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Full text of "Die politische Tendenz der Aneide Vergils"

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Schlüsse des Schi^jabre 1879-80., . -.'-:■ '*' ■ 

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[nbilt: 1) Die^politiBchfl l^flndeni der 'Äntid« Vergila^T«! Prot Dr. fL^^ittzW, . '• _ • 
2) Nachri^teit tkber du Scbaljabr 1879— 80 Ton Rector Dillra«tfD, ObentadiNinkth. 



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Die -politische Tendenz der Aneide Yergik 



Von 



Prot Dr. H. GeorgiL 



Es kann kein Zweifel darüber sein , dass die Aneide nicht unter diejenigen Kunstwerke 
gehört/ die nur den einen Zweck haben, »still im eignen Glanz zu ruhn',^ dass vielmehr. Vergil 
mit der consequenten Hinweisung auf Bom und die Zeit des Augustns noch einen andern, kurz 
gesagt politischen Zweck verfolgt Welcher Art aber diese Tendenz des Gedichts sei, tinmaT 
im Zusammenhang und mit Berücksichtigung der einschlägigen Stellen zu untersuchen, dürfte 
um so mehr am Platze sein, als die Ansichten der neueren ErU&rer und Beurtheiler hierüber 
in zwei verschiedene Bichtungen auseinandergehen. W&hrend die einen den Zweck der Indde 
in der Verherrlichung des BOmerthums finden, glauben die anderen, sie sd dazu geschaffen, die . ^ 
Alleinherrschaft des Augustns zu empfehlen, womit nothwendig auch eine gainz verschiedene ^'r 
Beurtheilung des Dichters gegeben isk 

Zur Orientirung stelle ich die ürtheile einiger Vertreter beider Ansichten zusammen^ 
unter den von Heyne' bekämpfton älteren Gelehrten spricht sich der AVb6 Vätry so m^x^^x. 
Tont le bnt de T^näide est de persnader aux Bomains qu*ils doivent se soumettreT li^ iroAi*^r -- 
nation de celui que sa naissanci^, ses vertue et sa fortune leur ont donn6 pour mattre,'C*est-ä- 
dire ä la domination d* Auguste.' Es kann nicht genügen, diese Aufibssung des ganzen Gedichts 
zurückzuweisen mit Bemerkungen, wie sie Heyne macht: Non male did potest, nid Octavianus 
in gentem Juliam adoptatus fuisset, nullam nos habituros esse Aenddem; sunt quoque multa , 
in Julias gentis Augustique honorem in carmine ingeniöse intexta, nee tamen did potest An- 
gustnm Aeneidis caput fontemque esse. Auch die richtige Einwendung Heyne*s, dass jene Auf- 
fassung schliesslich allegorisch und damit dem Wesen des Epos zuwider sd, kann über Bichtig- . 
keit und Unrichtigkeit derselben nicht entscheiden. Daher sehen wir denn auch die Andcht > 
des gelstreichen AVb6 bei Neueren in der einen oder andern Gestalt wiederkehren. So sagt 
Weidner.^: .Ist es ein Wunder, wenn die Erlebnisse der Bürgerkriege dnen Mann wie Vergil * 
an der Bepublik verzweifek machten und in Cäsar Augustns den Better des Staats und der 
Gesdlschaft erkennen Hessen? War dies aber seine feste üeberzeugung, was war dann gerechter 



> Wddner, Sinkitiuig nun Ocmimentw 8. 41. — > Bd. 2, p. 27 iL — * äJM Vatiry, sv la llibto da 
rjSndd«. Mta. de Tacad. royale das insoriptions eto. ZÜL 17C». p. 848. - « L o. 81 ft 



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und billiger, als der Wunseb, dass die zor Nothwendigkelt gewordene Monarchie in den Herzen 
des Volkes Wnfzel fassen mOebie? Oktavian hatte die Regierung nsnrpirt, Volk und Senat 
huldigten dem Alleinherrscher , es fehlte ihm nur noch die göttliche Weihe and Salbung, so ^ 
war er Herrscher ?on Gottes Gnaden und dadurch in den Augen des Volks legitimer Begent' . 
Und diesen Dienst soll nun, da man Religion und Priester zu solchem Akt noch nicht zu ge- 
brauchen gewusst habe, Vergil mit seiner Anoide dem Augnstus geleistet haben. 'Ohne alle 
Vermittlung mit dieser Auffassung spricht aber Weidner noch von einer anderen Tendenz der 
Äneide, wornach Vergil seinem Volk eine Bibel geben wollte, in der es sein Leben, seine Ge- - 
schiphte, sein -böseres Selbst wiedererkennen sollte zu neuer Anregung und Erweckung der 
verborgenen ROmergefflhle. Es ist nun freilich schwer einzusehen, wie dasselbe Gedicht zugleich 
die Unterwerfung unter den Monarchen predigen und den ROmersinn neu beleben soll, ein Kunst- 
stQck, das wohl auch dem Zauberer Vergil nicht gelingen möchte. Klarer ist Hertzberg's ^ An« . 
sieht, welcher im Allgemeinen den Urtheilen TeuffePs in der Bealencyclopädie zustimmend in 
der Äneide einen durchgeffthrten mythischen Pragmatismus findet, nach welchem Augustus als 
der legitime Erbe des nrsprflnglichen Königshauses mit dem Anspruch auf die rOmische Allein- 
herrschaft erscheinen solle. Darin bestehe der künstliche Bau des ganzen Epos und dessen 
letzter Zweck. In der Literaturgeschichte nennt Teuffei ' Vergil .den correkten Augusteer*, den 
zur Dichtung der JLneide besonders auch der dynastische Beweggrund getrieben habe, neben 
welchem der henrorgekehrte nationale Gesichtspunkt, wie bei anderen Dichtern der ZeHV^Dnn 
dazu diene, die politische Schwenkung zu vermitteln. Von denselben Ansichten ausgehend sieht 
Plfissf in Vergil den Hofdichter des julischen Hauses, findet zur allegorischen Auffassung literer 
zuräckkehrend in einzelnen Stellen der JLneide »politische Typen und politische Parteibeziehungen* . 
und bezeichnet sie geradezu als ein politisches Lied. Etwas abweichend nennt Cron ^ unter den 
Faktoren, denen die JLneide ihre Entstehung verdanke, die.volksthfimliche Verherrlichung 
der durch den Principat des Oktavian zu Stande gekommenen Gestaltung des römischen Reichs. ' 
Endlich bei Beul^^ heisst es: .Examinez T^n^ide avec attention, et vous reconnaitrez que la . 
pens^ fondamentale du poime c*est de populariser les traditions de la famille imperiale, c^est 
de raconter Thistoire des pr^tendns anteurs de la famille des Jules et de cr^er le prestige histo-_ 
rique et divin autour de ce royal berceao.* 

Dieser Ansicht, welche die JLneide zu einem Hofgedicht im Interesse der angusteischen 
Monarchie macht, steht die andere gegenüber, die den politischen Zweck derselben in die Ver- 
herrlichung des ROmerthums setzt Sie ist unter den Neueren in ziemlich übereinstimmendem 
Ausdruck vertreten durch Gossrau, Forbiger und Schaper in den Einldtungen zu ihren Ans-- 
gaben. Nach ihnen wollte Vergil die ROmer durch seine JLneasdichtung begeistern zu ferneren 
Anstrengungen für die Grosse Roms und fBr den Ausbau der Weltherrschaft. Er stellte in 
JLneas ein Ideal römischen Heldenthums auf, das in besonnener Tapferkeit vereint mit Frömmig- 
keit besteht. Wie in ilen Georgika die domesticae virtutes, so seien in der Äneide die publicäe 
yirtntes der ROmer besungen« Dabei habe Vergil in der V7ahl des JLneas die passendste Ge- 

« id 1, 6, a, 607 ff. 6, 760. — * Geieh. der rOn. lit 219. 226, 6. 228. 6. - > Neuei SdiwdieiiMhes 
Hamm. VI. Jshig. 8. 44 ff. Jahrb. f. kL PhlL 1971. & 886 ff. - « Jshib. t kL Phil. 1867, 8. 409 ff: — 
• Aogoila el ns amis p. 291. i \ ^ . 



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legenheit gefunden auf Oktavian aU dea Mann hinzuweisen, der vom Schicksal erkoren sei, die 
Grösse des . ROmernamens ihrem Gipfel zuzufahren und durch Beendigung der Bflrgerkriege die 
Römer des Gefühls ihrer Weltherrschaft froh ' werden zu lassen« Wenn nun auch diese Auf- 
fassung sich den Freunden der Äneide schon an sich als die würdigere, empfehlen dOrfte, so 
kann doch eine begründete Entscheidung nur dann gewonnen werden, wenn ihre Richtigkeit 
und die Unhaltbarkeit der entgegenstehenden im Einzelnen nachgewiesen und ihr Inhalt aus 
dem Gedicht selbst näher bestimmt wird. ! 

Zunächst aber fragt es sich, ob nicht die äusseren Zeugnisse geeignet sind unser Drtheil 
in der einen oder andern Richtung zu leiten. Unter diesen enthält die einzige unmittelbar auf 

die Tendenz der Äneide bezügliche Stelle, Don. vita p. 59 Reiff: argumentum • — in quo, 

quod maxime stndebat, Romanae simul urbis et Augusti origo contineretnr, nichts Unwahres, 
aber auch nichts irgend Belangreiches. Was sonst die Quellen für Vergib Leben über seine 
persönlichen Beziehungen zu Oktavianus geben, über seine Verpflichtungen und Versprechungen, 
seine Aufnahme in den Kreis des Augustus , die Recitationen u. s. w., lässt natürlich einen 
direkten Schluss auf die Tendenz der Äneide nicht zu. Ebensowenig kann die unermüdlich und 
oft höchst ungeschickt wiederholte Behauptung des Servius, dass- der Dichter mit dem odier 
jenem dem Augustus »schmeicheln* oder ihn .loben' wolle, ins Gewicht fallen. Auch mit den 
allgemeinen Lobeserhebungen der Äneide bei Ovid u. a. sowie mit den b^isterten Versen des 
Propertius 8, 84, 59 ff. verhält es sich ebenso. Die Worte: Actia Vergilium custodis litora 
Phoebi Gaesaris et fortes dicere posse rates, beweisen doch nur, dass Propertius Kunde davon 
hatte, dass in der .Äneide auch die Thaten des Oktavian gefeiert werden. Wichtig dagegen fdr 
unsre Frage ist die Stelle der Georgika 8, 13—48, wo Vergil nach Vollendung des gegen* 
wärtigen Gedichts dern^ Oktavian einen Tempel zu errichten, d. h. nach v. 46—48 ihn in einem 
grossen Gedicht zu verherrlichen verspricht. Dürfte man nun in der Äneide die Erfüllung des 
Versprochenen sehen, so müsste diese allerdings als diu Gedicht ausschliesslich zu Ehren des 
Augustus aufgefasst werden. Dies ist aber nicht der Fall. Die Ausschmückung des- gelobtäi^ 
Tempels passt, wie 0. Ribbeck ^ gegen Tittler nachgewiesen hat, in keiner Weise auf die Äneide; 
Ebensowenig kann der Grundgedanke des geplanten Gedichts, welchen v. 16 ausspricht: in 
medio mihi Caesar erit templumque tenebit, auf die Äneide Anwendung finden. Für das hoch- 
tünende Versprechen eines Gedichts, dessen beherrschender Mittelpunkt Augustus sein solle, 
wären doch die in der Äneide verstreuten Huldigungen eine sehr dürftige Erfüllung. Ganz 
unmöglich vollends ist es, die AusfQhrung des versprochenen Tempelbaus mit Cäsar in der Mitte 
in der Stelle der Schildboschreibung 8, 675 : in medio classis aeratas, Actia bella oernere erat, 
finden zu wollen (Ladewig). Man wird zugestehen müssen, dass Vergil, als er die Stelle der 
Georgika schrieb, nur an ein zukünftiges Epos auf Oktavian dachte, wohl auch init einem |fe-' 
whsen troischen Schmuck oder Hintergrund (v. 84-^36), nicht aber an die Äneide, welche dann 
an die Stelle des damals geplanten Gedichtes trat Die Einsicht, dass unsere Äneide nicht 
das in den Georgika versprochene Gedicht sein kOnne, hat, wie mir scheint, schon die Gedanken 
der alten Grammatiker beschäftigi Wenigstens Hesse sich so vielleicht die verworrene Angabe 
des Servins 6, 752 zurechtlegen, deren Schlusssats sich auf Zeugnisse beruft: nnde etiam 



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* Prologomena p. 44. 



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in aotiqnis in?enünu8, opoB boe appellatuin esse non Aeneidem, sed gesta popuUBomaaL^ Es 
ist Dämlicli nndenkbar, dass Jemand auf den verrflckten Gedanken gekommen wäre, die Äneide 
darum, wdl in ihr Einweisungen auf die rOmische Geschichte Torkommen, gesta populi Bomani 
SU nennen. Wohl aber Iftsst sich denken , dass Servius eine Ansicht der Alten verkehrt mit- 
getheilt hat, was ihm auch sonst begegnet ist Es dürfte ihm die Angabe vorgelegen habeni 
dass Yergil die Äneide auch quantitativ unvollendet' hinterlassen und die Absicht gehabt habe, 
de zu gesta populi Bomani bis auf Oktavians Zeit zu er weitem, womit das Yersprechen der 
Georgika eher erfSUt w&re. Dies würde dann dasselbe sein, wie die Angabe der interpolirten 
Vita Don. § 85 (p. 60 Beiff. not.): alti ejus sententiae sunt, ut existiment, eum, si diutius 
vixisset, quatuor et viginti libros usque ad AugusU tempora scripturum atque alia quidem 
(Beiff. statt quaedam) percursurum, Augusti vero gesta diligentissime exsecutnrum.^ Mag sich 
nun in der Georgikastelle Yergil ein Epos gesta populi Bomani usque ad Augusti tempora oder 
o • ein Epos Octavianus (Bibbeck) gedacht haben, jedenfalls ist aus dem Plane nichts geworden 

i,^ »Cftsars Schlachten zu singen und seinen Namen durch so viele Jahre zu tragen , wie er von 

rjL nthonus entfernt ist"; noch weniger kann die Aneide eine .Erweiterung* jenes ursprünglichen 

» Planes genannt werden, wie Teuffei wilL* 

/jt Was aber mag den Dichter bewogen haben, jenen Plan aufzugeben, der nach der Art wie 

ifl Oktavian auf die hervorragenden Schriftsteller seiner Zeit einzuwirken suchte (cf. Hör. carm. 

£ 1, 6. 2, 9, 19. 4, 15. sat 2, 1, 11. epist 2, 1, 245 fll), ihm wohl zusagen mussteP_Han 

,3 konnte leicht versucht sein, an politische Motive zu denken, aber bekannt ist uns darüber 

91 . nichts. Auf die Angabe des Servius prooem. Aen. p. 2, 10 (Thilo): postea ab Augusto Aeneidem 

jf propositam scripsit, ist kein Gewicht zu legen, da sie offenbar auf Construction beruht Yorher 

heisst es : ei proposuit PoUio, ut Carmen bucolicum scriberet, ib. 8, und item proposuit Maecenas 
Georgica, ib. 9. Also muss natürlich die Äneide von Augustus proponirt seinl Was Ponat 
p. 58 B. und schoL Bern, ad eel. 6, 5 über einen früheren epischen Yersnch YeigDs sagen: 
/ pffcn«us materja oder territus insuavitate carminis sei er abgestanden, das mag auch damals 
wirksam gewesen sein. Der gebildete Kunstverstand musste Yergil von den Spuren eines ennia- 
nischen Annalengedichts ebenso wie von eineni Epos der Gegenwart zurückschrecken. Die von 
Horaüus offenbar mit Beziehung auf die Äneide gesprochenen Worte carm. 4, 15, 31 f. : Tro- ~^ 
jamque et Anchisen et almae progeniem Yeneris (d. h. Aenean) canemus sind ein Ausdruck zwar 
nicht gerade, wie Weidner meint, von Ärmlichen Besprechungen des Plans der Ineide im Eräs 
des Augustus, wohl aber von dem auch bei Yergil lebendigen Gefühl, dass zu einem homerischen 
Epos auch ein homerischer Stoff gehöre. Jedenfalls aber, wenn YergQ den direkt auf Oktavians 
Preis abzielenden Plan aulJB^egeben hat zu Gunsten einer indirekten Huldigung, kann es nicht 
die Yerherrlichung des Oktorianus gewesen sein, die ihn zur Äneide geführt hat. Der Gedanke 
Yatry's:^ Yirgile savoit trop bien qu*une louange directe a bien moins.d'effet qu*une louange- 
d^toumte mag sehr blendend sein ; aber wenn sich dies in einem Gedicht nur durch so künst- 
lidie Mittel erreichen Iftsst wie die Yaticinien, die Seelenschau .und SchildverfiNFtigung, so kann 

' In den voilieigehendeii Worten isl gigsn IJoa woU so sn intsrpoDgirea: Albanos regw, Romanos ettam 
(sdL ngm), eonsalM qaos eommemont, Bratos «te. — • Die in neoerar Zeit wieder anfisefteate Behanplimg einor 
qaaatttatiffB mchtvoUeiidiuig der Ineide hst Tenffel B. L. G. 288, 8 mit entsöheidendea Grftndea sorttckgewioMB. 
- • B. L. a 888, 1. - « L e. ^ 868. 



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man in solchem Lob nicht den Haupts weck desselben sehen. Bei nnserer gänzlichen Unwissend ^ 
heit über das Verhältniss des Oktavian zn der Wahl des Äneasstoffes können wir den Antrieb . 
nnr im Dichter selbst suchen. Und wenn man bedenkt, wie frflh der Gedanke an ein Epos V . 
bei Vergil anftanchte, wie schon in jener Stelle der Oeorgika sein Blick auf die troische' Ver- . > 
gangenheit gerichtet ist, wie arm nnd unergiebig die Sagen Italiens waren, so kann man ihm^ . 
wohl zutrauen; dass er auf den schon von Nävius ^betretenen Boden der Äneassage auch \ 
ohne Zuthun des Augustus gef&hrt wurde. Darf man sich aber die Znmuthungen des Oktanan 
einigermassen nach Analogie des Horatius vorstellen, beachtet man, wie sehr die BSmer auf 
laudes Caesaris rechneten (Prop. l c.), und dass Augustus gewiss aus derselben Hoffnung heraus . 
seinen erwartungsvollen Brief geschrieben bat, so macht die Äheide eher den Eindruck, als hätte 
Yergil diesen Stoff gewählt, um das Mass der Huldigungen in der Hand zu haben, wie ihm auch 
die Entfernung von Hom grossere Unabhängigkeit verbürgte. Wenn freilich die JLneide ,im 
Lob des Augustus, in der Weihung seiner Herrschaft, in der Zurfickfährung derselben auf ; V 
eine göttliche Bestimmung ihren höchsten Zweck hätte* S so mflsste man wohl auch annehmen, . 
dass Augustus der eigentliche SchOpfer des Oedankens wäre. Ob dann diese augusteische Ten- 
denz aus freier politischer Überzeugung oder unter mehr oder minder gelindem Druck von ; 
oben entstanden wäre, wfirde f&r die Werthschätzung des Gedichts als solchen keinen grossen 
unterschied machen. Es käme dann auf das ürtheil BeuM*s hinaus, welcher meint: .Yirgile 
se met Timas^nation ä la torture, 11 &it des tours de force d'invention, au Service d*un trte-. :"'■ 
mMiocce sujet*' . Ein solches Verdikt aber sollte über eine grosse nnd bei allen Mängeln ; 
bewundemswerthe Dichtung nicht gesprochen werden, ehe sie im' Einzelnen darauf geprfifk ist^ V . 
Die allgemeinen Eindrflcke von der politischen Tendenz der Äneide haben sich laut und häu^ > 
genug vernehmen lassen, um eine Erörterung der Frage auf Grund der einschlägigen Stellen V 
im Zusammenhang zu rechtfisr^feo. 

• ■ .■■'•-■•...;■■;•'* ^, 

Wenn die Äueide ein Tendenzgedicht im Interesse des augusteischen Principats wäre, ^-'^''"r^' 

so dürfte vor Allem erwartet werden, dass sie in denjenigen Stellen, in welchen sie auf den; -J; 
Gang der römischen Gteschichte hinweist, der Umwanu^^g Borns in eine Monarchie oder nacb ... 
dem ihr zugeschriebenen Pragmatismus der Wiederherstellung der Juli«rherrschaft entsprechenden . r 
Ausdruck gäbe. Es erhebt sich demnach zncorst die. Frage: will die Äneide der Monar- 
chie das Wort reden? Dass sie dies thue, setzt schon Yatiy in der oben . angeführten 
Stelle (S. 1) voraus. Ich glaube aber, dass sich dafür nicht nur kein Bewds aus dem Gedicht : . 
erbringen, sondern auch darthun lässt, dass der Gedanke einer Monarchie des Augustus Yeii^i . . 
überhaupt fremd iat 

Es sind hauptsächlich drd Stellen der Äneide, auf welche in dieser Untersuchung immer. V 
wieder zurückzukommen ist, weil in ihnen der Dichter die ganze rOmische Entwicklung voii v^V 
Ineas bis auf seine Zeit umfiust, das vatidninm Jovis in I, die Seelenschau in VI und der Schild .;' 
in Viil. 'In diesen Stellen nun wird der Übergang von der Bepnblik auf Augustns ohne die 
geringste Andeutung einer politischen yerändemng gemacht, während doch Vergil 6,817 frvi«;;,^ :-V 



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>t Tarquinios reges animainque saperbam oltoris Brnti fascesqne videre reeeptos? and' 
8,646 fL besonders mit Aeneadae in ferrnm pro über täte mebant den Übergang vom EOnigthnm 
znr Bepnblik mit vollem Bewosstsein hervorbebt — Im vaticiniam und in der Seeleoschad, - 
(besonders 6,832 f.) spricht VergH mit Abscheu ?on den BOrgerkri^en und stellt ihnen die . 
angnsteische Zeit, als Friedensftra gegenober, als ein neues goldenes Zeitalter, in welchem 
der Janastempel geschlossen, das bflrgerliche Vertrauen und die alte Zucht (Fides und 
Yesta 1,292) wiederhergestellt und der alte Bfirgerzwist, das Erbe von Bomulus* Blutschuld, 
ausgeglichen sein wird. Wie nahe läge es da bei der angeblichen Tendenz der Äneide, eben die 
Monarchie des Augustus als Ursache solchen Segens zu feiern. Und doch thut dies Vergil 
mit keinem Wort Er rlihmt ein&ch die Thatsache, dass durch des Oktavianus Verdienst Rom 
diese Wohlthaten widerfahren sind. So ist auch der Kampf mit Antonius 8,675 ff. nicht als 
Kampf der Machthaber um die Alleinherrschaft dargestellt Man hat nun wohl behauptetS 
dies sei nur Maske, um die Schwenkung von der Bepublik zur Monarchie zu verdecken, Vergil 
erweise sich eben hiemit als der correkte Augusteer. Aber diese Behauptung widerspricht sich 
selbst Denn wenn seine Absicht darauf gieng, die Wiederherstellung der Julierherrschaft als 
Erlösung fllr die zerfleischte Nation erscheinen zu lassen und sie dadurch den BOmera zii 
empfehlen, sollte er dann nicht gerade den Kampf um diese Monarchie entschieden und. offen 
als solchen bezeichnen müssen? 

. Wenn so in den Hauptstellen die erwartete Hindeutung auf die Monarchie fehlt, soüst sie 
dafür aus anderen Stellen, in welchen der unbefangene Leser sie weder vermuthet noch ^ndet, 
herausinterpretirt worden. Th. Plüss in seinem Aufsatz «Wunder und Zeichen in der römischen 
Chronologie'* hat zu der Stelle 6,826 ff. eine erstaunliche Deutung vorgetragen. Der Sinn des 
Abschnittes soll sein: Setzet ihr, Gftsar und Pompejus, den alten Kampf um Troja nicht fort; 
denn dieser ist schon von einem andern (Ämilius Paulus y. 836 ff.) ausgekämpft, Troja ist 
gerSeht Unter dem .Kampf um Troja' soll man nftmlich nach Plflss die Bürgerkri^ Ter- _ 
stehen, und das Ganze soll den Sinn haben: .ihr, Cäsarianer, solltet nicht um das zerstörte 
Troja, d. h. um die Ton Pompejus im Jahr 684/70 zerstörte altrOmische Verfassung kämpfen, 
dieser Kampf ist längst vorüber, lasset die Todten ruhen. In Wirklichkeit, nach göttlichem 
Rathschluss solltet ihr, Äneaden, vom Jahr 70 an der Monarchie entgegensteuern: Cäsar vef- . 
kannte noch seinen Beruf, Augustus aber erkannte und erfüllte ihn im Jahr 725/29. "^ AU das 
soll der arme Anchises in der Unterwelt in jenen Versen sagen wollen, ja es soll auch 6,838 
eruet ille Agamemnonias Mycenas eine Anspielung auf den Spitznamen des Pompejus in seinem 
Lager .Agamemnon' enthalten! Zugegeben, was niemand zugeben wird, dass ein Dichter niir • 
so ohne Weiteres die Allegorie «Kampf um Troja » Bürgerkrieg um die alte Verfassung*' wie 
eine gangbare Münze ausgeben konnte, was kommt dann heraus? Der wirkliche Kampf um 
Trcja gegen Griechenland und Macedonien' soll, da er schön ausgekämpft ist, die Cäsarianer 
abmahnen vom Kampf um das allegorische Troja, die alte Verfiissung. Welch sonderbare Lögikl ' 
Plüss gewinnt diese allegorische Deutung im Zusammenhang mit seiner Wundercbronologie: ^ 

< Tenffel B. L. 0. aä den oben (8. 2) beieiehneten Stellen. — * Jahrb. t kL Phil. 1871 8. 896; -^ * Den . 
Kampf gegen Orieefaenland and If acedonlen fasrt Vergil im Anaeblnn an ehtgebOigerte yonienongen (s. Schweg 1er 
B..0. I.& 804 ff.) wirklieh als Baebe ftr. Traja. , 



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Denn es kann nach ihm das Jahr 70 als Schiassjahr der alten Zeit angesehen werden,- da in 
diesem Jahr. von Fompejas die snllanische d. h. ,die alte* Yerfassang gestflrzt wird. Wenn 
aber dies, so beginnt mit dem Jahr 69 die nene goldene Zeit der jnlischen Monarchie. «Flngs 
also wird die ZerstOrnng Troja's nm 1000 Jahre znrtlckverlegt ins Jahr 1070*, welches Plüss 
ans anderen Daten als vergilisches Jahr der ZerstOrnng Trojans gefanden za haben glanbi 
Wir werden unten die Unrichtigkeit dieses Ansatzes darlegen. Die Allegorie selbst jedoch wird 
dadnrch, auch wenn derselbe richtig wäre, nicht annehmbarer; nnd ob sie in Hon carm. 8,3 
za finden ist, mSgen die Eandigen entscheiden. PIfiss aber meint; er habe mit seiner Erklärnng 
aach die Reihenfolge der Verse 6,835 £ als richtig erwiesen; besonders sei so das zweimalige 
ille motivirt, das übrigens nicht, wie Plflss behauptet, beide Male aaf Ämilias Paolns geht, 
sondern in y. 836 offenbar aaf Mummias, in 838 auf Paolos. Mir 'scheint es, dass ille rein 
deiktisch von Anchises ans wie 808 sich anschwer verstehen lässt, dass aber die Reihenfolge 
der Verse schlechterdings unhaltbar ist. 

Wir wenden uns zu anderen Stellen. In den Worten, womit Apollo dem Aska&ius zu 
seinem Schasse Glück wünscht 9,641 ff., scheint der Oott mit gente sub Assarad auf eine 
kfinftige Weltherrschaft der Julier hinzudeuten, er gebraucht in nee te Troja eapit eine Wen- 
dung, welche in Macedonien eine Weltherrschaft vorbedeutet hat, und dennoch wird nicht diese, 
sondern Weltfriede verheissen: jure omnia bella resident. Dieser Weltfriede ist aber, wie wir^ 
später, sehen werden, der römische; gens Assaraci hier ist wie domus Assaraci 1,284 das 
römische Volk. Es enth&lt also diese Stelle nichts von einer durch das Schicksal bestimmten 
»schliesslichen Alleinherrschaft des Augustus", sowenig als es richtig ist, dass Vergil in 9,448 f.: 
dum domus Aeneae Gapitoli immobile sazum accolet imperiumque pater Romanus habebit, die 
Existenz Roms an den Fortbestand des julischen Oeschlechtes «oder vielmehr eines Alleinherrschers 
aus diesem' knüpfe.' Es geht nicht, in dieser räthselhaften Stelle domus Aeneae £= gens 
Julia zu nehmen, weil von dieser gewiss nicht das Eapitol, sondern das Palatium als Sitz 
genannt wäre, und vor Allem weil es keinen Sinn hat die Verewigung des Nisus und Euryalus 
an den Bestand des julischen Hauses zu knüpfen. Die einzig mögliche Erklärung domus Aeneae 
=r popnlns Romanns, drängt sich gewiss jedem Leser von selbst auf. Was aber bedeutet pater 
Romanus? Ist es so viel als Juppiter Capitolinus oder ci vis Romanus oder senatus Romaaus 
oder Augustus? Man sieht an der Verlegenheit der Ausleger, dass keine dieser Erklärungen 
genfigen will. Von civis oder senatus kann keine Rede sein, da das erste Aber die Massen 
geschmacklos, das andere, pater = patres = senatus sprachlich unmöglich ist Juppiter aber 
ist ebensowenig je pater Romanus genannt worden, wie Augustus.' Zudem wäre es 
sinnlos die Ewigkeit, die doch Vergil offenbar bezeichnen will, durch dum Augustus iinperinm 
habebit auszudrucken. Daher sehen sich Wagner und Weidner genöthigt Augustus and das 
julische Haus als Herrscher Roms unter dem pater Romanus zu begreifen. Wenn solche Inter* 
pretation erlaubt ist , dann ist Alles ' erlaubt Aus diesen Orflnden sehe ich von den aaf- 
gestellten Erklärungen ab nnd nehme pater Romanns = Aeneas, der als pater indiges gut so 



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* Wddoer L e. 8. 51. -^ * Her. carm. 1,2,50: Ue amet did pitsr. alqaa prinoBpf ift. natQrlieh etwai 
ganz Änderet, ala den Angmtot geradein pater Bomanni nennea. 



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genannt werden nnd als Stammvater der ROmer aneh Repräsentant der fSr die Ewigkeit 
bestimmten ROmerherrsebait sein kann. Sogut Lavininm inscbrifUicb als sacra prindpia popnli 
Romani bezeichnet wird Orelli 2275,^ sognt darf Aeneas pater Romanns genannt werden. 
Nach dieser Auffassung wfirde also Vergil in seiner bekannten Weise denselben Gedanken 
doppelt ausdrücken; solange das Hans des Äneas d. b. die ROmer an des Kapitals nnbeweg- 
liehem Felsen wobnen, und der pater indiges des ROmer?olks d. h. dieses selbst die Herrschaft 
haben wird. Eine politische Beziehung auf Augustus finde ich nicht in der Stelle, sondern 
dasselbe, was Horatins, freilich viel schöner, sagt carro. 3,80,9: dum Capitolium scandet cum 
tacita virgine* pontifex d. h. so lange es ein Rom geben wird. — Auch in der letzten 
der Schilddarstellungen 8,720 ff, wo Augustus unter der Pforte des palatinischen Apollotempels 
die dona der unterworfenen Volker mustert, konnte man nach dem ersten Anschein die 
Absicht Termuthen, ihn als Weltherrscher erscheinen zu lassen und durch Verlegung des Schluss- 
aktes des grossen Triumphs vom Jahr 725/29 auf den palatinischen Hfigel die politische Ver- 
änderung zu versinnlichen. Allein die Auffassung jenes Bildes als Abschluss des Triumphs 
ist unmöglich. Die aufgefBhrten Volker haben grossentheils mit dem Triumph gar nichts zu 
thun; die dargebrachten Geschenke als aurum coronarium zu nehmen geht nicht an, weil dieses 
vor dem Triumph gegeben wurde'; und endlich ist es undenkbar, dass Augustus auf demselben 
Triumphbild die Tempel weihend (715) und die Gaben emp&ngend dargestellt sein konnte. 
Die in Frage stehende Stelle enthält gar nicht ein Schlussbild des Triumphs, sondem^eine 
Scene fär sich, die Aufstellung von Weihgeschenken aus der Beute, die Okta?ian ohne politische' 
Bedeutsamkeit in dem «f on ihm gegrflndeten Tempel vollziehen kann. Wie in der Darstellung 
des Triumphs nicht der Einzug, sondern das votum immortale sacrabat von Vergil hervor- 
gehoben ist (715) als Dank für den Sieg cf. mon. Ancyr. 4,17« Suet Oct 29 u. a«, so in dem 
zweiten Bild das, was Augustus von sich rflhmt mon. Anc. 4,28 ff.: dona ex manibiis in Capi- 
tolio et in aede divi Juli et in aede Apoll inis et in aede Vestae et in templo Martis Dl- 
toris consacrari. Dazu stimmt Vergils dona recognoscit aptatque superbis postibus, und es hat 
dabei keinen Anstand, dass Vergil auch Volker aufzählt, welche der aktische Triumph nicht 
betraf. Dazu fBgt sich aufs beste die Vermuthung Hertzberg*s, dass die Bilder der unterworfenen 
Volmer, die nach Ser?iu8 8,721 in einer Halle beim Apollotempel (vgl. mon. Ana 4,2: templum 
Apollinis in Palatio cum porücibus) aufgestellt waren, dem Dichter Veranlassung zur Fiktion 
des Volkerzugs gegeben haben, wie denn auch die Halle mit einem .offenbar populären Namen 
spätrOmischer Zeit* (Hertzberg) ad nationes bei Servius genannt wird. Oktavianus ist also 
in dem Triumphbild ebenso wie in dem palatinischen in religiöser Thätigkeit dargestellt, die 
ihn so sehr charakterisirt, nicht als Herr und Herrscher. 

Indess nicht im Allgemeinen blos soll Vergil die AUeinberrschaft des Augustus verherr- 
lichen, sondern auch den julischen Parteistandpunkt in grossen politischen Fragen und bestimmte 
Einriebtungen der Monarchie des Augustus vertreten. Auch hier hai' wieder Pltlss die tiebten 
Blicke gethan.* Nacb ihm stellt Vergil «den Untergang des rOmiscihen Adels im Schicksals- 
verband mit der Geburt des Alleinherrschers Augustus' dar im Schiffwettkampf des V. Buchs. 

I 6£ UenuDsen rOmlCbnm. 8. 158. — * Haiqnardt S; 8. 285. — * Wunder nnd Zeichen & 892. Sehwds. 
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Penn dieser ist Dach PlQss nicht blos, wie so vieles Andere in der Äneide, Yorausnahme einer 
r&mischen Sache, der certamina navalia, sondern es steckt darin ein politischer Wettkampf. 
In Sergestns-Sergins sieht Plfiss den Catilina, der in der Unterwelt 8, 666 ff. ebenso mihaci 
scopnlo pendet, wie hier seines Ahnherrn Schiff 5, 204 ff. 220. 270. Wie dieser 202, so renne 
Catilina durch blinde Wath ins Verderben, nnd deutlich genug werde sein gelähmtes Schiff 
mit einer gelähmten Schlange (der Verschwörung!) yerglichen 273 ff. Mnestheus-Memmins 
repräsentire die römische Plebs, Cloanthus-Cluentius die Italiker, sofern der samnitische Claen- 
tius mit Emphase als Römer bezeichnet werde, im Wettkampf mit dem römischen Patriciat 
Mit Hilfe der Julier haben die Italiker das Burgerrecht erlangt, wie Gloanthus den ersten 
Preis. Die Plebs nehme ehrenvoll Theil an diesem Kampf, indem sie den zweiten Preis erlange. 
Der verkommene Adel, reprasentirt durch Sergestus, renne in Spott und Schande. So soll Vergil 
die Parteikämpfe darstellen wollen, aus denen das neue Bom mit der Monarchie der Jnlier 
hervorgieng, in welcher Plebejer und Provincialen die nächste Umgebung des Augustus bildeten. 
Als ob der Kampf der Plebs mit dem Patriciat irgend welche Beziehung zum Aufkommen der 
Julier hätte; als ob das Scheitern der catilinarischen Verschwörung zum Buhm der Julier 
beitragen könnte, da doch das Verhältniss des Julius Cäsar zu. derselben stadtkundig war. Was 
aber die allegorische Deutung selbst betrifft, so lässt sie sich schliesslich nicht widerlegen: es 
ist Sache des Glaubens, sie anzunehmen, und Sache des guten Geschmacks, sie zurückzuweisen. 
Doch muss jede Allegorie das Verständniss der Leser in Rechnung nehmen, nnd in dieser Hin- 
sicht ist es Beweis genug gegen Plflss, dass kein Mensch im Alterthum bei dem' schön be- 
schriebenen Schiffkampf an solche geheime Schönheiten gedacht hat. Und wenn es Plflss so 
bedeutend erscheint, dass der Ahnherr der samnitischen Gluentier mit Emphase als Bomanus 
bezeichnet werde 123, was soll dann Politisches in dem mox Italus Mnestheus 117 steckenP 
Ferner, wenn Plfiss sich so viel darauf zu Gute thut, dass er die Beziehung des am Felsen 
schwebenden Catilina in der Unterwelt auf den Sergestus an der Klippe entdeckt habe, warum 
hat denn Vergil in 8, 668 dem Leser das Verständniss dieser tiefen Beziehung nicht wenigstens 
dadurch erleichtert, dass er den Catilina Sergius nannte? In der That wird Niemand in jener 
Stelle an etwas Anderes denken als an Prometheus, wie bei den Strafen im Tartarus 6, 616 ff. 
Sisyphus, Ixion u. a. vorschweben. 

Die stärkste Stfitze jedoch für seine allegorische Erklärung sieht Plfiss in der ?on ihm 
entdeckten Wunderchronologie der JLneide. Es soll um den Schiffwettkampf^ Catilina und Aur 
gustus ein geheimes Zahlenband geschlungen sein, sofern JLnoas 1063 y. Chr. in Sidlien die 
Spiele halte, Catilina*s Verschwörung und Augustus' Geburt ins Jahr 63 &llen. Dass diese 
Chronologie unrichtig ist, glaube ich beweisen zu können. Erstens folgt aus dem Gebrauch 
des Wortes saecula in 1, 291 und 6, 793 fdr Zeitalter durchaus nicht, dass Vergil mit dem 
Jahr 725/29 eine neue Säkularreihe im Sinn der theologisch-antiquarischen Spekulation einiger 
2^itgenossen beginne; ebensowenig aus 12, 826, dass er die Dauer des albanischen Königreichs 
nach saecula in römischem Sinn berechne. Wie frei er sich zu diesen Säkularphantasien ^ stellt, 
zeigt die Vergleichung ?on 6, 792, wo das augusteische Zeitalter als neues saturnisches be- 
zeichnet wird, mit ecl. 4, 10, wo er es apollinisch nennt Zweitens: nicht mit dnem Wort 

* Vgl. Mommien, zöm. Chrono!. 8/184, Anm. 861. ' .^ ^ :. 



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deutet Yergil an, dass er sich Tor dem Jahr 29 seit Orfinduog Borns 7 saecula verflossen denke, 
somit sich zum cindanischen Grflndnngsjahr 729 bekenne. Aach die seit Alba*s Grundimg. 
angeblich yerflossenen 1000 Jahre bis 29 a. C. bezeichnet er nirgends. Drittens : es ist nicl^t . 
richtig, dass «Vergil ?on Alba^s bis Roms ErOfEhung 3 saecnla yoii je 100 Jahren ^ rechne*; 
denn er sagt deutlich, in Alba werde die Herrschaft unter einem hektorischen Geschlecht 300 
volle Jahre dauern bis zur Geburt der Zwillinge 1» 272 ff. Dass nun diese nicht ge- 
borene Gr&nder sind, dass ihre Geburt nicht mit der Grfindung Roms zusammenfällt, ist selbst- 
verstftndlich, und zudem wird von Yergil in dem folgenden .inde* 275 der nothwendige Zwischen- 
raum angedeutet Es müssen also zu den seit Askanius* letztem Begierungsjahr und der Gründung 
Alba*s (1, 271 und 8, 47) bis zur Geburt des Bomulus verflossenen 300 Jahren mindestens 20 
bis zur Grfindung Boms hinzugezfthlt werden, wenn man chronologische Schlflsse aus der Stelle 
ziehen wilL Folglich wfirde, das cincianische Grflndungsjahr 729 als vergilisch vorausgesetzt, 
Bomulus 749 a. C. geboren sein, und ,das julische Herrscherhaus würde im Jahr 29 nicht sein 
lOOOjihriges Jubiläum seit Grfindung Alba's feiern*, sondern sein 102()]&hriges, womit das 
ganze Sftknlargeheimmss zerrinnt. Eben damit werden auch die weiteren Folgerungen, die 
Plflss in dncianischem Sinn macht, hinf&llig. Ist Bomulus 749 geboren, so ergibt sich. 1049 
ffir Alba*s Grfindung, 1079 für Ineas* Tod und lulus* Anfang, 1083 f&r Ineas' Spiele in 
Sicilien und Ankunft in Latium, 1090 für Trojans Zerstörung, und es ist somit der .mystische 
Zahlenpragmatismus' ffir die Jahre 70, 69, 63, 59, 29 zerstört Die Nichtbeachtung jener 
mindestens 20 Jahre in der vergilischen Bechnung findet sich allerdings nicht bloss bei Plfiss, 
sondern auch bei Schwegler ^ und Mommsen \ obwohl schon Heyne ' die oben vorgetragene 
Berechnung andeutet Der klare Wortsinn verlangt dieselbe schlechterdings, wenn man jene 
Stelle des vatidnium Jovis chronologisch verwerthen wilL Eine Vermittlung zwischen Yergil 
und den gewöhnlichen Ansätzen von Boms Grfindung und Trojans Zerstörung ist freilich damit 
auch nicht gewonnen, wie sie denn fiberhaupt unmöglich ist, da seine 333 Jahre nur dich^, 
terisehes Spiel mit der Dreizahl sind, auf welches man fiberhaupt solche chronologische Ge- 
bäude nicht grfinden durfte. Fiele nun, immer das unerwiesene cincianische Grfindungsjahr ffir 
die Ineide vorausgesetzt, der Schiflfkampf in Sidlien ins Jahr 10ß3, so hätte derselbe mit 
Catilina und dem Jahr 63 nichts mehr zu thun. Zudem will es uns schwer eingehen, dass 
ein geistvoller Dichter darauf verfallen soll, durch einen SchiflTkampf bei den Leichenspielen des 
Anchises die catilinarische Verschwörung zu bezeichnen! Und wenn er es thäte, mfisste dann 
nicht der Ahnherr der Julier in einer andern Bolle auftreten als der des AgonothetenP mfisste 
nicht, damit das mystische Zahlenband seine volle Kraft hätte, lulus im Jahr 1063 geboren 
sein, wie Oktavianus im Jahr 68? 

Ebenso kann ich die Behauptung Goesrau's u. a. nicht begrfindet finden, dass Vergil durch 
die Stellung, welche er dem Bath der Alten neben Ineas anweise, die augusteische Staatsform 
habe empfehlen wollen, womach die Hoheit des Volks auf Einen fibertragen, die Gomitien, be- 
seitigt und der Senat zu einem blossen Bath gemacht werden sollte. All tfies wird erschlossen 
aus 5, 758 : Acestes patribus dat jura vocatis und anderen per saturam beigezogenen Stellen. 



« B. 6. 1. & 844. — • BSm. Chm. 8. 158. - * Exe. m ad Aea. XIL 



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Soll deoD nun auch noch der dunkle Ehrenmann Acestes ein Vorbild f&r Angnstos sein, anch 
Dido 1, 426, si diis placet, und Latinus 11, 234. 335 oder Euander 8, 105? Und was ist 
am Ende an all diesen Stellen, nnd an 3, 58, wo Äneas die Alten befragt? Überall nichts, 
als was Alkinoos bei Homer thut. Von irgend welcher Bestimmung fiber Machtbefligniss nnd 
Gompetenz keine Rede, and was Gossran sagt: Aeneas modo eonsiliam cnpit andire senatus 
neque tenetur ejus auctoritate, entschieden anrichtig, da Äneas 3, 62 ff. genan das thut, was 
die Fürsten des Volks geratben haben. Wenn endlich in der JLneide keine Volksversammlung 
vorkommt, so mag dies Zufall sein, erwähnt wird wenigstens eine solche 7, 246. Eine poli- 
tische Tendenz kann man gewiss in diesem Umstand nicht finden. Und wenn der Senat in . der 
Äneide die Stellung hätte, welche Qossrau darin findet, was sollte dies fQr Augustus ausmachend 
Kann man im Ernst glauben, die Römer wären für dessen Einrichtungen günstig gestimmt 
worden, wenn laut JLneide schon der Ahnherr der Julier ähnliche gehabt hätte? Was Heyne 
gegen die älteren Aufstellungen dieser Art gesagt hat, gilt auch gegen die neueren: quäle 
inde propugnaculum novo Augusti regno partum sit, non intelligo. — Noch viel unhaltbarer 
ist, was Gossrau ebendaselbst sagt: Aeneas omnibus sacris praeest more regum Romanoram, 
et Augustas sibi sumpsit pontificatum. Denn erstens hat sich Augastus den Pontifikat nicht 
genommen s. mon. Anc 2, 23 ff., wo er das gerade Gegentheil von sich rühmt; sodann musste 
V^ergil, ganz abgesehen von der pietas, dem Äneas priesterlicho Funktionen zuweisen, wenn er 
heroischer König sein sollte. Nach welchem Recept Vergil seinen Helden hätte gestalten 
sollen, um der Tendenzriecherei zu entgehen, ist kaum zu sagen, wenn ihn nicht einmal die 
Nachahmung Homers davor schützen kann. 

Es lässt sich nach dem Bisherigen nicht erweisen, dass Vergil der augusteischen Monarchie 
oder bestimmten Richtungen und Einrichtungen derselben habe das Wort reden wollen. Vergil 
hat solche Tendenzen nicht gehabt, nicht nur weil sie ganz unpoetisch, sondern auch weil sie 
politisch werthlos gewesen wären in einem Gedicht. Es würden aber die ihm zugeschriebenen 
Absichten auch mit der Auffassung der Stellung des Augustus bei den Zeitgenossen und mit 
Augustus' Wünschen kaum vereinbar sein. Sosehr Augustus wünschen mochte von den Dichtem 
als der erste Mann Roms gepriesen zu werden, sowenig wollte er doch als Monarch im Gegen- 
satz zu der alten Republik erscheinen. Man darf nicht, wie Plüss, moderne französische Ver- 
hältnisse in jene Zeiten hineintragen und von „Staatsstreich und Restanration des Angestammten* 
reden K Was Mommsen ' zu Tacitus ann. 1, 1 und 2 sagt, es sei zwar ein officiosum mcndacium 
der Zeitgenossen, dass Augustus 727/27 die Freiheit wiederhergestellt, aber auch ein sollemnis 
error der Späteren, dass er damals die Alleinherrschaft proclamirt habe, bezeichnet treffend die 
Sachlage. Augustus hatte alle Gewalt eines Monarchen, aber mit dem Schein der alten Ver- 
fassung. Er wollte den Schein der Monarchie so wenig, dass er mon. Anc 6,16 seinen höchsten 
Machttitel «Augustus'' eben von der Rückgabe der Gewalt an das Volk herleitet. Es war Ihm 
darum zu thun, nur als princeps dignitate zu erscheinen, mon. Anc 6,21 ff: post id tempus 
praestiü omnibus dignitate, potestatis autem nihilo amplius habui quam qui faerunt mihi quoqiie 
in magistratn conlegac Er würde gewiss das Wort des Tiberius (Dio 57,8) zu dem seinigen 






< Scfaweis. Mus. 1. a 8. 46. - • Mon. Anc p. lOO aq. 



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12 



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gemacht haben: ön dionhrfl ith xm tovkap, aironfat€9f M rm ar^aruar&p^ top U d^ Xoinuw 
nf jxpcrof (princeps) bI^u Und diese Aufiassiuig raner SteUong, wornach die alte Verhesnng 
wieder edt 727/27 bestand ohne ausserordentliche Qewalt des Princeps« ist nach Mommsen^« 
auch die der Zeitgenossen, vgl. besonders Yellej. 2, 89,3. Der G^ensats von Bepublik nnd Monarchie 
kam in dem aogusteischen System nicht zum Bewosstseiui oder man hielt sich doch an die von 
Augustes selbst beliebte Fiktion. Von einem Hof aber, von Hofhistoriographen und Hofpoeten 
zu reden ist darchans gegenstandslos. Eine Monarchie im Gegensatz zu der republikanischen 
Ver&ssung deutet Yergil nicht nur nicht an, sondern er ist mit dieser Zurflckhaltung auch in 
Dbereinstimmung mit den Anschauungen der Zeit, da selbst in so uberschwftnglichen Verherr- 
lichungen der Herrschaft des Augustus wie Hör. carm. 1,12 der Gegensatz zur Bepublik nicht 
durchbriehi 

III. 

Mit dem Bisherigen ist schon von selbst gegeben, dass es Vergils Absicht nicht gewesen 
sein kann, durch seine Dichtung einen Erbanspruch der Julier auf die Herrsohaft 
über Bom und dieWelt zu erweisen. Allein gerade diese Seite der angeblichen Tendenz 
dar Äneide ist so stark betont worden , dass wir näher darauf eingehen mflssen. Sagt doch 
Scb wegler' mit dfirren Worten: »Yergüs Aneide verfolgt den politischen Nebenzweck, Augusts 
Alleinherrschaft mit dem Nimbus der Legitimität zu umkleiden und gewissermassen auf den 
B^iff des Erbrechts zu basiren*. Dabei beruft er sidi auf die Ausführungen YatryVy-der in 
der That die meisten seither von Andern vorgebrachten Grfinde schon berfihrt Zunächst beruh 
nach Yatry das Erbrecht der Julier bei Yergil auf der Abstammung von Yenus. Dagegen ist zu 
sagen, dass in all den vielen Stellen der Äneide, in denen Yenus, die Stämmmutter der Julier,, 
auftritt, nicht ein Mal ein Herrschaftsanspruch derselben aus diesem Umstand abgeleitet wird, 
und dass der gelehrte Yergil wissen musste, dass dann auch die JLmilier als Nachkommen des 
Ineas * ein Geburtsrecht auf den römischen Thron gehabt hätten. Seh wegler's Worte adoptirt . 
Weidner ad 1,286, indem er in v. 288: Julius , a magno demissum nomen Ido einen Beweis 
ihrer Bichtigkeit findet Was man doch in eine Stelle hineinlegen kannl Die Worte haben 
in Juppiters Mund lediglich den Zweck, der Yenus den ihr noch unbekannten Helden der Zu- 
kunft, Cäsar als Julier interessant zu machen. Yon Erbredit steht aber auch nicht eine Silbe 
da. und kann auch nicht, da das Imperium, welches Cäsar bis zum Ocean erweitern wird, nicht 
das seinige ist, sondern das des römischen Yolks 279. Weiter beruft sich Weidner auf 6,789—800, 
wo Äneas die Seele des Augustus schaut, um durch den Anblick seines grOssten Nachkommen 
aus der progrnies luli ffir seine Kämpfe begeistert zu werden, ganz wie Yenus mit jenem Aus- 
blick von Juppiter getrOstet wird. Und dadurch soll auf Augustus* Herrschaft ein Nimbus der 
Legitimität fallen! Ebensogut konnte man behaupten, die Worte Uhland*s: Zollem, deine 
Leiche umschwebt ein lichter Kranz: Sahst du vielleicht noch sterbend dein Haus im kflnft'gen 
Glanz? lassen einen Schimmer von Legitimität auf die heutige Macht der HohenzoUern fallen. 
Oder wenn W. Hauff im Lichtenstein seinen Herzog Dlrich, als er im Begrüflst einem dunklen 
Schicksal entg^enzugehen, sich an einem Traumgesicht stärken lässt, das ihm einen Nachkommen 



< Mob. Abc. p. 98. -> BOm. G«^ L 8. 88«. — > & 8ehw6gler B. 0. L a 885.. 



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seines Stamms als ESnig zeigt, will er etwa dadurch das ESnigthum in Wfirttemberg mit dem 
Nimbus der Legitimität umgeben? Mit so gebrechlichen Stützen bat Weidner der Behauptung 
Schwegler's schwache Hilfe gebracht 

Ein Legitimitätsbeweis für die Julier könnte in der Äneide allerdings dann gefunden werden, 
wenn sich erweisen Hesse, dass die Bedingungen der römischen Weltherrschaft wesentlich mit 
Äneas und seiner Nachkommenschaft yerkniipft wären. Ich meine die Penaten, welche nach 
Latium zu bringen der Hauptzweck seiner gOttlicben Sendung ist, vgl. 1, 6. 12, 192 und besonders 
1,378, nebenbei auch 1,68. 3, 15. 6,68. 8,11 u. a. Diese Wichtigkeit der Penaten erklärt sich nicht 
blos daraus, dass sie die Continuität der Entwicklung in den Schicksalsstationen Troja-Lavinium- 
Alba-Rom darstellen, sondern auch daraus, dass sie die Unterpfänder der Weltherrschaft Roms 
sind. Denn während Vergil weder dem Palladium eine solche Bedeutung gibt^ noch von den 
Septem pignora des Servius ad 7, 188 etwas weiss, lässt er die Penaten in ihrer Rede 3, 154 fk 
dem Äneas die Versicherung geben, dass sie der känftigen Äneadcnstadt die Weltherrschaft 
verleihen werden 159. Auch in dem folgenden tu moenia magnis magna para beziehe ich magnis 
auf die Penaten, wie eine Erklärung bei Servius, nicht auf nepotes, noch als Neutrum auf die 
grosse Zukunft Ebenso werden die Penaten als magni bezeichnet 9, 258 und, wie ich glaube, 
in 3, 12 und 8, 679 ^ Äneas soll als Werkzeug der Penaten fBr sie eine grosse Stadt 
grflnden, Lavinium natürlich als sacra principia Romae. Wären nun diese Penaten die Hausgötter 
des Äneas und der Jnlier, so konnte man wohl von einem legitimen Erbanspruch der letzteren 
reden, der in der Herrschaft des Augustus verwirklicht wäre. Aber dies ist entschieden nicht 
der Fall. Vergil denkt sich die Penaten als SegensgOtter des troischen Volks, nicht als Haus- 
götter des Äneas, ihre Verheissungen also nicht am Hause der Äneas haftend, sondern an 
dessen Volk. Dies geht hervor aus den Worten, mit welchen Hektor dem Äneas im Traum 
die Penaten übergibt: saora suosque tibi commendat Troja penates 2, 293; wie. rie denn 
auch 2, 747 von Äneas selbst teukrische genauit werden und 7, 121 Trojae penates. In 
keinem andern Sinn schwürt auch Askanius 9, 258 bei den Penaten und des Assarakus Lar 
d. h. dem schon von Assarakus verehrten Heros Eponymos des Dardanierstamms* nnd bei dem 
Heiligthum der Vesta als den Schutzgottheiteii Troja's. Auch die Worte der Mschen BeroO 
5, 632 geboren hierher, da sie vom Standpunkt der Troerinnen gesprochen sind. Obwohl nun 
Vergil in n die Rettung der Penaten nicht mit wflnschenswerther Deutlichkeit ausgeführt 
hat, so kann ich doch die grossen Schwierigkeiten nicht finden, wie Hertzberg sie annimmt 
Vergil denkt sich den Äneas nicht selbst die Heiligthümer aus der Borg rettend, ohne Zweiftl 
aus dem v. 718 if. angefahrten Grunde; der Priester Panthns bringt sie von der Burg snm 



« Hertsberg de diii Bominonim pfttriis p. 90 et Maiqnardt 8. 8. 248. — *Ieh glaabe, dui in den beiden 
letiten SieDen das »et* leioe eiiifiichite Dentong findet, wenn man pebatei, wie oll bei Gieoro^ i^jektiviidi ndt 
dii verbindet „die MgeBwalteiideD nnd gieoen Göttei^. Dabei ist et immerhiB mOglidi, dtn VeigO an die 
Hunothiakiiclieii gi o wcn GOtter dachte, nnd TieDeiebt wollte er die Wanderaiig dea Daidanns Aber Samothimke 
7, 906 ff. damit noch in Zasanmenhüig bringen. — ' Maiqnardt 8» 8. 844. Der Lar des AaHurakna ist ein 
anderer Ansdxnek ftr Pergameni lar 6| 744^ aber Lar der Seitenlinie kann er als lelion von Aaiaiakas ven- 
ehrt ni^ srin» da diese Seitenlinie des troiidien Kenigahanses ja erst von AMaiakns abatninml G^gn 

Hertibeif ad 1, e & eee. 



V.. 



14 



Hanse des Äneas 318 ff., und dass derselbe sie dort niederlegt, ist indirekt damit ansgedrfickt, 
dass Panthns sich den Kämpfenden anschliesst und ftllt 429; die so in sein Hans geflfichteten 
troischen Heiligthfimer heisst Äneas seinen Vater ergreifen 717: tn, genitor, cape sacra mann' ' 
patriosqne penates, nnd rettet sie mit ihm, nicht aber, wie Hertzberg will, seine Familien- 
penaten, was aus 747 deutlich wird, wo die von Anchises getragenen Penaten teukrische ge- . 
nannt werden. Das Traumgesicht, in welchem Hektor erscheint 268 ff., hat nur die Bedeutung 
den Äneas zur Rettung der Penaten zu ermuthigen, indem der grösste Held Trojans dem 
Tapfersten nach ihm et 11, 289. 11. E 467« P 513 ihren Schutz überträgt und durch Heraus- 
tragung des Vestabildes aus dem im Traum dem Äneas sichtbaren Heillgthum symbolisch die 
Loslösnng der Schutzgfttter von Troja zeigt, um Äneas ?on der unvermeidlichen Auswanderung 
(ignem) zu überzeugen. Wenn aber Vesta genannt ist , während man die Penaten erwartet, 
so zeigt dies wieder, dass Vergil die Staatspenaten im Sinn hat, die er sich wie die römischen 
im Yestatempel verwahrt denkt (vgl. auch 9, 259). Mag er nun die Absicht gehabt haben 
(Hertzberg) oder nicht, die Rettung deutlicher und mit mehr Betheilignng des Äneas zu 
schildern, jedenfalls waren es die troischen Staatspenaten, die Äneas rettete. Diese aber 
konnten seinen Nachkommen keinen Herrschaftsanspruch legitimiren, da ihr Segen dem troischen 
Volke galt Daraus, dass Äneas die ünterpfiLnder der Weltherrschaft, die vor ihm da waren 
und nicht ihm allein gehörten, gerettet hat, folgt doch nicht, dass die Herrschaft in dem ver- 
heissenen Weltreich fflr seinen Enkel als jus hereditarium et nepotibus regiis injuria tarn diu 
negatum erscheinet Und deutlich genug sagen auch die Penaten 3, 159: Imperium urbi 
dabimus, während sie den Juliern, wenn man diese unter nepotes 158 versteht, göttlichen 
Ruhm versprechen. Anders läge die Sache allerdings, wenn irgendwo das Köoigthum dea 
Äoeas auf die Penatenrettung begründet wäre. Darin könnte man die Tendenz finden, 
Augustus* Herrschaft als .Restauration des Angestammten'' darzustellen. Aber ein solcher 
Zusammenhang findet sich nirgends. Äneas ist König als Föhrer der Auswanderer 2, 798 ff. - 
Der Legitimitätsbegriff aber liegt Yergil so fern, dass er sich nicht einmal bemüht Äneas. 
als legitimen Erben des erloschenen Hauses des Priamus erscheinen zu lassen. Denn obwohl 
auch dies von Hertzberg behauptet wird, so streitet doch damit die Existenz eines Enkels des 
Priamus in Äneas* Gefolge 5, 564 

Indess hat Hertzberg seiner Ansicht noch eine stärkere Stütze zu geben versucht, wenn 
er sagt ad 1, 6: ^So war auch das Atrium seines Herrscherschlosses auf dem Palatium wieder 
zum Stadt- nnd Staatsheiligthum geweiht worden und Sitz der Schützerin des Reichs, derselben 
Vesta, deren Dienst sein Ahnherr von Troja über das Meer gebracht hatte". Für «diesen 
Zusammenhang nnd diese Tendenz der Äneide* verweist er auf seine Bemerkung zu 2^ 567, 
nach welcher die Topographie von an nnd domus Priami in Troja dem Gapitol und Palatium 
in Rom entsprechen soll. Die ursprüngliche Zusammeugehörigkeit der Vesta, der Penaten und 
des Herrschersitzes sei dadurch »erneuert und bestätigt worden, dass Oktavian', als Pontifex 
Maximus Inhaber der alten R^a und nach Vergils Auffassung legitimer Erbe der römischen 
Weltherrschaft, seinen Herrschersitz auf dem Palatium i^ufgeschlagen nnd das Atrium dissselben 



* Hertsberf da diit Rom. patr, p^ 84. 



15 



gewissennassen za einem zweiten Vestatempel habe inangnriren lassen. Oenan diesen That- 
Sachen entsprechend denke sich Vergil den Palast des Priamos xl B. w.* Diese BeweisfBhnmg 
wird aber dadurch hinfällig, dass Augostns jenen Cult der Vesta und der Penaten anf deno 
Palatium kurz nach seiner Wahl zum Pontifex l^Iaximus im Jahr 742/12 einsetzte ^ w&hrend 
Vergil schon 785/19 gestorben ist. Wie kann also der Dichter bei seiner angeblichen troischen 
Topographie solch sublimen politischen Gedanken anf Gmnd der «Thatsacben* nachgegangen 
sein ? Zudem möchte es sich sehr fragen , ob man dem Augustus selbst wegen zweier Stellen 
des Schmeichlers Ovid (fast. 4, 949 ff. und mei 15, 864) solche Combinationen zuschreiben 
darf. Es ist eine moderne Idee, welche in den Vergil .hineingetragen wird, und ich glaube 
kaum, dass man in Rom den Begriff der Legitimität mit den Penaten so zusammendachte, wie 
ich es von Banko' ausgesprochen finde: .Mit den Penaten eines monarchischen Staats, das ist 
mit dem über dem Wechsel der Generationen fortbestehenden Leben desselben, sind die Penaten 
der herrschenden Familie nun einmal von Anfang an auf das engste verbunden. Sie von 
einander zu trennen ist dann und wann versucht worden, aber niemals ohne die grösste 
Gefahr. Denn nicht allein ein Recht des Erbes ist die Legitimität, sondern in dem nidit 
revolutionären Staat das oberste seiner Gesetze, gleichsam der Schlussstein aller andern*. \ 
Dem römischen Volke versprechen und verbürgen die Penaten die Weltherrschaft ganz wie 
Juppitier 1, 278 f. und Apollo 3, 97 f., wo durch den Znsatz et nati natorum etc. das .domus 
Aeneae** deutlich auf die Römer bezogen ist wie Aeneadae 8, 841. 648 und domus Assaraci 1, 284 et 
auch 6, 875 f. So ist auch in 1, 284 ff. ductores nicht auf die Julier zu beziehen, sondern, wie 
der zu beiden gehörige Relativsatz beweist, als Apposition zu Romanos gesetzt und diesen die 
Weltherrschaft in Aussicht gestellt Im Faunusorakel 7, 96 iL heisst es sogar: Schwiegersöhne 
werden vom Ausland kommen, die durch ihr Blut (d. h. indem ihr Blut sich mit latinischem 
mischt, cf. 6, 762) unsem Namen zu den Sternen erheboA werden. Demnach nehmen die Tro- 
janer an der Eidamschaft des Äneas bei Latinus Theil; so sehr ist Vergil bestrebt, die verheissene 
Weltherrschaft dem ganzen Volk zu vindiciren, cf. auch 8, 503 : externes optate duces. -- Da- 
durch fällt auch Licht auf die Stelle 4, 229 ff., in welcher nach Gossrau Vergil absichtlich ^e 
Personen des Äneas und Augustus vermischen solL Dies allerdings wäre eine offenbare Pro- 
jidrung der Herrschaft des Augustus in die mythische Zeit, und man könnte wohl sagen, Vergil 
wolle dieselbe damit legitim erklären. Allein das hiesse ja den Dichter zum Gaukler machen: 
sed fore qui gravidam etc. soll von Äneas gesagt und von Augustus an erstehen seisL Welch 
ungeheuerliche licentia poötica, bei der dann sofort wieder mit Nennung des Askanius doch vom 
wirklichen Äneas die Rede wäre! Auch Ladewig's Erklärung, dass vor dem schicksalskundigen 
Blicke Juppiters die ferne Zukunft sich in die Gegenwart dränge, kann ich nicht gutheissen, 
weil die Wendung sed fore qui durchaus etwas verlangt, was Äneas thun kann und mit Be- 
wusstsein thun soll. Und ein solcher Sinn ergibt sich auch ungezwungen. Ich flbersetze: sondern 
er werde der Mann sein das die Herrschaft über viele Völker in seinem Schooss tragende, von 
Krieg tobende Italien zu lenken, fortzupflanzen den Stanun aus dem hohen Blute des Teucer und 
.dadurch den Weltkreis unter Gesetze zu schicken (nicht seine eigenen, sondern die der Römer, 



V 



« Pfeiler R. Mjrth. 8. 649. ^ > Frans. Oetch. im 16. und 17. Jthxh. I. & 408. 



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deren Stamm er begrfindet cf. 6, 851). Wi^ mitteret einen Znlranftsbegriffi Anbalinang der ge- 
setzlichen Ordnung ffir die Welt, enthält, so anch gravidam imperiis Italiak. Dieses kann ja 
nicht heissen: .Italien, das mächtige Völker erzeugen wird* (Ladewig); denn was sollten hier 
die Etrosker oder Samniter? sondern .Italien schwanger mit der Herrschaft fiber viele*, impe- 
riis = imperio moltarum gentium, was mir eine echt lateinische Verwendung des Pluralis 
scheint Zum Überfluss verdeutlicht Vergil den Sinn noch in 284: Ascanione pater Bomanas 
invidet arces? Es handelt sich um Grfindung oder Nichtgründung der römischen Grösse. So- - 
wenig aber Askanius darum mit Bomulus vermischt ist, sowenig Äneas mit Augnstus. Nach 
dieser Erklärung erwartet Juppiter nichts von Jjieas als was er wirklich leisten kann, er soll 
die Bedingungen schaffen für die künftige Weltherrschaft der Römer. — Eine ähnliche Ver« 
mischung der Person des Äneas und Augustus wfirde sich Vergil zu Schuld kommen lassen, 
wenn die in 6, 69 ff. . der Sibylle gemachten Versprechungen auf die Grfindung des Apollotempels 
auf dem Palatin durch Augustus im Jahr 726/28 zu beziehen wären. Denn Äneas wfirde dann 
sagen: ich d. h. Augustus werde dem Phöbus und der Tri via aus gediegenem Marmor einen 
Tempel grfinden u. s.. w. . Welch abenteuerliche Sprechweise wäre aber dies! Die Worte sind 
vielmehr als ein Gelfibde aufzufiissen, welches Ineas auf sich nimmt, aber nicht selbst erCSUt. 
Folgerichtig muss die erste Ausffihmng des von ihm Versprochenen als die Lösung des Gelfibdes . 
erscheinen. Diese aber geschah nicht durch Augustus, sondern durch die erste Grfindung eines 
Apollotempels in Bom 825/429 und durch die ersten ludi Apollinares 542/212. Was aber das 
versprochene heilige Gemach f&r die sibyllinischen Sprfiche betrifft, so kann damit nicht der 
palatinische Apollotempel gemeint sein, wie Heyne u. a. annehmen, da die Verlegung dorthm 
von der frfiheren Stätte im Juppitertempel erst nach Vergils Tod statt&nd 742/12 K Eben diese 
unrichtige Voraussetzung scheint auch die Deutung auf den augusteischen Apollotempel, ver- 
anlasst zu haben. Nehmen wir also als natfirliche ErflOlung des Gelfibdes die erste der Zeit 

nach, so lässt Vergil den Äneas Dinge verheissen, welche das römische Volk ausffihren wird, 

wozu auch trefflich stimmt, dass er arcanaque fiita dicta meae genti sagt{ Vergil meint deren 
Niederlegung auf dem Capitol nnd mit den lecti viri die alten decemviri, er lässt den Äneas 
ein Gelfibde thun, das sein Volk dereinst löst, nicht aber seines Helden und des Augustus Person 
in dnander fliessen. . ^ 

Von höchster Widitigkeit ffir jede dynastische Legitimitätsfrage ist natfirlich der Nachweis 
der Abstammung yom alten Begentenhaus. Darnach sollte man erwarten, dass in dem* 
juUschen Tendenzgedicht die Julier als Intime Erben der alten römischen und albanischen 
Könige erschienen nnd die ganze Zeit der Bepublik als eine Verletzung ihrer Bechte, wie es 
Hertzberg in der angeftthrten Stelle ansieht. Dieser letztere Gedanke nun ist in der Äneide 
nicht nur nirgends angedeutet, sondern er mfisste dem Vergil geradezu ungeheuerlich vorkommen« 
Die Zeiten der Bepublik, die ihm in einem so glänzenden Lichte vorschweben (VI nnd VIU) 
nichts als eine widerrechtliche Zurficksetzung der Julier! Was aber das erstere anbelangt, so 

' Fkeller B. Iffyth. & 275 A 1. Xarqiuidt 8, & 841. Die Daiinmg nach Suet. Oet 81: poift^[iiani 
pontlllcatiuB nazimiuii saseepit d. h. 742/12, wihnehelnlielMr als Die 54, 17, der 78e/18 angibt; doeh aneb dies' 
aadi Veigils Tod. EigenthttmUeh« Welse wird aaeh von Freller and Marquardt die VergOstelle ftr die Vei^ 
Icguig eUirt. 



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sind weder sonst noch bei Vergil die rOmisehen Könige ausser Bomnlos erbberechtigte Nach- 
kommen des Äneas und ebensowenig die Silvier in Alba Nachhommen des lulua. Wo bleibt da 
Legitimität und Djnastiebegriff ? Am Ende macht man den Vergil zu einer Art von firanzOsischem 
Legitimisten, nur damit sein Gedicht augusteische Politik zu treiben scheine. W&re denn von 
ihm, der die Sagen so eifrig studirt hat, nicht mindestens zu erwarten, dass er den r&thsel- 
haften umstand der Nachfolge der Silvier aufklärte und mit seiner Legitimitätstendenz in Ein- 
klang brächte? Statt dessen folgt er 6, 760 ff. ganz unbefangen der Überlieferung, dass ^e 
Albanerkönige und mit ihnen die Zwillinge von JLneas* und der Lavinia Sohn Silvius abstammen, 
nicht Yon lulus. Zwar hat Hertzberg zu dieser Stelle behauptet, Vergil gerathe hier mit sich 
selbst in Widerspruch, sofern an anderen Stellen 1, 267 iL und 8, 629 lulus als Ahnherr der 
Albanerkönige erscheine. Allein Gebhardi ^ hat diese Behauptung als irrig erwiesen. Auch in 
4, 234 steht nichts Ton einer dem lulus entstammenden Eönigsreihe, und in den Worten nunc 

age qui maneant 1 1 a 1 a de gente nepotts 6, 757 sieht Gebhardi mit Becht einen Bewds, 

dass Vergil die Scheidung der beiden Söhne des Äneas mit Yollem Bewusstsein mache. Dasselbe 
kann man, glaube ich, in 4, 236 nee prolem Ausoniam im Vergleich zu 234 Ascanione finden, 
und einer der Albanerkönige wird auch geistig als Nachkomme des Äneas dargestellt 6, 769 d» 403. 
Wenn also Vergil, ohne sich zu widersprechen, die Albanerkönige und die Zwillinge zu Nach- 
kommen des Silvius macht und dadurch sogar zu dem Missverständniss Anlass gegeben hat 
(Servius und Wagner), als wäre Askanius kinderlos zu denken, wie kann man behaupten, die 
Erweisung des Erbrechts der Julier auf den römischen Thron sei seine Tendenz gewesen? Die 
Erkenntniss dieser Schwierigkeit fährte Hertzberg zu dem zweiten Tadel, dass die Einfährung 
der Silvier den ganzen künstlichen Bau des Epos umstosse, sofern dasselbe ein Erbrecht der 
Julier beweisen wolle. Dies ist die reine petitio principiL Der kfinsüiche Bau besteht nur in 
Hertzberg's Phantasie, wie er sich denn auch auf seine oben zurflckgewiesene Ansicht von den 
Penaten beruft. Und was besonders noch 4, 234 und 274 betrifft, wo auch Gebhardi eine Hin- 
weisung auf Julierherrschaft findet, so handelt es sich in diesen Stellen nach der oben ge- 
gebenen Erklärung (S. 16) um die Schaffung der Bedingungen zum Entstehen Roms, in dessen 
Geschichte auch der Buhm der Julier seine Stelle findet. Von diesen Bedingungen ist aber die 
wesentlichste die Gründung «eines Beichs in Italien" (274) im Gegensatz zu einer etwaigen 
Herrschaft in Karthago. Insofern dann aus jener Stiftung in Italien einst Born hervorgehen 
wird, gebflhrt dem Askanius auch Bomana tdlus. In demselben Sinn wird 12, 166 gesagt: 
Aeneas Bomanae stirpis origo, und Askanius 12, 168 magnae spes altera Bomae genannt als 
Grfinder Alba's neben Ineas dem Grnnder^ Lavinium^s. Betrachtet man also diese Silvierfirage 
ohne Vomrtheil, so dient sie zum Beweis, dass Vergil die Abstammung von Äneas nicht mit 
Bficksicht auf dynastische Legitimität behandelte, sondern nur insoweit sich darum bekümmerte, 
als er die Julier wie Jedermann als Nachkommen des lulus ansah« . ^ 

ünbegreifiich aber ist es, wie Weidner zu 1, 646 behaupten kann: «Da die gens Julia 
ihren Stammbaum auf Askanius zurfickfDhrte, so war es angemessen, diesen neben Äneas zum 
Träger der flita zu machen« Dies erreicht der Dichter einfach dadurch, dass er dem Inisas nur 



^ In dar Zeitsduift Ar Gymotrialweien XXYIII, 8. 801 ft 



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w^e^'m-v^wm m^m *y 



eioen Sohn gibt*^ Allerdings ist Askanins Gegenstand h(k^hster Sorge f&r seinen Vater 1, 646, 
fOr die Trojaner 1, 556, fBr Yenns 1, 678. 10, 47 IL 182 a. a. ; aber darnm ist er \Teder der 
einzige Sohn des Aneas ef. 6,768 noch der Träger der bta. Denn diese sind in VIT durchaus 
nieht auf Askanins, sondern aof die Ehe des Äneas mit Lavinia bezogen. Ans dem Stainm des 
Silms wird der Orfinder Borns kommen 6, 777 ff. cf. 1, 273 ff., wo ich Hectorea ^ Trojana als 
beabsichtigt ansehe, um die AlbanerkOnige nur als Troer, nicht als Jalier zn bezeichnen; ans 
dem Stamm des lulns die Vollender der Grösse Roms 1, 286 ff. : kann man da sagen, Askanins 
sei Trftger der fata? Er ist es nicht mehr als sein Bruder Silvias, nicht mehr als sein Vater 
und alle Trojaner. Oft genug sind die fata an Äneas geknfipft z. B. 7, 120. 234, aber ebenso auch 
an die-Trojaner 1, 257 ; und 6, 67 sagt JLneas non indebita regnsL meis fatis fast in einem Athem 
mit arcana fata dicta meae genti 72 cf. 3, 501. Überall schweben dem Dichter die BOmergeschicke 
▼or, nicht besondere silyische oder julische. Ebenso idt es eine Verkennung des Gedichts, 
wenn Weidner a. a. 0. sagt, Askanins erfahre 9, 688 ff. darum den Schutz des Apollo, weil ihn 
Oktayian als Schutzgott betrachtet habe. Apollo ist dem Askanins hold als Schutzgott der 
Troer nach Homer et 6, 56 ff. Natfirlich aber machte davon Vergil nm so lieber Gebrauch, 
als Apollo von Oktavian besonders verehrt wurde. Einen göttlichen Nimbus um sich zu ver- 
breiten« diente die Äneaslegende den Jnliem, wie schon die bekannte Leichenrede des Julius 
Cftsar fBr seine Tante (Suet. Jul. Caes. 6) zeigt; aber einen Nimbus der Legitimität daraus zu 
aehen, wird ihnen wohl kaam dngefiülea sein. 



IV. 

Bei allem diesem kann es natfirlich nicht meine AlUcht sein zu bestreiten, dass die 
Ineide im Ganzen durch Wahl und Behandlung des Stoffes und im Einzelnen durch zahlreiche 
Beziehungen auf Angnstus und Augusteisches zu einer Huldigung ffir den grossen Mann werde. 
Es wird sich nur darum handeln, den Charakter und die Grundgedanken dieser 
Huldigung herauszuheben. — 

Augustus erschdnt in der Äneide als der Mann des Schicksals, auf welchen die Zukunfts* 
enthfiUnngen des Gedichts hinweisen. Hie vir, hie est, tibi quem promitti saepins audis, Augustus 
Caesar, Divi genus 6, 791 f. ist ein Ton , der in den drei prophetischen Hauptstellen . des L, 
VL und Vin. Buches wieder klingt. Darum kann man aber nicht sagen, das Gedicht sei einzig 
dazu geschaffen, diese providentieUe Mission des Augustus auszusprechen. Dem widerstrebt die 
Einleitung, in welcher Vergil die Verpflanzung der troischen Heiligthfimer nach Latium und was 
daraus folgt als das Ziel bezeichnet, um dessen willen er die Schicksale des Äneas zu besingen 
unternommen hat Als vorher versehen, in einem Schieksalszusammenhang mit Äneas stehend 
fasst Vergil in jenen Hauptstellen und sonst die puize rOmische Geschichte; Augustus ist nicht 
in anderer Weise, blos nachdrficklicher und eingehender dem Äneas verheissen, als die anderen 
römischen Helden, die er in der Unterwelt sieht Nur indem Vergil die Perspektive der ScUck« 
sale bis zur Gegenwart als dem nothwendigen Schlusspunkt seiner vatidnia ex eventn ausdehnt, 
gewinnt es den Anschein, als ob Alles auf Augustus hinziele. Welche Vorstellung aber mfiäte 
man sich von den BSmem und von Vergil machen, wenn man glauben wollte, er habe wirUkh 
gehofft mit dieser kfinstlich angelegten Maschinerie der fata die Bömer znr Monarchie zu he- 



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kehren 1 Diese Blicke in die Zukunft dienen dem Dichter, nm Angastos and seinen Thaten 
Weihrauch zu spenden und nicht nur den Ahnherrn der Julier, sondern auch den julischen 
Helden, der Gegenwart zu besingen; aber dass Yergil mit diesem Eunstmittel eine göttliche 
Sanktionirung der Augustusherrschaft an Stelle der noch nicht bekannten priesterlichen zu er- 
reichen sich zutraute , wie Weidner meint , wer kann dies glauben ? ' Allerdings liegt diesem 
Fatalismus der JLneide eine tiefere Anschauung zu Orunde, yon der wir unten reden werden, 
aber eine politische im obigen Sinn ist es nicht. 

Hinweisung auf Augustus als den Helden der Zukunft enthalten aber nicht blos jene drei 
Hauptstellen, in welchen der Dichter die Oeschicke Roms entrollt, sondern auch zwei Begeben- 
heiten der Äneide, die Ankunft des Helden in Aktium und das Wunderzeichen in Sidlien. 
3, 280 feiert Äneas ilische Spiele an den aktischen Gestaden. Kein Zweifel, dass dies Vorspiele 
der Stiftung des Augustus zu Ehren seines Sieges sein sollen. Aber wie wenig Mfihe hat sich 
der Dichter gegeben diese zu einer gvolksthfimlichen Verherrlichung des Principats des Oktavian'' 
zu gestalten, wofOr sie Cron a. a. 0. hält ! Wenn Augustus apollinische Spiele einsetzte Dio 51, 1, 
so scheinen die des Aneas zu Ehren Juppiters gefeiert zu sein; wfthrend Augustus einen Sieg 
damit verherrlichte, dankt sein Vorfahr Äneas für glflckliches Entrinnen. Obwohl ich nun au 
anderem Ort^ gezeigt habe, dass Vergil wahrscheinlich noch einen Sieg des JLneas einfDgen 
wollte, so wfirde doch auch dann kaum eine Beziehung auf den Principat des Oktavian heraus- 
gekommen sein. So, wie die Stelle sich jetzt liest, macht sie nur den Eindruck eines interes- 
santen Contrasts der Heroenzeit mit der Gegenwart: Äneas auf der Siegesstätte von Aktium 
wie Äneas* Spaziergang auf der Stätte Roms in VIII. — Auch das andere auf Augustus hin- 
deutende Ereigniss, das monstrum magno augurio futurum bei den Leichenspielen auf Sicilien 
5, 522 S. enthält keine politische Beziehung, sondern begnflgt sich eine in Rom bekannte 
Thatsache zu einer schmeichelhaften Anspielung zu verwenden. Über die Deutung kann kein 
Zweifel mehr sein, seitdem Wagner sie aus Suet Jul. Caes. 88 gefunden und Cron a. a. 0.. 
durch die Stellen aus Plin. N. H. 2, 22 ff. glänzend gesichert hat^ Es ist der im Jahr 711/48, 
bei der Feier der Spiele f&r Venus Genetrix durch Oktavian, erschienene Komet gemeint, in 
welchem das Volk die Seele des gemordeten Cäsar sah und die Seher (cf. Dio 45, 7 rtvmv im 
Gegensatz zu ol nokkol) Schreckhaftes erkannten, während Oktavian se in eo nasd interpretatus 
est (Plin.) d. h. seinen Stern darin aufgehen sah. Mit dieser Deutung ist Plflss nicht zufrieden, 
sondern gibt a. a. 0. dem Zeichen eine Doppelbeziehung auf die punischen. Kriege und die 
Verbrflderung der Segestaner und ROmer im Jahr 268 einerseits und auf die Geburt des Oktavian 
63 andererseits, indem er das Zeichen selbst auf 1063 datirt Dass dieser Ansatz falsch ist, 
haben wir oben gesehen. Damit fällt diese ganze Zahlenmystik. Das Schlimmste aber ist, dass 
Plfiss selbst nicht sagen kann, in welchem Schicksalszusammenhang die Auftaahme der Segestaner 
in das rOmische Bfindniss mit der Geburt des Augustus stehen soll Das einzige Band ist. das 



* Über du HL Baeh der Inelda, in der Feitsehiilt der Gjmnuien WOrltembeigB zur 4. Sicnlarfeier 
der üniTenität Tobingen 1877. 8. 78. ~ * Nor die lera omiiu 524 mOefate ich nicht wie Cion Mf die Ei^ 
•ebeiniing bei den Spielen 48 beziehen, sondern mit Berofting anf II. B 8d5, welche Stelle offenbar Vergil vor 
Angen hat, to faaten: .nnd alt spit in ErfDllnng gebend (prftdilcativ) verkttndeten lehreekhafte Seher die Be- 
dentnng det Zeichens.* Ähnlich seheint es Sehaper in verstehen. 



. . » '. 



I 4 



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f. 



geheimnissToUe Zahlenspiel. Aber wie soll man sich denn eigentlich dieses denken ? Die Zahlen 
1063 , 268 and 63 ezistirten doch fOr einen BOmer nicht : also wohl 491 nnd 691 a. n. c. 
Aber wie soll dann der rOmische Leser sur Vorstellung von 1063 kommen? Entweder mflssten 
ihm die Sftknlardistanien angedeutet sein, auf denen die ganze Pointe ruhen soll, oder müsste 
es ein Leser sein, der sich sofort die angebliche Chronologie der Ineide vergegenwärtigte, und 
gesetzt ein römischer Leser hätte wie immer herausgeklfigelt , dass das Datum der Spiele des 
Äneas 1000 Jahre vor der Geburt des Augustus liege, wie soll ihm dann einfallen, dass die 
Aufnahme der Segestaner 200 Jahre vorher stattgefunden habe? Auch der gebildetste Leser 
in Bom wird tir dieses Ereigniss keine Jahreszahl, im änssersten Fall die Gonsuln im GedSchtniss 
gehabt haben. Wo bleibt dann aber der Effekt dieser . witzigen* (!) Wunder- nnd Zeichen- 
chronologie? Endlich sieht Niemand ein, warum der brennende Pfeil des Acestes auf das 
Jahr 68 weisen soll, da doch der Komet dem Oktavian im Jahr 43 erschien. Doch sehen wir 
ab von diesem pseudovergilischen Zahlenspiel und bleiben bei der Wagner-Cron'schen Deutung, 
so bemerken wir auch in dieser Stelle, wie dort bei Aktium, eine gewisse Mangelhaftigkeit der 
Beziehung. Denn es bleibt unerklärlich, warum dem Acestes, nicht dem Äneas das Wunder 
zu Theil wird , w&hrend doch er es sofort auf sich bezieht Es war ein geistrdcher Einfidl 
Vergils die bekannte Thatsache hier zu verwenden, leicht hingeworfen und nur darauf berechnet, 
an Augustus zu erinnern. Aber ein Schicksalszusammenhang geheimerer Art ist nicht zu 
entdecken. 

Die Hinweisungen auf Augustus als den Helden der Zukunft in Worten wie in Ereignissen 
ergeben uns somit nichts, als lass Vergil mit allen Mitteln bestrebt war die Leser der 
Äneide an ihn zu erinnern. Vielleicht aber ist das Bild, das von ihm gegeben wird, der 
Art, dass man monarchisch-dynastische Tendenzen darin finden kann. Sehen wir zu. ^ In der 
Seelenschau wird Augustus gerühmt 6, 791—805 Erstens als Friedensstifter und Wiederbringer 
des goldenen Zeitalters, zweitens als der verheissene, schon jetzt von den Völkern mit Bangen 
erwartete Erweiterer des römischen Reichs in so weite Femen, wie sie kaum HerkulM~~und 
Liber auf ihren Zügen erreicht haben K Die Hyperbel erreicht nicht einmal die , welche sich 
(Scero von Pompejus erlaubt in Catil. 8, 26: duos dves exstitisse, quorum alter fines vestri 
imperii non terrae sed caeli r^onibns terminaret Augustus wird also gefeiert als der vdr- 
heissene Held, dessen adventus dem römischen Beich Frieden, den Völkern ünterwerAmg bringt, 
diese mit Anlehnung an Zeitereignisse der Jahre 732— 784 ^ Friede im Innern, Macht und 
Schrecken nach aussen ist das Werk des Augustus d. h. dasselbe, . was iq den berühmten 
Versen 851—858 als der Beruf des römischen Volkes dargestellt wird: tu regere imperio 
populoB, Romane, memento — hae tibi erunt artes — pacisque imponere morem, parcere sub- 

* Diese Deatung dei Yeigleichs mit Heiknlei und Lib«r aehaiiit mir die eioiig mOglidie. An die. 
B«|ien dai Angnttiii zu denken iit geschmaflkloi, da dieoelben keinen würdigen Gegenstand des Lobes nnd des 
Vergleiehs mit Herkules nnd Liber Wden. Die illegorisehe Erklinmg Ladewigs hat keinen Beükü geftmden 
und ist von Scbaper mit Becbt aufgegeben. Eber könnte man bei dieser ZnsammensteDang des Angnstos mit 
Herkoles und Baechvs, die rieb ancb Hör. earm. 8, 8, 9^16 findet, eine Anspiduig auf Antonius finden, von 
welebem Flnt Ant 4 nnd 00 eniblti er habe sieb als Naebkommen des Herakles aoigegeben nnd den Dim^jios 
inm Vorbild genommen. » * Hejne ad 6, 795 ff. Bibbeek proIL p. 00. Hon.. Ane. 5, 9: omnimn provineianm' 
popoli Bomani« qnibns finitimae fnemnt gentcs qnse nondnm parerent }mpeiio nostroi fines auL 



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jectis et debellare superbos. Dasselbe bezeichnet Vergil 1, 263 £ als Aufgabe des Ineas in 
Latium, dasselbe auch als die Art der AlbanerkOnige 6, 771 ff., wo neben der kriegerischen Kraft 
und Erweiterung der Macht mit den Worten: atque umbrata gerunt civili tempora queren 
Thaten der Erhaltung und Bettung der Mitbürger gemeint sind, wieAugnstus selbst sich 
rühmt die Corona civica erhalten zu haben für die Wiederherstellung des Staats mon. Ana 
6, 16 f. cf. Ovid. fast. 1, 614. 4, 953. Der Beruf und der Ruhm des Augustus ist also kdn 
anderer als der des römischen Volks, er besteht darin, dass er die Bfimer ihrem welthistorischen 
Berufe wiedergegeben hat. Wie massvoll und wahr ist diese Huldigung Ar den grossen Mann^ 
wie ganz innerhalb dessen, als was er selbst erscheinen wollte. Mit einem Wort nicht 
dynastisch ist die Stellung, welche Vergil dem Augustus gibt, sondern national. Nicht als 
Erneuerer eines ftneadischen EOnigthums denkt er sich denselben, sondern als Vertreter d^ 
Äneaden- d. h. Bftmerthums und als Neubegründer der den BOmern in die Wiege gelegten 
und als ewig bezeichneten (1, 278 f. 3, 97 f.) Schicksalsmission. — Mit dieser Auffassung des 
Augustus stimmt auch was im vaticinium Jovis über ihn gesagt ist 1, 291 ff. Die Befestigung: 
der römischen Weltherrschaft ist dort nur kurz angedeutet: aspera tum positis mitescent 
saecula bellis, um so mehr die Neubegründung des inneren Friedens und der bürgerlichen 
Ordnung. Dies ist ausgedrückt in cana Fides et Vesta jura dabunt; dasselbe jaber auch in 
dem Zusatz Bemo cum fratre Quirinus. Diese Worte von der Herrschaft des Bomnlus und 
fiemus als Schutzpatronen der Stadt zu verstehen hat keinen Sinn, da sie dies schon vor 
Augustus waren. Es ist wie Hör. epod. 7, 17 ff. an den Brudermord gedacht und aller Nach- 
druck auf cum gelegt im Sinn von wiederversühnt mit dem Bruder. Diese Wiederaussöhnung 
ist ein passendes Bild für die wiederhergestellte Buhe im Staat nach den Bürgerkriegen, sofern 
Bemus auf dem Aventin als eine Gestalt des plebejischen Glaubens im Gegensatz zo dem 
glücklichen Bomulus zum Ausdruck des Kampfs zwischen Patridem und Plebejern und wdter^ 
hin aller bürgerlichen Zwietracht geworden zu sein scheint K In der Schliessung des Janus 
sodann, auf welche* sich Augustus so viel zu Gute that mon. Anc. 2,42 ff., sind gleichsam 
beide Seiten seines Berufes beschlossen. — Am deutlichsten aber zeigt sich der nationale 
Standpunkt Vergils bei der Verherrlichung des Augustus im Bild der Seeschlacht von Aktium 
8, 671 — 718. Die ganze Darstellung ist getragen von dem Bestreben alle Gedanken des 
Bürgerkrieges fernzuhalten, den Kampf erscheinen zu lassen nicht .als ein Bingen um die 
Alleinherrschaft, sondern als einen Sieg des Bömerthums über die dem Antonius folgenden 
Barbaren. Augustus führt die. Italer zum Kampf; ihn begleitet d. h. er vertritt Boms Senat 
und Volk; über seinem Haupt zeigt sich das patrium sidus, natürlich nicht als Helmzier 
(Servius), sondern wie der Lichtglanz um seine Schläfen (680 cf. Prop. 5, 6, 29) als .Anzeichen 
gegenwärtiger und schirmender GOtter' (Hertzberg), speziell des unter die Götter erhobenen 
Divus Julius. Mit solcher GOtterhilfe überwindet er die barbarischen Mächte, die ungehenei^ 
liehen Zwittergestalten der ägyptischen Gottheiten. Ganz in demselben- Gedankengang läfvt 
Vergil nachher den Augustus beim Triumph 300 Tempel den italischen GOttem wdhen71jS 
und rückt dadurch die bekannte Fürsorge des Augustus für Herstellung iet Beligicm et mon« 



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« Cf. Bebwtgler, B. G. 1 a 486. PftUer, IL Myth. a 700. 



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22 



Aoc. 4, 1 ff. aoter deDselben nationalen Oesicbtspnnkt. In der Tbat hatte der Kampf von 
Aktinm diese Seite, und auch ander w&rts finden wir sie hervorgekehrt Hör. carm. 1, 37. Prep. 
4, 11, vgl. besonders v. 41 mit Aen. 8, 698. Des Antonius Thorheit hatte dem Oktavian diesen 
Yortheil zugewendet, und dieser war bemflht gewesen den Kampf gegen Antonius als Bjieg 
mit Kleopatra erseheinen zu lassen K Vergil schliesst sich also auch hier den Intentionen des 
Attgustus an, aber es ist damit nicht ausgeschlossen, dass diese Auffassung seine Überzeugung 
war. Jedenfalls berechtigt uns nichts zu der Behauptung, dass die Hervorkehrung des 
nationalen Gesichtspunkts blos die Schwenkung zur Monarchie habe vermitteln sollen. Es wäre 
auch eine gar absonderliche Taktik, wenn Vergil mit allen Mitteln den Kampf von Aktium 
als einen Kampf fBr Alles , was Römern hoch und heilig war , darstellen wfirde , um damit 
einen Nagel in den Sarg der Bepublik zu schlagen. Wo bliebe da seine anima Candida und 
wie vertrüge sich solches mit dem ungescheuten Lob der republikanischen Zeiten und ihrer 
Helden 6, 818. 841. 8, 670? Wir haben die Thatsache vor uns, dass er Augustus in der 
Schlachi von Aktium als York&mpfer des römischen Wesens und Better des Bömerthums auf- 
fisst, und es gibt durchaus keinen Grund, monarchistische Hintergedanken darin zu suchen. 
Ffir ein höfisches Gedicht, was sie sein soll, macht sich die Äneide mit der Familie des 
Augustus wenig zu schaffen. Die Beziehung des Atys als Freundes des lulus 5, 568 f. auf 
die gens Atia und der Abschnitt Aber Marcellus sind die einzig sicheren Steilen dieser Art 
Denn in der Nennung der Drusi 6, 824 eine Huldigung ffir Livia zu sehen ist doch sehr rr.: 
kfihn, zumal da die Alliteration mit Decii, cf. 841 Cato- Gosse, sie genflgend erklärt. Ebenso 
wenig kann man in der Hinaufrficknng der gens Claudia 7, 706—709 in die Zeit des Äneas 
politische Beziehungen finden. Die uralte Sabinerflimilie kann ja wohl so alt gedacht werden 
wie die sogenannten troischen in Born. Wenn Vergil dem Prinzen llberius h&tte schmeicheln I 

«wollen, so hätte ihm beim aktischen Triumph die Erzählung Suet Tib. 6 viel schönere 
Gelegenheit gegeben. Aber der Abschnitt Aber Marcellus 6, 854—886 ist offenbar eine 
Huldigung fflr die Familie des Augustus. Ja es ist mir wahrscheinlich, dass dieser poetische 
Nachruf fflr den 781/23 gestorbenen Sohn der Oktavia zum Zweck der Vorlesung des YL Buchs 
bei Augustus erst naehträglieh eingelegt wurde. Beweis der grenzenlos matte Übergangsveirs 
854: sie pater Anchises atque haec mirantibus addit, nach dem prachtvoll ausklingenden 
Scbluss der Seelenschau, sowie die offenbar um des Enkels willen gesuchte nachträgliche Er* 
wähnung des alten Marcellus 855 ff. Die Todtenklage selbst macht den Eindruck tiefer 
Empfindung in edelster Sprache, und die Nachricht der interpolirten Vita Don« von der - 
fdrstlichen Belohnung des Dichters durch Oktavia kann wohl richtig sein. Aber bemerkens- 
werth ist doch, dass Vergil nicht sowohl dem Schmerz des julischen Hauses, als vielmehr dem des 
römischen Volks und Beiehs, welcher histori9ch ist, Ausdruck verleiht 868 ff«, wie er auch 
den ganzen Sehmerz in das Wort zusammendrängt: tu Marcellus eris, nicht etwa: ein Julier 
wirst du sein, obwohl Augustus den Marcellus adoptirt hatte Plut Ant 88. Also auch in 
dieser Huldigung tritt der nationale Gesichtspunkt in den Vordergrund. ^^ - 

In diesem Zusammenhang ergibt sich auch die richtige Auffassung des Verhältnisses des 



* Vgl Dranann, Oeteh. Borna, I 8. 4e8 ff. 






23 

Äneas zu Angustus. Weidner ^ spricht davon , dass der Dichter h&nfig den Angostiui in der 
Gestalt des Äneas auftreten lasse ; für Plflss ist es eine Grandvoranssetanng, dass Äneas nichts 
sei als eine mythische Projektion des Angostns; am meisten aher beschäftigt sich mit diesem 
Punkt der Abb^ Vatry a. a. 0., dessen Bemerkungen hierfiber Seh wegler * , »gut* findet Unter 
den vier Bechtstiteln, welche die Äneide für die Herrschaft des Augustus vorbringe, hSlt er 
neben Abstammung von Venus, Penaten und fata für den bedeutendsten die Begenteneigen- 
schaften, welche in Äneas vorgebildet seien. Vergil habe durch die humanit^, justice, religion 
und prudence in der Person des Äneas den Augustus als Friedensffirsten empfehlen wollen u. s. w. 
Vatry fasst dies zusammen in dem Satz : il est Evident qu* £nte n*est qu*une figure et qu*un 
emblime d' Auguste. Ganz besonders aber sei bei der pietas des Äneas gegen sdnen Vater 
dieselbe Eigenschaft des Augustus in seinem Verhältniss zu Julius CSsar vorgebildet Wie 
Augustus nach Suet Oct 10 von der Pflicht der Blutrache ßbr Julius CSsar omnium belloram 
initium et causam sumpsit nihil convenientius dueens quam necem avunculi vindicare, so sei 
diese Pietät gegen Anchises bei Äneas massgebend. Wie nur Schwegler diese oberflächlich 
spielenden Bemerkungen loben mochte I Ist denn in der pietas zwischen Anchises und Äneas 
irgend ein dem Verhältniss zwischen Cäsar und Oktavian entnommener Zug? Spricht denn die 
Äneide fiberhaupt von der Blutrache des Oktavian fSr Cäsar? Und wie sollte diese Vorbildnerd, 
wenn sie' da wäre, die Bömer von der Tflchtigkeit des Augustus ffir die Herrschaft flberzeugt 
haben? Die einzigen Eigenschaften, mit denen Vergil seinen Helden schmflckt, sind in*dem 
Verse 6, 403 enthalten: Troius Aeneas pietate insignis et armis (vgl. auch die einleitenden 
Verse des Gedichts). Von diesen beiden Eigenschaften ist die kriegerische virtus an und fBr 
sich rOmisch und die pietas mit ihrer dreifachen Beziehung nicht minder rOmisch gedacht Die 
beiden ersten Beziehungen auf Götter und Blutsverwandte sind durch die Sage gegeben, die 
dritte auf das Vaterland hat Vergil in römischem Sinn erfasst: Äneas rettet die Penaten und 
damit das Leben seines Volks ffir eine glorreiche Zukunft Und wenn wir nun oben gesehen 
haben, dass auch Augustus vom Dichter nach diesen zwei Seiten dargestellt ist als gewaltiger 
Eriegsheld und als frommer Wiederhersteller des Staats, so werden wir das Band haben, daa 
den Äneas mit ihm verknfipft. Nicht damit Augustus ,in der pietas des Äneas einen schmei- 
chelnden Familienzug erkenne* (Hertzberg zq^l, 6), ist dem Helden dieser Charakter gegeben, 
sondern weil Vergil in Äneas einen Typus des römischen Volks, in Augustus den echten Sohn 
des letzteren zeichnen wollte. So treffian beide zusammen im Nationalcharakter, und es ist 
interessant neben einander zu halten die Verse Aber Äneas 1, 544 f. : rex erat Aeneas nobis^ 
quo justier alter nee pietate ftait nee hello migor et armis , und das Zeugniss des Augustus 
Aber sich selbst mon. Anc. 6, 18 if.: clupeusque aureus in curia Julia, positus, quem mihi 
senatum populumque Bomanum dare virtutis clementiae justitiae pietatis causa testatum est per 
ejus clupei inscriptionem. Vergil gieng den Weg, den ihm die Sage wies: er nahm Äneas als 
den frommen Helden auf und gab seiner Frömmigkeit so inhaltreiche Beziehung und Ausdeh- 
nung im römische^ Sinn der pietas, dass er durch beide Eigenschaften ein Typus des römischen 
Volks geworden ist. Dies erkennt audi Weidner an*, macht ihn aber gleichzeitig zu dnem 



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t Einleiiimg 8. 20. 1. -. > BOm. Ocseh. I. 8, 830, A. 17. ^ > 8. 41, A4 



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24 • . ' ' ■ .' .• 

Typus des Aagostus, ohne so fragen, wie dies susammen denkbar sei. Augnsfcus erscheint als 
der eehte Enkel des Ineas, indem er durch die römischen Eigenschaften der yirtns und pietas 
das Bömerthnm rettet und neu belebt In diesem Sinn mag die Äneide den politischen Bestre- 
bungen des Angustus gedient haben, indem sie dieselben als von nationalen, schon im Stamm- 
?ater repräsentirten Eigenschaften getragen darstellte. Aber das kann ich nicht zugeben, dass 
Yergil den Angustus in einen Äneas yerkleidet habe, um fär die ehrgeiagen Pläne desselben 
Propaganda zu machen. 

Fassen wir alles zusammen, was Yergil an Angustus lobt, so tritt uns derselbe entgegen 
als der ?om Schicksal Torherversehene und berufene, mit den von Äneas vertretenen National- 
tugenden ausgerflstete Held, welcher die BOmer aus langer Yerwurrung durch heroischen, von 
den Göttern begfinstigten Kampf zu innerem Frieden und zu ihrem weltgeschichtlichen Berufe 
zurückfahrt, die Herrscher der YSlker zu sein. Insofern das Oedicht auf diese grosse Zeit 
hinblickt, bringt es auch dem Angustus die gebfihrende Huldigung dar, aber es schmeichelt ihm 
weder als Monarchen noch als Wiederhersteller der ftneadischen Dynastie. Auch die einzige 
Stelle, in welcher die durch die Bichtung der Zeit ^ veranlasste göttliche Yerehrung des Angustus 
berührt wird, 9, 642: dis genite et geniture deos, ist in Yerbindung gesetzt mit dem nationalen 
Gedanken des hergestellten Weltfriedens. Die sublimen Ideeen aber, welche Plfiss^ in 1, 289 
findet, sind in der That nicht darin; die Stelle ist, wie wir sehen werden, auf Julius Cäsar 

zu begehen. 

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Nachdem wir im Bisherigen zu dem negativen Ergebniss gekommen sind, dass die politische 
Tendenz der Ändde keine dynastische ist, so haben wir noch die Züge zusammenzustellen, in 
welchen sich dieselbe positiv als eine nationale erweist Zunftchst tritt dies mehr ftusserlich 
'darin hervor, dass der Dichter mit bewusster und consequenter Absicht römische Einrichtungen 
und Gebräuche in die heroische Zeit versetzt. Dieser Anachronismus umfasst Eldnes und 
Grosses: es gehören dahin die mensae remotae 1, 216 und die rothe Sturmfahne auf der Lau- 
renterburg 8, 1, die getrennten Sitzplätze der Ältesten beim Trojaspiel in Sicilien 5, 340 ef. 
Uv. 1, 85, 8 wie die Öffnung des Janus im alten Latium 7, 601 ff. Wie die Spiele der 
latinischen Jünglinge vor der Stadt Laurentum /, 162 ff. an das römische Marsfeld erinnern, 
so die Beschreibung des Eönigssitzes des Latinus in mancher Beziehung an das römische Capitol 
7, 171 ff. Nicht um die Gegenwart zu verherrlichen, indem er .ihr Spiegelbild in tausend- 
jähriger Yergaogenheit zurückwirft* (Plüss), auch nicht .um die Herleitung der römischen 
Nationalität aus den von Osten eingedrungenen Bildnngselementen recht eindringlich und band* 
greiflich zu machen* (Hertzberg), f&hrt Yergil diesen Anachronismus geflissentlich durch, sondern 
offenbar am den trotz aller Einbürgerung fremden Stoff der Äneide zu nationalisiren, sozusagen 
in romanisiren und auch durch diese aufgetragene Farbe seiner Dichtung den Charakter eines 
Nationalepos zu verleihen. Die Anwendung eines solchen Anachronismus hat sich dar Alter- 
thum vor und nach Yergil erlaubt ; bei ihm aber tritt dieselbe in den Dienst des Grundgedankens 

« VgL Marqvaidt 8, 8. 89 v. 448 ff. Preller R. M. 8. 770 ff. — > FlOn. die GottmentehUebkeit od 
Wiederfebort dee OkUviamii Aognitof, Jahrb. 1 kL FhiL 1870. a 148 iL- 



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25 



seiner Dichtung, ein Nationalepos zu schaffen und den ROmern ihr Wesen und ihren Beruf 

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Wieder znm Bewusstsein zn bringen. Es wftre äberflfissig alle Beispiele zusammenzutragen, in 
welchen die Romanisirang des Stoffs sich darstellt Nur einen Zug heben wir heraus, welcher 
zeigt, wie Vergil auch bei solchen Entlehnungen römischer Dinge, bei denen er besonders die 
Zeit des Augustus im Auge hat, doch geflissentlich die nationale Seite hervorkehrt Das Troja- 
spiel 5, 545—603, welches Vergil bei der Leichenfeier des Anchises an Stelle der umfahrt 
II. V 6 ff. einfuhrt, ist ohne Zweifel auch darum gewählt, um an die Liebhaberei des Augustus 
fär dasselbe zu erinnern cf. Suet Oct 43. Tib. 6. Auch der Auficug der Knaben scheint nach 
der Sitte der augusteischen Zeit beschrieben zu sein^. Andererseits war aber das Spiel nach 

Dio 43, 23: r^v rs Innaalav r^v Tgolav xaXovßhrjiv ol itatdst ol sinarfldai xarä t6 iffypXw 
bioiriaavTo , und besonders nach der Alterthfimlichkeit seines Namens ein uralter Brauch des 
römischen Adels, wie sich denn auch Vergil ausdrücklich bemQjit die Überlieferung des Spiels 
an die Körner und bei diesen her?orzuheben 596—603. Hag nun auch Augustus bei der 
h&ufigen Abhaltung des Trojaspiels (Suet. Oct. 43: Trojae Indum edidit frequentissime) seinen 
eigenen troischen Stammbaum im Auge gehabt haben, so hat dodi Vergil es so nachdrflcklich * 
als altrömische Sitte bezeichnet: hinc maxima porro accepitBoma et patrium ser?aTit honorem, 
dass man fast meinen könnte, er wolle seine besonders seit Cftsar wieder in Aufhahme gebrachte 
Feier nicht als eine Sache des julischen Hauses erscheinen lassen. Ich stimme daher Bibbeck 
vollkommen bei, wenn er den Schlussvers 603: hac celebrata tenns sancto certamina patri für 
unecht erklärt , nicht nur wegen '!er von Bibbeck gerflgten exilitas , sondern auch weil Vergil 
gewiss nicht die Fortdauer dieser Spiele in Bom an das Oedächtniss des sanctus pater Anchises (I) 
knfipfen konnte, nachdem er dieselben als Festspiel bei der Gründung Alba*s erwähnt hat 597. 
Bedeutsamer jedoch als in diesem äusseren Gewände tritt der nationale Standpunkt des 
Dichters in der GeschichtsaufiTassung hervor, die sein Werk durchdringt Die Weltherrschaft 
des römischen Volks ist das A und A der Ineide cf. Ovid a. a. 3, 337 f. : et profägum Aenean, 
altae primordia Bomae, quo nuUnm Latio clarius extat opus. Wo Vergil die Gründe des Hasses 
der Juno gegen die.Äneaden erwähnt 1, 8 ff., erscheint als der bedeutendste, dass sie gehört 
hat, ein Volk werde dem trojanischen Blute entstammen, das bestimmt sei weithin zu herrschen 
und sein Beich auf den Untergang ihrer Lieblingsstadt Karthago zu gründen 1, 19 ff. Wann 
dies beschlossen sei, ist nicht gesagt, Juno hat es gehört als eine Schicksalsbestimmung von 
Anfang an. In ähnlicher Weise spricht Venus 1, 231 ff. von einem ewigen Bathschluss der 
römischen Weltherrschaft. Die beiden Stellen müssen zusammengenonunen werden, die zweite 
ist geeignet die erste zu erklären. Wie nämlich Venus nachdrOcUich wiederholt: hinc Bomanos' 
olim volventibus annis, hinc fore ductores d. h. die Bömer als berufene Führer der Völkari 
ebenso nachdrücklich wiederholend sagt Juno: progeniem sed enim Trojane a sanguine dud und 
hinc populum late regem belloque superbum venturum. Alle Versuche einen ünterseUed 
zwischen progeniem und populum late regem herauszudeuten und die Tautologie der Stelle 
wegzuräumen sind verfehlt und überflüssig, die Wiederholung ist beabsichtigt wie bei Venus. 
Daher kann ich auch Evü^la's' Vorschlag, die Verse 21 und 22 zu tilgen, nicht bdstimmeii, 



« Vgl Göbd de Tiojae lade p. 15. HarqiUTdt 8 8. 606. — « KviSala, VergUitadiea 8. a 



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ebensowenig Bährens' V kfihner Vermatlinng ftr V. 20: Latias olim quae poneret arees. In 
allen vier Versen 19—22 ist yom römischen Volk als ganzem gesprochen und seine grösste 
That, die Yernichtnng Karthagers mit scharfem Blick als der Grundstein seiner Weltherrschaft 
bezeichnet Daher die Anknfipfong der panischen Kriege an Äneas nnd Dido 4, 622 ff., ohne 
Zweifel nach Vorgang des Nftvius nnd Ennins, aber mit dem tat die Ineide charakteristischen 
Bestreben ans der Sage heraus einen Ausblick auf die Geschichte Borns zu gewinnen und den 
BAmem damit die Ewigkeit ihrer Mission vorzuhalten. Dies ist eine ebenso tiefe und wahre 
wie patriotische und wirksame AufGassung, ungldch wfirdiger und sinnvoller, als wenn Vergil 
mit tausendjährigen Bechtstiteln und unklaren Stammbäumen oder mit mystischen Zahlenspielen 
und verschwommenen Aimlogieen dieAugustusmonarchie denBOmern aufzureden unternommen hätte. 
Und wie entrollt nun Vergil das Schicksalsbild der römischen Herrschaftsentwicklung? 
Auch hier kommen als Hauptstellen die bekannten Abschnitte von I, VI und VIH in Betracht 
Die ünterweltsfithrt des Äneas, um von dieser auszugehen, welche in der Seelenschau culminirt, 
ist durch die Sehnsucht des Anchises (5, 733 IL 6, 106 ff. 408 L 684 ff. 695 iL) sehr schwach 
motivirt, und mit der Ansicht des Servius (5, 737), Äneas solle durch dieselbe deutlichere 
Mittheilung Aber Latium empfiugen, ist der Kern der Sache nicht erfiisst, da ihm solche auch 
auf einfiusherem Wege zu Theü werden konnte. Der dgentliche Grund dieser Dichtung, 
wdcbe schon durch ihre Stellung an der Grenze des ersten und zweiten TheüB der Äneide als 
hoch bedeutsam hervortritt, liegt in dem nationalen Zweck des Ganzen. Die rOmische Geschichte 
soll durch die Erschauung ihrer Hauptmomente gleichsam in das Bewnsstsein des Stammvaters 
gerfickt werden, also dass dieser, was er thut und leidet, im Ausblick auf die grosse Zukunft 
Bpms bestehen soll 6, 717 t 806 f. 889. Damit ist deutlich gesagt: um der Grösse Boms 
wiUen sind die Thaten des Äneas geschehen, sdne fiita erfUlen sich in ununterbrochener Folge 
in der Geschichte Borns. Vergil hat diesen Standpunkt auch ausdrficklich bezeichnet in den 
anleitenden Worten der Sedenschau 756 ff.: nunc age, Dardaniam prolem quae ddnde 

sequatur gloria , ezpediam dictis et te tua fata docebo. Diese fata sind nicht die 

890 ff. erwähnten Kriege des Äneas in Latium, wie erklärt wird. Denn was haben diese mit 
der Seelenschau und der unmittelbar vorausgehenden philosophisch-poetischen Seelenwanderungs- 
theorie zu thun? Es sind nach Vergils Weise, dasselbe doppelt zu sagen, die mit gloria be- 
zeichneten Buhmesschicksale der Enkel, welche zugleich als die des Ahnherrn vorgestellt werden, 
gemeint, wie v. 781 t die Gründung der römischen Weltherrschaft unter den Auspicien des 
Bomulus erfolgt In der Vorstellung der Seelen aus der eigentlich römischen Zeit heben sich 
ixü Abschnitte heraus: Bomulus und die Gründung der ewigen Stadt 777 ff.; Kampf gegen 
Griechenland als Bache fBr Troja 836—840, Mittelpunkt der aus der Geschichte der Bepublik 
ausgewählten Ereignisse; endlich die augusteisdie Zeit als die fBr den Dichter letzte E^che der 
rSmisdien llachtentfaltung'. und dies alles klingt aus in den hochtönenden Versen von dem 



* Btiaenf in Bunisn'k Jahietbeiiditen XIV a 108. — * Die ftberUafeite Ordnimg dar Vene in detfieelen- 
•cfaM ist «in Uarer Beweii, dan die Ineide Sporn naehtrilglidier Ziufttie miTenrbdiet an deh trigt , itm 
wir in ihr nur das Conoept eines itdlenweiie ganz unvollendeten Entwnift tot nna haben, weldie Annfthnw 
Weidnsr & 26 ff. mit ünieeht beanitandet 8o, wie die Seelensehfin rieh liest, schreibt gewi« kdn in dnem 
Zng eompenirender Dichter. Die Abidmitte 788—807 nnd 826—885 nnterhreehen den aonit fli<mi«ia«L wenn 



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27 



Beruf der BOmer zur Weltherrschaft. Darin liegt der Gedanke: die römische Geschieht« ist 
eine Auswirkung der dem Stammvater gegebenen Verheissungen ktinftiger Weltherrschaft t ^^ 
dieses Berufes sollen die BOmer an den fata Aeneae wieder eingedenk werden. Daher ist auch 
des Bfirgerkriegs nur mit Wehmnth gedacht 826 ff. und unter den Helden Boms Marina über- 
gangen. Jene Zeiten erscheinen dem Dichter als eine Verirrung des römischen Geists i' i^ ein 
Vergessen des BOmerberufs, weshalb auch Cäsar aufgefordert wird die Waffen niederzulegtti, 
die gegen das Herz des Vaterlandes gezückt seien 832 ff. In demselben patriotischen Gdste 
hat der Dichter bei der Beschreibung der Strafen des Tartarus ^ ein düsteres Bild der sittlichen 
Verwilderung in den Zeiten der Bürgerkriege gezeichnet 608 fL unbekümmert darum, dass den 
Worten quique arma secuti impia 612 und dominum potentem (patriae) imposuit 621 eine 
missliebige Beziehung auf die Julier gegeben werden konnte. Gewiss dachte Vergü bei den* 
einzelnen Verbrechen nicht an bestimmte Zeitgenossen (cf. Gossrau zu 621 und im Ezcurs 
p. 827) ; aber er rügt doch deutlich zum Theil mit Anschluss an die ZwOlftafelgesetze rOmische 
Schäden und die Entartung durch die Bürgerkriege. Und wie er mit diesem Nachtbild die 
Aufforderung zu sittlicher Besserung verbindet 620, so bietet die Seelenschau Veranlassung die 
BOmer auf ihren historischen Beruf hinzuweuen: Friedensgesetze aufzurichten und die Volker 
zu regieren. Beherrscht von diesem Gedanken ergreift er auch sonst die Gelegenheit seine 
Zeitgenossen auf die Ausbreitung der römischen Herrschaft hinzuweisen 7, 604 ff., wo besonders 
das Parthosque reposcere Signa als Kampf des Augustus fb die nationale Ehre zu beachten 
ist Mit Becht sagt Gregore vius * : «Vergil hat das ?olle Bewusstsein von der weltbürgerlichen 
monarchischen Mission der BOmer in unsterblichen Worten ausgesprochen (6, 851—853)', nnd 
„seit Vergil stand der Glaube fest, dass die BOmer das zur Weltherrschaft auserwählte Volk 
seien, dass der BOmerstaat der Weltstaat sei*'. 

Auch das vaticinium Jovis hat diesen Standpunkt. Änsserlich wie innerlich ist die Ver* 
kündigung der ewigen Herrschaft Boms der Mittelpunkt desselben. Auch hier ist dieser Ge- 
danke unmittelbar an Bomulus angeschlossen 1, 278 ff. Zwar ist von Macrobius sai 6, 2, 31 
überliefert, dass Vergil jene ganze Enthüllung der Zukunft durch Juppiter dem Närius nach- 



auch nicht dniehani chxonologiichen Zgannmephang in der nnmOglichiten Weise. Den ümitellangiTsnneh Bib» 
beck*8 hat Gebhaidi Z. Q. W. 28, 8. 804 £ mit Becht als halb rerworfen. Seinen eigenen VencUag kann 
ich indesB anch nicht hilligen, da er die BelasBong der Vene 788—790 in ihrer Stelle, woraof 808—826 folgen 
•ollen, dorch eine sehr kttnstliche Dentong annehmbar machen wilL Wenn 791—807 umgestellt werden mttssen, 
so können die 3 offenhar einleitenden Vene anch nicht hleihen« Eine Lteong der Schirierigkeiten finde ich . 
nicht nnd glaube, dass man üeh bescheiden muss die Yerwirrung als unheilbar anmsehep. . 

* Auch diese Stelle befindet rieh nicht im Zustand der VoUendong. Die mythologische Unteibrechung 
der menschlichen Verhrechen und Strafen durch Theseus und Phlegjas 618 kani^ nicht des Dichters Absieht 
sein. Anschliessend an mbbeck*k Ansicht fiber t. 601 » dass derselbe ^lldcht Ton Varius nnd Tueca in seine 
Jetsige Stelle gebracht sei (gewiss nur um dem quos super 602 eine Beiiehung sn geben) möchte ich anneh m en, 
dau die SU 601 olTenhar gehörigen Verse 616—620 durch diese Lostrennung des Verses 601 ebenfüls Terschoben * 
wurden. Indem ich mit Bibbeck nach 600 eine Lflcke setie, in welcher Tantalus genannt werden sotttSi und . 
602: quo super (Bihbeck) als richtig annehme, komme ich su folgender Ordnung: 600. Lflcke. 602—607. 601 
mit 616—620. Hiemit ist das Mythologische geschlossen und der Spruch 620 leitet schön sum MensehUchen 
aber in den Versen 606—615. 621—627. Dabei ist nur bei Tendidit hie 621 nach 616 ein neuer Anlauf; 
welcher noch stört und Tielldcht ein Zeichen Ton NiehtToUendung ist Indess ist dieser Anstoss bei der Aber» 
lieferten Ordnung nicht geringer. — * Oeschichte der St. Born im M. A. I 8. 8 £ 



28 



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gebildet habe; doch beiieht sich diese Angabe ohne Zweifel nur aaf die Einkleidung, and es 
ist nicht ansnnehmen, dass der Weltherrschaftsgedanke von N&vins schon so scharf ausgesprochen 
war. In der Anlage des ganzen vatidniam finde ich eine Symmetrie der Gruppirung, welche 
viel deutlicher als in der Seelenschan die Hanptepochen der r&mischen Geschichte heraoshebt 
Plüss^ meint allerdings, beide Stellen .ordnen die Entwicklung des römischen Reichs in die 
Fächer des julisch-augusteischen Stammbaums : lulus und Alba, Bomulus der Ineade und Born, 
Augustus und die erneute julische HerrschafL" Aber wo bleibt dann die in der Seelenschau 
nicht so nachdrficUich, hier aber aub schärftte als Hauptakt betonte Bache an Griechenland 1, 
283 ff«? Mit dieser haben doch die Jnlier nichts zu thun. Vielmehr ist die Gliederung fol- 
gende: der an Boms Gründung angeknfipften Weltherrschafts verkfindigung als Mittelpunkt gehen 
voran 3 Akte: Ineas, Askanius und die Zwillinge, und ihr folgen als Ausführung der Vor- 
beissung: Unterwerfung Griechenlands, Ausdehnung der Herrschaft bis zum Ocean durch «fuUus 
Cftsar und Friedenszeit unter Augustus. So entspricht den Schicksalen des durch die Griechen 
vertriebenen Äneas die Dnter werfimg der Griechen unter seine Nachkommen : 263—266 || 283—285 ; 
der ersten Erwäterung der Macht durch lulus Askanius die Abgrenzung der Herrschaft bis 
zum Ocean durch Julius Cäsar: 267—271 1| 286—290; endlich der Gründung der urbs Mavortia 
die Herstellung des inneren und äusseren Friedens durch Augustus: 272—277 || 291—296. Es 
ist frdlich ein unvollkommenes Bild der römischen Entwicklung, wie der Dichter kein Historiker 
ist, aber es ist eine poetische Gruppirung von Hauptmomentian derselben um den Grundgedanken 
der ewigen BOmerherrschafL Bei dieser Auffassung gehe ich von der seit Heyne gewöhnlichen 
ErkUrung ab, wornach in 286—290 schon Augustus gemeint sein soll, und auf die des Servius, 
Gerda u. a. zurflck, nach denen es sich dort um Julius Cäsar handelt Dafür spricht die ungleidi. 
natfirlichere Beziehung des Imperium Oceano terminet auf den letzteren als auf Augustus ; ferner 
die bei dem Adoptivsohn sonderbare Hervorhebung der Abstammung von lulus und Venus, 
welche umgekehrt von Cäsar sehr passend ist ; endlidi die Vergötterung und Aufnahme in den 
Himmel, wdche von einem Lebenden zu verkünden eine ziemlich taktlose Lobpräsung sein 
wttrde. Das letztere betreffend denkt freilich Plfiss in seiner .Gottmenschlichk^t und Wieder- 
geburt'' an einen wirklichen Gang des Augustus bei Lebzeiten in den Himmel zur Erholung 
von Kampf und Sieg u. s. w. Es wird aber Wenige geben, welche diesen hohen Spekuhitionen 
folgen mochten« Von Cäsar sogut wie von Augustus kann spoliis Orientis onustus gesagt 
sein, da jener Ober Ägypten und Asien triumphirt hat. Und wenn im Allgemeinen die Dichter 
der Zeit den Julius Cäsar seltener nennen, so spricht doch Vergil in der Seelenschau, Ecl. 9, 
47 n. Georg. 1, 466 von ihm. Es steht also nichts im Wege, die Beziehung auf ihn anzu- 
nehmen, welche dem ganzen vaticinium eine schOne Gliederung verleiht, wie sie diesem gross- 
artigen Überblick über die römische Geschichte angemessen ist 

Bei der Beschreibung des Schilds sind, wie wir oben gezeigt haben, besonders die Augustus- 
bQder geeignet den nationalen Standpunkt des Dichters erkennen zu lassen. Ausserdem sind 
aber noch die Schluss werte beachtenswerth 8, 729 ff.: talia per clipeum Volcani, dona parentis, 
miratur rerumque ignarus imagine gaudet attollens umero famamque et fata nepotum. Der 



< Schweiz. Mas. a. a. 0. & ü 



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29 



Doppelsinn des äusseren Aufnehmens des Schilds und eines Aufeichnehmens der darauf abge-' 
bildeten Zühinft der Äneaden ist offenbar beabsichtigt Äneas, der sich eben zum Kämpf um 
das gelobte Land anschickt, nimmt die kflnftige Grösse Roms auf seine Schultern, d. h. er tritt 
in den Kampf mit dem Bewusstsdn derselben, obwohl er das Einzebe nicht versteht Wir 
haben bei der Seelenschau denselben Gedanken gefunden (s. o. S. 26), und nach 6, 791 : hie 
yir, hie est, tibi quem promitti saepius audis, was sich aus den vorhergehenden Bfichern 
nicht belegen lässt, darf angenommen werden, dass Yergil auch sonst noch seinem Äneas Aus- 
blicke auf die Buhmesgeschichte der BOmer bis auf Augustus zu gewähren beabsichtigte. \^el* 
leicht dass Merkurius 4, 267, wo er ihn mit den Worten : heu regni rerumque oblite tuarum ete. 
aus seiner karthagischen Idylle aufschreckt, ihm vom Inhalt des vaticinium noch. Andeutungen 
machen sollte, oder sonst wie immer. Jedenfalls nach dem in VI und VIII ausgesprochenen 
Gedanken soll Äneas sein Heldenthum erfüllen mit dem Bewusstsein der römischen ZukunfL 
Wie er von Vergil zum E&mpen der fata gemacht ist, so trägt er auch in dem Schild gleich- 
sam ein göttliches Unterpfand der Verheissungen. Yergil aber zeigt, indem er dem her- 
gebrachten Schildmotiv eine neue und fiberraschende Wendung gibt, aufii deutlichste, wie viel 
ihm daran liegt, seiner Äneasdichtung einen nationalen Charakter zu verleihen. Alte und neue 
Erklärer (vgl. Servius und Heyne zu 8, 731) haben an dem Doppelsinn jener Worte Anstoss 
genommen oder ihn gar komisch gefunden; dem strengen Peerlkamp scheint v« 731 el^gans et 
gravis. Es wird Uebei darauf ankommen, ob man mehr oder minder blumauerisch gestunmt 
an die Äneide herantritt Vergil jedenfidls glaubte der Vorstellung, dass sein Äneas TMger 
der römischen Schicksale sei, mit dem Schild einen plastischen Ausdruck g^ben zu haben. 
Denn unter deutlicher Einwirkung unserer Stelle schreibt er 12, 166 ff.: hinc pater Aeneas, 
Bomanae stirpis origo, sidereo flagrans clipeo et caelestibus armis et juxta Ascanius, magnaa 
spes altera Bomae, procedunt castris. Die politische Tendenz der Äneide, welche wir als eine 
nationale und patriotische erkannt haben , hat den Dichter dazu geführt, in seinem Äneas den 
Träger des BOmerthums darzustellen. Indess begibt er sich damit nicht ganz aus dem Gebiet 
der Sage hinaus. Die Verehrung des Äneas als Indiges ' enthält die Voraussetzungen zu jener 
AufEissung. Denn wenn der Indiges so viel ist als Landes- und Nationalgenius, so kann auch 
die römische Geschichte als auf ihm ruhend erscheinen. 

Es gibt nun noch eine Beihe von Stellen, welche den Grundgedanken der Äneide, dass 
die BOmer sich ihres Berufe zur Weltherrschaft bewusst werden sollen, gleichsam auf den 
höchsten Ausdruck bringen und - zugleich klar beweisen , dass Vergil nicht die Herrschaft der 
Julier, sondern die Hoheit des römischen Volks bei seiner Dichtung vor Augen hat Er begnügt 
sich nämlich nicht die Weltherrschaft der BOmer auf die fata des Äneas zurfickzufähren, sie 
gehört ihm vielmehr von Anfang an zu Italien. Dies bringt er dadurch zum Ausdruck, dass 
Äneas, dessen ganze Bestimmung in den Worten zusammengefass^ ist: sacra deosque dabo 12, 
192 cf. 1, 5: dum conderet urbem inferretque deos Latio, diese Unterpfilnder der Weltherrschaft 
nicht zuerst nach Italien bringt, sondern sie an ihre ursprflngliche Stätte zurfickbringt In der 
Bede der Penaten 3, 163 ff. tritt dieset Gedanke zuerst auf. Dardanus stammt itus Italien, 



♦• • 



« Marquardt 8^8. 80. Schwegler B. O. 1« 8b 22S, Ambl 



w. 



30 : 

dort sind die propriae sedes der Penaten, deren Beeits, wie unmittelbar yorher gesagt ist, die 
Weltherrschaft ?erbfirgt An Italien ist also nrsprfinglich die WeltherrschaftSTerheissnng ge- 
bunden. Wie immer die Sage ?on der italischen Herkanlt des Dardanas entstanden sem mag \ 
jedenfalls war es eine Sage, die Yergil ebensogut ausser Acht lassen konnte wie manche andere. 
Wenn er sie nun so geflissentlich ausgebildet und mit dem Grundgedanken seiner Dichtung 
verknfipft hat, so dOrfen wir darin nicht blos das Bestreben sehen, seine doctrina leuchten zu 
lassen oder die FSden tu yervielftltigen , welche die Trojanersage mit Born verbinden sollen. 
Im Hunde der feierlichst die Weltherrsdiaft verbeissenden Penaten haben die Worte: Italia 
nobis propriae sedes eine tiefere Bedeutung. Dies beweisen auch die andern Stellen. 7^ 205 ff. 
erkennt Latinus, indem er den Bund mit den Trojanern schliesst, durch welchen seinem und 
der extemi generi Stamm die Weltherrschaft verheissen ist (s. t. 98 ff.), die Abstammung der- 
selben aus Italien an und beisst sie willkommen, so wie Apollo 8, 94 £ es yoraussagt und 
nioneus daran sich erinnernd hervorhebt 7, 240 ff. Damit ftUt die Auswanderung des Dardanus 
nach Troja und die ganze dortige Entwicklung unter den Gesichtspunkt eines yerfehlten Unter- 
nehmens, ähnlich wie die schicksalswidrigen Ansiedlungsyersuche des Ineas in IIL Fast noch 
deutlicher spricht sich Vergib Anschauung aus in dem freudigen Willkomm, welchen der Gott 
des BOmerstroms, der caeruleus Thybris, caelo gratisdmus amnis (8, 64), dem Äneas zuruft: 
säte gente deum, Trojanam ex hostibus urbem qui reyehis nobis aetemaque Pergama servas, 
ezspectate solo LaurenU aryisque Latinis, hie tibi certa domus, certi — ne absiste — Penates 
8, 36 ff. Das .Zurfickf&hren Trojans" hat schon Seryius richtig auf die Fiktion der Auswanderung 
des Dardanus bezogen, und eben die Bfickkehr der Dardanier dient dazu Pergama fär die Ewig- 
keit zu erhalten (aetema proleptisches Prftdikat). Keineswegs also auf dein Sobn der Venus 
beruht die Erfüllung der fata, sondern auf Troja und der Continuität des dardanischen Stamms, 
< der in die alte Heimat, wo seine wahre Stätte ist, zurückgeführt wird (reyehis nobis). Ineas 
ist nur das beyorzugte Werkzeug fiBr die Ausffihrung der Yerheissungen , indem er Pergama 
d. h. dessen Fortbestand rettet. In. derselben Weise sind dem Dichter die JuUer Werkzeuge 
des Schicksals, um Bom zu seinem Berufe zurfickzd&bren und auf der Bahn der ewigen Be- 
stimmung zur Weltherrschaft weiterzuleiten. Dass der Stammsitz des Dardanus Corythus in 
Etrurien war, madit nichts aus : dem Dichter ist es nicht nur = Etrurien 9, 10, sondern auch 
a Italien 8, 170, daher es auch yon Latinus mit bis agris bezeichnet wird 7, 206. Und 
Tiberinus zumal , der dem Gebiet der ragenden St&dte Etruriens entspringt 8 , 65 , darf die 
Dardanier als heimgekehrte SOhne begrflssen. Mit Becht findet Gossrau zu 11, 243 auch in 
der Antwort des Diomedes 11, 252 ff. die Idee der den Dardaniem gebflhrenden Weltherrschaft 
angedeuteti die jetzt an ihre rechte Schicksalsst&tte, nach Italien zurfickgekehrt sei. Und wenn 
Diomedes als trelTlich gewählter Zeuge dort den trojanischen Krieg als eine Art sacrilegium 
bezeichnet 255, so ist die Voraussetzung hiezu, dass das Dardaniergescblecht yon Anfang an 
ein pium genus ist (1, 526), so dass die pietas Aeneae wie ein Zug des römischen Charakters 
so auch des dardanischen zu sein scheint So wird denn endlich Troja geradezu als mn idealer 
Begriff behandelt: wie es yor der Auswanderung des Dardanus schon in Italien ezistirte 8, 86: 



• YgL fUjM exe. VI ad AsB. m und Fk^lkr B. IL 8. e78, L 



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Trojanam ex hostibns arbem ' nobis revehis, so dauert es oachdem es zerstört ist, in den 
Äneaden fort 2, 703. 9, 247. Daher fleht auch Ineas zu Apollo nicht Ittr sich und seinen 
Sohn, sondern fOr dieses Troja 3, 85 ff.: serva altera Trojae Pergama, welche W<Mrte erklärt 
durch die Apposition relliquias Danaum atque iromitis Achilli nichts Anderes bedeuten können 
als ihn selbst mit seinem Gefolge. Der Gott soll in ihnen einen zweiten Ifittelpunkt des 
troischen Staates erhalten. Der ideale Begriff von Troja ooncentrirt in der Burg mit ihren 
Heiligthümern ruht jetzt in seiner Flotte. Ganz unmöglich scheint mir die Erklärung von Lade- 
wig-Schaper : altera Trojae Pergama von der Stadt, die Aneas gründen wolle. Wie kann der Gott 
diese Zukunftsstadt servare, und wie kann sie mit relliquias Danaum bezeichnet werden?' Zum 
Überfluss heisst es 1, 68 deutlich, Äneas .bringe Ilium nach Italien*, d. h. Troja ist in seinen 
Schiffen, wie nachher in seinem Lager, welches daher urbs genannt wird 9, .8 n. a. und r^nnm 
9, 227. Diesem Troja also, das von Dardanus an seine Schicksale und Wandlungen durch- 
macht und zuletzt in Rom dargestellt ist, der Troica Borna, wie Propertius 5, 1« 87 sagt, 
nicht aber der julischen Familie ist die Weltherrschaft bestimmt, auf welche hinzuweisen der 
Äneide höchste Aufgabe ist. So ist dann nach Gregorovius* ^ geistvoller Bemerkung Born selbst 
wieder ein idealer Begriff geworden, der seine Herrschaft fiber die Völker fortfibte, lange nach- 
dem die Macht des Reiches entschwunden war. 

VL 

Fassen wir das gewonnene Resultat zusammen, so ist es dieses : einen politischen Zweck 
hat die Äneide unleugbar; sie ist nicht geschaffen aus dem frischen und freien Drang des Br- 
zählens; nicht die Freude an der Äneassage selbst hat den Dichter zu seinen Versen begmstert, 
sondern das Bewusstsein dem grossen Volk anzugehören, das sich von Ineas herleitete, der 
Wunsch die Anfänge dieses Volkes durch ein Werk zu verherrlichen, das neben Homer genannt 
zu werden verdiente, und die patriotische Absicht seinen Römern ihren grossen Schicksalsberuf 
eindringlich vorzuhalten. Insofern nimmt Vergils Dichtung unter den Bestrebungen der 
augusteischen Zeit das Römerthum nach seiner fast gänzlichen Auflösung durch ä\h Bürger- 
kriege wiederherzustellen eine hohe und bedeutende Stelle ein. und wenn man yiel&ch das 
Werk Vergils vornehmlich vom Standpunkt der Nationaleitelkeit als eine römische Ilias be- 
grüsste (Prep. 3, 34, 65 f. : cedite Romani scriptores , cedite Grai : nescio quid majus nasdtur 
Iliade, cf. Ovid. rem. am. 396. am. 1, 15, 25), so wird man andererseits bd Augustus wohl an- 
nehmen dflrfen, dass seine Theilnahme und Ffirsorge f&r das Gedicht besonders auch durch 
jene politische Tendenz veranlasst wurde. Dagegen konnten wir bei genauerer Prüfung als 
nach dem ersten Eindruck, welchen die häuBge Nennung der Julier und des Augustus hervor- 
bringen mag, uns nicht fiberzeugen, dass die Äneide im Dienst der augusteischen Monarchie 
gedichtet sei. Augustus wird von Vergil nur verherrlicht, sofern er die römischen Dinge aus 
kläglicher Verwirrung gerettet , den Weltfrieden * begründet und das römische Volk ^n seinem 
Berufe zurtickgefBhrt hat. Er hat seine ruhmvolle Stelle in der römischen Geschichte, welche 
sich dem Dichter als Mittelpunkt der Menschengeschiehte darstellt Die Äneide ist 



1 GeKhichte der 8t Rom im M. A. I,' 8. 6 ff. 



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32 



QDd patriotisch, nicht augusteisch uud höfisch. Ein „correkter Angosteer** ist Vergil io dieser 
Dichtung nicht anders als jeder seiner Zeitgenossen, der Unbefangenheit und Einsicht genug 
hatte Augusts Verdienste anzuerkennen und seine reformatorischen Bestrebungen 2U unter- 
stfitzen« In dem Mass der Huldigungen für Augustus endlich geht die Äneide nicht so weit, 
als die meisten Lobpreisungen der Zeit 

Diese Aufhssung deir Tendenz der Äneide modifidrt nun aber nothwendig auch das ürtheil 
Aber ihren poetischen Werth. Denn ist es auch sicher, da^ sie ihren Hauptzweck ausser sich 
hat, 80 ist es doch ein anderes, ob der Dichter seinem Volk dienen will oder einem Einzelnen, 
ob ihm Boms Geschichte dazu da ist, in fortwährender Auswirkung des grossen Schicksalsberufs 
Gesetz und Begiment in der Welt aufzurichten , oder dazu , dass sie in der Alleinherrschaft 
eines Einzelnen ihren Abschluss und höchste Vollendung finde. Der unleugbare Fehler, dass 
die Äneide aus der Gegenwart durch Beflexion entstanden ist, hat doch auch die Kehrseite, 
dass die patriotischen Geffihle der Bömer durch sie ganz anders ergriffen wurden, als es bei 
objektiTer Behandlung mOglich gewesen wäre. Es ist zwar wohl etwas zu viel behauptet, wenn 
Weidner meint, eine Äneaslegende ohne Bezug auf die Gegenwart hätte Bom zur Zeit des 
Augustus nicht im Mindesten interessiri Es muss doch wohl Domitius Marsus mit seiner 
Amazonis auch auf Interesse gerechnet haben, obgleich er Zeitbeziehungen darin anzubringen 
kaum in der Lage gewesen sein wird. Aber es war allerdings mit dem Stoff der Äneide anders, 
und Weidner hat ToUkommen Becht, wenn er es als anerkennenswerth bezeichnet, dass Vergil 
auch nicht einmal den Versuch gemacht habe seine Zeit gegenfiber der heroischen vergessen 
2U lassen. Nur muss man zu richtiger Wfirdigung dieser unepischen, aber für Vergil un- 
vermeidlichen Hereinziehung der Gegenwart die Tendenz des Gedichts so nehmen, wie sie sich 
gibt. Wenn die ganze Äneide auf dem Gedanken ruht: tantae molis erat Bomanam condere 
gentem; wenn Vergil die fata des Äneas mit dem Bewusstsein besingt, dass sie den Anfang, 
machen 2ur Entwicklung des Volkes, das der höchste Gott selbst als Bomanos rerum dominos 
gentemque togatam bezeichnet; wenn Äneas, was er thut und leidet, in dem Bewusstsein dieser 
hohen Zukunft besteht, — so kann man einer solchen Dichtung eine gewisse Grossartigkeit 
nicht absprechen. Wenn aber alle diese weitausholenden Veranstaltungen nur dazu da sein 
sollen, dass nach 1000 Jahren erst die rechte Erfüllung der fata Aeneae in der Herrschaft der 
Julier eintritt, so ist damit, man mag es drehen und wenden wie man wiU, die Äneide zu 
einem Schmeichelgedicht erniedrigt, und zwar zu einem recht unnatfirlichen, verschrobenen, un- 
wahren und heuchlerischen. Denn das Wiedererstehen der julischen Herrschaftsansprfiche nach 
einem tausendjährigen Begrabensein wäre doch zu wunderbar, um wirksam zu sein, und die 
nationale Darstellung mit .der dynastischen Tendenz zu unvereinbar, um nicht widerlich zu sein. 
Nach unserer Aufhssung aber wird dem Gedicht zwar die unepische Vermischung der Zeiten 
auch nicht abgenommen, aber doch Wahrheit und Einheit des Grundgedankens gerettet 
Die Wahrheit, weil der Glaube an eine durch die troischen Heilig thflmer verbfirgte Vorher- 
bestimmung Boms zur Weltherrschaft längst im Volke Wurzel geschlagen hattet ehe Vergil 
demselben poetischen Ausdruck veriieh; und die Einheit, weil das ffir das antike Bewusstsein 



« SchwegUr B. 0. I 8. 888 A. 7. Maiqoanlt 8, 8.. 349. 



*» 



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33 



?0D dem Geschichtlichen nicht scharf getrennte Mythische so in einem ununterbrochenen Ver- 
lauf erscheint, während bei der anderen Auffassung der Faden mit lulus abreisst und mit Julius 
Oftsar neu geknflpft wird. - 

Aus diesem Grundgedanken der Dichtung, dass die fata des Äneas nach Schicksalsbestimmnng 
in der Geschichte seines Volkes sich erfüllen, folgt auch das fatalistische Motiv der Handlung. 
Hiemit kommen wir auf den zweiten Hauptvorwurf, der neben der Äusserlichkeit und Fremdheit 
des Zwecks der Äneide gemacht wird. Ein gewisser starrer Fatalismus schwebt Aber den 
Handlungen des Helden, und es ist gewiss, dass uns dieselben ebendesswegen kalt lassen« Auf 
Reflexion beruhend, die römischen Schicksale gleichsam rflckw&rts denkend kann die Äneide 
nicht menschlich bewegen und anmuthen. Aber dieser Fatalismus Iftsst doch in dem nationalen 
Gedicht eine Betrachtung zu, welche das Urtheil fiber Vergil mildem kann, und sie drftngt 
sich um so mehr auf, da auf denselben schliesslich alle Ausstellungen hinauslaufen, die man an 
Äneas* Charakter gemacht hat: ^ dass er eine willenlose Drahtpuppe des Schicksals (HertsbergX 
dass seine pietas keine Heldeneigenschaft, und er Aberhaupt kein Held sei (Teuffei). Ohne 
Zweifel allerdings ist der Drang, der den Odjsseus trotz allen Gefahren in die Heimat sieht, 
einzig poetisch im Vergleich zu den fata, welche den Äneas treiben (vgL u. a. 11, 112); ohne 
Zweifel ist es menschlich ergreifender, wenn Odysseus Eirke und Ealypso aus Sehnsucht nach 
Penelopeia verlftsst, als wenn Äneas von Dido flieht, weil er sonst den Askanius um das Land 
der Verheissung bringen wflrde (4, 355). Aber stellt man sich auf den nationalen Standpunkt 
des Dichters, wornach Äneas Alles thut, um die GrSsse Roms zu begrflnden, so dürfte man 
Vergil wenigstens die T&uschung zu Gute halten, dass er — «vitio mentis* — eben in dieser 
patriotischen Hingebung des Äneas ein rechtes Heldenthum geschaffen zu haben glaubte, um 
der grossen Zukunft seines Volkes willen auf eigenen Willen verzichten, ist dies nicht auch 
dne Art heldenhaften Duldens? um der hohen Bestimmung seines Volkes willen die labores und 
errores exilii auf sich nehmen, konnte dies nicht als ein Seitenstfick zur Heimattreue des 
Odysseus erscheinen P mit geringen Er&ften das Land der Verheissung erobern, durfte das nicht 
als eine Heldenthat angesehen werden, wie der Griechen überlegener Angriff auf Troja? Ctowiss 
wflrde Vergil sehr erstaunt sein aber die heutige Verurtheilung des Grundgedankens sdner 
Dichtung; gewiss glaubte er in diesem echt römischen Patriotismus, der Alles daransetzt ü» 
Grosse der Nation zu erringen, dem Äneas recht die Eigenschaft eines Nationalhelden gegeben 
zu haben. Bedenken wir, dass die Sage dem Dichter f&r seinen Helden ausser der allgemeinoi 
Eigenschaft der kriegerischen Tapferkeit nichts bot als die pietas, so verdient die grossartige 
Auffassung derselben im Sinn aner bewussten Hingabe an seine Mission doch Anerkennung, um 
so mehr da dieselbe in der That alle Handlungen des Helden durchdringt und bedingt Bömisdi 
ist diese piet&tsvoUe Unterordnung im Dienste der &ta des Volkes sogut wie in dem der 
wirklichen res publica. So erscheint die vielverspottete pietas des Äneas unzertrennlich mit der 
nationalen Tendenz des Gedichts verwoben. An dem Beispiel des Äneas sollten die BOoier 
ihre eigene Pflicht der vollen Hingabe an den nationalen Beruf wieder erkennen. Mag nun 
audi der Charakter des Helden uns frostig, unlebendig vorkommen, mag auch der durchgeführte 



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* YergL Weidner a 49 ft 



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34 



MeehaDismas des Fatum9 Göttern und Menacben der Aneide eine gewisse unpoetische Starrheit 
Terleihen, welche die homerische Moiffa mit ihrer anmuthigen Biegsamkeit und naiven Ver*. 
trftglichkeit Aicht hervorruft, so durfte doch den BOmern der vergilische Standpunkt eines 
römischen Fatums sehr sympathisch gewesen sein. Mag auch Äneas — worein ich die ganze 
Schw&che seines Charakters setzen mSchte — der bewegenden Leidenschaft entbehreui und seinen 
Handlungen die ethische Begrfindung fehlen , so ist doch die Betrachtung der Sage von den 
Thaten und Leiden des Stammvaters sub specie historiae Bomanae echt römisch. Wenn auch 
die Äneide als Ilias post Homerum sich in der That von vorne herein unmögliche Aufgaben 
gestellt hat, und ihr ganzer Boden wegen des Zukunftsstandpunkts von Anfang an kfinstlicb 
und schief ist , so ist doch anzuerkennen , dass Vergil die bewegenden Kräfte seines Gedichts 
in eigenthümlicher, nationaler, römischer Weise aufgefasst und vielleicht wenig Gestaltungsgabe, 
aber doch Tiefe des Geistes gezeigt hat. Wenn auch die homerische Schönheit und Einfachheit, 
die Naivität und Objektivität, die Spannung und Verwicklung der Äneide fehlen, so hat sie 
doch in ihrem Grundmotiv, in ihrer patriotischen Wärme und nationalen Tendenz Vorzfige, 
welche zusammen mit der Meisterschaft und Mustergiltigkeit der Sprache äe den Bömern als 
ihre grOsste nationale Dichtung erscheinen lassen mussten. . ^ . 



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J^ealgyninasium Stuttgart. 



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Rector Dillmann, 

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