala et inoensum et ineondo ad septü-
ohram ad inyioem oantent:
9 Quls reuoluet nobis lapldem ab ostio monn-
mentn
Et DIA CONUS, soUempni neste uestitas et inxta sepnlonim
reeidens, in persona angeli respondeat:
10 Qaem queritis^ o tremule mnlieres^ in hoe
tamölo gementes?
Item PRESBTTERI in persona mnlienim aromata feren-
tinm respondent:
11 Ihesnm Nazarenum craeiflxum querimus.
ANGELÜS respondit:
12 Non est Uc, qnem qneritis;
18 sed cito enntes nnnciate discipulis eins et
Petro^ quia snrrexit Ihesns.
Et, absoedente angelo, PRESBITERI ad popnlnm se rar-
tentes oantent: '
14 Ad monuraentum uenimus gementes, an«
gelum domini sedentem uidimus et dicentem
quia surrexit Ihesus.
Et, Ulis abeontibus, imponitor antipohona:
15 Currebant duo simul et ille alius disci-
pulus precucurrit cicius Petro et uenit prior
ad monumentum. Aevia!
Interim, dam oanitar hec antiphona, DUO PRESBITERI,
sub persona lOHANNIS et PETRI ad sepnlobram nenientes,
tollnnt sudariom et ad clerom popnlnmqae nersi protendnnt
sie deoantantes:
16 Gernitis, o socii! ecce lintheamina et su-
darium, et corpus Ihesu non est in sepulchro
inuentum.
Tnno GLERÜS suooinit omnis antiphona[m:]
17 Surrexit enim sicut dixit dominus et precedet [vos]
in Galyleam. Aevia!
Hao antem finita, imponitor ymnos:
18 Te deum landamna.
Ao deinde, prednoe dero, oonoordet POPÜLÜS:
19 Christ ist irstanden,
clero in ohoram redeonte. Mox antem Landes tali qoas
ordine pangemns.
Für eine sorgfältige abschrift dieses, als ein von Denis, Godd. theol. manusc. n, col. 2054 zwar
erwähntes aber bis jetzt ungedrucktes oben s. 25 schon verzeichneten mysteriums habe ich der gute des
herm dr Sauer in Wien herzlichen dank zu sagen. Es steht in der wiener handschrift no 1768, fol. 190 a ß.
Die einleitung, wenn man so sagen darf, bilden auch hier die responsorien der matutin mit dem Gloria
patri, woraus wiederum diese als die für die aufführung festgesetzte zeit sich ergibt. In seiner besonderen
fassung stimmt es mit den stücken der zweiten gruppe IKLMN im ganzen genommen überein. Auffallend
ist nur, dass der erste satz des dramas Quis reoolvei etc. anh. II, 9 gegenüber der sonst vollständig
durchgeführten zweiten rezension, die ältere mit ev. Markus 16, 3 übereinstimmende form bewahrt. Man
wird darum jedoch nicht annehmen, dürfen, dass dieser anfänglich gefehlt habe, weil man alsdann folgern
müsste, dass zuerst die ursprüngliche des Quü reoolvei etc. noch entbehrende fassung allein in die zweite
rezension übertragen, darauf die aufnähme des Quis revoloet etc. gemäss Markus 16, 3 erfolgt (welches
Stadium Wien n repräsentieren würde) und dann erst auch dieser satz seine überarbeitete form erhalten
hätte. Dieser prozess ist zwar möglich, allein durch dieses vereinzelte stück noch nicht erwiesen und in
anbetracht der allgemeinen Überlieferung in 6HELN auch nicht wahrscheinlich, um so weniger, als gerade
126
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
zwischen N und dem vorliegenden stücke eine sehr enge verwantschaft besteht. Beide stimmen nämlich
nicht bloss im texte, sondern auch in den Spielanweisungen von anfang bis zu ende fast wörtlich überein,
nur dass auch NIO die zweite rezension darbietet und NI5 Venite et uidete etc. und N20 Dieant nunc
ludei etc. in unserem stücke fehlende erweiterungen sind, wofür wiederum dieses Krist ist entanden u. s. w.
am Schlüsse hinzugefügt hat; Beide müssen mithin auf derselben vorläge beruhen, welche entweder, wie
NIO, auch das Quis revolvet schon in zweiter rezension enthielt, da es, wenn man auch dieser vorläge
das Quis revolvet etc. in erster rezension vindizieren wollte, schwierig sein würde, das eindringen der zwei-
ten in NIO zu erklären, wähnend ein zurückgreifen auf die autentische fassung des evangelischen teites
in unserem drama leichter begreiflich erscheint. Oder es bestand die ganze älteste szene in dieser vorläge
noch in der ersten rezension, so dass die zweite, als sie in diesen gegenden bekannt wurde, in N voll-
ständig, in unserem stücke dagegen nur teilweise aufgenommen wurde. Und diese auffassung möchte ich
in diesem falle für die richtige halten, da auch M aus jenen gegenden herrührt, mit N (vgl. MIO und
N20) ebenfalls nahe verwant ist und die älteste szene in der fassung der ersten rezension vollständig
erhalten hat. Die handschrift des vorliegenden Stückes stammt, zufolge für mich von herm professor
Heinzel gütigst eingezogener erkundigungen, aus Nieder- oder Oberösterreich und gelangte ^ach aufhebung
der dortigen klöster am ende des vorigen Jahrhunderts in die hofbibliothek zu Wien. Demnach sind H,
das vorliegende drama und N drei in einzelnen punkten verschieden entwickelte zweige desselben Stammes,
dem auch L entsprossen sein wird, was besonders darum interessant ist, weil es beweist, dass dem ein-
zuge der die erste rezension noch darbietenden und in M sich wiederspiegelnden gemeinsamen vorläge in
Oesterreich, die zweite auf dem fusse dahin gefolgt ist, da L wie M dem 12. Jahrhundert angehören.
m.
OBDO AUOU8TEN8IS I, 1487.
1. IN DIE PARASCEÜES.
Qvoniam expertom est, nonnuUos pro huius diei officij
ordine errasse, prooedendo scilioet Id missa modo alius con-
•uetttdo, cuius tarnen alia causa non creditor, quam quia negli-
gentes missalia sua priusqnam ad offioium aooedunt, in rubrids
et signatoris suis non prospioiunt. Ne itaque taJis error iterum
eaeniat, volumus, ut quisque saoerdos, non tarnen pro bis, sed
et alijs diebus rubrioas diligenter speculetur. Apposuimus ita-
que ordinem officij in parasoeue huio obsequiali propter tales
errores euitandos. In primis, postquam ohorus se expediuerit
de lectionibus, orationibus et canticis, prout in missali traditur,
crucifizo locato ad locum saintationis [fol. XVb] et cantanto
reeponsorio:
1 Ecce lignum crucis
presbyter cum ministris, nudis pedibus, cruoem primus cum
tribus subscriptis orationibus et genuflexione adoret, deinde
clems ac postea populus, GHORO interim oantante antiphonam *.
2 Dum fabricator mundi.
Et poet eam oantetor hymnus:
3 Crux fidelis.
vsque in finem eins, que omnia habentur in missalibus.
Prima oratio:
4 domine Ihesu Ghriste, adoramus te in cruce
pendentem et coronam spineam in capite portantem:
deprecamur te, ut tua crux liberet nos ab angelo
percutiente. Amen.
Seoonda oratio:
5 domine Ihesu Ghnste, adoramus te in sepulchro
positum, mirra et aromatibus conditum, ad inferos
descendentem et inde captiuos redimentem: depre-
camur te, vt tua mors sit vita nostra. Amen.
Tertia oratio:
6 domine Ihesu Ghriste, propter illam amaritu-
dinem tuam, quam pro nobis sustinuisti in cruce,
maxime quando nobilissima anima tua egressa est
de sanctissimo corpore tuo : miserere animabus nostris
in egressionibus suis et perduc eas ad vitam etemain.
Amen.
Eis oompletis, SACERDOS aocnpiat corpus Christi ad mLUi»
ynioa dumtaxat palla paratum portando, dioat sine oonfeHi^''^*''
7 Hoc corpus, quod pro vobis tradetur, hie calix
noui testamenti est in meo sanguine, dicit domiottS.
ANHANG m.
127
Hoc facite, quotienscunque sumitis, in meam com-
memorationem.
Deinde ablatis [fol. XVIa] digitis ponat hostiam, quam pre-
oedenti die, sdlioet in oena domini oonsecranit et oonseoratain
resemamt, ad looum aptam et oo[o]periat eam folio. Deinde
preparet calioem com vino et aqua more solito, nihil tarnen
dioendo, et ponat oalioem in loonm debitom et super eum
ponat folium, patena absoonsa subtos oorporali, et dioat con-
innotis manibus:
8 In spiritu humilitatis et in animo contrito susci-
piamur, domine, a te, ut sie fiat obsequium nostrum,
ut a te suscipiatur hodie, et placeat tibi, domine deus.
Postea dioat hnmili deaotione sine motione caliois, elenatis
braches:
9 Oremus. Preceptis salutaribus moniti et diuina
institutione formati audemus dicere
10 Pater noster.
Reoipiendo patenam, eleuatis manibus dicat:
11 Libera nos quesumus, domine, ab omnibus maus
preteritis, presentibus et futuris et intercedente beata
et gloriosa semper virgine dei genitrice Maria et
beatis apostolis tuis Petro et Paulo atque Andrea
cum omnibus sanctis.
Osoulando patenam signa te ipsum dioendo:
12 Da propicius pacem in diebus nostris, vt ope
misericordie tue adiuti [fol. XVIb] et a peccato simus
semper üben et ab omni pertur + batione securi.
Hio prooede ad diuisionem hostie more solito, diuidendo
bostiam in tres partes, et die:
13 Per eundem dominum nostrum Ihesum Christum
filium tuum, qui tecum viuit et regnat in vnitate
Spiritus sancti deus.
Hio dio alta yoee:
14 Per omnia secula seculorum. Amen.
Fac tres cruoes cum partioula retenta in manibus super
oalioem nihil dioendo, sed oogitando iUud Fbub dcwdiU ni iempm'
wkiteum. Neo dioat illud FuU kee eommuBÜc eto. Et sie per
oontaotum partioule oonseorate sanotificator vinnm in oalioe,
sed non oonseoratur. Ideo obmittuntur ille orationes in quibns
fit mentio de sanguine separatim. Inolinatus ad altare, oon-
iunotis manibus dioat:
15 Perceptio corporis tui, domine Ihesu Christo,
quam ego indignus sumere presumo, non mihi veniat
ad iudicium vel ad condemnationem, sed pro tua
pietate prosit omni sancte ecclesie ad perpetuam
pacem et omnibus fidelibus defunctis animabus ad
requiem sempitemam et mihi misero peccatori ad
tutameutum mentis et corporis. Qui viuis et regnas
deus per omnia secula seculorum amen. Aue in
euum sanctissima caro, in perpetuum mihi summa
dulcedo.
Redpe saoramentum oum patena:
16 Panem celestem accipiam de mensa domini et
nomen domini inuocabo. Domine, non sum dignus,
ut intres sub tectum meum, [fol. XVUa] sed saluum
me fac et saluus ero, quoniam laus mea tu es.
Fao oruoem oum patena et saoramento, dioens:
17 Corpus domini nostri Ihesu Christi sit mihi ad
remedium sempitemum in vitam etemam, in remissio-
nem omnium peccatorum meorum. Amen.
Hio sume saoramentum, post heo sume oalioem, nihil di-
oendo, quia sangois ibi non est, soilioet separatim, sed yinum
per partioule oonseorate oontaotum est sanotifioatam. Neo di-
dtar PUi€€tU Hbi i^neia irnUiat, quia hodie saorifioimn non
offertur, sed sumitur in oena domini oblatum. Post sumptio-
nem oaliois, si assunt preparati ad oomunioandum, oomunioent
in timore dei, et post ea prooeditur statim ad looam, ybi habe-
tur memoria dominioe sepultore, et ibi post responsorium:
18 Recessit pastor
diountnr vespere per omnia, vt in missalibns Signatur sine
benediotione.
Et nota diligenter, quod oorpus Christi non est dimitten-
dum per illud triduum in looo sepulture, nisi repositam sit
sub firma custodia et testibus seu oustodibus oiroa illud psal-
lentibus adhibitis. Alius yero, vbi huiusmodi oustudia ao psal-
lentium yigilia non fuerit adhibita, saoerdos, finitis vesperis,
oorpus dominioum in suum solitnm reuerenter reportet reser-
uatorium, vbi bene olausum oonseruetnr. *
2. COMMEMORATIO DOMINICE RESURRECTIONIS.
nr KOOTB 8A2IOTA PA80B SIO JBLBUETUB 00BFU8 OHBISTI DB
BXPÜLOHBO, 81 ALIQT7IBT7S OPPIDANIB PLAOUSBIT
BIO OOMXBHOSABI DOMIKI BBBUBEBOTIOinaf.
SAGERDOS, [fol. XXXYb] indntus stola, sub pulsibus ma-
tutinamm, antequam oongregetur ohorus, oum prooessione sibi
pauoorum adiunotorum et duobus luminibus, foribus eodene
dausis, secretius tollat saoramentum de sepulohro et portet
illud ad altare ohori, et antequam tollat, dioatnr psabnusi
1 Miserere mei deus, miserere mei: quoniam in te
confidit anima mea. Et in vmbra alarum tuarum
sperabo donec transeat iniquitas.
[usque in finem psalmi:]
2 Gloria patri et filio etc. [et spiritui sancto.
Sicut erat in principio et nunc et semper et in secula
seculorum. Amen.]
3 Eyrieleyson, Christeleyson, Kyrieleyson.
4 Pater noster.
Et ne nos inducas etc.
Versus:
5 In resurrectione tua, Christe, alleluia!
[Responsorium:]
Celum et terra letentur. Alleluia!
128
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
[Yemu:]
6 Domine, exaudi orationem meam,
[Besponaorinm:
Et damor meus ad te veniat.
Yenus:]
7 Dominos vobiscuin
' [Besponsorinm:
Et cum spiritu tuo.]
8 Oremos. Gregem tuum, pastor bone, placatus in-
tende, et oues, quas precioso sanguine redemisti,
diabolica non sinas incursione lacerari. Qui cum deo
[patre et spiritu sancto vivis et regnas deus per
omnia secula.]
Aspergator, thorifioetar sacramentum et oruoLfixttin, et de-
inde deportetar ad altare saoraineiitain, velatum tarnen, et
oiroa finem pulsaum, yel sub ultimo pulsu per dominum epis-
oopnm, pontifioalibas preter dalmatioas et oasulam indutum,
in oappa yel plnoiaH, vel per saoerdotem, indatam alba et
oappa, portetnr solemniter, sequendo prooesrionem per ambitum
vel oimiteriam et gubmissa vooe cantetar:
9 Cum rex glorie etc. [Christus, infenium debella-
turus intraret,
Et Chorus angelicuB ante faciem eius portas prin-
cipum tolli preciperet,
Sanctorum populus, qui tenebatur in morte captiuus,
Toce lachrymabili damauerunt
Aduenisti desiderabilis, quem expectabamus in tene-
briSy Yt educeres hac liocte vinculatos de claustris.
Te nostra vocabant suspiria,
Te larga requirebant lamenta,
Tu factus es spes desperatis, magna consolatio in
tormentis.]
quere supra foUo .i^., ytque ad vltimam ianuam, que
daudatur, et dummodo OFFIGIATOR pemenerit ad eam,
cantet antiphonam:
10 Tollite portas, prindpes, vestras, et eleuamini
porte eter[fol. XXXVIb]nales,
CHORUS:
Et introibit rex glorie.
Episcopus primo ad antiphonam pulset aemel cum baoulo,
sed offioiator cum pede ad ianoam. LEU ITA lÜNIOR, vel
aliuB in figura diaboli grossa vooe querat:
11 Quis est iste rex glorie?
CHORUS respondeat:
12 Dominus fortis et potens, dominus potens in prelio.
Seonndo dominus episoopus, riue OFFIGIATOR oantet
anüpbonam:
13 ToUite [portas, principes, vestras, et eleuamini
porte etemales,]
vt Bupra, modioum altiua incipiendo et pulsando dua-
buB vicibuB Bub antipbona ad ianuam dauBam, CHORO re-
Bpondente:
[Et introibit rex glorie.]
et LEUITA querante:
[14 Quis est iste rex glorie?]
et CHORO itemm reepondente, vt tupra:
[15 Dominus fortis et potens, dominus potens in
prelio.]
Teroio dominuB episooput, sine OFFIGIATOR oantet pre-
diotam antiphonam, iterum modioum altiuB inoipieDdo et pol-
Bando ter Bub antiphona:
[16 Tollite portas, principes, vestras, et eleuamini
porte etemales,
CHORUS:
Et introibit rex glorie.]
et diaoonus [bc. LEUITA] dioat:
17 Quis est iste rex glorie?
CHORUS reapondeat sub priori melodia:
18 Dominus virtutum iste est rex glorie.
Aperiatur ianua et oiroumenndo nouum oiboram tm
antipbona :
19 Cum rex glorie
altiuB oantando, quam prius, fiat prooesaio ad alti-(ibL
XXXVIIajre plebani Rurales tarnen et oppidani Bimplidter
prooedant intrando ad Bummum suum altare et, ibi looBto
Baoramento ad altare, dioatur pBalmuB:
20 Domine, probasti me et cognouisti me, tu cogno-
uisti sessionem meam et resurrectionem meam.
[PsalmuB cantetur usque in finem.]
21 Gloria patri et fiUo et spiritui sancto,
Sicut erat in principio etc. [et nunc et semper et in
secula seculorum. Amen.]
22 Kirieley[6on,] Ghriste[le7Son|] Kiriele7[son.]
23 Pater noster.
Et ne nos indu[cas.]
VerBus:
24 Surrexit dominus de sepulchro, alleluia!
Qui pro nobis etc. [pependit in ligno, alleluia!]
[YerBUB:]
25 Domine, exa^udi [orationem meam,
RoBponBorium:
Et clamor meus ad te veniat.]
[VersuB:]
26 Dominus vobiscum
[ReepouBorium:
Et cum spiritu tuo.]
27 Oremus. Deus, qui ad etemam vitam in Christi
resurrectione nos reparas, erige nos ad considentem
in dextera tua nostre saluüs auctorem, vt, qui propter
nos iudicandus aduenit, pro nobis iudicaturus ad-
ueniat Ibesus Christus, dominus noster, qui tecum
etc. [vivit et regnat in vnitate Spiritus sancti deas
per omnia secula seculorum. Amen.]
ABpergatur Bacramentum et oruoifixum, quod in prooei-
iione [fol. XXXYHIa] maoellar^j portauemnt poBt Baoramantam
ANHANG III.
129
et ante altare deposaenmt, et thorifioetur. Postea doinintia
episoopiii vel OFFICIATOR monitret Baoramentom in oapsa
vel, si super hoo habeatur lioentia, in monstrantia, se vertendo
ad popnliim, et oantet ter Bemper altins:
28 vere digna hostia, '
[per quam fracta sunt tartara:]
CHORO eam terminanta:
[redempta plebs captiuata,
redit ad vito premia.]
Quibas finitis, dominoB episoopus liue officiator exuat se.
Et indpiantnr matntine et peragnntur ysqae ad viaitationem
■epulohri, qae fit post vltimum responsorium et ante Te dmim
laudathut.
3. AD YI8ITANDÜM SEPULCHRÜM IN DIE SANCTO
PASCE.
Faotit et cantatis matutinis in ohoro, ad vltimum respon-
florium et oantando ipsum, itnr prooessionaliter, preoedentibus
duobuB oeroferariJB cum luminibuB, ad looum Bepulohri, vbi
fit statio percborum. DUO SACERDOTES, indnti Bimplidter
oaBuIis super superlicijs suis, representantes mulieres, que mane
veniebant ad monumentum, remanent in cboro, . et hi, flnito vi-
timo reBpouBorio, oantant [mulieres oantent:]
1 QoiB reuoluet [nobis ab ostio lapidem^ quem
tegere sanctum cemhiins sepnlchram}]
ut sequitur. Quibus respondent DUO LEUITE, induti dal-
matids super superlicijs suis, qui sedere debent in sei>ulohro,
-et representaat angelos, eantando [angeli, oantent:]
2 Quem qneritis, o ete. [tremule mnllerea, in
lioc tnmnlo plorantest]
Tuno iterum DUO SACERDOTES in oboro oantant [mu-
lieres oantent:]
9 Dieaimi emcifixiini [Nasarenam qneriiiiua.]
Iterdln respondent angeli, soilioet LEUITE in sepulobro,
oantantes [angeli oantent:]
4 Non est hie^ [quem qneritis;
5 sed cito enntes nunciate discipulis eins et
Petro qnia snrrexit Ihesus.]
Tuno muliene, soilioet DUO [fol.XXXVmb] SACERDOTES^
in oboro oantant [mulieres oantent:]
6 Ad monumentum venimus [gementes, an-
gelum domini sedentem vidimus et dicentem
quia surrexit Ihesus.]
Tuno DUO CANTORES indpiunt antipbona[m oantores
antipbonam:]
7 Gurrebant duo [simul,]
CHORO prosequente:
[et ille alius discipulus precucurrit citius
Petro etvenit prior ad monumentum. Alleluia!]
Postquam statim DUO SENIORES SACERDOTES aooeden-
tes sepulobrum et Untbenm sepulcbri tollentes, ad oborum se
vertontes et ostendentes canunt [apostoli oantent:]
8 Gernitis, o socij, [ecce, lintheamina et su-
darium, et corpus non est in sepulchro in-
uentum.]
Quo finito, CANTORES ter oanta[n]t antipbonam [oantores
ter oantent, semper altius inoipiendo antipbonam:]
9 Surrexit dominus de sepulchro,
semper altius indpiendo et CHORO prosequente:
qui pro [nobis pependit in ligno. Alleluia 1]
Officiator aooedit ad altare, aspergendo et tbuiifioando oru-
dfixum. Deinde orudfixum reponitor ad looum suum solitum
et CHORUS oantat:
10 Victime pascali
oum oantioo: ^
11 Grist ist erstanden etc.
[Sequitur:
12 Te deam landamusl]
Permititnr tarnen al^s, qui forsan buiuamodi personae noa
babent, vt oum alijs personis et etiam moribus bonestb tarnen
et disoretis, buiusmodi visitationem sepulobri exequantur.
Anbang Ul, 1, 1 vgL anh. J, 1, 19. 21. 2'6. III, 1, 2 vgl. anb. I, 1, 24. UI, 1, 8 vgl. Daniel, Tbesaurus
hymnol. I, 161; Mono, Lat. bymnen nO 101; Waokemagel, Das deutscbe kirobenlied I, 62. UI, 1, 7 nacb er. Lukas 22,
19. 20. m, 1, 9 vgl. anb. I, 1, 31. IH, 1, 11 vgl. anb. I, 1, 33. HI, 2, 1 vgl: anb. I, 1, 43. HI, 2, 6 vgl.
anb. I, 2, 6. III, 2, 9 Augustinns, Serm. de temp. 137; vgl. Daniel, Tbesaurus bymnol. H, 316. III, 2, 10—18 naob
psalm 24, 7—10 und ev. Nioodemi (ed. Tisobendorf) oap. XXXIII; vgl. unten s. 180. III, 2, 20 psahn 186. III, 2, 25
vgl. anb. I, 2, 6. III, 2, 28 Daniel, Tbesaurus bymnol. I, 87; Mone, Lat. bymnen no 161; Waokemagel, Das deutsohe
kirobenlied I, 81; vgl. anh. VI, 2, 10.
Die Schlussschrift der mit missalbuchstahen schwarz und rot gedruckten agende, aus «welcher die
Yorstehenden rituale herrühren, lautet fol. xcv a: Obsequialis scd'm diocesis Augustefi. more) | apprime
laudabilem opusculum pro sacraine|torum et sacramentaliuro admimstratioe ne-|cessarittm : et ad veterii
exemplarium instar fidelli studio vigilantiq) cura emendatum atq) reuisu; explicit feliciter: Erhardi ratdolt
Augu-'Steh. viri solertis eximia industria: et mira im-|primendi arte: qua nup venet^s: nunc Au-Iguste
eicellet noniinati83im9. Gal\ februarq. | Anno salutis. M.ccccixxxvij. | Laus deo et virgini diue 4®.
MIlobiAok, OtMr- «nd p—ttoiiHyiil». IJ
130 I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIBRN.
Das karfreitagsrituale ist vod demjenigen im anhange I, 1 mitgeteilten in mehrfacher hinsieht Ter-
schieden. Diese Terschiedenheit entstand jedoch zum teil nur durch Unterdrückung einzelner als bekanot
vorausgesetzter und deshalb einer besonderen aufzeichnung nicht bedürftiger abschnitte, welche dort h-
gegen vollständig mit aufgenommen waren. Man beschränkte sich eben hier auf die wiedeiigabe deijenigei
Partien, welche die geistlichen wegen mangelhaften Studiums der messbücher nicht ordentlich kannten ood
Irrtümern verfallen waren, ,propter tales errores euitandos' (vgl. anh. III, 1, 1). Daher brauchte der an-
fang des rituales mit den werten ,In primis, postquam chorus se expediuerit de lectionibuSy orationibas et
canticis, prout in missali traditur^ und durch Verweisung auf das messbuch nur angedeutet zu werden, so
dass die aufzeichnung erst da beginnt, wo erfahrungsmässig Irrtümer vorzukommen pflegten. Von da ao
(anh. in, 1, 1—14) stimmt es im wesentlichen mit anh. I, 1, 23 — 34 (nur die gebete bei der adoratio
crucis sind als besondere eigentümlichkeiten der verschiedenen diözesen verschieden) überein und wird
darum aus diesem nach vorne hin ergänzt werden dürfen. Die kommuuion geschieht darnach im ersterei
schweigend (vgl. anh. I, 1, 35), in letzterem unter hersagung der werte des priesters anh. III, 1, 15—17.
Alsdann findet die niederlegung der hostie im grabe statt und das dazu gehörige ritual, welches sich anli
I, 1, 35 — 44 vorfindet, ist im vorliegenden wiederum nur mit den werten ,Post sumptionem calicii^. ü
assunt preparati ad comunicandum, comunicent in timore dei, et post ea proceditur statim ad locnm, rbi
habetur memoria dominice sepulture' angedeutet worden. Ganz identisch scheinen jedoch die beiden ih
tuale in diesem abschnitt nicht gewesen zu sein, da das responsorium Reeesiü pastor anh. III, 1, )8ii
jenem fehlt.
Sehr abweichend von dem früheren ist jedoch das zweite, die elevatio corporis Christi in ss^
sancta pasce betrefifende rituale. Jenes enthielt mehrere responsorien, die in den deutsch -lateiiiita
osterspielen bei der szene, welche die eigentliche auferstehung Jesu behandelt, benutzt worden sioi^
besonders das Ego dormivi anh. I, 2, 12. Anstatt dieser bietet uns dagegen das vorliegende in deBuk-
schnitt anh. III, 2, 9 — 18 die grundlage für die dramatische darstellung der discessio lesu ad inferos oii
zwar in einer hier schon durch die Verteilung der rollen, den ort und die weise des Vortrags so dniu-
tischen Verfassung, dass sie, von den deutschen Übertragungen abgesehen, beinahe unverändert im dru»
wiedergefunden wird und sicherlich eine der grossartigsten und wirkungsvollsten episoden desselben aas-
machte. Das ritual selbst ist hervorgegangen aus der den Senn, de temp. 137 des Augustinus entlehnteft
antifone Cum rex gloriae etc. (vgl. Daniel, Thesaurus hymnologicus II, pag. 315), und den schlussreFseo
des 24. psalms 7 AttoüUe portas, principes, ve$tnu, et elevamini portae aeiemales, ri introibü rex glon»-
8 Quis eet Ute rex gloriae? Dominus fortie et potent, dominus potens in proeUo. 9 AttolUte partas, prin-
eipes, vestras, et elevamini portae aetemales, et in^ibit rex gloriae. 10 Quis est iste rex gloriae? Dmi^^
uirtutum, ipse est rex gloriae, vgl. ev. Nicodemi (ed. Tischendorf) cap. XXIII. Diese verse sind im rituale
an den episcopus oder officiator, welcher Eristum, den kor, welcher die Jesum begleitenden engel, und
den leuita, der den teufd vertritt, ausgeteilt; in gestalt einer prozession zieht man, voran das sakramefi^
von einem priester, dann das kruzifix von der fleischerzunft getragen, zur äussersten kirchenpforte, welche
verschlossen ist und das höllentor darstellen soll, hinter dem sich der leuita an Luzifers stelle heßndet
Während des zuges wird die antifone Cum rex gloriae etc. gesungen, von welcher die zweite hälfte (^^
vemsU etc.) dem die ankunft des herm erkennenden Adam in den Schauspielen zugewiesen zu werdes
pflegt Bei der tür angekommen, singt der episcopus oder officiator ToUäe portas etc., indem der ior
einfallt Bt mlroibü etc., der levita mit rauher stimme fragt Quis est iste rex gloriae? und der kor wiederum
antwortet Dowdnus fortis etc. Dieser wechselgesang wird dreimal wiederholt, jedesmal in einer böhereOf
die steigende erregung gleichsam eines kampfes ausdrückenden tonlage, wobei der bischof zuerst eis^^'
ANHANG in. IV.
131
•dann zweimal, zuletzt dreimal mit seinem Stabe auf die pforte schlägt. Nach dem dritten gesange öfihet
isich die türe (im Schauspiel pflegt sie eingestossen oder eingetreten zu werden) und die prozession zieht,
wie sie gekommen, zum altar im kor der kirche zurück, wo die feier nach einigen responsorien und einem
gebet mit der strofe vere digna hostia endigt (im Schauspiel schliesst dieser auftritt mit der hinüber-
fiihrung der seligen ins himmelreich durch Jesum^).
Dieses rituale zeigt uns auf das schlagendste, welcher art eine mit dieser, durch die werte ,in
Sacra nocte dominicae resurrectionis ad sustoUendam crucifixi imaginem de sepulcro' des wormser synodal-
beschlusses bezeichneten, kirchlichen feier zu verbindende dramatische darstellung gewesen sein müsste,
und dass unsere lateinische dramatische osterfeier, — was Freytag, Grieshaber, Alt, Haase und Wilken
doch wollten, — nach der dogmatischen anschauung des mittelalters absolut nicht mit derselben in be-
ziehung gesetzt werden kann. Zugleich aber enthält das Obsequiale dioecesis augustensis die visitatio
sepulchri in die sancto pasce, d. i. unsere lateinisch - dramatische osterfeier und zwar verknüpft mit der
matutin des ersten ostertages, in welcher sie, wiederum mit auslassung des eigentlichen bekannten rituales,
nach dem dritten responsorium und vor dem Te deum laudamus eingeschaltet erscheint, vgl. anh. III, 2
jun Schlüsse. Sie findet sich im druck doppelt verzeichnet, zuerst fol. xxxviii a b ,eine ausführliche be-
scfareibnng der ganzen Zeremonie, in welcher die gesungenen Sätze nur durch die anfangsworte bezeichnet
«ind, und unmittelbar darauf der vollständige text mit musiknoten. Beide sind im voranstehenden abdnick
ao mit einander verbunden, dass die aus der zweiten, im texte vollständigen, darstellung sich ergebenden
ergänzungen der ersteren in eckigen klammem hinzugefügt wurden. Die abfassung des dramas ist im
ganzen mit deijenigen in den stücken lELN in der zweiten gruppe gleichlautend, nur dass hier noch die
Sequenz Vktimae paschali anh. III, 3, 10 und in Verbindung damit das lied Crüt ist erstanden etc. als be-
merkenswerte neuerungcn hinzukommen, neben denen die Verteilung des Currebant duo smul, anh. in, 3, 7,
an die apostel und den kor besonders deshalb interessant ist, weil die älteren erhaltenen denkmäler das
ganze entweder den aposteln (LM), oder dem köre (lENR) allein zuweisen und eine teilung dieses Satzes
sn beide bisher nur aus dem französischen osterspiel Les trois Maries (vgl. Coussemaker, Drames litur-
giques p. 279) bekannt war. — Zu beachten ist auch die scUussbemerkung, der zufolge es bei solchen
kirchen, welche die zu dieser aufiführung notwendige zahl von geistlichen nicht hatten, erlaubt war, per-
:8onen des laienstandes in derselben mitwirken zu lassen.
IV.
OBDO AUeUSTENSIS n, 1580.
3. ORDO SERVANDV8 AD VISITANDUN SEPÜLCHRUM,
UT VOCANT, IN DIE SANCTO PASCHAE.
Peraotit, Tt dictum est, in ohoro matatims, et pneoeden-
übiiB duobns oeroferarijs, oam BolemniB prooessio ad Mpol-
^diraia domini teodit, oantatar itenun tertinm et yltimnin
reeponsorinm, et etatio apnd looam aepolohri ab omnibiu oele-
bratar. Hio seraari solet ceremonia qusedain in maioribiiB
eocles^s, vt piamm molieram, angelorum et apOBtolonim, qvi
droa aepulöhmm domini versabantar, qotedam fiat repnesen-
tatio, eiqne oseremoma et twniaetado, vbi fieri solet, retineatiir.
In persona mnlienim k QÜIBÜSDAM [SAGERDOTIBÜS] hsBO
veteri ex more oantatur in ohoro:
1. Fflr den germanisten ist es von speziellem interesse, dass in den deatsch-lateinisohen osterspielen in dieser szene be-
sonders die ürstende (ygl. Hahn, Gedichte des Xu. nnd Xm. Jahrhunderts, s. 126, y. 6 if.) und die Erlösung (hsg. von
K. Bartsch, ▼. 6006 ff.) benutst worden sind. Das genauere hierdber werde ich im folgenden kapitel darzulegen habea.
17*
132
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
1 Quis renolnet noMs ab [p. 596a] ostio lapidem,
quem tegere sanctnm cemioins sepnlchmm?
AN6ELI verö in sepuldiro oantant sequenti modo:
2 Quem queritis, o tremuIiB mnlieres, in hoc
tamnlo plorantesl
Reepondent MULIERES itenim in ohoro:
3 [p. 596] Jesum cracifixum Nazarennm qu»-
rimns.
RnrsuB AN6ELI de sepulohro oantant:
4 Non est Uc^ qnem qnieritis;
5 sed eito enntes nnnciate discipnlis eias et
Petro qala snrrexit lesns.
[p. 697] Itenim antem in persona MULIERÜM ex ohoro
oantatar:
6 Ad monumeDtum venimus gementes, an-
gelum domini sedentem vidimus et dicentem
quia surrexit lesus.
CHORUS ito cantat:
7 Gurrebant duo simul et ille [p. 598] alius
discipulus praecucurrit citius Petro etvenit
prior ad monumentum. AUeluia!
Sequitor oantns APOSTOLORUM ante ingressnm lepalchri:
8 Cernitis, osocij, ecce linthea-[p. 599]miDa
et sudarium, et corpus non est in sepulchro
inuentum.
Postremo CHORUS ter oantat et subinde aliius inoipit hose
▼ersum:
9 Surrexit dominus de sepulchro,
qui pro nobis pependit in ligno.
Alleluia !
[p. ßOO] Saoerdos interim ad altare prooedit et thnrifi-
oationem faoit venerabili saoramento et imagini omcifizi, qiu-
in looo aliqao, ybi semari alioqnin solet, reponatur. ffise
oantat CHORUS notam seqnentiam:
10 Victimse pascbali etc.
et singuHs eins yersibiu interponitar cantionm germanicanu
quod etiam a popolo oelebriter deoantatur:
11 Christ ist erstanden.
Pofltremö k CHORO deoantatur:
12 Te deum landamas.
Die vorstehende dramatische osterfeier findet sich in dem RITVS ECCLE-|SIASTICI AVGVSTEN-
SIS I EPISCOPATVS, TRIBVS PARTI- bus siue libris comprehensi, nuncque | primüm recogniti, editi at-
que I promulgatL | ÄVCTORITÄTE REVE-Vmdiß. 8f lUmtriß. m Chriilo Patris ac \ Dommi D, MARQVARDI
Bpi-\$copi AugustensiSi Sf PrcBpo-\süi Bcmbergensii. \ DILINGjE \ Excudebat loannes Mayer. | M.D.LXXI
4®. Dieselbe agende enthält auch einen Ordo servandvs feria sexta parasceues pag. 515 — 517 und eineo
Ordo ad elevandam crucem de sepulchro in sancta nocte paschae, qui dicitur et conmiemoratio domimcs
resurrectionis pag. 582 — 593 zum teil mit musiknoten, von denen sich der erstere von dem im anb. m, 1
mitgeteilten nur durch grössere ktirze (er besteht nur aus dem hymnus Crux fidelis und den drei zur ad-
oratio crucis gehörenden gebeten, anh. III, 1, 3 — 6) unterscheidet, während der andere mit dem rituale
anh. III, 2 bis auf die den geistlichen instruierenden stellen ganz identisch ist, so dass eine Wiederholung
derselben überflüssig erschien. Auch die voranstehende osterfeier hat ihre um fast ein Jahrhundert ältere
vorläge anh. III, 3 bis auf die Spielanweisungen unverändert erhalten, nur dass hier jene kleinen nüaoten
im Vortrag^ des Currebani duo suntU etc. und des Surrexit dominus de sepulchro etc. wieder verwischt sioi
Die Sequenz Vietimae paschali und das Christ ist erstanden wurden, was aus der Spielanweisung des ältere»
druckes nicht zu erkennen war, so gesungen, dass je eine strofe der sequenz mit einer solchen des deut-
schen liedes, bei welchem das volk, die gemeinde, mit einstimmte, wechselte. Bekanntlich hat HoffinaD!)
aus der anwendung dieses, auch das verschollene klostemeuburger drama beschliessenden, liedes gescblosseD.
dass dasselbe zum teil in deutscher spräche abgefasst gewesen sein möchte (vgl. ob. s. 26 und annu 6);
wir sehen jedoch aus diesen beiden so viel späteren augsburger stücken, dass das vorkommen des deutsches
liedes allein zu einer so weit gehenden folgerung keineswegs schon berechtigt. Das lied selbst gehört r.
den ältesten volksmässigen deutschen kirchengesängen und kommt in zahlreichen verschiedenen version^
vor, die Hoflfmann in seiner Geschichte des deutschen kirchenliedes, 3. ausg., unter no 9. 80—85 und i
zuerst bekannt gemacht hat. Auch in diesem Ritvs ecclesiastici avgvstensis episcopatvs findet sieb ift
neunten kapitel, welches De germanicis cantionibus populo in ecclesia permittendis handelt, auf s. 98.9^
ANHANG V. VI.
133
ein abdruck desselben, der im texte und in der anordnung der strofen mit demjenigen bei Wackernagel,
Das deutsche kirchenlied II, no 946 vollständig übereinstimmt und ohne zweifei dieselbe fassung darbietet»
welche in der voranstehenden dramatischen lateinischen osterfeier gebraucht wurde.
V.
T, BieOT, Xni. JHDT.
OMNIA FE8TIVE FIANT IN NOCTE PASCHE
ANTE TE DEUM liAÜDAMUS.
TRES MULIERES ad introitum ohori, hanc antiphonam
oaotantet uaque ad sapnlöhnun:
1 Quis reTOlyet nobis laptdem ab ostiio monn-
menüt
Hoo finito, QUIDAM PUER, loco angeli, alba indutos,
tenens palmam in manu ante sepulchram dioat:
2 Quem qaeriüs in sepnlehro^ o ehristiieolet
Tunc MULIERES respondeant:
3 Ihesum Naiaii^nnm emeiflxnmy o eelteola.
Itenim ANOELÜS, aperiens sepulohram, dioat hoc mu-
lieribus :
4 Non est hie, surrexit enim sient dixit;
5 Venite et videte Ipcum, ubi positus fuerat,
6 et euntes dielte diseipnlis eins et Petro qaia
surrexit.
Tuno, angelo ätisBime disoedente, muHerefl intrent sepul-
ebrum; dum non inveniunt, dioant DUO RESIDENTES:
7 Mulier, quid ploras?
Tunc una ex illis, looo MARIE MAGDALENE, respondeat:
8 Quia tulerunt dominum meum et nescio, ubi po-
suerunt eum.
DUO ANOELI, intus sepulohrum sedentes, iia oantent:
9 Quem queritis? viventem cum mortuis? non est
hie, sed surrexit!
10 Recordamini, qualiter locutus est vobis, dum ad-
huc in Galilea esset, vobis dicens, quia oportet, filium
hominis pati et crucifigi et die tercia resurgere.
Hoc dicto, Marie exeant de oepulcbro. Post appareat
DOMINUS in sinistro oomn altaris, dnld voce Ulis dioens:
11 Mulier, quid ploras? quem queris?
Tunc converse ad eum dioant [/• dioat MARIA MAGDA-
LENA:]
12 Domine, st tu sustulisti eum, dicito michi, et ego
eum toUam.
Hio ostendat cruoem [fc. DOMINUS] et dioat:
13 Maria!
Qne, ut audierit, cito se offarat pedibus eins, olamando [te.
MARU MAGDALENA:]
14 Rabboni!
Ipse [«0« DOMINUS] vero retrotrahens, dioat hoo: «
15 Noli me tangere: nondum enim ascendi ad pa-
trem meum, vade autem ad fratres meos et die eis
Ascendo aid patrem meum et patrem vestrum, deum
meum et deum vestrum.
Iterum DOMINUS in deztro oomu altaris appareat dicens:
16 Avete! nolite timere: ite, nunciate fratribus meis,
ut eant in Galileam: ibi me videbunt.
Tuno, domino disoedente, TRES MARIE ad ohorum in-
olinent, dioentes hoo alta vooe:
17 AUeluia! Resurrexit dominus! Surrexit leo fortis,
Christus, filius dei.
et. CHORUS dioat:
18 Te deum laadamas.
Post dioatnr a tribus clerioia, scUieet ab Ulis MARIIS pro
19 Resurgente etc.
VI.
OBDO WIBGEBUBeENSIS n, 1664.
[l. IN FERIA SEXTA PARASCEVES.]
FERIA SEXU in parasoeue SAi;ERT)OS cum ministris die-
calceati, cruoem oasula rubea coopertam, et ante cruoem can-
delas deferendo incipiat, paulnlum prooedentes:
1 Popule meus, qui[d] feci tibi, aut in quo contri-
staui te? responde michi, quia eduxi te de terra
Egipti,
CHORUS:
Pa[fol. CLXXVIIa]ra8ti crucem saluatori tue?
134
I. DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERK.
Postea DUO lüUENES cantent:
2 Agyos theos, Agyos yschyros, Agyos athanathos
eleyson ymas.
CHORUS respondet:
3 Sanctus deus. Sanctus fortis. Sanctus immortalis
[fol. CLXXVIIb] miserere nobis.
Pro seoanda statione SACERDOS indpit antiphonam:
4 Quia eduxi te per desertum quadraginta annos et
manna cibaui te et introduxi in terram satis
optimam,
[CHORUS:]
Para[8ti crucem saluatori tuo?]
Sequitar [sc. DUO lUUENES cantent:]
5 Agyos.
et [CHORUS respondet:]
6 Sanctus.
yt Bupra. Pro tertia statione [SACERDOS:]
7 Quid Vitra debui facere tibi et [fol. OLXXVIIIa]
non feci ? ego quidem plantaui te, vineam meam spe-
ciosissimam, et tu facta es mihi nimis amara, aceto
namque sitim meam potasti, et lancea perforasti
latus
CHORUS:
Saluatoris tui.
Sequitar [te. DUO lUUENES oantent:]
8 Agyos.
et [CHORUS respondet:]
9 Sanctus.
vi snpra. Qmbus finitis, SACERDOS cum MINISTRIS,
lenantes nudam cruoem, cantent:
10 [fol. CLXXVIIIb] Ecce lignum crucis, in quo
Salus mundi pependit: venite, adoremus.
et CHORUS respondet versum:
11 Beati immaculati in via, qui ambulant in lege
domini.
et hoc fiat tribus vicibas. SACERDOS respondet:
12 Ecce lignum.
Deinde ponant ipsam crucem in locum prseparatum, vt
adoretur antiphonis:
13 Dum fabricator mundi,
antiphona:
14 admirabile,
et hymno:
15 Crux fidelis,
interim subieotis, infra quse SACERDOS tres genufleadones
erucem adorando faciat. In prima genuflexione oratio:
16 [fol. CLXXIXa] Domine Jesu Ghriste, deus verus
de deo vero ete.
[fol. CLXXIXb] In secunda genuflexione oratio:
17 Domine Jesu Cbriste, qui Moysi, famulo tuo, in
vita squalentis etc.
In tertia genuflexione oratio:
18 Domine lesu Cbriste, qui nos per crucis pas-
sionem hodieina die etc.
Quo fiuito, redeant ad chorum, reücta cruce in loco suo, et
sacerdos et ministri reinduantur caloeamentis. Et SACERDOS.
induta casula, corpus domini cam calice et corporali senatmn
deferat super altare, lumine et inoenso preeunte, ad peragendnm
officium (misse), cantando submissa voce:
19 Hoc corpus, quod pro vobis tradetur, hie calii
noui testamenti est [fol. GLXXXb] in meo sanguine,
dicit dominus: hoc facite, quotienscumque sumitis, in
meam commemorationem.
Deinde sacerdos peragat officium (misse), vt patet in mv-
sali, quo finito et populo communicato, PRESBYTER cm
MINISTRIS, eleuans cruoem, incenso et lumine praecedentibos
ad locum sepulchri eundo [et versum oantantes:]
20 Ecce, quomodo moritur iustus et nemo percipit
corde viri iusti tol[fol. CLXXXIa]luntur, et nemo
considerat ä facie iniquitatis sublatus est iustus,
[Responsorium:]
Et erit in pace memoria eins.
Ver[8us:]
21 In pace f actus est locus eins et in Sion habi-
tatio eius.
[Responsorium :] >
Et [erit in pace memoria eius.]
Responsorium [versus:]
22 Sicut ouis ad occisionem ductus [fol. CLXXXIb]
est et, dum male tractaretur, non apenlit os suum,
[Responsorium:]
Traditus est ad mortem, vt viuificaret populum suum.
Ver[8us:]
23 In pace factus est locus eius etc.
[Responsorium:]
Tra[ditus est ad mortem etc.]
Deposita cruoe in sepulchrum et cooperta, sacerdos tfanri'
ficet et aqua benedicta asperget. Et tunc oantetur respon-
sorium [versus:]
24 [fol. CLXXXIIa] Sepulto domino, signatum «t
monumentum, voluentes lapidem ad ostium mo-
numenti.
[Responsorium :]
Ponentes milites, qui custodirent eum.
Ver[su8:]
25 Ne forte veniant discipuli eius et furentur eu»
et dicant plebi, surrexit a mortuis.
[Responsorium :]
Ponen[tes milites, qui custodirent eum.]
Finito responsorio, PRESBYTER dicat verfsum:]
26 In pace factus est locus eius,
Respondent GETERI:
Et in Sion habitio eius.
ANHANG VI.
135
2. ORDO AD ELEUANDAM GRUGEM DE SEPULGHRO IN SANGTA
NOCTE PASGHAE.
Primo, oum ante matutinamm polsatioiiem domini ad ele-
uaüoDem onicis foerint congregrati, duobos sibi ceroferarijs
praeeontibaB, ad sepulohri looam detoendant et ibidem legant
psalmiun 3. sGÜioet:
1 Domine, quid multiplicati.
Psalmum 117:
2 Gonfitemini domino, quoniam bonus, quon:
Psahnum IIG:
3 Laudate dominum omnes gentes.
et psabnom 158:
4 Domine, probasti me etc. ^
QuibuB finitis, dioatur antiphöna:
5 Ego dormiui et somnum coepi, et exurrexi, quoniam
dominus suscepit me. AUeluia, alieluia.
Deinde tharifioetur sepulohruin et saoerdos, aocipienfl saora-
mentum (et) alias saoerdos aooipiat oraoem et oam prooessione
[ffol. GGXb] vadont ad snmmtun altare, ibidem sacramentom
locando et submiita vooe sequens caatatar antiphona:
6 Gvm rex glorise etc.
Et postqu&m sacramentmn reuereater looatum fderit, oam
eadem prooessioiie itar ad ianaas eeolesi« et saoerdos, oam
oraoe ad qaamlibet ianoam ter tradendo, dicat:
7 ToUite portas, principes, vestras et eleuamini
portie seternales.
Taue alias, looo SATHAN A£, foris ianaam ^respondeat:
8 Quis est iste rex gloriae?
SAGERDOS dicat:
9 Dominus fortis et potens, dominus potens in prselio.
[fol. GGXIa] Qaibas eompletis, ponatar orox ante sammom
altare, vt ibi ab omni dero et popalo adoretor, et intere& ob
reaerenüam saorameati flezis genibos 1^ cantantar versus ex
bymno Ad coenam agni:
10 vere digna hosUa,
per quam fracta sunt tartara,
redempta plebs captiuata,
redit ad vitse prsemia.
Cum surgit Christus tumulo,
Victor redit de baratro,
l^rannum trudens vinculo
et reserans paradisum.
Quaesumus, autor omuium,
in hoc paschali gaudio,
ab omni mortis impetu
tuum defende populum.
Gloria tibi, domine,
qui surrexisti ä mortuis,
cum patre et sancto spiritu
in sempitema secula. Amen.
Qaibas finitis, inoipiatar prosa vel seqaentia:
11 Uictimsß paschali laudes immolent christiani.
Et FOPULUS ad qaemlibet versam semper eam valgarem
cantilenam sabiangat cantando:
12 Christ ist erstanden etc.
Bis finitis, incipiendnm est matatinam.
Anbang VI, 1, 1—18 vgl. anh. I, 1, 10—19. 21—29. VI, 1, 19 vgL anh. lU, 1, 7. VI, 1, 20 naoh Esaias
57, 1. VI, 1, 21 vgl. anh. I, 1, ^. 44. VI, 1, 22—24 vgl. anh I, 1, 36. 36. 39. VI, 1, 25 naoh ev. Matth. 27, 64.
VI, 1, 26 vgl. VI, 1, 21. VI, 2, 5 vgl. anh. I, 2, 12. VI, 2, 6—9 vgl. anh. III, 2, 9—18. VI, 2, 10, vgl.
anh. III, 2, 28.
Aus der AGEN-IDA ECCLE-|5/ilSr/Cil, SECVN'IDVU VSVM ECCLESLE. | VVyrzeburgensis. | Qua
(taeremöniae, Sene*idictiones alijq) ritus mystici, qui maxi-lme circa diuinorum Sacramentorum | admini-
strationem obseruandi atq; v-{surpandi sunt, compreheüduntur. | lussu & authoritate Reuerendisrimi | in
Christo patris ac Domini, D. FRI-IDERICI Episcopi V Vyrzeburgen : | & orientalis Francis Ducis inclyti, {
denub diligenter recognita, & pln-lrimis in locis cum pijs quibusdam | orationibus, tum vulgaribus ad po-|
pulum exhortationibus aucta | & illustrata. 2^. Datum der Praefatio: VVjprzeburgo die 27, Mensis lunijj
Anno Domini 1564. Auch mit anderer vorrede (TYPOGRAPHVS AD CHRISTIANVM LECTOREM.) unter dem
titel AGEN-IDA EGCLE-ISIASTICA, SIVE \ Caeremoniarum, Bene«|dictionum aliorumque mysticorum ri-!tuum,
quibus Catholica Ecdesia maxi-lme circa diuinorum Sacramentorum | administrationem vti solita est, |
LIBER: I Plurimis in locis cum pijs quibusdam \ Orationibus, tum vulgaribus ad popu-llum exhortationibus
ita auctus & illu-lstratus: vt facile in qualibet Dioecesi | ab omnibus pijs Sacerdotibus ac | pastoribus
obseruari atque | vsurpari possit. | VVYRZEBVK6I | Excudebat Joannes Bauman, Anno Düi. | M. D. LXIIII.
2®. Diese beiden rituale stimmen mit den in anh. I, 1. 2 abgedruckten der hauptsache nach überein und
es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die letzteren ebenfalls aus Würzburg stammen. Ich habe mich
nach langem bedenken dennoch zu ihrer aufnähme entschlossen, weil sie in den oster- und passionsspieleu
i
136 I- DIE LATEINISCHEN OSTERFEIERN.
der ausgaDgspunkt oder die grundlage einiger Szenen geworden sind und der einblick in die vollständige
rituale und Zeremonien erst eine richtige anschauung über das gegenseitige verbältniss von kirche ui
Schauspiel hervorbringen wird, was die an den bezüglichen stellen ausserhalb ihres Zusammenhanges ai
geführten responsorien etc. allein nicht vermöchten. Ueberdies enthalten diese rituale auch mehrere wicl
tige responsorien, welche in den früheren fehlten. Anh. VI, 1, 20 Beee quomodo moritur iustus etc. werdi
wir in den passionspielen in der die bestattung des leichnams Jesu behandelnden szene wiederholt ai
treffen, wie wir anh. VI, l, 2b Ne forte veniant diseipuli etc. als den ausgangspunkt für den ersten al
^ des mysteriums aus Tours schon kennen gelernt haben, vgl. oben s. 112. Aber auch für die lateinische
osterfeiem sind sie nicht ohne interesse. Durch die aufnähme der vollständigen Sequenz Viethnae paseha
und des vom volke mit gesungenen Christ ist erstanden ist die offizielle auferstehungsfeier gegen die rege
aus der matutin in die feier der kreuzerhebung verlegt worden, welche sonst ganz in der stille vor tages
»
Anbruch und vor ankunft der gemeinde von den klostergeisdichen allein begangen zu werden pflegte. Um
wenn die im anh. I, 1 . 2. 3 mitgeteilten rituale sich wirklich als aus Würzbui^ herrührend ergeben, so erhaltei
wir hier zugleich ein zeugniss, dass in dieser diözese die noch am ende des 15. Jahrhunderts übliche drama
tische osterfeier im jähre 1564 aufgegeben war und dafür die gemeinde schon bei der kreuzerhebung zu-
gelassen wurde, an der sie durch die mit dem Toltite portas etc. (anh. VI, 2, 7 ff.) verbundene prozession
und die absingung der sequenz und des Christ ist erstanden tätigen anteil nahm. — Der hymnus Ad eoe-
nam agni proiddi, jedoch ohne die letzte strofe, steht bei Daniel, Thesaurus hymnologicus I, pag. 37; bei
Wackemagel, Das deutsche kirchenlied 1, s. 81 fehlt auch die vorletzte; ob Mone no 161 vollständig ist,
kann ich, da mir der leider seit einiger zeit vergriffene erste band seiner lateinischen bymneo feMty
nicht angeben.
Auch das OBSEQVIALE SMVE BENEDICTIONALE, | QVOD AGENDAM APPELLANT SE-amdum
ritum & consuetudinem S. Metropolitanse | Pragensis Ecclesiaß. | PRA6i£, | APVD MICHAELEM PETERLY..
M. D. LXXXV. 2^ enthält die obigen rituale In die parasceues fol. cxxi b ff.. De sepvltvra domini fol
cxxviii a ff. als unmittelbare fortsetzung jenes und De sepvlchri visitatione in nocte sancta paschali fol.
cxliii a ff. Die ersten beiden sind der obigen im ganzen gleich und auch hier erscheint das Ne forte
veniant disüipuli etc., das letzte dagegen ist von dem obigen vöUig verschieden und nur etwa wegen der
^ darin vorkommenden antifonen Regina coeli (vgl. Daniel, Thesaurus hymnologicus II, 319) und Speciosa
facta est et suauis in ddicOs tuis für die passionsspiele von bedeutung.
Die von Denis verzeichnete Visitatio sepulchri in nocte paschatis, welche oben s. 25 als noch nichl
näher bekannt erwähnt wurde und in der wiener pergamentbandschrift no 2008, einem mtssale aus den
15. Jahrhundert, pag. 46. 47 steht, ist, wie ich aus einer mir von herm dr Sauer in Wien gütigst mitge
teilten abschrift ersehe, ebenfalls nur ein rituale ohne dramatische darstellung und ohne irgendwelche f&i
die geschichte des geistlichen Schauspiels bemerkenswerte texte oder gebrauche.
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