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Full text of "Die periphere Innervation; kurze übersichtliche Darstellung des Ursprungs, Verlaufs und der Ausbreitung der Hirn- und Rückenmarksnerven, mit besonderer Berücksichtigung wichtigster pathologisher Verhältnisse"

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EMIL  VILLIGER 

DIE  PERIPHERE  INNERVATION 


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DIE 

PERIPHERE  INNERVATION 

KURZE  ÜBERSICHTLICHE  DARSTELLUNG 

DES  URSPRUNGS,  VERLAUFS  UND  DER  AUSBREITUNG 

DER  HIRN-  UND  RÜCKENMARKSNERVEN 

MIT  BESONDERER  BERÜCKSICHTIGUNG 
WICHTIGSTER  PATHOLOGISCHER  VERHÄLTNISSE 

VON 


DR.  MED.  EMIL  VILLIGER 

PRIVATDOZENT  FÜR  NEUROLOCIE  UND  NEUROPATHOLOOIE 
AN  DER  UNIVERSITÄT  BASEL 


MIT  18  FIGUREN  IM  TEXT 


LEIPZIG 
VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN 

1908 


Alle  Rechte,  insbesondere  das  der  Übersetzung,  vorbehalten. 


Einleitung. 


Einteilung  und  Ursprungsweise 
der  peripheren  Nerven. 

Das  periphere  Nervensystem  umfaßt  die  vom  Gehirn  und  Rückenmark 
abgehenden  Nerven,  Nn.  cerebrales  und  Nn.  spinales,  und  die  mit  ihnen  in 
Verbindung  stehenden  Nervenknoten  oder  Ganglien. 

Aus  dem  Gehirn  treten   12  Paare  von  Hirnnerven  aus: 

I.  Nn.  olfactorii, 

li.  N.  opticus, 

III.  N.  oculomotorius, 

IV.  N.  trochlearis, 
V.  N.  trigeminus, 

VI.  N.  abducens, 

VII.  N.  facialis  (und  N.  intermedius), 

VIII.  N.  acusticus, 

IX.  N.  glossopharyngeus, 

X.  N.  vagus, 

XL  N.  accessorius, 

XII.  N.  hypoglossus. 

Die  aus  dem  Rückenmark  austretenden  Nn.  spinales  werden  .^unterschieden 
als  Nn.  cervicales,  Nn.  thoracales,  Nn.  lumbales,  Nn.  sacrales  und  N.  coccygeus. 
Die  Gesamtzahl  beträgt  31  Paare:  '* 


Nn.  cervicales 

8  Paare 

Nn.  thoracales 

12       » 

Nn.  lumbales 

5       » 

Nn.  sacrales 

5       * 

N.  coccygeus 

I  Paar. 

Villiger,  Die  periphere  Innervation. 


42099 


2  Einleitung. 

Bezüglich  ihrer  Funktion  teilt  man  die  peripheren  Nerven  in  2  Hauptgruppen 
ein,  in  centrifugale  und  in  centripetale  Nerven.  Die  centrifugalen  Nerven 
dienen  dazu,  Erregungen  vom  Centralnervensystem  aus  auf  periphere  Organe, 
vor  allem  auf  die  Organe  der  Bewegung,  die  Muskeln,  zu  übertragen.  Man 
bezeichnet  sie  allgemein  als  motorische  Nerven.  (Centrifugale  Nerven  sind 
auch  die  sekretorischen  und  hemmenden  Nerven.)  Die  centripetalen  Nerven 
leiten  umgekehrt  von  der  Peripherie  kommende  Erregungen  dem  Central- 
nervensystem zu;  durch  sie  erhalten  wir  einmal  Kenntnis  von  dem,  was  außer- 
halb uns  in  der  Natur  vorgeht  (höhere  Sinnesnerven),  sie  vermitteln  uns  aber 
auch  Nachrichten  von  den  Vorgängen ,  die  sich  in  allen  Organen  unseres 
eigenen  Körpers  abspielen,  Nachrichten,  die  uns  zum  Teil  bewußt  werden, 
und  Nachrichten,  die,  ohne  daß  wir  davon  wissen,  fortwährend  auf  die  ver- 
schiedensten Verrichtungen  unseres  Körpers  regulierend  einwirken.  Man  be- 
zeichnet die  centripetalen  Nerven  allgemein  auch  als  sensible  Nerven. 
Rein  motorische  Nerven  sind  die  Nn.  cerebrales: 

N.  oculomotorius, 

N.  trochlearis, 

N.  abducens, 

N.  facialis, 

N.  accessorius, 

N.  hypoglossus. 
Rein    sensible  (oder  besser  sensorielle)  Nerven  sind  die  Nn.  cerebrales: 

Nn.  olfactorii, 

N.  opticus, 

N.  acusticus. 
Gemischte  Nerven  sind  die  Nn.  cerebrales: 

N.  trigeminus, 

N.  glossopharyngeus, 

N.  vagus 
und  sämtliche  Nn.  spinales;  sie  führen  sowohl  motorische  wie  sensible  Fasern. 
Die  motorischen  Nerven  nehmen  ihren  Ursprung  in  bestimmten 
centralen  grauen  Massen.  Was  zunächst  die  motorischen  Hirnnerven  betrift"t, 
so  bezieht  jeder  motorische  Hirnnerv  seine  Fasern  aus  einem  bestimmten 
Kern;  die  Fasern  sind  nichts  anderes  als  die  Nervenfortsätze  oder  Axen- 
cylinder  (Neuriten)  der  diesen  Kern  bildenden  Nervenzellen.  Die  vom  Rücken- 
mark ausgehenden  motorischen  Fasern  entspringen  in  den  Vorderhörnern  des 
Rückenn^arks;  die  Fasern  sind  die  Nervenfortsätze  der  hier  gelegenen  großen 
motorischen  Vorderhcrnzellen,  sie  verlassen  das  Rückenmark  als  vordere 
motorische  Wurzeln. 

Die  Fasern  der  sensiblen  Nerven  (die  Nn.  olfactorii  und  der  N.  opticus 
sind   davon   auszuschließen,    da    sie    ein    besonderes,    den   übrigen  peripheren 


Einteilung  und  Ursprungsweise  der  peripheren  Nerven.  ^ 

Nerven  nicht  vergleichbares  Verhalten  zeigen)  nehmen  ihren  Ursprung  in  be- 
stimmten außerhalb  des  Centralnervensystems  gelegenen  Cianglien,  den  Cerebro- 
spinalganglien.  Die  diese  Ganglien  bildenden  Nervenzellen  sind  (mit  Aus- 
nahme derjenigen  der  Acusticusganglien)  unipolare  Elemente.  Der  Nerven- 
fortsatz der  Zellen  teilt  sich  bald  nach  seinem  Ursprung  aus  der  Zelle  in  zwei 
Äste,  von  denen  der  eine  nach  der  Peripherie,  der  andere  centralwärts  zieht. 
Die  Erregung  gelangt  nun  zunächst  von  der  Peripherie  durch  den  peripheren 
Ast  zur  Ganglienzelle  und  dann  von  dieser  aus  durch  den  centralwärts  ver- 
laufenden Ast  zum  Centralorgan.  Bei  den  sensiblen  Hiinnerven  enden  die 
centralen  Äste  innerhalb  des  Gehirns  in  bestimmten  zugehörigen  grauen 
Massen,  die  als  sensible  Endkerne  bezeichnet  werden.  Bei  den  sensiblen 
Rückenmarksnerven  wird  die  Erregung  ebenfalls  zunächst  von  der  Peripherie 
zum  Spinalganglion  und  dann  von  da  aus  durch  die  centralen  Aste  der  Nerven- 
fortsätze der  Spinalganglienzellen  dem  Rückenmark  zugeleitet.  Diese  centralen 
Äste  sind  hier  die  in  das  Rückenmark  eintretenden  hinteren  sensiblen  Wurzeln. 

Betrachten  wir  nun  die  Bildung  eines  peripheren  gemischten  Nerven. 
Wie  entsteht  ein  Rückenmarksnerv? 

Jeder  Spinal-  oder  Rückenmarksnerv  entsteht  durch  Vereinigung  von  zwei 
aus  dem  Rückenmark  austretenden  Wurzeln.  Die  vordere  motorische  Wurzel, 
Radix  anterior,    entsteht    durch 

Vereinigung  mehrerer  aus  dem  '^^"spinaie       ,  .Ramus  posterior 

Sulcus  lateralis  anterior  des 
Rückenmarks  austretender  vor- 
derer Wurzelfäden.    Die  hintere       I     v<^;;  ^^i^^i^    1       /^  y^Ramusanfenor 


sensible  Wurzel,  Radix  posterior,  -,,.—«    -w 

V^         /    I  y^'  Ganglion 

entsteht  durch  Veremigung  meh-  '  v — -^  des 


Sympafhicus 

ellun« 
der  Spinalnerven. 


rerer  aus   dem   Sulcus   lateralis 

,       T-, ..    ,  ,  Fig.   I.     Schematische  Darstellung  des  Ursprungs 

posterior  des  Ruckenmarks  aus-  der  Spinalnerven 

tretender  hinterer  Wurzelfäden. 

Beide  Wurzeln   ziehen   lateralwärts    und    bilden    durch  ihre  Vereinigung  einen 

gemischten   Rückenmarksnerven.     Unmittelbar   vor    der  Vereinigung   zeigt    die 

sensible  Wurzel  eine  kleine  Anschwellung,  das  Ganglion  spinale. 

Wie  bereits  erwähnt,  sind  die  vorderen  motorischen  Wurzelfäden  die  Nervenfortsätze 
der  im  Vorderhorn  des  Rückenmarks  gelegenen  großen  motorischen  Vorderhornzellen.  Die 
hinteren  sensiblen  Wnrzelfäden  nehmen  ihren  eigentlichen  Ursprung  im  Ganglion  spinale. 
Die  Nervenfortsätze  der  in  diesen  Spinalganglien  gelegenen  unipolaren  Ganglienzellen  teilen 
sich  in  zwei  Äste.  Die  einen  Äste  ziehen  peripherwärts,  die  anderen  centralwärts,  und  diese 
letzteren  bilden  die  gegen  den  Sulcus  lateralis  posterior  des  Rückenmarks  ziehende  hintere 
Wurzel.  Die  hintere  Wurzel  tritt  also  eigentlich  nicht  aus  dem  Rückenmark 
aus,  sondern  dringt  in  dasselbe  ein.  Die  peripherwärts  ziehenden  Äste  vereinigen 
sich  mit  den  vorderen  Wurzeln  zum  peripheren  gemischten  Spinalnerven.  In  den  vorderen 
motorischen  Wurzeln  geht  die  Leitung  der  Erregung  vom  Rückenmark  zur  Peripherie,  für 
den  sensiblen  Teil  geht  sie  umgekehrt  von  der  Peripherie  zum  Spinalganglion  und  von  da 
durch  die  hintere  Wurzel  zum  Rückenmark. 


A  Einleitung. 

Jeder  Rückenmarksnerv  teilt  sich  im  weiteren  Verlaufe  in  einen  vorderen 
und  hinteren  Hauptast,  Ramus  anterior  und  Ramus  posterior,  von  denen  jeder 
sowohl  motorische  wie  sensible  Fasern  führen  kann.  Für  die  Rami  anteriores 
ist  dann  weiterhin  charakteristisch,  daß  sie  vielfach  Verbindungen  und  Durch- 
flechtungen  miteinander  eingehen,  wodurch  bestimmte  Geflechte,  Plexus,  ge- 
bildet werden,  aus  denen  dann  erst  die  eigentlichen  peripheren  Nerven 
hervorgehen,  die  dann  rein  motorisch  oder  sensibel  oder  gemischt  sein 
können. 

Da  bei  der  Plexusbildung  eine  Durchflechtung  zahlreicher  von  verschiedenen 
Rückenmarkswurzeln  herkommender  Fasern  stattfindet,  führt  der  aus  einem  Plexus 
hervorgehende  periphere  Nerv  Fasern  aus  verschiedenen  Rückenmarkswurzeln. 
Es  ist  nun  aber  zu  beachten,  daß  jede  Nervenwurzel,  trotz  der  Durchflechtung 
im  Plexus,  ein  ganz  bestimmtes  peripheres  Areal  versorgt.  Man  kann  sich 
das  ganze  Rückenmark  aus  einzelnen  aufeinanderfolgenden  Segmenten  (Neuro- 
meren)  aufgebaut  denken.  Von  jedem  Segment  geht  jederseits  ein  bestimmtes 
Wurzelpaar  aus:  die  einem  bestimmten  Rückenmarkssegment  zugeordneten 
vorderen  motorischen  Wurzeln  innervieren  stets  bestimmte  Muskelgruppen  (Myo- 
tome),  ebenso  entsprechen  den  einem  bestimmten  Rückenmarkssegment  zu- 
geordneten hinteren  sensiblen  Wurzeln  stets  bestimmte  Hautgebiete  (Dermatome). 
Diejenigen  Muskelgruppen,  die  von  einem  bestimmten  Rückenmarkssegment 
innerviert  werden,  sind  also  andere  wie  diejenigen,  die  von  einem  bestimmten 
peripheren  motorischen  Nerven  innerviert  werden,  und  ebenso  sind  die  von  einem 
bestimmten  Rückenmarkssegment  innervierten  Hautbezirke  wesentlich  andere  als 
die  von  einem  peripheren  sensiblen  Nerven  innervierten  Bezirke.  Die  segmen- 
tären  Hautbezirke  verlaufen  am  Rumpf  mehr  oder  weniger  horizontal,  an  den 
oberen  und  unteren  Extremitäten  in  Form  langgestreckter  Felder  von  der  Wurzel 
der  Extremität  peripherwärts  zu  Hand  und  Fuß.  Dabei  können  wir  uns  merken, 
daß  am  Arm  der  radialen  Seite  die  höher  oben  gelegenen  Rückenmarkssegmente 
(das  5.,  6.,  7.  Cervicalsegment),  der  ulnaren  Seite  die  tiefer  gelegenen  Rücken- 
markssegmente (das  8.  Cervicalsegment,  das  i.  und  2.  Thoracalsegment)  ent- 
sprechen, was  uns  leicht  verständlich  wird,  wenn  wir  uns  die  Arme  in  hori- 
zontaler Richtung  seitwärts  mit  der  Radialseite  nach  oben  ausgestreckt  denken. 
Am  Bein  entsprechen  im  allgemeinen  die  vorderen  segmentären  Hautbezirke 
den  Lumbaisegmenten,  die  hinteren  dagegen  den  Sacralsegmenten.  Dazu  ist 
noch  zu  bemerken,  daß  die  einzelnen  benachbarten  segmentären  Hautbezirke 
an  den  Rändern  einander  etwas  überdecken.  —  Wie  für  den  sensiblen  Teil, 
so  gilt  nun  dasselbe  auch  für  den  motorischen  Teil.  Auch  hier  haben  wir 
eine  Abgrenzung  bestimmter  Muskelgruppen,  entsprechend  den  zugehörigen 
Rückenmarkssegmenten,  Da  aber  die  einzelnen,  vor  allem  die  langen  Muskeln, 
durch  Verwachsen  mehrerer  Myotome  entstehen,  bezieht  ein  und  derselbe 
Muskel  Fasern  aus  verschiedenen  Wurzeln  bzw,  Rückenmarkssegmenten.  (Ver- 
gleiche die  am  Schlüsse  angeführten  Tabellen.) 


Motorische  und  sensible  Hauptbahnen.     Associations-  und  Refiexleitung.  c 

Die  Bildung  der  gemischten  Hirnnerven  (Nn.  trigeminus,  glossopharyngeus, 
vagus)  ist  analog  derjenigen  des  gemischten  Spinalnerven.  Auch  hier  haben 
wir  zwei  Wurzeln,  eine  motorische  und  eine  sensible,  zu  unterscheiden.  Be- 
trachten wir  den  N.  trigeminus  näher.  Er  tritt  mit  einer  dünneren  motorischen 
und  einer  dickeren  sensiblen  Wurzel  aus  der  Brücke  hervor.  Beide  Wurzeln 
ziehen  nach  vorn  zum  Sinus  cavernosus.  Wie  beim  Rückenmarksnerven,  so 
zeigt  nun  auch  hier  die  sensible  Wurzel  eine  Anschwellung,  sie  geht  in  das 
Ganglion  semilunare  Gasseri  über,  von  welchem  dann  die  drei  peripheren 
Hauptäste  ausgehen.  Die  motorische  Wurzel  hat  mit  diesem  Ganglion  nichts 
zu  tun,  sie  zieht  an  demselben  vorbei  und  gelangt  direkt  zum  dritten  Ast  des 
Trigeminus.  Dabei  verhalten  sich  die  beiden  Wurzeln  bezüglich  ihres  genaueren 
Ursprungs  gerade  so  wie  beim  Rückenmarksnerven.  Die  motorischen  Wurzel- 
fasern stammen  aus  den  Zellen  des  motorischen  Trigeminuskerns  innerhalb  der 
Brücke,  die  sensiblen  Wurzelfasern  sind  die  centralwärts  ziehenden  Teilungs- 
äste der  Nervenfortsätze  der  im  Ganglion  Gasseri  gelegenen  Ganglienzellen, 
deren  Endigung  im  sensiblen  Trigeminuskern  erfolgt. 


Motorische  und  sensible  Hauptbahnen. 
Associations^  und  Reflexleitung. 

Für  das  Zustandekommen  willkürlicher  Bewegungen  ist  notwendig,  daß 
die  einzelnen  motorischen  Nerven  oder  vielmehr  deren  Ursprungskerne  von  dem 
in  der  Hirnrinde  gelegenen  motorischen  Centrum  aus  erregt  werden.  Umgekehrt 
können  die  von  den  sensiblen  Nerven  geleiteten  Erregungen  nur  dann  zum 
Bewußtsein  gelangen,  wenn  sie  von  den  einzelnen  sensiblen  Endkernen  aus 
den  in  der  Hirnrinde  gelegenen  sensiblen  oder  sensorischen  Centren  zugeführt 
werden.  Das  führt  uns  nun  zur  näheren  Betrachtung  der  motorischen  und 
sensiblen  Hauptbahnen. 

A.    Motorische  Bahn. 

Sie  nimmt  ihren  Ursprung  in  der  motorischen  Region  der  Hirnrinde. 

Das  motorische  Centrum  umfaßt  die  Centrahvindungen ,  die  hinteren  Teile  der 
Frontalwindungen,  den  Lobulus  paracentralis  und  zerfällt  in  folgende  Regionen : 

a)  Obere  Region  —  Lobulus  paracentralis  und  oberer  Teil  der  Centrahvindungen  — 
Centrum  für  die  Bewegungen  der  unteren  Extremität. 

Der  größte  Teil  der  oberen  Frontahvindung,  speziell  das  dem  Lobulus  paracentralis 
und  den  Centralwindungen  angrenzende  Gebiet,  bildet  das  Centrum  für  die  Bewegungen  der 
Rumpfmuskeln. 

b)  Mittlere  Region  —  mittlerer  Teil  der  Centrahvindungen  —  Centriim  für  die 
Bewegungen  der  oberen  Extremität. 

c)  Untere  Region  —  unterer  Teil  der  Centralwindungen  —  Centmm  für  die  Be- 
wegungen der  Gesichtsmuskeln. 


6 


Einleitung. 


Die  motorisclien  Regionen  für  Zunge,  Kehlkopf,  Kiefer  und  Schlund  werden  in  das 
Operculum  lokalisiert,  die  motorische  Region  für  associierte  Kopf-  und  Augenwendung  liegt 
im  hinteren  Teile  der  mittleren  Frontal windung;  die  motorische  Region  für  die  Augen- 
muskulatur nimmt  den  Lobulus  parietalis  inferior,  speziell  dessen  vorderen  Teil  und  den 
Gyrus  supramarginalis,  ein. 

Die  gesamte  motorische,  von  der  motorischen  Region  der  Hirnrinde  bis 
zum  Muskel  ziehende  Bahn  setzt  sich  aus  zwei  Neuronen,  aus  einem  centralen 
und  einem  peripheren  Neuron,  zusammen. 


Cortico-biilbäre  Bahn  - 


Cortico-spinale  Bahn 


Pyramiden- 
vorder strangbahn 


Pyratniden- 
seitenstr  angbahn 


N.  trigewinus 
{motorischer   Teil) 


N.  glossopharyngeus  u. 
vngus  {motorischer   Teil) 

N.  hyfoglossus 

N.  accessoriits 


Fig.  2.     Cortico-bulbäre  und  cortico-spinale  Bahn. 


I.   Centrales  Neuron. 

Die  Fasern  sind  die  Nervenfortsätze  der  in  der  motorischen  Hirnrinden- 
region gelegenen  Pyramidenzellen.  Sie  ziehen  durch  die  innere  Kapsel  (Knie 
und    vordere   zwei   Drittel   des   hinteren    Schenkels),    durch   den   Hirnschenkel 


Motorische  und  sensible  Hauptbahnen.     Associations-  und  Reflexleitung.  n 

(drei  mittlere  Fünftel  des  Hirnschenkelfußes)  und  durch  die  Brücke  nach  der 
Medulla  oblongata  und  dem  Rückenmark.  Die  ganze  Bahn  zerfällt  in  die 
cortico-bulbäre  und  in  die  cortico-spinale  Bahn. 

a)  Cortico-bulbäre  Bahn   oder  Bahn   der   motorischen  Hirnnerven. 

Der  Ursprung  der  Fasern  ist  nur  für  die  Bahn  des  Facialis  und  Hypo- 
glossus  bekannt,  die  Fasern  entspringen  in  der  Rinde  des  unteren  Teils  der 
Centrahvindungen.  Die  Bahn  zieht  durch  die  innere  Kapsel  (Knie)  zum  Hirn- 
schenkelfuß, die  Endigung  erfolgt  in  den  contralateralen  Kernen  der  motorischen 
Hirnnerven. 

In  der  Rinde  des  hinteren  Teils  der  unteren  Frontalwindung  fBROCAsche  Windung 
oder  Centrum  der  motorischen  Aphasie)  nimmt  die  motorische  Sprachbahn  ihren  Ursprung 
und  zieht  zu  den  Kernen  der  beim  Sprechen  notwendigen  Nerven. 

b)  Cortico-spinale  Bahn  oder  Bahn  der  motorischen  Spinalnerven 

—  Tractus  cerebro-spinalis,  Pyramidenbahn  — . 

Die  Fasern  entspringen  in  der  Rinde  des  Lobulus  paracentralis  und  des 
oberen  und  mittleren  Teils  der  Centrahvindungen,  ziehen  durch  die  innere 
Kapsel  (vordere  zwei  Drittel  des  hinteren  Schenkels),  durch  den  Hirnschenkel- 
fuß und  durch  die  Brücke  nach  der  Medulla  oblongata.  Beim  Übergang  der 
Medulla  oblongata  in  das  Rückenmark  kreuzen  sich  die  Fasern  der  Pyramiden- 
bahn —  Pyramiden  kreuz  ung  — .  Diese  Kreuzung  ist  aber  keine  voll- 
ständige. Ein  kleiner  Teil  der  Fasern  zieht  ungekreuzt  weiter  und  verläuft 
im  Vorderstrang  des  Rückenmarks  als  Pyramidenvorderstrangbahn,  Fas- 
ciculus  cerebro-spinalis  anterior;  die  Endigung  der  Fasern  erfolgt  im 
Vorderhorn  des  Rückenmarks  und  zwar  im  contralateralen  Vorderhorn  (Verlauf 
der  Fasern  durch  die  vordere  Commissur).  Der  größere  Teil  der  Fasern  zieht 
auf  die  andere  Seite  und  verläuft  im  Seitenstrang  des  Rückenmarks  .als  Pyra- 
midenseitenstrangbahn,  Fasciculus  cerebro-spinalis  lateralis;  die 
Endigung  der  Fasern  erfolgt  im  Vorderhorn  des  Rückenmarks,  und  zwar  im 
gleichseitigen  Vorderhorn. 

II.   Peripheres  Neuron. 

a)  Ursprung  in  den  Kernen  der  motorischen  Hirnnerven,  Verlauf  als  mo- 
torische Hirnnerven  zu  den  Muskeln, 

b)  Ursprung  im  Vorderhorn  des  Rückenmarks  (Vorderhornzellen).  Verlauf 
als   motorische   Rückenmarksnerven  —  vordere  Wurzeln  —  zu   den   Muskeln. 

Der  Verlauf  der  motorischen  Bahn  erklärt  uns,  daß  die  Bewegungen,  welche 
durch  Reizung  der  motorischen  Region  ausgelöst  werden,  sich  wesentlich  auf 
die  Muskeln  der  gekreuzten  Körperhälfte  beziehen,  oder  daß  bei  einer  Zer- 
störung des  centralen  Neurons  der  motorischen  Bahn  eine  Lähmung  der  Muskeln 
der  contralateralen  Körperhälfte  eintritt. 


3  Einleitung. 

B.   Sensible  Bahn. 

Die  ganze   von   der   Peripherie   zur   Hirnrinde   ziehende  Bahn  setzt   sich 
aus  mehreren  aufeinanderfolgenden  Neuronen  zusammen. 


Tracius  spino-thalamicus 


Hinter  strangkerne 


Fig.  3.     Sensible  Bahn. 

I.  Aus  dem  Rückenmark  aufsteigende  sensible  Bahnen. 

a)   Bahn  für  die  Leitung  des  Muslcelsinnes  des  Rumpfs  und  der 

Extremitäten. 
Neuron  I:  Die  Erregung  wird  von  der  Peripherie  den  in  den  Spinal- 
ganglien gelegenen  Ganglienzellen  und  von  diesen  durch 
hintere  Wurzeln  dem  Rückenmark  zugeleitet.  Diese  hinteren 
Wurzeln  bilden  ein  kleines  mediales  Bündel,  dessen  Fasern 
medial  vom  Hinterhorn  (in  der  Wurzeleintrittszone]  in  das 
Rückenmark   eintreten  und  sich  hier  in  auf-  und  absteigende 


Motorische  und  sensible  Hauptbahnen.     Associations-  und  Reflexleitung.  q 

Äste  teilen.  Die  absteigenden  Äste  enden  nach  kurzem  Ver- 
lauf in  der  grauen  Substanz  des  Rückenmarks,  die  aufsteigen- 
den Äste  ziehen  als  Hinterstrangfasern  zur  Medulla  oblongata 
empor  und  finden  daselbst  ihre  Endigung  in  den  Hinter- 
strangkernen. 

Neuron  11:  Ursprung  in  den  Hinterstrangkernen,  Verlauf  nach  Kreuzung 
als  mediale  Schleife  zum  Thalamus  und  Endigung  daselbst. 

Neuron  III:  Ursprung  im  Thalamus.  Verlauf  zum  Teil  direkt  durch  die 
innere  Kapsel,  teils  erst  nach  Durchtritt  durch  den  Linsen- 
kern zur  Körperfühlsphäre  in  der  Hirnrinde. 

Die  Fühlsphäre  fällt  zum  Teil  mit  dem  motorischen  Centrum  zusammen,  dehnt  sich 
aber  auch  noch  auf  den  Parietallappen  aus. 

b)    Bahn  für  die  Leitung  der  Berührungs-,  Temperatur-  und 
Schmerzempfindung  des  Rumpfes  und  der  Extremitäten. 

Neuron  I:  Die  Erregung  wird,  wie  bei  der  Leitung  des  Muskelsinnes, 
von  der  Peripherie  zu  den  Spinalganglien  und  von  diesen 
durch  hintere  Wurzelfäden  zum  Rückenmark  geleitet.  Diese 
hinteren  Wurzeln  bilden  ein  kleines  laterales  Bündel,  dessen 
Fasern  im  Bereich  der  LissAUERSchen  Randzone  (zwischen 
Hinterhorn  und  Peripherie  des  Rückenmarks)  sich  in  auf-  und 
absteigende  Fasern  teilen,  die  in  der  grauen  Substanz  des 
Rückenmarks  ihre  Endigung  finden. 

Neuron  II:  Ursprung  in  der  grauen  Substanz  des  Rückenmarks.  Die 
Fasern  ziehen  als  die  Nervenfortsätze  von  Commissurenzellen 
durch  die  vordere  Commissur  zum  contralateralen  Seitenstrang 
und  bilden  den  Tractus  spino-thalamicus,  der  sich 
weiter  oben  der  medialen  Schleife  anschließt  und  mit  dieser 
im  Thalamus  endet. 

Neuron  III:  Ursprung  im  Thalamus  und  Endigung  in  der  Körperfühl- 
sphäre. 

II.  Sensible  Hirnnervenbahnen. 

a)  Die  Bahn  für  die  Leitung  des  Muskelsinnes  für  das  Gesicht 
liegt  wahrscheinlich  im  Trigeminus,  diejenige  des  Kehlkopfs  wahrscheinlich 
im  Vagus. 

b)  Die  Bahn  für  die  Leitung  der  Berührungs-,  Temperatur- 
und  Schmerzempfindung  für  die  Haut  des  Kopfs,  ferner  für  die  Schleim- 
häute des  Auges,  der  Nasenhöhle,  der  Mundhöhle  und  Zunge,  des  Gaumens 
und  Schlundes  usw.  liegt  im  Trigeminus,  Glossopharyngeus  oder  Vagus. 

c)  Die  Bahn  der  visceralen  Reize  von  Lunge,  Herz,  Speiseröhre, 
Magen  usw.  liegt  im  Vagus  (und  Sympathicus). 


JO  Einleitung. 

Die  Erregung  wird  von  der  Peripherie  zu  den  Ganglien  der  betreffenden 
Nerven  und  von  da  nach  ihren  sensiblen  Endkernen  geleitet.  (Neuron  I.)  An 
dieses  I.  periphere  Neuron  schließt  sich  ein  ]I.  centrales  Neuron  an.  Es  nimmt 
seinen  Ursprung  in  den  sensiblen  Endkernen.  Die  Fasern  ziehen  mit  der 
medialen  Schleife  weiter  und  enden  im  Thalamus.  Von  da  zieht  das  III.  Neuron 
zur  Hirnrinde. 

Die  Bahn  der  Gleichgewichtsreize  liegt  im  N.  vestibularis,  sie  findet  ihre 
Endigung  im  Kleinhirn.  Die  Bahnen  für  Geschmacks-,  Geruchs-,  Gehör-, 
Gesichtsreize  liegen  in  den  zugehörigen  Sinnesnerven.  Die  ganze  Leitung  von 
den  Sinnesorganen  bis  zu  den  in  der  Rinde  gelegenen  Sinnescentren  setzt  sich 
aus  mehreren  Neuronen  zusammen.  Wir  werden  darauf  bei  der  Besprechung 
der  einzelnen  Sinnesnerven  näher  eintreten. 

C.   Associations-  und  Reflexleitung. 

Zwischen  der  motorischen  und  sensiblen  Leitung  existieren  nun  noch  zwei 
Hauptverbindungsleitungen,  die  Associationsleitung  und  die  Reflexleitung. 

Durch  die  Reflexleitung  wird  eine  reflectorische,  von  psychischen  Vor- 
gängen nicht  begleitete  Bewegung  ausgelöst,  der  Reflex.  Durch  die  Associations- 
leitung kommt  eine  bewußte  willkürliche  Handlung  zustande.  Die  Reflexleitung 
erfolgt  durch  die  Reflexcollateralen ,  die  Associationsleitung  durch  die  Asso- 
ciationsfasersysteme  innerhalb  der  Großhirnhemisphären. 

Vergleichen  wir  zur  Orientierung  Fig.  4.  Eine  von  der  Peripherie  kommende 
Erregung  wird  zur  Spinalganglienzelle  und  von  dieser  durch  die  hintere  Wurzel 
dem  Rückenmark  zugeleitet.  Bevor  sich  die  in  das  Rückenmark  eintretende 
Faser  in  auf-  und  absteigenden  Ast  teilt,  gibt  sie  einen  feinen  Collateralast 
ab,  der  zur  motorischen  Vorderhornzelle  zieht.  Durch  diese  Reflexcollaterale 
wird  die  Erregung  direkt  auf  die  Vorderhornzelle  und  von  dieser  auf  den 
Muskel  übertragen.  Eine  solche  Reflexcollaterale  sehen  wir  auch  im  IL  Quer- 
schnitt von  der  im  Hinterstrang  aufsteigenden  Faser  abtreten.  Als  Beispiel  sei 
der  Patellarreflex  erwähnt.  Beklopft  man  bei  schlaff  herabhängendem  Unter- 
schenkel die  Patellarsehne  (unterhalb  der  Patella)  mit  dem  Perkussionshammer, 
dann  erfolgt  unwillkürlich  eine  Zuckung  im  M.  quadriceps  femoris,  wodurch 
der  Unterschenkel  gestreckt  und  nach  vorn  bewegt  wird.  Die  ganze  Bahn, 
die  sich  aus  dem  peripheren  sensiblen  Neuron,  aus  der  von  diesem  abgehenden 
Reflexcollaterale  und  aus  dem  peripheren  motorischen  Neuron  zusammensetzt, 
wird  auch  als  Reflexbogen  bezeichnet.  Die  motorischen  Zellen,  in  unserm 
Falle  die  Vorderhornzellen  im  Rückenmark,  bilden  das  Reflexcentrum. 

Die  Erregung  kann  nun  aber  durch  die  im  Hinterstrang  des  Rückenmarks 
aufsteigenden  Fasern  auch  weiter  nach  oben  und  via  Hinterstrangkerne  und 
Thalamus  zur  Hirnrinde  geleitet  werden  und  daselbst  zum  Bewußtsein  gelangen. 
Hier  treten  dann  die  einzelnen  Associationsfasersysteme  in  Funktion,  die  moto- 
rische Region  kann  erregt  werden,  die  Erregung  gelangt  durch  die  motorische 


Zur  Pathologie  der  motorischen  Bahn. 


II 


Bahn  zu   bestimmten  Muskeln,   und   es  erfolgt  auf  diese  Weise  eine  bewußte 
willkürliche  Handlung. 


Fig.  4.     Associationsleitnng  und  Reflexleitung. 


Zur  Pathologie  der  motorischen  Bahn. 

A.  Lähmungserscheinungen. 

Kann  ein  bestimmter  Muskel  oder  eine  bestimmte  Muskelgruppe  willkür- 
lich nicht  mehr  in  Bewegung  versetzt  werden,  dann  spricht  man  von  Lähmung 
des  Muskels  oder  der  Muskelgruppe.  Dabei  kann  die  willkürliche  Beweglich- 
keit vollkommen  aufgehoben  sein,  oder  es  existiert  bloß  eine  Einschränkung 
oder  Abschwächung  derselben.  Im  ersten  Fall  spricht  man  von  Paralyse, 
im  zweiten  von  Parese. 

Bezüglich  der  Art  der  Lähmung  hat  man  zu  unterscheiden  funktionelle 
und    organische   Lähmungen.     Funktionelle  Lähmungen    sind   durch   krank' 


12 


Einleitung. 


hafte  psychische  Vorgänge  bedingte  Lähmungen,  bei  denen  eine  bestimmte 
Veränderung  in  den  Muskehi  oder  Nerven  nicht  nachgewiesen  werden  kann. 
Es  sind  meist  hysterische  Lähmungen,  die  vor  allem  größere  funktionell  zu- 
sammengehörige Muskelgruppen  oder  ganze  Gliedmaßen  oder  Apparate  (Sprach- 
apparat) betreffen.  »Die  hysterische  Lähmung  ist  eine  Aufhebung  von  Funk- 
tionen, sie  besteht  in  einem  Abhandenkommen  eines  ganzen  Gliedes  für  den 
Willen  und  die  Vorstellung  des  Kranken.«  Bei  organischen  Lähmungen  liegt 
immer  eine  Läsion  der  motorischen  Leitungsbahn  vor. 


Armcentrum 


Beincpnrrum     Beincenfrum 


Facialis 


M^pogl055U5 


Armcenfrum 


Facialis 


Hypogloisus 


zur 
Armmushulafur 


zur 
Beinmushularur 


Fig.  5.     Schematische  Darstellung  des  Verlaufs  der  motorischen  Bahn. 


Je  nach  dem  Sitz  der  Läsion  unterscheidet  man  centrale  und  peri- 
phere Lähmungen. 

I.  Centrale  Lähmungen.  Sie  beruhen  auf  einer  Läsion  des  centralen 
Neurons  der  corticomusculären  Leitungsbahn.  Je  nach  dem  die  Läsion  im  Ge- 
hirn oder  Rückenmark  liegt,  spricht  man  von  cerebraler  oder  spinaler  Lähmung. 

a)  [Cerebrale  Lähmung.  Der  Typus  der  cerebralen  Lähmung  ist  die 
Hemiplegie  (Hemiparese) ,  die  Lähmung  einer  Körperhälfte.  Bei  totaler 
Hemiplegie,  Hemiplegia  completa  (Fig.  5,  c/),  handelt  es  sich  um  Zerstörung 
einejr    ganzen    von    einer    Hemisphäre    at)steige|iden    motorischen    Bahn.      In 


Zur  Pathologie  der  motorischen  Bahn.  j  n 

solchen  Fällen  sitzt  die  Läsion  meist  innerhalb  jener  von  der  inneren  Kapsel 
—  durch  den  Hirnschenkel  und  die  Brücke  —  bis  zur  Pyramidenkreuzung  in 
der  Medulla  oblongata  reichenden  Strecke  einer  motorischen  Bahn,  da  auf 
dieser  Strecke  sämtliche  absteigenden  motorischen  Fasern  auf  ein  kleines 
Querschnittsfeld  zusammengedrängt  sind').  Am  häufigsten  sitzt  die  Läsion  in 
der  inneren  Kapsel  (Knie  und  vordere  zwei  Drittel  des  hinteren  Schenkels), 
nicht  so  häufig  im  Hirnschenkel  und  in  der  Brücke.  Bleibt  bei  einer  Läsion 
der  motorischen  Bahn  innerhalb  der  inneren  Kapsel  das  Knie  der  inneren 
Kapsel  verschont,  dann  sind  die  Nn.  facialis  und  hypoglossus  an  der  Lähmung 
nicht  beteiligt,  man  spricht  dann  von  einer  Hemiplegia  incompleta  (Fig.  5,  l>). 
Sitzt  eine  Läsion  in  der  Hirnschenkelgegend,  dann  werden  oft  die  daselbst 
medial  vom  Hirnschenkel  austretenden  Fasern  des  N.  oculomotorius  mit  ge- 
troff"en.  Zur  gekreuzten  Hemiplegie  kommt  dann  eine  gleichseitige  Oculomo- 
toriuslähmung hinzu:  Hemiplegia  alternans  oculomotoria  (WEBERsche 
Lähmung  —  Fig.  5,  c).  Eine  Hemiplegia  alternans  findet  man  auch  bei 
Brückenaffektionen  und  bei  Läsionen  im  Bereich  der  Medulla  oblongata.  So 
kann  bei  Brückenläsion  eine  Lähmung  der  Extremitäten  auf  der  einen  Seite 
und  eine  Lähmung  des  N.  facialis  auf  der  anderen  Seite  vorkommen:  Hemi- 
plegia alternans  facialis  (GuBLERSche  Lähmung  —  Fig.  5,  d).  Weitere 
Combinationen  wären:  gekreuzte  Extremitätenlähmung  mit  einseitiger  Lähmung 
des  Abducens  oder  gekreuzte  Hemiplegie  mit  gleichseitiger  Hypoglossus-  oder 
Zungenlähmung. 

Hemiplegie  infolge  vollständiger  Zerstörung  der  ganzen  motorischen  Hirn- 
rindenregion einer  Hemisphäre  ist  der  großen  Ausdehnung  des  motorischen 
Centrums  wegen  selten.  Corticale  Erkrankungen  sind  mehr  auf  circumscripte 
Bezirke  beschränkt,  und  Lähmungen  infolge  corticaler  Läsion  beschränken  sich 
daher  in  der  Regel  auf  einzelne  Teile  einer  Körperhälfte.  Man  spricht  in 
solchen  Fällen  von  Monoplegie  und  bezeichnet  dieselbe  näher  als  Mono- 
plegia  cruralis,  Monoplegia  brachialis,  Monoplegia  facialis  usw.,  je  nachdem 
das  motorische  Centrum  für  die  Bein-,  Arm-  oder  Gesichtsmuskulatur  be- 
troffen ist.  Häufig  sind  solche  Lähmungen  mit  anfallsweise  auftretenden 
Krämpfen  verbunden  (Rindenepilepsie  s.  jACKsoNsche  Epilepsie). 

b)  Spinale  Lähmung.  Der  Typus  der  spinalen  Lähmung  ist  die 
Paraplegie  (Paraparese),  die  Lähmung  der  beiden  oberen  oder  unteren 
Extremitäten  (Fig.  5,/,  g).  Man  unterscheidet  zwischen  Paraplegia  brachialis  s. 
superior  und  Paraplegia  cruralis  s.  inferior.  Es  handelt  sich  dabei  um  eine  Läsion 
der  beiden  in  den  Vorder-  und  Seitensträngen  des  Rückenmarks  absteigenden 
Pyramidenbahnen;  da  diese  bis  zum  Lendenmark  hinabsteigen,  ist  verständHch, 
daß    mit    einer  Paraplegia  brachialis   meist    auch  eine  Paraplegia  cruralis  ver- 

^)  Infolge  der  späteren  Kreuzung  der  Fasern  der  motorischen  Bahn  ist  die  Lähmung 
eine  gekreuzte ,  d.  h.  eine  Läsion  der  linken  motorischen  Bahn  bedingt  rechtsseitige 
Hemiplegie,  und  eine  Läsion  der  rechten  Bahn  führt  zu  linksseitiger  Hemiplegie. 


j^  Einleitung. 

bunden  ist.  In  allerdings  sehr  seltenen  Fällen  kann  die  Läsion  gerade  die 
PjTamidenkreuzung  treffen,  und  zwar  so,  daß  die  Fasern  für  die  eine  Extre- 
mität oberhalb,  diejenigen  für  die  andere  Extremität  unterhalb  der  Kreuzung 
betroffen  werden.  In  solchen  Fällen  resultiert  eine  Hemiplegia  cruciata, 
Lähmung  des  Arms  auf  der  einen,   Lähmung  des  Beins  auf  der  anderen  Seite 

(Fig.  5,  ^)- 

2.  Periphere  Lähmungen.  Sie  beruhen  auf  einer  Läsion  des  peri- 
pheren Neurons  der  corticomusculären  Leitungsbahn,  es  sind  das  die  Läh- 
mungen der  peripheren  motorischen  Nerven.  Die  Läsion  kann  die  Nerven- 
zellen, aus  denen  die  peripheren  Nerven  hervorgehen,  betreffen  oder  letztere 
selbst  während  ihres  peripheren  Verlaufs.  Dabei  sind  die  Lähmungen  nicht 
immer  auf  das  ganze  Ausbreitungsgebiet  eines  peripheren  Nerven  ausgedehnt, 
es  können  nur  einzelne  Aste  gelähmt,  andere  frei  sein.  Solche  partielle 
Lähmungen  können  speziell  bei  den  Hirnnerven  sowohl  durch  eine  Läsion  im 
Kern  als  im  peripheren  Verlauf  des  Nerven  bedingt  sein,  indem  nur  ein  Teil 
eines  Kerns  oder  nur  bestimmte  peripher  verlaufende  Faserbündel  zerstört 
werden.  Ein  typisches  Beispiel  sind  die  partiellen  Oculomotoriuslähmungen. 
Was  die  aus  dem  Rückenmark  austretenden  motorischen  Fasern  betrifft,  so 
sind  hier  entsprechend  den  anatomischen  Verhältnissen  verschiedene  Läh- 
mungsformen zu  unterscheiden.  Der  Sitz  der  Läsion  kann  im  Vorderhorn 
des  Rückenmarks  sein,  es  sind  die  daselbst  gelegenen  Ganglienzellen  erkrankt. 
Hierher  gehören  z.  B.  die  spinale  (essentielle)  Kinderlähmung  (Poliomyelitis 
anterior  acuta)  und  die  spinale  progressive  Muskelatrophie  (Aran  —  Duchenne). 
Oder  die  Läsion  kann  die  motorischen  VVurzelfasern  in  ihrem  weiteren  Ver- 
laufe treffen.  Je  nach  dem  Sitz  der  Läsion  unterscheidet  man  dann  Wurzel- 
lähmungen, Plexuslähmungen  und  eigentliche  periphere  Lähmungen. 

Bei  den  verschiedenen  Lähmungen  ist  vor  allem  auch  das  Verhalten  des 
Tonus  und  der  Ernährungszustand  der  gelähmten  Muskeln  zu  berücksichtigen. 
Man  unterscheidet  spastische  imd  schlaffe  atrophische  Lähmungen. 

Bei  spastischen  Lähmungen  ist  der  Muskeltonus  gesteigert,  die  Muskeln 
bieten  bei  passiven  Bewegungen  großen  Widerstand  dar  (Muskelrigidität),  es 
existiert  eine  Steigerung  der  Reflexerregbarkeit,  und  es  treten  Muskelspannungen, 
Krämpfe  und  Muskelcontracturen  auf.  Infolge  Mangels  an  Bewegung  kann  eine 
Abnahme  der  Muskeln  eintreten,  was  man  als  Inactivitätsatrophie  bezeichnet. 
Solche  spastische  Erscheinungen  findet  man  bei  den  centralen  Lähmungen, 
bei  denen  anatonio-pathologisch  eine  Degeneration  der  absteigenden  Pyramiden- 
bahn vorliegt.  Erwähnt  seien  hier  besonders  die  cerebralen  Hemiplegien,  die 
cerebrale  Kinderlähmung,  die  spastische  Spinalparalyse,  die  multiple  Sclerose. 

Cerebrale  Hemiplegie:  Charakteristisch  sind  vor  allem  die  Haltimg  und  der  Gang 
der  spastischen  Hemiplegiker.  Der  gelähmte  Oberarm  ist  an  den  Körper  adduciert,  der 
Vorderarm  rechtwinkelig  gebeugt,  die  Hand  proniert  und  flectiert.  Die  Schulter  steht  auf 
der  gelähmten  Seite  tiefer.    Beim  Gehen  stützt  sich  der  Kranke  auf  das  gesunde  Bein,  das 


Zur  Pathologie  der  motorischen  Bahn.  je 

gelähmte  wird  steif  im  Bogen  nach  außen  und  dann  nach  vorn  geschoben,  wobei  die  Fuß- 
spitze auf  dem  Boden  schleift. 

Cerebrale  Kinderlähmung  (Hemiplegia  spastlca  infantilis,  Poliencephalitis  acuta 
infantilis;:  Acut  unter  Fiebererscheinungen  auftretende  Hemiplegie  mit  nachheriger  Ausbildung 
von  Contracturen  und  Inactivitätsatrophie.  Reflexsteigerung  und  Auftreten  von  motorischen 
Reizerscheinungen  (Mitbewegungen  und  Athetose). 

Spastische  Spinalparalyse:  Erkrankung  der  Seitenstränge  des  Rückenmarks, 
Degeneration  der  Pyramidenbahn.  Hauptsymptome:  Parese  der  Beine  mit  Rigidität  der 
Muskeln,  Steigerung  der  Sehnenreflexe,  spastisch-paretischer  Gang. 

Multiple  Sclerose:  Im  Gehirn  und  Rückenmark  finden  sich  regellos  zerstreut  zahl- 
reiche sclerotische  Herde.  Hauptsymptome  sind  die  motorische  Schwäche  in  den  Beinen 
mit  Muskelrigidität  und  Steigerung  der  Reflexe,  der  spastisch-paretische  Gang,  das  Intentions- 
zittern  (Zittern  bei  willkürlichen  Bewegungen),  die  skandierende  Sprache,  Nystagmus  und  oft 
Beeinträchtigung  der  Intelligenz. 

Bei  schlaffen  Lähmungen  sind  die  Muskeln  völlig  entspannt,  passive 
Bewegungen  können  frei  und  leicht  ohne  geringsten  Widerstand  ausgeführt 
werden.  Die  Reflexerregbarkeit  ist  herabgesetzt  oder  aufgehoben.  Bei  diesen 
Lähmungen  finden  wir  außerdem  eine  degenerative  Atrophie  der  Muskeln,  die  bei 
centralen  spastischen  Lähmungen  fehlt.  Schlaffe  atrophische  Lähmungen  sind  die 
peripheren  Lähmimgen.  Hierher  gehören  jene  zahlreichen  Lähmungen  infolge 
Quetschung  oderDiuxhtrennung  oder  sonstiger  Erkrankung  der  peripheren  Nerven. 
Als  besondere  Krankheiten  seien  erwähnt:  die  spinale  Kinderlähmimg,  die  spinale 
progressive  Muskelatrophie,  die  progressive  Bulbärparalyse,  die  Syringomyelie. 

Spinale  Kinderlähmung  (Poliomyelitis  anterior  acuta):  Acut  mit  Fiebererscheinungen 
auftretende  Erkrankung  der  Vorderhörner  des  Rückenmarks.  Kurze  Dauer  des  acuten  Sta- 
diums und  Entwicklung  einer  zunächst  ausgedehnten,  manchmal  alle  Extremitäten  und  selbst 
die  Rumpfmuskulatur  betreffenden  Lähmung.  Später  Rückgang  einzelner  Lähmungen  und 
Beschränkung  der  Lähmung  auf  bestimmte  Muskelgruppen  oder  einzelne  Extremitäten  (ein 
Arm,  ein  Bein).  Schlaffe,  mit  hochgradiger  degenerativer  Atrophie  der  Muskeln  verbundene 
Lähmung. 

Spinale  progressive  Muskelatrophie  (Aran  —  Duchenne):  Langsam  verlaufende 
Erkrankung  (Atrophie)  der  Vorderhörner  des  Rückenmarks.  Beginn  gewöhnlich  mit  Atrophie 
der  kleinen  Handmuskeln,  an  die  sich  später  eine  langsam  fortschreitende  Atrophie  der 
Muskeln  am  Arm  und  am  Schultergürtel  anschließt.  Der  Proceß  kann  sich  auch  auf  die 
Nervenkerne  der  Medulla  oblongata  ausdehnen  (Bulbärparalyse). 

Progressive  Bulbärparalyse:  Langsam  fortschreitende  Degeneration  der  in  der 
Medulla  oblongata  gelegenen  motorischen  Hirnnervenkerne.  Hauptsymptome:  Langsam  sich 
entwickelnde  Sprachstörung  (undeutliche  und  später  unverständliche  Sprache),  fortschreitende 
Atrophie  und  Lähmung  der  Lippen-.  Zungen-,  Kau-,  Gaumen-,  Schlund-  und  Kehlkopf- 
muskulatur, Störungen  der  Phonation  und  Respiration. 

Bei  der  Bulbärparalyse  ohne  anatomischen  Befund  =  Myasthenia  gravis  pseudo- 
paralytica  beobachtet  man  eine  auffallend  rasche  Ermüdbarkelt  der  Muskeln,  besonders 
der  Gesichtsmuskeln,  bei  Schluck-,  Kau-  und  Sprechbewegungen,  auch  eine  Schwäche  der 
Rumpf-  und  Extremitätenmuskulatur,  häufig  auch  der  äußeren  Augenmuskeln,  besonders  des 
M.  levator  palpebrae  superiorls  (Ptosis). 

Syringomyelie:  Höhlenbildungen  Innerhalb  der  grauen  Substanz  des  Rückenmarks, 
am  häufigsten  in  der  Gegend  des  Cervicalmarks.  Hauptsymptome:  Progressive  Muskel- 
atrophie der  oberen  Extremitäten  mit  partieller  Empfindungslähmung  (Schmerz-  und  Tempe- 
raturempfindung erloschen,  Berührungsempfindung  erhalten  oder  wenig  gestört);  trophlsche 
und  vasomotorische  Störungen. 

Eine  besondere  Form  stellen  jene  peripheren  atrophischen  Lähmungen  dar,  die  bei 
gewissen  Beschäftigungen  auftreten,  wobei  es  sich  um  andauernde  Überanstrengung  einzelner 


l5  Einleitung. 

Muskeln  handelt  —  Arbeitsparesen,  professionelle  Paresen,  Beschäf tigungs- 
lähmungen.  Die  Processe  lokalisieren  sich  mit  Vorliebe  in  den  Muskeln  der  oberen 
Extremität  (Atrophische  Lähmungen  kleiner  Handmuskeln  bei  Schlossern,  Tischlern,  Schnei- 
dern, Feilenhauern,  Zigarrenwicklern,  Plätterinnen  usw.). 

Wir  haben  die  Lähmungen  in  centrale  und  periphere  eingeteilt,  bei 
ersteren  ist  das  centrale,  bei  letzteren  das  periphere  Neuron  lädiert.  Es 
kommt  nun  auch  eine  Krankheit  vor,  bei  der  es  sich  anatomo-pathologisch 
um  eine  Degeneration  der  ganzen  cor ticomusculär en  Leitungs- 
bahn handelt,  wo  also  sowohl  das  centrale  als  auch  das  periphere  Neuron 
erkrankt  ist.  Das  ist  die  amyotrophische  Lateralsclerose.  Klinisch 
findet  man  die  Symptome  der  spinalen  progressiven  Muskelatrophie  verbunden 
mit  spastischer  Parese  (spastische  Spinalparalyse).  Sie  verbindet  sich  häufig 
mit  progressiver  Bulbärparalyse.  —  Ferner  ist  noch  besonders  zu  erwähnen 
die  LiTTLEsche  Krankheit  (congenitale  spastische  Paraplegie  oder  Paraparese 
bei  Kindern),  bei  der  man  als  anatomo-pathologische  Grundlage  eine  Ent- 
wicklungshemmung der  Pyramidenbahn  annimmt. 

Solche  Kinder  fallen  oft  schon  unmittelbar  nach  der  Geburt  durch  die  Unfähigkeit 
zum  Saugen,  die  Unvollkommenheit  des  Schluckens  und  das  Ausbleiben  willkürlicher  Be- 
wegungen auf.  Sie  lernen  spät  sprechen,  aufrecht  sitzen,  können  gar  nicht  oder  nur  müh- 
sam gehen.  Die  Oberschenkel  sind  einwärts  rotiert  und  stark  adduciert,  während  die 
Unterschenkel  auseinanderweichen.  Die  Knie  sind  leicht  gebeugt,  an  den  Füßen  existiert 
Spitzfußstellung.  Bei  passiven  Bewegungen  der  Beine  herrscht  starke  Muskelrigidität.  Die 
Sehnenreflexe  sind  gesteigert.  In  vielen  Fällen  findet  man  auch  cerebrale  Störungen, 
Strabismus,  Sprachstörungen,   epileptische  Anfälle  und  psychische  Störungen. 

Schließlich  sei  bemerkt,  daß  sich  die  centralen  und  peripheren  Lähmungen» 
auch  bezüglich  des  Verhaltens  der  gelähmten  Muskeln  gegen  den  elektrischen 
Strom  unterscheiden,  indem  man  bei  Degeneration  der  peripheren  Nerven 
Entartungsreaktion  vorfindet. 

B.  Reizerscheinungen. 

Unter  motorischen  Reizerscheinungen  versteht  man  bestimmte  unabhängig 
vom  Willen,    also   unwillkürlich   erfolgende  Bewegungen.     Man  unterscheidet: 

Krämpfe.  Sie  treten  in  zwei  Hauptarten  auf,  als  klonische  und  als 
tonische  Krämpfe.  Klonische  Krämpfe  sind  mehr  oder  weniger  rhythmisch 
aufeinanderfolgende,  kurz  dauernde  und  durch  kurze  Pausen  der  Erschlaffung 
unterbrochene  Muskelcontractionen.  Sie  können  auf  einzelne  Muskeln  (z.  B. 
klonischer  Krampf  des  M.  orbicularis  oculi  —  Blepharoklonus)  oder  auf  ein 
von  einem  bestimmten  Nerv  versorgtes  Muskelgebiet  (z.  B.  Facialiskrampf) 
beschränkt  sein,  oder  sie  können  funktionell  zusammengehörige  Muskelgruppen 
treffen  (Beugekrämpfe  einer  Extremität),  oder  endlich  sich  über  die  ganze  Körper- 
muskulatur verbreiten  (Epilepsie).  Im  letzten  Fall  spricht  man  auch  von  Con- 
vulsionen.  —  Tonische  Krämpfe  sind  solche,  bei  denen  die  Muskeln  längere 
Zeit    in    ihrer    Contraction    verbleiben.     Wie    die    klonischen,    so    können   sich 


Zur  Pathologie  der  motorischen  Bahn.  1  n 

auch  die  tonischen  Krämpfe  auf  einzelne  Muskeln  (z.  B.  tonischer  Krampf 
des  M.  orbicularis  oculi  —  Blepharospasmus)  oder  auf  ein  von  einem  be- 
stimmten Nerv  versorgtes  Muskelgebiet  (z.  B.  Wadenkrampf)  beschränken,  oder 
sie  können  sich  auf  funktionell  zusammengehörige  Muskelgruppen  (z.  B.  tonischer 
Krampf  der  Kaumuskulatur  —  Trismus)  oder  auf  den  ganzen  Körper  aus- 
dehnen.    Im  letzten  Fall  spricht  man  von  Tetanus. 

Die  große  Mehrzahl  der  Krämpfe  ist  cerebraler  Natur.  So  finden  sic:h 
klonische  Krämpfe  besonders  bei  solchen  Hirnkrankheiten,  bei  denen  es  sich 
um  einen  Reizzustand  oder  um  direkte  Schädigung  der  Hirnrinde  handelt. 

Ein  Hauptsymptom  bilden  sie  bei  der  Epilepsie.  Bei  der  eigentlichen  genuinen 
Epilepsie  zeigt  der  Krampfanfall  zunächst  während  kurzer  Zeit  ein  charakteristisches  Stadium 
tonischer  Muskelcontractur,  auf  welches  dann  erst  dasjenige  der  klonischen  Zuckungen  folgt. 
Bei  der  Rindenepilepsie  oder  der  jACKSONschen  Epilepsie,  bei  der  es  sich  um  Er- 
krankung (Reizzustände)  der  motorischen  Hirnrindenregion  handelt,  findet  man  als  charak- 
teristisch das  Auftreten  von  klonischen  Krämpfen  zuerst  in  jenem  Muskelgebiet,  dessen 
zugehöriges  Centrum  gereizt  worden  ist.  Die  Krämpfe  beginnen  hier  lokal,  partiell  nnd 
breiten  sich  dann  in  gesetzmäßiger  Weise,  entsprechend  der  Anordnung  der  motorischen 
Centren  über  die  ganze  eine  Körperseite  aus.  Klinisch  kann  man  drei  Haupttypen  unter- 
scheiden. Beim  faciaien  Typus  beginnen  die  Krämpfe  in  der  einen  Gesichtshälfte  und 
dehnen  sich  dann  auf  die  Arm-  nnd  schließlich  auf  die  Beinmuskulatur  aus.  Beim  brachialen 
Typus  beginnen  die  Krämpfe  in  einem  Arm,  dann  folgen  solche  im  Gesicht  und  Bein. 
Beim  cruralen  Typus  beginnen  die  Krämpfe  in  einem  Bein,  es  folgen  solche  im  Arm  und 
schließlich  im  Gesicht.  Die  Krämpfe  können  sich  dann  schließlich  auch  auf  die  andere 
Körperhälfte  ausdehnen. 

Beim  Tetanus  entwickelt  sich  eine  continuierliche  tonische  Starre  des  ganzen 
Körpers.  Hauptsächlich  hervortretend  ist  die  tonische  Spannung  der  Gesichtsmuskulatur, 
besonders  der  Masseteren  (Trismusj.  Infolge  Contractur  der  Nackenmuskeln  ist  der  Kopf 
nach  rückwärts  gezogen.  Bauch-  und  Rückenmuskeln  sind  hart  gespannt,  der  ganze  Rumpf 
ist  nach  vorn  gewölbt  (Opisthotonus).  Häufig  wird  diese  tonische  Starre  durch  Anfälle 
unterbrochen,  während  welchen  die  ganze  Muskelspannung  sich  steigert. 

Bei  der  Tetanie  handelt  es  sich  um  anfallsweise  auftretende,  meist  schmerzhafte 
tonische  Krämpfe,  die  meist  nur  die  oberen  Extremitäten  und  hier  vor  allem  die  Muskeln 
der  Hand  und  die  Beugemuskeln  am  Arm  befallen.  Die  Hände  zeigen  den  Typus  der 
»Schreib-  oder  Geburtshelferstellung«.  Charakteristisch  für  die  Tetanie  ist  das  »TROUSSEAUsche 
Phänomen«,  das  darin  besteht,  daß  in  der  anfallsfreien  Zeit  der  Krampf  künstlich  durch 
Druck  auf  die  Hauptnervenstämme  des  Arms  hervorgerufen  werden  kann. 

Häufig  haben  die  Krämpfe  auch  reflectorischen  Ursprung,  indem  Reiz- 
zustände im  Gebiete  sensibler  Nerven  Krämpfe  auslösen  können  (z.  B.  Facialis- 
krampf  bei  Trigeminusneuralgie). 

Als  eine  besondere  Krampfform  sind  die  Beschäftigungskrämpfe  zu  erwähnen. 
Hier  handelt  es  sich  um  Krämpfe  in  solchen  Muskelgruppen,  die  bei  einer  bestimmten, 
meist  durch  den  Beruf  bedingten  Tätigkeit  in  Bewegung  versetzt  werden.  Die  bekannteste 
Form  ist  der  Schreibkrampf  (Graphospasmus,  Mogigraphie).  Andere  Beschäftigungskrämpfe 
sind  der  Klavierspieler-,  Telegraphisten-,  Schuster-,  Schneider-,  Näherinnen-,  Melker- 
krampf u.  a.  m. 

Zittern  —  Tremor.  Zitterbewegungen  sind  mehr  oder  weniger  rhythmische, 
schnell  aufeinanderfolgende  unwillkürliche  Zuckungen  oder  Schwankungen  des 
Körpers    oder    einzelner    Teile.     Man    hat    verschiedene    Punkte    zu    be»id^7'»  /•■ -^ 


sichtigen :  /C  ^ 

Vil  liger,  Die  periphere  Innervation. 


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1 8  Einleitung. 

Zitterbewegungen    können    schon   in    der  Ruhe  vorkommen.     Das  ist  bei 

der    Paralysis  agitans    (Schüttellähmung,    PARKiNSONsche    Krankheit)    der   Fall, 

bei  welcher  Krankheit  das  Zittern  als  Hauptsymptom  hervortritt. 

Es  ist  hier  dauernd,  zeichnet  sich  durch  seine  Gleichmäßigkeit  und  den  langsamen 
Rhythmus  aus  und  betrift't  vor  allem  die  obere  Extremität  und  besonders  die  Hand  und 
die  Finger  (Bewegungen  des  >Pillendrehens«}.  Neben  diesem  eigentümlichen  Zittern  zeigen 
an  Paralysis  agitans  Erkranlcte  eine  ganz  charakteristische  Körperhaltung  und  Geh- 
störuDg.  Der  Kopf  ist  gegen  die  Brust  geneigt,  der  Rumpf  nach  vorn  gebeugt,  die  Knie 
sind  leicht  flectiert  land  einander  genähert.  Die  Arme  stehen  vom  Rumpfe  ab  und  sind 
im  Ellbogengelenk  leicht  flectiert,  die  Hände  und  Finger  meist  in  >Schreibstellung<.  Die 
Muskelrigidität  verleiht  dem  Gesicht  bei  dem  geringen  Hervortreten  der  mimischen  Be- 
wegungen einen  auffallend  starren  Ausdruck.  Der  Gang  ist  langsam,  zögernd  und  erfolgt 
mit  kleinen  Schritten,  wird  aber  allmählich  immer  schneller  und  schneller  (Propulsion),  so 
daß  die  Kranken  leicht  ins  Laufen  kommen,  dabei  aber  außerstande  sind,  plötzlich  an- 
zuhalten, so  daß  sie  häufig,  wenn  man  ihnen  nicht  zu  Hilfe  kommen  kann,  zu  Boden 
niederfallen. 

Zittern  kommt  sodann  bei  willkürlichen  Bewegungen  vor,  als  »Intentions- 
zittern«.  Ein  Hauptsystem  bildet  das  Intentionszittern  bei  der  multiplen 
Sclerose  (S.  15). 

Man    hat  ferner  den  Rhythmus  zu  beachten.     Ein  langsamer  Tremor  ist 

der  Tremor  senilis,    auch   bei  Paralysis  agitans  und  bei  multipler  Sclerose  ist 

das  Zittern  ein  langsames.     Ein  schneller  Tremor  findet  sich  bei  Intoxikationen 

(Tremor  alcoholicus,  mercurialis,  saturninus),   ferner  als  typisches  Symptom  bei 

der  BASEDOWschen  Krankheit. 

Bei  der  BASEDOWschen  Krankheit  (Glotzaugenkrankheit,  Maladie  de  Graves)  treten 
drei  Symptome  als  Cardinalsymptome  hervor:  die  beschleunigte  Herzbewegung  (Tachy- 
kardie), die  Schwellung  der  Schilddrüse  (Struma)  und  das  Hervortreten  der  Augäpfel 
(Exophthalmus).  Das  dabei  vorkommende  schnellschlägige,  vibrierende  Zittern  besteht  in 
einzelnen  Fällen  ununterbrochen,  in  anderen  tritt  es  nur  zeitweise  auf  und  kann  nur  ein- 
zelne Teile  (Extremitäten)  befallen  oder  über  den  ganzen  Körper  verbreitet  sein. 

Weiterhin  unterscheidet  sich  der  Tremor  nach  der  Größe  der  Schwingungen. 
Gerade  bei  der  BASEDOWschen  Krankheit  ist  das  Zittern  ein  feinschlägiges. 
Bedeutende  Excursionen  findet  man  bei  der  Paralysis  agitans. 

Als  besondere  Zitterform  ist  der  Nystagmus  zu  nennen,  das  Augen- 
zittern, Zuckungen  der  Bulbi,  die  in  der  Ruhestellung  oder  erst  bei  Be- 
wegungen der  Augen  auftreten  und  in  horizontaler  oder  vertikaler  Richtung 
oder  auch  in  Form  der  Raddrehung  (rotatorischer  Nystagmus)  erfolgen  können. 
Er  bildet  ein  Symptom  bei  verschiedenen  Krankheiten  des  Nervensystems, 
so  z.  B.  bei  multipler  Sclerose  (S.  15)  und  bei  der  FRiEDREiCHschen  Krank- 
heit (S.  23). 

Choroa.  Choreatische  Bewegungen  sind  unwillkürliche,  regellos  wechselnde 
zuckende  Bewegungen,  die  sowohl  in  der  Ruhe  als  auch  bei  willkürlichen 
Bewegungen  vorkommen  und  letztere  in  ihrem  Ablauf  unterbrechen  oder  stören. 
Sind  sie  in  höherem  Grade  vorhanden,  dann  fällt  sofort  die  fortwährende 
Unruhe  in  der  Muskulatur  des  Körpers  auf.    Sie  bilden  das  Hauptsymptom  bei 


Zur  Pathologie  der  sensiblen  Bahn.  ig 

der  Chorea  minor  (Veitstanz)  und  bei  der  hereditären  HuNiiNGTONschen  Chorea 
chronica  progressiva,  ferner  treten  sie  bei  organischen  Hirnkrankheiten  auf, 
so  halbseitig  nach  Hemiplegie  als  Hemichorea  posthemiplegica. 

Athetose.  Athetosebewegungen  sind  unwillkürliche  unregelmäßig  und 
langsam  verlaufende  krampfartige  Bewegungen,  die  sich  gewöhnlich  auf  die 
distalen  Teile  der  Extremitäten,  auf  die  Finger  und  Zehen,  beschränken.  Sie 
kommen  auch  am  Kopfe  vor.  Am  charakteristischsten  sind  die  Bewegungen 
der  Hand  und  der  Finger.  Man  beobachtet  ein  unaufhörliches  Spreizen, 
Strecken  und  Beugen  der  Finger,  so  daß,  da  die  einzelnen  Finger  nicht  gleich- 
zeitig und  nicht  in  gleicher  Weise  bewegt  werden,  bei  diesem  Durcheinander- 
bewegen der  Finger  die  eigenartigsten  Finger-  und  Handstellungen  auftreten. 
Diese  eigentümlichen  Bewegungen  treten  vorwiegend  halbseitig  auf  als  Hemi- 
athetose,  so  bei  cerebraler  Hemiplegie  (Hemiathetosis  posthemiplegica)  und 
besonders  bei  der  cerebralen  Kinderlähmung  (S.  15).  Sie  kommen  auch 
doppelseitig  und  angeboren  vor  (doppelseitige  congenitale  Athetose). 

Mitbewegungen.  Darunter  versteht  man  unwillkürliche  Bewegungen,  die 
bei  bestimmten  willkürlichen  Bewegungen  in  anderen  mit  der  willkürlichen 
Bewegung  nicht  in  Beziehung  stehenden  Muskeln  auftreten.  Man  beobachtet 
sie  am  häufigsten  bei  cerebralen  Lähmungen. 

Fibrilläre  Zuckungen.  Sie  bestehen  in  raschen  Contractionen  einzelner 
Muskelbündel,  ohne  daß  dabei  irgend  eine  Bewegung  resultiert.  Oft  entsteht, 
wenn  die  Contractionen  sehr  deutlich  und  lebhaft  .sind,  ein  förmliches  Wogen 
der  Muskelsubstanz.  Sie  kommen  hauptsächlich  bei  degenerativer  Muskel- 
atrophie vor. 

Besonders  zu  erwähnen  ist  die  Myotonia  congenita  (die  THOMSENsche  Krankheit). 
Sie  ist  dadurch  charakterisiert,  daß  bei  Bewegungen  die  willlcürlieh  contrahierten  Muskeln 
nicht  sofort  erschlaffen,  sondern  in  abnormer  Weise  länger  im  Contrnctionszustand  ver- 
bleiben, wodurch  die  Ausführung  der  Bewegungen  nur  mühsam  und  langsam  erfolgen  kann. 


Zur  Pathologie  der  sensiblen  Bahn. 

Die  Störungen  der  Sensibilität  bestehen  zunächst  entweder  in  einer  Ver- 
minderung, Abschwächung  oder  in  einer  Steigerung  derselben.  Vollständige 
Aufhebung  der  Sensibilität  bezeichnet  man  als  Anästhesie,  Herabsetzung 
als  Hypästhesie  und  Steigerung  als  Hyperästhesie.  Bei  Anästhesie  können 
durch  gewöhnliche  oder  selbst  sehr  starke  Reize  nur  noch  schwache  oder  selbst 
gar  keine  Empfindungen  mehr  hervorgerufen  werden.  Bei  Hyperästhesie  erfolgt 
schon  durch  schwache  Reize  eine  auffallend  starke  Empfindung.  Bestimmte 
sensible  Reizerscheinungen,  die  als  abnorme  Empfindungen  auftreten  (wie  das 
Gefühl  von  Ameisenlaufen,    Kriebeln,    Taubsein,   Prickeln,    Pelzigsein)    werden 

2* 


20  Einleitung. 

als  Parästhesien  bezeichnet.  Bei  der  Akroparästhesie  werden  solche 
abnorme  Gefühle  in  den  Händen,  vor  allem  in  den  Fingern  und  besonders 
in  den  Fingerspitzen  empfunden.  Eine  besondere  Parästhesieform  bilden  die 
perversen  Empfindungen  (z.  B.  wenn  »kalt«  als  »heiß«  bezeichnet  wird).  — 
Die  Bezeichnungen  Anästhesie,  Hypästhesie  und  Hyperästhesie  werden  einmal 
speziell  für  die  entsprechenden  Veränderungen  der  Berührungsempfindung  oder 
des  Tastsinns  angewendet,  sie  finden  aber  im  weiteren  Sinne  auch  für  die 
entsprechenden  Veränderungen  aller,  auch  der  höheren  Sinne  Anwendung. 
Auf  die  einzelnen  Anomalien  der  verschiedenen  Sinnesqualitäten  wollen  wir 
hier  nicht  näher  eintreten  (die  wichtigsten  werden  später  berücksichtigt  werden), 
erwähnt  seien  nur  einzelne  bestimmte  Bezeichnungen,  so  Thermanästhesie, 
Thermohypästhesie  und  Thermohyperästhesi  e  für  die  entsprechenden 
Anomalien  des  Temperatursinns,  ferner  die  Bezeichnungen  Analgesie  für 
Fehlen  der  Schmerzempfindung,  Hypalgesie  für  Herabsetzung  der  Schmerz- 
empfindung und  Hyperalgesie  für  abnorme  Schmerzhaftigkeit.  Eine  be- 
sondere Form  des  Schmerzes  ist  die  Neuralgie,  es  handelt  sich  dabei  um 
anfallsweise  auftretende  Schmerzen,  die  sich  im  Verlaufe  oder  im  Verbreitungs- 
gebiet eines  bestimmten  Nerven  oder  einiger  bestimmter  Nervenzweige  aus- 
breiten. Die  betreffenden  Nerven  oder  deren  Zweige  sind  oft  an  bestimmten 
Stellen  auch  in  der  anfallsfreien  Zeit  sehr  druckempfindlich,  die  betreftenden 
Stellen  werden  als  VALLEixsche  Druckpunkte  bezeichnet.  (Bei  Trige- 
minusneuralgie  z.  B.  finden  sich  solche  Druckpunkte  beim  Foramen  supraor- 
bitale und  infraorbitale.)  Bezüglich  der  Schmerzempfindungen  ist  ferner  zu 
erwähnen,  daß  oft  in  pathologischen  Fällen  die  Leitung  für  Schmerzempfin- 
dung verlangsamt  ist.  Ein  Nadelstich  wird  zuerst  als  Berührung  und  erst 
einige  Sekunden  nachher  als  Schmerz  empfunden  —  verlangsamte  oder 
verspätete  Schmerzempfindung.  Es  kommt  ferner  vor,  daß  ein  kurz 
dauernder  Reiz  zunächst  nur  als  Berührung,  aber  nicht  als  Schmerz  empfun- 
den wird  und  daß  es  zur  Auslösung  der  Schmerzempfindung  eines  länger 
andauernden  Reizes  bedarf  —  Summa tion  der  Reize.  Ferner  kommt  ein 
abnormes  Andauern,  Nachklingen  der  Schmerzempfindung  vor  ■ —  Nach- 
empfindungen.  Als  Polyästhesie  bezeichnet  man  eine  Erscheinung,  die 
darin  besteht,  daß  eine  einfache  Berührung  doppelt  oder  mehrfach  empfun- 
den wird.  Allästhesie  oder  AUocheirie  besteht  darin,  daß  ein  Reiz,  den 
man  an  einer  bestimmten  Stelle  einer  Extremität  einwirken  läßt,  an  der  ent- 
sprechenden Stelle  der  anderen  Extremität  empfunden  wird.  Halbseitige 
Anästhesie  wird  als  Hemianästhesie  bezeichnet.  Zu  erwähnen  ist  schließ- 
lich, daß  bezüglich  der  Hautsensibilität  in  pathologischen  Fällen  die  Be- 
teiligung der  einzelnen  Empfindungsqualitäten  (Tastsinn,  Drucksinn,  Temperatur- 
sinn, Schmerzempfindung)  eine  verschiedene  sein  kann.  Es  können  innerhalb 
eines  anästhetischen  Gebietes  alle  Qualitäten  oder  nur  einzelne  aufgehoben 
sein.     Man  unterscheidet  also  eine  totale  und   eine  partielle  Anästhesie 


Zur  Pathologie  der  sensiblen  Bahn.  2  1 

(partielle  Empfindungsläh  niung).  Ein  typisches  Beispiel  partieller  Emp- 
findungslähmung ist  die  Syringomyelie,  hier  findet  man  Aufhebung  von  Tem- 
peratur- und  Schmerzempfindung  bei  intakter  Berührungsempfindung. 

Bezüglich  der  Anomalien  der  sensorischen  Tätigkeiten  (höhere  Sinnes- 
nerven) verweise  ich  auf  die  jeweilen  bei  Besprechung  der  einzelnen  Sinnes- 
nerven angeführten  Bemerkungen. 

Wie  bei  den  Motilitätsstörungen ,  so  unterscheidet  man  auch  bei  den 
Sensibilitätsstörungen  organische  und  funktionelle  Störungen.  Funktio- 
nelle Sensibilitätsstörungen  findet  man  meist  bei  der  Hysterie;  hier  spielt 
neben  Hyperalgesie  und  Parästhesie  vor  allem  die  Anästhesie  eine  Hauptrolle, 
die  besonders  häufig  in  Form  der  Hemianästhesie  auftritt  oder  meist  be- 
stimmte Körper-  oder  Gliedabschnitte,  z.  B.  einen  Arm  oder  ein  Bein,  betrifft. 
Charakteristisch  für  die  funktionellen  Sensibilitätsstörungen  ist,  daß  sie  nicht 
an  die  anatomische  Verbreitungsweise  der  peripheren  Nerven  gebunden  sind. 
Die  organischen  Sensibilitätsstörungen  können  wir  in  periphere, 
radikuläre,  spinale  und  cerebrale  einteilen. 

Sensibilitätsstörungen,  die  durch  Läsion  eines  bestimmten  peripheren 
Nerven  bedingt  sind,  sind  dadurch  charakterisiert,  daß  ihre  Ausdehnung  mit 
dem  Verbreitungsbezirk  des  betreffenden  Nerven  in  der  Haut  zusammenfällt. 
Dabei  ist  aber  nicht  zu  vergessen,  daß  die  Ausbreitungsbezirke  der  einzelnen 
Hautnerven  vielfachen  Schwankungen  unterworfen  sind,  wodurch  die  typi- 
sche Einteilung  in  die  einzelnen  Hautnervenbezirke  verändert  wird.  Eine 
scharfe  Abgrenzung  kann  weiterhin  unmöglich  gemacht  werden  durch  die 
Anastomosen,  und  auch  dann,  wenn  nicht  alle  Fasern  des  peripheren  Nerven 
von  der  Läsion  betroffen  sind. 

Besonders  wichtig  sind  die  radikulären  Sensibilitätsstörungen,  bei  denen 
die  anästhetischen  Bezirke  dem  Ausbreitungsgebiet  einer  oder  mehrerer  hin- 
terer Wurzeln  entsprechen  bzw.  den  Segmenten  des  Rückenmarks  entsprechend 
angeordnet  sind.  Entsprechend  dem  typischen  Verlauf  der  segmentären  Haut- 
bezirke ist  auch  die  Ausdehnung  der  sensiblen  Störungen  eine  typische,  so 
daß  umgekehrt  gerade  aus  der  Ausdehnung  eines  anästhetischen  Bezirks  auf 
den  Sitz  der  Aftection  in  bestimmten  hinteren  Wurzeln  oder  Rückenmarks- 
segmenten geschlossen  werden  kann.  Solche  radikuläre  Sensibilitätsstörungen 
findet  man  hauptsächlich  bei  der  Tabes  dorsalis,  ferner  bei  den  verschiedenen 
Erkrankungen  der  Rückenmarkswurzeln  und  des  Rückenmarks  selbst.  Gerade 
für  Tabes  ist  das  Auftreten  von  Anästhesie  in  verschiedenen  Segmenten,  be- 
sonders an  den  unteren  Extremitäten,  und  in  gürtelförmigen  Zonen  am  Rumpfe 
charakteristisch.  Bei  Erkrankungen  des  untersten  Rückenmarkabschnittes,  des 
Conus  medullaris,  oder  der  letzten  Sacralwurzeln  findet  man  als  Charakteristi- 
kum die  sog.  »Reithosenanästhesie«,  und  bei  Erkrankungen  des  Cervi- 
calmarks  beobachtet  man  das  »visirartige«  Vorrücken  der  Anästhesie  am 
Kopfe. 


2  2  Einleitung. 

Da  die  hinteren  Wurzeln  ihre  Endigung  im  Rückenmark  finden  und  auch 
noch  während  ihres  Verlaufs  innerhalb  des  Rückenmarks  lädiert  sein  können, 
ist  eine  genaue  Trennung  in  rein  radikuläre  und  spinale  Sensibilitätsstörungen 
nicht  durchzuführen.  Der  spinale  Charakter  tritt  mehr  hervor  bei  Läsionen, 
welche  Rückenmarksquerschnitte  in  größerer  Ausdehnung  betreffen.  Bei  Zer- 
störuug  eines  ganzen  Rückenmarksquerschnittes  ist  die  Sensibilität  in  allen 
caudal  von  diesem  Querschnitt  befindlichen  Teilen  aufgehoben.  Bei  halb- 
seitiger Läsion  des  Rückenmarks  findet  man  als  charakterisch  unterhalb  oder 
kaudal  von  der  erkrankten  Stelle  eine  Anästhesie  (Aufhebung  von  Schmerz- 
und  Temperaturempfindung)  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  (entsprechend 
dem  Verlauf  der  sensiblen  Bahn  im  Rückenmark),  dabei  infolge  gleich- 
zeitiger Zerstörung  der  Pyramidenbahn  eine  Lähmung  auf  der  gleichen  Seite. 
Man  bezeichnet  dieses  Syndrom  als  BROWN-SiiQUARDsche  Halbseitenläsion. 

Bei  cerebralen  Läsionen  findet  man  meist  halbseitige  Sensibilitäts- 
störungen, Hemianästhesie,  und  zwar  im  Gegensatz  zu  den  spinalen 
Lähmungen  (Halbseitenläsion)  Anästhesie  auf  der  gelähmten  Seite.  Solche 
Läsionen  betreffen  jenen  Teil  der  sensiblen  Bahn,  welcher  von  der  Medulla 
oblongata  her  durch  die  Brücke,  die  Hirnschenkel  und  die  innere  Kapsel 
(hinteres  Drittel  des  hinteren  Schenkels)  nach  oben  verläuft  und  seine  schließ- 
liche Endigung  in  der  Hirnrinde  (Fühlsphäre)  findet. 

Als  besondere  Sensibilitätsstörungen  sind  die  Störungen  der  Bewegungs- 
und Lageempfindung  (Empfindungsvermögen  der  Muskeln,  Sehnen,  Gelenke 
—  Muskelsinn)  zu  erwähnen.  Solche  Störungen  werden  als  Coordinations- 
störungen  —  Ataxie  —  bezeichnet  und  sind  dadurch  charakterisiert,  daß 
die  einzelnen  Bewegungen  nicht  mehr  in  geordneter,  gesetzmäßiger  Weise, 
sondern  unsicher  und  mit  Kraftvergeudung  ablaufen,  wobei  oft  das  Ziel  nicht 
erreicht  wird  und  auch  Muskeln  in  Tätigkeit  versetzt  werden,  die  mit  den 
gewollten  Bewegungen  nichts  zu  tun  haben,  auf  diese  vielmehr  hemmend  ein- 
wirken. Die  Ataxie  bildet  das  Hauptsymptom  der  Tabes  dorsalis  (Rücken- 
marksschwindsucht). 

Anatomo-pathologisch  findet  man  bei  Tabes  eine  Degeneration  der  hinteren  Wurzeln 
und  der  Hinterstränge  des  Rückenmarks.  In  der  großen  Mehrzahl  der  Fälle  beginnt  der 
Proceß  im  Lendenmark  mit  einer  Degeneration  der  BuRDACHschen  Stränge  (Wurzeleintritts- 
zone). In  vorgeschrittenen  Stadien  dehnt  sich  die  Degeneration  weiter  aus,  so  daß  im 
Lenden-  und  Brustmark  fast  das  ganze  Areal  der  Hinterstränge  degeneriert  ist,  während  sich 
im  Halsmark  die  AfFection  zunächst  auf  die  GoLLschen  Stränge  beschränkt.  Die  Erkrankung 
dehnt  sich  auch  auf  die  graue  Substanz  des  Rückenmarks  (Hinterhörner,  CLAKKEsche  Säulen) 
aus,  ferner  sind  auch  einzelne  Hirnnerven  (am  häufigsten  der  N.  opticus  und  einzelne  Augen- 
muskelnerven) vom  degenerativen  Proceß  betroffen.  Klinisch  kann  man  drei  Stadien  unter- 
scheiden. Im  ersten  Stadium,  Initialstadium  oder  Frühstadium,  fmdet  man  als  Hauptsymptome 
sensible  Reizerscheinungen,  »lancinierende«  Schmerzen  und  Paraesthesien  (Gürtelgefühl), 
Analgesie,  ferner  reflectorische  Puppillenstarre  —  AKGYLL-ROBERTSONsches  Symptom  (Fehlen 
der  Pupillenverengerung  bei  Lichteinfall,  während  die  Verengerung  bei  Convergenz  und 
Accommodation  erhalten  ist) ,  ferner  Verlust  des  Patellarreftexes  (WESTPHALsches  Zeichen), 
daneben  oft  Augenmuskellähmungen,  Abnahme  der  Sehkraft  (Sehnervenatrophie),  gastrische 


Reflexe. 


23 


Krisen.  Das  zweite  Stadium  wird  als  das  ataktische  bezeichnet.  Charalcteristisch  ist  hier 
vor  allem  die  Gehstörung.  Die  Kranken  klagen  selbst  über  Unsicherheit  beim  Gehen  und 
beim  Treppensteigen,  besonders  im  Dunkeln.  Beim  Gehen  werden  die  Beine  unnötig  stark 
gehoben,  nach  vorne  geschleudert  und  dann  stampfend  wieder  auf  den  Boden  aufgesetzt. 
Weiterhin  stellt  sich  auch  Ataxie  der  Arme  ein,  die  sich  in  ausfahrenden  ungeschickten 
Bewegungen  kundgibt.  Weitere  Symptome  sind  das  RoMBERGsche  Symptom  (Schwanken 
des  Körpers  bei  geschlossenen  Augen)  und  stärkere  Sensibilitätsstörungen,  ferner  trophische 
Störungen.  Im  letzten  Stadium  nimmt  die  Ataxie  immer  mehr  zu,  und  das  Gehen  wird 
schließlich  unmöglich.  Außerdem  tritt  Muskelatrophie  ein.  Dieses  letzte  Stadium  ist  das 
paraplektische  oder  paralytische. 

Außer  bei  Tabes  findet  man  Ataxie  auch  bei  anderen  Erkrankungen  des 
Nervensystems,  so  bei  Polyneuritis  (bei  Alkohol-,  Blei-Arsenikintoxikationen), 
ferner  bei  bestimmten  Rückenmarkskrankheiten,  so  bei  den  combinierten  System- 
erkrankungen (besonders  bei  der  FRiEDREiCHschen  Krankheit),  auch  bei  cere- 
bralen Erkrankungen,  so  besonders  als  cerebellare  Ataxie. 

Die  cerebellare  Ataxie  ist  durch  die  Gleichgewichtsstörungen  beim  Gehen  und 
Stehen  charakterisiert.  Der  Kranke  steht  breitbeinig  und  unsicher  da,  und  beim  Gehen 
schwankt  er  hin  und  her  wie  ein  Betrunkener.  Die  pRiEDREiCHsche  Krankheit  tritt  hereditär 
bzw.  familiär  auf  und  beginnt  in  der  Kindheit.  Sie  wird  auch  als  hereditäre  juvenile  Ataxie 
bezeichnet.  Der  Gang  erinnert  ganz  an  den,  welchen  Kleinhirn-Kranke  zeigen.  Die  Ataxie 
ist  eine  »statische«,  indem  schon  beim  ruhigen  Stehen  ein  ständiges  starkes  Schwanken  des 
ganzen  Körpers  vorhanden  ist.  Als  weitere  Hauptsymptome  findet  man  Sprachstörungen 
(schwerfällige,  lallende  Sprache)  und  Nystagmus.  Die  Patellarreflexe  und  Sensibilitäts- 
störunsren  fehlen. 


Reflexe. 

Hier  anschließend  sei  das  Wichtigste  über  die  Reflexe  erwähnt. 

Die  Reflexbewegungen  sind  in  ihrem  Ablauf  einmal  von  dem  Verhalten 
des  Reflexbogens  abhängig.  Ist  der  Reflexbogen  an  irgend  einer  Stelle  zerstört, 
dann  ist  der  Reflex  aufgehoben.  Pathologische  Erregungszustände  innerhalb 
des  Reflexbogens  bedingen  Reflexerhöhung.  Abnorm  gesteigerte  Reflexerreg- 
barkeit bildet  z.  B.  ein  Hauptsymptom  der  Neurasthenie.  Die  Reflexbewegungen 
sind  weiterhin  abhängig  von  dem  Verhalten  der  centralen  Hemmungsbahnen. 
Durch  eine  vom  Großhirn  ausgehende  Hemmung  können  die  Reflexe  herab- 
gesetzt oder  selbst  aufgehoben  werden  (z.  B.  willkürliches  Anhalten  der  Atem- 
bewegung, Hemmung  des  Augenschlusses  beim  Annähern  eines  Gegenstandes 
an  das  Auge).  Fällt  die  centrale  Hemmung  weg,  dann  sind  die  Reflexe  ge- 
steigert. Allgemein  nimmt  man  an,  daß  die  reflexhemmenden  Fasern  im 
Seitenstrang  des  Rückenmarks  verlaufen,  vielleicht  innerhalb  der  Pyramiden- 
bahn, vielleicht  sind  sie  mit  diesen  motorischen  Fasern  identisch.  Bei  einer 
Degeneration  der  absteigenden  Pyramidenbahn,  z.  B.  bei  centralen  Lähmungen 
oder  bei  mit  Degeneration  der  Pyramidenbahn  einhergehenden  Rückenmarks- 
krankheiten (z.  B.  spastische  Spinalparalyse),  findet  man  also  eine  Steigerung 
der  Patellarreflexe. 


24 


Einleitnne. 


Man  unterscheidet  zwei  Hauptgruppen  von  Reflexen:  Haut-  und  Schleimhaut- 
reflexe und  Sehnen-  und  Periostreflexe.     Die  wichtigsten  Reflexe  sind: 

Hautreflexe : 

der  Bauchdeckenreflex  (Abdominalreflex),  Contraction  der  Bauch- 
muskeln beim  Bestreichen  der  Bauchhaut; 

der  Cremasterreflex,  Contractur  des  M.  cremaster  (Emporziehen 
des  Hodens)  beim  Bestreichen  der  Innenfläche  des  Oberschenkels; 

der  Fußsohlenreflex  (Plantarreflex),  Plantarflexion  der  Zehen  beim 
Bestreichen  der  Fußsohle.  Bei  stärkeren  Reizen  wird  das  Bein  durch 
Beugung  im  Knie  und  Hüftgelenk  emporgezogen.  Werden  beim 
Bestreichen  der  Fußsohle  die  Zehen,  besonders  die  große  Zehe, 
dorsal  flectiert,  dann  spricht  das  für  eine  organische  Erkrankung 
des  Centralnervensystems.  Man  bezeichnet  dieses  Symptom  als 
BABiNSKisches  Zeichen,  das  sich  bei  Affectionen  (Degeneration) 
der  Pyramidenbahn  vorfindet. 

Schleimhautreflexe : 

der  Conjunctival-  und  Cornealreflex  (tactiler  Lidreflex),  Schließen 

der  Augenlider  beim  Berühren  der  Conjunctiva  oder  der  Cornea; 
der  Gaumenreflex  (Uvulareflex),  Contraction  der  Gaumen muskulatur 

(Heben  des  weichen  Gaumens)  beim  Berühren  der  Uvula  oder  des 

Gaumenbogens; 
der  Würg-   und   Schlingreflex,    Auftreten    von  Würgbewegungen 

beim  Berühren  des  Zungengrundes  und  der  hinteren  Rachenwand. 

Sehnen-  und  Periostreflexe: 

der  Patellarreflex  (Kniephänomen),  Contraction  des  M.  quadriceps 
femoris  beim  Beklopfen  der  Patellarsehne.  Es  ist  dabei  darauf  zu 
achten,  daß  der  Muskel  vollkommen  entspannt  ist,  was  oft  am 
besten  unter  Anwendung  des  »jENDRASSiKschen  Kunstgrififes<  erfolgt 
(der  Kunstgrift"  besteht  darin,  daß  der  Kranke  aufgefordert  wird, 
die  Hände  ineinanderzufalten  und  kräftig  nach  beiden  Seiten  aus- 
einanderzuziehen). Fehlen  des  Patellarreflexes  wird  WESTPHALsches 
Zeichen  genannt,  es  bildet  ein  Hauptsymptom  bei  der  Tabes 
dorsalis ; 

der  Achillessehnenreflex,  Contraction  der  Wadenmuskulatur 
(M.  gastrocnemius)  beim  Beklopfen  der  Achillessehne.  Eine  Steige- 
rung des  Reflexes  führt  zum  Fußklonus,  der  in  rythmisch  auf- 
einanderfolgenden Zuckungen  im  Sinne  der  Plantarflexion  beruht 
und  ausgelöst  wird,  wenn  man  plötzlich  und  anhaltend  die  Fuß- 
spitze mit  der  Hand  dorsal  flectiert; 


Reflexe. 


25 


der  Tricepssehnenreflex,  Contraction  des  M.  triceps  beim  Be- 
klopfen  der   Tricepssehne    bei   rechtwinkliger   Haltung   des  Arms; 

der  Radius-  und  Ulnarperiostreflex;  Beugung  und  Pronation 
des  Vorderarms  beim  Beklopfen  des  Processus  styloideus  radii  und 
ulnae ; 

der  Masseterretlex  (Unterkieferreflex),  Contraction  des  M.  masseter 
beim  Schlag  auf  einen  dem  Unterkiefer  aufgelegten  Spatel. 

Neben  diesen  wichtigsten  Haut-  uud  Sehnenreflexen  wären  noch  die  den 
Schleimhautreflexen  am  nächsten  stehenden  Visceralreflexe  besonders  zu 
erwähnen,  welche  die  im  Organismus  fortwährend  vor  sich  gehenden  reflec- 
torischen  Akte  der  Eingeweide  umfassen.  Neben  dem  Blasen-  und  Mastdarm- 
reflex kommt  vor  allem  der  Pupillarreflex  in  Betracht.  Ich  verweise  be- 
züglich dieses  Reflexes  auf  die  S.  29  angeführten  Bemerkungen. 


Nervi  cerebrales. 


Nn.  olfactorii. 

Riechleitung. 

1.  Von  den  bipolaren  Nervenzellen  in  der  Regio  olfactoria  der  Nasen-. 
Schleimhaut  (im  oberen  Teil  der  oberen  Muschel  und  im  entsprechenden 
Abschnitt  der  Nasenscheidewand)  durch  die  Nn.  olfactorii  s.  Fila  olfactoria 
—  durch  die  Löcher  der  Lamina  cribrosa  —  zum  Bulbus  olfactorius. 

2.  Vom  Bulbus  olfactorius  zu  den  primären  Riechcentren  (Tractus  ol- 
factorius, Trigonum  olfactorium,  Substantia  perforata  anterior,  angrenzender 
Teil  des  Septum  pellucidum). 

3.  Von  den  primären  Riech centren  zu  den  secundären  oder  corticalen 
Riechcentren  (Gyrus  hippocampi,  Ammonshorn,   Gyrus  dentatus). 

Die  Leitung   erfolgt  (Fig.  6]   durch  die  Stria  olfactoria  lateralis,   durch  die  Stria  Lan- 
cisii  (über  dem  Balken),  durch  das  Riechbündel  des  Ammonshorns  (unter  dem  Balken) 
die  Taenia  semicircularis  (unter  dem  Balken,  punktiert). 


Cyr.denfat 
'  Riechbündel 

des  Ammonshorns 


Riech  epithel 


Taenia  semicircularis 


Fig.  6.     Schematische  Darstellung  der  Riechleitung. 


N.  opticus. 


27 


Im  Epithel  der  Regio  olfactoria  finden  sich  außer  den  bipolaren  Olfactoriuszellen  auch 
feine  frei  endigende  Fasern,  die  man  als  Endäste  des  N.  trigeminus  auffaßt. 

Zur  Pathologie.  Herabsetzung  bzw.  Aufhebung  des  Gcruchsvermögens  bezeichnet 
man  als  Hyposmie  bzw.  Anosmie,  Erhöhung  als  Hyperosmie,  abnorme  subjektive 
Geruchserapfindungen  (und  Geruchshallucinationen)  als  Faros raie.  Anosmie  kann  dadurch 
bedingt  sein,  daß  den  Richstoffen  der  Weg  zur  Regio  olfactoria  versperrt  ist  —  Anosmia 
respiratoria  (die  durch  Versperrung  der  Choanen  bedingte  Anosmie  wird  als  Anosmia 
gustatoria  bezeichnet),  oder  sie  findet  sich  bei  pathologischen  Processen  innerhalb  der 
Regio  olfactoria  selbst,  oder  bei  solchen  Processen,  welche  die  Richleitung  von  der  Peri- 
pherie bis  zum  Geruchscentrum  betreffen.  Anosmie  kommt  auch  angeboren  vor,  häufiger 
ist  ein  angeborenes  Fehlen  einzelner  Geruchsqualltäten. 


N.  opticus. 


Rechhs 


Die    Fasern   des   N.   opticus    nehmen   ihren   Ursprung   in    der  Retina,   sie 
sind  die  Nervenfortsätze  der  in  der  Ganglienzellenschicht  gelegenen  Ganglien- 
zellen.    Verlauf  des  N,  opticus 
von    der    hinteren    Fläche    des  LinKs 

Augapfels  unter  leicht  S-för- 
miger Krümmung  durch  die 
Augenhöhle  nach  hinten  zum 
Foramen  opticum  und  weiterer 
Verlauf  zum  Chiasma.  Vom 
Chiasma  zieht  beiderseits  der 
Tractus  opticus  lateralwärts  und 
nach  hinten  um  den  Hirn- 
schenkel-  Die  Endigung  der 
Tractusfasern  erfolgt  im  Corpus 
geniculatum  laterale,  im  Pul- 
vinar  thalami  und  im  Corpus 
quadrigeminum  anterius,  welche 
Teile  als  primäre  S  e  h  - 
centren  bezeichnet  werden. 
Vom  Corpus  geniculatum  late- 
rale und  vom  Pulvinar  thalami 
ziehen  Fasern  durch  den  hin- 
tersten Teil  des  hinteren  Schen- 
kels der  inneren  Kapsel  weiter 
als  GRATioLETSche  Sehstrahlung  zum  secundären  oder  corticalen  Seh- 
centrum  in  der  Rinde  des  Cunens,  speziell  in  der  Rinde  um  die  Fissura 
calcarina. 

In  der  Sehstrahlung  verlaufen  auch  corticofugale  Fasern,  welche  Erregungen  von  der 
Großhirnrinde  nach  den  primären  Sehcentren  leiten,  ferner  sollen  Fasern  existieren,  die  in 
den  primären  Centren  entspringen  und  in  der  Retina  enden. 


5eh^ 

Strahlung 


Rind 

(SehceniTum) 


Fig.  7. 


Rinde 

(Sehcen^nKT) 

Schematische  Darstellung  der  centralen 
Bahn  des  N.  opticus. 


28  Nervi  cerebrales. 

Im  Chiasma  findet  eine  partielle  Kreuzung  —  Semidecussation  —  der 
Opticusfasern  statt.  Ein  Teil  zieht  im  honiolateralen  Tractus  opticus  weiter, 
ein  anderer  Teil  gelangt  nach  Kreuzung  im  Chiasma  zum  Tractus  opticus  der 
anderen  Seite,  und  zwar  führt  der  linke  Tractus  opticus  die  Fasern 
aus  den  beiden  linken  Retinahälften,  der  rechte  Tractus  opticus 
dagegen  diejenigen  aus  den  beiden  rechten  Retinahälften.  Die 
Wahrnehmung  aller  im  Räume  rechts  gelegenen  Objekte  wird  also  durch  den 
linken  Tractus,  die  Wahrnehmung  aller  links  gelegenen  Objekte  durch  den 
rechten  Tractus  geleitet,  oder  das  linke  corticale  Sehcentrum  ist  für  die  rechte 
Hälfte  der  Außenwelt,  das  rechte  corticale  Sehcentrum  für  die  linke  Hälfte 
der  Außenwelt  bestimmt. 

Die  von  der  Ganglienzellenschicht  der  Retina  ausgehenden  Opticusfasern  ziehen  alle 
radienartig  von  der  Ora  serrata  gegen  die  Papilla  nervi  optici.  Nach  dem  Ursprung  der 
Fasern  unterscheidet  man  drei  Hauptbündel,  ein  nasales,  ein  temporales  und  ein  maculäres 
Bündel.  Das  nasale  Bündel  bezieht  seine  Fasern  aus  der  nasalen  Retinahälfte ,  es  nimmt 
in  der  Papille  den  inneren  Sector  ein.  Von  der  Macula  lutea  zieht  das  maculäre  Bündel 
zum  äußeren  Teil  der  Papille.  Das  temporale  Bündel  bezieht  seine  Fasern  aus  der  tem- 
poralen Retinahälfte  und  wird  durch  die  Macula  lutea  und  das  maculäre  Bündel  in  einen 
oberen  und  unteren  Fascikel  geteilt.  Der  obere  Fascikel  führt  die  Fasern  aus  dem  oberen 
äußeren  Quadranten  der  Retina  und  zieht  zum  oberen  äußeren  Teil  der  Papille.  Der 
untere  Fascikel  führt  die  Fasern  aus  dem  unteren  äußeren  Quadranten  der  Retina  und  zieht 
zum  unteren  äußeren  Teil  der  Papille.  Diese  Anordnung  der  einzelnen  Bündel  bleibt  auch 
unmittelbar  hinter  dem  Bulbus  dieselbe.  Dann  tritt  eine  Änderung  ein,  die  dadurch  bedingt 
wird,  daß  das  maculäre  Bündel  im  weiteren  Verlaufe  immer  mehr  centralwärts  rückt  und 
schließlich  vollkommen  in  den  centralen  Teil  des  Opticus  zu  liegen  kommt.  Gegen  das 
Chiasma  zu  zeigt  es  außerdem  auf  dem  Querschnitt  eine  mehr  ovale  Form,  welche  es  auch 
im  Chiasma  und  im  vorderen  Teil  des  Tractus  beibehält.  Die  Folge  dieser  Verlagerung 
des  maculären  Bündels  ist,  daß  die  beiden  Fascikel  des  temporalen  Bündels  sich  vereinigen 
und  das  temporale  Bündel  so  auf  Querschnitten  das  maculäre  Bündel  hufeisenförmig  umgibt. 

Im  Chiasma  erfolgt  die  Semidecussation.  Die  Fasern  des  nasalen  Bündels  treten  zum 
contralateralen  Tractus  opticus,  und  zwar  ziehen  nur  wenige  Fasern  gerade  durch  das  Chiasma, 
die  meisten  Fasern  verlaufen  bogenförmig  zuerst  nach  außen  und  dann  nach  Umbiegen  erst 
wieder  nach  hinten  zum  Tractus.  Das  ganze  nasale  Bündel  erweitert  sich  also  beim  Durch- 
tritt durch  das  Chiasma  spindelförmig,  im  allgemeinen  zieht  es  vom  inneren  oberen  Teil 
des  N.  opticus  zum  inneren  unteren  Teil  des  Tractus  opticus.  Das  temporale  Bündel  zieht 
ungekreuzt  zum  homolateralen  Tractus.  Auch  hier  findet  beim  Durchtritt  durch  das  Chiasma 
eine  Aufsplitterung  des  Bündels  statt,  einzelne  Fasern  ziehen  in  größeren  Bogen  zuerst  gegen 
die  Mittellinie  des  Chiasma,  ohne  diese  aber  zu  erreichen  und  erst  dann  nach  hinten  zum 
Tractus.  Im  allgemeinen  nimmt  das  temporale  Bündel  den  äußeren  peripheren  Teil  des 
Chiasma  ein,  durchkreuzt  daselbst  die  am  meisten  lateralwärts  ausbiegenden  Fasern  des 
nasalen  Bündels  und  zieht  dann  im  oberen  äußeren  Teil  des  Tractus  weiter.  Das  maculäre 
Bündel  zieht  mitten  durch  das  Chiasma,  und  zwar  kreuzt  ein  Teil  der  Fasern,  während  ein 
anderer  Teil  ungekreuzt  weiterzieht.  Im  weiteren  Verlaufe  durch  den  Tractus  findet  eine  Durch- 
flechtung  der  gekreuzten  und  ungekreuzten  Fasern  des  nasalen  und  temporalen  Bündels  statt. 

Die  eigentlichen  Sehfasern  finden  ihre  Endigung  im  Corpus  geniculatum 
laterale  und  im  Pulvinar  thalami.  Den  zu  den  vorderen  Vierhügeln  ziehen- 
den Sehnervenfasern  kommt  eine  besondere  Aufgabe  zu.  Von  den  vorderen 
Vierhügeln  können  Erregungen  auf  den  in  der  Tiefe  gelegenen  Oculomotorius- 
kern  übertragen  werden,  es  erfolgt  dadurch  die  Auslösung  des  Pupillarretlexes 


N.  opticus. 


29 


Ganglion 
ciliare 


Die  diesen  Reflex  vermittelnden,   im  vorderen  Vierhügel  endenden  Sehnerven- 
fasern bezeichnet  man  daher  auch  als    »Pupillarfasern«. 

Der  PnpilLarreflex  besteht  in  einer  Verengerung  der  Pupille  bei  Lichteinfall.  Die 
Reaction  betriflft  stets  beide  Augen:  wenn  das  Licht  bloß  auf  ein  Auge  fällt,  dann  erfolgt 
die  Verengerung  der  Pupille  nicht  nur  auf  diesem  gereizten  Auge  —  direkte  Reaction, 
sondern  auch  auf  dem  anderen  Auge  —  consensuelle  Reaction. 

Die  intercentralen  Bahnen  des  Pupillarreflexes  sind  nicht  sicher 
festgestellt.     Sicher  ist,  daß  die  ganze  Refle.xbahn  aus   mehreren  aufeinander- 
folgenden Neuronen  zusammengesetzt  ist.     Die  Erregung  geht 
a)  von  der  Retina  zum  vorderen  Vierhügel, 
bj  vom  vorderen  Vierhügel  zum  Kern  des  N.  oculomotorius, 

c)  vom  Kern  des  N.   oculomotorius  zum  Ganglion  ciliare, 

d)  vom  Ganglion  ciliare  zum  M.  sphincter  pupillae. 

Da  die  Belichtung  eines  Auges  eine  gleichmäßige  Verengerung  beider 
Pupillen  bedingt,  der  Reflex  also  gleichseitig  und  gekreuzt  erfolgt,  muß  von 
dem  einen  Vierhügel  aus  die 
Erregung  entweder  auf  beide 
Oculomotoriuskerne  übertra- 
gen werden  können,  oder  es 
muß  von  dem  einen  Oculomo- 
toriuskern  aus  sowohl  der  rechte 
wie  der  linke  M.  sphincter  pu- 
pillae erregt  werden  können. 
Durch  welche  Faserbündel  die 
Übertragung  der  Erregung  vom 
vorderen  Vierhügel  zum  Ocu- 
lomotoriuskern  erfolgt,  ist  nicht 
sicher  festgestellt.  In  Fig.  8 
ist  die  Reflexbahn  schematisch 
dargestellt,  dabei  wurde  an- 
genommen, daß  vom  vorderen 
Vierhügel  ausgehende  Fasern 
zu  beiden  Oculomotoriuskernen 
gelangen. 

Zur  Pathologie.  Die  Kenntnis  des  Verlaufs  der  Sehnervenfasern,  speziell  der  Semi- 
decussation,  ermöglicht  uns  die  Erklärung  einer  der  wichtigsten  Sehstörungen,  der  Hemi- 
anopsie (Halb  nicht  sehen  oder  Hemiopie  (Halbsehen).  Wird  durch  eine  Laesion  die 
Leitung  in  einem  Tractus  opticus,  z.  B.  im  linken,  unterbrochen,  dann  können  die  von  den 
linken  Retinahälften  beider  Augen  ausgehenden  Erregungen  nicht  mehr  bis  zum  corticalen 
Centrum  in  der  linken  Hemisphäre  geleitet  werden,  die  rechten  Gesichtsfeldhälften  gehen 
verloren,  von  allen  fixierten  Gegenständen  werden  nur  mehr  die  linken  Hälften  gesehen. 
Wir  sprechen  in  diesem  Fall  von  gleichseitiger  oder  homonymer  Hemianopsie  oder 
Hemiopie.  Läsion  des  linken  Tractus  führt  zu  rechtsseitiger  homonymer  Hemianopsie 
oder  zu  linksseitiger  Hemiopie,  Läsion  des  rechten  Tractus  führt  zu  linksseitiger  homo- 
nymer Hemianopsie  oder  zu  rechtsseitiger  Hemiopie.    Homonyme  Hemianopsie  tritt  natürlich 


Rinde 

iSehcentrum] 


N  oculomotorius 


Rinde 

(Sehcenfrum! 


Fig.  8.     Schematische  DarsteUung  der  Pupillar- 
reflexbahn. 


30 


Nervi  cerebrales. 


nicht  nur  bei  Läsion  des  Tractus  opticus,  sondern  auch  bei  Läsion  der  secundären  Sehbahn 
vom  primären  zum  secundären  Centrum,  also  innerhalb  des  Verlaufs  der  GRATlOLETschen 
Sehstrahlung  oder  bei  Läsion  des  corticalen  Centrums  ein.  —  Bezüglich  der  Diagnose 
des  Sitzes  der  Läsion  bei  homonymer  Hemianopsie  kommt  der  Pupillarreaktion  eine  gewisse 
Bedeutung  zu.  Ist  bei  homonymer  Hemianopsie  bei  Beleuchtung  der  unempfindlichen  Retina- 
hälfte der  Lichtreflex  der  Pupille  verloren  gegangen,  dann  sitzt  die  Läsion  im  Tractus 
(Wernickes  hemlanopische  Pupillenstarre  oder  hemioplsche  Pupillenreaction).  Ist  dagegen 
der  Lichtreflex  der  Pupille  intact,  dann  sitzt  die  Läsion  höher,  z.  B.  in  der  inneren  Kapsel 
oder  in  der  Hirnrinde.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  von  homonymer  Hemianopsie  handelt 
es  sich  nm  Tumoren  des  Occipitallappens,  die  auf  einer  Läsion  des  Tractus  opticus  be- 
ruhenden Fälle  gleichseitiger  Hemianopsie  sind  seltener.  Zu  berücksichtigen  sind  auch  die 
bei  Hemianopsie  auftretenden  Coraplikationen,  wie  Hemiplegie,  Hemiparese,  Krämpfe, 
aphasische  Störungen  (bei  rechtsseitiger  Hemianopsie). 

Der  gleichseitigen  oder  homonymen  Hemianopsie  steht  die  ungleichseitige  oder 
heteronyme  Hemianopsie  gegenüber,  die  seltener  auftritt  wie  die  homonyme.  Fehlen 
beiderseits  die  temporalen  Gesichtsfeldhälften,  dann  bezeichnet  man  diese  heteronyme 
Hemianopsie  als  temporale  Hemianopsie.  In  solchen  Fällen  sitzt  die  Läsion  im 
Chiasma,  und  zwar  in  der  Mitte  oder  im  vorderen  oder  hinteren  Winkel  des  Chiasma.  Es 
werden  dabei  die  kreuzenden  Fasern  betroffen.  Temporale  Hemianopsie  v;ird  z.  B.  bei 
Akromegalie  beobachtet,  wo  durch  Vergrößerung  der  Hypophysis  cerebri  das  Chiasma  in 
Mitleidenschaft  gezogen  wird.  Fehlen  beiderseits  die  nasalen  Gesichtsfeldhälften,  dann 
spricht  man  von  nasaler  Hemianopsie,  es  werden  die  ungekreuzt  verlaufenden  Fasern 
betroffen   (Druck   des  Chiasma  jederseits    im   lateralen  Winkel  durch   erweiterte  Carotiden). 

Auf  weitere  Sehnervenstörungen  soll  hier  nicht  eingetreten  werden. 


Augenmuskelnerven. 

N.  oculomotorius,  N.  trochlearis,  N.  abducens. 

Diejenigen  Muskeln,  welche  den  Augapfel  bewegen,  werden  allgemein  als  äußere 
Augenmuskeln  bezeichnet,  es  sind  das  die  Mm.  rectus  superior,  rectus  inferior,  rectus 
externus,  rectus  internus,  obliquus  superior  und  obliquus  inferior. 


Wirkung  und  Innervation  der  äußeren  Augenmuskeln. 


M. 
M. 


rectus  superior 
rectus  inferior 


M.  rectus  internus 
M.  rectus  externus 
M.  obliquus  superior 
M.  obliquns  inferior 


Heben  nnd  Adducieren 

Senken  und  Adducieren 

Adducieren 

Abducieren 

Rollen,  Senken,  Abducieren 

Rollen,  Heben,  Abducieren 


N.  oculomotorius 
N.  oculomotorius 
N.  oculomotorius 
N.  abducens 
N.  trochlearis 
N.  oculomotorius 


Als   innere   Augenmuskeln    oder   B  i  n  n  e  n  m  u  s  k  e  1  n    bezeichnet   man  den 
M.  sphincter  pupillae,  den  M.  dilatator  pupillae  und  den  M.  ciliaris. 


Wirkung  und  Innervation  der  inneren  Augenmuskeln. 


M.  sphincter  pupillae 
M.  dilatator  pupillae 

M.   ciliaris 


Regulierung  der  Pupillen- 
bewegung 

Regulierung  der  Linsen- 
wölbung (Accommodation) 


N.  oculomotorius 
N.  sympathicus 

N.  oculomotorius 


Muskeln  der  Augenlider  sind  der  M.  levator  palpebrae  superioris,  innerviert  vom 
N.  oculomotorius,    und    der  M.  orbicularis  oculi ,    innerviert    vom  N.  facialis.     Außer  diesen 


Augenmuskelnerven. 


31 


beiden  quergestreiften  Muskeln  besitzen  die  Augenlider  auch  noch  glatte  Muskeln,  den 
M.  tarsalis  superior  und  den  M.  tarsalis  inferior,  die  beide  vom  N.  sympathicus  innerviert 
werden. 

In  der  Augenhöhle  findet  sich,  meist  zwischen  den  Rändern  der  Fissura  orbltalis 
inferior,  der  aus  wenigen  Bündeln  glatter  Muskelfasern  bestehende  Augenhöhlenmuskel, 
M.  orbltalis.  Er  wird  von  Rami  orbitales  des  Ganglion  sphenopalatlnum  'des  Trigemlnus) 
versorgt. 

N.  oculomotorius. 

Er  nimmt  seinen  Ursprung  im  Nucleus  nervi  oculomotorii,  der  im  Be- 
reich der  vorderen  Vierhügel  ventral  vom  Aquaediictus  Sylvii  im  Boden  des 
centralen  Höhlengraus  liegt. 

Der  Kern  besteht  aus  einem  medial  gelegenen  Medialkern  und  einem  paarigen  Lateral- 
kern. Der  Nerv  führt  Fasern,  die  aus  dem  Medialkern,  dem  gleichseitigen  und  zum  Teil 
auch  aus  dem  gekreuzten  Lateralkern  stammen.  Unter- 
suchungen haben  ergeben,  daß  der  ganze  Kern  aus 
bestimmten  Zellgruppen  aufgebaut  ist,  der  Art,  daß 
einer  bestimmten  Zellgruppe  stets  die  Fasern  für  einen 
bestimmten  Muskel  entstammen.  Auf  diese  speziellen 
Kernabteilungen  soll  nicht  näher  eingetreten  werden 
aus  dem  Grunde,  als  diese  Verhältnisse  bis  jetzt  keines- 
wegs sicher  festgestellt  sind.  Fig.  9  zeigt  die  ein- 
zelnen Zellgruppen  des  Kerns  dargestellt  nach  Unter- 
suchungen von  Bernheimer  an  Affen. 


AccornodaMon 


.Pupille 

Levatorpalpebrae 

Recfus  superior 
Rectus  inhernus 
Obliquus  inferior 
Recrui  inferior 


r\ern  des  IN  "(rochlearis 

Fig.  9.     Schematische   Darstellung 
des     Kerngebietes     des    Oculomo- 
torius.    Nach  Bernheimer. 


Austritt  aus  dem  Hirn  im  Sulcus  nervi 
oculomotorii  am  medialen  Rand  des  Hirn- 
schenkels  unmittelbar  vor  der  Brücke.  Ver- 
lauf zwischen  Arteria  cerebelli  superior  und 
Arteria    cerebri    posterior,     Durchbohrung    der 

Dura  mater  lateral  vom  Processus  clinoideus  posterior  und  weiterer  Verlauf 
in  der  lateralen  Wand  des  Sinus  cavernosus.  Austritt  aus  dem  Schädel 
durch  die  Fissura  orbitalis  superior. 

Im  Sinus  cavernosus  Anastomose  mit  dem  Plexus  cavernosus  und  in  der  Fissura  orbi- 
talis superior  zuweilen  mit  dem  N.  ophthalmicus. 

Äste: 

Ranms  superior:    z.  M.  levator  palpebrae  superioris, 

z.  M.  rectus  superior. 
Ramus  inferior:    z.  M.  rectus  internus, 
z.  M.  rectus  inferior, 
z.   M.  obliquus  inferior. 
Von  dem  zum  M.  obliquus  inferior  ziehenden  Ast  geht  die  Rad  ix  brevis 
ganglii  ciliaris  ab   zum  Ganglion  ciliare. 


N.  trochlearis. 

Er  nimmt  seinen  Ursprung  im  Nucleus  nervi  trochlearis,  der  in  der  cau- 
dalen  Verlängerung  des  Oculomotoriuskerns  im  Bereich  der  hinteren  Vierhügel 


32  Nervi  cerebrales. 

gelegen  ist.  Die  Fasern  ziehen  vom  Kern  weg  dorsalwärts  und  kreuzen  sich 
im  Velum  medulläre  anterius.  Austritt  aus  dem  Hirn  hinter  den  Vier- 
hügeln zu  beiden  Seiten  des  Frenulum  veli  meduUaris  anterioris.  Verlauf 
um  den  Hirnschenkel  nach  vorn  und  Durchbohrung  der  Dura  mater  hinter 
dem  Processus  cHnoideus  posterior  lateral  vom  N.  oculomotorius.  Weiterer 
Verlauf  in  der  lateralen  Wand  des  Sinus  cavernosus.  Austritt  aus  dem 
Schädel  durch  die  Fissura  orbitalis  superior  und  Endigung  im  M.  obli- 
q  uus  superior. 

Im  Sinus  cavernosus  Aufnahme  von  sympathischen  Fasern  aus  dem  Plexus  cavernosus 
und  von  sensiblen  Fasern  aus  dem  N.  ophthalmicus. 

N.  abducens. 

Er  nimmt  seinen  Ursprung  im  Nucleus  nervi  abducentis,  der  im  Brücken- 
gebiet dorsal  im  Boden  der  Rautengrube  (im  Colliculus  facialis)  hegt.  Die  Fasern 
ziehen  vom  Kern  aus  ventralwärts.  Austritt  aus  dem  Hirn  am  hinteren 
Rande  der  Brücke  in  der  Furche  zwischen  Brücke  und  Pyramide.  Verlauf 
lateralwärts  nach  vorn,  Durchbohrung  der  Dura  mater  medial  vom  N.  trige- 
minus  und  weiterer  Verlauf  mitten  durch  den  Sinus  cavernosus.  Austritt 
aus  dem  Schädel  durch  die  Fissura  orbitalis  superior  und  Endigung  im 
M.  rectus  externus. 

Im  Sinus  cavernosus  Aufnahme  von  sympathischen  Fasern  aus  dem  Plexus  cavernosus 
und  Anastomose  mit  dem  N.  ophthalmicus. 

Zur  Pathologie.  Die  gewöhnlichen  Symptome  der  Augenmuskellähmung 
bestehen  in: 

Beschränkung  der  Beweglichkeit, 

Stellungsanomalien  des  Bulbus:  Schielen  (Strabismus), 

Doppelsehen  (Diplopie), 

Schwindelerscheinungen  und  schiefe  Kopfhaltung. 

Die  wichtigsten  Symptome  sind  Strabismus  und  Diplopie. 

T  ..  r  .  (    Rect.  internus    ]      ^ ,.      i.  •  j  • 

Lahmungeines       )  .        (      Strabismusdivergens 

Einwärtswenders     I    J'      '  .    ?  1       (gekreuzte  Doppelbilder). 

i    Rect.  inferior     J       ^  ff  i 

T  ..  1  ■  f    Rect.  externus    ]    c  ^      i.  • 

Lahmung  eines       )  .      (    Strabismus  convergens 

Auswärtswenders    1     ^   ,..   ?  (    (gleichnamige  Doppelbilder). 

l    Obliq.  inferior    i    ^  s  ff 

Verschiedene  Lähmungsformen. 

Lähmung  eines  einzelnen  Muskels  betrifft  am  häufigsten  den  M.  rectus  externus 
(N.  abducens)  und  den  M.  obliquus  superior  (N.  trochlearis). 

Gleichzeitige  Lähmung  mehrerer  Muskeln  betrifft  am  häufigsten  die  vom 
N.  oculomotorius  versorgten  Muskeln. 

Symptome  der  kompleten  Oculomotoriuslähmung: 

Ptosis  (Herabsinken  des  oberen  Lides), 

Ablenkung  des  Bulbus  nach  außen  und  etwas  nach  unten, 

Erweiterung  der  Pupille, 

Aufhebung  der  Accommodation  für  die  Nähe, 

Exophthalmus. 


Augenmuskelnerven.  to 

Nicht  selten  kommen  auch  partielle  Oculomotoriuslähmungen  vor  (isolierte 
Ptosis,  Lähmung  des  Levator  palpebrae  und  Rectus  superior,  Lähmung  eines  der  Mm.  recti, 
Lähmung  aller  Muskeln  mit  Ausnahme  des  Levator  palpebrae  oder  des  Rectus  internus). 

Zu  erwähnen  ist  ferner  die  periodische  Oculomotoriuslähmung,  die  auch  als 
recidivierende  Oculomotoriuslähmung  oder  als  Migraine  ophthalmoplegique 
bezeichnet  wird.  Mit  der  Lähmung,  die  sich  von  Zeit  zu  Zeit  in  meist  regelmäßigen 
Zwischenräumen  einstellt,  verbindet  sich  Kopfschmerz  gewöhnlich  vom  Charakter  des 
Migraineanfalls. 

Lähmung  sämtlicher  Augenmuskeln  =  Oph  thalmoplegi  a  totalis.  Symp- 
tome: Ptosis,  die  Augen  sind  unbeweglich  nach  vorn  gerichtet,  die  Pupillen  erweitert,  die 
Accommodation  ist  aufgehoben. 

Lähmung  nur  der  äußeren  Augenmuskeln  =  Ophthalmoplegia  externa, 
Lähmung  nur  der  Binnen muskeln  =  Ophthalmoplegia  interna  (Accommodations- 
lähmung). 

Conjugierte  Lähmungen  sind  solche,  welche  nicht  einzelne  Muskeln,  sondern 
associierte  Bewegungen  betreffen  (Lähmung  synergistischer  Muskeln,  z.  B.  Verlust  der  Fähig- 
keit, nach  links  oder  nach  rechts  zu  sehen). 

Es  gibt  auch  angeborene  Augenmuskellähmungen  (Aplasie  von  Nerven  und 
Muskeln.  Entbindungslähmung.  Frühzeitige  Kerndegeneration).  Am  häufigsten  sind  an- 
geborene Lähmungen  des  N.  abducens. 

Je  nach  dem  Sitz  der  Läsion  kann  man  corticale,  nucleäre  und  periphere 
Lähmungen  unterscheiden.  Bei  corticalen  Läsionen  findet  man  stets  conjugierte  Lähmungen 
(eine  Ausnahme  macht  die  Ptosis),  bei  nucleären  Läsionen  findet  man  meist  Lähmungen 
mehrerer  Augenmuskeln  (Ophthalmoplegie). 

Ophthalmoplegia  acuta  s.  Folien  cephalitis  superior  acuta  bei  acuten  Ver- 
giftungen und  nach  acuten  Infectionskrankheiten.  Poliencephalitis  superior  acuta 
haeraorrhagicä- Wem  icke  =  schnell  fortschreitende  Augenmuskellähmung  auf  meist 
alkoholischer  Basis  mit  tötlichem  Ausgang.  Ophthalmoplegia  chronica  progressiva 
(progressive  nucleäre  Augenmuskellähmungl,  am  häufigsten  bei  Syphilis. 

Periphere  Lähmungen  können  einen  oder  mehrere  Nerven  treffen.  Bei  basalen  und 
orbitalen  Lähmungen  treten  meist  Begleiterscheinungen,  wie  Lähmungen  anderer  Hirn- 
nerven, auf. 

Als  besondere  Form  ist  zu  erwähnen  die  Hemiplegia  alternans  oculomotoria 
(WEBERsche  Lähmung)  bei  einer  Läsion  des  Hirnschenkels.  (Bei  Läsion  des  linken  Hirn- 
schenkels besteht  Lähmung  des  linken  Oculomolorius  und  rechtsseitige  Hemiplegie)  Dasselbe 
kann  für  den  N.  abducens  stattfinden  bei  Brückenläsionen.     Siehe  Fig.  5. 

Pupillarreaction. 

Die  Pupille  steht  unter  dem  Einfluß  zweier  Nerven,  des  N.  oculomotorius  und  des 
N.  sympathicus.  Die  Reaction  erfolgt  unwillkürlich  und  unbewußt.  Sie  ist  reflectorisch, 
wenn  der  Reiz  von  centripetalen  Bahnen  (N.  opticus)  auf  die  Irisnerven  übertragen  wird 
(vide  Pupillarreflex).  Sie  ist  associiert,  wenn  mit  den  Pupillenfasern  gleichzeitig  andere 
Oculomotoriusfasern  erregt  werden.  Die  associierte  Reaction  besteht  stets  in  einer  Ver- 
engerung der  Pupille  und  findet  sich  bei  der  Convergenz  (Synergie  mit  den  Recti  interni) 
und  bei  der  Accommodation  (Synergie  mit  dem  M.  ciliaris).  Die  Pupillen  sind  stets  auf 
beiden  Seiten   gleich   weit,   ungleiche  Weite  der  Pupillen  =  Anisokorie  ist  pathologisch. 

Pathologische  Verengerung  der  Pupille  =  Miosis  erfolgt  bei  Contractur 
des  M.  sphincter  pupillae  (spastische  Miosis;  oder  bei  Lähmung  des  Diktator  pupillae 
(paralytische  Miosis,  bei  Lähmving  des  Halssympathicus,  bei  Dementia  paralytica,  bei  Tabes). 
Bei  spinaler  Miosis  findet  man  oft  reflectorische  Pupillenstarre,  während  die  Verengerung 
der  Pupille  bei  Convergenz  und  Accommodation  erhalten  ist  (ARGVLL-RoBERTSONsches 
Symptom).  —  Pathologische  Erweiterung  der  Pupille  =  Mydriasis  erfolgt  durch 
Lähmung  des  M.  sphincter  pupillae  (paralytische  Mydriasis,  bei  Oculomotoriuslähmung)  oder 
durch    Krampf  des  Diktator  pupillae    (spastische  Mydriasis,    bei    cerebralen  Reizzuständen). 


Villiger,   Die  periphere   Innervation. 


■lA  Nervi  cerebrales. 


N.  trigeminus. 


Der  N.  trigeminus  ist  ein  gemischter  Nerv.  Austritt  aus  dem  Hirn 
mit  einer  dickeren  sensiblen  Wurzel,  Portio  major,  und  einer  dünneren  motori- 
schen Wurzel,  Portio  minor,  am  vorderen  Rande  der  Brücke,  lateral  beim 
Übergang  der  Brückenarme  in  das  Kleinhirn.  Beide  Wurzeln  ziehen  nach 
vorn  und  durchbohren  die  Dura  mater  unter  dem  Abgang  des  Tentorium 
cerebelli  hinter  dem  Processus  clinoideus  posterior  und  liegen  dann  zwischen 
den  Blättern  der  Dura  mater  in  der  lateralen  Wand  des  Sinus  cavernosus. 
Die  Portio  major  geht  in  das  Ganglion  semilunare  Gasseri  über,  von  welchem 
die  drei  Hauptäste  des  N.  trigeminus  abgehen:  der  N.  ophtha! micus,  der 
N.  maxillaris,  der  N.  mandibularis.  Die  Portio  minor  zieht  unter  dem 
Ganglion  semilunare  vorbei  direkt-  zum  dritten  Ast  des  N.  trigeminus,  zum 
N.  mandibularis. 

Die  motorischen  Fasern,  Portio  minor  N.  trigemini,  nehmen  ihren  Ursprung  zum 
größten  Teil  im  motorischen  Hauptkern  im  dorsolateralen  Teil  der  Brückenhaube.  Eine 
kleinere  motorische  Wurzel  stammt  aus  kleinen  Zellen,  die  im  Vierhügelgebiet  lateral  vom 
Aquaeductus  Sylvii  liegen  —  Nucleus  radicis  descendentis  nervi  trigemini.  Dieser  Zellen- 
gruppe schließt  sich  caudalwärts  das  Zellengebiet  des  Locus  caeruleus  an.  Der  Ursprung 
des  sensiblen  Teils  liegt  im  Ganglion  semilunare  Gasseri.  Die  Nervenfortsätze  der  uni- 
polaren Zellen  dieses  Ganglions  teilen  sich  in  zwei  Äste.  Die  einen  Äste  ziehen  peripher- 
wärts  als  peripherer  Nerv,  die  anderen  Äste  ziehen  centralwärts,  treten  als  Portio  major 
nervi  trigemini  in  die  Brücke  ein  und  ziehen  bis  zum  sensiblen  Endkern  des  N.  trigeminus. 
Hier  teilt  sich  jede  Faser  in  einen  auf-  und  absteigenden  Ast.  Der  aufsteigende  Ast  endet 
im  Nucleus  sensibilis  nervi  trigemini,  der  in  der  Brückenhaube  neben  dem  motorischen 
Kern  gelegen  ist.  Der  absteigende  Ast  endet  unter  Abgabe  von  zahlreichen  Collateralen 
in  einem  Kern,  der  nichts  anderes  ist  als  die  caudale  Verlängerung  des  Nucleus  sensibilis. 
Die  absteigenden  Äste  bilden  zusammen  den  Tractus  spinalis  nervi  trigemini;  der  Kern, 
in  welchem  dieser  Tractus  endet,  wird  als  Nucleus  tractus  nervi  trigemini  bezeichnet.  Dieser 
absteigende  Tractus  sowie  der  Kern  können  weit  nach  unten  bis  in  das  Halsmark  verfolgt 
werden,  der  Kern  ist  in  seinem  caudalen  Teil  indentisch  mit  der  dem  Hinterhorn  aufsitzenden 
Substantia  gelatinosa  Rolandi.  — •  Ein  kleiner  Teil  sensibler  Fasern  endet  nicht  im  sensiblen 
Endkern,  sondern  zieht  direkt  zum  Kleinhirn  als  Bestandteil  der  direkten  sensorischen 
Kleinhirnbahn. 

I.  N.  ophthalmicus  (sensibel). 

Verlauf  in  der  lateralen  Wand  des  Sinus  cavernosus.  Aufnahme  von 
sympathischen  Fasern  aus  dem  Plexus  cavernosus  und  ev.  Anastomosen  mit 
den  Augenmuskelnerven.  Abgabe  eines  Ramus  recurrens  (Arnold)  s.  N.  ten- 
torii  zum  Tentorium  cerebelli  (Sinus  transversus,  rectus,  petrosus  superior). 
Austritt  aus  dem  Schädel  durch  die  Fissura  orbitalis  superior. 

Äste: 

I.  N.  lacrimalis 

a)  Ramus  anastomoticus  c.   N.  zygomatico  (N.  maxillaris  trigemini). 

b)  Äste  zur  Glandula  lacrimalis,  zur  Bindehaut  und  Haut  am 
lateralen  Augenwinkel.  (Bezüglich  der  Innervation  der  Tränen- 
drüsen siehe  S.  43.) 


N.  trigeminus.  i« 

2.  JV.  frontalis 

a)  N.  supraorbitalis,  durch  Foramen  supraorbitale  zur  Haut  und 
Bindehaut  des  oberen  Augenlides  und  zur  Haut  der  Stirngegend 
bis  zur  Coronarnaht.     Ein  kleiner  Zweig  zum  Sinus  frontalis. 

b)  Ramus  frontalis,  durch  Foramen  frontale,  medial  vom 
N.  supraorbitalis  zur  Haut  der  Stirngegend. 

c)  N.  supratrochlearis,  durchbohrt  den  M.  orbicularis  oculi  und 
zieht  zur  Haut  des  oberen  Augenlides,  der  unteren  Stirngegend 
und  der  Nasenwurzel.     Anastomose  mit  dem  N.  infratrochlearis. 

3.  N,  nasociliaris 

a)  Radix  longa  ganglii  ciliaris  zum  Ganglion  ciliare. 

b)  Nn.  ciliares  longi  zum  Augapfel. 

c)  N.  ethmoidalis  posterior,  durch  Foramen  ethmoidale  pos- 
terius zur  Schleimhaut  der  hinteren  Siebbeinzellen,  teils  auch 
zum  Sinus  sphenoidalis. 

Eigentliche  Endäste: 

d)  N.  ethmoidalis  anterior,  durch  Foramen  ethmoidale  anterius 
auf  die  obere  Fläche  der  Lamina  cribrosa  und  durch  letztere 
zur  Nasenhöhle. 

Rami  nasales  anteriores: 

a)  Rami    nasales    interni   mediales    zur   Schleimhaut 

der  Nasenscheidewand, 

laterales  zur  Seitenwand  der  Nasenhöhle; 
ß)  Ramus  nasalis  externus  zur  Seitenwand  der  äußeren 

Nase  bis  zur  Nasenspitze. 

e)  N.  infratrochlearis 

a)  Ramus  palpebralis  superior  zu  den  Augenlidern. 
Anastomose  mit  dem  N.  supratrochlearis. 

ß]  Ramus  palpebralis  inferior  zum  Tränensack,  zur 
Caruncula  lacrimalis,  zu  den  Augenlidern,  zur  Haut  am 
medialen  Augenwinkel  und  der  Nasenwurzel. 

II.   N.  maxillaris  (sensibel). 

Verlauf  in  der  lateralen  Wand  des  Sinus  cavernosus.  Austritt  aus 
dem  Schädel  durch  das  For amen  ro tu ndum  und  weiterer  Verlauf  durch 
den  obersten  Teil  der  Fossa  pterygopalatina  zum  CanaUs  infraorbitalis.  Endigung 
als  N.  infraorbitalis.  Vor  Durchtritt  durch  das  Foramen  rotundum  Abgabe 
eines  Ramus  recurrens  s.  N.  meningeus  (medius)  zur  Dura  mater  in  der 
Umgebung  der  Arteria  meningea  media.  (Anastomose  mit  dem  N.  spinosus 
s.  Ramus  recurrens  N.  mandibularis  trigemini.) 


^5  Nervi  cerebrales. 

Äste: 

1.  N,  ^yfßOinaticus,  verläuft  in  der  lateralen  Wand  der  Augenhöhle 
nach  vorn.     Anastomose  mit  dem  N.  lacrimalis. 

a)  Ramus  zygomaticotemporalis,  durch  Foramen  zygomatico- 
temporale  zur  Haut  der  Schläfe  und  des  lateralen  Teils  der  Stirn. 

b)  Ramus  zygomaticofacialis  durch  Foramen  zygomaticofaciale 
zur  Haut  der  Wangengegend  und  des  lateralen  Augenwinkels. 

2.  Nn.  spJienojMilcitinif  zum  Ganglion  sphenopalatinum. 

3.  JVll.  alveolares  SUperiores,  verlaufen  auf  dem  Tuber  maxil- 
lare  abwärts  und  nach  vorn. 

Rami  alveolares  superiores  posteriores, 
Ramus  alveolaris  superior  medius, 
Rami  alveolares  superiores  anteriores. 
Bildung  des  Plexus  dentalis  superior: 
Rami  dentales  superiores, 
Rami  .gingivales  superiores. 

Zweige    zum    Knochen    und    zur    Schleimhaut   des    Sinus 
maxillaris. 

4.  N.  InfraorbitaliSf  die  eigentliche  Fortsetzung  des  Stammes, 
zieht  durch  den  Canalis  infraorbitalis  und  zerfällt  beim  Durchtritt 
durch  das  Foramen  infraorbitale  in  seine  Endäste. 

a)  Rami  palpebrales  inferiores  zur  Haut  des  unteren  Augen- 
lides. 

b)  Rami   nasales  externi    zur  Seitenwand  der  Nase  und  zum 
Nasenflügel. 

c)  Rami    nasales    interni    zur    Nasenhöhle    (Schleimhaut    des 
vorderen  Teils). 

d)  Rami  labiales  superiores  zur  Haut  und  Schleimhaut  der 
Oberlippe  und  des  Nasenflügels. 

III.    N.  mandibularis  (gemischt). 

Verlauf  durch  das  Foramen  ovale.  Im  Foramen  ovale  Abgabe 
eines  Ramus  recurrens  s.  N.  spinosus,  der  mit  der  Arteria  meningea 
media  durch  das  Foramen  spinosum  zieht  und  zum  Keilbein  und  den  Cellulae 
mastoideae  gelangt  (Anastomose  mit  dem  N.  meningeus  s.  Ramus  recurrens 
N.  maxillaris  und  mit  dem  Ganglion  oticum).  Teilung  des  N.  mandibularis 
unmittelbar  unter  dem  Foramen  ovale  in  einen  kleineren  vorderen,  vorwiegend 
motorischen  und  einen  stärkeren  hinteren,  vorwiegend  sensiblen  Ast.  Der 
vordere  Ast  ist  der  N.  masticatorius,  der  hintere  Ast  steht  durch  kurze  Fäden 
mit    dem  Ganglion  oticum    in  Verbindung    und    teilt    sich    dann    im   weiteren 


N.  trigeminus.  -77 

Verlaufe  in  drei  Endäste:  den  N.  auriculotemporalis,   den  N.  lingualis  und  den 
N.  alveolaris  inferior. 

Äste: 

1.  N.  mastlcatorins,  gemischter  Nerv. 

A.  Motorische  Äste  ziehen  zu  den  Kaumuskehi, 

a)  N.  massetericus  z.  M.  masseter. 

b)  Nn.  temporales  profundi  z.  M.  temporalis. 

N.  temporalis  profundus  anterior, 
N.  temporalis   profundus  posterior. 

c)  N.  pterygoideus  externus  z.  M.  pterygoideus  externus. 

d)  N.  pterygoideus  internus  z.  M.  pterygoideus  internus. 
Verbindung  mit  dem  Ganglion  oticum. 

B.  N.  buccinatorius^    sensibel,    zur    Haut    und    Schleimhaut    der 
Wange  und  des  Mundwinkels. 

2.  JV.  cmriCilloteitllJoraliSf  sensibel.  Er  umfaßt  mit  zwei  Wurzeln 
die  Arteria  meningea  media,  zieht  nach  hinten  und  lateralwärts  und 
dann  vor  dem  äußeren  Gehörgang  aufwärts  zur  Schläfengegend. 
Verbindung  mit  dem  Ganglion   oticum. 

a)  Rami  parotidei  zur  Glandula  parotis. 

b)  N.  meatus  auditorii  externi  zur  Haut  des  äußeren 
Gehörgangs. 

Ramus  membranae  tympani  zum  Trommelfell. 

c)  Rami  anastomotici  cum  N.  faciali. 

d)  Nn.  auriculares  anteriores  zur  Haut  des  Tragus  und 
Helix. 

e)  Rami  temporales  superficiales  zur  Haut  der  Schläfen- 
gegend. Anastomose  mit  N.  frontalis,  N.  facialis  und 
N.  occipitalis  major. 

3.  N.  liuguciliSf  sensibel.  Verlauf  absteigend  zwischen  den  Mm.  ptery- 
goidei  externus  und  internus,  an  der  medialen  Seite  der  Arteria 
maxillaris  interna  und  dann  über  der  Glandula  submaxillaris  bogen- 
förmig nach  vorn.  Verbindung  mit  der  Chorda  tympani  und  dem 
Ganglion  submaxillare. 

a)  Rami  isthmi  faucium  zur  Mandel  und  zum  hinteren 
Teil  der  Mundhöhlenschleimhaut. 

b)  Rami  anastomotici  cum  N.  hypoglosso. 

c)  N.  subungualis  zur  Glandula  subungualis  und  zur 
Schleimhaut  am  Boden  der  Mundhöhle. 

d)  Rami  linguales  zur  Schleimhaut  und  den  Papillen  des 
Zungenrückens,  besonders  der  Seitenränder  und  der  Spitze 
der  Zunge  (vordere  zwei  Drittel  der  Zunge). 


3 8  Nervi  cerebrales. 

4.  N.  alveolaris  inferior,  gemischt.  Verlauf  absteigend  hinter 
dem  N.  lingualis  und  an  der  medialen  Seite  der  Arteria  maxillaris 
interna  zum  Foramen  mandibulare  und  durch  den  Canalis  mandibulae. 
Endigung  nach  Durchtritt  durch  das  Foramen  mentale  als  N.  mentalis. 

a)  Bildung  des  Plexus  dentalis  inferior, 

Rami  dentales  inferiores, 
Rami  gingivales  inferiores. 

b)  N.  mylohyoideus  z.  M.  mylohyoideus  und    zum  Venter 
anterior  des  M.  digastricus. 

c)  N.  mentalis 

Rami  mentales  zur  Haut  des  Kinns, 
Rami  labiales  inferiores    zur   Haut   und  Schleim- 
haut der  Unterlippe. 


Mit  dem  N.  trigeminus  in  Verbindung 
stehende  Ganglien. 

I.    Ganglion  ciliare. 

Es   liegt   im   hinteren   Teil    der   Augenhöhle    an   der    lateralen   Seite  des 
N.  opticus. 

A.  Wurzeln  des  Ganglion: 

Radix  motoria:  Radix  brevis  gangUi  ciliaris  vom  Ramus  inferior 

nervi  oculomotorii. 
Radix  sensitiva:   Radix    longa    ganglii    ciliaris    vom    N.  naso- 

ciliaris  nervi  ophthalmici. 
Radices  sympathicae:  vom   Plexus  caroticus  internus    (Plexus 

ophthalmicus). 

B.  Vom  Ganfflion  abtretende  Nerven:  Nn.  ciliares  breves. 
Die  Nn.  ciliares  breves  durchbohren  mit  den  Nn.  ciliares  longi  (N.  naso- 
ciliaris)  die  Sclera  am  hinteren  Umfang  des  Bulbus,  verlaufen  zwischen 
Sclera  und  Chorioidea  nach  vorn  und  bilden  im  M.  ciliaris  den 
Plexus  gangliosus  ciliaris.  Äste  enden  in  der  Sclera,  Cornea,  im 
Corpus  ciliare  (M.  ciliaris)   und   in   der  Iris   (M.  sphincter  pupillae). 

II.    Ganglion  sphenopalatinum. 

Es  liegt  in  der  Tiefe  der  Fossa  pterygopalatina  vor  der  vorderen  Öffnung 
des  Canalis  pterygoideus  (Vidii)  medial  vom  N.  maxillaris. 


Mit  dem  N.  trigeminus  in  Verbindung  stehende  Ganglien.  •jq 

A.  Wurzeln  des  Ganglion: 

Radix  motoria;  N.  petrosus  superficialis  major  (vom  N/facialis). 
Radix  sensitiva:  Nn.  sphenopalatini  (vom  N.  maxillaris). 
Radix  sympathica:  N.  petrosus  profundus  (vom  Plexus  caroticus 
internus). 

Der  N.  petrosus  superficialis  major  und  der  N.  petrosus 
profundus  bilden  zusammen  den  N.  canalis  pterygoidei 
(Vidii). 

B.  Vom    Ganglion    abtretende   Nerven    (größtenteils    auch 
Zweige  der  Nn.  sphenopalatini): 

a)  Rami  orbitales,  durch  die  Fissura  orbitalis  inferior  zur  Augen- 
höhle und  weiter  durch  das  Foramen  ethmoidale  posterius  zur 
Schleimhaut  der  hinteren  Siebbeinzellen  und  in  die  Schädel- 
höhle zum  Sinus  sphenoidalis. 

b)  Rami  nasales  posteriores, 
laterales  zum  obersten  Teil  des  Pharynx, 

zur    Tuba    auditiva    und    zur 
Schleimhaut    der    oberen    und 
mittleren  Muschel, 
mediales  zum  hinleren  Teil  der  Nasen- 
scheidewand. 
Ein  stärkerer  Ramus  medialis  zieht  als  N.  naso- 
palatinus  (Scarpae)  zum  Canalis  incisivus  und  endet 
in  der  Schleimhaut  des  harten  Gaumens. 
ß)  inferiores  zur  Schleimhaut  der  mittleren  und  unteren 
Muschel  und  des  Sinus  maxillaris. 

c)  Nn.   palatini: 
a)  N.  palatinus  anterior  durch  Foramen  palatinum  majus 

zur  Schleimhaut  des  harten  Gaumens  und  zum  Zahnfleisch. 
ß)  N.  palatinus  medius    durch    ein  Foramen    palatinum 

minus  zum  Gaumensegel  und  zur  Uvula. 
y]  N.  palatinus  posterior  durch  ein  Foramen  palatinum 
minus   zur  Schleimhaut   der  Gaumenbögen,    zur   Mandel 
und  Schleimhaut  des  Gaumens. 

Der  N.  palatinus  posterior  (nach  anderen  Angaben 
auch  der  N.  palatinus  medius)  soll  motorische  Fasern 
den  Mm.  levator  veli  [palatini  und  uvulae  zuführen. 
(Vergleiche  S.  43.) 


«)  superiores 


40 


Nervi  cerebrale 


III.   Ganglion  oticum. 

Es   liegt    dicht   unter   dem  Foramen  ovale   an    der   medialen  Fläche  des 
N.  mandibularis  vor  der  Arteria  meningea  media. 

A.  Tl  iirzeln  des  Ganglion: 

Radix  motoria:  Äste  vom  N.  mandibularis,  speziell  vom  N.  ptery- 

goideus  internus. 
Radix  sensitiva:    N.  petrosus   superficialis   minor    vom   Plexus 
tympanicus   (Jacobsoni),    eine    Fortsetzung   des   N.  tympanicus 
(N.  glossopharyngei). 

Der  N.  petrosus  superficialis  minor  ist  nicht  rein  sensibler 
Nerv,  er  führt  auch  motorische  Fasern,  so  solche,  die  vom 
N.  facialis  herkommen  (Ramus  anastomoticus  cum  Plexu 
tympanico). 

Radices  sympathicae:  vom  Plexus  meningeus  medius. 

B.  Vom  Gdiiglion  abtretende  Nerven: 

a)  Ramus  anastomoticus  cum  N.  spinoso  (Ramus  recurrens 
N.  mandibularis). 

b)  Ramus  anastomoticus  cum  N.  auriculotemporali. 

Durch  diesen  R.  anastomoticus  werden  den  Rami  paro- 
tidei des  N.  auriculotemporalis  secretorische  Fasern  für  die 
Glandula  parotis  zugeführt. 

c)  Ramus  anastomoticus  cum  Chorda  tympani. 

d)  N.  tensoris  veli  palatini  z.  M.  tensor  veli  palatini. 

e)  N.  tensoris  tympani  z.  M.  tensor  tympani. 

IV.    Ganglion  submaxillare. 

Es   liegt    am  Seitenrand   der  Zungenwurzel    nahe    unter  dem  Stamm  des 
N.  lingualis  oberhalb  der  Glandula  submaxillaris. 

A.  Wurzeln  des  Ganglion: 

Radix  motoria:    vom   N.  lingualis   (aus   der   Chorda   tympani). 

Radix  sensitiva:  vom  N.  lingualis. 

Radices  sympathicae:  vom  Plexus  maxillaris  externus. 

B.  Vom  Ganglion  abtretende  Nerven: 

a)  Rami  communicantes  cum  N.  linguali. 

b)  Rami  submaxillares  zur  Glandula  submaxillaris  und  subun- 
gualis und  zum  Ductus  submaxillaris  (Whartoni). 


Mit  dem  N.  trigeminus  in  Verbindung  stehende  Ganglien.  ai 

Der  N.  ophthalmicus  (sensibel)  versorgt: 

die  Haut  der  Stirn  und  des  Kopfes  bis  zur  Coronarnaht,  des 
oberen  Augenlides,  des  medialen  Augenwinkels  und  des 
Nasenrückens,  den  Augapfel  (Cornea,  Conjunctiva,  Iris),  die 
Schleimhaut  der  oberen  und  vorderen  Teile  der  Nasenhöhle, 
die   Stirn-  und   Siebbeinhöhle   und    das  Tentorium    cerebelli. 

Der  N.  maxillaris  (sensibel)  versorgt: 

die  Haut  des  unteren  Augenlides  und  des  lateralen  Augen- 
winkels, der  Schläfe  und  des  lateralen  Teils  der  Stirn,  des 
lateralen  Teils  der  Nase,  der  Oberlippe  und  des  oberen  Teils 
der  Wange,  ferner  die  Zähne  und  das  Zahnfleisch  des  Ober- 
kiefers, die  Schleimhaut  des  hinteren  und  unteren  Teils  der 
Nasenhöhle  und  des  Gaumens,  die  Kieferhöhle  und  die  Dura 
mater. 

Der  N.  mandibularis  (gemischt)  versorgt: 

mit  sensiblen  Fasern  die  Haut  des  unteren  Teils  der  Wange, 
die  Haut  der  Schläfe,  des  vorderen  Teils  der  Ohrmuschel 
und  des  äußeren  Gehörgangs,  des  Unterkiefers,  des  Kinns 
und  der  Unterlippe,  die  Schleimhaut  der  Wange  und  der 
Lippen  und  des  hinteren  und  unteren  Teils  der  Mundhöhle, 
die  Zunge,  die  Zähne  und  das  Zahnfleisch  des  Unterkiefers, 
mit  motorischen  Fasern  die  Kaumuskeln  sowie  von  den 
oberen  Zungenbeinmuskeln  den  M.  digastricus  (Venter  anterior) 
und  den  M.  mylohyoideus,  ferner  die  Mm.  tensor  veli  pala- 
tini  und  tensor  tympani  (vom  Ganglion  oticum  aus). 

Der  N.  lingualis  führt  die  Geschmacksfasern  von  den  vorderen 
zwei  Dritteln  der  Zunge  (die  Fasern  verlaufen  in  der  Chorda  tympani 
centralwärts). 

Besonders  zu  bemerken  ist,  daß  die  periphere  Ausbreitung  der  sensiblen 
Hautäste  des  Trigeminus  eine  sehr  variable  ist;  bald  ist  dieser,  bald  jener  Ast 
stärker  oder  schwächer  entwickelt.  Ferner  wird  die  Abgrenzung  der  Haut- 
gebiete durch  die  zahlreichen  Verbindungen  selbst  größerer  Aste  außerordentlich 
erschwert.  Dazu  kommt,  daß  auch  die  Cervicalnerven  (Nn.  occipitalis  major 
und  minor)  und  der  N.  auricularis  vagi  in  dem  vom  Trigeminus  versorgten 
Hautgebiet  sich  mehr  oder  weniger  ausdehnen  können. 

Zur  Pathologie.  Lähmung  des  motorischen  Teils  des  Trigeminus  = 
Kaumuskellähmung  oder  mastikatorische  Gesichtslähmung. 


42 


M.  masseUr 
M.  ttniporalis 


M.  pterygoideus  internus 
M.  pterygoideus  cxternus 


Nervi  cerebrales. 

Funktion  der  Kaumuskeln. 

zieht  den  gesenkten  Unterkiefer  an. 

zieht  den  gesenkten  Unterkiefer  an  und  den  Gelenkkopf  in 
die  Pfanne  zurück. 

zieht  den  gesenkten  Unterkiefer  an  und  etwas  nach  vorn  und 
bei  einseitiger  Wirkung  etwas  nach  der  anderen  Seite. 

schiebt  den  Unterkiefer  nach  vorn  und  bei  einseitiger  Wirkung 
etwas  nach  der  anderen  Seite,  dabei  tritt  der  Gelenkkopf 
aus  der  Pfanne  auf  das  Tuberculum  articulare. 


Durch  doppelseitige  Wirkung  der  Mm.  masseter,  temporalis  und  pterygoideus  internus 
erfolgt  der  Kieferschluß.  Beide  Mm.  pterygoidei  externi  schieben  den  Unterkiefer  nach 
vorn,  die  Mm.  pterygoideus  internus  und  externus  einer  Seite  schieben  den  Unterkiefer 
nach  der  entgegengesetzten  Seite.  —  Das  Herabziehen  des  Unterkiefers  [Offnen  des 
Mundes)  erfolgt  hauptsächlich  durch  Wirkung  des  M.  digastricus,  auch  durch  jene  der 
Mm.  geniohyoideus  und  mylohyoideus,  wobei  aber  eine  Fixierung  des  Zungenbeins  durch 
Zungenbeinmuskeln  (Mm.  thyreohyoideus,  sternohyoideus,  omohyoideus)  notwendig  ist. 
Über  Funktion  und  Innervation  der  Zungenbeinmuskeln  siehe  S.  60  und  61. 

Bei  einseitiger  Lähmung  der  Kaumuskeln  fehlen  die  Kaubewegungen  auf  der  ge- 
lähmten Seite,  der  Kranke  kaut  ausschließlich  auf  der  gesunden  Seite.  Der  Unterkiefer 
weicht  dabei  nach  der  kranken  Seite  ab  infolge  Wirkung  der  gesunden  Mm.  pterygoidei. 
Bei  doppelseitiger  Lähmung,  Diplegia  masticatoria,  sind  die  Kaubewegungen  beider- 
seits geschwächt  oder  unmöglich,  der  Unterkiefer  hängt  herab  und  kann  weder  gehoben 
noch  seitwärts  bewegt  werden. 

Bei  Lähmung  der  vom  Trigeminus  versorgten  Mm.  digastricus  (venter  anterior)  und 
mylohyoideus  soll  bei  weitem  Mundöffnen  der  Processus  condyloideas  des  Unterkiefers  auf 
der  gelähmten  Seite  stark  nach  außen  treten. 

Bezüglich  der  Erscheinungen  infolge  Lähmung  der  Mm.  tensor  veli  palatini  und  tensor 
tympani  variieren  die  Angaben  sehr.  Bei  einseitiger  Lähmung  des  M.  tensor  veli  palatini 
soll  das  Gaumensegel  auf  der  gelähmten  Seite  höher  stehen  infolge  Wirkung  des  M.  levator 
veli  palatini. 

Kaumuskelkrämpfe  treten  in  tonischer  und  klonischer  Form  auf  und  in  der  Regel 
bilateral.  Bilateraler  tonischer  Kaumuskelkrampf  =  Trismus  (Kieferklemme).  Klonischer 
Kaumuskelkrampf  =  mastikatorischer  Gesichtskrampf  (Zähneklappern).  Die  Krämpfe 
treten  selten  als  selbständige  Erkrankung  auf,  meist  als  Teilerscheinung  bei  bestimmten 
Nervenleiden  (Tetanus,  Epilepsie,  Hysterie,  Meningitis),  ferner  reflectorisch  (bei  Neuralgien, 
so  bei  Trigeminusneuralgie) ;  sie  sind  auch  bei  centralen  Läsionen  beobachtet. 

Eine  sehr  häufige  Erkrankung  ist  die  Trigeminusneuralgie  (Gesichtsneuralgie, 
Prosopalgie,  Tic  douloureux,  FoTHERGiLLScher  Gesichtsschmerz).  In  der  Regel  ist  nicht 
der  ganze  sensible  Trigeminus  ergriffen,  meist  bleibt  die  Affection  auf  das  Gebiet  eines 
Hauptastes  beschränkt.  Am  häufigsten  sind  die  Neuralgia  supraorbitalis,  die  Neu- 
ralgia  infraorb  italis  und  die  Neuralgia  mandibularis  (besonders  im  Gebiete  des 
N.  alveolaris  inferior  und  des  N.  mentalis). 

Selten  kommt  Trigeminusanaesthesie  vor.  Sie  kann  sich  auf  das  ganze  Gebiet 
oder  nur  auf  einzelne  Zweige  des  Trigeminus  erstrecken;  in  der  Regel  ist  sie  einseitig. 
Als  Hauptsymptome  findet  man  Herabsetzung  oder  Aufhebung  der  Empfindung  im  Gesicht 
sowie  in  den  Schleimhäuten  des  Auges,  der  Nase  und  der  Mundhöhle,  Verminderung  der 
Thränensekretion,  Fehlen  der  durch  den  Trigeminus  vermittelten  Reflexe  (Lidreflex,  Corneal- 
reflex,  Nießreflex,  Gaumenreflex),  Geschmacksstörungen,  circulatorische  und  vasomotorische 
Störungen  (Rötung  und  Schwellung  der  Gesichtshaut,  Veränderung  in  der  Sehweißab- 
sonderung), trophische  Störungen.  Unter  letzteren  sind  vor  allem  bestimmte  entzündliche 
Veränderungen  des  Auges  zu  erwähnen  —  Ophthalmia  neurop  araly  tica  (auch  als 
Keratitis  neuroparalytica  bezeichnet),  die  in  Erkrankung  der  Hornhaut  mit  Geschwürsbildung 
und  nachfolgender  Zerstörung  des  ganzen  Augapfels  bestehen. 


N.  facialis  und  N.  intermedius. 


43 


N,  facialis  und  N.  intermedius. 

Der  N.  facialis  nimmt  seinen  Ursprung  im  Nucleus  nervi  facialis,  der  im  Brückengebict. 
im  ventralen  Teil  der  Brückenhaube  ventrolateral  vom  Abducenskern  gelegen  ist.  Die  aus 
dem  Kern  austretenden  Fasern  ziehen  zunächst  dorsalwärts,  umziehen  den  Kern  des  N.  ab- 
ducens  und  verlaufen  dann  ventralwärts,  um  aus  dem  Hirn  auszutreten. 

Austritt  aus  dem  Hirn  am  hinteren  Rand  der  Brücke  oberhalb  und 
lateral  von  der  Olive  des  verlängerten  Marks.  Weiterer  Verlauf  gemeinsam 
mit  dem  ebendaselbst  austretenden  N.  intermedius  Wrisbergi  und  dem  N.  acusti- 
cus  zum  Porus  acusticus  internus.  Im  Meatus  acusticus  trennt  er  sich  vom 
N.  acusticus  und  zieht  dann  mit  dem  N.  intermedius  im  Canalis  facialis  Falloppii 
weiter  bis  zum  Geniculum  canalis  facialis.  Daselbst  biegt  er  nach  hinten  um, 
Geniculum  nervi  facialis,  zieht  erst  lateralwärts  nach  hinten  und  dann  nach 
unten  und  tritt  aus  dem  Schädel  aus  durch  das  Foramen  stylo- 
mastoideum. 

Äste: 

A.  Innerhalb  des  Schläfenbeins: 

,  I.  37".  joetrosus  sxipevjicialiH  tnajor  vom  Geniculum  nervi 

facialis  zum  Ganglion  sphenopalatinum. 

Durch  den  N.  petrosus  superficialis  major  soll  die  Sekretion  der 
Tränendrüse  vom  N.  facialis  aus  ermöglicht  v/erden.  Die  ganze  Bahn 
setzt  sich  in  folgender  Weise  zusammen:  N.  facialis  —  N.  petrosus  super- 
ficialis major  —  Ganglion  sphenopalatinum  —  N.  maxillaris  —  N.  zygo- 
maticus  —  Ramus  anastomoticus  cum  N.  lacrimali  —  N.  lacrimalis.  — 
Ferner  sollen  durch  Vermittlung  des  N.  petrosus  superficialis  major  die 
Mm.  levator  veli  palatini  und  uvulae  vom  N.  facialis  erregt  werden 
können.  Die  Bahn  wäre  folgende:  N.  facialis  —  N.  petrosus  superficialis 
major —  Ganglion  sphenopalatinum  —  N.  palatinus  posterior —  Mm.  levator 
veli  palatini  und  uvulae. 

2.  Ramtis  anastomoticus  cum  Plexii  tyvnpanico, 

vom  Geniculum  nervi  facialis  zum  N.  petrosus  superficialis  minor, 
der  eine  Fortsetzung  des  N.  tympanicus  (N.  glossopharyngei)  ist. 

3.  N,  stapcclius  zum  M.  stapedius. 

B.  Außerhalb  des  Schädels: 

I.  N,  auricularis  posterior ,    zweigt    dicht    unter    dem 
Foramen    stylomastoideum    ab    und   zieht    zwischen   Processus 
mastoideus  und  äußerem  Ohr  rückwärts  und  aufwärts, 
a)  Anastomosen  mit:  Ramus  auricularis  (N.  vagi), 

N.  auricularis  magnus  (Plexus  cervi- 

calis), 
N.  occipitalis    minor  (Plexus  cervi- 
calis). 


44 


Nervi  cerebrales. 

b)  Rani  US  anterior:  z.  M.  auricularis  posterior, 

z.   M.  auricularis  superior, 
z.  M.  transversus  auriculae, 
z.  M.  obliquus  auriculae, 
z.  M.  antitragicus. 

c)  Ramus  posterior  s.  occipitalis:  z.  M.  occipitalis. 

2.  RamtlS  digastricilS  z.   M.  digastricus  (Venter  posterior). 

Ramus  stylohyoideus  z.  M.  stylohyoideus. 

3.  Ramus  anastomoticus  entn  2V.  glossopharyngeo, 
C.  E7idästc\    Gewöhnlich   ein  oberer  und  unterer  Hauptast.     Bildung 

des    Plexus  parotideus   und  Verbindung    des   oberen    Astes    mit 
dem  N.  auriculotemporalis  (N.  trigemini). 
Oberer  Hauptaü: 

1.  Rami  tevnxyorales :  z.  M.  helicis  major, 

z.  M.  helicis  minor, 

z.  M.  tragicus, 

z.  M.  auricularis  superior, 

z.  M.  auricularis  anterior, 

z.  M.  frontalis, 

z.  M.  orbicularis  oculi, 

z.  M.  corrugator  supercilii. 

2.  Rami  ^ygomaticl:  z.  M.  orbicularis  oculi, 

z.  M.  zygomaticus, 
z.  M.  quadratus  labii  superioris. 
Unterer  Hauptamt: 

3.  Rami  buccales:  z.  M.  zygomaticus, 

z.  M.  quadratus  labii  superioris, 

z.  M.  risorius, 

z.  M.  caninus, 

z.  M.  buccinator, 

z.  Mm.  incisivi, 

z.  M.  orbicularis  oris, 

z.  M.  triangularis, 

z.  M.  quadratus  labii  inferioris, 

z.  Mm.  nasales. 

4.  Ramus  fuarginalis  mandibulae: 

z.  M.  quadratus  labii  inferioris, 
z.  M.  mentalis. 
.  Ramus  colli  z.  Platysma. 

Anastomose  mit  dem  N.  cutaneus  colli  (Plexus  cervicalis). 
Die  Endäste  des  N.  facialis  gehen  vielfach  Anastomosen 
mit  Asten  des  N.  tritreminus  ein. 


N.  facialis  und  N.  intermedius. 


45 


Der  N.  intermedius  Wrisbergi  (SAPOLiNischer  Nerv,  von  Sapolini  auch  als 
13.  Hirnnerv  bezeichnet),  ein  gemischter  Nerv,  zieht  zwischen  N.  facialis  und 
N.  acusticus  zum  Porus  acusticus  und  tritt  mit  dem  N.  facialis  in  den  Canalis 
facialis  ein.  Beim  Geniculum  N.  facialis  bildet  der  sensible  Teil  eine  An- 
schwellung, das  Ganglion  geniculi.  Vom  Ganglion  aus  zieht  er  mit  dem 
N.  facialis  weiter,  trennt  sich  dann  von  ihm  unterhalb  der  Abgangsstelle  des 
N.  stapedius  und  verläuft  weiterhin  als  Chorda  tympani  rückwärts  im  Bogen 
durch  den  Canalis  chordae  tympani  zur  Paukenhöhle,  dann  zwischen  Crus 
longum  incudis  und  Manubrium  mallei  und  weiter  in  der  P'issura  petrotym- 
panica  (Glaseri)  und  gelangt  medial  von  der  Arteria  meningea  media  nach 
unten  zum  N.  lingualis  (N.  trigemini). 

Verbindung  mit  dem  Ganglion  oticum  und  Abgabe  von  sekretorischen 
Fasern  an  die  Glandulae  submaxillaris  und  subungualis.  —  Er  führt  die  Ge- 
schmacksfasern von  den  vorderen  zwei  Dritteln  der  Zunge  centralwärts. 

Das  Ganglion  geniculi  ist  ein  den  Spinalganglien  analog  gebautes  Ganglion.  Die 
Nervenfortsätze  der  unipolaren  Zellen  dieses  Ganglions  teilen  sich  in  periphere  und  central- 
wärts verlaufende  Äste.  Die  pheripheren  Äste  bilden  die  in  der  Chorda  weiterziehenden 
sensiblen  Fasern,  die  centralen  Äste  ziehen  zur  Medulla  oblongata  und  enden  daselbst  im 
Nucleus  tractus  solitarii  (sensibler  Endkern  des  N.  glossopharyngeus). 

Der  N,  facialis  versorgt  sämtliche  mimische  Gesichtsmuskeln, 
die  Muskeln  des  Schädeldachs  und  des  äußeren  Ohres,  ferner  die 
Mm.  stapedius,  digastricus  (venter  posterior),  stylohyoideus,  levator 
veli  palatini  und  uvulae  und  führt  sekretorische  Fasern  für  die 
Glandula  lacrimalis  (s.  S.  43).  Durch  den  N.  intermedius  oder  die 
Chorda  tympani  werden  den  Glandulae  submaxillaris  und  subungualis 
sekretorische  Fasern  zugeführt. 

Bezüglich  jener  Nervenbahnen,  die  zur  Leitung  der  Geschmacksempfindungen 
dienen,  sei  folgendes  bemerkt.  Aligemein  nimmt  man  an,  dnß  die  Geschmacksempfindungen 
auf  den  vorderen  zwei  Dritteln  der  Zunge  durch  den  N.  lingualis  (N.  trigemini) ,  auf  dem 
hinteren  Drittel  der  Zunge  durch  den  N.  glossopharyngeus  centralwärts  geleitet  werden. 
Während  der  Verlauf  der  Geschmacksfasern  vermittelst  des  N.  glossopharyngeus  leicht 
verständlich  ist,  sind  die  Meinungen  bezüglich  des  Verlaufes  der  von  den  vorderen  zwei 
Dritteln  der  Zunge  kommenden  Geschmacksfasern  verschieden.  So  wird  angenommen,  daß 
diese  Fasern  in  der  Chorda  tympani  rückwärts  bis  zum  Ganglion  geniculi  verlaufen  und  von 
da  entweder  durch  den  N.  petrosus  superficialis  major  zum  Ganglion  sphenopalatinum  und 
im  N.  maxillaris  trigemini  weiter  centralwärts  oder  durch  den  N.  petrosus  superficialis  minor 
zum  Ganglion  oticum  und  im  N.  mandlbularis  trigemini  weiter  centralwärts  ziehen.  Nach 
anderer  Auffassung  sollen  die  Chordafasern  durch  Vermittlung  des  N.  petrosus  superficialis 
minor  weiter  durch  den  N.  tympanicus  zum  N.  glossopharyngeus  gelangen.  Ferner  wird 
angenommen,  daß  nicht  nur  die  Chordafasern,  sondern  auch  die  Geschmacksfasern  des 
N.  glossopharyngeus  durch  Vermittlung  des  N.  petrosus  superficialis  minor  zum  Trigeminus 
und  in  diesem  centralwärts  gelangen  sollten.  Eine  Annahme  ist  schließlich  die,  daß  die 
Chordafasern  in  der  Chorda  tympani  und  im  N.  intermedius  Wrisbergi  centralwärts  gelangen, 
was  vielleicht  am  ehesten  verständlich  erscheint,  als  die  vom  Ganglion  geniculi  des  N.  inter- 
medius aus  centralwärts  ziehenden  Fasern  in  der  Medulla  oblongata  eine  absteigende 
Wurzel  bilden,  welche  Wurzelfasern  ihre  Endigung  im  Nucleus  tractus  solitarii  finden, 
welcher  Nucleus  der  sensible  Endkern  des  N.  glossopharyngeus  ist.  Für  diese  Annahme 
sprechen    auch  jene  experimentellen  Untersuchungen,    nach  welchen  nach  Exstirpation  des 


46 


Nervi  cerebrales. 


Ganglion  Gasseri  oder  nach  intracranieller  Durchschneidung  des  N.  maxillaris  und  des 
N.  mandibularis  trigemini  keine  Geschmacksstörungen  in  den  vorderen  zwei  Dritteln  der 
Zunge  nachgewiesen  werden  konnten. 


Funktion  der  wichtigsten  Gesichtsmuskeln. 

legt  die  Stirnhaut  in  Querfalten  und  zieht  die  Augenbraue 
nach  oben. 

schließt    die    Augenlider,     erweitert    den    Tränensack    und 
runzelt  die  Haut  in  der  Umgebung  der  Augenlider. 

zieht  die  Augenbraue  medianwärts  und  verursacht  von  der 
Nasenwurzel  zur  Stirn  ziehende  Längsfalten. 

zieht  den  Mundwinkel  nach  außen  und  oben. 

zieht  den  Nasenflügel  und  die  Oberlippe  nach  außen  oben. 

zieht  den  Mundwinkel  nach  hinten. 

zieht  den  Mundwinkel  nach  oben. 

drückt  Lippen  und  Wangen  gegen  die  Zähne  an. 

schließt  den  Mund  und  spitzt  ihn. 

zieht  den  Mundwinkel  nach  unten  außen. 

zieht  die  Unterlippe  nach  unten  und  außen. 

hebt  die  Haut  des  Kinns. 


M.  frontalis 

AI.  orbictilaris  oculi 

M.  ccrrtigator  supercilii 

M.  zygotnaticus 

M.  quadratus  labii  siiperioris 

M.  risorius 

M.  canimis 

M.  biiccinator 

M.  orbicularis  oris 

M.  triangularis 

M.  qitadratiis  labii  iiiferioris 

M.  mentalis 

Über  Funktion  der  Mm.  digastricus  und  stylohyoideus  siehe  S.  60. 

Zur  Pathologie.  Die  Lähmung  des  N.  facialis  (mimische  Gesichtslähmung, 
Prosopoplegie,  BELLsche  Lähmung)  ist  eine  der  häufigsten  peripheren  Lähmungen.  Sie  tritt 
meist  einseitig  auf,  Monop  legia  facialis,  seltener  doppelseitig,  Diplegia  facialis.  Femer 
betrifft  die  Lähmung  meist  sämtliche  vom  Facialis  versorgten  Muskeln,  totale  Facialis- 
1  ä h m u n g ,  seltener  sind  nur  einzelne  Muskeln  gelähmt,  partielle  Facialislähmung.  Als 
Hauptcharakteristikum  einer  totalen  einseitigen  peripheren  Facialislähmung  fällt  zunächst  die 
Asymetrie  der  beiden  Gesichtshälften  auf.  Die  gelähmte  Seite  ist  vollständig  schlaff  und  aus- 
druckslos, die  kranke  Stirnhälfte  ist  faltenlos  und  kann  auch  willkürlich  nicht  mehr  gerunzelt 
werden  (M.  frontalis),  ebenso  bleibt  die  Gegend  der  Glabella  faltenlos  (M.  corrugator  supercilii), 
die  Augenbrauen  stehen  auf  der  kranken  Seite  tiefer.  Das  obere  Augenlid  erscheint  schmäler, 
die  Lidspalte  ist  weiter,  der  Augapfel  tritt  etwas  stärker  hervor  (Exophtalmus).  Das  Auge  kann 
nicht  geschlossen  werden  (M.  orbicularis  oculi),  die  Lidspalte  bleibt  offen  (Lagophtalmus),  der 
Lidreflex  fehlt.  Beim  Versuche  das  Auge  zu  schließen,  sieht  man  deutlich  die  auch  normaler- 
weise bei  Augenschluß  auftretende  Rotation  des  Bulbus  nach  oben  und  außen  (BELi.sches 
Phänomen).  Infolge  Lähmung  des  M.  orbicularis  oculi  (speziell  der  Pars  lacrimalis  Horneri) 
gelangt  die  Tränenflüssigkeit  nicht  mehr  zum  Tränenkanal,  es  existiert  unaufhörliches  Tränen- 
träufein  (Epiphora),  was  bei  dem  fehlenden  Lidschlag  und  Lidschluß  leicht  zu  Augenentzün- 
dungen führen  kann.  Die  Nasenspitze  steht  schief  gegen  die  gesunde  Seite,  die  Nasenöffnung 
ist  auf  der  kranken  Seite  kleiner,  und  infolge  des  mangelhaften  Tränenabflusses  existiert  ein 
Gefühl  von  Trockenheit  in  der  kranken  Nasenhälfte,  auch  Herabsetzung  des  Geruchs- 
vermögens. Vor  allem  typisch  ist  ferner  das  Verstreichen  der  Nasolabialfalte  und  das 
Herabhängen  des  Mundwinkels  auf  der  kranken  Seite  (M.  zygomaticus  und  M.  quadratus  labii 
superioris).  Der  Kranke  kann  nicht  mehr  pfeifen  und  beim  Blasen  bemerkt  man  die  Schlaffheit 
der  Wange  auf  der  gelähmten  Seite  (M.  buccinator).  Die  Sprache  ist  erschwert  (M.  orbi- 
cularis oris),  ebenso  das  Kauen,  die  Speichelsekretion  ist  vermindert.  Bezüglich  der  Stellungs- 
veränderungen der  Uvula  und  der  Gaumenbögen  sind  die  Angaben  verschieden,  nach  einigen 
Beobachtern  sollen  die  Gaumenbügen  auf  der  kranken  Seite  tiefer  stehen.  Die  Abweichung 
der  Zungenspitze  ist  nur  eine  scheinbare  infoige  Lähmung  der  einen  Mundhälfte.  Als  be- 
sondere Symptome  sind  ferner  Gehörsstörungen  und  Geschmacksstörungen  zu  erwähnen. 
Die  Hörstörungen    äußern    sich   in  gesteigerter  Feinhörigkeit  (Hyperakusis  s.  Oxyokoia)  in- 


N.  facialis  und  N.  intermedius. 


47 


folge  Lähmung  des  M.  stapedius.  Geschmacksstörungen  bestehen  in  Parageusie  und  Ageusie 
auf  den  vorderen  zwei  Dritteln  der  Zunge.  Klinisch  wichtig  ist  das  elektrische  Verhalten 
der  Muskeln,  worauf  nicht  näher  eingegangen  werden  kann.  Als  Complikationen  treten 
oft  sensible,  vasomotorische,  sekretorische  und  trophische  Störungen  auf. 

Es  muß  nun  besonders  darauf  hingewiesen  werden,  daß  es  möglich  ist,  aus  den  vor- 
handenen Symptomen  festzustellen,  wo  innerhalb  des  peripheren  Verlaufs  die  Läsion  sitzt. 
So  wird  bei  einer  einfachen  Lähmung  der  Gesichtsmuskeln  ohne  weitere  Störung  vonseiten 
des  Geschmacks,  der  Speichelsekretion,  des  Gehörs  der  periphere  Facialisstamm  nach  dem 
Austritt  aus  dem  Foramen  stylomastoideum  oder  von  der  Abzweigung  der  Chorda  tympani 
weg  lädiert  sein.  Treten  zur  Lähmung  der  Gesichtsmuskeln  Geschmacksstörungen  und 
Verminderung  der  Speichelsekretion  hinzu,  dann  sitzt  die  Läsion  innerhalb  des  Canalis 
Falloppii  zwischen  Abgang  der  Chorda  und  des  N.  stapedius,  sie  betrifft  also  auch  noch  die 
Chordafasern.  Treten  zu  allen  diesen  Symptomen  noch  Hörstorungen  hinzu,  dann  ist  auch 
noch  der  N.  stapedius  betroffen  und  die  Läsion  sitzt  zwischen  Abgang  des  N.  stapedius  und 
Ganglion  geniculi.  Zu  diesen  Störungen  sollen  schließlich  noch  Lähmung  des  Gaumens 
und  Erlöschen  der  psychischen  und  reflektorischen  Tränenbildung  hinzukommen,  wenn  der 
Facialis  in  der  Gegend  des  Geniculum  lädiert  ist. 

Bei  einer  Läsion  des  peripheren  Facialis  im  Brückengebiet  oder  an  der  Hirnbasis 
können  noch  Symptome  von  selten  anderer  Flirnnerven  (Nn.  abducens,  acusticus,  glosso- 
pharyngeus,  vagus,  accessorius,  hypoglossus)  hinzukommen.  Eine  Mitverletzung  der  durch 
die  Brücke  ziehenden  Pyramidenbahn  kann  zu  Hemiplegia  alternans  facialis 
(GuBLERsche  Lähmung)  führen.     Siehe  S.  13. 

Von  der  peripheren  Facialislähmung  ist  die  cerebrale  Facialislähmung  streng  zu 
trennen.  Während  es  sich  bei  der  peripheren  Lähmung  um  eine  Läsion  des  peripheren 
Neurons  handelt,  kommt  bei  der  cere- 
bralen eine  Läsion  des  centralen  Neurons 
in  Betracht,  d.  h.  die  Läsion  betrifft  jene 
Fasern ,  die  vom  motorischen  Rinden- 
centrum  des  Facialis  (unterer  Teil  der 
Centralwindungen)  aus  durch  die  innere 
Kapsel  und  die  Hirnschenkel  bis  zum 
Facialiskern  in  der  Brücke  ziehen.  In 
der  Regel  tritt  die  cerebrale  Facialis- 
lähmung gleichzeitig  mit  Hemiplegie  auf, 
von  der  peripheren  unterscheidet  sie  sich 
dadurch,  daß  nur  der  untere  Facialisast 
gelähmt  ist,  während  der  Stirnast  frei 
bleibt.  Die  Stirn  kann  also  gerunzelt  und 
das  Auge  kann  geschlossen  werden.  Dieses 
eigentümliche  Verhalten  kann  in  folgender 
Weise  erklärt  werden.  Ähnlich  dem  Ocu- 
lomotoriuskern  zeigt  auch  der  Facialiskern 
eine  Gruppierung  in  verschiedene  Zell- 
gruppen. Vor  allem  unterscheidet  man 
zwei  Hauptzellgruppen,  einen  oberen  und 
einen  unteren  Facialiskern.  Der  obere 
Kern  enthält  Zellen ,  deren  Axencylinder 
in  ihrer  Gesamtheit  den  oberen  Facialisast 
bilden,  der  untere  solche,  deren  Axen- 
cylinder zusammen  den  unteren  Facialisast 

bilden.  Das  Intaktbleiben  des  oberen  Facialisastes  bei  cerebraler  Facialislähmung  wird 
nun  dadurch  erklärt,  daß  der  obere  Facialiskern  von  beiden  corticalen  Centren  aus  erregt 
wird,  so  daß  also  bei  einer  Zerstörung  der  einen  (z.  B.  der  rechten)  centralen  Faclalisbnhn 
der  obere  Facialiskern  immer  noch  von  der  anderen  (also  der  linken^  centralen,  nicht 
lädierten  Faclalisbahn  erregt  werden  kann  (bilaterale  Innervation  des  oberen  Facialis- 
kerns). 


Fig. 


10.     Schematische  Darstellung  der 
Faclalisbahn. 


48 


Nervi  cerebrales. 


Wie  Gesichtsmuskellähmungen  so  sind  auch  Gesichts muskelkrämpfe  ziemlich 
häufig.  Sie  treten  hauptsächlich  als  klonische  Krämpfe  auf,  klonischer  Facialis- 
krampf,  mimischer  Gesichtskrampf,  Tic  convulsif.  Die  Krämpfe  können  ein- 
seitig oder  doppelseitig,  diffus  oder  partiell  auftreten.  Diftuse  klonische  Krämpfe  äußern 
sich  vor  allem  in  dem  eigentümlichen  Grimassen-  oder  Gesichterschneiden.  Partielle 
klonische  Krämpfe  findet  man  oft  im  M.  orbicularis  oculi  lokalisiert.  Man  bezeichnet 
diesen  klonischen  Lidkrampf  als  Blepharoklonus  s.  Spasmus  nictitans  s.  Nictitatio 
(Augenblinzeln),  der  oft  bei  Augenerkrankungen  vorkommt.  Weit  seltener  wie  der  klonische 
tritt  der  tonische  Gesichtsmuskelkrampf  auf.  Speziell  sei  der  partielle  tonische  Krampf 
erwähnt,  der  sich  im  M.  orbicularis  oculi  lokalisiert,  er  wird  als  tonischer  Lidkrampf 
s.  Blepharospasmus  bezeichnet  und  besteht  in  krankhaftem  \'erschluß  der  Augenlider. 
VON  Graefe  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  bei  Druck  an  bestimmten  Stellen,  be- 
sonders da,  wo  bestimmte  Trigeminusäste  austreten  (N.  supraorbitalis,  N.  infraorbitalis),  aber 
auch  bei  Druck  an  anderen  Orten,  der  Krampf  augenblicklich  gelöst  werden  kann,  so  daß 
die  Augenlider  »wie  bei  einem  Federdruck  aufspringen«. 

Die  Anomalien  des  Geschmacks  bestehen  in  Herabsetzung  bzw.  Aufhebung 
der  Geschmacksempfindung  =  Hypogeusie  bzw.  Ageusie,  in  Hyperästhesie  =  Hyper- 
geusie  und  in  perversen  Geschmacksempfindungen  =  Parageusie. 

Ageusie  findet  sich  hauptsächlich  bei  Erkrankungen  und  Läsionen  der  geschmacks- 
leitenden Nerven,  so  besonders  bei  Verletzungen  des  Trigeminus  und  Facialis. 


N.  acusticus. 

Der  N.  acusticus  tritt  mit  zwei  Wurzeln,  mit  einer  vorderen  Radix  vesti- 
bularis  und  einer  hinteren  Radix  cochlearis  am  hinteren  Rande  der 
Brücke,  lateral  von  der  Olive  des  verlängerten  Marks  aus  dem 
Hirn  aus.  Er  zeigt  an  seinem  vorderen  oberen  Umfang  eine  Furche  zur 
Aufnahme  des  N.  facialis,  mit  welchem  er  durch  Fila  anastomotica  zusammen- 
hängt, und  tritt  dann  in  den  Meatus  acusticus  internus  ein.  Im  weiteren 
Verlaufe  teilt  er  sich  in  den  N.  vestibuli  und  den  N.  Cochleae. 

Peripherer  Verlauf:  Vor  der  Trennimg  in  N,  vestibuli  und  N.  Coch- 
leae zweigt  vom  gemeinsamen  Stamm  der  N.  ampullaris  posterior  ab, 
welcher  durch  das  Foramen  singulare  zur  hinteren  Ampulle  zieht.  Der  ganze 
Stamm  zerfällt  dann  in  einen  Ramus  superior  s.  ventriculoampullaris, 
einen  Ramus  medius  s.  N.  saccularis  und  einen  Ramus  inferior  s. 
N.  Cochleae.  Der  Ramus  superior  und  der  Ramus  medius  besitzen  ein  ge- 
meinsames Ganglion,  das  Ganglion  vestibuläre  Scarpae  und  enden  als 
N.  utricularis,  N.  ampullaris  superior,  N.  ampullaris  lateralis,  N. 
saccularis.  Der  N.  ampullaris  posterior  besitzt  kein  Ganglion.  Der  Ramus 
inferior  s.  N.  Cochleae  zieht  zur  Schnecke.  Er  geht  im  Canalis  spinalis  modioli 
in  das  Ganglion  spirale  Corti  über,  von  dem  aus  periphere  Fasern  zu 
den  Haarzellen  verlaufen. 

Im  Ganglion  spirale  und  vestibuläre  liegen  die  eigentlichen  Ursprungszellen  des  N.  acusti- 
cus.    Der  genauere  Verlauf  von  der  Peripherie  centralwärts  ist  folgender: 

N.  ve stibtili.  Die  peripherwärts  ziehenden  Fasern  der  im  Ganglion  vestibuläre  ge- 
legenen Ganglienzellen  verlaufen    zu    den  Ampullen,   zum  Utriculus  und  Sacculus  (d.  h.  die 


N.  acusticus. 


49 


Erregung  gelangt  umgekehrt  von  der  Peripherie  zum  Ganglion),  die  centralwärts  ziehenden 
Fasern  treten  in  das  Gehirn  ein  und  enden  in  drei  Kernen,  die  im  Haubengebiet  der  Brücke 
gelegen  sind,  im  Nucleus  medialis,  im  lateralen  ÜEiTERSschen  Kern  und  im  oberen 
BECHTEREWschen  Kern.  Aus  allen  diesen  Kndkernen  ziehen  Fasern  zum  Wurm  des 
Kleinhirns.  Ein  Teil  der  Vestibularisfasern  zieht  auch  direkt  als  direkte  sensorische 
Kleinhirnbahn  zum  Kleinhirn.  (Durch  den  vorderen  Kleinhirnschenkel  kann  eine  Weiter- 
leitung zum  Nucleus  ruber  und  Thalamus  und  von  da  zur  Rinde  der  Parietal-  und  Central- 
windungen  erfolgen.  Vom  ÜEiTERSschen  Kern  aus  können  ferner  Erregungen  durch  das  hintere 
Längsbiindel  den  Kernen  der  Augenmuskelnerven  und  dem  Rückenmark  zugeleitet  werden. 
A^  Cochleae.  Die  peripherwärts  ziehenden  Fasern  der  im  Ganglion  spirale  Cochleae 
gelegenen  bipolaren  Ganglienzellen  verlaufen  zu  den  Hörzellen  (d.  h.  die  Erregung  gelangt 
umgekehrt  von  den  Hörzellen  zum  Ganglion),  die  centralwärts  ziehenden  Fasern  treten  in 
das  Gehirn  ein  und  enden  in  zwei  Kernen,  in  dem  ventral  und  lateral  vom  Corpus  resti- 
forme    gelegenen  Nucleus  ventralis  nervi  Cochleae   und    in    dem    mit   letzterem   zu- 


CorDusgenicular. 

mediale 
Corpus  quadrigemin. 
posr. 


Nucleus 

ve^^rali5 


Olivasuperlor 


Fig.   II. 


ttern  des  Corpus  trapezoides 
Schematische  Darstellung  der  centralen  Bahn  des  N.  Cochleae  (Hörbahn) 


sammenhängenden  Nucleus  dorsalis  nervi  Cochleae  oder  dem  Tuberculum  acusti- 
cum.     An  dieses  erste  periphere  Neuron  schließt  sich  nun  ein  zweites  centrales  an. 

a)  Aus  dem  Nucleus  ventralis  ziehen  Fasern  zur  Mittellinie  und  bilden  zunächst  das 
Corpus  trapezoides.  Die  Fasern  werden  verstärkt  durch  solche,  die  von  der  oberen 
Olive  und  vom  Kern  des  Corpus  trapezoides  herkommen.  Nach  Überschreiten  der 
Mittellinie  ziehen  die  Fasern  weiter,  einige  enden  in  der  contralateralen  oberen  Olive  und 
im  contralateralen  Kern  des  Corpus  trapezoides,  die  weiterziehenden  Fasern  werden  auch 
hier  wieder  durch  solche  verstärkt,  die  von  der  contralateralen  oberen  Olive  und  vom 
contralateralen  Kern  des  Corpus  trapezoides  herkommen.  Alle  Fasern  bilden  dann  zu- 
sammen ein  Bündel,  die  laterale  Schleife  s.  Lemniscus  lateralis,  die  Endigung 
erfolgt  im  Corpus  geniculatum  mediale  und  im  hinteren  Vierhügel.  Nach  Cajal  sind 
die  zum  hinteren  Vierhügel  ziehenden  Fasern  CoUateralen  der  lateralen  Schleife;  die  eigent- 
liche Endigung  der  Schleifenfasern  erfolgt  also  speziell  im  Corpus  geniculatum  mediale. 
Die  laterale  Schleife  nimmt  außerdem  noch  Fasern  auf,  die  einem  Kern  entstammen,  der 
mitten  im  Faserbündel  gelegen  ist  und  als  Kern  der  lateralen  Schleife  bezeichnet  wird. 

b)  Aus  dem  Nucleus  dorsalis  oder  dem  Tuberculum  acusticum  ziehen  Fasern  um  das 
Corpus  restiforme   und    als    Striae  acusticae    nach    der   Mittellinie,   treten   in    die  Tiefe, 

Villiger,  Die  periphere  Innervation.  4. 


50 


Nervi  cerebrales. 


kreuzen  sich  in  der  Raphe.  ziehen  gegen  die  contralaterale  Olive  und  schließen  sich 
weiterhin  der  lateralen  Schleife  an,  mit  der  sie  ebenfalls  im  Corpus  geniculatum  mediale  enden. 

Im  Corpus  geniculatum  mediale  nimmt  nun  ein  drittes  Neuron  seinen  Ursprung.  Die 
Fasern  ziehen  zur  Rinde  des  Hörcentrums  im  Gyrus  temporalis  superior. 

L'bersichtlich    stellt    sich  der  ganze  Verlauf  des  N.  acusticus  in  folgender  Weise  dar: 


N.  zfestibuli. 

\ 


Ampulla  post. :  N.  ampuUar.  post 

Ampulla  sup.:     N.  ampullar.  sup.    "j  |  j 

Ampulla  lat.:       N.  ampullar.  lat.      >   Ramus  sup.     I  r-       ^^  x-i    i  /    N.  vestibuli 

,^    .     ,  ^'        .     ,     .  }   -^  Ganglion  vestibuläre     l 

Utnculus:  N.  utnculans  J  1  I 

Sacculus:  N.  saccularis  }    Ramus  med.  |  j 

t    Nucl.  medial.  \ 

N.  vestibuli  ->  Kerne  des  N.  vestibuli    !     Nucl.  lateral.  'Deiters)    >    ->  Kleinhirn. 

l    Nucl.  snp.  (Bechterew)  J 

N.  Cochleae. 

Haarzellen  —  Ganglion  spirale  Corti  —  Ramus  inferior  =  N.  Cochleae 

N.  Cochleae  ->  Kerne  des  N.  Cochleae      i      ^^     ,'  ,.         ™  ,  , 

]      Nucl.  dorsalis  s.  Tubercul.  acustic. 

Nucl.  ventralis  —  Corpus  trapezoides  )    laterale    _  Corpus  geniculat.  mediale 

Nucl.  dorsalis  —  Striae  acusticae  J    Schleife  (Collateralen    zum   hinteren  Vierhügel. 

Corpus  geniculatum  mediale  ->  Hörcentrum. 

Der  N.  Cochleae  ist  der  eigentliche  Hörnerv.  Der  N.  vestibuli 
kann  als  statischer  Nerv  bezeichnet  werden,  da  die  von  den  Bogen- 
gängen des  Labyrinths  kommenden  Fasern  dem  Centralorgan  Er- 
regungen zuleiten,  welche  für  die  Vorstellungen  von  der  Lage  und 
der  Lageveränderung  im  Räume  (Erhaltung  des  Gleichgewichts) 
wichtig  sind. 

Zur  Pathologie.  Herabsetzung  oder  Aufhebung  des  Hörvermögens  kommt  außer 
durch  Ohrerkrankungen  infolge  Läsion  der  centralen  Acusticusbahn  vor.  In  letzterem  Falle 
trifft  man  Hörstörungen  am  häufigsten  bei  Tumoren  der  Brücke  und  namentlich  des  Mittelhirns 
(Läsion  der  Schleifengegend).  Überempfindlichkeit  gegen  Gehörseindrücke  wird  als  Hyper- 
aesthesia  acustica,  Hyperakusis  bezeichnet,  vielfach  versteht  man  darunter  auch  einen 
Zustand,  bei  welchem  Schallreize  unangenehm  schmerzhaft  empfunden  werden.  Para- 
kusis  =  Höher-  oder  Tiefer-Hören  eines  Tones.  Wird  auf  einem  Ohr  richtig,  auf  dem 
anderen  zu  hoch  oder  zu  tief  gehört,  dann  entsteht  der  Eindruck  eines  doppelten  Tones  = 
Diplakusis.  Parakusis  Willisii  besteht,  wenn  bei  gleichzeitiger  Einwirkung  von  Ge- 
räuschen besser  gehört  wird. 

Bei  Erkrankungen,  welche  zu  einer  Reizung  des  N.  vestibuli  führen,  treten  Erscheinungen 
auf,  die  in  ihrer  Gesamtheit  als  MENiEREscher  Symptom  enc  omplex  bezeichnet  werden 
(Geräusche,  Schwindel,  Erbrechen,  Nystagmus,  Schwerhörigkeit  bis  zur  Taubheit). 


N.  glossopharyngeus. 

Der  N.  glossopharyngeus  ist  ein  gemischter  Nerv.     Er  tritt  mit  4 — 5  Wur- 
zelfäden unterhalb  der  Nn.  facialis  und  acusticus  hinter  der  Olive  aus  dem 


N.  glossopharyngeus.  5  I 

Gehirn  aus  und  zieht  lateral wärts  und  nach  vorn  zur  vorderen  Abteilung 
des  Foramen  jugulare.  Innerhalb  des  Foramen  weist  er  ein  kleines  Ganglion 
auf,  das  Ganglion  superius,  dann  tritt  er  durch  das  Foramen  jugu- 
lare aus  dem  Schädel  aus  und  bildet  unmittelbar  unterhalb  des  Foramen 
jugulare  ein  zweites  größeres  Ganglion,  das  Ganglion  petrosum.  Weiterer 
Verlauf  zunächst  lateral  von  der  Arteria  carotis  interna,  dann  zwischen  dieser 
und  dem  M.  stylopharyngeus  abwärts  und  medial  von  letzterem  nach  vorn, 
dann  um  den  M.  stylopharyngeus  zur  lateralen  Seite  desselben  und  zwischen 
den  Mm.  stylopharyngeus  und  styloglossus  zur  Zungenwurzel. 

Die  motorischen  Fasern  nehmen  ihren  Ursprung  in  zwei  Kernen,  in  einem  Nucleus 
dorsalis,  der  im  Boden  der  Raiitengrube  lateral  vom  Hypoglossuskern  und  medial  vom 
Nucleus  alae  cinereae  gelegen  ist,  und  in  einem  dorsal  von  der  Olive  gelegenen  Nucleus 
ventralis  s.  Nucleus  arabiguus.  Die  sensiblen  Fasern  nehmen  ihren  Ursprung  im  Ganglion 
superius  et  petrosum  n.  glossopharyngei.  Die  aus  den  Zellen  dieser  Ganglien  stammenden 
Nervenfortsätze  teilen  sich  je  in  zwei  Äste;  die  peripherwärts  ziehenden  Äste  bilden  den 
peripheren  sensiblen  Nerv,  die  centralwärts  ziehenden  treten  als  sensible  Wurzelfasern  in 
die  MeduUa  oblongata  ein  und  teilen  sich  daselbst  in  auf-  und  absteigende  Äste.  Die  auf- 
steigenden Äste  enden  im  Nucleus  alae  cinereae,  die  absteigenden  Äste  bilden  zusammen 
den  Tractus  solitarius  und  enden  in  dem  diesen  Tractus  begleitenden  Nucleus  tractus 
solitarii. 

Äste: 

A.    J''o7ii   Ganglion  petrosum: 

I.  If.  tynipanicuSf  durch  die  Apertura  inferior  canaliculi  tym- 
panici  zur  Paukenhöhle  und  im  Sulcus  tympanicus  zur  Aper- 
tura superior  canaliculi  tympanici  und  von  da  weiterer  Ver- 
lauf als  N.  petrosus  superficialis  minor  zum  Ganglion 
oticum  (N.  trigemini).  Gleich  bei  seinem  Eintritt  in  den 
Canaliculus  tympanicus  wird  er  von  einem  Knäuel  feinster 
Gefäße  umgeben  und  täuscht  dadurch  eine  kleine  spindel- 
förmige Anschwellung  vor:  Intumescentia  tympanica 
(Paukendrüse).  Durch  Verbindung  mit  dem  N.  facialis  (Ramus 
anastomoticus  cum  Plexu  tympanico)  und  dem  N.  sympathicus 
entsteht  auf  dem  Promontorium  ein  kleines  Geflecht,  der 
Plexus  tympanicus  Jacobsoni.  Aus  dem  Plexus  ziehen 
Äste  zur  Schleimhaut  der  Paukenhöhle,  zu  den  Fenestrae  Coch- 
leae und  vestibuli,  zu  den  Cellulae  mastoideae,  zur  Schleim- 
haut der  Tuba  auditiva. 

Durch  den  N.  petrosus  superficialis  minor  sollen  der  Glandula 
parotis  sekretorische  Fasern  zugeführt  werden.  Die  Bahn  wäre  fol- 
gende: N.  glossopharyngeus  —  N.  tympanicus  —  N.  petrosus  super- 
ficialis minor  —  Ganglion  oticum  —  Ramus  anastomoticus  cum  N.  auri- 
culotemporali  —  Rami  parotidei  —  Glandula  parotis. 

4* 


C2  Nervi  cerebrales. 

a)  N.  caroticotympanicus  superior. 

b)  N.  caroticotympanicus  inferior. 

Beide  Nerven  ziehen  durch  die  Canaliculi  caroti- 
cotympanici  superior  und  inferior  zum  Plexus  caro- 
ticus  internus. 

c)  Ramus  tubae  zur  Tuba   auditiva. 

Ramuli  tympanici  ziehen  zur  Schleimhaut 
der  Paukenhöhle  und  der  Zellen  des  Processus 
mastoideus. 

2.  Mamus   anastomoticus   mim   ramo    auriculari 
n,  Vagi. 

3.  Verbindnngsäste  mit  dem  N.  facialis  (R.  digastricus), 

mit  dem  N.  vagus, 

mit    dem  Ganglion   cervicale  sup.    des 
Sympathicus. 
B.   Periphere  Äste: 

1.  Rami  Jjharyngei,    bilden   mit   Ästen   des  N.  vagus   den 
Plexus  pharyngeus, 

2.  Ramus  sti/lopharyngeus  zum  M.  stylopharyngeus. 

3.  JRami  tonsillares   zur  Schleimhaut   der  Mandel  und  der 
Gaumenbögen. 

4.  Rami    linguales   zur    Schleimhaut    des    hinteren    Drittels 
der  Zunge. 

Der  N.  glossopharyngeus  führt  die  Geschmacksfasern  vom  hin- 
teren Drittel  der  Zunge,  sensible  Fasern  zum  Schlund  und  zur 
Paukenhöhle  und  Tuba  Eustachii,  sekretorische  Fasern  für  die 
Glandula  parotis,  innerviert  den  M.  stylopharyngeus  und  beteiligt 
sich  an  der  Bildung  des  Plexus  pharyngeus. 

Zur  Pathologie.  Isolierte  periphere  Lähmungen  des  N.  glossopharyngeus  sind 
selten.  Als  Symptome  wären  Anästhesie  der  oberen  Pharynxhälfte,  Ageusie  im  hinteren 
Zungendrittel  und  Schlingbeschwerden  infolge  Lähmung  einzelner  Rachenmuskeln  zu  er- 
wähnen. Als  Pharyngismus  oder  Oesophagismus  bezeichnet  man  Krampfzustände  in 
der  Gaumen-  und  Speiseröhrenmuslculatur.  Die  Innervation  dieser  Muskeln  erfolgt  indessen 
nicht  allein  vom  N.  glossopharyngeus,  sondern  auch  vom  N.  vagus  und  vom  N.  acces- 
sorius  aus. 


N.  vagus. 

Der  N.  vagus  ist  ein  gemischter  Nerv.  Er  tritt  mit  12 — 16  Wurzel- 
fäden unterhalb  des  N.  glossopharyngeus  und'  hinter  der  Olive  aus  dem 
Hirn  aus  und  zieht  lateralwärts  zur  vorderen  Abteilung  des  Foramen 
jugulare.  Daselbst  Bildung  des  Ganglion  jugulare.  Unterhalb  des  Foramen 
jugulare  liegt  er  hinter  dem  N.  glossopharyngeus,  vor  dem  N.  accessorius  und 


N.  vagus.  c5 

der  Vena  jugularis  interna,  lateral  vom  N.  hypoglossus.  Weiterer  Verlauf 
zwischen  Arteria  carotis  interna  und  Vena  jugularis  interna,  lateral  vom  Sym- 
pathicus  abwärts.  Bildung  des  Ganglion  nodosum  etwa  i  cm  unterhalb  des 
Foramen  juguiare.  Weiterer  Verlauf  lateral  vom  Sympathicus  und  hinter  der 
Arteria  carotis  interna  bzw.   carotis  communis  bis  zur  Brustapertur. 

Der  rechte  Vagus  zieht  vor  der  Arteria  subclavia,  medial  vom 
Truncus  thyreocervicalis,  zur  lateralen  Seite  der  Arteria  anonyma.  Abgabe 
des  N.  recurrens,  der  um  die  Arteria  subclavia  nach  hinten  und 
oben  zieht.  Weiterer  Verlauf  zur  rechten  Seite  der  Luftröhre,  zur  hinteren 
Fläche  des  rechten  Bronchus,  zur  hinteren  Fläche  der  Speiseröhre  und  durch 
den  Hiatus  oesophageus  zur  hinteren  Fläche  des  Magens. 

Der  linke  Vagus  zieht  zwischen  Arteria  carotis  communis  und  Arteria 
subclavia  zur  vorderen  Fläche  des  Arcus  aortae.  Abgabe  des  N.  recurrens, 
der  um  den  Arcus  aortae  nach  hinten  und  oben  zieht.  Weiterer  Ver- 
lauf zum  linken  Bronchus,  zur  vorderen  Fläche  der  Speiseröhre  und  durch 
den  Hiatus  oesophageus  zur  vorderen  Fläche  des  Magens. 

Was  den  genaueren  Ursprung  betrifft,  so  verhält  sich  der  N.  vagus  gerade  so  wie  der 
N.  glossopharyngeus.  Die  motorischen  Fasern  nehmen  ihren  Ursprung  im  Nucleus  dor- 
salis  (lateral  vom  Hypoglossuskern)  und  im  Nucleus  ventralis  s.  ambiguus  (dorsal  von  der 
Olive).  Die  sensiblen  Fasern  nehmen  ihren  eigentlichen  Ursprung  im  Ganglion  juguiare 
und  nodosum  n.  vagi.  Die  aus  den  Zellen  dieser  Ganglien  stammenden  Nervenfortsätze 
teilen  sich  je  in  zwei  Äste.  Die  peripherwärts  ziehenden  Äste  bilden  den  peripheren 
sensiblen  Nerv,  die  centralwärts  ziehenden  iVste  treten  in  die  MeduUa  oblongata  ein  und 
enden  daselbst,  wie  die  Glossopharyngeusfasern,  in  den  zugehörigen  sensiblen  Endkernen, 
im  Nucleus  alae  cinereae  und  im  Nucleus  tractus  solitarii. 

Äste: 

A.  Koffteil,  vom  Gehirn  bis  zum  Ganglion  nodosum. 

1.  Hamns  tneni^lf/euSy  durch  Foramen  juguiare  zur  Schädel- 
höhle und  zur  Dura  mater  (Sinus  transversus  und  occipitalis). 

2.  Rannis  auriciilaris,  vom  Ganglion  juguiare.  Aufnahme 
eines  Fadens  vom  N.  glossopharyngeus.  Verlauf  nach  hinten 
zur  Fossa  jugularis  und  dann  durch  den  Canaliculus  mastoideus 
zum  Canalis  facialis.  Kreuzung  mit  dem  N.  facialis  und  Abgabe 
von  Fäden  an  diesen.  Austritt  aus  dem  Canaliculus  mastoi- 
deus und  Teilung  in  zwei  Äste.  Der  eine  Ast  zieht  mit  dem 
N.  auricularis  posterior  (N.  facialis)  weiter,  der  andere  zum 
hinteren  Umfang  des  Meatus  acusticus  externus.  Verbreitung 
an  der  convexen  Seite  der  Ohrmuschel  und  am  äußeren  Ge- 
hörgang. 

3.  Aufnahme  des  Ramus  internus  des  N,  acces- 
sorius. 

4.  Ilamus  anastonioticus  cum  K.  glossopharyngeo 
(Ganglion  nodosum  —  Ganglion  petrosum). 


CA  Nervi  cerebrales. 

B.  Halstcil^  vom  Ganglion  nodosum  bis  zur  Abgabe  des  N.  recurrens. 

1.  Anastomose  mit  dem  N.  hypoglossus, 

mit  dem  Ganglion  cervicale  superius. 

2.  Mami  phavyngei,  vom  Ganglion  nodosum.  Sie  bilden 
mit  den  Rami  pharyngei  des  N.  glossopharyngeus  und  mit 
sympathischen  Fasern  aus  dem  Ganglion  cervicale  superius  den 
Plexus  pharyngeus  an  der  Seitenwand  des  Pharynx  in  der 
Höhe  des  M.  constrictor  pharyngis  medius.  Motorische  Fasern 
ziehen  zur  Gaumen-  und  Schlundmuskulatur: 

Mm.  constrictores  pharyngis, 

M.  levator  veli  palatini, 

M.  uvulae, 

M.  glossopalatinus, 

M.  pharyngopalatinus, 

M.  stylopharyngeus  (durch  den  N.  glossopharyngeus). 

Sensible  Fasern  ziehen  zur  Schleimhaut  des  Pharynx. 

3.  N*  laryngeilS  SUjJeriorf  vom  Ganglion  nodosum.  Ver- 
lauf an  der  medialen  Seite  der  Arteria  carotis  interna  nach 
unten  und  vorne.  (Verbindung  mit  dem  Plexus  pharyngeus, 
Plexus  caroticus  externus  und  Ganglion  cervicale  superius.) 

a)  Ramus  externus,   z.   M.  constrictor  pharyngis  inferior, 

z.   M.  cricothyreoideus. 

Sensible  Fasern  zur  Schleimhaut  des  Kehlkopfs. 
Abgabe  eines  Ramus  cardiacus  superior. 

b)  Ramus  internus.  Gelangt  mit  der  Arteria  thyreoidea 
superior  zur  Membrana  hyothyreoidea  und  durchbohrt 
diese  mit  der  Arteria  laryngea  superior.  Verbreitung 
in  der  Schleimhaut  des  Kehlkopfs.  Ramus  anasto- 
moticus  cum  N.  laryngeo  inferiore. 

JDe7*  N,  laryngeus  superior  ist  wesent- 
lich der  sensible  Nerv  des  Kehlkopfs. 

4.  Rami  cardiaci  superiores,  ziehen  längs  der  Arteria 
carotis  communis  zur  Aorta  und  bilden  den  Plexus  car- 
diacus. 

Ein   besonderer  N.  cardiacus    zieht    als  N.  depressor 
mit  dem  Stamm  des  Vagus. 

5.  JV.  reciirrenSf  zieht  rechts  um  die  Arteria  subclavia,  links 
um    den    Arcus    aortae.       Verlauf    in    der    Furche    zwischen 


N.  vagus.  ce 

Trachea  und  Oesophagus  nach  oben  und  Endigung  als  N.  laryn- 
geus  inferior. 

a)  Rami  cardiaci  inferiores  zum  Plexus  cardiacus. 

Verbindung  mit  dem  Ganglion  cervicale  medium 
und  inferius. 

b)  Rami  tracheales  zum  Halsteil  der  Trachea. 

c)  Rami  oesophagei  zum  Halsteil  des  Oesophagus. 

d)  N.  laryngeus  inferior  zum  Kehlkopf.  Teilung  in 
Ramus  anterior  und  Ramus  posterior,  welche  beide  zu 
den  Muskeln  des  Kehlkopfs  ziehen  (mit  Ausnahme  des 
M.  cricothyreoideus). 

Der    Ramus    posterior    anastomosiert    mit    dem 
Ramus  internus  des  N.  laryngeus  superior. 

Uer  N.  laryngeus  inferior  ist  wesent- 
lich der  motorische  Nerv  des  Kehlkopfs. 

C.  Brusf/c'i/,  bis  zum  Hiatus  oesophageus. 

1.  Kami  bronchiales  anteriores. 

Bildung  des  Plexus  pulmonalis  anterior. 

2.  Rami  bronchiales  ^posteriores. 

Bildung  des  Plexus  pulmonalis  posterior. 

3.  liami  oesoi>hagei. 

Bildung  des  Plexus  oesophageus  anterior  (linker  Vagus)  und 
des  Plexus  oesophageus  posterior  (rechter  Vagus). 

Rami    pericardiaci    ziehen    zur   vorderen    und 
hinteren  Wand  des  Herzbeutels. 

D.  Bauchteil. 

Rami  gastrici. 

Bildung  des  Plexus  gastricus  anterior  durch  den  linken  Vagus. 
Rami  hepatici  zur  Leber. 

Bildung  des  Plexus  gastricus  posterior  durch  den  rechten  Vagus. 
Rami  coeliaci  zum  Plexus  coeliacus. 

Rami  lienales  zur  Milz. 

Rami  renales  zur  Niere. 

Der  N.  vagus  sendet  motorische  Fasern  zur  Gaumen-  und 
Schlundmuskulatur,  zu  den  Muskeln  des  Kehlkopfs,  zur  Trachea, 
zu  den  Bronchien  und  Lungen,  zum  Oesophagus  und  Magen  und 
auch  zum  Darm  (Dünndarm  und  oberen  Teil  des  Dickdarms).  Er  führt 
sekretorische  Fasern  für  die  Magenschleimhaut  und  die  Bauch- 
speicheldrüse (Pankreas),  Hemmungsfasern  für  das  Herz,  vasomo- 
torische   Fasern    für    die    Gefäße.      Sensible    Fasern    enden    in    der 


56 


Nervi  cerebrales. 


harten  Hirnhaut,  im  äußeren  Ohr,  im  Schlund,  Kehlkopf,  Oeso- 
phagus, Magen,  den  verschiedenen  Organen  der  Brust-  und  Bauch- 
höhle. 

Wirkung  und  Innervation  der  Gaumen-  und  Schlundmuskeln. 

a^  G aumenmuskeln. 

N.  trigeminus  (Ganglion  oticum). 


M.  tensor  veli  palatini 
M.  Itvator  veli  palatini 
M.  uvulae 
M.  glossopalatinus 

M.  pharyiigopalatiniis 


Gaumenspanner 

Gaumenheber 

Zäpfchenheber 

Verengerer    des   Isthmus  fau- 
cium 

Heber   des   Pharynx    und    des 
Kehlkopfs 


Rami  pharyngei  nervi  vagi. 


Nach  anderen  Angaben  sollen  die  Mm.  levator  veli  palatini  und  uvulae  vom  N.  facialis 
aus  innerviert  werden.  Die  Bahn  wäre  folgende :  N.  facialis  —  N.  petrosus  superficialis 
major  —  Ganglion  sphenopalatinum  —  N.  palatinus  posterior  —  Mm.  levator  veli  palatini 
und  uvulae. 

b)  Schlundmuskeln. 


Mm.  constrictores  pharyngis 
(superior,  medius,  inferior] 
M.  pharyngopalatinus 
M.  stylopharyngens 


Schlundschnürer 

Schlundheber 
Schlundheber 


Rami  pharyngei  nervi  vagi. 

N.  glossopharyngeus 

(Ramus  stylopharyngeus  . 


Wirkung  und  Innervation  der  Muskeln  des  Kehlkopfs 

Spannen  der  Stimmbänder 


M.  cricothyreoideus 

M.  cricoarytacnoideiis  posiicus 

M.  cricoarytaenoideus  lateralis 
M.  arytaenoideus  transvers. 
M.  arytaenoideus  obliquus 
M.  thyreoarytaenoideus  (extemus) 

M.  vocalis   (M.  thyreoarytaenoi- 
deus internus) 

M,  thyreoepiglotticus 
M.  aryepiglotticus 


Abducieren    der    Stimmbänder    und    Er- 
weitern der  Rima  glottidis 

Adducieren  der  Stimmbänder  und  Schließen 
der  Rima  glottidis 


Erschlaffen  der  Stimmbänder 

Erweitern  des  Aditus  laryngis,  Aufrichten 
der  Epiglottis 

Verengern    des    Aditus    laryngis,    Herab- 
ziehen der  Epiglottis 


N.  laryngeus 
superior. 


N.  laryngeus 
inferior. 


Zur  Pathologie.  Periphere  Vaguslähmungen  sind  nicht  selten.  Die  Lähmung  kann 
eine  totale  oder  eine  partielle  sein.  Partielle  Lähmungen  sind  häufiger.  Am  häufigsten  sind 
Lähmungen  der  Kehlkopfmuskeln.  Hier  kommt  der  N.  recurrens  bzw.  der  N.  laryn- 
geus inferior  in  Betracht.  Die  Hauptlähmungsformen  sind  die  einseitige  und  doppelseitige 
Recurrenslähmung,  die  Lähmung  des  M.  cricoarytaenoideus  posticus  (Posticuslähmung),  die 
Lähmung  des  M.  thyreoarytaenoideus.  Seltener  sind  isolierte  Lähmungen  des  N.  laryngeus 
superior  (Lähmung  des  M.  cricothyreoideus  in  Verbindung  mit  Anaesthesie  der  Kehlkopf- 
schleimhaut). Die  Störungen  infolge  Lähmung  der  Kehlkopfmuskeln  bestehen  in  Phonations- 
und  Respirationsstörungen.  Näher  kann  hier  auf  die  einzelnen  Lähmungsformen  nicht  ein- 
gegangen werden. 


N.  accessorius. 


57 


Lähmungen  der  Schlund-  und  Oesophagusmuskulatur  führen  zu  Schluck- 
beschwerden und  Aufhebung  des  Würg-  und  Schlingreflexes.  T,ähmung  der  Gaumen- 
muskulatur, deren  Hauptwirkung  normalerweise  in  dem  Abschluß  der  Nasenhöhle  gegen 
die  Mund-  und  Rachenhöhle  besteht,  verursacht  häufiges  Abfließen  flüssiger  Nahrung  durch 
die  Nase.  Lähmung  der  die  Gaumen-  und  Schlundmuskiüatur  versorgenden  Rami  pharyngei 
kann  auch  zu  Stellungsveränderungen  der  Gaumenbögen  führen.  Dazu  kommt  Aufhebung 
des  Gaumenreflexes.  Lähmung  der  Rami  cardiaci  führt  zu  Pulsbeschleunigung  = 
Tachykardie.  Bei  Vagusreizung  tritt  umgekehrt  Pulsverlangsamung  =  Bradykardie 
ein.  Lähmung  der  Rami  bronchiales  führt  zur  Verlangsamung  der  Atmung.  Über  Störungen 
infolge  Affection  der  Rami  gastrici  ist  wenig  bekannt,  erwähnt  werden  Verlust  des  Hunger- 
und  Durstgefühls,  auch  Polyphagie.  Als  besondere  Vagusstörungen  werden  ferner  erwähnt: 
Krämpfe  im  Bereiche  der  Kehlkopfmuskeln  (Spasmus  laryngis),  die  bei  Tabes  vorkommen- 
den Herzkrisen,  Larynxkrisen  und  gastrischen  Krisen  (periodisches  Erbrechen  mit  gastral- 
gischen  Anfällen),  der  durch  krampfhaft  gesteigerte  Erregbarkeit  des  Plexus  pharyngeus 
und  Plexus  oesophageus  hervorgerufene  Pharyngismus  oder  Oesophagismus. 

In  vielen  Fällen  sind  die  Störungen  bei  einseitiger  totaler  Vaguslähmung  geringe, 
ernster  Natur  sind  stets  doppelseitige  totale  Vaguslähmungen. 

Läsionen  im  Bereiche  der  Vaguskerne  innerhalb  der  MeduUa  oblongata)  oder  der 
centralen  Vagusbahnen  sind  meist  mit  Affectionen  benachbarter  Hirnnerven  oder  mit  anderen 
Hirnstörungen  verbunden. 


N.  accessorius. 

Der  N.  accessorius  ist  ein  motorischer  Nerv.  Austritt  aus  dem  Hirn 
mit  zweierlei  Wurzeln:  6 — 7  untere  von  der  MeduUa  spinalis  kommende 
Fasern  bilden  den  unteren  spinalen  Teil  (Accessorius  spinalis),  die  Fasern 
treten  zwischen  vorderen  und  hinteren  Wurzeln  aus,  der  unterste  Faden  ent- 
springt meist  nahe  oberhalb  der  Wurzel  des  N.  cervicalis  VII;  3  —  6  obere 
Fasern  treten  unterhalb  des  Vagus  in  einer  hinter  der  Olive  ziehenden  Furche 
aus  der  Medulla  oblongata  aus  und  bilden  den  oberen  cerebralen  Teil  des 
Accessorius  (Accessorius  vagi).  Die  unteren  spinalen  Wurzelfäden  treten  zu 
einem  Stamm  zusammen,  der  neben  dem  Rückenmark  aufsteigt  und  durch 
das  Foramen  occipitale  magnum  in  die  Schädelhöhle  eintritt.  Mit  diesem 
spinalen  Teil  vereinigt  sich  der  obere  cerebrale  Teil  zum  N.  accessorius 
(communis),  der  zum  Foramen  jugulare  zieht,  durch  welches  er  aus  der 
Schädelhöhle  austritt. 

Die  Fasern  des  spinalen  Teils  des  N.  accessorius  stammen  aus  Zellen,  die  an  der 
Basis  der  Seitenhörner  und  im  dorsolateralen  Teil  der  Vorderhörner  des  Rückenmarks 
gelegen  sind,  welche  Zellgruppe  bis  zum  5.— 7.  Cervicalsegraent  verfolgt  werden  kann.  Die 
P'asern  des  cerebralen  Teils  entstammen  einem  Kern,  der  in  der  caudalen  Verlängerung 
des  Nucleus  ambiguus  (ventraler  motorischer  Kern  der  Nn.  glossopharyngeus  und  vagus) 
gelegen  ist. 

Der  N.  accessorius  teilt  sich  nach  Austritt  aus  dem  Foramen  jugulare  in 
zwei  Äste: 

I.  JRamns  internus ,  geht  in  den  N.  vagus  über  (oberhalb  des 
Ganglion  nodosum).  Dieser  Ramus  internus  führt  die  Fasern  des 
cerebralen  Teils  (Accessorius  vagi). 


58  Nervi  cerebrales. 

2.  Hanitis  exteniliSf  zieht  hinter  der  Vena  jugularis  interna  nach 
hinten  unten  zum  M.  sternocleidomastoideus,  gibt  diesem  Aste  ab, 
durchbohrt  ihn  und  findet  dann  seine  Endigung  im  M.  trapezius  s. 
cucullaris. 

Anastomosen  mit  Ästen  des  Plexus  cervicalis,  besonders  mit  dem  N.  cer- 
vicalis  III.  —  Zu  bemerken  ist,  daß  die  Mm.  sternocleidomastoideus  und  tra- 
pezius nicht  allein  vom  N.  accessorius,  sondern  auch  von  Ästen  des  Plexus 
cervicalis  innerviert  werden. 

Der  N.  accessorius  innerviert  den  M.  sternocleidomastoideus 
und  den  M.  trapezius  und  gibt  den  Ramus  internus  (Accessorius  vagi) 
an  den  N.  vagus  ab. 

Funktion  der  Mm.  sternocieidomastoideus  und  trapezius. 

Af.  sternocleidomastoideus.  Wirken  beide  Muskeln,  dann  wird  der  Kopf  unter 
Hebung  des  Kinns  nach  vorn  gebracht  und  bei  Rückenlage  von  der  Unterlage  gehoben. 
Bei  einseitiger  Wirkung  wird  der  Kopf  nach  der  entgegengesetzten  Seite  gebracht  unter 
gleichzeitiger  Senkung  nach  der  dem  contrahierten  Muskel  entsprechenden  Seite. 

M.  trapezius  s.  cucullaris.  Hebt  bei  doppelseitiger  Wirkung  das  Schulterblatt  und 
den  acromialen  Teil  des  Schlüsselbeins,  zieht  den  Schultergürtel  zurück  und  adduciert  das 
Schulterblatt.  Man  teilt  gewöhnlich  den  ganzen  Muskel  in  drei  Abteilungen  ein.  Der 
obere  Teil  zieht  den  Kopf  nach  hinten  und  dreht  ihn  bei  einseitiger  Wirkung  nach  der 
anderen  Seite;  bei  fixiertem  Kopf  wirkt  er  mit  beim  Heben  der  Schulter.  Dieser  obere 
Teil  wird,  da  er  sich  bei  tiefer  Atmung  anspannt,  auch  als  respiratorischer  Teil  des  Cucullaris 
bezeichnet.  Der  mittlere  Teil  hebt  das  Schulterblatt  und  zieht  es  gegen  die  Wirbelsäule. 
Der  untere  Teil  zieht  das  Schulterblatt  nach  unten  und  nach  der  Wirbelsäule  hin. 

Zur  Pathologie.  Bei  doppelseitiger  Lähmung  des  M.  sternocleidomastoi- 
deus ist  der  Kopf  nach  hinten  gezogen  und  kann  nur  unter  größter  Anstrengung  nach  vorn 
gebracht  werden,  dabei  ist  das  Drehen  des  Kopfes  nach  links  oder  rechts  unmöglich  oder 
nur  schwer  auszuführen.  Bei  einseitiger  Lähmung  steht  der  Kopf  schief  mit  erhobenem, 
nach  der  gelähmten  Seite  gerichtetem  Kinn,  eine  Drehung  nach  der  gesunden  Seite  ist 
nur  unter  größter  Anstrengung  möglich  —  Caput  obstipum  paralyticum.  Bei  länger 
bestehender  Lähmung  verfällt  der  gelähmte  Muskel  der  Atrophie,  und  der  gesunde  Muskel 
wird  in  dauernden  Contractionszustand  versetzt,  so  daß  auf  diese  Weise  aus  dem  früheren 
Caput  obstipum  paralyticum  ein  Caput  obstipum  spasticum  entsteht. 

Die  Lähmung  des  M.  trapezius  ist  charakterisiert  einmal  durch  die  Stellung  der 
Schulterblätter.  Das  Schulterblatt  steht  auf  der  gelähmten  Seite  mit  seinem  unteren  und 
oberen  medialen  Winkel  höher  und  ist  außerdem  weiter  von  der  Wirbelsäule  entfernt  wie 
auf  der  gesunden  Seite.  Der  der  Wirbelsäule  zugekehrte  Rand  des  Schulterblattes  verläuft 
schräg  von  unten  innen  nach  oben  außen,  weil  der  äußere  Schulterblattwinkel  durch  die 
Last  des  Arms  nach  vorn  und  abwärts  gezogen  wird.  Charakteristisch  ist  ferner  das 
Tiefertreten  der  Fossa  supraclavicularis  und  das  Vortreten  des  acromialen  Teils  des  Schlüssel- 
beins. Das  Hinaufziehen  der  Schulter  (Achselzucken)  und  die  Annäherung  des  Schulter- 
blattes an  die  Wirbelsäule  sind  erschwert,  und  die  Erhebung  des  Arms  über  die  Horizontale 
ist  eingeschränkt.  Die  eigentümliche  Stellungsanomalie  der  Schulterblätter  wird  als  Schaukel- 
stellung (mouvement  du  bascule)  bezeichnet,  dabei  besteht  bei  starker  Atrophie  eine  abnorm 
leichte  passive  Beweglichkeit  der  Schultern  (lose  Schultern).  Der  obere  Teil  des  M.  trapezius 
bleibt  in  vielen  Fällen  von  Lähmung  verschont  oder  wird  erst  später  ergriffen;  auch  bei 
atrophischen  Processen  schwinden  zuerst  der  untere  und  mittlere  Teil,  während  der  obere 
lange  intakt  bleibt;  er  wird  deshalb  auch  als  das   »ultimum  moriens»   bezeichnet. 


N.  hypoglossus.  cg 

Krämpfe  im  Bereiche  der  vom  Accessorius  versorgten  Muskeln  treten  meist  einseitig 
auf.  Bei  einseitigen  klonischen  Krämpfen  des  M.  sternocleidomastoideus  wird  der  Kopf 
bei  jeder  Zuckung  nach  der  gesunden  Seite  gedreht,  bei  schwachen  Zuckungen  bemerkt 
man  nur  leichte  Rotationsbewegungen  des  Kopfes.  Besteht  zugleich  klonischer  Krampf 
des  M.  trapezius,  dann  wird  der  Kopf  zudem  stark  nach  hinten  gezogen  und  dabei  die 
Schulter  gehoben,  so  daß  sich  Hinterkopf  und  Schulter  oft  berühren.  Bei  doppelseitigen 
klonischen  Krämpfen  beider  Muskeln  kommt  es,  wenn  die  Zuckungen  in  beiden  Muskeln 
gleichzeitig  auftreten,  zu  Ni  ckbe  wegungen  oder  Nickkrämpfen  (Salaamkrämpfe,  Spas- 
mus nutans,  Nictitatio  spastica),  dabei  sind  meist  auch  noch  andere  Halsmuskeln  beteiligt. 
Treten  die  Zuckungen  in  beiden  Muskeln  nicht  gleichzeitig  auf,  dann  beobachtet  man  ein 
anfallsweise  auftretendes  Kopfwackeln.  Bei  tonischen  Krämpfen  kommt  es  zu  dauernd 
abnormen  Kopfhaltungen.  Vorwiegend  ist  der  M.  sternocleidomastoideus  befallen.  Bei 
tonischem  Krampf  des  einen  Sternocleidomastoideus  steht  der  Kopf  schief  nach  der  anderen 
Seite ;  ist  auch  noch  der  M.  trapezius  am  Krampf  beteiligt,  dann  ist  der  Kopf  mehr  nach 
hinten  geneigt  —  Caput  obstipum  spasticum,  TorticoUis  spastica  (Schief hals. 


N.  hypoglossus. 


Der  N.  hypoglossus  ist  ein  motorischer  Nerv.  Austritt  aus  dem  Hirn 
mit  IG — 15  Wurzelfäden  zwischen  Pyramide  und  Olive  des  verlängerten  Marks 
und  Verlauf  zum  Canalis  hypoglossi.  Am  Eingang  in  den  Canalis 
hypoglossi  wird  der  Nerv  von  einem  Venengeflecht  umgeben,  das  mit  den 
Venen  des  Sinus  occipitalis  in  Verbindung  steht,  Rete  canalis  hypoglossi 
s.  Circellus  venosus  hypoglossi.  Nach  Austritt  aus  dem  Kanal  liegt  er 
zunächst  medial  und  hinter  dem  N.  vagus  und  der  Vena  jugularis  interna, 
dann  gelangt  er  um  die  Vena  jugularis  und  den  N.  vagus  auf  die  laterale 
Seite  des  letzteren  und  zieht  nun,  bedeckt  vom  M.  stylohyoideus  und  Venter 
posterior  des  M.  digastricus  abwärts  und  im  Bogen  nach  vorn  zur  Außenfläche 
des  M.  hyoglossus  und  endet  schließlich  in  der  Muskulatur  der  Zunge, 

Der  Kern  des  N.  hypoglossus  liegt  im  Boden  der  Rautengrube,  dorsal,  in  der  Tiefe 
des  Trigonum  nervi  hypoglossi.  Vom  Kern  ziehen  die  Fasern  ventralwärts  zum  Sulcus 
lateralis  anterior  der  MeduUa  oblongata  zwischen  Olive  und  Pyramide. 

Äste: 

1.  Manius  vecuvvenSf  tritt  am  Ausgang  des  Canalis  hypoglossi  ab 
und  verläuft  rückwärts  durch  den  Kanal  zum  Rete  canalis  hypoglossi 
und  zum  Sinus  occipitalis. 

2.  AfiastOinose  mit  dem  N.  vagus  (Ganglion  nodosum), 

mit  Ganglion  cervicale  superius, 

mit  der  ersten  Schlinge  der  Nn.  cervicales  (Nn.  cervi- 

cales  I  und  II), 
mit  dem  N.  lingualis. 
Durch    die   Anastomose    mit    den   Nn.  cervicales  I   und  II 
werden  dem  N.  hypoglossus  motorische  Fasern  zugeführt  für  die 
unteren  Zungenbeinmuskeln  und  für  den  M.  geniohyoideus. 


6o 


Nervi  cerebrales. 


3.  Ratnus  descendens,  zieht  auf  der  Arteria  carotis  interna  und 
communis  abwärts  und  verbindet  sich  durch  eine  oder  mehrfache 
Schlingen  mit  dem  Plexus  cervicalis  (Nn.  cervicales  II  und  III)  zur 
Bildung  der  Ansa  hypoglossi. 

Motorische  Fasern  gelangen  zum  M.  omohyoideus, 

M.  sternothyreoideus, 
M.  sternohyoideus. 

4.  Mainiis  thyreohi/oideus  zum  M.  thyreohyoideus. 

5.  Ranii  linguales  zur  Muskulatur  der  Zunge: 

M.  genioglossus, 
M.  hyoglossus, 
M.  styloglossus, 
Mm.  longitudinales, 
M.  transversus  linguae, 
M.  verticalis  linguae. 
Anastomose  mit  dem  N.  lingualis. 

Der  N.  hypoglossus  ist  der  motorische  Nerv  der  Zunge.  Außer 
der  eigentlichen  Zungenmuskulatur  innerviert  er  die  unteren  Zungen- 
beinmuskeln und  von  den  oberen  Zungenbeinmuskeln  den  M.  genio- 
hyoideus. 

Funktion  der  wichtigsten  Zungenmuskeln. 


M.  genioglossus 
M.  hyoglossus 
AI.  styloglossus 


zieht  die  Zunge  nach  vorn  und  unten, 
zieht  die  Zunge  nach  hinten  und  abwärts, 
zieht  die  Zungenwurzeln  nach  oben  und  hinten. 


Funktion  und  Innervation  der  oberen  Zungenbeinmuskeln. 


M.  digastricus 

M.  stylohyoidcus 
M.  mylohyoideus 


M.  geniohyoideus 


(Zwischen  Schädelbasis,  Zungenbein 

Heben  des  Zungenbeins  bei  Fixie- 
rung des  Unterkiefers 

Herabziehen  des  Unterkiefers  bei 
Fixierung  des  Zungenbeins 

Auf-  und  Rückwärtsziehen  des  Zun- 
genbeins 

Heben  und  Vorwärtsziehen  des  Zun- 
genbeins bei  Fixierung  des  Unter- 
kiefers 

Herabziehen  des  Unterkiefers  bei 
Fixierung  des  Zungenbeins 

Bildet  den  Boden  der  Mundhöhle 
(Diaphragma  oris) 

Heben  und  Vorwärtsziehen  des  Zun- 
genbeins bei  Fixierung  des  Unter- 
kiefers 

Herabziehen  des  Unterkiefers  bei 
Fixierung  des  Zungenbeins 


und  Unterkiefer.) 

Venter  anterior:  N.  mylohyoideus 
(N.  raandibularis  trigeminus), 

Venter  poster. :  N.  facialis  (Ramus 
digastricus). 

N.  facialis  (Ramus  stylohyoidcus). 

N.  mylohyoideus  (N.  mandibularis 
trigemini  . 


N.  hypoglossus. 


N.  hypoglossus. 


6i 


Funktion  und  Innervation  der  unteren  Zungenbeinmuskeln. 


M.  sternohyoideus 
M.  oinohyoidens 

M.  sternothyreoideus 
AI.  thyreohyoideus 


Herabziehen  des  Zungenbeins 

Herabziehen  des  Zungenbeins 
Spannen  der  Halsfascie 

Herabziehen  des  Kehlkopfs 

Herabziehen  des  Zungenbeins  oder  bei 
Fixierung  des  letzteren  Heben  des  Kehl- 
kopfs 


N.  hypoglossus  (Ramus 
descendens) 


N.  hypoglossus  (Ramus 
thyreohyoideus). 


Zur  Pathologie.  Lähmungen  des  Hypoglossus  kommen  meist  einseitig,  selten 
doppelseitig  vor.  Bei  einseitiger  Lähmung  weicht  die  Zunge  nach  der  gelähmten  Seite 
ab  infolge  Überwiegen  des  gesunden  M.  genioglossus.  Die  gelähmte  Zungenhälfte  ist 
schlaff,  runzelig  und  verfällt  bei  länger  bestehender  Lähmung  der  Atrophie.  Die  Funk- 
tionsstörungen sind  indessen  bei  einseitiger  Lähmung  meist  keine  erheblichen.  Bei  doppel- 
seitiger Lähmung  kann  die  Zunge  nur  wenig  oder  gar  nicht  bewegt  werden,  und  die 
Funktionsstörungen  machen  sich  besonders  als  Kau-  und  Schlingbeschwerden  und  als  Sprach- 
störungen bemerkbar. 

Neben  Zungenlähmung,  Glossoplegie,  kommt  auch  Zungenkrampf,  Glosso- 
spasmus,  indessen  selten,  vor.  Meist  handelt  es  sich  um  klonische  Krämpfe  bei  cen- 
tralen oder  cerebralen  Affectionen. 


Nervi  spinales. 


Die  Rückenmarksnerven  treten  durch  die  Foramina  intervertebralia  und 
sacralia  des  Wirbelkanals  hervor,  der  I.  Cervicalnerv  zwischen  Hinterhaupt  und 
Atlas,  der  V.  Sacralnerv  und  der  N.  coccygeus  durch  die  untere  Öffnung  des 
Canalis  sacralis.  Die  Spinalganglien  der  Cervical-,  Thoracal-  und  Lumbal- 
nerven liegen  in  den  Foramina  intervertebralia,  diejenigen  der  Sacralnerven  und 
des  N.  coccygeus  innerhalb  des  Canalis  sacralis.  Die  einzelnen  Wurzelbündel 
verlaufen  nicht  nur  lateralvvärts,  sondern  auch  caudalwärts,  und  zwar  umsomehr 
caudalwärts,  je  näher  dem  caudalen  Rückenmarksende  sie  aus-  bzw.  eintreten. 
In  der  Lendengegend  ist  die  Verlaufsrichtung  der  Nervenwurzeln  innerhalb 
des  Wirbelkanals  mit  der  Längsaxe  des  Rückenmarks  nahezu  parallel.  Der 
Conus  medullaris  und  das  Filum  terminale  liegen  so  inmitten  eines  Bündels 
von  Nervenwurzeln,   es  bildet  sich  in  der  Weise  die  Cauda  equina. 

Jeder  Rückenmarksnerv  teilt  sich  im  weiteren  Verlaufe  in  einen  Ramus 
anterior  und  einen  Ramus  posterior.  Die  Rami  posteriores  sind  mit  Aus- 
nahme derjenigen  der  Nn.  cervi- 
cales  I  und  II  schwächer  wie  die 
Rami  anteriores,  ziehen  nach 
hinten  und  vereinigen  sich  oft 
untereinander  durch  Schlingen. 
Jeder  Ramus  posterior  teilt  sich 
in  einen  Ramus  medialis  und 
lateralis,  und  die  Endverzwei- 
gung der  Rami  posteriores  er- 
folgt in  der  Dorsalregion  des 
Körperstammes,  in  der  Nacken-  und  Rückenmuskulatur  und  in  der  Haut  vom 
Hinterkopf  bis  zur  Gesäßgegend.  Die  stärkeren  Rami  anteriores  gehen  viel- 
fach Verbindungen  und  Durchflechtungen  miteinander  ein,  bogenförmige  oder 
meist  spitzwinkelige  Schlingen,  Ansäe,  wodurch  bestimmte  Geflechte,  Plexus, 
gebildet  werden.  Die  Hauptgeflechte  werden  von  den  Rami  anteriores  der 
Cervical-,  Lumbal-,  Sacralnerven  und  des  N.  coccygeus  gebildet,  man  unter- 
scheidet   einen    Plexus    cervicobrachialis    und    einen    Plexus   lumbosa- 


öanglion 

spinale        I  1  Ramus  posrerior 


Ramus  anterior 


Ganglion 
des 

Symparhicus 

Fig.   12.     Schematische  Darstelhing  des  Ursprungs 
der  Spinalnerven. 


Nn.  cervicales. 


63 


cralis.  Unbeständig  ist  die  Bildung  von  Schlingen  bei  den  Rami  anteriores 
der  Thoracalnerven,  die  im  allgemeinen  in  ihrem  Verlaufe  selbständig  bleiben. 
Jeder  Ramus  anterior  ist  durch  einen  Ramus  communicans  mit  einem 
benachbarten  Ganglion  des  Sympathicus  verbunden,  ferner  zweigt  von  jedem 
Ramus  anterior  ein  feiner  Faden  ab,  der  nach  Aufnahme  eines  Fadens  vom 
Ramus  communicans  als  Ramus  meningeus  s.  N.  recurrens  rückwärts  durch 
das  Foramen  intervertebrale  zum  Wirbelkanal  verläuft.  Die  aus  den  Rami 
anteriores  oder  aus  den  Ansäe  oder  Plexus  hervorgehenden,  meist  starken 
Nerven  finden  ihre  Endigung  vor  allem  in  der  Haut  und  Muskulatur  der  ven- 
tralen Region  des  Körpers  und  in  den  oberen  und  unteren  Extremitäten. 


Nn.  cervicales. 

Die  Rami  posteriores  sind  mit  Ausnahme  derjenigen  der  beiden  ersten 
Cervicalnerven  schwächer  entwickelt  als  die  Rami  anteriores.  Jeder  Ramus 
posterior  teilt  sich  in  einen  Ramus  medialis  und  einen  Ramus  lateralis.  Die 
medialen  Äste  verlaufen  in  der  Richtung  gegen  die  Processus  spinosi  zu  und 
führen  neben  kürzeren  motorischen,  für  die  kurzen  tiefliegenden  Nackenmuskeln 
bestimmten  Fasern  hauptsächlich  sensible  Fasern,  die  in  der  Haut  des  Nackens 
neben  der  MittelHnie  enden.  Die  lateralen  Äste  sind  fast  ausschließlich  motorisch 
und  enden  hauptsächlich  in  oberflächlichen  und  in  langen,  tiefen  Rücken- 
muskeln (Mm.  splenius,  longissimus,  semispinalis). 

Rami  posteriores  der  Nn.  cervicales  I,  II  und  III, 

1.  Mannus  posterior   des   N.  cervicalis   I  =  N.  siihocci- 

pitaliSf  rein  motorisch,  zu  kurzen,  tiefen  Nackenmuskeln  zwischen 

Schädel  und  erstem  Halswirbel  (Mm.  obliqui  capitis,  recti  capitis  major 

und  minor)  und  zum  M.  semispinalis  capitis. 

Ein  Faden  zieht  zur  Articulatio  atlantooccipitalis.    Anastomose  mit  dem  Ramus 
posterior  des  N.  cervicalis  II. 

2.  Ramus  j^osterior  des  JV.  cervicalis  II.  Der  starke  Ast 
schlägt  sich  um  den  Rand  des  M.  obliquus  capitis  inferior  nach  hinten, 
gibt  mehrere  motorische  Äste  ab  an  die  Mm.  obliquus  capitis  inferior, 
splenius  capitis  et  cervicis,  longissimus  capitis,  semispinalis  capitis, 
anastomosiert  mit  den  Rami  posteriores  des  I.  und  III.  Cervicalnerven, 
zieht  dann  als  setisibler  N.  OCCipiUdis  major  bogenförmig  in  die 
Höhe,  durchbohrt  den  M.  semispinalis  capitis  und  die  Sehne  des 
M.  trapezius  und  gelangt  in  der  Nähe  der  Protuberantia  occipitalis 
externa  unter  die  Haut  und  verästelt  sich  in  der  Haut  der  Hinterhaupts- 
gegend   bis   gegen   den  Scheitel,    selbst   bis   zur  Sutura  coronnlis  hin. 


64 


Nervi  spinales. 


3.  JRimius  posterior  des  N.  eervicalis  III.  Mitunter  zieht 
ein  stärkerer  medialer  Zweig  als  sensibler  N.  OCCipitalis  tertius 
medial  vom  N.  occipitalis  major  zur  Haut  des  Hinterhauptes  (acces- 
sorischer  N.  occipitalis  major). 

Die  Rami  anteriores  der  8  Cervicalnerven  bilden  mit  dem  Ramus 
anterior  des  i.  Thoracalnerven  durch  schlingenförmige  Verbindungen  ein  lang- 
gestrecktes Geflecht,  den  Plexus  cervicobrachialis,  der  in  einen  oberen 
Teil,  den  Plexus  eervicalis,  und  in  einen  unteren  Teil,  den  Plexus  brachi- 
al is  zerfällt. 

I.    Plexus  eervicalis. 

Er  wird  gebildet  durch  die  schlingenförmige  Verbindung  der  Rami  anteriores 
der  vier  ersten  Cervicalnerven  und  liegt  vor  den  Ursprüngen  der  Mm.  scalenus 
medius  und  levator  scapulae,  bedeckt  vom  M.  sternocleidomastoideus. 


N.hvpoglo55U5 


accessorjus 


N  occipifalis  minor 

(Cz  Cj) 


N.auricularismagnus 

(C3)  / 

/ 

I 

I 

Ncutaneus colli ,' 

(C3)  « 


Ansahypoglossi 


Nn.supracldviculares 

(C3,C4) 


Nphrenicus 

(C3,C4) 


Fig.    13.     Schematische  Darstellung  des 
Plexus  eervicalis. 


A.  Verbindungen     des     Plexus    eervi- 
calis : 

1.  Verbindung  des  N.  eervicalis  I 
mit  dem  Stamm  des  N.  hypo- 
glossus. 

2.  Verbindung  der  Nn.  cervi- 
cales  II  und  III  mit  dem 
Ramus  descendens  nervi  hypo- 
glossi  (Ansa  hypoglossi  s.  Ansa 
eervicalis  profunda). 

3.  Verbindung  des  N.  eervicalis III 
mit  dem  N.  accessorius. 

4.  Verbindung  mit  dem  Ganglion 
cervicale  superius  und  dem 
Grenzstrang  des  Sympathicus. 

B.  Hautäste : 

I.  N.    occipitalis     minor 

(aus  C2  und  C3).  Erscheint  am 
hinteren  Rande  des  M.  ster- 
nocleidomastoideus und  steigt 
gegen  das  Hinterhaupt  em- 
por. Verästelung  in  der  Haut 
zwischen  den  Ausbreitungs- 
bezirken der  Nn.  occipitahs 
major  und  auricularis  magnus 
bis  zur  Schläfengegend. 


Nn.  cervicales.  65 

Anastomose  mit  N.  auricularis  posterior  (N.  facialis), 
mit  N.  auricularis  magnus, 
mit  N.  occipitalis  major. 

2.  y,  auricularis  jnagnilS  (aus  C3).  Erscheint  unterhalb  des 
N.  occipitalis  minor  ebenfalls  am  hinteren  Rande  des  M.  sterno- 
cleidomastoideus  und  zieht  über  diesen  Muskel  empor  gegen 
das  Ohr.     Teilung  in  Ramus  anterior  und  posterior. 

Der  Ramus  anterior  zieht,  bisweilen  durch  die  Parotis,  zur  Haut  der 
Regio  parotidomastoidea,  zur  Haut  des  Ohrläppchens  und  der  concaven 
Fläche  der  Ohrmuschel. 

Der  Ramus  posterior  endet  in  der  Haut  hinter  dem  Ohr  und  der 
convexen  Fläche  der  Ohrmuschel  und  anastomosiert  mit  dem  N.  auricularis 
posterior  (N.  facialis)  und  dem  N.  occipitalis  minor. 

3.  N,  CUtaneus  colli  (aus  C3).  Erscheint  unterhalb  des  N.  auri- 
cularis magnus  ebenfalls  am  hinteren  Rande  des  M.  sternocleido- 
mastoideus  und  zieht  auf  der  Außenfläche  dieses  Muskels,  be- 
deckt vom  Platysma,  nach  vorn  gegen  das  Zungenbein. 

Rami  superiores  und  inferiores  enden  in  der  Haut  der  vorderen 
und  seitlichen  Fläche  des  Halses.  Anastomose  des  Ramus  superior  mit 
dem  Ramus  colli  nervi  facialis  (Ansa  cervicalis  superficialis). 

4.  Nn.  supraclaviculares  (aus  C3  und  besonders  aus  C^). 
Erscheinen  ebenfalls  am  hinteren  Rande  des  M.  sternocleido- 
mastoideus  meist  dicht  unterhalb  des  N.  cutaneus  colli  und  ziehen 
divergierend  in  der  Fossa  supraclavicularis  major  herab. 

Nn.  supraclaviculares  anteriores  ziehen  über  das  Schlüsselbein 
und  enden  in  der  Haut  der  Regio  sternalis  und  Regio  mammillaris  (einige 
Fäden  ziehen  zum  Sternoclaviculargelenk). 

Nn.  supraclaviculares  medii  ziehen  über  Schlüsselbein  und 
Acromion  und  enden  in  der  Haut  der  lateralen  oberen  Brnstgegend. 

Nn.  supraclaviculares  posteriores  ziehen  über  den  M.  trapezius 
und  enden  in  der  Haut  der  oberen  Schulterblattgegend  und  über  dem 
M.  deltoides.  (Mitunter  zieht  ein  Ast  in  die  Tiefe  und  verbindet  sich  mit 
dem  N.  accessorius). 

C.  Muskeläste: 

1.  Äste  aus  den  einzelnen  Cerincalnerven,  nicht  aus 
dem  Plexus,  zu  kurzen,  tiefen  Nackenmuskeln  und  vor  allem  zu 
hinteren  Halsmuskeln  (Mm.  recti  capitis  anterior  und  lateralis, 
longus  colli,  longus  capitis,  scaleni  anterior  und  medius)  und 
zum  M.  levator  scapulae. 

2.  W.  cervicalis  descendens  =  Verbindung  der  Nn.  cervi- 
cales II  und  III  mit  dem  N.  hypoglossus  (Ansa  hypoglossi). 

3.  Ein  besonderer  Ast  (aus  C3  und  CJ  zieht  als  ManiUS  trape- 
^ius  zum  M.  trapezius  (erscheint  häufig  als  Ast  der  Nn.  supra- 
claviculares posteriores). 

Vi  11  ige  r,  Die  periphere  Innervation.  C 


66 


Nervi  spinales. 


4.  N.  phrenicus  (aus  C3  und  C^),  führt  neben  einigen  sensiblen 
vorwiegend  motorische  Fasern.  Verlauf  auf  der  Vorderfläche 
des  M.  scalenus  anterior  abwärts  und  zwischen  Arteria  und 
Vena  subclavia  hinter  der  Articulatio  sternociavicularis  mit  der 
Arteria  mammaria  interna  zur  Brusthöhle,  dann  über  die  Pleura- 
kuppel und  vor  der  Lungenwurzel  zwischen  Pleura  pericardiaca 
und  Pericard  zum  Zwerchfell. 

Der  rechte  N.  phrenicus  verläuft  lateral  von  der  Vena  anonyma 
und  der  Vena  cava  superior  und  erreicht  das  Zwerchfell  etwas  nach  vorn 
und  lateral  vom  Foramen  venae  cavae. 

Der  linke  N.  phrenicus  zieht  lateral  vom  Arcus  aortae  und  in 
nach  vorn  concavem  Bogen  nach  unten  und  erreicht  das  Zwerchfell  weiter 
vorn  und  lateral  wie  der  rechte  N.  phrenicus. 

Verbindung  des  N.  phrenicus  mit  dem  Ganglion  cervicale  inferius 
(oder  medium)  des  Sympathicus  und  mitunter  Aufnahme  eines  Astes  vom 
N.  subclavius  (Plexus  brachialis). 

Äste: 

a)  Ramus  pericardiacus,  meist  nur  rechts,  zur  Vorder- 
fläche des  Herzbeutels. 

b)  Rami  pleurales  treten  als  feine  Fäden  zur  Pleura. 

c)  Rami  phrenicoabdominales  treten  durch  das 
Zwerchfell,  rechts  durch  das  Foramen  venae  cavae, 
links  durch  den  Hiatus  oesophageus,  und  verästeln 
sich  an  der  unteren  Zwerchfellfläche.  Äste  treten  in 
Verbindung  mit  dem  Plexus  phrenicus  des  Sympathicus. 


Funktion  und  Innervation  der  Mm.  occipito-vertebrales. 

(Kurze,  tiefe  Nackenmuskeln.) 
AI.  rectiis  capitis  posterior  major 


M.  rectus  capitis  posterior  tnijwr 
M.  obliqims  capitis  superior 

AI.  obliquiis  capitis  inferior 
M.  rectus  capitis  lateralis 


zieht   den  Kopf  nach  hinten  und 
dreht  ihn  nach  derselben  Seite 

zieht  den  Kopf  nach  hinten 

dreht  den  Kopf  nach  der  anderen 
Seite 

dreht  den  Kopf  nach  seiner  Seite 

neigt  den  Kopf  seitwärts 


Ramus  posterior  des 
N.  cervicalis  I  =: 
N.  suboccipitalis. 


N.  cervicalis  I  (Ramus 
anterior). 

Die   4  Mm.  recti  capitis    ziehen    zusammen   mit    den   4  Mm.  obliqui  capitis  den  Kopf 
nach  hinten. 

Funktion  und  Innervation  der  Halsmuskeln. 

I.    Vordere    Halsmuskeln. 

Flatysfim  —  Hautmuskel. 

M.  sternochidomastoideiis  siehe  S.  58  (N.  accessorius). 

Untere  Zungen beinfmiskeln  siehe  S.  61   (N.  hypoglossus). 


Nn.  cervicales. 


67 


Äf.  longus  colli 

M.  longus  capitis 

M.  rectits  capitis  anterior 

Mvi.  scaleni  anterior 
>  »        med  ins 

»  »        posterior 


II.    Hintere    Halsmuskeln. 

Vorwärtsbeugen  und  Drehen  der 
Halswirbelsäule 

Beugen  des  Kopfes  nach  vorn 

Beugen  des  Kopfes  nach  vorn 

heben  die  Rippen  und  erweitern 
dadurch  den  Thorax  (Inspiration), 
bei  Feststellung  der  Rippen  Beu- 
gen der  Halswirbelsäule  lateral- 
wärts  und  nach  vorn 


Rami  anteriores  der  Nn. 
cervicales,  teils  aus  den 
Halsnerven  selbst,  teils 
aus  dem  Plexus  cervi- 
calis  und  auch  (für  die 
Mm.  scaleni)  aus  dem 
Plexus  brachialis. 


Der  Plexus  cervicalis  versorgt  mit  sensiblen  Fasern  die  Haut 
hinter  dem  Ohr,  die  Haut  der  Ohrmuschel,  des  Halses  und  der 
Schultern  bis  über  das  Schlüsselbein,  mit  motorischen  Fasern  die 
kurzen,  tiefen  Nackenmuskeln  und  die  hinteren  Halsmuskeln,  auch 
die  Mm.  levator  scapulae  und  trapezius.  Ein  Hauptnerv  ist  der  haupt- 
sächlich aus  C4   stammende,  vorwiegend  motorische  N.  phrenicus. 

Zur  Pathologie.  Lähmungen  einzelner  Cervicalnerven  sind  selten,  am  meisten 
wird  der  N.  phrenicus  betroffen.  Seine  Lähmung  führt  zur  Paralysis  diaphr agmatica: 
die  Contraction  des  Zwerchfells  bei  der  Inspiration  fehlt,  und  es  fehlt  infolgedessen  auch 
die  epigastrische  Vorwölbung.  Die  Beschwerden  äußern  sich  in  Dyspnoe  (beschleunigte 
Athmung),  Erschwerung  des  Hustens  und  der  Defäkation. 

Krämpfe  befallen  am  meisten  die  Mm.  obliquus  capitis  inferior  und  splenius  capitis 
und  das  Zwerchfell.  Der  M.  obliquus  capitis  inferior  (innerviert  von  den  Rami  poste- 
riores der  Nn.  cervicales  I  und  II)  dreht  den  Kopf  um  die  \'ertikalaxe  horizontal  nach 
der  Seite  (im  Gegensatz  zu  den  Mm.  sternocleidomastoideus  und  splenius  capitis,  bei  deren 
Contraction  eine  Drehung  des  Kopfes  mit  Heben  bzw.  mit  Senken  des  Kinnes  erfolgt). 
Bei  einseitigen  klonischen  Krämpfen  des  M.  oblicjuus  capitis  inferior  wird  der  Kopf  beständig 
nach  der  kranken  Seite  gedreht,  bei  doppelseitigem  Krampf  erfolgt  diese  ständige  Drehung 
nach  beiden  Seiten  —  Drehkrampf,  Tic  rotatoire.  Beim  tonischen  Krampf  des 
M.  obliquus  capitis  inferior  ist  die  Deviation  des  Kopfes  eine  dauernde.  —  Der  M.  splenius 
capitis  (innerviert  vom  Ramus  posterior  des  N.  cervicalis  II)  zieht  den  Kopf  nach  hinten 
und  dreht  ihn  zugleich  unter  Senken  des  Kinnes  nach  der  gleichen  Seite.  Bei  einseitigem 
Krampf  des  Muskels  ist  daher  der  Kopf  nach  hinten  und  nach  der  afficierten  Seite  ge- 
neigt. —  Tonischer  Krampf  des  Zwerchfells  wird  isoliert  selten  beobachtet,  öfters 
in  Verbindung  mit  allgemeinen  tonischen  Krämpfen  (bei  Epilepsie,  Tetanus,  Tetanie,  Hysteriel. 
Er  gibt  sich  durch  das  Gefühl  schmerzhafter  krampfartiger  Zusammenziehung  im  Epigastrium, 
durch  hochgradige  Dyspnoe  und  cyanotisches  Aussehen  kund.  Häufiger  kommen  klonische 
Zwerchfellkrämpfe  vor,  sie  haben  jene  Störungen  zufolge,  die  man  als  Schluchzen, 
Singultus,  bezeichnet. 

Neuralgien  lokalisieren  sich  hauptsächlich  im  Gebiet  des  N.  occipitalis  major  und 
minor  und  des  N.  auricularis  magnus  —  Neuralgia  occipitalis  s.  cervico-occipitalis. 
Es  sind  auch  Fälle  einer  Neuralgia  nervi  phrenici  beobachtet. 


II.    Plexus  brachialis. 

Die  Rami  anteriores  der  Nn.  cervicales  V,  VI,  VII  und  VIII  bilden  mit 
einem  kleineren  Teil  des  Ramus  anterior  des  N.  cervicalis  IV  und  einem 
größeren  Teil  des  Ramus  anterior  des  N,  thoracalis  I  den  Plexus  brachialis. 
Die  Wurzeläste   treten  zwischen  den  Mm.  scaleni  anterior  und  medius  hervor 

5* 


68  Nervi  spinales. 

und  ziehen  convergierend  lateralwärts  und  nach  unten  durch  die  Fossa  supra- 
clavicularis  major  hinter  die  Clavicula  und  dann  hinter  den  Mm.  subclavius 
und  pectorales  zur  Achselhöhle.  Man  unterscheidet  eine  in  der  Fossa  supra- 
clavicularis  gelegene  Pars  supraclavicularis  und  eine  in  der  Fossa  axillaris 
gelegene  Pars  infraclavicularis  des  Plexus  brachialis. 

A.   Pars  supraclavicularis. 

Aus  diesem  oberen  Teil  des  Plexus  brachialis  gehen  Nerven  ab 
zu  tiefen  Halsmuskeln  und  vor  allem  zur  Muskulatur  des  Schulter- 
gürtels. 


N.dorsalis  scapulae 
(Cs)  ^ 

Nsubdauius 

(C5)  ^-^ 

Niuprascapularib      v^ 


Nnrhüracalesanfcriore5 

(Cs.Co.C?) 


N  axillaris 


Nnbubicapulares 


'  F  /^Nrhoracodorsäli^ 

/ 

/   I    'N.cu^an.brachiimedialis 
/     'N.cufan  anhbrachiimedidlib 


Fig.    14.     Schematisctie  Darstellung  des  Plexus  brachialis. 

1.  Ranii   musculares,    aus   den   einzelnen  Wurzeln   direkt   hervor- 
gehend zu  den  Mm.  scaleni  und  zum  M.  longus  colli, 

2.  Nn»  thoracales  posterior  es,  durchbohren  den  M.  scalenus  medius. 

a)  N.  dorsalis  scapulae  (aus  C^).     Verlauf  mit  der  Arteria  dorsalis 
scapulae  zum  M.  levator  scapulae, 

zu  den  Mm.  rhomboidei. 

b)  N.  thoracalis    longus    (aus    C^ ,    Q ,    C^).      Verlauf   zwischen 
M.  subscapularis  und  M.  serratus  anterior  zum  M.  serratus  anterior. 


Nn.  cervicales. 


69 


3.  Nn.  tfioracales  anteriores  (aus  C^,  Q,  C^)  zu  den  Mm.  pecto- 
rales  major  und  minor. 

4.  JV.  suhclavias  (aus  C^)  zum  M.  subclavius. 

Er  sendet  oft  einen  Ast  zum  N.  phrenicus. 

c^.  N.  Sliprttscapularis  (aus  C^,  Cg),  Verlauf  lateral wärts  und  rück- 
wärts zur  Incisura  scapulae  und  unter  dem  Ligamentum  transversum 
scapulae  superius  zur  Fossa  supraspinata,  dann  zum  Collum  scapulae 
und  unter  dem  Ligamentum  transversum  scapulae  inferius  zur  Fossa 
infraspinata.  Er  innerviert  die  Min.  supraspinatus  und  infraspinatus 
und  gibt  Ästchen  ab  zum   Schultergelenk. 

6.  Nn.  sitbscapiilares  (aus  C^,  Q,  C^,  Cg)  zum  M.  subscapularis, 

zum  M.  teres  major. 

7.  N.  tho racodorsalis  (aus  C^,   Cg)  zum  M.  latissimus  dorsi. 

8.  N.  axillaris  (aus  C^,  C^,  C^).  Er  stammt  aus  dem  hinteren  Bündel 
der  Pars  infraclaviculans  des  Plexus  brachialis  (siehe  S.  72).  Verlauf 
mit  der  Arteria  circumtlexa  humeri  um  das  Collum  herum  nach 
hinten. 

Rami  articulares  ziehen  zum  Schultergelenk, 

Rami  musculares  enden  im  M.  deltoides  und  im  M.  teres  minor. 

Ein  Hauptast  zieht  als  N.  cutaneus  brachii  lateralis 
zwischen  M.  deltoides  und  Caput  longum  des  M.  triceps  zur 
Haut  über  dem  M.  deltoides  und  über  dem  hinteren  und  lateralen 
Teil  des  Oberarms. 


Funktion  und  Innervation  der  Muskeln  des  Schultergiirtels. 


A.    Muskeln,    welche    am    Schultergürtel    anheften. 


M.  trapezius 


M.  levator  scapulae 

M.  rhomboideus  major 
M.  rhomboideus  minor 

M.  serratus  anterior 


Träger  des  Schultergürtels.  In  seiner 
Gesamtheit  hebt  er  das  Schulterblatt, 
zieht  den  Schultergürtel  zurück  und 
nähert  den  Vertebralrand  des  Schul- 
terblattes der  Wirbelsäule.  Gewühn- 
lich  unterscheidet  man  drei  Abtei- 
lungen des  Muskels  (siehe  S.  58) 

hebt  das  Schulterblatt 

heben  das  Schulterblatt  und  nähern 
dasselbe  der  Wirbelsäule 

fixiert  das  Schulterblatt  am  Thorax. 
Verschiebt  das  Schulterblatt  lateral- 
wärts  und  nach  vorn,  wobei  das- 
selbe stets  der  Rundung  des  Thorax 
folgt.  Hilft  mit  bei  der  Erhebung 
des  Arms  über  die  Horizontale 


N.  accessorius  und  Plexus 
cervicalis.  (Die  vom 
Plexus  cervicalis  stam- 
menden Fasern  inner- 
vieren wesentlich  das 
mittlere  Bündel  des 
Muskels.) 

N.  dorsalis  scapulae  (aus 

C5). 
N.  dorsalis  scapulae  (aus 

C5). 
N.  thoracalis  longus  (aus 

C5,  Cg,  C7). 


70 

M.  pectoj-alis  minor 

AI.  subdavius 

I 

M.  deltoides 


M.  pectoralis  major 
M.  latissimus  dorsi 

M.  (eres  major 
M.  supraspinatus 

M.  infraspinatus 
M.  teres  minor 
M.  subscapularis 


Nervi  spinales. 

zieht  den  Schultergürtel  nach  vorn  und 
abwärts.  Fixiert  das  Schulterblatt 
bei  Bewegungen  der  Schulter  nach 
hinten 

fixiert  das  Schlüsselbein ,  indem  er 
dasselbe  gegen  die  erste  Rippe  her- 
abzieht 


Nn.  thoracales  anteriores 
(aus  Cc,  Cft,  C7). 


N.  subclavius  (aus  C  = 


Mu.skeln,    welche    am    Humerus    an 

hebt  den  Arm  bis  zur  Horizontalen 
und  darüber.  Der  mittlere  Teil  ist 
reiner  Abductor,  der  vordere  und 
hintere  Teil  heben  den  Arm  und 
bewegen  denselben  nach  vorn  bzw. 
nach  hinten.  Der  vordere  und  hin- 
tere Teil  sind  auch  an  der  Rotation 
des  Arms  beteiligt 

adduciert  den  Arm  und  rollt  ihn  ein- 
wärts. Zieht  den  erhobenen  Arm 
herab 

zieht  den  Arm  nach  hinten  und  rollt 
ihn  nach  innen.  Der  untere  Teil 
senkt  die  Schulter  und  den  er- 
hobenen Arm 

zieht  den  Arm  nach  hinten  und  rollt 
ihn  nach  innen 

Kapselspanner.  Abduciert  den  Arm 
und  unterstützt  dabei  den  M.  del- 
toides in  seiner  Funktion 

rollt  den  Arm  nach  außen  (hilft  die 
Kapsel  spannen) 

rollt  den  Arm  nach  außen  (hilft  die 
Kapsel  spannen) 

rollt  den  Arm  nach  innen  (hilft  die 
Kapsel  spannen) 


hef  t  en. 

N.  axillaris   (aus  C=;,  Cc 
C7). 


'5'    '-öl 


Nn.  thoracales  anteriores 
(aus  C5,  Cg,  C7). 

N.    thoracodorsalis    (aus 
C7,  C3). 


Nn.    subscapulares     ^aus 
C5,  Cg,  C7,  Cg). 

N.    suprascapularis     (aus 
C5,  Cß). 

N.    suprascapularis     (aus 

C5,  Cg). 
N.  axillaris  (aus  C5,  C^, 

C7). 
Nn.  subscapulares  (aus  C5, 

Cg)  C7,  Cg). 


Beteiligung  der  einzelnen  Muskeln  bei  den  Bewegungen  der  Schulter 

und  des  Arms. 


Heben  der  Schulter  (Achselzucken) 


Vorwärtsschieben  der  Schulter 


Zurücknehmen  der  Schulter 


Heben  des  Arms  in  sagittaler  Richtung 
nach  vorn  (>Flexion«) 


M.  trapezius 
M.  levator  scapulae 
Mm.  rhomboidei. 

M.  serratus  anterior 
M.  pectoralis  major 
M.  pectoralis  minor. 

M.  trapezius 
Mm.  rhomboidei 
M.  latissimus  dorsi. 

M.  deltoides  (vorderer  Teil) 
M.  pectoralis  major 

M.  serratus  anterior 

M.  trapezius. 


Nn.  cervicales. 


71 


Heben    des  Arms   nach  hinten  (»Extension« 


Herabziehen    des    Arms    aus    der   erhobenen 
Stellung 


Rotation  des  Anns  nach  außen 


Rotation  des  Arms  nach  innen 


Heben  des  Arms  in  der  Frontalebene  (»Ab-       bis    zur   Hori-       M.  deltoides   (mittlerer  Teil) 
duction«;  zontalen  M.  supraspinatus 

M.  trapezius 

über  die  Hori-       M.  deltoides   (mittlerer  Teil) 
zontale  M.  serratus  anterior 

M.  trapezius 

M.  levator  scapulae 
Mm.  rhomboidei 
M.  infraspinatus. 

M.  deltoides  (hinterer  Teil) 
M.  teres  major 
M.  latissimus  dorsi 

M.  levator  scapulae 

Mm.  rhomboidei. 

M.  pectoralis  major 
M.  latissimus  dorsi 

M.  teres  major 

M.  teres  minor 

M.  infraspinatus. 

M.  infraspinatus 
M.  teres  minor 

M.  deltoides  (hinterer  Teil,. 

M.  subscapularis 

M.  pectoralis  major 

M.  latissimus  dorsi 
M.  teres  major 
M.  deltoides  (vorderer  Teil). 

Zur  Pathologie.  Lähmungen  des  N.  dorsalis  scapulae  (Mm.  levator  scapulae 
und  rhomboidei)  kommen  isoliert  sehr  selten  vor  und  führen  bei  der  Unversehrtheit  des 
M.  trapezius  zu  keinen  wesentlichen  Bewegungsstörungen.  Die  durch  die  Lähmung  bedingte 
Dislocation  der  Scapula  nach  außen  und  unten  wird  erst  bei  gleichzeitiger  Lähmung  des 
M.  trapezius  eine  deutliche,  indem  dann  neben  der  Dislocation  das  weite  Abstehen  der 
Scapula  von  der  Wirbelsäule  auffällt.  —  Verhältnismäßig  häufig  kommen  Lähmungen 
des  N.  thoracalis  longus  (M.  serratus  anterior)  vor.  Der  M.  serratus  anterior  kann  allein 
gelähmt  sein,  meist  indessen  sind  auch  noch  andere  Muskeln  mitgelähmt.  Die  Lähmung 
tritt  häufiger  einseitig  wie  doppelseitig  auf  und  am  häufigsten  als  rechtsseitige  traumatische 
Serratuslähmung.  was  dadurch  erklärt  wird,  weil  der  N.  thoracalis  longus  bei  seinem  ober- 
flächlichen Verlauf  (nach  Durchtritt  durch  den  M.  scalenus  medius)  leicht  Schädigungen 
mannigfacher  Art  ausgesetzt  ist  (Stoß,  Druck,  Tragen  schwerer  Lasten).  Bei  Serratus- 
lähmung steht  bei  herabhängendem  Arm  das  Schulterblatt  auf  der  gelähmten  Seite  höher 
und  der  Wirbelsäule  näher,  infolge  der  antagonistischen  Verkürzung  der  Mm.  levator  scapulae, 
rhomboidei  imd  trapezius;  der  untere  Schulterblattwinkel  steht  dabei  etwas  von  dei  Thorax- 
wand ab.  Die  Annäherung  an  die  Wirbelsäule  wird  deutlicher,  wenn  der  Arm  abduciert 
und  bis  zur  Horizontalen  erhoben  wird.  Bei  doppelseitiger  Lähmung  können  sich  bei 
dieser  Abduction  die  beiden  inneren  Schulterblattränder  berühren.  Bei  Erhebung  des  Arms 
nach  vorn  hebt  sich  die  Scapula  »flügelartig«  von  der  Thoraxwand  ab.  Die  Bewegungs- 
störung äußert  sich  vor  allem  darin,  daß  der  Arm  nur  wenig  oder  gar  nicht  über  die 
Horizontale  erhoben  werden  kann.  —  Lähmungen  der  Nn.  thoracales  anteriores 
(Mm.  pectoralis  major  und  minor)  und  des  N.  subclavius  (M.  subclavius)  sind  selten.  Die 
Funktionsstörungen  bestehen  in  erschwerter  oder  aufgehobener  Adduction  des  Arms  an  den 
Thorax,  die  Hand  der  gelähmten  Seite  kann  nicht  mehr  auf  die  gesunde  Schulter  gelegt 
werden.  Da  der  M.  pectoralis  major  den  erhobenen  Arm  herabzieht,  leidet  bei  einer  Läh- 
mung  auch   diese  Funktion  (z.  B.  beim   Zuhauen    oder   Herabziehen;.  —   Selten   sind    auch 


^2  Nervi  spinales. 

isolierte  Lähmungen  des  N.  suprascapularis  (Mm.  supraspinatus  und  infraspinatus}. 
Bei  Lähmung  des  M.  supraspinatus  ist  die  Erhebung  des  Arms  in  sagittaler  Richtung  (nach 
vorn)  erschwert.  Der  M.  infraspinatus  kann  in  seiner  Funktion  als  Auswärtsroller  des  Arms 
vom  M.  teres  minor  ersetzt  werden  ;  ist  er  gelähmt,  dann  ist  die  Drehung  des  Arms  nach 
außen  erschwert  (Störung  beim  Schreiben,  Zeichnen,  Nähen),  was  bei  gleichzeitiger  Läh- 
mung des  M.  teres  minor  noch  mehr  hervortritt.  —  Selten  sind  ferner  die  Lähmungen  der 
Nn.  subscapulares  und  des  N.  thoracodorsalis.  Die  von  den  Nn.  subscapulares 
versorgten  Mm.  subscapularis  und  teres  major  sind  Einwärtsroller;  bei  ihrer  ""Lähmung  ist 
der  Arm  nach  außen  rotiert  und  kann  nur  schwer  in  die  normale  Stellung  zurückgebracht 
werden;  dabei  sind  auch  alle  Bewegungen,  welche  der  gelähmte  Arm  auf  der  entgegen- 
gesetzten Körperhälfte  ausführen  will,  erschwert.  Bei  Lähmung  des  vom  N.  thoracodorsalis 
versorgten  M.  latissimus  dorsi  ist  die  Bewegung  des  Arms  nach  rückwärts  erschwert.  — 
Bei  der  häufiger  vorkommenden  Lähmung  des  N.  axillaris  kommt  hauptsächlich  die 
Funktionsstörung  des  M.  deltoides  in  Betracht.  Der  Arm  kann  nicht  mehr  abduciert  und 
nicht  mehr  nach  vorn  und  hinten  gehoben  werden,  er  hängt  schlaff  herab,  und  beim  Ver- 
suche ihn  zu  heben,  tritt  statt  einer  Erhebung  des  Arms  eine  Hebung  der  ganzen  Schulter 
ein.  Bei  länger  bestehender  Lähmung  fällt  die  starke  Atrophie  des  Muskels  auf,  zudem 
entwickelt  sich  allmählich  ein  Schlottergelenk. 

Krämpfe  im  Gebiete  der  von  der  Pars  supraclavicularis  des  Plexus  brachialis  ver- 
sorgten Muskeln  sind  selten. 

B.  Pars  intraclavicularis. 

Der  in  der  Fossa  infraclavicularis  hinter  den  Mm.  pectorales  gelegene 
Teil  des  Plexus  brachialis  läßt  drei  Hauptbündel  erkennen,  welche  die  Arteria 
brachialis  umgeben  und  in  Rücksicht  auf  ihre  Lage  zur  Arterie  als  Fasciculus 
lateralis,  Fasciculus  medialis  und  Fasciculus  posterior  unterschieden 
werden.  Die  aus  diesem  unteren  Teil  des  Plexus  stammenden  Nerven 
ziehen  sämtlich  zur  Extremität. 

Der  Fasciculus  lateralis  bezieht  seine  Fasern  aus  den  Nn.  cervicalis  V, 
VI  und  VII,  aus  ihm  gehen  hervor  der  N.  musculocutaneus  und  die  obere 
Wurzel  des  N.  medianus. 

Der  Fasciculus  medialis  bezieht  seine  Fasern  aus  den  Nn.  cervicalis  VIII 
und  thoracalis  I,  aus  ihm  gehen  hervor  der  N.  ulnaris,  der  N.  cutaneus 
brachii  medialis,  der  N.  cutaneus  antibrachii  medialis  und  die  untere 
Wurzel  des  N.  medianus. 

Der  Fasciculus  posterior  bezieht  seine  Fasern  aus  den  Nn.  cervicales 
V,  VI,  VII  und  VIII  und  thoracalis  I,  aus  ihm  gehen  hervor  der  N.  radialis 
und  der  N.  axillaris. 

N.  musculocutaneus. 

(Aus  C5,  Cg,  C^.) 

Er  zieht  lateralwärts ,  durchbohrt  den  M.  coracobrachialis  und  verläuft 
dann  zwischen  M.  biceps  und  M.  brachialis  distalwärts,  durchbohrt  die  Fascia 
brachii  lateral  von  der  Sehne  des  M.  biceps  und  zieht  mit  der  Vena  cephalica 
als  N.  cutaneus  antibrachii  lateralis  weiter  bis  zum  Handgelenk. 

Oft  zieht  ein  Verbindungsast  zum  N.  medianus,  ferner  zieht  ein  feiner  Faden  durch' 
das  Foramen  nutritium  humeri  zum  Knochen. 


Nn.  cervicales.  73 

Äste : 

1.  Ratni  musculares  z.   M.  coracobrachialis, 

z.  M.  biceps, 
z.  M.  brachialis. 

2.  N.  CH  taue  US  antibrachU  lateralis  zur  Haut  am  radialen 
Rand  und  der  radialen  Hälfte  der  Volarflache  des  Vorderarms  bis 
zur  Haut  des  Daumenballens. 

Anastomose    mit    dem  R.  superficialis   nervi    radialis,    R.    dorsalis    manus 
nervi  ulnaris  und  mit  dem  N.  cutaneus  antibrachii  medialis. 

N.  cutaneus  brachii  medialis. 

(Aus  Cg   und  Thj.) 

Verlauf  durch  die  Achselhöhle  und  Verbindung  daselbst  mit  Rami  cutanei 
laterales  des  II.  und  III.  Thoracalnerven,  Nn.  intercostobrachiales.  Durch- 
tritt durch  die  Fascia  axillaris  und  brachii  und  Verästelung  in  der  Haut  der 
Achselhöhle  und  der  medialen  Fläche  des  Oberarms  bis  zum  Epicondylus 
medialis  humeri. 

N.  cutaneus  antibrachii  medialis. 

(Aus  Cg   und  Thj.) 
Verlauf  mit  der  Vena  axillaris  und  dem  N.  ulnaris  distalwärts  und  Durch- 
bohrung der  Fascia  brachii  da,  wo  die  Vena  basilica  eintritt.     Teilung  in  Ramus 
volaris  und  Ramus  ulnaris. 

1.  Ranius  volaris,  zur  Haut  der  ulnaren  Hälfte  der  Volarflache  des 
Vorderarms. 

2.  ManitlS   ulnar iSf  zur  Haut  der  Ulnarseite  und  der  ulnaren  Hälfte 
der  Dorsalfläche  des  Vorderarms. 

N.  medianus. 

Er  entsteht  aus  zwei  Wurzeln,  aus  einer  oberen  aus  dem  Fasciculus  late- 
ralis (Cj ,  Cg,  Cy)  und  einer  unteren  aus  dem  Fasciculus  medialis  (Cg,  ThJ 
stammenden  Wurzel.  Vereinigung  beider  Wurzeln  unter  spitzem  Winkel  an 
der  vorderen  Fläche  der  Arteria  axillaris.  Verlauf  mit  der  Arteria  brachialis, 
lateral  von  derselben,  im  Sulcus  bicipitalis  medialis  abwärts.  Oft  Aufnahme 
eines  Bündels  von  N,  musculocutaneus.  Weiterer  Verlauf  über  die  Arteria 
brachialis  nach  deren  medialer  Seite,  dann  unter  dem  Lacertus  fibrosus,  über 
die  Arteria  ulnaris,  durch  den  M.  pronator  teres,  zwischen  M.  flexor  digitorum 
sublimus  und  M.  flexor  digitorum  profundus  gegen  das  Handgelenk,  daselbst 
zwischen  den  Sehnen  des  M.  flexor  carpi  radialis  und  des  M.  palmaris  longus,  dann 
unter  dem  Ligamentum  carpi  transversum  und  im  Canalis  carpi  zur  Hohlhand. 


74 


Nervi  spinales. 


Äste: 


1.  Raini  mtlSCUlares  z.   M.  pronator  teres, 

z.  M.  flexor  carpi  radialis, 

z.  M.  palmaris  longus, 

z.  M.  flexor  digitoruin  sublimis. 

Rami  articulares  ziehen  zum  Ellbogengelenk. 

2.  3r.  interosseus  (antibraühii)  volavis.  Verlauf  mit  der 
Arteria  inlerossea  auf  der  Membrana  interossea  distalwärts  bis  zum 
M.  Pronator  quadratus.     Äste  enden: 

im  M.  fle.xor  pollicis  longus, 

im    M.  flexor    digitorum   profundus    (radiale   Hälfte:    Zeige-   und 

Mittelfinger), 
im  M.  Pronator  quadratus. 

Feine  Äste  verlaufen  als  Knochennerven  zu  den  Foramina  nutritia  des 
Radius  und  der  Ulna  und  zum  Handgelenk. 

3.  RaillUS  l^almavis  n.  tueiliaill.  Durchbohrt  die  Fascia  anti- 
brachii  oberhalb  des  Handgelenks  zwischen  den  Sehnen  des  M.  flexor 
carpi  radialis  und  des  M.  palmaris  longus  und  endet  in  der  Haut 
des  Handgelenks  (radiale  Hälfte),  in  der  Haut  des  Daumenballens 
und  der  Hohlhand. 

4.  Endüste  des  N.  medianiis.  In  der  Hohlhand  teilt  sich  der 
N.  medianus  in  4  Hauptäste,  JVn.  digitales  volares  communes  /,  //, 
///  und  /F,  aus  denen  7  Nn.  digitales  volares  proprii  hervorgehen, 
welche  die  Volarfläche  des  Daumens,  Zeige-  und  Mittelfingers  und 
die  radiale  Hälfte  des  Ringfingers  versorgen. 


N.  digltalis  volaris 
communis  I 


N.  digitalis  volaris 
communis  II 

N.  digitalis  volaris 
communis  III 


N.  digitalis  volaris 
communis  IV 


z.  M.  abductor  pollic.   brevis 

z.  M.  flexor  pollic.  brevis 

z,  M.  opponens  pollicis 

zur  Haut  der  radialen  Seite  des  Daumens 

zur  Haut  zwischen  Daumen  und  Zeige- 
finger und  zum  M.  lumbricalis  I 

zur  Haut  zwischen  Zeige-  und  Mittel- 
tinger  und  zum  M.  lumbricalis  II 

zur  Haut   zwischen  Mittel-   und  Ring- 
finger und  zum  M.  lumbricalis  III 


Ramus  muscularis. 


N.  volar,  pollic.  radialis. 

N.  volar,  pollic.  ulnaris 
N.  volar,  indicis  radialis. 

N.  volar,  indicis  ulnaris 
N.    volar,     digiti     medii 
radialis. 

N.    volar,     digiti     medii 

ulnaris 
N.  volaris  digiti  annularis 

radialis. 


Der  N.  digitalis   volaris    communis  IV   anastomosiert  mit  dem  N.  ulnaris: 
Ramus  anastom oticus  cum  n.  ulnari,     (Ramus  volaris  superficialis.) 


Nu.  cervicales. 


75 


Die  Nn.  digitales  volares  communes  senden  auch  Äste  zur  Haut  der  Hohl- 
hand, und  die  Nn.  digitales  volares  proprii  breiten  sich  distal wärts  auch  an 
der  Dorsalfläche  der  Endphalange  des  Daumens,  der  Mittel-  und  Endphalangen 
des  II.  und  III.  und  zum  Teil  auch  des  IV.  Fingers  (radiale  Seite)  aus. 

N.  ulnaris. 

(Aus  Cg   und  Thj.) 

Verlauf  zunächst  mit  der  Arteria  brachialis,  medial  von  derselben,  und 
mit  dem  N.  medianus,  dann  hinter  dem  Septum  intermusculare  mediale  zum 
Sulcus  nervi  ulnaris  humeri  zwischen  Epicondylus  medialis  humeri  und  Olec- 
ranon.  Durchtritt  zwischen  den  Ursprüngen  des  M.  flexor  carpi  ulnaris  und 
weiterer  Verlauf  zwischen  M.  flexor  carpi  ulnaris  und  M.  flexor  digitorum 
profundus  neben  der  Arteria  ulnaris  distalwärts.  Teilung  ca.  5  cm  oberhalb 
des  Handgelenks  in  Ramus  dorsalis  manus  und  Ramus  volaris  manus. 

Äste: 

1.  Hanii  rtlUSClllaves  z.  M.  flexor  carpi  ulnaris, 

z.    M.   flexor    digitorum    profundus    (ulnare 
Hälfte:  IV.  u.  V.  Finger). 
Rami  articulares  ziehen  zum  Ellbogengelenk. 

2.  Ramus  palmar Is,  Durchbohrt  die  Fascia  antibrachii  zwischen 
M.  flexor  carpi  ulnaris  und  M.  flexor  digitorum  profundus  und  endet 
in  der  Haut  der  volaren  Fläche  des  Handgelenks  (ulnare  Hälfte) 
und  des  Kleinfingerballens. 

3.  Endüste  des  W.  ulnaris. 

a)  Ramus  dorsalis  manus,  Verlauf  zwischen  Ulna  und 
der  Sehne  des  M.  fle.xor  carpi  ulnaris  zur  Dorsalfläche  des 
Handgelenks  und  Teilung  daselbst  in  5  Nn.  digitales  dor- 
sales, die  in  der  Haut  der  Dorsalfläche  des  V,  IV  und  der 
ulnaren  Seite  des  III.  Fingers  enden.  (Ausgenommen  sind 
die  von  den  Nn.  digitales  volares  proprii  n.  mediani  ver- 
sorgten Teile  des  IV.  und  III.  Fingers.) 

zur  Haut  des  V.  Fingers. 


N.  dorsalis  digiti  quinti  ulnaris 

N.  dorsalis  digiti  quinti  radialis 

N.  dorsalis  digiti  annularis  ulnaris 

N.  dorsalis  digiti  annularis  radialis 

N.  dorsalis  digiti  medii  ulnaris 


zur  Haut  des  IV.  Fingers. 

zur  Haut    der  ulnaren  Seite 
des  III.  Fingers. 


b)  Ratnus  volaris  manus.  Verlauf  am  radialen  Rand  des 
M.  flexor  carpi  ulnaris  zwischen  M.  flexor  carpi  ulnaris  und 
M.  flexor  digitorum    sublimis   zur  Hohlhand    und  Teilung  vor 


y6  Nervi  spinales. 


dem  Ligamentum  carpi  transversum  in  Ramus  superficialis  und 
Ramus  profundus. 

Mamus  swperficialis : 

a)  Ramus    anastomoticus    cum    N.  mediane   (N.  digitalis 

volaris  communis  IV), 
ß)  Ramus  muscularis  z.  M.  palmaris  brevis, 
y)   Nn.   digitales  volares  communes  V  und  VI,  aus 
welchen  3  Nn.   digitales  volares  proprii  hervor- 
gehen,   welche    die  Volarfläche   des  kleinen  und  die 
ulnare  Hälfte  des  Ringfingers  versorgen. 

N.  volaris  digiti  annularis  ulnaris 
N.  volaris  digiti  quinti  radialis. 


N.  digitalis  volaris    t    zur    Haut    zwischen    IV.    und 
communisV  ■        V.  Finger  und  zum  M.  lum- 

bricalis  IV  (und  III) 

N.  digitalis  volaris    1    zur    Haut    der    ulnaren    Seite 
communis  VI  des  V.  Fingers 


N.  volaris  digiti  quinti  ulnaris. 


Ramus   profiuidiis.      Dringt    zwischen    M.    abductor 

digiti   quinti    und    M.   flexor   brevis    digiti   quinti   in   die 

Tiefe  und  zieht  bogenförmig  radialwärts. 

Rami  musculares:  z.  M.  abductor  digiti  quinti, 

z.  M.  flexor  brevis  digiti  quinti, 

z.  M.  opponens  digiti  quinti, 

z.  M.  adductor  pollicis, 

z.  Mm.  lumbricales  IV  und  III, 

z.  Mm.  interossei. 

Anastomose    mit    N.    medianus.      Äste    zu    den    Gelenken 
und  Knochen  der  Hand. 

N.  radialis. 

(Aus  C5,   Cg,  Cy,  Cg   und  Thj.) 

Verlauf  zunächst  hinter  der  Arteria  axillaris,  dann  zwischen  Caput  longum 
und  Caput  mediale  des  M.  triceps  neben  der  Arteria  profunda  brachii  und 
Arteria  coUateralis  lateralis  zur  dorsalen  Seite  des  Oberarms  und  im  Sulcus 
nervi  radialis  distalwärts.  Durchbohrung  des  Septum  intermusculare  laterale 
und  des  M.  brachioradialis  und  weiterer  Verlauf  zwischen  M.  brachioradialis 
und  M.  brachialis  zur  Ellenbeuge  und  Teilung  daselbst  vor  dem  Capitulum 
radii  in  den  Ramus  profundus  und  Ramus  superficialis. 

Äste: 

I.  N.  Ctltaneus  brachii  l)OSterior\  Ursprung  in  der  Achsel- 
höhle, Verlauf  zur  Regio  posterior  brachii  und  Endigung  daselbst 
in  der  Haut  zwischen  den  Bezirken  des  N.  cutaneus  brachii  medialis 
und  des  N.  cutaneus  brachii  lateralis. 


Nn.  cervicales.  "in 

ttciTni  tnusculareSf  zu  den  drei  Köpfen  des  M.  triceps  und 
zum  M.  anconaeus.  Von  diesen  Rami  musculares  zieht  einer  als 
N.  collateralis  ulnaris  (n.  radialis)  mit  dem  N.  ulnaris  hinter 
das  Septum  intermusculare  mediale  und  endet  im  Caput  mediale 
des  M.  triceps.  Ein  anderer  Ramus  muscularis  zieht  zum  Caput 
laterale  des  M.  triceps  und  in  diesem  abwärts  und  gelangt  zwischen 
Epicondylus  lateralis  und  Olecranon  zum  M.  anconaeus. 

JV.  cutaneus  antibrachii  dorsalis.  Entspringt  im  Sulcus 
nervi  radialis,  zieht  neben  dem  N.  radialis  abwärts,  durchbohrt  die 
Fascia  brachii  zwischen  M.  triceps  und  M.  brachioradialis  und  ver- 
teilt sich  in  der  Haut  der  dorsalen  Fläche  des  Oberarms  bis  gegen 
das  Handgelenk. 

Rami  musculares  z.  M.  brachioradialis, 

z.  M.  extensor   carpi    radialis   longus   (mit- 
•  unter  auch  z.  M.  brachialis). 

JE  ltdäste  des  W.  radialis: 

a)  MamilS  profundus.     Durchbohrt   den  M.  supinator   und 
gelangt   dann   distalwärts   zur   dorsalen   Seite   des  Vorderarms. 

a]  Rami  musculares  z.  M.  extensor  carpi  radialis  brevis, 
z.  M.  supinator, 

z.  M.  extensor  digitor.  communis, 
z.  M.  extensor  digiti  quinti  proprius, 
z.  M.  extensor  carpi  ulnaris. 
ß)  Ein  langer  Ast  zieht  als  N.  interosseus  (antibrachii) 
dorsalis  zwischen  den  Mm.  extensores  poUicis  zur  Mem- 
brana interossea  und  zum  Handgelenk.     Er  sendet 
Rami  musculares  z.  M.  abductor  pollicis  longus, 
z.  M.  extensor  pollicis  brevis, 
z,  M.  extensor  pollicis  longus, 
z.  M.  extensor  indicis  proprius. 

b)  Hamus  superficialis.  Verlauf  zunächst  unter  dem 
M.  brachioradialis,  dann  zwischen  M.  brachioradialis  und 
M.  extensor  carpi  radialis  longus  distalwärts  zum  radialen 
Rand  des  Vorderarms  und  nach  Durchbohrung  der  Fascia 
antibrachii  zwischen  Radius  und  der  Sehne  des  M.  brachio- 
radialis zur  Dorsalseite  des  Handgelenks  und  der  Hand. 
Teilung  in  ulnaren  und  radialen  Hauptast. 

a)  Ramus  anastomoticus  ulnaris.  Verbindung  des 
ulnaren  Hauptastes  mit  dem  Ramus  dorsalis  manus 
n.  ulnaris. 


*^*%<. 


7» 


Nervi  spinales. 


Nn.  digitales  dorsales,  in  der  Regel  fünf,  zur  Haut 
der  Dorsalfläche  des  Daumens,  des  Zeigefingers  und  der 
radialen  Hälfte  des  Mittelfingers  (am  Daumen  bis  zur 
Nagelbasis,  am  Zeige-  und  Mittelfinger  bis  zur  Mittel- 
phalange). 

Ulnarer    Hauptast: 


N.  dorsalis  digiti   medii  radialis 

N.  dorsalis  indicis  ulnaris 
N.  dorsalis  indicis  radialis 

N.  dorsalis  poUicis  ulnaris 


zur  Haut  der  Radialseite  des  III.  Fingers. 
zur  Haut  des  Zeigefingers. 

zur  Haut  des  Daumens. 


Radialer   Hauptast: 
N.  dorsalis  pollicis  radialis     |     zur  Haut  des  Daumens. 

Der  N.  dorsalis  pollicis  radialis  anastomosiert  mit  dem  N.  cutaneus  antibrachii  lateralis 
(N.  musculocutanei). 


Funktion  und  Innervation  der  Muskeln  des  Arms 
Muskeln  des  Oberarms. 

M.  biceps  beugt  den  Vorderarm  und  supiniert  ihn 

M.  coracobrachialis  adduciert  und  hebt  den  Oberarm 

M.  Irachialis  beugt  den  Vorderarm 

M.  triceps  streckt  den  Arm  im  Ellbogengelenk 

M.  anconaeus  streckt  den  Arm  im  Ellbogengelenk 


In. 


musculocutaneus. 


N.  radialis. 


M.  Pronator  teres 


Muskeln  des  Vorderarms.    Beugeseite. 

Oberflächliche   Schicht. 

N.  medianus  (ev.  N.  musculo- 
cutaneus infolge  Anastomose 
des  letzteren  mit  dem  N.  medi- 


M.  ßexor  carpi  radialis 

M.  pahnaris  longus 

ßf.  flexor  digitorutit  sub- 

li?iiis 
M.  flexor  carpi  ulnaris 

M.  ßexor  pollicis  longus 

M.  flexor  digi forum  pro- 
fundus 

M.  Pronator  qitadratus 


proniert    und  beugt  den  Vor- 
derarm 


beugt  die  Hand  und  abduciert 
sie  radialwärts 

beugt    die   Hand    und    spannt 
die  Palmaraponeurose 

beugt  die  Mittelphalangen  des 
2.  bis  5.  Fingers 

beugt  die  Hand  und  abduciert 
sie  ulnarwärts 

Tiefe   Schicht, 
beugt    die    Endphalange    des 

Daumens 
beugt    die  Endphalangen   des 

2.  bis  5.  Fingers 


proniert  den  Vorderarm 


N.  medianus. 


N.  ulnaris. 


N.  medianus. 

radialer  Teil 

(2.  und  3.  Finger) , 

ulnarer  Teil       1^.  ulnaris. 
(4.  und  5.  Finger)  J 
N.  medianus. 


y 


medianus 


Nn.   cervicales. 


79 


M.  brachioradialis 

M.  extensor  carpi  radialis  longiis 
M.  extensor  carpi  radialis  brevis 

M.  extensor  digitorum  cotn»ninis 

M.  extensor  digiti  quinti  froprius 
M.  extensor  carpi  itlnaris 


Muskeln  des  Vorderarms.    Streckseite. 

Oberflächliche    Schicht. 

beugt  den  Vorderarm  und  proniert  ihn    T 

strecken    die  Hand   und    abducieren    sie 
radialwärts 

streckt    den    2.    bis   5.  Finger    und    die 
ganze  Hand 

streckt  den  5.  Finger 

streckt  die  Hand  und  abduciert  sie  ulnar- 
wärts 


M.  supinafor 

M.  abductor  pollicis  longus 

M.  extejtsor  pollicis  brevis 
M.  extensor  pollicis  longus 

M.  extensor  indicis  proprius 


M.  abductor  pollicis  brevis 
M.Jlexor  pollicis  brevis 
M.  opponens  pollicis 
M.  adductor  pollicis 

M.  palmaris  brei'is 
M.  abductor  digiti  quinti 
M.  flexor  digiti  quinti 
M.  opponens  digiti  quinti 


Tiefe   Schicht, 
supiniert  den  Vorderarm 
abduciert  Hand  und  Daumen 
abducieren  und  strecken  den  Daumen 

streckt  den  Zeigefinger 

Muskeln  der  Hand. 

Daumenballen, 
abduciert  den  Daumen 
beugt  die  Grundphalange  des  Daumens 
opponiert  den  Daumen 
adduciert  den  Daumen 

Klein  fingerballen, 
spannt  die  Palmaraponeurose 
abduciert   den  kleinen  Finger 
beugt  den  kleinen  Finger 
opponiert  den  kleinen  Finger  | 


N.  radialis. 


>  N.  radialis. 


N.  medianus. 
N.  ulnaris. 


N.  ulnaris. 


Mittlere  Handinuskeln. 


Mm.  lumbri-  \ 
cales  I  II  \\\\]  I 
Mm.  lumbri-  \ 
cales  (III)  IV  I 
N.  ulnaris. 


N.  ulnaris. 


Mm.  lumbricales       beugen  die  Grundphalangen  und  strecken         ivim.  lumun-    \   ^    rnedianus 
gleichzeitig   die   Mittel-   und  Endpha- 
langen 

Mi)i.  interossei  beugen  die  Grundphalangen  und  strecken 

gleichzeitig  die  Mittel-  und  Endpha- 
langen, abducieren  und  adducieren  die 
Finger 

Beteiligung  der  einzelnen  Muskeln  bei  den  Arm-,  Hand-  und 
Fingerbewegungen. 

Beugen  des   Vorderarms  gegen  den   Oberarm  M.  biceps 

M.  brachialis 
M.  brachioradialis 
M.  Pronator  teres. 


8o 


Nervi  spinales. 


Strecken  des  Arms  im  Ellbogen- 
gelenk 

Pronation  des  Vorderarms  und 
der  Hand 

Supitiation  des  Vorderarms  und 

der  Band 
Beugen     der     Hand     (Volar- 

flexion) 

Strecken    der    Hand    (Dorsal- 
flexion) 


Abduction    der   Hand   radial- 
7värts 

Abduction    der    Hand   ulnar- 
wärts 

Bettgen  der  Finger 
Strecken  der  Finger 


Abduction  und  Adduction  der 
Finger  (Spreizen  der  Finger) 

Beugen  der  Grundphalangeti 
bei  gleichzeitiger  Streckung 
der  Mittel-  und  Endpha- 
langen 

Strecken  und  Abducieren  des 
Daumens 

Opposition  des  Dautnens 
(»Pfötchenstellung«) 


M.  triceps 
M.  anconaeus. 

M.  Pronator  teres 
M.  Pronator  quadratus 
M.  brachioradialis. 

M.  supinator 
M.  biceps. 

M.  flexor  carpi  radialis 
M.  flexor  carpi  ulnaris 
M.  palmaris  longus. 

M.  extensor  carpi  ulnaris 

M.  extensor  carpi  radialis  longus 

M.  extensor  carpi  radialis  brevis 

M.  extensor  digitorura  communis. 
M.  flexor  carpi  radialis 
M.  extensor  carpi  radialis  longus 
M.  extensor  carpi  radialis  brevis. 

M.  flexor  carpi  ulnaris 
M.  extensor  carpi  ulnaris. 

M.  flexor  digitorum  sublimis  (Beugen  der  Mittelphalangen) 

M.  flexor  digitorum  profundus  (Beugen  der  Endphalangen^ 

M.  extensor  digitorum  communis 

M.  extensor  indicis  proprius 

M.  extensor  digiti  quinti  proprius. 

Mm.  interossei. 

Mm.  lurabricales 
Mm.  interossei. 


M.  abductor  pollicis  longus 
M.  extensor  pollicis  brevis 
M.  extensor  pollicis  longus. 

M.  flexor  pollicis  brevis 

M.  opponens  pollicis 

M.  abductor  pollicis  brevis. 


Bezüglich  der  Innervation   der  Armmuskulatur  ergiebt    sich    übersichtlich 

folgendes : 

Der  N.  musculocutaneus  innerviert  die  Beuger  am  Oberarm  (mit 
Ausnahme  des  M.  brachioradiahs). 

Der  N.  radialis  innerviert  sämtliche  Strecker  am  Ober-  und 
Vorderarm  und  die  Mm.  brachioradialis  und  supinator. 

Der  N.  medianus  innerviert  den  radialen  Teil  der  Beuger  am 
Vorderarm,  die  Pronatoren,  die  Muskeln  des  Daumenballens  (mit 
Ausnahme  des  M.  adductor  pollicis)  und  die  Mm.  lumbricales  I,  II 
und  III. 


Nn.  cervicales. 


8i 


Der  N,  ulnaris  innerviert  den  ulnaren  Teil  der  Beuger  am 
Vorderarm,  die  Muskeln  des  Kleinfingerballens,  den  M.  adductor 
pollicis,  die  Mm.  lumbricales  III  und  IV  und  die  Mm.  interossei. 

Bezüglich  der  einzelnen  von  den  peripheren  Hautnerven  versorgte«  Ge- 
biete vergleiche  Fig.  15. 


Nn.supradaviculares 


N-Cufanbrachii 
med . 


N  cufan  anh'brachii 
med. 


R  palmar 
(N  ulnaris) 


N.cufan. 
brachii  lar. 
(axillariil 

Ncutanbrachiiposl. 

(Nxddidlis) 

LNcutaaanhbrdchdor^al 
IM  radialis) 


N  cutan. 

antibracli.laf. 
1(N  musculocutiin.) 


N. ulnaris 


N.medianus 


N  ulnaris 


N. radialis 
Nmedianus 
Fig.   15.     Schematische  Darstellung  der  Verbreitungsgebiete  der  Hautnerven  am  Arm. 

Zur  Pathologie.  Am  häufigsten  kommen  Lähmungen  des  N.  radialis  vor.  Die 
Störungen  sind  folgende:  Die  Hand  hängt  schlaff  herab  in  Beugestellung,  auch  die  Finger 
und  der  Daumen  sind  gebeugt,  letzterer  ist  dem  Handteller  genähert.  Hand  und  Finger 
können  nicht  dorsal  flectiert  werden.  Ab-  und  Adduction  der  Hand  sind  erschwert.  Der 
Daumen  kann  nicht  gestreckt  und  nicht  abduciert  werden.  Bei  gestrecktem  Arm  kann 
infolge  Lähmung  des  M.  supinator  der  Vorderarm  nicht  mehr  supiniert  werden  (bei  gebeugtem 
Arm  ist  Supination  infolge  Wirkung  des  M.  biceps  möglich).  Bei  der  Mehrzahl  der  Radialis- 
lähmungen ist  der  M.  triceps  verschont;  ist  er  mitgelähmt,  dann  kann  der  Arm  im  Ell- 
bogengelenk nicht  mehr  gestreckt  werden.  Gegenüber  diesen  motorischen  Störungen  sind 
Sensibilitätsstörungen  meist  gering,  sie  lokalisieren  sich  entsprechend  der  Ausbreitung  der 
vom  Radialis  ausgehenden  sensiblen  Äste  auf  der  Rückseite  des  Arms,  besonders  häufig  in 
der  radialen  Hälfte  des  Handrückens.  Objektiv  sind  meist  nur  geringfügige  oder  gar  keine 
Sensibilitätsstörungen  nachweisbar,  häufiger  bestehen  abnorme  subjektive  Empfindungen 
oder  Paraesthesien  (Taubheitsgefühl,  Ameisenkriechen  usw.). 

Störungen  bei  Lähmung  des  N.  ulnaris:  Beugen  der  Hand  und  Abduction  der- 
selben ulnarwärts  sind  abgeschwächt,  Bewegungen  des  kleinen  Fingers  sind  nicht  mehr 
möglich,  auch  ist  eine  Beugung  des  3.,  4.  und  5.  Fingers  infolge  teilweiser  Lähmung  des 
M.  flexor  digitorum  profundus  unvollständig.  Der  Daumen  kann  infolge  Lähmung  des 
M.  adductor  pollicis  nicht  mehr  dem  Metacarpale  des  Zeigefingers  genähert  werden.  Vor 
allem  charakteristisch  ist  aber  für  die  Ulnarislähmung  jene  Störung,  die  infolge  Lähmung 
der  Mm.  interossei  und  lumbricales  auftritt.  Da  diese  Muskeln  die  Grundphalangen  beugen, 
bei  gleichzeitiger  Streckung  der  Mittel-  und  Endphalangen,  tritt  umgekehrt  bei  ihrer  Läh- 
mung infolge  Überwiegen  der  Extensoren  eine  Hyperextension  der  Grundphalangen  ein,  bei 
Villiger,  Die  periphere  Innervation.  6 


82  Nervi  spinales. 

gleichzeitiger  Flexion  der  Mittel-  und  Endphalangen,  wodurch  die  Finger  krallenartig  gegen 
die  Handfläche  gerichtet  werden.  Gestürt  ist  dabei  auch  die  Ab-  und  Adduction  der  Finger 
(Spreizen  der  Finger).  Eine  Lähmung  der  Mm.  interossei  und  lumbricales  führt 
also  zu  einer  Störung  der  wichtigsten  Funktionen  der  Hand.  Gegenstände  können  nicht 
mehr  zwischen  den  einzelnen  Fingern  festgehalten  werden,  und  es  ist  unmöglich,  Gegen- 
stände zu  ergreifen  und  sie  festzuhalten.  Bei  lang  andauernder  Lähmung  tritt  besonders 
die  Atrophie  der  Mm.  interossei  und  der  Muskeln  des  Kleinfingerballens  deutlich  hervor, 
und  die  Hand  nimmt  jene  für  Ulnarlslähmung  typische  Form  an,  die  man  als  Krallen- 
oder Klauenhand  bezeichnet.  Bezüglich  der  Ausbreitung  vorhandener  Sensibilitätsstörungen 
gibt  Fig.  15  näheren  Aufschluß. 

Störungen  bei  Lähmung  des  N.  medianus:  Die  Pronation  des  Vorderarms  ist  fast 
ganz  aufgehoben,  sie  kann  noch  durch  den  M.  brachioradialis  erfolgen;  die  Beugung  der 
Hand  ist  beschränkt,  sie  erfolgt  nur  mehr  ulnarwärts.  Die  Bewegung  der  Mittel-  und  End- 
phalangen der  Finger  ist  (mit  Ausnahme  des  4.  und  5.  Fingers)  unmöglich,  während  die- 
jenige der  Grundphalangen  noch  durch  die  Mm.  interossei  möglich  wird.  Charakteristisch 
für  die  Medianuslähmung  ist  die  Haltung  des  Daumens,  derselbe  kann  nicht  flectiert  und 
nicht  opponiert  werden;  infolge  Wirkung  des  nicht  gelähmten  M.  adductor  pollicis  liegt  er 
dem  Zeigefinger  fest  an  und  ist  außerdem  infolge  der  Extensorenwirkung  stark  dorsal  flec- 
tiert. Die  Hand  nimmt  so  jene  pathologische  Stellung  an,  die  man  als  Affenhand  be- 
zeichnet. Sensibilitätsstörungen  finden  sich  entsprechend  der  Ausbreitung  der  sensiblen 
Medianusäste  im  radialen  Teil  der  Vola  manus  und  dorsal  in  den  Endphalangen  des 
I. — 3.  Fingers.  Bei  lange  bestehender  Lähmung  ist  besonders  die  Atrophie  der  Daumen- 
ballenmuskulatur auffällig. 

Isolierte  Lähmungen  des  N.  musculocutaneus  sind  sehr  selten.  Die  Störungen 
machen  sich  in  Beschränkung  oder  Aufhebung  der  Beugung  des  Vorderarms  gegen  den 
Oberarm  geltend. 

Neben  diesen  isolierten  Lähmungen  einzelner  aus  dem  Plexus  brachialis  stammender 
Hauptnerven  kommen  nun  auch  noch  Lähmungen  mehrerer  Armnerven  zugleich,  multiple 
oder  combinierte  Armnervenlähmungen  vor.  Die  Hauptformen  sind  die  Ere- 
DucHENNEsche  und  die  Ki.uMPKEsche  Plexuslähmung. 

Die  EKiische  Plexuslähmung  betrifft  ganz  bestimmte  Muskeln,  nämlich  die 
Mm.  deltoides,  biceps,  brachialis  und  brachioradialis,  mitunter  auch  noch  die  Mm.  supra- 
spinatus,  infraspinatus  und  suplnator,  Muskeln,  die  hauptsächlich  vom  5.  und  6.  Cervical- 
nerven  innerviert  werden.  Man  bezeichnet  daher  diese  EKitsche  I^ähmung  auch  als  obere 
Plexuslähmung.  Die  Lähmung  kann  erfolgen  bei  Läsionen  des  5.  und  6.  Cervicalnerven, 
sie  kann  aber  auch  durch  Läsion  einer  bestimmten  Stelle  des  Plexus  brachialis  bedingt 
sein,  nämlich  da,  wo  die  betreffenden  Nerven  sich  zur  Bildung  des  Plexus  brachialis  ver- 
einigen (nach  Durchtritt  durch  die  Mm.  scaleni).  Diese  Stelle  findet  sich  ca.  2 — 3  cm  über 
der  Clavicula  etwa  fingerbreit  hinter  dem  M.  sternocleidomastoideus  und  wird  als  ERi'.scher 
Supraclavicularpunkt  bezeichnet.  Als  Symptome  ergeben  sich:  der  Arm  kann  nicht 
mehr  erhoben  und  abduciert  werden,  ebenso  ist  die  Beugung  des  Vorderarms  gegen  den 
Oberarm  aufgehoben.  Sind  auch  die  Mm.  infraspinatus  und  suplnator  gelähmt,  dann  kann 
der  Arm  nicht  mehr  nach  auswärts  gerollt  und  nicht  mehr  supiniert  werden. 

Als  DuciiENNEsche  Entbindungslähmung  bezeichnet  man  eine  Lähmung,  welche 
die  gleichen  Muskelgruppen  betrifft  wie  die  ERBsche  Lähmung,  die  aber  bei  Neugeborenen 
infolge  störender  Vorgänge  bei  der  Geburt,  meist  bei  Geburten  unter  Kunsthilfe,  vorkommt. 

Die  KLUMrKEsche  Lähmung  betrifft  den  8.  Cervical-  und  den  i,  Thoracalnerven 
und  wird  daher  auch  als  untere  Plexuslähmung  bezeichnet.  Gelähmt  sind  die  kleinen 
Handmuskeln  (Muskeln  des  Daumen-  und  Kleinfingerballens,  Mm.  interossei),  mitunter  auch 
einzelne  Beuger  am  Vorderarm.  Daneben  bestehen  oculopupilläre  Symptome  (Beteiligung 
des  Sympathicus  infolge  Verletzung  des  Ramus  communicans),  so  Verengerung  der  Lidspalte, 
Zurücksinken  des  Augapfels,  Miosis.  Sensible  Störungen  treten  hauptsächlich  im  Gebiete 
der  Nn.  ulnaris  und  medianus  auf.  —  Selten  sind  totale  Plexuslähmungen.  — 

Krämpfe  und  Neuralgien  (Neuralgia  brachialis)  im  Gebiete  des  Plexus  brachialis 
sind  selten  beobachtet. 


Nn.  thoracales. 


83 


Nn.  thoracales. 

Die  Rami  posteriores  teilen  sich  ein  jeder  in  einen  Ramus  cutaneus 
medialis  und  einen  Ramus  cutaneus  lateralis,  welche  sowohl  die  Mus- 
kulatur wie  die  Haut  des  Rückens  innervieren.  Bei  den  sieben  oberen  Thoracal- 
nerven  sind  die  medialen  Äste,  bei  den  fünf  unteren  die  lateralen  Äste  stärker 
entwickelt. 

Die  Rami  anteriores  verlaufen  zwischen  den  Rippen  nach  vorn  und 
werden  als  Nn,  intercostales  bezeichnet.  Wirkliche  intercostale  Nerven 
sind  eigentlich  nur  die  elf  oberen,  der  zwölfte  Ramus  anterior  zieht  unterhalb 
der  zwölften  Rippe  und  wird  auch  als  N.  subcostalis  bezeichnet.  Der 
Ramus  anterior  des  ersten  Thoracalnerven  beteiligt  sich  am  Plexus  brachialis, 
der  Ramus  anterior  des  zwölften  Thoracalnerven  am  Plexus  lumbalis.  Jeder 
Intercostalnerv  verläuft  zunächst  eine  Strecke  weit  an  der  inneren  Brustwand 
und  dann  zwischen  den  Mm.  intercostales  interni  und  externi  nach  vorn.  Bei 
den  fünf  oberen  Intercostalnerven  zieht  der  Stamm  im  Intercostalraum  weiter 
und  endet  dann  neben  dem  Sternum  als  Ramus  cutaneus  anterior  pectoralis. 
Die  sieben  unteren  Intercostalnerven  dringen  im  weiteren  Verlaufe  zwischen 
die  Mm.  obliquus  internus  und  transversus  abdominis  ein  und  ziehen  schräg 
nach  vorn  und  abwärts;    sie   enden   als  Rami  cutanei  anteriores  abdominales. 

Die  Intercostalnerven    geben   während   ihres  Verlaufes    folgende  Äste  ab: 

1.  Itanil  niJisculares  zu  den  benachbarten  Muskeln: 

Mm.  levatores  costarum, 
Mm.  intercostales, 
Mm.  subcostales, 
M.  transversus  thoracis, 
Mm.  serrati  posteriores. 
Mm.  obliqui  abdominis, 
M.  transversus  abdominis, 
M.  rectus  abdominis, 
M.  pyramidalis. 

2.  Hamua  cntauens  lateralis.  Diese  lateralen  Äste  treten  in  der 
Mitte  zwischen  Axillar-  und  Mammillarlinie  durch  die  Fascie.  Je  nach 
der  Höhe,  in  welcher  sie  entspringen,  werden  sie  als  Rami  cutanei 
pect  oral  es  oder  abdominales  bezeichnet.  Jeder  laterale  Ast  teilt 
sich  in  einen  Ramus  posterior  und  einen  Ramus  anterior.  Die  Rami 
posteriores  des  zweiten  und  dritten  Intercostalnerven  verbinden  sich 
als  Nn.  intercostobrachiales  mit  dem  N.  cutaneus  brachii  medialis 
(des  Plexus  brachialis).  Von  den  vorderen  Asten  der  Rami  cutanei 
pectorales  ziehen  Rami  mammarii  laterales  zur  Brustdrüse. 

6* 


84 


Nervi  spinales. 


3.  ManitfS  cutajteus  anterior.  Diese  vorderen  Äste  sind  die  End- 
äste der  Intercostalnerven  und  werden  wie  die  Rami  cutanei  laterales 
je  nach  der  Höhe  ihres  Durchtritts  als  Rami  cutanei  pectorales 
oder  abdominales  bezeichnet.  Sie  versorgen  die  Haut  medial  von 
der  Mammillarlinie.  Von  den  Rami  pectorales  ziehen  Rami  mam- 
marii  mediales  zur  Brustdrüse. 

Die  Nn.  thoracales  versorgen  die  Haut  und  Muskulatur  des 
Rückens  (Mm.  serrati  posteriores  und  Rückenmuskeln  im  engeren 
Sinne),  die  Haut  von  Brust  und  Bauch,  die  eigentlichen  Thorax- 
muskeln und  die  Bauchmuskulatur. 


Funktion  und  Innervation  der  Rückenmuskein. 
I.   Spino-humerale  Muskeln. 


AI.  trapezins 
M.  latissimus  dorsi 
Mm.  rhomboidei 
M.  levator  scapulae 


siehe  S.  69  und  70. 


AI.  serratus  posterior  sjtperior 
I\l.  serratus  posterior  inferior 


II.   Spino-costale  Muskeln. 

hebt  die  oberen  Rippen 

zieht  die  vier  unteren  Rippen  abwärts 


Nn.  intercostales. 


Beide  Mm.  serrati  sind  Erweiterer  des  Thorax  (Inspiratoren) 


III.   Spino-dorsale  Muskeln  (Rückenmuskein  im  engeren  Sinne). 

A.    Laterale   Abteilung. 


M.  splenius  capitis  et  cer- 
vicis  (M.  spino-transver- 
salis) 


doppelseitig:   Retroflexion  des  Kopfes 
einseitig:    Seitwärtsdrehen    von    Kopf 
und      als 


Ramus  posterior   des 
N.  cervicalis  11. 


M.  sacrospinalis  s.  Erector  trtmci  s.    Opistothenar. 


M.  iliocostalis  lumborum 
dorsi 
cervicis 
]\f.  longissiiitiis  dorsi 

cervicis 
capitis 

Mm.  intertransversarii : 

Lendenteil :  mediales 

laterales 

Halsteil :  posteriores 

anteriores 


doppelseitig:  Retroflexion  (Strecken) 
der  Wirbelsäule  und  des  Kopfes 

einseitig:  seitliche  Drehung  von  Hals 
und  Kopf 


mediales     (posteriores)    Strecken     der 

Wirbelsäule 
laterales    (anteriores)    Seitwärtsbeugen 

der  Wirbelsäule 


Nn.   spinales    (Rami 
posteriores). 


AI.  spinalis  dorsi 

cervicis 
capitis 


B.    Mediale    Abteilung. 

doppelseitig :  Strecken  der  Wirbelsäule 
einseitig:   Seitwärtsbiegen  der  Wirbel- 
säule 


Nn.    spinales     (Rami 
posteriores). 


Nn.  thoracales. 


85 


M.  semispiualis  dorsi 

cervicis 
capitis 

M.  muUifiJus 
Mm.  rotatores 


doppelseitig:  Strecken  der  Wirbelsäule 
und  des  Kopfes 

einseitig:  Seitwärtsdrehen  der  Wirbel- 
säule und  des  Kopfes 

doppelseitig:  Strecken  der  Wirbelsäule 
einseitig:  Drehen  der  Wirbelsäule 


Nn.  spinales  (Rami 
posteriores). 


Die  Mm.  semispinalis,  multitidus  und  rotatores  bilden  zusammen  den  1\I.  transverso- 

spi  nalis. 

Mm.  intcrspinalcs     \     Strecken  der  Wirbelsäule     |     Nn.  spinales  (Rami  posteriores). 


M.  rectus  capitis  posterior  major 

,r  -,•,  ,  i     1  I  M.  rectus  capitis  posterior  minor 

Mm.  occipito-vertebraks        I  ,,      ,  ,.  .  . 

,,  ^.  r    ivT     I  1    1    \  M.  obliquus  capitis  superior 

(kurze  tieie  Nackenmuskeln     i  ,     ,  ,.  .  .     .    5  . 

'  M.  obliquus  capitis  inferior 

M.  rectus  capitis  lateralis 


siehe  S.  66. 


Thoraxmiiskeln. 


Mm.  Icvatores  costarum 

Mm.  intercostales 

Mm.  subcostaUs 

M.  transversus  thoracis 


Heben  der  Rippen 

Heben  der  Rippen 
Exspiratoren 


Nn.  intercostales    (der    i.   Levator    wird 

vom  N.  cervicalis  VIII  innerviert). 
Nn.  intercostales. 
Nn.  intercostales. 


M.  rectus  abdominis 


M.  pyramidalis 

M.  obliquus  exlernus 
abdominis 


M.  obliquus    internus 
abdominis 


M.  transversus   abdo- 
minis 

M.  quadratus   lumbo- 
fum 


Bauchmuskeln. 

bei  feststehendem  Becken  Herabziehen  des 
Thorax  und  Vorwärtsbeugen  der  Wirbel- 
säule. Bei  feststehendem  Thorax  Heben 
des  Beckens 

spannt  die  Linea  alba 

bei  feststehendem  Becken  Herabziehen  des 
Thorax  und  Vorwärtsbeugen  der  Wirbel- 
säule. Bei  einseitiger  Wirkung  Drehen 
des  Thorax  nach  der  anderen  Seite.  Bei 
feststehendem  Thorax  Heben  des  Beckens 

bei  feststehendem  Becken  Herabziehen  des 
Thorax  und  Vorwärtsbeugen  der  Wirbel- 
säule. Bei  einseitiger  Wirkung  Drehen 
des  Thorax  nach  der  gleichen  Seite.  Bei 
feststehendem  Thorax  Heben  des  Beckens 

zieht  die  Rippen  nach  innen 


Nn.  thoracales  ^und 
Aste  vom  Plexus 
lumbalis,  Nn.  ilio- 
hypogastricus  und 
ilioinguinalisj. 


Herabziehen    der    letzten    Rippe, 
flexion  der  Lendenwirbelsäule 


Lateral-       Plexus  lumbalis. 


Strecken  des  Rumpfes  erfolgt  hauptsächlich  durch  die  langen  Riickenmuskeln : 

M.  sacrospinalis, 

M.  spinalis, 

M.  transverso-spinalis. 


35  Nervi  spinales. 

Seitivärtsneigcn  des  Kumpfes  erfolgt  bei  einseitiger  Wirkung  des  M.  quadratus  lumborum 
und  der  Bauchmuskeln. 

Beugen  des  Rumpfes  nach  vorn  erfolgt  durch  die  Bauchmuskulatur. 
Rotation  des  Rumpfes  erfolgt  durch  die : 

Mm.  semispinalis, 
multifidus, 
rotatores, 
intertransversarii. 

Die  ThoraxDiuskeln  sind  zusammen  mit  dem  Zwerchfell  Athmungsmuskeln.  Dazu  kommen 
als  Hilfsmuskeln: 

die  Mm.  scaleni,  , 

Mm.  serrati, 

Mm.  sternocleidomastoidei, 
Mm.  pectorales, 
Mm.  subclavii. 

Die  gemeinsame  Tätigkeit  aller  Bauchmuskeln  besteht  in  der  Bauchpresse;  sie  bedingt 
eine  Verengerung  der  Bauchhöhle. 

Zur  Pathologie.  Lähmungen  und  Krämpfe  der  Rücken-  und  Bauchmuskulatur  sind 
selten.  Bei  doppelseitiger  Lähmung  des  M.  sacr ospinalis  besteht  eine  Lendenlordose 
mit  Hebung  des  Beckens.  Beim  Stehen  ist  der  Oberkörper  stark  nach  hinten  gebeugt,  beim 
Sitzen  springt  der  Lendenteil  der  Wirbelsäule  stark  nach  hinten  vor,  und  die  Kranken  stützen 
sich,  um  nicht  nach  vorn  zu  fallen,  mit  den  Armen  auf  die  Oberschenkel.  Beim  Gehen 
wird  der  Körper  nach  hinten  geworfen ,  der  Gang  ist  ein  watschelnder.  —  Bei  doppel- 
seitiger Lähmung  der  Bauchmuskeln  fehlt  die  Bauchpresse,  infolgedessen  sind  alle 
Exspirationsbewegungen  erschwert  (Husten,  Nießen,  Urin-  und  Stuhlentleerung).  Das  freie 
Aufrichten  aus  der  Rückenlage  ist  unmöglich ,  außerdem  besteht  eine  Lordose  im  Lenden- 
teil mit  starker  Senkung  des  Beckens  nach  vorn. 

Unter  den  Sensibilitätsstörungen  sind  die  Int  erco  stalneuralgie  und  die 
Neuralgie  der  Brustdrüse,  Neuralgia  mammalis  s.  Mastodynie  zu  erwähnen. 


Nn.  lumbales,  Nn.  sacrales, 
N.  coccygeus. 

Die  langen  Wurzeln  der  Nn.  lumbales  I — V,  der  Nn.  sacrales  I — -V  und 
des  N.  coccygeus  ziehen  eine  längere  Strecke  im  Duralsack  eingeschlossen 
abwärts.  Die  Spinalganglien  der  hinteren  Wurzeln  der  Nn.  lumbales  liegen 
zum  Teil  noch  in  den  Foramina  intervertebralia,  zum  Teil  bereits  im  Canalis 
sacralis,  die  Spinalganglien  der  hinteren  Wurzeln  der  Sacralnerven  und  des 
N.  coccygeus  liegen  vollständig  innerhalb  des  Canalis  sacralis. 

Die  Rami  posteriores  der  Lumbal-  und  Sacralnerven  und  des  N.  coccy- 
geus teilen  sich  in  Rami  mediales  und  laterales.  Die  Rami  anteriores 
bilden  durch  ihr  Zusammenfließen  ein  starkes  Geflecht,  den  Plexus  lurabo- 
sacralis,    an  welchem  man,  neben   einigen  untergeordneten  Schlingen,  zehn 


Nn.  lumbales. 


87 


Hauptschlingen   unterscheiden   kann,    nämlich   fünf  Ansäe   lumbales   und   fünf 
Ansäe  sacrales: 

T  . 

}  I.  Ansa  lumbalis  1 

}  2.  Ansa  lumbalis 

J  3.  Ansa  lumbalis 

*  J  4.  Ansa  lumbalis 

'^   }  5.  Ansa  lumbalis 

J  I.  Ansa  sacralis 


L3 


"5 
Sx 
Sa 
S3 
S4 
S5 


Plexus  lumbalis 


Plexus  sacralis 


}   2.  Ansa  sacralis     J 

}  3.  Ansa  sacralis     j    Plexus  pudendus 


I  4.  Ansa  sacralis 
}   5.  Ansa  sacralis 


Plexus  coccygeus. 


Der  ganze  Plexus  zerfällt  in  vier  untergeordnete  Plexus : 

Plexus  lumbalis, 
Plexus  sacralis, 
Plexus  pudendus, 
Plexus  coccygeus. 

Der  Plexus  lumbalis  umfaßt  die  drei  ersten  Ansäe  lumbales,  der  Plexus 
sacralis  die  vierte  und  fünfte  Ansa  lumbalis  und  die  erste  und  zweite  Ansa 
sacralis,  der  Plexus  pudendus  die  dritte  Ansa  sacralis,  der  Plexus  coccygeus 
die  vierte  und  fünfte  Ansa  sacralis. 


Nn.  lumbales. 

Die  Rami  posteriores  der  Nn.  lumbales  sind  im  Verhältnis  zu  den  Rami 
anteriores  sehr  gering  entwickelt.  Jeder  Ramus  posterior  zerfällt  in  einen 
Ramus  medialis  und  einen  Ramus  lateralis.  Die  medialen  schwächeren  Aste 
ziehen  zum  M.  multifidus,  zu  den  Mm.  interspinales  der  Lendenwirbel  und  zur 
Haut  der  Lendengegend.  Die  lateralen  stärkeren  Rami  ziehen  zum  M.  sacro- 
spinalis  und  zu  den  Mm.  intertransversarii  mediales  und  entsenden  Hautäste, 
die  J>fn,  cllinium  superloreSf    zur  Haut   der  Hüfte    und   des  Gesäßes. 

Die  Rami  anteriores  der  Nn.  lumbales  gehen  in  den  Plexus  lumbo- 
sacralis  über. 

Plexus  lumbalis. 

Er  wird  gebildet  durch  die  Rami  anteriores  des  L,  IL  und  III.  Lenden- 
nerven und  den  oberen  Ast  des  Ramus  anterior  des  IV.  Lendennerven  und 
umfaßt  die  ersten  drei  Ansäe  lumbales  (Ansa  lumbalis  aus  L^    und  L^  ,  Ansa 


lumbalis  aus  L 


und  L3 ,  Ansa  lumbalis  aus  L^ 


und  L.).     Er  liegt  teils  hinter 


dem  M.  psoas  major,  teils  zwischen  dessen  Bündeln. 


88 


Nervi  spinales 


Aus  dem  Plexus  gehen  hervor: 

1.  Rami  ftlilsciilareSf  aus  den  Plexuswurzeln 

z.  den  Mm.  intertransversarii  laterales, 

z.  M.  quadratus  lumborum, 

z.  M.  psoas  major, 

z.  M.  psoas  minor. 

2.  W.  iliohypOf/astriCilS  (ausTh^^  undLj.   Verlauf  vor  dem  M.  qua- 
dratus lumborum  lateralwärts.     Durchbohrung  des  M.  transversus  abdo- 

minis  über  der  Crista  iliaca,  weiterer 
Verlauf  erst  zwischen  M.  trans- 
versus und  M.  obliquus  internus 
abdominis  und  dann  zwischen  den 
Mm.  obliqui  abdominis  zur  Gegend 
über  dem  äußeren  Leistenring.  — 
Anastomose  mit  dem  N.  ilioingui- 
nalis. 

a)  Rami  musculares  zu  den 
Bauchmuskeln, 

b)  Ramus  cutaneus  lateralis 
zur  Haut  der  lateralen  Hüft- 
gegend, 

c)  Ramus  cutaneus  anterior 
zur  Haut  über  dem  äußeren 
Leistenring  und  der  Regio 
pubica. 

}.  N.   ilioingwinalis    (aus   Lj. 

Verlauf  mit  dem  N.  iliohypogastri- 

cus  lateralwärts.   Durchbohrung  des 

M.  transversus  abdominis  über  der 

Crista  iliaca,  weiterer  Verlauf  unter 

dem  N.  iliohypogastricus  zwischen 

den  Bauchmuskeln  nach  vorn  und  durch  den  Canalis  inguinalis,   und 

Austritt  aus  dem  Annulus  inguinalis  subcutaneus.  —  Anastomose  mit 

dem  N.  iliohypogastricus. 

a)  Rami  musculares  zu  den  Bauchmuskeln, 

b)  Rami  .scrotales  (labiales)  anteriores  zur  Haut  des  Mons 
pubis,  der  Wurzel  des  Penis,  des  vorderen  Teils  des  Scrotum 
(oberen  Teils  der  Labia  majora). 

N.  genitofemof'dlis  (aus  L,  und  LJ.    Verlauf  durch  den  M.  psoas 
major  und  neben  der  Sehne  des  M.  psoas  minor  abwärts  zum  Leisten- 


N  iliohvpogasNcus 

(■\i2undLi) 


Nilioinguinalis 

(L1) 


N.genifofemoralis 
(UM) 


N.cutanfemonslafcralis 
Uz,  Uj) 


Fie.  i6 


Schematische  Darstellung  des 
Plexus  lumbalis. 


Nn.  lumbales. 


89 


kanal.  Teilung  in  N.  lumboinguinalis  und  in  N.  spermaticus  externus, 
die  auch  ein  jeder  für  sich  aus  dem  Plexus  hervorgehen  können. 

a)  N.  lumboinguinalis,  durch  die  Lacuna  vasorum  und  unter 
dem  Leistenband  hervortretend,  nach  Durchbohrung  der  Fascie 
zur  Haut  in  der  Umgebung  der  Fossa  ovalis  und  bisweilen  bis 
weit  am  Oberschenkel  herab.  —  Anastomose  mit  dem  N.  cuta- 
neus  femoris  lateralis  und  dem  N.  ilioinguinalis. 

b)  N.  spermaticus  externus,  zum  Leistenkanal  und  medial  vom 
Samenstrang  durch  den  Annulus  inguinalis  subcutaneus,  zum 
M.  cremaster,  zur  Tunica  dartos,  zur  Haut  des  Scrotum  und 
zum  obersten  medialen  Teil  des  Oberschenkels.  Beim  Weibe 
verläuft  er  mit  dem  Ligamentum  uteri  teres  und  verästelt  sich 
in  der  Haut  vor  dem  Annulus  inguinalis  subcutaneus  und  in  den 
Labia  majora. 

N.  cutaiieus  fe^noris  lateralis  (aus  L^  und  L3).  Verlauf  über 
den  M.  iliacus  lateralwärts  gegen  die  Spina  iliaca  anterior  superior  und 
medial  von  dieser  unter  dem  Ligamentum  inguinale  abwärts  und  nach 
Durchbohrung  der  Fascia  lata  zur  Haut  der  lateralen  Fläche  des  Ober- 
schenkels bis  zum  Kniegelenk. 

N,  ohtliratorillS  (aus  L^,  L^  und  L^).  Tritt  am  medialen  Rand  des 
M.  psoas  major  hervor,  verläuft  dann  an  der  Seitenwand  der  Becken- 
höhle unterhalb  der  Linea  terminalis  lateralwärts  nach  vorn  und  ab- 
wärts zum  Canalis  obturatorius  und  teilt  sich  in  einen  Ramus  anterior 
und  posterior. 

a)  Ramus  anterior,  sendet  Rami  musculares 

z.  M.  adductor  longus, 

z.  M.  adductor  brevis, 

z.  M.  gracilis, 

z.  M.  pectineus. 
Endigung    als   Ramus    cutaneus,    der    zwischen    M.  adductor 
longus   und  M.  adductor  brevis  durch  die  Fascie  zur  Haut  der 
medialen  Fläche  des  Oberschenkels  zieht. 

b)  Ramus  posterior  z.  M.  obturator  externus, 

z.   M.  adductor  magnus, 

z.  M.  adductor  minimus 
und  zum  Hüftgelenk.    Häufig  zieht  ein  N.  obturatorius  acces- 
sorius  medial   vom  M.  psoas   major  und  zwischen  diesem  und 
dem  M.  pectineus  in  die  Tiefe.    Er  sendet  Äste  zum  M.  pectineus 
und  zum  Hüftgelenk  und  tritt  dann  in  den  N.  obturatorius  ein. 

JV,  fem  ovalis  (ausLj,  L^  und  besonders  aus  L^  und  L^).  Verlauf 
zwischen  M.  psoas   major   und  M.  iliacus   und  unter  der  Fascia  iliaca 


QO  Nervi  spinales. 

abwärts  und  hinter  dem  Ligamentum  inguinale  zum  Oberschenkel  (lateral 
von  der  Arteria  femoralis). 

a)  Rami  musculares,  oberhalb  des  Ligamentum  inguinale  ab- 
tretend z.  M.  iliacus, 

z.  M.  psoas  major. 

b)  Rami  cutanei  anteriores.  Mediale  Äste  ziehen  dem 
medialen  Rand  des  M.  sartorius  entlang  abwärts,  durchbohren 
in  verschiedener  Höhe  die  Fascie  und  verästeln  sich  in  der 
Haut  der  vorderen  medialen  Fläche  des  Oberschenkels  bis  zum 
Knie  herab.  —  Anastomose  mit  dem  Ramus  cutaneus  des 
N.  obturatorius. 

Laterale  Äste  durchbohren  zum  Teil  den  M.  sartorius,  zum 
Teil  ziehen  sie  über  ihn  und  verästeln  sich  nach  Durchtritt  durch 
die  Fascie  in  der  Haut  in  der  Mitte  der  Vorderfläche  des  Ober- 
schenkels bis  zur  Kniescheibe  herab. 

c)  Rami  musculares  z.  M.  pectineus, 

z.  M.  sartorius, 
z.  M.  quadriceps  femoris, 
z.  M.  articularis  genu. 
Feine  Äste  enden  auch  im  Hüft-  und  Kniegelenk. 

d)  N.  saphenus.  Verlauf  anfangs  lateral  von  der  Arteria  femoralis, 
durch  die  Fascia  iliopectinea  von  ihr  getrennt;  nach  Durchbohrung 
der  Fascie  vor  der  Arteria  femoralis  und  mit  dieser  in  den 
Canahs  adductorius  (Hunteri),  weiter  durch  die  vordere  Wand 
des  Canalis  adductorius  und  am  hinteren  Rande  des  M.  sartorius 
abwärts  hinter  den  Epicondylus  medialis.  Durchbohrung  der 
Fascie  in  der  Höhe  der  Tuberositas  tibiae  und  weiterer  Verlauf 
entlang  der  »Vena  saphena  magna  abwärts  bis  zum  medialen 
Fußrand. 

a)  Ramus  infrapatellaris,  durchbohrt  die  Sehne  des 
M.  sartorius  und  die  Fascie  und  endet  in  der  Haut  an 
der  medialen  Seite  des  Knies  und  unterhalb  der  Knie- 
scheibe. 

ß)  Rami  cutanei  cruris  mediales  zur  Haut  der  medialen 
vorderen  Fläche  des  Unterschenkels  bis  zum  medialen 
Fußrand,  zum  Teil  auch  zur  Haut  der  hinteren  Fläche 
des  Unterschenkels.  Anastomose  mit  Ästen  des  N.  pero- 
naeus  superficialis. 


Nn.  sacrales  und  N.  coccygeus. 


91 


Nn.  sacrales  und  N.  coccygeus. 

Die  dünnen  Rami  posteriores  der  Nn.  sacrales  teilen  sich  wie  die 
Rami  posteriores  der  Lumbalnerven  ein  jeder  in  einen  Ramus  medialis  und 
einen  Ramus  lateralis.  Die  Rami  posteriores  des  I. — IV.  Sacralnerven  treten 
durch  die  Foramina  sacralia  posteriora  aus,  der  Ramus  posterior  des  V.  Sacral- 
nerven zieht  mit  dem  Ramus  posterior  des  N.  coccygeus  durch  den  Canalis 
sacralis.  Die  medialen  Äste  ziehen  als  feine  Fäden  zum  M.  sacrolumbalis  und 
zur  Haut  der  Regio  sacralis.  Die  lateralen  Äste  verbinden  sich  mit  den  hin- 
teren Ästen  der  beiden  letzten  Lumbalnerven  zu  einem  kleinen  länglichen 
Geflecht,  aus  welchem  die  JVn,  cltinium  medii  hervorgehen,  die  nach 
Durchbohrung  des  M.  glutaeus  maximus  zur  Haut  des  Gesäßes  ziehen. 

Die  Rami  anteriores  der  Nn.  sacrales  treten  durch  die  Foramina  sacra- 
lia anteriora  aus.  Der  Ramus  anterior  des  N.  coccygeus  zieht  durch  den  Hia- 
tus sacralis  und  durchbohrt  das  Ligamentum  sacrospinosum  und  den  M.  coc- 
cygeus.    Die  Rami  gehen  in  den  Plexus  lumbosacralis  über. 

Plexus  sacralis. 

Der  Plexus  sacralis  wird  gebildet  durch  den  unteren  Ast  des  Ramus 
anterior  des  IV.  Lumbalnerven,  durch  die  Rami  anteriores  des  V.  Lumbal- 
und  des  I.  und  II.  Sacralnerven  und 
durch  einen  Ast  des  Ramus  anterior 
des  III.  Sacralnerven  und  umfaßt  die 
4.  und  5.  Ansa  lumbahs  (Ansa  lum- 
balis  aus  L^  und  L^,  Ansa  lumbalis 
aus  Lj  und  SJ  und  die  i.  und 
2.  Ansa  sacralis  (Ansa  sacralis  aus 
Sj  und  Sj ,  Ansa  sacralis  aus  S^ 
und  S3).  Der  aus  dem  N.  lumbalis  V 
hervorgehende  starke  Stamm  bildet 
mit  vom  N.  lumbalis  IV  stammenden 
Fasern  den  Truncus  lumbosacra- 
lis. Der  Plexus  liegt  vor  dem  M.  piri- 
formis, die  einzelnen  Stämme  ziehen 
convergierend  nach  unten  gegen  das 
Foramen  ischiadicum  majus. 

Aus   dem  Plexus  gehen   hervor: 

I.  Ma^ni  miiscnlares 


Nglufaeussupe 


N.glutaeus  infe 


N.ischiadicus 


z.  M.  piriformis, 

z.  M.  obturator  internus, 

z.  d.  Mm.  gemelli, 

z.  M.  quadratus  femoris. 


Plexus 
coccygeus 

Fig.  17.    Schematische  Darstellung  des  Plexus 

sacralis,  des  Plexus  pudendus  und  des  Plexus 

coccygeus. 


02  Nervi  spinales. 

2.  JV.  glutaeus  SUpertor  (aus  L^,  L^  und  SJ.  Verlauf  oberhalb 
des  M.  piriformis  mit  der  Arteria  glutaea  superior  durch  die  obere 
Abteilung  des  Foramen  ischiadicum  majus  und  zwischen  den  Mm.  glutaei 
medius  und  minimus  lateralwärts  z.  M.  glutaeus  medius, 

z.  M.  glutaeus  minimus, 
z.  M.  tensor  fasciae  latae. 

3.  N,  glutaeus  inferiot*  (aus  L^,  S^  und  SJ.  Verlauf  unterhalb 
des  M.  piriformis  mit  der  Arteria  glutaea  inferior  durch  die  untere 
Abteilung  des  Foramen  ischiadicum  majus  z.  M.  glutaeus  maximus. 

4.  N,  cutaneus  feuioris  2)Ostevior  (aus  Sj,  S^  und  S3).  Verlauf 
durch  das  Foramen  ischiadicum  majus  und  hinter  dem  N.  ischiadicus 
und  vor  dem  M.  glutaeus  maximus  distalwärts  und  am  Oberschenkel 
in  der  Rinne  zwischen  M.  biceps  und  M.  semitendinosus  abwärts  bis 
zur  Kniekehle. 

a)  Nn.  clunium    inferiores    ziehen    um   den    unteren   Rand   des 
M.  glutaeus  maximus  zur  Haut  der  Regio  glutaea. 

b)  Rami    perineales    ziehen    zur  Regio  perinealis   und    zur  Regio 
pudendalis. 

Endäste  des  N.  cutaneus  femoris  posterior  dringen  durch  die 
Fascie  zur  Haut  der  hinteren  Fläche  des  Oberschenkels  bis  zum 
Unterschenkel  herab. 

5.  N.  ischiadicus  (aus  Bündeln  von  allen  vier  Schlingen  des  Plexus 
sacralis).  Verlauf  unter  dem  M.  piriformis  durch  die  untere  Abtei- 
lung des  Foramen  ischiadicum  majus  und  hinter  den  RoUmuskeln 
(Mm.  gemelli,  obturator  internus,  quadratus  femoris)  ungefähr  in  der 
Mitte  zwischen  Trochanter  major  und  Tuber  ischiadicum  abwärts  zum 
Oberschenkel  und  daselbst  zwischen  Mm.  adductor  magnus  und  Caput 
longum  des  M.  biceps  bis  zur  Kniekehle.  Teilung  in  N.  peronaeus 
communis  und  N.  tibialis. 

A.  Äste  am   Oberschenkel: 

a)  Rami  musculares  z.   d.  Mm.  gemelli, 

z.   M.  obturator  internus, 
z.  M.  quadratus  femoris. 
(Diese  Rami  musculares  können  auch  aus  dem  Plexus  her- 
vorgehen.) 

b)  Rami  musculares  (aus  der  Tibialisportion) 

z.  M.  semitendinosus, 

z.  M.  semimembranosus, 

z.  M.  adductor  magnus  (dorsaler  Teil), 

z.  M.  biceps  (Caput  longum). 


Nn.  sacrales  und  N.  coccygeus.  gj 

c)  Rami  mus ciliares  (aus  der  Peronaeusportion) 

z.  M.  biceps  (Caput  breve). 

d)  Rami  articulares  zur  Kapsel  des  Kniegelenks. 

B.  Haupt  äste: 

a)  2V.  peronaeus  coniniunis.  Verlauf  dem  medialen 
Rande  des  M.  biceps  entlang  durch  den  lateralen  Teil  der 
Fossa  Poplitea  distalwärts  bis  hinter  das  Capitulum  fibulae, 
dann  um  das  Collum  fibulae  zur  vorderen  Seite  des  Unter- 
schenkels und  Teilung  in  die  beiden  Endäste,  den  N.  pero- 
naeus  superficialis  und  den  N.  peronaeus  profundus. 

Vor  der  Teilung  in  die  beiden  Endäste  treten  ab: 

a)  Rami  musculares  z.  Caput  breve  des  M.  biceps. 
ß)  N.  cutaneus  surae  lateralis.  Entspringt  in  der 
Kniekehle,  durchbricht  die  Fascie  und  verästelt  sich 
in  der  Haut  der  lateralen  Hälfte  des  Unterschenkels 
bis  gegen  den  lateralen  Knöchel  hin. 
/)  Ramus  anastomoticus  peronaeus,  durchbohrt  in 
wechselnder  Höhe  die  Fascie,  verläuft  über  die  Mitte 
der  Wade  und  vereinigt  sich  über  der  Achillessehne 
mit  dem  N.  cutaneus  surae  medialis  zur  Bildung  des 
N.  suralis. 

Endäste  des  ]W  peronaeus  communis: 

a)  N.  peronaeus  superficialis.    Verlauf  zwischen 
den    beiden    Köpfen    des   M.  peronaeus   longus   und 
weiter    lateral   vom    M.   peronaeus   brevis   distalwärts. 
au]  Rami  musculares  z.  M.  peronaeus  longus, 
z.   M.  peronaeus  brevis. 
ßß)  N.  cutaneus  dorsalis  medialis.    Nach  Ab- 
gabe   von   Ästchen    an    die    Haut    des    Unter- 
schenkels und  des  Fußrückens  zieht  ein  medialer 
Ast   zum    medialen  Rand  des  Fußes   und  der 
großen  Zehe,   ein   lateraler  Ast   zur  Haut  der 
Dorsalfläche  der  einander  zugekehrten  Hälften 
der  2.  und  3.   Zehe. 
yy)  N.  cutaneus  dorsalis  intermedius.     Teilt 
sich    nach  Abgabe   von  Ästchen    an  die  Haut 
des    Unterschenkels    und    des    Fußrückens    in 
4  Zweige,    die  zur  Haut  der  Dorsalfläche  der 
einander  zugekehrten  Hälften  der  3. — 5.  Zehe 
ziehen. 


94 


Nervi  spinales. 


ß)  N.  peronaeus  2)'i^ofnnclus.  Verlauf  zwischen 
den  beiden  Köpfen  des  M.  peronaeus  longus  und  nach 
Durchbohrung  des  Septum  intermusculare  anterius  und 
des  M.  extensor  digitorum  longus  mit  der  Arteria  tibialis 
anterior  zwischen  M.  tibialis  anterior  und  M.  extensor 
digitorum  longus,  dann  zwischen  M.  tibiahs  anterior 
und  M.  extensor  hallucis  longus  distalwärts  und  unter 
dem  Ligamentum  transversum  und  Ligamentum  cru- 
ciatum  mit  der  Arteria  dorsalis  pedis  zum  ersten 
Spatium  interosseum. 

aa)  Rami  musculares. 
Am  Unterschenkel: 

z.  M.  tibialis  anterior, 
z.  M.  extensor  digitorum  longus, 
z.  M.  extensor  hallucis  longus. 
Am  Fußrücken: 

z.  M.  extensor  digitorum  brevis, 
z.  M.  extensor  hallucis  brevis. 
Feine  Zweige   treten   als   Gelenknerven   ab. 
(Jß)  Nn.  digitales  dorsales  hallucis  lateralis 
et  digiti  secundi  medialis,    zur  Haut  der 
Dorsalfläche  der  einander  zugekehrten  Hälften 
der    I.    und    2.  Zehe.      Anastomose    mit   dem 
N.    cutaneus    dorsalis     medialis    (N.    peronaei 
superficialis). 


N.  dorsalis 
N.  dorsalis 
N.  dorsalis 
N.  dorsalis 
N.  dorsalis 
N.  dorsalis 
N.  dorsalis 
N.  dorsalis 
N.  dorsalis 

N.  dorsalis 


digiti 
digiti 
digiti 
digiti 
digiti 
digiti 
digiti 
digiti 
digiti 

digiti 


I  tibialis 

I  fibularis 

II  tibialis 

II  fibularis 

III  tibialis 

III  fibularis 

IV  tibialis 

IV  fibularis 

V  tibialis 

V  fibularis 


Nn.  digitales  dorsales  pedis. 

I    N.  cutaneus  dorsalis  medialis  (N.  peronaei  superficialis). 
Nn.  digitales    dorsales    hallucis    lateralis    et   digiti   secundi 
medialis  (N.  peronaei  profundi). 


•N.  cutaneus  dorsalis  intermedius  (N.  peronaei  superficialis). 


N.  cutaneus  dorsalis  lateralis  (N.  suralis). 


b)  ^.  tibialis.  Verlauf  durch  die  Mitte  der  Fossa  poplitea 
und  zwischen  den  beiden  Köpfen  des  M.  gastrocneniius 
hinter  den  M.  popliteus,  dann  vor  den  Arcus  tendineus 
m.  solei  und  mit  der  Arteria  tibialis  posterior  vor  den 
M.  soleus  und  zwischen  diesem  und  der  tiefen  Muskulatur 


Nn.  sacrales  und  N.  coccygeus.  q^ 

distalwärts,  weiter  unten  zwischen  M.  flexor  digitorum  longus 
und  M.  flexor  hallucis  longus  und  lateral  von  der  Arteria 
tibialis  posterior  gegen  den  Malleolus  medialis  und  hinter 
denselben  und  Teilung  daselbst  in  die  beiden  Endäste,  den 
N.  plantaris  medialis  und  den  N.  plantaris  lateralis. 

a)  Rami  musculares  z.  M.  gastrocnemius, 
z.  M.  soleus, 
z.  M.  plantaris, 
z.  M.  popliteus, 
z.   M.  tibialis  posterior, 
z.  M.  flexor  digitorum  longus, 
z.  M.  flexor  hallucis  longus. 
Rami  articulares  zum  Sprunggelenk. 
ß)  N.  interosseus  cruris.     Verlauf  hinter,  teils  inner- 
halb   der   Membrana    interossea    distalwärts    bis   zum 
Sprunggelenk. 

Äste  ziehen  zu  den  Gefäßen,  Knochen,  zur  Syndes- 
mosis  tibiofibularis  und  zum  Sprunggelenk. 
;')  N.  cutaneus  surae  medialis.  Ursprung  in  der 
Kniekehle  und  Verlauf  zwischen  den  beiden  Bäuchen 
des  M.  gastrocnemius  unter  der  Fascie  lateral  von 
der  Vena  saphena  parva  abwärts.  Durchbohrung  der 
Fascie  in  der  Höhe  des  Beginns  des  Achillessehne, 
Aufnahme  des  Ramus  anastomoticus  peronaeus  und 
weiterer  Verlauf  als  N.  suralis. 

Der  N.  suralis  zieht  mit  der  Vena  saphena 
parva  lateral  von  der  Achillessehne  abwärts  hinter 
den  Malleolus  lateralis  und  dann  unter  letzterem  nach 
vorn.  Er  gibt  Rami  calcanei  laterales  ab  zur 
Haut  der  Regio  calcanea  und  endet  als  N.  cutaneus 
dorsalis  lateralis  in  der  Haut  des  Fußrückens, 
des  lateralen  Fußrandes  und  des  lateralen  Randes  der 
5.  Zehe  (N.  dorsalis  digiti  quinti  fibularis). 
d)  Rami  calcanei  mediales  zur  Regio  calcanea. 

Mn (laste  des  K.  tibialis: 

a)  K.  plantaris  inedialis.  Verlauf  über  dem 
M.  abductor  hallucis  und  mit  der  Arteria  plantaris 
medialis  lateral  von  derselben,  dem  medialen  Rand 
des  M.  flexor  digitorum  brevis  entlang  nach  vorn 
und    Teilung    in    vier    Nn.    digitales     plantares 


90 


Nervi  spinales. 


communes   (I,   II,   III   und   IV),   aus  denen  sieben 
Nn.  digitales  plantares  propra  hervorgehen. 
aa)  Rami  musculares 

z.   M.  flexor  digitorum  brevis, 
z.  M.  flexor  hallucis  brevis, 
z.  M.  abductor  hallucis, 
z.  Mm.  lumbricales  I  und  II. 
ßß)  Nn.  digitales  plantares  communes. 

ß)  W.  plantaris  lateralis.    Verlauf  mit  der  Arteria 

plantaris  lateralis  zwischen  M.  flexor  digitorum  brevis 

und   M,   quadratus   plantae   lateralwärts.      Teilung   in 

einen  Ramus  superficialis  und  einen  Ramus  profundus. 

aa)  Rami  musculares 

z.  M.  quadratus  plantae, 
z.  M.  abductor  digiti  quinti. 
ßß)  Ramus    superficialis.      Er    teilt    sich    in 
zwei  Nn.  digitales  plantares  communes 
(V  und  VI),   aus   denen   drei  Nn.  digitales 
plantares  proprii  hervorgehen. 
;'/)  Ramus  profundus,    dringt    mit  dem  Arcus 
plantaris  in  die  Tiefe  und  zieht  medianwärts: 
z.  M.  abductor  digiti  V, 
z.   M.  flexor  brevis  digiti  V, 
z.  M.  opponens  digiti  V, 
z.  M.  adductor  hallucis, 
z.  Mm.  lumbricales  III  und  IV, 
z.  Mm.  interossei. 


N.  digitalis  plantaris 

communis  I 
N.   digitalis  plantaris 

communis  II 
N.  digitalis  plantaris 

communis  III 

N.  digitalis  plantaris 
communis  IV 

N.  digitalis  plantaris 
communis  V 

N.  digitalis  plantaris 
communis  VI 


Nn.  digitales  plantares  pedis. 


N.  plantaris  hallucis  tibialis 


N.  plantaris 
N.  plantaris 
N.  plantaris 
N.  plantaris 

N.  plantaris 
N.  plantaris 

N.  plantaris 
N.  plantaris 

N.  plantaris 


hallucis  fibularis 
digiti  II  tibialis 
digiti  II  fibularis 
digiti  III  tibialis 

digiti  III  fibularis 
digiti  IV  tibialis 

digiti  IV  fibularis 
digiti  V  tibialis 

digiti  V  fibularis 


'    N.  plantaris  medlalis. 


N.  plantaris  lateralis  (Ramus 
superficialis). 


Nn.  sacrales  und  N.  coccygeus.  gy 

Plexus  pudendus. 

Er  wird  gebildet  durch  die  dritte  Ansa  sacralis  (Ansa  sacralis  aus  S 
und  S^)  und  durch  einige  Zweige  aus  dem  Plexus  ischiadicus  (aus  Sj  und  S,), 
liegt  vor  dem  unteren  Rande  des  M.  piriformis  unter  dem  Plexus  sacralis  und 
steht  mit  dem  Plexus  coccygeus  und  mit  dem  Sympathicus  in  Verbindung. 
Die  aus  ihm  austretenden  Nerven  ziehen  zu  den  Beckeneingeweiden, 
zur  Muskulatur  und  Haut  des  Dammes  und  zu  den  Genitalien. 

1.  Ranii  nutscnlares  z.  M.  levator  ani 

z.   M.  coccygeus. 

2.  JVn»  haemovrlloUlales  tnedii.  Verbindung  mit  dem  Plexus 
hypogastricus  und  Verästelung  am  Rectum  und  im  M.  levator  ani. 

3.  Nn,  vesieales  inferiores  zum  Fundus  der  Harnblase,  zur  Um- 
gebung des  Orilicium  urethrae  internum  und  zur  Muskulatur  des 
Annulus  urethralis  vesicae. 

4.  Nn.  Vf ((finales  zur  Vagina. 

5.  N.  J)H(l€lldns.  Verlauf  unterhalb  des  M.  piriformis  durch  das 
Foramen  ischiadicum  majus  zur  Rückfläche  der  Spina  ischiadica  und 
durch  das  Foramen  ischiadicum  minus  zur  Fossa  ischiorectalis. 

a)  Nn.  haemorrhoidales  inferiores 

z.  M.  sphincter  ani  externus 
und  zur  Haut  der  Analgegend. 

b)  N.  perinei 

a]  Nn.  scrotales    (labiales)    posteriores    zur    Haut    des 

Dammes  und  des  Scrotum  (bzw.  des  I.abium  majus). 
ß)  Rami  musculares  z.  M.  transversus  perinei  superficialis 
z.  M.  bulbocavernosus 
z.  M.  ischiocavernosus. 
Anastomosen  mit  den  Nn.  haemorrhoidales  inferiores  und 
mit  den  Rami  perineales  des  N.  cutaneus  femoris  posterior. 

c)  N.  dorsalis  penis  (clitoridis).  Verlauf  mit  der  Arteria 
dorsalis  penis  (clitoridis)  nach  vorn  und  neben  dem  Ligamentum 
Suspensorium  zum  Dorsum  penis  (clitoridis). 

Verbindung  mit  dem  Plexus  cavernosus.  Äste  zum  M.  trans- 
versus perinei  profundus  und  zum  M.  sphincter  urethrae  mem- 
branaceae,  in  das  Innere  der  Corpora  cavernosa,  zur  Haut  des 
Penis,  zum  Praeputium,  zur  Glans,  zur  Urethra  (beim  Weibe 
zu  den  entsprechenden  Teilen  der  CHtoris  und  zu  den  Labia 
majora  und  minora). 

Vil  liger.  Die  periphere  Innervation.  >j 


98 


Nervi  spinales. 


Plexus  coccygeus. 

Er  wird  gebildet  durch  die  vierte  und  fünfte  Ansa  sacralis  (Ansa  sacralis 
aus  S^  und  S^,  Ansa  sacralis  aus  S^  und  N.  coccygeus)  und  erhält  auch  Fasern 
aus  dem  N.  sacralis  III.  Das  kleine,  aus  sehr  dünnen  Nerven  gebildete  Geflecht 
liegt  vor  den  Ursprüngen  des  M.  coccygeus  und  des  Ligamentum  sacrospinosum 
und  verbindet  sich  mit  dem  unteren  Ende  des  Truncus  sympathicus.  Aus  dem 
Plexus  gehen  hervor  die  JS^n.  anococct/gei: 

1.  Maini  mnsculares  z.  M.  levator  ani, 

z.  M.  coccygeus. 

2.  Hautäste  zur  Haut  in  der  Umgebung  der  Steißbeinspitze. 


Funktion  und  Innervation  der  Muskeln  des  Beins. 
Innere  Hüftniuskeln. 


M.  iliopsoas 
M.  iliacus 
M.  psoas  major 

M.  psoas  minor 


M.  gliitaeus  maximus 

M.  gluiaeus  mediiis 
M.  glutaeus  min  haus 

M.  Unsor  fasciae  latae 

M.  piriformis 

M.  obturator  internus 

Mm.  gemein 

M.  qitadratus  femoris 


hebt  den  Oberschenkel  und  rollt  ihn  nach 
außen.  Beugt  Rumpf  und  Becken  vor- 
wärts 

spannt  die  Fascia  iliaca 

Äußere  Hüftiniiskeln. 

streckt  den  Oberschenkel  gegen  das  Becken 
und  rollt  ihn  nach  außen 

abducieren  den  Oberschenkel  und  rollen 
ihn  einwärts.  Fixieren  das  Becken  seit- 
lich 

hebt  den  Oberschenkel  und  rollt  ihn  nach 
innen 

rollt  den  Oberschenkel  nach  außen  und 
abduciert  ihn 

rollen  den  Oberschenkel  nach  außen 


Rami  musculares  des 
Plexus  lumbalis  und 
N.  femoralis. 


N.  glutaeus  inferior. 
N.  glutaeus  superior. 

N.  glutaeus  superior. 

Rami  musculares 
(Plexus  sacralis). 

N.  ischiadicus  (oder 
Rami  musculares 
des  Plexus  sacralis). 


Muskeln  des  Oberschenkels  —  vordere  Muskeln. 

M.  sartorius  beugt  den  Unterschenkel  gegen  den  Ober- 

schenkel  und   rollt    den    Unterschenkel 
nach  innen 


M.  quadriceps  femoris 
M.  articnhtris  genu 


streckt   den  Unterschenkel    (der  M.  rectus 
femoris  hebt  zudem  den  Oberschenkel) 

spannt  die  Kniegelenkkapsel 


N.  femoralis. 


Muskeln  des  Oberschenkels  —  mediale  Muskeln. 


M.  pectineiis 

71/.  adductor  loni'us 


adduciert    den    Oberschenkel,     hilft    ihn 
beugen  und  nach  außen  rollen 

adduciert    den    Oberschenkel,     hilft    ihn 
beugen  und  nach  außen  rollen 


N.    obturatorius    und 
N.  femoralis. 

N.  obturatorius. 


Nn.  sacrales  und  N.  coccygeus. 


99 


M.  gracilis 

M.  addiictor  brevis 

M.  adductor  magnus 
M.  adductor  ininiimis 

M.  ohtttrator  exfernus 


adduciert  den  Oberschenkel,  beugt 
den  Unterschenkel  und  rollt  den- 
selben nach  innen 

adduciert  den  Oberschenkel,  hilft  ihn 
beugen  und  nach  außen  rollen 

adduciert  den  Oberschenkel 

adduciert  den  Oberschenkel,  hilft  ihn 
beugen  und  nach  außen  rollen 

rollt  den  Oberschenkel  nach  außen 


N.  obturatorius. 


Muskeln  des  Oberschenkels  —  hintere  Muskeln. 

.1/.  biceps  femoris 


M.  semitendinosns 
M.  semimctnhranosus 


bengt  den  Unterschenkel  gegen  den 
Oberschenkel,  streckt  den  Ober- 
schenkel im  Hüftgelenk  und  dreht 
den  Unterschenkel  nach  außen 

beugen  den  Unterschenkel  gegen  den 
Oberschenkel,  strecken  den  Ober- 
sehenkel im  Hüftgelenk  und  drehen 
den  Unterschenkel  nach  innen 


N.  ischiadicus  (Caput 
breve:  N.  pero- 
naeus). 

N.  ischiadicus  JX.  tibi- 
alis). 


Muskeln  des  Unterschenkels 

M.  tibiolis  anterior 


vordere  Muskeln. 


M.  extensor  digitorum  lon- 
gus 

M.  feronaeus  tertitis 

M.  extensor  hallucis  longtcs 


Dorsalflexion,  Adduction  und  Snpi- 
nation  des  Fußes 

Dorsalflexion  und  Abduction  des  Fußes. 
Strecken  der  Grundphalangen  der 
2.  bis  5.  Zehe 

Dorsalflexion  und  Abduction  des  Fußes 

Strecken  der  Grundphalange  der  großen 
Zehe,  Dorsalflexion.  Adduction  und 
Supination  des  Fußes 


N.  peronaeus  profun- 
dus. 


Muskeln  des  Unterschenkels 

M,  peronaetis  longus 


laterale  Muskeln. 


M.  peronaeus  brcvis 


Abduction   und   Pronation    des   Fußes. 
Plantarflexion  des  Fußes 

Abduction  und  Pronation  des  Fußes 


j  N.  peronaeus    super- 
i      ficialis. 


Muskeln  des  Unterschenkels  —  hintere  Muskeln. 


M.  triceps  surae 
M.  gastrocnemhis 
M.  solens 

M.  plantaris 

M.  popliteus 

M.  tibialis  posterior 

M.  flexor  digitorum  longus 

M.  ßexor  hallucis  longus 


Plantarflexion  und  Supination  des 
Fußes.  Der  M.  gastrocnemius  hilft 
mit  bei  der  Beugung  des  Unter- 
schenkels  gegen    den   Oberschenkel 

Plantarflexion  des  Fußes 

rotiert   den  Unterschenkel   nach  innen 

Adduction  und  Supination  des  Fußes 

Beugen  der  Endphalangen  der  2.  bis 
5.  Zehe 

Beugen  der  Endphalange  der  großen 
Zehe 


N.  tibialis. 


lOO 


Nervi  spinales. 


]\f.   extensor    Jiallitcis 
In'evis 

M.  extensor  digitoruiii 
brevis 


M.  abductor  hallucis 


M.flexor  hallucis  bre- 
vis 

M.  flexor    digitoriuii 
brevis 

M.  quadratus  planlae 


M.  abductor  digiti 
quinti 

M.flexor  digiti  quinti 
brevis 

M.  opponens  digiti 
quinti 

M.  addnctor  hallucis 


Mm,  interossei 


Min.  lumbricales 


Muskeln  des  Fußes. 

Dorsale   Muskeln. 
Strecken  der  Grundphalangen 


Plantare  Muskeln. 

abduciert    die    große   Zehe,    beugt   i 
die    Grundphalange    und    streckt 
die  Endphalange 

beugt  die  Grundphalange  und 
streckt  die   Endphalange 

beugt  die  Mittelphalangen  der  2. 
bis   5.  Zehe 

beugt  die  Endphalangen  der  2. 
bis   5.  Zehe 

abduciert  die  kleine  Zehe 

beugt  die  Grundphalange  und 
streckt  die  Endphalange 

zieht  die  kleiue  Zehe  median-  und 
plantarwärts» 

adduciert  die  große  Zehe.  Beugt 
die  Grundphalange  und  streckt 
die  Endphalange 

beugen  die  Grundphalangen  und 
strecken  gleichzeitig  die  Mittel- 
und  Endphalangen.  Abducieren 
und  adducieren  die  Zehen  (Sprei- 
zen der  Zehen) 

beugen  die  Grundphalangen  und 
strecken  gleichzeitig  die  Mittel- 
und  Fndphalangen 


N.  peronaeus  profundus. 


N.  plantaris  medialis. 


N.  plantaris  lateralis. 


Mm.  lumbrl-     )  N.  plantaris 

cales  I  und  II  J  medialis 

Mm.  lumbri-     |  N.  plantaris 

cales  III  und  IV  J  lateralis. 


Beteiligung  der  einzelnen  Musl(eln  bei  den  verschiedenen  Bewegungen. 


Strecken  des  Beins  im  Jliiftgelenk 
Beugen  (Heben)  des  Beins  im  Hüftgelenk 


Adduction  des  Beins 


M.  glutaeus  maximus. 

M.  iliopsoas 

M.  tensor  fasciae  latae 
Mm.  adductores 
M.  rectus  femoris. 

M.  pectineus 
M.  adductor  longus 
M.  adductor  brevis 
M.  adductor  magnus 
M.  adductor  minimus 
M.  gracilis. 


Nn.  sacrales  und  N.  coccygeus. 


Abduction  des  Beins 

Rotation  des  Beins  nach  außen 


Rotation  des  Beins  nach  innen 


Strecken  des  Unterschenkels  (Strecken  im  Kniegelenk 

Beugen    des    Unterschenkels   gegen    den    Oberschenkel 
(Beugen  im  Kniegelenk) 


Strecken  des  Fußes  (Dorsalflexion) 


Beugen  des  FuJhs  (Plantarflexion) 


Abduction  des  FuJSes  (Heben  des  äußeren  Fußrandes, 
Pronation) 


Adduction  des  Fußes  (Heben   des  inneren  Fußrandes 
Supination) 


Strecken  der  Zehen 


Beugen  der  Zehen 


Ab-  und  Adduction  der  Zehen    (Spreizen  der  Zehen) 


M.  glutaeus  medius 
M.  glutaeus  minimus. 

M.  piriformis 

M.  obturator  internus 

M.  obturator  externus 

Mm.  gemelli 

M.  quadratus  femoris 

M.  iliopsoas 

M.  glutaeus  maximus 

Mm.  adductores. 

M.  glutaeus  medius 
M.  glutaeus  minimus 
M.  tensor  fasciae  latae 

M.  gracilis 

Mm.  adductores. 

M.  quadriceps  femoris. 

M.  biceps  femoris 
M.  semitendinosus 
M.  semimembranosus 

M.  gracilis 

M.  sartorius 

M.  gastrocnemius. 

M.  tibialis  anterior 
M.  extensor  digitorum  longus 
M.  extensor  hallucis  longus 
M.  peronaeus  tertius. 

M.  gastrocnemius 
M.  soleus 
M.  plantaris 

M.  peronaeus  longus. 

M.  peronaeus  longus 
M.  peronaeus  brevis 

M.  extensor  digitorum  communis 

M.  peronaeus  tertius. 

M.  tibialis  posterior 
M.  tibialis  anterior 

M.  extensor  hallucis  longus 

M.  gastrocnemius 

M.  soleus. 

M.  extensor  digitorum  longus 
M.  extensor  hallucis  longus 
M.  extensor  digitorum  brevis 
M.  extensor  hallucis  brevis. 

M.  flexor  digitorum  longus 
M.  flexor  hallucis  longus 
M.  flexor  digitorum  brevis 
M.  quadiatus  plantae 
M.  flexor  hallucis  brevis 
M.  flexor  digiti  quinti  brevis. 

Mm.  interossei. 


IQ2  Nervi  spinales. 

Beugen    der  Grtindphalaiigen    bei  gleichzeitiger  Streckung  der  j    Mm.  interossei 


Mittel-  und  Endphalangcn 


Mm.  lumbricales 

M.  abductor  hallucis 
M.  flexor  hallucis  brevis 
M.  adductor  hallucis. 


Bezüglich  der  Innervation  ergibt  sich  übersichtlich  folgendes: 

Der  N.  fetnoralis  innerviert  die  inneren  Hüftmuskeln  (M.  iliopsoas) 
und  die  vorderen  Oberschenkelmuskeln  (Mm.  quadriceps  und  sartorius) 
und  den  M.  pectineus. 

Der  N.  obturatorius  innerviert  die  Adductoren  des  Oberschenkels 
und  den  M.  obturator  externus  (Auswäi  tsroller).  Der  M.  pectineus  erhält 
außerdem  Fasern  vom  N.  femoralis. 

Der  N.  glutaeus  superior  innerviert: 

den  M.  glutaeus  medius         1     .t-j     ^  I 

^,  ,   .  Abductoren      ^ 

den  M.  glutaeus  minimus       J  Einwartsroller. 

den  M.  tensor  fasciae  latae  I 

Der   N.  glutaeus    inferior   innerviert   den   M.  glutaeus   maximus 

(Strecken  des  Beins  im  Hüftgelenk). 

Der  N.  ischiadicus  innerviert  die  Rollmuskeln  (Auswärtsroller)  mit 
Ausnahme  des  M.  piriformis  (Plexus  sacralis)  und  des  M.  obturator  externus 
(N.  obturatorius)  —  die  Muskeln  können  auch  gesondert  vom  Plexus  sacralis 
aus   innerviert  werden  —  und  die  drei  Hauptbeuger  am  Oberschenkel. 

Der  N.  peronaeus  innerviert  die  vorderen  und  seitlichen  Muskeln 
am  Unterschenkel  und  die  kurzen  Zehenstrecker  auf  der  Dorsalseite 
des  Fußes, 

Der  N.  tibialis  innerviert  die  hinteren  Muskeln  am  Unterschenkel 
und  sämtliche  Muskeln  der  Fußsohle. 

Bezüglich  der  einzelnen  von  den  peripheren  Hautnerven  versorgten  Ge- 
biete vergleiche  Fig.  i8. 

Zur  Pathologie.  Bei  Lähmung  des  N.  femoralis  ist  das  Beugen  (Heben)  des 
Oberschenkels  gegen  das  Becken  unmöglich,  ebenso  das  Aufrichten  des  Rumpfes  aus  liegender 
oder  sitzender  Stellung.  Der  Unterschenkel  kann  nicht  gestreckt  werden.  Stehen  und 
Gehen  sind  infolgedessen  sehr  erschwert  oder  unmöglich.  Sensible  Störungen  finden  sich 
auf  der  vorderen  iind  inneren  Fläche  des  Oberschenkels,  auf  der  medialen  Seite  des  Unter- 
schenkels und  am  medialen  Fußrand  bis  zur  großen  Zehe.  Infolge  Lähmung  des  M.  quadri- 
ceps femoris  fehlt  der  Patellarreflex. 

Bei  Lähmung  des  N.  obturatorius  ist  die  Adduction  des  Beins  erschwert  oder 
unmöglich,  das  gelähmte  Bein  kann  nicht  mehr  über  das  andere  geschlagen  werden.  Gestört 
ist  auch  die  Drehung  des  r>eins  nach  außen.  Sensibilitätsstörungen  finden  sich  auf  der 
medialen  Fläche  des  Oberschenkels. 

Bei  Lähmung  des  N.  glutaeus  superior  sind  Abduction  und  Rotation  des  Ober- 
schenkels nach  innen  erschwert.  Da  die  Mm.  glutaei  medius  und  minimus  den  Rumpf  beim 
Stehen  und  Gehen  gegen  Seitwärtsschwankungen  fixieren,  wird  bei  doppelseitiger  Lähmung 
das  Stehen  unsicher  und  der  Gang  ein  watschelnder  (Entengang). 


Nn.  sacrales  und  N.  coccygeus. 


103 


Bei  Lähmung  desN.  glutaeus  inferior  wird  die  durch  Contraction  des  M.  glutaeus 
maximus  bedingte  Streci<ung  des  Oberschenkels  und  des  Beckens  gegeneinander  beein- 
trächtigt. Die  Störung  macht  sich  hauptsächlich  beim  Treppensteigen,  Erheben  aus  sitzender 
Stellung,  beim  Springen  bemerkbar. 


N.obturafor, 


N-femorali»  n 

obturatoi 


iliohypogabt 


culan.     1 

surae  \ 

1  *■  i'Nsaphenus 

lateralis  \ 

;     /  (R.cutan. 

\ 

'    /  cnjrmedial.) 

N  buralis/'  ,  V'.V'^  peronacui 

Nnplantarei 

Fig.    18.     Schematische  Darstellung  der  Verbreitungsgebiete  der  Hautnerven  am  Bein. 


Gegenüber  diesen  seltener  vorkommenden  Lähmungen  sind  solche  des  N.  ischiadicus 
häufig  beobachtet.  Bei  Lähmung  des  Ischiadicusstammes  [bei  hohem  Sitz  der  Läsion) 
ist  die  Rotation  des  Oberschenkels  nach  außen  und  die  Beugung  des  Unterschenkels  gegen 
den  Oberschenkel  beschränkt,  wodurch  das  Gehen  bedeutend  erschwert  wird.  Bei  ein- 
seitiger Lähmung  des  Ischiadicusstammes  fällt  besonders  auf,  wie  das  gelähmte  Bein,  da 
es  infolge  Wirkung  des  M.  quadriceps  im  Kniegelenk  gestreckt  bleibt,  gleich  einer  Stelze 
nach  vorn  gebracht  wird. 

Bei  Lähmung  des  N.  peronaeus  communis  hängt  der  Fuß  schlaff"  herab,  dabei 
ist  der  äußere  Fulirand  gesenkt.  Die  Störung  ist  besonders  beim  Gehen  deutlich.  Um 
eine  Berührung  der  herabhängenden  Fußspitze  mit  dem  Boden  zu  vermeiden,  wird  das 
Bein  mehr  wie  gewöhnlich  gehoben  und  beim  Aufsetzen  des  Fußes  wird  zuerst  die  Fuß- 
spitze, dann  der  äußere  Fußrand  und  zuletzt  die  Ferse  aufgesetzt.  Dieser  charakteristische 
Gang  wird  als  Steppergang  oder  Hahnentritt  bezeichnet.  Beschränkt  sind  außerdem 
die  Dorsalflexion  des  Fußes  und  der  Zehen,  die  Abduction  und  auch  die  Adduction  des 
Fußes.  Infolge  der  secundären  Contractur  der  Wadenmuskulatur  bildet  sich  ein  Spitzfuß. 
Pes  equino-varus,  aus.  —  Nicht  selten  sind  nur  einzelne  Muskeln  des  Peronaeusgebietes 
gelähmt.  Lähmung  der  Dorsalflectoren  (Mm.  tibialis  anterior,  extensor  digitorum  communis, 
extensor  hallucis  longus)  führt  zu  Pes  equinus-Stellung,  Lähmung  des  M.  peronaeus 
longus  zur  Bildung  eines  Plattfußes,  Pes  planus  valgus. 

Bei  Tibialislähmung  ist  die  Plantarflexion  des  Fußes  und  der  Zehen  unmöglich, 
die  Kranken  können  sich  nicht  mehr  auf  die  Zehen  stellen.  Unmöglich  ist  auch  das 
Spreizen  und  Adducieren  der  Zehen  (Mm.  interossei),  und  wie  bei  der  Hand  so  bildet  sich 
auch  beim  Fuß  infolge  Lähmung  der  Interossei  eine  Krallenstellung  der  Zehen  aus, 
die  Grundphalangen  sind  dorsal  flectiert,  die  Mittel-  und  Endphalangen  zu  gleicher  Zeit  in 


I04  Nervi  spinales. 

Plantarfiexion.  Infolge  secnndärer  Contractur  der  Extensoren  bildet  sich  ein  Hackenfuß, 
Pes  calcaneus.  —  Sowohl  bei  Peronaeus  wie  bei  Tibialislähmungen  treten  sensible 
Störungen  auf,  ihre  Ausbreitung  ergibt  sich  aus  Fig.  i8. 

Lähmungen  der  aus  dem  Plexus  pudendus  stammenden  motorischen  Nerven 
führen  zu  Blasen-  und  Mastdarmstörungen  (Incontinentia  urinae  et  alvi)  und  zu  solchen 
des  Sexualapparates  (Impotentia  coeundi). 

Krämpfe  im  Gebiete  des  Plexus  lumbosacralis  sind  selten. 

Von  Neuralgien  sind  folgende  zu  nennen: 

Als  Neuralgia  lumbo  abdominalis  bezeichnet  man  eine  Neuralgie,  die  sich  in 
den  von  den  Nn.  iliohypogastricus,  ilioinguinalis  und  genitofemoralis  versorgten  Hautgebieten 
der  Lenden-,  unteren  Bauch-  und  oberen  Oberschenkelgegend  lokalisiert.  —  Die  Neuralgia 
nervi  cutanei  femoris  lateralis  wird  auch  als  Meralgia  paraesthetica  be- 
zeichnet. Ferner  kommt  eine  Neuralgia  nervi  femoralis  und  eine  Neuralgia  nervi 
obturatorii  vor,  am  bekanntesten  ist  aber  die  Neuralgia  nervi  ischiadici,  Ischias 
s.   Malum  Cotunnii. 

Die  im  Gebiete  des  Plexus  pudendus  und  coccygeus  häufiger  vorkommenden  Neuralgien 
sind  die  Neuralgia  spermatica  und  die  Coccygodynie. 


Segmentinnervation. 


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io6 


Jervi  spin 


ales. 


Segmentinnervation  der  Muskeln  der  oberen  Extremität. 


C6 


C7 


Cs 


Thx 


Muskeln 

der  Schulter 


Supraspinat. 


Teres  minor 


Muskeln 
am  Oberarm 


Muskeln 
am  Vorderarm 


Muskeln 
der  Hand 


Deltoides 


Infraspinatus 


Subscapularis 


Teres  major 


Biceps 


Brachialis 


Coracobrachialis 


Triceps 


Anconaeus 


Brachioradialis 


Supinator 


Extensor  carpi  radialis 


Pronator  teres 


Flexor  carpi  radialis 


Flexor  pollicis  longus 


Abduct.  poUic.  longus 


Ext.  poUic.  brevis 


Ext.  pollic.  longus 


Ext.  digitor.  communis 


Ext.  indicis  proprius 


Ext.  carpi  ulnaris 


Ext.  digiti  quinti  proprius 


Flexor  digitor.  sublimis 


Flexor  digitor.  profundus 


Pronator  quadratus 


Flexor  carpi  ulnaris 


Palmaris  longus 


Abduct.  pollic.  brevis 


Flexor  pollic.  brevis 


Opponens  pollicis 


Flexor  digiti  quinti 


Opponens  digiti  quinti 


Adduct.  pollicis 


Palmaris  brevis 


Abduct.  digiti  quinti 


Lnmbricales 
Interossei 


Segmentin  n  er  vation. 


107 


Segmentinnervation  der  Muskeln  der  unteren  Extremität. 


Th,, 


Li 


L3 


Si 


Muskeln 
der  Hüfte 


Iliopsoas 


Tensor  fasciae  latae 


Glutaeus  medius 


Glutaeus  minimus 


Quadratus  femoris 


Gemellus  inferior 


Gemellus  superior 


Glutaeus  maximus 


Obturator  internus 


Muskeln  am 
Oberschenkel 


Sartorius 


Pectineus 


Adduct.  longus 


Piriformis 


Quadriceps 


Gracilis 


Adductor  brevis 


Muskeln  am 
Unterschenkel 


Muskeln 
des  Fußes 


Obturat 

extern. 

Adduct. 

magnus 

Adduct. 

minimus 

Articularis  genu 


Semitendinosus 


Semimembrano  sus 


:          1 

Biceps 

1 

Tibialis  ant.    | 

Extensor  halluc.  longus   | 

Popliteus 

Plantaris 

Extens.  digitor.  longus 

;                                Soleus                      1         : 

Gastrocnemius 

Peronaeus  longus 

Peronaeus  brevis 

Tibialis  posterior         | 

Flexor  digitor.  longus 

Flexor  hallucis  longus 

Extens.  hallucis  brevis    | 

Extensor  digitor.  brevis 

Flexor  digit.  brevis 

Abduct.  halluc. 

Flexor  halluc.  brevis 

Lumbricales 

Adduct.  hallucis 

Abduct.  digiti  V 

Flexor  digiti  Vbrevis 

Opponens  digiti  V 

Quadrat,  plantae 

Interossei 

Register. 


Hirnnerven. 


Ansa  hypoglossi  60. 
Augenmuskelnerven  30. 

Chorda  tympani  45. 

Circellus  venosus  hypoglossi  59- 

Ganglion  ciliare  38. 

—  geniculi  45. 

—  jugulare  52. 

—  nodosum  53. 

—  oticum  40. 

—  petrosum  51. 

—  semilunare  Gasseri  34. 

—  sphenopalatin.  38. 
— -  Spirale  Corti  48. 

—  submaxillare  40. 

—  superius  51. 

—  vestibuläre  Scarpae  48. 

Intumescentia  tympanica  51. 

Nervus  abducens  32. 

—  accessorius  57. 
— •  acusticus  48. 

—  alveolar,  inf.  38. 

—  ampullaris  lat.  48. 
post.  48. 

—  —  sup.  48. 

—  auricular.  post.  43. 

—  auriculotemporalis  37. 

—  buccinatorius  37. 

—  canalis  pterygoidei  (Vidü)  39. 

—  caroticotympan.  inf.  52. 
sup.  52. 

—  Cochleae  48. 

—  depressor  54. 

—  ethmoidal.  ant.  35. 
post.  35. 

—  facialis  43. 

—  frontalis  35. 

—  glossopharyngeus  50. 

—  hypoglossus  59- 

—  infraorbitalis  36. 

—  iufratrochlearis  35. 


Nervus  intermedius  (Wrisbergij  45. 

—  lacrimalis  34. 

—  laryngeus  inf.  55. 
sup.   54. 

—  lingualis  37. 

—  mandibularis  36. 

—  massetericus  37. 

—  masticatorius  37. 

—  maxillaris  35- 

—  meat.  auditor.  ext.  37. 

—  meningeus  (medius)  35. 

—  mentalis  38. 

—  mylohyoideus  38. 

—  nasociliaris  35. 

—  nasopalatinus  (Scarpae)  39. 

—  oculomotorius  31. 

—  ophthalmicus  34. 

—  opticus  27. 

—  petros.  profundus  39. 

—  petros  superficial,  major  39,  43. 

—  petros.  superficial,  minor  40,  ^1. 

—  pterygoideus  ext.  37. 
int.  37. 

—  recurrens  54. 

—  saccularis  48. 

—  spinosus  36. 

—  stapedius  43. 

—  subungualis  37. 

—  supraorbitalis  35. 

—  supratrochlearis  35. 

—  tensor.  tympani  40. 

—  tensor.  veli  palat.  40. 
• —  tentorii  34. 

—  trigeminus  34. 

—  trochlearis  31. 

—  tympanicus  40,  51. 

—  utricularis  48. 

—  vagus  52. 

—  vestibuli  48. 

—  zygomaticus  36. 
Nervi  alveolares  sup.  36. 

—  auriculares  ant.  37. 


Register, 


109 


Nervi  ciliares  breves  38. 

longi  35. 

■ —  olfactorii  26. 

—  palatini  39. 

—  sphenopalatini   36. 

—  temporales  profundl  37. 

Plexus  cardiacus  54. 

—  coeliacus   55. 

—  dentalis  Inf.  38. 

—  —  sup.  36. 

—  gastricus  55. 

—  oesophageus  55. 

—  parotideus  44. 

—  pharyngeus  54. 

—  pulmonalis   55. 

—  tynipanicns  (Jacobsoni)   51. 
Pupillarreaction   33. 
Pupillarreflexbahn  29. 

Radix  brevis  ganglii  ciliaris  31. 

—  longa  ganglii  ciliaris  35. 
Rami  alveolares  snperiores  36. 

—  bronchiales  55- 

—  buccales  44. 

—  cardiaci  54,  55- 

—  coeliaci   55- 

—  dentales  inferiores  38. 

—  —  superiores   36. 

—  gastrici  55. 

—  gingivales  in  f.   38. 
sup.   36. 

—  hepatici  55. 

—  isthml  fauciuni  37. 

—  labiales  inf.  38. 
sup.  36. 

—  lienales  55. 

—  linguales  37,  52.  60. 

—  mentales  38. 

—  nasales  ant.   35. 


Rami  nasales  ext.  35,  36. 

int.  35,  36. 

post.  39. 

—  oesophagei  55. 

—  orbitales  39. 

—  palpebrales  35,  36. 

—  parotidei  37. 

—  pericardiaci  55- 

—  pharyngei  52,  54. 

—  renales  55. 

—  submaxillares  40. 

—  temporales  44. 

—  —  superficial.   37. 

—  tonsillares  52. 

—  tracheales  55- 

—  tympanici  52. 

—  zygomatici  44. 

Ramus  auricularis  (vagi)   53. 

—  colli  44. 

—  descendens  hypoglossi  60. 

—  digastricus  44. 

—  frontalis  35. 

■ —  marginalls  mandibulae  44. 

—  merabranae  tympani  37. 

—  meningeus  (vagi)   53. 

—  occipitalis  44. 

—  recurrens  (Arnold)  34. 
(hypoglossi)   59. 

—  —  (mandibular.)  36. 

—  —  (maxillar.)   35. 

• —  —  (ophthalmici;  34. 

—  stylobyoideus  44. 

—  stylopharyngeus  52. 

—  thyreohyoideus  60. 

—  tubae  52. 

Rate  canalis  hypoglossi  59. 
Riechleitung  26. 

Sapolinischer  Nerv  45. 


Rückenmarksnerven. 


Ansa  cervicalis  profunda  64. 

—  —  superficialis  65. 

Nervus  auricularis  magnus  65. 

—  axillaris  69. 

—  cervicalis  descendens  65. 

—  collateralis  ulnaris  77. 

—  cutaneus  antibrachii  dorsal.   77. 


Nervus  cutaneus  antibrachii  lateral.  73- 

—  —   antibrachii  medial.  73. 

—  —  brachii  lateral.  69. 

—  —  —  medial.   73. 

—  post.  76. 

colli  65. 

—  —  dorsal,   intermed.  93. 

—  —  —  lateral.  95. 


HO 


Register. 


Nervus  cutaneus  dorsal,  medial.  93. 

—  —  femoris  lateral,  89. 

—  —  —  post.  92. 

—  —  surae  lat.  93. 

—  —  —  med.  95. 

—  dorsalis  penis  (clitorid.)  97. 

—  —  scapulae  68. 

—  femoralis  89. 

—  genitofemoralis  8S. 

—  glutaeus  inf.  92. 

—  —  sup.  92. 

—  iliohypogastricus  88. 

—  ilioinguinalis  88. 

—  interosseus  (antibrachii)  dorsalis  77- 

—  —  —  volaris  74. 

—  —  cruris  95. 

—  ischiadicus  92. 

—  lumboinguinalis  89. 

—  medianus  73. 

—  rausculocutan.  72. 

—  obturatorins  89. 

—  —  accessor.  89. 

—  occipitalis  major  63. 

—  —  minor  64. 

—  —  tertius  64. 

—  perinei  97. 

—  peronaens  communis  93. 

—  —  profundus  94. 

—  —  superficial.  93. 

—  phrenicus  66. 

—  plantaris  lat.  96. 

—  —  med.  95. 
—  pudendus  97. 

—  radialis  76- 

—  saphenus  90. 

—  spermatic.  ext.  89. 

—  subclavius  69. 

—  subcostalis  83. 

—  suboccipitalis  63. 

—  suprascapularis  69. 

—  suralis  93,  95. 

-—  thoracalis  longus  68. 

—  thoracodorsalis  69. 

—  ulnaris  75. 

Nervi  anococcygei  98. 

—  clunium  inf.  92. 

—  —  med.  91. 


Nervi  clunium  sup.  87. 

—  haemorrhoidales  inf.  97. 
med.  97. 

—  intercostales  83. 

—  intercostobrachiales  73.  83. 

—  scrotales  (labiales)  ant.  88. 
—  post.  97. 

—  subscapulares  69. 

—  supraclaviculares  65. 

—  thoracales  83. 

—  —  ant.  69. 
post.  68. 

—  vaginales  97. 

—  vesicales  inf.  97. 

Plexus  brachialis  67. 

—  cervicalis  64. 

—  coccygeus  98. 

—  lumbalis  87. 

—  pudendus  97. 

—  sacralis  91. 

Rami  calcanei  lat.  95. 

—  —  med.  95. 

—  cutanei  abdominal.  83,  84. 

—  —  crur.  med.  90. 
pectoral.  83,  84. 

—  mammarü  lat.  83. 

—  —  medial.  84. 

—  perineales  92. 

—  phrenicoabdominal.  66. 

—  pleurales  66. 

—  scrotales  (labiales!  ant.  88. 
Ramus  anastomot.  peronaeus  93. 

—  cutan.  surae  lat.  93. 

—  —  —  medial.  95. 

—  dorsal,  manus  (ulnaris)  75. 

—  infrapatellaris  90. 

—  palmaris  (mediani)  74. 

—  —  (ulnaris)  75. 

—  pericardiacus  66. 

—  profundus  (radialis)  77. 

—  —  (ulnaris)  76. 

—  superficialis  (radialis)   77. 

—  —  (ulnaris)  76. 

—  trapezius  65. 

—  volaris  manus  (ulnaris)  75. 

Truncus  lumbosacralis  91. 


Druck  von  Kieitknpf  &  Harte!  in  Leipzig. 


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