Skip to main content

Full text of "Die Reisen des Venezianers Marco Polo"

See other formats


Google 


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world’s books discoverable online. 

It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover. 


Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 


Usage guidelines 
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 


public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 





‘We also ask that you: 


+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual 
personal, non-commercial purposes. 





and we request that you use these files for 


+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 


+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 


+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 






About Google Book Search 


Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web 
alkttp: /7sooks. google. com/] 














Google 


Über dieses Buch 


Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 


Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 


+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 





+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 


+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 





Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: //books .google.comldurchsuchen. 


























J f 
800081048R 


Die Reifen 


des Venezianers 


Marco Polo 


im dreizehnten Jahrhundert. 


Zum erſten Male vollſtaͤndig nach den beſten Ausgaben 
Deutſch mit einem Kommentar 


Auguſt Bürd. 


Nebſt Zuſätzen und Verbeſſerungen 


von 


Karl Friedrich Meumann. 


Zweite unurründerte Ans 





.Xeipzig, 


Drud und Berlag von B. G. Teubner. 
1855. 
® ) N 2 - ’ - 
te “ 


Vorrede. 


Nie haben ſich guͤnſtigere Umſtaͤnde und eigenthuͤmlichere 
Verhaͤltniſſe fuͤr einen Reiſenden bei Ausfuͤhrung ſeiner 
Unternehmungen vereinigt als bei Marco Polo. Der 
Aufenthalt und die Reiſen des Venezianers in Aſien 
fallen in die merkwuͤrdigſte Geſchichtsepoche dieſes Erd⸗ 
theils, der damals den CEuropaͤern noch eine Terra in- 
cognita war. Diehingisfhan und feine Nachfolger hatten 
die weiten Laͤnderſtrecken Weft- und Hochaſiens der Mon- 
golenherrfchaft unterworfen und Kublaifhan vollendete Die 
Eroberung China’3, des damals Fultivirteften, menſchen⸗ 
und jchäßereichften Staates der Welt, und begründete für 
die Dauer feiner Regirung ein Reich, das in feinen un— 
geheuren Umfange einzig in der Gefchichte daſteht. Marco 
Polo kam mit feiner Familie an den Hof des Großkhan's 
ver Tartaren; der mächtige ſcharfblickende Herrſcher er 
fannte die Kräfte des reichbegabten Juͤnglings und ver» 


IV 


traute ihm vielerlei Sendungen in verſchiedene Länder fei- 
ned Reiches. In eigenem Vorfchertriebe benubte der Ve— 
nezianer die Gunft der gebotenen Gelegenheiten, ſich überall 
umzufchauen und mit Elarem eindringlichen Verftande Die 
Eitten und Gebräuche der Völfer, die Einrichtungen Der 
Staaten, die fyſiſchen Eigenthuͤmlichkeiten der Linder, Die 
Gerhältniffe der Städte zu erfunden und fich von allem 
Gejchauten, von Allem, was er erfahren, ein fcharfgezeich- 
netes Bild zu entwerfen, das in feiner ungetrübten Ein- 
fachheit die Dinge in ihrem Kerne erfabte und in ihrer 
Urjprünglichfeit darſtellte. Faſt Alles, was der Europier 
fehaute, mußte ihm neu und außerordentlich erfcheinen, 
und in der frengen einfachen Darftellung der Dinge, wie 
jeltfam und unerhört fie auch waren, befteht die Größe 
Marco Polo's. Wie fehr auch die Zeitgenoffen und die 
nachkommenden Gejchlechter die Wichtigkeit der Mitthei- 
lungen des Venezianers fühlten, fo war ihnen doch Alles, 
was darin abgehandelt wurde, fo neu, feltfam und fremd, 
daß fie den Autor vielfach verfannten. Das Werf wurde 
von unfundigen Abfchreibern ſehr verftümmelt und von 
den Lefern lange mißverftanden. Erft durch die Forſchun— 
gen und Grflärungen bedeutender Drientalifcher Sprach— 
forfcher, Siftorifer und Geografen find in neuerer Zeit 
die Reifen Marco Polo's zu der Würdigung und An- 
erfennung gefommen, die fie in jo reihem Maße verdie- 
nen, und als noch geltende Autorität nicht allein in anti- 
quariicher Beziehung, jondern, bei der Stabilität Mittel- 


v 


und Oftafiatiſcher Zuſtaͤnde, auch für die jetzigen Ver⸗ 
haͤltniſſe, die für Europa beſonders intereſſant und wi: 
tig geworben find, erhoben worden. 


Staltenifche, Englifche und Franzöfifche Gelehrte ha— 
ben fich beeifert, Ausgaben und Uebertragungen des wich⸗ 
tigen Werkes des mittelalterlichen Reifenden zu beforgen, 
die fie mit zum Verſtaͤndniß fo nöthigen Kommentaren 
verfehen haben; Deutfchland ift zuruͤckgeblieben, und in 
den legten beiden Jahrhunderten haben wir nicht einmal 
eine Uebertragung des Merfes des berühmten NReifenden 
erhalten, die der Beachtung wuͤrdig wäre, obwohl gerade 
Deutfche Gelehrte in neuefter Zeit vorzüglich zum Ver⸗ 
ftändnig, zur Wuͤrdigung des Venezianers beigetragen ha⸗ 
ben: Klaproth in verſchiedenen freilich Franzoͤſiſch geſchrie— 
benen Abhandlungen, Neumann in mehreren Schriften und 
Ritter in feinem großen Werfe über Aſien. So habe 
ich denn nach Diefen gewagt, eine Luͤcke in der Deutfchen 
Literatur zu füllen und eine Deutfche Ausgabe ber Rei⸗ 
ſen Marco Polo's mit einem Kommentare zu liefern. 
Den natuͤrlichen Vortheil habe ich vor den früheren Her⸗ 
auögebern und Kommentatoren, daß ich ihre Werfe mit 
Zuziehung der übrigen neueren Gelehrten, welche über 
Marco Polo gejhrieben, zu meiner Arbeit benugen Fonnte, 
und dadurch ift es mir zugleich gelungen, wenn ich auch 
wieder manchen Irrthuͤmern nicht entgehen konnte, tiber 
Dieles, mit Berücfichtigung der neueften Verhältniffe na» 


vı 


mentlich in China, neue mir eigenthumliche Anfichten und 
Erflirungen zu geben und den Ramufio’fchen Tert, der 
mit Recht als der vollftändigfte und beite angejehen wird, 
in fteter DVergleihung mit den übrigen Ausgaben in 
manchen offenbar Forrumpirten Stellen wieder auf die 
richtige urfprüngliche Form zurüdzuführen. 

| Das Buch war fchon im Drude vorgerücdt, ala ich 
die Ehre Hatte, Herrn Profeffor Neumann in München 
über das Unternehmen zu fprechen, und dieſer, befannt- 
lich einer der erften und berühmteften Kenner der Drien- 
talifchen Sprachen und Gefchichte, der Marco Polo's Reifen 
feine beſondere Aufmerkſamkeit gewidmet, dieſelben mit 
Vorliebe durchftudirt und feit langen Jahren Erklärungen 
Darüber gefammelt und aufgezeichnet Hat, ſah ſich im 
ebelften Intereſſe für Die Sache veranlagt, feine Bemer- 
fungen und Verbeſſerungen dieſer Ausgabe beizufügen, 
wodurch dem Kommentar von verfehiedenen Standpunkten 
aus eine Vollftänvigfeit verliehen worden it, wie fie nur 
in unferer Zeit zu ermöglichen war. 


A. B. 


112) 


Einleitung . 2 2 0 0 Een nn. 


Erftes Buch. 
Kapitel 


2. Don Kleinarmenien, von bem Hafen lage und den Grenzen biefer 
Provinngng. 


2 


3. Bon dem Lande Zurkomania, wo bie Stäbte Kogui, Kaiſarich 
und Sevaſta ſind u. ſ wmwm. 460 


4. Von Großarmenien, in welchem die Städte Arzingan, Argiron 
und Darziz liegen; vom Schloſſe Paipurth; von dem Berge, wo 
die Arche Noaͤh ſtehen blieb; von den Grenzen des Landes und 
von einer merkwuͤrdigen Delqueile .. 


5. Don dem Lande Zorzania und. feinen Grenzen; von dem Baf, wo 


Alerander das. eiferne Thor errichtete, und von ben WBunderm 


einer Quelle bei Tiflis - . . .- « . ne 


6. Von der Landſchaft Moful und ihren verfelehenen Bewohnern; 
von dene Volke der Kurden uf. wwy. 8 


7. Bon der großen Stadi Baldach oder Bagadet, vormals Bahylon ger 


IR 


Kap. Seite 
nannt; von der Schifffahrt von dort nach Balſora u. ſ. w. und 
von den perſchiedenen Wiſen ſchaften, die in Dieter ( Stadt erlernt 
werden - . . . . 74 


8. Handelt von der Sefangennefmung und dem Tode bes ‚ Rfaltfen 
von Baldach und dem Wander, wie ein Berg von einem Orte an 
den andern verfeßt worden it © « 2 0000. T% 


9. Von der edlen Stadt Tauris in Irak und von ihren Handels⸗ 

leuten und andern Bewohnern - - » 0.0. .. 8 
10. Bon dem Klofter St. Barfamo in der Nähe von Zaurie .. 83 
11.Bon dem Lande Perſia und den acht antreten darin; auch 

von den Roffen und Eſeln alba :- u... 84 
12. Bon der Stadt Yusbi und ihren Gewerben, und von den Thieren, 

die in dem Lande innerhalb jenes Finden und Kierman gefunden 


werden 0... 91 
13. Von dem Koͤnigreiche Kierman u. w.; von 1 feinen Geteinen 
und Erzen, feinen Gewerben, feinen Balfen ic. . . - 92 


14.Bon der Stadt Kamandu und der Landfchaft Reobarle; von 
gewiſſen Voͤgeln, die daſelbſt gefunden werden; von einer be- 
fondern Art Ohhſen— und von den Karaunas, einem Raͤuber⸗ 
ffamm . .. . 96 
15. Bon der Stadt Ormus‘ u. ir w.; von chrer Sanbelewichtigfeit, 
und von dem heißen Winde, ber dafelbfi weht . - 104 
16. Bon ven zu Ormus gebräuchlichen Echiffefahrzeugen; von ber 
Jahreszeit, in welcher die Fruͤchte gedeihen, ind von ber Lebens⸗ | 
EC weife und den Sitten der Einwohner . » x ne 0. . 108 
17. Bon dem Lande, durch welches man Tommt, wenn man Ormus vers 
EN laͤßt und nach’ Kterman- auf einem andern Wege Deren und 


vonder Bitterkeit im Brote wm few. . d: 2% 111 
18. Bon dem wirften Lande wiſchen Kierman und Rostnam und bem 

bittern Maäffer dafelbſt Br 00.0. 12 

Bon der Stadt Kobinam und been Gewerben en... 14 
20. Bon der Reife aus Kobinam nach dem Lande Timochain u. 9 w.; 

und von einer eigenthuͤmlichen Bauart . el. .. 115 
21. Vom Alten vom Berge, feinem Palafte und > Keinen ren, feiner 

Sefangenfchaft und feinem Tode. .: 2:0 117 


22. Bon einer ſechs Tagereifen langen fruchtbaren Ebene, ber eine 
Wuͤſte son acht. Tagereiſen folgt, die man auf dem Wege nah - 


ap. 
K Per Stadt Sapurgan zu burchiwandern hat; von ben ausgezeich⸗ 
neten Melonen, die daſelbſt wachen, und von der Stadt Balady 
23. Bon der Burg Thalfan, von den Sitten ber „innobner und von 
den Salbügeln - 2 2 2 er ren 00. 
24.Bon der Stadt Scaflem und ven Steinen bie daſetbſ 
gefunden werden 


25. Von der Provinz Valeſchan; von den totliten Steinen, bie 
bafelbit gefunden werden und bem Könige anheimfallen; von 
ven Pferden und Balken des Landes; von der heilfamen Luft 
ber Berge und von den Kleidern, mit denen bie Frauen ns 
fhmüden . . . . ... . .. . . 


26. Bon dem Lande Basel ꝛc.; von dem gofönen Schmudt, wel; 
chen die Einwohner in ihren Ohren ragen, und von ihren 
Gebräuhen - - . 2... ... Fe 

27.Bon dem Lande Kesmur; von den Ginwohnern, bi geſchickt in 
der Magie find ıc., und von einer Klaſſe Einjiedler u. f. w. 


28. Von der Landfchaft Vokan ꝛc.; von einer befonderen Schafzucht, 
die dafelbft gefunden wird ; von der Wirfung, die das Feuer 
hat, wenn es in großer Höhe angeziindet wird, und von dem 
wilden Leben der Einwohner 

29. Bon der Stadt Kafhfar und dem Sandel ihrer Giniwohner 

30. Bon der Stadt Samarfan und. der wunderbaren Säule in der 
Kirche Sohannes des Taufers . » .. 


31. Don der Provinz Karkan, deren Einwohner mit ® grfglenen 


Beinen und Kröpfen belaftet find 

32. Von der Stadt Kotan u. ſ. w. 

33. Bon der Provinz Peyn; von den Chalcedonen und d Jaeplefteluen, 
die in ihrem Fluſſe gefunden werden, und von einer beſondern 
Gewohnheit, die ſie bei ihren Ehen haben 


34. Von der Provinz Ciarcian (Tſchartſchan); von den Steinen, 


bie in ihren Slüffen gefunden werden, und von der Flucht der 


Einwohner in die Wiſte beim berauri den der cTartarſchen 
Armeen 


35. Von der Stadt ep: von ber Wiſte in hhrer Nachbarſchaft ic. 


Seite 


133 


135 


130 


. 14] 


150 


36. Von dem Lande Tanguth; von der Stadt Sachion; von der 


Sitte, die dafelbft herrfcht bei der Geburt eines Knaben, und .- 


von ber Verbrennung der Todten . 


167 


VIII 


Kap. 
nannt; von der Schifffahrt von dort nach Balſora u. ſ. w. und 
von den verſchiedenen Wißenſchaften, die in virfer © Stadt erlernt 
werden - » » . . 


8. Handelt von der Sefangenmegmung und dem Tobe des chauifen 
von Baldach und dem Wnnder, wie ein Berg von einem Orte an 
ben andern verfeßt worden tft . 


9. Von der edlen Stadt Tauris in Iraf und von en Sun 
leuten und andern Bewohnern . 

10. Bon dem Klofter St. Barfamo in der Nähe von Zauris 

LI. Von dem Lande Perſia und den acht Koͤntgreichen batin; auch 
von den Roſſen un, Ein aba > re» 

12. Bon der Stadt Yasdi und ihren Göwerben, und von den Thieren, 
die in dem Lande innerhalb jenes Plabes— und Kierman gefunden 
werden ER 

13. Bon dem Koͤnigreiche Kierman u. j w.; von 1 feinen Geteinen 

und Erzen, feinen Gewerben, feinen Falken ıc. 

"14. Bon der Stadt Kamandu und der Landfchaft Reobarle; von 
gewiſſen Voͤgeln, bie daſelbſt gefunden werden; von einer be⸗ 
ſondern Art Daten, und von den Karaunas, einem Räuber: 
ffamme . . . .. " 


15. Bon der Stadt Ormus‘ u w.; von chier Hadelenihtigtei 
und von dem heißen Winde, der daſelbſt weht .. 


16. Bon ‘ven zu Ormus gebraͤuchlichen Schiffsfahrzeugen; von der 


Jahreszeit, in welcher die Fruͤchte gedeihen, und von ber Lebens⸗ 


weiſe und den Sitten der Einwohner 


17. Bon dem Rande; durch welches man kommt, wenn matt Ormus ver⸗ 
CH aßt und nach; Kterman- auf einem anbech Wege surlfehr und 
von ver Bitterkeit im Brote m; f.w.- J 

18. Bon dem wuͤſten Lande wiſchen aucinun Kobinam und dem 
bittern Mäffer dafelbſt nen 
- Bon der Stavt Kobtnam und ihren Benierhen en 


20. Bon der Reife aus Kobinam nach’ dem Sande oe u. 3 w.; 


und von einer. eigenthuͤmlichen Bauart . let wo 


21. Bon Alten vom Berge, feinem Palafte und: scheinen Gärten; feiner 
Gefangenjchaft:und' feinem Tode: .: ste eis yield le 


22. Bon einer fechs Tagereifen langen fruchtbaren Ebene, per eine. 


Seite 


74 


76 


91 


92 


104 


108 


III 


112 
114 


115 


117 


Wuͤſte von acht. Kagereiſen folgt, bie-mat anfı dem Wege nad). - 


IK 


Kap. 
der Stadt Sapurgan zu burchwanbern hat; von ben ausgezeich⸗ 
neten Melonen, die daſelbſt wachjen, und von ber Stabt Balach 
23. Bon der Burg Thaikan, von den Sitten ber Ainwehner und von 


den Salzhuͤgeln a ... 
4.Bon der Stadt Scaſſem und ben Eingefänetn bie daſelvſ 
gefunden werden . . . . 0.0. 


2. Von ber Provinz Valaſchan; von ben toſtlichen Steinen, ie 
bafelbit gefunden werben und dem Könige anbeimfallen; von 
den Pferden und Falken des Landes; von der heilfamen Luft 
ber Berge und von den Kleidern, mit denen bie Frauen ſich 
fhmäden - » 2 2 2 2 2 2 0. ... 

26. Von dem Lande Daeid ꝛc.; von dem woidnen Schmadt, wels 
chen die Einwohner in thren Ohren Fragen, und von thren 
Gebraͤuchen.. 

N. Von dem Lande Kesmur; von ben Cinwohnen, Die gefiiet im 
der Magie find ıc., und von einer Klaffe Einitenler u. f. w. 


Seite 
122 
132 


133 


135 


190 


141 


28. Von der Landfchaft Vokan ꝛc.; von einer befonderen Schafzucht, 


bie dafelbft gefunden wird; von ber Wirfung, die das Feuer 
hat, wenn es in großer Höhe angezündet wird, und von dem 
wilden Leben der Einwohner 
2. Von der Stadt Kaſhkar und dem Handel ihrer cinwohner 
30. Von der Stadt Samarkan und. der wunderbaren Säule In der 
Kirche Iohannes des Täufer - - . . 


31. Bon der Provinz Karkan, deren Einwohner mit —8 


Beinen und Kroͤpfen belaſtet ſind 

32. Von der Stadt Kotan u. ſ. w. 

33. Von der Provinz Peyn; von den Chalebonen und » Saspiefelnen; 
die in ihrem Flufle gefunden werben, und von einer beſendern 
Gewohnheit, die ſie bei ihren Ehen haben 


34. Von der Provinz Ciarcian (Tſchartſchan); von den Eteinen 


144 
148 


150 


153 
154 


157 


die in ihren Flüfjen gefunden werben, und von der Tlucht der 


Einwohner in bie vie beim beranriden der cTartariſchen 
Armen ... .. 


35. Bon der Stadt &op; von ber . Diße in ihrer Nachberſchafi ic. 


168 
161 


36. Von dem Lande Tanguth; von der Stadt Sachion; von ber 


Sitte, die dafelbft herrfcht bei der Geburt eines Knaben, und - 


von ber MWerbrennung ber Todten. 


167 


Rap. 

37. Bon der Landſchaft Kamul und einige befondern Gewohnheiten 
bei ver Bewirthung ber Fremden daſelbſt . . 

38. Bon der Stadt Cin⸗ci⸗talas . 

39. Bon der Landſchaft Succuir, wo ber Rhabarber wachtt ꝛc. 

40. Von Kampion, welches die Hauptſtadt der Provinz Tanguth "; 
von der’ Befchaffenheit ihrer Goͤtzenbilder und von ber Lebens- 
weife derer unter den Goͤtzendienern, welche dem religlöfen 
Dienfte geweiht find; von dem Kalender, welchen fle Haben, und 
von den Gewohnheiten der andern Einwohner beim Verheirathen 

41. Bon der Stadt Ezina; von den Thieren und den Voͤgeln, bie 
man da’findet, und von einer oife, b bie u) Pe Sagereifen 
weit nach Norden erfirelt . . 

42. Bon der Stadt Karaforan 0. . 2 2. 2... 

43. Bon dem Urſprunge des Reiches der Tartaren; von der een 
woher fie famen e. . . .. 

4. Handelt von Dſchingiskhan, dem aſen Bar der Katar und 
feinem Kriege mit Unkhan ıc. . 

45. Von den fechs folgenden Kaiſern ber Zatiaren und von den 
Feierlichkeiten, die Statt fanden, wenn ſie zum Vegrübri in den 
Berg Altat gebracht wurden .. « .. . 

46. Bon dem wandernden Leben ber Yarksren; von ihren hauelichen 

Gewohnheiten, ihrer Nahrung und ber Tugend und ben nüß- 
lichen Eigenfchaften ihrer Frauen - . 


27. Bon den Gottheiten des Himmels und ber Give bei den Lore 


taren und ber Verehrung berfelben; von der Tartaren Kleidung 
und Waffen, ihrem Muthe, ihrer Geduld und ihrem Gehorfam 
48. Bon ven Kriegsheeren ber Tartarenıc.; von der Ordnung beim 
Marſch; von ihrem Prorlant und von rer Ba den Feind 
anzugreifen 
49. Bon ber Gerehtigfeitspflege Set bieſen Voltern und von einer 
eingebilbeten Art Berheirathung zwifchen verftorbenen Kindern ıc. 
80. Bon. der Ebene Bargu nahe bei Kara-koran; von den Sitten 
ihrer Bewohner; von dem Ozean zc.; von den Falken, die cs in 
bem Lande giebt, und vonder Stellung der nördlichen Geſtirne ıc. 
51. Don dem Königreiche Erginul, das an Kampion grenzt, und 
yon der Stadt Singui; yon einer Art Stiere, die mit außer; 


Seite 


175 


180 
182 


188 
191 
193 
19% 


201 


206 


211 


21% 


217 


222 


224 


xl 


Kay Seite 
ordentlich feinen Haaren bebedit find; von dem Thiere, das ben 
Mofchus Liefert ꝛc.; von den Sitten ıc., und der Sqhonheit der 
Weiber. 

52. Von dem Lande Earigafa und ber Stabt Ralacia; von den Sit; 
ten ihrer Einwohner und dem Kamelot, der daſelbſt gefertigt wird 232 
53. Bon dem Lande Tenduk ꝛc.; von ber Weihe der Priefter und 
von einem Volksſtamme, der Argon heißt. - - . » 234 
54. Bon dem Regierungsfibe der Fürften aus der Familie Priefter 
Sohanns, Og und Magog genannt; von den Sitten, Seiben- 
manufafturen und Silberminen ı.. . - . . . . 238 
55. Bon der Stadt Cianganor (Sanganır); von verfäjfebenen 
Arten von Kranichen und von Rebhühnern und Wachteln ıc. . 241 
56. Bon des Großfhan’s herrlichem Palaſt in der Stadt Zandu 
(Schandu); von feinem Marftalle weißer Zuchtfiuten; von den 
wunderbaren Dingen, welche die Sterndeuter, wenn ſchlechtes 
Metter ift, verrichten 3 ꝛc.; von x Boetietmöndien und threre Lebens⸗ 
weiſe... un, . .. 244 


Zweites Bud). 


1. Bon den bewunderungswürbigen Thaten Kublai Kaan's, bes jetzt 
regirenden Katfers; von der Schlacht gegen feinen Ohelm Nayanıc. 283 
2. Bon der Rüdfehr des Großfhan’s in feine Stadt Kambalu ꝛc.; 
von den Ehren, die er ven Ehriften, ven Juden, den Mahome: 
tanern und den Goͤtzenanbetern bei ihren verſchiedenen Feſtlich⸗ 


keiten erweiſt c..... %4 
3. Bon den Belohnungen, welche denen ve werben, bie Fr 
in der Schlacht auszeichnen . . . 271 


4. Von der Geſtalt des Großfhan’s; von feinen vier Frauen und 
von der jährlichen Wahl von kungen Midchen für ihn in ber 
Provinz Unguut . . . . 273 
5.Don der Zahl der Söhne, bie ver Großkhan von feinen ı vier 


Kap. Eeite 
Weibern erhalten hat, und von Cingis, feinem Erfigeborenen ıc.; 
auch von den Soͤhnen feiner Beifchläferinnen ı. . -- . .. 280 
6. Von der neuen Etadt Taidu, weldye neben der von Kambaln 
erbaut worden iſt; von der Regel, welche in Bezug auf die 
Unterhaltung der Geſandten beobachtet wird, und von der naͤcht⸗ 
lichen Polizei der Stadt.... 288 
B. Von den verraͤtheriſchen Anſchlaͤgen, bie Stadt Rambalı in Ste: 
bellion zu fegen, und von den Strafen, bie über vie Urheber 
biefer Praftifen verhängt wurden - - 0 0. 0 nn. 292 
9. Bon der Leibwache des Großkhan's ꝛc. .. 299 
10. Von der Art, wie der Großkhan feinen feierlichen und großen 
Hof Hält und bei Tifche fiht mit allen feinen Großen; von der 
Art, in welcher die goldenen und- fibernen Fetutgefüße in ber 


Halle aufgeftellt find ıc. . . . 301 
11. Bon der großen Seiler in allen Reigen des Sroßtfan 8 am 28. 
September, welches fein Geburtstag ift . . - 304 


12. Bon dem Weißfefte, welches am erften Tage des Monats Fe, 
bruar gehalten wird ꝛc.; von der Menge der Geſchenke, die da 
gebracht werben, und von den Zeremonien, welche ftattfinden ꝛc. 306 
13. Bon der Menge Wild, die während der MWintermonate erlegt ıc. 311 
14. Bon den Leoparden, Luchfen und koͤwen, die zur Bi gebraudt 


werden 2.20. 312 
15. Bon zwei Brüdern, welde bie teren Ligemiter des C 

khan's fi . . ... 313 
16. Bon des Großfhan’s zu mit seinen Salten und Ever. 

bern . » 314 


17. Bon der Menge Menfchen, welche beſtaͤndig in 1 Rambalu anfem- 
men nnd abreifen, und von dem Handel der Etat . . . . 321 
18. Bon einer Art Paplergeld, die der Großkhan ausgeben 
No... 324 
‚19. Bon dem Rathe der zwstf Größbeamten, bie für bie Yngelegen 
heiten des’ Heeres beftellt find, und von zwoͤlf andern für die 
allgemeinen Angelegenheiten des Reihe » » 2 2 0... .. 8329 
2. Don den Pläben, die auf allen Hcchwegen zur Verſchaffung von 
Poſtpferden beſtellt ſind; von den Fußboten und von der ee 
wie die Ausgaben verlangt werden . . . 331 


21. Von der Hilfe, die der Großkhan allen Groningen angebeiben kügt 338 


xiu 


Kap. Seite 
22. Bon den Bäumen, welche der Gropfhan an ben Landſtraßen feßen 

läßt u. ſ. w. 
23. Was man für einen Tran fat bes Beines in ber dandſchaft 

Kataia hat, und von den Steinen, die wie Kohlen brennen . 330 
24. Von der großen und bewunderungswirbigen Wehlthättgreit des 

Kaiſers gegen die Armen von Kambalu ıc. 342 
25. Bon den Mftrologen der Stadt Kambaluı . . . -» .. 34 
26. Von der Religion der Tartaren; von dem Glauben, ben fe über 

die Seele haben, und von einigen ihrer Gebräude . . 348 
27. Bon dem Fluſſe Bulifangan und von der Brüde daruͤber 354 
28. Bon der Stadt Giogiu .. 3387 
29. Von dem Königreihe Tasin-fU - - 2 2 2 0 2 ee. 360 
30. Bon der Stadt Pi-an: fu ... en. Bl 
31. Von der Feſtung Thaigin oder Talgin re — 
32. Bon dem fehr großen und edlen Fluß Karasmoran . . . . 363 
33. Bon der Stadt Ka = clan » fu 0.0. . 366 
34. Bon der Stadt Duen s gan- fu .. oo... . — 
35. Bon den Grenzen vou Kataia und Manjt .. . 368 
36. Bon der Provinz Sin⸗di⸗fu und dem Sue Quiau (Ra) 372 
37. Bon der Provinz ThebetH . - 2... 377 
38. Bon der Provinz Kaindu 385 
39. Don der großen Pe Raralar und en Saunas 

Fact . 390 
40. Bon ber Provinz Karazan Er 0.0.89 
41. Don der Provinz Zardandam und der Stadt Boclam 398 
42.Mie der Großfhan die Eroberung bes Königreich Mien und 

Bangala vollführet . . 404 
43. Bon einer wilden Gegend und dem gonigreiche Mien 412 
44. Von der Stadt Mien und einem on Grabmal ihree 

Koͤnigs . . 414 
45. Bon der Provinz Bangala . . 417 
46. Von der Provinz Kangiugg.. 418 
47. Von der Laudſchaft Amu 420 
48. Von Tholoman — 
49. Von den Staͤdten Gintigut, Sindifn, rg, —* 421 
50. Von der Stadt Gianglu . 423 
51. Von der Stadt Glangl - - - 2 2 2 2 424 
52. Bon der Stadt Tubinfun - > > 2 0 426 
53. Bon der Stadt Einguimatn . - . a428 


xVI 


Kap. 
40. Von der Provinz Adem » > 20 0 nenne. 
41.Don der Stadt Escier re. 

43. Bon ber Etadt Dulfarr . » 2 2 2 2 2 2 02. 

+43. Bon der Stadt Kalafali - - 2 2 2 2 0 20 

44. Von Ormus :» . . nen 
45. Von den Ländern ber Sinfternig. ne 
46. Don der Provinz Ruffia , . 


47. Zufäße und Verbeſſerungen von Rarl Feier. Neumann . 


Einleitung. 


Hochaſien, das im Norden von den Bergketten begrenzt wird, 
welche e8 von Sibirien trennen, im Süben von Korea, China, 
Tibet, dem Fluſſe Eihoun und dem Kafpifchen Meere, Diefe uns 
geheure Zänderftrede, die fid) von der Wolga bis zum Japaniſchen 
Meer ausbreitet, iſt ſeit undenklichen Zeiten von Nomadenvoͤlkern 
bewohnt worden, die drei beſtimmten Racen angehoͤren, welche 
mit den Namen Tuͤrkiſche, Tartariſche oder Mongoliſche, 
und Tſchurtſche oder Tunguſiſche bezeichnet werden, eine 
Eintheilung, die ſich mehr durch die Verſchiedenheit der Sptachen 
dieſer Voͤlker, als ihrer fyſiſchen Eigenthuͤmlichkeit Fund giebt *). 

Die Geſchichte China's erwähnt ſchon in früheften Zeiten die 
Romadendbewohner Hochaſiens unter dem Namen Barbaren des 
Nordens. Eie hat das Andenken der vorzüglichften Revoluzionen, 
welche dieſen Theil der Erde aufgeregt, und der Reiche, die daſelbſt 
nad einander ſich erhoben, bewahrt. Die erfte Barbarenmadıt, 
welche in den Chinefifchen Annalen vorfommt, ift die der Hion g⸗ 
nu's, die bis zum Jahre 9 nach Chriſtus beſtand. Um China vor 
den Einfällen diefer Barbaren zu fhüben, wurde ungefähr zwei 
und ein halb Jahrhundert vor unferer Zeitrehnung die große 
Mauer errichtet, welche den ganzen Rand jenes großen Reiches 
einfaßt. 


*) Ich folge hier vorzüglich „Histeire des Mongols par C. D’Ohsson.“ 
1 


2 


Verſchiedene von den Etämmen errangen nad) diefen bie 
Herrſchaft; um’8 Jahr 1125 die Tſchurtſche, ein Nomadenvolk, 
weldyes den Außerften Süden der Tartarei inne hatte. Diefe Na- 
zion eroberte ein Drittheil von China und ihre Herrſcher be- 
gründeten dort ein Reich, welches unter dem Namen Kin ober 
Gold befannt tft, ven die vegierende Dynaftie angenommen hatte. 
Es erſtreckte ſich im Suͤden bis an den Fluß Hoai, der e8 von dem 
Theile China’, welcher in der Gewalt der Chineſiſchen Kaifer 
von der Dynaſtie Eong geblieben war, trennte, im Often wurde 
es durch das Japaniſche Meer begrenzt, im Weiten durd dag 

Königreih Hia oder Tangut, das einen Theil von Schen⸗ſi um- 
faßte, im Nordweſten und über die große Wüfte Scha⸗mo hinaus 
vom Neid Karaskhitai. Eeine Grenzen dehnten fid) im Norden 
bis über den Fluß Amur und den Baifal-fee hinaus und ums 
{&lofien die ganze Tartarei, deren Nomadenvoͤlker ihn tributbar 
waren. - 

Dieſe kriegeriſchen Horden waren zu allen Zeiten die Geifel 
China’d. Die Armuth ihrer noͤrdlichen Nachbarn Fonnte ihre 
Raubgier nicht verſuchen; Sibirien war nur von Jägerftämmen 
bewohnt, die feine ungeheuren Wälder durchzogen. Eo nahmen 
die Hirtenvölfer Hochaſiens, nad, Ordnung der Zivilifazion, zwis 
ſchen den Völfern, die von der Jagd leben, und den aderbautrei> 
benden Nazionen ihre Etelle ein. Wenn die Umſtaͤnde ihre Liebe 
zu Räubereten begünftigten, fo madıten die Hirten der Tartarei 
Einfälle in China. Sie hatten eine Provinz verwüftet, ehe noch 
bie Befagungen fid zu ihrer Vertreibung vereinigt hatten, und 
zogen ſich mit ihrer Beute und ihren Gefangenen durch die große 
Wuͤſte zurüd, wo e8 ſchwer war, fie zu verfolgen. Niemals Fonnte 
bie Mauer, die aufgeführt war, China vor ihren Einfällen ſchuͤ⸗ 
gen und fie hindern, in das Reich einzubringen. Die Ehinefifche 
Regierung hatte die Gewohnheit, ganze Horben diefer Barbaren 
in ihren Dienft zu nehmen, die an ven nördlichen Grenzen des 
Reichs ſich herumtrieben, um diefe gegen die andern Voͤlker ver 
Tartarei zu vertheidigen. Freilich war ihr dieſes Syſtem oft nadj- 
theilig. Das fiherfte Mittel, fi vor ihren Waffen zu ſchuͤtzen, 


8 


war Uneinigkeit unter ihren Anfuͤhrern zu erhalten; in dieſer 
Sorge beſtand ein hauptſaͤchlicher Gegenſtand der Chineſiſchen 
Politik. Begimftigt durch ihre Zwiſtigkeiten machten ſich die Kai⸗ 
ſer von China zu Oberherren dieſer Nomadenvoͤlker; fie erhielten 
die Huldigung von ihren Tanju's oder Khan's, verliehen ihnen 
Ehrentitel, belehnten fie, indem fie ihnen ein Siegel, ein Diplom, 
ein Föniglidhes Gewand, eine Standarte und Pauken gaben. . 
Waren aber diefe Horden unter der Macht eines geſchickten und 
ehrgeizigen Anführers vereinigt, fo ſchrieben fie dem Herrſcher 
von China Gefege vor. Er war genöthigt, den Frieden durch einen 
jaͤhrlichen Tribut in Silber und Eeivenftoff zu erfaufen; er 
mußte die unerſaͤttliche Habgier der Tartarifchen Bringen befries 
digen; öfter wiederholte Geſandtſchaften wurben ihm geſchickt, 
um Gefchenfe zu erhalten, die in Eeidenftoffen, Leinwand, Thee 
und Eilber beftanden, und er konnte den Koͤnigen diefer Nomas 
den die Prinzeffinnen aug feiner Yamilie zur Ehe nidyt verweigern. 
Im Anfang des dreizehnten Jahrhunderts wurde der: weftliche 
heil des befchriebenen Erdſtrichs, vom Jeniffei und Ober⸗Irtiſch 
an, von Tuͤrktſchen Nazionen bewohnt, den Kirgiſen, Uiguren, 
Dgufen, Kiptſchak's, Karlufen, Kankali's, Calladſches,/ Agatfches 
ri's ꝛc., Völker, die feit mehr als fünf Jahrhunderten den meiften 
Mahomedanifchen Ländern Aſiens und Afrika's Herrſcher gegeben 
haben. 

Die öftlihen Gegenven, im Morgen der Berge Hin-gan, wo 
der Fluß Eongar feine Quellen hat, - gehörten Nazionen der Tun⸗ 
gufifchen Race, die damals den nörblidhe Theil China’s inne 
hatten und deren Nachkommen heutzutage die Herren dieſes gan- 
zen Reiches find. Die zwifchenliegenden Gegenden, im Norden ver 
großen Wüfte Schasmo, waren befeht von Völfern der Tartari: 
ſchen Race, die-unter die Fahnen Dſchingiskhan's vereinigt, faft 
ganz Aſten und ben Oſten Europa's mit Blut und Ruinen be⸗ 
deckten. 

Dieſe Tartariſchen Nazionen, die dem Reiche Kin tributbar 
waren, hatten unter einander eine große Aehnlichkeit in ihren 
Geſichtszůgen, ESprachen, Sitten, Gebraͤuchen und Aberglauben. 


1* 


4 


Da find die Nazionen ver Naimanen, Keraiten, Nerfiten, Uira⸗ 
ten, Dſchelairen, Tartaren, Onguten, Tangutenıc. Die Mongo= 
liſche Nazion hatte das Land im Süden vom Baifalfee inne, und 
unter ihren zahlreihen Stämmen irrten die Bayauten an den 
Ufern der Selenga, die Kungkaraten in der Nähe der hohen Berg- 
fette, - weldye das Land der Tartaren von dem der Tſchurtſche's 

trennte, umher; , aber die Horde, der Dſchingiskhan zugehörte, 
hatte ihr Land in den hohen Bergen Bergadu oder Burkan⸗-Kal⸗ 
dun, wo mehre Fluͤſſe entfpringen, von denen bie einen, tie die 
Zila, in den Baifalfee fallen, die anderen, wie ber Dnon und 
Kerulan, fid im öftlihen Ozean verlieren. Kiyaten war ber 
"Name diefer Mongolen-Horde. Und fo wurde Temutſchin, der 
naher fo furdtbar berühmt wurde, unter dem Namen Didhin- 
giskhan, an der gegenwärtigen Grenze der beiden größten Reiche 
des Erdballs geboren. Ein Stud geronnenes Blut hielt er bei 
feiner Geburt in ver Hand; fo wird erzählt. 

Als fein Vater Yeffugai farb, zählte er dreizehn Jahre; die 
Horben verfchmähten die Herrfchaft des Knaben und ſchlugen feine 
Anhänger in offener Feldſchlacht. Nachdem er ven Wechſel des Schid- 
ſals vielfach in den blutigen Kämpfen, welche ver Ehrgeiz mehrer 
Mongolenfüriten, die nad) der hoͤchſten Gewalt ftrebten, hervorge⸗ 
rufen, erprobt hatte, vernichtete Temutſchin feine Nebenbuhler.-Und 
als ihm die meiften Mongolifchen Stämme gehordjten, unterwarf er 
nach einander die andern Nazionen der Tartarei und ließ ſich zum 
Kaiſer ausrufen unter dem Titel Dihingis-Than (ver größte 
Khan) und anflatt dem Herrſcher des nördlichen China’s, dem die 
Tartariſchen Voͤlker doch tributbar waren, zu huldigen, drang er 
in dieſes Reich an der Spitze einer zahlreichen Reiterei ein und 
verheerte das Land bis an die Ufer des gelben Fluſſes. Herr einer 
unermeßlichen Beute, verließ er China nur, um zu anderen Er- 
öberungen zu eilen. Hochaſien gehorchte feinem Gebot; er ver: 
wuͤſtete Transoranien, Khorasmien und Verfien. Auf der einen 
Seite festen feine Armeen den Krieg in China fort, auf der an- 
dern plünderten fie die Ufer des Sind und des Eufrat, drangen 
durch Georgien zum Norden des Schivarzen Meeres in die Krim 


8 


ein, verheerten einen Theil Rußlands und griffen die Bulgaren 
an ber oberen Wolga an. 

Nachdem er Perſien verwuͤſtet hatte, drang Dſchingiskhan in 
Tangut ein, vernichtete die Bevoͤlkerung dieſes Koͤnigreichs, das 
einſt einen Theil Ehina’s ausmachte, dod, mitten im Kaufe feiner 
Zerftörungen wurde er von einer ſchweren Krankheit ergriffen; 
fterbend empfahl ex noch feinen Söhnen die Eroberung der Welt 
zu vollenden. i 

Unter den erften Nachfolgern Dſchingiskhan's ließen ſich die 
Mongolen im Norden vom Kasſpiſchen Meere, dem Kaukaſus 
und dem ſchwarzen Meere nieder; fie verheerten Rußland aufs 
Sraufamfte, das während zweier Jahrhunderte ihrer Herrfchaft . 
gehorchen mußte. Polen und Ungarn wurden mit Mord und 
Brand durchzogen, Die Ufer des Eufrat und Tigris, Georgien und 
Kleinaften erobert, der Thron der Khalifen von Bagdad umge: 
ftürzt und ganz China, Tibet und ein Theil des Indus bis zum 
Ganges der Herrſchaft ver Mongolen unterworfen; fo daß Dſchin⸗ 
gisfhan’s Nachkommen, folgfam feinem Willen, ein halbes Jahr: 
hundert nad) des furdytbaren Erobererd Tode faſt über ganz Aften 
berrfchten. | 

Dieſes Reich, zu ausgedehnt für einen einzigen Herzen, 
wurde in vier Monarchien getheilt; China, Tibet und die Tar- 
tarei bis an das Altaigebirge madıten das unmittelbare Gebiet 
ber Nachfolger Dſchingiskhan's aus, deren vierter feine Refidenz 
in der heutzutage Beling genannten Stadt aufihlug. Den Kai⸗ 
fer von China erfannten die andern drei Mongolifhen Reiche, 
die eben fo viel Zweigen der Familien Dſchingiskhan's angehör- 
ten, als ihren Oberherin an. Die Gegenden weſtlich vom Altai 
bis zum Dſchihun (Gihon) machten die Erbſchaft derer, die von 
Dſchagatar abſtammten, aus; die Länder, die ſich im Norden des 
Kasfpiſchen und des ſchwarzen Meeres erftreckten, gehordhten den 
Nachkommen Dſchudſchi's, und endlich Perfien wurde von Fuͤrſten 
beherrfcht,, die eben fo wie die Kaifer von. China von Dſchingis⸗ 
khan's jüngftem Sohne Tulur abftammten. Die Oberhäupter Dies 
fer Feudalſtaaten erhielten ihre Belehnung in Pefing. 


xVI 


Kap. Seite 
40. Von der Provinz Adem © > 2 0 0 2 een 384 


41. Von der Stat Escieerr. 6886 
42. Von der Stadt Dulfaaaaeeee 887 
.43. Von der Stadt Kalajaitit. 2 ee nn. 58 


44.Bon Ormus . . . een ne 59 
45. Bon den Ländern ber Finſterniß .. 594 
46. Von der Provinz Ruſſia . 596 


47. Sufäbe und Verbeſſerungen von Karl Friebt. Neumann . 597 


Einleitung. 


Hochaſien, das im Norden von den Bergfetten begrenzt wird, 
welche e8 von Sibirien trennen, im Suͤden von Korea, China, 
Tibet, dem Fluſſe Eihoun und dem Kafpifchen Meere, Diefe uns 
geheure Laͤnderſtrecke, die fid von der Wolga bis zum Japaniſchen 
Meer ausbreitet, iſt ſeit undenklichen Zeiten von Nomadenvoͤlkern 
bewohnt worden, die drei beſtimmten Racen angehoͤren, welche 
mit den Namen Tuͤrkifche, Tartariſche oder Mongoliſche, 
und Tſchurtſche oder Tunguſiſche bezeichnet werden, eine 
Eintheilung, die ſich mehr durch die Verſchiedenheit der Sprachen 
biefer Voͤlker, als ihrer fyſiſchen Eigenthuͤmlichkeit Fund giebt *). 

Die Geſchichte China's erwaͤhnt ſchon in fruͤheſten Zeiten die 
Nomadenbewohner Hochafiens unter dem Namen Barbaren des 
Nordens. Sie hat das Andenken der vorzüglichften Revoluzionen, 
welche dieſen Theil der Erde aufgeregt, und der Reiche, die daſelbſt 
nad) einander ſich erhoben, bewahrt. Die erfte Barbarenmadıt, 
welche in den Chinefifhen Annalen vorfommt, ift die der Hiong- 
nu’ 8, die bis zum Jahre 93 nach Chriftus beftand. Um China vor 
den Einfaͤllen dieſer Barbaren zu ſchuͤtzen, wurde ungefaͤhr zwei 
und ein halb Jahrhundert vor unſerer Zeitrechnung die große 
Mauer errichtet, welche den ganzen Rand jenes großen Reiches 
einfaßt. 


#) Ich folge hier vorzüglich „Histoire des Mongols par C..D’Ohsson.“ 


2 


Berfchiedene von ven Etämmen errangen nad) diefen bie 
Herrſchaft; um's Jahr 1125 die Tſchurtſ de, ein Nomadenvoff, 
welches den aͤußerſten Süden der Tartarei inne hatte. Dieſe Na- 
zion eroberte ein Drittheil von China und ihre Herrſcher be 
gründeten dort ein Neid, welches unter dem Namen Kin ober 
Gold befannt iſt, den die regierende Dynaſtie angenommen hatte. 
Es erſtreckte fich im Süden bis an den Fluß Hoai, der ed von dem 
Theile China's, welcher in der Gewalt der Chinefifhen Kaifer 
von ber Dynaftie Song geblieben war, trennte, im Oſten wurde 
es durch das Japaniſche Meer begrenzt, im Weſten durch das 
Koͤnigreich Hia oder Tangut, das einen Theil von Schen⸗ſi um- 
faßte, im Nordweſten und über die große Wüfte Scha⸗mo hinaus 
vom Reid Kara-fhitgi. eine Grenzen dehnten fid) im Norden 
bis ber den Fluß Amur und den Baifal-fee hinaus und ums 
ſchloſſen die ganze Tartarei, deren Nomadenvoller ihm tributbar 
waren. 

Dieſe kriegeriſchen Horden waren zu allen Zeiten die Geiſel 
China's. Die Armuth ihrer noͤrdlichen Nachbarn konnte ihre 
Raubgier nicht verſuchen; Sibirien war nur von Jaͤgerſtaͤmmen 
bewohnt, die ſeine ungeheuren Waͤlder durchzogen. So nahmen 
die Hirtenvoͤlker Hochaſiens, nach Ordnung der Ziviliſqzion, zwi⸗— 
ſchen den Völfern, bie von der Jagd leben, und ben ackerbautrei⸗ 
benden Nazionen ihre Stelle ein. Wenn bie Umftände ihre Liebe 
zu Räubereien begünftigten, fo machten bie Hirten der Tartarei 
Einfälle in China. Sie hatten eine Provinz verwüftet, ehe noch 
die Befagungen ſich zu ihrer Vertreibung vereinigt hatten, ‚und 
zogen ſich mit ihrer Beute und ihren Gefangenen durch die große 
Wuͤſte zurüd, wo es ſchwer war, fie zu verfolgen. Niemals konnte 
die Mauer, die aufgeführt war, China vor ihren Einfällen ſchuͤ— 
en und fie hindern, in das Reid, einzubringen. Die Chineſiſche 
Regierung hatte die Gewohnheit, ganze Horden dieſer Barbaren 
in ihren Dienſt zu nehmen, die an den noͤrdlichen Grenzen des 
Reichs ſich herumtrieben, um dieſe gegen die andern Voͤlker der 
Tartarei zu vertheidigen. Freilich war ihr dieſes Syſtem oft nach—⸗ 
theilig. Das ſicherſte Mittel, ſich vor ihren Waffen zu ſchuͤtzen, 


war Uneinigkeit unter ihren Anfuͤhrern zu erhalten; in biefer 
Sorge beftand ein hauptſaͤchlicher Gegenſtand ver Chineſiſchen 
Politik. Beguͤnſtigt durch ihre Zwiſtigkeiten machten ſich die Kai⸗ 
fer von China zu Oberherren dieſer Nomadenvoͤlker; fie erhielten 
die Huldigung von ihren Tanju's oder Khan’s, verliehen ihnen 
Ehrentitel, belehnten fie, indem fie ihnen ein Siegel, ein Diplom, 
ein Fönigliches Gewand, eine Standarte und Baufen gaben. 
Waren aber dieſe Horben unter der Madıt eines geſchickten und 
ehrgeizigen Anführers vereinigt, fo ſchrieben fie dem Herrſcher 
von China Gefege vor. Er war genöthigt, den Frieden durch einen 
jaͤhrlichen Tribut in Silber und Seidenſtoff zu erfaufen; er 
mußte die unerfättliche -Habgier der Tartariſchen Prinzen befrie⸗ 
bigen; öfter wiederholte Gefandtfchaften wurben ihm geſchickt, 
um Gefchenfe zu erhalten, - die in Seivenftoffen, Leinwand, Thee 
und Silber beftanden, und er konnte den Koͤnigen diefer Noma⸗ 
den die Prinzeffinnen aug feiner Familie zur Che nicht verweigern. 
Im Anfang des dreizehnten Jahrhunderts wurbe der weftliche 
Theil des befchriebenen Erdſtrichs, vom Seniffei und Ober⸗Irtiſch 
an, von Tuͤrkiſchen Nazionen bewohnt, den Kirgiſen, Uiguren, 
Oguſen, Kiptſchak's, Karlufen, Kankali's, Calladſches, Agatfches 
ri's ꝛc., Voͤlker, die ſeit mehr als fünf Jahrhunderten den meiften 
Mahomebanifien Ländern Aſiens und Afrifa’s Herrſcher gegeben 
haben. 

Die oͤſtlichen Gegenden, im Morgen ver Berge Hin⸗gan, wo 
der Fluß Songar feine Quellen hat, - gehörten Nazionen der Tun: 
gufifchen Race, die Damals den noͤrdlichen Theil China’s inne 
hatten und deren Nachkommen heutzutage die Herren diefes gan⸗ 
sen Reiches find. Die zwiſchenliegenden Gegenden, im Norden ver 
großen Wüfte Scha⸗mo, waren befegt von Wölfern der Tartari- 
(hen Race, die unter die Fahnen Dſchingiskhan's vereinigt, faft 
ganz Aſten und ben Oſten Europa's mit Blut und Ruinen be⸗ 
deckten. 

Dieſe Tartariſchen Nazionen, die dem Reiche Kin tributbar 
waren, hatten unter einander eine große Aehnlichkeit in ihren 
Geſichtszuͤgen, Eprachen, Sitten, Gebraͤuchen und Aberglauben. 

1 * 


4 


Ta find tie Nazionen der Raimanen, Keraiten, Rearfitn, Lira 
ten, Tichelairen, Tartaren, Onguten, Tanguten x. Die Mongo- 
liſche Razion hatte das Land im Suͤden vom Baifaljee inne, und 
unter ihren zahlreihen Staͤmmen irrten die Bayauten an den 
Ufern ver Selenga, vie Kunglaraten in ver Naͤhe ter hohen Berg- 
fette, - weldye das Land der Tartaren von dem der TIſchurtſche's 
trennte, umher; „aber Die Horte, der Dſchingiskhan zugehörte, 
hatte ihr Land in ven hohen Bergen Bergadu oder Burfan- Kal 
dun, wo mehre Slüfje entipringen, won denen die einen, wie die 
Tula, in ven Barfaljee fallen, die anderen, wie der Onon und 
Kerulan, fid) im öftliden Ozean verlieren. Kiyaten war der 
Name diefer Mongolen-Horte. Und jo wurde Temutſchin, der 
nachher fo furdtbar berühmt wurde, unter dem Ramen Dfchin- 
gisfhan, an der gegenwärtigen Örenze der beiten größten Reiche 
des Erbballs geboren. Ein Stuͤck geronnenes Blut hielt er bei 
feiner Geburt in ver Hand; jo wird erzählt. 

Als fein Vater Deflugai ftarb, zählte er dreizehn Jahre; die 
Horven verjhmähten die Herrſchaft des Knaben und ſchlugen feine 
Anhänger in offener Feldſchlacht. Nachdem er den Wechſel des Schid- 
fals vielfach in den blutigen Kämpfen, welche ver Ehrgeiz mehrer 
Mongolenfürften, die nach der hoͤchſten Gewalt ftrebten, hervorge⸗ 
rufen, erprobt hatte, vernichtete Temutſchin feine Rebenbuhler. Und 
als ihm die meiften Mongoliſchen Stämme gehorchten, unterwarf er 
nad) einander die andern Nazionen ver Tartarei und ließ fich zum 
Kaiſer ausrufen unter dem Titel Dſchingis⸗khan (der größte 
Khan) und anftatt dem Herrſcher des nördlichen China's, dem bie 
Tartariſchen Voͤlker doch tributbar waren, .zu hulbigen, drang er 
in dieſes Reid, an der Spite einer zahlreichen Reiterei ein und 
verheerte Das Land bis an die Ufer des gelben Fluſſes. Herr einer 
unermeßlichen Beute, verließ er China nur, um zu anderen Er- 
oberungen zu eilen. Hochaſien gehordjte feinem Gebot; er ver 
wuͤſtete Transoranien, Khorasmien und Perfien. Auf ver einen 
Eeite festen feine Armeen den Krieg in China fort, auf ver an⸗ 
dern plünderten fie die Ufer des Sind und des Eufrat, Prangen 
durch Georgien zum Norden des Schwarzen Meeres in die Krim 


8 


ein, verheerten einen Theil Rußlands und griffen die Bulgaren 
an ber oberen Wolga an. 

Nachdem er Perſien verwuͤſtet hatte, drang Dſchingiskhan in 
Tangut ein, vernichtete die Bevölkerung dieſes Koͤnigreichs, das 
einft einen Theil China's ausmadhte, doch mitten im Laufe feiner 
Jerflörungen wurde er von einer ſchweren Krankheit ergriffen; 
ſterbend empfahl ex nody feinen Söhnen die Eroberung der Welt 
u vollenden. 

Unter den erften Nachfolgern Oſchingiskhan's ließen ſich die 
Mongolen im Norden vom Kasſpiſchen Meere, dem Kaukaſus 
und dem ſchwarzen Meere nieder; ſie verheerten Rusland- aufs 
Sraufamfte, das während zweier Jahrhunderte ihrer Herrichaft . 
gehorchen mußte. Polen und Ungarn wurden mit Mord und 
Brand durchzogen, bie Ufer des Eufrat und Tigris, Georgien und 
Kleinaflen erobert, der Thron ver Khalifen von Bagdad umges _ 
kürzt und ganz China, Tibet und ein Theil des Indus bis zum 
Ganges ver Herrſchaft ver Mongolen unterworfen; jo daß Dſchin⸗ 
giskhan's Nachkommen, folgfam feinem Willen, ein halbes Jahr⸗ 
hundert nad} des furditbaren Erobererd Tode de faf über ganz Alten 
herrſchten. 

Dieſes Reich, zu ausgedehnt faͤr ei einen einzigen Herren, 
wurde in vier Monarchien getheilt; China, Tibet und die Tar⸗ 
tarei bis an das Altaigebirge machten das unmittelbare Gebiet 
der Nachfolger Dſchingiskhan's aus, deren vierter ſeine Reſidenz 
in der heutzutage Peking genannten Stabt auffhlug. Den Kai⸗ 
fer von China erfannten die andern drei Mongolifhen Reiche, 
die eben fo viel Zweigen der Familien Dſchingiskhan's angehoͤr⸗ 
ten, als ihren Oberherin an. Die Gegenden weſtlich vom Altai 
bis: zum Dihihun (Gihon) machten die Erbſchaft derer, die von 
Dichagatar abflammten, aus; die Länder, die fih im Norden des 
Kasfpiſchen und des ſchwarzen Meeres eiſtredten, gehorchten den 
Nachkommen Dſchudſchi's, und endlich Perſien wurde von Fuͤrſten 
beherrſcht, die eben fo wie die Kaiſer von. China von Dſchingis⸗ 
fhan’s jüngftem Sohne Tulur abftammten. Die Oberhäupter dies 
fer Feudalſtaaten erhielten ihre Belehrung in Pefing. 


6 


Diefe vier Monarchien trugen die Keime der Aufloͤſung 
in fi, die ſich mit Schnelligkeit entwidelten, als die Mongolen 
nicht mehr mit Eroberungen befhäftigt waren. Während bes 
Wachsthums ihrer Kraft hatten Einigkeit und Gehorſam alle ihre 
Kraft ausgemacht; als fie Über die eroberten Länder herrfchten, 
wurbe der Beſitz eines jeden Thrones vie-öftere Duelle von Kriegen 
zwifchen den Nachkommen Dſchingiskhan's. Die oberſte Gewalt 
war an die Linie des legten Herrfchers gefallen, aber ver-Aeltefte 
befaß Fein ausfchlieglihes Recht, und Prinzen von Geblüt hatten 
unter den Bewerbern zu wählen. Nach den Verordnungen Dſchin⸗ 
giskhan's folte der neue Herrfcher von den Gliedern feiner Fa⸗ 
milie in einer Generalverfammlung gewählt werben; ihre Zu⸗ 
fimmung und ihre feierliche Anerkennung. konnten allein bie fo- 
niglihe Gewalt heiligen. Bekleidet mit:diefem Vorrecht, Herr 
von großen Laͤndern und von Truppen, griffen dieſe Dſchingis⸗ 
Ehan’fchen Prinzen, deren Zahl in's Ungeheure ſich vermehrte, bei 
jedem Thronwechſel zu ven Waffen, befämpften ſich unter einander 
oder führten Krieg mit ihren Oberherrn. Die Erzählung ihrer 
blutigen Streitigkeiten füllt die ganze Geſchichte der Monarchien 
Dſchagatais und Dſchudſchi's, von denen die eine in der Mitte 
des vierzehnten, die andere gegen das Ende des fuͤnfzehnten Jahr⸗ 
hunderts unterging. 

Die Zerruͤttung der Anarchie vernichtete ebenfalls gegen das 
Jahr 1336 die Macht der Abloͤmmlinge Dſchingiskhan's in Per⸗ 
ſien. Seine Dynaſtie wurde im Jahr 1368 aus China vertrieben 
und die Nachkommenſchaft des Mongalifhen Eroberers 9 bereichte 
nur noch über die Nomadenvoͤlker Hochaſiens. 

Die Eroberungen der Mongolen veränderten Das ganze ge Anſ ehen 
Hochaſiens. Große Reiche fallen in Trümmer zufammen, alte Dyna- 
ſtien gehen unter; Nazionen verſchwinden, andere werben: faft ver- 
nichtet uͤberall beveden Ruinen und modernde Gebeine die Fußtritte 
der Mongolen. Die barbariſchſten Bölfer an Graufamfeit übertref- 
fend, wuͤrgen fle mit Faltem Blute in den eroberten Ländern Män- 
ner, Frauen und Kinder. hin; fie fleden Städte und Dörfer. in 
- Brand, zerftören die Ernte und verwandeln blühende Gegenden 


7 


in Wäften — und doch ſtachelt ſie weber Haß noch Radıe, fie 
kennen faum ‚die Namen der Bölfer, die fie ausrotten. Man 
möchte glauben, daß die Geſchichte ihre fheuslichen Grauſamkei⸗ 
ten übertrieben habe, wenn nicht die Annalen aller Länder in die⸗ 
jem Punkte übereinftimmten. Nach der Eroberung fieht man die 
Mongolen die ſchwachen Lieberrefte der beflegten Nazionen alß 
Sklaven behandeln und die, welde das Eifen gefhont hatte, 
feufzten unter der ſchauervollften Tyramnei. Ihre Herrſchaft war 
der Triumf der Richtswuͤrdigkeit; Alles, was edel und ehrwuͤr⸗ 
Dig war, wurde in den Koth- getreten, während bie verbors 
benften Menſchen, die ſich dem Dienſte dieſer wilden Beſtien wid⸗ 
meten, als Preis ihrer feilen Ergebenheit Reichthuͤmer, Ehre 
und Gewalt befamen, ihre Mitbürger zu unterdruͤcken. 

Zur Erläuterung mehrfacher Beziehungen in dem nadjfolgen« 
ven Werke tft ed noͤthig, daß wir hier die nächte Nachkommen⸗ 
(haft Dſchingiskhan's und ihre Erbfolge näher angeben. Der 
große aber barbariſche Stifter Der Mongolifchen Dynaftien wurde 
1206 auf den Kaiſerthron erhoben und ftarb 1227. Bon vier 
Söhnen, die fi, während feines Lebens auszeichneten, überlebten 
ihn Drei. Der älteite, deſſen Rame von den orientaliſchen Hiſto⸗ 
rifern verſchiedenfach, Tufhi, Dufht und Juji (Dſchudſchi) geſchrie⸗ 
ben wird, ftarb Furze Zeit vor feinem Vater und hinterließ einen 
Sohn, Bat, der über die weſtlichen Tartaren herrſchte, jedoch 
nicht Kaifer wurde und 1256 ftarb. Der zweite, Dſchagatar oder 
Jagatar, erhielt ald fein Erbtheil, jedoch in Lehnsabhängigfeit, die 
Länder Trandoranien und Turkeftan. Ex folgte nicht im Kaiſer⸗ 
thum. Der dritte, Ogotai oder Oftar, wurde von Dſchingiskhan 
zu feinem Nachfolger in ver kaiſerlichen Würde erklärt, mit dem 
Titel Kaan (Cacan), weldyes fo viel ift ald Großkhan oder Khan 
der Khane. Ihm, feine größeren Herrſchertalente anerfennend, 
br achte der Ältere Bruder freiwillig feine Huldigungen dar. Als 
er mit der Eroberung der Provinzen Honan und Schenſi beſchaͤf⸗ 
tigt war, beftellte Ogotar, 1229, feinen jüngeren Bruder, Tulut, 
zum Regenten bis zu feiner Ruͤckkehr nach Karakorum, der dama⸗ 
ligen Refivenz der Mongolenfaifer. Im Jahr 1234 war die Er⸗ 


8 


oberung ber. nörblichen Provinzen China’s, oder des Reichs der 
Kin, vollendet, zu denen er noch einige- ſuͤdliche erwarb. Im. Jahr 
1235 fiel fein Neffe und Feldherr, Batu, in Rußland ein, nahm 
Moskau, verwüftete Polen und Ungarn und verbreitete Echreden 
in ganz Europa, defien Fürften Geſandte an feinen Hof fchidten. 
Mefopotamien,. Syrien und das Reid) der Seldſchuken in Klein⸗ 
aften: waren Einfällen der zerftörenden Armeen Ogotar’8 ausge: 
fest, bis nach einer Regierung von 13 Jahren durch feinen Tod 
- im Jahr 1241 ihren ferneren Operazionen Einhalt gethan wurde 
und feine Feldherrn es für nöthig fanden, in das Innere des 
Reichs zuruͤckzukehren. Die.Herrfhaft wurde von einem feiner 
Weiber ergriffen, Namens Turafina, die fie vier Jahre behielt 
und dann ihren Sohn Cuyuk oder Gayuf auf den Thron feßte, 
der nur drei Jahre regierte und 1248 ftarb. Ein. anderes Inter: 
regnum und eine weibliche Regentſchaft trat ein bis zur Erhe⸗ 
bung Mangu's, des Sohnes Tulut’s, viertem Sohne Dſchingis⸗ 
khan's. Die Länder Perfien und Khorafan waren der Reichsan⸗ 
theil, welcher Tului gegeben war, ber 1232 ftarb, während er 
unter dem Befehl feines Bruders Ogotai an der weftlihen Grenze: 
China's kaͤmpfte. Tulut hinterließ vier Söhne, die ſich alle aus 
ßerordentlich hervorthaten; Mangu, Kublai, Hulagu und Arik⸗ 
Bugs. Das Repräfentativredht ver Nachfolge war an Batu, dem 
Sohne Dſchutſchi's, .aber er gab ed zu Gunften Mangu’s, feines 
Vetters, auf und wirkte eifrig auf die Wahl der Großen, die 
demzufolge Mangu auf ven Thron festen, 1251. Diefer ftellte Ku⸗ 
blai zu feinem Vizefönig in China und gab Hulagu die Herr: 

ſchaft über die fuͤdlichen Provinzen, die er zum Gehorſam zuruͤck⸗ 
fuͤhren konnte. Er ging ſelbſt nach China, 1257, und ſtarb, dem 
Trunke ſehr ergeben, von einer Seuche ergriffen, die unter ſeinen 
Truppen herrſchte, waͤhrend der Belagerung von Ho⸗tſcheuu, 1259, 
Kublai befand ſich zu Diefer Zeit in der Provinz Hu-fuang und 
beharrte in feinen Anftrengungen, fi zum Herrn von Ouo⸗tſcheou 
oder Vu⸗tſchang⸗fu, ihrer Hauptſtadt, zu machen, bis er abberufen 
wurde, einen Aufruhr zu unterbrüden, der von feinem jüngern 
Bruder Arif-Buga, welchen Mangu als feinen Statthalter in 


9 


Karakorum zurüdgelaffen, hervorgerufen worden war. Zufrieden, 
vom Kaifer. der Song, welcher über Mandſchi oder Suͤdchina 
herrfchte, die Zahlung eines jährlihen Tributs zutgeftanden ers 
halten zu haben, zog er ſich nordwaͤrts zurüd und wurde 1260 
zum Großkhan zu Carsping-fu ausgerufen. Man erzählt, er habe 
einige Zeit gezögert, den Titel anzunehmen, und ſich erft nad) Ans 
kunft eines Botens, der ihm von feinem Bruder Hulagu gefenvet 
wurde, ber ihn brängte, die Herrfchaft anzunehmen, bereit erf[ärt. 
Diefer Bote, Fünnen wir annehmen, war berfelbe, welcher zu 
Bofhara auf feinem Wege von Perſien nach Katai kam, waͤhrend 
Nicolo und Mafflo Polo ſich in dieſer Stadt befanden, und die 
Zeit wäre dabei auf das Jahr 1259 feftgeftellt. u 

. Kublai gab durd die Eroberung ganz China’ und Tibets 
dem Reiche die weiteſte Ausdehnung und war zugleich der Letzte, 
welcher die Oberherrſchaft uͤber die geſammten Mongoliſchen Er⸗ 
oberungen ausübte. Diefer Fuͤrſt, ein Mann von hohem Geiſt und 
befjerem Streben, zeichnete fi vor den andern Mongolenherrfchern 
daburd aus, daß er Bildung und Religion der Chinefen annahm 
und fie bei feinem durch die fortwährenden Kriege und Eroberungen 
verwilderten Volfe einzuführen tradjtete; er brachte bürgerliche 
Ordnung und Einrichtung in fein Reich, ftellte gelehrte und ers 
fahrene Männer an die Spige der öffentlihen Angelegenheiten 
und förderte Künfte und Gewerbe nad) Chineſiſcher Weife. Leider 
fonnte er nicht in Allem die ihm angeborne Wildheit und Rohheit 
feines Volkes in ſich unterbrüden und feine preiswuͤrdigen Bes 
ſtrebungen wurben durch das Lafter des Geizes vielfach verdun⸗ 
kelt. Immer aber iſt er als ein großer Fuͤrſt zu betrachten. Unter 
Kublar's Regierung kam Marco Polo mit feinem Vater und On⸗ 
fel in das. Land’ und an den Hof des Großfhan’s, und durch ihn 
geſchuͤtzt und geförbert, Fonnte der Fremdling das Land fo genau 
fennen lernen und fo vortrefflihe Schilderungen ‘geben, die jet 
noch immer nicht allein von allgemeinem Intereſſe fi erweiſen, 
jondern auch bei dem ftabilen, faft unveränderten Zuftand jener 
Länder ald Autorität gelten. Wir werden ihnen in diefem Bude 
folgen und unfere Betradhtungen und Erklärungen daran knuͤpfen. 


10 


Jetzt wollen wir erft mittheilen, was wir über das Sehen Marco 
Polo's erfahren haben. 


Als die Mongolen wie ein Heuſchredenheer in Europa ein⸗ 
fielen und die oͤſtlichen Laͤnder ihrer grauenvollen Gewalt unter⸗ 
warfen und verwuͤfteten, da fuͤrchteten die Fuͤrſten Europa's, daß 
die wilden Schwaͤrme auch in ihre Reiche zerſtoͤrend eindringen 
moͤchten, und bedachten, wie dieſem Unheil zu begegnen ſei. 

Man hatte gehoͤrt, daß einzelne Fuͤhrer der Mongolen der 
chriſtlichen Religion anhingen. Der Pabſt ſchickte Moͤnche, die als 
Maͤrtyrer dieſer traurigen Sendung angeſehen werden konnten, 
in die Lager der ſchrecklichen Horden, fie im Namen Jeſu Chriſti 
abzumahnen vom weiteren Vordringen und von ferneren Grau- 
famfeiten, oder auch ihre.Abfichten fennen zu Iernen und fie für 
den fatholifhen Glauben zu gewinnen. So reifte Adcelin mit 
noch drei andern Mönchen an den Hof Bajoth⸗noy⸗Khan's nach 
Perſien; der Sranziskıner Blano Carpini durchwanderte, abge- 
fendet vom Pabſt, unter fteten Entbehrungen und. Gefahren die 
ganzen weiten Länder bis zum Hauptfig der Mongolifchen. Hor- 
den und von ihm haben wir die erfte Beſchreibung jener Länder 
und vom Hof des Großkhan's Cuyuk, des zweiten Nachfolgers 
Didingisfhan’s, der gerade zur Zeit erwählt wurde. 

Ludwig der Heilige ſchickte den Minoritenmönd Rubruquis 
mit mehren -Begleitern in bie Länder ber Mongolen, ihre Reli- 
gion zu erfunden und bie Fürften wo möglich dem. Chriftenthum 
zu gewinnen; er fam an ven Hof des Kaiferd Mangu und aud von 
ihm haben wir eine Beſchreibung der gefehenen Merkwuͤrdigkeiten. 

Die Herrfchaft der Mongolen reichte vom Japaniſchen Meer 
bis an die Grenzen Deutfchlands, das ganze Rußland war ihr 
unterworfen; doch waren fie nad) der. furdtbaren Schlacht: bei 
Liegnitz, wo fie Das deutſche Heer, aber erft nach langem tapfern 
Widerftand, vernichtet hatten, nicht weiter vorgebrungen. Man hatte 
von den ungeheuren Schägen gehört, welche aufgehäuft waren 
an dem Herrfcherfig der Horden, namentlid am Hof des Groß⸗ 
khan's; nad) den erften-gräuelvollen Unterwerfungsfämpfen war 


11 


einige Ruhe: in dem weiten Reidye eingetreten und Reugier und 
Gewinnſucht mochte Einzelne aus zivilifirten Staaten.antreiben, 
den Gefahren zu trogen und an die Höfe der: Mongolenhorden zu 
-fommen; fo die Venezianer, deren Reifen und Beobachtungen den 
Inhalt unſeres Buchs abgeben. 

Andrea Polo da S. Felice, ein Patrizier oder Edelmann von 
Venedig, aber von Dalmagiſchem Geſchlecht, hatte drei Soͤhne, 
Namens Marco, Maffio und Nicolo, von denen der zweite, wel⸗ 
cher der Onkel, und. der dritte, welcher der Bater unſers Autors ift, 
Kaufleute der reihen und folgen Stabt waren, wo der Handel in 
höchfter Achtung ſtand und in weitefter Ausvehmung von ihren erften 
MWürdenträgern verfolgt wurde. Diefe Brüder, die ein gemein⸗ 
ſchaftliches Gefchäft gehabt zu haben fcheinen, getrieben von dem 
unternehmenden fpefulativen Geift, durch welchen ihre Landsleute 
ſich auSzeichneten und der vom Etaate beſonders unterſtuͤtzt wurde, 
ſchifften ſich zuſammen zu einer Handelsreife nach Konftantinopel 

. ein, zwiſchen welder Stadt und Venedig die engfte Verbindung 
zu der. Zeit beftand, von welcher wir fpredhen. Konftantinopel war 
dem Griechiſchen Kaiſer durch die vereinigten Waffen Frankreichs 
und der Republif entriffen worden, und bie Repraͤſentanten der 
fehteren hatten in Verbindung mit Balduin II. bedeutenden Ans 
theil an der Faiferlichen Regierung. Ueber die Zeit, zu welcher 
unfere beiden Kaufleute dahin kamen, herrſcht eine große Vers 
fchievenhelt der Angaben. Die größere Zahl der Manuferipte 
und gedrudten Ausgaben -fegt fie. in das Jahr 1250, einige 
1252 und andere wiberfinniger Weife 1269 *); aber das Vers 
hältniß zuſammentreffender Umſtaͤnde zeigt, daß ihre Abreiſe von 
Konſtantinopel (und es tft nicht gefagt, daß fie Aufenthalt begeg⸗ 
net feien) nicht eher als 1254 oder 1255 ſtattgefunden haben 
kann. 
Ihre Reiſe und Abenteuer, wie ihre Ruͤckkehr nach Italien 
und: zweite Reife in Begleitung des Sohnes Nicolo's, Marco, 


*) Balduin II. wurde durch die Waffen des Griechifchen Katfers Mi: 
chael Palaͤologus Im Jahr 1261 vom Thron Konſtantinopels vertrieben. 


14 


welche Eoftbaren Schaͤtze fie enthielten. Zur Zeit, als fie den Hof 
des großen Khan's verließen, wechſelten fte alle die Reichthuͤmer, 
bie ihnen durch die Guͤte deſſelben zugeflofien waren, in bie koſt⸗ 
barften Edelſteine um, weil fie dieſe leichter fortichaffen konnten, 
denn fie beredyneten wohl, daß auf einer fo langen und befchwers 
lichen Reije es unmoͤglich fein würde, eine fo große Summe in 
Gold mit ſich zu führen. Der ungeheuere Reichthum, ver fo uns ' 
berechenbar mit einem Male ausgebreitet dalag, erfihien fo wun⸗ 
derbar und erfüllte die Gemüther aller derer, die ihn fahen, mit 
folhem Staunen, daß die Anweſenden eine Zeit lang bewegungs⸗ 
[08 blieben, al fie aber wieder zu fich kamen, fühlten fie ſich voll 
fommen überzeugt, daß die, die vor ihnen ftanden, wahrhaftig 
bie ehrenwerthen edlen Herren aus dem Haufe Polo waren, mas 
anfangs in Zweifel gezogen worden war, und erwiefen ihren 
Wirthen alle Zeichen der tiefſten Achtung. 

Ueber den Grad der Glaubwuͤrdigkeit dieſer Anekdote bei 
dem Zeugniß, mit welchem fie gegeben worden iſt, bemerkt Mars⸗ 
den, mag ſich jeder Leſer ſein Urtheil ſelbſt bilden, aber da ſie 
eine Miſchung von Eitelkeit und Narrheit verraͤth, die ganz un⸗ 
verträglich wäre mit dem Charakter fo ernſter und kluger Maͤn⸗ 
ner, wie fie fidh in dem früheren Theil ihres Lebens gezeigt zu 
haben fcheinen, fo bin ich geneigt zur Ungläubigfeit und die Ges 
ſchichte der fruchtbaren Erfindung ihrer Zeitgenoffen oder vielleicht 
der nachfolgenden Generazion zuzufchreiben, die unferen Autor 
als Helben eined Romans betradjtete und ihn nicht felten zum 
Gegenftande des Epotted gemadt hat.) Mag das. nun fein wie 


— “ſ— — — — 


%) Nach feinem Tode, ſagt C. Amoreiti auf die Autorität F. Ja⸗ 
eopo's de Aqui, machte man ſich luſtig über ihn, fo daß bei den Masfe- 
raben immer einer war, ber feinen Namen führte und ihn vorftellte, um 
das Volk zu amüflren, indem er alles, was ihm nur Ingereimtes in ven 
Kopf kam, erzählte. Später verfuhr man eben fo gegen Pigafetta (Pi- 
gnona Prefaz. al’Opera degli Dei Antichi); aber die nach ihnen ges 
machten Reifen haben fie genugfam gerechtfertiget. Voyage.de la mer 
Atlantique à lI’Ocean Pacifique par le Capitaine Maldonaldo, traduit 
d'un manuscrit Espagnol; note p. 67. 


15 


es wolle, Ramuſio fährt fort uns mitzutheilen, daß ſobald die 
Erzählung von der fo eben befchriebenen Scene in Venedig vers 
breitet wurde, eine große Menge Einwohner aller Stände, von 
den Nobili’s bis herab zu ven Handwerkern, zu: ihrer Wohnung 
eilten, um fie umarmen zu koͤnnen und ihnen ihre Achtung zur bes 
weiten. Maffto, dem ältern Bruder, wurde ein angefehenes Amt 
in der Magiftratur der Stadt übertragen. Zu Marco Famen die 
jungen Männer, um das Vergnügen feiner Unterhaltung zu ges 
nießen.. Da fie ihn höflid und mittheilfam fanden, fo befuchten 
fie ihn täglich und erfundigten fi bei ihm über Kataia und.den 
Großkhan, und Allen gab er ſo artige und freundliche Antiworten, 
daß jeder ſich ihm als perſoͤnlich verpflichtet hielt. In Folge ih⸗ 
rer beharrlichen Neugierde, welche oͤftere Wiederholungen ber 
Summen der kaiſerlichen Revenuͤen, die zu zehn oder funfzehn 
Millionen Dukaten in Gold geſchaͤte wurden, veranlaßte, als 
auch wegen anderer den Reichthum und die Bevölkerung des. 
Reichs betreffenden Berechnungen, die er natuͤrlicherweiſe aud) 
in Millionen ausgedruͤckt, erhielt er zulegt von ihnen den Bei⸗ 
namen Mefler Marco Milioni oder Milione. ‚Mit diefem Nas 
men‘, fügt Ramufia hinzu, der felbft ein hohes Amt-befleivete, 
„babe ich feiner oft in den Öffentlichen Urkunden der Republik ers 
wähnt gefunden, und.das Haus, in welchem er wohnte, wirb 
von jener Zeit an bis —F dieſer Stunde gewöhnlich La corte del _ 
Milione genannt.’ Es muß jedoch zugleich, bemerkt werden, daß 
Sanfovino in feinem ‚‚Venetia descritta‘“ Die populäre Anwen 
dung feines Zunamens auf die unermeßlichen Reichthuͤmer bes 
zieht, welde die Familie Polo zur Zeit ver Ruͤckkehr in ihr Bater: 
land befaß, wie wir einen großen Kapitaliften einen Millionaͤr 
nennen. 
Einige Monate nach ihrer Ankunft in Venedig kam die 

Kunde, daß eine Genueſiſche Flotte, unter dem Befehl von . 
Lampa Doria, von der Infel Curzola an der Kuͤſte Dalmaziens 
erſchienen fel; in Folge diefes ging eine Veneztanifche Flotte mit 
neunzig Galeeren fogleid; in Eee, unter der Anführung von 
Andrend Dandolo. Marco Polo erhielt ald ein erfahrener. Sees 


14 


welche koſtbaren Schaͤtze fie enthielten. Zur Zeit, als fie'den Hof 
des großen Khan’s verließen, wechfelten fie alle bie Reichthuͤmer, 
bie ihnen durch Die Guͤte deſſelben zugeflofien waren, in bie koſt⸗ 
berften Edelſteine um, weil fie dieſe leichter fortf haffen konnten, 
denn ſie berechneten wohl, daß auf einer ſo langen und beſchwer⸗ 
lichen Reife es unmoͤglich fein wuͤrde, eine fo große Summe in 
Gold mit ſich zu fuͤhren. Der ungeheuere Reichthum, der fo uns ' 
berechenbar mit einem Male ausgebreitet dalag, erfchien fo wun⸗ 
derbar und erfüllte Die Gemüther aller derer, die ihn fahen, mit 
folhem Staunen, daß die Anweſenden eine Zeit lang bewegungs⸗ 
[08 blieben, als fie aber wieder zu ſich kamen, fühlten ſie ſich voll⸗ 
fommen überzeugt, daß die, die vor ihnen ftanden, wahrhaftig 
die ehrenwerthen edlen Herren aus dem Haufe Polo waren, was 
anfangs in Zweifel gezogen worden war, und erimiefen ihren 
Wirthen alle Zeichen ver tiefften Achtung. 

Veber den Grad der Glaubwürhigfeit diefer Anekdote bei 
dem Zeugniß, mit weldyem fie gegeben worden tit, bemerft Mars» 
den, mag fi) jeder Lefer fein Urtheil felbft bilden, aber da fie 
eine Mifchung von Eitelfeit und Narrheit verräth, die ganz. un- 
verträglich wäre mit dem Charafter fo ernfter und kluger Män- 
ner, wie fie fi in dem früheren. Theil ihres Lebens gezeigt zu 
haben ſcheinen, fo bin ic) geneigt zur Ungläubigfeit und die Ges 
ſchichte der fruchtbaren Erfindung ihrer Zeitgenoſſen oder vielleicht 
der nachfolgenden Generazion zuzufchreiben, Die unferen Autor 
als. Helden eined Romans betrachtete und ihn nicht felten zum 
Gegenftande ned Spottes gemacht hat.) Mag das nun fein wie 


) Nach feinem Tode, fagt C. Amoretti auf die Autorität 3. Ja: 
eoyo’8 de Aqui, machte man fich luſtig über ihn, fo daß bei den Maske— 
raden immer einer war, der feinen Namen führte und ihn vorfellte, um 
Das Volt zu amüflren, indem er alles, was ihm. ner Ungereimtes in den 
Kopf kam; erzählte, Später verfuhr man eben fo ‚gegen Pigafetta (Pi- 
gnona Prefaz. all’Opera degli Dei Antichi); aber die nach ihnen ge: 
machten Reifen haben fie genugfam gerechtfertiget. Voyage,de la mer 
Atlantique à I’Ocean Pacifique par le Capitaine Maldonaldo, traduit 
d’an manuscrit Espagnol; note p. 67. 


15 


es wolle, Ramuſto fährt fort ums mitzutheilen, daß ſobald die 
Erzählung von der fo eben befchriebenen Scene in Venedig ver- 
breitet wurde, eine große Menge Einwohner aller Etänve, von 
den Nobili’s bis herab zu den Handwerlern, zu: Ihrer Wohnung 
eilten, um fie umarmen zu Eönnen und ihnen ihre Achtung zu bes 
weifen. Maffio, dem ältern. Bruder, wurde ein angefehenes Amt 
in ver Magiftratur der Stadt überteagen. Zu Marco Famen die 
jungen Männer, um das Vergnügen feiner Unterhaltung zu ge⸗ 
nießen. Da fie ihn höflich) und mittheilfam fanden, fo befuchten 
fie ihn täglich und erfundigten ſich bei ihm über Kataia und.den 
Großkhan, und Allen gab er fo artigeund freundliche Antiworten, 
daß jeber ſich ihm als perfönlich verpflichtet hielt. In Folge ih⸗ 
rer beharrlihen Neugierde, - weldye öftere . Wienerholimgen bet 
Eummen der kaiſerlichen Revenuͤen, die zu zehn oder funfzehn 
Millionen Dukaten in Gold geſchaͤti wurden, veranlaßte, als 
auch wegen anderer den Reichthum und die Bevoͤlkerung des. 
Reichs betreffenden Berechnungen, die er natuͤrlicherweiſe auch 
in Millionen ausgedruͤckt, erhielt er zuletzt von ihnen den Bei⸗ 
namen Meſſer Marco Milioni oder Milione., Mit dieſem Nas 
men“, fügt Ramuſio hinzu, der felbft ein hohes Amt bekleidete, 
„habe ich feiner oft in den Öffentlichen Urkunden der Republik ers 
wähnt gefunden, und das Haus, in welchem er wohnte, wird 
von jener Zeit an bis zu diefer Stunde gewöhnlich) La corte dei _ 
Milione genannt.‘ Es muß jedoch zugleich bemerkt werben, daß 
Sanfovino in feinem ‚‚Venetia descritta‘‘ Die populäre Auwen. 
dung feines Zunamens auf die unermeßlichen Reichthuͤmer bes 
zieht, weldye die Familie Polo zur Zeit der Ruͤckkehr in ihr Vater⸗ 
land beſaß, wie wir einen großen Kapitaliſten einen Millionaͤr 
nennen. 
Einige Monate nach ihrer Ankunft in Venedig kam die 
Kunde, daß eine Genuefifhe Flotte, unter dem Befehl von . 
Lampa Doria, von der Infel Curzola an der Kuͤſte Dalmaziens 
er chienen jet; in Folge dieſes ging eine Venezianiſche Flotte mit 
neunzig Galeeren fogleid) in Eee, unter der Anführung von 
Andreas Dandolp. Marco Polo erhielt ald ein erfahrener Sees 


16 


offizier den Befehl: über eine verfelben. “Die beiden Flotten trafen 
zufammen und famen in's Gefecht, in. welchem die Venezianifche 
mit großem Verluſt geſchlagen wurde.) Inter den von den Ge- 
mieſen gemachten Gefangenen befand fi; außer Dandolo felbft 
unfer Reiſender, der zu der vorderſten Abtheilung gehörte und 
tapfer den Angriff auf den Feind geführt hatte, aber, nicht ange- 
mefjen unterftüßt, genoͤthigt, wurde, ſich zu ergeben, nachdem er 
eine Wunde empfangen hatte. Er wurde in's Gefängniß nad, 
Genua gebracht, wo feine perſonlichen Eigenfhaften und feine 
. erftaunliche Geſchichte bald befannt wurde, und ihn Die vornehm- 
ſten Einmwohner-der Stadt beſuchten, Die alles was in ihren Kräf- 
‚ten fand thaten, um die Strenge feiner Gefangenfhaft zu mil- 
‘dern, indem fie thn mit zuvorfommenber Freundlichkeit ald einen 
Sreund behandelten und ihn auf das Freigebigſte mit allem was 
zu ſeinem Unterhalt und feiner Vequemlicheit noͤthig war, ver⸗ 
ſahen. 

Seine ſeltenen Abenteuer waren, wie in ſeinem Vaterland, 
ſo auch hier der Gegenſtand großer Heugier, und man lauſcht⸗ 
ſeinen Erzählungen, vorzuͤglich von Kataia und von feinem Herr 
ſcher, dem großen Khan, mit größter Aufmerkfanifeit. Doch mußte 
er der fteten Nothwendigkeit, dieſelbe Geſchichte Immer zu tie: 
derholen, uͤberdruͤſſig werben, und er ſah ſich, zum Gluͤck für den 
Fortſchritt der geografifchen Wiffenfhaft, der er ven erften Im⸗ 
puld gab,. veranlaßt, dem Rathe derer zu folgen, die ihn auf 
forderten, ſie niederſchreiben zu laffen. Er ließ fich daher aus 
Venedig die Originalnotizen, die er im Laufe feiner Reife gefams 
melt und in den u Händen ſeines Vaters gelaſſen hatte, kommen. 


*) Dieſes Treffen ſoll nach einigen Schriftſtellern am 8. September 
1206 ſtattgefunden haben. Der folgende Auszug aus dem „Cronica Ve- 
neto“ von Eanfovino, das. feinem „Venetia descritta‘“ angefügt-ift, wird 
bie ſonderbare Unficherheit der Venezianiſchen Annglen zeigen: „129%. 
Giornata à Curzola co Genovesi, con perdita dell’armata Veneta 
e con la presa d’Andrea Dandolo, il. quale per non esser condotto à 
.Genvva prigione s’oecide per via. Altri scrivono 1298. 


17 


Mit Hilfe dieſer Dokumente, von denen ex bei mehr als einer 
Gelegenheit ſpricht, und aus feinen mündlichen Mittheilungen 
ſoll die Erzählung durch einen gewiſſen Ruftighello oder Ruſti⸗ 
gido aufgezeichnet worden fein, der nach Ramufio ein Genueftfcher 
Edelmann.war, mit welchem Marco Bolo in vertraute Freund⸗ 
ihaft gefommen, und ver aus glühender Begierde, Kenntnig 
über entfernte Theile der Welt zu erhalten, täglich mehre Stuns 
den mit dem Freunde in feinem Gefängnifle zubrachte; oder nad 
dem Sorenzo Manufeript, von welchem Apoftolo Zeno einige Aus» 
züge gegeben bat), ein geborner Pifaner und der Mitgefangene 
Marco's*). Diefes Werk fol im Jahr 1298 fertig geworden 
fein, wo das Manufcript bereits gelefen wurde. 

Die Gefangenfhaft Marco's verurfachte feinem Vater und 
feinem Oheim viel Betrübniß, und das um fo mehr, weil es feit 
langem ihre Abficht gewefen war, daß. er bei ihrer Rüdfehr 
nad) Venedig eine pafjende eheliche Verbindung ſchließen follte. Ihre 
Pläne waren nun vereitelt und es wurde täglid) ungewiſſer, 
welchen Ausgang feine Gefangenhaltung nehmen fonnte, da alle 
Verſuche, ihm feine Freiheit durch Anerbietungen von Geld zu vers 
ſchaffen, fehlichlugen und es fogar zweifelhaft war, ob feine Haft 
nicht mit feinem Leben enden werde. 

Da ihnen unter diefen Umftänden alle Ausfiht, Erben für 
ihre Reichthuͤmer zu bekommen, abgeſchnitten war, ſo beriethen 
fie ſich, in welcher Weiſe fie wohl am geeignetſten für die Fami⸗ 
lie ſorgen konnten und famen überein, daß Nicolo, ‚obwohl 





— 


*) Die erſte biefer beiden Erzählungen wirb durch Die Autorität des Ma- 
nuferipts in der Ambroflantfchen Biblinthek zu Mailand unterftüßt, auf 
welches: fich C. Amoretti in feiner Neberfegiing von Maldonalvo’s Reife, 
die wir in einer vorhergehenden Note erwähnt haben, begteht, wenn er fagt: 
„Alles was ums Ramufio von dem Drt, den Umftänden und der Art und 
Weiſe, mit dem ber berühmte Neifende Marco Polo feine Geſchichte und 
feine Bemerkungen ſchrieb, angiebt, findet fich mit einiger Berfchievenheit in 
dem zweiten Theil der Manuferiptchronif von %. Jacopo de Aqui, die wir in 
unſerer Bibliothek haben.“ ©. 67. Es kann wohl fein, daß dieſe Chromif 
Aqul’s eine der Quellen war, aus welcher Ramuflo Kunde zog. — Marsben. 


| — 


18 


ſchon ein alter Mann, * von geſunder Konſtitutidn, ein zwei⸗ 
tes Weib nehmen ſouie. 

Endlich, nach Verlauf von einem Jahr, geſchah es, daß 
Marco in Folge des Intereſſes, welches die vornehmſten Perſe⸗ 
nen in Genua und in Wahrheit die ganze Stadt an ihm genom⸗ 
men hatten, aus ſeiner Gefangenſchaft befreit wurde. Als er nach 
Haus zuruͤckkehrte, fand er, daß fein Vater während dieſer Zeit 
die Familie mit drei Söhnen vermehrt hatte, deren Namen Ete- 
fans, Maffio und Giovanni waren. Als ein Mann von Berftand 
und guter Gefinnung ließ er ſich durch dieſen Wechſel der Um⸗ 
ftände nicht verſtimmen, fondern faßte den Entſchluß, ebenfalls 
zu beirathen und führte ihn aus, indem er bald eine paſſende Par: 
tie fand. Doch erhielt er aus feiner Ehe feinen Sohn, fondern 
nur zwei Töchter, von denen eine Moretta, die andere Fantina 
geheißen haben foll, welche Namen ihrer Bedeutung nach mehr 
fuͤr zärtliche Familienbenennungen als Taufnamen gehalten wer- 
den Fönnen. Nach dem Tode feines Vaters errichtete er, wie es 

‚einem liebenden und frommen Sohne gebührt, ihm zum Andenken 
rin Monument von gehauenem Stein, das zu Ramuſio's Zeiten 
noch unter dem Porticus vor der St. Lorenzofiche zur rechten 
Seite des Eingangs ftand und zwar mit einer Infchrift, daß es 
das Grab Nicolo Polo's fet, der in der vorermähnten Straße ge- 
wohnt habe. In Bezug auf das Alter, welches unfer Autor er 
reichte, oder das Jahr, in welchem er ftarb, haben uns feine 
Landsleute Feine Kunde gegeben, und man verſuchte auch nicht, 
wie es ſcheint, in einer frühern Periode die Data davon ficher zu 
fielen. Sanſovino, der ausführlihfte Schriftfteller dieſer Stabt, 
bemerft blos, „daß unter dem Eingang der Et. Lorenzofiche, 
welche auf einer der Infeln Namens Gemelle fteht, Marco Polo, 
genannt Miltone, begraben liegt, der eine Erzählung gab. von 
Reifen in die neue Welt, und der erfte vor Kolumbus war, 
der neue Länder entdeckte.” Aus diefen Ausbräden koͤnnen mir 
entnehmen, daß abgefehen von der darin enthaltenen geografifchen 
Unwiſſenheit, man.mit gutem Grund vermuthen darf (wenn Ra- 
muflo’3 Angaben richtig find), dag er das Grab des Vaters mit 


19 


dem des Sohnes verwerhfelt hat: In jedem Falle aber kaun bie 
Gleichgiltigkeit, vie. er als Alterthumsforſcher bei ver Unterfit- 
dung von Umſtaͤnden, die ſich auf das Lehen eines Manıed bes 
ziehen, auf tmeichen fein Baterland ſo vielen Grund hat ſiolz t 
fein, an dem Tag legt, nicht ſcharf genug getadelt werben. In der 
Chronik Iacapo’s de Maut fteht, Daß, ale Marro Polo auf dem 
Sterbebette von feinen Breunden ermahnt worden fet, zur Berun 
higung feines Gewiſſens Das, was er berichtet habe, zu widerru⸗ 
fen oder doch wenigſtens die Theile zu verwerfen, welche bie 
Belt als fabelhaft betrachte, habe er ihren Rath unmuthig zut⸗ 
ruͤckgewieſen und zu gleicher Zeit erflärt,. daß er, welt entfernt 
zu übertreiben, nicht die Hälfte der außerordentlichen Dinge, 
die er gefehen, erzählt habe. Sein Teftament fol vom Jahr 1920 
datirt fein, in welchem Falle man annehmen kann, daß fein Leben 
den Zeitraum von 1254 bis 1324, etwa fiebenzig Jahre umfaßt *). 
Was nun Die andern Mitglieder der Familie betrifft, fo ſcheint 


*) Um dem Refer die hiſtoriſche Periode, in welcher Marco Polo blühte, 
dentlicher vorzufuͤhren, ſollen Bier die Regteruugen ber gleichzeitigen Kod⸗ 
ige und das Leben einiger anderer hesvorzagenden Perfonen angegeben 
werben, Mubelf Graf von Habsburg wurbe unter bem Ginflufe res 
gors zum Roͤmiſchen König im Jahr 1213 erwählt und flarb 129]. Eduard J. 
von Engfand regierte von 1272 bis 1307. Philipp IH. und Philipp IV. 
von Branfreich von 1270 bis 1314. Alfons X., Sandy IV. und Ferdi⸗ 
wand IV. von Spanlen von 1252 bis 131%. Alfons IH. una Dintz oder 
Dionys von Portugal von 1240 bis 1325. Pabk Gregor X. wurde 1274 
erwmähli und Clemens V. flarb 1314. Balduin IL, Lateinifcher Kaiſer von 
Ronftantinopel, wurde von bort im Jahre 1261 vertrieben durch den Gries 
chiſchen Kaiſer Michael Paldologus, der 1284 farb, wie Andronicus IT. 
1392. Thomas Aquinas farb 1274. Die Eieiltanifche Vesper fand im Jahre 
IHR ſtatt. Et. Sean DATE wurde 12A1 von ben Saracenen erobert. 
Magrs Bacon fach 4999, Duns Seotus 1308 und Dante Mlighiert 1321. 
Der. Kampas fol. 1308 erfunden worden fein (über melden Gegenſtand 
man eine ſcharfſinnige Abhandlung von Tiraboſchi, Storia della Lettera- 
tura Italiana, Th. IV. ©. 180-190 nachſehen möge, wo zu zeigen vers. 
ſucht wird, daß der Kompas nicht von China durch die Familie Polo ein: 
geführt werben fel), und das Schießpulver nicht wor dem Jahre 1380.. 

2* 


20 


Marco, ver Altefte der drei Brüder, vor der Abreiſe Nicolo's und 
Maffio's nad) Konftantinopel geftorben zu fein; und gewiflerma- 
fen fein Andenken zu ehren, gab die Gattin Nicolo's ihrem Sohne 
den’ Namen. feines verftöorbenen Oheims. Von den: drei Söhnen 
Nicolo's aus feiner zweiten Che hatte blos Maffio Familie. Diefe 
beſtand aus fünf Söhnen und einer Tochter, Namens Maria; 
und da alle Söhne ohne Nachkommen ftarben, fo ging nadı dem 
Tode ihres Tegtgeftorbenen Bruders, der ebenfalls Marco hieß, 
das. Erbe aller Güter ihres Vaters auf fie über. Mit diefem Er⸗ 
eigniß, welches 1417 ftatifand, erloſch die maͤnnliche Linie der 
Familie Polo. Die Erbin heirathete in das edle Haus Triviſino, 
das beſonders ausgezeichnet iſt i in den Saft der. Veneziamiſchen 
Republik. 


Marsden faͤhrt nun nach den gegebenen Daten aͤber Marco 
Polo's Leben in folgender Weiſe fort: . 

Es ift wohl befannt, daß, als eine Erzählung ber Reifen des 
Venezianers Marco Polo gegen den Schluß des dreizehnten Jahr⸗ 
hunderts handſchriftlich erſchienen war und verbreitet wurde, die 
Kunde, die fie von. fremden Landen gab, von denen man bis da⸗ 
hin nichts gehört hatte, und von Sitten, die unverträglicd waren 
mit den Ideen, “die gäng und gäbe waren über die Barbaren der . 
Tartarei, Iange Zeit hindurch von der Maſſe der Landsleute des 
Reifenben ohne Ernft hingenommen und in's Laͤcherliche gezogen, 
aber aud) von den beftunterrichteten Männern überall in Europa 
nur mit Mißtrauen gelefen wurde. Es wurde von ihnen für wir 
derſinnig gehalten, daß während die mweftliche Welt uͤberſchwemmt 
und verwüftet ward von Horden, melde Wuth und Schreden 
nod wilder ‚darftellte, als fie vielleicht wirklid, waren, andere 
Stämme berfelben Nomadenrace, die mit jenen ein gemeinfames 
Oberhaupt anerkannten, vorhanden fein ſollten, die nicht allein 
unter einer regelmäßigen Regierung lebten‘, fondern auch den vor- 
züglihen Theil eines glänzenden und hochgebilveten Reichs aus⸗ 
machen follfen, Das angefüllt wäre mit prächtigen Staͤdten voller 
Gewerbthätigfeit und der Schauplag .eines Handels von folder 


21 


Macht und Ausdehnung, daß Venedig nur unbedeutend im Ver⸗ 
gleich erſchiene. Doch mit dem allgemeinen Fortfchritt der Kennt 
nifje und je mehr man Gelegenheit gefunden, ſich über den wahren 
Stand der Gefellfehaft wie der fofifchen Verhältniffe ver entfern- 
ten Länder zu unterrichten und vernünftige Forſchung anzuftellen, 
hat die Glaubwürdigfeit biefer Reifen erleuchtete Bertheiniger ge 
funden und ift in.neuerer Zeit von den vorzuͤglichſten Geſchichts⸗ 
fhreibern und Geografen allgemein anerfannt worden. 

Man hätte wol erwarten fonnen, daß man nicht in fo lang» 
ſamer Weiſe als es gefchehen, ein Werk in feinem wahren Ver; 
bienft zu erfennen und zu würdigen gelernt hätte, das, welches 
auch feine Mängel fein mögen, wenn man den Maßftab eines 
Kunſtwerkes an ihn Legt, doch zuerft ven Europäern eine beftimmte 
Idee von China beigebracht hat, und dadurch, daß es eine Bes 
fhreibung feiner Lage, fo wie ver des bis dahin gänzlid, unbe 
fannten Japan’ gab, in Verbindung mit dem großen Ozean, 
von dem man wähnte, er ftehe mit dem Atlantifchen Meere in uns 
mittelbarem Zufammenhange und fei eins mit demſelben, mit zu 
den wichtigen Entbedungen der Spanier und Portugiefen im 
funfzehnten Jahrhundert führte *). 

Den- Grund dieſer Vernachlaͤſſigung haben wir aber befons 
ders in der erften Erſcheinung des Werkes zu ſuchen; die ger 
ringe ſchriftſtelleriſche Gefhidlichfeit des Autors, der wahrfchein- 
lich weder in feiner eigenen, noch in irgend einer anderen gangbas 
ren Spradhe Europa’s fertig war, nöthigte ihn, bei Ausarbeitung 





*) Ramuflo, der von den Quellen redet, aus welchen König Johann II. 
‚ von Portugal feine Erkundigungen über Indien gefchöpft, fagt: E massi- 
mamente da quello (libro) del magnifico Messer Marco Polo il qual fu 
portato in Lisbona dall’illustre Infante. Don Pietro fino all’hora che 
egli fu’nella cittä di. Venetia l’anno 1428, E dicono l’historie Por- 
toghesi che fu presentato in Venetia per un singular dono, e che’l 
detto libro dapoi tradotto nella lor lingua fu gran causa che tutti 
- quelli serenissimi Re s’infiammassero a voler scoprir. ’India orientale, 
e sopra tutti il Re Don Giovanni secondo. Vol.I. Discorso sopra 
le lettere di Andrea Corsali, fol. 176. 


feines Material feine Zuflucht zum Beiſtand Anderer zu neh⸗ 
wen; größere Schuld aber tragen bie erften Ueberſetzer und Kos 
piften feines Manuſcripts während der anderthalb Jahrhunderte, 
die zwischen feiner Herausgabe and der Erfindung der Buchdru⸗ 
derkunft verfloffen, denn biefe Leute haben bei großem Mangel 
an erforderlichen Talent für ihve Aufgabe es noch an aller nös 
thigen Sorgfalt bei ihrer Arbeit fehlen laffen. Durch ihre uns 
verftändige Auffafjung ift ver Sinn oft unflar gemorden, während 
ihre Sorglofigfeit in der Rechtſchreibung e8 in vielen Fällen hoͤchſt 
ſchwierig macht, die Eigennamen der Berfonen und Orte zu er⸗ 
Eennen. Gin gleicher Tadel wie die Abſchreiber trifft aber auch 
die erften Herausgeber des gevrudten Werkes, da die große Ver⸗ 
fhiebenheit, in welcher und von ihnen die Namen gegeben wers 
ven, beweiſt, wie gleidhgiltig fie gegen Korreftheit wien. Im 
Allgemeinen haben fie ſich auch guoße Freiheiten in Abkürzung von 
Stellen und Auslaſſung von Kapiteln aus dem Original zu 
Schulden fommen lafjen, weil, wie e8 fcheint, fie das zuſammen⸗ 
faßten, was fte far Das Intereflantefte Hielten, und ihre Ausgabe 
dem Geſchmack der Klaſſe von Leſern annehmlich machen wollten, 
die ſich am meiften an dem ergögte, was die Eigenſchaft trockener 
Thatſachen am wenigften an fih trug. Wenn id; eime folde 
Betrachtung des Zuftandes, in weldem der Tert auf uns gekom⸗ 
wen, gebe, fo bin ich durch den Ausſpruch eined ausgezeichneten 
italienischen Gelehrten neuerer Zeit geregtfertigt. Sign. Morelli, 
Vorfteher der St. Marcusbibliothek zu Venedig, fagt in einem 
Brief an einengreund: „Es ift unglaublid,, wie fehr dieſes Werf 
ber Reifen Marco Polo's verändert und entftellt worden während 
ber Jangen Zeit, die e8 im Manufeript unter jo viel neugiexigen 
Sefern herumgewandert iſt. Kine vollftändige, richtige, der oͤf⸗ 
fentligen Mufmerffamfeit würdige Ausgabe muß alb ein Werk 
außerordentlicher Arbeit ımd Schwierigkeit betradytet werden, we⸗ 
gen des’ Mangels an aͤchten Dokumenten und wegen der Mühe, die 
noͤthig ift, ſich deſſen zu verſichern, in welchem Grade den verſchiede⸗ 
nen Ausgaben und Werken Glaubwuͤrdigkeit beizumeſſen ſei. Das 
Unternehmen verlangt eine volllommene und genaue Kenntniß ber 


23 


Geografie des Mittelalters, der Reifen unferer Tage, der orien- 
talifchen Geſchichte, der Sprachen der Tartaren, der Iudier und 
der anderen bftlichen Völker früherer und neuerer Zeit, ver Sitten, 
ver Raturgeichichte und der feltenen Erzeugnifie jener Länder und 
zu gleicher Zeit des Venezianiſchen Dialekts und der befonderen 
Gebraͤuche der Stadt Venedig, und alle dieſe Erforderniſſe muͤß⸗ 
ten in Anwendung gebracht werden unter der Leitung einer richti⸗ 
gen Kritik und eines feinen Unterſcheidungsvermoͤgens: Vortheile, 
die. in einer und berfelben Perfon vereinigt zu finden faft uns 
möglich, iſt, wie gelehrt und unermuͤdlich fie auch fein möge. 
Bei ſolch entmuthigender Anforderung ber für das Unterneh⸗ 
men erforderlihen Eigenſchaften koͤnnte der Verſuch eines Jeden 
für anmaßend und hoffnungslos angefehen werden, ber fi für 
fähig hielte, eine befriebigenbe fung jeder Schwierigkeit zu ge⸗ 
ben, alle Irrthuͤmer in der Geografie, Geſchichte und Sprache, die 
ſich in den Text eingeſchlichen haben, zu entdecken, oder alle Abwei⸗ 
dungen, bie unter den früheren Ausgaben fi) zeigen, unter ein 
authentiſches und Forrefted Banner zu vereinigen. Ich bin weit 
entfernt von ſolchen anmaßenden Unterfangen; aber, wenn aud) 
nicht Alles, was bedenklich gewifienhafte Kritik verlaugt, ausges 
führt werden koͤnnte, fo dürfte Doc das Vertrauen auf die Aus⸗ 
führberfeit, ein altes und merfwürbiges Werf von den Vorwuͤr⸗ 
fen, denen es lange Zeit ausgefegt gewefen, zu befreien und die 
moraliſche Rechilichkeit feines aufrichtigen, aber vielleicht in eini⸗ 
gen Faͤllen zu leichtglaͤubigen Verfaſſers zu vertheidigen, noch ges 
hegt werden. Eine ſtrenge Ueberzeugung des tiefbegruͤndeten Ver⸗ 
dienſtes und des aufrichtigen Charakters der Erzaͤhlung hatte ſich 
mir von der Zeit an eingepraͤgt, wo ich zum erſten Mal (im Jahr 
1780) Gelegenheit hatte, ihre Angaben über die Inſel Sumatra, 
die Bol „Java minor“ nennt, zu pruͤfen, und ed war ſeitdem mein 
unabläffiger Wunſch, daß die Aufklärung ihrer dunkeln Stellen 
die Aufmerffamfeit eines fähigen Mannes erregen follte, eine 
neue Ausgabe nach den beften vorhandenen Materialien zu unter- 
nehmen und fie mit Anmerfungen zu begleiten, die darauf bered)- 
net wären, den Inhalt mit den Nachrichten, Die in ven nachfol⸗ 


⸗ 


‚24 


genden Berichten von Reifen und in anderen zuverläfftgen Schhrif- 
ten enthalten find, zu vergleihen. Aber da diefer Wunfd bis jest 
noch nicht erfüllt worden, noch, nad) meiner Kenntniß, die Hoff- 
nung für das Publikum vorhanden, daß ein ſolches Werk erſchei⸗ 
nen werde, fo habe ic mich veranlaßt gefehen, mid, ſelbſt an das 
Unternehmen: zu madyen, obgleich ic überzeugt bin, daß ungeach⸗ 
tet einiger zufälliger Vortheile, die ich vielleicht beſitze, es viele 
Männer in den verſchiedenen Theilen Europe’ 3 gibt, die wohl der 
Ausführung gewachſen wären. 

Solche Worte ſchickte William Marsden ſeiner großen Aus⸗ 
gabe Marco Polo's, die 1818 in London erfhien*), voran und er 
hat feine Aufgabe in bewunderungswuͤrdiger Weife gelöft, denn 
fett ihm iſt den merkwuͤrdigen Reifen ein allgemeines Verftänd- 
niß eröffnet worden, fein Werf hat den fpäteren Erflärern Die 
Grundlage abgegeben, auf weldyer fie mit dem Fortſchritte der 
Kenntniß über. Alten fortgebaut haben. Daß er bei einem fo 
ſchwierigen Werfe, bei vem ihm fo viele und wichtige Vorarbeiten 
fehlten, mit dem er eine neue Bahn brach, mannichfachen Irrun- 
gen unterworfen war, ift ihm wahrlich nicht zum Tadel anzured)- 
nen; aber feine Forſchungen und Erklärungen haben dazu gebient, 
die Nachfolger auf das Richtige hinzuleiten. In demfelben Jahre 
erſchien auch das Werf eines andern Gelehrten, welches viel zu 
näherer Kenntnig. Marco Polo’s und feiner Reifen beitrug, wenn 
auch nicht von der Bebeutfamfeit wie das Marsdenſche: „Plao. 
Zurla di Marco Polo e degli altri Viaggiatori Veneziäni Disser- 
tazioni. Venezia 1818. fol. Vol. J.“ Ihm folgte die Ausgabe 
des berühmten Geografen Malte Brun: „„Voyages de Marco 
Polo. Paris 1824. Quart.‘“ — Darauf gab der Graf Gio. Batt. 
Baldelli Bont die Reifen unferes Autors in zwei verfchiedenen 
Texten mit Anmerkungen heraus: „Il Milione di Marco Polo, 








*) The travels.of Marco Polo, a Venetian, in the thirteenth 
century: being a description, by that early traveller, of remarkable 
places and things, in the eastern parts of the world. „Translated from 
the Italian with notes, by William Marsden, F. R. s S. & With amap. 
London 1818. Quarto. 


25 


testo di lingua de secolo decimo terzo, ora per la prima volta 
pubblicato ed illustrato dal conte G. B. Baldelli Boni. Firenze 
1827,“ dem er eine vita-di Marco Polo und eine fehr aus 
führlidye storia del Milione vorausſchickte. Der zweite. Band des 
Werkes tft: „ll Milione di Messer Marco Polo Viniziano se- 
condo la lezione Ramusiana illustrato e comentato‘‘, dem eine 
„dichiarazione al libro primo, per. rischiarare le vie tenute dai 
Poli nelle andate e ritorni dalla Cina‘ vorgegeben. Balvelli 
Boni ift auf dem Wege Marsden's fortgefchritten und hat mit 
großem Fleiße weitere Erklärungen zu geben gefuht. Zu gleicher 
Zeit hat er eine „‚Storia delle relazioni vicendevoli deli’ Europa 
e dell’ Asia dalla dacadenza di Roma fino alla distruzione del 
Califato,, Firenze 1822,°° herausgegeben, die in gewiſſer erklaͤ⸗ 
enter Beziehung zu Marco Bolo’s Reifen fteht. — Wichtig find. 
auch „„Remarques g&ogr. sur les provinces de la Chine decrites 
par M. Polo,‘ die Klayroth im Journ. Asiatique gegeben. Diefe 
Forſchungen und Erklärungen zufammengefaßt, mit folder Ein- 
fiht und tiefeindringenden Kritif beleuchtet, finden wir in dem un- 
vergleichlichen Werke Ritter’3 über Afien, welches fait alle vie 
Anforderungen erfüllt, die Morelli, wie oben erwähnt, von einem 
Herausgeber und Erflärer Marco Polo's verlangt. 

Wahrlich ftaunen muß man über den Geiſt eined Mannes, 
der mit:fo umfafiender Gelehrfamfeit, mit fo genialer Kritif das 
folofiald Werk unternehmen und ausführen fonnte, die Geſchichte 
und Geografie der Voͤlker und Länder Aſiens nad den Duellen, 
die ſich feit Jahrtaufenden zufammengehäuft, zu ergründen und 
zu einem Ganzen zu vereinigen, dad auch uns erft zu befferer, 
umfaffenderer und einvringliderer Kenntniß jenes Welttheils 
verhilft. Die Erflärungen der Reifen Marco Polo's madıen eis 
nen zwar integrirenden, aber im Verhaͤltniß zum Ganzen doch nur 
kleineren Theil des Riefenwerfes aus, und dody. geben fie in fteter 
Beziehung und fortwährendem Vergleich mit ven Forſchungen und 
Schriften der Reifenden und Gelehrten alter und neurer Zeit das 
Trefflichſte und Umfaſſendſte, was über dieſelben geſchrieben wor⸗ 
den, fo daß fie zum Totalbild des ganzen Welttheils mit hinwir⸗ 


26 


fen. Auf fie geftügt ift e& mir möglich geworden, eine ſolche Aus; 
gabe zu verfuchen, ald ich fie mit dieſem Buche biete. Es find vor- 
züglid die Erflärungen Marsden's, Baldelli Boni's und Rit⸗ 
ter's, denen ich in fteter Bergleihung mit einander ſowol, al8 mit 
den übrigen Commentatoren Marco Polo's und der Geſchichte 
und Geografie Aſiens im Allgemeinen in dieſer deutſchen Ausgabe 
folge*). . 
Was nun die Sprache anlangt, in welcher Marco Polo's 
Reifen urſpruͤnglich niedergeſchrieben **), fo ſtellt Ramuſio, der 
Herausgeber des vollſtaͤndigſten und beſten italieniſchen Textes der⸗ 
ſelben (welchen Baldelli und Marsden ihren Ausgaben zu Grunde 
gelegt und dem ich in dieſer mit Jenen folge), in ſeiner Vorrede die 
Meinung auf, der Genueſe Ruſtigielo, der Polo als Sekretaͤr diente 
‚Ki. oben), habe das Werk lateiniſch abgefaßt, und bemerkt, um die⸗ 
ſes zu beſtaͤtigen, daß ſogar bis auf ſeine Zeit das Volk Genua's 
gewohnt waͤre, dieſe Sprache bei Geſchaͤftsverhandlungen anzu⸗ 
wenden, und daß daſſelbe es fuͤr ſchwierig finde, die Klaͤnge ſeiner 
Mutterſprache auf dem Papiere wiederzugeben. Abſchriften dieſes 
lateiniſchen Originaltertes, ſagt er weiter, mit einer Vorrede des 
oben erwähnten Genueſen, vom Jahre 1206, wären ſogleich verviel⸗ 
faͤltigt und nachher eine Ueberſetzung in Das gewöhnliche Italie⸗ 


*) Cine nur einfgermaßen gemügende deutfche Ausgabe der Reifen 
Marco Polo's war bis jegt nicht erfchienen. Die verſchiedenen Manufertpte, 
Edizionen und Auszüge (Epitome's) unferes Autors Hier noch einzeln her: 
zuzaͤhlen unb uͤber diefelben. befonbers zu reden, Halte ich für unnoͤthig; 
in Marsden's Einleitung wird ganz ausführlich darüber gehandelt. Ich 
erwähne nur, daß von den Älteren Ausgaben, außer ber Ramufio’fchen (in 
„Raccolta di Navigationi e Viaggi‘), noch bie lateiniſche Edizion An: 
dreas Müller's, Greiffenhagii, „Marci Pauli Veneti historici fidelis- 
simi juxta ac praestantissimi, de Regionibus Orientalibus libri IH. 
etc. Coloniae Brandenb. (Berolini), 1671. 4.“ befonders bemerfenswerth 
Bi; der Herausgeber, in der orientalifchen Sprache erfahren, hat feinem 
Werke einige gelehrte, wenn auch pedantifche Abhandlungen (unter ihnen 
eine „Disquisitio geograpbica et historica de Chataja‘“) und fehr aus; 
geführte Indices beigegeben. Nitter zitirt diefe Ausgabe zum Defteren. 

**) Ich folge hier Maroden. 


87 


niſch oder lingaa wolgare, deren Gopien in ganz Italien alsbald 
verbreitet worden wären: Aus biefer Sprache, fährt er fort, wäre 
Das Merk im Jahr 1320 wieder in das Italieniſche Hberjegt wor: 
den non Francisco von Bologna, der ſich, wie Ramuſio vermuthet, 
feine Abſchrift des Originals Habe verichaffen koͤnnen. 

Wie plaufibel. auch Diefe Erzählung der urſpruͤnglichen Ver⸗ 
haͤltniſſe des Wertes erſcheinen möge, fo muß ihre Haltbarkeit 
doch in einigen weſentlichen Punkten unterſucht werben. Nicht 
allein iſt die Borausfegung unwahrſcheinlich, Daß ein exiſtirendes 
lateiniſches Original Pipino unbekannt geweſen ſei, oder daß der 
zahlreiche und weitverbreitete Orden von Predigermoͤnchen, zu 
welchem er gehörte und auf deſſen Verlangen er es unternahm, 
die Reifen aus dem Italieniſchen zu uͤberſetzen, Teine Abſchrift 
habe erhalten koͤnnen, ſondern in der von dieſem Moͤnche gefchries 
seen Bervebe ift auch nicht eine Andeutung von irgend eimer ſol⸗ 
hen Schwierigkeit gegeben. Im Gegentheil geht aus feinen Wor⸗ 
ten hervor, daß er eine neue Arbeit ausführe, um Berfonen von 
Erziehung feines Landes ſowol, wie Ausländer in ben Staub zu 

ſetzen, dieſes Autors merfwärbige Erzählung von dem Volke Des 

Dftend mit mehr Nugen und Bergaägen zu leſen, als ihnen die 
Lektüre in Der gewoͤhnlichen Sprache gewähren wuͤrde, in wel 
cher, wie er jagt, das Werk veftint und zuerk erfchienen ſei. Auch 
Grynaͤus, ver gelehrte Herausgeber des Novas orbis, gedruckt tm 
Jahr 1532 (viele Jahre vor dem Erſcheinen von Ramuſio's 
Sammlung), fagt in feiner Vorrede zu einer lateiniſchen Ueber⸗ 
ſetzung, die verſchieden von der Verſion Bipine’s und auch weit 
sorzüglidger als dieſelbe ift: „Et utinam Marcus iste Venetas 
eommediorem nactus faisset interpresem, aut ipse librum suum 
Latine scripsisset ..... Sed maltis concivibus suis Venetis gra- 
siicari maluit, quam paueis Latine doctis,“* und gibt Daburdı 
auf das Deutlichfte feine Ueberzeugung fund, daß die Reifen zu⸗ 
erft in Stalienifher Sprache erfchienen feien. 

Zu diefen direften Zeugniffen ver lateinifchen Ueberſetzer tritt 
noch ein ftarfer Beweis, obgleich negativer Art, aus dem Etill- 
ſchweigen der frühften Italienifchen Abſchriften in Bezug auf ein 


e 4 


28 


lateiniſches Original, und. vorzüglid; des Lorenzo Manuferipts, 
welches in Benezianifhem Dialekt abgefaßt das Zeichen bedeuten- 
den Alters trägt. In der Vorrede zu dieſem ift einfad) erwähnt, 
daß „zu der Zeit, ald Marco Polo im Gefängniß von ven Zeno- 
veſſi (Genuefen) gehalten wurde, er alle dieſe Dinge von Mifier 
Ruſtigielo, einem Bürger von Pira (Piſa) habe niederſchreiben 
laſſen, der ſein Mitgefangener war.“ Wenn eine andere Sprache, 
als die, in welcher dieſe beiden Perſonen gewoͤhnlich ſich unter⸗ 
hielten, zu jenem Zweck angewendet worden, ſo waͤre dies ſicher 
angegeben worden. Apoſtolo Zeno, den ſeine Landoleute unter die 
fleißigſten und ſcharfſinnigſten Forſcher ihrer fruͤheren Nazional⸗ 
literatur anſehen, druͤckt ſich folgendermaßen darüber aus: „Io 
50no persuaso che il Polo la scrivesse primieramente, non 
come vuole il Ramusio, in lingua latina, ma nellavolgar 
sua nativa, e che poco dopo de altri, come vedremo, fosse 
translata in Latina.‘ 
Welche Zweifel aud) gehegt werden in Bezug auf die ESyrahe, 
in welcher die Reifen, abgefaßt worden, fo wird doch allgemein 
‚angenommen, daß fie der Welt zuerft im Jahr 1298 übergeben 
worden, oder drei Jahre nach der Rüdfehr der Familie Polo nach 
Benebig. Ueber die Bedeutfamfeit des Werkes und über den Grad 
der Glaubwürdigkeit feines Verfaſſers halte ich nicht mehr für 
noͤthig etwas zu fagen, da fie, wie fehr aud) zum Defteren früher 
in Zweifel gezogen, Doc, jest allgemein anerkannt find; daß er. 
in: mandjen Anſichten feiner Zeit befangen, ven Glauben an Wun- 
der und Zauberei getheilt, daß er bei Erzählung und Beurthei- 
Aung fo vieler durchaus neuer und ihm, wie feinen Zeitgenofien, 
‚ganz frembartiger Dinge manche Irrthuͤmer begangen, wird ihm 
jest nicht mehr fo hoch angerechnet werben, je mehr man diefelben _ 
erfennen und-erflären fann; bei den einzelnen derartigen Stellen 
wird davon noch in ven Anmerfungen ausführlicher die Rebe fein. 


Tr. 


« 


Die Seifen Marco Polo's. 


32 


Nicolo Polo, der Vater Marco’s, und Maffio (oder Matteo), der 
Bruder Nicolo's, Venezianer aus edler Familie und ehrenwerthe 
und wohlunterrichtete Männer, nad) jener Stadt mit einer reichen 
Chiffsladung von Waaren famen. Nach reiflicher Neberlegung, 
was fie ferner unternehmen follten, faßten fie den Entfhluß, um 
wo möglich ihr Handelsfapital zu vermehren, ihre Reife durch 
den Eurinus ober das Schwarze Meer fortzufegen. In Diefer 
Abſicht machten fie Einkäufe von vielen ſchoͤnen und koſtbaren 
Edelſteinen, verließen Konftantinopel und fhifften durch jenes 
Meer nad) einem Hafen, Soldadia 3) genannt, von wo fie zu 


zuerfannt, und, ber letzte Doge, der felbft den Faijerlichen Titel abgelehit, 
aber den eines Fürften von Romania angenommen hatte, behauptete eine 
unabhängige Gerichtsbarkeit über drei Theile der Etadt von achten mit 
- einem befonderen Gerichtshof und befchloß feine Tage an der Epige einer 
Armee, die Adrianopel belagerte. Es ift zweifelhaft, ob einer feiner Nach- 
folger in dent hohen Amte des Oberften der RepubHf die Fatferliche Etat 
‚zu feiner Refidenz machte. „Dem Dogelt, einem Sklaven des Staats, fagt 
Gibbon, war es felten .geftattet, vom Ruder der Nepublik fich zu entferz. 
nen: au feine Etelle wurde der Bailo oder Regent gefebt, der die oberfte 
Gerichtsbarkeit über die Kolonie der Veneztaner ausübte.” Gin folcher 
war der Podeflä, zuweilen Bailo oder auch Despoto genannt, von deſſen 
derzeitiger Regierung bier geſprochen wird und deſſen politifche Wichtig- 
feit, in dem heruntergefommenen Zuſtand des Kaiferthums, wenig gerin- 
ger war als die Balbuin’s, während fie in den Augen der Familie Polo, 
als Venezianifcher Bürger, wahrfcheinlich weit größer erfchien. Der Name 
-des Mannes, welcher zur Zeit ihrer Ankunft diefes Amt inne hatte, iſt nach 
bem Sorenzo Manufcript Misier Ponte de Veniexia, und im Jahr 1261, 
‚ale das Reich oder vielmehr die Stadt von den -Lateinern wieder erobert 
wurde, war Marco Gradenigo Podeſta. Nach diefer Periode ließen fich 
bie Genueſen, die fi) immer der Sache der Griechen angenommen 
und ihnen jetzt zum Siege verholfen hatten, in Bera oder Galata nieder 
uud hatten ebenfalls ihren Podeſtaͤ, aber nicht in der unabhängigen Weife 
ihrer Rivalen während ber vorhergehenden Regierung ; denn obgleich ih- 
nen der Gebrauch ihrer eigenen Geſetze und Magiftrate geftattet war, fo 
hatten fie jene Vorſtadt nur als ein Lehn inne, und ehe ihr Etatihalter 
jein Amt antrat, mußte er ben Eid der Treue und des Gehorſame ſchwoͤ⸗ 
ren. — Marsden. 

3) Soldaia (aus welchem in Ramufio's Test Selbadaia und in dem 


33 


Lande reiften, bis fie den Hof eines mädtigen Herrn der weftlis 
hen Tartaren, Namens Barfa *), erreichten, der in den Städten 
Bolgarund Aſſara °) feinen Sig hatte und im Rufe ftand, einer der 


früheren Tateinifchen Soldada forrumpirt worben,) war der Name ber Im 
Dittelalter dem Plabe (dem Tauroſkythiſchen Hafen der Alten), welcher jetzt 
Sudak heißt und nahe ami fühlichen Ende der Krim ober des Tauriſchen Chers 
fonnefus liegt, gegeben wurde. Der Name Soldaia erfcheint auf den Karten, pie 
einer Ausgabe des Ptolomäus (Benebig 1652) beigegeben find. Ramuflo fagt, 
es fei Sogdat auf der Krimfchen Halbinfel. Abulfeda nennt die Stadt Sudak 
und befchreibt fie fo :,‚Estin pede montis in solo saxoso: urbs cinta muro, 
Moslemis infesta, ad litus Maris Krimensis; emporium mercatorum. 
Fere aequat Caffa.“ Am Anfang der Reifen Wilhelms von Rubruquis 
wird ihre Lage, in Rüdfiht auf Einope anf der ſuͤdlichen und enigegens 
geſetzten Küfte des Pontus Eurinus, folgendermaßen befchrieben: „Gegen 
die Mitte der genannten Provinz nach Suͤden zu, wie anf einen ſchiefen 
Mintel’ oder Punkt, ſteht eine Stadt, Soldaia genannt, gerade Syno⸗ 
polis gegenüber. Dort kommen alle Tuͤrkiſchen Kaufleute hin, welche nach 
den nördlichen Gegenden zum Handel ziehen, und auch wenn fle von Rußs 
land und ben nörhlichen Gegenden in ihre heimathliche Türkei zuruͤckkeh⸗ 
ren wollen.” Unter Türkei ift Kleinaſien zn verftehen, welches damals bie 
Seldſchuken oder Turfmanifchen Tartaren Inne hatten; wie es welter uns 
ten ausführlich gezeigt werben foll. M. 

4) Diefer Tartariſche Prinz wird gewoͤhnlich Bereke, der Nachfol⸗ 
ger, genaunt und iſt der Bruder Batu's, des Sohnes Dſchnudſchi's, ver 
der aͤlteſte Sohn. Dſchingiskhan's war. Batu erbte als feinen Antheil von 
den Ländern feines Großvaters (obgleich nicht in voller Sonverainität) die 
weftlichen Gegenden — das Katptfchaf oder Kiptſchak, die Länder ver 
Elaven, Allanen, Ruffen und Bulgaren, und flarb im Jahr 1265. 
„Als Batukhan ftarb, fagt Petis de la Croix, folgte Ihm fein Bruder und 
wurde Mahomenaner. . Ex führte einen blutigen Krieg gegen Hulacu, 
den Sohn Tuli's. Nach zehnjähriger Regierung ftarb er im Jahr 1266.” 
Abulfeda jedoch nennt ihn Barkah und Enkel Oſchudſchi's, Indem er an- 
nimmt, bag er der Sohn und nicht der Bruder Batu’s geweſen. M. 

5) Das Bolgar, Bulgar oder Bulghar, von dem hier die Rebe ift, darf 
nicht mit der Provinz Bulgaria an der Ehpfelte der Donau verwechſelt 
werben. Erſteres ift der Name einer Stadt und eines ausgebehnten Di: 
firiftes in der Tartarei, der äftlich von der Wolga liegt und heutzufage 
von den Bafchfiren bewohnt wird. Es wird von dem andern zuweilen 
unterfchteden durch die Benennung Großbulgaria. Die Khane vom Kipt: 

‘3 


34 


freigebigften und gebilbetften Bürften zu fein, den man bislang 
unter den Stämmen der Tartarei gefannt hatte. Er war erfreut 
über die Ankunft unferer Reifenden und empfing fie mit Auszeich⸗ 
nung. Als fie die Juwelen, melde fie mitgebracht hatten, vor 
ihm niederlegten und erfannten, dag ſolche ihm wohl gefielen, boten 
fie fie ihm zum Geſchenk an. Der Khan bewunderte die freigebige 
Höflichkeit ver beiden Brüder und weil er fid) von ihnen an Groß⸗ 
muth nidyt übertreffen laſſen wollte, ließ er ihnen nicht allein den 
-Doppelten Werth der Juwelen auszahlen, ſondern fügte dem auch 
noch verſchiedene reiche Geſchenke bei 6). 


ſchak hatten wie alle Tartarenherrſcher wei Reſtdenzen, die Sommerrefi⸗ 
denz war Bolgar und die Winterreſidenz Sarai. „Bolar“, ſagt Abulfeda, 
„von ven Arabern Bolgar genannt, iſt eine Stadt im äußerten bewohn⸗ 
ten Norden, nicht weit von dem Fluſſe Atol (Wolga), in nordweſtlicher 
Richtung. wie Sarai, von welchem es zwanzig Tagereifen entfernt if.“ 
Geographia (Büsching p. 265). Bon den Ruinen des Bulgarenoried, 
jest Brif Khimof genannt, hat der berühmte Reiſende Pallas eine Be: 
fhreibung gegeben (Voy. de Russie T.I. p. 215): „Man fieht dort 
Trümmer von Mofcheen, Arabifche Infchriften, Gräber von Kaufleu⸗ 
ten aus. Schamalien und Schiewan. Der Ort liegt 90 Werſte noͤrdlich 
von Simbirff beim Einfluß der Kama in die Wolga. Ganz richtig be: 
merkt Forſter, daß Affara, deſſen Trümmer man bei Zarizin fieht, am 
öftlichen Arme ber Wolga, Sarai if. Marco Polo, der fehr. oft den 
Artikel mit dem Namen vereinigt, nennt es Aſſara. Das Aftrachan, 
welches von Pegoletii erwähnt wird, befand fich nicht auf derſelben 
Stelle, wo jest die. Stadt flieht, dein. das alte Aftrachan - wurde mil Sa⸗ 
“rat vom Kaiſer Timur im Winter 1395, zerſtoͤrt. Die alte Stadt Sa⸗ 
rai lag ziemlich nahe vom alten Aſtrachan. Abulfeda beſchreibt ſie ſo: 
Sarai, eine große Stadt, koͤnigliche Reſidenz der noͤrdlichen Tartaren, 
welche heutzutage Usbeken genannt werden, liegt in einer Ebene. Vom 
Kaspiſchen Meere iſt ſie ungefaͤhr zwei Tagereiſen entfernt, das oͤſtlich 
und ſuͤdlich von ihr liegt. Der Fluß Atol fließt an ihr voruͤber, von Nor⸗ 
den und Weſten nach Suͤden und Oſten, bis er in das ſchwarze Meer faͤllt. 
- An feinem noͤrdlichen Ufer lilegt Sarai, wo ein großer Markt für die 
Tuͤrkiſchen Hanbelsleute iſt.“ Marsden u. Baldelli Bont. 

6) De Guignes fagt von Berefe oder Barfah: „Sein: Name wurde 

fo beruͤhmt in dieſen Laͤndern, daß. man fie feitvem Deſcht⸗Bereke, das 


35 


Als fie ein Jahr in den Ländern diefes Firrften gelebt hatten, 
überfam fie der Wunſch, in ihr Vaterland zuruͤckzukehren, fie wur⸗ 
den aber daran verhindert, weil ein Krieg zwiſchen ihrem Goͤn⸗ 
ner und einem andern Khane, Namens Alaa, der die öftlicdhen 
Tartaren beherrſchte 7), ausbradh. In einer- Schlacht, die von den 
beiden Armeen geliefert wurde, flegte der Letztere und Barka's 
Truppen erlitten eine vollkommen Niederlage. Da die Straßen 
in Folge dieſes Ereigniſſes unſicher fuͤr Reiſende geworden waren, 


Pu 


heißt die Ebene Berefl's, genannt bat. Er Hatte Serai an einem ber 
Arme des Fluſſes Etel oder Wolga erbauen laſſen, und dieſe Stabt war 
ſeitdem fehr groß und bevälfert geworben; die berühmteften Gelehrten, 
bie dahin von allen Selten kamen, am biefen rohen nnd barbarifchen 
Boͤlkern Bilvung beibringen zu helfen, wurden vom Khan reich belohnt.‘ 
Diefes Lob. rechtfertigt die vortheilhafte Idee, welche die beiden Vene⸗ 
zianer von feinem Churafter gefaßt. hatten. 

7) Diefe öftlichen Tartaren, wie fie bezüglich genannt werden, deren 
Land fich aber nicht weiter nach Oſten ausdehnte, als’ die Provinzen Per- 
fien und Khorafan, wurden ſo genannt, um fie: von beit‘ weftlichen (oder 
richtiger nordweſtlichen) Tartaren, die in einer vorhergehenden Anmer- 
kung fchon erwähnt wurden, zu unterfcheiben, welche die der Wolga beriachbars 
ten Gegenden einnahmen bis zu ben Grenzen: ober noch über Die Grenzen 
Europa’s. Ihr Fuͤrſt, der hier Ma-u oder Hala-ı genannt‘ wird, ift ver 
berähmte Hulagu, der Sohn Tulut’s, und mit Batu, Mangu und Ku⸗ 
blai (welche legteren feine Brüder waren) der Enkel Dſchingiskhan's. 

Bon feinem Bruder Mangu befiimmt, in ben fühlichen Provinzen. des 
Reichs zu befehlen, verließ er Karakorum, kurze Zeit vor dem Beſuch 
Rubruquis ia dieſer Tartariſchen Hauptſtadt, und uͤberſchritt im Jahr 
1255 den Gihon oder Oxus mit einem großen Heere. Im folgenden Jahre 
vernichtete er Die Race ober Secte der Jsmaeliten, auch Malahivet ges, 
namıt, und wandte feine Waffen gegen Bagdat, welches er im Jahr 1258 
einnahm, und ließ Moftafem Billah, den letzten der Abaſſiten Khalifen 
hinrichten. Nach dem Tode Mangu’s, 1259, wurde Hulagu der wirkliche 
Herrfcher vom Perfifchen und Babylonifchen Irak mit Khoraſan; Doch bes 
wahrte er eine wenn auch mehr dem Nainen nad achtungsvolle Ergeben- 
heit gegen feinen Bruder Kublat, der als das Haupt der Moghulfamilie 
anerkaunt wurde und in China regierte. Gr Rab 12365: in feiner Haupt⸗ 
ſtadt Tauris ober. Tabrig. | 4 Zn 

* 


Y 


36 


fonnten ımfere Venezianer e8 nicht wagen auf dem Wege, den fie 
gefommen waren, zuruͤckzukehren; und es wurbe ihnen, als bie. 
einzig mögliche Weiſe Konftantinopel zu erreichen, empfohlen, 
ſich in öftlicyer Richtung auf eine wenig befuchte Bahn zu wenden, 
fo daß fie an den Grenzen von Barfa’8 Gebiet hingingen. Dem⸗ 
auteige nahmen fie ihren Weg nad) einer Stadt, Namens Ouka⸗ 
fa 8), Die an den Graͤnzen des Königreichs der weſtlichen Tarta⸗ 
ren liegt. Als fie dieſen Platz verlaſſen hatten und weiter wan⸗ 
derten, ſetzten ſie uͤber den Tigris, einen der vier Fluͤſſe des 
Paradieſes 9), und kamen in eine Wuͤſte, die ſich ſiebzehn Tage⸗ 
reiſen weit ausdehnte 10), in welcher ſie weder Stadt und Schloß, 
noch ein eigentliches Gebaͤude fanden, ſondern nur Tartaren mit 
ihren Heerden, die unter Zelten oder auf dem freien Felde lager⸗ 
ten. Als ſie dieſe durchwandert, erreichten fie endlich eine wohlge- 
baute Stadt, Namens Bokhara 11), in einer Provinz deſſelben 


8) Abulfeda bezeichnet diefe Stadt for „Okak tft eine Heine Stabi 
an dem weftliden Atol, faft mittewegs zwifchen Sarat und Bolar.... 
bis an al Okak reicht das Neich des Königs der Tartaren Berfah, nicht 
weiter.” Geogr. Lat. Mundi .Septent. p. 365. Auch unfer Reifender 
fagt, daß jene Heine Stadt der Grenzort des Gebletes von Barfa war. 
Dfaf, auch Umjel genannt, ift auf Forſter's Karte von Mittelaſten ver⸗ 
zeichnet, welche obigem Werke beigefuͤgt iſt. B. B. 

9 Der große Fluß, den unſere Reiſenden uͤberſchritten und den He 
‚ feiner Größe wegen als einen der Flirffe des Paradieſes anfehen moch⸗ 
ten, war angenfcheinlich der Sthon, der auch Sirr genannt wird. Der 
Irrthum, ihm den Namen Tigris zu geben (nicht größer jedoch als der 
Alexander's, ber denfelben Fluß fuͤr den Tanais oder Don hielt), mußte 
aus einer Verwirrung der Ideen uͤber den Sihon oder Oxus entſtehen, 
und mag burch einen der frühern Abfchreiber, der nit uf gevgrafiſche 
Richtigkeit ſah, hereingebracht worden ſein. M. 


10) Die Wuͤſte, die hier erwaͤhnt wird, iſt die von Rural, in der 
Nachbarschaft des Sihon, welche die von Norden kommenden Reifenden 
nothwendig durchwandern müßten, wenn fie nach Bokhara wollten. M. 


11) Ueber dieſe berühmte Stadt, deren Name von den Abfchreibern 
nicht verborben worben iſt, kann Fein Mißverſtaͤndniß flattfinden; da die 


37 


Namens, die zum Reiche Perfia gehörte, aber unter einem Fürften 
ftand, der Baraf hieß 12).. 

Es begab ſich aber, daß zu diefer Zeit ein Mann’ von gkoßem 
Anfehn und außerorbentlichen Gaben in Bokhara erfhien. Er 
war abgeſchickt als Gefandter von dem ſchon erwähnten lau an 
den Großfhen, den oberften Fürften aller Tartaren, der Kublar 
Kaan 13) hieß und feinen Herrfcherfig am äußerften Ende des Feft- 
lands hatte, in einer Richtung zwifchen Rordoften und Often. Der 
Geſandte hatte, wie fehr er es auch wuͤnſchte, zuvor nod) Feine Be⸗ 
legenheit gehabt, Leute aus Italiſchem Lande zu fehen, und war 
daher fehr erfreut, unfere Reifende, die jetzt einigermaßen erlernt 
hatten, fi in Tartarifcher Spradye auszubrüden, zu treffen und 


Bolo’s noͤrdlich von der Krim vorwärtsfchritten, Eonnten ſie Bokhara 
nur erreichen, wenn fie über die verfchiedenen Klüffe, welche fich In den 
nördlichen Theil des Kaspifchen Meeres ergießen, überfegten. 

12) Betis de la Croix nennt biefen Fürften Berrac Can, und 
D’Herbelost Barak Khan, Urenkel Dſchagataĩ's, des zweiten Sohnes 
von Dſchingiskhan, der Transoranten oder die Gegend, welche jet die 
Usbeken inne haben, erbte. Dies finden wir beftätigt bei d'Ohſſon, welcher 
fagt, Borak, wie er ihn nennt, fei ein Sohn Yiffounztoua’s, der ein 
Sohn Moa:tougan’s, des Sohnes Diehagatai’s, gewefen. Nach langen 
wechfelvollen und von feiner Eeite mit viel Hinterlift geführten Kriegen _ 
mit Abafa, dem Sohne Hulagu’s, dem er das Königreich Khorafan ent: 
reißen wollte, wurde er von biefem fo gefchlagen, baß er fih nur mit 
einem geringen Theil feines Heeres nach Bokhara zurückziehen Fonnte, 
und farb noch in demfelben Jahre — 1270 — im Kampf mit feinem 
Verwandten und früheren Verbündeten Caĩdn begriffen, als biefer ihn 
eben fammt feinem Heere umringt hatte und zum Gefangenen machen 
wollte. Dahin find die Anmerkungen Marspen’s und Balbelli’s zu be: 
richtigen, die mit Recht D’Herbelot, De Guignes und andere Gefchichts. 
ſchreiber der Irrthuͤmer in Bezug anf jenen Prinzen zeihen, — fo. laͤßt 
ihn erſterer ſchon 1200 ſterben und letzterer ſetzt ſeinen Top 1260 — 
jedoch das Richtige ebenfalls nicht feſtſtellen koͤnnen. 

13) Kublaĩ⸗kaan, Kaiſer von China und der Tartarei, war ber Sohr 

Tult’s, des vierten. Sohns Dſchingiskhan's, und folgte feinem. aͤltern Bru⸗ 
ver MangnsFaan im Jahr 1260. Er ift ber fünfte Kaifer biefes Ge⸗ 
fehlechts der Moghul oder Mongolen-Tartaren. S. d. Einleitung. - 


‚38 


fi, mit ihnen zu unterhalten. Nachdem er mit ihnen mehre Tage 
in Gefellfdjaft geweſen war und ihm ihre Sitten zufagten, ſchlug 
er ihnen vor, daß fie ihn zu dem Großkhan begleiten ſollten, der ſehr 
erfreut ſein waͤrde uͤber ihr Erſcheinen an ſeinem Hofe, denn dieſer 
ſei bis jetzt von Leuten aug ihrem Lande noch nicht beſucht worden; 
und gab ihnen die Verſicherung, daß ſie ehrenvoll empfangen wer⸗ 
den und ihnen reiche Gaben zufließen wuͤrden. Ueberzeugt wie 
ſie waren, daß wenn ſie es unternehmen wollten in ihre Heimath 
zeüdzufehten, fie fi) den größten Gefahren ausfegen würden, 
willigten fie in fein Anerbieten und jegten, fi, dem Schuße des 
Allmächtigen empfehlend, ihre Reife im Gefolge des Geſandten 
fort, begleitet von mehren chriſtlichen Dienern, die fie aus Bene: 
dig mitgebradyt hatten. Die Richtung, die-fie dort einfchlugen, 
war zwifchen Norboft und Nord, und es verging ein ganzes Jahr, 
ehe fie die kaiſerliche Reſidenz erreichen konnten, wegen der außer- 
ordentlichen Verzüge, die vom Schnee und von den Ueberſchwem⸗ 
mungen ber Zlüffe veranlaßt wurden, die fie nöthigten zu verwei⸗ 
Ien, bis jener gefchmolzen war und die Fluthen ſich wieder verlaufen 
hatten. ‚Viele bewundernswürdige Dinge fahen fie. während ih- 
rer Reife, die wir aber hier nicht erwähneh, weil fie in (geografi- 
ſcher) Ordnung von Marco Polo in den folgenden Buͤchern be⸗ 
ſchrieben werden ſollen. 


2. 


Als die Reiſenden dem Großkhan vorgeſtellt wurden, empfing 
fie berfelbe mit der Huld und Herablaifung, die feinem Cha- 
rakter eigen war, und da fie die erſten Staliener waren, die in 
Diefem Lande erfihienen, wurden ihnen Sefte und andere Beweiſe 
von Auszeichnung gegeben. Er ließ ſich freundlich i in ein Geſpraͤch 
mit ihnen ein und erkundigte ſich uͤber die weſtlichen Theile der 
Erde, über ven Roͤmiſchen Kaiſer und andere chriſtliche Könige und 
Fürften. Er ließ ſich Mittheilungen geben über die Macht verfelben, 
die Größe ihrer Länder, die Art der Gerechtigkeitspflege in. ihren 


39 


verſchiedenen Koͤnigreichen und Fuͤrſtenthuͤmern, über ihre Kriegs⸗ 
führung und vor Allem und ganz beſonders fragte er fie nach dem 
Pabſt, den Angelegenheiten ver Kirche, der Gotteöverehrung und 
den heiligen Lehren der Ehriften. Da fle wohlunterricdhtete und bes 
ſcheidene Männer waren, fo gaben ſte ihm fo gut ald nur möglid 
Antivort über alle diefe Punkte, und weil fie mit der Tartariſchen 
(Mongoltfchen) Spradje vollfommen vertraut waren, fo brüdten 
fie fid) immer in geeigneten Worten aus, fo daß der Großkhan, 
bei dem fle in hohen Ehren ftanden, fle häufig zu ſich berufen ließ. 

Als er mın alles in Erfahrung gebracht, was ihm die beiden 
Brüder in fo verftändiger Weife mitgetheilt hatten, erflärte er 
fid) fehr zufrieden mit ihnen, und weil er bei ſich den Entfchluß 
gefaßt hatte, fe als feine Abgefandten an ven Pabſt zu brauden, 
machte er ihnen, nachdem er mit feinen’ Miniftern Rath, gepflogen 
hatte, in gar freundlicher Weife den Vorſchlag, daß fie einen fei- 
ner Offiziere, Namens Khogatal, auf einer Miffton an den Stuhl 
zu Rom begleiten folten. Seine Abſicht, fagte er Ihnen, 
wäre, feine Heiligfeit zu bitten, daß er ihm hundert gelehrte 
Männer ſchicken möge, die durchaus vertraut ſeien ‚mit ben 
Grundfägen der chriſtlichen Religion fowohl, als auch mit den 
fieben Wiffenfchaften und befähigt, den Gelehrten feines Reiches 
mit Elugen und rechten Beweisgründen barzuthun, baß ber 
Glaube, zu dem fid) die Ehriften befennten, höher ftehe und auf 
größerer Wahrheit beruhe, als irgend ein anderer; daß die Götter 
der Tartaren und die Goͤtzenbilder, die in ihren Käufern verehrt 
wirben, nichts anders feten als böfe Geifter, und daß fie mit 
allen Voͤlkern des Oftens in Irrthum begriffen feien, dieſelben 
als Spttheiten zu verehren. Weiter fagte er ihnen, weldyes Ver⸗ 
gnügen er empfinven. würde, wenn fie bei threr Ruͤckkehr etwas 
vor dem heiligen Del mitbringen wollten auß der Lampe, welde 
ewig brennt über dem Grabe unfers Herrn Jeſu Chriftt, für den 
er hohe Verehrung hege und den er als den wahren Gott erfenne. 
ALS fie vom großen Khan diefe Befehle vernommen hatten, wars 
fen fie fih vor ihm nieder und erklärten ihm augenblidlicdye Be⸗ 
reitwilligfeit und ihren eifrigen Gehorfam, das mit Aufopferung 


40 


aller ihrer Kräfte zu vollführen, was fein kaiſerlicher Wille ihnen 
auferlege. Hierauf befahl er, daß in feinem Namen an den 
Pabſt zu Rom Briefe in Tartarifher Sprache abgefaßt und ih- 
nen in ihre Hände übergeben werben follten. Auch ließ er ihnen 
eine golvene Tafel geben, auf welche das Faiferliche Zeichen ein- 
gegraben war, nad vem Gebrauch, den Se. Majeftät eingeführt 
hatte: ver, dem dieſe Tafel verliehen, wird mit ſammt feinem Ge⸗ 
folge von den ©ouverneuren aller Pläge in den Faiferlichen Laͤn⸗ 
dern von Stazion zu Stazion fidher geleitet und.ift während ver 
Zeit feines Aufenthaltes in jepweglicher Stadt, jedem Schloß 
oder Hof zu einer Lieferung von Lebensmitteln und jedes Dinges, 
das er zu feiner Bequemlichkeit nöthig hat, berechtigt 1,4). 

In ſo ehrenvoller Beitellung nahmen fie ihren Abſchied von 
dem Großkhan und begannen ihre Reife. Kaum aber waren fie 
zwanzig Tagerelfen weit gefommen, ald der Offizier, ihr Ges 
fährte, gefährlich Frank wurde. In Diefer unangenehmen Lage 
wurde, nachdem fie fi mit Allen, die gegenwärtig waren, bera- 
then hatten und mit Beiftimmung des Mannes felbft, befchlofien, 
ihn zurüdzulafien. Bei der Fortfegung ihrer Reife Fam es ihnen 
fehr zu ftatten, daß fie die koͤnigliche Tafel bei ſich führten, bie 
ihnen überall wohin fie kamen bie befte Aufnahme bereitete. Alles 
was fie brauchten, wurde ihnen ohne Zahlung gewährt und ihnen 


14) Ju den chinefifchen Schriften wird oft das Tſchi-kuei oder bie 
Ehrentafel erwähnt, welche hohen Beamten bei ihrer Anftelluug gewährt 
wird, anf, welcher Ihre Titel mit goldenen Buchftaben fiehen und welche 
ihnen große Vorrechte auf ihren Reifen verleiht. Die, von welcher oben 
die Rede ift, mag wohl von bverfelben Art gewefen fein. Im dem vul⸗ 
gären. Europäifchen Dialekt von Kanton wird fie des Kaifere Grand 
chop genannt, ein Wort, um „Siegel, Marke, Vollmacht, Paß“ aus: 
zubrüden. Doch iſt der Gebrauch, wichtige Verordnungen und Befehle 
auf Goldplaͤttchen zu ſchreiben, im ganzen Orient gebräuchlich. Auf der 
Dresvener Bibliothek befindet fich ein Brief mit Malatifchen Lettern 
auf ein Goloplätichen gefchrieben von einem Rei an den hofländifchen 
Gonvernenr von Batavia. M. 


41 


Führer und Begleitung mitgegeben. Aber ungeachtet diefer Vor: 
theile — fo groß waren bie natuͤrlichen Schwierigkeiten, die fie zu 
befeitigen hatten, von der außerorbentlihen Kälte, dem Schnee, 
dem Eife und den Ueberſchwemmungen der Fluͤſſe — konnten fie nur 
langjam vorwärtsfchreiten und drei Jahre vergingen, bevor fie 
einen Eeehafen in Kleinarmenien, Namens Giazza 15), erreis 
chen Fonnten. Don da reiten fie zur See und kamen im Monat 
April 1269 nad) Acre. Dort erfuhren fie zu ihrem nicht geringen 
Schrecken, daß Pabſt Klemens IV. vor Kurzem geftorben fei 16). 
Ein Legat, ven er.eingefebt hatte, Namend M. Tebaldo de Ves⸗ 
conti di Pincenza, vefivirte zu der Zeit in Acre und dieſem 
ftatteten fie Bericht ab, mit weldyen Aufträgen fie von dem Groß⸗ 
fhan der Tartarei betraut worben feien. Er rieth ihnen unter 
allen Umſtaͤnden, die Wahl eines anderen Pabftes abzuwarten, 
und wenn diefe ftattgefunven, bei vemfelben ihre Botſchaft aus⸗ 
zurichten. Sie fanden, daß diefer Rath gut fei und beichloffen, 
die Zwiſchenzeit zu einem Beſuch bei ihrer Bamilfe zu verivenden. 
Eie ſchifften fid) demnach auf einem Schiffe ein, das nad) Negros 
pont fuhr, und gingen von da nad) Venedig, wo Nicolo Polo 
fand, daß jein Weib, die er bei feiner Abreife ſchwanger zuruͤck⸗ 
gelafjen hatte, geftorben war, nachdem fie ihn mit einem Eohne 


— — — — — — 


15) Giazza iſt das alte Iſſus, wo Alexander den Darius ſchlug, 
welches in unſern neuern Geografien die verſchiedenen Benennungen von 
Lajazzo, Aiazzo, Aiaſſo, L'Aĩas und Layaſſa hat. Auf der Karte Afiene 
von D’Anville ift es mit dem Namen Layas bezeichnet. Abulfeba ſchreibt: 
„Alaja, eine eine Stadt am Mittelländifchen Meere, einer der Hans 
velspläge jener Länder.” (Geogr. p. 302). Goltus, von den Voͤlkern 
Kleinarmeniens fprechend, fagt: „Der Hafen beffelben war jenes vorge: 
nannte Ayds, von wo man nad) Eypern und den andern Chriitlichen Laͤn⸗ 
dern zu fchiffen pflegte. Aus dem Namen Ayas machten Marco Polo 
und Andere, die um bie Zeit der Kreuzzüge fchrieben, Giazza, wie bie 
Staliener es benennen, wie Giovanni ftatt Joannes; einige fchreiben Ras 
yace, indem fie gewifiermaßen ven Artifel vorſetzen.“ — Bon den beiden 
Armenien wird noch die Rede fein. M. j 

16) Diefer Pabſt farb in Biterbo am 233. November 1268. 


42 


beſchenkt hätte, ter den Namen- Marco erhalten und jest in 
einem Alter von neunzehn Jahren ftand. Dies tft der Marco, 
von dem das gegenwärtige Buch verfaßt ift, und der darin 
einen Bericht giebt über alle die Dinge, die er mit Augen 
gefehen hat. | | 


Inzwiſchen wurde die Wahl des Pabſtes durch fo viele 
Hinderniſſe verzögert, daß fie zwei Jahre in Venedig blieben, 
immer in der Erwartung, daß fie vor fid) gehen würde; aber 
endlich beforgten fie, daß dem Großkhan ihr langes Ausblei— 
ben mißfallen würde, oder daß er glauben Fönnte, ‘fie hätten 
die Abſicht, nicht wieder in fein Land zu kommen, und hiel- 
ten es Daher für rathſam, nad Acre zurüdzufehren. Bei 
diefer Gelegenheit nahmen fie den jungen Marco Polo mit 
fi. In feierliher Beftätigung des Legaten beſuchten fie Je— 
rufalem und verfahen fi mit einigem ‚Del von der Lampe 
des heiligen Grabes, wie fie vom Großkhan angewieſen wor: 
den waren. Darauf nahmen fie den Brief des Legaten an 
jenen Sürften in Empfang, in dem ihnen über die Treue, 
mit welder jie ſich bemüht hätten, feinen Aufträgen nadı- 
zufommen, Zeugniß gegeben und erklärt wurde, daß das 
Oberhaupt der Kriftlihen Kirche bis jest noch nicht er 
wählt — worden; und zogen weiter nad) dem vorerwähnten Ha- 
fen- Giazza. Kaum aber waren fie abgereift, ald der Legat 
Boten von Italien empfing, abgefendet vom Collegium ver 
Kardinäle, die ihm feine eigene Erhebung auf den päbftlichen 
Stuhl verfündigten, in Folge defien er den Namen Gregor X. 
annahm 17). Indem er nun bevadhıte, daß: er jebt ‚felbft im 


_— u. 





17) Der paͤbſtliche Stuhl blieb faft drei Jahre unbefegt in Folge der 
Kabalen, die im heiligen Collegium ftattfanden; endlich wurde befchloften, 
bie Ernennung des Pabſtes fechfen der Kardinaͤle zu übertragen, melde 
Tebaldo von Piavenza am 6. Eeptember 1271 erwählten. Um für die Zu 


43 


Stande fei, ven Wuͤnſchen des Tartarifhen Monarchen voll: 
kommen nadjzufommen, beeilte er fi, Briefe an den König 
von Armenien zu fhiden 18), in denen er ihm feine Wahl 
mittheilte und ihn bat, im Fall die beiden Gefandten, bie 
auf dem Wege nad) dem Hofe des Großkhans feien, fein 
Reich noch nit verlaffen hätten, ihnen die MWeifung zu 
geben, daß fie ſogleich zurüdfehrten. Diefe Briefe trafen 
fie {don in Armenien, und mit freubigfter Haft gehordjten 
fie der Aufforderung, noch einmal. nad) Acre zu eilen, für 
weldhen Zwed ihnen. der König eine alone gab und zu 
gleicher Zeit eigene Gefandte ſchickte, welche dem dhriftlichen 
Oberhaupte feine Gluͤckwuͤnſche überbrädten. 

Seine Heiligkeit empfing fie mit großer Auszeichnung, ber 
reitete ihnen ſchleunigſt päbftlicdye Briefe und gab ihnen zwei 
Möndye vom Predigerorven mit, die ſich zufällig zur Stelle 


funft die Nachtheile und das Aergernig einer folchen Verzögerung zn ver: 
meiden, wurde das Goncave (nach einem Prinzip, welches ver Herftellung 
der englifchen Jury's gleicht) errichtet. Von jener Wahl erzählt Muras 
tori ‘wie folgt (Annali d’Ital. an. 1271.): „Cie (alle Kardinaͤle des heis 
ligen Eolfegiums) festen am 2. Sept. ein Compromiß von ſechs Karbind- 
Ien ein, welche ohne Zeit zu verlieren Tedaldo oder Tebaldo aus dem ed⸗ 
len Haufe der Visconti aus Piacenza erwählten, der weder Karbiunf 
noch Biſchof, fondern nur Erzdiakon von Lüttich war, aber ein Mann von 
heiligen Eitten, der bamals in Accon fi) befand, wo er im Dieuſte ver 
Chriſtenheit wirkte. Diefe Wahl fchlen wunderbar, weil ihn nicht einmal 
einer der Kardinaͤle kannte, und dennoch willigten fie alle ein und waren 
froh darüber: fo gut fiel Die Wahl diefes würdigen Nachfolgers auf dem 
Stuhl Petri aus. Das heilige Kollegium ſchickte eine Geſandtſchaft nach 
Accon, um ihm feine Ernennung zu melden. Er nahm die Wahl au und 
nannte fih dann Gregorius X.“ Huch der Cod. Rice, fagt daſſelbe von 
Visconti von Piacenza (T. I. p. 4). 

. 18) Zu. biefer Zeit regierte Leo oder Livon III. in Kleinarmenien, defs 
fen Hauptſtadt Sis und vorzüglichfter Hafen Nias oder Aĩazzo war. Sein 
Bater, den wir Halton und die Arakifchen Schriftfleller Hatem nennen, 
hatte eine anfehnliche Rolle bei den letzten Umwaͤlzungen gefpielt; er hatte 
Hulagu vom Hofe Mangufhan’s nad) Berfien begleitet und in feinen Krie⸗ 
gen gegen die Mufelmänner unterſtuͤtzt. M. . 


44 


befanden, Männer von Kenntnig und Gelehrfamfeit fowohl, 
als tieferfahrene Theologen. Der eine hieß Fra Nicolo da 
Bicenza und der andere Fra Guielmo da Tripoli. Diefen 
gab er Freiheit und Ermächtigung, Priefter zu weihen, Bifchöfe 
zu ernennen und Abfolution zur ertheilen, als er es felbft 
thun konnte. Auch übergab er ihnen werthvolle Geſchenke 
und unter diefen verſchiedene ſchoͤne Kryſtallvaſen, die fie 
dem Großkhan in feinem Namen und mit feinem Eegen über: 
reichen folten. Sie nahmen Abſchied und richteten wiederum 
ihren. Weg nad dem Hafen von Giazza, wo fie landeten und 
weiter nach Armenien reiften. Hier erfuhren fie, daß ber 
Soldan von Babylonia 19), Namens Bundokdari 20), das Ar- 
menifche Land mit einem zahlreihen SHeere überfallen und 
in weiter Ausdehnung überwältigt und verwüftet habe. Dar- 
über erſchraken die beiden Mönde, und’ für ihr Leben fürd- 
tend, beſchloſſen fie nidyt weiter zu ziehen. Cie überlieferten den 
Venezianern die Briefe und Gefchenfe, die ihnen vom Pabſt 
anvertraut worden waren, begaben fid, felbft unter ven Schuß 


19) Babilonia und Bambellonia wurbe zur Zeit der Sultane und der 

Krenzzüge Kairo genannt. „Et haec mea sententia, ex Babylonia Ae- 
gypti comportantur: Cairum appellant.““ (Aloysi Cadam. nav. nov. orb. 
Grynaei p. 52.) 
A' Dieſer Sultan war Belbar mit dem Beinamen Bundokdari, Ma⸗ 
melukſultan von Aegypten, der den groͤßeren Theil von Syrien eroberte, 
ſchon (um 1266) in Armenien eingefallen war und die Staͤdte Sis und 
Alas gepluͤndert hatte. Im Jahr 1270 bemaͤchtigte er ſich Antiochiens, metzelte 
alle. chriſtlichen Einwohner theils nieder, theils machte er fie zu Gefange⸗ 
nen und zerftörte ihre Kirchen, die prächtigften und berühmteften im Often. 
Es muß um's Jahr 1273 geweſen fein, als unfere Reifenden nad) Arme: 
nien kamen, wo Beibar am 20. Zult einen Einfall in Kleinarmenien 
machte, Kinuf einnahm, vor Eis erfchien und Tarfus plünderte. Er zog 
noch einige Mal nad Armenien und war in äfterem Kampf mit dem 
Mongolifchen Fürften Abaka, der vom König von Armenien wie von den 
Syrern zu: Hilfe gerufen worden war. ine große Echlacht fiel nahe bei 
Hems oder Emefla im Jahr 1281 vor, welche mit der Niederlage des 
Mongolifchen Fuͤrſten Abaka und feines Allirten ‚ober Vaſallen des KB: 
nigs von Armenien endete. 


45 


des Meifterö der Tempelherren und Fehrten mit biefem fogleid 
zur Küfte zurüd. Nicole, Maffio und Marco aber gingen 
unerfchroden den Gefahren und Hinderniffen, an die fie fchon 
lange gewöhnt waren, entgegen, überfchritten Die Grenze von 
Armenien und. verfolgten ihre Reife weiter. Nachdem fie die 
MWüfte mehre Tagereifen weit durchwandert und manche ges 
fährliche Orte berührt hatten, kamen fie fo weit in einer Rich 
tung von Nordoft und Nord, daß fie endlich Nachricht über 
den Großkhan erhielten, der damald feine Reſidenz in einer 
großen und prächtigen Stadt, Namens Clesmen-fu21), hatte. ' 


21) Clemenfu, Clemensu (Cod. Puce. t. I. p. 6.) over noch rich: 
tiger Chemen-fu. Alle feine Kommentatoren haben biefe von Marco Polo 
fo bezeichnete Stadt nicht erkannt, weil fie von dem Wege abgeiwichen, 
ben er genommen bat. Man muß beachten, daß, nachdem er mit feinem 
Baier und feinem Oheim Armenien verlaffen hafte und ſich nach Nor⸗ 
den unb Norboiten wandte, er hörte, daß der Großfhan in Chemens 
fr reſidirte. Die allgemeine Richtung ihres Wegs war alfo nach 
Nord⸗Nord⸗Oſt, wobei man annehmen kann, daß die Neifenden nur fo 
viel von ihrem Wege abwichen,. ald bie Richtung ihrer Reife es vers 
Iangte. Nach dem altitalienifchen Text, den Balvelli Boni in bem er⸗ 
fien Bande mitiheilt, heißt es, dag als die Reifenden in biefe Stadt ges 
fommen feien, fie fi) in den Maeſtro Palagio, das heißt den Föniglichen 
Nefivenzvalaft, begeben Hätten. Die genannte Stadt ift biefelbe, welche 
Kublaitken im Jahr 1256 in der Tartarei erbauen ließ, daß fle feine 
Sommerrefivenz jet, 700 Li ober 70 Ital. Meilen von Peling; er gab 
ihr den Namen Keipimsfu und nachher noch den Titel Chamsin ober - 
kaiſerliche Hauptitadt. (Visdelou Suppl. a Herb. p. 9.) Als der Bater 
Gerbillon im Jahr 169% mit dem Kaiſer in die Tartarei reife, fah er 
nur die Ruinen diefer Stadt am Sluſſe gleiches Namens und jagt, daß 
bie Regenten ber Familie der Dven oder der Mongolen daſelbſt ihre 
Sommerrefivenz gehubt hätten. (Du Hald.t. IV. p.258). Unfere Behaups 
tung ift um fo begründeter, ald M. Polo felbft die Stadt auch unter dem 
Namen Ciandu oder Chantu aufführt (Cod. Ricc. t.I.p.59) ; wobei Hier, 
wie immer, zu beachten if, daß das Che, das Chan oder Tchen DOrientas 
liſche Worte find, die immer in Franzöfifcher Weiſe, als wenn fie im 
Stalienifchen Cie oder Cien oder Tchen, im Dentfchen Tfche oder Tfchen 
gefchrieben wären, ausgefprochen werben muͤſſen. M. Bolo erzählt, 
daß der Großlhan Kublai fie erbauen ließ, und giebt die. Beſchreibung 


48: 


wollte er erfunden, wie er fi in Gefhäftsangelegenheiten 
anließe, und fanbte ihn in einer wichtigen Staatsſache nad) 
einerStadt, Namens Karazan, die ſechs Monatreifen von der Fai- 
. .ferlihen Refivenz entfernt lag. Bei diefer Gelegenheit be- 
nahm ſich Marco mit folder Weisheit und Klugheit in Aus- 
führung der ihm anvertrauten Angelegenheiten,- daß er noch 
höher in ver Gnade des Kaifers flieg. Als er nun feihes 
Theild wahrnahm, daß der Großkhan viel Vergnügen bezeugte, 
feine Berichte zu hören über Alles was neu war in Bezug auf 
Sitten und Gebraͤuche des Volfes und über die befonveren Ver⸗ 
hältnifje entfernter Länder, beftrebte er fi, wohin er ging, 
genaue Nachricht uͤber diefe Gegenftände zu erlangen, und madıte 
ſich Bemerkungen über Alles, was er ſah und hörte, um ben 
Kaifer in feiner Wißbegierde zu befriedigen. Kurz, während 
der fiebenzehn Jahre, die er in feinen Dienjten zubradjte, zeigte 
er fih fo nüslid, daß er zu vertraulihen Mifftonen in jeden 
Theil des Reichs gefendet wurde. Zumeilen reifte er auch in 
feinen eigenen Angelegenheiten, aber immer mit der Zuftim- 
mung und Beftätigung des Großkhans. Unter jolden Um- 
ftänden gefhah es, daß Marco Polo Gelegenheit Hatte, fid 
durch ſich ſelbſt ſowohl als durch die Mittheilungen Anderer 
Kenntniß zu erwerben von ſo vielen Dingen der oͤſtlichen 
Theile der Welt, die bis zu ſeiner Zeit unbekannt waren, und 
die er fleißig und regelmaͤßig niederſchrieb, wie es ſich im 
Folgenden zeigen wird. | 


er während eines breijührigen Aufenthalts in Badakhſchan erlernen Fonnte; 
drittens das Tarlarifche oder Mongolifhe und viertens das Chineſiſche, 
wie ſchwer dieſes lebte auch dem Fremden geworben fein mag; daß er es 
aber verftand, geht aus feinem eigenen Zeugniß hervor; denn als er von 
den Einfimften von Quinſai redet, fagt er: „So wird auch von allen Er: 
zeugnifien des Landes, vom Vieh, von den Pflanzenprobuften des Bodens 
und der Seide, dem Kaiſer eine Abgabe gegeben. Ich, Marco Polo, bin 
dabei geweſen, als die Rechnung gemacht wurde, und hatte hans 
bie Einkünfte. feiner Majeſtaͤt kennen zu lernen ıc.” Er bekleidete felbft 
einen often beim Finanzweſen und hätte dem nicht vorſtehen Fönnen, 
wenn er nicht genaue Kenntniß von der Sprache gehabt hätte. 


49 


Unfere Benezianer hatten nun viele Jahre an dem Kai⸗ 
ferlichen Hofe gelebt, in diefer Zeit viele Reichthuͤmer ſich 
erworben in Juwelen von Werth und in Gold und fiihlten 
große Sehnſucht nad) ihrem Vaterlande; und obwohl fie_in 
großen Ehren von dem Khan gehalten wurden, war biefes 
Gefühl bei ihnen doch vorherrfhend. Zum feften Entfchluffe 
aber Famen fie, als fie bedachten, wie fehr der Khan im Alter 
vorgerüdt fei; fein Tod aber, wenn er ſich vor ihrer Abreife 
ereignen follte, würde fie des öffentlihen Beiftandes berauben, 
durch welden fie allein erwarten konnten, die unzähligen. 
Schwierigkeiten einer fo langen Reife zu überwinden und ihre 
Heimath in Sicherheit zu erreichen, während ſie bei feinen 
Lebzeiten und durch feine Gunft wohl mit Recht hoffen Fonns 
ten, fie auszuführen. Nicolo Polo nahm daher eines Tages 
die Gelegenheit, als er ihn mehr ald gewöhnlich freundlich) 
fand, fih ihm zu Füßen zu werfen und ihn für fih und 
. feine Sumilie zu bitten, daß Seine Majeftät ihnen in Gna⸗ 
den ihre Abreife geftatten möge. Aber weit entfernt, ſich die⸗ 
fem Geſuche geneigt zu zeigen, fehlen er unwillig darüber 
und frug, was für ein Grund fie zu dem Wunſche verleiten 
fonnte, fi) allen den Unbequemlichkeiten und Gefahren einer 
Reife auszufegen, bei welcher fie leichtlich ihr Leben verlieren 
fonnten. Wenn fie nady Gewinn ftrebten, fo follten fie es 
nur fagen, er wäre bereit, ihnen das Doppelte von Allem, 
was fie befäßen, zu geben und ihnen Ehren zu verleihen, fo 
viel fie deren nur wünfdhten; aber wegen ver Liebe, Die er 
zu ihnen hege, muͤſſe er ihre Bitte rund abfchlagen. 

Um dieſe Zeit gefhah ed, daß eine Königin, Namens 
Bolgara, die Gemahlin Argon’82*), des Könige von Ins 


3A) Argon, der Sohn Abafa’s und Enkel Hulagu’s, folgte feinem 
Oheim Admed⸗khan⸗Nikodar auf dem Throne von Berfien,. Khorafan und 
A 


50 


bien, ftarb, und als ihre lebte Bitte, Die fie auch in eis 
ner teftamentarifchen Schrift hinterließ, beſchwor fie ihren Ge: 
mahl, daß feine Andere ihre Stelle auf feinem. Throne und 
in feinen Neigungen einnehmen ſolle, die nicht von ihrer eis 
genen Familie abftamme, welche fi im Sande Katata 25), 
wo der Großkhan herrſche, befinde. Mit dem Wunfche, dieſer 
feierlichen Bitte nachzukommen, ſchickte Argon drei von feinen 
Edlen, zuverläfige Männer, deren Namen Ulatai, Apusca und 
Goza waren, mit. einer zahlreichen Begleitung als feine Ger 


anderer benachbarter Ränder im Jahr 1284. Der Tod feiner Gemahlin 
muß um's Sahr 1287 ftattgefunden haben, und er felbft ftarb 1291. ©. 
-Äber Argon oder Argon, wie ihn D’Ohofion fchreibt, dieſes „„Hist. des 
Mongols.“ IV. 1 u. 2. Da Verfien ver eigentliche Sik feiner Megierung 
war, warum wird er hier als König von Indien genannt? Marsven ftellt 
Die Frage auf, weiß ihr aber Feine rechte Entfcheidung zu geben, Baldelli 
gibt gar feine Deutung. Berfuchen wir's mit Furzen Worten. Indien 
galt als das reichfte und ſchoͤnſte Land der Welt, der Europäer verftand 
darunter den fihäßereichen, glanzvollen Orient, das nördliche Aften, ven 
prächtigeren Süden; bie Mongolen, bie ſich zu Herren der Welt machen 
wollten, ia fich fchon Herren der Welt duͤnkten, trachteten nad) dem Beſitz In⸗ 
diens; der König Perfiens, des ſuͤdlichſten Mongolifchen Reichs, das au 
Indien grenzte, in welches Afganiftan, das zu Indien gerechnet wurde, 
und bie nördlichen Länder Hindoſtan's bereits‘ gezogen maren, modhte fi 
gern den König des ganzen herrlichen Landes nennen und wurde als Kerr 
des Gebiets angefehen und bezeichnet, das er ficher glaubte noch zu gewinnen. 


25) Unter dem. allgemeinen Namen Kataia, Kathai ift nicht etwa 
ein befonderer Diftrift des nördlichen China, wie Marspen und andere 
Gefchichtichreiber aunehmen, ſondern das ferne Dftland, Hochafien, Chi: 
na zu verſtehen; ähnlich wie auch früher die fünlichen Länder Aſiens un: 
ter dem allgemeinen Namen Indien begriffen wurden, nut daß ſich Diefer 
bis in unfere Zeiten erhaften und feftgeftellt hat. Der Name Kathai ift 
nah Ritter von dem Mongolifch- Tungufifchen Volke der Kithan, Ki 
that (im. Plur, bei A. Remufat) abzuleiten, das fich noch vor der Mon: 
golenzeit, feit dem 10. Sahrhundert, auf dem Throne Nordchina's umd 
weſtwaͤrts in Tangut zu einer weitverbreiteten Macht im hohen Hinter: 
Afien erhob, die aber von den Abendländern flets mit der Chineftfchen, 
mit der fie durch die. Mongolen auch fpäterhin merklich. zufanmenfchmolz, 
perwechfelt und identificirt wurde, 

+ 


51 


fandten an den ‚großen Khan, und bat, daß’ er ihm eine 
Jungfrau zur Gemahlin geben "möge aus der Berwandt- 
haft feiner verftorbenen Königin. Ber Großkhan nahm fie. 
ſehr freundlih auf und: unter ver Leitung feiner Majeftät 
wurde eine junge Dame von fiebenzehn” Jahren erwählt, pie 
fehr ſchoͤn und wohlgebilvet war, mit Namen Kogatin, und 
die den Gefandten, als fie ihnen gezeigt wurde, außerordemt⸗ 
lich wohlgefiel. Als Alles zu ihrer Abreife bereitet und ein 
zahlreiches Gefolge beftellt war, der Fünftigen Gemahlin König 
Argon's zu Ehren, wurden fie vom Großfhan auf das Huld- 
vollfte entlaffen und begaben fid mit der Prinzeſſin auf dem⸗ 
felben Wege, den fie gefommen, zurid. Acht Monate waren 
fie gereift, da wurbe ihr weiterer Zug gehemmt und die Wege 
ihnen abgefhnitten durch neue Kriege, Die zwifchen den Tar⸗ 
tarifchen Fürften ausgebrochen waren 28). Gehr gegen ihre 
Neigung fahen fie fidy daher gezwungen, wieder in Die Re⸗ 
fivenz des Großkhans zurüdzufehren, dem fie erzählten, wie 
ed ihnen ergangen war. 

Gerade. zu der Zeit, als fie fich wieder einftellten, Fam 
Marco Polo zufällig von einer Reife, die er mit einigen 
Schiffen unter feinen Befehl nad) verfcdyiedenen Gegenden Oſt⸗ 
indiens gemacht hatte, zurüd und ftatiete dem Großfhan Bes 
richt ab über die Laͤnder, die er befucht hatte, wie über vie 
Umftänve feiner: eigenen Schifffahrt, weldye, wie er fagte, mit 
der größten Sicdjerheit ausgeführt worden war. Als dieſe letz⸗ 
tere. Bemerkung zu Ohren der drei Geſandten Fam, die fehr ber 
gierig waren, wieder in ihr Land zuruͤckzukehren, von dem fit 
run drei Sabre abweſend waren, ſuchten ſie ſogleich unſeren 


6) Biefe Kriege muͤſſen ums Jahr 1289 und wahrfcheinlich in dei 
Laude Moward 'lnahr oder Transoranien flattgefimden- haben; zwiſchen den - 
Nachkommen Dſchagataĩ's, deren Geſchichte befonvers dunkel iſt; aber, es 
iſt guter Sup vorhanden, bag, fie: (wie alle andern Mongolifchen Fürs 
hen). ſelten im Zuſtand der Ruhe waren. Unruhen ‚wurden aud), .näher 

n China, von einem jüngern Bruder Kublare erregt, der hmm das e Recht 
ber Kaiferſchaͤftl ſtrreitig zu mechen ſuchte. M. F 


52 


Benezianer zu einer Unterredung auf, deſſen eifriger Wunſch 
es gleihfall® war, feine Heimath wieder zu fehen, und es 
‚wurde zwiſchen ihnen beſchloſſen, daß Erftere, begleitet von 
ihrer jungen Königin, um eine Yubienz bei dem Großfhan nad 
ſuchen und ihm vorftellen follten, mit welcher Bequemlichkeit 
und Sicherheit fie ihre Rüdreife nad) dem Reiche ihres Herrn 
zur: See. beiverfftelligen Fönnten, wie aud) die. Eeereife mit 
weit weniger Koften und in viel fürzerer Zeit ansgeführt wer- 
den koͤnnte, nad) der Erfahrung Marco Polo’s, der vor Kur- 
zem nad) jenen Gegenden gefegelt ſei. Sollte fih Ce. Ma- 
jeftät geneigt zeigen, feine Zuftimmung zu geben, daß fte auf 
dieſe Art die Reife vornehmen Eönnten, fo follten fie in ihn 
dringen, ed zu geftatten, daß die drei Europäer, ald Perfo- 
nen, die wohlgeſchickt feien in der Schifffahrt, fie bis in die 
Länder König Argon's begleiteten. Als der Großkhan dieſes 
Geſuch hörte, zeigte er dur feine Mienen, daß es ihm ſehr 
mißfällig fei, weil er der Abreife der Venezianer abgeneigt 
war. Da er aber fühlte, daß er nicht umhin konnte, feine 
Zuftimmung zu geben, ſo wid er ihren Bitten. Hätte er 
fih nicht felbft durd die Wichtigkeit und Dringlichfeit dieſes 
ganz befonderen Falles dazu veranlaßt ‚gefehen, fo würden fie 
nie auf eine andere Weiſe feine Erlaubniß erhalten haben, 
fih aus feinem Dienste zuruͤckzuziehen. Er ſchickte jedoch nad) 
ihnen und redete fie init großer Freundlichkeit und Herablaf- 
fung an, indem er fie feiner Gewogenheit verfiherte und von 
ihnen das Verfprechen verlangte, daß, wenn fie einige Zeit 
- in Europa und bei ihrer Familie zugebracht, fie wieder ein 
mal zu ihm zurüdfehren follten. Darauf ließ er ihnen eine 
goldene Tafel zuftellen, auf welcher fein Befehl eingegraben 
war, daß ihnen freie and fihere Aufnahme in allen Theilen 
. feiner Staaten mit aller nöthigen Unterftügung für fie und 
ihre Begleiter zu gewähren fe. Auch gab er ihnen Voll 
macht, in der Eigenfhaft von Gefandten mit dem Pabft und 
den Königen von Frankreich und Spanien zu verhandeln. 
Zu gleider Zeit wurde Sorge getragen für. Die Aus- 


3 


ruͤſtung von vierzehn Schiffen, von denen jedes einen Mafl 
hatte und bis zu neum Segeln geführt werben konnte; Bau 
und Einrichtung derfelben würden eine Lange Beichreibung er- 
fordern, aber um alle Weitfchweifigfeit zu vermeiden, ſoll jet 
nicht die Rede davon fein. Inter diefen Schiffen waren we 
nigftens vier oder fünf, die mit 250 oder 260 Leuten ber 
mannt waren. Die Gefandten, weldye die Königin unter 
ihrem Schuge hatten, fhifften fih ein, zufammen mit Nicolo, 
Maffio und Marco Polo, nachdem diefe vorher Abſchied vom 
Großkhan genommen hatten, der fid mit vielen Nubinen und 
anderen Föftlichen Edelſteinen von großem Werthe befchenfte. 
Aud) gab er Befehl, daß die Schiffe mit Vorräthen auf zwei 
Jahre verforgt würden. 


5. 


Nachdem fie ungefähr drei Monate gefahren waren, Far 
men fie an eine Infel, die in ſuͤdlicher Richtung lag und 
Java genannt wird. Dieſe bot verfchiedene Gegenftände dar, 
die der Beachtung würdig find und von denen im Laufe des 
Werkes nod die Rede fein wird. Bon da fuhren fie weiter 
und brauchten achtzehn Monate in den Indiſchen Meeren, ehe 
fie im Stande waren, den Play ihrer Beitimmung in dem 
Lande König Argon's zu erreichen, und während dieſes Theild 
ihrer Reife hatten ſie ebenfalls Gelegenheit, viele Dinge zu 
beobachten, von denen gleichfalls ſpaͤter noch berichtet werben 
. fol. Aber bemerft muß hier werden, daß von dem Tage 
ihrer Abfahrt an bis zu dem ihrer Ankunft in Indien fie 
von den Schiffsleuten und Anderen, die mitfuhren, ungefähr 
600 Perſonen durch den Tod verloren, und von den Ger 
fandten überlebte nur einer, Namend Goza, die Reife, wäh- 
rend von allen Damen und Dienerinnen nur eine ftarb. 

Bei ihrer Landung erfuhren fie, daß König Argon einige 
Zeit zuvor gejtorben fei und daß die Regierung des Landes 


{} 


94 


für feinen Sohn, der noch fehr jung. war, von einem Statt- 
halter, Namens Kisafato 27), verwaltet wurde, An dieſen 
wandten fie fih, um Berhaltungsbefehle einzuholen in Bezug 
auf die Prinzeffin, die fie auf Gebot des letzten Königs hier- 
ber geführt hatten. Er gab ihnen zur Antwort, daß fie Die 
Dame Kafan 28), dem Sohne Argon’s, überliefern follten, 


277) Die Perfon, die hier Ki-akato genannt und als der Regent bes 
Landes im Namen des Sohnes »es letzten Königs bezeichnet wird, mar 
Kai⸗khatu, der zweite Sohn Abafa’s und folglich der. Bruder Argon’s, 
bei defiem Tode er fich der Herrfchaft, obgleich vielleicht nur ale Regent 
oder Vormund, zum Nachtheil feines Neffen, der damals noch unmündig 
war, beinächtigt haben fol. S. über ihn D'Ohſſon, der ihn Gaifhaton 
ſchreibt, Liv. VI. Ch. 3. 

28) Der Fürft, deffen Name hier Kaſan oder Caſan und von De 
Guignes Cazan geſchrieben wird, war Ghazan, der aͤlteſte Sohn Argon's. 
Er kam auf den Thron Perſiens erſt gegen das Ende bes Jahres 1295, 
faft fünf Jahre nach dem Tode feines Vaters, ver ihm feine Refidenz in 
Khorafan angewiefen hatte, und zwar unter der Vormundſchaft eines 
Atabeg oder Gouverneurs, Namens Nu⸗roz, von bem uͤberredet er nach 
malig den Mufelmänntfchen Glauben mit dem Namen Mahmud annahm. 
Es fcheint nicht, daß er In dieſer Provinz von feinem Oheim Kai⸗khatu 
beläftiget worden, und die Empfehlung, daß bie Prinzeffin ihm als ben 
Gtellyertreter feines Vaters zugeführt werben folle, zeigt, daß fie nicht 
in wirklicher thätlicher Beindfeligfeit begriffen waren. Das zeigt fich fer 
ner durch den Umfland, daß als nach der Ermordung Kat: fhatu’s bie 
Regierung in bie Hände Baidu's (eines Enfels Hulagu's in anderer Linie, 


_  d’Obsson VI. 4.) fiel und Ghazan mit einer Armee nach Rey mar: 


ſchirte, um fich feine erbſchaftlichen Anſpruͤche zu verfichern, fein erftes 
Berlangen darin beitand, ihm die Mörder feines Oheims auszuliefern. — 
Nah einem zweifelhaften Kampfe, der acht Monate lang dauerte, führte 
der Abfall feiner vorzüglichften Offiziere zur Vernichtung des Ufurpatord 
iind Ghazan beftieg den Thron Berfiens, ungefähr zwei Jahre nach der 
Ankunft der Prinzeffin, von der wetter keiner Erwähnung gefchieht. Dies 
fer Fürft Hat einen vortrefflichen Gefchichtfchreiber in feinem Vezir Ras 
ſchid gefunden, der feinen Charakter und feine Ihaten ausführlich ſchil⸗ 
dert und ihn als ein Muſter aller Negenten varftellt. Ghazan fchaffte bie 
zahllofen Mißbraͤuche ab, die fich unter feinen Vorgängern im Lande 
eingefchlichen, befreite das Volk von einer Menge von Laften und führte 
Orbüung und Regelmäßigfeit in alle Zweige der Verwaltung ein. Um . 


55 
ber damals in einer Gegend an den Grenzen Perfiens ſich 
befand, ‚die ihren Namen von dem Arbor secco (bürren Baum) 
hatte, wo eine Armee von 60,000 Mann verfammelt war; 
um gewiſſe Paͤſſe 29) gegen den Einfall des Feindes zu bei 
wachen. Das geihah nun. Sie aber fehrten nach der Re 
fivenz Ki⸗akato's zurüd, weil der Weg, ven fie nachher zu 
nehmen hatten, in diefer Richtung lag. Hier jedoch ruhten 
fie neun Monate lang aus. ALS fie Abſchied nahmen, gab 
er ihnen vier goldene Tafeln, von denen jede eine und eine 
halbe Eile lang und fünf Zoll breit war und drei ober vier 
Mark Gold wog. Darauf fand gefchrieben, daß In Kraft 
des ewigen Gottes der Name des großen Khand allezeit follte 
geehrt und gelobt werden und ein Jeder, der ungehorjfam 
hierin befunden würde, follte des Todes fein und feine Güter 
confiscirt werben. Darnadı ftand gefchrieben, daß tie drei 
Gefandten, als feine Stellvertreter, im ganzen Lande mit ſchul⸗ 
diger Ehre aufgenommen, ihnen alle Beduͤrfniſſe verabreicht und, 
das nöthige Geleit gegeben werben follten. Alles dieſes wurde 
vollfommen erfüllt, und von manchen Plaͤtzen wurden fie durch 
eine Wade von zweihundert Mann begleitet; auch wären fie 


ganz im Einne des Volkes zu handeln, welches feine Mongoltfchen Vor: 
fahren fich durch das Echwert unterworfen, nahm er Mahomets Glau⸗ 
ben an. &. D’Obsson, Histoire des Mongols liv. VI. Ch. 5—9. J 

29) Dies ſind die wichtigen Paͤſſe, die den Alten unter den Namen 
Portae und Pylae Caspiae oder Kaspifche Straßen (zu unterſcheiden von 
denen von Derbend ſowohl als von denen von Rudbar) bekannt waren und 
von öftlichen Geografen die Päfle von Khowar oder Khamwar, was Thal 
zwifchen zwei Bergen bebentet, oder nach einer Fleinen Stadt am öftlichen 
Eingang, welche denfelben Namen hat, genannt werden. In der Nähe 
dieſer Päfle Kegt das Land, welches Polo Arbor secco nennt, von wel: 
chem im 20. Kapitel noch befonders die Rede fein wird; er erwähnt es 
wiederholt, weil dort die Wege fich trennten, bie er nahm, als er nach 
China reife und von ba wieder zuruͤckkehrte. Man fehe darüber Rit: 
ter VIII. ©. 417—507, wo bie verfchledenen Routen, welche die neuern 
Reifenden zur Erforfehung diefer bis dahin wenig befuchten Gegenden ge: 
‚nominen haben, ausführlich bargelegt werben; und befonders fiber dieſen 
Khawarpaß S. 451. fi. 


56 


ohne dieſe nicht wohl fortgefommen, da die Regierung Ki- 
afato’8 nicht beliebt und das Volk geneigt war, Schimpf und 
Gewaltthätigfeit zu begehen, was zu verfuchen fie unter ber 
Regierung ihres eigenen Herrn nicht gewagt hätten30). Im 
Berfolg ihrer Reife erfuhren fie, daß der Großkhan (Kublai) 
aus dem Leben. geidjieven fei, wodurch ihnen alle Ausfiht 
ubgefchnitten wurde, dieſe Gegenden wieberzufehen. Endlich 
erreichten fie die Stadt Trebifond, von wo fie nad) Konftan- 


30) In diefem hier befchriebenen Verfahren finden wir den Beweis 
son dem allgemeinen Zweifel, den man hegte in Betreff von Kai⸗khatu's 
Necht auf den Thron, obwohl die Mongolifchen Großen diefes als ab: 
hängig von ihrer Mahl anfahen. Alle Gefchichtfchreiber ſtimmen darin 
überein, daß er ein lieberliches und ſchaͤndliches Leben geführt Habe, und 
jene Großen, überbrüffig, von einem fo verberbten Fürften regiert zu 
werden, ver eben fo gehaßt von feinen Unterthanen als verachtet von ben 
Fremden. wurde, befchloffen, ihn abzufegen, und trugen die Krone nicht 
Ghazan, den fie noch zu jung oder zu ſchwaͤchlich am Körper halten moch⸗ 
ten, fondern Baidu an, einem Enfel Hulagu's und Neffen des verftorbes 
nen Königs, der damals Statthalter in Bagdad war. Es Fam zu einer 
Schlacht, in welcher Kal-Ehatu, perfönlid tapfer, vorzüglich durch ben 
Abfall eines feiner erften Offiziere, der einen Flügel feines Heeres ber 
fehligte,, gefchlagen, gefangen genommen und gehangen wurde. Daß zwi: 
ſchen ihm und feinem Neffen Ghazan Fein feindlicher Geift herrfchte, if 
fhon oben angegeben worden. — Es tft ein merfwürbiger Umftand, daß 
eins von den Hauptmotiven, welches zu der Empörung der Mongolifihen 
Großen gegen jenen Fürften geführt Haben foll, war, daß er dem Bers 
fuch machte, in feinen Staaten Papiergeld, wie es in China gebräuchlich 
war, einzuführen. Hist, des Huns XVII. S. 267. Es iſt zu bes 
dauern, daß De Guignes vergefien hat, feine Duelle für dieſes eigen: 
thümliche Factum anzugeben; aber wenn es begründet ift, fo brauchen 
wir nicht zu zögern, ihm die Beſchwerden, die unfere Reifenden in Per: 
fien zu erdulven hatten, und ihren langen Aufenthalt in Tabris zuzufchreiben. 
S. 2. B. 18. R.über das vom Kaiſer in Pefing in Umlauf gefeßte Papiergeld. M. 

Die Einfuͤhrung des Papiergeldes in Perſien unter Kai-khatu's Regierung 
finden wir beftätigt bei D’Ohsson Hist. des Mong. IV. 100. ff, der die Ge⸗ 
ſchichtſchreiber Raſchid und Vaſſaf als Gewährsmänner anführt. Der Schatz 
bes verfchwenderifchen Königs war gänzlich erfchöpft und ein verberbter Menfch, 
Namens Dazud-bin Mozaffer, gab dem erften Vezir Kai-khatu's den unheils 
bringenden Rath, ſich durch Kreirung von Papiergeld aus der Noth zu ziehen. 


57 


tinopel gingen, dann nad) Negropont 31) und zulegt nadı Ve⸗ 
nedig, an welchem Orte fie friſch und gefund und mit gros 
fen Reichthuͤmern im Jahre 1295 32) anfamen. Bei diefer 
Gelegenheit brachten fie Gott, der fie aus fo viel Mühe und 
Arbeit und unzähligen Gefahren befreit und zum Ziele geführt 
hatte, ihren Danf dar. 

Die vorftehende Erzählung mag als ein einleitendes Ka⸗ 
pitel betrachtet werden, deſſen Zwed ift, den Leſer befannt 
zu machen mit den Gelegenheiten, Die Marco Polo hatte, feine Kennts 
niß zu erlangen von den Dingen, die er bejchreibt, währenn er 
ſich fo viele Jahre in den oͤſtlichen Theilen der Welt aufgehalten. 


31) Der geradefte Meg von Tabris (ale welche die Reſidenz Kai⸗ 
khatu's anzunehmen) wäre durch Bedlis in Kurdiſtan nach Aleppo gegans 
gen;:aber zu diefer Zeit hatten die Eultane won Aegypten, mit bemen 
die Könige von Perfien in fortwährenden Kriegen waren, alle Sechäfen 
von © yrien in Befig genommen und würden wenig Achtung vor ben Paͤſſen 
unferer Reifenden gehabt haben. Auf dem Wege von Georgien nad 
Trebifond am fehwarzen Meere war ihre Landreife fürzer und ficherer, 
da fie ſich an dieſem Platz unter dem Schutz des chriitlichen Fuͤrſten bes 
fanden, deſſen Familie mit über das kleine unabhängige Koͤnigreich Tres 
bifond von 1204 His 1462 herrichte, wo es vom Ottomaniſchen Reich 
verfchlungen wurde; und von dort nach Konftantinopel, Negropont oder 
Eubda and zulegt nach Venedig mögen fie zur Eee wahrfcheinlih auf 
Schiffen ihrer Landslente gefahren fein. M. 

323) Polo erzählt, er habe drei Monate gebraucht, von feiner Eins 
ſchiffung zu Zeitun an gerechnet, um nach Eumatra zu gelangen. Dort, 
fagt er, babe er fid fünf Monate aufgehalten, des üblen Wetters wes 
gen (DB. III. ©. 13.) Um von Eumatra nad) DOrmus zu gelangen, habe 
er eine Fahrt von achtzehn Monaten gebraucht. In Tabris angelangt, 
reifte er nach Arbor fecco, um die Braut Argon’s zu begleiten, und brachte 
9 Monate in Tabris zu feiner Erholung zu. Auf dieſe Art legt er 
Rechenſchaft von 35 Monaten ab, welche er zu biefer Reife verwendete. 
Penn man hierzu die Zeit rechnet, die er brauchte, um von Ormus 
nach Tabrie- ſich zu begeben und von Tabris nach Venedig zurücdzufehren, 
muß die Zeit feiner Reife von China in das Vaterland auf ungefähr 32 
Jahr berechnet werben. Diefes beftätigt feine Abreife aus jenem Reiche, 

welche in das Jahr 1292 fällt; fo daß er im Dienfte des Großkhan 17 
Jahr war und 26 Jahr in den Morgenlaͤndern. B. B. 


8 


Zweites Kapitel. 


Von Kleinarmenien, von dem Hafen Giazza und den Grenzen biefer 
Provinz. 


Beim Beginn der Befchreibung der Länder, welche Marco 
Polo in Aſien beſuchte, und der der Beachtung wuͤrdigen Dinge, 
die er darin geſehen, iſt es noͤthig zu bemerken, daß wir zwei 
Armenien unterſcheiden, Groß⸗ und Kleinarmenien 33). 

Der Koͤnig Kleinarmeniens wohnt in einer Stadt, Se 
baftos 3%) genannt, und hält gut-Regiment und Gerechtigleit. 

33) Diefe Unterfcheidung Armeniens in Groß: und Kleinarmenlen 
ſtimmt mit dem uͤberein, was wir bei Ptolemaͤus und den Geografen des 
Mittelalters finden, obgleich andere Eintheilungen ſtattgefunden haben, ſeit⸗ 
dem dieſer Theil Aſiens dem Ottomaniſchen Reiche unterworfen iſt. Nach 
Buͤſching begreift Kleinarmenien den Theil Kappadokien's und Kilikien's, 
welcher längs der Weſtſeite Großarmeniens und ebenſo von der weſtlichen 
Seite des Cufrat liegt. Daß es in den Tagen Haiton's ſuͤdlich von Tau⸗ 
rus ſich ausbreitete und Cilicia (campestris) umſchloß, was in aͤlteren Zei⸗ 
ten nicht der Fall war, dafuͤr haben wir die unabweisbare Autorität dieſes Ge⸗ 
ſchichtſchreibers, ber fowohl die Thaten feines Großyaters und Vaters, welche 
Könige des Landes waren, erzählt, ale feine eigenen Beweggründe, bie Thron: 
folge auezufchlagen, angiebt. Sn feinem Bericht über die Theile und Gren- 
zen Syriens fagt er: „Gegen Morgen grenzt es an Mefopoiamien, ges 
gen Mitternacht an Kleinarmenien und zum Theil an das Türkifche Reich.“ 
Sein Urfprung als befonderes Königreich wird von De Guignes kurz fo be: 
fchrieben: „Unter ver Regierung Alexis’ Comnenus wußte ſich ein Armeni: 
feher Großer, Namens Kaghic, aus dem berühmten Haufe der Pakratiden, bes 
Königreichs Kleinarmenien zu bemächtigen. Er nahm ven Titel König an und 
eroberte Kilifien mit einem Theil von Kappadokien. Bon ihm flammen bie 
Könige Kleinarmeniens ab, die im zwölften (und breizehnten) Jahrhundert 
regirten. Ihre Hauptſtadt war Sis.“ Hist. gen. des Huns, VII, 432. — M. 
Polo durchreifte Kleinarmenien, um nach China zu fommen, und Großarmes 
uien bei der Rückkehr, als er von Tabris nach Trebifond ſich begab, um bort 
ſich einzufchiffen. 

34) Sid war nach den oben angegebenen wie nach anderen Autoriti⸗ 
ten die Hauptſtadt Kleinarmeniens waͤhrend der Regierung der Leo's und 
Haiton's, und ſo glauben wir, daß das hier erwaͤhnte Sebaſtos der alte 
Name dieſer Kapitale iſt, oder einer Stadt, die dieſelbe Lage hatte. Aus 


6 


"Das Land hat viele Städte, Feſtungen und Schlöffer, und es mans 
gelt nichts, was dem Menſchen zur Nahrung und Bequemlid;keit 
nöthig ift. Wildpret an Vögeln 35) und vierfüßigen Thieren iſt 
genug da. Bemerft muß aber werben, daß die Luft des Landes nicht 
befonders gefund ift. In früheren Zeiten wurden feine Bewohner 
als gar tapfere und erfahrene Kriegsleute eradjtet, aber gegenwaͤr⸗ 
tig jind fie weibifh und weichlich und lieben Eſſen und Trinfen, 
Müffiggang und Lleppigfeit. An der Seefüfte liegt eine Stadt, 
Namens Giazza, ein bedeutender Handelsplag. Ihr Hafen 
wird von vielen Kaufleuten aus mandyerlei Ländern befucht, 
auch aus Venedig und Genua, die Gewürze und Epegereien, 
Seiden⸗ und Wollenwaaren, fammt anderen koͤſtlichen Dingen 
einhandeln, und wer in das Innere der Levante 36) ziehen 
will, muß gewöhnlic, zuerft in diefen Hafen Giazza Eommen. 
Die Grenzen des Landes nad) Mittag find das Land der Bers 
heißung, welches jegt die Earazenen inne haben, nadı Mitter- 
nacht Karamanien, weldyes von den Turfomanen bewohnt wird, 
gegen Nordoſten Tiegen die Städte Kaiſariah, Sevafta und viele 


ber Geografie des Ptolemäus geht hervor, bag es mehre Etäbte in Asia 
minor gab mit dem Namen Sebaſtia, Sebaſte und Sebaftopolis (außer 
einer in Syrien), und in feiner Aufzählung der Städte Kilikiens finden 
wir ein Eebafte, dem in ber lateinifchen Ueberſetzung das Beiwort „au- 
gusta‘“ gegeben if. Auf den Grund biefer Stadt mag Leo I. (nad 
welchem das Land von den Arabern. Belad Leon fomohl, als Belad Sis 
genannt wird,) gebaut haben und der griechifche Name noch vorherrſchend 
geweſen ſein. M. 

35) Unſer Autor uͤbergeht im Laufe ſeiner Beſchreibungen keine Ver⸗ 
anlaſſung zu Bemerkungen über Jagdvergnuͤgungen, namentlich die Fal⸗ 
kenbeitze. Die Jagd war zu feiner Zeit ein Gegenſtand ernſterer Bes 
fhäftigung für Leute von Rang, als fie es in neueren Zeiten geworden, 
und von den Mongolifchen Fürften, in deren Dienften er auferzogen, wurbe 
fie als eine Beichäftigung, die in ihrer Wichtigkeit nur dem Kriegexnach- 
ftaud, betrachtet. — M. 

36) Levante ift eine Ueberfeßung bes Wortes Anatolia oder Anaboli, 
von Griechtfchen dvaroan, welches das Land öftlich von Griechenland bes - 
deutet. Unfer Autor wendet es. an auf Kleinaflen; .in weiterer Auodeh⸗ 
nung wuͤrde es der Orient ſein. 


60 


andere, die den Tartaren unterworfen find, und gegen Wer’ 
fien wird e8 vom Meere befpült, darauf man gegen bie 


Ehriftenheit fährt. 


Dritted Kapitel. 


Bon dem Lande Turfomanta, wo die Etädte Kogni, Kaiſanah und Se: 
vafta find, und von dem Handel derfelben. 


Die Einwohner Turkomania's 37) find in. drei Klaffen zu 
ſcheiden. Die Turfomanen, bie Mahomet verehren und fei- 


37) Unter Turkomonia verſtehen wir gewoͤhnlich die Befitzungen der 
großen Seldſchuken⸗Dynaſtie in Kleinaſien, die ſich von Kilikien und Pam⸗ 
phylien im Suͤden nach den Kuͤſten des ſchwarzen Meeres und von Piſi⸗ 
dia und Myfia im Weſten nach den Grenzen Kleinarmeniens erſtreckte 
und den größeren Theil von Phrygien und Kappadokien mit Pontus und 
vorzüglich die jebigen Provinzen Karamania und Rumiyah oder das Land 
Ram umfaßte. Bon dem eritgenannten war die Hauptſtadt Scontum, wel: 
ches von den Orientalifhen Echrififtellern in Kuniyah und von denen der 
Kreuzzüge in Kogni verborben worden; vom legtern Sebafte oder Sebaſto⸗ 
polis, verborben in Eiwas. „Das Reich Turguia, fagt Hatten, der von 
dem Lande fpricht, welches unfer Autor Turkomania nennt, tft fehr groß. 
Es grenzt nach Morgen an Großarmenien und zum Theil an das Königs 
reich Georgien; nach Abend zu breitet es fih bis zum Staat (Lam) 
Natolien aus, welches oberhalb des Griechifchen Meeres liegt; nach Mit: 
ternacht zu hat es Feine Grenze mit einem Lande, fondern erſtreckt fi 
längs der Küften des fchwarzen Meeres Hin; nad Mitiag grenzt es 
theils an Kleinarmenien, theils an Kilikien, theils ſtreckt es fi am Grie⸗ 
hifchen Meere hin, der Infel Eypern gegenüber.‘ Hist. orient. cap. XIII. 
„Die Seldſchuken, fagt Pottinger, nenne ich Turfomanen in Weberein: 
ſtimmung mit ven Landesfchriftftellern, die ich zu Rathe gezogen habe.” 

Der Fürft, von welchem die Dynaftie der Selvfchufen ihren Etamm 
herleitete, war von Geburt ein Turfomane aus Turkiſtan auf der norböfts 
lichen Eeite des Fluſſes Eihon oder Jaxartes, aber: im Dienft eines Für: 
ſten von Khozar an der Molga, von wo er floh und fein Gläd in Trans; 
“oranien verfolgte; wie einige feiner Bamilie in Khorazan thaten. Eie fa: 
men zu großem Ruhme und waren enplich im Stande, mit Hilfe zahlreis 


61. 

nem Geſetze folgen, find ein rohes Volf und aller Bildung 
baar. Sie wohnen in den Bergen und in ſchwer zugäng- 
lichen Plaͤtzen, wo fie gute Weide für ihr Vieh finden, von 
dem allein fie leben. Es giebt hier eine ganz vortrefflide 
Zucht von Pferden, welche Turki genannt, und ſchoͤne Maul⸗ 
eſel, die zu hohen Preiſen verkauft werden 28). Die anderen 
Klaſſen ſind Griechen und Armenier, die in Staͤdten und feſten 
Plaͤtzen wohnen und von Handel und Gewerbe leben. Die 
beſten und ſchoͤnſten Teppiche werden hier gewirkt und Sei⸗ 
denſtoffe von Karmoiſin und anderen reichen Farben. Zu den 
vornehmſten Staͤdten gehoͤren Kogni, Kaiſariah und Sevaſta, 
in welcher letzteren St. Blaſius die glorreiche Krone des Maͤr⸗ 
tyrerthums errang. Sie ſind alle dem großen Khan unter⸗ 
worfen, dem Kaiſer der orientaliſchen Tartaren, welcher ihnen 
Statthalter ſetzt29). — Wir werden jetzt von Großarmenien reden. 
cher Turkomanenſtaͤmme, bie ſich unter ihrer Fahne vereinigten, ein Reich 
zu gründen, befien Herrfcherfig in Perfien war. in anderer Zweig ents 
riß um’s Jahr 1080 die fchönen Provinzen Kleinaſiens ven Griechiichen 
Katfern und bildete das Königreich, von welchem wir eben ſprechen. Durch 
biefes Land erzwangen bie chriftlichen Zürften zu wiederholten Malen ihs 
zen Weg bei ihren erften Zügen nad) dem gelobten Lande, und bie Ges 
ſchichtſchreiber haben berechnet, daß nicht weniger als 600,000 Mann in 
dieſem vorläufigen Kriegszug umfamen. Zuletzt wich die Macht der Selds 
ſchuken dem überwältigenden Einfluß des Hanfes Dichingisfhan’s und war 
zur Zeit unferes Autors zur DBeveutungslofigfeit herabgeſunken; aber ans 
ihren Ruinen erhob ih das Reich der Ditomanen, befien Gruͤnder {m 
Dienſte eines der letzten Sultane von Iconium gewefen war. M. 

38) Bis auf den heutigen Tag haben ſich bie Hirtengemohufeiten der 
Turkomaniſchen Tartaren erhalten und auch die Unterfcheidung ihrer Stäms 
me befieht no. Die Turfipferdegucht wird noch im ganzen Orient als 
beſonders kühn und kraͤftig geachtet. M. 

39) Die Familie Hnulagu's und bie Stämme, bie feiner Fahne folgs 
ten, werben von unferem Autor immer mit dem Namen Orientalifche Tars 
taren bezeichnet, um fie von den Nachkommen Batu's zu unterſcheiden, bie 
fih an der Wolga auf der nordweſtlichen Seite des Kaspiſchen Meeres 
niederließen und ihre Groberungen nach Guropa ausbehnten, während jene 
flich von Transoranien und Khorafan in Perfien einprangen. M. 





62 


Viertes Kapttel. 


Bon Großurmenten, in welchem bie Stäpfe Arzingan, Argiron und Darziz 
Ikegen; vom Schloffe Paipurth; von dem Berge, wo bie Arche Noäh 
fiehen blieb; von ven Grenzen des Landes und von einer merfwärbigen 
’ Delguelle. 


Großarmenien ift eine ausgedehnte Provinz ‚on derem 
Eingange die Stadt Arzingan *0) liegt, wo ſich eine Manufaktur 
von feinem Baumwollentuch befindet, welches Bombazin ge⸗ 
nannt wird 21), wie noch eine Menge anderer merkwuͤrdiger 


- 40) Arzingan, die damalige Haupiſtadt Großarmeniens, welche zu 
gleicher Zeit als eine merkwuͤrdige Fabrikſtadt ſich zeigt, heißt noch heute 
Erzingan und liegt in wildromantiſcher Natur, in ſehr fruchtbarer Umge⸗ 
bung, etwa 20 geogr. Meilen in S. W. von der heutigen Kapitale Ar⸗ 
meniens, von Erzerum, entfernt, abwaͤrts vom Kara Su, oder dem großen 
MWeil-Eufratarme. Eriza oder Erez bei ven Armeniern, Arzengan bei den Pets 
ſern, bei den Arabern, denen das & fehlt, Arzendjan, war eine fehr alte und 
berühmte Stadt In den vorchriftlichen Zeiten, durch viele heidniſche Tempel, 
bie fie im erften Jahrhundert durch König Tigranes II: erhalten hatte. 
Später, im vierten Jahrhundert, wurden aber eben hier dieſe Tempel der Ana⸗ 
hid durch St. Gregorius Illuminator geftürzt und die Gegend: durch biefen 
großen Apoftel, deſſen Grab hier bepilgert wird, die klaſſiſche Mitte Ar 
meniens, der Biſchofofitz, der erft fpäter von da in das jüngere Erzerum 
yerlegt warb, - Unter der Herrfchaft der Selvfchufen und der Mongolen in 
Berfien, welche im Jahr 1242 vie Etabt erobert hatten, zu deren Zeit 
Marco Polo fie. fah, war fie fehr aufgebluͤht und voll Induſtrie und Hans 
del. Von deu. warmen Bädern dafelbft iR uns von feinem nemeren Bes 
obachter Bericht gegeben und wir vermuthen falt, daß fie M. Polo mit 
denen zu Elija nahe Erzerum verwechſelt hat; biefe Stadt ft wiederholt 
durch Erdbeben ſehr zerſtoͤrt worden. Der engliſche Conſul J. Brant, 
der Erzingan im Jahr 1835 beſucht hat, giebt Ihr 3000 Haͤuſer und meiſt 
Zärfifche Bewohner, Jparunter aber 800 Armeniſcht Jamilien. Ritters 
GErdkunde, X, 270. 

41) Schr fchöne Banumwollenzeuge, - Bucherame nah Il Mill., ober 
Bocassini di-Bombagio nach TI: Ramuf.; dieſe Bombaffins find die beſten, 
die es giebt. Die Ausgabe von Kotgrave, Im Jahr 1611 gedruckt, ers 
Härt, Boccafin fei eine Art feiner Buckerams oder Steifleinwand, die Aehn⸗ 
Tichfeit mit Tafft habe und viel als Waͤſche gebrandht werde, auch Calli⸗ 


63 


Fabriken, die aufzuzählen.zu weitläufig fein würde. Es giebt 
bier die fehonften warmen Duellen und vie heilfamften Baͤ—⸗ 
ber, Die nur zu finden ſind. Ceine Einwohner find großens 
theil8 Armenier, aber unter der Herrfhaft der Tartaren. In 
diefem Lande giebt es viele Städte, aber Arzingan-ift die vor 
züglichfte und der Eiß eines Erzbifhofs. Die wichtigften nach 
ihr find Argiron und Darziz 82). Im Sommer kommt 
ein Theil des Heeres der üftlihen Tartaren in das Land mit 
ihrem Vieh wegen der guten Weide, die hier iſt, aber beim 
Herannahen des Winters ziehen fie hinweg, weil der Schnee 
dann fo hoch faͤllt, daß die Pferde keine Nahrung finden wür- 
den. . Darum ziehen die Iartaren wegen ber Wärme mit 
ihrem Vieh mittagwärts. Es ift allda ein Schloß, das Pai- 
purth*8) heißt, an welchem man voruͤber muß, wenn man von 


mancoſtoff. Das Vocabulario della Crusca ſpricht von buckerame bian- 
chissima und buckeramo bombagino. 

43) Argiron, ber verberbte Name des heutigen Arzerum, Erzerum, richti⸗ 
ger nach Araber-Benennung Arzen er rum, d. i. Stadt Arzen der Römer, 
weil fie die letzte den Byzantinern bort zugehörige Stadt Armeniend war, 
im Gegenfab einer andern benachbarten Stadt Arzen, wetter äftlich, bie 
ein reiches Emporium der Syro-Armenier war, welche aber fchon im Jahr 
1049 n. Ehr. G. von den Selvfchufiden zerflört ward und in Ruinen lies 
gen blieb. Ihre Bewohner fiebelten ſich nun nad) der Roͤmiſchen Stadt 
Arzen .über, bie bis dahin nur ein Kriegsplatz geweſen war, ſeitdem aber 
durch Bevölkerung und Reichthum fih hob. Ihr aͤlteſter einhetmifcher 
Name Garin, in derfelben Provinz, die auch bei den Armeniern Garin 
hieß, wurde erft zu Anfang des 5. Jahrhunderts durch ben Bau einer Fer 
ftung an ihrer Etelle verdrängt, welche die Hanptfeftung Armeniens wurbe 
und ben Namen Theodoſiopolis erhielt; diefen Namen behielt fie als chriſt⸗ 
liche Byzantinifche Stadt viele Jahrhunderte Hindurch, bis derſelbe im 11. 
Jahrhundert durch die Arabifche Benennung verdrängt ward, defien Ver: 
fummlung M. Polo bei den Perſern vorfand, der auch bis heute in Er; 
zerum ber. allgemein verbreitete geblieben ift. ©. Ritter X. ©. 270-275 
— Die unter dem verflümmelten Namen Darziz aufgeführte Stadt IR. feine 
andere als Arfifia, die heutige Arbiish am Van: See. 

43) Dies iſt das alte, fchon vom Kaiſer Juſtinian anf einem Imyo- 
fanten hohen Felſen erbaute Kaftell Baeberdon . das Paipert ober Papert 
ver älteften Armenier, bei den Arabern und Türken Baiburth und Bals 


64 


Trebifond nach Tauris reift, und es befindet fih eine reiche 
Eilbermine darin. In dem mittleren Theile Armeniend bes 
findet fi ein fehr großer und hoher Berg, auf weldyem, wie 
man fagt, die Arche Noaͤh nad der Suͤndfluth ſtehen geblie- 
ben ift**). An feinem Fuße kann man ihn in nidyt weniger 
als in zwei Tageh umgehen. Hinauffteigen kann man nicht 
wegen des Schnees, der oben liegt und nie fchmilzt, fondern 
nah jedem Schneefall nod) zunimmt. In der nieveren Ges 
gend jedoch, nad) der Ebene zu, wird der Boden durch das 


buth genannt, im N. M. von Erzerum, am Djorofh- oder Tſhuruk⸗Fluß, 
der feinen Lauf von diefem Orte gegen N. O. über Ispera (Hispiratis) 
zum fchwarzen Meere nimmt. Dicht bei der Stadt Baiburt ift Feine 
Eilbergrube befannt, wohl aber liegen in nur geringer Entfernung von 
der Stadt, un dem Wege nach Erzerum, Kupfergruben, Chalvar, die aber 
nicht gemeint fein Eönnen. Die ganze Umgegend ſcheint reih an Metall: 
abern zu fein. Es find zwar Eilbergruben hier, nur liegen fie etwas ent- 
fernt von der Stadt, bie eine in N. O. im Thale des Tfhuruf, gegen 
Ispera hin, das 18 Stunden Wegs entfernt liegt, etwa auf halbem Wege 
dahin, in der Nähe des Armenifchen Kloftere Sip Ovanes, bie jedoch heut 
zu Tage nicht mehr bebaut werben und wenig befannt find. Die ande 
.ren liegen auf der entgegengefepten Seite, im N. W. von Baiburt, 
im Thale des Fluſſes Gumiskhana, 14 Stunden ferner und haben’ dem 
Fluſſe felbft ven Namen gegeben, denn die Bergwerfsftant, welche anf 
bein Granitrücen des Gumish Dagh (Silberbergs) aufgebaut iſt, heißt 
Gumishkhana, d.h. „Eilberhaus.” Offenbar find es diefe, welche der Bes 
nezianer meint, denn fie find feit langen Jahren bearbeitet, ſie gelten 
trotz ihrer fchlechten Bearbeitung noch immer für die reichften Silbergru⸗ 
ben, ja für die hohe Schule des Grubenbaues und Süttenwefene für ganz 
Kleinafien und das Türfifche Reich. R. 

j 44) Dies tft nicht der Syrifche, fondern ber Armenifche Ararat, ber 
Mafis der einheimifchen Armenier, dem dieſe, als fie mit ver heiligen 
Schrift befannt wurden, für den Ararat der Mofaifchen Urkunde anfahen, 
der bei ihnen auch ven Namen Agherh⸗ oder Dagher:vagh erhielt. Daß 
dieſes richtiger Arghi dagh oder Arghitagh, wie im Dihihannuma bei 
den Türken, heigen müffe, hat v. Hammer bemerkt, da diefer Name felbft 
"auf den Namen Arsa in der Eeptuaginta, und auf die darnach benannte 
Arche der deutſchen Bibel hinweiſt, was durch M. Polo's Angabe eine 
intereſſante Beſtaͤtigung sit Siehe über ihn ausführlich Ritter X. 
356 ff. 


65 


Schmelzen des Schnees fruchtbarer gemacht, und es befteht 
ein fo üppiges Pflanzenleben, daß alles Vieh, welches aus 
den benachbarten Gegenden dahin zufammengetrieben wird, das 
teihfte Futter findet. An Armenien nad Suͤdweſten grenzen 
die Länder Moful und Marebin, die nachher befchrieben wers 
ben follen, und viele andere, die zu zahlreich find, als daß 
man ausführlid, darüber reden Fonnte. Nach Mitternacht zu 
liegt Zorzania *5); dort findet man an der Grenze einen gro- 
Ben Brunnen mit Del, daß man viele Kameele damit belas 
den kann. Nicht zur Speife braucht man dieſes Del, ſondern 
als eine Salbe zur Heilung von Hautkrankheiten an Mens 
fhen und Vieh, fo wie für andere Uebel; auch fann man 
ed gut zum Brennen benugen. In der benadhbarten Gegend 
wird Fein anderes für die Lampen gebraudt, und die Leute 
fommen weit her, es fidy zu holen. 


·— mn. — — 


Fuͤnftes Kapitel. 


Von dem Lande Zorzania und ſeinen Grenzen; von dem Paß, wo Alexan⸗ 
der das eiſerne Thor errichtete, und von den Wundern einer Quelle 
bei Tiflis. 


In Zorzania wird der König. gewöhnlid) David Melik 
genannt, was in unferer Spradye David der König bedeutet. 
Ein Theil des Landes ift den Tartaren unterworfen, und ber 
andere Theil ift, in Folge der Kraft feiner Feſtungen, im 
Befig feiner eingeborenen Fürften geblieben. Es liegt zwiſchen 
zwei Meeren, von denen das eine nad) der Nord- (Weft-) 


45) Unter Zorzania ift hier das Königreich Georgien zu verftchen, 
das an Armenien grenzt und Tiflis zur Hauptftadt bat. Das z anflatt 
des weichen g gehört dem alten Venezianiſchen Dialekt, in welchem das 
Driginal unferes Werkes gefchrieben fein muß, und die Orthografie hat 
fi) in den Lateinifchen wie in ven gewöhnlichen Italienifchen Neberfeguns 
gen erhalten. So finden wir in den Gloſſarien zampa für gamba, mas 
zor für maggior und zoia für gieie. M. s 


7— 


Seite das große Meer (Euxinus) und das andere auf der 
Oſtſeite der See Abaku (Kaspiſches Meer) 26) genannt wird. 
Das Letztere hat 2800 Meilen im Umfange und die‘ Beſchaffen⸗ 
heit eines Sees, denn es fteht mit feinem anderen Meere in 
Verbindung. Es hat verſchiedene Infeln mit ſchoͤnen Stäbten 
und Schloͤſſern. Einige von ihnen werden von einem Volke 


. bewohnt, welches vor dem großen Tartarenfhan, als er das 


Koͤnigreich oder das Land vermüftete, floh und Schutz auf bie 
fen Inſeln oder in der Wildniß der Gebirge ſuchte *27); an- 
dere von den Inſeln find unbewohnt. Das Kaspiſche Meer 
hat an der Mündung der Fluͤſſe Ueberfluß an Fiſchen, vor 
zuͤglich an Stoͤren und Lachſen 28). In diefem Lande find 


836) Das Kaepiſche Meer wird gewoͤhnlich von den Orientaliſchen 
Schriftſtellern der Eee von Khozar, und von ven Perſiſchen der See 
Baku genannt, und unter diefem Namen ericheint es auf ber Karte in 


- der Venezianiſchen Ausgabe des Ptolemäus von 1562. Es leitet feine 
- Benennung von der berühmten Hafenftadt Bafı an der ſuͤdweſtlichen Küfte 


her. In der Nähe tft ein Berg, welcher ſchwarzes fehr übel riechendes 
Del auswirft; diefer fchwefliche harzige Stoff heißt Steinöl. Man braucht 
folches in den Lampen während ber Nacht, auch um bie Kamele einzu: 
falbett, um fie vor dem Nändigwerben zu ſchuͤtzen. Herodot fpricht von 


- dem Kaspifchen Meere fat mit denſelben Worten wie Polo. S. Bürd, 


Allg. Gefch. der Reifen. Br. I. ©. 191. 
27) Dies bezieht fich auf die Eroberung umd Verwuͤſtung Perſiens 


durch die Armee Dſchingiskhans Im Jahr 1221. Die Inſeln, auf welchen 


es nicht unwahrſcheinlich ift, daß eine Anzahl unglüdlicher Bewohner 
ihte Buflucht gefucht haben, find gegenwärtig unbewohnt ober werden 
nur von Fifchern befucht. 

48) Die Fischerei auf dem Kaspifchen Meere und vorzüglich an den 
Muͤndungen ver Wolga iſt zu allen Seiten fehr wichtig gemwefen. „Unter 
ven außerordentlich mannigfaltigen Fifchen, die in Ueberzahl in biefem 
Fluſſe ſich finden“, fagt P. H. Bruce, „iR der Stör feiner der unbeden⸗ 
tenbften,, deſſen Eier das geben, mas bie Rufien Ikari nnd wir Caviar 
nennen. - Der Beluga oder weiße Fiſch muß ebenfalls erwähnt werben; 


‚ man findet ihn fechs engl. Ellen lang und im Berhältniß did. Außer 


diefen liefert’ der Fluß auch Ofotrin, eine andere fehr große Fiſchgattung, 
bie ſehr fett und ſchmackhaft if: Die Wolga iſt anch reich an Lachs, 
Strelitz, ein gar koͤſtlicher Fiſch, und einer Menge anderer Arten, bie 


67 


alfe Wälder vol Buchsbaͤume 39%), Man Hat mir gefagt, 
daß in alten Zeiten die Könige des Landes mit dem Zei⸗ 
hen eines Adlers auf der rechten Schulter geboren wor: 
ven wären. Die Bewohner find wöhlgebilvet, fühne Schiffer, 
ausgezeichnete Bogenfhügen und tapfere Kämpfer im ver 
Schlacht. Cie find Chriften, die fih nach der Weife der 
Griehifhen Kirche halten, und tragen ihr Haar furz, nad 
Art Der weitlihen Geiftlihen. Dies iſt daffelbe Land, in 
welches Alerander der Große nordwaͤrts vorbringen wollte, 
aber nicht weit kommen konnte wegen der Enge und Schwie- 
tigfeit eines gewifien Paſſes, der auf der einen Eeite vom 
Meere befpült und auf der anderen von hohen Bergen und- 
Waͤldern in der Länge von vier (Italienifhen) Meilen begrenzt 
wird, fo daß wenige Leute im Stande wären, ihn gegen die 
ganze Welt zu vertheivigen. Als Alerander dem Großen der 
Verſuch mißlungen, ließ er eine große Mauer am Eingange 
des Paſſes aufführen und befeftigte fie mit Thuͤrmen, um die, 
welche jenfeitd wohnten, abzuhalten, ihm Schaden zuzufügen. 
Megen feiner amßerorbentlihen Yeftigfeit hat der Paß ven 
Namen. des eifernen Thored erhalten, und es heißt gewoͤhn⸗ 
ih, daß Alerander die Tartaren zwiihen zwei Berge einge- 
ſchloſſen habe 80). Es iſt jedoch nit richtig, dieſes Wolf 


zu weitlaͤnfig zu erwaͤhnen.“ Memoirs. S. 236. Strahlenberg erwähnt 
auch den Beluga als ben größten eßbaren Fiſch in der Melt und fagt, 
er habe einen von fechs und funfzig Fuß Länge und achtzehn Fuß Ui: 
fang gefehen. ©. 337. 

49) Bon neuern NReifenden wird der Buchsbaum wohl unter den Ve—⸗ 
getabilienerzeugniffen des Landes aufgezählt, jeboch ohne weitere Bemer: 
fung, daß er vor allen anderen Baumarten fo vorherrfchend fei; von Am⸗ 
brogio Cantareno jedoch, der Im funfzehnten Jahrhundert reifte, wird er 
mehr und befonders hervorgehoben. „Era in detta pianura“, fagt er, als 
er von Mingrelien fpricht, „di molti arbori ın modo maggiori. “ 
S. 65, 12m. 

50) Dies iR der berühmte Paß zwiſchen dem Kaukaſus und dem 
Kaspiſchen Meer, wo die kleine aber feſte Stadt Derbend liegt, die von 
ven Arabern Bab⸗al⸗abuab, das Thor der Thore, 8 den Tuͤrken 

* 


68 


Tartaren zu nennen, denn Das waren fie in jenen Ta— 
gen nicht, fondern Kumani mit einer Miſchung von anderen 
Nazionen 81). Viele Staͤdte und Schloͤſſer giebt es in die⸗ 


Demir ⸗capi, das eiſerne Thor, und . von den Berfern Derbend, ber 
große Damm, genannt wird und zwijchen Georgien und der Landſchaft 
Schirwan liegt. „Die Eingebornen find gewöhnlich der Meinung,” fagt P- 
H. Bruce, „daß die Stadt Derbent von Alerander dem Großen erbaut 
worden und daß die lange Mauer, die bis zum Eurinus reichte, auf fel- 
nen Befehl erbaut wurde, um Berfien vor den Einfällen der Ekythen 
zu bewahren.” Memoirs. S. 284. Die Mauer foll von Nezdegerd II 
aus der Saffanivendynaftie, ver um die Mitte des 5. Sahrhunderts herrfchte, 
erbaut und dann von Nushirwan aus derfelben Familie, der 529 farb, 
wieber hergeftellt worden fei. Safferdin fagt, daß fie 300 Ellen (cubiti) 
Höhe hatte und von Nushirwan erbaut worden fei. Timurlenk zerflörte 
fie. Siehe -Bayer’s Dissertatio- de muro Caucaso; Commentar. Pe- 
trop. I. 245. und Rennell’s Geography of Herodotus, illustrated. ©. 112. 

51) Unfere Kenntnig über das Volk der Comani tft Im Allgemeinen 
noch dunfel und unbeſtimmt. Es fcheint jedoch, daß fie Im dreizehnten 
Jahrhundert die Bewohner der Länder waren, bie an ber? norbiweftlichen 
Seite des Kaspifchen Meeres liegen und ſich von det Molga zum ſchwar⸗ 
zen Meere ausbreiten, welche nachmalig von den Kaptſak Tartaren un: 
terjocht und vertrieben wurden. „Die Kumanen, fagt Gibbon, waren. eine 
Tartarifche oder Turfomanifche Horde, welche im 11. und 12, Jahrhundert 
. an ben Grenzen der Moldau lagerte. Der größere Theil derſelben wa: 
ren Heiden, nur wenige Muhamelaner und die ganze Horbe wurde von 
König Ludwig von Ungarn (im Jahre 1370) zum Chriftentyum befehrt.“ 
Decline and Fall of the Roman Empire VI. 185. Anmerk. — Nach Taver: 
nier wurde Kumania im DOften vom Kafpifchen Meere begrenzt, im We: 
fien von den Bergen, die von Eircaffien kommen, noͤrdlich von Rußland 
und fühlih Yon Georgien. Aber Gartwright fagt in den Preacher’s 
Travels: „Das Land Armenien hat zu feinen Außerften Grenzen im Norden 
Colchos, Iberia und Albania, die jebt von den Tartaren Comania gertannt 
werben; und in Haiton, des Armeniers Gefchichte, find Cumani und Cir⸗ 
eaffter eins.’ Unfer Autor fpricht augenfcheinlich von ihnen als von dem 
- Volke, welches unmittelbar im Norden an dem Pafle von Derbend wohnte, 
wo auf unfern Karten die Lesgi flehen. Die Dunkelheit jedoch, welche 
die über diefes Volk gegebenen Berichte einhüllt, wird einigermaßen durch 
eine Stelle in ven „Gesta dei.per Frrancos‘ yon Bongarsius aufgeklärt, 
welche zeigt, daß der Name Comani nichts anders ift als eine Zufammen- 
ziehung aus Turcomani, eine. Benennung, die uns befannter ifl. Seine 


69 


“ 


fem Lande; was zum Leben gehört, findet fid im Leberfluffe 
da; es wird viel Seide Dort erzeugt und: werben bafelbft‘ feis 
dene Stoffe mit eingewobenem Golde verfertigt. Man findet 
hier auch Geier von außerordentliher Größe und zwar von 
einer Gattung, die man Avtgi nennt. Die Einwohner ges 
winnen im Allgemeinen ihren Lebensunterhalt durch Handel 
und. Handarbeit. Die gebirgige Befchaffenheit des Landes mit 
feinen engen und feften Paßwegen hat die Tartaren verhins 
dert, die vollfommene Eroberung deſſelben zumege zu bringen. 
Bei einem Möndflofter, das dem Heiligen Leonhard gewidmet 
ift, follen folgende wunderbare Dinge flattfinden. ° In einem 
Ealzwafferfee, der vier Tagereifen im Umfange hat und an deſſen 
Ufer die Kirche liegt, erjcheinen die Fiſche nicht eher als am 
erften Frühlingstage, und von diefer Zeit bis zum Ofterabend 
werden fie in ungeheurer Menge gefunden; aber von Oftern 
an werden fie nicht mehr gefehen und auch nidt. während 
der ganzen übrigen Zeit des Jahres. Er heißt ver Eee Ger 
lufhalat52). In den vorher erwähnten See Abafu, der von 





Worte find: Ab his autem septentrionalibus Saracenis, qui Comani 
nuncupantur, principium et originem, hi qui Turcomani dicuntur, et 
in terra Turcorum inhabitant, traxisse creduntur, _Unde nomine com- 
posito a Turcis et Comanis appellantur Turcomani. De Turcis si- 
quidem ex antiquis Orientalium historiis certum habemus, quod ex se- 
ptentrionali regione exeuntes, Persarum fines ingressi, non solum 
regionem illam, sed universas fere orientales provincias armata manu 
occapaverunt vielenter. T. II. p. 1061. In biefer Befchreibung ers 
fennen wir die Dynafien der Turkomaniſchen Tartaren, bie unter dem 
Namen Selvfchufen befannt find, deren eine Iran oder Berflen unterjochte, 
während eine andere (die fchon in Note 37 befprochen worden) ben größs 
ten Theil Kleinaſtens beſaß. Les Turcs, jagt De Gnignes mit Beziehung auf 
das Vorhergehende, que Zonare appelle Hongres, et Credene Huns, 
ont poss&d6 tous: les pays qui sont depuis la Syrie jusqu'à Kaschgar. 
T.I. p. Ml. Ihre Bedeutſamkeit erlofch gegen die Mitte des zwölften 
Jahrhunderts, aber die Bevölkerung beftand fange in den Gegenden an 
deu nördlichen Küften des Raspifchen Meeres. E. Balvelli II. Not. 63. 
. 592) Diefer Eee (Lago di Geluchalat) ift der weftlihe See in Ars 
menien (nicht zu verwechfeln mit dem oͤſtlichen in Atropatene oder Urmia) 


70 


Bergen eingefchloffen ift, fallen die großen Slüffe Herdil 3), 
Gihon, Kur und Aras mit noch vielen anderen. Die Ge 
nuejishen Kaufleute haben neuerdings angefangen ihn zu be 
fdiffen, und holen von dorther eine Art Seidenzeug, das 
Ghellie 54) genannt wird... Es liegt eine‘ fhone Stadt in 


und heißt bei Strabo der Mantiane, bei Ptolemäns ver Arfene (Arsissa), 
in der ſpaͤtern Zeit der Ardjiſchſee, jebt der Banfee. „Auch große 
Seen giebt es in Armenia,‘ jagt Strabo; „einer heißt Mantiaue ober Kyas 
neane, das iſt der meerblaue: er foll nach dem Palus Maeotis ver größte 
ver falzigen Seen fein; er reiht bis an Atropatia und Hat auch Ealz 
werke.“ Den Namen Gelufhalat des M. Polo hat der See wohl von der 
an feinem Nordoſten gelegenen Stadt Khelat, die von ben Armentern 
Ghelath, von den Arabern und Türken auch Challath, Akhlath, Achlath 
genannt wurde und unter den Seldſchukidiſchen Prinzen blühte; Schach⸗ 
Arman, König von Armenien, machte fie um 1100 zur Refivenz; jegt liegt 
fle in Ruinen, doch ift nicht fern von ihr eine neue Stadt Akhlath auf: 
gebaut. Den neuern Namen Banfee hat er von der am Sübufer gele: 
genen Etadt Ban, die gegen zehn bis_zwölftaufend Häufer haben fol, 
mit etwa vierzigtaufenn Ginwohnern. Ritter bezeichnet die beiden Alpen: 
feen (Bans und Urmiafee) ald Hauptformen und Zentralfike der Kultur 
in Aderbivjan. Neuerdings erft ift der Vanſee viel bejucht worben, nas 
mentlid von Jaubert und Schulz; .doch Hat ihn am genaueften der Eng: 
liſche Generafconful J. Braut in Erzerum im Sahr 1838 unterſucht, 
der eine vollfländige Aufnahme deſſelben verauftaltete. Siehe Ritter IX. 
S. 763, 784, 8. N. Seite 972—1009 und X. 286-335. 

. 58) Bon ben Arabern und ben Türken wird der Molga ber Name 
Etel gegeben, ver hier in Herdil forrumpirt if. Diefer Flug kommt nad 
Son Haufal aus den Ländern Ruß und Aylger, und im, der Jahreszeit, 
wenn feine Waſſer ſich gefammelt haben, foll ex größer fein als der Fluß 
Gihon oder Jihun, und er flrömt fo mächtig, daß feine Fluthen das Kas⸗ 
piſche Meer zu erobern fcheinen. . Die Namen Jihun oder Orus, Kur 
F Cyrus und Aras oder Arares beduͤrfen keiner beſondern Bemer⸗ 
ung. M. 

64) Da das Land Chilan (aud al. Ghil genaant) am Kaspiſchen 
Meere wegen feines Seidenhandels beruͤhmt iſt, koͤnnen wir Tann zweifeln, 
daß das Wort ghellie oder ghilli ein Name war, der ebenfo dem Stoffe 
beigelegt wurde, wie Florentin, eine Art Seide, feine Beneunung von 
Slorenz haben foll. Die rothe Seide von Ghilan wird von Niebuhr er: 
waͤhnt, und Elphinſtoue, der vom Handel Kabubs mit Perſien redet, ſagt: 


71 


dieſem Lande, welche Tiflis genannt wird, um welche Vorſtaͤdte 
und viele befeſtigte Plaͤtze ſind 55). Sie wird von Armeni⸗ 
ſchen und Georgiſchen Chriſten, wie auch von einigen Maho⸗ 
metanern und Juden bewohnt; doch iſt die Anzahl der Letz⸗ 
teren nicht groß. Es werden daſelbſt Seidenzeuge und viele 
andere Stoffe verfertigt. Die Einwohner find dem großen Koͤ⸗ 
nige der Tartaren unterthan.: Obgleich wir nur von wenigen 
ver Hauptftäbte fprecdhen, muß man dod willen, daß noch viele 
andere. da find, die einzeln zu erwähnen unnöthig iſt, wenn 
fe nicht irgend merkwürdige Dinge enthalten; follte fih eine 
Gelegenheit dazu zeigen, fo follen dieſe nachher noch befchries: 
ben werden. — Nachdem wir jegt von den Ländern, die gegen 
Nitternacht an Armenien grenzen, , geredet haben, wol⸗ 
In wir nun Die beſprechen, die gegen Mittag und Morgen 
legen. | 


a 


— —— — — — — 


Sechstes Kapitel. 


Von der Landſchaft Moſul und ihren verfähledenen Bewohnern; Yon dem 
Bolfe der Kurden. und non dem Handel biefes Landes. 


Moful 86) ift ein Land, das von verſchiedenem Volke bes 
wohnt wird; eine Klaſſe veffelben verehret Mahomet und wirb 





„Die Einfuhren nad Ghelann und Refht find Seide und feivene EStofie; 
bie zu Yezd und Kaſhaun gefertigt werden. — M. Siehe Bitter über 
Ghilan VIM. 425433, - | 

55) Unferes Autors Weg von Tabris nach Trebi ſond führte ihn nicht 
nach dieſer Stabi, bie jetzt zu befannt ift, als. daß wir noch eine Erklaͤ⸗ 
eung geben follten; und es it daher Grund anzunehmen, daß er das We⸗ 
ige, was er fagt, nach den Berichten Anderer giebt. - 

56) Die Stadt Moful, oder nach der Arabifchen Aussprache Mauſil, 
| früher die Hauptſtadt Mefopotamien’s und jet des Tuͤrkiſchen Pafchalike, 
das ihren Ramen trägt,’ ſteht auf dem rechten oder weftlichen Ufer bes 
Zigris, der Enge des alten Minive gegenüber, mit dem fie burch eine 
Schifbrüde verbunden if. Eie wird von Abulfeda und allen morgenlaͤn⸗ 
diſchen Geograſen als. eine ber ausgezeichnetſten Etäpte der. Mahometa⸗ 


70 


Bergen eingefchloffen iſt, fallen die großen Fluͤſſe Herdil 53), 
Gihon, Kur und Aras mit noch vielen anderen, Die Ge 
nuejifhen Kaufleute haben neuerdings angefangen ihn zu be 
fhiffen, und holen von dorther eine Art Seivenzeug, das 
Ghellie 54) genannt wird... Es liegt eine“ fhone Stadt in 





— — 


und heißt bei Strabo der Mantiane, bei Ptolemaͤus ver Arfene (Arsissa), 
in der fpätern Beit ber Ardjiſchſee, jeßt der Banfee. „Auch große 
Seen giebt es in Armenia,” fagt Strabo; „einer heißt Mantiane oder Kya⸗ 
neane, das iſt der meerblaue: er foll nach dem Palus Maeotis der größte 
ver falzigen Seen fein; er reiht bis an Atropatia und hat auch Salz⸗ 
werke.” Den Namen Gelukhalat des M. Polo hat der See wohl von der 
an feinem Norboften gelegenen Stadt Khelat, die von ben Armentern 
Ghelath, von den Arabern und Türken auch Challath, Afhlath, Achlath 
genannt wurde und unter den Seldſchukidiſchen Prinzen bluͤhte; Schach⸗ 
Arman, König von Armenien, machte fie um 1100 zur Reſidenz; jegt Tiegt 
fie in Ruinen, doch iſt nicht fern von ihr eine neue Stadt Akhlath auf: 
gebant. Den neuern Namen Banfee hat er von der am Suͤdufer gele: 
genen Stabt Ban, bie gegen zehn bis zwölftaufend Häufer haben foll, 
mit etwa vierzigtaufend Ginwohnern. Ritter bezeichnet die beiden Alpen: 
feen (Van- und Urmiafee) als Hauptformen und Zentraffige der Kultur 
in Aderbivjan. Neuerdings erft ift der Vanſee viel beſucht worden, nas 
mentlih von Saubert und Echulz; doch hat ihn am genauefien der Eng: 
liſche Generalconſul 3. Brant in Erzerum im Jahr 1838 unterſucht, 
ber eine vollftändige Aufnahme deſſelben verauſtaltete. Siehe Ritter IX. 
S. 763, 784, 8. N. Seite 972—1009 und X. 28633. 
.. 53) Bon den Arabern und den Türken wird der Wolga ber Name 
Gtel gegeben, der Hier in Herdil forrumpirt if. Diefer Fluß kommt nach 
Son Haufal aus ven: Ländern Ruß und Bulgar, und ie, der Juhreszeit, 
wenn feine Waſſer ſich gefammelt haben, foll ex größer fein als der Fluß 
Gihon oder Jihun, und er firömt fo mächtig, daß feine Fluthen das Kass 
pifche Meer zu erobern feheinen. ‚Die Namen Jihun oder Orus, Kur 
ober Cyrus und Aras oder Araxes bebürfen. Eeiner beſondern Bemer⸗ 
kung. M. W 

64) Da dag Sand. Ghilan lauch al⸗Ghil genannt) am Kaspiſchen 
Meere wegen ſeines Seidenhandels beruͤhmt iſt, koͤnnen wir fan zweifels, 
daß das Wort. ghellie oder ghilli ein Name war, der. ebenfo dem Stoffe 
beigelegt wurde, wie Florentin, eine Art Seide, feine Benennung von 
Slorenz haben fol. Die rothe Seide von Ghilan wird von Niebuhr er⸗ 
waͤhnt, und Elphinſtoue, der vom Handel Kabubs mit Perſien redet; ſagt: 


71 


dieſem Lande, welche Tiflis genannt wird, um welche Vorſtaͤdte 
und viele befeſtigte Plaͤtze ſind 55). Cie wird von Armeni⸗ 
jhen und Georgiſchen Ehriften, wie aud von einigen Maho- 
metanern und Juden bewohnt; doch ift die Anzahl ver Letz⸗ 
teren nicht groß. Es werden dafelbft Seidenzeuge und viele, 
andere Stoffe verfertigt. Die Einwohner find dem großen Kös 
nige der Tartaren unterthan. Obgleich wir nur von wenigen 
der Hauptftäbte fpreden, muß man doch wiſſen, daß noch viele _ 
andere da find, die einzeln zu erwähnen unnöthig iſt, wenn 
fie nicht irgend merfwürdige Dinge enthalten; follte ſich eine 
Gelegenheit dazu zeigen, fo follen diefe nachher noch befdyries: 
ben werden. — Nachdem wir jegt von den Ländern, Die gegen 
Mitternadt an Armenien grenzen, geredet haben, wol: 
len wir nun die beſprechen, die gegen Mittag und Morgen 
liegen. | 


a 


— — 


Sechstes Kapitel. 


Von der Landſchaft Moſul und ihren verſchiedenen Bewohnern; von dem 
Volke der Kurden und von dem Handel dieſes Landes. 


Moſul 86) iſt ein Land, das von verſchiedenem Volke bes 
wohnt wird; eine Klaſſe deffelben verehret Mahomet und wird 


ö— — — l 
„Die Einfuhren nach Ghelann und Reſht find Seide und ſelvene Stoffe, 
bie zu Dezb und Kaſhaun gefertigt werden.“ — M. Siehe Bitter über 
Ghilan VIN. 425433. | 
55) Unferes Autors Weg von Tabris nad) Trebiſond führte ihn wicht 

nach diefer ‚Stadt, bie jetzt zu befannt ift, als daß wir moch eine Erklaͤ⸗ 
rung geben ſollten; und es iſt daher Grund anzunehmen, daß er das We⸗ 
nige, was er ſagt, nach den Berichten Anderer giebt. 

. 56) Die Stabt Moſul, oder sach der Arabiſchen Ausſprache Mauſil, 
- früher die Hauptſtadt Mefopotamien’s und jetzt des Tuͤrkiſchen Pafchalite, 
das ihren Namen trägt, fleht auf dem.rechten oder weftlichen Ufer des 
Tigris, der Lage des alten Ninive gegemwüber, mit dem fie durch eine 
Schiffbrüdte verbunden if. Eie wird von Abulfeda unb allen morgenlän: 
difchen Geografen als. eine der ausgezeichnetſten Staͤdte der Mahomela; 


72 


Araber genannt. Die Anderen befennen fid) zum chriſtlichen 
Glauben, aber nicht nad) ven Gejepen der Roͤmiſchen Kirche, 
von der fie in vielen Dingen abweidyen, und werben Neſto⸗ 
rianer, Sacobiten und Armenier genannt. Cie haben einen 
Batriarhen, ven fie Jacolit nennen, und von ihm werden Erz 
biſchoͤfe, Bilhöfe und Aebte geweiht und nad, allen Gegen- 
den Indiens, nad) Cairo, Bagdad und allen Blägen geſchickt, 
die von Chriften bewohnt werden, gerade fo wie von dem 
Pabſte ver Römifchen Kirche 57). Alle die Zeuge von Gold 
und Seide, die wir Muflelin nennen, werden in Moful ge 
fertigt, und alle die großen Kaufleute, Moſſulini genannt 58), 


niichen Herrfchaft befchrieftn. In Niebuhr's Reife in Arabien Th. I. 
&. 289 wird der Lefer eine befriedigende Schilderung ihres neueren Zu⸗ 
flandes finden. Obgleich unfer Autor fie eine Provinz nennt, mag er fie 
doch wohl eher als eine Stadt befchrieben haben; der Diſtrikt ſelbſt wird 
von den Arabern Tiyar Mauftl fowohl als. Diyar al-Jezirah genannt. 

57) Diefe verfchievenen Eeften beitehen noch, wie dies ſchon im 
13. Jahrhundert und weit fräher ver Fall war und auch noch bis hente 
in Moful den gefpaltenen Zuftand der chriftlichen Kirche sharafierijirt, ber 
dem Benezianer zu feiner Zeit fchon fehr aufgefallen zu fein jcheint, im 
nördlichen Kurbiftan, am Zab, Tigris und Eufrat fort. Als Dupre (1809) 
Moful befuchte, rechnete mau anf feine 50,000 Einwohner 2500 Syrifch- 
katholiſche Chriften, 2600 Zafobiten, 5000 Neftorianer, 750 Juden; vie 
übrigen Bewohner waren Türken, Kurven, Araber; Armenier Ieben hier 
nicht, die doch in den meiften Stäpten jener Landfchaften einzeln ange: 
fiebelt find. 

58) Diefe Benennung ver. Kaufleute, weldye die Häfen der Levante 
in jener Zeit für Benezianer, Genuejen, Pifaner x. mit den Waaren des 
Drients verforgten, waren allerdings Moslemen, Musliman, Mufelmän- 
ner, daß fie aber alle ans Moſul fiammten, ift kanm glaublich, umd hierin 
wahrfcheinlich eine Verwechslung in der Benennung berfelben bei M. Bolo 
vorgegangen. Die Zabrifate aus feiner,. burchfichtiger, weiter Baums 
wolle, wie die noch jeht in Indien gefertigten Zeuge diefes Namens, 
und wie. die Bombaffins, die in der Fabrik zw Arzingan gemacht wurden, 
haben in den folgenden Jahrhunderten ven Ramen ver Muſſeline erhalten, 
nicht aber jene ſeidenen, mit Bold durchwirkien Brofate, die ihren Namen, 
ale Pruukſtoffe, Baldachini, von Baldak, d. i. Bagdad, erhielten und viel- 
leigt auch in Moful zu jener Zeit gearbeitet, die Veranlafſung zu einer 


13 


welche Gewürze und Spezereien in großer Menge von einem 
Lande zum anderen führen, fommen aus diefer Gegend. In 
den gebirgigen Theilen dafelbft wohnt ein Völferftamm, vie 
Kurden heißen, von denen einige Ehriften, der Neſtorianiſchen 
und Jacobiten⸗Secte, und andere Mahometaner find. Eie find 
alle geſetzloſe Banditen, deren Beſchaͤftigung ift, die Kaufleute 
zu berauben. Neben diefer Landſchaft liegen noch andere, 
Mus und Maredin genannt, wo Baumwolle in großer Menge 
erzeugt wird, aus welcher Tücher, Boccaffini genannt, und 
viele andere Fabrifate bereitet werden 59). Die Einwohner 
find Fabrifanten und Kaufleute und alle dem Könige der Tar⸗ 
taren unterthban. — Wir werden nun von der Etabt Baldady 
reden. 


irrigen Auslegung des Namens Muffeline gegeben haben. Es müßte denn 
fein, daß auch diefer Name ven Golobrofaten als Moſul⸗Waare beigelegt 
ward. R. 

59) So viel fehen wir wohl, daß damals mehr Induftrie und Ver⸗ 
fehr der Einheimifchen in diefen Provinzen des Orient ftattfand, als heut 
zu Tage, wo der Handel fat unr durch das Ausland angeregt wird unb 
ſelbſt Moful eine eigenen Fabriken mehr von Muffelinen oder anderen 
Zeugen aufzuweifen hat, nur noch etwas Faͤrberei und Druderei für bie 
aus Basra eingeführten Zeuge. Aber das Heutige Moſul nimmt auch 
nur etwa ein Drittheil der Größe der ehemaligen Stadt ein, die überall 
mit Trümmern umgeben if. In Muſh iſt aber gegeumärtig weder Ma⸗ 
aufaftur noch Handel von Bebentung, und obwohl viel trefflicher Wein⸗ 
bau dafelbft betrieben wird, fo fcheint doch Feine Epur mehr von Baum; 
wolleufultur dort vorhanden zu fein. Von Mardin aber ruͤhmt Niebuhr 
(1766) noch die dafigen guten Fabrifen von Leinwand und Baumwollen⸗ 
zeugen, und ©. N. Oliver, der treffliche Naturforfcher, der fünf Tage in 
Marbin verweilte, beftätigt auch die gute Baumwollenfultur auf dem fehr 
fruchtbaren Gebiete der Stadt Marbin, fowie die Zabrifazion guter und 
vieler Baummollenzeuge in der. Stadt und den umliegenden Dörfern, welche 
ven Markt von Aleppo damit verfehen. Doch ift der Handel fehr gering. 
Auch damals fchon, zu M. Bolo’s Zeit, wie heute, war bie Gegend um 
Moiul fortwährend bedroht durch bie wilden Etämme der Kurden (Eurdi) 
aus den nahen Kurdiftan’s Bergen, da fie als Raubhorden die Handels: 
faravanen uͤberfielen. R. 


76 


gefaßt und durchſtochen. Das Mahometaniſche Geſetz wird 
hier regelrecht ftudirt, wie aud Magie, Fyſik, Aftronomie, 
Geomanzie und Fyfiognomie 6%). Cie ift die vornehmfte und 
ausgedehntefte Stadt, die in diefem Theile der Welt gefun- 
den wird. 


Acqhtes Kapitel. 


Handelt von der Gefarigennehmung und dem Tode des Khalifen von Bal: 
dach und dem Wunder, wie ein Berg von einem Orte an den andern 
verfetzt worden iſt. oo. 


Der obenerwähnte Khalif, ber die größten Schaͤtze zufam- 
mengehäuft hatte, als je ein anderer Fürft befeflen, Fam elen- 
diglihh um und zwar auf folgende Weife. Zu ber Zeit, als 
die Tartariſchen Fürften anfingen ihre Herrſchaft ausjubreiten, 
waren unter ihnen vier Brüder, von denen’ der aͤlteſte Mangu 
hieß und in dem koͤniglichen Sige der Familie regierte. Nad; 
dem fie das Land Kataia und andere Diftrifte in jener Ge 
gend unterworfen hatten, gelüftete e8 ihnen nad) weiteren Ber 
figungen; fie faßten ven Gedanken an ein großes allgemeines 
Reich und nahmen ſich vor, die Welt unter ſich zu theilen. 
Zu dem Zwede kamen fie dahin überein, daß einer von ihnen 
nad Often vorrüden, ein anderer feine Eroͤberungen gegen 
Süden wachen und die beiden anderen ihre Groberungen ‚auf 


64) Beriimt für die Miffenfchaften war Bagdad einft der Eis ber 
Arabifchen Weisheit. Aber die vorgeblichen Künfte, von denen Polo res 
det, gehörten zur falfchen Wahrſagekunſt. Die ſchwarze Kunft (negro- 
manzia) war bie Wahrfagung durch Todte, die Fyſik koͤnnte Naturwiſſen⸗ 
fchaft fein, was aber die Aftronomie betrifft, fo glaube: ich nicht, baß er 
die Wiſſenſchaft darunter verfteht, welche die Ordnung des Himmels und 
ven Lauf der Geftirne lehrt, fondern das (vorgebliche) Studium, aus den 
Himmelskoͤrpern das Schickſal zu erfahren. Die Geomanzie war bie 
Kunſt, das Schickſal aus den irbifchen Körpern zu erfragen. Die Fyſio⸗ 
gnomie iſt die Kunft, bie Natur des Menfchen aus den Geſichtszuͤgen zu 
lefen, ein Studium, welches in unferen Tagen Mode geworben ifl. B. B. 


75 


Güter in das Indifche Meer und von demfelben her führen 61). 
Die Entfernung wird auf fiebenzehn Tagfahrten angegeben, 
wegen der Windungen feines Laufed. Die, weldye die Reife 
unternehmen, kommen, wenn fie den Fluß verlafien haben, an 
einen Platz, Namens Kifi 82), von wo fie in das Meer fah⸗ 
ren; aber bevor fie in die Eee ftehen, fommen fie an einer 
Stadt, Namend Balfara 63), vorbei, in deren Nachbarſchaft 
Haine von Palmbäumen find, welche die beften Datteln ver 
Welt tragen. In Baldach wird Seidenzeug mit Gold ges 
wirft und aud) Damaft, wie Sammt, welder mit verfdiedes 
nen Ihierfiguren verziert if. Saft alle Perlen, welche von 
Indien nad) Europa gebracht werben, werden an diefem Platze 


61) Diefer Fluß ift der Tigris, von den Arabern Dyleh genannt, 
der in den Eufrat fällt, wo dann bie beiden vereinten Fläffe den Namen 
Schat⸗al⸗Arab erhalten und fich in den Verfifchen Meerbufen ergiegen. Die 
neuere Stadt Bagdad flieht auf der oͤſtlichen Seite und ift mit der Vor: 
ſtadt auf dem weftlichen Ufer des Fluffes durch eine Schiffbruͤcke verbun: 
den, aber auf diefer Seite werben auch Ruinen von Gebäuden gefunden, 
bie der alten Etabt oder Reſidenz ver Khalifen zugehörten, und unſer Aus 
tor befchreibt He daher zw feiner Zeit als ganz durch den Fluß geiheilt. 
Abulfeda fagt von ihr, daß fie beide Ufer des Tigris einnehme. M. 

62) Kifi, oder in Italieniſcher Orthografie Chiſi, iſt eine Fleine Inſel 
auf ber öftlichen Seite des Perfifchen Golfs, Namens Kis oder Käs, auf 
welche der Handel von Eiraf, einem Hafen auf dem benachbarten Kons 
Hnent, ber weit berühmt ift bei den Morgenländifchen Geografen, über: 
ging, wie man annehmen kann in Folge von Kriegen in jener Gegend 
und der Nachtheile, welche die Kaufleute erlitten. Die genaue Lage des 
Lesteren ift jebt nicht mehr durch irgend ein Ueberbleibfel bezeichnet und 
es ift merfwürbig, daß Niebuhr fie ohne weitere Notiz übergeht, obwohl 
fie von folder Wichtigkeit in der Gefchichte des Handels mit Indien. und 
vorzüglich mit China im Mittelalter if. 

63) Balfıra, gewöhnlich Balfora gefchrieben, aber eigentlich Bass 
rah, ift eine Stadt von großer Fommerzieller Wichtigkeit; fie liegt am 
ſuͤdweſtlichen Ufer des Schatzal-Arab, ungefähr halben Wegs zwifchen dem 
Punkt, wo ver Eufrat und Tigris ihre Fluthen vereinigen, und dem Ber: 
fih:n Meerbufen. Niebuhr fagt: „Es giebt wenig Orte in ver Welt, wo 
man fo niele verfchievene Arten von Dattelbiumen findet als in Basrah.“ 


76 _ 


gefaßt und durchſtochen. Das Mahumetanifhe Geſetz wird 
bier regelrecht fudirt, wie auch Magie, Fyſik, Aftronomie, 
Geomanzie und Fyſiognomie 6%). ie ift die vornehmfte und 
ausgedehntefte Stadt, die in diefem Theile der Welt gefuns 
den wird. 


Achtes Kapitel. 


Handelt von der Gefangennehmung und dem Tode des Khalifen von Bal: 
dach und dem Munder, wie ein Berg von einem Orte au den andern 
verſetzt worden iſt. 


Der obenerwaͤhnte Khalif, der die größten Schaͤtze zuſam⸗ 
mengehäuft hatte, als je ein anderer Fürft beſeſſen, kam elen- 
diglihb um und ziwar auf folgende Weiſe. Zu der Zeit, als 
die Tartariſchen Fürften anfingen ihre Herrſchaft ausjubreiten, 
waren unter ihnen vier Brüter, von denen ver ältefle Mangu 
bie und in dem koͤniglichen ige der Familie regierte. NRad)- 
dem fie das Land Kataia und andere Tiftrifte in jener Ge 
gend unterworfen hatten, gelüftete e3 ihnen nadı weiteren Be: 
ſidungen; fie faßten ven Getanfen an ein großes allgemeines 
Reid und nahmen fih vor, tie Melt unter fih zu theilen. 
Zu tem Zwecke fumen fie dahin überein, daß einer von ihnen 
nah Oſten vorrüden, ein unterer feine Gröäberungen gegen 
Suͤden machen und tie beiten unteren ihre Groberungen auf 


64) VBerüfent für die Wiffenfchaften war Bagbad eind ber Sig ber 
Krabifchen Weisheit. Aber vie vergeblichen Kürüe. von tewen Polo res 
vet, gehörten zur falſchen Wahrfagefunft. Tie ſchwarze Kunſt (negro- 
menzia) war die Nafrjugung durch Torte, die Fykf Nunte Naturwiſſen⸗ 
feajt jeim, was aber die Aürememie beirtift, je glaube ich wicht, Daß er 
Nie Niffenfchaft darunter werücht, weide die Ordaung des Hiunmels wu 
u Lauf ver Gelärme lehrt, ſeadern das (vergetlide) Etedina, ams ben 
LSimmelsttrrern ned Schichſal zu erjahren. Tie Geemange mar bie 
Kent, tut Schichſal amd wem irdiſchen Körpern zu erfragen. Die Ayie 
gurmic ik die Kunf, tie Natur des Menfchen us ven Gefiitkzägen zu 
ieien, ein Simpimm, meldet in unjtren Tagen Were gewerten ül. D.DB. 


17 


bie übrigen Gegenden ausdehnen follten. Der füpliche Theil 
fiel Ulau zu, welder ein gewaltiged Heer fammelte, und nach⸗ 
dem er die Länder, die auf feinem Wege lagen, unterworfen hatte, 
im Jahre 1250 zum Angriffe auf die Stadt Baldach vorrüdte. 
Da er jedoch ihrer großen Stärke und ber ungeheuren Zahl 
ihrer Einwohner gewahr wurde, gebraudte er lieber Lift als 
Gewalt zu-ihrer Eroberung, und um den Feind wegen ber 
Zahl feiner Truppen zu täufdhen, die aus 100,000 Reitern 
außer den Fußſoldaten beftanden, ftellte er eine Abtheilung 
feiner Armee auf die eine Geite, eine andere auf die andere 
Ceite vor der Stadt auf, fo daß fie durch einen Wald vers 
ſteckt wurde, ſich jelbft aber ftellte ev an die Spige der britten 
und rüdte Fühn vor, fo daß er nur eine kurze Strede vom 
Thore entfernt war. Der Khalif fchägte Die augenſcheinlich 
fo unbeveutende Truppenmadjt für zu gering, verließ fih auf 
die Wirkſamkeit des gewohnliden Gebetrufs Mahomet’s und 
dachte an nichts Geringeres ald an die gaͤnzliche Vernichtung des 
Feindes. So rüdte er mit feinen Wachen aus der Stadt. 
Eobald Ulau ihn ſich nähern fah, ftellte er fi, als trete er 
den Rüdzug vor ihm an, bis er ihn auf diefe Weife in den 
Wald verlodt hatte, wo Die anderen Heeresabtheilungen aufs 
geftellt waren. Dieſe ſchloſſen fih nun von beiden Eeiten; 
die Armee des Khalifen. wurde umzingelt und vernichtet, er 
felbft zum Gefangenen gemadjt und die Stadt dem Eroberer 
übergeben. Als Mau einzog, entvedte er zu feinem großen 
Erftaunen einen Thurm mit Gold angefüllt. Er berief den 
Schalifen vor fih, und nachdem er ihm feinen Geiz vorge: 
worfen, der ihn abgehalten, feine Schaͤtze zur Bildung einer 
Armee anzumenden, die feine Hauptitadt gegen den mächtigen 
Einfall, mit weldyem fie fhon lange bedroht gewefen, vertheis 
digt hätte, gab er Befehl, daß ver Khalif in demfelben Thurme 
ohne Nahrung eingeſchloſſen würde, und dort endete derfelbe halb, 
mitten unter feinen Reichthuͤmern, fein elendes Leben 65). 


65) Moftafem Billah, der letzte der Abbafliven » Khalifen von Bag: 


78 


Ich glaube, daß unfer Herr Jeſus Chriftus ed fo für 
gut bielt, das Unrecht gegen feine treuen Chriften, weldye von 
dieſem Khalifen fo verabideut wurden, zu rächen. Bon der 
Zeit feiner Thronbefteigung im Sabre 1225 ging a Tag md 
Nacht mit rem Geranfen um, die, welde in jeinem Reide 
wohnten, zu befehren, oder bei ihrer Weigerung einen Vorwand 
zu ihrer Hinrichtung zu finden. Er berieth fidy zu dem Zwede 
mit den Gelehrten, und jo fanden fie eine Etelle im Evangelium, 
bie aljo lautet: „So ihr werdet einen Glauben haben wie ein 
Eenffornlein und werdet zu einem Berge fagen, hebe dich auf 
von hinnen, fo wird er es thun und wird euch nichts unmöglid) 
fein” (beim Gebet, das zu dieſem Zwedce an vie göttliche Ma- 
jeftät gerichtet iR); und erfreut über die Entdeckung, überzeugt, 
wie er war, daß das Ding durchaus unmöglid fei, gab er 
Befehl, alle Neſtorianiſchen und Jacobitiſchen Ehriften, die in 
Bagdad wohnten und deren eine große Zahl war, zu ver 
fammeln. Diejen wurde die Frage vorgelegt, ob fie glaubs 
ten, daß Alles, was in ihrem Evangelium gefagt, auch wahr 
fei over nicht. Sie antworteten, daß Alles wahr fei. „Nun 
denn, fagte der Khalif, wenn es wahr if, fo laßt uns fehen, 
welcher von euch den Beweis feined Glaubens geben will; 
denn gewißlih, wenn nicht Einer unter euch gefunden wird, 
der einen fo geringen Glauben in feinen Herrn jest, als da 
gleich iR einem Senfkoͤrnlein, fo werde id; geredhtfertigt fein, 
wenn id eud von nun an als ein verberbtes, ſchlechtes und 
treulofed Volk betrachte. Ich gebe euch demnach zehn Tage, 
vor deren Ablauf ihr entweder durch die Madıt deſſen, ven 
ihr anbetet, den Berg, der vor eudy fteht, entfernen, oder das 
Gefeg unjered Profeten annehmen müßt; in beiven Fällen 
ſollt ihr fider fein; wollt ihr das aber nicht, fo koͤnnt ihr 


dad, trat feine Regierung im Jahr 1242 an und wurde 1258 hingerich⸗ 
tet. Er war ein fchwacher, forglojer, ſinnlicher uud zugleich geiziger 
Fürft, der die Pflichten der Regierung vernachläffigte und den Händen 
eines ſchaͤndlichen Miniſters anvertraute, der ihn zulegt noch feinem Tod⸗ 
feinde verrieth. " 


79 


euch vorbereiten, ben qualvollften Tod zu erdulden.“ Die 
Chriften, die da wußten, daß da. feine Gnade zu erivarten 
und daß er eifrig fein würde, fie ihres Eigenthums zu bes 
rauben, zitterten bei feinen Worten für ihr Leben, aber dem: 
ungeadytet hatten fie Vertrauen auf ihren Heiland, daß er 
fie aus der Gefahr erlöfen würde; fie hielten eine Verſamm⸗ 
fung und beriethen fih, zu was fie ihre Zufludt nehmen 
ſollten. Es .ftellte fid) Feine andere dar, ald die Allmacht Got 
tes anzurufen, fie mit feiner Hilfe zu begnadigen. Allefammt, 
Groß und Klein, warfen fih Tag und Nadıt auf die Erde, 
vergofien Thränen und thaten nichts als Beten zu Gott. Als 
fie acht Tage fo verharrt hatten, kam endlich eine göttliche 
Offenbarung im Traume über einen Biſchof von tugenphafs 
tem Leben, welde ihn anwies, einen gewiflen Schuhmacher 
(deffien Name nicht befannt ift), der blos ein Auge hätte, 
aufzufuchen, den er. vor den Berg. rufen follte, als einen 
Mantı, der ihn verfehen Fonnte durdy die Gnade Gottes. Als 
er den Schuhmacher gefunden und ihn mit der Offenbarung 
befannt gemacht hatte, erwiederte diefer, daß er ſich nidyt wuͤr⸗ 
dig fühle der Aufgabe, da feine Verdienfte nicht der Art feien, 
daß fie ihn berechtigten zu folder Gnade. Gedraͤngt jedoch 
durch die armen geängfteten Chriften, willigte er enplid ein. 
Man muß nun wiflen, daß er ein Mann von feften Grund» 
fägen und gottesfürdytiger Rede war, der feinen Einn rein 
und treu auf Gott gerichtet hatte, regelmäßig der eier der 
Meſſe und anderer frommer Handlungen wartete, eifrig in 
Werfen der Mildthätigfeit und fireng in der Beobachtung ver 
Faften. Einftmals trug es fi zu, daß ein huͤbſches jun⸗ 
ges Weib zu Ihm in den Laven kam, um fidy ein Paar 
Pantoffeln anmeſſen zu laflen, und als fte ihm den Fuß reichte, 
zufällig einen Theil ihres Beines entblößte, defien Schoͤnheit 
ihm eine augenblidlihe Begierde erregte; aber ſchnell faßte 
er fi, entließ fie augenblidiih und gedachte der Worte des 
Evangeliums, die da heißen: „Aergert did, dein Auge, fo 
reiß es aus und wirf es von bir, benn es ift befier, in das 


— 


80 


Rei Gotied mit einem Auge eingehen, ald zwei Augen zu 
haben und in tie Holle geworfen zu werten.” Augenblid- 
lih ergrig er eins jeiner Schuhmadyerwerfjeuge und ſtieß ſich 
damit das rechte Auge aus. Hierdurch bewied er über allen 
Zweifel tie Aechtheit jeined Glaubens. 

Ter beſtimmte Tag fam heran, der Gottesdienſt wurde 
zu einer früheren Stunde gehalten und eine feierliche Pro⸗ 
zeifion bewegte ji) nach ter Ebene, wo der Berg fand, das 
heilige Kreuz aber wurte vorangetragen. Ter Khalif, über: 
zeugt, daß ſich Das als eine eitle Zeremonie von Ceiten 
der Chriſten darthun wurde, wollte zugegen jein, begleitet von 
einer Anzahl jeiner Wachen, um fie, wenn ihr Borhaben fehl- 
flüge, zu vernidten. Hier nun fuiete der fromme Hand 
werfer vor dem Kreuze nieder und bat, jeine Hände zum 
Himmel hebend, den Schöpfer, daß er gnaͤdig auf die Erde 
niederbliden und zu Ruhm und Berherrlihung jeined Namens 
feinem Volfe Beiftand leijten möge in Erfüllung der Aufgabe, 
die fie loͤſen jollten, und jo feine Gewalt denen, die feinen 
Glauben fhmähten, Fundgebe. Als er jein Gebet beidyloffen, 
tief er mit lauter Etimme: ‚In dem Namen des Baters, des 
Sohnes und des heiligen Geiftes bejehle ich dir, Berg, hebe dich 
auf von diefem Plage!” Kaum waren dieje Worte gejpros 
den, fo bewegte ſich der Berg und tie Erde zitterte zu glei- 
dyer Zeit in einer wunderbaren und erſchrecklichen Weife. “Der 
- Khalif und alle die, welhe ihn umgaben, waren von Schrecken 
ergriffen und blieben lange in einem Zuftande.ded Staunens. 
Viele von den legteren wurden Ehriften, und fogar der Khalif 
nahm heimlid, das Chriſtenthum an und trug immer ein Kreuz 
unter feiner Kleidung verborgen, weldyes. nad) feinem Tode 
bei ihm gefunden wurde, und deswegen jegten fie ihn nicht 
im Begräbniß feiner Vorgänger bei. Zum Andenken an dieſe 
bejondere Gnade, die Gott ihnen zufommen lafjen, begingen alle 
Ehriften, Neftorianer und Jakobiten, von diejer Zeit an in feier- 
licher Weife den Tag, an weldhem das Wunder ftattgefunden. 


81 


Neuntes Kapitel. 


Von der edlen Stadt Tauris in Irak und von ihren Handelsleuten und 
anderen Bewohnern. 


Tauris 66) iſt eine große Stadt, die zu der Provinz Irak 
gehört, welche viele andere Städte und befeftigte Plaͤtze ent 
hält, aber jene ift die ausgezeichnetfte und volfreichite. Die 
Einwohner befhäftigen fi vorzüglidd mit Handel und Mas 
nufafturen, welche letztere in verfchiedenen Arten von Seidenftoff 
beftehen, von denen einige mit Gold durchwebt werben und 
hoch im Preiſe find. Sie ift fehr vortheilhaft zum Handel 
gelegen, jo daß Kaufleute aus Indien, von Baldach, Moful, 
Eremefior ET) fowohl ald aus verfchiedenen Theilen Europa’s 


66) Die Etadt Tauris, von den Perfern und anderen Morgenläns 
dern Tabrts genannt, Iag in der Provinz Aderbidjan, welche an die Pro; 
vinz Al:Sebal oder das Perfifche Irak grenzte, und bildete mit diefer das 
alte Königreih Medien. Es iſt zu aller Zeit ein Platz von großer Wich⸗ 
tigkeit gewefen. Nach der Eroberung Periiens durch die Mongolen, ums 
Jahr 1255, wurde fie die Hauptreſidenz Hulagu’s und feiner Nachfolger 
bis zur Gründung von Eultaniyah im Anfang des vierzehnten Jahrhuns 
derts. Bor dem Schluß diefes Jahrhunderts wurde es von Tamerlan eins 
genommen, und während der Regierung der Eefi-Bamilie wurde es vers 
fgievene Male von den Ottomanen geplündert, fehrte aber immer wieder 
unter die Perſtiſche Herrichaft zuruͤck. Charbin, der es 1673 befuchte, 
giebt eine glänzende Schilderung feiner Karavanferai und Bafare und be: 
fchreibt .den großen Marktplatz als au Umfang und Größe den von Ispahan 
weit übertreffend. Tabris ift neuerdings fehr befannt geworden als Res 
fivenz des Prinzen ‚von Abbas Mirza nnd durch die Kämpfe der Perfer 
mit den Rufen. — ©. Ritter IX. 852884. 


67) Marsden glaubi, daß Cremeſſor Ormus ſei. Ich bin der Mei⸗ 
nung nicht; denn von Ormus ſpricht er vorher und nennt es bei ſeinem 
wahren Namen (Kap. 11.). Ich muthmaße, daß er von dem Lande Germa⸗ 
fir fprechen will, dem Gebiete am Perſiſchen Meerbufen, welches fich 
von den Mündungen des Echat-el-Arab bis nad) Lariftan erſtreckt. (©. 
Ritter VIII. 73. ff.) Es wird ihm erzählt worden fein, daß man bie 
Pferde in das warme Land von Germaftr fchide, um folde nach Indien 

6 


82 


hierher fommen, um zu faufen und eine Menge von Han- 
telsfahen zu verfaufen. Man. kann an diefem Orte Fogtliche 
Eteine und Perlen im Ueberfluß befommen. Die Kaufleute, 
die fi) mit fremdem Handel beſchaͤftigen, erlangen großen 
Reichthum, aber die Einwohner im Allgemeinen find arın. 
Eie beitehen aus einer Miſchung von verfhiedenen Nadionen 
und Sekten, Neftorianern, Aimeniern, Jakobiten, Georgiern, 
Perſern und den Anhängern Mahomet’s, die die Hauptzahl 
ausmachen und die eigentlihen Taurifer genannt werden. Jede 
Klaſſe der Bewohner hat ihre verfhievene Eprade. Die 
Stadt tft mit-Eöftlishen Gärten umgeben, weldye die fehonften 
Früchte liefern. Die Mahometaniſchen Einwohner find treu 
108 und verrätherifh. Nach ihrer Lehre wird, was dem 
Anhänger eines anderen Glaubend geftohlen und geraubt 
wird, mit vollen Recht genommen, und ift der Diebftahl 
fein Verbrechen, während die, weldye von ten Händen ber 
Chriften Tod oder eine Beleidigung erleiden, ald Mär: 
tyrer betradıtet werden. Wenn fie daher nicht verhindert oder 
abgehalten würden von der Gewalt derer, Die fie jetzt regies 
ren, fo würben ſie viele Greuel begehen. Diefe Gruntfäge 
find allen Sarazenen gemein. Wenn fle zum Sterben fom- 
men, wartet ihrer ein Prieſter und fragt, ob fie glauben, daß 
Mahomet der wahre Profet Gottes ſei. Wenn fe antwor⸗ 


einzuſchiffen, ſo wie wir ſagen, daß wir die Waaren an die Seeluͤſte ſchi⸗ 
cken, und der Nubiſche Geograf ſetzt Czermasin unter die Staͤdte Kara: 
manien's, drei Stazionen von Ormus entfernt (p. 129); das ſcheint das 
Cremeſſor des Polo in obiger Landfchaft zu fein. B.B. 

Kitter fagt, Polo!s Reiſeroute von Kerman nad Ormus verföfgend: 
„Don Reobarle (Rudbar) zieht man nach fünf Tagen durch einen zweiten 
durch Räuber (Karaunas), die bis. hierher ihre Raubzuͤge machten, fehr 
gefährlichen Kotul (discesa), 2Q Viiglien ang, hinab zum Küftenranve 
von Ormus (Gurmafir) ıc., wo Datteln und Papageien find, von da 
gelangt man in zwei Tagen auf falzigem Sandboden nad) der Hafenftabt 
(Gombrun) der Infel Ormus, jet Bender Abaſſi, wo man ſich nach In: 
dien einſchifft“ (VII. 726). Comit-wären die Angaben Baldelli Boni’ 
mit den Marsden's au vereinigen. 


83 


ten, daß fie das glauben, fo wird ihnen die Eeligfeit zuge 
ſprochen, und m Folge der Leichtfertigfeit der Abfoluzion, 
welche der Vollbringung eines jeden ſchaͤndlichen Dinges freien 
Raum giebt, ift es ihnen gelungen, einen großen Theil ver 
Tartaren zu ihrem Glauben zu befehren, da dieſe ihn als 
eine Befreiung ven allem Hinderniß, Verbrechen zu begehen, 
anfehen. — Bon Taurid nach Perfien hat man zwoͤlf Tages 
reifen. | 


Zehnted Kapitel. 
Don dem Klofter Ct. Barfamo in der Nähe vun Tauris. 


Nicht weit von Tauris tft ein Klofter, das feinen Nas 
men von dem Heiligen Barfamo hat, gar herrlih wegen 
feiner Gottesverehrung. Dafelbft ift ein Abt und viele Mönche, 
weldhe dem Orden der Karmeliter in der Art ihrer Kleidung 
gleihen. Damit fie nicht ein Leben vol Müffiggang führen, 
befchäftigen fie fi fortwährend mit dem Weben von Girteln, 
welche fie mährend der Feier des Gottesdienſtes auf den Als 
tar ihres Heiligen legen, und wenn fie nun ihren Umgang 
in die benadjbarten Länder mahen, um Almofen zu bitten 
(in derſelben Weife wie die Brüder des Ordens vom heis 
ligen Geiſt thun), fo fehenfen fie diefe Gürtel ihren Freun⸗ 
den und Leiten von Auszeichnung; und werben biefe Gürtel 
als gut für Gichtleiven gehalten, weswegen fie andaͤchtig von 
Leuten jeden Etandes geſucht werden. 


— nun. — — 


84 


Eilftes Kapitel®®). 


Don dem Lande Berfin und ven acht. Königreichen darin; aud) von ben 
Rofien und Efeln allda. 


In Perfia, welches ein überaus großes und weites 8 Land 
ift, giebt es viele Königreihe, deren Namen folgende fint. 


68) In den Stalienifchen Auszügen finden wir an biefer Stelle zwei 
Kapitel, die in den andern Ausgaben nicht aufgenommen worden find. 
In dem erften wird einer Stadt Perfiens, Namens Saba, Erwähnung 
gethan, von welcher die drei Magier Famen, als fie ausgingen, das Chri⸗ 
Ausfind in Bethlehem anzubeten, und wo fie nachher in prächtigen Graͤ—⸗ 
bern beigefeßt worden; aber er, Marco, fet nicht im Stande geweſen, 
in biefer Stadt eine genüigenbe Auskunft über diefe drei Fäniglichen Per: 
fonen zu erhalten. Im zweiten Kapitel läßt man ihn erzählen, daß in 
der Entfernung von drei Tagereifen von Saba ein Echloß fei, Kalgſata⸗ 
perinfta, welches bedeute „Schloß derer, welche Feuer als ihren Gott 
verehren“, und daß die Einwohner als den Urfprung der Verehrung man⸗ 
‚he leere und grundlofe Mähr angäben; fie fagten, als bie drei Koͤ— 
nige vom ande der Juden wieder zurückfehren wollten, wohin fie gegan- 
gen waren, um einem fürzlich- ba geborenen Profeten ihre Opfer‘ zu brin- 
gen, habe das Kind fie mit einer Büchfe (bussola) beſchenkt, die als fie 
biefelbe im Laufe ihrer Reife geöffnet, nur einen Stein enthalten habe, ben 
fie verächtlich in einen Brunnen warfen. Don‘ demfelben ungläubigen 
Volke wurde ferner berichtet, daß augenblicklich Flammen vom Himmel ge: 
fommen ſeien und den Brunnen mit Feuer gefüllt Haben, von welchem vie 
drei Könige jeber einen Theil nahmen und in ihre Heimath. brachten, 
wo es ein Gegenfland der Verehrung wurde; noch fügt er hinzu, daß 
wenn es zufällig an einem Plage erlöfcht, fo wird e8 von dem Volk an 
einem anderen gefucht; fo machen -fie Reifen von fünf, acht und fogar 
eilf Meilen, um ihre Lampen anzuzünden; und wenn fie es nicht mäher 
finden können, fo gehen fie an den brennenden Duell ſelbſt. Alle dieſe 
Umftände erfuhr er von den Bewohnern des Schfoffes. 

So haltlos auch die Erzählung in Bezug auf die Thatfache fein mag, 
fo ift doch ftarfer innerer Grund ihrer Nechtheit in ihr, fo weit fie unfern 
. Autor betrifft, der bloß mittheilt, was ihm erzählt wurde, und das Mähr: 
chen mit Verachtung behandelt. Die Idee eines Quelle, der vom himm⸗ 
lifchen Feuer entzündet worden, Hat feinen Urfprung augenscheinlich in 
bem Borhandenfein brennender Brunnen oder Höhlen in berfchiedenen 


85 


Das erfte, in weldes man glei beim Kintritte in das 
Land gelangt, ift Kafibin 69); das zweite, welches nadı 
Süden (weſtlich) liegt, heißt Kurdiftan 70); das dritte heißt 


Theilen Afiens, vorzüglich zu Baku am Kaspifchen Meer, von dem fchon 
bie Rede gemwefen, und an der Küfte von Karamania, welche vom Kapt. 
Beaufort geſehen worden ift; aber dem mit dem Berfifihen VBertrauten 
wird der Name des Ortes das fiherfie Kriterium der Wahrheit abgeben, 
da er wohl begreifen wird, daß die Worte Kala fata-perinfta gegeben 
find für Kalät pereflän, oder vielleicht Kalah ätifh pereflän, buchitäb: 
lich das „Schloß der Feueranbeter.” Der Name Eaba, ber gewiß nicht 
unter den Perfifchen Staͤdten entdeckt wird, mag wohl in Beziehung ſte⸗ 
hen zu den Lehren bes Sabaismus, die fo eng verbunden find mit des 
nen der Guebern. 


69) Wenn man das Perfifche Irak von der Seite von Tauris bes 
tritt, iſt die erfie große Stadt (Sultaniyah war damals noch nicht ers 
baut) Kasbin oder richtiger Kazwin ; indem Polo der Straße folgte, wels 
he von Tabris nach Katai führt, mußte er nach Kazwin fommen, wo er 
auf der Hin und Herreife fich aufhielt, und er fing von da an Perfien 
zu bejchreiben. — Kazwin foll von Shahpur (Sapor II.) erbaut fein; 
war im Alterthbum nicht fo berühmt, wie fie durch Mahomet wurde, der 
fie eines der Thore des Paradiefes nannte. Gegen die Dilemiten, fagt 
fchon Ibn Haufal, aber mehr noch gegen bie Afjaflinen, war fie bie 
Grenzpforte ihres Landes der Burgen, die vieles von ihren blutburftigen 
Nachbarn zu leiden hatten. Unter den Kaswinern ſelbſt war daher ims 
mer Fehde und Mord... Die Stadt war eine Zeitlang Reſidenz Mongo⸗ 
liſcher Herrſcher in PBerfien und dadurch befonvers berühmt, wie zu Shah 
Abbas Zeiten. R. — Bei Aufführung dieſer acht Königreiche gibt 
unfer Autor zuweilen ven Namen der Hauvtftadt, wie in biefem Falle, 
und zuweilen den der Provinz oder des Diftrifts, wie bei denen, bie un: 
‚mittelbar folgen. Er fcheint die Namen nievergefchrieben oder dictirt 
‚zu haben, wie fie ihm ins Gedaͤchtniß kamen, ohne Syſtem und mit we⸗ 
nig Wuͤckſicht auf ihre Ordnung. Auf Bücher über dieſen Gegenſtand 
konnte er ſich nicht beziehen, welcher Hilfe ſich ſeitdem alle Reiſende be⸗ 
dient haben, weil ſolche Bücher damals in Europa noch nicht exiſtirten. M. 

70) Wir ſollten nicht erwarten, Kurdiſtan, welches zum alten Aſſy⸗ 
rien gehoͤrte, hier als einen der zu Perſien gehoͤrenden Theile zu finden, 
obgleich viele feiner Einwohner zu Zeiten unter die Botmaͤßigkeit dieſer 
Monarchie gebracht worden find; noch, wenn es mitgerechnet wird, kann 
von ihm als ſuͤdlich gelegen geredet werden. Man kann wohl annehmen, 


88 


der aͤußerſten Grenze Perſiens liegt. Alle dieſe Königreice 
liegen nad Süden, ausgenommen Timocain, deun das Liegt 
na) Norden, nabe an dem Plate, der Arbor secco (zum 
duͤrren Baum) ‚genannt wird 77). Das Land ‚zeichnet fh 


wird auch von - einem Volte Vezedi, Nachfolger Yezivrs 1 genannt, be⸗ 
wohnt, Todfeinde der Tuͤrken, welche dieſelben nie voͤllig unterjochen 
konnten. (Kinn. p. 262.) — B. B. 


76) Fuͤr wie entfernt auch die Aehnlichkeit der Namen gehalten wer⸗ 
den mag, ſo iſt doch unter Timocain zweifellos Damghan, die Hauptſtadt 
der kleinen Provinz Kumis im noͤrdlichen Theile Perſiens gemeint. Von 
Joſaphat Barbaro, dem Venezianiſchen Geſandten an dieſem Hof, wird 
fie Tremigan und von Thomas Herbert Diurgument genannt. Die Lage 
des heutigen Damghan wird von Nennell u. A. für die der antifen Ka⸗ 
pitale Parthien's, Hefatompylon, zu Antiochus des Gr. Zeit bluͤhend, 
gehalten, das 133 M. P. fern von den Kaspiſchen Paͤſſen liegen follte, 
welche: beiverfeitige Kocalitäten, weil Alexander daſelbſt verweilte, von den 
Makedoniern und Römern zu merkwürdigen Zentralpunften ihrer aflatl: 
fhen Stinerarien und Wegmaße gemacht wurden. ©. Ritter 463. ff. 


| 77) Das Land, welches er Arbor fecco. nennt, ift die Gegend, von 
wo er ausgeht, um die Leſer vom Norden Perfiens bis nah Ormus zu 
leiten. Da man nicht berucfichtigt hat, daß Polo diefe Reife nicht machte, 
als er nach Katai reifte, fondern nıtr auf feiner Ruͤckkehr (obwohl, wie die Vor: 

rebe berichtet, ‘er zu Ormus landete, Kogatin dem Khaikato brachte, der 
in Tabris Hof hielt, und dann auf feinen Befehl ihrem Gemahl zuführte, 
ber nahe bei Arbor fecco fich befand zur Bewachung gewiſſer Paͤſſe, Khawer) 
fo Hat dieſer Umftand gemacht, da bie Ansleger Polo's die wahre Richtung | 
feiner Reife verloren haben. Daß er damals diefe Reife nicht machte, ſchließt 

man aus feiner Erzählung in der Vorrede, welche befagt, daß als et 
nebft dem Water und dem Ohelm aus Armenien abgereift,. fie fich zum 
Großkhan auf den Weg machten, - viele Wüften zu bereifen gehabt. und 
viele böfe Wege, ſtets vorwärts gegen Nord Nord :Off dringend, bis 
fie vernahmen, daß der‘ Großfhan fich in Glemenfu befinde. Wenn er 
von Arbor fecco nach Ormus ſich gewendet hätte, fo Fonnte er nicht fds 
gen, daß die Richtung feiner Reife ftets Nord -Nord -Oft geivefen fei. 
Zu entſchuldigen iſt dieſer Schluß allerdings, weil er fih mit feiner 
Beichreibung plöglich ‘gegen Süden wendet und den Lefer auf ben Weg 
von Nezd nad) Ormus leitet, von wo er ihn nach Timocain oder Damgs 
han und Arbor fecco zurüdführt (Kay. 20), und nachdem er die Beges 


89 


durdy feine außerordentlich ſchoͤnen Pferde aus, von denen 
viele nach Indien geführt und zu hohen Preiſen verfauft wer- 
den, gewöhnlich zu nicht weniger als 200 Turnefifchen Pfun- 
den. Auch die größten und fhönften Ejel der Welt findet 
man dort, und- ed werben biefelben oft zu höheren Preiſen 
ald die Pferde verkauft, weil fie leichter zu füttern find, 
fhwere Laften tragen und in einem Tage weiter traben koͤn⸗ 
nen ald Pferde und Maulefel, die bei Weitem nicht fo viel 
Beſchwerden ertragen. Deswegen fuchen aud) die Kaufleute, 
welche von einer Provinz in die andere reifen und ‚genöthigt 
find, weite Wüften und Sandftriche zu pafliren, wo kaum ein 
Kraut zu finden ift und man wegen ver Entfernung der 
Brunnen oder anderer Waflerpläte gar lange Tagereifen mas 
hen muß, mit befonderem Eifer ſich Eſel zu verfchaffen, vie 
leichter vom Fleck kommen und viel weniger Futter brauchen 78), 
Auch der Kameele bedient man ſich «hier, und dieſe tragen in 
gleicher Weife große Laften und werben mit geringen Koften 
erhalten, doch find fie nicht fo fchnell wie die Efel. Die 
Hantelsleute dieſer Gegenden. führen die Pferde nad) Kift, 
Ormus und anderen Pläben an der Küfte des Indifchen Mee- 
red, wo fie von denen gefauft werden, die fie nadı Indien 
führen. In dieſem Lande aber halten fie wegen ber grüße 


benheiten des Alten vom Berge erzählt hat, fo nimmt er wieder bie 
Richtung von Balkh und Badakhſchan. Der Punkt alfo, wo beide Wege 
fi Freuzen, welche er bei feiner Hin- und Herreife nahm, tft Kazwin, 
und als er zurüdfehrte, um die Braut den Prinzen Argon nad) Khawer 
zuzuführen, legte er jenes Stuͤck Wegs zuruͤck, welches er ſchon gemacht 
hatte, als er von Tabris nad Khawer reife. B.B. 

78) Folgende Befchreibung giebt Chardin von der Perfifchen Efelzucht: 
„Rah den Maultfeln haben fie auch ven Efel, von welchem e8 zwei Ar: 
ten in Perfien giebt, die Landeseſel, die langſam und fchwerfällig find, 
wie Die Efel unferer Gegenden, deren fie fich nur zum Lafttragen bedie⸗ 
“nen, und eine Efelrace aus Arabien, welches fehr fchöne Thiere find und 
die vorzäglichfien Efel der Welt... Man bevient fich ihrer nur zum 
Reiten... Es giebt welche zum Preis von 400 Franfen und man möchte 
wohl kaum einen guten befoinmen für weniger ale 25 Piſtolen. “ 


9” 


ren Hige, da fie in gemäßigterem Klima geboren, nicht viele 
Fahre. aus. In einigen diefer Gegenden find die Bewohner 
wild und blutvürftig, und machen ein gewöhnliches Handwerk 
daraus, ſich gegenfeitig zu verwunden und zu ermorden. Sie wuͤr⸗ 
den aud) den Kaufleuten und Reifenten viel Bofes anthun, wenn 
fie nit in Furcht vor ihren oͤſtlichen Herren wären, die fie 
dafiir ftreng beftrafen. Auch ijt die Anordnung getroffen, daß 
auf allen Etraßen, wo man Gefahr fürdtef, die Einwohner 
angehalten find, auf Verlangen der’ Kaufleute ihnen Eräftige 
und zuverläfiige Männer zur Leitung und Eicyerheit zwiſchen 
einem Diftrift und dem anderen ‚zu verfchaffen; dieſe werben 
mit z'vel oder drei Groſſi (Groſchen) fir jenes Laftthier je 
nad der Entfernung bezahlt. Sie find Anhänger der Ma- 
hometanifhen Religion. In den Städten giebt es Kauf- 
leute und zahlreihe Handwerker, welde eine Menge Stoffe 
von Gold und Seide verfertigen. Baumwolle waͤchſt im Leber 
fluß in diefer Gegend, fo wie Weizen, Gerfte, Hirfe und ver 
ſchiedene andere Arten von Kom, auh Wein und Früdte 
verfchiedener Gattung in Menge. Es Fönnte Jemand fa 
gen, daß die Sarazenen feinen Wein trinken, weil er ihnen 
vom Geſetz verboten iſt; dem. mag entgegnet werben, daß fie 
ihr Gemwiffen in diefem Punkte beruhigen, indem fie fid) übers 
reden, daß, wenn fie die Vorſicht brauden, ven Wein über 
dem Feuer zu. kochen, durch welches er theilweiſe verzehrt 
und füp wird, fie ihn, ohne dem Gebote zuwider-zu handeln, 
‘trinken koͤnnen; mit der Veränderung feines -Gefhmads vers 
ändern fie feinen Namen und nennen ihn nicht mehr Wein, 
wiewohl er es in der That ft. 


gl 


Zwoölftes Kapitel. 
Ron der Stadt Nasedi und ihren Gewerben, und von den Thferen, die in 
dem 2anve Innerhalb jenes Platzes und Kierman gefunden werden. 


Yasdi 79) iſt eine beträdtlidye Stadt an ben Grenzen 
Perſiens, die viel Handel hat. ine Art Eeidenzeug, weldyes 


79) Dezd oder Jeſd (Yezdan d. h. Licht, Ormuzd DVezdanperefi die 
Lichtanbeter). . Diefer von den Europäern wenig befuchte Ort, den Ibn 
Haufal fchon zu der Provinz Iſtakhar (d. i. Perfepolis oder Fars, das 
eigentliche Perſien) rechnet, obwohl er früher zu Kerman gehörte, und 
ber nach DB. Frafers jüngften Erfundigungen mit zu Khorafan gerechnet 
wird, gehört unftreitig, weil er Ifolirt in feiner Wüfte, eigentlich zu feis 
ner von allen dieſen Provinzen, fondern ift eine Snfel- Dafe für fi. 
Die Stadt fteht (nach Fraſer's Erfundigungen) auf einer großen Sand⸗ 
ebene von Bergen umgeben. Cie ift fehr groß, gut befefligt, mit Wall 
und Graben umfchloffen und hat vier Thore, 60008000 Häufer, treff: 
lihe Bazars, eine Garnifon und zwei Mofcheen. Außerhalb dieſes 
befeitigten Theiles Kegt die Außenftadt ohne Mauern, und eine Biertel: 
ftunde gegen N. ein zweites Fort, Naringe Kallah, mit wenig Bewoh— 
nern. Die Bopulazion der gefammten Stadt foll 50,000 Seelen betragen, 
3000 Familien follen Guebern fein, welche eine befondere Abtheflung ver 
Etadt bewohnen. Die Lage, am Rande der Wuͤſte, macht Nezd zu einem 
guten Raftorte der Karamwanen, zwifchen Kerman, Herat, Mejchhed, Je: 
fahan, weldge die Waaren Indiens, Kaſchmirs, Kabuls, Bocharas bier 
durch gegen Weſten führen: bier verfummeln fi) die Kaufleute von Is⸗ 
fahan, Schiraz, Kaſchan, Tehran, Herat. Zu, ullen Zeiten war Vezd 
burch feine von jeder Milttärftrage und jevem Eroberungszuge abgelegene 
Eituazion, im Verhältnig zu Kandahar, Kabul, Balk, Herat u. a. Or⸗ 
ten, einer der ficheriten und diefe Sicherheit gab ihm Wohlftand. Gerühmt 
werden Die Seidenwebereien von Yezd, deren Stoffe unter- dem Perſiſchen 
Namen Alivjahs und Caſſubs zu Unterfleivern, Pantalons, weit und breit 
verführt werden, wie die Dereis zu weiten Männerfleivern; die Tuftehs 
(ein Berfiiches Wort, unfer Tuft), Mufhychs und andere zu Frauenputz. 
Die meiſte hier verwebte Seide wird aber nicht hier gezogen, fondern von 
Ghilan eingeführt. -— Duprs fagt: Außer den Seidenftoffen, deren koͤſt⸗ 
lichte Sorten „Sundus“ und die mit Gold und Eilper durchwirkten „De: 
raji“ heipen, werden die Teppiche (Numuds) von Baft (over Taft, nud) 
Kiuneir), einem Dorfe, nur drei Stunpen von ber Stadt, als die treflicgs 


92 


dafelbft gefertigt wird, ift befannt unter dem Namen MYasdi 
und wird von dort durch die Kaufleute in- alle Gegenden ver 
Melt geführt. Die Einwohner gehören dem Mahometanifcen 
Glauben an. Die, weldye von diefer Etabt reifen, brauchen 
acht Tage zur Durdywanderung einer Ebene, in welcher fie 
nur drei Pläge finden, wo fie beherbergt werben Fönnen. 
Der Weg führt durd weite Dattelbaumwälver, in denen le 
berflug an allerlei Wild und Geflügel ift, und foldye Rei: 
fende, weldye Vergnügen an der Jagd finden, fünnen hier gar 
fuftige3 Waidwerk treiben. Auch wilde Efel findet man da 8°), 
Nach Verlauf von acht Tagen gelangt man in das König- 
reich Kierman. 


- Dreizehntes Kapitel. 


Don dem Königreih Kierman, das von den Alten Karmania genannt 
wurde; von feinen Gefteinen und Erzen, feinen Gewerben, feinen Falten 
und ber großen. Zandneigung, die man bemerkt, wenn man biefe 
Provinz verläßt. 


Kierman 31) ift ein Königreid an den öftlihen Gren⸗ 
zen Perſiens, das früher von feinen eigenen Fuͤrſten in erb— 


fien in ganz Perfien gerühmt. ©. Ritter Afien VIII. S. 55—270. — 
D’Herbelot bemerft, daß bie Seivdenftoffe, welche man daſelbſt verfertigt, 
und bie man auf Türftfch und anf Perſiſch comafche Nezdi nennt, die Stadt 
ſehr handelsthaͤtig machen. In dem Tagebuch Abpulfurrim’s keſen wir 
auch von einem Gefchent, welches Nadir Shah einem Gefandten machte, 
das aus 25 Stud Yezdy Brofat beftand. 

80) Wir lefen von milden Eſeln, die als Gefchenfe nnd folglich als 
Merkwürdigkeiten Shah Abbas und anderen Königen Berfiens übergeben 
wurden. Rennell bemerkt, daß die wilden Efel, die Kenophon ihrer Schnel: 
ligfeit wegen erwähnt, noch heut zu Tage ziemlich denfelben Chrarafter 
Haben. Tereira im Jahr 1606 fah- Heerden von ihnen in der Arabifchen 
Wuͤſte, die unmittelbar der Wuͤſte Meſopotamiens entgegenſteht, wo fie 
Kenophon fah. S. Nitter VIII. 722 ff: 

81) Kirmän ift eine. Brovinz Berfiens, die am- ſuddſtlichen Ende des 
Koͤnigreichs liegt. Ihre Hauptſtadt wird gewoͤhnlich mit demſelben Na— 


93 


liher Nachfolge regiert wurde; aber feitdem die Tartaren. es 
ihrer Herrfhaft, unterworfen haben, fegen dieſe nad) ihrem 
Belieben Etatthalter ein. In den Bergen diefed Landes wer- 
den die Föftlichen Steine gefunden, die wir Türfife nennen 82). 


men genannt, tft aber auch unter dem von Eirgan befannt. ‚Die Provinz”, 
fagt Pottinger, von dem fie 1810 befucht wurde, „wird im Often von 
einem Theil Seiftan’s und Beludfchiftan’s begrenzt, im Weften von ber 
Provinz Fars, Im Eüden von Theilen Lariflan’s und Mukran's und vom 
Perſiſchen Meerbufen, und im Norden von Geraf und Khorafan. Eie if 
von früheften Zeiten an in die bewohnten und die wuͤſten Gegenden eins 
theilt worden. — „Kerman, Chirdjan oder Eirgan bei Edriſt und Ibn 
Haufal, Liegt am Weftende einer großen Ebene, welche ihrer Fruchtbarkeit 
wegen die Kornfammer genannt wird; nordwaͤrts iſt der Gingang zur 
Müfte von Kerman. Einf war Kerman der Mittelpunkt des Reichthums 
und des Lurus, die zweite Stadt im Perſiſchen Reiche, das große Empo⸗ 
rium zwifchen dem Indiſchen und Arabifchen Ozean, auf.der geradeften 
und fürzeften Straße nad) Sejeftan, Khorafan, Balkh, Bolhara, Mawas 
ralnahar; alfo zwifchen Iran, Turan und dem Lande der Paflage nach 
Snooftan. In diefen Weg lenkte fidyer die alte Etraße von Harınozla 
(jegt Mirab) ein, wo Nearch Iandete und Alerander fünf Tagereifen lands 
einwärts von der Küfte traf — ſiehe Bürd’s Allg. Geſch. der Reifen und 
Entd. J. ©. 414 ff. —, im Lande, das feiner Kultur, feiner gewaltigen 
Weintrauben wegen gepriefen wird, aber eben fo wie heute gefahrvoll we⸗ 
gen feiner Päfle, Cinoͤden und Naubhorden zu bereifen war. Diefen ans 
tifen Handelsweg ſtieg Polo von Kierman hinab durch Reobarle (d. i. das 
Land der Engpäffe) nach der Plaine von Ormus, welche der Infel Or⸗ 
mus gegenüberlag.” Ritter VIIL 726 fi. 

Es dürfte fcheinen, daß unfer Autor Klerman als zu feiner Zeit nicht 
zu Perfien gehörig anfah, weil er es nicht zu den acht Provinzen 
oder Königreichen rechnet, die er herzählt; und fo wurde es auch von 
Edriſt betrachtet, per im zwölften Jahrhundert fchrieb und fagt: Und 
das Land Karman liegt zwifchen dem Lande Perfien und dem Lande Mefran. 

82) „Die reichſte Mine Perfiens,“ fagt Charvin, „it die Türfismine. 
Man hat deren an zwei Orten, zu Nifchapur in Carafion und in einem 
Berge, ber zwifchen Hyrkanien und Parthien liegt, vier Tagereifen vom 
Kaspifchen Meere, und Firus-fu heißt.“ T. IH. p. 2%. — „Bu den be- 
fonderen Merkwürdigfeiten Nifchapur’s gehören die berühmten Türfismi- 
nen feiner Nachbargebirge in N. W., 16 Stunden Wegs von der Stadt 
entfernt. Sie find es, welche feit undenklichen Zeiten vorzugsweiſe und 


94 


Auch giebt es darin Etahl 83) und Andanicoadern in. reicıer 


ausſchließlich ven Achten Drientalifchen Türkis (Piruzeh nach Perfiſcher, 
Firnzeh oder Firuzedje nach Arabiſcher Schreibart, wovon Türkis wohl 
nur eine Verftümmelung fein mag) durch bie ganze Welt geliefert ha: 
ben: venn ver Türfis des Abendlandes, der fogenannte ofzidentalifche, 
wie bies von G. Fiſcher (in Gilb. Annal. 1819. Br. 62. S. 335) nachge⸗ 
wiefen worden, if, obwohl mit jenem häufig verwechfelt, doch ganz andes 
rer Art; diefer wird um Miaff im Ural und im @onvernement Olonez 
gefunden, auch in Frankreich, Echlefien, Böhmen und Thurgan. Diefer 
befteht aus. DBerfteinerungen, meift von Zähnen untergegangener Thiere, 
wie nom Maftodon und Megatherium, die mit Kupferoxydhydrat durch⸗ 
drangen und dadurch gefärbt find. Der ofziventälliche Türkis unterſchei⸗ 
det fich durch innere Blätter und Streifen, die feinen Inschenartigen Bau 
verrathen; er nimmt Feine fo glänzende Politur an wie jener, verliert feine 
Farbe in Eſſigſaͤure und wird durch Salpeterſaͤure zerſtoͤrt, was bei aͤch⸗ 
ten orientaliſchen Türfifen, -die G. Fifcher deshalb zum Unterſchiede Kar 
laiten, Schönfteine, genannt hat, nicht der Fall if. Von dieſen Kalaiten 
oder orientalifchen Türfifen unterfcheivet derjelbe Autor, nach den Samms 
bangen, breierlei Arten, die er Kalait, Agaphit, Johnit nennt, deren 
legtere, ein Duarztürfis, von grünlihem Blau nit mufchlichem: Brad 
und Glasglanz ungemein felten fein foll, die beiden anderen aber aus ben 
Khorafangruben bei Niſchapur kommen aus einem fogenanuten aufges 
ſchwemmten Gebirge. . Die erftiere Art, ein von Kupferoxydhydrat ges 
färbter, dichter Thon, der nur felten. in ven Handel fommt, der zweite, 
Agaphit, vom blaßblanen bis zum dunfeliten Himmelblau, aber ftets ‚von 
gleicher äußerer Geſtalt, ſchaalig in Thoneifenftein eingelagert, in benfels 
ben Gruben vorfommend, wie jener, wo er vielfältig in ſich verzweigens 
den Gebirgsadern, aber nur felten größer als erkfengroß, gefunden wird. 
Von diefen beiden Arten ift nur In dem hiefigen Lofale Riſchapur's die 
Rede; das Vorkommen befjelben Evelfteines an anderen Orten Aftens iR 
zwar bei orientalifchen Autoren auch angegeben, doch find bie anberwärts 
genannten Gruben faum wohl bebaut und von feinem Augenzeugen bes 
ſchrieben. Bon der Türfismine zu Nifchapur fagt das Inaher Nameh, 
ein orientaliſches Dianuffripi über die Gvelfteine, daß fie feit Altefter Zeit 
die beruͤhmteſten Türfife lieferte, welche Abu Iſchaki heiten. Diefe ſeien 
wärdig, die Echapfanımern der Fuͤrſten und Herrfcher zu ſchmuͤcken. Denn 
fie wendeten das Unglüd ab von denen, die fie tragen, fie verfchafften die- 
Gunſt der Prinzen, vermehrten den Reichthum, erhielten ven E charfblid 
des Auges, ficherten den Sieg über den Feind und verfchenchten die boͤ⸗ 
fon Traͤume. Die alten Weifen, -nerfihert es, pflegen, wenn ſie ven 


95 


Menge. ie verfertigen hier in großer Vollkommenheit alle 
foldye Dinge, die nöthig ſind zu kriegeriſcher Ruͤſtung, wie 
Saͤttel, Zaͤume, Eporen, Schwerter, Bogen, Köder und über 
haupt jede Art von Waffen, die unter dieſen Voͤlkern ges 
braudjt werden. Die Frauen und jungen Maͤdchen fertigen 
mit der Nadel Stidereien von Eeide und Gold in verfcie- 
denen Farben und Muftern, die allerlei Thiere darftellen, mit 
anderen anmuthigen Verzierungen. Diefe werten beftimmt zu 
Vorhängen, Deden und Kiffen für die Schlafitelen der Reis 
chen, und werben bie Arbeiten mit gar bewunderungswuͤrdigem 
Geſchmack und viel Geſchicklichkeit ausgeführt. In den Bers 
gen werben die edelften Falken, die irgendwo die Schwingen 
heben, angetroffen. Eie find Feiner wie die Wanverfalfen, 
an Bruft und Leib und unter dem Schwanze roth, und ihr 
Flug ift fo ſchnell, daß Fein Vogel ihnen entihlüpfen Fann. 
Wenn man Kierman verläßt, fo wandert man acht Tage lang 
auf gar: freunblihem Pfade durch eine Ehene, in der man 
Rebhuͤhner und anveres Wild im Ueberfluſſe findet; auch auf 
viele Etädte, Echlöffer und zerftreute Wohnungen fommt man, 
bis man entlid an einen beträdtlichen Berghang kommt, dır 
zwei Tagereifen abfteigt. Fruchtbaͤume werben in reichem Mafie 
daſelbſt gefunden; die Gegend aber war früher fehr bevöl- 
fert, da fie jegt ohne Einwohner if. Man fieht nur Hirten 
darin, die ihr Vieh weiten lafien. In dem Theile des Lan⸗ 
tes, den man durdyzieht, bevor man an die Bergneigung fommt, 
ift die Kälte fo groß, daß ein Mann fih nur ſchwer gegen 
diefelbe durch viele Kleiver und Pelze fügen kann 8%), 


Nenmond erforscht, dann ſchnell den Blick auf den Firnzeh zu heften.“ 
S. Ritter Aften VII. €. 325330. — 

83) Die Bifenminen, fagt Chardin, find in Hyrfanien, im noͤrd⸗ 
lichen Medien, im Lande der Parther und in Baktriana. Die Etahl: 
minen finden fich in denfelben Ländern und liefern fehr viel. &.23. Dann 
führt er fort die befonderen Eigenfchaften dieſes Stahls zu befchreiben 
und ihn mit dem Indiſchen zu vergleichen. — Marsven will für Andani- 
com Antimonium fegen. S. Anmerf. 104. 

84) Der Weg von der Stadt Kerman nach dem Berftfchen Meerbufen, 


96 


Vierzehntes Kapitel. 


Bon der Stadt Kamandu und der Landſchaft Reobarle; von gewiſſen Voͤ— 
geln, die daſelbſt gefunden werden; von einer beſonderen Art Ochſen, 
und von den Karaunas, einem Roaͤuberſtamme. 


Nachdem man den Hang, von weldem die Rede gemejen 
ift, überfähritten, fommt man in. eine Ebene, die fih in füb- 
licher Richtung fünf Tagereifen weit ausbreitet. Gleich im 
Anfange derfelben wird eine Etadt, Kamandu genannt 85), 


der bier befchrieben wird, ging wahrfcheinlich durch die Stadt Bam oder 
Bumm, die nahe an bet Grenzlinie zwifchen den fogenannten Falten und 
warmen Regionen Kirman’s fand: „Die Provinz Nurmarfheer“, fagt Pot- 
tinger, „breitet fih von der Wüfte aus, bie fie von Beludſchiſtan bei der 
Stadt Bumm trennt. Ihre weftliche Grenze macht die Provinz Kirman, 
zu welcher fie, wie ich glaube, jegt gehört; öftlich hat fie die Wüfte, mie 
fchon erwähnt, und nördlich und firdlich zwei Reihen von Bergen, vor 
denen bie letzten bei weitem bie höchiten und wie mir ſcheint, zu allen 
Sahreszetten mit Schnee gefrönt find, wie fie es zu ber Seit waren, als 
ich fie fah, wo es in ber niederen Ebene außerordentlich heiß war.” S. 199. 
Dies feheinen die Berge von Maren zu fein, welche, wie Ibn Haufal 
fagt, zu der Falten Region von Kirman gehören: „Schnee liegt auf den: 
felden.” — An einer anderen Etelle fagt er, daß wenn man bie Stadt auf 
dem Wege nach Bam erreicht, man fich rechts wendet, um nad Sireft 
zu kommen, einer Etadt, bie nicht weit von Hormuz entfernt iſt, wo die 
Einwohner zu gleicher Zeit alle Erzeugnifie deg warmen und des Falten 
Klimas genießen. — Was nun den Kältegrad anlangt, den man nad 
Polo auf diefem Wege auszuhalten hat, fo ift er wohl nur. auf die Ges 
fühle von Perfonen zu beziehen, die an eine außerordentliche Hitze ges 
wöhnt find. — „Suͤdlich von der großen Bergfette, die ich oben befchrie: 
ben habe“, fügt Pottinger hinzu, „und zipifchen ihrem Fuß und dem Meer 
liegt das Gurmfeer oder heiße Land... Innerhalb der Grenzen Kirman’s 
befteht jene Gegend faft nur aus falzigem Eand, und bas Klima iſt ganz 
befonders ungefund. Ele erzeugt nichts als Datteln von fehr geringer 
Dualität und ift demzufolge faſt ganz entvoͤlkert.“ M. 

85) Die Geografie des. Landes, welches zwiſchen der Hauptſtadt der 
Proviuz Kirman und dem Perſiſchen Meerbuſen liegt, iſt faſt gaͤnzlich 
unbekannt; es iſt daher ſchwer, den Platz zu beſtimmen, der unter Ka— 
mandu gemeint iſt; ſelbſt wenn dieſe Stadt, die ſeit unſeres Autors Zeit 


97 


gefunden, die früher ein großer Pla und von viel Wichtig⸗ 
feit, was fie gegenwärtig nicht mehr ift, da fie zu verſchie⸗ 
denen Malen von den Tartaren verwüftet und zerflört wor⸗ 
den. Die benachbarte Landſchaft wird Reobarle genannt 86). 
Die Luft derfelben ift fehr warm; fie bringt Weizen, Reis 
und anderes Korn hervor. In dem Theile, welder ven 
Hügeln am nädften liegt, wachſen Granatäpfel, Quitten und 
verjchiedene andere Fruͤchte, von weldhen eine Sorte Adams⸗ 
Apfel genannt wird, Die in unferem Klima nicht befannt ift. 
ZTurteltauben ‚werben hier in ungeheurer Zahl gefunden, was 
von dem Reichthume Heiner Früchte kommt, die ihnen Futter 
geben, und weil fie nicht von ben Mahometanern gegeflen 
werben, denen fie ein Abſcheu find. Auch giebt ed daſelbſt 
viele Safanen und Birkhühner 87), weldye letztere denen anderer 


au Bedeuntſamkeit verloren hat, noch. beitande. Vielleicht ift es das Mes 
maun auf D’Anville'6 Karte oder das Koumin Ibn Haukal's. 


86) Unter Reobarle iſt augenfheinlih RudsbAr gemeint, eine be- 
ſchrelbende Benennung, wie fie in zahlreichen Fällen auf bie Städte und 
Diſtrikte Perfiens und bie benachbarten Länder angewendet worden. Eie 
bedeutet „einen Fluß in einem Thale, das Bett eines Stromes und auch 
einen Plag, wo viele Ströme laufen; und der Diftrift, von dem hier 
bie Rede tft, als dieſer Befchreibung entfprechend, fcheint nach den Ber: 
hältnifien die Ufer des Bluffes eingenommen zu haben, welcher auf D’Ans 
villes und Malcolın?s Karten den Namen Div Rud führt und den man 
auf dem Wege von Kerman nad) Ormuz überfchreiten muß. Das Tage: 
buch Kapitän Chriſtie's erwähnt einen Plat Namens Robbar, der volls 
fommen ber DOrisbefchreibung entipricht, abes in einer viel zy großen Ents 
fernung vom Perfifchen Meerbufen liegt, als daß er derjenige fein könnte, 
yon welchem hier die Rede if. M. — Ih flimme Marsden bei, Bal- 
delli Hingegen haͤlt ganz irrigerweife den Fleinen Flecken Robat, den Bot: 
finger bei feiner Tour von Kerman nah Schiras erwähnt, für Reobarle, 
und ſetzt dabei ganz außer Augen, daß Polo von einer großen Landſchaft 
ſpricht, ‚auf welche aufier ber größeren Namensähnlichkeit auch noch Lage 
ad Befchaffenheit Rudbar's paflen. Ritter hat Marsven’s Auslegung an: 
jenommen. Ciehe weiter über Rubbar die Anmerf. zum 21. Kapitel. 

87) Der Tetrao francolinus oder das Birkhuhn des Morgenlans 
»es hat rothe Beine und rothen Schnabel, wie es hier beſchrieben if. 

7 


98 


Länder nicht gleichen; ihre Farbe ift roth und weiß gemifcht 
und fie haben xothe Echnäbel und Fuͤße. Unter dem Vieh 
giebt es auch welches von ganz ungewöhnlicher Art, vorzüg- 
lid) eine Art großer weißer Odfen mit glattem Sell, was 
von dem heißen Klima fommt, mit Furzen, dicken und ſtumpfen 
Hörnernz fie haben zwiſchen den Schultern eine 'höderige Er- 
hebung oder einen Budel, der ungefähr zwei Palmen hoch iſt. 
Es find dies ſchoͤne Thiere, die wegen ihrer Stärfe fähig 
find, große Laften zu tragen. :. Wenn man ihnen die Bürbe 
aufladen will, Fnieen fie nieder, wie die Kameele, und erhe- 
ben ſich dann wieder mit der Laſt88). Auch Schafe findet 
man da, die fo groß find wie Eſel; fie haben lange und 
dide Schwänze, die dreißig Pfund und mehr .wiegen, fett 
find und föjtlic zu effen89). In diefem’ Lande giebt es viele 
Dr. Rufjel nannte es francolinus olinae, befannt bei den Franzoſen unter 
dem Namen „gelinotte,“ 

88) Die Art Ochfen, die zu Surate und im anderen Gegenden ber 
MWeftfüfte Indiens zum Ziehen an Fuhrwerken, die Haffries genannt wer: 
ven, gewöhnlich gebraucht wird, wurbe wahrfcheinlid von dort in die äft- 
lichen Provinzen Perfiens eingeführt: Mafudi (im 10. Jahrh.) ſah zu 
Rai Ochſen, „die gleich Kameelen zum Niederknien abgerichtet Waren, um 
mit Zaften beladen zu werben.” . 

89) Diefe eigenthümliche Art Echafe (ovis laticandata) {ft im ver- 
ſchiedenen THeilen Afiens und Afrifas zu finden und iſt vielfach befchrie 
ben worden. In der „Naturgefchichte von Aleppo“ wird folgende aus 
führliche Befchreibung berfelben gegeben: „Es giebt,“ fagt Ruffel, „zwei 
Arten Schafe in der Nachbarfchaft von Aleppo: die einen werben die Be: 
duinen-Schafe genannt, welche fi in Feiner Weife von dem” größeren 
* Schafgattungen in Britanien unterfcheiden, ausgenommen, daß ihre 
Schwänze etwas länger und dicker find; die anderen find die von ben Reis 
jenden wegen ihrer außerordentlihen Echwänze oft erwähnten, und biefe 
Art ift bei weitem die zahlreichfte. . Der Schwanz iſt fehr breit unb groß 
und läuft in ein Fleines Ende aus, das ſich auf ihn zuruͤckkruͤmmt. Er 
iſt von einer Subftanz zwifchen Fett und Marf, wird nicht allein gegeflen, 
ſondern bei vielen ihrer Gerichte mit dem mageren Pleifch vermifcht; uud 
wird auch oft ald Butter gebraucht. Ein gewöhnliches Schaf diefer Bat: 
tung, ohne Kopf, Büße, Haut und Eingeweive, wiegt ungefähr zwölf oder 


I 9 


Etädte, die mit hohen und diden Erdmauern umgeben find; 
um die Beivohner gegen die Einfälle der Karaunas zu fhügen, 
die das Land durchſchwaͤrmen und Alles rauben, was fie er 
reichen fonnen?9). . Damit nun der Lefer verftehe, mas das 


vierzehn Aleppo Rotoloes (zu fünf Pfund), davon Kat der Schwanz ges 
wöhnlich drei Rotoloes oder mehr; aber die, die von der größten Zucht 
and am fetteſten find, wiegen auch wohl über breißig Motoloes, und ihre 
Schwaͤnze zehn (oder funfzig Pfund); was kaum glaubhaft erfcheint. Diefe 
fehr großen Schafe, die um Aleppo in befonderen Hürden gehalten wer⸗ 
den, Tonnen ihre Schwänze nicht befchänigen, aber an einigen anderen 
Dlägen, wo fie auf den Zelvern meiden, find bie Echäfer gendthigt, ein 
dünnes Bret unter dem Schwanz zu befefligen, um ihn gegen Sträucher, 
Difteln ze. zu ſchützen, nnd einige haben Fleine Raͤder, um ihnen’ das 
Nachziehen der fo belafteten Breter zn erleichtern; woher mit einer Heinen 
Uebertreibung die Befchichte von den Wägen fommt, bie fie haben‘, um 
ihre Schwänze nach fich zu ziehen.“ P. 51, ed. I. Chardin's Erzählung 
von ‚den „moutons à grosse queue“ in Perfien flimmt mit der obigen 
vollfommen überein. Pallas glaubt, daß bie Fettigfeit dieſer Thiere von 
der falzigen Beichaffenheit des Bodens, auf bem fie weiden, herfommt, 
und erzählt, daß wenn Schafe aus anderen Ländern eingeführt werben, - 
fie ebenfo wie jene Art fett werben. 

90) Die Keraunas over Karaunas koͤnnen wir ale Einwohner von Mefrän 
annehmen,. einem Randesftrich, der fich von der Nachbarfchaft des Indus bie 
an den Perfiichen Meerbuſen ausvehnt und der feinen Namen von dem Eans 
ſtritwort karäna herleitet, welches „Ufer“ ober „Kuͤſte“ bedentet. Doch 
bebentet karäna auch „Leute von gemiſchtem Blut.’ Wären fie mm Nach⸗ 
fommen jener Mifchrace, fo.müffen wir annehmen, daß die verworfenen 
Abenteurer, welche Nikodar nach Indien führte, fich dort nicht nieverlie: 
Sen, fondern mit ihren Weibern und Kindern wieder wegzogen und fich 
in ber Provinz Mafran zerfireuten, wo fie und ihr nachkommendes Ger 
ſchlecht ſehr natürlich eine Kolonie von Räubern wurden. Die Karaunas 
fcheinen fi fehr wenig von dem benachbarten Volke Beludſchiſtan's zu 
unterfchelden, wenn fie nicht vielleicht in der That zur felben Race gehoͤ⸗ 
ren; und was unfer Autor von ihnen berichtet, ift ein treues Gemälde 
von den ränberifchen Gewohnheiten, die ven letzteren zugefchrieben wer: 
ven. M. — Sollten mit diefen Horden nicht etwa auch fchon öfter bie 
nicht weniger dort in Mekran häufig herumſtreifenden Horden der Luris 
vermifcht worden fein, die in zahlreichen Horden längs dem Suͤdrande 
ves Iran Blateau’s leben? Pottinger lernte fie auch Tben hier, in Me- 

1* 


100 


für ein Bolt ift, muß erwähnt werben, daß es einen Fuͤr⸗ 
ften gab, Ramend Nugodar, der ein Neffe Zagatai’d war, der 
ein Bruder des Gropfhan’d (Dftai) und in Turfeftan re 
girte91). Diefer Nugodar lebte am Hofe Zagatai’d und 


fran Tennen, wo fie wegen ihrer Raͤuberei berüchtigt find, und als die 
foltblütigften, graufamften Mörder gelten. Diefe Luris, Bagabunden ohne 
Heimath, hält der Britifche Neifende für mit den Zigeımern fehr nahe 
verwandte Stämme, deren Herfommen aus Indien auch uoch fehr im 
Dunfeln liegt. eve der Luri-Horden in Mefran foll ihren König ha⸗ 
ben; fie leben vom Rauben und Plünvern, führen Affen und Bären 
mit fih herum, unterhalten fidy mit Trinfen, Tanzen, Singen; bei jeder 
Truppe finden fit Weiffager, die in ver Kunft Ruml (d. h. Sand, nad 
Pottinger) und Kurna (d. h. 2008) bewandert find. Sie fprechen eine eis 
gene Epruche, nennen fi Mahometaner, ohne fih um Religion zu kuͤm⸗ 
mern, und behaupten, ber Menſch werde nur geboren, um zu leben, zu 
fierben, zu verweſen und wieder vergefien zu werben. Ritter, Aſien VIII. 
©. 733. 

91) Diefer Nugodar wirb von keinem ber Gefchicktfchreiber er- 
wähnt, bie über die Tartaren berichten; es wird nur eines Nugo⸗ 
dar's aus dem Blute Hulagu’s, des Herrn von Perfien, Erwähnung ges 
than, der nicht derfelbe fein kann, von welchem oben die Rede tft. Dichas 
gatai, Enfel Dſchingiskhan's und Bruder DOktaifhan’e, hatte die Herrichaft 
über den Theil Zentralaftens, der Groß⸗Turkia genannt wurde, um es 
von bem Lande, welches die Türken in Kleinaflen und ben anliegenden 
Ländern eroberten und das nach ihnen benannt wurde, zu unterfchelden. 
Die Hauptftadt jenes Landes war Bifch-Baligh (Deguign. 1. I. p. 285): 
Nah unferem Autor hat alfo ber Enfel Dichagatai’s, der Abenteurer Nu: 
godar, einen Fürften von Delhi, Namens Aſidin, feines Landes beraubt. 
Deguignes hat zwar bie chronologifche Lifte der Fürften von Delhi geges 
ben, aber in großer Verwirrung. Es ſcheint, daß jener Aſidin Bolo’s 
ber Fürft ift, der Scham⸗ſeddin genannt wird und 1233 farb (ib. p. 415). 
Das Faktum kann nicht in Zweifel gezogen werben, und für die Wahr: 
heit zeugt der Marfch Nugodar’s, den er nach Polo durch die Länder Ba; 
dakhſchan und Kafchmir unternommen, davon fein anderer Europäer als 
Polo in jenem Jahrhundert Kenntniß haben konnte. Darin aber fcheint 
Polo zu irren, wenn er fagt, „aber zuletzt fiel er in das Land Malabar ein 
und nahm mit Gewalt die Stadt Delhi,” als wenn diefe Stadt in Malas 
bar fi) befinde, von wo fie doch fehr entfernt liegt. Doch ift es fehr 
wahricheinlih, dag Nugodar ganz Malabar ausbeutete, darauf zuruͤckkeh⸗ 


8 
' 


101 


wurde von Ehrgeiz erfaßt, ſich felbft zum Herrfcher zu machen, 
und da er gehört hatte, daß es in Indien ein Land gebe, 
Malabar, welches zu der Zeit von einem Könige, Namens 
As⸗idin Sultan, beherrſcht wurde und noch nicht der Bot- 
mäßigfeit ber Zartaren unterworfen worden, fammelte er heim» 
lid) ein Heer von 10,000 Mann aus den verworfenften und ver- 


rend ben Ufern des Ganges ſich näherte und Delhl eroberte. B. B. — 
Marsden bezieht Malabar auf Lahore, welches nrfpränglich Lahawar heiße. 
Malabar ſelbſt dafuͤr anzunehmen, hält er fuͤr ungereimt, nnd ſagt dann 
ſpaͤter: „Es könnte gefragt werben, wo leſen wir bei einem Morgenlaͤndi⸗ 
ſchen Gerchichtfchreiber von diefer Groberung Delhi's durch die Mongo⸗ 
Ien, die dem Einfall Tamerlan’8 vorhergegangen wäre?“ In beftimmter 
und ausführlicher Weife nirgends, aber doch finden wir eine foldhe Ans 
näherung der Thatfachen, daß wir die von unferem Autor gegebene Grs 
zaͤhlung nicht fo leicht hinnehmen dürfen, da er fie aus dem Munde von 
Berfonen gehört haben mag, die nur eine Benerazion nach denen gelebt 
haben, welche bei ber Begebenheit betheillgt waren. Das Ereignig muß 
wenig Jahre vor oder nach dem Tode Dichayatai’s (1240) ftattgefunden 
haben. Nun fehen wir in ver Gejchichte von Hinboftan, in Dow's Webers 
feßung nach dem Tert von Ferifhta, daß Moazz⸗eddin Byram Schah, Rd: 
nig von Delhi, defien Regirung 1289 begann und 1242 endete, tn. ernfte 
Mißverhältniffe mit ſeinem Vezier und feinen erſten Omrahs gekommen 
war, von denen eine Meuterei unter ſeinen Truppen erregt wurde. In 
dieſer Kriſis Fam die Nachricht, „daß die Mongolen des großen Zingis vor 
Labore gerüdt wären, daß Malek, ver Vizefönig dieſes Plages, weil feine 
Truppen ihm den Gehorſam verfagt, ſich genoͤthigt gefehen hätte, bei 
Nacht zu fliehen und gegenwärtig auf dem Wege nad Delhi ſei, und 
daß Lahore vom Feind geplündert und bie unglücklichen Einwohner in die 
Gefangenſchaft fortgeführt worden wären!“ — „Der DBezter rüdte mitt» 
lerweile gegen bie Hauptſtadt vor, die er vieriehalb Monat belagerte. Da 
endlich Rebellion unter den Ginwohnern ausbrach, wurde bie Stadt im 
Sahr 1241 genommen. Byram wurde in das Gefängnig geworfen, wo 
er in wenigen Tagen fein trauriges Ende fand. Die Mongolen kehrten, 
nachdem fie bie Provinzen an den fünf Armen bes Indus verheert, nach 
Ghizni zuruͤck.“ So fehen wir, daß zu der in Rede ſtehenden Zeit eine 
Mongolifche Armee in die dem König von Delhi unterworfenen Provinzen 
einfiel und feine Grenzſtaͤdte plünverte, während feine rebellifchen Unter: 
thanen den durch die fremden Gindringlinge erregten Schrecken benupten, 
vie Regirung fürzten und ihren Fuͤrſten ermorbeien. 


102 


zweifelften Leuten, die er finden funnte, und trennte ſich von. 
jeinem Oheim, ohne ihm von feinen. Abfichten etwas mitzu- 
theilen, ruͤckte durch Balaſchan in das Königreid, Kesmur, 
wo er wegen der ſchwierigen und fchledyten Wege viel Leute 
und Vieh verlor, und fiel dann in das Land Malabar ein. 
Da er fo unvermuthet über As⸗idin gefommen, nahm er ihm 
mit Gewalt eine Stadt, Dely genannt, mit nod) vielen an- 
deren in jener Gegend, und begann daſelbſt zu herrſchen. 
Die Tartaren, die er dahin geführt hatte, die Leute von 
lichter Farbe waren, vermijchten fih mit den dunflen Indis 
hen Weibern und erzeugten eine Race, weldyer der Name 
Karaunad gegeben wurde, was in der Landesſprache Miſch⸗ 
volk bedeutet. Das iſt das Volk, weldes ſeitdem Räubereien 
betreibt, nicht allein im Lande Reobarle, fondern. in jedem 
anderen, wohin ed gelangen kann. In Indien erlangten 
fie die Kenntniß magifher und teuflifher Künfte, . vermittelt 
derer fie eine Finfterniß hervorbringen Fönnen, die das Licht 
des Tage3 fo fehr verdunfelt, daß die Feute einander unfidt- 
bar werden, wenn fie aud nur in geringer Entfernung von. 
einander ſtehen. Sobald fie ihre räuberifhen Züge unter 
nehmen, üben fie diefe Kunft aus und ihr Nahen wird de 
halb nicht bemerkt. Gar häufig iſt diefe Landſchaft der Schaus 
plat ihrer Unthaten, weil die Kaufleute, die aus verfchiebe- 
nen Gegenden fid) in Ormus verfammeln und auf die, welde 
unterwegs von Indien find, warten, in der Winterzeit ihre 
Pferde und Maulefel, die von der weiten Reife fehr mitges 
nommen find, in die Ebene Reobarle fenden, wo fie Futter 
im Meberfluß finden und fett werben. Kaum werben bie 
Karaunas dies gewahr, fo ergreifen fie die Gelegenheit, einen 
großen Raubzug zu veranftalten und maden die Leute, welde 
das Vieh begleiten, zu Sklaven, wenn fie fein Löſegeld geben 
fönnen. Deareo Polo wurde felbft in eine ſolche zauberkuͤnſt⸗ 
liche Finſterniß se), entfam aber daraus in das Schloß 


— — R 


92) In der Iateinigihen Heberfeßung wird dieſes vom Autor in erſter 


103 


Konfalmi?3). Einige feiner Gefährten jedod wurden gefun- 
gen und verfauft und andere erlagen den Scwertern der 
Feinde. . 


Verfon gefagt („ego Marcus qui haec scribo,“) als wenn er meine, daß 
es des ganzen Gewichtes feiner verfonlichen Autorität beduͤrfe, feine Mit: 
theilung glaubhaft zu machen. Tie Gefchichte. mag jedoch auf weiter 
nichts hinausfommen, als daß diefe Räuber, die in den benachbarten 
Bergen hauften, die Gelegenheit dichter Nebel benußten, um ihren Anz: 
griff auf die Karavanen mit deſto größerer Eicherheit auszuführen, waͤh⸗ 
rend ihre Keuntnig des Landes fie bei Befeßung der engen Defileen be- 
günftigte, durch welche die Reiſenden ziehen mußten. M. — Zauberfünfte: 
Was folche Berichte anlangt, jo nahm es Polo nicht fehr genau; das lag 
im Charakter jenes einfachen Zeitalters. Alle afatifchen Bölfer find. 
für ſolche Maͤhrchen eingenommen, befonders die Perſer (Chard. Vog. III. 
%04 ff.). Erzaͤhlungen dieſer Art waren zu den Zeiten Polo's im Mor⸗ 
genland allgemein, namentlih von einem gewiſſen Mahmud Tarabi, einem 
Betrüger, welcher die Einwohner von Bofhara und der nmliegenden Ges 
gend mit feinen falfchen Wundern getäufcht Hatte. Er emporte ſich ges 
gen Dfiehayatai und als die Mongolen ihn befimpfen wollten, wurden fie 
fo von Staub eingehüllt, daß fie die dadurch entſtandene Dunkelheit für 
eine wunderbare Finfternig hielten und nicht wagten Ihn anzugreifen. 
Der Betrüger wurbe getöbtet, ohne daß. weber bie Mongolen noch ſeine 
eignen Leute wegen der Finfterniß folches gewahrten; jene wurden ge: 
ſchlagen. Nach vem. Siege verbreiteten die Anhinger Mahmud's das 
Gerücht, er habe auf einige Zeit fih unfichtbar gemacht, und fo wurden 
fie fogar von, dem Bruder Mahmud's gefürchtet. Diefe Abenteurer nannte 
man nad) ihrem Haupte Tarabianer (Herbelot über Dichagatai). Zwi⸗ 
ſchen der Erzählung Polo's von den Karaunas und den Tarabianern Her: 
belot’s findet man große Achnlichkeit. B. DB. 

93) Diefes Schloß Konfalmi, oder nach einer anderen Befeart Ka⸗ 
noſalim, wird auf unfern Karten nicht gefunden, aber es mag bemerkt 
werden, daß die Perfiichen Worte Khanahzalsfalam „das Haus ber Si⸗ 
herheit oder des Friedens‘ bedeuten. „Wir fahen einen Kleinen aber- zier- 
fichen Thurn‘, fagt Elphinſtone, „auf diefem Marſch (durch die Wuͤſte), 
und man fagte uns, daß er ein Zufluchtsort für die Reiſenden fei gegen 
bie: raͤuberiſchen Horden, welche die Karawanenzuͤge bedrohen.“ 


104 


Fuͤnfzehntes Kapitel. 


Bon der Stadt Ormus, die auf einer Meinen Infel, nicht weit vom Feſt⸗ 
land, im Indiſchen Meere Tiegt; von ihrer Handelswichtigkeit, und 
von dem heigen Winde, der dafelbft weht. 


Am Ende der vorerwähnten Ebene, die ſich in fühlicher 
Richtung fünf Tagereifen weit ausdehnt, ift ein Abhang von 
etwa zwanzig (Stalienifchen) Meilen, ver fehr gefährlich ift 
wegen ber Menge Räuber, von denen bie Reifenden beftändig 
angefallen und geplündert werden. Dieſe Bergneigung führt 
in eine andere Ebene, die über die Maßen fchön in ihrer 
Erfheinung ift, zwei Tagereifen weit ſich ausbreitet und die 
Ebene von Ormus genannt wird. Hier uͤberſchreitet man 
eine Menge huͤbſcher Fluͤſſe und Baͤche, ſieht ein Land, das 
mit Dattelbaͤumen bedeckt iſt, unter denen man Birkhuͤhner, 
Papageien und viele andere unſerem Klima unbekannte Voͤgel 
findet. Zuletzt kommt man an das Meer Ozean, wo auf 
einer Inſel, nicht fern von der Kuͤſte, eine Stadt ſteht, Na— 
mens Ormus92), deren Hafen beſucht wird von Kaufleuten 





94) Die eigentliche alte Stadt Ormus oder Hormus (von Ptolemoaͤus 
Apnovfe moAsg, von den Lateinern Armuza und Armuzia und von ben 
Portugiefen Ormuz genannt, während die Araber und Perfer ten Hauch 
vorfegen und Hormaz fchreiben) lag an ver äftlichen Küfte des. Perfifchen 
Meerbufens in der Provinz Mogoftan und dem Königreich Kerman. Ibn 
Haufal, der gegen das Ende des zehnten Jahrhunderts fchrieb, fagt von 
biefer Etadt: „Hormuz iſt der Handelsplag der Kaufleute in Kirman und 
ihr erfter Seehafen; fie hat Moskeen und Markipläge, und die Kaufleute 
wohnen in deu Vorſtaͤdten.“ Cie wurde zerftört von einem der Fürften 
aus der Selvichud-Dynaftie, die in Kerman berrfchten ,: oder nach an⸗ 
deren Berichten von den Mongolen. Die Zeit, in welcher dieſes geſchah, 
iſt nicht genuͤgend beſtimmt. Bei dieſer Gelegenheit zogen die Einwohner 
mit ihrer beſten Habe nach der benachbarten Inſel Dſcherun, ungefähr 
13 geografiſche Meilen von der frühern Etadt, wo die eine Stadt Hors 
muz oder Ormus, bie zu. noch größerer Berühmtheit gelangen folfte als 
die frühere, gegründet wurde; obgleich unter den Mißverhältniffen von 
Waflermangel und von einem Boden, der mit Salz und Schwefel ge 


105 


aus allen Gegenden Indiens, welche Gewürze und Epezereien, 
föftlihe Eteine, Perlen, Gold» und Seivengewebe, Elefanten- 


ſchwaͤngert war. Abulfeba, ver in dem erften Theil bes vierzehnten Jahrs 
hunderte lebte und ein Zeitgenoſſe unſers Autors war, befchreibt bie 
Inſelſtadt und jagt: „Einer, der fie in unferer jebigen Zeit fah, er- 
zählte mir, daß das alte Hormuz durch Einfälle der Tartaren zerftärt 
worden nnd daß feine Einwohner nach einer nicht weit vom Feftlande 
im Meer gelegenen Juſel gezogen feien, die Zarun heißt, weſtlich vom 
alten Hormuz.“ Diefe Infel wurde dem eingebornen Fürften im Jahre 
1507 von den Portugiefen.unter dem berühmten Albuguerque entrifien. 
„In ihren Händen“, fagt Robertfon, „wurde Ormus der große Marft, 
von welchem das Perfifhe Reich und alle weitlih von ihm gelegenen 
Provinzen Afiens mit den Erzeugniffen Indiens verfehen wurden; und 
eine Stadt, die fie auf einer dürren Infel, die alles Waſſers entbehrte, 
bauten, wurbe einer ber vorzüglichiten Sige des Reichthums, Glanzes 
and Lurus in ber öftlihen Welt.“ Historic. Disq. p. 140, Dieſem 
wurde fie, 1622, vom Schah Abbas mit dem Beiftand eines Englifchen 
Geſchwaders entrifien. Ihre Beftungswerfe und andere öffentlichen Ges 
baͤude wurden von den Groberern rafirt und ihr Handel auf einen Pla 
an der benachbarten Kujte, Gambron genannt, übergetragen, dem er ben 
Namen Bender Abbafji gab. Aber in der Zwifchenzeit hatte die @nts 
deckung bes Seeweges von Europa um das Rap ber guten Hoffnung den 
Haupthandel in einen neuen Kanal geleitet, und der Handel, der durch 
die Mittelhäfen des PBerfifchen Meeres geführt worden, ſank mit Echnel: 
ligkeit. Als Niebuhr im Jahre 1765 dieſe Theile befuchte, Hatte ein 
Mann dus Eiland, auf welchem Hormuz ftand, inne, der im Seedienſt 
Nadir Schah's geftanden, und der Platz mar zu völliger Unbedeutendheit 
herabgefunfen. M. — Nachdem Ritter den fchon oben (Anm. 67) ange: 
gebenen Weg Bolo’s von Kerman nach Ormus verfolgt, fagt er weiter: 
„Diefen Weg nahmen wahrfcheinlich die Gnebern, als fie von Nezd nach 
Kerman über Ormus nach Div fich einfchiffend ihr Vaterland fliehen 
mußten‘ (f. Aſien IV. ©. 615). Die Reiferoute eines Ringebornen, welche 
die Britifche Gefandtfchaft mittheilt, nennt den Ort des Herabſteigens 
Bagh-Gulnar und fagt, es daure 23 geogr. Meilen (38 Farſang). — 
Dies ift die alte Landſtraße, welche jetzt eine unwirthbare Einoͤde gewor⸗ 
den, mit wenig elenden Dörfern, da hier zu Abbas bes Großen Zeit auf 
jever Stazion ein fchönes Karavanferat erbaut war und Handelsleute 
anfs und abzogen. Weber Bender Abaffi, einft mit 20,000 Ginwohnern, 
hat Abnſchaͤhr als Hafenort ſchon laͤngſt Das Uebergewicht davon’ getras 
gen. Die Stadt Kerman iſt ſchon laͤngſt, mad feit 1794 von Neuem 


106 


zähne und eine Menge anderer Waaren bringen. Dieſe laffen 
jie den verſchiedenen Hantelöleuten ab, die ſie durch die ganze 
Welt verbreiten. Genannte Stadt iſt nämlich ein mädtiger Han- 
delsplag, hat Staͤdte und Schloͤſſer, bie von ihr abhängig 
find, und wird als der Hauptort im Koͤnigreiche Kierman 
erachtet. Der jebige Herr heist Rufmerin Achomak, ver mit 
unumfchränfter Gewalt regirt, aber zu gleicher Zeit den König 
von Kierman als jeinen Oberherrn anerfennt?5). Co ein 
fremder Kaufmann bier ftirbt, nimmt er all fein Gut und 
verleibt e8 feinem Edape ein. Während des Sommers blei⸗ 
ben die Einwohner nicht in der Etadt, wegen der großen 
Hige, welche die Luft ungefund macht, fondern ziehen ſich in 
ihre Gärten längs der Küfte oder auf die Infeln ver Fluͤſſe 
zurüd, wo fie fid) mit einer Art Weidengeflecht ihre Hütten 
über dem Wafler bauen; dieſe hegen fie mit PBfählen ein, 
die auf der einen: Eeite ind Wafler und auf der anderen 
in das Uferland getrieben werten, und bedecken die Hütten 
mit Blättern, um fih vor der Eonne zu fügen. Hier 
bringen fie die Zeit zu, wo jeden Tag- von ber neunten . 
Etunde bis zum Abend ein Landwind fo drüdend. heiß weht, 
daß alles Athmen gehemmt wird und die Leute, die fich ihm 
ausfegen, erftiden müffen. Niemand Tann feinen böfen Wir- 
fungen entfliehen, der von ihm in der fandigen Ebene über: 
fallen wird 96). Eobald das Herannahen dieſes Windes von 


zerftört; fie fol noch 30,000 Einwohner haben, liegt zwifchen Ruinen, bie 
mehrere Meilen weit umher verbreitet find, hat immer noch einen Bazar 
und den wichtigften Wollmarkt, weil die feinfte Wolle hier gewonnen und 
zu Gafchemirähnlihen Shawls verwebt wird.“ VIII. 726. 

95) De Guignes fagt: „Die Selvihufen (deren Macht in bieſen 
Gegenden im Jahre 1181 erloſch) noͤthigten durch ihre Einfaͤlle die Ein⸗ 
wohner, ſich auf eine benachbarte Inſel zuruͤckzuziehen, die am Eingange 
des Perſiſchen Meerbuſens lag, wo ſie die Stadt bauten, die noch heut 
zu Tage unter demſelben Namen beſteht.“ Liv. V. p. 345. 

96) Dieſer heiße Wind, in Italien unter dem Namen il sirocco 
und in Afrika unter dem Namen Sarmatan befuunt, iſt von Reiſenden 
oft befchrieben worden. Su den Wüften des fünlichen Perfiens find feine 


107 


den Einwohnern gewahrt wird, jo tauden fie ſich bis an 
das Kinn ind Wafler und bleiben in dieſer Lage, bis er zu 
wehen aufhort 97). Zum Beweife des außerordentlidyen Gras 


Mirfungen vielleicht noch heftiger, wie aus folgenden Stellen erfehen 
werden kann, die In fchlagender Welje die Erzählung unfers Autors be: 
ftätigen: „Die Luft“, fagt Charbin, „ift heiß und troden den ganzen Per- 
ſiſchen Meerbufen entlang, von Karamanien bis zum Indus. Und in 
viefen. Gegenden gibt es Orte, mo die Hige erflidenn und ſelbſt für vie 
unerträglich ift, die dafelbft geboren find. Cie müflen ihre Häufer waͤh⸗ 
rend der vier heißen Monate des Jahres verlafien und fich in die Berge 
zuruͤckziehen. Und zu biefer Zeit finden die, die zu ihrem Unglüd gend: 
thigt find, in diefen fiedenden Ländern zu reifen, die Därfer von Allen 
verlaffen, mit Ausnahme vielleicht von einigen armen und elenven Ge: 
ihöpfen, die man zuruͤcklaͤßt, um Sorge für jene zu tragen. — Tie 
Orte, wohin man fi) zuruͤckzieht, find Thäler, Berge und Dattelwaͤlder.“ 
Weiter fagt er: „Man nennt diefen verpeiteten Wind bad-samum (bädi- 
samdm). Er weht nur zwifchen dem 15. Juni und dem 15, Auguft, 
welches die Zeit der unerträgflichen Hiße dem Meerkufen entlang ift: vie: 
fer Wind branft mit großem Getöfe; er erfcheint roth und brennend, und 
tödtet die Leute, Aber die er kommt, indem er fle erftict, vorzüglich wenn 
es Tag if.“ T. II. p. 7.9 

„Die Winde in diefer Würfe“, fagt Pottinger, „find oft fo fengend 
(während ber heißen Monate vom Juni bis zum September), daß fie 
alles Lebende tödten, Thiere und Pflanzen, die ihm ausgefekt find, und 
bie Straße, die ich reiſte, wird dann für unwegſam gehalten. Diefer 
Wind wird allenthalben in Beludſchiſtan mit den verfchiedenen Namen 
Zulot oder Julo, die Flamme und Bade sumum, yeitilenzialifcher Wind 
bezeichnet. Er iſt fo furchtbar eindringend in feiner Natur, baß er Ra: 
meele und andere ausdauernde Thiere toͤdtet und feine Wirkungen auf 
ben Menfchen wurden mir von Augenzeugen als bie fchredlichiten, vie 
man fih nur benfen kann, geſchildert; bie Muskeln. der Ungluͤcklichen 
werden ſtarr und ziehen fich zufammen; bie Haut fihrumpft ein; eine 
frampfartige Empfindung, als wenn das Fleiſch iin Feuer wäre, durch: 
dringt den ganzen Körper, der im letzten Stadium in tiefe Riffe plagt, 
aus denen das Blut hervorbricht, wodurch fchnell dieſes Blend ge— 
endet wird.“ M. 

97) Der Schwaͤbiſche Reiſende Echiflinger, der dieſe Gegenden im 
Jahre 1700 befuchte und eine gute Beichreibung von Hormuz und Gans 
bran gibt, ſagt: „Wenn die große Hige einfallet, legen ſich die Eins 
wohner den gangen Tag durch in bazu bequemte Waffertröge, „oder 


108 


des, den die Hitze in dieſem Lande erreicht, ſagt Marco Polo, 
dag er zufällig in dieſer Gegend geweſen ſei, als ſich Fol⸗ 
gendes ereignete. Da der Herr von Ormus vernadyläffigt 
hatte, dem König von Kterman feinen Tribut zu zahlen, fo 
entſchloß fi, jener, ihn einzuholen in der Jahreszeit, wo Die 
vornehmften Einwohner außerhalb der Stadt auf dem- Feft- 
lande wohnen, und fandte. deshalb eine Truppenmacht ab, 
die aus 1600 Reitern und 5000 Mann zu Fuß beftand, 
durch das Land Neobarle, um fie durch Ueberfall zu fangen. 
Weil er jedoch von den Führern: irregeleitet wurde, Famen fie 
nicht vor Anbrud der Naht an dem beftimmten Plabe an . 
und machten Halt,. um in einem Haine nit weit von Dr 
mus auszuruhen; aber als fie am anderen. Morgen’ ihren 
Marſch fortfegten, wurden fie von jenem heißen Winde übers 
fallen und Alle erftidten; nidyt Einer entfam, die unglüdliche 
Botſchaft feinem Herren zu überbringen. Als die Leute von 
Drmus diefes Creigniß erfuhren und vie Leichname begraben 
wollten, damit fte nicht die Luft verpefteten, fanden fie dieſelben 
durdy die furdtbare Hitze in einen ſolchen Zuftand verfeßt, 
daß ihre Glieder, wenn man fie aufnahm, vom Rumpfe od 
riffen, fo daß es nöthig wurde, die Gräber nahe an ber 
Stelle zu graben, wo die Tobten lagen. 


Sechszehntes Kapitel. 


Bon den zu Ormus gebräuchlichen Schiffsfahrzengen; von ber Jahreszeit, 
in welcher die Früchte gebeihen, und von ber Lebensweife und 
den Eitten der Einwohner. 


Die Fahrzeuge, die man in Ormus baut, find von ber 


ſchlechteſten Art und fehr gefährlich zum Schiffen. Ihre Feh⸗ 


ſtehen in mit Waffer angefülkten Faͤſſern biff an Hals, umb alfo zu ru— 
ben, und ſich der unleyventlichen Hige zu erwehren.“ Perſianiſche Reis, 
&. 279. a 


109 


ler rühren von dem Umftande her, daß Feine Nägel bei ihrer 
Zufammenfegung angewendet werben, weil das Holz von zu 
harter Beſchaffenheit ift und fehr leicht zerfplittert und zer- 
plagt wie irdene Waare. Wenn man verjudt, einen Ragel 
bineinzufchlagen, treibt ed dieſen zuruͤck und er wird häufig 
zerbrodyen. Die Planfen werden fo vorfichtig als nur mög- 
lid) mit einem eifernen Bohrer nahe an ihren Enden gebohrt 
und hölzerne Nägel und Pflöde hineingetrieben; fo werden 
fie zufammengefeftigt (am Vorder» und Hintertheile). Hiers 
auf werden fie zufammengebunden over vielmehr genäht ‚mit 
einer Art Kabelgarn, weldyes man aus der Schale der In⸗ 
difchen (Kokos) Nüffe zieht, die fehr groß und mit einem 
faferigen Stoffe, glei Roßhaaren, bevedt find. Diefe wer: 
ven in Wafler gelegt, bis die zarteren Theile faulen, die 
Faden oder Etränge werden frei, und aus ihnen maden fie 
Fäden, um die Planfen zufammenzunähen, die fehr lange un- 
ter dem Wafler aushalten 98). Pech wird nit zum Schuge 
der Schiffsboden angewendet, fondern fie werden mit einem 
Dele, das aus Fiſchfett bereitet wird, eingefhmiert und dann 
mit Fadenwerg Falfatert. Das Fahrzeug hat nur einen Maft, 
ein Steuer??) und ein Ded. Wenn es feine Ladung ein- 
genommen hat, wird ed mit Käuten bededt und auf viefe 
Häute ftellen fie die Pferde, die fie nad Indien führen. Eie 
haben feine eifernen Anker, fondern an ihrer Stelle braudjen 
fie eine andere Art von Grundtafel 100); die Folge davon 


98) Niebuhr und Te Gentil befchreiben die Sahrzeuge jener Gegen: 
den in ähnlicher Weife. 

99) Es möchte eine überflüffige Bemerkung erfcheinen, daß ein Schiff 
blos ein Helm oder Steuerruder habe; aber man muß beadhien, daß 
die zahllofen praws, welche die Meere des tieferen Oſten beveden, ge: 
wöhnlich mit zwei Steuern oder kamddis verfehen find, und daß Polo 
folche Fahrzeuge während feiner. Fahrt nach der Straße von Malacca 
gefehen hatte. M. 

100) Auch die Fahrzeuge der Malaien haben gewöhnlich Feine eifer- 
nen Anfer, und das ift, meiner Anficht nad, unter „ferri di sorzer“ 


110 


ift, daß fie bei ſchlechtem Wetter, und dieſe Meere find ſehr 
ſtuͤrmiſch, häufig an die Küfte getrieben werden und zu Grunde 
gehen. | 

Die Einwohner des Ortes find von dunfler Farbe und 
Mahometaner. Sie faen ihren Weizen, Reid und andere 
Körner im Monat November aus und ernten im März. Auch 
die Früchte werden in diefem Monate abgenommen, mit Aus: 
nahme ver Datteln, die im Mai gefammelt werden. Bon 
biefen, mit anderen Dingen verfegt, bereiten fie eine gute Art 
Wein 101), Wenn er jedoh von Perſonen, die- an dieſes 
Getraͤnk nicht gewohnt find, genoſſen wird, führt er wohl au- 
genblicklich ſchlimme Zufälle herbei; wenn ſich aber die Leute 
‚von feinen eriten Wirkungen erholt haben, erweift er ſich ih— 
nen wohlthätig und macht wohl audy fett. Die Nahrung der 
Eingeborenen iſt verſchieden von der unferigen; denn wollten 


zu verfiehen, obgleich dieſer Ausdruck weder in den allgemeinen noch in 
den Marinewörterbüchern zu finden if. Ihre Anker werden aus har: 
tem und ſchwerem Holze gefertigt, Haben nur einen Arm und werben ver: 
mittelft fchwerer Steine, die man an fie befeftigt, eingefenft. Doch wo 
viefe Völker Verbindungen mit den Europäern haben und die Ausgabe 
machen fönnen, ſuchen fie fich unfere eiſernen Anfer zu verfchaffen. 
Die Schaluppen, mit welchen die Neufundlundifche Schifferei betrieben 
wird, haben hölzerne Anker, die mit Steinen befchwert werden. M. 

101) Was man gewoͤhnlich Palmmein nennt, ift ein Eaft, den man 
aus Bäumen von der Klaffe ver Palmen zieht, indem man die Befruch⸗ 
tungsfproffen abfchneidet und an die verwundete Stelle ein Gefäß be: 
feftigt, in welches der Saft träufelt; aber man lieſt auch von einem be: 
rauſchenden Getraͤnk, welches aus reifen Datteln bereitet wird, die man 
in warmes Waffer Iegt, bis fie in die weinartige Gaͤhrung kommen. 
Pottinger, ber vom Bolfe Mefran’s (der Provinz Kerman benachbart) 
redet, fagt: „Sie trinfen große Maflen eines beraufchenden Getränfes, 
welches aus Datteln, die in Gährungszuftand gerathen, bereitet wird 
-und das außerordentlich verderblich in feinen Wirkungen fein muß.“ S. 306. 
In Zenophon’s Anabafis ift die Rede von diefem Getränf, welches 
die Griechen in den Dürfern Babyloniens fanden; und in den Erläute: 
zungen biefes Werks durch Major Nennell (S. 118) ift ausführlicher über 
diefen Gegenftand die Rede. 


111 


ſie Weizenbrod und Fleiſch eſſen, ſo wuͤrde ihre Geſundheit 
darunter leiden. Sie leben vorzuͤglich von Datteln und ge— 
ſalzenen Fiſchen, fo wie Thunfiſchen und Cepolen (cepola 
tania) und anderen, von denen fie wiſſen, daß fie ihnen heils 
fam find. Mit Ausnahme marfdjiger Gegenden ift der Bo- 
ven dieſes Landes nidht mit Gras bevedt, wegen ter aufer- 
orbentlihen Hitze, die Alles verfengt. Bei dem Tode eines 
Mannes von Rang beweinen die Frauen denfelben laut ein 
mal im Laufe jeven Tages vier Wochen nad) einander; aud 
giebt e8 Leute hier, die aus folhen Wehflagen ein Gewerbe 
machen und dafür bezahlt werden, daß fie über ven Leichnamen 
von Verwandten weinen und freien. 


Siebenzehntes Kapitel. 


Bon dem Lande, durch welches man Fommt, wenn man Ormns verläßt 
und nach Kierman auf einem anderen Wege zurüdfehrt; und von ber 
Bitterfeit im Brote, die ihre Urfache hat in der Befchaffenheit 
des Waſſers. 


Nachdem ich von Ormus geredet habe, muß ich es nun auf- 
fhieben, über Indien zu handeln, das ich zum Gegenftante 
eines befondered Buches machen werde, und jetzt nad Kier⸗ 
man in nörblidier Richtung zurüdfehren. Wenn man alfo 
Ormus verläßt und einen anderen Weg nad jener Gegend 
einfchlägt, tritt man in eine fchone Ebene ein, die im Ueber⸗ 
fluß alle Arten Früchte hervorbringt; aber das Brot, welches 
“aus dem Weizen, der in diefem Lande wächft, bereitet wird, 
fann nidyt von denen genofien werden, deren Gaumen nidıt 
daran gewöhnt ift, denn ed hat einen bitteren Gefhmad, der 
von der Beihaffenheit des Waſſers herrührt, welches bitter 
und falzhaltig if. Wohin man blidt, fieht man warme, heils 
fame Quellen, die zu Heilung von Hautfranfheiten und an- 
deren Förperlihen Beſchwerden angewendet werden fünnen. 
Datteln und andere Fruͤchte giebt es da in Menge. 


112 


Achtzehntes Kapitel. 


Bon dem wüften Lande zwifchen Kierman und Kobinam und dem bitteren 
Waſſer dafelbft. 


. 


: Wenn man Kierman verläßt und Drei Tage wandert, 
fommt man in eine Wüfte, die ſich fieben Tagereifen weit 
erftredt; “hat man diefe zurüdgelegt, fo gelangt man. nad) 
Kobinam 102). Während der erften drei Tage von jenen 
fieben trifft man nur wenig Waſſer an und dieſes wenige ift 
noch mit Salz verfegt, grün wie Gras und fo widrig ſchmeckend, 
daß es nicht zum Irinfen zu gebrauden if. Wenn man nur 
ein wenig davon trinkt, führt es ſchon ab, und dieſelbe Wir 


102) Kobinam ift das Kabis von D’Anville, das Chabis Edrifi's, das 
Khebis, Khebeis und Khubeis Ibn Haufal’s und das Khubees Pottin: 
ger’s. „Khebeis“, fagt Ibn Haufal, „if eine Stadt an ben Grenzen 
dieſer Wüfte, mit firömenden Quellen und Dattelbäumen. Bon bier bis 
Durak if ein Mertleh; und während diefer Stazion hat, fo weit das Auge 
reicht, Alles, was einem erfcheint, das Anfehen von Dede und Ber: 
erben; denn es gibt da gar fein Waſſer.“ Ouseley’s translation, S. 19. 
„Es blühte früher“, fagt Pottinger, „und war bie Reſidenz eines Beg—⸗ 
lerbeg an ber Stelle des Fürften von Seiftan, aber jetzt ift es ein elenber 
beruntergefommener Ort, und die Einwohner find berüchtigte Räuber, bie 
davon leben, daß fie die Straßen von Khorafan und Perfia belagern 
und Rarawanen plündern.” S. 229. M. — Das fühweftliche. Drittheil 
ber großen Wüfte tft der unbefanntefte Theil berfelben und gegenwärtig 
nur durd) die Chupao der Afghanen und Bellunichen von Sejeftan nad 
Kerman hin befucht. Cie ift falzig, fandig, unwirthbar; doch führt ein 
Pfad hindurch, von Std nah Nord, von Kerman nad) Herat, den Ell⸗ 
boten auf Kameelen in 18 Tagen, obwohl mit fehr großer Gefahr, zus 
ruͤcklegen koͤnnen. Yaft in der Mitte derfelben liegt die Dafe Khubis (un, 
ter 320 20° N.3.), ein grüner, reicher Obfigarten, mit der gleichnas 
migen Stadt in der Mitte, gleichweit entfernt. von Perfien, Sejeftan, 
Kerman, ohne Halm und Gras in der oͤdeſten MWüfte, die ihre Schußmaner 
ift. Auf eine Meile umher follen die frifcheften Brunnen quellen. Cie 
ift ein Aſyl und eine Kolonie; jest nur der Aufenthalt von Raubhorben, 
bie Niemand in ihren Ginöben zu verfolgen oder aufzufuchen vermag. “ 
Ritter Afien VIII. 727—28. vergl. ebend. 469. 


113 . 


fung hat das Salz, weldes aus dieſem Waffer bereitet 
wird 103), Deshalb müffen diejenigen, welche durch die Wüfte 
reifen, Waſſervorrath mit fid, nehmen. Das Vieh jedod; wird 
vom Durft angetrieben, zu trinfen wie es baffelbe findet, und 
fogleih folgt der Bauchfluß. Im Laufe Diefer drei Tage 
fiehbt man gar feine Wohnung. Alles ift Dir und übe. 
Vieh iſt nicht zu finden, weil Fein Unterhalt für daſſelbe da 
it. Den zweiten Sag fommt man an einen Flug mit fri- 
ſchem Wafler, deffen Lauf aber meift unter der Erde fortgeht; 
an einigen Etellen find jevod einzelne Deffnungen, die durch 
bie Gewalt des Stromes geriffen find, durch dieſe wird ber 
Fuß ſichtbar und man hat Waffer im Ueberfluß. Hier hält 
der ermuͤdete Reifende an, um fi und fein Vieh nach den 
Beſchwerden der vorhergehenten Tage zu erfrifhen. Die drei 
nachfolgenden Tage gleihen den drei früheren, und envlich 
fommt man an die Etadt Kobinam. 


103) Die Salzquellen und die mit Salz beftreuten Ekenen, die Bottin- 
ger in Kerman und den anliegenden Ländern fand, werben fo gefchilvert: 
„Wir festen über einen Bach mit flüffigem Ealz, der meinem Pferd bis 
an die Knie ging; die Oberfläche der Erde war mehre hundert Yards 
anf jeder Seite mit einer dicken Rinde weißen Salzes bedeckt, die einer 
gefrornen Schneebede glich, bie unter dem Hufe bes Pferdes kniſterte.“ 
S. 237. „Alle diefe Berge (von Koriftan) haben Ueberfluß an Minera⸗ 
lien; an verfchievenen Orten find hier Bäche mit rinnendem Ealz und 
Waflerpfuhle, die mit einem Echaum bedeckt find, der dem Naftha oder 
Erdpech gleicht, welches am Kaspifchen Meer gefunden wird.” &. 312. 
„Auf der Hochftraße von Kelat nach Kutſch Gundawa iſt eine Hügelfette, 
von weldher eine Art Ealz, vollfommen roth an Barbe, gewonnen wird, 
das fehr abführende Gigenfchaften befigt. Auch Schwefel und Alaun fins 
bet man bafelbfl.” S. 333. — M. . 


114 


Neunzehntes Kapitel. 
Bon der Stadt Kobinam und ihren Gewerben. 


Kobinam iſt eine große Stadt, deren Einwohner dem 
Geſetze Mahomet's folgen. Sie verfertigen Spiegel vom herr 
lihften polirten Stahl, die außerorventlid groß und fehr ſchoͤn 
find. Biel Antimonium oder Zinf wird in dem Lande ge 
funden, und fie machen Tutie, das ift graued und weißes Ridt, 
die gar Föftlich für die Augen ift, zufammen mit Spobium 
oder Kupferafde, und zwar auf, folgende Weiſe. Es iſt ein 
Bergwerf im Lande, wo fie eine Erde graben; dieſe röften 
fie in einem glühenvden Ofen, auf weldem ein eiferner Roſt 
liegt, der den Dampf empfängt, welcher ſich daran hängt und 
wenn er kalt wird, hart if. Das ift die Tutie, während 
der grobe und ſchwere Theil, der nicht auffteigt, ſondern als 
ausgeglühte Kohle im Ofen bleibt, Spodium wird 104), 


104) Unter Andanicum wollte Marsden Antimonium verflauden til: 
fen, welches nach Chardin und Anderen in der hier erwähnten Gegend 
Perfiens viel gefunden wird; aber, fagt er in einer Anmerkung zu bie: 
fem Kapitel, aus der Art Tutie und Spobium zu bereiten, wie es hier 
befonders befchrieben wird, fcheint eher anzunehmen zu ‚fein, daß lapis 
calaminaris oder Zink das Mineral ift, welchem unfer Autor biefen Na⸗ 
men gibt, oder vielmehr, daß das Wort andanico eine Korrupzion dar: 
aus iſt. Balvelli verweiſt auf eine Anmerfung Cap. 27. Di Gobias 
(S. 24) Bb. I. in Testo di lingua del sec. XIII, gibt aber daſelbſt 
nur abweichende Lesarten für andanico und fagt dann über spodie: 
Diefes Kapitel findet fich völlig angeführt im VBocabularium unter „„Spo- 
dio.“ Nach dem Florentiner Receptbuche findet fi das Spodium (auch 
Zinkaſche und Hüttenrauch genannt) in den Kupferfchmelzöfen, wo man 
auch den Huͤttenrauch, bei den Arabern Tutia genannt, antrifft, der durch 
die Metallflammen entfteht. Das Spodium wird von den dickſten Theilen 
gemacht und findet ſich im Echornftein des Ortes, wo man Focht. Aus 
Dftindten fommt das wahre Spoblum, „la Tabaxir‘ genannt. (Ricett. 
Fior. 1696 p. 60.) Bon ver Tutie fagt er, es fei die Cadmia (Galmei) 
ber Alten, welche in ven Defen wie Trauben an der Dede hängend er 
zeugt wird, ober auch um bie eifernen Stäbe, welche zu biefem Zwed 


115 


Zwanzigftes Kapitel. 


Bon der Reife aus Kobinam nach dem Lande Timochain an den nördlichen 
Grenzen Perfiens; und von einer eigenthänlichen Bauart. 


So man die Stadt Kobinam verläßt, fommt man in eine 
Wuͤſte, die adıt Tagereifen lang ift, darinnen ift große Dürre, 
weber Baum noch Frucht, und das Wafler, das da gefunden 
wird, iſt bitter. Die Reifenden müflen daher fo viel mit 
ſich nehmen, als nöthig ift für ihren Unterhalt. Das Vieh 
muß freilih,; von Durft gedrungen, das Waffer, welches bie 
Wuͤſte giebt, trinken, das auch feine Herren ihm fo ſchmackhaft 
ald nur möglid zu machen fudhen, indem fie es mit Blur 
men miſchen. Nah acht Tagen erreiht man das Land 
Timodain, das gegen Norden an den Grenzen Perfiens liegt, 
in dem viele Städte und feſte Pläpe find. Es ift daſelbſt 


in dem Ofen oder an der Mauer befeftigt werden. Man findet auch eine 
Art, wie Stein, in ven Kupferminen, nach Galen, welche die natürliche 
Cadmia iſt, von den Scheidekuͤnſtlern Giallamina (Galmei) genannt, von wel⸗ 
cher man etwas in die Kupferſchmelzoͤfen wirft und das Pomfolyx (weißes 
Galmei), Spodium und die kuͤnſtliche Cadmia, welches die Tuzia ift, bes 
reitet. (Ebenb. p. 64.) Bon dieſer letzteren furicht Polo. Aus der Tnzie 
macht man eine Angenfalbe, Meninsti erwähnt zwei Arten: die natür- 
liche Tuzie, glänzend, von himmelblauer Farbe, bie aus Indien kommt 
und pie befte ift; die Fünftlih bereitete, welche man in Kerman (mo bie 
Stadt Kobinam Polo’s) macht, und bie weiß und grün gefledt if. (Thes. 
Ling. Orient. t. II. p. 237. Langles (Collect. de pet. Voy. t. IIL 
p- 218) führt eine Stelle aus einem Perfifchen Geografen an, welcher 
erzählt, daß man im Palafte von Perfepolis Inzie aus Indien gefunden. 
Man glaubt, dag Avicenna ein ſolches Wort gebraucht, um Galmei zu 
bezeichnen. Nach Langles verfiehen die Perſer ein Mineral darunter, 
welches dem Lapis lazuli gleicht. (Ebend. €. 212.) Das Spodium iſt nad) 
einem Holländifchen Reifenden die Afche eines Baumes von den Sunda- 
infeln, welche die Haut reinigt. (Hist. gen. des Voy.t. VIII. p. 53.) Das 
iſt das vegetabiliſche Spodium: von dem fpricht auch das angeführte Re⸗ 
zeptbuch, als einem Ertract der Wurzeln der Rainweide, des Heidelbeer⸗ 
frandhe, oder des wilden Delbaume, die man zu Aſche brennt. 
8 + 


116 


eine fehr große Ebene, die merfwürbig ift, weil fie eine Baum⸗ 
art hervorbringt, die der Eonnenbaum und von den Ehriften 
„arbor secco,‘“ „ver Dürre oder fruchtlofe Baum, genannt wird. 
Seine Natur und Eigenfhaften find folgende: Er ift hoch—⸗ 
gewachſen mit diem Stamme und feine Blätter find grün, 
auf der oberen Eeite aber weiß oder graͤulich. Er- bringt 
Hülfen oder Kapfeln hervor gleich denen, welde die Wall⸗ 
nuß umſchließen, die aber feine Frucht enthalten 105). Er 
hat’ ein hartes Holz von gelblidyer Farbe, das dem Buchs⸗ 
baume gleiht. Im Umfreife von hundert Meilen wird feine 
andere Art Bäume gefunden, ausgenommen nach der einen 
‚Seite hin, wo man in einer Entfernung von gehn Meilen verfchies 
dene Bäume findet. Die Einwohner erzählen, daß dafelbft eine 
Schlacht vorgefallen ſei zwiſchen Alerander und Darius 106), 


105) Der Baum, dem der Name Arbor fecco gegeben wurde, möchte 
als eine Art fagus erfcheinen und den Charafter des Kaftanienbaums has 
ben; doch nehmen wir mit gutem Grund an, daß er eine Varietaͤt ber 
Pfatane ift, wie aus ber folgenden Stelle erhellen wird. Das Beiwort 
fecco fcheint fi auf nichts weiter zu beziehen, als daß, wenn bie Form 
der Schale .eine eßbare Frucht verfpricht, der damit Unbekannte, ber fie 
abnimmt, getäufcht wird, indem er feinen genießbaren Kern findet, fons 
dern nur einen trodnen geſchmackloſen Samen. „Meine zweite Beobach⸗ 
tung“, fagt Silveflre de Sacy, „bezieht ſich auf die angebliche Unfrucht⸗ 
barfeit der Platane, von welcher Kazwint fpricht, obgleich an einem aus 
dern Orte er fich felbft widerfprechend der Frucht diefes Baumes Er⸗ 
wähnung thut. Ich weiß nicht, ob wirklich die Platane unter gewiſſen 
Breitengegenden unfruchtbar ift; aber es fcheint, daß die Unfruchtbars 
feit derſelben fprüchwörtlich unter einigen Orientalen geworden; denn in 
einer Sammlung verfchievener moralifcher Sentenzen der Sabäer oder 
St. Johannis » Chriften findet man Bolgendes: „Der eitle, fich felbft vers 
herrlichende Menſch gleicht einer fchönen äftereichen Platane, die aber 
nichts Kervorbringt und ihrem Herrn Feine Frucht gibt.” Der. Sinn die 
fes Spruͤchworts möchte fein, daß die Frucht der Platane zu nichts gut 
iſt. Lorsbach, der jene Eprüchwörter herausgegeben, bemerkt bei biefer 
Gelegenheit, daß in einigen Wörterbüchern der Eyrifche Name ver Plas 
tgne mit Kaftanienbaum überfegt ift und weiß nicht ans welchem Grund.“ 
Relation de l’Egypte. Notes p. öl. DM. - 

106) Die legte Schlacht, die zwifchen Alexander und Darins ger 


117 


Die Städte find wohlverfehen mit Allem, was nöthig und bes 
quem zum Leben ift; bie Luft ift gemäßigt und weder einer zu 
großen Hitze, noch einer zu großen Kälte unterworfen. Das 
Volk hängt an dem Mahometanifhen Glauben. Es ift im 
Allgemeinen ein huͤbſch Geſchlecht, vorzuͤglich die Meiber, 
die meiner Meinung nad die fchönften auf der Welt find. 


Einundzwanzigſtes Kapitel. 


Bom Alten vom Berge, felnem Palafte und feinen Gärten, feiner Ges 
fangenfchaft und feinem Tobe. 


" Nachdem von diejem Lande gefprodyen worden ift, fol 
des Alten vom Berge Erwähnung gethan werden. Die Lands 
haft, in welder feine Refivenz lag, erhielt ven Namen Mus 
Iehet, weldyes in der Sprade der Earazenen der Ort der 
Ketzer bedeutet, und fein Volf ven von Mulehetites oder Hal: 
ter am feßerifhen Glauben, wie wir den Namen Patharini 
auf gewiffe Keber unter den Ehriften anwenden. Die fols 
gende Erzählung von diefem Fürften verfihert Marco Polo 
von verfchievenen Perſonen gehört zu haben. Er hieß Alo- 
eddin und feine Religion war die Mahomet's 107), Im 


kaͤmpft wurde, war bei Arbela (Arbil) in Kurdiſtan, nicht fern vom Tis 
gris, aber bei den nachfolgenden Kriegsoperazionen wurde ber beflegte 
König Perfiens von Ekbatana (Hamadan) durch die Kaspiſchen Pforten 
oder den Paß von Khowar, den Alerander’s Truppen ohne Hinderniß 
durchzogen, bis in die Provinz Komuflne (Kumis), deren Hauptſtadt Hes 
katompylos (Damghan) war, verfolgt, und biefe Verfolgung endete nur 
mit der Ermordung des ungküdlichen Zürften durch feine eigenen Offiziere 
nicht weit von der letzteren Stadt. Alexander ſelbſt rückte auf einem naͤ⸗ 
heron Wege vor, aber durch eine Müfte, in der Fein Waſſer zu finden 
war. Der Tradizionen über den Mafebonifchen Eroberer find eine Vienge 
in diefem Theile des Landes noch vorhanden, von denen wir Beiſpiele 
werden folgen laſſen. M. 

107) Die chriſtlichen Kreuzfahrer hatten im gelobten Lande viel von - 


- 


118 


einem jchonen von zwei hohen Bergen eingejchlofjienen Thale 
hatte er einen überaus herrlihen Garten anlegen lafien, in 
welchem die koͤſtlichſten Fruͤchte und die buftigiten Blumen, 
die man fi nur denfen fann, wuchſen. Palaͤſte von man 
nihfaher Größe und Form waren in verſchiedenen Terraſſen 
in diejem Iuftigen Grunde über einanver gebaut, geſchmuͤckt 
mit Schildereien von Gold, mit Gemälden und reichen Sei⸗ 
denſtoffen. Man jah in diefen Gebäuten viele fpringende 
Brunnen mit Flarem friihen Waſſer, an anderen Orten flofien 
ganze Bädhlein mit Wein, Milh und Honig. In den Par 
läjten waren die fhönften Mägtlein und Weibsbilder, die in 
den Künften ded Geſanges erfahren waren, auf allerlei mu- 
ſikaliſchen Inftrumenten jpielen fonnten, foftlih tanzten und 
auf alle Freude und Kurzweil abgeridhtet waren. Angethan 


dem Echeif al Dichebal (E. v. Hummer Geſchichte der Affaffinen) — d. h. 
der Alte oder das Oberhaupt im Gebirge, nämlich im Libanon — in Ey 
rien und von feinen gefürchteten Meuchlern gegen Moslemin, wie gegen 
Chriſten nicht nur gehört, fondern auch ſelbſt fehmerzlich erfahren; 3.82. 
Raimund Graf von Tripoli 1149, Konrad Markgraf von Montferrat und 
von Tyrus u. A. wurden durch fie erbolcht. Aber es war ihnen unbe 
Yannt geblieben, daß biefer „Alte vom Berge” unr einem weftlichen Pris⸗ 
rate feines Ordens vorftand, deſſen Euperior unter gleihem Namen im 
Rudbar (d. h. Flußland) des Elburs thronte, wie derſelbe auch in Kuhe⸗ 
fan im OÖften, zu Kayn, die Helfershelfer zu feinen Mordthaten befaß. 
- Bon bier war es, wo Marco Polo, der ans China durch Perfien über 
Damghan, wo er fih am Mongolenhofe aufhalten mußte, nach feiner 
Heimath zuruͤckkehrte, die erite wunderbare Erzählung diefer Diulehetites 
(d. h. Härelifer, Keger), wie diefer fie nennt, nach Europa überbruchte, 
die dann auch den Arabern Stoff genug zu den Mähren von Taufers 
und eine Nacht gegeben; in ihrem wahren biflorifchen Iufammenhange 
aber erfi durch Mirkhond's Rouzat al Sefa (d. i. Garten der Meinkeii) 
zu einem Gigenthume der Gefchichte geworben iſt.“ Ritter, Aften VIE 
E.577. — Unter Alo⸗eddin meint er Roen⸗eddin, welcher der Sohn Alosenpin’s 
war, der legte von Hulagufhan beficgte Fürft der Aflaffinen im Jahr 1256, 
nicht, wie Polo angiebt, 1263. Diefer unverfändige und feige Fürft war 
feit kurzem erft feinem ermorderten Vater auf dem Throne gefolgt, und 
Beide konnten leicht von dem fpäter dort. durchziehenden Venezianer vers 
wechjelt werden. ' 


119 


mit reihen Kleidern, ſah man fie fortwährend ſich erluftigen 
und den Garten und die Pavillons von Luft und Freude er 
tönen maden; ihre Auffeherinnen aber waren innerhalb der 
Gebäude eingefchloffen und durften ſich nicht fehen laffen. 
Die Abfiht aber, weshalb der Fürft einen Garten fo bezaus 
bernder Art herftellen laſſen, war die: Mahomet hatte denen, 
die feinen Geboten folgten, die Freuden des Paradieſes ver- 
fprohen, wo jede Art finnliden Genufles in Geſellſchaft 
ſchoͤner Weiber gefunden werben follte; nun wollte der Fürft 
feinen Anhängern glauben madhen, daß er aud ein Pro- 
fet wäre, Mahomet ähnlih, und die Gewalt habe, hie in 
das Paradies zu bringen, die er in feine Gunft aufnähme. 
Damit nun Niemand ohne feine Erlaubnig den Weg in die 
fes koͤſtliche Thal finden Fönnte, ließ ex ein feftes uneinnehm- 
bares Schloß am Eingange defielben aufridhten, durch weldyes 
man nur auf einem geheimen Wege gelangen konnte. An 
feinem Hofe hielt der Fürft auch eine Anzahl Jünglinge von 
zwoͤlf bis zwanzig Jahren, die er aus den Einwohnern der 
benachbarten Gebirge wählte, welde Anlage zu Friegerifchen 
Uebungen zeigten und fühn und verwegen zu fein ſchienen. 
Diefe unterhielt er täglid, von dem vom Profeten verfündig- 
ten Paradiefe und von feiner eigenen Madt, fie in daſſelbe 
einzuführen, und zu gewiffen Zeiten ließ er zehn oder einem 
Dugend der Juͤnglinge Traͤnke geben von einfhläfernder Na- 
tur, und wenn ſie in einen todähnlihen Schlaf verfun- 
fen waren, ließ er fie in verfchiedene Zimmer der Paläfte 
des Gartens bringen. Wenn fie nun aus diefem tiefen Schlum- 
mer erwachten, wurden ihre Einne beraufcht von allen den 
entzuͤckenden Gegenftänven, die ihnen ſchon befchrieben waren, 
und ein ever fah fid, umgeben von lieblichen Maͤdchen, bie 
fangen, fpielten und feine Blide durch die bezauberndften 
Liebkoſungen auf ſich zogen; auch bebienten fie ihn mit koͤſt⸗ 
lihen Speifen und herrlidien Weinen, bis er ganz trunfen 
von dem Uebermaße des Vergnuͤgens, mitten zwiſchen wirk⸗ 
lichen Baͤchen von Milch und Wein, ſich ſicher im Paradieſe 


. 120 


wähnte und einen Widerwillen fühlte, feine Freuden zu ver 
laſſen. Wenn vier oder fünf Tage in diefer Weiſe vergan 
gen waren, wurden fie wieder in den tiefen Schlaf verfegt 
und aus dem Garten gebradt. Darauf wurden fie wieder 
vor den Fürften geführt; und von ihm gefragt, wo fie ge 
weſen wären, antworteten fie: „Im Paradieſe durd die Gnade 
Eurer Hoheit, und dann erzählten fie vor dem ganzen Hofe, 
der ihnen mit Staunen und Neugierde zuhörte, von dem 
Außerorbentlihen, was fie gejehen und erlebt hätten. “Der 
Fuͤrſt wandte ſich alsdann an-fie und fagte: „Wir haben 
die Verfiherung von unferem Profeten, daß der, welcher fei- 
nen Herrn vertheidigt, in das Paradies fommen werde, und 
wenn ihr treu meinem Gebote nachkommt und gehorfam mei⸗ 
nen Befehlen ſeid, fo wartet eurer dieſes glüdliche Loos!" 
Zum Enthufiasmus erregt durch ſolche Worte, ſchaͤtzten fid 
Ale glüdlih, die Befehle ihres Herrn zu empfangen und 
waren eifrig, in feinem Dienfte zu fterben. Dadurch gefchah 
ed, daß, wenn irgend einer der benachbarten Fürften ober 
wer fonft, dieſem Fürften Mißfallen erregte, diefer ihn durch bie 
von ihm erzogenen Meuchelmörter tödten ließ; Feiner fihredte 
zurüd, fein eigenes Leben daranzufegen, das fie gering ſchaͤtze 
ten, wenn fie nur ihres Herrn Befehle ausführen Fonnten: 
Bei diefer- Gelegenheit wurde feine Tyrannei furdtbar in 
allen umliegenden Ländern. Er hatte auch zwei Abgeorpnete 
oder Statthalter, von denen der eine in der Nähe von Das 
mascus reſidirte und der andere in Kurdiſtan 108), und viefe 


108) Im Terte bei Ramuſio fteht wohl irrig Curdiſtana, da in Kurs 
biftan Yon deſſen Herrfchaft nichts befannt ift, wohl aber in Kuhiſtan das 
PBriorat war, f. oben Anmerf. zu den acht Königreichen Perfiens. Diefe 
Etelle fehlt übrigens in dem Iateinifchen Terte bei A. Muͤller und dem 
Testo di lingua bei Baldelli Boni; in diefen beiden Eoizionen. fteht auch 
ftatt des obigen Landes Di ulebet, was im Ramuflo durch eine gute Gloſſo 
erklärt wird; bei Balvelli Boni Milice, in den Pariſer Codd. IM yles 
ete, bei A. Müller Mulete, was ſchon 3. R. Forfter in einer Kolla⸗ 
zion für Caſtrum Alamut, doch wohl nur mit fcheinbarem Rechte, ange: 
fprochen Hat. Ritter VIII. 579. ' 


121 j 

verfolgten den von ihm vorgefdhriebenen Plan und zogen die 
Jugend zu unbevingtem Gehorfam heran. Eo gab es fei- 
nen noch fo Mächtigen, der, wenn er ſich die Feindſchaft des 
Alten vom Berge zugezogen hatte, dem Tode durch Meucdhels 
mord hätte entgehen fonnen. Da fein Land in dem Reiche 
Ulau's (Hulagu’d), dem Bruder des Großkhan's (Mangu), 
lag und dieſer Fürft von den entfeglihen Thaten Kenntniß 
erhielt, fo. wie, daß er die Leute dazu anftellte, die Neifen- 
den zu berauben, die durch fein Land zogen, jandte er im 
Sahre 1262 eine feiner Armeen, den argen Fürften in feiner 
Burg zu belagern. Eie war aber zur Vertheidigung jo wohl 
eingerichtet, daß fie drei Jahre Stand hielt, bis er endlich durch 
Hungersnoth gezwungen wurde, fih zu ergeben und, zum 
Gefangenen gemadjt, hingerichtet wurde. eine Burg wurde 
niedergetiffen und fein Paradiefesgarten zerſtoͤrt 109). 


109 So weit M. Polo’s fo lange für Fabel gehaltener, ber Haupt: . 
fache nach vollfommen wahrer, und durch Khondemir’s Hiftorfen beftätigter 
Bericht, ans welchem letzteren wir zugleich die Lofalitäten näher fennen 
lernen, beren bisher vernachläfftgte geografifche Nachweifung hier unfere 
* befondere Aufgabe fein muß. Cie läßt fi) nur aus dem Zufammenhange 
der Hiftorien felbft ermitteln, da alle Ortichaften vernichtet wurden und 
nur ein fchwaches Andenken ſich an ihre kaum vernehmbaren Ruinen ans 
ſchließt. Hierzu Folgendes: 

Sn Aegypten befannte fich eine Mufelmännifche Partei zu der Lehre 
der Ismaelier, die filh nach Ismael ben Dichiafar al Sadek nannte, ven 
Enkel Ali’8 und Fatimens und angeblichen Ahnheren der Aeanptifchen Kha⸗ 
lifen, auf welchen, nach ihrer Anficht, vie Imams> Würde Ali's übers 
gegangen fein und durch fortgefegte Wanderung aus einem Körper in 
den andern -auf feine Nachfommen übergehen follte. Mehrere Eesten, 
welche aus einer Bermifchung PBerfifcher und Indifcher Religionsphilofos 
pheme mit dem Islam entfprungen waren, fagt der Hiftorifer Rehm, 
verbreiteten fich von den oͤſtlichen bis in die weftlichen Länder, grübelten 
nach Ergründung des inneren Sinnes des Islam (daher Bateniten, d. t. 
Innerliche genannt), hatten ihre Geheimniffe, ihre Weihen und ihre Dais 
(d. i. Mifftonäre, daher der Alte vom Berge auch der ObersDais ger 
nannt). Zu diefen gehörten auch die fpäter fogenannten Aflaffinen. Cie 
theilten fig in Refiks (Layen) und Fedais (oder Fedavi, d.:t. innerlich 


122 


Zweiundzwanzigfte Kapitel. 


Bon einer ſechs Tagereifen langen fruchtbaren Ebene, der eine Mäfte von 
acht Tagereifen folgt, die man auf dem Wege nach der Stadt Sapurgan 
zn durchwandern hat; von den ausgezeichneten Melonen, die dafelbft 
wachen, und von der Stadt Balach. 


Wenn man diefe Burg verläßt, führt ver Weg über eine 
weite Ebene und dann durch ein Land, in welchem Hügel 


Geweihte), und unterhielten durch viele Länder geheime Verbindungen. 
Zweige diefer Sekten waren die Rawendier, Karamathier, Drufen (im 
Libanon, die noch heute mit den Affaffinen ihren Ahnherrn vieles Ver⸗ 
wandte haben), Noſairis u. A.m. Am glücdlichften wur die Sekte der Fa⸗ 
timiden oder Ismaelier als Khalifen in Aegypten gewefen; aber mit dem 
abnehmenden Glanze ihrer dortigen Herrichaft ſchien auch ber Schwaͤr⸗ 
mereifer diefer Ismaelier minder gefährlich zu werden, als nun erft in 
Perſien Haſſan ben Ali, der Stifter der fogenannten Affaffinen, auftrat. 
Er gab fih für den Eohn eines Sanctus Muhamen ben Sabbah Himyari 
aus, daher gewöhnlich Ben Eabbah genannt; er erfannte den Aegyptiſchen 
Khalifen als den redyimäßigen Imam und durchzog nun als deſſen Mif: 
fionar oder Dai, im Haß gegen die Eelofchufiden, an deren Hofe fein Chr: 
geiz fich vergeblih um vie Bezierftelle bemüht hatte, Nordperfien. Er ' 
war, fagt Mirfhond, aus Rai gebürtig, lebte lange zu Kahira in Aegyp⸗ 
ten, dann zu Bagdad, Isfahan, Dezb, Kerman, Damghan, wo er vide 
Proſelyten machte und glücdlich ven Nerfolgungen feines Nebenbuhlers, 
des Selofchufifchen VBeziers Nizam al Mulf, entging, der ihn beim Durch⸗ 
zuge durch Rai zu verderben gedachte. Aber ber fchlaue Haflan vermied 
Rai, fandte feine ungemein beredtfamen Dais (Glaubensgefandte, Miſſio⸗ 
näre) nach Dilem, Alamut und anderen weſtlichen Feſten, wo das Volk feis, 
nen Srrlehren leicht zufiel. Er wanderte darauf felbft über Sari, De 
mawend nad) Kaswin, Dilem und Alamut, das er ſich auserfehen, um 
es zur Wiege feiner Macht und Größe zu erheben. Durch Schlanheit 
wußte er ſich der Feſte Alamut bald felbft zu bemächtigen und, wie Mirks 
hond fagt, auf einen Thron zu erheben (im Jahr 1091). . Diefe Burg 
hatte Slahzamut, d. i. Geiersneft oder Adlersneft geheißen, weil ein bori 
ſich nieverlafiender Geier oder Adler einen der Dilemitifchen Sultane, die 
fett einem halben Jahrhundert gefturzt waren, veranlaßt hatte, vafelbfl 
eine Burg zu bauen, die aber, ſeitdem fie durch Haffan gefichert ward, 
den Namen „Burg bes guten Gluͤcks erhielt. Eie lag im Gebiete Kass 


123 


und Thal wedjfeln, wo viel Weide und Gras und YFrüdıte 


wins, nad) der Türfifchen Geografie Dſchihannuma, unter 86° N. Br. 
und 844° d. Länge. Alamut war das größte und feflefte von funfjig 
Echlöffern, welche in dem Diftrikte Rudbar, 10 Stunden (6 nicht 60 Fahr⸗ 
fang) nörblich von Kaswin, zerftreut Ingen, ein Gebirgsland, bie Grenze 
ziwifchen Dilem und Iraf, vom Schahrud (Königsflug) bewäflert, ein Name, 
den zwei Flüffe trugen, deren einer aus dem Berge Thulfan bei Kaswin, 
der andere aus dem Berge Schir entfpringt und ben Diftrift „Rubbar 
von Alamut“ durchſtroͤmt (d. 5. „Flußland vom Geiersneft“ zum Unters 
fhiene genannt, von Anderen „Rupbar von or” u. a.m.). Durch Kauf, 
Berrath und Belehrung der Cotuals (Kommandanten) und ihrer Befakuns 
gen gingen bald mehrere Feſten des Landes in Haflan’s Gewalt über. 
Zuerſt das unferne Kirdfuh (Girdkuh nach Mirkhond im Diftrift Rudbar 
des Dſchebal, das nördliche Irak Adſchem; v. Hammer verlegt es dage⸗ 
gen in bie Segend von Damghan in Kuheſtan, und damit ſtimmt auch die 
Angabe anderer DOrientalifcher Autoren überein), eine ifolirte Burg, die 
auch Zur Gumbadan (goloner Dom) hieß und fchon in uralter Zeit, uns 
ter Guſtasp, als Staatsgefängniß für Esfendiar gedient haben foll, 
Dann Lamfir, unfern Alamut gelegen, das Haflan im Jahre 1101 ers 
oberte. Auf Kirdkuh hatte der Gouvernenr, ber fich zur ‘Partei der Is⸗ 
maelier ſchlug, nad) Mirkhond, einen Brunnen, 300 Gheez (jede zu 34 
bis 35 Soll, alfo an 933 Fuß) tief, aus dem Felfen hauen laffen, aus 
dem aber erit bei einem heftigen Erdbeben das Quellwaſſer emporfprang; 
ein merkwuͤrdiger, artefifcher Brunnen, nach welchem man vielleicht Kirds 
fuhs Ruinen, defien Lage unbelannt, von Neuen zu conftatiren im Etande 
wäre. Auch in Alamınt ließ Haflan aus weiter Ferne gutes Waſſer zus 
leiten, er manterte die Einwohner auf zum Anbau und zu Anpflanzung 
von Gaͤrten, wodurch Drt und Umgegend ungemein verjchönert wurben. 
Darauf lag ihm daran, fich des ganzen Diſtriktes Rudbar zu bemächtigen, 
und eine Burg wach der andern fiel ihm zu; nach Kaswin ſchickte er feine 
Miffionare nnd ebenfo nach Kuheftan, wo ſich nun gleichfalls feine Macht 
ale Großmeiſter des Keker: und Meuchlerorvens In einem oͤſtlichen Prios 
rate (wo Kayn nah Dat, Hafain Kaini, genannt ward), wie im Eyriſchen 
Weſten ausbreitete. einen mächtigften Gegner, den Bezier Nizam al 
Malt, die Stuͤtze der Seldſchukiden, ließ er durch feine Fedavis erbolchen, 
worauf auch Emire und Doktoren des Koran, die feine Kepereien befämpft 
hatten, und zahllofe Andere fallen mußten. 

Haſſan ben Ali brütete auf feiner Burg Alamut aber dem Plane, num 
nicht mehr als blofer Blaubensgejandter der Fatimifchen Kalifen, unter 
deren Namen er bisher nur Profelyten geworben, die Herrichaft feiner 


124 


im Ueberfluß find, fo dag die Armee Mlau’d fo ange und 


Obern fich felbf zu verfihern. Dazu war Glauben an die Heiligkeit feis 
ner Berfon, als verförperter Imam aus Ali's geiftiger Nachfolge, noth⸗ 
wendig, und eine unwiderftehliche Macht, diefen Glauben aufrecht zu hal, 
ten, nach) außen. Stets mit Religionsübungen und Ausarbeitung feiner 
Lehrfäge, in Ordensregeln und Katechismen der geheimen Lehre ver Freis 
geifterei und Ruchlofigfeit, wie mit Anhäufung von Manuferipten und 
aftrologifchen Inftrumenten u. a. dergl., oder mit Ausfertigung blutiger 
Befehle zu Erdolchungen und Rachethaten befchäftigt, war er nur den am 
tiefiten in die Myfterien feines Ordens eingeweihten Fedawis zugänglich, 
verlieh nie fein Felſenneſt und foll fich während feiner Zöjährigen Herr 
ſchaft nur zweimal öffentlich auf der Terraffe feines Schloſſes gezeigt bas 
ben. Jede Uebertretung feiner Gebote ward mit der größten Strenge 
und an feinen eigenen beiden Söhnen mit dem Tode beftraftz Dagegen 
wurden alle religiöfen und finnlichen Mittel angewendet, um den wildeſten 
Fanatismus für den Dienft ihres Obern zu weden und mit den Ber 
heißungen paradiefifcher Wonne zu nähren, wodurch jene blinde Unterwuͤr⸗ 
figfeit und eigene Todesverachtung erzeugt ward, die an das Unglaubliche 
fireift. Gewiß ift es, daß dabei der aus der Hafchifch - Pflanze (Hyoscy- 
amus nach v. Hammer) und mehr als Opium verwüftende, vielleicht auch 
damit verfegte Tranf (WM. Marsden hält ihn für aus Hanf bereitet, ver 
als Bang im Orient noch heute fo allgemein auf gleiche Weiſe zur Bes 
rauſchung für Mordthaten und wilde Blutdurſt genofien wird) in Gebrauch 
war, zu tollfühnen, tovesverächtlichen, dem MWahnfinn gleichen Thaten. 
Daher die in dieſem Raufchtranfe benebelten, wie zuerft S. de Eacy ge: 
nau bewiefen hat, im Orient auch heute noch „Haſchiſchin“ oder „Has 
fchafchin‘ heißen, ein Wort, dus bei den «hriftlichen Kreuzfahrern ben 
Namen der Afjafiini erzeugte, welcher in den Hiftorien dieſer mordenden 
Schwaͤrmer ſeitdem jeden anderen verdrängt hat. 

Nah Haflan’s Tode (1124) ging die Herrfchaft des Meuchlerorbene 
auf feinen Dai Kia Büfürgomid über, der Kommandant der Fefte Lamflr 
war und genau in die blutigen Fußtapfen des Orvenaftifter trat, deſſen 
Macht wie die des Vorgängers in Dolchen und uneinnehmkaren € chlöffern 
beftand. Eo die übrigen, und vergeblich blieben alle Belagerungen und 
Kriegsfehden der Abbaſſiden und Seldſchukiden zur Bernichtung dieſer 
heillofen, Feßerifihen Rotte, welche alle Gegner durch ihre heimlichen 
Meuchler zittern machte. Der vierte der Nachfolger, Haſſan Il., ver nad 
dem Tode feines Vaters im Jahre 1162 den blutigen Ecepter zu Alamut 
ergriff und dem Weintrinfen ergeben, ſchlau und gelehrt in mathematifchen 
und motafyſiſchen Willen, aber nach ruchloſer als die Vorgaͤuger war, ers 


125 
gern daſelbſt fid, aufgehalten hat. Diefe Landſchaft breitet 


klaͤrte fich felbft als die Perfon des verheißenen fiebenten Imam's (dadurch 
verfchieven von den Schliten, welche deren zwölf anerfannten). Ex nannte 
fi) ale eine Art Trinität, den Khalifen, Dat und Hupfchet (d. i. Nach⸗ 
folger, Einlaber und Beweis), und hob alles bisherige Gebot des Koran 
auf, biefen burch eigene Sagung erfüllend. Selbſt die Faſten unterfagte 
er, ließ allen Lüften freien Lauf, predigte felbft, die bisherigen Gebete 
weglaffend, fimverwirrende Reden und ftiftete bet lebendigem Leibe ein 
Feſt der Auferfiehung. Zwar wurde der Unfinnige jchon nach wenig Jah⸗ 
ren von feinem eigenen Schwager, einem Nachlommen ber Bujiden, ers 
dolcht (1165), aber der Unfinn feiner Anhänger (fle nannten ſich Nafri) 
dauerte fort. Da aber nun durch fie alles Geheimniß der Ruchlofigfeit 
offenbar ward, fo fonnte die geheime Gewalt nicht länger in Nimbus ges 
häflt, wie zuvor, Wunder wirken. Die Mongolen erfchienen an den Tho⸗ 
ren von Iran und Turan, als der ſchwache Rocneddin, der Ießte dieſer 
Meuchlerfürften, der Mörder feines Vaters, fo eben erft ven Thron be⸗ 
fliegen hatte (im Jahre 1255 n. Chr. Geb.). Unter dem Namen Khor Schah 
wurde er das Jahr darauf (1256) von Hulagu’s, des Dfchingisfhaniven, 
Heere belegt, der von Mungufpan ben Befehl erhalten, die damals 
ganz Aften erzittern machende Rotte der Fegerifchen Ismaelier zu bekrie⸗ 
gen. Bon Demawend fit Hulagu feine Heere ans zur Belagerung ber 
Affaffinen - Burgen. Nah der erſten gegen bie Mongolen verlorenen 
Schlacht In der Nähe von Alamut warf jich der noch unerfahrene und 
feige Rocnebbin in die Fefte Matmundis, ließ fich aber auf den verberbs 
lichen Rath des berühmten Aftrologen Nafr-ed:din aus Tus, ber ven Schutz 
der Aflaifinen in Alamut gefucht hatte, verleiten, dem Mongolen Unters 
werfung zu zeigen. Dem Mongolifhen Kahne fagte der Aftrolog Nafrs 
ed:din, daß „ihn die Feftigkeit der Affaffinen: Schlöffer nicht kuͤmmern 
dürfe, da der Verein der Sterne und Planeten den Verfall ihrer Macht 
far vorher fage und die Sonne ihrer Herrichaft fehnell vor der nen aufs 
gehenden dem Untergange zueile.“ Dafür hieß Hulagu den Aftrologen in 
feinem Lager verweilen, erhob ihn fpäter zu feinem Vezier und, auf 
Maraghas Obfjervatorium, zn feinem erften Aftronomen und Sterndeuter. 
Nocneddin mußte feinen eigenen Kommandanten der Burgen, beren er 
über 100 in Rubbar, Kohaftan und Eyrien zählte (die Scriptores der 
Gesta Dei per Francos fchrieben ven Affaffinen fogar 40,000 bis 70,000 
Fedawis oder Bingeweihte zu), ben Befehl ertheilen, fie mit Hilfe der 
Mongolifchen Abgeorbneten zu fchleifen. In Rudbar (Rudbar Alamut 
zum Unterfchiede von anderen Rubbars öfter auch Provinz Talefan ges 
nannt), Sagt Mirkhond, wurden allein äber 40 feite Schlöffer ver 


126 


fi) volle fech8 Tagereifen ‚weit aus. ie faßt viele Etäbte 


Erde gleich gemacht. Aber die von Alamut, Lamfir und Kirdkuh weiger⸗ 
ten fich zu gehorchen, bis Hulagu felbft vor Lamſtr 309, deſſen Cinwoh- 
ner ihm jedoch huldigend entgegen famen. Alamnt’8 Befakung bat fi 
drei Tage Bedenkzeit und dann freien Abzug mit den Familien aus, ber 
auch, um Bieler Lehen zu ſparen, geftattet wurde. Alamut's Bergfefte, 
die eigentliche Reſidenz des Großmeifters, verglich man mit einem Löwen, 
ber auf feinen Knieen liegend den Hals zur Erbe firedte; fie war fo bes 
feftigt, daß die Arbeiter bei der Zerflörnng ihrer Mauern mit den Hacken 
und Gifenbrechen bie Deden bes Birmamentes- felbft vor ſich zu haben 
glankten. Die in Fels gehauenen Gewölbe waren mit Honig, Wein und 
Weineſſig gefüllt und gut erhalten, feit Haffan Ben Alt’s Zeit, daß bie 
unerfahrenen Mongolen in dieſen unterirdifchen Gemächern bei der Zer⸗ 
ftörung, nah Echägen fuchend, wie Mirkhond verfidert, in Mein und 
Honig tauchten. Die Bente an Gold und Koftbarfeiten aller Art, welde 
die Mongolen in diefer und ven übrigen Burgen machten, foll nnermeßs 
lich gewefen fein. Der gelehrte VBezier und Chronift Atamelif Dichomwainl, 
aus befien Berichten Mirkhond fchöpfte, Hatte den Auftrag erhalten, bie 
Bücherfammlung und die Archive in Alamut zu unterfuchen; er legte bie 
Korane und einige andere koſtbare Schriften fir Hulagukhan zur Ceite 
und übergab alle anderen, zumal die, die geheime Lehre der Sekte be: 
treffenden Schriften ſammt den mathematifchen und aftronomijchen Werk⸗ 
zengen ben Flammen. Rocnebbin wurde nad) Karaborum zu Mangukhan 
gefchiekt, aber wicht vor den Monarchen gelaffen und am Gihon ermorbek. 
Defien darauf folgende Morpbefehl, die ganze Brut der Aſſaſſinen mit 
Weib und Kind auszurotten, wurde in Rudbar und in Kuheſtan buchſtäb⸗ 
lich vollzogen; in Kuheftan, wo Kirdkuh nicht fern im Weſten von Dam 
ghan Tag, wurben 12,000 gefangene Ismaelier ohne Unterſchied hingerich⸗ 
tet, und in Kaswin uͤber alle Weiber, Kinder, Geſchwiſter, Verwandte 
und Diener Rocneddin's das Blutgericht gehalten. Vierzehn Jahr ſpaͤter 
traf daſſelbe Schickſal die Aſſaſſinen im Libanon und in Syrien, und. fo 
wurden, wie e8 heißt, Damals alle Wege in Iran von Mördern gereinigt, 
die Menchler wurben durch bie offene Rache der Mongolen vertilgt. Doch 
muß Alamut noch längere Zeit nachher als Feſte fort eriftirt habem ober 
doch fpäter wieder aufgebaut worden fein, obwohl uns darüber nichts 
Näheres bekaunt ift, als eine einzige, iedoch beweifende Stelle im Leben 
Schah Abbas, der Hiftorien Alemarai abbassi, Mnscr. persan de Bruix II, 
folk 3, daß im Jahre der Heg: 997, d. i. 1588, die Stadt Alamut als 
eine fehr bedeutende Feſtung anugefehen ward. Ritter VIII. 576—587. 
Ritter giebt. nun in Folgendem S. 587—595 bie mit fo vielen Schwie⸗ 


127 


und fefte Plaͤtze 10) und die Einwohner ſind Mahometaner. 


rigkeiten verknuͤpfte Wiederaufſuchung der Bergfeſte und Ruine von Ala⸗ 
mut durch Colonel Monteith (1832) und Col. Stewart (1837) durch die 
Gebirge Rudbar's, und ſchließt mit Stewart's Angaben über Alamnt, das 
Geierneſt: Der Felſen dieſes Namens liegt zwei Engl. herauf in der 
Hoͤhe des ſteilen Gebirgspaſſes Duderran, an einer Anhoͤhe, die man von 
dem Dorfe Gazerkaneh erſteigt, noͤrdlich von dem Gebirgszuge Pitſchakn. 
Der Felſen Alamut liegt einzeln, faſt auf der Spitze der Anhoͤhe, eine 
gute Stunde von einer hohen Gebirgskette, die am 24. Mat noch mit 
Schnee bevedt war, und diefe Gegend von Öhilan und Dilem trennt (wohl 
die Efaman-Alpen). Etwa 600 Schritt von dem Yelfen entfernt, liegt. 
ein noch höherer Hügel, welcher ven erften beherrfcht; der Felſenruͤcken 
ift gamz kahl, 300 Schritt lang, fih von D. nad MW. erſtreckend, oben 
fehr fchmal. Gegen N., ©. und D. iſt er etwa 200, gegen W. 100 Fuß 
hoch und ausgenommen gegen N. fehr fteil, faft fentrecht, fo daß ber 
Felfen uneinnehmbar erfcheint zu jener Zeit, wo das Geſchuͤtz noch fehlte. 
Su der Nähe iſt Alles öde und tobt, der Pfad hinauf führt von der Nord⸗ 
feite und um den Felfen hin, der durch Enge und Steilheit ver Precipis 
ren lebensgefährliche Etellen hat. Der Berggipfel gewährt fehr weiten 
Umblick, aber auf keinen ansgezeichneten Boden. Bon einigen Baftionen 
und Mauern, welche den Berg umfchloffen, fieht man noch hie und ba 
Epuren, auch mit Mörtel aufgeführte Refte von Wohngebaͤnden und drei 
Baffins, welche wohl einft zu Waflerteichen dienten; auch mehrere große 
Vertiefungen, welche bie Lage alter Vorrathskammern bezeichnen, in wel: 
che die Mongolen hinabgeftürzt fein mögen. Der Fels theilt fi in zwei 
ungleih hohe Spigen, In denen ein Felſendurchgang ausgehauen ward. 
Die Suͤdſeite if die hoͤchſte und fleilfte, von der man eine granbiofe Aus: 
ficht genießt, wohl dieſelbe Stelle von Haflan ben Ali's Wohnfige, welche 
ven Namen eines Geierneftes verbiente. In der Nähe waren einige Nachs 
grabungen auf einer Orabftätte erfolglos. 

110) Bon Damghän ging feine Reife ziemlich öftlich oder nach Balfh 
zu, wie es fcheint durch Jan-Jerm und Niſchapur nach Mern⸗ar⸗rud; 
aber die Zahl der Tagereifen ift augenfcheinli zu gering angegeben, 
wenn wir auch annehmen wollten, daß er mit doppelter Echnelligfeit ale 
die gewöhnlichen Karavanen, oder vierzig Englifche Meilen des Tags ges 
reift ſei, was jedoch weniger wahrfcheinlich if, als dag einige Stazionen 
in der Erzählung mweggelafien find. Sechs Tage gewöhnlicher Reife wuͤr⸗ 
den ihn nicht weiter als bis zu ben Grenzen von Kumis, bei Afadabad 
(wo Hulagu Halt machte, um die verftellte Unterwerfung Rukn⸗eddin's 
zu empfangen), bie Niſchapur geführt haben, und bog muß das wohl» 


N 


128 


Dann beginnt eine Wüjte fi vierzig oder fünfzig Meilen 
weit auszudehnen 111), wo fein Waſſer zu finden, und ber 
Reiſende ſoll jid mit Waſſer verforgen, ehe er in dieſelbe 
fommt. Da das Rieh Feine Tränfe findet, bis die Müfte 
zuruͤckgelegt, fo ift die größte Eile nöthig, daß man einen 
Waſſerplatz erreiht. Am Ende des jechsten Tages Fommt 
man an eine Etadt, Namend Sapurgan!12), die reichlid 


—— — un — 


bevllterte Land in dieſer Richtung zur Annahme verleiten, daß der Weg 
über dieſe berühmte Stadt führte. Wahrſcheinlich iſt es, daß er von 
dort direct nach Sarkhes oder Sarukhs, welches Ibn Haukal fünf Sta⸗ 
zionen rechnet, wie es drei von Merusar:rud iſt, gezogen. M. 

111) Der Theil Khoraſan's, durch welchen ſein Weg fuͤhrte, mag es 
nun von Alamut oder von Damghan nach dem genannten Platz ſein, ſoll 
im Allgemeinen eben ſein, mit ſandigen Wuͤſten und unregelmaͤßigen 
Reihen hoher Berge durchzogen. 

112) „Cheburgan, Stadt Coraſſan's am Gihon und nicht fern von 
Balc“, fagt Pelis de la Gvoir, der Meberfeger Sherefebbin’s, „liegt ums 
term 100° der Länge und 36° 45° der Breite. Bei D’Anville heit 
fie Aſhburgan, auf Strahlenberg’s Karte Chaburga, auf Macbonald Kin⸗ 
neir’s Karte Tubbergan, und auf Elphinitone’s Shibbergaun. Lebterer bes . 
zeichnet fle als abhängig von Balfh. — Abulfeda fagt: „Sie hat ein flie⸗ 
ßendes Wafler und einige Gärten. Cie ift die Hauptſtadt Gurgams, 
fagt Azizins, 19 Parfangen von Balkh.“ (Geogr. p. 339). — Marsden 
und Balvelli Bont nehmen Ashburgan für diefes Sapurgan an; nur ers 
feheint mir jene Stadt nicht bebeutend genug, als daß fie auf bie Bes 
fchreibung Polo's paſſe, fondern ich glaube mit gutem Recht, wie fich aus 
Folgendem ergeben wird, daß Merv Schahjehan (Marwa'ſch Schahgan bei 
Abulf.), das alte Antiocheia, am untern Murghab darunter zu verftchen 
fei. Ritter fagt (VIII. 227): „Der dritte Segensort Iran’s, Mours 
(Mary, Deru, Margiana) liegt gegenwärtig in ber Mitte der Wuͤſte, 
das wußte auch Etrabo (XI. 10 f., 515, 576 ed, Cas.) ſchon, der dieſe 
Landfchaft als kleines Gebiet im Norden von Aſia und yom Margus als 
wohl bewäflert angiebt und zugleich feine Fruchtbarkeit ruͤhmt. Antiochus 
Eoter, fagt er, der Ebenen Fruchtbarkeit bewundernd, habe fie mit eis 
ner Mauer, 150 Stadien im Umfreife haltend, umzogen und. innerhalb 
die Stadt Antiocheia erbaut. Das Land ſei rebenreih; man erzählte fo- 
gar, ver Wurzelſtamm fei dort oft nur von zwei Männern umfpannbar 
und die Trauben zwei Ellen groß. Früher war ber Murghab oberhalb 
biefer Kapitale eingedaͤmmt, wodurch feine reichliche Waflermafle die ganze 


129 


mit aller Art Rahrung verfehen und vorzüglid berühmt ift, 
daß fie die beften Melonen in der Welt liefert. Diefe wer: 
den auf folgende Weife aufbewahrt. Cie werben gewunden 
in dünne Scheiben zerfhnitten, wie bei uns die Kürbije, 
und wenn fie dann in der Sonne getrodnet worden, ſchickt 
man fie in großen Maffen zum Verkauf in die benachbarten 
Länder, wo fie fehr geſucht find, weil fie füß find wie Honig. 
Auch giebt es dafelbft viel Wild, namentlich Vögel. 


unterhalb liegende Umgegend in die reichfte Bruchtlandfchaft verwandeln 
fonnte. Ibn Haufal, Edriſi und andere Autoren find ihres Ruhmes voll, 
aber durch Dſchingiskhan's Mongolen wurde fie, wie Balfh und Herat, 
in einen Rninenhanfen verwandelt. Später muß fie ſich wieder erholt 
haben, da Abulfeda fie als eine reinliche, nette Stadt, reich an Garten- 
umgebungen, rühmt. Sn neuerer Zeit mußte fie durch Barbarei von 
Neuem in Einoͤde verfinten. Die Stadt wird Merv Schaht Jehan (nach 
v. Hammer Merv Echahbfchan) genannt, d. i. „Merv, König ver Welt.“ 
Hier erhoben ſich die Abaſſiden, bier blühten Künfte und Wiffenfchaften anf; 
große Gelehrte waren hier zu Haus. Zu jener Zeit war feine Stadt 
wie dieſe, voll Palaͤſte, Gärten, Haine, Obſtwaͤlder, Stroͤme. Das Obft 
war befier als fonft irgendwo; die Kunft der Seidenzucht und Berarbei; 
tung der Seide ward (jagt Ibn Haufal) von hier aus erfi nach Taberi⸗ 
Ran verpflanzt. — Edriſi fiimmt ein Paar hundert Jahre ſpaͤter noch 
immer mit Ibn Haufal in dem Lobe diefer Stadt überein und feßt nur we⸗ 
nig zu befien Nachrichten, denen er folgte, hinzu. Er nennt die Stadt 
der Ebene als Kapttale jedoch Merv el Rud, die fchon fern von ben 
Bergen liege, was alfo das obere Merutfchak nicht fein Fann. Daher 
wohl die fpätere Verwechslung beider Namen. Bon dem Fluffe fagte 
er, bag er überhaupt in feinem Laufe viele Tiebliche Wohnungen, wohl: 
habeude Dörfer und Burgen, die an feinem Ufer erbaut find, beſpuͤle; 
daß in der Kapitale die Häufer, pfeilſchußweit auseinanderftehend, aus 
Erde erbaut find, mit Gärten umgeben, in gemäßigtem Klima. Er 
führt, wie. fein Vorgänger, dort biefelbe Inbuftrie an, rühmt befonders 
die Baumwolle von Merv und die daraus gefertigten Stoffe, die wegen 
ihrer Weichheit gefucht feien, und fährt die Worte aus dem Terte Ihn 
Haukal's an, weldhe in der Bearbeitung der Orient. geogr. fehlen, „daß 
man dort die Melonenfhnitte trodne und fie fehr weit 
und breit verfhide” Gin Schreibfehler in Eapurgan für Schah⸗ 
jehan oder Schahgen iſt fehr leicht zu benfen. 9 


130 


Wir verlaffen diefen Plag und wollen nun von einem 
anderen reden, Namens Balady113), einer großen und präd) 





113) Dem Notvabhange des Hindu Khu und der Hezareh> Berge oder 
dem Indiſchen Kaufafus und dem Paropamifus liegt die Landſchaft des 
alten Baftriens vor, das heutige Balfh, mit Muzar und Khulam im 
Dften, mit Ehibergan, Andkhu und Meymuna im MWeften, gegen Merv 
und Herat zu. Es find dies bie Suͤd⸗Gihon⸗Landſchaften, welche im 
eigentlichen Einne nicht mehr zu Khorafan, kaum noch zu Iran gerechnet 
werben fönnen; wohl aber find es defien aͤußerſte Etammorte gegen das 
Buchariſche Tiefland und deſſen Hauptftrom, den Gihon. Balkh, gegen 
wärtig zum Gebiete des Königreichs Bochara gerechnet, hat den ſtolzen 
Titel; „Amu al Bulad“, die Mutter der Städte, aus früheren Zeiten 
Seiten beibehalten. — Die Trümmer der Stadt. breiten ſich uber einen 
Umkreis von acht Stunden weit aus, find aber gegenwärtig ohne alle 
Veberrefte von Pracht, nur verfallene Mofcheen, Grabmäler, Wohnun⸗ 
gen, insgefammt aus blos von der Sonne gebörrten Badfleinen aufge 
führt, die freilich feit Tange zu Steingruben für die Umgegend dienen. 
Ibn Haufal iſt der erfte, der uns über Balfh aus der Zeit der Eos 
maniden der dort einheimifchen Dynaftie (bis zum J. 100% n. Chr. G.), 
welche auch ihre Reſidenz hier hielt, einige Nachricht gibt. - Er führt fe 
als eine der vier Hauptſtaͤdte Khorafan’s auf, mit Herat, Merv mb 
Niſchapur; nach Herat habe fie die fchönfte Mofchee.... Bor allen Tho⸗ 
ren der Etabt find Gärten und Obftpflanzungen, welche alle Eorten des 
trefflichften Obſtes Tieferten, jedoch die Datteln fehlten Hier. Sherif 
Edriſi (um das Jahr 1150) wiederholt den Bericht Ibn Haufal’s, fügt 
aber hinzu: Die Stadt fet die Kapitale der Turk, das Hauptquartier 
Ihrer Truppen geworben, die Refivenz ihrer Prinzen, Richter, Verwal⸗ 
tungen; fie habe blühende Vorſtaͤdte, flarfe Bevölferung, viel Induſtrie 
und eine große Mofchee von Bazaren umgeben; fie ſei voll Handel und 
Verkehr. Durch Dſchingiskhan wurbe die ganze Bevoͤlkerung der bamals 
blühenden Stadt Balfh, welche ihm mit reichlichen Gefchenten entgegen 
gekommen war, um bem Uebel einer Belagerung zuvorzulommen, Im 
Jahre 1220 mit kaltem Blute abgefchlachtet; ſeitdem fcheint fie ſich nie 
wieder erholt zu haben. Ibn Batuta fand um das Jahr 1340 die Etabt 
bei feiner Pilgerfahrt noch in Ruinen und fluchte dem Mongolifchen 
Weltſtuͤrmer, der felbft -die dortige Mofchee, eine der fchönften und größs 
ten der Melt, mit ihren Prachtfäulen zerftört habe. Mir Iſſet Ullah, 
ber es 1812 beſuchte, gibt der Etat 3000 Hänfer, größtentheils von 
Usbeden, Tadſchick's und Afghanen bewohnt. — Die Bebrängnifie und 
Ueberfälle des Murad Beg von Kunduz haben ſeitdem jedoch die Bevoͤl⸗ 


131 


tigen Stadt. ie war vordem noch beträditliher, hat aber 
viel Leids von ven Tartaren erlitten, die in wieberholten 
Ueberfällen Die Gebäude der Stadt theilweife zerftört haben. Eie 
hatte viele Paläfte aus Marmor gebaut und große Plaͤtze, 
die man noch fehen Fann, freilich in zerftörtem Zuftande. In 
diefer Stadt nahm, nad) dem Berichte der Einwohner, Aleran- 
ber die Tochter des Königs Darius zur Gemahlin 11%), 
Auch bier herrſcht die Mahometanifhe Religion vor. Bis 
zu dieſer Stadt erftredten ſich die Orenzen des Perſiſchen 
Reichs in norböftliher Richtung. Wenn man von dannen 
zieht zwiſchen Aufgang und Mitternadyt, jo kommt man in 
zwei Tagen durch ein Land, wo man fein Zeichen einer menfd- 
lichen Wohnung findet, da die Bewohner alle In die feften 
Bläpe des Gebirges geflohen find, um ſich gegen bie Angriffe 
gefeblofer Räuber zu fhüten, die dieſe Gegenden durchſchwaͤr⸗ 
men. Hier ift Waffer in Fülle und Wild verſchiedener Art. 
Auch Löwen halten ſich in dem Lande auf. Doc ift in 
dem Hügelzuge während diefer zwei Tage nit viel zur Nah— 
rung da, und der Reifende muß ſich mit hinveichendem Vorrathe 
für fi und fein Vieh verforgen. 


ferung der Stadt bis auf 2000 Einwohner Keruntergebracht (wie A. Bur⸗ 
nes 1832 angibt), meift Eingeborne von Kabul, einige Araber und Afs 
ghanen als Milizen. Den Erdwall, der die ganze Stadt umgibt, ums 
ziehen noch heute Stunden weit nad allen Seiten Ruinen zwiſchen weit⸗ 
Fauftigen verwilderten Gartenfeldern und ausgetrodneten Waſſerleitungen. 
Ritter Afien VIII. 218—227. 

114) Die Berfiihen Vermaͤhlungen Alerander mit Barfine oder 
Statira, der Tochter König Darius, und mit Parifatis, der Tochter 
Ochus, follen nach der gewöhnlichen Meinung in Suſa flattgefunden 
Haben; aber die Tradizionen der Einwohner Baktra's (wenn fie nicht alle 
durch die nachfolgenden Eroberer vernichtet worben find) mögen vielleicht 
eine richtigere Autorität abgeben, als die aus welcher Quintus Curtius 
feine: Gefchichte zuſammenſtellte. M. 


9 * 


134 


deſſen Titel dem unferer Barone oder Grafen gleich ift, und 
der in den Bergen noch andere Etädte und feite Pläbe beſitzt. 
Durch die Mitte der genannten Stadt ſtroͤmt jetzt ein Fluß 
von ziemlicher Größe. Hier werben Stachelſchweine gefuns 
den, die fid) zufammenrollen, wenn die Jäger ihre Hunde auf 
fie hegen, und mit großem Grimme die Stadyeln ausſchießen, 
mit denen ihre Haut befest ft, und damit Mann wie 
Hund verwunden. Die Leute diefed Landes haben ihre bes 
fondere Sprache. Die Hirten, welche das Vieh hüten, leben 
in ven Bergen und haben ihre Wohnung in den Höhlen, 
die fie fih zuridten, was aud gar Fein ſchwieriges Werk 
it, da die Hügel nidt aus Steinen, fondern aus Erde be 
ftehen. Zieht man von dannen, jo wandert man drei Tage, 
ohne ein Gebäude zu fehen oder irgend Lebensbebarf zu fin 
den; doch für die Pferde ift hinreihend Futter da. Man 
ift deswegen genöthigt, Alles das mitzunehmen, was man 
auf dem Wege braudt. Früh am dritten Tage fommt man 
in das Land Balaſchan 119), 


119) Diefer Platz ift zweifelsohne Babafhfchän, wie der Name rich: 
tig von Ibn Haufal nnd anderen Geografen gefchrieben, obgleich er 
oft auch Balakſchaͤn ausgefprocdhen wird. Bon D’Herbelot wird ihre Lage 
fo befchrieben: „Badaffchian und Balafhfchlan, ein Land, welches einen 
Theil der Provinz Tokhareſtan ausmacht und das fich nach den Quellen 
des Gihon oder Oxus hin erftredit, durch welchen es im Often und Norden 
begrenzt wird.“ In „I’Histoire genealogique des Tatars““ heißt es: 
„Die Stadt Badaghſchan liegt in der großen Budarei, am Fuße jener 
hohen Berge, welche die Staaten des Großmoguls von der großen 
Zartarei trennen. Es ift eine fehr alte und durch bie Lage im Gebirge 
fehr feſte Stadt.” S. 54. — „Budukhſhan“, ſagt Elphinftone in feinem 
Bericht über Caubul, „obgleich eine ausgedehnte Landſchaft, ſcheint doch 
nur ein großes Thalgebiet, welches von ber Provinz Bulkh (Balkh) wach 
Beloot Taugh zwifchen Hochlanden hinläuft, die mit dem Palmer und ber. 
Hindoo Koofhkette verbunden find.” S. 628. Eiche Nitter über Bas 
dakhſchan, Erdk. VII. 3, 785—825. — Eeit Marco Polo und dem Pater 
Benj. Goes hat Fein Europäer wieder als Augenzeuge biefes Land bes 
ichtieben, von dem nur aflatifche Kriegsberichte aus der Ferne reben, 

. oder Ranbhorben, oder Handelsleute, welche von da die Sklayen, bie 


135 


Fuͤnfundzwanzigſtes Kapitel. 


Bon der Provinz Balaſchan; von den Föftlichen Steinen, die bafelbft ges 
funden werden und den König anheimfallen; von den Pferden und Falken 
des Landes; von ber heilfamen Luft der Berge, und von den Kleidern, 
mit denen die Grauen fich ſchmuͤcken. 


In dem Lande Balafhan find die Einwohner Mahome- 
tanifhen Glaubens. Es ift ein ausgedehntes Königreich und 
wird von Fürften in erbliher Folge beherrfht, die alle von 
Aerander mit ber Tochter Darius’, Könige von Berften, ab» 
ftammen. Alle diefe haben den Titel Zulfarnen geführt, das 
ift Alerander120). In dieſem Lande findet man Evelfteine, 


Rubine und deu Lafnrfiein auf die Bazare der Mufelmänner bringen, 
oder gegen diefe Waare andere eintaufchen. M. Nolo felbft fcheint auf 
wundervolle Weiſe diefes Land befucht und nach feiner eigenen Ansfage 
fi daſelbſt Iängere Zeit verweilt zu haben, daher er auch hier mehr im 
die einzelnen Angaben über dieſe Berglanpfchaft eingeht. 

120) Wir haben das nöthige Material nicht, die Berufungen biefer 
Fürften auf eine fo erlauchte Abfunft zu beftätigen oder zu widerlegen, 
deren Beweis fie wohl felbit ſchwierig finden möchten; aber ficher iſt es, daß 
die Anfprüche von früher Zeit an bis auf den gegenwärtigen Tag ges 
macht worden find. Abu'lfazal furicht von den Diftriften Sewad und Bis 
jore, die er als aus Hügeln und Milpniffen beftehend und von dem 
Stamm Doufef Zy bewohnt, befchreibt, und führt dann fort: „Zur Zeit Mirza 
Ulugh Beg’s (1450) fam der Stamm Eultan, der behauptet, von ber 
Tochter Sultan’s Sekunder Zulfernain abzuftammen, aus Gabul und 
nahm diefes Land In Bells. Ste fagen, daß Sefunder einen Schatz in 
Gabul unter der Obhut einiger feiner Verwandten gelafien habe; und 
einige von ihren Nachkommen, bie ihren Stammbaum mit befitzen, woh⸗ 
nen jetzt in den bergigen Gegenden.‘ Ayin Akbari, Vol. Il. p. 195. 
Diefe Bertvandtfchaft wird auch vom Bent. Macartney erwähnt, der in 
feinem Memoir fagt: „Der König von Derwauz (an ben Quellen des 
Drus) behauptet feine Abſtammung von Nlerander dem Großen, und feine 
Anfpräche werden von allen feinen Nachbarn anerkannt.” Account of 
Caubul, App. p. 682. Es ift merfwärdig, daß wir in ber Lifte der Aſh⸗ 
Fanifchen Könige, die Befik vom Thron Perfiens nahmen nad ben un: 
mittelbaren Nachfolger Aleranders, und bie. fich rühmten, ſelbſt von der 


136 


die Balaß⸗Rubine (balasci, balassi bei Ramuf.) genannt 
werben, fehr Foftlid und von großem Werthe find 124). Eie 


Tochter des Darins abzuflammen, auf den Namen Balafch Häufig tref: 
fen; unb einer von ihnen heist Balafchan, der Eohn Balaſch's. Eiche 
Hist. gen. des Huns, Liv. VII. p.399. Es ift unnöthig zu bemerken, 
daß das Wort zul’-farnein „‚gehörnt‘ bedeutet und daß es von den Mor: 
genländern vem Alerander, den fie Sekunder nennen, beigelegt wurbe, wegen 
der Abbildung feines Kopfes (Jupiter Ammon) auf ven Griechifchen Münzen, 
die lange in Umlauf waren und nachmalig in Perfien nachgeahmt wurden. M. 

121) Alle Schriftſteller, die von dieſein Lande handeln, erwaͤhnen 
ihre beiden Produkte, den Balaß Rubin (von den Orientalen als eine 
Art Hyazinth Haffifizirt) und den Lapis lazuli. „Badakhſchan“, ſagt Ibn 
Haukal, „bringt den Rubin (Laal) und den Lapis Lazuli (Lajaward) her⸗ 
vor. Die Gruben find in den Bergen.” — „In dieſen Bergen“, ſagt 
D’Herbelot, „findet man die Grube der Rubinen, welche die Morgens 
länder Badakhſchiani und Balakhfchlani nennen, wir aber Rubis ba- 
lays.” — „Die Gegend von Beloot Taugh in Budukhſhaun“, fagt Elphin⸗ 
one”, erzeugt Eifen, Salz und Schwefel, wie auch Lapis Lazuli in gros 
fer Menge; aber vie berühmten Rubingruben, deren Evelfteine von den 
Perſiſchen Dichtern fo oft befungen werden, liegen in den niedern Ber⸗ 
gen am Oxus (wohl bei Echeganign). Cie werben jebt nicht bearbeitet.“ 
P. 629. 3.3. Fraſer z0g (1821) folgende Erkundigungen ein: „Sm 
fernften Gebirge dieſes Landes liegen die reichiten Gruben, wo man 
Lapis Lazuli und die Rubine gewinnt. Jener (Al Lazurd bei Abulfeba), 
der Lazurftein, bildet zuweilen Adern von beveutender Mächtigfeit in eis 
nem grauen Muttergeftein. Die abgefpaltenen Tafeln diefes edlen Stei⸗ 
nes wiegen zuweilen mehrere Tauris Maunds (Maund ein Gewicht von 
30, 40 und mehr Pfund) und koͤnnen als große Tafeln und Bloͤcke vers 
arbeitet werden. Man bringt diefe nach Bofhara, und von da nad Ruß⸗ 
land, wo der Lazur in hohem Preiſe ſteht. In Bokhara iſt ſein Preis 
niedriger; etwa fünf Maund Gewicht gelten ſechs Toman; in Rußland 
ift diefer Preis ſchon um das dreifache erhöht. — Die Rubine (Bas 
laſci, Rubis balays) werben in einer weißen Erbe eingelagert gefunden, 
und zwar in großen Kryſtallmaſſen (wohl Drufen), die beim Aufbrechen 
öfter die fehönften Eoelfteine darbieten; Fraſer will dergleichen von den 
ſchoͤnſten fechsfeltigen Säulen gefehen haben. Die von dort ebenfalls 
gerähmten Emaragde (oder Hyazinthe) find ihm aber nicht zu Geſicht 
gekommen. — „Die Rubingruben, welche ihren größten Ruhm den prunk⸗ 
füchtigen Zeiten der Großmoghuls in Delhi verdanfen, follen, nahe am 
Oxus in Scheghanian (Shugnan, was ſchon M. Polo unter Sikinan ale 


137. 


ind in den hoben Bergen zu finden, erben aber nur in 
einem, Namens Sifinan, gefuht.. In biefem läßt der König 
Minen graben, ganz wie für Gold und Eilber, und nur 
durch dieſe Kanäle befommt man fie; und da Tobesitrafe 
barauf gefegt tft, fo wagt Niemand, felbft nachzugraben, au- 
Ber wenn er durch befonvdere Gunft feiner Majeftät Erlaubs 
niß dazu erhält. Gelegentlich giebt fie der König Fremden, 
He durch fein Land reifen, als Gefchenfe, da fie von An- 
yeren durch Kauf nit erhalten und and nicht ohne feine 
krlaubniß ausgeführt werden Fonnen. Er hat die Abſicht 
bei, daß die Rubine feines Landes, mit denen er fein 
Anfehen verbunden glaubt, ihren Werth und ihren hohen 
Breis erhalten; denn wenn fie nad) Belieben gegraben und 
m3 dem Königreiche geführt werden Fünnten, fo wirben ſte 
ald ihren Werth verlieren, in fo großer Menge find fie 
orhanden. Einige fhidt er als Gefchenfe an andere Ks 


te einzig bearbeitete Grube ganz richtig anführte, (S. Ritter VII. 789 
ab 817) bei dem Orte Sharan liegen. Dies legtere foll nur fo viel als 
Brube bezeichnen; denn man gräbt fle in den niebern Bergen. Giner 
er Grzühler behauptete, diefe Gruben liefen bis unter den Oxus hin, 
voran aber A. Burnes zweifelt. Der jebige Khan von Kunduz wollte 
fefe Gruben, die früher hier lange Zeit brach gelegen zu haben ſchei⸗ 
ien, von neuem in Gang feßen burch biefelben Grubenarbeiter, denen 
a8. Sefchäft feit frühern Zeiten erblich zukommt, die aber wenig Ges 
Han davon haben follen. Der Tyranı forderte fogar ganz unentgelvliche 
Frohnarbeit von ihnen; da fie ſich widerfegten, wurden fie in die Suͤmpfe 
von Kunduz verpflanzt, wo die meiften umfamen, fo daß bie Kufte dieſer 
Rubingräber gegenwärtig faſt ausgeftorben fein fol. Die Sage iſt all: 
jemein, man finde die großen Rubine ſtets nur paarweiſe; die großen 
wllen deswegen oft in Doppelftüdde zerbrochen, ober ber eine fo lange 
verhehlt werben, bis man den zweiten dazu gefunden. — In der Nähe 
ver Rubingruben follen ſich auch die Felfen von Lapis lazuli finden. Man 
feat Feuer darunter, um fie mürbe zu machen, giept dann Faltes Waſſer 
barauf, um ben Stein zum Berften zu bringen. Das ift die Art des 
Gewinnens diefes fchönen Lazurfelſens, veffen Ausfuhr nad China ehe: 
dem fehr bedeutend geweien. — Nur im Winter pflegt man beide Gru⸗ 
ben, fowohl bie ver Rubine wie vie des Lazurfieins zu bearbeiten. 


138 


nige und Fürften, andere giebt er ald Tribut ab (an feinen 
Oberherrn, den Mongolenfaifer) und wieder andere vertauſcht 
er gegen Gold. Dieje erlaubt er auszuführen. Es giebt 
auh Berge im Lande, in welden man Adern des Steins 
Lapis lazuli (bei Ramuf. Azurro) findet, welcher die Azurfarbe 
(Ultramarin) giebt. Sie find die beiten in ver Welt, 
Die Eilber-, Kupfer- und Bleiminen find gleichfalls fehr er- 
giebig. Es ift ein kaltes Land. Die Pferde werben hier 
in vorzüglider Eigenſchaft erzogen und find von großer Schnel- 
ligfeit. Ihre Hufe find fo hart, daß fie nicht befchlagen zu 
werden brauden. Die Einwohner find fo barauf eingeüht, 
daß fie den fteilften Berg hinan galoppiren koͤnnen, wo fein 
anderes Vieh zu laufen wagen würde. Sie verfidherten, daß 
ed no nicht lange her fei, wo in dieſem Lande Pferde zu 
finden gewefen feien, die noch von Alexander's berühmten 
Bufephalus abftammten, welde alle mit einem Maale an der 
Etirn zur Welt gefommen wären. Diefe ganze Zucht aber 
war im Befig eines von den Oheimen des Königs, ver, weil 
er fie feinem Neffen nicht abtreten wollte, hingerichtet wurde, 
worauf feine Wittwe in verzweifelten Zorn über feinen Mor 
die Pferde alle erwürgen ließ, und fo war diefe Race ber 
Welt veloren. Im den Bergen giebt es Salfen von der At, 
die Eaferfalfen (falco sacer) genannt wird; Dies find gan 
- ausgezeichnete Falfen vom fehnellften Flug; fo wie aud 2a 
neten oder Lanner (falco lanarius). Es giebt daſelbſt aud) 
treffliche Habichte (Astori bei Ramuſ.; falco astor oder pa- 
lumbarius) und Sperber oder Finfenfalfen (Sparvieri; falco 
nisus). Die Leute des Landes find wohlerfahren im Waib- 
werf mit Wild und Geflügel. Guter Weizen waͤchſt daſelbſt 
und eine Art Gerfte ohne Grannen (orzo senza scorza, Wie 
Linnée's hordeum nudum). Dliven haben fie nicht, aber fie 
prefien Del aus gewiffen Nüffen und aus dem Korne,: wel 
ed Seſam (sesamum orientale) genannt wird und dem 
Flachsſamen gleicht, ausgenommen daß es hellfarbig ift. Das 
Del, welches fo gewonnen wird, ift beffer” und buftiger ale 


189 


alle3 andere. Es wird von den Tartaren und anderen Bes 
wohnern diefer Gegenden gebraudit. 

In dieſem Koͤnigreiche giebt es viele enge Paͤſſe und 
feſte Plaͤtze, die viel Vertrauen gegen einen feindlichen Einfall 
geben. Die Bewohner ſind gute Bogenſchuͤtzen und kleiden 
ſich gewoͤhnlich in die Felle wilder Thiere, anderes Zeug zur 
Bekleidung iſt bei ihnen ſelten. Die Berge geben Weide fuͤr 
eine zahlloſe Menge Schafe, die in Heerden von vier⸗, fuͤnf⸗ 
und ſechshundert umherſchweifen, alle wild, und obgleich viele 
gefangen und getoͤdtet werden, merkt man doch keine Abnahme. 
Dieſes Gebirge iſt ſehr hoch, ſo daß ein Mann vom Mor⸗ 
gen bis zur Nacht ſteigen muß, um den Gipfel zu erreichen. 
Es breiten ſich aber in den Bergen weite Ebenen aus, mit 
Gras und Blumen bekleidei, und große Stroͤme mit dem klar⸗ 
ſten Waſſer ſtuͤrzen ſich vurch die Felskluͤfte. In dieſen Fluͤſſen 
findet man Forellen und viele andere Arten ſchmackhafter Fiſche. 
Auf den Höhen der Berge iſt die Luft fo rein und fo heil⸗ 
fam, daß die, weldye in den Etädten und in den Ebenen und 
Thälern unten wohnen, wenn fie vom Fieber oder von anderen 
Krankheiten befallen werben, ſich augenblicklich hinaufbegeben 
und nad) drei Tagen Weile dafelbft ihre Gefunpheit wieder ers 
halten. Marco Polo verfihert, daß er an feiner eigenen 
Perſon diefe Wirkung erfahren habe; denn da er nahe ein 
Jahr Frank in diefem Lande daniederlag, wurde ihm der Luft- 
wechſel auf diefen Bergen gerathen, wo er alsbald gefundete. 
Eine befondere Art Kleivung tft bei den Frauen der höheren Klaſſe 
zu finden; fie tragen nämlich unter dem Gürtel in der Weife 
yon Beinkfleivern eine Bekleidung, zu der fie je nad ihren Mit- 
teln hundert, achtzig oder ſechszig Ellen feines Baummwollen- 
zeug verivenden, das fie in unzählige alten legen, um den 
fgeinbaren Umfang ihrer Hüften zu vergrößern; und bie wer— 
den für die fchönften gehalten, welche die vollften Hüften 
haben. 


140 


Sechsundzwanzigſtes Kapttel. 


Bon dem Lande Basclä, welches fühlich von dem früheren liegt; von dem 
goldenen Ehmude, welchen bie Einwohner in ihren Ohren tragen, 
und von ihren Gebraͤuchen. 


Wenn man von Balafhan aus in füdliher Richtung zehn 
Tage weit reijt, fo fommt man in dad Land Bascia 122), 
deifen Volk eine eigene Sprache hat. ‚Sie beten Goͤtzenbilder 
an, find von dunkler Farbe und erfahren in der Kunft ver 
Magie, ein Studium, dem fie fih mit Fleiß ergeben. Eie 
tragen in ihren Ohren Ringe von Gold und Eilber, die mit 
Perlen und koͤſtlichen Eteinen verziert find. Das Klima des 
Landes ift in einigen Theilen außerordentlich heiß. Die Nah 
rung der Einwohner befteht in Fleiſch und Reis. ‚ 


1223) Bascia. Ta Polo Iange Zeit in Badakhſchan ſich aufgehalten 
und viele wichtige Bemerkungen, bie nahen Gegenden betreffend, geſam⸗ 
melt hat, fo unterbricht er die Erzählung feiner Reifen, um jene dem 
Lefer ‚mitzutheilen. Marsden glaubt, das Bascia des Polo ſei Paifhore 
oder Peshawer auf Elphinftone’s Karte von Kabuliftan gegen Suͤdweſten 
von Kafchmir gezeichnet; ich Tann dieſes nicht einräumen, weil die woͤrt⸗ 
lihe Auslegung des Tertes fagt, daß Bascia zwifchen Badakhſchan und 
Kafchmir liege; daher muß man biefes Land nicht jenfeit Kafchmir fu: 
hen, um fo weniger, da Polo das Land Kafıhmir im folgenden Kaptiel 
beſchreibt und fagt, er wolle zurüdfehren: denn, wenn er ben geraben 
Meg verfolgen wollte, fo würde er nach Indien kommen, welches er in 
einem andern Buche befchreiben will. Das Land, zehn Tagereiſen gegen 
Süden von Badakhſchan entfernt, bewohnt von goͤtzendienenden Voͤlkern 
verfchlevener Zungen, entfpricht vollfommen Baltiftan oder Klein⸗Thibet, 
auf der Karte Rennell's unter ven Ländern zwifchen dem Kaspifchen 
Meere und dem Ganges verzeichnet. Die von uns herausgegebene Ba: 
riante des Kober hat in der That nicht Bascia, fondern Baftian (p. 30), 
was eine Abkürzung von Baltiftan zu fein fcheint. Diefes Land heißt auf 
ber Karte von Mach. Kinneir Kafferiftan, eine allgemeine Benennung, 
welche von ben unduldſamen Mahometanern den fogenannien Ungläubigen 
gegeben wird. Forſter irrt, wenn er Bascia für das Land Vaſch Hält, 
welches gegen Norden und nicht gegen Suͤden von Badakhſchan liegt 
Baldelli Boni. 


— — — — — · — 


141 


Siebenundzwanzigftes Kapitel. 


Bon dem Lande Kesmur, das fübäftlich gelegen if; von den Einwohnern, 
bie gefchict in der Magie find; von ihrer Verbindung mit dem Indiſchen 
Meere, und von einer Klaffe Einfiepler, ihrer Lebensweife und 
außerordentlichen Enthaltfamfeit. 


Kesmur 123) ift eine Provinz, fieben Tagereifen von 
Bascia entfernt. Ihre Einwohner haben auch eine befondere 
Sprade. Sie find vor allen Anderen in der Kunſt der 
Magie erfahren, und zwar fo fehr, daß fie ihre Goͤtzenbilder, 
obwohl diefe von Natur ftumm und taub find, zum -Epredyen 
bringen koͤnnen; fie koͤnnen auch den Tag verfinftern und viele 
andere Wunder bewirken. Sie find die vorziglichften unter 
ben gögendienenden Nazionen und von ihnen gehen die Goͤtzen⸗ 
bilder (die anderwärts verehrt werden) aus124). Don vie- 
fem Lande ift eine Verbindung (zu Waffer) mit dem Indi⸗ 
[hen Meere 125). Die Einwohner find vunfelfarbig, aber 


323) Ueber diefes Föftliche Land ſiehe Moorcroft's, Jacqnemont's 
und Hügels Beichreibungen, fo wie Ritter, Aften V. 1083—1202 und 
vo. €. 70-86. Bolo Hat es nicht ſelbſt bereifet und fpricht nur 
von Hörenfagen davon, fonft würde er auch ficher mehr über deſſen herr: 
liche Eigenthuͤmlichkeiten gefagt haben. 

124) Dies ſtimmt mit dem überein, was uns in dem Ayin Afbari 
gefagt wird, daß die Hindu’s das ganze Kashmeer als heiliges Lund be: 
trochten, wo 25 Plaͤtze Mahadeo geheiligt find, 64 Bishen, 3 Brah⸗ 
na und 33 Durga (ver Göttin der Tage). Vol. II. p. 156. Es tft des⸗ 
halb durchaus nicht unwahrfcheinlih, daß bie Brahmanen biefes frommen 
und heiligen Landes nach Suͤdindien viele biefer Bilver ihrer Gottheiten 
in Stein und Kupfer eingeführt haben, von benen reicher Ueberfluß in 
isren Tempeln tft; denn Goͤtzenbilder einheimifcher Fabrik, koͤnnen wir 
wohl annehmen, haben weniger Ehre im eigenen Lande, als eingeführt 
aus fernen Gegenden von heiligem Rufe. M. 

125) „Der meifte Handel des Landes“ fagt das Ayin Afbari, „wird zu 
Waſſer betrieben.” Der Fluß Jeilum oder Behut, welcher burch dus 
Thal Kaſchmtr fließt und daſelbſt fchiffbar tft, füllt in den Indus, nach: 
dem er feine Waſſer mit denen des Chenab und Raͤvi vereinigt hat, 


142 ' 


durchaus nicht ſchwarz, und die Weiber, obgleich dunkel, find 
body fehr huͤbſch. Ihre Nahrung befteht in Fleiſch mit Reis 
und anderem Korn, dod find fie gewöhnlich, fehr mäßig. Sn 
dieſem Lande giebt ed außer der Hauptſtadt noch viele ans 
dere Etäbte und feite Plaͤtze. Es giebt auch Wälder ba 
ſelbſt, wuͤſte Etrihe und ſchwierige Päffe (in den Bergen), 
die den Einwohnern Eicherheit gegen feindliche Einfälle geben. 
Ihr König ift Feiner Macht tributbar 126) Eie haben un 


nicht fern von Multän; aber da fein Lanf, nachdem er jenes Thal vers 
laffen hat, durch ein bergiges Land zieht, fo muß die Schifffahrt an eis 
. nigen Pläben unterbrochen werben. M. 

126) Die furchtbaren Erſchuͤtterungen Mittelafiens durch Die Mougs 
lengewalt Dfehingisfhan’s und feiner unmittelbaren Nachfolger, deren Heert 
auch wie bie feinen in Turkeſtan, Bochara, in Iran nnd Lahore im 
Pendſchab fich feftfeten, fcheinen das hohe Alpenthal Kafchmir, obmohl In 
ber Mitte jener Lantichaften gelegen, doch nicht erreicht zn haben, we: 
nigftens fehlen uns darüber alle Nachrichten, nnd auch Sfanang Sfetfens 
Mongolifche Gefchichte wennt nicht einmal den Namen Kaſchmirs. Dem 
bie einzige Berichteritattung von Hulagu’s Feldzuge (im Jahr 1253, |. 
Ritter, Aften I. 382, 428), in welcher auch Kafchmirs nur ganz im All 
gemeinen gebacht wird, laͤßt wohl vermuthen, daß ihre Bertilgungsheere 
auch dort, wie im übrigen Zentral⸗Aſien, die alte Zeit völlig vernichtel 
haben. In jenem Berichte heißt es nur, daß die Armee ver Mongalen 
unter Hulagu’s Befehle in den Weflländern (dem Etyu) fich einige 3 
verfchievene Staaten unterworfen habe, beren einer auch Ki fh mi (Kaſch⸗ 
mir) ober das Königreih To war. Bon biefem Staate wirb in jenem 
Berichte ferner gefagt, daß er Im N. W. von Hindoſtan liege, daß man 
dort die Menfchen alle für Erben Schakia Munis (d. i. Bubdha, %o) 
halte; ihr antifea, ehrwürbiges Anfehen mache fie den Biguren Tha s mas 
(d. i. das Bodhi-Darma, der legte Buddhiſten Patriarch Hindoſtan's, der 
nach China auswanderte) gleich, die man an verfchiedenen Orten im Abs 
bilde finde. Cie enthalten fi des Weines und gewiffer Speifen;, fie efs 
fen täglich nur etwas weniges Reis (1.50%), und find nur damit befchäfs 
tigt, die Litaneien und Gebete des Fo zu reziticen; erft am Abend pfles 
gen fie in gegenfeitige Gefpräche einzugehen. — Bedenkt man hierbei aber, 
daß diefer Bericht Fein offizieller, fondern nur das Privattagebuch eines 
Offiziers von untergeorbnetem Range aus Hulagu's Heere war, fo fickt 
man leicht, daß er felbft wohl nicht als Augenzeuge von Kaſchmir ſpricht, 
fondern nur, wie M. Polo, den Legenden ver os Diener unter ben Chi⸗ 


143 


ter ſich eine beſondere Klaſſe Frommer, die in Gemeinſchaft 
leben, ſtrenge Enthaltfamfeit im Eſſen, Trinken und Umgange 
mit dem weiblichen Geſchlecht beobachten und ſich jeder Art 
ſinnlicher Genuͤſſe enthalten, damit ſie die Goͤtzen, die ſie an⸗ 
beten, in keiner Weiſe erzuͤrnen. Dieſe Leute erreichen ein 
betraͤchtliches Alter. Sie haben mehrere Kloͤſter, in denen 
gewiſſe Obere die Geſchaͤfte unſerer Aebte haben, und bei der 
Maſſe des Volkes ſtehen ſie in großer Verehrung 127). Die 
Eingeborenen dieſes Landes berauben kein Geſchoͤpf ſeines Le⸗ 
bens und vergießen kein Blut, und wenn fie einmal Fleiſch⸗ 
ſpeiſe eſſen wollen, ſo laſſen ſie die Mahometaner, die im 
Lande wohnen, das Thier ſchlachten 128). Die Korallen, 
die man aus Europa hierher bringt, werden zu hoͤheren Prei⸗ 
ſen als in irgend einem anderen Theile der Welt bezahlt. 


neſen folgt, die jenes Kaſchmir, das fruͤher der Sitz ihres Buddha und 
auch vielleicht ihrer Älteren Buddha⸗Patriarchen geweſen fein mag, wur 
als ein heiliges Land der Frommen, aus früherer Zeit, aus alter Ueber: 
lieferung preifen mochten, ohne die Gegenwart, Pie vielmehr flatt einer 
Buophiftifchen eine Brahmantfche geworden war, zu kennen. Eollte viel: 
leicht, was wir nicht wiſſen, ber Bubbhismus noch einmal im 13. Jahr⸗ 
hundert die Oberhand in Kafchmir gewonnen gehabt haben? Wir kennen 
bie Spezialgeſchichte Kaſchmirs erft wiener feit dem Anfange des 14. Jahr⸗ 
hunderts, mit welchem der Khoran bie Vedas zu verbrängen beginnt. 
Ritter, Aften III. 1119 u. 1120. 

.127) Diefe Möndye fcheinen den Talapoins in Java und Siam und 
ben Gylongs in Thibet zu gleichen, die in Gemeinſchaften unter der Die: 
ziplin eines Superiors, ver Sanfra in ben erfigenannten Ländern und Lama 
im legten genannt wird, leben. Gleich dieſen waren fie ebenfalls Bud⸗ 
bhiften, und obgleich vie geächtete Sekte feitvem aus Kaſchmir, wie aus 
ven meiften übrigen Provinzen Hindoftan’s verfchwunden fein mag, fo er: 
wähnt doch Abulfafi, der im 16. Jahrhundert ſchrieb, noch einige Ueber; 
bleibſel davon in feinen Tagen. M. 

128) Abu'lfaſt fpricht von ben Prieftern des Buddhaglaubens in 
Kaſchmir und fagt, daß fie, obgleich fie Fein Thier felbft toͤdten mögen, doch 
wicht das Fleifch zuruͤckweiſen, das ihnen angeboten wird, und was von 
ſelbſt ſtirbt, betrachten fie als von Gott getödtet und effen es daher. II. 
©. 158. Unter ben Hindu’s iſt es mehreren Kaſten erlaubt, Fleifch von 
gewifien Thieren zu eſſen, obwohl-Ihnen verboten ifl, Blut zu vergießen. 


144 


Wenn ih mun in berfelben Richtung weiter wandern 
wollte, fo würde ich nad) Indien kommen; aber ich habe es 
für geeignet gefunden, die Beſchreibung dieſes Landes für ein 
drittes Buch aufzufparen, und will daher nad, Balaſchan zu 
rüdfehren, von dort ven geraten Weg nad) Kataia verfolgen 
und, wie ed vom Anfange des Werkes an geſchehen, nicht 
allein vie Länder beſchreiben, durch welche der Weg unmittel- 
bar führt, fondern aud) die in ihrer Nachbarſchaft zur Lin 
fen und Rechten 129), 


Achtundzwanzigſtes Kapitel. 


Don der Landfchaft Vokan; von einem Auffteig von drei Tagen, ber auf 
ben Gipfel eines hohen Berges führt; von einer befonderen E chafzudt, 
bie dafelbft gefunden wird; von der Wirkung, die das Feuer hat, wenn 
es in großer Höhe angezündet wird, und von dem wilden Leben ver 
Ginwohner. 


Wenn man vom Lande Balafchan in der Ridytung zwi 
ſchen Nordoſt und Oft wandert, fommt man an vielen Städten 
und Wohnungen am Ufer des. Flufied vorbei, die dem Bru- 
ber des Königs von Balafhan gehören, und nad) drei Tage: 
reifen erreiht man eine Landfhaft, Vokan 130) genannt, bie 


129) Zum Verfländnig von M. Polo’s Reifen muß man bemerken, 
was er von dieſem Orte fagt, d. h. nachdem er von Baſtian over Bal: 
tiftan und von Kafchmir gefprochen hat, führt er den Lefer wieder. nad 
Badakhſchan oder auf den rechten Weg nach Katal, welchen er nach der 
gewöhnlichen allgemeinen Richlung von Oſt⸗Nord⸗Oſt fortfeßt; er will, 
nach feinem Plane, nicht allein von den Ländern handeln, welche er auf 
feinem Wege befuchte, fondern auch von jenen, welche zu feiner Rechten 
oder Linfen lagen, daher muß man einen Unterfchied machen zwifchen den 
Laͤndern, welche er befuchte und denen, von welchen er nach Erzählung 
Bericht gab; über biefe fann man aus dem Wege, welchen ex verfolgte, 
fchließen. 

230) Ibn Haufal fagt: „Der Fluß Weishgerd oder Weishkird Fommt 
aus Turkeftgn In das Land Wekhsh, ohnfern einem Berge, wa. eine Brüde 


145 


drei Tagereifen weit und breit if. Die Einwohner find Ma- 
hometaner, haben eine bejtimmte Sprache, find fehr gefittet 
und tapfer im Kriege. Sie haben verfhiedene Arten, wilde 
Thiere zu fangen. Ihr Herr erhält fein Land als Lehn von 
Balafdan, Wenn man diefes Land verläßt und drei Tage 
wandert, nod immer in oftnorböftliher Richtung, Berg auf 
Berg überfteigt, fo fommt man enbli auf einen Punkt, wo 
man glauben fann, daß die Berggipfel ringsum das Land 
zum hoͤchſten in der Welt mahen 131). Hier zwiſchen zwei 
Bergreihen fieht man einen großen See, aus weldem ein 
ſchoͤner Iuftiger Fluß ftrömt, der mit dem reichften Grin bes 
kleidet iſt. Und dieſe Weide hat fo gute Eigenfhaft, daß das 
magerfte Vieh, welches dahin getrieben wird, im Laufe von 
sehn Tagen fett wird. In diefer Ebene giebt e8 eine Menge 


zwiichen Khotlan und ben Ufern des Meichfird if. Don ba fließt er 
nad) Balfh und füllt in den Jihaon bei Termed.“ S. 239. In der fol: 
genden Stelle aus Edriſi finden wir das Nofhan unferes Tertes in Vers 
Bindung mit den oben erwähnten Pläben: „Die an Vachas (Wekhsh oder 
Wakhsh) und Gil liegenden Gegenden find Bachan (Vokhan) und Earquita 
(Eafttah) im Lande Tore. Zwifchen Vachan und Tobbat find achtzehn 
Tagereifen. In Rachan find Eilberminen.” Weiohgerd fcheint hier das 
Land zu fein zwifchen Badakſchan und Vokhan, von dem unfer Autor 
fagt, daß es von einem Bruder des Königs von erflerem regirt werde. 
131) Die Hochebene Pamer iſt feit Polo den Europäern ihrer Lage 
nach ziemlich unbekannt geblieben. H. Burnes Grfundigungen am Oxus 
beftätigten, daß fie zwifchen Badakhſchan und Narkand liege und daß dieſe 
Bergwildniß nur von wandernden Rieghifen bewohnt werde. Die Mitte 
diefer Pamer fei der Eee Euriful (Sarikol oder ſchwarze Eee, früher 
Drachenfee), von dem aus fie fich zu jeder Seite ſechs Tagereifen weit 
ausdehne; man foll von da alle anderen Berge wie unter feinen Fuͤßen 
liegen ſehen, fo hochgelegen if fie. Ihre ebene Flüche wird von feichten 
Waſſerbaͤchen durchzogen und iſt mit fehr kurzem Grafe beiwachfen, das 
aber eine fehr gute Weide giebt. Cie ift fehr Falt, denn der Echnee 
verfchwindet da auch im Sommer nicht aus den Vertiefungen. Die Kleidung 
der Rirghifen, bie dort von Fleiſch und Milch eben, beſteht aus Echafpelzen; 
jeder Anban fehlt. Korn haben fie nicht, Brot baden fie nie; wenn fie Mehl 
erhalten, mengen fie es zur Speife mit ihren Suppen. Cie leben in 
ihren runden Filzjurten (Khirgah), wie die Turfmanen, und nomabijiren. 
10 


146 


wilder Thiere, vorzuͤglich Schafe von außerorventlicher Größe, 
welche Hörner von drei, vier und fogar ſechs Spannen Länge 
haben. Aus biefen fertigen vie Schaͤfer Löffel und allerlei 
Gefhirr zu ihren Epeifen; auch maden fie Zäune daraus, 
ihr Vieh darin zu hegen und ed gegen die Wölfe zu ſchuͤtzen, 
von denen, wie fie fagen, das Land heimgeſucht ift und die 
große Verheerung unter diefen Schafen over Ziegen anrid)- 
ten. Die Hörner und Gebeine werden in großer Menge ge 
funden und daraus Haufen an den Eeiten der Straße ge 
macht, um die Reifenden in der Jahreszeit, wo fie mit Schnee 
bevedt ift, zu leiten 132). Zwölf Tage führt der Weg 
über eine erhöhte Ebene, die Pamer genannt wird, und ba 
man während diefer ganzen Zeit auf Feine Wohnung trifft, 
fo muß man ſich vorher mit allem Nöthigen verſehen. Co 
groß ift die Höhe der Berge, daß feine Vögel in ver Nähe 
ihrer Gipfel zu fehen find 133), und wie außerorventlidy ed 


332) Montoni Salvatichi (Ramus), Man erzählte Burnes, bei jenen 
Kirghifen lebe ein feltfames Thier, „Raß“ genannt, das nur allein auf 
den Höhen von Pamer zu finden ſei. Es fei größer als eine Kuh, klei⸗ 
ner als das Pferd, meifl mit herabhängendem Bart am Kinn und mit 
mächtigen Hörnern, fo groß, daß biefe Fein Menſch aufheben könne. Liegen 
dieſe Hörner auf dem Boden, fo werfen Heine Füchfe in deren Höhlung ihre 
Zungen. Das Fleifch des Raß iſt Föftlich, daher jagen ihnen bie Kir 
ghifen ungemein nach. Das Thier liebt die Kälte; es ift unbefannt, ob 
es eine Art Biege,. ober ein Bifam, oder Glen if. Nur zwei Pferde 
koͤnnen die Laft eines ſolchen Raß transportiren. 

133) Vögel ſowohl wie alle andere Thiere in ihrem natürlichen Zu⸗ 
ftande beſuchen ſolche Gegenden, wo fie ſich am leichteften Futter ver: 
ſchaffen Tonnen, und wenn fie diefes in ſehr hohen Gegenden nicht fin 
ven, find fie daſelbſt verhältnigmäßig felten. Was die Wirkung des 
Feuers betrifft, fo zeigt die Erfahrung, daß an Plaͤtzen, die einer gros 
pen Kälte ausgeſetzt find, eine weit größere Quantität Brennftoff noͤthig 
if, um dieſelbe Kraft hervorzubringen, wie eine geringere da, wo die Tems 
peratur. gemäßigt iſt; fo muß man fich deshalb auf dem Hospiz des Sankt 
Bernhard des Papinianifchen Topfes zum Kochen bebienen. De Luc be 
merkt, daß das Feuer auf hohen Bergen träger brennt und feine Mir 
fung weniger mächtig ift, als in einer Niederung, die der Meeresober: 


147 


auch feinen mag, es wurde verfihert, daß wegen der Schärfe 
der Luft Feuer, die da angezündet werben, nicht dieſelbe Hige 
geben wie in niedrigeren Gegenden, aud) nicht jo Fräftig wir⸗ 
ken bei Zubereitung von Speiſen. 

Wenn man dieſe Reiſe von zwoͤlf Tagen zuruͤckgelegt hat, 
ſo hat man noch vierzig Tage in derſelben Richtung vorwaͤrts 
zu wandern, uͤber Berge und Thaͤler in ſtetem Wehhſel, viele 
Fluͤſſe und Wiefenftriche zu überfchreiten, ohne eine Wohnung 
ober irgend Grün zu fehen. Daher muß man Alles, was 
man bedarf, mit ſich führen. Dieſes Land heißt Beloro 134), 


fläche gleich if. Recherches sur les. Modifications de l’Atmosphere, 
No. 903, 919. 

134) Diefe Alpengegend, die von den oͤſtlichen Geografen Belür ober 
Beldr genannt wird, ift auf Strahlenberg’s Karte verzeichnet, von wo fie 
angenfcheinlih auf bie von D’Anville übertragen worben iſt, aber ihre 
Lage zu Pamer und Badakhſchan findet man noch übereinftimmender mit 
dem Berichte unferes Autors in den jüngeren &rflärungen Mach. Kins 
neir’s und Macartney’s. „Unfere Karten,‘ fagt Elphinftone, „nennen ben 
Gebirgszug, der von Mooz Taugh zum Hindoo Koosh geht, Belur Tagh, 
was augenfcheinlich eine Korrupzion der Tuͤrkiſchen Worte Beloot Taugh 
oder Wolfenberge ift.... Beloot Taugh bildet die Grenze zwifchen ver 
politifchen Abtheilung des unabhängigen Turkeftan!s und des Chineftfchen 
Turfeftan’s. Es weift diefen beiven Ländern auch bie beiden natürlichen 
Grenzen an, da e8 ihre Ströme trennt.” Accont of Caubul ©. 87. 

Marco Polo's Weg aus Badakhſchan und Vochan über das Hochthal 
Bamer und den Beloro nad) Kafıhghar führt nach Polo's eigenem Aus: 
druck durch das Land Belor, das ift durch den Belur Tagh oder das 
Querjoch Bolor (in N. W. von Balti oder Meft: Tibet), das im Uighuri⸗ 
fchen, nach Klaproth, den Namen Boulytagh d. h. Wolkengebirge führt, 
wegen bes, wie A. v. Humboldt bemerft, in dieſer Breite allerdings fon- 
derbaren ununterbrochenen Regens, der drei Monate im Juhre anhält. 
Bon demfelben Gebirgslande, das auf der Javaniſchen Karte der Buddhi⸗ 
fifchen Pilger aus dem VI. Saec. Polulo heißt, follen die Bergfryftalle, 
die dort von größter Echönheit vorkommen, ven Namen Belur im Perſi⸗ 
fchen und Türfifchen erhalten haben. Im Türfifchen würde Beluth Tagh 
ein-Eifengebirge bezeichnen. Im Weiten biefes Querjoches Belur, bes 
merkt A. v. Humboldt, liegt die Stazion Pamir unter 3950 N. Br. 
Diejes Pamir wurbe von den bisherigen Geografen, feitvem es M. Polo 

10* 


148 


Eogar mitten in den hödften diefer Berge wohnt ein Stamm 
wilden, übelmollenven, göpendieneriihen Volfes, welches von 
Thieren lebt, die es erlegen Tann, und ſich in deſſen dell 
Fleidet. 


Neunundzwanzigfted Kapitel. 
Bon der Stadt Kafhear und dem Handel ihrer Einwohner. 


Endlich erreiht man einen Platz, Namens Kaſhcar 135), 
welcher, wie man fagt, früher ein unabhängiges Königreid 


als hohe Ebene genannt hatte, bald zu einer Gebirgsfette gemacht, bald 
zu einer eigenen Provinz, da es doch, wie fih aus Hiuan Thſang's Be: 
richt (f. Ritter VII. 493—500) ergiebt, ein fehr hochgelegenes Alpenthal 
mit Seeboven fein muß. Dem Fyfifer, fagt A. v. Humboldt, bleibt biefe 
Gegend merkwürdig, weil bier M. Polo die erfte Beobachtung anftellte, 
welche er felbft fo oft auf größeren Höhen der Amerifanifchen Korbilleras 
wiederholte, wie ſchwierig es ſei, dafelbft Feuer anzufchiren und bie 
Flumme zufammenzuhalten. Ritter VII. 501. Die wilde Natur viefes 
hohen mächtigen Gebirgsſtockes nähert ſich ſchon ven Maffen des Puſch⸗ 
tikhur und des Karaforum, welche ähnliche fchauervolle Gebirgspaffugen 
darbieten. Diefe Badakhſchan⸗Route fcheint an Unwirthbarfeit und Rau: 
heit bei weitem bie Norbpaflage der Ferghana⸗-Route zu übertreffen. Ebd. 
503. Val. 475—531, und I. 640-660. 

135) Obwohl auch ſchon Ptolemäus im 2. Jahrh. die Kaſiſchen Berge 
und bie Handelsftraßen über diefelben hinweg zu den Eeren (Casii, Piel. 
VI. c. 12—16, d. i. die Berge von Kafchghar) Fennt, Ibn Haufal im 
10. Jahrh. das bebeutendfle Land Chaje an den Grenzen von Turfeftan 
mit 25 Städten und der Kapitale (Chaje iſt Kafchghar) befchreibt, und 
auch Edriſt diefe Gegenden Teineswegs ganz unbefannt blieben, ba fie 
eben an den Oſtgrenzen der Ausbreitung des Koran, in jenen Zeiten bes 
12, Jahrh., lagen, und die Miffionen dahin zu den Turfftämmen bes 
Dftens fortichritten, gleichzeitig wie zu den Negerflimmen am Nigerftrome, 
fo bleiben doch jene Landfchaften ſelbſt noch in dunklem Schleier verhält, 
von dem fie auch die Neftorianer in ihren Berichten, die fih, wie in Ca 
marfan fo auch bier, frühzeitig mit ihren Gemeinden feftgefegt zu haben 
feinen, nicht zu befreien. Erſt durch M. Bolo, ver (gegen 1280 n.Chr. 
Geb.) heraufiteigt nach Kaſchghar (welches Hiuan Thfang „„Riefcha“ nennt), 


149 


war, aber jest der Herrſchaft des Großkhan's unterivorfen 
if. eine Einwohner find Mahometaner. Das Land iſt 
groß und enthält viele Städte und Burgen, von denen Kafhcar 
die größte und widhtigfte ift. Die Sprade des Volkes ift 
eine ihm eigenthümlidhe 136). ie leben von Handel und 
Gewerbe, vorzüglid von Verfertigung von Baumwollenzeu⸗ 
gen. - Sie haben hübfche Aeder, Baumgärten und Weinberge; 
Baumwolle wird dafelbft in Fülle erzeugt, wie aud Flache 
und Hanf. Kaufleute aus diefem Lande wandern in alle 
Welt; aber in Wahrheit find fie ein ſchmuziges, habſuͤchtiges 
Volk, das ſchlecht ißt und noch ſchlechter trinkt. Außer den 
Mahometanern giebt es unter den Einwohnern viele Neſto⸗ 
rianiſche Chriſten 137), denen es geſtattet iſt, unter ihren 


erhalten wir den erſten lehrreichen Bericht eines Augenzeugen, der zwar 
ſehr kurz iſt, aber doch hinreicht, uns eine Vorſtellung von der Wichtig: 
feit des Ortes, felbft nach den Zerftörungen ver Mongolen, ſeit Dſchin⸗ 
gisfhan’s Zeit, zu geben. Ritter VII. 409. — Bei der Theilung von Dfehin- 
giskhan's Reich wurde es in das Erbtheil feines Sohnes Dſchagatal ein: 
gefchloffen. Ungefähr ein Jahrhundert nach unferem Autor wurde es von 
Tamerlan erobert, und 1683 von dem Kontalfch oder Großfhan der Kal: 
mücden, von denen der öftliche Theil der Kleinen Bucharei genommen wurde, 
im Sahr 1718 von den Chinefen, und ein Amdam oder Provinzialbeamter 
diefer Nazion refidirte in Kaſchghhar. M. — Kaſchghar befteht aus 
der Türfenftadt und Chinejenftadt; dieſe Ießtere liegt im Nordoſt der er; 
fieren, beide berühren fi. Die Stadt liegt neben der Feſtung, man zählt 
hier 16,000 Steuerfühige. Die Einwohner find wohlhabend, Tunftfertig, 
verftehen fehr gut das Schleifen des Ju (Iaspis der Alten), die Gold: 
arbeiten; ihre Farben find von großer Schönheit. Viele Kaufleute find 
hier und blühender Handel, von allen Seiten firömen die Fremden bier 
zufammen. Die Kafıhgharen find üppig und verſchwenderiſch; es find viele 
Luftdirnen dort, welche vortrefflich fingen, tanzen, und die man auch wohl in 
den Wohnungen ganz achtbarer Leute ernährt, wie die Chinefen ihre 
Sängerinnen unterhalten. Alle ehren und fürchten das Geſetz und deſſen 
Vertreter (es war vor der Nebellion), die chinefifchen Beamten. Ritter 
nach Chinef. Berichten. Vgl. Ritter VII. 409-430, 


136) Ob ein Turf: Dialeft? Das Dſchagatai Turfi? (Nitter.) 
137) Hierhber fiehe weiter unten Kapitel 43. 


150 


eigenen Eagungen zu leben und ihre Kirchen zu haben. Die 
ſes Land ift fünf Tagereifen lang. 


Dreißigſtes Kapitel. 


Bon der Etadt Eamarcan und der wunderbaren‘ Saͤule in der Kirche 
Sohannes des Täufere. 


Eamarcan138) ift eine edle Stadt, geſchmuͤckt mit ſchoͤ⸗ 
nen Gärten und umgeben von einer Ebene, in welcher alle 
Früchte erzeugt werden, die man nur wünfdhen kann. Die 
Einwohner, theild Chriften, theils Mahometaner, find ber 
Botmäßigfeit des Neffen vom Großkhan unterworfen; doch 
ftehen dieſe beide nicht in freundlihen DVerhältniffen zufam- 
men, fondern es ift im Gegentheil ewiger Kampf und Krieg 
unter ihnen139). Die Stadt liegt in nordweſtlicher Rid; 


138) Es ift ganz Mar, daß nur um die Befchreibung eines fo wics 
tigen Plages wie. Samarkand hier zu geben, ben unfer Autor mwahrfcheins 
lih auf einer feiner amtlichen Reifen befuchte, er von der Route, welde 
er nah Katai verfolgt, abgeht und gewiffermaßen eine Crkurfion-in vie 
Große Bucharei over Transorania macht. Diefe berühmte Stadt Samar⸗ 
fand wurde 704 den Perfern durch den Khalifen Walid entriffen, und dem 
Sultan von Khaurizm, im Jahr 1220, durch Diehingisfhan, der fie der 
Plünderung Preis gab und viele ihrer Gebäude zerftörte. Hiervon mag 
fie fi) aber im Laufe von 50 oder 60 Sahren, die bis au der Periode, 
von welcher wir reden, verflofien, erholt haben. Durch Timur oder Tas 
merlan wurde fie ‚gegen das Jahr 1370 in ihrem alten Glanze her; 
geftellt und zur Hauptſtadt feiner weiten Herrfchaft gemacht; aber als 
fie darauf in bie Hände der Usbefen-Tartaren fiel, in welchen fie bis 
zum Echluß des letzten Jahrhunderts blieb, verlor fie fehr an Bedeut⸗ 
ſamkeit. Schah Murad Bey nahm fie dem Stamme Dez oder den Us— 
befen und feitvem hat fie fich wieder gehoben. — Die Ebene Eogd, in 
welcher fie fteht, wird von den Orientalifchen Echriftftellern wegen ihrer 
Schoͤnheit und Fruchtbarfeit fehr geruͤhmt. M. 

139) Ueber die Zwiftigfeiten, von denen hier die Rede ift, fagt de 
©uignes in „Hist. gen. des Huns,“ nachdem er die verwirrte Erbfolge 


151 


tung. Ein Wunder ſoll, wie man fagt, bier flattgefunden 
haben, unter folgenden Umſtaͤnden. Hundertundzwanzig Jahre 
vor dieſer Zeit befehrte fid, ein Fürft, Namens Zagatai, der 
der eigene Bruder des (damals regirenden) Großkhan's war, 
zum Chriftenthume, zu großer Freude der driftlihen Einmwoh- 
ner der Stadt, Die unter Gunft und Eduß des Fürften eine 
Kirche errichteten und Johannes dem Täufer weiheten. Cie 
war fo gebaut, daß alles Gewicht des Dadyes (welches rund 
war) auf einer Säule im Mittelpunfte ruhen follte, und uns 
ter Ddiefe legten fie ald Fundament einen Duaderftein, ven 
fie mit Erlaubniß des Fürften aus einem Tempel genommen 
hatten, der den Mahometanern gehörte, die es nicht wagten, 
ihnen das zu verwehren 140). Aber nad) dem Tode Zagas 


der Fürften, welche nach dem Tode Dſchagatai's flattfand, befchrieben: 
Algu, Eohn Baldar’s, Fam darauf auf den Thron. Während feiner 
Regirung oder nach feinem Tode bemächtigte ſich Kaidu, von dem fo oft 
iu der Gefchichte Kublai’s die Rede geweſen, biefes Reihe. Da er der 
Sohn Kaſchi's, Oftaifhan’s Sohn, war, fo fürchtete Kublai, daß diefer 
Fuͤrſt fich in jenen Ländern feitigen möchte und ihm für Immer einen Theil 
feines Reichs entreigen fönnte, und ſchickte deshalb Berraf, den Cohn 
Dſchaſuntu's ab, der Kaidu verjagte und auf den Thron Dſchagatal's 
fieg. Im dritten Jahre feiner Negirung nahm diefer Fürft den Maho⸗ 
metanifchen Glauben an und ließ fih Sultan Dſchelaleddin nennen. Er ift 
der erfte aus biefem Stamme ber Mongolen, der Mufelmann wurde. 
Liv. XVII. p. 310. 

In Bezug auf Barakkhan f. Note 12. 

140) Dies ift eine von den Gefchichten, als Epiſode gegeben, die 
Dazu gedient Haben, unferes Autors Werke in Mißkredit zu bringen. 
Dichagatal war in der That, wie er fagt, der Bruder Oktal's, welcher 
feinem Vater als Großfhan der Mongolen folgte; aber wir haben keine 
Autorität dafür, daß er das Chriſtenihum annahm, obgleich die Chriften 
viel Nachficht erfuhren unter Dſchingiskhan und feinen unmittelbaren Nach: 
folgern, und Mangu, fein Enfel, ver Neffe Dſchagatai's, full nad Ru: 
bruquis und Haiton fich haben taufen laffen. Diefe Gunft jedoch von 
Fürſten, welche durchaus feinen eigentlich feiten Glauben für ſich felbft 
hatten, fcheint mehr aus Haß gegen die Mahomelaner, welche ihre poli: 
tifchen Gegner waren, als aus religiöfer Meberzeugung over Neigung her: 
vorgegangen zu fein, und wenn bemzufolge bie Länder, wo der Selam 


152 


tai's zeigte fein Eohn und Nachfolger Feine Neigung, Chrijt 
zu werden, und die Mufelmänner hatten Einfluß genug, von 
ihm einen Befehl zu erhalten, daß ihre Gegner ihnen ven 
Stein wiedergeben follten, den fie weggeführt hatten, und 
obgleich die Leßteren ihnen eine Entfhädigung in Geld geben 
wollten, wollten fene doch auf den Vorſchlag nicht hören, 
weil fie hofften, daß die Wegnahme des Steined die Kirche 
zufammenftürzen maden würbe. In diefer Mißlichfeit hatten 
die bedraͤngten Chriften Feine andere Zuflucht, als mit Thraͤ⸗ 
nen und Demuth ſich dem Schutze des glorreihen Et. Jo— 
hannes des Täuferd zu empfehlen. Als der Tag fam, an 
weldhem fie den Stein zurüdgeben follten, geſchah es, daß 
durdy die Gnade des Heiligen die Eäule fi von ihrem Ba- 
fement drei Spannen body erhob, daß der Stein mit Leid: 
tigfeit darunter weggenommen werben fonnte, und in dieſer 
Stellung, ohne eine andere Stuͤtze, ift fie nody heutigen Ta 
ges zu fehen. — Da nun hiervon genug gefagt worden ift, 
wollen wir zu der Landfhaft Karfan übergehen #1). 


vorherrfchte, zu frieplicher Unterwerfung gebracht worden waren, finden 
wir, daß die Mongolen: Fürften ſich nach der großen Majorität des Bol: 
tes, welches fie beherrfchten, richteten und in der vierten Generazion eif- 
rige MufelmÄnner wurden. Aber fo zweifelhaft oder unwahrſcheinlich, 
wie es fi mit der Belehrung Dichagatat’s verhalten mag, koͤnnte bie 
-Schwierigfeit, welche dadurch entfteht, doch weit eher noch überwunden 
werden, als die des Anachronismus; denn da er gegen das Jahr 123 
zu regiren begann und 1240 farb, jo Fonnten nur bis zu der Zeit, wo 
Marco Polo feine Reifen fchrieb, etwa 70 Jahre verflofien fein, fogar, 
wenn das Creigniß im Anfange feiner Regirung ſtattfand, während ber 
Zeitraum von 125 Jahren, wie In unferem Tert fteht, es bis zum Jahr 
1173 zurücdführen würde, wo fein Vater kaum neun Jahre alt war. 
Diefe Art von Irrthum Fonnte nur dadurch entfchulbigt oder erffärt wer: 
den, daß das Datum, welches in ben Lateinifchen Ueberſetzungen oder 
Staltenifchen Nuszügen nicht fteht, in einem der Manuffripte, denen Ras 
mufto folgte, intervolirt worden iſt. — Die Neftorianer fpreihen von dieſer 
Etadt als einem Metropolitanfig. 
141) Da der Beſuch in Samarfand nur erfurfiv ift oder außer ber 
Linie feiner gegenwärtigen Noute liegt, fo führt unfer Autor uns zuruͤck 


153 


Einunddreißigſtes Kapitel. 


Bon der Provinz Karfan, deren Sinwohner mit gefchwollenen Beinen und 
Kröpfen belaftet find. 


Non bier kommt man in bie Provinz Karfan, die fid 
fünf Iagereifen weit ausbehnt.- Ihre Einwohner, zum gros 


nach dem Orte in der Kleinen Bucharel, der zu jener Zeit zu dem Koͤ⸗ 
nigreich Kafchghar gehörte, von dem Im vorigen Kapitel die Rede geweſen. 
Carchan (Karfan, Carcham, Barcam in den verfchlevenen Texten) iſt der 
Diftrift oder vielmehr deſſen Hauptflabt, welcher unter dem Namen Dar: 
fand (Derfen) befannt if. Der Bortugieftfche Jeſuiten⸗Pater B. Gors 
fam, im Nov. 1603, nach einer ungemeinen befchwerlichen Reife von Ka⸗ 
bul über Badakhſchan und die hohe Gebirgspaffage des Pufchtifhur zu 
der damaligen Metropolis des ganzen Königreichs, die er Hiarchan jchreibt. 
Dies Hiarchan, fagt er, fei zu feiner Zeit die berühmtefte Refidenz bes 
Königreichs Kaſchghar, das größte Emporium durch das Zufammenitrömen 
ber Hanbelsleute und die größte Mannigfaltigfeit ver Waaren gewefen. Der 
Karawanenzug von Kabul endete hier, und nene Karawanen fammelten ſich 
dort, um weiter bis Khatai (China) vorzudringen. — Sn des Mahomes 
faners Mir J'ſſet Ullah’s Neifebericht von Ladakh nach Darfand heißt es 
yon legterer Etadt: „Sie ift von einem Erbwall geſchuͤtzt, durch welchen 
fünf Thore führen. Die Häufer find wie die Ummallung von Erbe ges 
baut. Der Fluß von Darfand ift durch mehre Kanäle zur Bewaͤſſerung 
vertheilt. Einige derſelben gehen durch die Stadt und aus diefen durch 
enge Röhren in Zilternen, wo das Waſſer im Winter aufbewahrt wird, 
weil dam das Flußwafler fehr abnimmt und alle Kanaͤle fi mit Eis bes 
legen. — In der Stadt Darfand und ihrem Gebiete rechnet man 40,000 
Berfonen, welche die Kopfiteuer an den Großkhadi entrichten; fle wird 
aber nur von denen, die über 20 Jahr alt find, entrichtet, Mullah’s, Rei⸗ 
fende und Bettler find frei von diefer Abgabe. Die Einwohner von Var: 
and find fehr arbeitfam, meiſt Meine Krämer oder Kaufleute, nur eine 
geringe Zahl lebt in Knechtſchaft. Sehr häufig fieht man bei ihnen 
Kröpfe, man fchreibt fie vem Maffer zu, das fie aus Kürbisflafchen trin⸗ 
fen. — Nach den Ausfagen der Turfeftanijchen Dieffapilger in Bombay 
(1835) ift Darfand unter den neun großen Staͤdten und Etadtgebieten . 
des Chinefifchen Turfeitan’s die erfte, ihrer Ausdehnung und Bolfsmenge 
nach. Die Etadt fei biuhend und volfreich, fie habe gegen 150,000 bis 
200,000 Gimvohner. &. Ritter VII. 389-408, 


154 


Ben Theil Mabometaner, mit einigen Neftorianifchen Chriſten, 
ſind Unterthanen des erwähnten Großkhan's. . In diefem Lande 
ijt Nahrung genug, wie auch Baumwolle. Die Einwohner 
jind erfahren in Künften und Handwerken. Cie find im 
Allgemeinen mit gejhiwollenen Beinen und mit Kröpfen an 
den Haͤlſen beladen, was feine Urfadhe in dem Waſſer hat, 
welches fie trinfen. In dieſem Lande giebt es weiter nichts, 
was ter Bemerfung werth wäre. 


Zweinnddreißigftes Kapitel. 


Von der Stadt Kotan, die reichlich mit allen Beduͤrfniſſen des Lebens 
verſehen ift. 


Wenn man den Weg zwifchen Norboft und Oft verfolgt, 
ſo fommt man zunädft in das Land Kotan 1%2), welches 


142) Khotan oder Khoten der Araber, Khotian oder Juthian, jeht 
Ilitſi der Ehinefen, it von Oſten her, an der Süpfeite des Lop⸗ und 
Tarim-Fluſſes, der erite Ort von Bedeutung, der zwar gegenwärtig am 
unbefannteiten und unbefuchteften ift, aber in ben frühften Sahrhunder: 
ten der berühmtefte Ort des ganzen hohen Turfeftan war, welcher durch 
feine Kulturvermittelung zwifchen Indien, Tibet und China unitreitig ald 
der merhonrdigite Ort ganz Zentralaſiens erfcheint. Unter ven Abends 
laͤndiſchen Autoren fcheint Nafiir Eddin in feinen aflronomifchen Tafeln 
(1345) der erite zu fein, der ihn aflronomifch, freilich nur ungefähr nad 
Berechnung beſtimmt (Chotan Longit. 107 °, Lat. 42°, Clima 5). Ulug 
Beg’s und Abulfeva’s Tafeln ſtimmen ihm bei; Letzterer fügt: es liege 
an der Grenze Turfeitan’s (unftreitig oſt- und fübwärts gegen China 
und Tibet). Es fei eine Stadt der Turf, fehr flark bevölkert, in frucht⸗ 
barer, trefflicher Landſchaft. Was Ihn Said von dieſer Metropole ers 
zaͤhlt habe, meint Abulfeda, ſei über allen Glauben; fie fei bei den Han 
velsleuten von großem Ruhm, vie Bewohner derfelben ftammten aus Ku 
taja (alſo Chineſiſche Anfievler?) und befäßen Eilbergruben. — Aber 
jeit langen „Zeiten, vor der Ausbreitung der Mahometaner in Mittel: 
alien, hatte ſchon Khotan als Emporium des Handels zwifchen China, 
Perſien und Indien Bedeutung gehabt, wie durch die Verbreitung Jnudi⸗ 


155 


fi) acht Tagereifen weit erftredt. Es fteht unter der Herr- 
fhaft des Großkhan's und feine Einwohner find Mahometa- 


fyer Religionslehren,, die über Kaſchmir zu ihm nnd von da nach China 
fortfchritten. Schon im Jahre 140 v. Chr. G., zur Zeit der Han⸗Dyna⸗ 
ftie, trat Khotan durch Gefandtfchaft und Gefchenfe, Tribut genannt, in 
freundfchaftlihe Verhältniffe mit China, ohne deshalb wegen feiner gros 
Ben Entfernung davon abhängig zu fein. Bis auf die Zeit der Mon: 
golenuͤberfaͤlle behauptete ver Etaat feine Selbſtſtaͤndigkeit, fiel aber auch 
fpäter (1399) in die Gewalt Timur’s und theilte, nachdem fein alter 
Ruhm gefchwunden war, das gemeinfame Schickſal des zentralen Hoch: 
afiens unter der Gewalt Mongolifcher, fpäter Chinefifcher Herrfchaft. 
Außer Marco Polo hat von Europaͤern nur noch der Pater B. Go&s 
(1604) Khotan befucht. Der Pater Hallerftein beftimmte die Lage von 
Khotan oder Zlitji (Stitfehi), wie die heutige Kapitale heißt, auf 370 Nörds 
licher Breite und 350 52° Weſtl. Laͤnge von Peking, d. i. = 78° 15° 
30° Deftl. Linge von Paris, wodurch die Stadt um 10 Minuten weiter 
fübwärts, und um 30 4° 40° weiter weftwärts, als die D’Anville’fche 
Karte angiebt, verrücdt ‚werden muß. ©. Ritter 343—380. — Das merfs 
wuͤrdigſte mineralogijche Produkt Khotan’s fit unftreitig der Su (Yu), ber 
berühmte Stein der Chinefen, der mit dem Kaſch ber Turf und dem 
Jaspis der Alten (von dem heutigen Jaspis völlig verfchieden), nur drei⸗ 
erlei Formen eines und beffelben einheimifchen Wortes, diefelbe minera- 
fogifche Subftanz bezeichnet, welche feit Jahrtaufenden eine der Foftbarften 
Waaren im Handel des Orients bildete, bis heute noch ungemein gefucht 
und theuer ift, in den Urfprung alles Handelsverkehrs der Kulturvölfer 
Mittelafiens bis in die früheften hiftorifchen Zeiten hinaufreicht, und feis 
zen Hauptfundort nur allein in dem Quellengebirge des Khotanfluffes 
hat, dem Rarangui Taf (d. h. Nebelgebirge, finfterer Berg), ber im 
Sufammenftoß des öftlichen Kuenlun und weſtlichen Belur, ſuͤdweſtwaͤrts der 
Stadt Khotan, auch der große Tfungsling heist. — Dem Ju:Stein hat 
Khotan feine Berühmtheit im Oriente noch mehr zu verdanken als ver 
Sanjfritliteratur und feinem zelotifchen Eifer im Buddhathum: denn bie: 
fer Ieptere Ruhm war vorübergehend. Die Bundgrube des Ju erhielt 
ſich aber durch alle Jahrhunderte bis Heute, und wenn fle früher ven 
einheimifchen Königen die Mittel gab, durch deſſen Umgebungen wichtige 
politifche Relazionen mit dem Auslande zu erhalten: fo iſt fie heut zu 
Tage, als faiferliches Monopol, noch ein Hauptgrund geblieben, den 
Ezepter des himmlischen Reiches fegnend aber die Barbaren in Khotan 
walten zu laffen, und ihnen die Gnaden zu verleihen, die von dort aus: 


gehen. 


156 


ner. Es faßt viele Etädte und befeftigte Plaͤtze, aber bie 
Hauptftabt, die dem Lande den Namen gegeben, ift Kotan. 
Alles, was man zum menfdlidien Leben bedarf, finvet 
man dafelbft in reichfter Menge. - Aud) werben Baumwolle, 
Flachs, Hanf, Korn, Wein und andere Dinge erzeugt. Die 
Einwohner haben Landgüter, Weinberge und zahlreiche Gärten. 


Der Ju, fagt das Si yu wen kian lo (d. h. Beichreibung bes von 
mir Gefehenen und Gehörten an den Weſtgrenzen bes Reiche), wird in 
dem Fluſſe von Khotan gefunden. Die großen Steine dieſer Art haben 
die Größe einer Echuffel, die Heinen die einer Fauſt oder einer Kaſta⸗ 
nie, mancher berfelten wiegt 300-400 Pfund. Cie find von verfcie 
dener Farbe; die ſchneeweißen, dunfelgrünen, wachsgelben , zinnoberro 
then und tintenfarbenen fhäßt man am meiften. Schneeweiße Ju mit 
rothen Pünktchen und bunfelgrüne mit Goloftreifen find eine Seltenheit. 
Das Bett des Fluffes iſt mit Eteinen von verfchiedener Größe bebedt, 
unter denen auch die Ju .zerfiveut liegen. Man erlangt fie auf folgende 
Meife: Etwas fern vom Fluffe fteht ein Mandarin, und in der Nähe 
deffelben ein Dffizier von der Garnifon der Auffeher. Zwanzig bis drei: 
fig erfahrene Turfifhe Taucher gehen in den Fluß und flellen fich ver 
Duer des Fluffes nach, Einer zur Eeite des Andern, auf den Grumd, 
fo daß fie mit ihren nacten Füßen die Eteine berühren. So oft ein 
Jukieſel fich findet, erfennt ihn der Taucher fchon, indem er darauf 
tritt. Er buͤckt fih, alsdann hebt er ihn auf und bringt ihn an dus 
Ufer. Ein Eolvat fchlägt an ein Fupfernes Becken und der Offizier macht 
auf ein Stuͤck Papier einen rothen PBunft. Wenn die Taucher aus dem 
Fluſſe heraus find, fo muß die Zahl der Steine, welche fie geliefert, ver 
Zahl jener rothen Punkte gleich fein. 

Außer diefem Fundorte wird nun auch in dieſem Berichte des Si yu 
wen kian lo noch eines zweiten erwähnt, ver 230 Li (etwa 164 geogr. 
Meilen) fern von Darfend iſt; es ift der Berg Mirdſchai, welcher ganz aus 
Su von verfchiedenen Barben befteht. Einige ſtecken in einer Rinde, an: 
dere haben Stüdchen Quarz inwendig (aljo ein druſenfoͤrmiges Vorkom⸗ 
men). Wer reinen Ju, ohne alle Beimifchung, zu erhalten wünfcht, und 
dazu Stuͤcke, die bis 10,000 Pfund wiegen, der muß auf ben höchften 
Gipfel des Berges gehen, bis wohin felbft die Eingebornen nur mit Mühe 
gelangen koͤnnen. Es giebt hier Ochfen, die gut Flettern. Der Turf be: 
fteigt einen Ochfen, verfieht fich mit Werkzeugen und hant, wenn er oben 
angeforgmen ift, die Efeine ab, weldde dann von felbft Herunterrollen. 
Ritter VII. 330—389. 


157 


Sie ernähren fih auch durch Handel und Gewerbe; aber fie 
find Feine guten Eoldaten. — Nun wollen wir von der Pros 
vinz Peyn reden. 


Dreiunddreißigftes Kapitel. 


Von der Provinz Peyn; von den Chalcevonen und Jaspisfteinen, die in 
ihrem Fluſſe gefunden werben, und von einer befonderen Gewohnheit, die 
fie bei ihren Ehen haben. 


Peyn ift eine Provinz fünf Tagereifen in Ausdehnung, 
in der NRidytung von Oſt-Nord-Oſt 143), Sie fteht unter 


133) Die Etelle jenes Berges Mireſchai (f. v. Anm.) wird nicht 
näher bezeichnet; 'indeß ftimmt die Lage der heutigen Etadt Mizar over 
Mifar unter 37 N. Br. und 750 DO. 8. von Paris (auf Klaproth's 
Carte centr. del ’Asie), im Eüpoften von Darfand, der Diſtanz nad) fo ges 
nau mit jener Angabe überein, daß wohl die nahe Gekirgsfette, welche vie 
weftliche Fortſetzung des Karaſigoui Tuf von Khotan nad Yarkand hier 
bildet, eben diefer Berg Mirdſchai fein möchte. Hierzu fommt eine Uns 
terftüsung biefer Bermuthung in der ganz dicht daran gegen Eid auf 
der Route nach Ladakh liegenden Etazion Taref lak Bayin, auf bers 
felben Karte, die offenbar der Eingang zu der beherrfchenden Raflage 
über Kulan zum neuen Bergpaſſe iſt (f. Ritter's Aſien II. 685). In die: 
fer möchte man ben fonft unbefannten Namen ber Provinz Peyn (Pe:yn, 
Poim oder Poin) des Marco Bolo wieder erfennen, die er zwifchen Dar: 
fand (Karkan) und Khotan, zu feiner Zeit, als dem Fundort der Chal: 
cedone und Jaspis (Diaspro, d. i. ber Kafch) bezeichnet, die alle nur 
von dort nach China gebracht wurden; biefe Vermuthung wird aber durch 
Mir Iſſet Ullah’s Neifebericht zur Gewipheit erhoben, der eben, obs 
wohl ihn diefe Erinnerung an das alte Peyn unbekannt bleibt, daſelbſt 
die Lage des Jubruches beftimmt angiebt. Eeine Worte find in der früs 
her ſchon zitirten Labafhroute nach Yarkand folgende: Nach unferer Abs 
reife von der legten Etazion (von Yarkand) erreichten wir das rechte 
Ufer des Fluſſes von Varkand, das wir zu Kulan uli linfs hatten Liegen 
laſſen. Ein wenig über diefen Ort hinaus tft ein Flußbette „die Defchens 
ſteinmine“, welche die Einwohner aber nicht bearbeiten koͤnnen. Steht 
das Maffer niedrig, fo ſchickt die Chinefiiche Regirung Taucher, um ben 
Grund des Fluſſes zu unterfuchen ꝛc. Kulan iſt aber die ganz nahe 


158 


ber Herrſchaft res Großfhan’d und hat viele Etädte und fefte 
Pläpe, deren vorzüglidfte ebenfalld Peyn genannt wird. 
Durch dieſe geht ein Flug, in deſſen Bette viele von den 
Eteinen gefunden werden, Die man Chalcedon und Jaspis 
nennt. Alles, was man zum Leben bedarf, findet man hier. 
Auch Baumwolle wird in tem Lante erzeugt. Die Einwoh— 
ner leben von Gewerben und Hantel. Cie haben die rohe 
Gewohnheit, daß, wenn ein Mann von einem Orte zum ar 
deren zieht und zwanzig Tage auöbleibt, jeine Frau das 
Recht hat, wenn ed ihr in den Einn fommt, einen anderen 
Mann zu nehmen, und der Mann aus demjelben Grunde 
heirathen fann, wo er fid gerate aufhält. Alle vorerwaͤhn⸗ 
ten Provinzen, das heißt Kajdıfar, Kotan, Peyn u. f. w. 
bis zur Wuͤſte Lop, liegen in ven Grenzen von Turkiſtan. 
Zunaͤchſt folgt die Provinz Tſchartſchan. 


Vierunddreißigſtes Kapitel. 


Bon der Provinz Ciarcian (Tſchariſchan); von den Steinen, die in ihren 
Flüffen gefunden werben, und von der Flucht der Einwohner in vie Müfte 
beim Heranrücden ber Tartarifchen Armeen. 


Tſchartſchan 144) ift aud eine Provinz Turkiſtan's und 


Stazion, die fanm eine Meile fürlih von obengenanntem Payin ent 
fernt liegen kann; das Peyn Marco Polo's ift alfo hierdurch wieder auf: 
gefunden, und fein Echreibfehler. — Tiefer Ju⸗-Stein oder Kaſch iſt es, 
der bei den aftatifchen Voͤlkern unter den Eteinen im höchften Werthe 
fteht und für China als kaiſerliche PBrärogative erfcheint. Die höhere 
magijche Bedeutung, welche diefem Eteine beigelegt wird, geht fchon in 
frühere Zeiten zurüc; denn die Schaale mit dem föftlihen Tranfe Da: 
rafjum, welche Dfchingiefhan vom erhabenen Chormusda Tegri zur 
Betätigung feiner gettlichen Abſtammung dargereicht wird, (Efanang 
Sſetſen Geſch. der Oft:Mongolen, aus dem Mongol. von 3. I. Schmidt) 
ift von biefem In (Chas bei Schmidt), een fo wie fein Herrfcherfiegel, 
Chas Boo genannt. Nitter VII. 382 fi. 

144) Tichartichan (bei Ramufio Clarcian und im Ital. Auszug Claͤr⸗ 


159 


liegt in oſtnordoͤſtlicher Richtung (von Peyn). In früheren 
Zeiten war fie blühend und frudtbar, ift aber durch vie Tar⸗ 
taren ſchwer verheert worden. Die Einwohner find Maho- 
metaner. Ihre Hauptftadt heißt gleichfalls Tſchartſchan. Ver: 
ſchiedene große Ströme fließen durch dieſe Provinz, in denen 
auch Ehalcedonen und Jaspife gefunden werden, Die man 
zum Berfauf nah Katai1%5) führt, und ihre Menge ift fo 


chian) feheint mit dem Schachan auf Etrahlenberg’s Karte zu Forre- 
fpondiren, obgleich feine Lage eher die von Karafchai zu fein fcheint. Auf 
D’Anville’s Karte ift der Name Sertem gefchrieben, mit Beifügung der 
Worte „dans Marc-Paul Ciartiam? De Guignes fpricht von einem 
Diftrift Ehen- chen, im Eiden von Hami und nahe am See Loy, der 
kein anderer als diefer fein Fann. (S. weiter unten Anm. 155.) ©. 
Hist. gen. des Huns t. I. p. XI. M. — Balbelli Boni fagt: „Auf der 
Karte D’Anville’s ift die Stadt Ciarcian, die diefer Eertem nennt, ver: 
zeichnet; der berühmte Geograf hatte wahrſcheinlich nur Kenntniß von 
dem Orte durch Polo’s Bericht. Nach unferer Meinung febte D’An- 
vilfe dieselbe zu fehr gegen Süden von Lop, da fie doch an der Etraße 
liegen follte, welche dort von Peyn hinführt, und wie es fcheint, an 
demfelben Fluſſe oder derfelben Bergkette, weil bafelbft auch Jaspiſe 
gefunden werden. Die Wüfte feheint das Land von allen Seiten zu um: 
geben. Nitter gibt Feine Auskunft. 

145) Der Name des Platzes, wohin die Iaspife gebracht werben, 
ift in Ramuſio's Tert Ouchah oder Oukah, aber ficher irrthuͤmlich. In 
ver Bafelausgabe ftehen die Werke „quos negotiatores deferunt ad_pro- 
vinciam Cathai“ und in den Manuffripten fteht Catay, wie es denn auch 
wirflich der Fall if. M. — Balvelli Boni hält die Lesart Ouchah für 
richtig und meint, es fet die Stadt Ufaf, von ber im 1. Kapitel (fiche 
Anmerf. 8) die Rede ift, gemeint. Wahrfcheinlich ließ fich der Stalient: 
fche Kommentator zu biefer Annahme verleiten, weil Ukaka im 48. (bei ihm 
47.) Kapitel wiederum vorfommt und zwar gewiffermaßen als das Land der 
ganzen weftlichen Tartaren repräfentirend; doch ift dieſe Stelle jedenfalls For: 
rumpirt, wovon wir noch reden werden. Die ausschließliche Ausfuhr der Jas- 
pife, der Edelſteine, die als die föftlichften betrachtet wurden, war nad) Ka: 
tat an den Hof des Großfhan’s, wie wir gefehen haben; fie waren 
gewifiermaßen Regale; felbft aber wenn deren aud zu den Herr: 
fchern der wefllihen Tartaren geſchickt worden wären, würde Doch 
Bolo nicht die Fleine Stadt Ufaf genannt, auch nicht im Allgemeinen 

gefagt Haben, die Jaspife würden zum Verkauf nach Ufafa geführt, fon- 


160 


groß, daß fie einen. beträdhtlihen Handelsartifel bilden. Das 
Land von- Peyn bis zu diefem Diftrifte und durch Dielen felbft 
hindurch ift ganz fandig, und das Wafler darin ift großen 
theild bitter und widrig ſchmeckend, nur an einzelnen Orten 
ift es füß und gut. Wenn eine Tartariſche Armee durch 
das Land zieht und die Einwohner find Feind mit den Tar- 
taren, jo werben fie geplündert, und find fie Freund mit 
ihnen, fo wird ihr Vieh getödtet und aufgezehrt. Deshalb 
fliehen fie, fobald fie das Herannahen von fremden Truppen 
gewahr werben, mit ihren Samilien und ihrem Vieh in die 
fandige Wüfte zwei Tagereifen weit, nad einem Blase, 
wo fie friſches Waſſer finden, und koͤnnen auf dieſe Weife 
fid, erhalten. Aus verfelben Furcht verbergen fie die Frucht 
nad) der Ernte in Höhlen unter dem Sande und nehmen 
daraus allmonatlid fo viel Vorrath, als ihnen zum Unter 
halte nöthig iſt; auch kennt Niemand außer ihnen Die Pfäbe, 
zu denen fie ihre Zuflucht nehmen, weil die Spur ihrer Füße 
augenblidlih durd den Wind verweht wird. Wenn man 
von Tſchartſchan zieht, fo geht der Weg fünf Tage lang über 
Eand, wo das Wafler im Allgemeinen, mit Ausnahme ei- 
niger Orte, ſchlecht if. Nichts weiter ift hier zu finden,. das 
der Rede werth wäre. Nach Verlauf von fünf Tagen kommt 
man zur Stadt Lop an den Grenzen der großen Wuͤſte. 


. 


bern „ein Theil der Jasviſe gebt auch in das Land der weftlichen Tar: 
taren oder nad) Sarai.“ Ukak ift eine viel zu unbedeutende Stat, bie 
von Polo im 1. Kapitel nur erwähnt wird, weil fie die Grenzftabt ber 
weſtlichen Tartaren war, und fie fein Bater und "fein Oheim zufällig 
-pafliren mußten. 


161 


« 


Fuͤnfunddreißigſtes Kapitel. 
Von der Stadt Lop; von der Wuͤſte in ihrer Nachbarſchaft und von den 


ſeltſamen Toͤnen, welche von denen gehoͤrt werden, die durch die 
Wuͤſte ziehen. 


Die Stadt Lop146) liegt gegen Nordoſten, am Anfange 
der großen Wuͤſte, welche denſelben Namen trägt. Sie ger 


136) Die, Lage der Etadt Loy ift nicht zu ermitteln; Polo fept fie 
fünf Tagereifen von Tſchartſchan (was in gerader Linie 75 Miglien austras 
gen fann); auf der Karte von Arrofmith Tiegt Lop 400 42° der Breite 
und 89° 50° der Länge. Doch giebt es einen See, der Lop⸗nor heißt 
und nad) Gaubil im 429 20° der Länge und 78° 51’ der Breite liegt. 
Die Ehinefen nennen den Eee, nah De Euignes, Pu⸗lui-hai, ber 
400 Li im Umfang habe. In diefen See ergießen: ſich die Fluͤſſe, welche 
von dem Gebirge des Landes Khoten fommen. ver koͤſtlichen Karte 
della Sala dello Scudo, bie von Padre Zurla herausgegeben worden, 
iR jener Eee mit dem Namen Lop verzeichnet, und es ift um fo mehr 
zu verwundern, daß der Venezianiſche Neifende deſſelben gar nicht ge: 
dent. B. B. — Nitter fagt (I. ©. 201 f.) „Schon 100 Jahr 
v. Chr., nachdem Kaiſer Hia⸗wu⸗ti den Blan der Grenzmarken feftges 
ſtellt und durch feine Emiſſare Nachrichten über die Weftländer (Tſchhang⸗ 
Han entdeckte Damals von China aus Sogdiana und das Kaspiſche Meer) 
eingezogen hatte, wurben bie Hiognu gegen den Norden gewaltfam zus 
rüdgefchlagen und die Chinefifhen Grenzen von Schen-ſi zum erſten 
Male. gegen den Weiten erweitert bis zur heutigen Stadt So⸗tſchéu. 
Das Land dahin wurde nun bald von Ghinefifhen Familier bevölkert; 
“man theilte es in 4 Kiun (d. i. Territorien), welche die Namen Wu: 
wei, Tchhang⸗ye, Thun-hoang (jept Schatfcheu) und Tfieustiiuan (jetzt 
So: tfcheu) erhielten. Dies ift alfo der Anfang der Koloniſazion jenes 
Landes der Gingänge nach dem Weften auf der Straße nad) Hami, welche 
feitvem nun immer weiter ausgebildet worden if: denn bald darauf wur⸗ 
den die Länder zwifchen Schastichen (d. i. die Sandſtadt) und dem 
Salzſee (d. i. der Kopfee) auch mit dem Reiche vereinigt ꝛc.“ — Jene Ge: 
gend ift bis jegt den Europaͤern noch wenig befannt. Die Stadt Lop 
lag wohl im Gebiet der Grenzmark zwiſchen Turkeſtan und China, doch 
iſt nicht zu beſtimmen, wie weit von der Oaſe Hami (Polo's Kamul, 
yon der im 37. Kap. die Rede if), und ob am Lopſee (oder Salzfee), 
weicher am jener Dafe liegt. Ritter gibt leider feine Auskunft über bie 

11 


163 


hört zum Reiche des Großkhan's und ihre Einwohner find 
Mahometanifhen Glaubens. Reiſende, weldye durch die Wüfte 
ziehen wollen, machen gewoͤhnlich eine beträchtliche Zeit an 
dieſem Plage Halt, um fi von den Beſchwerden zu erho 
len, als aud um die nöthigen Worbereitungen zu ihrer Wei— 
terreife zu treffen. Zu diefem Zwede beladen fie eine Anzahl 
ftarfer Efel und. Kameele mit Mundvorrath und mit ihren Waa⸗ 
ren. Wird erfterer aufgezehrt, bevor fte die Reife vollendet haben, 
jo tödten und eſſen fie die Laftthiere beiver Gattungen; man 
nimmt aber gewöhnlidy lieber Kameele zu dem Zuge, weil 
fie ſchwerere Bürden tragen und mit wenig Futter fürlieb neh 
men. Für Proviant muß man wenigftens auf einen Monat 
forgen, weil ınan fo viel Zeit braucht, um bie Wüfte auf, dem 
fürzeften Wege zu durchziehen. Eitle Anftrengung würde es 
fein, wollte man fte ihrer Länge nad) durchwandern, da man 
nicht viel weniger ald ein Jahr Dazu brauchen wuͤrde und 
inan auf fo lange-Zeit Feine Lebensmittel mit fich führen 
fönnte. Während diefer dreißig Tage geht vie Reife unver 
aͤnderlich über fandige Flächen und Fahle Berge: hin; aber 
nach Verlauf eines jeden Tagemarſches hält man an einem 
Plage, wo Waſſer zu finden ift, allerdings nicht in himei⸗ 
chender Menge fir eine große Anzahl, aber doch genug für 
fünfzig bis. hundert Berfonen fammt ihren Laftthieren. An 
drei oder vier von dieſen Haltplägen ift das Waſſer falzig 
und bitter, aber an den anderen, deren wohl achtundzwanzig 
fein mögen, tft e8 füß und gut. Auf dieſem Striche trifft 
man Feine vierfüßigen Thiere und feinen Vogel, weil fein 
Zutter für fie daſelbſt zu finden iſt 187). 


Stadt und ſpricht flatt ihrer bei Angabe der Metferoute Bolo’s nad 
Scha⸗tſchéu (Sachion) vom Lopfee (f. Erblunde II. 207), was mid 
nicht durchaus richtig bebünfen will. 

147) Die Wüfte Lop. „Gobi (nach alaproth und Schmidt minder⸗ 
richtig Kobi) iſt die Mongoliſche Benennung der oͤſtlichen Seite jener 
weiten, wuͤſten, hochgelegenen Plateaulandſchaft, welche ſich innerhalb 
des Nord > und Sühoftrandes, zwiſchen Sibirien und China in größer 


163 


Es wird als wohlbefannte Thatſache erzählt, daß dieſe 
Wüfte dei Aufenthaltsort vieler böfer Geifter ſei, melde ben 


Ränge von S. W. nach N. O., In wechfelnder, geringerer Breite von 
S. gen N. Hinlagert, und von der chineflichen Seite her den Namen 
Scha⸗mo oder das Sandmeer erhalten hat.“ Nitter IIT. 343. — „Es 
iſt dies eine hohe, breite Plnteaufläche, mit vielen relativ mehr oder 
minder breiten wie hohen, aber fehr langen Bergzügen und Einfenfun- 
gen, die vorherrfchend von D. nach W. fih ausdehnen, aber erfi am 
Nord⸗ wie am Sudrande zu wahren Randgebirgszügen von bedeutender 
Höhe auffleigen. Nach Augen, gegen Eid, nach ˖ China zu, flürzen fie in 
große Tiefen durch terraſſirte Etufen und Ketten ab; gegen Nord, nach 
Sibirien zu, fenfen fie fi) durch mehre breite Etnfenlandfchaften und 
wieber fteile Bergzuͤge allmälig hinab. Den Namen Gobt, die Wüfte, 
erhält nur der flußs und waldleere Theil innerhalb biefer Randgebirge, 
fübwärts der Urga und des Kherlon und nordwaͤrts der Thore der gros 
Ben Chinefifchen Mauer. Diefer Name der Wüfte (Gobi) bezeichnet aber 
Felneswegs eine abfolute Wuͤſtenei, fondern jene befondere Art der Mons 
geliichen,, von der Stbirifchen wie Süpruffifchen fehr verfchiedenen Step; 
pennatur, deren oft noch ſehr weidenreiche Landfchaften zahlreichen Heer: 
ven von Zuchtihieren und Mild, wie vielen Nomadenhorden hinreichenden 
Lebensunterhalt gewähren. — Nah innen zu find die vielfach geglies 
verten Süge der von O. nah MW. fireichenden Bergfetten und Thaͤler 
groͤßtentheils mit Kiesboden und Kiefelm bedeckt, die Anhöhen mit Haus 
fen von Welstrümmern. Daher bei Mangel an fortlaufendem Gefälfe 
bie Duellenarmuth, bei Abwefenheit aller Bildung von Bachs und Fluß 
mhaͤlern auch vorherrfchende Duͤrre und Degetationsarmuth. Nur feichte 
und falzige Seen und Lagunen, auch Moräfte find nicht felten durch 
ste Einfenfungen vertheilt. Die größte Tiefe und Breite dieſer Gin- 
fenfungen nimmt die mittlere Zone ein, welche vorherrfchend mit gelben 
Sandmaſſen, Sandbänfen, Sandhuͤgeln, Sandbünen bedeckt -ift, die zwar 
nicht jenen Maſſen der bürren, beweglichen, glutheigen Flugfandwolten 
ver Sahara beikommen, aber doch auch Laftthieren und beladenen Karren 
von Durchzug ungemein erſchweren. — — Defter treten auch große 
Shonflächen in dieſem Zuge der Sandbänfe mit auf. Diefe wenigftens einige 
D His 50 geogr. Meilen (7 bis 10 Tagereifen) breite, wahrfcheinlich 
nicht ganz geringe (vielleicht an 1000 und mehr Fuß tiefe Ginfenfung) 
iſt das fo gefürdhtete eigentliche Sandmeer, Schamo der Chinefen, viele 
ungezählte Tagereifen lang, von O. nach W.; das unmwirthbare, welches in 
verſchledener Breite und DVerzweigung, mit feinen fogenannten böfen 
Apern, aber ang mit einzelnen infelgleichen,: zwifchengeftreuten, weiden⸗ 
11 * 


164 


Reiſenden gar vielerlei fonterbar Blendwerk zu ihrem Mer 
derben vorführen. Wenn am Tage Leute auf dem Wege 


reichen Oaſen, ſich vom öflichen Turkeſſan und Rorbiibet, von dem Scha⸗ 
fin um Zurfan und vom Lopfee, ober dem Kan⸗hai um Hami, bis 
zum Buir-Ror nad Dalai-Nor, am Khalka Pira und deu Soyelfis 
Bergen, wie bis zu dem Eanbbünenlande Kortichin im Norden des 
Eira: Mnren verfolgen läßt. — Diefe Landſchaft iR ohne alle feſten 
Mohnfige, dagegen ein reiches Land an Heerben und das freifte und 
größte Gebiet nomadifirender Horden, eines der am weiteflen verbreiteten 
Boͤlkerſtaͤnme. Gigenthüumliche Futtergräfer, Kräuter und Gefſtraͤuche, 
die aber noch von feinem Botaniker beſtimmt zu fein ſcheinen, geben ben 
Wiederkaͤnern hinreichende Nahrung, jelbft die Winterzeit nicht ansgenem⸗ 
men, in welcher, nady ausgefprochenen Erfahrungen ber Reifenden, das 
Futter unter dem Echnee noch grün bleibt und Harfe Ciskaͤlte das Wade 
thum der Grafungen nicht hindert. — Nur hier und da ſah Timkoweli 
einmal Bäume im Innern der Wuͤſte. Bon ſolchen Stellen mit Bäumen ſpte⸗ 
hen die Mongolen mit Entzüden, wie von einem Paraviefe. — Ohm 
Anfledlungen, ohne Anban und ohne Mafler Fönnte diefe Hungerwähe 
nicht einmal durchreifet werben, wenn man nicht das Kameel hält, 
hier und da Heerbeu fände, den Proviant nicht mitbrächte umb von 
Zeit zu Zeit gegrabene Brunnen fchon vorfände. — Nicht blos Max 


gel an Wafler und Nahrung ift bier zu fürchten, auch die Kälte it 


während des ganzen Jahres vorherrfchend und einen großen Theil beffels 
ben wirklich empfindlich, zumal da alles Holz fehlt and ber trockne Dick 
bünger (Argal) das einzige und immer fpärliche Brenumaterial if, dei 
feinen Geruch, wenig Ranch, viel Hige giebt. Auch im der Reſiden 
Mangukhan's zu Karalorum brannten in Feuerbeden wur Dornes 
firäuche und Argal, als die Gefandten Lonis IX., an deren Spitze Rs 
bruquis fand (1253), ihre Andienz hatten. — Das Hochland feheint dw 
bei ein Zummelplag gewaltiger. Stuͤrme zu fein, und zumal bie Gegen 
der Schamo um den Lop⸗Nor iſt beswegen beruͤchtigt. Da (wahrfcheis 
lich das Geiſterthal, in weldem ein Tempel flieht, wo die Karavanen 
nach der Landesart opfern müflen, damit der Wind ſich Lege) Haufen be 
Geifter der Erde in faufenden Stürmen, die mit Trommeln ımd Waffen 
geflire ertönen, und den Menfchen zurufen, ihn in die Irre führen, wie 
Kobolde, den Karamanen bie Wege und Pfade zuwehen, ven Räuber 
horden die Beute nnd Echäge, die fie gefammelt haben, nehmen und bes 
graben. Solche Etürme entfchieden öfter in den Schlachten zwiſchen 
Chineſen und Hunnen den Sieg, indem ſie die Erdoberflaͤche dem einen 
Heere entgegen trieben, ober ſchon vorher warden bie Feinde durch ſelche 


165 


zurüdbleiben, oder vom Schlaf überfallen, oder irgend an- 
derer natürlicher Grunde wegen aufgehalten werben, bie 


Band s und Stanbwolken und Stürme in bie Flucht gejagt, die fie für An: 
jſeichen heranruͤckender großer Heere hielten, wie 3.8. das Oeloͤth⸗Heer 
8 Galdankhan, lange vor dem Anruͤcken des Chineſiſchen Heeres zu: 
ruckſloh, nach Mailla Hist. gen. de la Chine t. XI. p. 275. Derſelbe 
Haube an ven Schabernad der Bergfobolde fcheint weit auf der Hoch⸗ 
erraſſe hin zu herrfchen, wenigftens allgemein auch in Hochtibet, am 
Dimalaya, in Kaſchmir ıc. Das plößliche Umfehen des Wetters auf biefen 
Scheitelflaͤchen ift daher wohl auch eine Kunft ver Wetterzauberei der Mongo- 
ifchen Aftrologen geworben, bie nach den aͤlteren Berichten dort fehr in Chren 
jeſtanden hat. Als Dichingisfhan’s Nachfolger (?) Taulai- Khan (Tulni, |. 
mf. Einleit.) am Oftrande gegen China in Kitat über dem obern Ho- 
un. ho fi von feindlichen Heeren eingefchloffen ſahe, gebot er feinem 
Zauberer, „Dfada zu machen“, d. h. mitten im Sommer einen rauhen 
Hindſturm herbeizuführen. Er begann feinen HofussPofus, ſetzte ihn 
wei Tage lang fort, bis es fo Falt ward, fo viel Schnee und Hagel 
kef, daß das Chinefenheer und feine Khane von Kitai in den feidenen 
Munen Kleivern Arme und Beine nicht mehr bewegen konnten. Nun 
zielt das Mongolenheer Ieicht den Eieg, und nur 5000 der Feinde rets 
eten ſich duch die Flucht. (Vergl. M. Polo I. 36). — Aus Allem 
wgiebt. fich aber, ber Eärglichen Naturgaben ungeachtet, das Gebeihen 
we Heerden und des Wildes im Lande der weifen Gobifteppen. Wenn 
rgendwo, fo ift hier noch die Heimath der Kameele und Pferbe in ih— 
em wilden und dem Wildleben ganz nahen Zuſtande. — Das Kumeel 
Krecht für das Echreiten durch die duͤrre Kieswüfte der Gobt gebaut; 
in Irrthum war es zu glauben, diefes Thier liebe den Sandboden. Es 
urchwandert ihn zwar mit geringerer Beſchwerde als jedes andere Thier, 
der in den tiefen Sand finft es ebenfalls mit feiner Luft bei jedem 
Bepritte ein, ftöhnt und erliegt oft in der Schasmo. Für den fleinigen 
Böpen ift es eben fo wenig geeignet, daher man ihm dann die Fußbal⸗ 
en in Ochfenhäute widelt.. Das wilvefte Kameel wird durch die Ber 
Awerden der Wuͤſte gebändigt und erliegt endlich; überall find die Ges 
ige diefer gefallenen Kaftthiere an den Wegen zeritreut. An den Gren- 
en ber. Urga, oder Kiachta's, wie Khalgan’s, laſſen fie ſich nur. fehr 
iwer zäumen und bepaden; ſchon nach der erften Tagereife werben fie 
ſchuldiger, nehmen babei einen rafchen Gang an; nach anhaltenden Mär: 
Gen son 10, 12 und 14 Tagen ohne Wafler, faft ohme Yutter und in 
Btörmen, ift es fein Wunder, wenn fie ganz erfchöpft fich oft auf dem 
Bege nieverlegen und endlich nicht wieber auffiehen. Die Anfchaffung, der 


® 


166 


die Karavane über einen Hügel gezogen und nicht laͤnger 
mehr im Gefiht ift, fo hören fie ſich ganz unerwartet bei 
ihrem Namen rufen und das mit einer Stimme, die ihnen 
befannt erſcheint. Da fie nun glauben, der Ruf komme von 
ihren Gefährten, fo werben fie von dem rechten Wege abge 
führt, und fie müffen, da fie die rechte Richtung nicht finden, 
zurüdbleiben und elendiglih umfommen. In der Nachtzeit 
glauben fie das ©etrappel eines großen Reitertrupps auf der 
‚ einen ober der anderen Seite ded Weges zu hören, und ba 
fie aus dem Geräufche fchließen, daß es die Fußtritte ihres 
Zuges feien, fo wenden fte fi nad; der Gegend hin, woher 
ed kommt; aber beim Anbruche des Tages erfennen fie, daß 
fie irregeführt und in ihr Verderben gezogen worden find. 
Zuweilen nehmen auch am Tage diefe Geifter die Geftalt 
ihrer Reifegefährten an, vie fie beim Namen nennen und ver- 
ſuchen, vom richtigen Wege abzuleiten. Auch wird erzählt, 
daß einige Perfonen bei ihrem Zuge durch die Witfte etwas 
gefehben haben, das ihnen wie ein Trupp bewaffneter Leute 
erſchienen fet, der auf fie losrüdte, und aus Furcht, ange 
griffen und geplündert zu werden, hätten -fie die Flucht .er- 
griffen. Da fie nun auf diefe Weife den rechten Pfad ver- 
loren und nit gewußt, in welcher Richtung ihn wieder zu 
gewinnen, wären fie ‚vor Hunger elendiglih umgefommen. 
Wunderbar in der That und allen Glauben überfteigend find 


Erſatz und der Austaufch diefer <hiere iſt ein wichtiger Erwerbzweig ber 
Mongolen. BZahlreihe Heerden und Stutereien machen, nebſt Pferden, 
ben Reichthum ber Khalfa aus; ihr Abſatz geht vorzüglich zu dem Tfak 
har und nach China, und Karawanen wie Kriegsheere beduͤrfen ihrer in 
Menge, da felbft die Eatferlichen Heerden dazu nicht hinreichen. — Das 
Pferd fteht ven Kameel an Nüslichfeit für die Gobi zur Seite und über 
trifft es noch an Ausdauer; das Vorkommen ber wilden Pferde (Tarpauni 
bei den Ruſſen) in den Gobifteppen, mehr noch in denen OftzTurfeftan’s 
von Darfend, Kafchghar, zeigt auch ſchon die Heimath diefes tremefen 
Gefährten der Nomaden durch das Hochland. — - Außer viefen beiden 
Hauptthieren machen Schaafherden den größten: Relchthum der t Mongolen 
in der Gobi aus. — ©. Ritter III. 374— 386. 


un 


167 


bie Geſchichten, die von dieſen Geiftern der Wuͤſte berichtet 
werben; fie follen auch zuweilen die Luft mit den Klän- 
gen von Mufif erfüllen und mit dem Lärm von Trommeln 
und mit Waffengeklirr, woburd fie die Reifenden nöthigen, 
fich enger zufammenzuhalten und in ftrengerer Orbnung zu 
jiehen. Deswegen halten e8 bie Reifenden auch für nöthig, 
die Vorſicht zu braudıen, ‚bevor fie ſich ver Nachtruhe über- 
Iafien, weit vor ein Signal atıfzuftellen, weldes ven Meg 
zeigt, den fie am anderen Tage weiterziehen wollen, als auch 
jedem Laftthiere eine Glode umzuhängen, damit fie ſich nicht 
fo leicht zerftreuen. Das find die außerorventlichen Aengften 
und Gefahren, denen man unvermeidlid, begegnet, wenn man 
durch dieſe Wüfte zieht. 


Sechsunddreißigſtes Kapitel. 


Bon dem Lande Tanguth 14°); von der Stadt Sachion; von der Eitte, 
bie daſelbſt herrfcht bei der Geburt eines Scnaben, nnd von der Ver: 
brennung ber Tobten. 


Wenn man die Reife von dreißig Tagen durch die Wüfte 


148) Man betrachtete früher die Namen Tangut und Tibet, welche die Ber: 
fer von den Mongolen aufnahmen, als gleichbedeutend; aber erfterer wirb 
amf den größeren Theil der Tartarei angewendet, der an bie weftlichen 
Brovinzen China’s grenzt und als feinen ſuͤdlichen Theil Tibet mit be- 
greift, während er nördlich die Landfchaften enthält, auf welche unfer 
Autor demnaͤchſt eingeht. M. — „Bentinf und Andere, die im verflofie- 
nen Sahrhundert die Aflatifche Tartarei befchrieben, fallen in einige nicht 
gänzlich aufgeflärte Fehler in Bezug auf Tangut. Nach ihrer Meinung 
Kat Zangut das Chinefifche Reich gegen Morgen, das Neth Ava oder 
Birma gegen Mittag, die Staaten des Großmoguls gegen Abend und bie 
des Kontaiſch, Großkhan's der Kalmücen, gegen Mitternacht; ber mit- 
tügige heißt eigentlich Tangut, der nördliche Tibet. (Recueil de Voy. au 
Nord T. X. p. 100.) Diefer irrigen Meinung folgt der berühmte Padre 
Georgi in feinem Tibetanifchen Alfabet. Pinferton nähert fi mehr der 
Wahrheit, Indem er fagt (Geogr. T.IV. p. 248): „Tangut begreift den 


168 
vollendet bat, fo kommt man an eine Stadt, Namens Ca 


Theil von Tibet, welcher nordweſtlich liegt und einen Theil der Provinz 
Chenſi bildet.“ De Guignes ſcheint das Richtige getroffen zu haben, in 
dem er fagt (Geogr. T. IV. p. 248), daß Tangut der Name fei, welden 
die Tartaren dem gegen Abend liegenden Chinefifchen Gebiete Ei - Hia 
(weſtliches Hia) geben. inige DVölferfchaften Tibetaniſchen Urfprungs 
gründeten dieſes Reich: die neue Nazion wurde Tanh-hiang genannt. (De 
Guign. T. I. p. 166.) Das Gefchlecht, weiches in diefem Lande herrſchie, 
war früher Statthalter des Kaiſers daſelbſt. Hierauf nannten fie fid 
Könige von Hia und ihr Staat befland aus einem Theile von Echenfl 
und aus den Gebieten von Ortu, Scha⸗tſchéu, Koko-⸗Nor, fowie aus den 
Gegenden in ver Nähe des Sees Lop. Etſina war eine der vornehmften 
Städte daſelbſt — und diefes ift das Land, welches die Morgenlänbifchen 
Shhriftfteller Tangut nennen. Das Reich Hia, von dem bie Chinefifchen 
Gefchichten fo viel erzählen, fing am Ende des neunten Jahrhunderts an; 
ed wurde von Dſchingiskhan zerftört im Jahr 1226, als bort der von 
den Chinefen fogenannte Ban li Hien regirte (ebend.); von den Nrabern 
und Perjern, welche des Eroberers Thaten befchrieben,. wird er Schis⸗ 
dacu genannt (Schidurgho⸗khagan, ſ. Kap.52, Anm. 199). Der Mongole fchlug 
fein mächtiges Heer und toͤdtete 300,000 (2) Etreiter. (Petis de la Croix 
liv. IV. c. XI.) Schisdaku wurde als Gefangener in die Hauptitabt des 
Großkhan's gebracht, acht Tage nach dem Tode beffelben; dieſer aber hatte 
den Befehl gegeben, ihn zu tödten und das gefchah (ebend.). Damals war 
die Hauptſtadt des Reichs Hia (GBaldelli bemerft hierzu nach Petis de la 
Croix, dies wäre das Kampion Polo's, irrt aber, Hia oder Ninghia 
iſt das Egrigaia Polo's [f. Kap. 52, Anm. 199) und Kampion iſt Kanstfchen 
[f. Ray. 40). Was De Guignes fagt, wird von anderen Geografen und 
Reiſenden beftätigt. Witzen fagt, daß die Mongolei zur mittägigen Grenze 
Zangut‘ und Turfeftan habe (Voy. de Pallas T. VI. p. 360).. Rubrugnis 
verfichert, daß die Mongolen noͤrdlich auf großen Weideplägen lebten, bie 
Iguren in den mittägigen Bergen, und gegen Morgen von ihnen bie Tans 
guter; er erwähnt darauf unterſcheidend die Tibetaner, wie Polo (bei Bers 
geron I. 57). „Ich fchliege diefe Note mit der Bemerkung, daß, ba das 
Reich Hia oder Tangut drei Jahrhunderte beftanden und ſich an beiden 
Seiten der Chineſiſchen Mauer ausbreitete, welche heutigen Tags nur eis 
nen Erddamm bildet, Grund genug da ift zu behaupten, baß fie zu Po⸗ 
lo's Zeiten noch nicht beitanden, fo daß man fich nicht verwundern muß, 
daß er fie nicht erwähnt.“ (Balvelli irrt, fiehe Anm. 198). B. B. — 


Nach Ritters neueren Forſchungen machte Tibet einen Theil von Tangul 
aus, — 


169 - 


chion 1#9), welche dem Großfhan gehört. Das Land heit 
Tangüth. Die Bewohner find Göpendiener. Es giebt Tur- 


149) Als unfer Autor einen fchmalen Theil der großen Müfte in ber 
Richtung von ben Städten ‚des Königreichs Kaſchghar nach dem nächften 
Bunfte China’s durchzogen hatte, führte ihn fein Weg nach einer Etabt, 
die Ehastcheon nad der Franzoͤſiſchen, Shaschen nach der Englifchen 
Schreibweiſe, in beutfcher Ausiprache aber Schastfcheun, die Sandfladt, 
beißt. Das ift das Sachion M. Polo's und das Tanchoang der älteren 
Zeit. — Schon im erften Jahrhunderte nach Chr. Geb. ward biefe Stadt, 
dem gepflogenen Rathe gemäß, ſtark befeftigt und mit einer zahlreichen 
Garniſon belegt, um ben Ueberfällen der Hiongnu Widerſtand zu leiften. 
(S. Anm. 146.) Die mühfame. Bertheidigung dieſes ſo weit gegen W. 
vorgeſchobenen. Chineſiſchen Vorpoftens erregte in jenen flürmifchen Zeiten 
300 Jahre ſpaͤter noch einmal denſelben Kampf der Meinungen, aber auch 
diesmal behauptete das früher befolgte Syftem die Oberhand, und ber 
Ort warb Yon der Dynaftie-ver Wei feſt in Beſitz gehalten. Nachher 
erſt belohnte ſich dieſe Ausdauer in der glänzenden Zeit der Tang (618 
bis 907, welche hier recht feiten Buß faßten und von da an nun ihre 
Weſtſchritte verzehnfachten. Freilich wurden dadurch auch ben flegreichen 
und übermächtigen Weltgebietern mit ihren Heeren bie Cingänge vom 
Weſten her gebahnt, und Dſchingiskhan fihritt auf dieſem Wege bis an 
die Grenze der damals in ein Nord⸗ und ein Suͤdreich (der Kin und 
Sung) gefvaltenen Chinefifchen Herrfchaft vor. Auch war das ber eins 
zige Weg, auf dem man von Weften her einfchreiten Eonnte; das Reich 
Hia, das er hier erft erobern mußte, war nun ein vom großen Chines 
ſiſchen Reiche temporär abgelöftes Glied, das feiner Stüge in Tangut 
beranbt, auch mit der Beflegung Ning-hia’s fallen mußte. — Um Schas 
tſcheu fing der Mongole im Jahre 1226 feine furchtbaren Verheerungen 
ig Tangut an; die Foreirung der feſten Gebirgspäffe weiter im Oft, zu 
Gifina und Dangfuan, fiherten ihm feinen Wortjchritt bis zum Koko⸗ 
Nor; gleich anfangs eroberte, vom Norben kommend, fein Vortrab bie 
Stadt Detfinz (Etſina) am gleichnamigen Fluſſe außerhalb der Mauer im 
N. von Sostfcheu, dann das Mauerthor Kia⸗yu⸗kuan und die großen 
Etädte So⸗tſcheu, Kan⸗tſcheu, Kang-fu, auch alles Land am Hoang-ho 
bis Lingstfheu am rechten, und zulegt Ning-hia, bie Refivenz, etwas weis 
"ter abwärts am linken Ufer des Etromes. Die Städte vertheidigten ſich 
mit Tapferkeit, ‚wurden aber, Scha⸗tſcheu, die weftlichfte, ausgenommen, 
erftürmt; die Landleute wurden unbarmberzig vernichtet nnd felbft bie 
Flüchtlinge in Höhlen und Gebirgen fanden feine Rettung vom Tode. 
Die Bewohner von Schastfchen ſcheinen am beften durch Lift ſich vor ber 


170 


fomanen unter ihnen mit wenigen Reitortaniichen Chriften 
und Mahometanen. Vie, welche Goͤtzen anbeten, reden eine 


Pernichtung geſchuͤzt zu Haken. Roch in temfelken Jahrhunderte nah 
tiefer Groberung wurde dieſe Statt ron M. Polo turchzegen; ficher if 
ihre Rame kei ihm (Sa⸗chion) nur ein Echreikfehler ter Kopiſten, wie 
fchon fein gelebrier Kommentator ®. Marsten bemerkt hal. Sein ums 
ländlicher Bericht von Liefer Stadt iR Ichrreich, als der einzige aus jes 
ner Zeit, der es zugleich ſehr wahrscheinlich macht, daß dort auf dem Hoch⸗ 
Sande ſchon ſehr fruͤbe und auch ſpaͤter, umter dem Schutze ber Mongolen, 
eine Lamaiſche Prieſterkolonie auf ter großen Heerſtraße am Gingange 
von Eisyu ſich fefigewurzelt und erhalten hatte. Denn ter Grab des 
Wohlſtandes, der Anbau des Landes, die Tempel: und Kloſterbauten, vie 
er daſelbſt fand, machen dies aus ber Zeit des 13. Jahrhunderts gewiß. 
Unzweifelhaft aber, fagt ter Ueberfeger (E. 3. Schmidt in Sſanang jet: 
fen) der Mongolifchen Hiftorie, ift es, daß bereits vor Dſchingiskhan meh: 
rere Tibet nnd Tangut näher wohnende Mongolifhe Stämme dem Bub: 
dhaismus ganz oder zum Theil anhingen, um wie viel mehr alfo die dort 
laͤngſt angefiedelten, wie bie Bewohner von Scha⸗tſchen, die nach M. Polo 
ihre eigene, aljo eine von den Mongolen verfchiedene Eprade rede 
tn. Es ergiebt fih ans dem Berichte Polo's leicht, warum die Stadt 
bei den Chinefen von dem Eande, Scha (mie auch bei ihren Scha⸗mo 
das Eandmeer, d- i. die Wüfte Gobi, genannt wird), ihren Namen er: 
hielt, da fie am Cingange zu der großen Gobi wirklich Tiegt; dieſe reicht 
bis dicht an biefen Ort, von wo Polo fie gegen S. W. Lop nennt. — 
Daß bier eine fchon fo mächtige und ausgebildete Kolonie Buddhiſtiſcher 
Priefterherrfchaft ihren Ei hatte, Fünnte anfjallen, wenn man dieſe erft 
nach den verwäftenden Durchzuͤgen Dſchingiskhan's bier anfiedeln laſſen 
wollte. Aber die Schlauheit der Bewohner dieſer Etabt, fich vor dieſes 
Eroberers Neberfalle zu fihern, mas ihnen auch gelang, laͤßt fchon auf aͤl⸗ 
teren hierarchiſchen Einfluß fchließen, und wenn uns auch ein beftimmtes 
Datum der früheren Buddhaanſiedlung dort fehlt: fo ift diefe Doch ent 
ſchieden am Weſteingange China’s überall feit alter Zeit nicht zu ver- 
fennen. Denn bie merkwürdige Karte der Buddhiſtiſchen Miffionare, 
welche die Wanderftazionen ihrer von Weſt nah Oft, feit frühefter Zeit 
bis nad) China eingezogenen Patriarchen oder Stifter ihres Glaubens, 
durch ganz Inneraften verzeichnet hat, füngt an der Weftgrenze China's 
und Kanfu’s, mit ber Nennung diefer Stadt Scha⸗tſchéu, als der erften 
für das weite Si⸗yn oder der MWeftländer, an. — Die Buddhareligion iſt 
auf biefem Wege das Altefte, friebliche Band ver Verknüpfung China’ 
mit Khotan und Innerhindoſtan. Die Chronik des Bo zeigt," wie die 


m‘ 





171 


Sprache, melde verfhieven ift von ber der Anderen. Die 
Stadt liegt gegen Oſt⸗Nord-⸗Oſt. Cie find kein handel, fon- 


Straße der Nifftonen von Khotan norbwärts bis Turſan und Hami ſtets 
den Weg über den Lopfee nahm und von da über Scha⸗tſcheu in China 
eindrang. Ans den 100 Klöftern (Kianlan) von Khotan erhielten aber 
alle öftlicheren Buddhakolonien in den erften Jahrhunderten ver Einwan⸗ 
derung ihre heiligen Bücher, ihre Glaubensfagungen und ihren Mofchus, 
ber zum Zeremontalbienfte gehörte. — Die Regenten der friehlichen aber 
mächtigen Tang-Dynaftie, deren Reſidenz damals noch nicht in Peking, 
fondern in der NRorbweitprovinz, in Stengansfu (damals Tfchangsngan), 
in der Nähe bes oberen Hoang-hostandes, alfo dem Eingange der Weſt⸗ 
paſſage fehr nahe war, wurden hier nicht nur bie Befchüger der Kos Diener 
(der Buͤddhiſten), fondern auch der Perfiihen Magier (Mou⸗Hoab ver 
Ehinefen, d. i. Mobed) oder Femeranbeter, ſeitdem der letzte ver Saffas 
‚uiben, Dezvegird, von ven Arabern vertrieben, in China's Weſtlaͤndern 
Schutz fand. Nicht weniger wurden fle die Beſchuͤtzer der gleichzeitig hier 
eindringenden Miffionen der Neftorianifchen Chriften, fo manche vielleicht 
auch ihre eifrigen und glänbigen Anhänger und Diener. Biele ver Chi⸗ 
nefen waren damals Anbeter bes %o und blieben es ſeitdem auch bis 
in die fpäteften Zeiten. Sm Jahr 635 iſt uns das Faktum ber erften 
Miſſton eines chriftlichen Prieſters, Dlopen, überliefert, der aus dem 
Reiche ver Großen Thfin (TIhasthfin, d. i. das öftliche Byzantinifche Reich) 
anf diefem Wege die chriftliche Lehre zuerft nach Schensft gebracht und 
bort wohlwollend empfangen, in der Refidenz die erfte hriftliche Kirche 
erbaut Haben foll. — Diefe Verhältniffe traten keineswegs nur fir eins 
zelne Momente ein, fondern dauerten nnter dem Echuge ber immer ohns 
mächtiger werbenden Tang noch drei Jahrhunderte hindurch und erhielten 
vom Anfauge des fiebenten bis zum Anfange des zehnten Jahrhunderts 
ihre vielfache Entwickelung. Hierdurch warb biefe große Duerftraße durch 
Aften auch die Route der Miffionen für die Buobhiften, Magier und Ne⸗ 
korianer (nach der Vertreibung der Mongolen aus China unter der Dy⸗ 
naſtie der Ming im vierzehnten Jahrhundert ebenfo für die Mahometaner, 
welche jene verdrängt haben). Diefe fproßten nicht nur erft in China 
fort, fondern legten fchon auf dem Wege dahin überall, wo die Nazionen 
es begünftigten, ihre Abſenker an; es koͤnnen daher auch die Berichte Pos 
10’8 nun nicht mehr, wie früher, als Babel over unglaubliche Wunder⸗ 
dinge gelten, da uns der innere Zufammenhang dieſer großen Begeben; 
heiten ans den heimifchen Quellen mit Sicherheit befannt worden ft, 
Eie treien als wichtige Glieder in die Reihen ber großen hiſtori⸗ 
fhen Daten ein, bie zue Hebung ber Böhler Inneraflens auf ihren 


172 


dern ein aderbautreibendes Vol. Es giebt im Lande eine 
Menge von Klöftern und Priefterfigen (Monasterii e Abbatie), 
die vollgeftellt find mit verfchiedengeftalteten Goͤtzenbildern 150), 
Diefe betradjten fie mit der größten - Ehrfurdt und bringen 
ihnen Opfer dar, und bei der Geburt eines Sohnes empfehs 


gegenwärtigen Standpunkt, das ihrige beitrugen, und welche die Weltges 
fhichte wie vie Völkerkunde nicht mehr wie früher ignoriren darf. ‚Denn 
fie knuͤpften zuerft das geiftige Band zwifchen dem Abends und bem du 
ßerſten, noch immer verfinfterten Morgenlande für vielleicht nicht mehr 
fo ferne, einft noch günftigere Seiten. ©. Ritter II. 205 — 210. Zu 
näherem Verſtaͤndniß, wie zu Würdigung der Berichte Marco Polo’s über 
ben Buddhaismus in jenen Gegenden haben wir biefe ausführliche Ans: 
einanderfegung der Verhältniffe aufgenommen. 

150) Die zahl: und umfangreichen Gebäude in einem Lande, wo je 
des vierte männliche Familienmitglied fich dem Höfterlichen - Leben weiht, 
finden wir vielfach erwähnt in den Berichten der Reifenden, und vorzügs 
lich in den neueren Mittheilungen von Bogles Miifion, im Jahr 1774, 
und Turner’s, im Jahr 1783, an den Hof der fühlichen Großlama’s. Die 
Kupferftiche, welche legterem Werke nach Zeichnungen S. Davis’ (ver eine 
Zeit lang Direktor der Oftindifchen Kompagnie war). beigefügt find, wer: 
den dem Lefer eine vollfommene Idee von dem Aeußeren dieſer Kloͤſter, 
von welchen einige zwei- bis breitaufend Gylongs oder Mönche enthalten, 
geben. Eine allgemeine Beichreibung mit einem Grundplane findet man 
auch in dem Alphabetum Tibitanum von Georgi ©. 407. In dem Men. 
conc. les Chinois T. XIV. finden wir folgenden Bericht über das große 
Miao (Vriefterfig, Abtei) Putala zu Lhaſſa. „Das Klofter hat 367 Fuß vier 
Zoll Höhe. Die Kuppel oder vielmehr der erhabenfte Theil deſſelben if 
ganz vergoldet. Die Gebäude, welche unmittelbar dazu gehören, find in 
mehr als 10,000 Zimmer oder Zellen getheilt, zur Beherbergung von eben 
fo viel Lama’s. Die Statuen Fo's und die Thuͤrmchen ihm zu Chren 
find zahllose. Alle diefe Statuen und diefe Thürmchen find aus Golb, 
Silber und Kupfer gebildet, nach dem Vermögen Derer, bie fie verehrt 
haben.” S. 219. In denifelben Werke wird vom Miao Teſchulumbu 
oder Schigatfe, welches. von Bogle und Turner befucht wurbe, gefügt: 
„In dieſem Miao befinden fih mehr als 3000 Zimmer oder. Zellen und 
mehr als 2000 Lama's haben ihre gewöhnliche Wohnung darin... Die Go: 
Statuen darin find ohne Zahl. Don diefem Hauptmiao hängen 51 aubere 
Miao's ab, die mit ihm gewiffermagen verbunden find und in denen fich in 
Allen wohl gegen. 2000 Lama’s befinden mögen.“ ©. 222. M. 


173 . 


len fie ihn dem Schuge eines biefer Gögen. Zu Ehren dies 
fer Gottheit zieht der Vater einen Widder bis nadı Ablauf 
eined Jahres in feinem Haufe auf; dann, an des Gößen bes 
fonderem Sefttage, wird der Sohn mit dem Widder vor ihn 
bingeführt . und das Thier dafelbft geopfert. Das Fleiſch 
laſſen fie kochen, Bis fie ein langes Gebet vwollenvet haben, 
defien Inhalt ift, den Goͤtzen um die Erhaltung der Gefund- 
heit ihres Kindes zu bitten, und fie glauben, daß er wäh- 
rend biefer Zeit den beften Saft des Fleiſches eingefogen habe. 
Das abgekochte Fleifdy tragen fie dann nach Haufe, verſam⸗ 
meln alle ihre Verwandte und Freunde und verzehren ed in 
andaͤchtiger Feſtlichkeit. Die Knochen bewahren fie in huͤb⸗ 
fhen Urnen. Die Priefter befommen als ihren Antheil ven 
Kopf, vie Füße, die Eingeweide und die Haut mit einigen 
Theilen vom Fleiſche. Beim Begängniß der Todten haben 
diefe Heiden ebenfalld befonvere Zeremonien. Beim Tode 
einer Perſon von Rang, deren Körper verbrannt werben foll, 
rufen die Verwandten die Eterndeuter zufammen und machen 
fie mit dem Jahre, dem Lage und der Stunde befannt, in 
welcher der Hingefchiedene geboren worden; darauf befragen 
jene das Horoſkop, und wenn fie nun die Konftellation ober 
das Zeichen und die darin vorherrihenden Blaneten beftimmt 
haben, fo zeigen fie den Tag an, an weldem das Leichen⸗ 
begängniß ftattfinden fol. Wenn es fid) ereignen follte, daß 
derfelbe Planet dann gerade nit im Aufſteigen wäre, ſo 
verorbnen fie, daß der Körper eine Woche oder mehr und 
zuweilen bis zur Zeit von ſechs Monaten aufbewahrt werde, 
‚bevor fie die Zeremonie vollenden laffen. In der Hoffnung 
auf günftige Afpekten und aus Yurdt vor den Wirkungen 
eines feindlichen Einfluſſes wagen es bie Verwandten nicht, 
den Leichnam eher zu verbrennen, ald bis die Eterndeuter 
die geeignete Zeit beftimmt haben. Da ed nun in vielen 
Fällen nöthig ift, daß der Körper lange im Haufe ‚behalten 
wird, fo bereiten fie, um ihn gegen Faͤulniß zu ſchuͤtzen, eis 
nen Sarg von handbreitbiden Bretern, die gut zufammenge- 


174 


paßt und bemalt find, in welden fie den Leichnam legen und 
mit ihm eine Menge füßpuftender Harze, Kampfer und am 
dere Spegereien; die Fugen verftreichen fie mit einer Miſchung 
aus Beh, und Kalf und das Ganze wird dann mit Seide 
bevedt. Während dieſer Zeit wird der Tiſch jeden Tag mit 
Brot, Wein und ‚anderen Lebensmitteln befest, Die fo lange 
aufgeftellt bleiben, al8 man Zeit zu einem guten Mahle 
braudit, und dann glauben fie, daß der Geift, welcher gegem 
wärtig fei, fi) an dem Dampfe der Speifen gefättigt habe. 
Zuweilen zeigen die Sterndeuter den Verwandten an, daß, der 
Leihnam nit durch die Hauptthür aus dem Haufe getragen 
werben bürfe, weil fie aus der Stellung der Geftirne: ober 
aus was font erkundet haben, daß dieſes Unglück mit fih 
führen würde, und er muß beshalb von einer anderen Seite 
aus dem Haufe getragen werben. In einigen Fällen zmin 
gen fie die Berwandten fogar, die Mauer, die gerade dem 
günftigen und wohlthätigen Planeten gegenüberfteht, durchzu⸗ 
brechen und den Todten durch dieſe Oeffnung zu tragen, ir 
dem fie ihnen einreven, daß, wenn fte das nicht thäten, her 
Geiſt des Geſchiedenen gegen die Familie erzuͤrnt werben und 
ihnen Leides zufügen würde. Wenn aljo irgend .ein Ungluͤck 
ein Haus überfällt, oder eine thnen angehörige Perſon von 
einem Zufalle oder Verlufte oder einem unzeitigen Tode ge 
troffen wird, fo verfehlen die Aftrologen nicht, das Ereiguiß 
dem Umſtande zuzufchreiben, daß das Begängnig nicht wäh 
rend des Auffteigend des Planeten, unter welchem ber Ber 
ftorbene geboren worden, flattgefunden, fondern während er 
einem böfen Einfluffe ausgefegt geweſen, oder weil er nicht 
durch Die rechte Thür hinausgetragen worden fei. Da bie 
Zeremonie des Verbrennend. der Todten außerhalb der Stadt 
verrichtet werden muß, fo errichten fie, immer in einer ges 
wifien Entfernung von einander, auf dem Wege, welchen bie 
Prozeffton nehmen muß, hölzerne Hütten mit Hallen, vie fe 
mit Seide beveden, und in biefe wird der Leichnam jepesmal, 
wenn er an eine berfelben kommt, geſtellt. Ste fepen Spei⸗ 


175 


fen und Getränfe davor und wiederholen das, bis fie den 
beftimmten Ort erreihen, und glauben, daß der Geift hier 
durch erfrifcht werde und Kraft erhalte, an der Brandftätte 
auszuhalten. Auch nod) eine andere Zeremonie wird bei fol 
hen Gelegenheiten ausgeführt. ie nehmen eine Menge 
Stuͤcke Papiers, das fie aus der Rinde eines gemwiffen Baumes 
verfertigten, auf weldje Biguren von Männern, Weibern, Pfer- 
ten, Kameelen, fo wie Geldſtuͤcke und Kleider gemalt find 
und verbrennen. dieſe zugleid mit dem Leichnam, in der Leber 
wugung, daß in der anderen Welt der Berftorbene ver Dienfte 
und des Gebrauchs ver Diener, Des Viehs und aller der auf 
dem Papiere abfonterfeiten Gegenftände fid) zu erfreuen ha- 
ben werde. Und died gefdicht unter dem Schalle rauſchen⸗ 
der Inftrumente 151). — Da id) nun von Diefer Etadt ge 
(rohen habe, follen andere, die nad) Nordweſten liegen, nahe 
am Anfange der Wirte, demnaͤchſt befprochen werben. 


Siebenunddreißigſtes Kapitel. 


Bon der Landſchaft Kamul und einigen befonderen Gewohnheiten bei ber 
Bewirtung der Fremden daſelbſt. 


Kamul152) ift eine Landſchaft, die innerhalb der großen 
Provinz Tanguth, die dem Großkhan unterthan ift, liegt und 





151) Diefe verfchienenen Gebräuche finden fich in Tibet und in meh⸗ 
teren Theilen China's noch heutzutage vor. In den Werfen der Miiflos 
näre in jenen Gegenden finden wir Befchreibungen berfelben, bie oft faſt 
woͤrllich mit denen unſeres Autors uͤbereinſtimmen. 

152) Sn (der aͤlteſten Zeit oder Y⸗u⸗lin, Yu⸗hien), d. i. Igur oder 
Kamul, mit dem Titel Detfcheu. Khamil, jet Hami der Chinefen, {fl 
der Name einer einzigen Stadt und einer geringen Anzahl zugehöriger 
ud nahe umberliegender Dorffchaften und Meiler, 20 Tagereifen (67 
geogr. MI.) im Welten des Kia⸗yu⸗keu der großen Mauer, oder von So⸗ 
tſchen bis Hami 112 geogr. Meilen (1510 Li), 60 geogr. Meilen (800 Li) 
vom Thor Jusmenstuan in W. von Schastichen. Auch bie Landſchaft ums 


174 


paßt und bemalt find, in ‚welchen fie ven Leichnam legen und 
mit ihm eine Menge füßduftender Harze, Kampfer und an 
dere Spezereien; Die Fugen verftreichen fie mit einer Mifchung 
aus Pech und Kalf und das Ganze wird dann mit Seide 
bevedt. Während diejer Zeit wird der Tiſch jeden Tag mit 
Brot, Wein und ‚anderen Lebensmitteln befegt, die fo lange 
aufgeftellt bleiben, als man Zeit zu einem guten Mahle 
braudjt, und dann glauben fie, Daß der Geift, welcher gegen 
wärtig fei, fih an dem Dampfe der Speifen gefättigt habe. 
Zumeilen zeigen die Eterndeuter den Berwandten an, daß. ber 
Leichnam nicht durch die Hauptthür aus dem Haufe getragen 
werben dürfe, weil fie aus der Stellung der Geftirne oder 
aus was fonft erfundet haben, daß dieſes Unglüd mit ſich 
führen würbe, und er muß deshalb von einer anderen Geite 
aus dem Kaufe getragen werden. In einigen Faͤllen zwin⸗ 
gen fie die Verwandten fogar, die Mauer, die gerade dem 
günftigen und wohlthätigen Planeten gegenüberfteht, durchzu⸗ 
bredhen und den Todten dur dieſe Deffnung zu tragen, in 
dem fie ihnen einreden, daß, wenn fie das nicht thäten, ber 
Geiſt des Geſchiedenen gegen die Samilie erzuͤrnt werben und 
ihnen Leides zufügen würde. Wenn alfo irgend .ein Ungluͤck 
ein Haus überfällt, oder eine ihnen angehörige Perſon von 
einem Zufalle oder DVerlufte oder einem unzeitigen Tode ge- 
troffen wird, fo verfehlen die Aftrologen nicht, das Ereigniß 
dem Umſtande zuzufchreiben, dag das Begängniß nicht wäh: 
rend des Auffteigens des Planeten, unter welchem der Ber 
ftorbene geboren worden, flattgefunden, ſondern während er 
einem böfen Einflufje ausgeſetzt geweſen, oder weil er nicht 
durch Die rechte Thür hinausgetragen worben fe. Da die 
Zeremonie des Verbrennens der Todten außerhalb der Stabt 
verrichtet werden muß, fo errichten fie, immer in einer ges 
wifjen Entfernung von einander, auf dem Wege, weldyen vie 
Prozeffton nehmen muß, hölzerne Hütten mit Hallen, die fie 
mit Seide beveden, und in diefe wird. der Leichnam jevesmal, 
wenn ex an eine derſelben kommt, geftellt. Sie fegen Spei⸗ 


—— 


175 


fen und Getränke davor und wiederholen das, bis fie den 
beftimmten Ort erreihen, und glauben, daß der Geift hier 
durdy erfrifcht werde und Kraft erhalte, an ter Branpftätte 
auszuhalten. Auch noch eine andere Zeremonie wird bei fol- 
hen Gelegenheiten ausgeführt. ie nehmen eine Menge 
Stüde Papiers, das fie aus der Rinde eines gemwiffen Baumes 
verfertigten, auf welde Figuren von Männern, Weibern, Pfer⸗ 
den, Kameelen, ſo wie Geldſtuͤcke und Kleider gemalt ſind 
und verbrennen. diefe zugleich, mit dem Leichnam, in der Ueber⸗ 
zeugung, daß in der anderen Welt der Berftorbene der Dienfte 
und des Gebrauchs der Diener, des Viehs und alfer der auf 
dem Papiere abkonterfeiten Gegenftände fid) zu erfreuen ha- 
ben werde. Und dies geſchieht unter dem Schalle raufchen- 

der Inftrumente 151). — Da id nun von Diefer Stadt ge- 
ſprochen habe, ſollen andere, die nad) Nordweſten liegen, nahe 
am Anfange der Wüfte, demnaͤchſt beſprochen werden. 


Siebenunddreißigſtes Kapitel. 


Von der Landſchaft Kamul und einigen beſonderen Gewohnheiten bei der 
Bewirthung der Fremden daſelbſt. 


Kamul 182) iſt eine Landſchaft, die innerhalb der großen 
Provinz Tanguth, die dem Großkhan unterthan ift, Tiegt und 


151) Diefe verfchiedenen Gebräuche finden fich in Tibet und in meh- 
teren Theilen China’s noch heutzutage vor. In den Werfen der Mifflos 
naͤre in jenen Gegenden finden wir Befchreibungen berfelben, die oft fof 
wörtlich mit denen unferes Autors übereinflimmen. 

152) 3:u (der älteften Zeit oder Y⸗u⸗lin, Yu⸗hien), d. 1. Igur ober 
Kamul, mit dem Titel Detfchen. Khamil, jet Hami der Ehinefen, ift 
ber Name einer einzigen Stabt und einer geringen Anzahl zugehöriger 
und nahe umberliegender Dorfichaften und Meiler, 20 Tagereifen (67 
geogr. MI.) im Welten des Kia-yusfeu der großen Mauer, ober von So⸗ 
tichen bis Hami 112 geogr. Meilen (1510 Li), 60 geogr. Meilen (800 Li) 
vom Thor Ju⸗men⸗kuan in W. von Scha⸗tſcheu. Auch die Landfchaft ums 


176 


viele Städte und Burgen enthält. Die Hauptftadt heißt aud 
Kamul. Diefer Diftrift Tiegt inmitten zweier Wüften, nämlid 


ber hat denfelben Namen, doch diefe ift nur auf einen mäßigen Umfang 
befchränft, weil fie nur bie Fleine Dafe begreift; welche von den duͤrrſten 
Sanbwüften (dem Kanshai) der Gobt auf allen Seiten, die Gebirgsſeite 
gegen N, W. ausgenommen, umgeben iſt. Diefe Lage machte die Stadt 
von jeher zum großen Sammelplag der’ Karawanen auf der großen Veh: 
firaße, und auch heute noch find die Vorftäpte der hier. erbauten Chine⸗ 
fifchen Feſtung der Vereinigungsplatz zahlreicher Kaufleute und Waaren, 
wodurch der Ort in glüdlichen Zeiten großen Mohlftand erreicht und einer 
Hauptſtadt gleich wird. Die große Heerftraße geht von hier auf Fürzeftem 
Wege, wenn man es nicht fürchtet, durch die duͤrre Gobi zu ziehen, gegen 
Weſt nach Turfan, fieben Tagereifen mit der Karawane, 75 geogr. Mel 
len (1000 Li), oder nach der Reichsgeografte 90 geogr. Meilen (1200 Li). 
Sener Weg ift befchwerlih, voll Klippen, ohne Wafler, ohme Weide. Län 
ger ift der mehr nördliche Weg, zehn Tagereifen über das Hügelland, 
aber doch weit bequemer für den Reifenden. Auch. die nächte Umgebung 
von Hami fcheint von Natur nicht befonders fruchtbar zu fein, weil fie 
nur von wenigen Fluͤſſen durchzogen fit. Defto wichtiger ift es, daß fit, 
wie ſchon Kaiſer Kanghi es rühmend anerkennt, durch den Fleiß der Mens 
fchen in eine parabiefifche Lanpfchaft umgewandelt, wurde, wenigftens er: 
fcheint fie fo den Neifenden, bie ans weiten Wüftenelen in ihr einfehren. 
Es regnet faft nie in Hami, fagt Kaiſer Kanghi in feinen fyftfalifchen 
und naturhiftorifchen Betrachtungen, und wenn auch fparfame Regen fal: 
Ien, fo feuchten fie Faum den Boden etwas an. Auch Thau und Nebel 
fommen bier nicht vor, und dennoch find die Felder bewäflert und fruchts 
bar, obwohl das Land wenig Vluͤſſe erzeugt. Bäche und Quellen find 
dort felten, aber der Fleiß und die Induſtrie der Einwohner wiſſen das 
Alles zu erfeßen. Im Winter fällt fehr viel Schnee im Lande auf den 
Bergen, und das thauende Schneewafler leiten fie in große Waflerbehäls 
ter, mit denen fie in ver heißen Jahreszeit fo haushälterifch und ſparſam 
ihre Meder bewäflern, daß es vollfommen hinreichend für die ganze Klar 
iſt. Die Hige ift fehr gewaltig in Hami, doch verficherten die Mahes 
metaniſchen Gefchäftsträger, welche der Kaifer dorthin gefandt Hutte, ih⸗ 
rem Gebieter auf defien Befragen, daß ‚die Hite in Hami noch erträgs 
licher fei, als die in Hanstfchen, fühlich von Nanking, weil dort, wenn 
ſchon der Boden Hochgelegen und glutheig dutch den Sonnenftrahl, den⸗ 
noch zugleich fehr kaltes Waſſer zu haben fei, um fich abzukuͤhlen, dage⸗ 
gen in biefem glutheißen Tieflande um Nanking in den Haushaltungen 
auch alle Brunnen nur laues Wafler darboͤten, an dem man fich weder 


177 


lich der großen. ſchon beſchriebenen Wüfte und einer anderen 
yon geringerer Ausdehnung, da man fie in drei Tagen durch⸗ 
wanbern kann. Die Einwohner find Gögenanbeter und ha- 
ben ihre bejondere Sprache. Sie leben von den Früchten ber 
Erde, die fie im. Ueberfluß befigen, und find im Stande, alle 
Bebürfniffe der Reifenden zu befriedigen. Die Männer find 
dem. Vergnügen ergeben und thun wenig mehr ald Muflf- 
machen, Singen, Zanzen, Leſen, Schreiben, nad Art des Lan⸗ 
des, und kurz alle Arten von Vergnügungen zu verfolgen. 
Wenn Fremde fommen und Wohnung und Bequemlichkeit in 
ihren Käufern verlangen, fo gewährt ihnen das bie größte 
Freude. Eie geben ihren Weibern, Töchtern, Echweftern und 
anderen weiblihen Verwandten die ftrengften Befehle, alle 


erquicken noch erfrifchen koͤnne. — Diefes Hami war zwar auch ſchon in 
ben älteren Zeiten, obwohl unter den verfchiedenften Namen genannt, aber 
erſt am Anfange des 18. Jahrhunderts wurde feine Lage durch die Je⸗ 
fnitenmiffionäre zum erften Male durch Autopſie befannt und aftronomifch, 
wenn anch nicht auf das genaufte, doch einigermaßen beftimmt, fo dag 
erfi durch dieſe topifche Feftitellung bie Karte von Oſtafien mit der von 
Weſtafien in Einflang gebracht werden konnte. M. Polo iſt der erfle 
Enropaͤer, der uns hierher führt, Eude des 13. Jahrhunderts, doc) 
bleibt es unficher, ob er hier als Augenzeuge ſpricht. (Ich möchte doch 
wohl glauben, daß er felbft auf einer feiner Reifen mit einem Kara: 
Wwanenzuge dort geweſen, er würde fonft nicht fo ausführlich über bie 
Stadt und ihre Gebräuche, wie von ben in jenen Gegenden liegenden 
Städten gefprochen haben.) — Hami liegt nach Pat. Gaubil’s forgfältiger 
Beftimmung, welche allgemein angenommen iſt, 93° 19° 30” O. 2. von 
Paris. — Die Etadt hat drei Biertelftunden im Umfange, fie ift von 
hohen Mauern umgeben und foll fchon aus weiter Ferne durch den An- 
„DIE fchöner Thore fich auszeichnen, davon eines gegen D., das andere 
gegen N. gelegen if. Sie warb zwei Jahre nach ihrer gänzlien Zer- 
Rörung, 1713 bei einem Weberfalle der Dfungaren, unter dem Schuße 
eines Chinefifchen Heeres durch Kaifer Kang-⸗hi im Jahre 1715 wieder 
im ihrem jegigen Chinefifchen Style aufgebaut. Die Straßen find gerad⸗ 
Kuig und gut eingetheilt, die Häufer nur einftödig, faft Insgefammt aus 
Erde erbaut und unanſehnlich. Defto fehöner ift der Himmel und bie reich 
bewäfierte Gartenumgebung, die von allen Seiten das reizendfte und lieb: 
lichſte Bild darbieten fol. Nitter II. 357—376. 
12 


180 


Achtunddreißigſtes Kapitel. 
Bon der Stadt Cin⸗ci⸗talas 25°), 


Nädıft ver Landſchaft Kamul folgt die von Eincitalas (Tſchin⸗ 
tfchitalas) 155), welche gegen Mitternacht an die Wuͤſte grenzt 


154) Diefes Kapitel ift in Ramuflo’s Ueberſetzung ausgelafien (und 
Baldelli folgt feinem Beifpiele), und ift hier aus dem Lateinifchen über: 
feßt. Daß die Auslaffung eine zufällige und nicht eine beabfichtigte war, 
fann man daraus abnehmen, daß er den Namen bes Plabes, von welchem 
das Kapitel handelt, in der Aufzählung der Lanbfchaften und Städte am 
Schluß des 40. Kapitels (bei uns das 41.) gegeben hat, wo es Kinds 
talas gefchrieben iſt. Baldelli Boni hat, weil er blos den Ramuſio'ſchen 
Tert geben wollte, das Kapitel ebenfalls nicht aufgenommen. Er giebt 
nur eine Anmerkung, in welcher er Marsven’s Annahme und Erklärung 
über Chinchitalas aufführt, und dann fagt, daß es nach Forſter Sangfin 
Fulgin oder San⸗kin⸗talui wäre. Nach feiner Meinung ift Polo nicht in die 
fem Theile der Tartarei geweien, fondern er habe bie auf ber fchon qw 
geführten Karte angegebene Straße verfolgt. Hieruͤber iſt nur zu be 
merfen, daß man nicht allein die Hin= und Iurüdreife Polo’s in Betracht 
ziehen muß, fondern, daß er während feines Aufenthalts in Aſien mehr: 
mals Reifen im Auftrage des Großfhan’s auszuführen gehabt, die ihn 
leicht auch nach jenem Theile Haben führen Eönnen; ich glaube, Polo war 
in jenen Gegenden; das geht aus ber Genauigkeit und Ausfuͤhrlichkeit 
hervor, mit welcher er Bericht davon erftattet. j 


155) In PHist. generale des Huns wird ein Pla Chenschen er; 
wähnt, ber mit vieler Wahrfcheinlichkett das Cincitalas unferes Autors 
fein kann. (Wie reimt fi das mit Marsden’s ſchon ausgefprochener ſſ. 
unfere Anm. 144, bei Marsden 312] Annahme zufammen, daß Tfchars 
tſchan Fein anderer Ort fein Fönne, als der von De Guignes unter bem 
Namen Chenchen erwähnte?) Tala heist in der Moghul Tartarifchen 
Sprache „eine Ebene‘ und: talai oder dalai „ein See‘; talas Fönute 
baher wohl ein Beiname fein, dem Cigennamen bezeichnend zugegeben. 
„Diefes Land‘, fagt de Guignes, „welches bei den Chinefifchen Ges 
ſchichtſchreibern die beiden Namen Leouslan und Chenschen führt, Tiegt 
füdlih von Hami. Es bildete in früheren Zeiten ein Feines Königreid, 
befien Hauptſtadt Kasnistfching in der Nähe des Sees Lop lag. Dieſes 
enge Land ift unfruchtbar, voll Sand und man jindet daſelbſt wenig galt 


181 


und ſechszehn Tagereifen Tang ift. Eie tft dem Großfhan unter- 
than und enthält Städte und verſchiedene fefte Plaͤtze. Ihre 
Einwohner beftehen aus drei religiöfen Sekten. Wenige von 
‚ihnen befennen ſich zu Chriſtus nad) der Neftorianifchen Lehre, 
Andere folgen Mahomet und die britte Klaffe betet Gögen 
an. In diefer Landſchaft ift ein Berg, wo fi Stahls und 
auch Zink⸗ oder Antimoniumgruben befinden. Auch eine 
Subftanz von der Natur des Salamanders wird gefunden, 
die zu Tuch gewebt und in das Feuer geworfen, nicht ver- 
brennt. Die folgende Art, fie zu bereiten, lernte ich von einem 
meiner Reifegefährten, einem fehr unterridhteten Turkomanen, 
der Gurficar hieß und die Aufſicht über die Bergwerke der 
Provinz hatte. Die foffile Subftanz, welche aus dem Berge 
gebradyt wird, befteht aus Faſern, die denen der Wolle nicht 





— — 
ẽ 


Erde. — Ih glanbe, daß man in dieſen Diſtrikt die Provinz ſetzen muß, 
die M. Polo Cin⸗ci⸗talas nennt.” T. J. P. II. p. XI. M. — 
Ritter erwähnt Cin⸗ci⸗talas nicht, fo koͤnnen bei den vorigen Anga— 
ben Aber diefe Stadt nur Muthmaßungen gelten; doch möchte ich mit ei: 
iger Mahrfcheinlichfeit glauben, daß es bie Stadt Barfol in Pe-lu, der 
Nordprovinz, am Norbgehänge des Thian⸗Schau fei, welche von den Chi: 
nefen Tfchin-fisfu genannt wird, alfo fehr ähnlich der Benennung Po— 
f0’8, wenn man noch dazu talas als einen Beinamen betrachtet. Barkol 
oder Barful, Parcul Omo bei D’Anville, vom Omo, d. i. See, Phului 
der älteren Zeit, jet Tſchin⸗ſi-fu von den Chinefen genannt, liegt, nad) 
der Chinefiſchen NReichsgeografte, nur 22% geogr. Meilen (300 Li) im: 
N. W. von Hami, zwifchen deſſen Territorium tm S., dem Gebiete ber 
Khalka im N., und gegen W. an das Gebiet von Urumstfi floßend, wahr: 
ſcheinlich gegen Oſten unmittelbar an bie Eteinwüfte Gobi. Das Land 
iſt ſtark bevölkert, das Klima iſt alt, es fchneit oft noch im Monat Zuli, 
fa daß man Pelze tragen muß. — Gegenwärtig ſcheint es eine Haupt: 
Razion auf der nörblichen Militärftrage von China nach Ili im Pe⸗lu zu 
fein und macht unter dem modernen Namen Tichin-fi-fu das vierzehnte 
Departement der Provinz Kan⸗ſu aus. Wir befigen noch Feine Angabe 
her deſſen aftronomifche Lage, fo wenig mie über bie Natur des Gebir: 
ges, welches biefe jüngere Stadt von dem weit früher bekannten, ſuͤdli- 
Ger gelegenen Hami fcheidet, und kennen fein Datum über diefen Ge: 

birgsweg von: einer Stadt zur anderen. ©. Ritter 11. 379 f. 


182 


unaͤhnlich find. Sie wird der Sonne ausgefegt und getrod⸗ 
net, dann in einem ehernen Mörfer zerftoßen und darauf fo 
lange gewaſchen, bis alle erdigen Theile fih ‚davon losgeloſt 
haben; dann fpinnen fie diefelbe zu Faden und weben fie zu 
Tuh. Um nun das Gewebe weiß zu machen, legen fie es 
ind Feuer und laffen ed ungefähr eine Stunde darin, dann ' 
ziehen fie ed, unverlegt von den Alammen und weiß wie 
Schnee gebleicht, heraus. In derfelben Weife reinigen fie es 
fpäter wieder, wenn es Flecken befommen hat, und ed wird da⸗ 
bei feine anbere Waͤſche ald die im Feuer angewendet. Bon 
dem Salamander in Geftalt einer Schlange, der im Feuer 
leben fol, habe ich in den dftlidden Gegenden Teine Spur 
entveden koͤnnen 156). Man fagt, daß man zu Rom ein Zwehl 
(davon Zwillih, ein leinen Tuch) aufbewahrt, welches aus 
diefem Stoffe gewebt und in mweldyes das Sudarium (Schweiß 
tuch) unfered Herrn eingehüllt war, weldjes als Geſchenk von 
einem der Tartarifhen Prinzen dem Remiſchen Pabſte geſen⸗ 
det worden. 


Neununddreißigſtes Kapitel 


Bon der Landfchaft Succuir, wo der Rhabarber waͤchſt und von wo er in 
alle Theile der Welt verführt wird. 


Wenn man jene Landſchaft verläßt und zehn Tage in 
oftnordöftliher Richtung weiter geht durch ein Land, wo we 


156) Die Eigenfchaften des Asbeſt's hier zw erörtern, iſt wohl jeht 
nicht mehr noͤthig, da fie allgemein befannt find; Polo's Bericht barkber 
wurbe früher, wie vieles Andere, was ſich nachher als begruͤudet gefuns 
den, als Babel verfchrien. Daß er den Glauben feiner Zeitgenoffen au ve 
Unverbrennlichfeit des Salamanders theilte, ift wohl nicht zu verwunberm, 
da fih derſelbe bis zu dieſem Jahrhundert in der allgemeinen Meinung 
erhalten hat; doch fagt ja Polo ſelbſt, er Habe trotz aller Nachforſchuug 
bie unverbrennliche Art des Salamanders in den öfllihen Gegenden nit 
finden Tönnen und bemeift dadurch — ganz iu der Weife Herodot's —, daß 
er bei feinen Angaben fo gewiſſenhaft als Ihm nur moͤglich zu Werke ging. 


183 


nige Wohnungen find und überhaupt wenig, das irgend einer 
Bemerkung würdig, kommt man in einen Diſtrikt, Succuir 
genannt, in weldyem viele Etädte und Burgen liegen, deren 
Haupiftabt ebenfalls Succuir heit 187). Eie find dem Groß: 


157) Succuir iſt das jegige So⸗tſcheu, Sefgion oder Sofju bei Schah 
Rokh’s Subafjade; Su:cieu bei Ben. Go. In alter Zeit Tieu⸗tſiuan ge: 
wannt, nicht von Wein, fondern von einer weinartig ſchmeckenden Duelle, 
von welcher die ganze Umgebung den Namen der Provinz der MWeinquelle 
erhalten hat. — Wir haben treierlei Berichte, die uns für die Geſchichte 
von Eo:tfcheu und dieſer Weſtpaſſage lehrreich find: den von Marco Bolo 
ans der Blütezeit der Mongolen, die Rachrichten ver Embaſſade Schah 
Rokh's 1419 und des Jefuitenpater Benedict Gors 1606, nach dem Sturze 
der Mongolenherrfchaft unter der Mingdynaſtie. Aus der fpäteren Zeit 
der Manpfchurenherrfchaft, feit der Mitte des 16. Jahrhunderts, haben 
wir durch die Jefuiten Feine befiere Belehrung erhalten. — Aus Polo’s 
Schilderuig geht fo wenig als aus der der Chineftfchen Embaflave vom 
Jahr 940 hervor, daß diefer Ort damals ſchon von der Bedeutung gewe: 
fen wäre, die er fpäter zeigt. Auch bei der Dichingisfhanifchen Erobes 
rung biejes Gebietes wird er nur als eine der im Reiche Hia eroberten 
Städte (Tſu⸗tſcheu) genannt, die gar Feinen befonderen Widerſtand leiſtete, 
da hingegen das benachbarte Kanztfcheu erſt durch heftigen Eturm gewon: 
gen werden fonnte. Der Ort wurde erft unter der Mingbynaftie (1341 
—16238) bedeutend. — Ecf:gion (das iſt So⸗tſcheu), diefe damalige Grenz⸗ 
ſtadt des Chinefifchen Reiche, wird von der Mahometaniſchen Gefandts 
fchaft fo befchrieben: Cie war ins Quadrat gebaut, mit 16 gleichen Ba: 
fars, jeder zu 50 Ellen ins Gevierte, alle gut bewaͤffert und rein gefegt. 
Zu allen Häufern wurden Schweine gehalten. An ben Bafars waren 
offene Galerien mit Butifen befegt, voll Waaren; ein wohlgezimmerter 
Saal, fchön bemalt, bildete den Gingang zu ihnen. Die Stadtmauern 
waren mit bevedten Thürmen flaufirt, die man von 20 zu 20 Echritten 
esrichtet hatte. Jede Seite der im Viereck gebauten Stadt zeigte vier 
Shore, die In gerader Linie gefehen benachbart zu fein fehienen, aber 
wirklich doch weit aus einander lagen. Man Eonnte fie alle aus dem Mit- 
telpunkte der Stadt erbliden. Ueber jedem Thore war ein Pavillon von 
gwei Stod mit einem Dad, in Geſtalt eines Eſelruͤckens (alfo ein Eteil: 
ya, wie das Gothifche, kein plattes, wie in Perfien Gebrauch mar), 
0 Art der Khatajer, wie fie auch in Mazanderan fich vorfinden, fügt 
der Berfifche Berichterftatier, nur daß fie da mit farblofen Baditeinen 
gedeckt find, bei den Khatajern aber mit Porzelanziegeln. Mehrere Ten; 


184 


fhan unterthan. Die ausgebehnte Provinz, welche dieſen und 
die beiden Diftrifte, die naͤchſtdem erwähnt werben follen, ent 


pel mit Idolen in der Stadt nahmen größere Niume von zehn Aedern 
ein; alle fand man reinlich gehalten, das Pilafter aus Backſteinen, die 
durch ihre Glaſur oder Firniß wie Edelſteine glänzten. An den Eingaͤn⸗ 
gen ber Tempel find artige Knaben, welche bie Fremden freundlich empfan⸗ 
gen und ihnen die Merkwürbigfeiten zeigen. So tft die erſte Grenzftabt des 
Ehinefifchen Reichs, die 99 Tagereifen fern von der Refidenz (Khan Bas 
uf, d. 1. Beling) liegt. Das Land bis dahin ift fehr bevölkert, jeden 
Abend Iogirt man in einer großen Stadt. Auf jedem Tagemarfche trifft 
man mehrere Kargu's und Kidifu's, d. i. Wachtthuͤrme mit telegrafifchen 
Linten an. Auf den Kidifu's, 60 Ellen hoch, -fiehen ftets Wachen, bie 
von einem Feuerthurme oder Kargu ben anderen erbliden, nu bei dem 
erfien Anruͤcken bes Feindes ein Feuer abbrennen, das fogleich für bie 

folgenden als Nachricht dient. So läuft diefe erſte Botfchaft in Zeit von 
einem Tage und einer Nacht durch eine Strede von drei Monat (2) We⸗ 
ges zur Hanptflabt; der gefchriebene Brief, der die genaueren Details 
ber Nenigfeit enthält, geht durch Läufer von Hand zu Hand von einem 
Kidifu zum anderen, bis zur Reſidenz. Bon einem Kidifu oder Wacht 
poften zum anderen find zehn Merrdes (fechszehn machen eine PBarafange) 
Diftanz; die MWachtpoften find bei ihnen angeflebelt, aber die Kargu's 
wechjeln alle zehn Tage. — (Eind unfere neueren Zeiten nicht dem Chines 
fifchen Simmelreihe in diefen und fo vielen anderen Dingen nachgeeilt? 
Wohl uns, daß eine höhere und freiere gefftige Regfamfeit und Streb⸗ 
ſamkeit, gar zu regelrechten fünftlichen Einrichtungen entgegen und unbes 
quem, uns immer wieder aus biefer Funftfertigen Menfchenmechanif unb 
Mafchinenwerbung heraustreibt, daß wir uns in angewandter Mathema⸗ 
tik nicht ganz in das Chinefifche Gleis ftrecfen und von da ale Mafchinen 
mit Dampf zum Guckuk der ewigen Leere fliegen. Wir werden in biefem 
Buche noch viel finden, was zu eigenthümlichen. Vergleichen des jebigen 
mechanifchen Buftandes der Enropälfchen Kultur mit dem früheren bes 
Himmlifchen Reiches Anlap giebt. Negt euch Geifter, laßt uns bei uns 
feren materiellen Bortfchritten nicht Chinefen werden!) — Diefe merkwuͤrdige 
Nachricht zeigt, daß in der Zeit nah M. Polo hier, feit der Vertreibung 
ber Mongolenherrfchaft, eine große Veränderung vorging. — Pater Bes 
nediet Goes, 1606, Bericht, faft 200 Jahre fpäter, aus der Zeit bes. 
beginnenden DBerfalls der Mingdynaftie, beftätigt dies vollfommen. Diefer 
heldenmüthige Ordensbruder der Jeſuitenmiſſion in Hindoſtan, ber Tange 
Zeit am Hofe des Großen Mongolifchen Kaiſers Akbar, am Ganges, ges 
lebt hatte und mit den Sprachen und Eitten des Drientes wohl vertan 


185 


hät, beißt Tanguth, und in allen Bergen beffelben findet 
man den beiten Rhabarber in großer Menge 188), und Kauf 


War, wurde, bei dem Beſtreben des Ordens, feine Macht auch bis zu ben 
berühmten Chinefen und Rhatajern auszubreiten, mit ber ſchwierigen Bah⸗ 
nung und Erforfchung des damals völlig unbefannten Landwegs von In⸗ 
dien über Kabul, Kaſchghar, Derken, Akſu, Khamil nach Khataia bes 
auftragt. Er machte die für jene Seiten nicht unwichtige nnd dem Or⸗ 
den völlig neue Entdeckung, daß die in Weflaflen unter dem Namen Khas 
tala genannte Lanpfchaft identiſch fei mit dem von ber oͤſtlichen Meeress 
feite erft befanmt.geworbenen China, daß die Khatajer die Chinefen und 
Kambalu ihre Refivenz ſei, daß er ſelbſt, indem er Khataia erforfcht, im 
China angelangt war. Denn es gelang Ihm, in drei Jahren von Lahore 
bis Sosticheu glücklich vorzudringen. Von Chriften iſt bei dem Jeſuiten⸗ 
pater in So-tfcheu Feine Rebe, wie zur Zeit M. Polo’s; die zelotifchen 
Mahometaner hatten feit 200 Jahren auf dem ganzen Wege, ben er ges 
nommen, bie Oberhand gewonnen. Mur anf einer Stazion jenfelt ber 
Wüfe wurde bei einem Mahometantfchen Könige die Erinnerung geweckt, 
daß einft auch feine Vorfahren den chriftlichen Glauben gehabt, und er 
beherbergte den armen Verfolgten auf drei Monate in feiner Reſidenz. — 
Den Berrängniffen aller Art unterlag endlich der arme geprüfte Wans 
berömann: er farb zu Sostfcheu im April 1607, nachdem kurz zuvor von 
der eben erft keimenden Miſſion in Pefing, auf die dahin geſandte freus 
dige Botſchaft von feiner Ankunft an der Grenzſtadt des Reichs, ein jun⸗ 
ger Novize, Joann. Ferdinandus, angelangt war, ber dem Erkraukten ben 
legten Beiftand leiſtete. Der Pater ftarb mit Freudigkett, denn er hatte, 
fo wär feine Meberzeugung, das Land einer neuen Ausfaat und Erndte 
entdeckt. Man glaubte, er fel von den Sarazenen vergiftet; feine Leiche 
wurde in Sostfchen beigefeht, fein Geld und Gut verfchleudert, auch fein 
volfländiges Tagebuch warb von den Earazenen geraubt und Eonnte nicht 
wieder aufgetrieben werben. Sein Geführte, der Armenier Ifaac, ging 
nach Peking und durch ihn fam bie Kunde der Fühnen Pilgerfahrt durch 
die Mitte Aftens bis zum Cingange des Landes ber Engpäffe in Kan⸗ſu 
nach Europa. — Nach den Chinefifchen Nachrichten in Uebereinflimmung 
mit Pater Goes Beobachtungen liegt Eosticheu unter 399 45° 40 M. 
Br. und 17° 21° 30” W. 2. von Peking, d. 1. 96° 40° 60" O. 2. 
von Paris. — ©. Ritter Il. 214—22. 

158) Das wilde Alpenland um Eisning und Koko⸗Nor, mit feinen 
Schneegebirgen, tft die wahre Heimath der Rhabarberpflanze, deren Wur⸗ 
zel von den Gebirgsbewohnern, ben Si-fan, In ben größten Wildniſſen 
gefanmelt und an die Chineſen verkauft wird. Diefe Pflanze waͤchſt 


186 


leute, die ihn hier aufnehmen, verführen ihn nachher in alle 
Belt. Es ift wahr und befannt, daß, weun fie hierher 


war auch in Se⸗tſchnen und Schen-fi, aber immer nur anf deu Abhaͤn⸗ 
gen der Eines Echan ober Schmeegebirge, bie füh auch weſtwaͤrts bis 
Leangstichen, Eo:tfchen, fo weit die Mauer reicht, erfireden. Ihr 
Borkommen fchien bisher nur auf diefen Raum befchränft zu fein, wo 
fie fi zugleich im ganz außerordentlicher Fülle und Güte zeigt. Die 
Sefnitenmiffionen waren während ihrer Landesaufnahme in viefer Gegend 
in den Monaten Oftober und November nicht felten in Verwunderung 
gefeßt durch die zahlreichen Kameellanungen mit biefer Wurzel, im gro 
gen Stricknetzen, bie ibuen von ben Gebirgen herab begegneien. Mare 
Polo begegnete hier biefelbe Erſcheinuug: er iſt der erfte, der als Aus 
geuzeuge von ihrer Heimath ſpricht, und fein Bericht wurde Innge als 
fabelhaft gehalten. Und feit wie langer Zeit mag biefe Verſendung einer 
ber offizinellfien Wurzeln ſchon von hier aus im Gange fein? vielleicht 
ſchon ſeitdem Seren die Eeive nah dem Weſten verbreiteten, als ned 
die Sau: Miae die Urbewohner dieſes Rhabarbergekirges waren. Die Alten 
holten diefe Wurzel am Fluſſe Rha (Wolga), die dahin durch Handels 
farawanen gebradyt wurbe; man glaubt, fie wachſe dort, und daher gab 
man ihr ven Namen Rba barbarum — Rhabarber. — ©. Buͤrck's Allg. 
Geſch. der Reifen und Entd. I. 535. — Die Berichte aller Zeiten, und 
auf den verfchiedenen Hanbelsitragen, führen immer nad dieſem Hoch⸗ 
gebirge vom Koko⸗Nor, als der Heimath biefer wichtigen Arzueipflange 
zurüd: denn auch früher waren es die Karawanen von Rafchghar, und 
Kabul, welche fie von Jerfen (Dar: Chaun), alfo vom Hochlande, zum 
Ufer bes Schwarzen Meeres brachten. Seit der Regulierung des Chine⸗ 
fifchen Handels über Kiachta wurde der birefte Verkehr dortiger Bälfer, 
der ohnedieß viele Hemmungen erlitt, größtentheile gegen ben Eibirifchen 
Norden abgeleuft, und fo wurde faſt ansfchlieglich Kiachta der Haupt⸗ 
markt für die Verbreitung der Achten Rhabarber nach Europa. — Da 
die Achte Rhabarberwurzel einer Planzenfvezies angehört, deren Gattung 
(Rhbeum) viele Arten zählt, welche insgeſammt Gebirgspflauzen find, und 
mehr oder weniger ähnliche Formen haben, und alle, wie es fcheint, 
nicht ohne offizielle Gigenfchaften find: fo war anfänglich die Verweche⸗ 
lung der unächten Arten mit der einzig Ashten nicht ſelten, da die Bes 
gierde nach Gewinn bie Verwechslung begänftigte. — Die Verwechslung 
ber Eibirifchen Rhabarberpflanzge (bei KinnE Rheum rkabarbarum ober 
undulatum, jpäter Rheum palmatum) wurde während bes Natsrforicers 
Pallas Aufenthalt zu Kiachta, 1770, durch die Nachricht von der Hei 
math der aͤchten Arznei berichtigt. Die Gegend, wo bie Rhabarberpflanze 


187 


ziehen, fie in Die Berge mit Feinen anderen Laftihieren ſich 
wagen binfen als ſolchen, die an das Land gewohnt find, 
wegen einer giftigen Pflanze, die daſelbſt wächft, welde, wenn 
fie von venfelben gegefien wird, ſolche Wirfung auf fie hat, 
daß ihnen die Hufe abfallen; die aber aus dem Lande felbft 


wachje, berichtete man dem Naturforfcher, ſei hohes, meift mwalblofes 
Gebirge, voll wilder Felsflüfte von Si-ning bis zum großen Blauen 
See. Die Wurzel (diefe nannte Pallas Rheum nundulatum und com- 
pactum) werde vom April bis Mai gegraben und in freier Luft auf 
Bäumen getrocknet, bis die Tanguten fie zur Verpackung herunterlangen. 
Die beften Wurzeln aus China zu führen fol verboten fein; ihre Aus: 
fuhr fei Echleihhandel. Aber die Achte Rhabarber fcheint, nach den 
neueften Entdeckungen, nicht blos dem alpinen Nord, fondern auch den 
Alpenhöhen von Suͤd⸗Tibet und dem Himalayagebirge anzugehören. Schon 
ber Arzt Saunderfon entdeckte die Rhabarberpflanze (Rheum undulatum) 
Bei dem Befuche von Tefchulumbo in Hochtibet, am obern Tfanpn ober 
Vrahmaputra (299 5’ N. Br.); Mooreroft, bei feiner erften fühnen Yes 
berfleigung der hohen Himnlayafette auf dem Paſſe, welcher Nitigat 
heißt, 16895° üb. d. M., fahe daſelbſt zum erſten Male am 9. Inni 1812 
die Rhabarberpflanze, deren Blätter eben aufzufprofien begannen, und 
wach ihm fanden fie noch Andere in jenen Gegenden. — Das gute Eor: 
tiven der Aufifchen Rhabarber ift nach wiederholten Verfiderungen ber 
einzige Grund der beiten Sorte, die durch Eibirten nach Europa Tommt, 
welcher ebenfalls uur darum bie Levantifchen oder faͤlſchlich genannten 
Zärkifchen Arten, die anf den Suͤdwegen gehen, nicht gleichfommen. — 
&o viel iſt gegenwärtig als entjchieven anzufehen, baß bie wahre Hei⸗ 
math dieſes merfwürbigen Gewaͤchſes, das für den Handel SInneraflene 
eine nicht minder merkwürdige Rolle ſpielt, als fein Einfluß auf den 
Gefundheitszuftend des ganzen außer, und inneraftatiichen Menfchenges 
fhlechts, am Nord» wie am Südrande des hohen Tibetifchen Suͤboſtaſiens 
zu fuchen iſt, und bie Begetazionsfphäre zwar nur auf einer Höhe vom 
ſicher nahe der Montblanchöhe aber dem Meere (12—14000 Fuß) auf 
alpine, ewige Schneehoͤhe befchräntt ward, .aber doch zwifchen 31—40 
N. Br. auf eine größere Horizontaldiſtanz, als bie früher geglaubte. 
Alle Bölter haben ven Werth dieſes Gewächfes fchon fruͤh erkannt. Als 
Oſchingiskhan im Jahre 1227 die Stadt Lingstfchku eroberte, war bie 
troͤſtlichſte Beute, welche man hier vorfand, einige Ladungen Rhabarber: 
wurzel, welche der Epidemie ftenerte, bie ſich unter ben Rongoleniruppen 
zu verbreiten angefangen hatte. ©. Bitter IL 179-286. 


188 


find, Fennen das Kraut und meiden ed forglihd. Das Volt 
von Succuir ſucht feinen Unterhalt in ven Früchten der Erde 
und dem Fleifche feines Viehes und befchäftigt ſich nicht mit 
Handel. Die Landfhaft ift fehr gefund und die Farbe der 
Eingeborenen tft braun. Ä 


Vierzigſtes Kapitel. 


Don Kampion, welches die Hauptftabt der Provinz Tanguth ifl; von ber 
Befchaffenheit ihrer Goͤtzenbilder und von der Lebensweife derer unter den 
Goͤtzendienern, welche dem religiöfen Dienfte geweiht find; von dem Ka⸗ 
Iender, welchen fie haben, und von den Gewohnheiten der anderen 
Einwohner beim Berheirathen. 


Kampion 159), die Hauptftadt des Landes Tanguth, if 
groß und prädtig und hat vie Gerichtöbarfeit. über die ganze 
Provinz. Der größte Theil des Volkes betet Gögen ar, aber 
es giebt aud Einige, die dem Gebote Mahomet's folgen, und 


159) Kanztfchensfu, unter 39° 0° 40” N. Br., 150 32° 30% 
W. L. v. Petersburg, d. 1. 99° 0° DO. 8. von Paris, in Kansfu, am 
N.W.⸗Ende von China (früher das weftl. Schensfl), das darum auch Kau⸗ 
plan, d. 1. „die Grenze von Kan“, heißt. Die Etabt ſelbſt hieß ehedem 
Kansinsuei, Kampion bei M. Polo, oder richtiger gefchrieben Canslt: 
pu — warum? Kampion gleicht mehr Kanpian, n vor p in m verwans 
belt — d. i. Kan⸗tſcheu⸗fu; Kamgiu bei Schah Rokh's Emb.; Canceü bei 
Ben. Gors. Sie war früher als Eo-tfchen die bedentendfle Stadt an 
ber großen Mauer; Dſchingiskhan's Heer fand fle ſtark befeftigt, als eis 
nen Hauptſitz der Beherrfcher von Tangut; fie Fam erft durch’ Sturm in 
feine Gewalt. M. Polo fagt, Kampion ſei die Hauptſtadt von Tangıl, 
d. 5. nad) der Eroberung der Mongolen, wodurch das Reich Tangut und 
Hia mit dieſen Namen aus der Gefchichte verſchwinden mußte, blieb 
boch dies ein Hauptſitz ber Tangutifchen Bewohner. Bwölf Tagereifen 
von bier gegen N. liegt bie Stadt Etzina am Eingange der großen 
Wuͤſte, von wo noch 40 Tagemärfche nach Karakorum find. Chem von 
baher kam Dſchingiskhan's furchtbares Heer im Jahre 1226 zu feiner 
Eroberung von Tangut und Hia herbeigezogen. — R. 


189 


einige Chriften. Die Legteren haben drei große und huͤbſche 
Kirchen in der Stadt 160). Die Goͤtzendiener haben viele 
Klöfter und Abteien, die nad Art des Landes gebaut find, 
und in biefen eine Menge Göpenbilder, welche theild von Holz, 
theila von Lehm, theild von Stein und übergolvet find 161), 
Eie find meifterhaft gefertigt. Unter ihnen find einige fehr 
groß und andere Hein. Erſtere haben volle zehn Schritte in 
der Länge und liegen zurüdgebeugt; die Meineren Figuren 
ftehen hinter ihnen und haben das Ausjehen von Schülern, 
die ihre Ehrfurdt bezeugen. Beiden, groß und klein, wird 
große Andaht und. Ehre geboten. Die Perfonen unter die⸗ 
fen Goͤtzendienern, weldye dem Dienfte der Religion geweiht 


160) Alfo auch bier wohnten damals noch Buddhadiener nnd Neſto⸗ 
tianer beifammen, und Bolo war gut davon unterrichtet, weil. er in dies 
fer Stadt mit feinem Bater ein ganzes Jahr, wie Ben. Gors in Sos 
tſcheu, durch die Umftände gendthigt, wie er felbft fagt, verweilen mußte. 
Daher auch feine getreuen Echilverungen ber bortigen Lebensweife und 
Grundfäge der Lamadiener, die damals als frienliche Koloniften unter 
dem Schutze der Mongolenfaifer feiten Buß gewannen, dann aber von 
den Ming, die Acht mißtrauiſche Chinefen waren, zwar wo möglich zu⸗ 
ruͤckgedraͤngt, unter der Mandfchus Dynaftie fpäterhin wieder zur vors 
herrſchenden Eefte dieſer Weftprovinzen erhoben wurden. R. — Dahin if 
auch Marsden’s Note 351 zu berichtigen. 

161) In allen Ländern, wo die Religion Bubbha’s herrſchend iſt, 
ſcheint es ein Gegenftand reigiöfen Eifers zu fein, Bilder aufznftellen, 
die ihn in ungeheuerer Größe darftellen und fehr oft übergolbet find.. Das 
finden wir in Japan, Siam und Ava, wie in der Tartarei und in China. 
Gewöhnlich wird Buddha fihend mit gefreuzien Beinen dargeftellt, doch 
werden auch einige von biefen monftröfen Etatuen liegend gebildet, mit 
Figuren umgeben, die betend oder grüßen herumftehen. Als Schah 
Rokh's Embafjade in diefen Ort, der von ihr” als fehr wichtig geſchildert 
wird, Anzog, war den Mahometanern das Auffallendfte ein großer Göpen- 
tempel, 500 Fuß in’s Gevierte, in der Mitte mit der koloſſalen 50 Fuß 
langen Geftalt eines ruhenden Idols, befien eine Hand den Kopf flüge, 
die andere ben Schenkel entlang ausgeflrecft war, alles vergoldet; man 
nannte es Samoni-fu (Schakia⸗muni-Fo), alfo der Indifche Buddha, 
vor dem alle. ihre Anbetung hielten. (Ambassade de Schah Rokh :c. bei 
Thevenot L c. T. II. fol. 4.) 


190 


find, führen, nad) ihren Anſichten über Moral, ein ſtrengeres 
Leben als die anderen Klaffen und enthalten fidy aller fleiſch⸗ 
lihen Genuͤſſe. Der unerlaubte Umgang mit dem weiblichen 
Geſchlechte wird von dieſem Volfe gewöhnlich als Fein befon- 
deres Vergehen betrachtet, und ihre Meinung dabei tft, daß, 
wenn ein Weib ven Mann um Liebe anfpricht, die Verbin 
dung feine Sünde fei, fo aber ein Mann ihrer begehrt, fei 
ed eine. Sie brauchen einen Kalender, der dem unferigen 
in vieler Beziehung gleicht, nad deſſen Regeln fie währen 
fünf, vier oder drei Tagen fein Blut vergießen und fein 
Fleiſch, auch niht von Geflügel, .efien, wie ed bei und am 
Freitage, am Cabbathe und an ven Vigilien der Heiligen 
gebräudlid if. Die vom weltlihen Stande nehmen wohl 
dreißig Weiber, Einige mehr, Andere weniger, je nachdem 
fie für den Unterhalt verfelben forgen koͤnnen, venn fte er 
halten feine Mitgift, fondern müffen im Gegentheil ihren Frauen 
ein Leibgedinge in Vieh, Tflaven und Geld geben. Das 
zuerſt verheirathete Weib behält immer den höheren Rang in 
der Bamilie; aber wenn der Mann bemerkt, daß eine. von 
den Frauen fi) gegen die anderen nicht gut benimmt, ober 
wenn fie ihm auf fonft eine Weife unangenehm wird, fo Fann 
er fie fortſchicen. Cie wählen ſich diejenigen zu Bettgenoffen, 
welche ihnen nahe blutöverwandt find, und heirathen fogar 
ihre Schwiegermütter. Vieles Andere, was bei und als große 
Suͤnde gilt, wird von ihnen mit Gleidhgiltigfeit betrachtet, 
und fie leben in diefer Beziehung wie bie Thiere auf dem 
Gelbe. In diefer Stadt blieb Marco Polo mit feinem Va 
ter und feinem Oheim ungefähr ein Jahr, wie es da bie 
Verhaͤltniſſe nöthig machten. | 


191 


Sinundvierzigftes Kapitel. 


Bon der Stadt Ezina; von ben Thieren und den Vögeln, bie man allda 
findet, und von einer Wüfte, die fich vierzig Tagereiſen weit nach 
Norden erftredi. 


Wenn man biefe Etabt Kampion verläßt und zwölf Tage 
in nörbliher Richtung reift, fo fommt man an eine Stadt, 
Kamens Ezina 162), die am Anfange der Sandwuͤſte und 


162) Unſer Autor hat bier bie Grenzen des nördlichen China's er- 
reicht und von zwei Pläßen gefprochen, bie in der Linie der fogenannten 
großen Mauer liegen — von der noch die Rebe fein fol —, nnd vers 
YSßt num die direkte Route und geht auf Pläge über, die nördlich. und 
fuͤdlich Viegen, einige in ver Nachbarfchaft und andere in fernen Theilen 
Ser Tartarei, je nad) den Nachrichten, die er Über fie bei verſchledenen 
Gelegenheiten erlangt bat. Auch giebt er in dem Folgenden Feine ge- 
aaue Idee über die Route, bie er verfolgte, als er nach China mit feinem 
Bater und feinem Oheim bei ihrer Kelfe nach bes Kaifers Hof zog; 
ödgleich man nach dem 51. Kapitel Grund Hat anzunehmen, baß er Yon 
Kanzifcheu nach Eisning ging und dort auf der großen Straße von Zis 
Bet nach Peking kam. M. — Hierüber f. Kap. 51 bis 55 nnd die Ammers 
tungen, namentlich 200. Er nimmt feinen Weg jebt noͤrdlich nach einem 
Bla, der Ezina heißt. — Aus Dſchingiskhan's Kriegsgefchichten lernen wir 
biefen weſtlichen Querweg durch ben wildeſten Theil der hohen Gebt, 
der eiwa unter dem Meridian von Karaforum (470 32° N. Br. und 100 0 
27° D. 2% von Paris), gegen S. S. W. nad) Czina und fo zum Weſt⸗ 
ende der großen Mauer führt. — Im Winter 1224 ſchickte der Eroberer 
ven erfien Vortrab feines Heeres gegen Tangut dahin, um Ningshla zu 
befiegen; die furchtbarfte Kälte durfte feine Feldherren nicht abhalten; 
er gebot, ven Kriegern auf dem March dahin doppelte Schafpelze zu ge: 
ben und die Pferde mit Filzdecken zu ſchuͤtzen. Wie fehr wurde ber 
König von Hia über dieſe Botfchaft erfchredit, dag die Mongolen fchon 
vor dem Frühjahr in Ezina (Agime) feften Fuß gefaßt, in der Grenzſtadt, 
bie nur noch 12 ſtarke Tagemärfche von Kan-tfchen (Kampion), feinem 
damaligen Hoffalt, entfernt Tag. — Im Juni des Jahres 1225, denn 
früher fängt dort die gute Jahreszeit nicht an, rädte auf demfelben Wege 
Dſchingiskhan in Tangut mit den 10 Abtheilungen feines Hauptheeres 
ein, und ging nun mit biefen 350,000 Mann auf bie Vernichtung bes 
Heiches Hin aus. Er rädte von Mongoliflan “(von Kara⸗korum), und 


192 


in der Provinz Tanguth liegt. Die Einwohner beten Goͤtzen 
an. Eie haben Kameele und viel Vieh verſchiedener Art. 
Man findet hier Lanetenfalfen und viele ausgezeichnete Eafer. 
Die Früdte des Bodens und das Fleiſch des Viehes reichen 
für die Beduͤrfniſſe des Landes hin, und fie befümmern fid 
nit um ven Handel. Reiſende, die durdy diefe Stadt fom- 
men, verforgen fi daſelbſt mit Lebensmitteln auf vierzehn 
Tage, weil, wenn fie die Etadt verlaſſen, um nordwaͤrts zu 
ziehen, diefer Zeitraum gebraudt wird, um eine Wüfte zu 
durchwandern, wo feine menſchliche Wohnung zu erbliden und 
auch Feine Bewohner zu finden find, mit Ausnahme fehr weniger 
während des Eommerd auf den Bergen und in einigen ber 
Thäler. In dieſen Gegenden, die von wilden Efeln und aw 
deren gleihfalls wilden Thieren befudht werben, finden fie 
Waſſer und Fichtenwaͤlder. Hat man diefe Wüfte durchzogen, 
fo fommt man am nördlichen Rande derjelben an eine Stadt, 
die Karaforan heißt. — Alle Landſchaften und Städte, die 
bis jegt erwähnt worden, nämlid Eafion, Kamul, Eins 


wie Sſanang Sſetſen genauer fagt, über das Khangaigebirge, wo er 
ein großes Treibjagen hielt, und am Monaberge, alfo im Weiten am 
In⸗Schan voräber. Nach einigen Wochen kam das Heer zur Wuͤſte, de 
30 Tagereifen Durchmarſches beburfte, bis er, freilich mit großem Ums 
wege, weil vermuthlich Fein Meg direkt durch die Wüfle gangbar war, 
die Grenze von Tangut erreichte, wo er in bie Stadt Czina einrädie, 
die feinen Widerſtaund leiſten Eonnte. Dielen Ort machte der Khalhau 
während biefes Krieges zu feiner Lugerftätte und von da ſchickte er feine 
Spione aus, bis er ſelbſt gegen den Feind zum Hoangsho vorrädie, 
deſſen Heer fchlug, bie NRefidenz Ning-hia erfiarmte und dem Reiche ber 
Hia ein Ende machte (f. Kap. 52). Die Stadt Czina (Deifina, bei 
Bater Gaubil Eſtina, bei De Guignes auch Akaſchin, und nach einer 
unter ben Mongolen in China gearbeiteten Karte Ye⸗icina genannt) liegt, 
wie wir ans ber Chineſiſchen Reichsgeografie erſehen, außerhalb der 
großen Mauer an einem gleichnamigen Fluſſe (Etzine Pira, oder auf 
Kuendulen bei D’Auville), der gegen Nord, zur Goki, fein wahrfceis 
lich fehr geringes Gefälle hat und fi in einen Steppenſee verliert. 
Gegenwärtig find dort Nomabenhorben einheimijch geworben, ſeitdem das 
Deldihreich zeriört ward. ©. Ritter IL 308-310, 


193 


talas, Succuir, Kampion und Gina gehören 3u der ‚großen 
Provinz Zanguth. 


Zweiundvierzigfted Kapitel. 


Bon der Stabi Karakoran, der erften, welche die Tartaren zu ihrer 
. Refivenz machten. 


Die Stadt Karaforan 193) hat ungefähr drei Meilen im 
Umfange und iſt der erſte Died, in welchem die Tartaren 


363) Karalorum; Khorin, Horin, Ho⸗lin, die alte Reſidenz der 
Hoei⸗hu, der Keralt und der Mongolen. Die Geſchichte der Mongolen, 
Eushung-kiansin, fagt: Dſchingiskhan habe fein Hoflager am Onon ges 
Gebt, Oktarkhan (Megetai bei Schmidt, Ogotat bei D’Ohffon) aber, befien 
GSohn und Nachfolger, hielt fein Lager zu Hoslin, das im Weſten ber 
Gobi liegt. Gegründet wurde fie von Pisfia (755), einem Khan ber 
Hoei⸗ha, der unter der Dynaſtie ber Tang lebte. Nach dem Untergange 
dieſer Turk erhoben die Kerait- daſſelbe Horin (oder Ho⸗lin, denn bie 
beſtaadige Bertvechslung von x und I zwifchen Ghinefifchen, Mongolifchen 
und andern dortigen Voͤlkern iſt befannt) zu ihrem Königefike unter 
Lulls Bang: Khan; mit defien Sturze aber erhob es Dieingisfhan zu feis 
ner Hauptſtadt, indem er an biefem Orte den Kurultat oder die großen 
Keichsverfammlungen verlegte; fo wenigſtens erzählt vie allgemeine 
Sage. Gewiß it, daß Dſchingiskhan's Nachfolger dort feit Oftaikhan 
Bgetal bei D’Ohffon) einziehen. Im flebenten Jahre feiner Regirung 
(3284) fing man bafelbfi an die Stadtmauer aufzuführen, welche 45 
Minuten (51d) im Umfang hatte, auch den Balaft Wan⸗'an⸗kung, d. 5. 
bes Allgemeinen Friedens. Oktalkhan, fagt der Perfifche Vezier Ras 
ſchid in feiner Mongolengeſchichte, nannte diefe große von ihm erbante 
‚Stadt Karakorum (d. h. Schwarzer Eand.) Man fieht offenbar befien 
Abſicht, fie mit ihrer Umgebung zu einem Glanzpunfi des Reiche zn 
erheben. Denn es fügt der Bezier bie fehr merkwürdige Nachricht 
bei: Zwiſchen biefer Stadt und China wurbe eine Boflroute eingerichtet, 
verfhieben von allen anderen, welche ven Namen Samnarin (Katjerliche 
Neltpoſt) erhielt. Alle 5 Farſing, d. I. drei geogr, Meilen, fanden Poft- 
pferde und eine Garniſon; man Hatte auf dieſe Weife 27 Poften (d- 1. 
81 geogr. M.) zurücdzulegen. Im Jahre 1251 wurde nach Gaynkkhan's 
Tepe ein großer Kuraltai zu Ho-lin gehalten, anf welchem Mangu zum 
Kaifer wählt - wurde Diefer ernannte daſelbſt feinen älteren Bruder 


13 


194 


in alten Zeiten ihre Reſidenz aufſchlugen. Sie ift mit einem 
ftarfen Erdwalle umgeben, da nidt viel ‚Steine in dieſem 


Kublat (Khubilai) zum Generaliffimns der Armee, im Suͤden der Scham, 
woranf die Groberung China’s erfolgte, nnd dem jüngeren Bruder Hu: 
lagu trug er im Jahre 1252 den Feldzug gegen Weſten auf, ‚ber mit 
dem Eturze des Khalifat's zu Bagdad endete. Es nüpfen ſich alfo auf 
große Weltbegebenheiten, von denen das Schickſal ganz Aftens bedingt 
ward, von bdiefer jeßigen Trümmerflätte aus an biefes Lokale. Im fer 
nem fechften Regirungsjahre verlegte jedoch Mangufhan feine Reſidenz 
uah Schang:tu (S. Kay. 55.) — In diefem Jahre war es, daß 6x 
ropäer zum eriten Male als Augenzeugen von der Haupt sumd Reſidenz⸗ 
ſtadt des Hochlandes der Mongolen Bericht nach Europa brachten; ber 
Franzisfanermond Plan Carpin drang dahin bis zur Sira-Orbu, dem 
Gelben Katjerzelt Gayuffhan’s, im Jahre 1246 vor; der Peter Audri 
de Lonjumel erfchien nad) deſſen Tode am Hofe zu Karaforum, 124, 
ale noch Fein Kaiſer erwählt war, und Guillaume de Rubruguis traf 
am 27. Dez. des Zahres 1253 unter Mangnukhan's Regimente iu Kara 
korum ein und gab darüber die beſten Nachrichten, von denen noch bie 
Rede fein fol. — Als Mangukhan bei Belagerung Chineſiſcher Stäbte 
im heigen Klima den Wunden und Krankheiten unterlag, trat Kublailhas 
als glücklicher Regent (1260—1297) au feine Stelle. Durch ihn wurd 
der Sig des Weltreiche von Ho-lin nach Yansting, d. i. Beling, verlegt, 
wodurch die faum begonnene Blüthe auf dem Plateaulande wieber - zu 
welfen begann. — Rubruquis fagt, das Lager des Großkhan's Mange, 
das Karakorum heiße, welches er endlich erreichte, liege 10 Tagereiſen im 
W. von OnonsCherule (d. i. dem Eige von Onon⸗- und Kherlonfiufl), 
wohin viefer Khan fich zurücdgezogen hatte. Mangukhan, fagt er weis 
ter, bringe in Karaforum die Ofterzeit und das Ende bes Sommers 
zu, wo er dann große Feſte halte. Im der Oſterwoche, welche R. bort 
verlebte, war in der Gegend umher noch nichts grün geiworden. Rabe 
den Mauern ber Stadt habe ver Khan hier ein fehr großes Terrain mil 
einer Badjleinmauer umgeben, auch ein Kloftergebäude und einen großen 
Balaft und neben dieſem große, geräumige Wohngebäude und Vorraths⸗ 
haͤuſer für die Lebensmittel, ven Schag ꝛc. Rubruguis fand hier Landes 
leute ans ben verichieteniten Meltgegenden: Earazenen von ben Sultaner 
in Indien, aus Bagdad, wie der Turk und Chriſten, von Rufen, Ala⸗ 
nen, Georgiern, Armeniern, Ungarn, andy Franzofen, Deutſche, Flamaͤn⸗ 
ber, Engländer u. a. m., die wohl tat Schickſal der Mongolenfriege 
hierher verfchlagen hatie. Gin franzoͤſiſcher Goldſchmidt, Matire Gil: 
laume, aus Paris, von Belgrad mit einem Biſchof der Nermannen, de 


195 


Zanteötheile zu finden find. Außerhalb des Walles, aber 
nicht weit entfernt von demfelben, fteht eine Burg von bes 
traͤchtlichem Umfange, in welder ein hübfcher Palaft fi be 
findet, den ber Gouverneur des Plabes inne hat. 


Belsille, und Andern als Gefangener hierher gefchleppt, war mit ber Ar- 
beit eines großen kuͤnſtlichen Epringbrunnens für den Palaft, in Geftalt 
eines Baumes, beauftragt, mit vier Löwen an deſſen Stamm, deren je: 
der Etütenmilch aus einer Röhre gab; in Schlangengeftalt. wanden ſich 
Röhren um den Baumflamm, aus denen Wein, Kumifch (Garacosmos), 
Meth w. a. Getränke in ein Cilberbeden flofien. Auf der Höhe biefes 
Kunftwerkee, zu ber ein Menſch ducch eine Innere Treppe hinauffteigen 
fonnte, naͤmlich in der Krone dieſes Baumes, ftand ein filberner Engel mit 
einer Trompete und einer Vorrichtung mit einem Blafebalg zum Blafen 
berfelben, als Signal zur Vertheilung der Getränfe; Aeſte und Blätter 
biefes- Baumes, alles war von Silber, und jeder Trompetenfloß war das 
Seichen zum Trinfgelage. Der Kaiſerliche Palaft glich einem Kirchen; 
baue, mit dem Schiff, drei Portale in der Mitte und doppelte Säulens 
reihen umher, im Innern voll Eoftbarer Vaſen und Ornamente, bavor 
Rand diefer Baum der Springbrunnen. Im Sommer wurben von allen 
Seiten Wafferleitungen zu diefem Palaft eingerichtet. — In der Stadt 
Saraforum hatten die Neftorlaner eine wohl ausgefchmücte, mit Gold 
und Scharlach tapezierte Chriſtliche Kirche, in welcher Rubruquis bie 
Bilder der Jungfrau Maria einweihte; ein Theil der Stadt hieß die Sa⸗ 
razenenftraße,. wo Mahometaner wohnten und der Bazar lag, mo Alles 
fell war. Der andere Theil hieß die Straße der Kathaier (d. i. Chine⸗ 
fen), wo bie Handwerfer wohnten. Die Mahometaner hatten hier zwei 
Mofcheen, und um ben Palaft herum flanden 12 Idolentempel verſchiede⸗ 
ser Nazionen. Die Stadtmauer hatte vier Thore; vor dem Oftthore mar . 
bes Kornmarkt, wo Hirfe sc. verkauft ward, vor ben drei anderen Tho⸗ 
ren war ber Diehmarkt, im W. für Echafe und Ziegen, im ©. für 
Ochfen und Wagen, im N. der Roßmarkt. — Zu Marco Polo's Zeiten 
hatte die Stadt ihre Bedeutung und ihren Glanz fchon verloren, denn 
He Sonne des Hofes war unter Kublai anderswo aufgegangen. S. Rit⸗ 
ter II. 556 - 663. 


13 * 


196 


Dreiundvierzigftes Kapitel. 


Bon dem Urfprunge des Reiches der Tartaren; von der Gegend, woher 
fie famen, und wie fie Früher dem Un-khan, einem Fürften des Nordens, 
der auch Priefter Iohann genannt wurde, unterihan waren. 


Die Umftände, unter weldyen diefe Tartaren zuerft ihre 
Herrſchaft begannen, follen nun erzählt werden. ie wohn 
ten in den nördlichen Ländern Jorza und Bargu, jedoch ohne 
beftimmte Wohnungen, das heißt ohne Städte und fefte Pläge, 
wo es aber weite Ebenen, gute Weide, große Blüffe und 
Vieberflug an Waſſer gab 164), Gie hatten feinen Oberherrn 
unter ſich und waren einem mädtigen Fürften tributbar, der, 
wie ic erfahren habe, in ihrer Spradhe Unfhan hieß 165), 


164) Eiche Aber die Heimath der Mongolen und das Beburtdland 
Dſchingiskhan's die Einleitung ©. 4. und vergleidhe damit Ritters 
ausführliche Forfchungen in der Erdkunde IL. &.502—513. — Unter ben 
nörblicden Ländern Jorza und Bargu wird Sibirien mit feinen weiten 
@benen,. wo bie Tartaren nomabdifirend ſich umhertrieben, verftanben ehr. 
Anf Steahlenberg’s Karte if ein Diſtrikt, ver an das Suͤdweſtufer bed 
Baikalſee's gränzt nnd „eampus Bargn“ genamt wird, auf D’Anville's 
Karte (ver fie in Bezug anf Polo's Worte Bios auf Geradewohl dahin 
verzeichnet zu haben fcheint), iſt Bargu an der norbwefllichen Seite deffelber 
Sees verzeichnet. Doch verweifen die hier augebeufeten Verhaͤltniffe 
auf ein groͤßeres noͤrdlicheres Land. 

166) Die Beherrſcher der Ta⸗ta (woraus nachher Tataren und Tar⸗ 
taren entſtanden, ſ. Ritter II. 2485-256) am In⸗Schan und in Tenu⸗ 
dach (ſ. Kap. 53. Ammerk. 200 u. ff.) Hatten ſich die noch heute bei 
Mongolenfürften gebräuchlichen Titulaturen Bang, d. i. König, reguls, 
gefallen laſſen, daher fie mit dem Mongolenzufat Khan (d. 1. König) 
felhft bei den Mongolen mit dem hohen Titel Bang: Khan (Ong⸗ Cha⸗ 
ghan bei Sfanang Sſetſen; Dang-than bei Rubruquis; Ungscan um 
Unkhan bei Marco Polo) genannt wurden, mit deſſen Berfonen bei vie 
Ien Europäern jener Zeit die Fabel vom Priefter Johannes verbunden 
wird. Polo behält diefen Namen zwar bei, obgleich er nur anführt, ed 
fei die Meinung Einiger (come intesi), daß dieſer Un-Ehan fo viel be 
beuten folle wie Joan Presbyter, und er felbfl war ganz anderer Mel 
nung. — In der Mongolengefchichte, welche Kaiſer Kangshi’s Vater in 


197 


was,. wie Einige glauben, Diefelbe Bebeutung wie Priefter 
Johann in der .unferigen habe 166). Ihm gaben diefe Tar- 


‚das Mandfchurifche ans ben Archiven des Mongslifchen Kaiferhaufes über: 
tragen ließ, wird ber Stamm ber Tasta, den bie Kindynaftie dem erften 
Bang s Than gegen Tribnt einfepte, die Kerait (Kerit, Carit bei ofziden- 
talen Antoren) genannt. Er bieß Toli (ober Zogruls Tyrell bei Abul- 
ghafi) und lebte zur Beit, da unter Dſchingiskhan's Bater Deflugat 
(Bifuba der Araber) die Macht der Mongolen drohend zu werben bes 
gaun, mit denfelben im beſten Etnverſtaͤndniß. Sein Großvater hieß 
Margus, nit Markor bei Timkoweli, ober Marcus, des CEvangeliſten 
Rame, bei D’Ohffen, fein Vater Kudja⸗boiruk, fein Oheim Kiur (oder 
Kur; Kur⸗khan oder Gurkhan der Arabifchen Autoren). Diefer Bangs 
Khau:Togrnl verfolgte graufam feine Bruͤder und Verwandten und 
Beachte mehrere berfelben um; fein Oheim Kiur verjagte ihn daher vom 
Throne, aber Neſſugal zog auf Togrul’s Flehen gegen ven Rebellen, der 
ſich zu den Hia flüchtete, und fehle den Vangkhan wieder in ben rechts 
mäßigen Beſitz feines Landes ein. Daher bie enge Breunbichaft beider, 
welche auch der Sohn, der junge Dſchingiskhan, aus Finplicher Pietät 
Rreng beobachtete und viele ſchoͤne Beweiſe feiner Großmuth gab, un⸗ 
geachtet des Mißtrauens und der Treulofigfelt, die der Vangkhan als 
ſUberhaariger reis noch gegen ihn bewies. Dem böfen Verrath und 
BZwieſpalt ziwifchen Beiden machte im Jahre 1203 eine blutige Echlacht 
zwifchen den Quellen der Tula und bes Kerlon, auf ben Grenzgebieten 
beider Beherrfcher, oder am Ausflug des Onon beim KulensBuira (b. 1. 
Buir⸗nor) bei Sfanang Efetfen, over am wahrſcheinlichſten am Charakt⸗ 
ſchin⸗Schatu, d. 1. an der Schwarzen Leiter, nad) Peter Hyakinth, ein 
Ende, in welcher Dichingisfhan feinen dreimal zahlreicheren Feind burch 
größte Tapferkeit befiegte und die Kerait wie das Land Tendnch in feine 
Gewalt befam. Der Vangkhan felbft warb gleich darauf in einem zwei⸗ 
ten Treffen erfchlagen und fein Sohn über Hia nach Weiten verfolgt, 
30 er anf einem Raubzuge feinen Top fand. So ſchwand die Macht 
Ver Keratt und des bis dahin fehr gefürchteten Vangkhan; durch biefen 
md andere Siege gewann Dſchingiskhan (bis dahin Temutfchin genannt) 
Bald die DOberhoheit als Khan⸗Khan, d. h. König der Könige (felt 1206) 
Mer alle Stämme der Tata, welche in ber einen herrſchend hervor⸗ 
ragenben ber Mongolen zufammenfloffen und fo untergingen. Witter II. 
356 f. ©. weiter Rap. 53 und 54. Anın. 200 u. ff. 

166) Die feltfane Eage von einem chriftlicden Könige, Presbyter 
ober Briefter Sohannes (Rex Asiaticus vom 11. bis 15. Jahrh. Joannes 
Rex Indicorum Sacerdos: Preste Giani, Malex Juhana), vie feit dem 


198 


taren jährlich den Zehnten von ihrem Viehe. Im Verlaufe 
ter Zeit vermehrte fih der Stamm fo außerörventlih, daß 


11. Jahrh. in Aflen entfland und dann als Fantom erwisien, bort meiden 
mußte, aber in Afrifa nene Wurzel fchlug und im Chriftlichen Kaiſer 
von Habefh nah langem Suchen fi endlich realifirte (Erdkunde L 
2. Aufl. S.225, All, 412), hat einen großen Einfluß auf den Fortfchritt 
der geografifchen und ethnografifchen Keuntniß beider Erbiheile ausgeübt, 
weshalb Nitter auch ausführliche Erläuterungen ihrer Entfiehung und ih: 
res Zuſammenhangs mit der inneren Lebensgeichichte der .Afiatifchen Voͤl⸗ 
fer gegeben hat, II. 256—274 und 283—299. — „Diefe Fabel von einem 
Chriſtlichen Prieſter und Könige fchließt fich der Verbreitung der ESyriſch⸗ 
Neſtorianiſchen Kirche durch die weiten Länder des hohen Oftaflens überall 
an nnd wurde wahrfcheinlich durch ihre eigenen Ausfagen und - irrigen 
Interpreiazionen derſelben tm Abendlande fchon frühzeitig in dieſem an 
geregt und durch verfchienene im Morgenlande Hinzutretende Umftaͤnde 
mehre Jahrhunderte hindurch genährt und ausgebilbet. Im Lande Ten 
duch wurde fie felbft eine Zeit lang durch die Berichte einiger Miffiomäre 
firtrt, bis Marco Polo's zwelfelerregende Ausfagen darüber umd die Ent 
bedung der Chriftlichen Könige von Habefch berjelben eine ganz andere 
Wendung gaben. Tie Neftorianifhen Ehriften feit der Berbammung bes 
Hireflarchen Neftorius (auf ver Synode zu Gfefus 431). und der wieder 
holten Berfolgungen gegen die Berbreiter feiner Irrlehre im Byzantiniſchen 
Neiche, in Syrien und am Eufrat, fuchten und fanden Schuß bei den 
Erzfeinden der Ehriftlihen Kaifer, den Königen von Perfien, wo zumal 
Siruz (Pherozes von 461 — 488), der heitige Berfolger der Katholischen 
Chriſten, fie beſonders gaftlich aufnahm und dadurch ven wichtigfien Au⸗ 
laß zur Verbreitung ihrer Episfopen durch den weiten Oſten ber Erde 
gab. Dean nach diefen erften Neftorianifchen Kolonien aus Syria, Ne 
fopotamia und Chaldaͤa, bie am Ende bes fünften Jahrhunderts in Ber: 
fien ein Aſyl bei ven Saflauivenfönigen, damals Feueraubetern nach Zo⸗ 
roaſter's Lehre, gefunden hatten, traten bald auch Cpiskopen derſelben in 
Mevien, Baltrien, Hyrfanien und Indien auf. Und als. nach dem Sturtze 
der Safjunivendynaftie und ver Guebern mit ihnen, Anfang des fiebeniez 
Sahrhumderts, bie Lchre des Koran in Hochafien mit Macht vom Weflen 
bereindrang, nahmen daſelbſt, wie dies aus ihren Hiftoriem hervorgeht, 
überall die Mahometanijchen Zürften die Neflorianer als Ecrib&, Merca⸗ 
tores und Mevici im ihre Dienſte. Die Syriſche Kirche, unter dem Sek 
tennamen der Neftorianifchen, mit den Werfen des Neflorins in Eyrifcher 
Ueberfegung und Schrift, umter dem Supremat des Neferianifchen Pa 
triarchen, der als Archiepiikop anjinglic in Seleucia ſich ven Titel Pri 


x 


199 


Unkhan, oder Priefter Johannes, ihre Stärfe zu fürchten be- 
gann und den Blan faßte, fie in verſchiedene Haufen zu thei⸗ 


mas und Katbolifos ufurpirte, und. dann felbft unter den Khalifen in 
Bagdad bis auf Motawakel’s erſte Chriftenverfolgung ein fehr großes An- 
fehen im Orient befaß, drang auch noch weiter als das Khalifat, über 
den Imaus hinaus, durch die Kinder der Turf und Tartarijchen Völker. 
Ueber Merv (Meru, Marav in Chorafana), wo ſchon zu Anfang des fünf: 

ten Jahrhunderts Epiſkopen genannt werben, und über Baktria (Balkh in 
Chorafan) nad Samarkand und Kafchghar geht die Hauptitraße der Ne- 
ſtorianiſchen Chriſtlichen Miffionen jener Zeit. Eben hier iſt auch ber 
Eingang zu der großen Handelsftraße nach China, am oberen Hoangho; 
es ift die alte Straße der Seren, die ſchon Ptolemäus befchreibt. Nur 
fragmentarifche Nachrichten find uns von bem Bortfchreiten der Kirche auf 
ihr befannt mworben.” — Abulfaradj in Chron. Syrias ad Ann. 1046 
bei Affemani führt an, daß vom Neftorianifchen Metropoliten von Sa⸗ 
markand eine Epiftel an den Katholikos in Aſſyria anfım, in der es hieß, 
daß zahllofe Bölfer die Gebirge von Tibet und Khotan überftiegen Hätten 
und bis Chasgara (Kaſchghar) vorgedrungen freien; fie hätten fieben Kö- 
nige gehabt, mit jedem derſelben ſeien 70,000 Reiter geweien, ihr Rat: 
fer habe Nafarat (Nazareth, ein Chriftl. Name bei Mahometanern für 
Ehriften) geheißen. Diefe Nachricht fei am Hofe des Khalifen in Bag- 
dod, deſſen Reiche damals von Oſten her eben fo bedroht und in Schreden 
gefeßt-wurben, wie wenig Jahre fpäterhin ganz Oftenropa, verlefen wor: 
ven. Dies Fünnen nur Turfifche, ſchon vor den Mongolen herrfchende 
Khakhane der Hoeihu oder Uigut geweſen fein, deren Macht fich eben da⸗ 
mals von Tenduch und Karakorum aus gegen Weit auszubreiten begann, 
Sie waren im Often damals die Beherrfcher der Linder, in denen Ne- 
Rorianer Tebten, wenn es nicht die Macht der Khane von Kerait felbft 
ſchon war, welche auch mit fieben Voͤlkerzweigen damals gewaltige Er⸗ 
oberungen Im Weſten begannen. — Im Anfang des elften Jahrhunderts Tam, 
nach Abulfaradi, an den Patriarchen Joan der Neftorianer in Bagdad vom 
Metropolitan der Stadt Merv bie Nachricht, daß der König bes Volkes 
der Cherit (d. 1. Kerait) geneigt fei, mit 200,000 feiner Unterthanen zum 
Ehriſtenthume fich zu befehren. Der Patriarch verorbnete darauf (1008), 
Haß dieſem Könige Priefler und Diafonen zur Taufe und Lehre zugefandt 
wuͤrden. — Dies möchte wohl ale die erfte trübe Duelle jener bald fo ver: 

guäßerten umb allgemein werdenden Sage von einem Chriſtlichen Könige 
in jenen Ländern der Heiden erfcheinen. Tiefe warb, als eine neue Mähre, 
dutch die konfuſen Ausfagen der gleichzeitigen Kreuzfahrer, welche nun 
mit Syriſchen Ehriften fehr bald in vielfache direfte Berührung kamen, 


200 


len, die ihre Wohnungen in ihnen angewielenen Landesſtrichen 
nehmen follten. In dieſer Abfiht hob er audy, fo oft bie 
Gelegenheit fi darbot, wie ein Aufftand in einem der ihm 
unterivorfenen Zänder, drei oder vier von hundert von biefem 
Volke aus und fandte diefe aus zur Unterdruͤckung des Auf 
ftandes, und fo wurde ihre Madıt nad) und nad) gemindert. 
Auch fandte er fie aus zu anderen Unternehmungen und gab 
ihnen einige von feinen beiten Offizieren mit, die darauf zu 
fehen hatten, daß feine Befehle ausgeführt wurden. Endlich 
wurden ed aber die Tartaren gewahr, In welche Sklaverei 
er fie zu bringen fuchte, und beſchloſſen, eine ſtrenge Einig- 
feit unter ſich herzuftellen; da fie erfannten, daß ihnen ihr 
endliches Verderben drohte, faßten fie den Entſchluß, von den 
Pläpen, die fie beivohnten, wegzuziehen und wandten ſich in 
nördliher Richtung durch eine weite MWüfte, bis fie überzeugt 
waren, daß die Entfernung ihnen Eicyerheit böte; danun wel 
gerten fie ſich, laͤnger Unkhan Tribut zu zahlen. 





bald fo, kalb anders gefaltet, verbreht, ober mit zufälligen oder abſicht⸗ 
lichen Zuſaͤtzen durch ganz Europa verbreitet und von ben Ghroniften, 
bald aus diefem, bald aus jenem Munde der Nachwelt überliefert, bie 
damals im Ofzivent, auf ihre Klöfter uud Kloſterſchulen befchränft, bes 
gierig alle Mirabilia Mundi mit blinden Glauben ‚aufzunehmen bereit 
war. — Wie aber der dem erſten Ung-fhan oder Van⸗chan beigelegte Ti: 
tel eines Presbyter Joan zu erflären, bleibt noch problematifch; ob.viefer 
Name vielleicht daher Fam, weil der Neftorianifche Patriarch Joan hieß, 
und fo fein hoher Täufling, dem er die Taufgefäße zuzuſenden befahl, 
benfelben Ramen Sohannes erhielt, oder weil dieſer Name ihm von St 
Johannes dem Täufer beigelegt wurbe, der auch in Mittelafien in ber Selle 
ber Sabler feine Berehrer hatte, die fi) denfelben unter ſich jelbft im Geiſte 
anwefend dachten? Diefem Iohannes waren mehrere Kirchen der Neftorianer 
in Mittelafien geweiht, deren mehrere, wie wir gefehen haben ,. von Pole 
aufgeführt werben. „Wie leicht konnte auch ein Chinefifcher Titel, ber 
jenem Beherrfcher verliehen in Aller Mund überging, wie Bang (i. e 
Rex) aus Bangfhan, das iſt Oberkhan, Um⸗Can, Ung- Khan, Das 
Khan, in Joan Rer übergehen und fo jene Benennung veranlafien, ba 
biefelten Umlaute in Chriſtliche Benennungen gar nichts nagewoͤhnliches 
in jenen leichtglaͤubigen Zeiten waren.“ 


201 


Bierundvierzigftes Kapitel. 


Handelt von Cingiskhan, dem erflen Kaiſer ver Tartaren, und feinem Kriege 
mit Unkhan, den er befiegte und deſſen Reich er in Beſitz nahm. 


Einige Zeit nady der Wanderung der -Tartaren in jene 
Gegend und um das Jahr unfers Herrn 1162167) ſchritten 
fe zur Wahl ihres Königs und wählten Cingiskhan 168), 


167) Genaue Angaben vor Daten dürfen wir von unferem Autor 
nicht erwarten; es lagen ihm Feine Gefchichtsbücher über bie merkwuͤrdi⸗ 
gen Begebenheiten des Volkes der Mongolen vor; er hatte blos gefams 
melt, was .er auf feinen Reifen Merkwürdiges gehört und wie es ihm 
mündlich berichtet worden. Im jenen Zeiten, wo fich eine folche Maſſe gros 
fer Thaten und gewaltiger Begebenheiten auf einander gedrängt und in fo 
wenig Jahren die Eroberung eines ganzen Welttheils vollbracht worden, mochte 
es dem Bolfe, welches mit ven Waffen feine blutigen Thaten über ganze 
Länder zeichnete und fich um andere Schrift nur wenig fümmerte, fchels 
zen, daß der furchtbare Held, der zu dieſen mweithingreifenden Beweguns 
gen den mächtigen Anftoß gegeben, vor längeren Jahren gelebt; er wurde 
ignen unwillkuͤrlich Stamm⸗ und Nazionalheros in altergraner Vorzeit. 
Bemerken müfen wir ferner, daß befunders nnferes Autors Kapitel über 
Herkunft, Sitten und Gebräuche der Tartaren vom den Ahfchreibern nnd 
Ueberſetzern fehr korrumpirt find; gar mancher berfelben wollte viels 
leicht, was er nachmals Aber jene Voͤlker gehört, noch beimerfen, um, 
feinen Gedanken nad, das Buch noch interefianter zu machen, und fo find 
diefe Bemerfungen in den Tert gefommen; in Bielem beim Bericht kber 
fo feltfame, ganz von Europäifcher Lebensweife abweichende Dinge wurbe 
unfer. Autor mißverſtanden, Manches erfchien fo unerhört, daß es vom 
ven fpäteren Editoren ganz weggelaffen oder durch unglüdliche Verbeſ⸗ 
ferungen verflümmelt wurde. Und trotz biefer Korrupzionen find Marco 
Bolo’s Berichte über die Tartaren noch von größter Wichtigkeit nnd ges 
ben gar befondere Auffchlüffe über jene Voͤlker. Dſchingiskhan wurbe 
1155 geboren und 1206 als Kaifer oder Khakhan ausgerufen. S. bie 
Einletiung; über feine Geburtsftätte |. Ritter II. 506 ff. 

168) Cingiskhan. Man hat unferem Autor vorgeworfen, er habe ben 
Namen bes großen Eroberers entftellt. „Marco Polo’, fagt der Heraus⸗ 
geber von Petis de la Croix’ Werke, „hat nicht weniger die Orientalts 
ſchen Eigennamen falſch geſchrieben; ſtatt Genghizcan fehreibt er Cingis⸗ 
can.” Jeder mit den Orientaliſchen Sprachen Vertraute wird bie Unge⸗ 
rechtigkeit diefes Vorwurfs einſehen; jetzt ſagt man allgemein Oſchingis⸗ 
oder Tſchiagiskhan, was bie Franzoſen Tichinguizsfhan (wis Dohfen), 


204 


dieſer Plaͤtze fehte er ihnen Statthalter, die ſo mufterhaft in 
ihrem Verfahren waren, daß den Bewohnern weder. an ihren 
Berfonen, noch an ihrem Eigenthume ein Leids widerfuhr, 
auch nahm er die Politik an, in andere Provinzen die Bor 
nehmſten aus dem Volke mit fih zu führen, denen er Gna⸗ 
den und Ehren verlieh 169%). Als er nun fah, wie glüdiid 
feine Unternehmungen ausgingen, befchloß er noch größere 
Dinge auszuführen. Daher fhidte er Gefandte an den Priefter 
Sohann, denen er ſolche Botſchaft gab, daß jener Fürft, wie 
er wohl wußte, nicht darauf eingehen konnte, denn er ver 
langte deſſen Tochter zum Weibe. As der Monard) Diele 
. Bewerbung vernahm, rief er unwillig aus: „Wie fommt folde 
Anmaßung über Cingisfhan, der da weiß, daß er mein Knecht 
tft, und ed doch wagt, die Hand meiner Tochter zu verlangen? 
Eilt fhleunigft fort,” fagte er, „und laßt ihm wiſſen von 
mir, daß, wenn er feine Bitte wieverholt, er elendiglich zu 
Tode gefchlagen werden ſoll.“ Im Zorn über dieſe Antwort 
fammelte Bingisfhan eine fehr große Armee, an deren Spike 
er in das Reich Priefter Johann's eindrang. Er Iagerte in 
einer großen Ebene, Tenduk genannt, und fandte die Bot 
fhaft, daß Priefter Johann fi vertheidigen folle: Dieſer 
rüdte aud in die Ebene mit einem gewaltigen. Heere und 
ftellte e8 in einer Entfernung von etwa zehn Meilen von 
dem anderen auf. So ftanden Die Sahen, und Cingiskhan 
gab feinen Sternveutern und Magiern auf, ihm zu erflären, 
weldies von den beiden Heeren bei der fommenden Schladt 





169) Bei aller Grauſamkeit und entfeplichen Zerflörangswmuth; befaf 
Dſchingiskhan, das kann man nicht leugnen, einen gewaltigen Geiſt un 
Eigenschaften, die feinem rohen Eriegerifchen Volle ale große Tugenden 
erfcheinen mußten und ohne welche er feine ſtaunenswuͤrdige Thaten nit 
Hätte ausführen koͤnnen. Wir beirachten ihn als einen zerflörenden Feind 


u der Menfchheit, die Mongolen aber als den Helden, der fie anf ben Gipfel 


der Macht und Größe zur Weltherrfchaft geführt. Am Hofe feines En: 
feld, Kublaifhen, mußte Marco Polo die günftigfte Idee Aber ihn bei; 
kommen. W — 


205 


den Sieg davon tragen würde. Da nahmen diefe ein grü- 
ned Rohr, fpalteten es der Länge nach in zwei Theile und 
ſchrieben auf den einen ven Namen ihres Herrn und auf 
den anderen den Unkhan's. Dann fegten fie fih auf ven 
Boden in einiger Entfernung von einander und fagten zum 
Könige, daß, während fie nun ihre Beſchwoͤrungen ausrufen 
wirben,- die beiden Rohrftäde, durch die Macht ihrer Götter, 
auf einander losruͤcken und mit einander kaͤmpfen würven und 
daß der Sieg dem zufallen werde, deſſen Stüd auf das des 
Anderen fliege. Das ganze Heer war verfammelt, dad zu 
fehen, und während nun Die Sternveuter befchäftigt waren, 
in ihren Zauberbühern zu lefen, ſah man die beiden Stüde 
fid} bewegen und mit einander ftreiten, und nach Furzer Zeit 
ftellte fi Das, weldyes den Namen Eingisfhan trug, hoch oben 
auf das des Gegners. Da das der König und feine Tars 
taren ſahen, ſchritten fie mit frohlodenver Begeifterung zum 
‚Angriffe gegen die Armee Unkhan's, durchbrachen ihre Reihen 
und ſchlugen fle gaͤnzlich. Unkhan felbft fiel, fein Reich Fam 
in die Hände des Erobererd und Cingiskhan heirathete feine 
Tochter. Nach diefer Schlacht fuhr er ſechs Jahre lang fort, 
fih. zum Herrn nody vieler anderer Reihe und Staͤdte zu 
mädchen, bis er endlich bei der Belagerung einer Burg, Thai⸗ 
gin genannt, von einem Pfeile ind Knie getroffen wurde, 
an welder Wunde er ſtarb. Er wurde in den Berg Altai 
begraben 170), 


170) Das Bergſyſtem des tal, fagt Alex. v. Humboldt, umgiebt 
die Quellen des Irtyſch und Jeniſei; öftlicher heißt es Tangnu, Sayans⸗ 
fifhes Gebirge zwifchen dem See Kofjogol (Kufufull) und dem Fleinen 
Binnenmeere Bailal; weiterhin das Hohe Kentat und das Daurifche Ge: 
birge; endlich ſich morböftlich anfchliegend an den Jablonoi Chrebet (das 
fogenaunte Apfelgebirge), an Khingfan Tugurif und das Aldanifche Ges 
birge nach dem Ochotsfifchen Meerbufen hin. Mittlere geogr. Breite in 
der ofiweftlichen Erſtreckung ik 50514 °. Der Altai felbft nimmt hier: 
von kaum fieben Laͤngengrade ein, aber wir geben ber nordoͤſtlichen Um⸗ 
wallung ber großen Maflenerhebung von Iunerafien, bie ven Raum zwi⸗ 


206 


Fuͤnfundvierzigſtes Kapitel. 


Von den ſechs folgenden Kaiſern der Tartaren und von den Feierlichkei⸗ 
ten, die Statt fanden, wenn ſie zum Begraͤbniß in ven Berg Altai 
gebracht wurben. 


Auf Eingis-fhan *) folgte Chyn⸗khan (Tſchyn⸗khan), der 


ſchen 48-51 N. Br. ausfüllt, ven Namen Bergſyſtem des Altai, weil 
einfach gebildete Namen jich leichter dem Gedaͤchtniß einprägen und ber 
Altai wegen feines Metallveichthums den Europdern am meiften befaunt 
ift. — Ritter erffärt mit Humboldt die früheren Bezeichnungen von He: 
nem und großem, niederem und hohem Altai ac. für unpafiend, fie feien 
nirgends bei den Afiatifchen Anwohnern in Gebrauch und fie widerſpraͤ⸗ 
hen auch der Naturbefchaffenheit; denn wolle man ben mächtigen Ge 
birgsſtock, der das Ruffifch- Sibirifche Gebiet zwifchen 7935 — 86° O. & 
von Paris und zwifchen den Parallelen von 4945249 N. Br. größten 
theils im Gouvernement Tomsk gelegen, begreift, ben Kleinen Altat nen 
nen, fo fei diefer dem Umfange und der abfoluten Höhe nach wahrſchein⸗ 
lich beträchtlicher als der Große Altat, deſſen Lage und Eriitenz, als eine 
eigene Kette von Schneebergen, faft gleich problematifch fei. Arrowſmith 
habe auf feiner Karte von Ajien diefen Typus willführlih gewählt und 
er, wie feine blinden Nachahmer, belegen mit dem Namen „Großer AL: 
tat’ eine imaginatre Fortfebung des Thian »Schangebirges, das fle, vom 
Khamil (Samt) und Barfol aus, ohne Grund gegen bie öftlichen Quellen 
bes Jeniſei und das Gebirge Tangnu norböftlich verlängern. — In Abul: 
ghaſi Khan. (1660) Hiftorie der Turktartaren iſt bei ber Theilung bes 
Mongolenreichs unter Kublaifhan ſchon vom Altai die Rede, wo das er 
biet, welches der Enkel Dfchagataisfhan’s, Algu, zugetheilt erhielt, fo 
bezeichnet wird, daß es zwifchen dem Altat und dem Fluſſe Amu (Gihon) 
gelegen ſei. Die Note des Ueberfegers (Abulghasi Hist. gensalogique 
- des Tartars trad. Leyde 1726 p. 385 Not, a, ef. 90 Not. a etc.) giebt 
hierzu die erfie Deutung der Lage diefes Altai am Obern Irthſch, 
und fcheint die Duelle zu fein, nach oder feit welcher wentgftens die Be: 
nennung bes nun erft unterfchlevenen Kleinen und Großen Altai affgemel: 
ner in Gebrauch kam. Der Theil des Kaufafus, heißt es dort noch, ber 
bireft von dem Strome Irtyſch bis zum Sapanifchen Meere ftreiche und 


*) Ich bemerfe, daß Polo ftets Kan (Kan) ſchreibt, ich Hier aber 
ber Konſequenz wegen das einmal, nach jeiger allgemeiner Schreibweife, 
von mir dboptirte Khan beibehalten habe.  . . 


207 


dritte war Bathyn⸗ khan, der vierte Eſu⸗khan, der fünfte 


ven die Tartaren Tugra-Tubusluk nennen, ſende zwei Arme aus, die den 
Irtyſch auf beiden Ufern begleiten bis zum Saiſanſee aufwärts, fie hei: 
Gen „Großer und Kleiner Altai.“ — Mit den Turkſtaͤmmen hat fih ans 
fänglich der Name Altal, der Goldene Berg, verbreitet; fei es als Eh⸗ 
renname wegen des Hoflagers feiner Ka Khane, ober weil vieleicht wirf: 
ih das edle Metall, wie noch heute, fowohl im fogenannten Kleinen 
wie im Großen, d.h. norbwärts wie fünwärts des Narymgrenzfluffes, von 
ihm gewonnen wird, oder aus beiden Urſachen zugleih. Ein merkwuͤrdi⸗ 
ges Vorkommen diefes Namens auch im Thian-Schanfyfleme, dem ber: 
felbe fonft niemals beigelegt wird, führt Alex. v. Humboldt an; er fagt: 
Noch hente fol weiter fünlich, unter 46° N. Br., faſt im Meridian von 
Pinjan und Turfan, ein hoher Gipfel den Mongolifchen Namen Alta in 
niro, d. h. Gipfel des Altai, führen. Hoͤchſt wahrfcheinlich wurde dieſer 
Name durch ihre Stammverwandten, die frühzeitig oſtwaͤris bis zu den 
Duellen des Amurſtromes ihren Sitz hatten, auch bis dahin als Name 
von Refivenzbergen verbreitet; benn ftets als ſolcher kommt er auch dort 
vor und wirb bafelbft auch bei Mongolen und Chinefen unter den durch 
ihre Spracdhe- bedingten Abänderungen und leberfegungen, zumal um bie 
Refidenz und Heimath von Dſchingiskhan's Gefchlecht, ſpaͤterhin genannt 
und die verfchieneuften Gebirgstheile, die oft fehr weit auseinander lie⸗ 
gen, von den Autoren als Gebirgszweige des Altai angeführt. Auf jenen 
Altat am Irtyſch, ben wir von diefer Hiftoriich bekannt gewordenen Loka⸗ 
tät mit dem fpeziellen Namen des Gftag-Altai (mie er von der Byzanz 
tiniſchen Gmbafjade, welche Kaiſer Juſtinus im Jahre 569 an das Hofs 
lager bes Ka-Rhan’s der Turk am Altai ſchickte, genannt warb, das heiße 
fo ‚viel als Goldener Berg) belegen Tonnen, bezieht ſich andy die (von 
Marsven angeführte) Beichreibung, welche De Gnignes mit dem Worte 
Abulghaſi's giebt. Die beiven Berge, fügt er hinzu, follen 5000 Li (475 
geogr. Meilen) im Weſt von Karalorum liegen, aber fie haben Zweige, 
die nicht fo weit abftehen koͤnnen; wir müflen aber bemerfen, daß bie 
Entfernung kaum 200 geogr. Meilen betragen würde und daß biefe Be- 
ſchreibung alfo offenbar zu den fehr unbeitimmien gehört. — Als ein 
ſolcher öftlicher Zweig des Altai wirb ber Berg Tu⸗-kin ober 
Tu⸗kin Schan genannt, befien Lage uns freilich nicht genau befannt ift. 
Nach Rémuſat's Unterfuchungen muß diefer Tukin allerdings in der Nähe 
von Karakorum liegen und iventifch mit dem dortigen Altai M. Polo’s 
fein. — In der ganzen Mongoliſchen Geſchichte des Sfanang Sſetſen 
kommt der Name Altai zwar nur ein einziges Mal vor, aber eben ba, 
wovon Dieingisfhan’s Grabftätte die Rede ift, über welche bisher viele 


208 


Mongüsthan, der ſechste Kublaifhen 171), ver größer und maͤch⸗ 
tiger wurde als alle anderen, denn er erbte, was feine Vorfahren 


Zweifel obwalteten. — Der Mongolifhe Autor fagt nämlich die Worte: 
„Sp warb nun der Leichnam des Herrfchers in der Gegend Jeke⸗VUetel 
zwifchen der Schattenfeite des Altai- Khan und der Sonnenfelte des Ken⸗ 
tet: Khan beigeſetzt.“ Alle übrigen Autoren und Hiftorifer beftäligen uss, 
dag diefer Mongolifche Altai, der Goldene Berg, den pie Grabftätie des 
Weltſtuͤrmers heiligte, eben fo in der Nähe ber alten Turf Hoei-hn Re 
fvenz, Holin (Karalorum), zwifchen ven Duellen der Tula und des Heu 
Ion lag, wie jener Eltag-Altai in ber Nähe ver Turk Thusthin Reſiden; 
an den oberen Dnellen bes Irtyſch, wo wirklich fo viele goldreichge⸗ 
ſchmuͤckte Grabflätten alter Fürftengefchlechter umher aufgedeckt ſind, ins 
ve an den Tula⸗ und Kerlonguellen uns vergleichen bis Jetzt noch um 
befanni geblieben find. M. Polo's Berichte beflätigen auf das Unver⸗ 
kennbarſte, daß jene Lofalität bei den Mongolen ven Namen Altai führte, 
was die Ehinefen dur Kin⸗Schan, d. h. Golvberg, ſchon in alter Bett 
überfeßten. ©. Ritter II. 316 fj., 472525. 

171) Diefer Bericht über die Nachfolger Dſchingiskhan's iſt ſo we⸗ 
nig richtig, daß ihn einer, der fo lange Jahre im Dienſte des Großkhau't 
geftanden, wohl kaum in biefer Weife geben Tonnte, und man Fam nit 
gutem Grunde annehmen, daß einige ber barbarifchen Namen biefer Jir⸗ 
fen von den erſten Abfchreibern ausgelafien, andere entſtellt worden ſtud. 
In dieſer Meinung werben wir um fo mehr beftätigt, als in ben ver 
ſchiedenen Verſionen bie Namen beveutend varliren und auſtatt Cyn 
(ihm) Bathyn und Eſu, in Ramuflo’s Ausgabe, haben wir im einem 
Text Cui, Barchim und Allah und in einem anderen Garce, Saum um 
Rocon. Blos bei vem Namen Mongn oder Mangu fiimmen Alle überein. 
uneber das Dfchingisfgan’fche Geſchlecht möge man die Einleitung ©. 7 
und fi. nachfehen; wir wollen hier nur noch verfuchen, bie - obenges 
nannten Namen zu erfliren. — Dſchudſchi, der aͤlteſte Sohn Dſchingis⸗ 
Than’s, ber ſchon bei Lebzeiten feines Vaters flarb, Hatte einen Sohn 
Batu, der von den Mahometanifchen Schriftftellern auch Saien⸗khan und 
ESaginkhan genannt wird; biefer folgte nicht in ver Würde bes Großfhan's 
and flarb 1256. Dies if angenfcheinlich der Bathyn der einen Berfen 
unferes Tertes und der Saim ber anderen; ber Barchim ber britin 
möchte wohl Barkah fein Bruder und Nachfolger. fein. Hier kann mar 
fich die Fehler der Abſchreiber erflären; jene Fuͤrſten, über einen Theil 
Europa’s herrfchend, das fie fo lange in Schreien fehten, waren ben 
Europaͤern bekannt und furchtbar und Ihre Name hatte ſich noch bei ven 
nachfolgenden Gefchlechtern erhalten, fie konnten leicht deu mit ber Mo 


209 


bejefien, und erwarb dazu, während einer Regirung von beinahe 
ſechszig Jahren 172), man kann ſagen den übrigen Theil der 
Welt 173). Der Titel Khan oder Kaan tft gleich dem Kaiſer in 
anferer Sprache 17%). Es ift eine unveränderliche Gewohnheit, 





goliſchen Geſchichte fo wenig vertrauten Italienern als die mächtigen 
Großkhane der Tartaren erfcheinen, während die von Marco Polo anges 
führten Namen ihnen gänzlich unbekannt waren und es ihnen wahrfcheins 
lich fonderbar erſchien, daß er jene Fürften niht genannt; darum nah: 
men fie die ihnen bekannten Namen in ihrem Terte auf. Dagegen {ft 
ver Name des eigentlichen Nachfolgers Dſchingiskhan's, Ogotat oder 
OHal, gar nicht genannt, was man ſich von Seiten unferes Autors 
wicht erklären könnte, da fich jener durch die Eroberung des nörblichen 
Theile Ching’s und durch viele andere Thaten in den öftlichen Ländern, 
wo fi Polo fo lange aufgehalten, einen fo großen Namen gemacht hat. 
Auf Oftat folgte Cuyuk over Gayuf, ver von dem Minoritenmönd Plano 
Garpini, weicher vom Pabſt Innocenz III. an Batn’s Hof geſchickt wurde, 
Cuyne, von. den Chineſen Key⸗yen und in unferem Werke Cyn ober Eni, 
nach. deu verſchiedenen Lesarten, genannt wird. Auf Gayuf folgte 1251 
Mangu, defien Brüder Kublai, Hulagu und Arifbuga waren. Hulagu wurde 
tn den Weftlichen, Europa benachbarten Ländern Afiens furchtbar und befannt 
durch bie Groberungen Khorafun’s, Perfiens und Syriens; darum mögen 
Ka: bie Abſchreiber ebenfalls ale einen Großkhan angefehen haben; er .ift 
ver Aladı in unferem Werke, der von einigen Abfchreibeen in Efu, in 
falfcher Setzung eines Buchſtabens für Clu, verwandelt worden; bie la: 
teiniſche Verfion hat Allad. 

172) Kublai wurde 1260 zum Großfhan erwählt und flarb 1994, 
regirte demnach vier und dteißig Jahre; da er aber ſchon 1251 von ſei⸗ 
sem Bruder Mangu zum Bizefönig in China beftellt wurde, fo koͤnnte 
man bie Dauer feiner Regirung auf brei und vierzig Jahre annehmen, 
und ſchon einige Zeit früher niag ihm ber Befehl über die Armeen über- 
tragen worden fein. Die Angabe aber, daß er ſechzig Jahre regirt habe, 
faun nicht gerechtfertigt werben; vielleicht hat fie ihren Grund in der 
Berfehung ber Zahlen LX ftatt KL. 

173) „Er fah fih,” fagt P. Gaubil, „als frieblichen Herrn von China, 
Begn, Tübet, ber beiden Tartareien, Turfeftan’s und bes Landes Igur; 
Siam, Cochiuchina, Tonquin und Korea zahlten ihm Tribut. Die Für- 
ſten feines Hauſes, die in Moskau, Afiyrien, Perfien, Rorafan und Trans: 
oxanien regirten, thaten nichts ohne feine Einwilligung.“ Observ. Chron. 
374) Der Titel Kaan, den Dſchingiskhan feinem Sohne anzunehmen 

14 


210 


alle die Großfhane und Fürften aus dem Geſchlechte Eingis- 
khan's zur Beftattung nach einem gewiſſen hohen Berge, 
der Altai heißt, zu fhaffen, und wo fie auch immer fterben 
mögen, follte auch die Entfernung hundert Tagereifen weit 
fein, fo werben fie doch zu dieſem Berge gefchafft. Es herrſcht 
audy die Gewohnheit, daß die, melde die Leichname dieſer 
Fürften zu ihrer Beitattung durch das Land geleiten, alle 
Perſonen erwürgen, die ihnen auf der Straße begegnen, in 
dem fie zu ihnen fagen: „Gehet in die andere Welt und 
dienet dort eurem verftorbenen Herrn!” Denn fie haben den 
Glauben, daß Alle, welche fie fo tödten, wirklich feine Die 
ner im anderen Leben werden. Das Nämlidhe üben fie auf 
gegen die Pferde aus und tödten die beften aus den - Stutes 
reien des Könige, damit er dort fi ihrer bevienen Tann. 
Als der Leichnam Mongu’d nad diefem Berge geſchafft wurde, 
erſchlugen die Reiter, die. ihn begleiteten, in dieſem unſin⸗ 
nigen und entſehlichen Wahne an zehntauſend Perſonen, die 
ihnen in den Weg kamen 175). 


“ 


hieß, hat die Bebeutung Khan der Khane. So war bei den Stämmen 
Turfeftan’s der Khakan gebräuchlich, der aus ben anderen zuſammenge⸗ 
zogen fcheint; dieſer Titel wurbe von bem Ottomanifchen Kaiſern ange⸗ 
nommen. 

175) Einige Geſchichtſchreiber haben Zweifel erhoben gegen Marco 
Polo's Bericht diefer entjeglichen Gewohnheit; allein wenn man bie blut⸗ 
duͤrſtige, graufame Gemuͤthsſtimmung der Mongolen im Allgemeinen in 
Betracht zieht, wie unter Dſchingiskhan's und feiner Feldherrn und Nach⸗ 
folger verwüftender Kriegsführung Hunderttaufende oft aus reiner Vernich⸗ 
tungswuth hingemordet wurden, fo wird man es mohl erklärlich finden, 
wenn eine durch den Tod ihres ihnen faft als Gottheit erfcheinenben Kal⸗ 
fers graufam erregte Horde Krieger beim Leichenfonbuft des. großen Ber 
ftorbenen die Unglüdlichen, bie ihnen begegnen, erfchlagen; was galt 
ihnen Menfchenleben, wenn Der ihnen durch den Tod entriffen war, ber ge 
waltiger, machtvoller, glängender dageſtanden, ale irgend ein Maum in 
ber Welt. Er war auf Erden ein großer Heerführer und Herr, - in ber 
anderen Welt braucht er Menfchen, die er beherrfcht und bie ihn bedienen; 
das war ja gewiſſermaßen eine Religionsanficht jener Voͤlker; wir haben 
‚gejehen, wie die von Tangut Bilder, auf welchen Diener, Pferde, 


211 


Sechsundvierzigſtes Kapitel. 


Bon dem wandernden Lehen der Tartaren; von ihren häuslichen Gewohn- 
heiten, ihrer Nahrung und ber Tngenb und ben nühlichen Gigenfchaften 
ihrer Frauen. 


Die Tartaren bleiben nirgends feft wohnen, fondern fo- 
bald der Winter naht, ziehen fie in bie Ebenen wärmerer 
Gegenden, um hinreichende Weide fuͤr ihr Vieh zu finden, 
und im Sommer ſuchen ſie kalte Gegenden in den Bergen, 
wo Waſſer und Gras iſt und ihr Vieh von Pferdefliegen 
und anderen ſtechenden Inſekten nicht geplagt wird. Waͤhrend 
zweier oder dreier Monate ſteigen ſie immer zu hoͤher liegen⸗ 
den Orten und ſuchen friſche Weide, da das Gras an kei⸗ 
nem Platze hinreichen wuͤrde, die ungeheuere Menge ihrer 
Heerden zu nähren176). Ihre Hütten oder Zelte beſtehen 


Bich und Gefchirr gemalt waren, verbrennen, damit fie den Verftorbe: 
wen im Jenſeits zu Dienften ſtehen. Herodot erzählt uns eine ganz ähn- 
Hiche granfame Gewohnheit der Skythen beim Leichenbegängniß ihrer Koͤ⸗ 
nige; da wurben bie Weiber des Fuͤrſten, die Minifter, Diener und Pferde 
erdroſſelt, mit ihm ins Grab gelegt und um daſſelbe anfgeftellt; ſ. Bürd 
Ag. Geſch. der Reifen und Entd. I. 210 5. — Marco Polo kam funfjehn 
Jahre nach jenem Ereigniß nah China und von vielen Seiten mag ihm 
davon erzählt worden fein. Der Kaiſer Mangn flarb auf einem Kriegs⸗ 
zuge nach China bei ber Belagerung von Ho-tfchen und feine Feldherrn 
abten ven Beſchluß, fich zuruͤckzuziehen und führten in Trauer ben kai⸗ 
ferlichen Leichnam mit fih fort. Die Schlaͤchtereien einer wilderregten 
Kriegshorde bei diefem Zuge nad Karalorum wurden M. Polo vielleicht 
als eine bei folchen Gelegenheiten ftattfindende Sitte gefchilvert. Doch 
erzählt D'Ohſſon nach Dſchami ut⸗Tevarikh vom Tode Dſchingiskhan's Fol- 
gendes: Der Leichnam biefes Fürften wurde heimlich aus Tangut in bie 
Mongolei geführt. Damit die Nachricht von feinem Tode fich nicht ver- 
breitete, töbteten die Truppen, bie feinen. Sarg begleiteten, alle Perfo- 
en, beuen fie auf biefem langen Wege begegneten. Erſt als der Leichen- 
zug zur großen Ordu Dichingisfhan’s, feiner alten Heimath an den Quel⸗ 
len des Kerulan kam, verfündete man feinen Hingang. I. p. 381 ff. 
176) Diefe Schilverung des Lebens der Tartaren iſt ganz vortreff- 
lich; ich halte es wicht für noͤthig, beftätigende Vergleichsftellen aus an; 


212 


aus Pfählen, die fie mit Filz überdeden; fie find gang rund 
und fo Fünftlid) gemacht, daß fie viefelben in ein Bündel zu- 
fammenlegen und leicht mit fih führen fonnen und zwar auf 
einer Art Wagen mit vier Rädern. Wenn fie die Zelte bei 
Gelegenheit wieber aufftellen, fo kehren fie die ingangsfeite 
allezeit nad Eüden. Außerdem haben fie noch ein fehr vor 
zuͤgliches Fuhrwerk auf zwei Raͤdern, weldyes ebenfalls mit 
Filz überdedt und das fo vortrefflid tft, daß fie darin. figend 
einen ganzen Regentag aushalten fünnen, ohne naß zu wer⸗ 
den. Diefe Wagen werden von Ochſen und Kameelen ge 
zogen und die Tartaren führen ihre Weiber und Kinder, ihr 
„Hausgeräth und die Lebensmittel, teren fie bebürfen, Darin 
"mit ih. Die Frauen betreiben. alle Handelögefhäfte, fie 
faufen und verfaufen und beforgen alle .nöthigen Dinge für 
ihre Cheherren und ihre Familien, da die Männer fi nur 
mit der Jagd und Falfenbeize und dem Waffenhandiwerfe be 
ſchaͤftigen. Eie haben die ‚beiten Falken in der Welt und 
audy die beften Hunde. Eie leben nur von Fleifh und Mild, 
von dem Wilde, das ihnen die Jagd giebt, und von einem gewiß 
fen Heinen Thiere, das dem Kaninchen nicht unaͤhnlich iſt und 
bei und Faraonismaus genannt wird, welches waͤhrend des 
Sommers in großer Menge in den Ebenen gefunden wird 177) 


deren E chrififtellern noch anzuführen. Faſt ganz die alte non Polo ges 
ſchilderte Lebensweife führen noch die Buräten (Bratstet), die Urſaſſen 
des Baikallandes; man fehe Mitter III. 115—138. 

177) In diefen Hügeln (am Selengafluß) giebt e8 eine Menge von 
Murmelthieren, die bräumlich von Farbe find, Fuͤße haben wie pie Daft 
und auch faft eben fo groß find. Sie graben tiefe Löser an ‚ven Ab⸗ 
hängen der Hügel und im Winter follen ſie in dieſen Höhlen eine geräumt 
Beit lang ohne Butter leben.“ Bell’s Travels vol. I. p. 311. Die Be 
fchreibung, welche Du Halde von dem Thiere gieht, fimmt am beften 
zu der unferes Autors. Diefes Thier, das fo Hein if wie ein Kermelin, 
ift eine Art Erdratte, die fehr gemein in gewiſſen Gegenden ber Khallet. 
Die Tael:pi halten -fih unter der Erde auf, wo fie eine Reihe vor fe 
viel Fleinen Höhlen graben, als Männchen unter ihrer Truppe find: eines 
von ihnen ſteht Immer Wache vor ber Höhle, wenn es aber irgend Se: 


— 


13 


Doch efien fie andy Fleiſch jeglicher Art, von. Pferben, Ka⸗ 
meelen und fogar von Hunden, wenn biefe fett ind. Eie trin- 
fen Stutenmilch, weldye fie fo gut zuzubereiten wiflen, daß 
fe. die Eigenfhaft und den Wohlgeſchmack weißen Weins. er: 
haͤlt, und nennen fie dann in ihrer Spradge Kemurs 178), 
Ihre Frauen find die Feufcheften und ehrbarften in der Welt 
und. lieben und ehren ihre Männer gar ſehr. Treulofigkeit 
in der Ehe. wird von ihnen als ein ehrlofes niederträctiges 
Laſter betrachtet. Und auf der anderen Eeite ift es bewun- 
derungswürdig, der Männer Freundlidjfeit im Umgange ‚mit 
ihren Weibern zu fehen, unter denen, wenn ihrer auch zehn 
oder zwanzig find, die preiswürbigfteRuhe und Ginigfeit herrfcht. 
Rie hört man eine beleidigende Sprache unter ihnen, und ihre 
Aufmerkfamfeit ift ganz vom Handel, wie ſchon gefagt, und 
von ihren verfchiedenen häuslichen Geſchaͤften, wie von der Be- 
forgung des Lebensbedarfs ver Familie, der Aufſicht über die 
Diener und der Sorge für die Kinder, um welde fie fi 
gemeinfhaftlid fümmern, in Anfprud) genommen. Ind um 
jo preiswärdiger find vie Tugenden der Befheidenheit und 
Keufchheit bei ven Frauen, ald es den Männern geftattet ift, 
fo viel Frauen zu nehmen als fie wollen. Der Aufwand, 
den der Mann für fie zu maden hat, ift nicht groß, und 
auf der anderen Seite ift der Nupen, den er aus ihrem 
Handel und den Beſchaͤftigungen, denen fte ſich fortwährend 
unterziehen, gewinnt, betraͤchtlichz ; deshalb bezahlt er, wenn 


mand gewahrt, flieht es und ſtuͤrzt ſich in die Hoͤhle, ſobald man ſich ihm 
. Man faͤngt gewoͤhnlich eine große Anzahl auf einmal.“ 

178) Das Wort, welches hier Chemurs oder Kemurs und in der va⸗ 
iniſchen Ausgabe Chuinis und Chemius geſchrieben, iſt das bekannte 
Kumis oder Kosmos, oder wie es noch von anderen Reiſenden genannt 
wirb, Kimmis oder Kimmus. Stutenmilch wird durch’ Hiße in den Zus 
Rand der Gährung verſetzt, in einem ledernen Beutel fo lange gefchättelt 
(wie es scheint um Die Butter davon zu ſcheiden), daß fie auf dieſe Weife 
odnen gewifier Grad von beraufchender Kraft erhält. Die fo zubereitete 
Milch kann man mehrere Monate lang aufbewahren, und fie ift das Lieb⸗ 
lingegetrank der Tartariſchen Staͤmme. 


& 
& 
5, 
Hi; 
⸗ 


ſtreckt. In Folge dieſer unbegrenzten Zahl von Weibern MR 
tie Rachkommenſchaft bei ihnen zahlreicher ald bei irgend ei⸗ 
nem anderen Volle. Rad dem Tode des Vaters kamn ber 
Eohn alle Weiber, die jener hinterlaͤßt, annehmen, mit Aus 
nahme feiner eigenen Mutter. Ihre Scweftern Eonnen fe 
nicht zu Weibern nehmen, aber beim Tode ihrer Brüder kon⸗ 
nen fie ihre Schwaͤgerinnen heirathen. - eve Hetreth wird 
mit großer Feſtlichkeit gefeiert. 


Siebenundvierzigſtes Kapitel. 


Ben den Gottheiten des Himmels und der Erbe bei ven Tartaren md 

ber Verehrung berfelben; von ber Tariaren Kleidung unb Waffen, ihrem 

Muthe in der Schlacht, Ihrer Geduld in allen Entbehrungen umb ihrem 
Gehorfam gegen die Oberen. 


Ä Der Tartaren Glaube und Geſetz ift ſolgendemahen 

Sie ſagen, es ſei ein Gott, groß, erhaben und himmliſch, 
dem ſie aͤglich Weihrauch in Gefaͤßen raͤuchern und Gebeie 
bringen zur Erhaltung gelſtiger u und leiblicher Geſundheit 179), 


179, Dſchingiskhan war Sivil⸗ und Religionsgefehgeber der Taria⸗ 
ren. Die Mongolen hatten keinen eigentlichen Kultus; ganz dem Aber: 
glauben hingegeben, vertrauten fle ihren Zauberern, den Schamanen, 
daher das alte Sibirifche und Tartarifche. Heiventfum Schamanismns 
heißt (Descript. du Tibet. Paris 1808. p. 31)... Als aber Dſchin⸗ 
gisthan als Kaifer proflamirt worden, gab er ein Gefepbuch, welches er 
vor der allgemeinen Mongolenverfammlung, dem Kuriltay, anerkennen lief 
und das Yaſſa Genghizkhani hieß. Das erſte Gebot war, daß man’ glauben 
folle an einen Gott, den Schöpfer Himmels und der Erbe, ben Geber 
bes Lebens, des Todes und des Reichthums, der Krieg und Frieden ſchidt 
und über Alles unumfchränfte Gewalt hat (Petis de la. Croix Lib, I. 


215 
Aud einen anderen Gott. verehrten fie, der Natigay heißt 180), 


4 
x 


e. VI.). &’Anglais hat einen Auszug aus dieſem Kober gegeben (Insti- 
tat. de Timour. Par. 1787 p.:3%). Doch heiligte Dſchingiskhan durch 
feine Geſetze auch einige aberglänbifche Ideen der Tartarifchen Völker, 
die fich einbilbeten, daß eine Menge au fich gleichgiltiger Dinge Unglud 
brächten oder den Donner anzögen, vor dem fie große Furcht hatten. — 
„Die Religion der Buraͤten,“ fagt Bell, „ſcheint dieſelbe wie bie der 
Kalmlıden zu fein, welche das gröbfte Heidenthum iſt. Sie fprechen wohl 
von einem allmächtigen und guten Wefen, welches alle Dinge gefchaffen 
und das fie Burchun (Oktor⸗gon Burchan oder Tingiri fi. e. Coelum] Gott 
des Himmels; Georgi Reifen Thl. I. 313 — 323) nennen, fcheinen aber 
verwildert in unflaren und fabelhaften Begriffen Kber feine Natur und 
Gewalt zu fein. Sie haben zwei hohe Priefter, denen file große Vereh⸗ 
rung zollen; ber eine heißt Dalay-lama, der andere Kutukhtu.“ Bell’s 
Trav. vol. I. p. 248. „Ich habe erfahren, daß die Religion der Tan⸗ 
guten eben biefelbe iſt, wie die ber Mongalls (Mongolen), daß fle den⸗ 
ſelben Slanben hegen von der Transmigration (Seelenwanberung) bes 
Dalay:lama, wie die Mongolen es beim Kutufptu thuen und daß er in 
derſelben Weife ermählt wird.” P. 283. — Die Hierarchie, als deren 
_ Haupt der Dalat oder Großlama gewöhnlich betrachtet wird, wurde, nad) 
Gaubil, ‚nicht früher als 1426 hergeftellt, aber die Lamas einfach, als 
Schaftasmuni , Priefter, fcheinen ſchon früher beſtauden zu haben, und bie 
Schamanen in den wörblichen. Theilen der Tartarei fcheinen Lamas in eis 
ner noch roheren Welfe zu fein. — Das Religionsiyflem und die Ein⸗ 
richtungen ihrer Hierarchie, nebft den heiligen Büchern, fam den Mongo- 
fen aus Tibet zu, daher auch die Mongolifche Urgefchichte von ihren Chro⸗ 
riſten mit der Sefchichte Tibet’s und durch dieſe mit ber Inbifchen be- 
ginnt. : Die Literatur Hinböftan’s und Tibet's iſt hierdurch in die Mitte 
der Mongolifchen Wüften verpflanzt, da angeftrengtefter Fleiß und Ans; 
dauer ber Mongolen die Werke von jenen In ihre Sprache in Menge über: 
trug. Ihre Prinzen, Großen und Priefter nahmen Indiſche und Tibetifche 
Namen an, und die Mongolifchen Fürftengefchlechter haben ihre Genen: 
Iogten, wie die Römer die ihrigen auf die Trojanifchen Helden, die Grie⸗ 
gen auf die Halbgoͤtter, bie ber Deutſchen Chroniften auf bie Samtlien 
„der Erzväter, fo die Mongolifchen auf die alten, frommen Könige Tibete 
uud Indiens zurädgeführt (Ab. Römusat Observations sur l’hist. des 
Mong. orient. Paris 1832. p. 15, 64, 79 u. a. Daher befteht ihre Si: 
florie vor der Dſchingiskhanidenzeit aus einer Reihe Buddhiſtiſch-Indiſcher 
Legenden und Mythen, die der ganzen folgenden Darftellung ihrer Bege: 
benheiten Farbe und Ton geben; denn überall finden ſich Buddhiſtiſche 


216 


deſſen Bild, mit Filz oder Tuch bedeckt, ein Jever in ſei⸗ 
nem Haufe bewahrt. Diefem Gößen gejellen fie ein Weib 
und Kinder zu und ftellen jenes zu feiner linfen Seite und 
diefe vor ihm auf in ehrerbietiger Geberve. Ihn betrach⸗ 
ten fie als die Gottheit, welde ihren irbifchen Angele⸗ 
genheiten vorfteht, ihre Kinder ſchuͤtzt und über ihr Vieh und 
Getreide wacht. Eie bezeigen Ihm große Verehrung und 
bei ihren Mahlzeiten unterlaffen fie nie, ein fettes Gtüd 
Sleifh zu nehmen und mit ihm ben Mund des Bögen. wie 
den feines Weibes und feiner Kinder einzufchmieren. - Dann 
gießen fie etwas von der Brühe, in welcher das Mahl bes 
reitet worden, zur Thür hinaus, als Opfer den anderen Gel- 
ſtern. Iſt diefes gefchehen, fo glauben fie, daß ihr Goͤtze 
und feine Familie ihren Antheil erhalten Haben, und eflen 
"und trinfen ohne weitere Zeremonie. Die Reihen unter bie 
fem Bolfe Eleiven fit in Bold und Seide, mit Zobel, Her 


SInterpolazionen durch den Hergang hrer eigenen Hiſtorien verwebt. Richt 
blos das Dogma, die Hierarchie, die Doktrin, auch fo viele Einrichtungen 
und Gebräuche, 3. B. der ganze Tobtenfultus, die Befimmung eines 
Sohnes aus jeder Familie zum Lamaftande, ber Refpeft vor der Literatar 
u. v. I. gingen von daher aus. ©. Ritter III. 391 ff. 

180) Diefer Tartarifche Goͤtze, deſſen Rame Ratagal In der Lateini⸗ 
fchen Ausgabe. gefchrieben it, tft der Itoga bei Plane Carpini, der die 
abergläubifchen Gebräuche diefer Völker in folgender Weiſe befchreibt: 
„Sie find ſehr eifrig für Wahrſagungen, Voͤgelflug, Hexereien unb 
Sauberfprüche. Wenn der Teufel ihnen eine Antwort giebt, glauben ſie, 
daß fie von Gott felbft Fomme, und nennen ihn Itoga.“ — „Sie ehren 
und fürchten ihn fehr und weihen ihm Opfer, unter Anderem bas Grfe 
yon ihrem Trinken und Eſſen.“ Das ift wohl verfelbe, von dem Georgi 
und Pallas reden, daß fie außer einer Menge Goͤtterfratzen bei ben Bu: 
räten auch. Lamaiſche Burchane gefunden haben, bemalte ober bei den 
Reichen von mafftvem Silber, die fie durch Chinefen erhielten; auch 
Gebetmühlen, Rofenktränze, muſikaliſche Infttumente und Bücher. Sie 
erweifen ihm noch immer ihre Verehrung in ber Weife wie fie Bolo bes 
Schreibt. Ein folcher- (Original) Göße ift fammt allem Tempelzubehoͤr 


anfgeftellt in der großen Porzellanſammlung des Japaniſchen Palais zu 
Dresden. 


\ 


217 


melin und ben Pelzen anderer Thiere. Ihre Waffen find 
Bogen, eiferue Kolben und zuweilen auch Epeere, aber in 
der erfteren Waffe ſind fie am gefchidteften, da fie fchon von 
Kindheit auf ſich derfelben auch bei ihren Bergnügungen bes 
dienen. Sie tragen Rüftungen aus den dicken Häuten von 
Büffeln und anderen Thieren gefertigt, die am Feuer getrod» 
net und dadurch außerorbentlidy hart werden. Cie find tapfer 
in der Schlacht bis zur Verzweiflung, feben wenig Werth 
auf ihr Leben und ftellen fi ohne Zögerung aller Art Ges 
fahr fühn entgegen. Ihre Natur ift graufam. Sie find 
fähig, jede Art Entbehrung zu ertragen, und Tonnen, wenn 
es nöthig ift, einen Monat von der Mildy ihrer Etuten und 
von foldyen wilden Thieren, ald fie eben fangen koͤnnen, Ies 
ben. Ihre Pferde. werden nur mit Gras gefüttert und vers 
langen nicht nad) Gerfte oder Hafer. Die Männer find ges 
wohnt, zwei Tage und zwei Nähte lang auf dem Pferbe zu 
bleiben, ohne abzufteigen, und ſchlafen fo figend, während 
ihre Pferde grajen. Kein Volk auf Erden übertrifft fie an 
Tapferkeit in Mühfal, Feind kann größere Geduld bei Eut- 
behrung aller Dinge: zeigen. Cie find ihren Fuͤhrern durch⸗ 
aus gehorfam und werden mit geringen Koften erhalten. 
Bon diefen Eigenfhaften, die fo nöthig zur Bildung von 
Soldaten find, kommt es, daß fie geeignet find, die Welt zu 
unterjochen, wie fie es aud in der That mit einem beträdt- 
lichen Theile derſelben gethan Baben. 


Achtundvierzigſtes Kapitel. 


Bon den Kriegsheeren ver Tartaren und der Art, wie fie zufannmengeftellt 
werben; von der Ordnung beim Marfch; von ihrem Proviant und von 
ihrer Weife, den Feind anzugreifen. 


Wenn einer der großen Tartarenfürften einen Kriegszug 
unternimmt, fo ftellt ex fi felbft an die Spige einer Armee 


218 


von hunderttaufend Pferden und ordnet fie in nachfolgender Weiſe. 
Er fett einen Hauptmann ein über je zehn Mann und au 
dere über je hundert," taufend und zehntaufend Mann. Go 
erhalten zehn von den Hauptleuten, die über zehn Mann 
gefegt find, ihre Befehle von dem, der über hundert komman⸗ 
Dirt; von biefen wieder je zehn von dem, der über taufenb 
befiehlt. Durch diefe Anordnung hat jeder Hauptmann nur 
auf die Führung, von zehn Mann oder zehn Truppenkorps 
zu achten. So nun der Feldherr über die hunderttaufend 
Mann eine Truppenabtheilung in irgend einen Dienft wohin 
fhiden will, fo ſendet er feinen Oberften über zehntauſend 
Mann feinen Befehl, ihm jeder taufend Mann zu geben; 
biefe befehlen es den Hauptleuten über taufend, die ihre Ber 
fehle wieder denen über hundert geben und endlich dieſe de 
nen über zehn, von denen die verlangte Anzahl fogleich den 
höheren Offizieren zugeftelt wird. Auf dieſe Weife werben 
jedem Hauptmanne über taufend hundert Mann zugeſtellt und 
taufend Mann jedem Oberften über zehntaufend ! ” Diele 


181) Tarikh Dſchihankuſchak und Abr'lghaſt ſtimmen faft wortich mit 
unferem Autor im Bericht über die Heereseinrichtung Dſchingiskhan's 
überein. Dfehingisfhan war ein großes Genie und verbankte feine Triumfe 
ber Kraft feines Willens, der Gewalt feines Geiſtes und der Anwendung 
aller zum Zweck führenden Mittel. Lift und Treulofigkeit halfen ihm bei 
der Waffenführung. Sein Zerflörungsfyftem, gleich ben großen Blagen 
der Natur, verbreitete weithin den Schrecken und raubte ben befeindeten 
Voͤlkern ven Muth, fich zu vertheibigen. Niemals trieb ein Eroberer bie 
Verachtung gegen die Menfchheit weiter. Niemals hatte ein ehrgeiziger 
Fürft eine zur Ausführung feiner Pläne geeignetere Armee; fie beiland 
aus Nomaden, die zu aller Zeit ein Soldatenleben führten, die ihre Wirth⸗ 
ſchaft bei fich hatten und. überall eben Tonnten, wo ihr Vieh und ihre 
Pferde Butter fanden; überlegen den Truppen anderer Razionen durch 
ihre kriegeriſche Gewöhnung, bie Schnelfigfett ihrer Bewegungen und bie 
wahrhaft wollendete Disciplin, die Dſchingiskhan bei ihr eingeführt Halte. 
Der Eroberer wollte, daß feine Offiziere ihre Truppen immer in Span: 
nung erhielten, damit fie zu jeder Zeit beim erften Befehl zu Pferd wi 
ren. Er fagte, daß der, welcher zehn Mann gut fommandiren Fünne, 
verdiene, daß man ihm taufend anvertraue; aber wenn ein Fuͤhrer von 


219 


Aushebung findet ohne Verfhub ſtatt und Alle gehorchen blind» 
lings ihren Oberen. Jede Kompagnte von hundert Mann 
wird ein Tuf genannt und zehn: foldye bilden ein Toman. 
Wenn nun die Armee in Bewegung gefept iſt, fo wird eine 
Truppenabtheilung zwei Tagemaͤrſche vorausgeſchickt und ans 
dere Trupps werben auf jede Flanke und als Nachtrab ges 
fielt, um das Heer vor Ueberfall zu wahren. Geht der 
Marſch weit, fo führen fie nur wenig mit fid und dieſes 
befteht vorzüglid in dem, was zum Lageraufſchlagen und als 
Geräth zum Kochen nötbig iſt. Cie leben zumeift nur von 
Milch, wie ſchon gefagt worden. in jener Mann iſt vers 
pflichtet, achtzehn Roſſe und Stuten mit ſich zu führen, und 
wenn das, weldes er reitet, ermuͤdet iſt, nimmt er ein fris 
ſches 182), Sie haben fleine gelte von Filz, unter welchen 


zehn, fuͤgte er hinn, feinen Trapp nicht in Orbnung halten Tanu, fo 
beftrafe ich Ihn mit dem Tode, ihn, feine Tran und feine Kinder, und 
wähle einen anderen ans ven zehen. So verfahre ich gegen bie Fuͤhrer 
von hundert, von tawfend und von zehntaufend. Jeden wußte er nad 
feinen Faͤhigkeiten anzuftellen: „Ich gab”, fagte er, „ven Befehl über bie 
Truppen benen, bie Berftand mit Tapferkeit paarten, andere waren räftig 
und fchnell, den vertraute ich Die Sorge für das Gepaͤck, den Tälpifchen 
lieg ich eine Peitſche in die Hand geben, bamit fie das Vieh hüteten. 
Durch folche Beachtung, durch ſolche Herfiellung der Ordnung und Die: 
ciplia fah ich meine Macht wachen von’ Tag zu Tag, wie den Neumond, 
und ich erhielt den Beiſtand des Himmels, die Ehrfurcht und Unterwers 
fung der Erde. Wenn meine Nachkommen, Erben meiner Macht, biefelbe 
Negel befolgen, werben fie in fünfhundert, in taufend, in zehntaufend 
Sahren gleichfalls vom Himmel unterftügt werden. Gott wird fie mit 
feiner Gnade uͤberſchuͤtten, die Menjchen werben fie fegnen und fie wer- 
ben während Ianger Regirungen alle Freuden ber Erbe genießen.” (Dſcha⸗ 
mi nt-Tevarifh.). 

182) Es koͤnnte unglaublich erſcheinen, daß jeder einzelne Mann 
dieſe Anzahl von Pferden mit ſich geführt Hätte und man möchte vielleicht 
aus bie Offiziere darunter verfiehen. Doch da der Unterhalt bes Heeres 
zum großen Theile aus ber Milch und dem Bleifche dieſes Thieres beſteht 
und bie Heerden vou anderem Vieh im Verhaͤltniß nur gering dagegen 
find, fo muͤſſen die ˖ Pferde und Stuten nothwendigerweife fehr zahlreich 
fein. Die Mongolen fuchten daher auch meiſt nach guten Weiveplägen, 


Neunundvierzigftes Kapitel. 


Von ber Gerechtigkeitspflege bei biefen Völfern und von einer eingebilde⸗ 
ten Art Verhelrathung die zwiſchen verſtorbenen Kindern verſchiedeꝛtr 
Familien veranſtaltet wird. 


Gerechtigkeit wird bei ihnen in folgender waſe gehand⸗ 


vano. i costumi de’ Saraceni.“ Doch glaube ich, es iſt Ramuſio ſelbſt 
geweſen, der in Mißverſtand ven Text verborben hat; im Testo di lingus 
ſteht (f. Baldelli Bont’s Ausgabe ©. 5l): „e ora vi dico che som 
molti i bastardi, che quegli che usano, anche adesso mantengono gli 
costumi degl’ idoli (im Cod. Pucc.: „Che quegli che usano Tucha- 
resse mantengono gli costumi degf’ idoli,“ mas ſich anf Turkeſtan bezöge; 
hier koͤnnte man auch annehmen, daß Tangut gefchrieben oder gemeint fel, 
was fehr richtig von Polo gefagt wäre, da der Goͤtzendienſt der Tartaren 
aus Tangut ſtammt, wie wir gefehen haben), e hanno lasciata loro legge, 
e quegli che usano in Levante tengono la maniera de’ Saraceni.“ 
Levante hat Ramufio in Oriente übertragen und dadurch ber Gegend, 
von ber bie Rebe fein foll, eine ganz andere Bebeutung verliehen; fo ſich 
felbft verwirrend meint er, er. müfle eine weſtliche Gegend fehen und 
bringt Ouchacha, das unglüdliche Ouchacha, das ihn ſchon einmal (Kap. 34) 
zu einem Irrthume verleitet, indem er die Meine Stadt ganz ungehörig 
als die Gegend bezeichnet, wohin man vorzüglich den Drientalifchen Jet 
pis (Su) führe. Daß aber unter den Tartaren, die ven Odͤtzendienſt au 
genommen, bie in Hochaſien mohnenden gemeint feien, geht ebenfo ans dem 
Sufammenhange der Schilderungen wie aus dem Thatbeflande hervor; bie 
Mongolen haben den Idoldienſt von den eroberten Ländern Tangut gu 
Ehina fammt der. üppigen Lebenswelfe biefer Länder angenommen; Im 
Weſten ihrer Herrſchaft, welcher aber von den Europäern Leyank 
(eben fo gut wie Orient) genannt wird, nahmen fie Glauben und Ge⸗ 
mohnheiten der Sarazenen an. Daß aber ben beiven ‚gelehrten Kommen 
tatoren das gar uicht aufgefallen und ber eine, Marsden, die fonderbatt 
Erklaͤrung giebt, die „relative Bezeichnung „Oeſtliche“ ſoll fich micht auf De 
Provinzen beziehen, welche wir in Bezug auf China Deftliche Tartarel 
‚nennen, fonbern auf das Land oͤſtlich vom Kaspifchen Me re,“ und be 
andere, B. B., blos fagt: „das bezieht fih auf die Mongolen bes - 
ſchak's“ und auf feine frübere Anmerkung von Duchaca verweiſt, — 
iſt ſehr zu verwundern. 


221 


gen Tiuppen und machen fie zu Gefangenen, trog aller An⸗ 
firengungen derfelben. Ihre, DBferde find fo gelenf abgeridy- 
tet auf ſchnellen Wechſel der Bewegung, daß fie auf ein ge: 
gebened Zeichen augenblidlid nad) jeder Richtung ſich wen- 
den, und durch diefe raſchen Manoͤvers find viele Eiege ger 
wonnen worden. Alles, was hier erzählt worden, ift von 
den urfprüngliden Sitten der Tartariſchen Fürften gefagt; 
‘aber heutigen Tages find fie fehr verborben 183). Die, melde 
zu Ukaka wohnen, haben ihre eigenen ®efege verlaffen und 
die Gewohnheiten der Völfer angenommen, welche Gögen ver: 
ehren, und bie, melde die öftlihen Provinzen bewohnen, Has 
ben nä die Sitten der Sarajenen angeeignet T PR). 


183) Polo fpielt wohl auf bie Eittenverberbung an, bie fih durch 
bie‘ Eroberung von China bei den Tartaren einfchlich und dieſem rauhen 
und tapferen Volke Geſchmack für die Freuden der Ruhe und bes Lurus 
belbrachte. So entnervt wurden die Mongolen, daß fie vor Ablauf eines 
Sahrhunderts durch einen Auffland ber Chineftfchen Bevoͤlkerung in ihre 
Büften zuruͤckgetrieben wurden. M. 

184) Dies iſt eine der Stellen, die ich fuͤr durchaus korrumpirt halte 
und die mir zum Beweis deſſen dienen koͤnnen, was ich in den Anmerkun⸗ 
gen 167 und 171 ausgefprochen. In der Schilderung, die Polo von ben 
Zartaren giebt, Hatte er vorzüglich die vor Augen, die er in Hochafien 
Tonnen gelernt und eine lange Reihe von Jahren zu beobachten Ge: 
Vegenheit gehabt. Bet Befchreibung der bertigen Lokalitaͤten geht er auf 
eine Schilderung der Lebensweife ver Tartaren uͤber; die Weftlihen an 
der Wolga wohnenden Tartaren waren ihm weniger befannt, fein Bater 
wnd fein Oheim hatten ihr Land burchreift, er ſelbſt war nicht dort ges 
wefen. „Die miprünglichen Eitten der Tartaren,” jagt er, „haben ſich 
Verändert und find fehr verborben;“ dies gefchah durch bie Eroberung der 
zeichen und luxurloͤſen Chinefifchen Länder im Often und des nicht minder 
verdorbenen Berfiens im Welten. In der Lateinifchen Ueberſetzung heißt 
ed auch iur: „Hae priniae Tartarorum fuerunt consuetudines., Verum 
cam iam inter varios mixti sunt populos, nonnihil a prioribus dege- 
neraverunt moribus et populis, quibus coniuncti sunt, conformes se 
fecerant.* Hat aber Polo wirklich die mweftlichen und öftlichen Länder 
“ bezefchnet, fo ſchrieb er: „Perchè guelli, che conservano in Kathai 
osservano la vita, e costumi di quelli ch’adorano gl’Idoli e hanno 
lasciata la sua legge. Quelli che conservano in Occidente osser- 


Reunundvierzigftes Kapitel. 


Bon ber Berechtigkeitspflege bei dieſen Nölfern und von einer eingebilbe: 
ten Art Berheirathung, bie zwifchen verfiorbenen Kindern verſchiedener 
Familien veranſtaltet wird. 


Gerechtigkeit wird bei ihnen in folgender Weiſe gehand⸗ 


vano i costumi de’ Saraceni.“ Doch glaube ich, es iſt Rammſio ſelbſt 
geweſen, der in Mißverſtand den Text verdorben hat; im Testo di lingus 
ſteht 8 Baldelli Boni's Ausgabe S. 51): „e ora vi dico che som 
molti i bastardi, che quegli che usano, anche adesso mantengono gli 
costumi degl’ idoli (im Cod. Pucc.: „Che quegli che usano Tuchs- 
resse mantengono gli costumi degf’ idoli,“ was ſich auf Turkeſtan bezöge; 
bier fönnte man auch annehmen, daß Tangnt gejchrieben oder gemeint fei, 
was fehr richtig von Polo gefagt wäre, da der Goͤtzendienſt ver Tartaren 
aus Tangut ſtammt, wie wir gefehen haben), e hanno lasciata loro legge, 
e quegli che usano in Levante tengono la maniera de’ Saraceni“ 
Levante hat Ramnfio in Oriente übertragen und dadurch der Gegend, 
von der die Rede fein foll, eine ganz andere Bedeutung verliehen; fo fh 
felbft verwirrend meint er, er: müfle eine weſtliche Gegend ſetzen und 
bringt Ouchacha, das nugluͤckliche Ouchacha, das ihn ſchon eiumal (Kay. 34) 
zu einem Irrthume verleitet, indem er bie Beine Stabt ganz ungehörig 
als die Gegend bezeichnet, wohin man ‚vorzüglich ven DOrientalifchen Jas⸗ 
pis (Su) führe. Daß aber unter den Tartaren, bie den Goͤtzendienſt ans 
genommen, bie in Hochafien wohnenden gemeint feien, geht ebenfo ans dem 
Sufammenhange ber Schilderungen wie aus dem Thatbeſtande hervor; bie 
Mongolen haben den Idoldienſt von den eroberten Ländern Tangnt und 
China fammt ber üppigen Lebensweife biefer Länder augenommen; im 
Meften ihrer Herrfchaft, welcher aber von den Europäern Levante 
(eben fo gut wie Orient) genannt wird, nahmen fie Glauben und Ge⸗ 
wohnheiten der Sarazenen an. Daß aber den beiden ‚gelehrten Kommen 
tatoren das gar nicht aufgefallen und der eine, Marsden, die fonberbare 
Grflärung giebt, die „relative Bezeichnung „Deftliche ſoll ſich nicht auf bie 
Provinzen beziehen, welche wir in Bezug auf China Deftliche Tartarel 
nennen, fonbern auf das Land öftlich vom Kaspifchen Me re,” und ber 
andere, B. B., blos fügt: „das bezieht fi auf die Mongolen des Kapt⸗ 
ſchak's“ und auf feine frühere Anmerkaug von Duchaca verweiſt, — das 
iſt ſehr zu verwundern. 


233 


habt 1856), Wird eine Perfon eines Raubes überführt, der 
nicht die Todesſtrafe verdient, ſo wird fie zu einer gewiſſen 
Anzahl Stockſchlaͤge verurtheilt, zu fieben, fiebenzehn, fleben- 
undzwanzig, flebenunbpreißig und fo fort bis hundert, nadı 
dem Werthe des geftohlenen Gutes und den Umftänven, die 
beim Diebftahle ftattgefunden, und Viele fterben unter viefer 
Zuͤchtigung. Wenn Einer ein Pferd oder ein andere Gut 
ftiehlt, darum er den Tod verdient, fo haut man ihn mit 
einem Schwerte durd den Baudy mitten-aus einander und 
tödtet ihn alfo. Hat aber der Dieb die Mittel, neun Mal 
den Werth des geftohlenen Gutes zu erfeßen, fo entgeht er 
aller weiteren Strafe 186). Es ift gebräuhlih, daß jedes 
Haupt einer Horde oder andere Perfonen, die viel Vieh bes 
figen, den Hengften, Stuten, Kameelen oder Rindern ein Maal 
einbrennen und fie dann auf irgend eine Weide in die Berge 
fhiden,. ohne Hirten zu ihrer Auffiht mitzugeben, und 
follte irgend eins von benfelben in eines Anderen Hesrve kom⸗ 
men, fo wird es dem, deſſen Maal es trägt, zurüdgeftellt. 
Schafe und Ziegen jedoch haben Leute, die über fie wachen. 
Au ihr Vieh aber ift groß, wohlgenährt und außerordentlich 
huͤbſch. Wenn ein Mann einen Sohn gehabt hat und ein 
anderer eine Tochter und diefe auch ſchon feit einigen Jahren 
tobt find, fo haben fie die Gewohnheit, eine Ehe zwiſchen 
dieſen Kindern zu fchließen und das verftorbene Maͤdchen dem 
verftorbenen SJünglinge zu geben; da malen fie menſchliche 
Figuren auf Stüden Papier, welche Diener mit Pferden und 


- 


186). Diefe Art Serechtigfeitspflege hat fich in ähnlicher Weiſe bis 
heute noch in China erhalten. 

2386) Diefe Umwandlung der Strafe kann mehr als eine. Korrupzion 
als ein Geſetzprinzip angefehen werben; aber eine ähnliche Regel iſt in 
anderen Ländern nicht unbekannt. In Sumatra werden Diebe nicht allein 
freigelafien, wenn fie ben doppelten Werth des geftohlenen Gutes und eine 
"Buße dem Magiſtrate begahlen, fondern aud für ven Mord wird gewähn- 
lich eine Be bentfipäbigung, d bie ſich nach dem Range des Getoͤdteten rich⸗ 
tet, fefigefeht. 


224 
anderen Thieren, Kleidungsftüde aller Art, Geld und Hausge- 
räthe darftellen, und übergeben das Alles, ſammt dein Heiraths⸗ 
kontrakte, der in befter Form aufgejegt worben, ben Flammen, das 
mit durch ven Rauch, wie fie glauben, diefe Dinge zu ihren Kin 
dern in die andere Welt uͤbergehen und. daß. fie Maun und 
Frau in gefegliher Form werden. Nach viefer Feierlichfeit 
betrachten ſich Väter und Mütter als gegenfeitig. verwandt, 
in derfelben Weife, ald wenn eine wirflide Verbindung zwi⸗ 
fhen lebenden Kindern abgefchloffen worden wire 18T). Nach⸗ 
dem id fo eine Erzählung von den Eitten und Gewohnhei⸗ 
ten ver Tartaren, wenn auch nicht von den glänzenden Tha 
ten ihres Großkhan's, der Herr ift über alle Tartaren, ge 
geben habe, wollen wir nun zu dem früheren @egenftande 
zurüdfehren, das heißt zu der großen Ebene, die wir durch⸗ 
fhritten, als wir innchielten, um die Geſchihte dieſes Volkes 


zu erzaͤhlen. 


Fuͤnfzigſtes Kapitel. 


Bon der Ebene Bargu nahe bei Kara⸗koran; von ben Sitten ihrer Be: 
wohner; von dem Ogean, ber vierzig Tagereifen davon entfernt tit; von 
ben Balken, bie es In dem Lande an ben Küften giebt, und von ber Stel⸗ 
tung d ber noͤrdlichen Geſtirne, wie fie ſich einem Beobachter in diefen 
Gegenden, zeigt. 


Wenn man Karasforan und das Altaigebivge, den Be 
gräbnißpfag der kaiſerlichen Familie der Tartaren, wie ſchon 
erwähnt worden, verläßt, fo fommt man in nörblicher Richtung 
durd ein Land, welches die Ebene Bargu genannt wird 188) 





187) Auch dieſ ſonderbare Gewohnheit Kader: fich noch in mehreren 
Provinzen China's und in der Tartarei vor, nad) ben Senguiffen von 
P. Navarette und Malcolm. 

188) Ueber die Ebene Bargu iſt fchon Anm’ 164 die Rede geweſen; 
nach der Hier von Polo gegebener Bezeichnung möchten wir wohl gerecht⸗ 
fertigt fein, wenn wir als bie große fechögig Tagereifen wnsgebehnte {m 
Norden Tiegende Ebene Bargu Sibirien annehmen. "ro 


225 


% 


und fi ſechszig Tagereifen weit ausbreitet. Die Bewohner 
derfelben werden Merfiten genannt 189), eine wilde Horde, 
die vom Sleifche gewiſſer Thiere lebt, von denen die größten 
wie. Hirfche find, und dieſe brauchen fie au zum Reiten 190), 
Auch Ieben fie von Voͤgeln, die ihre zahlreihen Seen und 
Suͤmpfe beſuchen, wie von Fiſchen. Im Eommer, wo die Voͤ⸗ 
gel ſich maufern, ſuchen fie diefe Gewaͤſſer, und da fie dann 
aus Mangel an Federn nicht fliegen fonnen, fo werden fie 
von den Leuten ohne große Schwierigkeit gefangen. Tiefe 
Ebene grenzt im Norden an den Ozean. Die Gewohnheiten 





" 189) Der Stamm der Mekriten kommt unter den Namen Merfiten 
und Marfiten gar vielfach in der Tartarifchen Gefchichte vor; ihr Rand 
War eins der erfien, welches Diehingisfhan eroberte. Mit Genauigfeit 
kann es nicht bezeichnet werben, daß es aber weit nörblich lag, Fann man 
aus einer Stelle in PHistoire gen. des Huns entnehmen, wo von. ber 
Niederlage der Naimanen und der Zerftreuung ihrer Fürften die Rede ift 
und es heißt: „Alle ergriffen die Flucht und zogen fich nach dem Fluſſe 
Irtiſch zuruͤck, wo fie ſich feſtſetzten und eine mächtige Parthei bildeten, 
die von Toctabegh, dem Khan der Merfiten; unterſtuͤtzt wurde.“ Liv. XV. 
p- 23. D'Ohſſon erzählt nach Dſchamiut⸗-Tevarikh: „Nach biefer Schlacht, 
in welcher Dſchingiskhan die Naimanen ſchlug, die fo berühmt bei den 
Bölfern der Tartarei geworben, unterwarfen fi die Stämme Tatar, 
Darban, Kataguin und Saldſchut dem Eieger; aber die Merkiten wollten 
ihrem Beifpiele nicht folgen und ergriffen die Flucht. Kutfchluf, der Sohn 
Tayang’s, zog fich zu feinem Oheim Buyuruk-khan zuruͤck, und Tufta 
(Toktabeg) fuchte daſſelbe Afyl.“ I. 90. "Die Merkiten fcheinen aus vie- 
‚ len Horben beftanden zu haben, die in ven Steppen Sibiriens ſich umher: 
trieben. Polo hat jene Gegenden wahrfcheinlih nicht beſucht und redet 
nur nach den Berichten Anderer davon. So Finnen wir annehmen, daß 
unter Merkiten bier die Nomaden Sibiriens im Allgemeinen zu ver: 
ſtehen fin. 

190) Das tft das Rennthier. Der Ausprud im Tert: „„liquali anco 
cavalcano‘* bedeutet, daß bie Einwohner auf den Thieren reiten, und fo 
wird, es auch gewöhnlich überfebt; hier muß aber entweder ein Irrthum 
von Seiten des Autors ftattgefunden haben, oder von Setten der erften 
Veberfeher; es foll bedeuten, daß fie die Thiere zum Ziehen ihrer Echlit: 
ten über den Schnee brauchen. M. — Ich Habe nicht gewagt, an der Stelle, 
die fich in allen Ausgaben und Ueberſetzungen findet, zu Inden, 


226 


und Eitten der Bewohner gleichen denen der Tartaren, bie 
befchrieben worden find, und fie find dem Großkhan unter 
than. Sie haben weder Korn noch Wein; im Sommer ja 
gen fie, im Winter aber fliehen alle Vögel und wilde Thiere 
wegen der unſaͤglich großen Kälte. Nach vierzig Tagen kommt 
man, wie gejagt, an das hohe Meer Ozean. Im feiner 
Nähe ift ein Berg, da niften viele Geier und Wanderfalken. 
Weder Menſchen nody Vieh giebt ed dort, und von Voͤgeln 
lebt nur nody eine Art da, welde Bargelaf heißt, und bie 
Falken jagen diefe und.leben von-ihnen. Erſtere find unge 
fähr fo groß wie Rebhühner, mit Schwänzen wie die Edymwal- 
ben, Krallen wie die Papageien und find ſchnell im Fluge. 
MWünfht‘ der Großkhan eine Brut Wanderfalken zu haben, 
jo fhidt er an diefen Plag, und auf einer Infel, die an 
der Küfte liegt, giebt ed Geierfalfen in folder Menge, daß 
Se. Majeftät fo viel erhalten kann als es ihr beliebt. Man 
darf nicht glauben, daß man die Geierfalfen, die von Eu 
ropa den Tartaren gefcjiedt werden, an den Hof des Groß—⸗ 
khan's bringt. Sie fommen blos an einige der Tartaren oder 
andere Vornehme in der Levante, die an die Länder der Kos 
manen und Armenier grenzt. Jenes Eiland Tiegt fo hoch 
im Norden, daß das Polargeftirn faft in fünlicher Richtung 
erſcheint. Da ih nun fo von den Gegenden in der Rad 
barſchaft des noͤrdlichen Ozeans gefprodhen habe, wollen wir 
die Länder, die näher an der Grenze des Großfhan’s Tie 
gen, befhreiben und nah Kampion zurüdkehren, von bem 
Ihon die Rede geweſen. 


227 


Einunpfünfzigftes Kapitel. 


Bon dem Königreiche Erginul, das an Kampion grenzt, und von der Stadt 
Eingut; von einer Art Stiere, die mit außerordentlich feinen Haaren be- 
deckt find; von dem Thiere, das den Mofchus Liefert, und von der Art, es 
zu fangen; von den Eitten der Einwohner diefes Landes und der 
Schönheit ber Weiper. . 


Wenn man Kampivn verläßt und fünf Tage weit nadı 
Dften reift, während welcher Zeit die Reiſenden häufig bei 
naͤchtlicher Weile von Geifterfiimmen erfchredt werben, fommt 
man in ein Königreich, das Erginul 191) heißt, welches dem 
Großkhan unterthan ift und zur Provinz Tanguth gehört. An 
der Grenze dieſes Reiches giebt es verfchievene Herrfchaften, - 
deren Einwohner im Allgemeinen Gögendiener find, mit ei- 
nigen Chriften und Turfomanen. Unter den vielen Städten 
und feſten Plägen ift Erginul die Hauptſtadt. Reiſt man 
von da nad Südoften, jo führt der Weg nad) Kataia, und 
man findet auf diefer Straße eine Etadt, Eingui genannt 192), 

191) ang-tfchen, 370 59 N. Br., 13° 40° 30” W. L. von Befing, 
d. i. 100° 22° D.8, von Paris. Grginul bei M. Polo (Klaproth Journ. 
Asiat. IX. p. 301), welches feineswegs nach Marsden's Grflärung gleich: 
bebeutend mit Kofo-Nor fein kann. Tiefe Stadt ift uns hier nur durch ihre 
Lage als dritte große Feſte an der Großen Mauer wichtig, weil fie als 
folche feit ältefter Zeit als einer der Paflageorte laͤngs berjelben hin ftets 
genannt wird, und dadurch ſtets erfennbar, wenn fie audy fremde, uns 
fonft unbefannte Namen führt. Nach dem Reifeberichte des Generals ver 
Tang (in $. 940) Liegt die Stadt am Weſtufer des Steppenflufies Pe: 
thing, der gegen Norben abfließt, 45 geogr. Meilen (500 Li) im ©. O. 
von Kant:fheu. M. Polo, der von Kantsfchen gegen S. O. reifte, brauchte 
fünf Tagemärfche, wie er fagt, um in das Gebiet von Erginul zu kom⸗ 
men. Bon bier, fagt er, ging füboftwärts die Straße nach Si-ning 
(Singui) und nad China. Es iſt dies ganz richtig diefelbe große Ein- 
gangsftraße nach Echen:fi, über die Reſidenz Si-ngan-fu, welche Dfchin- 
giskhan Furz vor dem Tode feinen Feldherren zur Erreichung der großen 
Beute, die fie in China erwartete, anpries. Ritter II. 225 f. 

192) Im Norden des. Flufies Hoang=ho liegt in geringer Berne im 
äußerften Weſtdiſtrilte ber Provinz Kan⸗ſu die Stadt Si⸗ning, das iſt das 

15 * 


232 


Zweiundfünfzigftes Kapitel. 


Bon dem Lande Egrigata und der Stadt Kalacia; von ben Eitten ihrer 
Einwohner und dem Kamelot, der dafelbft gefertigt wird. 


Wenn man’ von Erginul geht und oͤſtlich adıt Tage weiter 
reift, fo fommt man in ein Land, welches Egrigaia heißt 199), 


dort ein Baar Meilen im Oft von Kaminiec Podolski unter dem Namen 
bes Trajanwalles ganz fürzlich von F. Dubois erſt entdeckt werben mußte.“ 
Ritter II. 296 f. Noch einen Grund koͤnnte man für Polo's Ueberfehen 
ber Großen Mauer anführen; fie war von ben Ehinefen gegen bie Ein 
fälle der Tartaren errichtet, dieſe hatten fie. aber unter Dſchingiskhan und 
feinen Nachfolgern bei dem Heereszuge gegen China und bei ver Grobe 
rung dieſes Landes durchbrochen; bie ungeheneren Armeen hatten wahr 
fheinlih die Mauer weithin eingerifien und in Schutt gelegt. China war 
dem Mongolenreiche einverleibt, die Große Maner demnach gegen bie Herren 
des Landes nichts nuͤtze; fie mußte alfo unter der Mongolenherrſchaft gan 
in Berfall gerathen und faſt zu Grunde gegangen fein. Erſt fpäter, als 
bie Chinefen die Mongolen verjugten, mag fie gegen zum fürchtende (in 
fälle derfelben unter der Mingdynaſtie wieder hergeftellt worden fein. 
199) Weder die Namen Egrigaya, Cggaya oder Egregia, noch Ku 
lacha, Calacia oder Colatia find auf einer der Karten, die als Altteritds 
ten zitirt werben koͤnnen, zu finden. M. — Bon Erginnl reift Polo 
in acht Tagen gegen N. DO. nach Egrigaia, eine Provinz Tanguts, deren 
Hauptſtadt Calacia Heißt. Genauer befchreibt er den Weg dahin nich, 
aber aus dem Reifebericht des. Chinefifchen Generals der Tang vom Jaht 
940 ergiebt ſich, daß diefer Weg (über 400 Li, alſo über 30 geogr. M. 
weit) fih wohl in der kürzeren Diagonale in bier Zeit durch den für 
lichften Vorläufer der Sandwuͤſte zuruͤcklegen läßt,’ ein Weg, der in neue 
ren Jahrhunderten ungebräuchlich geworben zu ſein fcheint: Mus feiner 
folgenden Befchreibung von Tenbnf hat Klaproth unwiderleglich dargethan, 
daß dieſes Egrigaia nicht im MWeften der Müfte Gobi gefucht werben - 
darf. Doch bleiben ung die Namen, welche nur allein der Benezianer 
bier gebraucht hat, immerhin räthfelhaft. R. — Ninghia (Reſidenz ber 
Hin), Hingstfheu, Egrigaia, unter 38° 32 40 N. Br. 109 21. ME 
von Pefing, nach Kalfer Kang-hi's und feiner Ajtronomen Berechnung 
361 geogr. MI. (2150 Li) im Weft von Pefing. Es liegt anf dem We 
ufer des Hoang-ho, der bier fehr breit, tief und eben fo trübe if} mie 
weiter unten, von großen Barken befchifft. In einer großen Ebene fließt 


229 


Burgen find 193), die ebenfalls zu Tanguth und zur Herr—⸗ 
ihaft des Großkhan's gehört. Die Bevölferung dieſes Lan⸗ 
bes bejteht hauptfädhlid aus Goͤtzendienern, doch giebt es aud) 
einige Mahometaner und Chrijten. Hier findet man viele 
wilde Rinder, die an Größe den Elefanten gleichen; fie find 
von Farbe fehr ſchoͤn weiß und ſchwarz. Das Haar liegt 
auf allen Theilen des Körpers glatt nieder, ausgenommen 
auf den Edhultern, wo es beinahe bis zur Höhe von drei 
Spannen aufiteht. Diefed Haar oder vielmehr dieſe Wolle 
it weiß und zarter ımb weiher ald Seide 192), Marco 
Polo brachte einige von diefen Thieren nad) Venedig als eine 
bejondere Merfwürbigfeit, als welde fie von Allen, die fie 
fahen, betrachtet wurden. Biele von diefen Rindern, die wild ' 
gefangen worden, hat man gezähmt, und die Race, die von 
ihnen und der gewöhnliden Kuh erzeugt worven, find gar 
edle Thiere und. befier geeignet zu Beſchwerden als irgend 
eine andere Art. Cie werden gewöhnt, ſchwere Laften zu 
tragen und zweimal fo ‚viel Arbeit in der Wirthfchaft zu vers 
richten als es die gewöhnliche Gattung thun kann; fie find 
thätig. und rüftig. In diefem Lande wird auch der fdhönfte 
und Foftbarfte Moſchus erzeugt199). Das Thier, weldes 
ihm liefert, ift nicht größer als eine Ziege, ähnelt aber an 
Geftalt der Antilope. Sein Zell ift gleid) dem ver Ziege, 


193) Diefe vielen Burgen und feften Plaͤtze ergeben fich aus ber 
wichtigen Sage und bergigen Befchaffenheit des Landes. 
194) Das ift der Tangutiſche Büffel, der DaE mit langem Seiven: 
haare, ben der Benezianifche Neifende, defien Bericht Tange für Fabel ge: 
halten wurde, wie den Rhabarber zuerft als Augenzeuge befchreibt. Die 
Groͤße hat Polo übertrieben; Turner fagt, der Daf fei fo groß wie ein 
Englifcher Bull, aber wegen der reich herabhängenden Maffe von Haaren, 
mit denen er bebedt ift, fcheint er „ein fehr großer Bull“ zu fein. Er 
wird durch den Namen bos grunniens bezeichnet und gehört nur dem höch- 
ſten Suͤdrande Hochaſiens (Tibet) an. 

195): Es wird allgemein verſichert, daß der Moſchus aus Tibet oder 
aus dem Theile der Tartarei, der an ven Nordweſten China’s grenzt, vor: 
zuglicher fei als der, ven man in den Provinzen China’s erhält. 


234 


liegen in bemfelben, deren erfte Kalacia heißt. Die Ein 
wohner find meift Gößendiener, aber es giebt auch drei Kir 
den der Neftorianif—hen Ehriften daſelbſt. In dieſer Stadt 
werden ſchoͤne Kamelottüher aus Kameelhaar und auch aus 
weißer Wolle gewirkt, die die feinften in der Welt. find. Eie 
werden von den Kaufleuten in großer Menge aufgefauft und 


nad) vielen anderen Ländern, vorzüglich nad) Kataia, verführt. 


Mir wollen diefe Provinz nun verlafien und von einem .an- 


deren Rande reden, das nach (Nord) Oft liegt und Tenduk 


heißt. So fommen wir nun in bag Reid des Prieſters 
Zohann. 0 


1 J 


Dreiundfuͤnfzigſtes Kapitel. 


Von dem Lande Tenduk, welches von Fuͤrſten as dem Geſchlechte des 

Priefters Johann regirt und vorzüglich von Chriften bewohnt wird; von 

der Weihe ihrer Priefter, und von. einem Volksftamme, der Argon heißt 
und der mwohlgeftaltefte und beftgebilvete in allen dieſen Ländern iſt. 


Tenduk 200), das zum Reiche des Priefterd Johann ge 
hört, ift eine öftlihe Provinz, in welcher viele Städte und 








tan-Schan, am Oftufer des Hoang-ho zu lagern. Die Chinefifche Ge: 
fhichte nennt diefen Berg Leuspan in Kan-fu, der auf der Grenze ber 
drei Monarchien, der Kin oder Nordchina im N., der Sang oder Sit: 
china im ©. und Hia im W. Tag, alfo fehr bedeutend für den Fortfchritt 
des Eroberers, der an der Grenze diefer drei, die insgeſammt feinen Rad): 
folgern zufielen, das Ende feiner Laufbahn erreichte. — In der Nähe je: 
nes Berges ftarb bald nach der Eroberung Hia’s der Sieger Dichingls 
fhan. — — Daß diefes Ning-hia von M. Polo unter dem Namen Egri: 
gata genannt wird, hat Klaproth gezeigt; es war damals fchon Fabrikert 
für Teppichweberei (Zambelotti di peli di camelli) und wichtiger Markt: 
platz für Kataia, ſeitdem es durch die Mongolenherrfcher in China zu 
Chinefifhen Provinz gezogen worden war. ©. Ritter II. 160-164. 
200) Bon dem Kalfer der Tang, Hiuowztfung, wurbe gegen bas 
Sahr 750 n. Chr. Geb. die Stadt Thiante am Hoang-ho erbaut, und 
acht Jahre ſpaͤter wurde fie zu einem Kiun gemacht, d. i. zu einem ige 
des Militärgonvernements, das ſich über das ganze nörbliche Gebiet dei 


235 


Schloͤſſer find, die zur Herrſchaft des Großkhan's gehören; 
alle Fürften aus der Familie Priefter Johann's find abhängig 


jeßigen Landes des Ordos ausbreitete, wie über bie Gegend welter nord⸗ 
wärts zwifchen bem Hoang-ho und der Kette bes In⸗Schan. Es wurde 
dieſes nach ſeiner Kapitale Thian⸗te-kiun genannt und dauerte auch unter 
den folgenden Dynaſtien bis zur Mongolenherrſchaft. Dieſes Thian⸗ te: 
kiun, in der vulgaͤren Ausſprache Tendek, exiſtirt auch heute nur noch in 
Ruinen, deren Mauerreſte 15 geogr. Meilen (200 Li) im N. W. von 
Pildjoo⸗khai (Klaproth; Pilouztat nach Ab. Remufat) liegen. Diefer Ort 
iſt das alte Tchung⸗ſcheu-tſchhing der Chinefen, d. h. Waͤchterſtadt (Ville 
Gardienne) der Grenzen der Mitte. Er liegt unter 40° 38 N. Br. und 
7° W. 2. von Peling, nur in geringer Entfernung vom linfen Ufer bes 
Hoang-ho. Noch gab es zwei andere Grenzwächterftäbte, eine im Oſt, 
die andere im Weſt. — Die vulgaͤre Ausſprache dieſes Thiante, Tendek, 
iſt offenbar Marco Polo's vielbeſprochenes Tendek oder Tenduch. Dieſes 
Zenduch liegt im Lande der Tatar und ausdruͤcklich ſagt der edle Venezia: 
ner, daß ber Hoang-ho (deſſen Quellen er nicht kannte, weil ber Ko⸗ko⸗ 
Ror von ihm unbeſucht blieb) aus dem Territorium des Prieſters Johannes 
komme, um China zu durchlaufen und ſich "über Koi-gan-zu (d. i. Hoei— 
nganzfu) in das Meer zu ergießen. — Schon dieſe einzige Notiz zeigt in 
der That hinreichend, daß alle anderen Verfuche, bie Lage des Landes 
Tenzbuc zu beuten, unrichtig find. Alle Angaben Polo's beftätigen es 
aber, daß hier jenes berühmte Tenduch Liegt, das in früheren Zeiten 
weit öfter genannt und befprochen, fpäter vergefien oder ganz überfehen 
warb. Polo befchreibt es, nachdem er auf feinem Wege die drei Grenz: 
ſtaͤdte von So⸗tſcheu bis Ninghia befucht hatte, und ruͤckt vom Lande Ten: 
buch weiter gegen Oft zum Sommerlager Kublaikhan's bei Echang=tu vor. 
Er konnte alfo nicht, wie Marsden vermuthet hat (p. 187 not. 359 und 
p- 230 not. 446, vergl. unfere Note 162), feinen Weg nach China Hin- 
ein, von Eining aus direft gegen Often nad Peling genommen haben, 
woraus ſich Marsden das Stillfchweigen des Venezianers über die Chinefifche 
Mauer erklären will, die er dann nur an ihrer Suͤdſeite berührt, aber 
nicht durchgeſetzt haben würde. Tiefe Hypothefe des gelehrten Kommen: 
tators tft aber nicht nur an ſich hoͤchſt unwahrfcheinlich, fondern auch voͤl⸗ 
lig unflattgaft, da ja M. Polo, nach obigem, als Augenzeuge von dem 
Jagdſchloſſe des Kaifers zu Schang-tu außerhalb der Mauer im 55. und 
56. Kap. weitläufige Nachricht giebt. Schon um von da nach Peking und 
China zu kommen, mußte er die Mauer paffiren und hat fie unitreitig 
an mehreren Stellen gefehen. Aber unter ben Mongolen, die damals jie 
überall durchbrochen hatten, verbiente fie ein fo großes Aufhebens nicht, 





236 


geblieben, feit Cingis, der erfte Kaifer, das Land unterjochte. 
Die Hauptftadt heist ebenfalld Tenduf. Der jetzige - König 
ift ein Nachkomme des Priefterd Johann und heißt Georg 201), 


wie fpäter die Jeſuiten daraus gemacht haben, ſeitdem bie. Dymaftte ver 
Ming fie überall verftärft, verdoppelt, reitaurirt hatte und ihre Lobpreiſer 
fie als ein unwiderſtehliches Bollwerk priefen, das nur zn bald wieder 
durch die Mandſchu unnuͤtz ward. Nur erit durch die Europäer iſt biefe 
Mauer zu den fieben Wunderwerfen gezählt und zum Wahrzeichen. von 
China gemacht worden. — Das Land Tenduch Tag ebenfalls ganz anfer 
halb der Mauer, und eben baburch konnte es, wie früher ver In-Schan 
ein Afyl der Hiong-nu, fo fpäter ein Afyl anderer Voͤlkerſtaͤmme werben, 
unter denen die Schasto und die Tatar für den Verlauf der Geſchichte 
die merfwürbigften find, bis diefe dem Herrſcherſtamme der Mongolen 
weichen mußten; jene wanderten vom Weſten, biefe vom Oſten ber in 
diefes Land ein, im welchem aber beide nach dem Berlauf-einiger Jahr⸗ 
hunderte untergingen. Ihr Antheil an der Metamorfofe der Ethnografe 
and Staatengefchichte iſt dennoch Feineswegs unbedeutend geweſen. Rits 
ter II. 248 ff. | 

201) Die Refte des Kerait waren durch den Sieg Dſchingiskhaun's 
über den Vang-Khan in Togrul und die Eroberung Tenduch’s in die Heere 
der Diongolen übergegangen, und fie traten zurüd wie die anderen Ber 
fiegten. (Bgl. Anm. 165.) Aber ihre Gefchichte und Eprache weift dog 
nach, daß nach den Chroniken der Delöth (Eluth) einzelne ihrer getrenn- 
t:n Glieder unter dem Namen der Torgöt (Torgut) ſowohl noch in Kar 
tichen fißen, als auch bis unter die heutigen Kalmuͤckenhorden an die Wolge 
verfprengt find. Doch blieb die Würde, wenn auch nicht die Macht des 
Vang-khan's im Lande Tenduch zurüc und offenbar bei derfelben gedemuͤ⸗ 
thigten Bamilie, die nun durch bloßes Mißverftändnig zu geiſtli— 
ben Ehren Fam. Dies bezeugt Marco Polo's, des Augenzeugen Be 
richt, fo fehr auch dieſe Kapitel feines Werkes verftummelt fein mögen. 
Man vergleiche oben die Tertesworte. Aus diefer Angabe geht ſchon deut; 
ich genug die damals allgemeine Verwechslung des Bang ober Dang, 
i. e. Rex ober Joan, Joannes, Preste Joan, hervor, weil die Fabel wäh 
rend der Kreuzzuͤge ausgedacht in allen Köpfen -fpufte und von den Ne 
ftorianifchen Chriften, die Polo noch überall am Hoang-ho vorfand-, be 
günftigt ward. Sie mwurzelte darum: ganz befonders hier im Lande Ten: 
duch eine Zeit lang feit, weil bier in den dafelbft gebauten, feften Wohn: 
fißen zu gleicher Zeit Buddhakultus neben Neftorianifchen Zeremonien 
befonderen Eingang fanden, die in ihren Außeren Erfcheinungen frappaute 
Nebereinftimmungen zeigten und baher ftets von den Chinefifchen und an 


L 


237 


Er ift Chrift und Prieſter; der größere Theil der Einwohner 
iſt auch Ehrift. Diefer König Georg erhält fein Land als 
ein Zehn vom Großkhan, freilich nidyt die ganzen Befigungen 
des eigentlihen Priefterd ‚Johann, fondern nur einen Theil 
berfelben, und der Kaifer giebt ihm ſowohl wie den anderen 


deren Autoren verwechfelt worben find... Aber auch für Europäer febte 
fich diefer Wahn von einem Priefter. Joan hier feft, weil wirflich zu Marco 
Polo's Zeiten es dafelbft dem Minoritenpater Joan de Monte Corvino 
gelungen war, einen bortigen Prinzen, einen Nachkommen des Vang-Khan, 
den er Georg nannte, im Jahr 1292 mit vielen Neftorlanern aus 
feinem Gefolge zum SKatholifchen Glauben zu befehren. Toch ging Dice 
Hoffnung der weiteren Ausbreitung ber Kirche mit dem Tode diefes Georg 
(Georgius de Secta Nestorianorum Christianorum, qui erat de genere 
iBustri magni Regis, qui dictus fuit Presbyter Johannes de India) im 
Jahre 1299 wiever unter, denn deſſen Eohn Johannes, noch ein unmin- 
biger Knabe, gab zwar Hoffnung, ein Chrift zu werben wie fein Bater, 
aber fein Bruder, fagt der Pater, beharrte in ben Neftorianifchen Irr: 
lehren, und alle von ihm Bekehrten fielen nach des Vang-khan's Tode 
wieder in ihr Echisma zurud. Joan de Monte Corvino, der bei Khublai: 
fhan in Gnaden fiand und damals in Pefing (Khanbalifh) die erfte Chrifts 
liche Kirche mit einem Glockenthurm erbaut und 6000 Perfonen getauft 
hatte, wurde zum Lohne im Jahr 1307 vom Pabft Nicolaus V. zum ers 
ften Archi-Episcopus Cambalensis erhoben. Er mar früher als Miifie- 
naͤr der Thomaschriften vom Pabſt Nicolaus IV. a. 1288 über Perfien 
nach Indien gegangen und hatte auf dieſem Wege zuerft bie Miſſion nad) 
Ehina eröffnet. — Marco Polo nennt denfelben König von Tenduch alfo 
auch Georg und beftätigt jene Ausfage des Paters. Mit diefen Nach: 
richten hört aber auch unfere ganze Kenntniß von biefem verborgenen 
Winkel der Erde auf, und die große Lüde von da bis zur neueren Mand—⸗ 
ſchurenzeit tritt ein, wo Pater Gerbillen, der Jefuit, der erfte Augen: 
zeuge unter ben Europsern — feit Polo und Pater Joan de M. E. — 
in das alte Land Tenduch mit der Fabel des Priefters Johannes, ohne 
dies ſelbſt zu ahnen, eindringt. Und wen anders findet er bier vor, ale 
ber Angebeteten des Landes, den Stelfvertreter des lebenden und nie fer: 
benden Gottes der Hochafiaten, den der Aberglaube- und das Vorurtheil 
jener Zeit auch Heute noch für jenen leibhaftigen Priefter Johannes ge- 
halten haben würde. Es war der Kutuchtu:fama, einer der Großprie⸗ 
fer ver Mongolen, der damals, 1688, zu Khu: thu— khotun ſeine Reſidenz 
hatte. S. Ritter IL 257—259 n. fi. 





238 


Prinzen feines Haufes feine Töchter wie andere Prinzeffinnen 
der foniglihen Samilie zu Weibern. In dieſem Lande findet 
man den Stein, aus weldem die Azurfarbe verfertigt wird, 
in reiher Menge und großer Edyonheit. Hier werben gleid 
falls Etoffe aus Kameelhaar gefertigt. Das Volk gewinnt 
feinen Unterhalt von Aderbau, Handel und mechaniſchen Ar 
beiten. Obgleich der Herrihaft des Großfhan’s unterworfen, 
jo ift der König doch Chrift, wie ſchon gejagt worden, und 
it Die Regirung tes Lanted in ben Händen von Chriften. 
Unter den Einwohnern giebt es jedoch audy Gößenanbeter und 
folhe, tie dem Gebote Mahomet’s folgen. Audy giebt es 
daſelbſt eine Klaffe Volfes, tie befannt ift unter dem Ra 
men Argon 202), weil fie aus einer Mifhung von zwei Racen 
hervorgegangen find, nämlid aus Cingeborenen von Tenbuf, 
die Gögendiener jind, und aus Mahometanern. Diefe fin 
nicht allein vie ſchoͤnſten Menſchen im Lande, ſondern aud 
bie gebilvetften und gejdidtejten Handelsleute. 


Vierundfünfzigites Kapitel. 


Von dem Regirungefige ter Fürften aus der Familie Priefter Johanné, 
Og und Magog genannt; von ten Eitten der Eimwohner; von ihren Sei⸗ 
denmanufafturen und ven ten Eilberminen, bie daſelbſt bears 
keitet werten. 


In viefem Lante (Tentuf) war der Hauptfi der Regi⸗ 
rung ter Füriten, die Priefter Johann des Nordens genannt 
wurten, als jie über die Tartaren dieſes und der benachbarien 


Linder herridten, welche ihre Nachkommen bis zu dieſer 


Stunde inne haben. Der obenerwähnte Georg iſt der vierke 
Nachfolger des Priefters Johann, von deſſen Familie er als 
dad Haupt betradıtet wird. Zwei Laͤnderſtriche find dort, 


202) Ueber biefe Argon wien wir feine Aufklaͤrung zu geben. 8. 


239 


über welche fie ihre Herrfchaft ausüben; diefe werben in uns 
ferem Welttheile Og und Magog, von den Eingeborenen aber 
Ung und Mongul genannt, in deren jedem eine beftimmte 
Menjchenrace iſt. In Ung find es Gog und in Mongul 
Tartaren 203). Wenn man fieben Tage durch dieſes Land 


203) Diefe Stelle, wie fie hier fteht, iſt gänzlich unverftändlich und 
man muß annehmen, daß die Worte unferes Autors mißverfianden und 
verberbt worden find, obgleih mir nicht im Stande find, fie auf ihre 
richtige Bedeutung zurüdzuführen. Cie follten augenſcheinlich den Unter: 
fchied der beiden Racen, aus denen die Unterthanen Ung-fhan’s bejtanden, 
erflären, nämlih Mongolen und Turks, denen in fpäteren Seiten die all: 
gemeinen Namen Tataren ober Tartaren auefchließlich gegeben wurben: 
eine Bezeichnung, bie ungeachtet der bezeichneten Verſchiedenheit der 
Sprache undeutlich geworben tft durch die Bermifchung der Etämme un: 
ter einer und berfelben Herrfchaft; denn durch ven Ruhm und Glanz, wel: 
chen die unmittelbaren Nachfolger Dſchingiskhan's erhielten, beeiferten ſich 
die verfchievdenen anderen Horben, ſich auch ale Mongolen zu befennen 
and zu nennen, während es auf ber anderen Eeite befannt ift, daß die Chi: 
nefen ohne Unterfchieb den Namen Tata ober Tartaren auf alle zuſammen 
anwandten. — Bemerkt muß werden in Bezug auf die biblifchen Namen 
Og oder Gog und Magog, daß fie, unfer Autor als diefen Völfern un- 
geeigneter Weiſe von den Europäern zuertheilt erwähnt und nicht als Be⸗ 
nennungen, bie in bem Lande gäng und gäbe wären, bezeichnet. Don 
den Arabern und Perfern, welche die Namen Yajuj und Majuj ausipre- 
den, werden fie anf die Bewohner der Berggegenden am norbweftlichen, 
Ufer des Kaspiſchen Meeres oder die alten Efythen angewendet, gegen 
deren ränberifche Einfälle der fefte Wall von Derbend und’ die ganze Fe: 
fungslinie, die von ihm ausging und als übernatürlihes Werk betrachtet 
wurde, in alten Zeiten errichtet worden. Doch find auch andere Gegen: 
den tiefen wandernden und gefürchteten Völkern von den Orientalifchen 
Shhriftftellern im Mittelalter zugewiefen worden; fo werben fie von ei⸗ 
nigen in die nördlichen Gegenden der Tartarei verfehlt. „Die Gog und 
Magog oder vielmehr Jajuje und Majuje der Orientalen,” fagt Rennell, 
„ſcheinen ziemlich die Stelle der Hyperboraͤer des Ptolemäus und der Roͤ⸗ 
mer einzunehmen. Don den Morgenländifchen Echriftftellern ift Edriſi 
am ausführlichfien über diefes Volk. Ibn al Wardi iſt allgemeiner, und 
Abulfeda ift zu allgemein, als daß er verflanden werden koͤnnte. Edriſi 
jet das Land Jagog und Magog (wie fein Maronitiſcher Ueberſetzer es 
ſchreibt) über die der Turk's und Kalmüden hinaus und vehut es bis zum 


:240 


reift, kommt man in öftliher Richtung, nah Kataia zu, an 
vielen Stäbten vorbei, die von Goͤtzendienern, wie von Ma: 
hometanern und Neftorianifchen Chriften bewohnt werden. Eie 
gewinnen ihren Lebensunterhalt von Handel und Gewerben. 
Da fertigen fie ſchoͤne goldene Gewebe,. die mit Perkmutter 
verziert find, und Seidenzeuge verfchiebener Art und Farbe, 
nicht ungleich denen in Europa, zugleich mit vielen wollenen 
Tuͤchern. Dieſe Leute ſind alle dem Großkhan unterthan. 
Eine der Staͤdte, die Sindichin heißt, iſt beruͤhmt wegen Ver— 
fertigung aller Arten von Waffen und jeder Gattung von Dingen, 
bie zur Ausruͤſtung von Truppen noͤthig find. In den ber 
gigen Gegenden des Landes liegt ein Platz, der Idifa heißt, 
bei welhem reidye Eilbergruben find, aus denen man eine 
große Menge dieſes Metalld gewinnt. Aud für die Jagd 
ift es ein vorzüglices Land 20%), 


nördlichen Ozean Hin, den er, wie es ſcheint, als in nicht großer" Ent 
fernung nörblih über die Grenzen feines fiekenten Klima’s fich dachte.” 
Geogr. System of Herodotus, p. 152. M. — Welche Lefer fich aus 
führlicher über den Gegenftand unterrichten wollen,’ verweifen wir auf die 
folgenden Eeiten des genannten wortrefflichen Werks; über die Tata, Tars 
tar, Turk und Mongslen fehe man Ritter II. 274—283. 

204) Die Stadt Khukhu⸗khotun oder Kueichuastfchhing der Chinefen 
(40° 49° 20” N. Br., 4° 45° 15° MW. L. von Peking) liegt etwa 15 
geogr. M. in NR. W. des Thores Scha⸗hu⸗keu; In einer 3-.bis 4 Stunden 
breiten Pläne nähert man fih ihr von DO. nah W., gegen S: W. um 
©., alfo gegen den Hoang-ho zu ift diefe Ebene ımabjehbar, gegen S. O. 
aber erheben fih nach der Mauer zu nur Hügel; die Chene felbft war 
(nach Pater Gerbillon im Sahr 1688) an mehreren Steflen bebaut um 
hier und da Tagen Feine -Dorffchaften aus fieben bis acht Erbhütten be 
ſtehend. Nur eine Meile im S. O. der Stadt liegen bie Ruinen einer 
alten, aus ben Zeiten der Mongolendynaftie erbauten Etadt, an einem 
- Zubache des Turguen. — So liegen nut fieben 'geogr. Meilen abwärts 
von Khu⸗khu-khotun, zwifchen zerftreuten Aedern und Dörfern, die Reſte 
einer zweiten alten Mongolenftadt aus ber Zeit der Dynaftie der Duen, 
unter welcher überhaupt diefe Gegend fehr aufblühte, worüber uns jedoch 
leider die beftimmten Namen und Daten in ihren Gefchichten bis jep! 
fehlen. Der große Kublaikhan nahm hier hoͤchſt wahrſcheinlich öfter ſei⸗ 


241 


Fuͤnfundfuͤnfzigſtes Kapitel. 
Don der Stadt Cianganor (Schanganor); von verſchiedenen Arten von 


Kranichen und von Rebhühnern und Wachteln, die anf Befehl des Groß: 
khan's in dieſen Ländertheilen gepflegt werben. 


Wenn man die letterwähnte Stadt und das Land ver 
läßt und drei Tage weiter reift, Tommt man an eine Gtabt 


nen Aufenthalt, und M. Polo hat wohl ohne Zweifel über Ning-hia und 
diefe Landichaft, die er Tenduch nannte, feinen Eingang zur Reſidenz 
feines Maͤzen's nach Pestfchell genommen. Pat. Gerbillon begleitete ven 
Kaifer Kanghi durch diefe weite fruchtbare Ebene und die Thäler am. 
Hoang-ho, wo er noch mehrere Staͤdteruinen fand. So fah er in einem 
fehr fruchtbaren und des Anbaues fählgen Thale, welches ver Zufluß des 
Hoang=bo, der Uan-muren, bilvet, die Ruinen einer Stabt, Mlan:palaffon 
genannt, Hung=tfching bei ven Chinefen. Don da gegen Oft find nur noch 
fieben bis acht geogr. MI. bis zum Mauerthorte Echa-hu-flu. Dennoch 
ward biefe Mongolenftadt, wie fo manche andere, für Lamadiener mit 
Klöftern und Pagoden oder zu Sommerrefivenzen und Iaghfchlöffern, gleich 
anderen, weftwärts bis zum Hoang-ho hin, an der Außenfelte der Mauer 
im fühlen Suͤdrande des Hochlandes erbaut, wie dies auch Polo an meh: 
reren Stellen audentet. Zerftört wurden fie alle in ven Kriegen, welche 
den Sturz der Yuen und ihre Vertreibung aus China durch die Ming: 
dynaſtie traf, und auch von den Pagoden find nur Nefte übrig geblieben, 
weil bie Anhängen der Ehinefifhen Götter zugleich ven fremden, von ven 
Mongolen fo fehr gehobenen und vermehrten Stand ver Lamapriefter ſammt 
dem Bubbhakultus zu verdrängen fuchten. — In diefe Gegend ber Staͤdte⸗ 
ruinen fällt M. Polo’s Weg, den er vom Lande der Tenbuch gegen ben 
Dften nad dem Tfahan:Nor und Schan⸗tu, den Fatferlichen Jagdſchloͤſſern 
damaliger Zeit beſchreibt. Da lagen auch die Staͤdte Eindihin (Sindiein 
und Sindacin) und Idifa (Ydifu?) Noch iſt es nicht gelungen, mit Be: 
fimmtheit die Lage und den wahren Namen der Stadt Eindidhin, ber 
'wahrfcheinlich durch die Abfchreiber verborben ift (Eindichin für Hungs 
tfehing oder Hung⸗chin wäre vielleicht möglich), zu ermitteln; eben jo wenig 
ift uns dort etwas von einer Silbergrube feitvem befannt geworben, doch 
macht dies Bolo’8 Bericht darum keineswegs zweifelhaft, und nach Klap⸗ 
roihs Unterfichung (f. die früheren Anm.) ergiebt fich mit Beftimmtheit, 
daß Tenduch Fein anderes Land, als das von Ritter (II. 228- ff.) befchries 
bene an ber Hoang-ho- Wendung, am Turguen und ber Umgebung von 
Khu⸗khu⸗khotun fein kann. S. Ritter 228248, 


14 


242 


Cianganor, welches „weißer See“ bedeutet 205). Bei dieſem 
Pape hat der Großkhan einen Palaft, den er fehr gern be 


%05) Diefes Cianganor, nach Polo's eigener Efflärung der Weihe 
Eee (che vuol dire Stagno biancho) ft der. Tfahan-Nor (Chahan Nor 
bei den Sefulten), anperhalb der Mauer, an der Kiachtaftraße auf dem 
Suͤdrande des hohen Blateau’s der hohen Gobi, wo Tfahan-Balgafin, die 
Weiß⸗Stadt, in der Nähe älterer Verfchanzungslinien der Mongolenzeit 
liegt (Ritter IL 120 ff.). Ans der Schilderung, die uns Pat. Gerbillon von 
den Sagbbeluftigungen der Mandfchuren am etwas nörblicher gelegenen 
Taal:Nor, einem ganz ähnlichen Eteppenfee des Hochlandes, als Augen: 
zeuge hinterlaffen hat (1689), wirb uns der Bericht des Venezianers aus 
früherer Zeit ganz anfchaulich. - Am Tfahan-Nor, drei bis vier Etunden 
im Umfange, am Norvabhange des Petfchaberges, etwas nördlich vom 
430 N. Br., kampirte die Chinefiiche. Embaſſade, die im Jahr 1689 zu 
ven Verhandlungen des Grenztraktats in Nertfchint von Peling über das 
Hochland ausgezogen war, und überließ fih an biefem und dem benad; 
barten Taal:Nor demſelben Hauptvergnügen diefer Nomadenvoͤlker. Der 
Tfahanfee war voll Enten und Echwäne; die zufammengeflappten, auf 
Kumeelrüden transportirten Kähne wurden hier abgeladen und auf ben 
See gefeht, um zum Fifchfang und zur Vogeljagd zu dienen. Dann z0g 
man weiter zum nahen noch größeren Taalfee. Es ivar der fchönfte, hei⸗ 
tere, blaue Himmel (27. Juni 1689); bei der Brunnengrabung im Lager 
ber Steppe fand man in der noch nicht aufgethauten Erde noch große Eis: 
ftäde. Der Taal:Nor, von mehr als zehn Meilen Umfang, bot noch ein 
größerers Jagdrevier dar. Diefer Eee ift eiwas falzig, fehr feicht, von 
Sandboden und Echilfrohricht umgeben; die außerordentlich reiche Fiſch⸗ 
brut dieſer Eeen zieht unendliche Echaaren von MWaffervögeln herbei, En: 
ten, Gaͤnſe, Schwäne und viele andere Arten, fo daß Fifchfang und Bo: 
geljagd hier eine reiche Quelle der Nahrung für die Wüflenbewohner fein 
fönnen. In drei Bis vier Nepzügen fing man am 27. Juni über 300,000 
Fiſche, alle von einerlei Art, eine Karpfenart, unter ein Fuß Länge, hin 
reichend, um die 6.bis 7000 Mann zu nähren, welche bie. Suite biefer 
Embafjade ausmachten. In der Nähe diefer Seen zeigte man dem Sefnis 
tenpater eine in Belfen gehauene Pagode des Fo mit Idolen, darin noch 
Kiften mit. Mongolifhen Schriften ftanden; wahrfcheiulich Lamagebete auf 
langen Papierftreifen. Vor der Felspagode Tag ein großer weißer Mar: 
morftein, zehn bis zwölf Fuß hoch, vier Fuß breit, mit Sfulpturen von 
Drachen zur Eeite und einer fehr lesbaren Chineftfchen Inſchrift, aus 
beren Entzifferung Gerbillon’s fi ergab, daß ein angefehener Chinefifcer 
Mandarin diefe Pagode dem Fo zu Ehren erbaute, zur Seit, da mar 


243 


ſucht, weil er von Eeen und Strömen umgeben ift, in wel⸗ 
hen fih Schwäne aufhalten, und von Ebenen, wo man Kras 
niche, Faſanen, Rebhuͤhner und andere Vögel in großer Zahl 
antrifft. Er findet fein hoͤchſtes Vergmügen in- ver Jagd mit 
Geierfalfen und Sperbern, denn es giebt hier Wild in reicher 
Fülle. Don Kranihen zählt man hier fünf Arten. Die 
erfte Gattung tft ganz ſchwarz wie Die. Krähen und hat lange 
Flügel. Die zweite hat nod längere Flügel ald die erfte, 
ift aber weiß und die Slügelfevern find voller Augen, vie 
rund find, wie die der Pfauen, aber von glaͤnzender Gold- 
farbe; der Kopf ift roth und ſchwarz und zierlich, der Hals 
iſt ſchwarz und weiß und es iſt in Allem ein gar huͤbſcher 
Vogel. Die dritte Art iſt von der Groͤße der unſerigen in 
Italien. Die vierte ſind kleine Kraniche, deren Gefieder nied⸗ 
lich mit Roth und Azur geftreift if. Die fünfte ift grau, 
mit roth und ſchwarzem Kopf und fehr groß. In der Nähe 
diefer Stadt ift ein Thal, weldes von Rebhühnern und Wadıs 
teln in großer Menge befucht wird, zu deren Futter der Großkhan 
Hirfe, Buchmweizen (Panifum) und andere Körner, die folden 
Vögeln zufagen, in jeder Jahreszeit. ausſaͤen laͤßt und ftrengen 
Befehl giebt, daß Niemand die Eaat angreife, damit e8 ven 
Vögeln nie an Futter fehle. Auch viele Wärter find auf 
geftellt zur Pflege des Wildes, Daß es weder gefangen nod 
ihm ein Leids gethan werde, wie auch, daß fie den Vögeln 
während .des Winters Hirfe ausftreuen, und dieſe find fo 
gewöhnt, auf foldye Weife gefüttert zu werben, daß, fo wie 
das Korn ausgeftreut wird und der Wärter pfeift, fie fogleid 
von allen Orten her zufammenfliegen. Auch hat Ce. Ma- 
jeftät eine Menge Feiner Häufer errichten laſſen, in welden 


der Mongolendynaftie der Duen der Friede in China zuruͤckgekehrt war. 
-(Diefer Friede trat erft "ein unter Kublaithan, nach der Beſiegung ber 
Sungbyuaftie, feit dem Jahr. 1279.) Leider nahm Gerbillon keine Ab- 
ſchrift dieſes Monumente, das uns eben hier auf dem Hochlande in bie 
Zeiten Marco Polo’s zurädführt, als biefer mit dem Befleger China s die 
Sommermonate hindurch öfter am Petſcha verweilte. R. 

16 * 


244 


fie des Nachts zubringen, und in Folge diefer Sorgfalt finbet 
er bie ſchoͤnſte Jagd, wenn er dieſes Land befuht. Im Win 
ter aber, in weldyer Jahreszeit er wegen der ftrengen Kälte 
dafelbft nicht reſidirt, läßt er ſich Die Vögel in Kameelladun⸗ 
gen überall hinfenden, wo er gerade feine Hofhaltung hält. 
Wir wollen nun diefen Platz verlaffen und unferen Meg drei 
Tage weit nad) Norboften nehmen. 


Schsundfünfzigftes Kapitel. 


Bon des Großfhan’s. herrlichem Palaft in der Stadt Zandu (Schandn); 

von feinem Marftalle weißer Zuchtfiuten, mit deren Milch er alljährlich 

ein Opfer bringt; von den wunderbaren Dingen, welche die Stermbenter, 

wenn fchlechtes Weiter ft, verrichten; von den Zeremonien, welche fie in 

der Halle des koͤniglichen Palaftes veranftalten, und zwei Befchreibungen 
von Bettelmönchen und. ihrer. Lebensweife. 


Wenn man von der leßtgenannten Stadt wegzieht und 
drei Tage in norböftlicher Richtung weiter reift, Tommt- man 
an eine Stadt, Xandu genannt, die vom jest regierenden Groß⸗ 
khan Kublai erbaut worden 206). In diefer hat er einen 


206) Zandü (oder Ciandu, Echandu), der Hauptpalaft, das große Par 
rabies im Sinne der alten Perfer oder der große Thtiergarten Kublal⸗ 
khan's, lag am Suͤdabhange deſſelben Petfchaberges, alfo nicht fo. weit 
im fchon Fälteren Norden des Hochlandes, fondern in ähnlicher Lage und 
Breite wie Je⸗-hol, nur einige Tagereifen im N. W. dieſer jüngeren 
Mandfchuren: Billa. (II. 560 fagt Ritter nachträglich: „Da wir bei Angabe 
ber Lage von Mangu’s und Kublat’s Nefivenz Schang-tu.eine Stelle bei 
Remuſat Karakorum p. 43 überfahen: fo bemerfen wir bier noch, baf 
biefer Ort zuerft Loung-kang hieß und im Norden des Fluffes Luan lag, 
im N. O. von Peling, unter 420 22° N. Br., im Lande Uman oder dem 
jebigen Kortſchin; erft fpäter wurde diefe Stadt Kai-phing⸗fu [Klemenfu! 
man fehe unfere Anmerf- 21] genannt, bis fie den Namen Schangstu 
[Ciando] behielt.) Don jenem Cianganor brauchte Polo, dahin gegen 
Norboften reifend, drei Tagemärfche. Dies trifft genau mit der Gegend 
am Schangtufluffe auf D’Anville's Karte zufammen, dem erflen Stepper 


245 


Palaſt von. Marmor und anderen ſchoͤnen Steinen errichten 
laſſen, der eben fo bewunderungswuͤrdig ift wegen der Präd- 


flufje anf jenem erflen Norfufle des hohen Steppenlandes, der vom Thore 
Kupe⸗Keu direft nordwaͤrts zu jenem TaalNor führt. „Hier,“ fagt P. Ger: 
billon, „liegen noch bie Ruinen jener alten Stadt Schangtu (Chantou), wel: 
de die Sommertefivenz der Yuen war. In der Nähe find warme Quel⸗ 
len, boch nicht fo heiß, wie die etwas weiter gegen N. O. am Fuße bes 
Petfchaberges. Hier hielten wir unfer Lager gu Cabaye. Hier in der 
Nähe war ein großes Iagdrevier und einige Tagereifen weiter im Nors 
den war das Sefllager errichtet, wohin der Kaiſer Kang-hi die Verſamm⸗ 
lung der Prinzen ber Khalfas:Mongolen ausgefchrieben hatte...” Leider 
ließ fich der Jeſuitenpater auf Feine genauere Befchreibung ber Ruinen 
der Sommerreſidenz Schang:tu ein, bie er jedoch eine Stadt nennt, wo⸗ 
mit (oittä) fie auch fchon Polo bezeichnete. Am eine Vorftellung von dem 
wilden, großartigen Leben in folchen Falferlichen Sommerlagern der Be: 
berrfcher eines. Weltreiches, wie jenes des Kublaifhan war, der von Bags 
dad am Eufrat und von der Wolga bis zum Amur und Korea, ſuͤdwaͤrts 
bis Tongfing, Tibet und Kaſchmir herrfchte, zu erhalten, braucht man 
nur die Beichreibung der Zeremonien, Schmaufereien, Aubienzen, Re: 
viren der Truppen, Wettrennen, Jagden von jenem Huldigungofeſte ber 
neuen Khalfasvajallen unter Katfer Kang-hi auf dieſem Hochlande zu Te: 
fen, um ſich dadurch feine Einoͤden zu beleben und den Einfluß, den es 
auf feine Bewohner und Beherrfcher von jeher ausgenbt hat, im ganzen 
Umfange zu vergegenwärtigen, was dem feftfigenden, häuslichen Euros 
päer fo felten gelingt. — Die Gefchichte beftätigt es uns, daß die Mon: 
golifchen Eöhne des rauhen Hochlanves die ſchwuͤle Hitze des tiefen Chi: 
na, eben fo wie die Mandfchurifchen Völker, nur immer mit Beſchwerde 
ertrngen und oft zu ihrem großen Nachteile darunter litten. Daher der 
Gebrauch ihrer Hersrfcher, jährlich die heißen Monate auf dem Hochlande 
zuzubringen. Auch ſchon die Nordreſidenz Peking (Denfing jener Zeit) 
zogen fie den fünlichen Refivenzen vor, und kaum Hatte Kublaifhan feine 
Eroberung Suͤdchina's beendigt (1280), als er nach dem Norden China’s 
zuruͤckkehrte. Die Hauptreſidenz hatte damals den Titel Echang-tu, weil 
dies fo viel als die Erfte Hofhaltung, die Hohe Pforte hieß. Aber weil 
fowohl Peking wie Kat:fang-fu die Staͤdte, als auch dieſe Sommerreflvenz 
fo titulirt wurden, fo find daraus wohl manche Mißverftänbniffe (f. De 
Guignes) hervorgegangen. Aus ben Stellen bei Mailla Hlist. gen. de la 
- Chin. IX. p. 412 und 570 ergiebt fich jedoch mit Beftimmtheit, daß hier 
nicht von dem großen Reſidenzen im Tieflande, fondern nur von der hoch: 
liegenden Fühlen Sommerreſidenz bie Rebe fein Tann, die auch Polo be: 


246 


tigfeit feines Planes, als wegen der Kunft, mit welcher er 
ausgeführt worden. Seine eine Hauptfeite fteht nach ber 
inneren Stadt zu, die andere nad) deren Mauern, und von 
jedem Ende des Gebäudes läuft eine Mauer von ſechszehn 
Meilen im Umfange um die benadhbarte Ebene, zu welder 
man nur durch den Palaft gelangen kann. In dem Kreife 
dieſes koͤniglichen Parfes liegen reiche und fchöne Wieſen, die 
von vielen Bähen bewällert werben; darauf hegt man aller⸗ 
lei Wild, Dammhirſche, Rehe und Bode, die den Balken, 
Sperbern und anderen: Vögeln; die zur Yagb gebraucht wers 
den, zum Unterhalte dienen; die Käfige der LXegteren find auch 
in jenen Gründen. Die Zahl dieſer Vögel beläuft fih auf 
zweihundert, und der Großkhan begiebt ſich in eigener Pers 
fon wenigftens einmal die Woche dahin, um fie zu befichtigen. 
Gar häufig, wenn er in diefe Thiergärten reitet, führt er 
einen oder mehrere Leoparden 207) auf Pferden mit ſich, hin⸗ 
ter ihren Wärtern, und wenn er dann Befehl giebt, fie Ios- 
zulafien, fo erfaffen fie augenblidlih einen Hirſch, eine Geis 
oder ein. Damm, welches er feinen Falken giebt, und auf 
dieſe Weiſe amüfirt er fih. Mitten in dieſen Gärten in 
einem anmuthigen Haine hat er ein Eönigliches Lufthaus ers 
bauen laffen, das auf ſchoͤnen Säulen ruht, die vergoldet und 
bemalt find. Um jede Eäule entfaltet ein Dradje, der eben 
falls vergoldet ift, feine Flügel, während fein Kopf den’ Vor⸗ 
Iprung des Daches ſtuͤtzt, und ſeine Krallen. find zur Rechten 


ſchreibt und wohin ſowohl Kublaikhan als auch feine Nachfolger fich bes 
gaben, wo auch nach deſſem Tode die Verſammlung der Prinzen von Dſchin⸗ 
giskhan's Geſchlechte zur Wahl des neuen Kaiſer Timur (Tſchin⸗tſong) 
ausgeſchrieben ward. R. — Man vergleiche mit dieſem die Beſchreibung 
der neuen Sommerreſidenz der Chineſiſchen Kaiſer Jehol echo⸗ eul) be 
Ritter II. 132—140. 


207). Diefes Thier möchte wohl die Unze fein, viellelcht auch felis 
jubata oder ber Sagbleopard, der Fleiner ift als die gewöhnliche Leopar- 


denart, in Hindoftan Chita genannt und von den eingebornen Fürften zur 
Jagd der Antilspe gebraucht wird. 


247 


und Linfen am Getäfel ausgeftredt 208). Das Dach ift von 
Bambusrohr, das ebenfalls übergolvdet und mit fo fchönem 
Firniß übermalt ift, daß die Näffe ihm feinen Schaden thut. 
Die Bambusrohre, die dazu gebraudht werben, haben. drei 
Spannen im Umfange und zehn Klaftern Länge; man durch⸗ 
fhneibet fie von den Enden an in zwei gleidye Theile, fo daß 
fie Rinnen bilden, und mit dieſen ift das Haus gevedt; aber 
um das Dad) gegen den Wind zu fchüben, ift -jeded Rohr 
“ mit beiden Enden an den Dadıftuhl befeftigt. Das Gebäude 
wird von jeder Eeite, wie ein Zelt, von mehr als zweihun⸗ 
dert ftarfen feivenen Seilen gehalten, da es fonft, wegen der 
Leichtigkeit des Rohre, von der Gewalt ftarf wehender Winde 
umgerifien werben koͤnnte. Das Ganze ift mit folder Künft- 
lichfeit gebaut, daß alle Theile zerlegt, weggeführt und wie⸗ 
der aufgeftellt werden koͤnnen, nad) Sr. Majeftät Vergnügen. 
Diefen Platz hat er zu feiner Erholung erwählt wegen ver 
milden und heilfamen Luft, die da herriht, und drei Monate 
des Jahres hält er dafelbft Hof, nämlid im Juni, Juli und 
Auguft, und jeded Jahr am einundziwanzigften Mondestage 
in bem Testen dieſer Monate ift es gebraͤuchlich, von dort 
abzureifen und an einen beftimmten Ort zu ziehen, wo ge⸗ 
wiſſe Opfer vollbracht werden und zwar in folgender Weiſe. 
Man muß wiſſen, daß Se. Majeſtaͤt einen Marſtall haͤlt von 
ungefaͤhr zehntauſend Hengſten und Stuten, die weiß wie 
Schnee ſind, und von der Milch dieſer Stuten darf Niemand 
trinken, der nicht zu der von Dſchingiskhan abſtammenden Fa⸗ 
milie gehört, mit Ausnahme einer einzigen anderen Familie,’ 
die Boriat heißt 209), welder der Monarch dieſes ehrenpolle 
208) Der Drache mit fünf Klauen (anftatt vier bei gewöhnlichen 
Darftellungen deſſelben) ift befanntlih das kaiſerliche Eymbol und bildet 
einen wefentlichen Theil eines jeden Kleivungsftuds, jedes Moͤbels und 
jeder Verzierung, die zum Chineftfchen Hofe gehören: 

209) Boriat oder Buriat, ein Norbzweig aus dem Etanıme der Mon: 
golen, vielleicht verwandt mit den Buraͤten am Baikalfee? Marsden fagt 
in einem Nachtrage zu feinen Anmerkungen ©. 753: Es leidet feinen 





248 


Privilegium verlieh als Belohnung für tapfere Thaten in ber 
Schlacht, die in feiner Gegenwart verrichtet wurden. So 
groß aber ift die Achtung, die diefen Pferden erwiefen wird, 
daß fogar, wenn fie auf der Weide auf den Eoniglihen Wie 
fen find, Niemand es wagt, ſich vor fie hinzuftellen oder an- 
ders fie in ihren Bewegungen zu hindern. Die Sternbeuter, 
die er in feinem Dienfte hält und die tief erfahren find in 
den teuflifchen Künften der Magie, haben ausgefprochen, daß 
ed feine Pflicht fei, alljährlid am 21. Mondestage im Aus 
guft die Milh, welche von diefen Stuten genommen wird, 
in den Wind zu fprengen ald ein Opfer allen Geiftern und 
Goͤtzen, die fie anbeten, dargebracht, um fie gnaͤdig zu ſtim⸗ 
men und dem Volfe, Mann und Weib, Vieh, Geflügel, dem 
Korn und anderen Früchten der Erde ihren Schutz zu fichern. 
Deswegen beobachtet Se. Majeftät die erwähnte Regel und 
begiebt ſich an dieſem befonveren Tage nad) dem Orte, wo 
er mit eigener Hand das Mildyopfer darbringt. Bei dieſen 
Gelegenheiten entfalten dieſe Sterndeuter oder. Magier, wie 
fie genannt werben fünnen, zuweilen ihre Geſchicklichkeit in 
einer bewunberungswürdigen Weife; denn wenn fih der Hims 
mel umwölft und mit Regen broht, befteigen fie das Dad 
des Palaſtes, in welchem der Großfhan zur Zeit refibirt, und 
halten durch ihre Zauberfprühe den Negen ab und beſchwoͤ⸗ 
ren das Ungewitter; denn’ wenn ed ringsum im Lande rege 
net, jtürmt und donnert, bleibt der Palaſt felbft von den 


— — — — — 


Zweifel, daß die hier unter dem Namen Boriat angefuͤhrte Familie die⸗ 
ſelbe iſt, von der Malcolm in ſeiner Geſchichte Perſiens ſpricht: „Der 
mächtige Stamm der Byät kam urſpruͤnglich aus der Tartarei mit Dſchin⸗ 
gisfhan. Sie waren lange angefeffen in Kleinafien und eine große Ans 
zahl von ihnen focht in der Armee Bajazet’s gegen Timur.” Vol. I. 
p- 218, nota. Die Webereinftimmung diefer an und für fich geringfügigen 
Angaben Hat jo viel Aechtheit und fo viel Ueberzeugendes, daß fie bie 
Suche mehr befräftigt, als vielleicht -Beweife,. die aus viel wichtigeren 
und befannteren Ihatfachen bergenommen find. - 


249 


Elementen unangefodhten 210). Die, welde folhe Wunder 
bewirken, heißen Tebeth und Kesmir 211), zwei Klaffen von 
Goͤtzendienern, die in den magiſchen Künften -tiefer erfahren 
find ald irgend Leute in anderen Ländern. ie geben vor, 
daß. diefe Werfe durch die. Heiligkeit ihres Lebens und in 
Folge ihrer Buͤßungen gefhähen, und auf den fo erlangten 
Ruf ſich ftügend, zeigen fie fid) mit unreiner, unanftändiger 
Haltung. Sie waſchen fi nicht das Geſicht, kaͤmmen ſich 
nicht das Haar’ und leben alleſammt in ſchmuziger Weiſe. 
Ja ihre abſcheuliche beſtialiſche Gewohnheit iſt ſo groß, daß, 
wenn irgend ein Verbrecher hingerichtet wird, fie Den Leich⸗ 
nam mit ſich nehmen, fein Sleifh am Feuer röften und ver 
fhlingen212). Bon Leuten jedoch, die eines natürlichen To- 


210) ©. was Anm. 147 ©. 165 über bie Befchwörung von Unges 
wiltern geſagt worden. 

211) Dies fcheinen Indifche Dogte ober Goſeins zu fein, die aus 
Kaſchmir nad) Tibet und von da Häufig in die nörblichen Theile der Tar- 
tarei wandern. Ihre nadte ſchmutzige Erfcheinung iſt zu allen Zeiten ein 
Begenfland der Befchreibung gewefen, eben jo wie ihre Büßungen und 
Kaſteiungen. M. 

212) Die Uebereinftimmung ber Grzählung, welche unfer Autor von 
Diefer barbarifchen Gewohnheit giebt, mit dem, was wir von dem Stamme 
der Batta’s in Sumatra Fennen, welche bie Leichname verurtheilter Ver: 
krecher verzehren, iſt fo fchlagend, daß Marsden fich zu vem Glauben 
veranlagt flieht, es fei dieſe Stelle hierher aus ver Befchreibung von Sus 
matra , wo ſich Polo mehrere Monate aufgehalten, verfeßt worden und 
war das um fo mehr, wie er fagt, weil viefe fannibalifche Gewohnheit 
feitvem von feinem Reiſenden unter den Bölfern Mittelaſiens beobachtet 
worben ſei. Ich kann hier nicht mit dem gelehrten Kommentator überein; 
fimmen; ähnliche Gewohnheiten werden uns durch alte und neuere Schrift: 
fteller von einigen Völkern Hochaftens berichte. So erzählt Herodot von 
den Iſſedonern, die gegen Morgen von den Argippäern (am Ural), alfo 
nach dem Altai zu, wohnen: „Stirbt Einem aus jenem Volke der Vater, 
fo bringen ihm feine fämmtlichen Verwandten Vieh, fchlachten und hauen 
es nebft dem Tobten in Stüde, mengen das Fleiſch unter einander und 
fegen es zu feſtlicher Mahlzeit auf. Den Kopf aber ziehen ſie ab, reini: 
gen und vergolben ihn.” Bei den Mafiageten an der Morgenfeite des 
Kaspifchen Meeres werben die Greife- von ihren Verwandten gefchlachtet 


250 


des fterben, efien ſie die Leichname nicht. Außer den fchon 
erwähnten Namen haben fie aud) noch einen anderen und 
heißen Baffi213), was. fih auf ihre religiofe Sekte over 
ihren Orden bezieht, wie wir fagen würben Prediger ober 
Minoritenmönde. So erfahren find fie- in ihrer hölifchen 
Kunft, daß man fagen Fann, fie vollbringen, was fie wollen, 
und wir wollen ein Beifpiel geben, obwohl man denken wird, 
es überfteige die Grenzen alled Glaubens. Wenn der Groß 
fhan beim Mahle fist in feiner Staatshalle (wie -ausführ- 
licher im folgenden Buche befchrieben werden fol), fo iſt bie 
Tafel, welche in der Mitte fteht, zur Höhe von adıt Elle 
(braccia) erhaben und in einiger Entfernung davon fteht en 
großes Büffet, wo alle Trinfgefäße nufgeftellt find: Nun 
bewirfen fie durch ihre übernatürlidhe Kunft, daß die Flaſchen 





und mit Seife zuſammengehackt gegeſſen. Rennell fagt, biefe Gewohn⸗ 
heit ſei noch in Bengalen und anderen Gegenden herrſchend. S. Buͤrd 
Allg. Geſch. d. R. u. E. 1.224 und 292. Warum foll nicht. zu den bar 
bariſchen Zeiten der Mongolen eine gewiſſe Klaffe von Prieftern oder Jaw 
berern, bie ihren Beruf in allerlei teuflifchen und abfcheufichen Känfen 
und Gewohnheiten fuchte, in ihrer fcheuslichen Aufregung und Begierde 
Anderes zu thun und anders zu leben als die gewöhnlichen Memfchen, 
auch auf eine ſolche Gefchmadsverirrung gefallen fein? Die Gewohnket 
der Batta's auf Sumatra zeigt nur, daß die Menfchen in ihren Gewoh⸗ 
heiten in verschiedenen Ländern und zu verfchiedenen Zeiten boch Parallelen 
finden und feien fie noch fo abfchenlich, felbft der übertriehenfte Kaml⸗ 
balismus. Wir erinnern babei an die Sage von den Morgenlänbifchen 
Bampyren, welche die Gräber heimfuchen und Todte verzehren. 

213) In dem Aiyn Afbari Abulfapt’s findet ſich eine Betätigung deſſen, 
was hier von den Bakſi's oder Bakſchi's gefagt wird. ‚Unter dem Ariilel 
„Buddhalehre“ heißt es dort: „Die Gelehrten unter den Perfern uud 
Arabern nennen die Priefter diefer. Religion: Bukſhee (Bakſchi) und in Ü 
bet heißen fie Lama's.“ Vol. II. p. 157. Klaproth in feiner „Abhasb 
Iung über die Sprache und Schrift ber Uiguren“ bemerft, daß das Wert 
Bakſchi Mongolifchen Urfprungs und bie gewöhnliche Bezeichnung fir 
Gelehrte dieſes Landes fel, welche von den Ehinefen Schu genannt wer 
den. Raſchid fagt: „Obgleich es eine große Anzahl Bakſchi's giebt, Chi⸗ 
nefiiche, Indiſche und andere, fo werden bie von Tibet aa) als bie am 
 gefehenften betrachtet.“ S. 77. Anm. 


L 


251 


mit Wein, Milh oder anderen Getränfen die Becher von 
fetbft füllen, ohne daß ein Bedienter fie berührt, und bie 
Becher fliegen durch die Luft, in zehn Schritt weiter Entfer- 
nung, bis zur Hand des Großkhan's. Sobald er: fie geleert 
hat, Fehren fie zu dem ‘Plage zuräd, von dem fie gekommen, 
und das geſchieht in Gegenwart der Perfonen, die eingeladen 
find, Zeugen folder Kunft zu fein Diefe Bakſis gehen, 
wenn die Fefttage ihrer Gögen nahen, in den Palaft des 
Großkhan's und reden ihn alfo an: „Hoher Herr! Ew. Ma- 
jeftät mögen wiffen, daß, wenn bie Ehre eines Brandopfers 
unjeren Göttern nidyt gegeben wird, fie in ihrem Zorne ung 
ſchlechtes Wetter fchiefen werben, mit Brand im Korne, Bes 
ſtilenz über unfer Reid und mit anderen Plagen. Deshalb bits 
ten wir Ew. Majeftät, und eine Anzahl Widder mit ſchwar⸗ 
zen Köpfen zu gewähren, mit eben fo viel MWeihraud und 
Aloe, damit wir die hergebradhten Gebräuche in pflicytgemäßer 
Feierlichkeit vollbringen koͤnnen.“ Ihre Worte aber fpredhen 
fie nicht unmittelbar zum Großfhan, fondern zu gewiffen ho⸗ 
het Staatsbeamten, die fie ihm erft mitthellen. Wenn er 
fie vernommen, fo verfehlt er nie, ihre Bitte in Allem zu 
erfüllen. Wenn nun der Tag erjcheint, fo- opfern fie die 
Widder und verrichten die Feierlichfeit, indem fie die Brühe, 
in welcher das Fleiſch gefotten worden, vor ihren Goͤtzen aus⸗ 
gießen. — Es giebt in diefem Lande große Klöfter und Ab» 
teien, fo groß, daß fie für Feine Städte gelten Fünnten; ei⸗ 
nige derfelben enthalten wohl zweitaufend Mönde, die dem 
Dienfte ihrer Götter geweiht find, nad) den irregeführten re 
ligioͤſen Gebräudhen des Volkes 214). Diefe Mönde find in 
hefferer Weife gefleivet ald das übrige Volk; fie fcheeren 
Haupt und Barthaare und begehen die Fefte ihrer Göben 

mit der ausgefuchteften Seierlichfeit. Sie haben dabei Gefang- 
höre und brennende Fackeln. inigen von dieſer Klaffe ift 


914) Mir 2 Haben in den früheren Kapiteln fchon angebeutet, welche 
Menge von Ruinen fih noch in jenen Gegenven finden. 


‚252: 


es erlaubt, Weiber zu nehmen. Auch giebt es noch einen 
anderen geiftlihen Orden, defien Mitglieder Senfim genannt 
werden 215), die ftrenge Enthaltfamfeit befolgen und ein fehr 
hartes Leben führen, denn fie eflen nichts Anderes als eine 
Art Nudeln aus Mehlkleie, welde fie fo lange in warmes 
Waſſer tauchen, bis die mehligen Theile ſich von der Kleie 
getrennt haben, und fo verzehren fie dieſelben. Diefe Eefte 
betet dad Feuer an, und die ihr folgen, werben von ben 
anderen, weil fie nicht, wie dieſe, Goͤtzen verehren, als Eis 
matifer betrachtet. Sie fiheeren ihr Haupf- und Barthaar 
wie die Anderen und tragen hänfene Kleider von ſchwarzer 
oder dunkler Farbe; aber audy wenn der Stoff von Seibe 
wäre, würde dod die Farbe Diefelbe fein. Sie ſchlafen auf 
rohen Matten und bulden größere Beſchwerden als irgend 
ein anderes Volk. — Wir wollen diefen Gegenftand nun ver 
laſſen und von den großen und wundervollen Thaten des 
oberften Herrn und Katfers, Kublaisfhan, reden. 


215) Senfim oder Sefein, ein Wort, welches Marsden durch zwei 
Chineſiſche Silben erklärt, von denen die erſte nach De Guignes einen Briefter 
des Fo bedeutet. Aber ich halte dafür, dag, nachdem Polo von der Eefte 
Lama's und Fo's gefprochen hat, er hier von der des Tao-tfe redet, wel 
ches Doktoren der Rechte (Geſetzkundige) bezeichnet. Diefes tft eine Gi⸗ 
kuraͤiſche Sekte, die aus China ſtammt und von Lao⸗Kiun geftiftet worben 
iſt. Nach diefen muß der Weife feinen Zwed haben als Ruhe und Frie 
ven, ohne um DBergangenheit und Zukunft fih zu kuͤmmern, welche bie 
Gemuͤthsruhe fören. Ihre Priefter heißen Bonzen; aber da bie Freude 
des Lebens durch den Tob geftört wird, der befien Lauf unterbricht, fo 
befleißigen fie ſich das Geheimniß zu fuchen, Chien-Sien zu werben, d. h. 
unfterbliche Leute; darum nennt Polo die Mitglieder diefer Sekte Sen-Sim. 
(Le Comte Nouv. Mem. sur l’Etat Pres. de) la Chine, Paris 1703 
t. IIL Praef. p. 12.) B. B. 


Zweites Bud. 


Erftes Kapitel. 


1. 


Don den bewunderungswürbigen TIhaten Kublai Kaan's, des jetzt regirens 
den Kalfers; von der Echlacht gegen feinen Oheim Nayan und 
dem Siege über venfelben. 


In diefem Buche haben wir und vorgenommen, zu ſchrei⸗ 
ben über alle die großen und bewunderungswuͤrdigen Thaten 
des jebt regierenden Großkhan's, der Kublai Haan heißt. Dies 
ſes letztere Wort beveutet in unferer Spradye Herr der Her⸗ 
ren und wirb mit vollem Rechte feinem Namen beigefügt; 
denn in Betracht der Zahl der Untertanen, der Ausdehnung 
feiner Länder und des Belaufs feiner Einfünfte übertrifft ex 
ale Fürften, die je dageweſen und noch in der Welt find; 
auch iſt feinem mit foldy unbedingtem Gehorfam von denen, 
bie er beherricdht, gedient worden als ihm. Das wird fo 
beutlih im Laufe unfered Werfes erfcheinen, daß Jeder von 
ber Wahrheit unferer Verfiherung überzeugt werben wird. 

Man muß wiffen, daß Kublaifhan in’ gerader und ge- 
rechter Linie abftammt von Dſchingiskhan, dem erften Kaifer, 
und daß er mit Rechten Herr der Tariaren if. Er iſt der 


254 
ſechste Großkhan 216) und trat feine Regierung 1256 
an, im fiebenundzwanzigften Jahre feines Alters 217). & 
erhielt die Herrſchaft durd feine große Tapferkeit, feine Tu 
gend und feine Klugheit, den Abſichten feines Bruders ent- 
gegen, der von vielen der Tartarifhen Fürften und den Mit 
glieder feiner Familie unterftügt wurde. Aber die Nachfolge 
fam ihm von Rechtswegen zu. Bor feiner Thronbefteigung 
hat er freiwillig in der Armee gedient und an jedem Inter 
nehmen Theil zu nehmen gejudt. Da war er allewege tapfer 
und Fühn in feinen Thaten, aber im Urtheil und militärifchen 


216) Er war ber fünfte und nicht ver fechste Kaifer. Unſer Autor 
fheint Batu mitgezählt zu haben, der der Sohn Dſchudſchi's und der Al: 
tefte Enkel Dſchingiskhan's war, aber fein Recht in der Faiferlichen Nach—⸗ 
folge feinem Better Mangu, dem Sohne Tulut’s, abtrat. Er war zu 
gleicher Zeit ein mächtiger Fürft im weftlichen Theile des Tartariſchen 
Reihe. S. Anm. zum 45. Kap. und vergl. D’Ohsson Liv. 1I. c. V. p. 
245—254. | 

217) Kaiſer Mangu ftarb 1259 und Kubilat oder Kublai, fein Bru 
der, nunmehr der Ältefle Prinz von Geblüt, erhielt die Nachricht von 
feinem Tode in China, deffen Eroberung er begonnen. Er fchloß fehnell 
einen günftigen Srieden mit dem Kaifer der Song, worin ftipulirt wurde, 
daß Lebterer fi als einen Bafallen des Großfhan’s anfehen und einen 
jährlichen Tribut zahlen folle. Der Fluß Kiang wurde als Grenze ber 
beiden Reiche gefebt. In einem Kuriltai, zu welchem fich die Großen 
von der Partei Kublat’s In Ratzping-fu vereinigten, wurde im Juni 1260 
Kublat in einem Alter von 44 Jahren zum Großfhan aller Tartaren er 
wählt. Doch ließ fich zu gleicher Zeit Arik-Buga, fein jüngerer Bruder, 
der von feinem Bruder Mangu an der Epige einer Armee in Karaforum 
zuruͤckgelaſſen war und der feine Anhänger in den mehr nördlich geleges 
nen Laͤndern der Mongolen, namentlich auch in Schen⸗ſt Hatte, in einem 
Kuriltat, nachdem die Leichenbeifegung Kaiſer Mangu?s in feinem großen 
Ordu am Altai erfolgt, gleichfalls als Großfhan ausrufen. Doch wurde 
ver Gegenfaifer in mehreren Schlachten gefchlagen und mußte fi en: 
lich ergeben. Er ſtarb bald darauf 1266. E. D'Ohſſon II. p. 338— 
359. — Ueber Polo’s unrichtige Angabe der Jahreszahlen ift fchon die 
Rede gewefen; man weiß nicht, wie viel Echulb die Abfchreiber des Wer: 
fes dabei haben. So ift auch die Angabe des Alters Kublat’s unrichtig; 
er zähfte bei feiner Thronbeſteigung nicht 27, fondern 44 Jahre. 


255 


Geſchick wurde er als der fähigfte und weifeſte Feldherr ber 
tradhtet, der je die Tartaren zur Schlacht geführt. Don fei- 
ner Thronbefteigung an hörte er aber auf, perſoͤnlich im Felde. 
zu erſcheinen, und übergab die Leitung. ver Feldzuͤge fei- 
nem Sohne und feinen KHauptleuten, ein einziges Mal aus- 
genommen, davon die Urſache war, wie folgt. Ein gewiffer 
Fuͤrſt, Nayan, der, obwohl erft dreißig Jahre alt, Oheim von 
Kublai213), war ald Amtmann und Pfleger über viel Land 
geftellt und dadurch in Stand gefept, ein Heer von vierhuns 
derttaufend Pferden ind Feld zu bringen. eine Vorgänger 
waren Bafallen . des Großfhan’d gewefen. Getrieben je- 
doch von jugendliher Eitelfeit, da er ſich an ver Spitze ei- 
nes fo großen Heeres fah, faßte er im Jahre 1286 den Ent- 
ſchluß, feine Lehnsabhängigfeit: abzumwerfen und ſich zum Eelbft- 
herrfher zu mahen. In diefer Abfidht fandte er heimlid, 
Boten an Kaidu, einem anderen. mächtigen Fürsten, deſſen 
Laͤnder ‚nach der. großen Türkei zu lagen und ter, obgleid) 
Neffe des Großfhan’s, im Aufftande gegen diefen war und 
gar böfen Willen gegen ihn trug, weil er wegen früherer 
Vebelthaten die Etrafe fürdtete. Kaidu war fehr zufrieden 
mit den Anträgen, die Nayan ihm machte, und verfprad) ihm, 
‘eine Armee von hunderttaufend Mann zuzuführen. Beide 
Prinzen begannen nun fogleid) ihre Truppen zu fammeln, 
aber das Fonnte doc, nicht fo geheim geſchehen, daß es nicht 
zur Kenntniß Kublai’d gefommen, der, fobald er von ihrer 
Ruͤſtung hörte, Feine Zeit verlor, alle Paͤſſe, die zu den Län- 
dern Nayan’d und Kaidu's führten, befebte, um ihnen 
ale Nachricht über die Mafregeln, die er nun felbft nahm, 
abzufchneiden. Dann gab'er Befehl, mit größter Schnellig— 
feit alle Truppen zu fammeln, die in zehn Tagemärfchen von 


— u 
— — — 


218) Nicht Nayan war Kublal's Oheim, ſondern dieſer im Gegen⸗ 
theil der Großohm Nayan's, denn Kublai war ber Enkel Oſchingislhan's 
und Nayan ſtammte in fuͤnfter Generazion von Utſchuguen, einem juͤnge⸗ 
ren Bruder Dſchingiskhan?s, ab. 


256 


der Etadt Kambalu gelagert waren. Dieje beliefen fi auf 
dreihundertundſechszigtauſend Pferde, denen er ein Heer von 
hunberttaufend Mann zu Fuß beifügte, und zwar waren dieſes 
die, welche er gewöhnlich um feine PBerfon hatte, und vor 
zügli feine Falfonierer und Hofbebienten. Im’ Laufe von 
zwanzig Tagen fand Alles fertig gerüftet in Bereitſchaft. 
Hätte er die Armeen verfammelt, die zum beftändigen Schutze 
in den verſchiedenen Provinzen von Kataia beſtellt find, fe 
wären dazu nothivendigeriveife dreißig bis vierzig Tage noͤthn 
geweſen, in welcher Zeit der Feind Nachricht von feinen Ruͤ⸗ 
ſtungen erhalten und Zeit gehabt haͤtte, ſeine Verbindung zu 
bewirken und eine ſolche feſte Stellung einzunehmen, als am ge⸗ 
eignetſten für feine Plaͤne geweſen wäre. Des Großkhau's 
Abſicht war, durch Schnelligkeit, welche immer die Gefährtin 
des Sieges iſt, den Vorbereitungen Nayan's zuvorzukommen, 
ihn zu uͤberraſchen, fo Tange er noch allein ſtand, und ſeine 
Kraft um fo fihherer und wirffamer zu vernichten, als es 
fnäter thunlich waͤre, wenn ſich jener mit ‚Kaibu verbunden 219). 


219) Kublai war eben Im Begrif, eine weit Expedizion gegen Ja⸗ 
pan abzuſchicken, nachdem ſeine erſte große Flotte im Sturme gerſtrent 
und vernichtet worden, als er dieſelbe wegen der drohenden Stellung, bie 
Kaidu gegen ihn eingenommen,. abftellen ließ, ‚welcher in wechjelvollen 
Kämpfen, doch ſtets zurücgetrieben, feit zwanzig Jahren ihm. die Herr; 
ſchaft über die Tartaret beftritt. (S. D'Ohſſon IT. 450 ff.) Mehre Fir 
ſten von Dſchingiskhan's Blut weigerten ſich lange, Kublat anzuerkennen, 
unter anderen eben jener Kaidun, ber Enkel Dftal’s. Kaldu, Sohn Ku 
ſchi's, welcher Nachfolger feines Vaters werden follte, machte feine Rechte 
auf den Thron geltend, aber die Linie Oftai’s war durch Kaiſer Mongı 
ihrer Truppen beraubt worden und Kaldu konnte feine Anſpruͤche nicht 
mit ſeinen eigenen Waffen geltend machen; im Streite zwiſchen Kublai 
und feinem Bruder ſtellte er ſich auf die Seite Arik-Buga's. Nach der f 
Unterwerfung biefes Prinzen zog er fich in feine Länder am Ufer dei 
Imil zurh und fuchte einige Truppen zufammenzubringen. Mit viel 
Geiſt ausgerüftet, liſtig und unternehmend, wußte er bie Freumdſchaft Fi 
ber Fürften zu gewinnen, welche im Uluß Dfehudfcht’s herrſchteü; mil 
ihrem Beiflande machte er ſich zum Herrn der dem Imil benachbarte 
Länder, der alten Lehnsherrfchaften Kuynk's und Ofktat’s und bilpele ein 





257 


Es wird hier eine geeignete Etelle fein, in Bezug auf 
bie Armee des Großkhan's zu bemerfen, daß in jever Pros 


Heer. Als Kublai ihn fragen ließ, warım er nicht zum Kuriltat ges 
bommen, und das Verlangen auedrüdte, ihn zu fehen, ihn um Rath zu ' 
fragen, ihm Zeichen feiner Liebe zu geben, ſchuͤtzte Kaldu die gewöhnliche 
Entſchuldigung vor, nämlich die Magerfeit feiner Pferde, zeigte aber def: 
fen ohngeachtet an, daß er fich augenblicklich auf den Meg zum Kaiſer ma: 
den würde. Aber drei Jahre lang wich er unter verfchlevenen Vorwaͤn⸗ 
ben aus, fein Berfprechen zu erfüllen; darauf (1268) begann er die Feird⸗ 
feligfeiten. (Dschami ut-Tevarik; D’Ohsson II. 360 u. 361.) Der große 
Feldherr Kublat’s, Bayan, hatte im Jahre 1277 die Berbündeten Kardu's 
gefchlagen, daß fie ſich über den Irtiſch und Im das Land der Kirgifen 
zurädziehen mußten. Zehn Jahre waren ſeitdem verflofien, als der Brinz 
Katon von Neuem einen mächtigen Bund gegen den Kaiſer Kublat bil: 
dete. Er wußte die Fürften Nayan, Kadan und Singtur, welche ihre 
Linder an den Grenzen Leaotong’s und des Landes der Tfchurtfche be- 
faßen, Inden Bund zu ziehen. Ete waren be Urenfel dreier Bruͤder Dſchin⸗ 
giskhan's. Nayan hatte eine Armee von etwa hunderttauſend Mann 
(nach Mailla’s Angaben, Polo redet wohl von dreifunderttaufend Pfer⸗ 
ven, aber man weiß, daß die Mongolen bei ihren Feldzuͤgen für je- 
ven Mann mehr Pferde Hatten; D’Ohffon spricht nur von vierzigtau⸗ 
ſend Mann, ich weiß nicht, nach welchen Quellen, das ſcheint mir zu we⸗ 
zig zu fein, weil Kublat dann nicht eine fo große Armee gegen ihn auf: 
"geboten haben würde, an deren Spitze der greife Kalfer — er zühlte 75 
Jahre — fich felbit ftellte) verfammelt und erwartete die Anfunft Kaldu's, der 
ihm Hunderttaufend Mann zuzuführen verfprochen hatte. Der Kaifer, ber wohl 
wußte, wie wichtig es war, diefe Verbindung zu verhindern, befahl fel: 
nem Feldherrn Bayan „Beyen von Mailla genannt), feine Poſizion bei 
Karakorum zu nehmen, um Kaldu im Schach zu Halten, während er ſelbſt 
gegen den Verbündeten deſſelben marfchirte. Der Kalfer Hatte feine Ar: 
mee im zwei große Korps getheilt, von denen das eine, aus Chinefen 
beftehend, unter dem Tfchurtfchegeneral Liting fand, das andere, aus Mon⸗ 
golen zufammengefegt, von Yiſſu-temur, dem (Enfel des "Generals Burd- 
ſchi, der einer der erften Feldherrn Dſchingiskhan's gewefen war, befeh- 
Tigt wurde. Sie fanden die Armee Nayan’s am Fluße Leao gelagert und 
von einer großen Wagenreihe geichügt. (Mailla IX. p. 441 54) Das 
Folgende wird von Marco Polo fo ausführlich erzählt, daß es mir fcheint, 
er babe dem Feldzuge felbft beigewohnt; deshalb ift fein Bericht be: 
fonders interefjunt und beachtenswert und um fo mehr, ba Chinefi⸗ 
ſche Berichte mit ihm übereinftimmen. (Eiche Gaubil, 200. und De 
| 17 


‘ 


258 


vinz Kataia’s und Manji's 220) ald aud in anderen Thei- 
len feines Reihe ungehorfame und aufrährerifche Perſonen 
fi) befanden, die zu allen Zeiten geneigt waren, in Rebellion 
gegen ihren Herrn aufzuftehen, und deshalb war es nöthig, 
Armeen in den Provinzen zu: unterhalten, die große Staͤdte 
und ‚ausgebreitete Bevölferung hatten 221), Die Truppen . 





Guignes Liv. XVL) — Die beiden. anderen, Büren Kadan und Eing: 
fur wurden im folgenden Jahre ebenfalls beftegt, in welchen Feld⸗ 
gen die Beuermafchinen oder Kanonen (Ho=pao) mit beſonderem Erfolge 
angewendet wurben (Mailla IX. 438) und nur noch ein furchtbarer Feind 
blieb Kublai in Kaidu. Das Gebirge Kangkal und die Wüfte Gobi treun⸗ 
ten die Staaten der beiden Fürften, an der weftlichen Grenze biefer Mäfe 
waren fieben Truppenkorps aufgeftellt,. die oft inis Handgemenge mit bes 
nen. Kaldu's kamen (Dſchami ut: Tevarifh). Um befier die Grenzen zu 
verfichern, die beftändfg ven Beinpfeligfeiten dieſes Fürften ausgeſetzt was 
ren, gab der Kalfer dem General Bayan die Oberhauptmanufchaft zu 
Karakorum mit unbegrenzter Vollmacht. Doch ehe noch Bayan zur Ar: 
mee fließ, wurden bie Truppen Kublat’s unter dem Fürften Kamala au 
ber Eelenga von Kaldu, der über bie Grenzen brach, gefchlagen. Da 
hielt es der Kaiſer, troß feines hohen Alters, für nothwendig, gegen Kolon 
in eigener Perfon zu ziehen. . Er reifte von Schangtu nach der weſtlichen 
Grenze im Monat Juli 1289 ab, aber fand keinen Feind mehr; Kata 
hatte fich zuruͤckgezogen (Mailla IX. 441, Gaubil p. 210. D'Ohſſon I. 
461 2q.). Dies war Kublai’s letzter Feldzug. — Später (1293) wir 
Kaldu von Bayan total gefchlagen (D’Ohffon II. 466) und wir hören 
nichts mehr von feinen Unruhen. — Unfer Autor fommt noch einmal auf 
die Unabhängigkeit, in welcher fih Kaldu, der Aber die Mörblichen Tar⸗ 
taren (in Sibirien) geherrſcht, fo lange erhalten, im -III. 1. Bud, 48, Kap. 
zurüd. 

220) Hier iſt alfo Kataia Im befonderen Stune genommen, bas nirh 
liche China und Manji oder Mangi (Manſchi) iſt das fünliche, das fruͤhere 
Reich der Sung; über diefes letztere in ausfuͤhrlicher im 68. Kapitel bie 

fe8 Buches die Rede. 


21). Nicht allein im Tühlichen China hatte das frühere Megentenge 
ſchlecht noch zahlreiche Anhänger (denen es in einer fpäteren Zeit gelang, 
bie verweichlichten Mongolen ans dem Lande zu jagen), fondern and I 
den weftlichen und nörblichen Provinzen bes großen Mongolenreichs nah 
men verſchiedene Färften aus Kublar’s Kamille, die eiferfüchtig anf fein 


259 


waren vier ober fünf Meilen von biefen Staͤdten aufgeftellt 
und konnten einrüden, wenn es ihnen gefiel. Bei biefen 
Armeen hat der Großfhan den Gebraud eingeführt, daß fie 
jedes zweite Jahr wechſeln, und das ift auch der Fall bei 
ven Offizieren, bie .ihnen vorgefest find. Vermoͤge folder 
Rorfihtsmaßregeln wird das Volf in ruhiger Unterwerfung 
gehalten und feine Bewegung oder Neuerung irgend einer 
Art Tann da verfucht werben, Die Truppen werden nidt 
allein durch die Löhnung erhalten, die fie von den Faiferlichen 
Revenuen aus den Provinzen ziehen, fondern auch von dem 
Vieh und deſſen Mid, welches ihnen befonders gehalten wird 
md von dem fie in die. Etäbte zum Verkauf ſchicken, wofuͤr 
ſie denn im Tauſche ſolche Dinge erhalten, die ſie eben brau⸗ 
Gen. Auf biefe Weife find fie über das Land an verſchie⸗ 
denen Plägen in einer Entfernung von dreißig, vierzig und 
‚fögar ſechszig Tagereiſen verbreitet 222), Wenn‘ nur bie 
Hälfte dieſer Truppenmaffe an einem Plage. verfammelt wäre, 
jo würde der Belauf ihrer Zahl ein Wunder erfcheinen und 
allen Glauben überfleigen. 


2 | 
Als num der Großkhan fein ‘Heer in ver beſchriebenen 
Weiſe gefammelt und gebildet hatte, rüdte er gegen vie Laͤn⸗ 


der NRayan8 vor und zwar in Eilmärfden bei Tag und 
Radıt. So erreichte er ſie nach Bertauf von funfundwanig | 


Herrſchaft waren, ‚eine drohende Stellung ein, wie — * Kaldu mit 
feinen Auhaͤngern. 

322) Diefe Details, fo wahrſcheinlich an fi ſelbſt, werden, ſo viel 
mir bekannt, bei feinem anderen. Originalſchriftſteller gefunden. Es muß 
die Politik Kublal's geweſen fein, feine Tartariſchen Truppen fo ſcharf 
geſchieden zu halten als nur moͤglich, und ſtatt fie daher in den großen 
‚Städten einzuquarticen, Iagerten fie einige Meilen von biefen entfermt, 
und fo wurde wenigſteus eine Aehnlichkeit mit ihrem frägeren Hirtenleben, 
da fie von’igen Geerden umgeben waren, erhalten. M. | 

17* 


360 


Tagen, : Das Unternehmen war zu gleicher Zeit in fo-Hu- 
ger Weife angeftellt, daß weder der Fuͤrſt noch irgend einer 
feiner Anhänger etwas davon gewahr wurden; tenn ed wa- 
ren alle Wege in folder Weife bewacht, daß Jeder, der es 
verſucht haͤtte, fie zu überfchreiten, auch in Gefangenſchaft ge 
tathen wäre. Als Kublar an einer gewiffen Hügelfette am 
gefommen, auf deren anderer Eeite die Ebene war, in wel 
der Nayan's Armee Tagerte, ließ er feine Truppen Halt 
machen und erlaubte ihnen zwei Tage Ruhe. . Während die 
fer Zeit rief er. feine Aftrologen auf, ihm durch die Kraft 
ihrer Kunft zu fagen und in Gegenwart der ganzen Armee 
zu erflären, auf welde Eeite fih ver Eieg neigen ‚werde. 
Sie ſprachen aus, daß Kublai das 8008 zufallen werde. Es 
ift immer ein Herkommen bei ten Großkfhanen geweien, daß 
fie ihre Zuflucht zur Weiffagung genommen, um ihre Trup 
pen zu begeiftern 223). Vertrauungsvoll auf den Erfolg er 
fliegen fie die Berge am nädften Morgen und zeigten fid 
plöglich dem Heere Nayan’s, das fie nadläfftg gelagert fan 
den, ohne Wachen und Vorpoſten, während der Fuͤrſt ſelbſt 
in Geſellſchaft eines feiner Weiber im Zelte ſchlief. Er wurde 
gewedt und beeilte fi, feine Truppen fo gut ed moͤglich war 
aufzuftellen, klagend, daß feine Verbindung mit Kaibu nidt 
fhneller zumege gebradyt worden. Kublai nahm feinen Stand 
in einem großen hölzernen Kaftell, das von vier Elefanten 
getragen wurde, deren Leiber mit Panzern von dickem im 
Feuer gehärteten Leder gedeckt waren, über die Panzer aber 
trugen fie Deden von golddurchwirktenm Tuch. Im Kaftell 
waren nod viele Armbruft- und Bogenfhügen aufgeftellt, und 
über demfelben wehte die große Kaiferlihe Fahne, gefchmidt 
mit den Bildern der Eonne und des Mondes. Er ;ftellte 
feine Armee, die aus dreißig Bataillonen zu Pferde befland, 


— —— — — — — —n 


223) Man ſieht hieraus, daß Polo nicht fo ſehr an ‚die Zanberkhufe 
und Weiffagungen der heidniſchen Priefter glaubte und wohl: erkannte, daß 
bie Mongoliſchen Fürften ſich derſelben zur Taͤnſchung des Wolfe bebieniet 


261 


von melden. jedes Bataillon zehntaufend Mann zählte, Die 
mit Bogen beivaffnet waren, in drei großen Abtheilungen auf, 
und die, welde auf der rechten und auf der Iinfen Flanke 
ftanden, ‚breitete er in folder Weife aus, daß fie die Armee 
Rayan’s überflügeln mußten: Bor jedem Bataillone zu Pferde 
fanden fünfhundert Mann zu Fuß, die mit kurzen Langen 
und Schwertern bewaffnet waren, und fobald die Kavallerie 
eine Scheinflucht begann, ſich hinter die Reiter festen und 
fie begleiteten. Sobald fie aber zu neuem Angriffe zurüd- 
fehrten, fprang das Fußvolk herunter und töbtete mit feinen 
‚ganzen die Pferde des Feindes. Sobald die Schlachtordnung 
aufgeftellt war, begann ein unendliches Getön von allerlei 
Blasinftrumenten und darauf erfhollen Gefänge, nad; Ge⸗ 
brauch der Tartaren, beyor fie den Kampf beginnen, der auf 
ein Zeichen. anfängt, . weldyes durch Zymbeln und Trommeln 
gegeben wird. Dieſes wurde auf Befehl des Großkhan's zu⸗ 
erft auf beiten Flügeln gegeben, und dann begann eine furdt- 
bar blutige Schlaht. Die Luft war erfülli von einer Wolfe 
von Pfeilen, die auf jeder Seite niederſchoſſen, und weite 
Reiben von Mann und Pferd fah man zur Erve niederſtuͤr⸗ 
zei. Das laute Rufen und das Kriegsgeſchrei der Männer 
jufammen mit dem Getrappel: ver. Pferde und dem Geräufde 
der Waffen war fo, daß, wer es hörte, von Schrecken er- 
griffen werben. mußte. Als die Bogen losgeſchoſſen, kamen 
die feindlichen Parteien in enges Gefecht mit ihren Lanzen, 
Schwertern und eifenbefhlagenen Kolben, und es war ein 
ſolches Schlachten und folhe Haufen Leichname von: Men- 
fhen und namentlih von Pferden wurden aufgethürmt, daß 
es unmöglich war für die eine Partei, gegen: die andere 
vorzuruͤcken. Auf dieſe Weife blieb das Geſchick des Tages 
fange unentfhieven und der Sieg ſchwankte zwiſchen den beis 
den Parteien vom Morgen bis zum Abend; denn fo eifrig 
waren die Leute Nayan’s, ihres Herrn Sache zu verfehten, 
der fehr freundlich und nachſichig gegen fie war, daß fte alle 
bereit waren, eher zu fterben, als dem Feinde den Ruͤcken 


262 


zu Tehren. Als jedoch Nayan zulept bemerkte, dag er fat 
umzingelt war, fuchte er ſich durch die Flucht zu retten, wurbe 
aber alsbald zum Gefangenen gemadht und vor Kublai ges 
führt, ver Befehl zu feinem Tode gab. Und folgendermaßen 
wurde Nayan hingerichtet. Man legte ihn in zwei Teppiche, 
die fo lange hin und her gefhüttelt wurden, bis der Geil: 
fi, vom Körper gelöft. hatte. - Der Grund folder Hintik 
tung war, daß die Eonne und die Luft nicht Zeugen fein 
foltten, daß das Blut von Einem aus der Kaiferlichen Ya 
milte vergoffen wirde 22%), . Diejenigen von feinen Truppen, 
welche ven Tag überlebt, unterwarfen fih Kublai und ſchwu⸗ 
en ihm Treue. Eie waren Einwohner ber vier. edlen Pro 
vinzen Ciorza, Karli, Barskol und Sitingui225). 

Nayan hatte: ſich heimlicd, der heiligen Taufe: untermör 
fen, ſich jedoch nie öffentlich zum Chriftenthume befannt; bei 
diefer Gelegenheit hielt er ed aber für geeignet, das Zeichen 


— — — — — 


— J 


224) Dieſe eigenthuͤmliche Art, Perſonen von hohem Range, oh 
ihe Blut zu vergießen, binzurichten, finden wir mehrfach in der Monge⸗ 
liſchen und Chinefifchen Gefchichte; fie hat vielleicht Anlaß zur Anwen 
‚bang der feidenen Schnur im Türkifchen Serall gegeben. „Als der Iehte 
der Khalifen von Bagdad auf Befehl Hulagu’s hingerichtet wurde,“ en 
zahl! De Guignes, „fagen Einige, daß der Khalif erbroffelt, Andere, 
daß er in einen Sack geftedi wurde, wo man Ihn erflidie, und Viele, daj 
er in den Tigris geworfen wurde.” Liv. XV. p. 133. Es ift wahr 
fheinlih, daß er in berjelben Tarlariſchen Weiſe wie Nayan hingerich⸗ 
tet wurde. 

225) Es ,iſt nicht moͤglich, auf einer neueren Karie die Namen ble⸗ 
fer Stämme, bie. wohl ſchon Ianye nicht mehr unter dieſen Denennungen 
beſtehen, herauszufinden; bie Echwierigfeit wirb noch dadurch vermehrt. 
dag bie Namen in den verfchlevenen Ansgaben fehr Forrumpirt find. Glory 
ober Giorza und Jorza iſt ſchon Im 42. Kapitel erwähnt worden; es if der 
Theil der öftlicden Tarlarei, der’ von den Mandſchu bewohnt wird. Mareden 
muthmaßt, baß die Provinz Kortfchin darunter zu verſtehen fei, aber 6 
war bem gelehrten Kommentator unbefannt, daß die Tartaren die Mand⸗ 


ſchu Churchor Eſchutticher) nennen, wie Klaproth dem Grafen Baldelli 
Bont mittheilt. 


263 


bed Kreuzes auf feinen Bannern zu tragen 226), und er 
hatte in feiner Armee eine große Anzahk Ehriften, die unter 
ven Erſchlagenen waren. Als die Juden 227) und die Sa- 
tagenen fahen, daß das Banner des Kreuzes niedergeworfen 
war, hoͤhnten fie die Chriftlichen Leute damit und fagten: 
Seht; das fit die Lage, in welhe euer Panier und die, 
welche ihm folgen, verfeßt worden find!’ Wegen diefer Vers 
fpottung fühlten ſich die Chriften getrieben, ihre Klage bei 
dem Großfhan anzubringen, welder die Spötter vor ſich fom- 
men ließ und feharf tabelte. „Wenn das Kreuz Chrifti,‘ 
fagte er, „ſich nicht guͤnſtig der Sache Nayan's gezeigt, ſo 
war Grund und Gerechtigkeit in dem Erfolge, da Jener ein 
Rebell und Verraͤther gegen ſeinen Herrn war, und ſolchen 
Elenden darf es keinen Schutz verleihen. Keiner ſoll es da⸗ 
her wagen, den Gott der Chriſten zu verhoͤhnen, der die 
vollkommene Güte und Gerechtigkeit ſelbſt iſt.“ 


226) Kein anderer Geſchichtſchreiber ſpricht davon, daß Nayan Chriſt 
geweſen; Polo erſcheint jedoch bei dieſer ganzen Angelegenheit ſehr gut 
unterrichtet und es iſt auch hier feiner Mittheilung wohl Glauben beizu⸗ 

en. 

a Das ift die erfle Gelegenheit, daß unſer Autor die Juden in 
dee Tartarei und in China erwähnt. Daß fich viele derfelben fchon In 
früher Zeit in letzterem Sande aufgehalten, daran ift fein Zweifel. Ans 
ben Berichten ber Mahometanifchen Neifenden im neunten Jahrhunderte 
erfahren wir, daß bei dem Blutbade, welches In der Stadt Kanfu ftatt- 
gefunden, als biefelbe von einem Rebellen nach hartnaͤckiger Vertheidigung 
genommen wurde, viele Suden umgelommen ſeien. „Wohlunterrichtete 
Berfonen in der Chinefifchen Geſchichte,“ fagt Renaudot’s Ucherfegung, 
„serfichern, daß ohne die Chinefen, bie er bei dieſer Gelegenheit uiebers 
metzeln lieg, 26,000 Mahomelaner, Juden und Chriſten ober Parſi's, die 
des Handels wegen in der Stabt wohnten, umlamen.” S. 51. Die Zahl 
iR wohl fehe übertrieben. DBergl. die Anmerkungen P. Gaubil's zu 
„VAbrögs de l’histoire Chinoise de la ‚grande dynastie Tang. « Mem. 
conc, les Chinois L XV. p. 7. — M. — 


256 


der Stadt Kambalu gelagert waren. Dieje beliefen ſich auf 
breihundertundfehszigtaufend Pferde, denen er ein Heer von 
hunderttaufend Mann zu Buß beifügte, und zwar waren dieſes 
die, welche er gewöhnlich um feine Berfon hatte, und vor 
zügli feine Falfonierer und Hofbebienten. Im: Laufe von 
zwanzig Tagen ftand Alles fertig gerüftet in Bereitſchaft. 
Hätte er die Armeen verfammelt, die zum beftändigen Schutze 
in den verfchievenen Provinzen von Kataia beftellt find, fo 
wären dazu nothwendigerweiſe dreißig bis vierzig Tage nöthig 
gewefen, in weldher Zeit der Feind Nachricht von feinen Ruͤ⸗ 
flungen erhalten und Zeit gehabt hätte, feine Verbindung zu 
bewirfen und eine foldye fefte Stellung einzunehmen, als am ge 
eignetften für feine Pläne gewefen waͤre. Des Großkhans 
Abſicht war, durch Schnelligfeit, welhe immer die Gefährtin 
des Sieges ft, den Vorbereitungen Nayan’s zuvorzufominen, 
ihn zu überrafchen, fo Tange er nod allein ftand, und feine 
Kraft um fo fiherer und wirffamer zu verniditen, als es 
fpäter thunlic, wäre, wenn fi) jener mit Kaidu verbunden 219), 


219) Kublai war eben im Begriff, eine zweite Expedizion gegen Ja⸗ 
pan abzufchiden, nachdem feine erfte große Blotte im Sturme zerfirent 
und vernichtet worden, als er biefelbe wegen ber drohenden Etellung, bie 
Kaidu gegen ihn eingenommen,. abftellen ließ, ‚welcher in wechfelvollen 
Kämpfen, doch flets zuruͤckgetrieben, ſeit zwanzig Jahren ihm bie Herr: 
fchaft Aber die Tartaret beftritt. (S. D’Ohffon IT. 450 ff.) Mehre Fürs 
fien von Dſchingiskhan's Blut weigerten fih lange, Kublat anzuerkennen, 
unter anderen eben jener Kalb, der Enfel Dftal’s. Katdn, Sohn Ka⸗ 
ſchi's, welcher Nachfolger feines Vaters werben follte, machte feine Rechte 
auf den Thron geltend, aber die Linie Oftai’s war durch Kalfer Mangu 
ihrer Truppen beraubt worden und Kaidu Tonnte feine Anſpruͤche nicht 
mit ſeinen eigenen Waffen geltend machen; im Streite zwiſchen Kublai 
und feinem Bruder ftellte er ſich auf die Seite Arik⸗Buga's. Nach der 
Unterwerfung diefes Prinzen zog er fich in feine Länder am Ufer des 
Imil zuruͤck und fuchte einige Truppen zufammenzubringen. Mit viel 
Seit ausgerüftet, Kifiig und unternehmend, wußte er die Freundſchaft 
ber Fürften zu gewinnen, welche im Ulug Dſchudſchi's herrſchteũ; mit 
ihrem Beiſtande machte er ſich zum Herrn ber dem Imil benachbarten 
Länder, ber alten Lehnsherrfchaften Kuynk's und Oktal's und bildeite ei 


257 


Es wird hier. eine geeignete Etelle fein, in Bezug auf 
bie Armee des Großkhan's zu. bemerfen, daß in jeder Pro- 


— 


Heer. Als Kublai ihn fragen ließ, warum er nicht zum Kuriltar ge⸗ 
kommen, und das Verlangen ausdruͤckte, ihn zu ſehen, ihn um Rath zu 
fragen, ihm Zeichen feiner Liebe zu geben, ſchuͤtzte Kaldu die gewöhnliche 
Entſchuldigung vor, nämlich die Magerfeit feiner Pferde, zeigte aber def- 
fen ohngeachtet an, daß er ſich augenblidkfich auf ven Weg zum Kaifer ma: 
chen würde. Aber drei Jahre lang wich er unter verfchlevenen Bormin- 
den aus, fein Berfprechen zu erfüllen; darauf (1268) begann er die Feird⸗ 
feligfeiten. (Dschami ut-T&varik; D’Ohsson II. 360 u. 361.) Der große 
Feldherr Kublar’e, Bayan, hatte im Jahre 1277 die Verbündeten Kardu's 
gefchlagen, daß fle fih über den Irtiſch und In das Land ver Kirgiſen 
zurücziehen mußten. Zehn Jahre waren ſeitdem verfloffen, als der Brinz 
Kardu von Neuem einen mächtigen Bund gegen den Kaiſer Kublai bils 
dete. Er wußte die Fürften Nayan, Kaban und Singtur, welche ihre 
Linder an den Grenzen Leaotong's und bes Landes der Tfchurtfche be- 
faßen, in den Bund zu zichen. Ste waren tie Urenfel dreier Brüder Dfchin- 
gisfhan’s. Nayan Hatte eine Armee von etwa hunderttauſend Mann 
(nah Mailla’s Angaben, Polo redet wohl von breihundertiaufend Pfer⸗ 
den, aber man weiß, daß die Mongolen bei ihren Feldzuͤgen für je— 
den Mann mehr Pferde Hatten; D’Ohffon ſpricht nur von vierzigtau: 
{end Mann, ich weiß nicht, nach welchen Quellen, das fcheint mir zu we⸗ 
nig zu fein, weil Kublat dann nicht eine fo große Armee gegen ihn auf: 
“geboten haben würde, an deren Spitze der greife Kaiſer — er zihlte 75 
Jahre — fisch felbit ftellte) verfammelt und erwartete die Ankunft Katou’s, ber 
ihm hunderttauſend Mann zuzuführen verfprochen hatte. Der Kaifer, ver wohl 
“wußte, wie wichtig es war, diefe Verbindung zu verhindern, befahl ſei⸗ 
nem Feldherrn Bayan (Peyen von Mailla genannt), feine Poſizion bei 
Karakorum zu nehmen, um Katou im Schach zu halten, während er ſelbſt 
gegen den Verbündeten deſſelben marfchirte. Der Kaiſer hatte feine Ar: 
mee in zwei große Korps getheilt, von denen das eine, aus Chinefen 
beſtehend, unter dem Tichurtfchegeneral Liting fland, das andere, aus Mon 
golen zufammengefegt, von Yınu-temur, dem Enkel des Generals Burd- 
fchi, der einer der erſten Feldherrn Dſchingiskhan's gewefen war, befeh: 
ligt wurde. Sie fanden die Armee Nayan’s am Fluße Leao gelagert und 
von einer großen Wagenreihe geichügt. (Mailla IX. p. 441 sq) Das 
Folgende wird van Marco Polo fo ausführlich erzählt, Daß es mir fcheint, 
er babe dem Feldzuge felbft beigewohnt; deshalb iſt fein Bericht be: 
fonders interefjant und beachtenswerth und um fo mehr, ba Chinefl: 
ſche Berichte mit ihm übereluftimmen. (Eiche Gaubil, 200. und De 
| 17 





‘; 


258 
yinz Kataia’s und Manji's 220) ald auch in anderen Thei- 
Ien feines Reiche ungehorfame und aufruͤhreriſche Perſonen 
ſich befanden, die zu allen Zeiten geneigt waren, in Rebellion 
gegen ihren Herrn aufzuſtehen, und deshalb war es noͤthig, 


Armeen in den Provinzen zu unterhalten, die große Staͤdte 
und ausgebreitete Bevoͤlkerung hatten 221). Die. Truppen 





‚Guignes Liv. XVI.) — Die beiden anderen Fuͤrſten Kadan und Eing 
fur wurben im folgenden Jahre ebenfalls befiegt, in welchen Yelnzis 
gen die Feuermafchinen oder Kanonen (Ho=pao) mit befonderem.- Erfolge 
angewendet wurden (Mailla IX. 438) und nur noch ein furchtbarer Feind 
blieb Kublak in Katidu. Das Gebirge Kangkal und die Wäfte Gobi trenn- 
ten die Staaten ber beiden Fürften, an der weftlichen Grenze dieſer Wuͤſte 
waren fieben Truppenkorps aufgeftellt,. die oft inis Handgemenge mit be: 
nen. Kaidu's kamen (Dfehami ut: Tevarifg). Um beffer die Grenzen zu 
verfichern, bie beftändig ven Feindſeligkeiten dieſes Fuͤrſten ausgeſetzt wa 
ren, gab der Kaifer dem General Bayan die Oberhauptmannfchaft zu 
Karalorum mit unbegrenzter Vollmacht. Doch ehe noch Bayan zur Ar 
mee ftieß, wurden bie Truppen Kublat’s unter dem Fürften Kamala an 
ber Eelenga von Kaĩdu, der über die Grenzen brach, gefchlagen. Da. 
hielt es der Kalfer, troß feines hohen Alters, für nothiwendig, gegen Koton 
in eigener Perfon zu ziehen. Er reifte von Schangtu nach der meftlichen 
Grenze im Monat Juli 1289 ab, aber fand feinen Feind mehr; Kain 
hatte ſich zurücgezogen (Mailla IX. 441, Gauhil p. 210. D’Ohffen I. 
461 sq.). Dies war Kublal's letzter Feldzug. — Später (1293) wir 
Kaldu von Bayan total gefchlagen (D’Ohffon IT. 466) und wir hören 
nichts mehr von feinen Unruhen. — Unfer Autor fommt noch einmal auf 
die Unabhängigkeit, in welcher fih Kaidu, der über die Nörblichen Tars 
taren (in Sibirien) geherrſcht, „fo lange erhalten, im III. 1 u, 48. Ray. 
zurüd. 
220) Hier iſt alfo Kataia im befonderen Sinne genommen, bas noͤrd⸗ 
liche China und Manji oder Mangi (Manſchi) tft das ſuͤdliche, das frühere 


Rei der Sung; über diefes letztere iſt ausführlicher Im 58. Kapitel bie: 
fe8 Buches die Rebe. 


221) Nicht allein im fübfichen China hatte das frühere Negentenges 
ſchlecht noch zahlreiche Anhänger (denen es in einer fpäteren Zeit gelang, 
bie verweichlichten Mongolen ans dem Lande zu jagen), ſondern and is 
den weſtlichen und nördlichen Provinzen des großen Mongolenreichs nah⸗ 

men verſchiedene Fuͤrſten aus Kublal's Familie, die eiferfüchtig auf fein 


259 


waren vier ober fünf Meilen von biefen Etäbten aufgeftelit 
und fonnten einrüden, wenn es ihnen gefiel. Bei dieſen 
Armeen hat ber Großfhan den Gebraud eingeführt, daß fie 
jedes zweite Jahr wechſeln, und das iſt auch der Ball bei 
ven ‚Offizieren, die ihnen vorgefegt find. Vermoͤge folder 
Vorfihtsmaßregeln wird das Volk in ruhiger Unterwerfung 
gehalten und feine Bewegung oder Neuerung irgend einer 
Art Tann da verfuht werden. Die Truppen werben nicht 
allein durch die Löhnung erhalten, die fie von ben Faiferlichen 
: Revenuen aus den Provinzen ziehen, fondern auch von dem 
Vieh und deſſen Milch, welches ihnen beſonders gehalten wird 
und von dem ſie in die Staͤdte zum Verkauf ſchicken, wofuͤr 
ſie denn im Tauſche ſolche Dinge erhalten, die ſie eben brau⸗ 
chen. Auf dieſe Weiſe find fie über das Land an verſchie— 
denen Plägen in einer Entfernung von dreißig, vierzig und 
ſogar ſechszig Tagereifen_ verbreitet 222). Wenn nur bie 
Hälfte dieſer Truppenmafle an einem Plage verfammelt wäre, 
jo würde der Belauf ihrer Zahl ein Wunder erſcheinen und 
allen Glauben uaͤberſteigen. | 


2 | 
Als nun der Großkhan fein ‘Heer in ber befcriebenen 
Weife gefammelt und gebildet hatte, rüdte er gegen vie Laͤn⸗ 


der Nayan's vor und zwar in Eilmärfhen bei Tag und 
Nadıt. ‚© erreichte er fie nad); Berlauf von funfundewanziz 


Herrfgaft waren, eine drohende Stellung ein, wie namentlich Kalbu mit 
feinen Auhaͤngern. 

222) Dieſe Details, fo wahrſcheinlich an ſich ſelbſt, werben, fo viel 
mir befannt, bei feinem anderen. Origtnalfchriftfteller gefunden. Es muß 
die Politik Kublat’s gewefen fein, feine Tartarifchen Truppen fo ſcharf 
geſchieden zu halten als nur moͤglich, und ftatt fie daher in den großen 
. "Städten einzuguartirew, lagerten fle einige Meilen von biefen entfermt, 
und To wurde wenigſtens eine Aehnlichkeit mit ihrem felßeren birtenleben, 
da fie von ihren Heerden angeben waren, erhalten. M. 

17* 


260 


Tagen. Das Unternehmen war zu gleicher Zeit in ſo u: 
ger Meife angeftellt, daß weder der Fürft noch irgend einer 
feiner Anhänger etwas davon gewahr wurten; tenn ed wa 
ven alle Wege in folder Weiſe bewacht, daß Jeder, der es 
verſucht hätte, fie zu uͤberſchreiten, auch in Gefangenſchaft ge⸗ 
rathen wäre. Als Kublai an einer gewiſſen Hügelfette ans 
gekommen, auf deren anderer Eeite die Ebene war, in wel: 
ber Nayan’d Armee Tagerte, ließ er feine Truppen Halt 
maden und erlaubte ihnen zwei Tage Ruhe. . Während die 
fer Zeit rief er feine Aftrologen auf, ihm durch die Kraft 
ihrer Kunſt zu ſagen und in Gegenwart der ganzen Armee 
zu erklaͤren, auf welche Seite ſich der Sieg neigen werde. 
Sie ſprachen aus, daß Kublai das Loos zufallen werde. Es 
iſt immer ein Herkommen bei den Großkhanen geweſen, daß 
fie ihre Zuflucht zur Weiſſagung genommen, um ihre Trup⸗ 
pen zu begeiftern 223), Vertrauungsvoll auf den Erfolg er 
fliegen fie die Berge am nädften Morgen und zeigten fid 
plöglih dem Heere Nayan’s, das fie nadyläffig gelagert fan 
den, ohne Wachen und Vorpoften, während der Fuͤrſt ſelbſt 
in Gefellfhaft eines feiner Weiber im Zelte fchlief. Cr wurde 
gewedt und beeilte ſich, feine Truppen fo gut ed möglich wer 
aufzuftelen, Flagend, daß feine Verbindung mit Kaidu nidt 
ſchneller zuwege gebracht worden. Kublai nahm feinen Stand 
in einem. großen hölzernen Kaftell, dad von vier Elefanten 
getragen wurde, veren 2eiber mit Panzern von diem im 
Beuer gehärteten Leder gedeckt waren, über bie Panzer aber 
trugen fie Deden von golvdurchwirklem Tuch. Im Kaſtell 
waren noch viele Armbruſt- und Bogenfhhuͤtzen aufgeſtellt, und 
uͤber demſelben wehte die große Kaiſerliche Fahne, geſchmuͤct 
mit den Bildern der Sonne und des Mondes. Er flellte 
feine Armee, die aus dreißig Bataillonen zu Pferde beftand, 


— — —— 


223) Man fieht hieraus, daß Polo nicht ſo ſehr an die Zauberkäufe 
und Weiffagungen ver heidniſchen Priefter glaubte und wohl erkannte, dab 
die Mongoliſchen Fürften ſich derſelben zur Taͤuſchung des Wolfe bevienten. 


261 


von melden. jedes Bataillon zehntaufend Mann zählte, Die 
mit Bogen bewaffnet waren, in drei großen Abtheilungen auf, - 
und die, welde auf ber tedhten und auf der linfen Flanke 
ſtanden, "breitete er in folder Weife aus, daß fie Die Armee 
Nayan's überflügeln mußten: Bor jedem Bataillone zu Pferde 
ftanden fünfhundert Mann zu Fuß, die mit Furzen Langen 
und Schwertern bewaffnet waren, und fobald die Kavallerie 
eine Scheinflucht begann, fid hinter die Reiter fegten und 
fie begleiteten. Sobald fie aber zu neuem Angriffe zuruͤck⸗ 
fehrten, fprang das Fußvolk herunter und tödtete mit feinen 
‚Ranzen die Pferde des Feindes. Sobald die Schlachtordnung 
aufgeftellt war, begann ein unendliches Getoͤn von allerlei 
Blasinftrumenten und darauf erfchollen Gefänge, nad; Ge- 
braudy der Tartaren, bevor fie den Kampf beginnen, der auf 
ein Zeichen. anfängt, . welches durch Zymbeln und Trommeln 
gegeben wird. Dieſes wurde auf Befehl des Großkhan's zu- 
erſt auf beiven Flügeln gegeben, und dann begann eine furdit- 
bar blutige Schlacht. Die Luft war erfülli von einer Wolfe 
von Pfeilen, die auf jeder Eeite niederſchoſſen, und weite 
Reihen von Mann und Pferd fah man zur Erde niederſtuͤr⸗ 
zen. Das laute Rufen und das Kriegsgeſchrei der Männer 
zufammen mit dem Getrappel: ver Pferde und dem Geräufce 
der. Waffen war jo, daß, wer es hörte, von Schreden er- 
- griffen werben. mußte. Als die Bogen losgeſchoſſen, kamen 
die feindlihen Parteien in enges Gefecht mit ihren Lanzen, 
Schmertern und eifenbefhlagenen Kolben, und es ivar. ein 
folhes Schlachten und ſolche Haufen Leichname von Men- 
fhen und namentlid von Pferden wurden aufgethürmt, daß 
es unmöglid) war für die eine Partei, gegen: die andere 
vorzurücden. Auf diefe Weiſe blieb das Geſchick des Tages 
fange unentſchieden und der Sieg ſchwankte zwiſchen den beis 
den Warteien vom Morgen bis zum Abend; denn fo eifrig 
waren die Leute Nayan’s, ihres Herrn Sadje zu verfehten, 
der ſehr freundlich und nachfichtig gegen fie war, daß fie alle 
bereit waren, eher zu fterben, ald dem Feinde den Rüden 


262 


zu kehren. Als jedoch Nayan zulegt bemerkte, daß er fall 
umzingelt war, fuchte er ſich durch Die Flucht zu retten, . wurde 
aber alöbuld zum Gefangenen gemacht und vor Kublai ges 
führt, der Befehl zu feinem Tode gab. Und folgendermaßen 
wurde Nayan hingerichtet. Man legte ihn in zwei Teppiche, 
die fo lange hin und her gefchüttelt wurben, bis der Geiſt 
fi, vom Körper gelöft hatte. Der Grund folder Hinrich⸗ 
tung war, daß die Eonne und die Luft nit Zeugen fein 
follten, daß das Blut von Einem aus der Kaiferlihen a 
milte vergoffen würde 22%), Diejenigen von feinen Truppen, 
welche ven Tag überlebt, unterwarfen ſich Kublai und ſchwu⸗ 
ren ihm Treue. ie waren Einwohner der vier. edlen Pros 
vinzen Eiorza, Karli, Barsfol und Sitingui 225). 

Nayan Hatte fi) heimlich der heiligen Taufe: unterwor⸗ 
fen, ſich jedoch nie öffentlich zum Chriftenthume befannt; bei 
dieſer Gelegenheit hielt er ed aber für geeignet, das Zeichen 


— — — — — 


224) Diefe eigenthuͤmliche Art, Perſonen von hohem Range, ohne 
ihr Blut zu vergießen, hinzurichten, finden wir mehrfach in der Mongo⸗ 
liſchen und Chineftfchen Gefchichte; fie hat vielleicht Anlag zur Anwen: 
‚bung ber feidenen Echnur Im Türfifchen Serall gegeben. „Als der letzte 
der Khalifen von Bagdad auf Befehl Hulagu’s hingerichtet wurde,“ er 
zahl De Guignes, „ſagen Einige, daß der Khalif erbroffelt, Andere, 
dag er in einen Sack geftedt wurde, wo man ihn erflidte, und Viele, daß 
er in ben Tigris geworfen wurde.“ Liv. XV. p. 133. Es ift wahr 
fcheinlih, daß er in derfelben Tartarifchen Weife wie Nayan hingerich⸗ 
tet wurbe. 


225) Es ,ift nicht möglich, auf einer neueren Karle die Namen de: 
fer Stimme, die wohl ſchon lange nicht mehr unter dieſen Benennungen 
beflehen, herauszufinden; die Echwierigfeit wird noch dadurch vermehrt, 
daß die Namen in den verſchiedenen Ausgaben fehr forrumpirt find. Ciorza 
oder Giorza und Jorza iſt ſchon im 42. Kapitel erwähnt worden; es if ber 
Theil der öftlichen Tartarei, der’ von den Mandſchu bewohnt wird. Marsben 
muthmaßt, daß die Provinz Kortfchin darunter zu verſtehen fei, aber es 
war bem gelchrten Kommentator unbefannt, daß die Tartaren die Mand- 
ſchu Churchor Eſchutiſcher) nennen, wie Klaproth dem Grafen Baldelli 
Boni mittheilt. 


263 


des Kreuzes auf feinen Bannern zu tragen 226), und er 
hatte in feiner Armee eine große Anzahl Ehriften, die unter 
den Erfhlagenen waren. Als die Juden 227) und die Sa⸗ 
tazenen jahen, daß das Banner des Kreuzes niebergeiworfen 
war, höhnten fie die Ehriftlihen Leute damit und fagten: 
„Seht, das it die Lage, in welde euer Panier und bie, 
welche ihm folgen, verfeßt worden find!” Wegen viefer Ver⸗ 
fpottung fühlten fih die Chriften getrieben, ihre Klage bei 
dem Großfhan anzubringen, welder die Spötter vor ſich kom⸗ 
men ließ und fharf tadelte. „Wenn das Kreuz Chrifti,‘ 
fagte er, „ſich nit günftig der Sache Nayan's gezeigt, fo 
war Grund und Geredtigfeit in dem Erfolge, da Jener ein 
Rebell und DVerräther gegen feinen Herrn war, und folden 
Elenden darf es feinen Schuß verleihen. Keiner foll es da⸗ 
her wagen, den Gott der Chriften zu verhöhnen, ver die 
vollfommene Güte und Gerechtigkeit felbft iſt.“ | 


226) Kein anderer Gefchichtfchreiber fpricht davon, daß Nayan Chriſt 
geweſen; Polo erfcheint jedoch bei dieſer ganzen Angelegenheit fehr gut 
unterrichtet und es ift auch hier feiner Mitthellung wohl Glauben beizu: 
meſſen. 

m) ‚Das ift die erſte Gelegenheit, daß -unfer Autor die Juden in 
der Tartarei und in China erwähnt. Daß fich viele derfelben ſchon Im 
"früher Zeit in Iepterem Lande aufgehalten, daran ift fein Zweifel. Aus 
den Berichten der Mahometanifchen Reifenden im neunten Jahrhunderte 
erfahren wir, daß bei dem Blutbade, welches in der Stadt Kanfu ſtatt⸗ 
gefunden, als dieſelbe von einem Rebellen nach hartnaͤckiger Vertheidigung 
genommen wurde, viele Juden umgekommen ſeien. „Wohlunterrichtete 
Perſonen in der Chinefiſchen Geſchichte,“ ſagt Renaudot's Ueberſetzung, 
„verſichern, daß ohne die Chineſen, die er bei dieſer Gelegenheit nieder⸗ 
metzeln lieg, 26,000 Mahometaner, Juden und Chriſten ober Parſi's, die 
des Handels wegen in der Stadt wohnten, umkamen.“ S. 51. Die Zahl 
iſt wohl fehr übertrieben. Vergl. die Anmerkungen P. Gaubil's zu 
„VAbrögs de l’histoire Chinoise de la grande dynastie Tang.“ Mem. 
conc, les Chinois L XV. p. 271. — M. — 


264 


Zweites Kapitel. - 


Don der Ruͤckkehr des Großkhan's in feine Etadt Kambalu, nachdem er 
folhen Sieg erfochten; von den Ehren, die er den Chriften, den Juden, 
den Mahometanern und den Göpenanbetern bei ihren verſchiedenen Feſt⸗ 
lichkeiten erweift, und von dem Grunde, den er angiebt, daß er 
fein Chriſt werbe. 


Als nun der Großkhan folk gewaltigen Eieg erfochten, 
30g er mit großem Pomp und großer Herrlidfeit in Die Haupt: 
ftadt Kambalu ein228). Dies gefhah im Monat Novem- 
ber, und er hielt feine Reſidenz vafelbft noch während ver 
Monate Februar und März, in welchen lepteren unfer Feſt 
der Dftern fil. Da er. erfannte, daß dieſes eins unferer 
Hauptfeite fei, fo befahl er allen Ehriften, vor ihm zu er 
fheinen und ihre heilige Schrift mit fid) zu bringen, welde 
die vier Evangelien enthält. Nachdem er dad Buch in feier- 
licher Weife mit Weihraud hatte beräudyern laſſen, Füßte er 
es ehrfürdtig und das mußten auf feinen Befehl auch alle 
Großen thun, die zugegen waren. Und dieſes hatte er alle 
zeit im Brauch bei jeder der großen Beftlichfeiten der Chris 
ften zu Oftern und Weihnachten, und bafjelbe beobachtete er 
bei den geftlidyfeiten der Earazenen, Juden und Heiden 229). 








228) Kımbaln, d. i. Peking; im fecheten Kapitel diefes Buches wir 
mehr davon bie Nede fein. 

229) Politik war der Hauptgrundzug von Kublat’s Charafter, durch 
eine Fuge und umfichtige Handhabung derfelben wußte er feine neuen Gr: 
oberungen zu fefligen und bie Herrfchaft über die weiten Länder feines 
Neiches ein Tanges Leben Hindurch im Großen zu erhalten; unter feinen 
Nachfolgern trennten fich die weitlichen Länder Yon dem großen Oſtreiche 
nnd erfannten die Oberhoheit des Kalfers von China nicht mehr am. Daß 
er alle Religionen duldete und hegte und Iange Zeit ‚feiner berfelben ben 
Vorzug gab, oder vielmehr vie Anhänger jever derfelben glauben lieg, er 
wäre ihrem Glauben mehr zugethan, das machte, daß ihm und feiner Re: 
gierung, von welcher fie fich beſonders gefchügt glaubten, bie verfchiebes 
nen Eeften gleich ergeben und feinen Einrichtungen gleich foͤrderlich wa 
ren. So wußte er aud die Mahometaner zufrieden zu flellen, Die ma: 


265 


Als er Über den Grund eines foldhen Verfahrens gefragt 
wurde, fagte er: „Es giebt vier’ Profeten, welche von den 


mentlich im den weſtlichen Theilen feines Reiches vorherrfchend waren; 
viele der oberſten Militär- und Zivilftellen waren von Männern diefes 
Slaubens befett. Die Meinung und das Zeugniß Polo’s, den wir als - 
einen gar umfichtigen und Fugen Dann achten müflen, find hier befonders 
wichtig; unfer Denezianer, der mit feinem Bater und Ohm viel in des 
Kaifers Umgebung war und zu maniherlei nicht unwichtigen Dieuften und 
Sendungen von demjelben gebraucdht- wurde und Einficht in gar mancher: 
let Staatsangelegenheiten erhielt, ließ ſich täufchen, wie die Anderen, und 
war der Veberzeugung, ber Kaifer fei im Geheimen dem Chriftenthume, 
welches er für bie befte Religion anfehe, mehr zugeneigt, ald dem Ma: 
hometanismus, Juden⸗ und Heidenthum; nur wolle er, weil bie größere 
und mächtigere Zahl der Bevölferung feines Reichs dem Heidenthume er: 
geben fei, dieſe nicht vor den Kopf flogen und’ öffentlich den chriſtlichen 
Glauben annehmen. Kublati fagte zn dem Vater und Oheim Polos, wie 
vielleicht auch zu anderen Chriften: 3a, wenn .mir der Pabft Leute fchickt, 
die durch die Kraft ihrer Worte und Werke die Wunder und Zauberfünfte 
der Heidniſchen Priefter übertreffen und als Teufelswerf daritellen, fo 
daß meine Großen und mein Volk die höhere Macht der chriftlichen Pries 
ſter ˖ und Gelehrten erfennen, fo will ich mit jenen den heidniſchen Glauben 
aufgeben und wir wollen uns zu dem Gott des Chriſtenthums befehren, 
ver eine fo größere Macht feinen Anhängern verliehen. Aber ein fchla- 
gendes Beiipiel der Macht und Gewalt ihres Glaubens und: Gotles muß 
mir und meinem Volke werben, fonft Fann ich ihnen ben Vorzug nicht 
geben. 

Der Kultus der Mongolen war, wie wir gefehen haben, aus dem 
Buddhaismus, der Religion, die in Hochaflen die am meiſten verbreitete 
war, hervorgegangen, der Göpendienft aber war Kublai zur Täufchung 
der Hauptmafle feines Volkes, wie zur Grhaltuig eines wunderbaren 
Bompes und Glanzes feines Thrones viel färderlicher, als Chriſtenthum, 
Mahometismus und die Lehre des Confucius; er‘ wußte, dag religiöfe 
Bleichgiltigkeit zur Sicherung feiner Eroberungen mehr dienlich fel, daß 
er wenigftens den Echein eines Glaubens haben muͤſſe; darum entfernte 
er fich von jener Vorſchrift Dieyingisfhan’s und nahm die Religion Bub: 
dha's an; daß er fich nicht zur Lehre des Confucius, der die Gelehrten 
und Gebildeten in China anhingen, befennen wollte, ift fehr leicht exrflär: 
lich; fie ift die, die von allen Religionen am wenigſten zu dem Einnen 
fprigt und am wenigften auf die Ginbildung wirkt; dafür ſuchte er bie 
Ghinefen duch den Schutz zu gewinnen, den er ihren Gelehrten angebei: 


266 


vier verfhiedenen Geſchlechtern der Welt verehrt und ange 
betet werden. Die Chriſten betrachten Jeſum Chriftum als 
ihren Gott, die Sarazenen Mahomet 230), die Juden Mofes 
und den Heiden iſt Sogomombar-fhan 231) der hoͤchſte ihrer 





hen ließ, durch die Annahme ihrer Sitten und Geſetze. — Die Antwort, 
die der Kaiſer auf ihre beſcheidene Neligionsanfrage den beiden Polo's 
gab, zeigt von der großen Klugheit, bie ihn überhaupt bei allen feinen 
Handlungen und Aeußerungen leitete und ihn fo einzig mächtig gemacht hat. 

230) Ueber das Verhaͤltniß der Mahometaner unter Kublal f. das 
achte Kap. dieſes Buches und die Anmerkungen dazu. 

. 1) Der Gründer der Buddhareligion it Schefiamunt, der im Lande 
Kaſchmir etwa taufend Jahre vor der Chriftlichen Zeitrechnung geboren 
wurde. Gr wird als ein Gott verehrt unter dem Inpifchen Namen Bud⸗ 
dha, den die Ghinefen in Foto, od und Fo verwandelt haben; aber er 
{ft une der legte himmlifche Gefeßgeber, ihm find im Laufe ber Jahrhun⸗ 


derte mehrere Buddha's oder Neligionsitifter vorangegangen. Gr hat 


als Stellvertreter in dieſer Welt göttliche infarnirte Geifter, himmliſche 
Weſen, die in menfchliche Körper herabfteigen, fei es bei ihrer Gebntt, 
fet es im jungen Alter. Das find die geiftigen Oberhäupter der Buddha⸗ 
fetten. Kublai erhob im Iamuar 1261 zur Würde des Oberhauptes bies 
fer Religion in feinem Reiche einen jungen Lama, Namens Mati Dhräbs 
ſcha, der aber bekannter unter dem Titel Pakba Lama oder Oberfter, Hei⸗ 
liger Lama fit, mit dem Titel König des großen und koͤſtlichen Ge 
fees. Das iſt der Urfprung des Großlama. — Die Briefter, welde 
Lama’s bei den Mongolen, Ho⸗ſchan's bei den Chinefen und -Bonzen in 
Japan genannt werden, weihten ſich dem Zölibat und lebten gewoͤhnlich 
in Zellen, die um ihre Tempel fich befanden, wo die Gottheit unter den 
bizarften allegorifchen. Formen aufgeftellt war. Die Eeelenwandverung 
war das Hanptdogma biefer Religion. Jeder Menfch hat feinen guten 
und feinen böfen Genius, die ihn ohne Unterlag überwachen und alle feine 
Handlungen aufzeichnen; bei feinem Tode wird feine Seele vor den Herra 
der Hölle gerufen und das Urtheil über fie gefprochen, welche Art Kür 
per fie füunftig wieder bewohnen foll. Cie komnit wieder zur Welt, nad 
der Befchaffenheit ihrer Werke in einer höheren oder niederen Klaſſe, als 
in ber fie fi früher befunden, vog ber Orbnung der himmlifchen Gre⸗ 
gen an bis zu ber der 'unglüdlichen zu den furchtbarften Qualen der Hölle 
Verdammten. Zwiſchen diefen beiven äußerfien Buuften der unermeßll⸗ 
chen Kette der Wefen befinden fich die anderen Geiſter, die Menfchen, bie 
Thiere und bie Ungeheuer, vier große Klafien, die unendliche Abſtufungen 
haben. Die Menfchen follen die guten und bie ſchlechten Genien anrufen, 


267 


Götter. Ich achte und verehre alle vier und bitte den, wel⸗ 
der in Wahrheit der hoͤchſte unter ihnen ift, daß er mir hels 
fen wolle.” Uber aus der Weije, wie er fid dabei zeigte, 
konnte man wohl abmerfen, daß er ten Glauben der Chris 
flen für den treueften und -beften hielt; denn von feinen Ve⸗ 
fennern, fagte er, wuͤrde nichts verlangt, das nicht heilig und 


die einen, um das Gute zu erlangen, bie anderen, um bie Uebel zu ver- 
mindern. Diefe letzteren werden unter allen Arten ungeheuerlicher Formen 
dargeſtellt. Man kann den böfen Einfluß durch gewiſſe Formeln bannen, 
welche Heilige Menfchen, vie zum Rang ber Götter erhoben worben fint, 
in der. alten Sprache Indiens erfunden haben. Diefe Lehre umfaßt eire 
ansgebehnte Mythologie, und in der Vefchreibung der acht Höllen und 
ver Qualen, die dort die Verdammten zu erbulden, haben die. Doktoren 
der Sefte vorzüglich die Fruchtbarkeit ihrer Einbildungsfraft geübt. — 
Die Buddhareligion empfiehlt die Anshabung aller Tugenden und verbietet 
vor Allem, einem lebenden Weſen das Leben zu ranben, fich die Güter 
Anderer anzueignen, das Vergehen des Ghebruchs, ber Lüge und ber 
Berläumdung. Die Mongolen aber bildeten die Buddhareligion in ber 
groͤbſten Sinnlichkelt aus, und die Priefter und Zauberer gewannen ba: 
durch einen weiten Spielraum für ihre Kuͤnſte, welche die Kalfer wohl zu 
benugen wußten. — Der obige Name Sogonombar bezeichnet nichts ans 
beres als den Buddha oder Fo, bem viele Namen gegeben werben, wel⸗ 
che aus feinen angeblichen Cigenfchaften hervorgehen. In dem Brahma⸗ 
nifchen Syfteme des Padr. Paol. da S. Burtolomeo werden zwanzig vers 
fchiedene Namen genannt, welche dem Bo in’ dem Indifchen Buche Ama: 
rafinha beigelegt find. Bel den Tibetanern heißt der Obergoͤtze Eanghif: 
Kon⸗Schioa; bei ven Mongolen wie in Indien heißt der. Buddha oder Fo 
gewöhnlich Schekia⸗ muni und in Siam Sommonasfodom; hier finden wir 
alfo ſchon einige Achnlichfeit mit obigem Sagonombor, der fo von den 
Mongolen im gewöhnlichen" Leben ausgeſprochen worden fein mag. Alſo 
der Stifter der Religion wurde zugleich auch ber oberfte Gott der Buddhi⸗ 
ſten, und fo findet and) die Anficht Kubial's ihre eigenthuͤmliche, und 
ihrem Wefen und ihrer Bedeutung nach, für bie Wahrheit des von Polo Mit: 
getheilten fehr fprechende Erklärung, daß er Chriftus, Mofes nnd Maho: 
met als die Stifter ihrer verfchledenen Religionen auch als die o“ erſten 
Götter ihrer Anhänger anſah. Vergl. Pallas, Samml. Hift. Nachr. II. 
5 — 363. Grosier, Description de la Chine, tom IV. in 8°, p. 450 et suiv. 
— De Guignes, Hist. des Huns, tom I. pag. 223 — 235. — D’Ohs- 
son 11. 367371 u. 487 u. 48% - 


268 


gut fei. In feiner Weiſe aber wollte er ihnen erlauben, 
daß fie ihren Prozeſſionen das Kreuz vortragen ließen, weil 
die hochverehrte Perfon Jeſu Chrifti daran gefreuzigt und zum 
Tode gebraht worden wäre. Es mag vielleicht gefragt: wer- 
den, warum, wenn er dem Chriftlihen Glauben foldyen Vor: 
zug gab, er ſich nicht zu ihm befehrte und Chrift wurde? 
Den Grund, warum er dad nit that, gab er Nicolo und 
Maffio Polo an bei der Gelegenheit, Da er fie als feine 
Abgefandten an den Pabſt ſchickte und fie ed wagten, einige 
Worte an ihn in Bezug auf das Chriftenthum. zu richten. 
„Weshalb, fagte er, „sol ic, ein Chrift werden? Ihr ſelbſt 
müßt erfennen, daß die Chriften dieſer Länder nichts wiflen 
noch fönnen, was wunderbar iſt; dagegen ihr feht, daß bie 
Heiden thun fonnen, was fie wollen, Wenn ich bei Tafel 
fige, fommen die mit Wein und anderem Getränf gefüllten 
Becher von felbit und ohne daß eine menfhlidhe Hand fie 
berührt, zu mir her und ich trinfe daraus. “Die heidnifchen 
Zauberer haben Gewalt über Das böfe Wetter und koͤnnen 
e8 in irgend eine Gegend des Himmels bannen; fie haben 
noch viele andere Gaben folder Art. Ihr ſeid Zeugen, daß 
die Goͤtzen der Heiden die Gabe der Rede haben und vor- 
herfagen, was man von ihnen verlangt. Wenn id, mid) nun 
zu Chrifti Glauben befehrte und ein Chriſt würde, fo wir 
ven mid, die Fürften meines Hofes und. andere. Leute, bie 
nicht zu diefem Glauben neigen, fragen, was für Gründe 
mid, bewogen hätten, mid, taufen zu laffen und das Chrijten- 
thum anzunehmen? Was fir außerordentliche Kräfte haben 
ihre Priefter gezeigt, wuͤrden fie fagen, was für Wunder fa 
ben fie gethan? Dagegen bie. Heiden erflären, dag, was jle 
bewirfen, vollbraht wird durch ihre eigene Heiligkeit und den 
Einfluß ihrer Bögen. Darauf kann id Feine" Antwort geben 
und fie werden mid, anfehen ald Einen, über den ein gro 
Ber Irrthum Madıt hat, während Die Heiden, Die vermöge 
ihrer tiefen Kunft folhe Wunder bewirken, gar. leidıt: 
ih mid) ums Leben bringen fünnen. Aber Fehrt. zu eurem 


269 


Pabſt zuruͤck und bittet ihn in meinem Namen, daß er hun 
dert Männer herichide, die mohlerfahren in euren Eabungen 
find, damit. fie den. Heiden -entgegengeftellt werben fünnen und 
ihre Macht zeigen, fie zurechtzumweifen und darthun, daß fie 
feibft mit ähnlicher Wunderfraft begabt find, die fie aber nicht 
ausüben wollen, weil fie des Teufels Werf find, und bie 
Heiden in ihrer Gegenwart zivingen, von folden Künften 
abzulafien. Wenn id) deß Zeuge fein kann, fo werde id) die 
Heiden‘ und ihre Religion mit einem Interbift belegen und 
mich felbft taufen laſſen. Meinem Beifpiele werben dann 
alle Fürften meines Reiches folgen und die Taufe annehmen, 
und das werden dann nad) ihrem Beifpiele aud) alle meine 
Unterthanen thun, fo daß die Chriften biefer Länder die noch 
an Zahl übertreffen werden, die in eurem eigenen Lande woh- 
nen’ 232), Aus dieſer Rebe muß es klar fein, daß, wenn 


232) Diefe Worte feheinen mir wirflich von Kublai fo gefprochen 
worden zu fein, fie befunden ganz die recht eigentliche Gefinnung des po⸗ 
litiſchen Großfhan’s; er will Wunder haben — nicht für fih, fondern 
für. feine Großen und für fein Volk, diefe zu überzengen und — zu täu- 
hen. Wenn Polo blos die etwaige Denkungsweiſe Kublal's hätte dar⸗ 

un--wollen, wäre er, ein ächter Anhänger Chriſti und Rechtglaͤubiger 
im Evangelium, wohl nicht auf die Worte gefommen, die immer etwas 
Herabfegendes für feinen Glauben haben. Auch die Art und Meife, wie 
fich Kublat über die Ehriften in feinem Reiche ausſpricht, in welcher Tiegt, 
dag er fie und ihren Glauben nicht gerade für die tüchtigften hielt, bie 
da ein befehrendes Beifpiel für feine heidniſchen Unterthanen abgeben 
koͤnnten, fpricht dafür; er will vom Pabft gelehrte und in ihren Religions: 
angelegenheiten wohlerfahrene Minner aus Europa zugefendet haben, bie 
dabei auch wohl fo viel verftehen müßten, daß fie die Wunder und Zau⸗ 
vereien der Heidniſchen Priefter — die Kublai gar wohl durchſchaute — 
übertreffen und zunichte machen müßten. Ein folcher, in heidniſchem Glan: 
ben und Brauch auferzogener Kaiſer konnte ſich Priefter und gelehrte 
Männer ohne den Charlatanismus der Banberfünfte nicht benfen. Und 
war ihm doch von den Anhängern des Chriftlichen Glaubens auch von 
den Wundern Chriſti und der Heiligen ficher erzählt worden; er wollte 
Achnliches fehen, um überzeugt zu werben, obet vielmehr fein Volk für 
die Güte des Glaubens zu überzeugen. — Daß der Kaiſer fagt, die 


270 


ber Pabit Männer ausgeſendet hätte, bie wohlgeeignet ger 
weſen wären, das Evangelium zu prebigen, ber Großfhan 
das Chriſtenthum angenommen haben wuͤrde, fuͤr welches er, 
wie ſicher bekannt iſt, eine große Vorliebe hatte. Doch keh⸗ 
ven wir nun zu unſerer Sache zuruͤck und ſprechen wir von 
den Belohnungen und. Ehren, die der Kaifer folhen verleiht, 
bie fih durch Tapferfeit in der Schlacht hervorthun. 





Chriſten in ſeinen Laͤndern ſeien unwiſſende Beute, bie feine großen Dinge 
verrichten und feine Wunder thun Fönnten, bezieht fich- ficher nicht auf 
den Unterfchled der Neftorlanifchen und Katholifchen Shriften, fonbern 
darauf, bag biefe eben im Gegenfage zu ben Heidniſchen Prieſtern keine 
Wunderwerke zur Verherrlichung ihres Glaubens verrichten konnten; das 
aber erwartete er von den gelehrten Maͤnnern, die ihm vom Babft and 
den weit gebildeteren Ländern Curopa's geſchickt werben follten, von bes 
nen. ihm die Polo's ficher fo vicl Rühmliches erzählt hatten. Fuͤr die 
Geftnnung Polo's fpricht übrigens fehr, daß er nicht, wie die orthodoxen - 
Mönche Plano Carpini und Rubruquls gegen die fchismatifchen Neitorlas 
ner.zu Felde zieht und fie nicht als wirfliche Chriſten anerkennen will, — 
durch welche Herabfegung und daraus erfolgende Etreitigfeiten. dem Chris 
ftenthume in den Augen der Mongolen ficher gefchadet wurde, wie in fo 
vielen anderen Fällen die Ceftenftreitigfeiten zum Nachtheil des Chriſten⸗ 
thums ausgefallen — fordern, daß er. die Bezeichnung von Chriften und 
Neftorianern durch das ganze Werk ohne weitere Unterfipeibung anwern⸗ 
det. ⸗ 

Merkwuͤrdig aber ift es, daß wir nach einer Zeit von 400 Jahren 
einen anderen SKaifer von China finden, ber ven Chriftlichen Mifflonären 
an feinem Hofe Aehnliches entgegnet, wie Rublai ben Polo's; obgleich, 
wenigftens nicht in dem Berichte des Pabre, fo ausführli: „Der Be 
amte, der ung die Worte des Kalfers überbrachte,” erzählt P. Fontenay, 
„fagte uns, daß obgleich uns fein Herr noch nicht kenne, er doch für uns 
daſſelbe Wohlwollen hege, als für die anderen Padres, daß er den Muih, 
mit welchem wir unfere Verwandte und unfer Daterland verließen, um 
am. Ende der Melt (das iſt freilich Feine Chinefifche Idee) das Evange⸗ 
linm zu predigen, als einen beſonderen Beweis der Wahrheit unſerer 
Religion betrachte; aber daß, um vollkommen uͤberzeugt zu werben, er 
einige Wunder fehen möchte, die denen ähnlich wären, bie, ‚wie man'tıs 
zählte, an anderen Orten verrichtet: werben für bie Aechtheit unſeres 
Glaubens.” Lott. edif t. XVII. p. 255. ed. 1781. 





271 


| Drittes. Kapttel. 
Bon bei Belohnungen, welche benen verlichen werben, die fih iu der 
Schlacht auszeichnen, und von ben goldenen Tafeln, bie fie erhalten. 


| Der Großkhan beftellt. zwölf der welfeften unter feinen 
Bürften 233), deren Pflicht es iſt, ih mit dem Betragen ver 


233) Kublak nahm bie Grundſaͤtze der Chinefifchen Reglrungswelſe 
und bie Gefeßgebung, welche er in China vorfand, an. Nach dem Pater 
Le -Comte (Nouv. Me&moir. sur l’Etat de la Chine) hat der Kaiſer zwei 
Oberſtaatsraͤthe; einen außerorbentlichen, gebifvet aus ben Prinzen. von 
Geblüte, und einen orbentlichen, zufanımengefeßt aus den Etaatsminiftern, 
Kolao genannt; diefe unterfuchen alle wichtigen Angelegenheiten und flats 
ten dem Kaiſer Bericht ab, worauf er daruͤber entſcheidet. Außerdem 
giebt es in Pefing ſechs Obergerichtshöfe, von denen der vierte, Pim⸗pu, 
die Aufjicht uͤber das Kriegswefen und die Oberhauptleute hat. Damit 
das Anfehen dieſer mächtigen Magiftrate dem Kaiferlichen Anfehen feinen 
Nachtgeil bringe, und um zu verhindern, daß fie nichts zum Schaden des 
Staates unternehmen, find die Entſcheidungen der Angelegenheiten fo ges 
ordnet, daß eine Obrigfeit von ber anderen in ber Vollziehung unterflüßt 
und Fontrollirt werden muß. So giebt es Feine wichtige Angelegenheit, 
deren Entfcheidung nicht von verfchiebenen, wohl. auch von allen biefen 
Difafterien abhängt. In Fluger Vorficht ift jedem Obergerichtshofe noch 
ein Syndikus beigeorpnet, der über Alles wacht, was gefchieht, ver bei 
allen Verſammlungen gegenwärtig ift und insgeheim dem Hofe von Allem 
Nachricht giebt, oder der auch äffentlich die Mandarine anflagt über bie 
Vergehen, welche fie nicht allein in Verwaltung ihres Amtes, ſondern 
auch im Privatleben begehen; darum überwacht er ihre Geſpraͤche, Sit⸗ 
ten und Handlungen und nidyts entgeht ihm. Vergl., außer Lecomte, Mas 
galhanes 1.200. — Unter einem Friegerifchen Monarchen, der China durch 
das Schwert erworben, mag das Kriegsminifterium wohl den höchften 
Rang eingenommen haben, da es jetzt breien anderen untergeorbnet iſt; 
doch ſchon vor Kublat’s Negirung (f. Gaubil) war bie oberſte Gewalt in’ 
den Händen von Milttärfommandanten, die Daruga’s genannt wurden, 
mit vem Siegel betraut und weit ‚mächtiger als die Staatsminiſter waren. 
Kublai beauftragte feine Miniſter Lieu-ping-tfchong und Hiu⸗heng bie Bis 
vilverwaltung einzurichten, die Zahl der Mandarine zu beflimmen, fie 
abzutheilen, ihre Attribute und Cmolumente feſtzuſtellen. Darauf wurden 
"vie Hauptbehoͤrden hergeftellt, die des Staatsminiſteriums, ber Zenſoren 





272 


Obriften und Hauptleute feiner Armee befannt zu machen, 
vorzüglid, bei den Feldzuͤgen und in den Schlachten, und ihm 
darüber Bericht zu erftatten, damit er, wenn er ihre Verdienſte 
erfahren, fie nah Würden erheben kann. Da fest er die, 
weldye ber hundert Mann gejtellt waren, tiber taufend und 
giebt ihnen viel Silbergeihirr, wie auch die hergebrachten 
Tafeln oder Zeichen des. Befehld und des Adeld. Die Tr 
feln, die denen verliehen werben, weldye über hundert. Mann 
gefegt, find von Eilber, denen aber, die über taufend, von 
Gold oder vergolvetem Eilber, und die, weldhe über zehn 
taufend Mann den Befehl führen, erhalten goldene Tafeln, 
auf denen das Haupt eines Löwen iſt; erftere haben ein Ge 
wicht von hundertundzwanzig Eaggi23*) und tie mit dem 
Loͤwenkopfe zweihundertundzwanzig. Die Infchriften auf den 
Tafeln beginnen mit folgenden Worten: „Durch die Gewalt 
und Macht des‘ großen Gottes und durch die Gnade, melde 
er unferem Reiche angeveihen läßt, fei der Name tes Kaan's 
gefegnet, und Alle, die ungehorfam find gegen vie Befehle 
ver Tafel, follen Tod und Vernichtung erleiden.” "Die Haupt 
leute, weldje dieſe Tafeln erhalten, haben damit verknüpfte 
Privilegien, und in der Infchrift ift auseinandergefegt, was 
für Pflihten und was für Macht fie im Befehle haben. 
Der, welder an der Epige von hunderttauſend Mann fteht 
ober der Oberbefehlshaber einer großen Armee ift, bat eine 
goldene Tafel, die dreihundert Eaggi wiegt, auf welcher der 
oben erwähnte Spruch fteht, und unten an der Tafel iſt ein | 
Löwe eingegraben, mit den Bildern der Sonne und des Mor- 
des. Er übt auch die Privilegien feiner hohen Stelle aus, 
wie fie auf der praͤchtigen Tafel angegeben find. Wenn er 
ausreitet, wird fein Sonnenſchirm über fein Haupt gehalten, 


bes Reichs, bes Kultus, ber Verbrechen, der öffentlichen Arbeiten, des 
Kriegs und andere. 

234) Der Benezianifhe Saggio iſt gleich bem. ſechsten Theil einer 
Unze, demnach wogen dieſe zwanzig Unzen und die anderen in dieſem Naße 
bis zu funfzig Unzen. M. 


273 


welcher feinen Rang und die Gewalt anzeigt 235), und wenn 
er ich ſetzt, jo iſt das auf einem filbernen Seſſel. Der Groß 
khan verleiht auch gewiſſen von den Großen feines Reiches 
Tafeln, auf welchen ein Geierfalfe abgebildet iſt, kraft derer 
fie ermaͤchtigt find, die. ganze Armee irgend eines großen Fürs 
ſten als ihre Ehrenwache mit fid zu "führen. Cie können 
aud) bie Pferde aus den kaiſerlichen Ställen nad ihrem Ver⸗ 
gnügen in Gebraud nehmen und fi die Pferde irgend eines 
Offiziers von niedererem Range, ald fie find, aneignen236), 


——— — 


Vierte Kapitel. 


Bon der Geftalt des Großfhan’s; von feinen vier Frauen und von ber 
| jährlichen Wahl von jungen Mädchen für ihn in der Provinz Ungnt. 


‚Kublai, der der Großfhan oder Herr der Herren genannt 
wird, ift von’ mittler Größe, das ijt weder zu groß noch zu 
klein, feine Glieder find wohlgebilvet und feine ganze Geftalt 
in den gerechteſten Verhältniffen. Ex hat eine lichte Gefidts- 
farbe, mit leichtem Roth überzögen, wie ber lieblihe Schein 
der Rofe, was feinem Wefen viel Anmuth verleiht. eine 
Augen find dunfel und fchon, feine Nafe wohlgezogen und 
vortretend 237). Er hat vier Frauen erften Ranges, die ale 


— — —— — nr — 


235). Zu vielen Theilen des Ofens tft der Sonnenſchirm mit einem 
Tangen Etabe, der von einem Diener gehalten wird, das Zeichen hohen 
Ranges und ‚bezeichnet fogar die Souveraͤnitaͤt, wenn er von einer gewif- 
Jen Farbe if. Erſt neuerdings haben wir das Beiſpiel gehabt, daß eine 
Haͤupttrofaͤe der Franzoſen beim Siege von Joly der große Sonnenfchirm 
des gejchlagenen Prinzen von Marocco war. 

2336) Im erfien Kapitel und Anm. 14 tft bereits von ähnlichen Eh⸗ 
zentafeln: vie Rede geweſen. Jetzt tragen bie Chineſiſchen Mandarine dieſe 
Auszeichnungen gewoͤhnlich in Seide oder von anderen Stoffen auf ber 
Bruft. 

- 37). Die Fürften und bie höheren Klafien der Mongolen Tartaren 
Heiratheten bie Töchter der befiegten Fürften und wählten zu ihren Kon- 

| 18 


274 


legitim geadjtet werben 238), und der älteftgeborene Sohn 
einer jeden berfelben folgt in der Herrſchaft nad dem Tode 
des Großkhan's 289). Sie haben gleihmäßig den Titel von 
Katferinnen und ihre befonderen Haushaltungen. - Keine von 
ihnen hat weniger als breihunbert auserlefene Jungfrauen 
von großer Schönheit zu Dienerinnen, zugleich mit. einer Menge 
von Edelknaben und anderen Berfgnittenen, wie auh Kam 
merbamen, fo daß die Zahl der Perfonen, die au jebem Hofe 


fubinen bie ſchönſten Gefangenen; dadurch muß mit jeder eneraion Ge⸗ 
ſicht⸗- und Koͤrperbildung immer mehr veredelt worben fein. M. 

238) Nach Dſchami ut⸗Tevarikh hatte Kublai mehr Frauen unb eine 
große Anzahl von Beifchläferinnen. Diejenige, welche den hoͤchſten Rang 
einnahm und die er am meiften liebte, war Dfiekambui Khatun, bie Tod: 
ter des Noyan’s Itſchi, eines der Fuͤrſten des Mongolenflammes ber Rum 
faraten. Eie gab ihm vier Söhne: Dordſchi, Tſchingkim, Manggala und 
Numngaun (nah I. I. Schmidt iſt ver erſte ein Tibetanifcher Name und 
- bebentet Szepter; Manggala heißt in ber Sanskritſprache Gluͤck und Re 
mogan auf Mongolifch der Guͤtige; was Tſchingkim bebeutet weiß er nicht). 
Kublat Hatte noch acht Söhne von anderen Frauen: Kurivat, Hngaiſchi, 
Dizefönig des Landes Karadſchank; Ukurudſchi, Vizekoͤnig von Tibet; Abad⸗ 
ſchi, Geukdſchn, Knkuk⸗temur, Tugan; der achte fehlt im Mannſkripte 
Oſchami's. Raſchid ſagt, daß obgleich Kublal acht Söhne Hatte, die vier 
Prinzen, bie von feiner erſten Gemahlin, die er Dſchauni Khatun nennt 
geboren worden, fowie die vier Soͤhne von Vurta Fotſchin, der erflen ber 
Frauen Dſchingiskhan's, einen wohlnnterſchiedenen Vorrang vor den at 
‚beren hatten. (S. D'Ohſſon IE. 500.) Die Angaben Marco Bolo’s; all 
eines der fo lange am Hofe Kublat’s gelebt Hatte „und fo genam mit ben 
Berhältnifien befannt werben mußte, feinen mir richtiger an fein als 
die der Perſiſchen Geſchichtſchreiber. 

339) Unter den Vorgaͤugern Kublai’s wählte ber Kaifer felbi 
unter feinen Söhnen ben, ben er am geeignetſten für ſeinen Nach⸗ 
folger bielt; fo wurde Dftal nud nicht Dſchagatal, der Altefte Sohn 
von Diehingis, zum Großfhan ernannt. Unfer Autor wollte wohl -fagen, 
daß der erfigeborene Eohn von irgend einer der vier Ralferinmen, als 
ber präfumtive Thronerbe betrachtet wurde, und ba biefes in Deus 
anf den Alteften Eohn Kublat’s in der That ver Fall gewefen, deſſen Erb: 
folge, wenn er ben Vater überlebt hätte, unbezweifelt war, fo mochte bie 


vorherrſchende Meinung des Hofes als eine gebraͤuchliche Beitimmmung des 
Kaiſerthums gelten. 


275 


einer Kaiferin. gehören, fih auf zehntaufend beläuft. Wenn 
Ce. Majeftät die Geſellſchaft einer Seiner Katferinnen wuͤnſcht, 
jo ſendet Cie entweder nach ihr oder begiebt ſich in ven Pa— 
laſt derſelben. Außerdem hat der Großfhan noch eine Menge 
Beihläferinnen, die zu feinem Gebraudye aus einer Provinz 
ber Zartarei, Namens Ungut240), herbeigeführt werben, bie 


—— 0. 
“ 


- 240) Weber Etabt und Land Ungut geben bie Kommentatoren durchs 
ans Feine genügende Ansfunft. De Guignes fagt, daß die Ouhiot bie 
Horde ber Mongolen find, melde Ungut genannt und heutigen Tas 
ges in zwei Bahnen getheilt wird, welche Kings dem Fluſſe Ju⸗kin woh⸗ 
nen (T. IV. p. 238). @r fügt hinzu, daß bie Horve, welche man Par 
rin nennt, ebenfalls in zwei Bahnen getheilt iR und Ihren Hauptüig an 
den Ufern des Fluſſes Haran- Muren Hat, welcher in ben Eiras Muren 
Ach ergießt. Die Geblete ber Horden ber Onhiot und der Parin liegen 
noͤrdlich von ber Eommerreflvenz des Kaifers von China. Ihre Fuͤrſten 
find feit langer Beit mit dem FEaiferlichen Haufe verwandt. — Marsden 
meint, es fei Fein Zweifel, daß Ungut ſich auf die Ighuren beziehe; Rom 
ve Haurtesrayes lieſt mit einer Textvariante Ungraf und bezieht es auf 
ben Stamm ber Rumfgraten; Baldelli folgt diefem. Bei Ritter finden 
wie feine Auskunft, er erwähnt den Namen Ungut nur einmal (II. 255.), 
„maß: bie Schwarzen Tasta, von welchen Dſchingiskhan abflammte, im 
Gegenfab der Weißen Tartaren (Ungut bei Abnlghafl) fo genannt wors 
ben.” Alles diefes iſt unpaſſend far Stadt und Land Ungut, bie nad 
bein Sinne von Polo's Morten reich bevoͤlkert geweſen fein muͤſſen, wie 
. hätten fonft in Zeit von zwei Jahren fo viele ſchoͤne Mäbchen bort ans 
gewählt werben können; auch wurden bie bortigen Bewohner durch das 
viele Heirathegut, welches fe erhielten, ficher bald vermögenb und er 
warben fich- einen größeren Grundbeſitz; an eine herumziehende Horde if 
alfo nicht gu benfen. Werner darf das Land Ungnt anch nicht zu weit 
von Kambalu — Beling — gefucht werben, denn ber Kaiſer ſchickte fehr 
oft dahin und bie. Mädchen wurben ihm mit allen babei flattfindenben 
Umſtaͤndlichkeiten der Unterfuchung bald zugefährt und doch „lag das Land 
im: der Tartarei.” In der der Eommers wie der Winterreſidenz Schang: 
tm und Kambalu benachbarten Gegend ber Tartarei, nach der Halbinfel 
Korean zu Im Norben des berühmten Chan Alin oder Shagan Alin (des 
Langen Weißen Berges, den bie Chinefen Tſchang pe⸗Shan nennen und 
für ven höchflen Berg ber Erbe halten), ber bie alte Grenzterraſſe des 
Chineſiſchen Reiche gegen Korea bildet, ben Ehinefen ein Heiliger Berg 
if und ale ſolcher von ihren Regenten verehrt und pflichtmaͤßig bewall- 

18* 


276 


eine Etapt deſſelben Namens hat, deren Einwohner wegen 
ihrer jchonen Gefihtsbildung und ihrer lichten Hautfarbe be 


fahrtet wird, legt am Weſtabhange zum Leaofluß einige 50 geogr. Mi. 
im Norden von der Meeresfüfte (unter 41° 40” N.Br. und 7° 11° 50" 
im DO. von Peling) die Alyenftadt Mufven, im Lande Pin und Ki oder 
dem Etammlande der Mandſchu, das Naterland der jekigen Ghinefijchen 
Kaiſer. Hier auf diefen Hoͤhen liegen bie Gräber ihrer Vorfahren, auf 
den Berggipfeln der Echeivegebirge Tfi:yusEhan. Darum IR die Stadt 
und das Land ein Heiligtum, dem Opfer aller Art gebracht werben, bas 
Kabelland der Mandſchu, ihr paradieſiſches Alpenland, welches Kaijer Khlen; 
long mit patriotifcher Froͤmmigkeit in einem gefelerten Gedichte in Chine⸗ 
fifcher und Mandſchuriſcher Eprache befungen hat. (Wir geben dieſe Bes 
fchreibung nach Ritter.) Khienlong ſchildert biefe Grenzterraſſe als ein 
entzuͤckendes Alpenland, voll Erinnerungen an bie alte Zeit, erquickend 
durch die fchönen Wieſen, Quellen, Bäche, durch die vielen heiligen 
Berge, die herrliche Luft und die einfachen, friedlichen Bewohner. Gr 
findet Hier feinen klaſſiſchen Boden, das Land der patriardyalifchen Ein 
falt und Rechtlichkeit, von fchöneren Eternen beſchienen, von Schupgeis 
fiern befchirmt. Es iſt das gefeierte Land Lo, das Laub des Kioro (der 
Goldene), des Stammvnters der Mandſchuriſchen Herrfcher; in der Chi⸗ 
nefifchen Sagenwelt das zum größten Glanze auserforene.. Die Stat 
Mukden felbft zeichnet fich jo fehr unter den Stäpien-ans, wie ber Drade 
und der Tiger unter allen Thieren, und die Gebirgsluft, die Hier. weht, 
fliegt nicht nur Knosven zu Blumen auf, fondern treibt auch Diejenigen 
hervor, die zu Fürften der Erde beftimmt find. — In der That. find deſe 
Höhen immer ein wichtiger Hauptpoſten zur Eicherung der Macht ber 
Herricher von Peking geweſen, ein wichtiger Echlüffel zum Chineſiſchen 
Reihe. Zur Sicherung defielben fieht hier immer eine bedeutende Macht; 
die Provinz heißt Shinfing, ihr Vorſteher iſt einer der erſten Großen 
des Kaiſerthums. Das Land ift geliebt von den Mandſchn als ihre Heb 
math, von ber fie hinab in die Ebene geftiegen. Daher ift der Anfent 
halt dort ehrenvoll und Alles gepriefen, was von da kommt. Das Lamb 
heißt aber Ringuta (eigentlich Nin-ganta, d. h. die ſieben Hänpilinge 
ober Patriarchen der erfien Mandſchu) und ift jept fehr wenig bekannt, 
fo daß jelbft Kaifer Kangshi fagte, „Niemand kenne in Pefing den Schan⸗ 
plaß bes Ruhmes feiner Vorfahren; daher ſaudte er einen Großen fe: 
nes Hofes, Umuna, bahin, biefes Land zu befchreiben und den ſchuͤtzen⸗ 
den Göttern Opfer zu bringen; Umuna gab aber nur feine Befchreibung 
der Beftelgung des Tfchang-pe Shan (S. Ritter IL 92 ff.). 

Im Lande Ninguta liegt im N. D. des Weißen Berges ſchon in eis 


277 


ruͤhmt find. Dahin fenvet er in jedem ziveilen Jahre, over 
auch öfter, wie es ihm gerade gefällt, feine Beamten, welde 





— — 


nem fehr Falten Hochlande bie Stadt Ninguta am fifchreichen Uſuri, 
der von bemfelben Echneegebirge, nur etwas öftlih, dem Eungariflufie 
gegen Nord zueilt und die Lanpfchaft burchfließt, welche als die patriar⸗ 
thalifche Heimath der. jeßigen Kalferfamilie gilt, daher auch der Name 
der Stadt, eigentlich Nin-gunta, d. h. die fieben Patriarchenfüriten. De: 
ren Waldrevier tft heute von dem noch rohen Mandſchurenſtamme der Yupi⸗ 
tafe bewohnt; der Ort ift nur ale Marftplak bedeutend, die jebigen An⸗ 
wohner biefes Fluffes find ein Fiſchervolk, bei denen der Hund fchon ale 
Zugthier im Gebrauch ift, wie von da an burch den Norden Sibiriens. 
Girinula oder Kirin, im N. des Weißen Berges am Sungarifluß, iſt die 
heutige Gouvernementsſtadt, der Verbannungsort für Chinefifche Staats⸗ 
beamte und ein Land der Anfledelung, feitdem die weitere Vers 
breitung des Manpfchurenvolfes diefe ihre urfprüunglide 
Heimath fo fehr entvoͤlkert hat. Hier am Nordfuße der ſchneeigen 
Alpenkette ift die Heimath der in China fo berühmten Ginfeng (Orohota 
bei Mandſchuren, d. h. Königin der Pflanzen), die als die ſtaͤrkendſte und 
offizinellite Arznei in Peking, mit fiebenfachem Eilbergewicht, unzenweis, 
aufgewogen wird. — Unter der Mongolenherrfchaft war jene Gegend mehr 
befucht, auf dem Norbgebirge pflegten fie ihre große Jagden zu halten. 
(Dun Halde IV. 92, 97.) Das ift alfo die Urheimath des Mandfchn, ber 
wicht unrecht hat, ſtolz zu fein auf feine Alpenheimath; denn aus biefer 
Nazion gingen in den verfchiedenen Zeiten die tapferften Völferfchaften 
hervor, die als hiſtoriſche Perſonen in der Gefchichte Hochaſiens die wid): 
tigften Rollen fpielen, und zu verfchievenen Malen treten große Eroberer 
und glänzende Staaten aus demfelben Voͤlkerſtamme befjelben Alyenlandes 
hervor, wie die Mo-ho, Chy⸗goei, Ju⸗tſhy, Khitan der früheren und bie 
Mandſchu der legteren Jahrhunderte. — So wäre denn das damals fo reich 
bevölferte Land Ungut nichts anderes als das Etammland der jegigen Kai⸗ 
fer von China, und wirflich intereffant ift der Vergleich, daß das Land, 
weiches den Mongolenfürften und ihren Großen und wahrfcheinlih au 
den früheren Köntgen von Sin, von welchen Kublai den Gebrauch ange: 
nommen zu haben fcheint, feine Jungfrauen zum Genuß gefehlt hat, in 
fpäterer Zeit feine Söhne ausſchickt, ſich das Chineftfche und das Tarta: 
riſche Reich zu unterwerfen. — In jenem fchönen Berglande Ungut-Nin- 
guta blühte in reiner Luft ein fihöner, Fräftiger Menſchenſchlag auf, dei: 
fen Jungfrauen allerbings deu Mongolifchen und Chineſiſchen Großen zur 
Freude gedient haben, der aber, als dieſe Eitte abgefommen, was mit 
ver Dynaftie Ming gefchehen fein mag, im Stillen fich zu großer Thats 


282 


nen eines Vaters, deſſen große Eigenfchaften niemals, nad 
allgemeiner Würbigung, von irgend einem Manne Tartarifhen 
Geſchlechts übertoffen worden find. 


— — — ——— 


Sechsſtes Kapitel. 


Bon dem großen nnd bewunderungswuͤrdigen Palaſt bes Großthau s bei 
der Stadt Kambalu. 


Der Großkhan reſidirt gewoͤhnlich während \ dreier Mos 
nate des Jahres, naͤmlich Dezember, Ianuar und Februar, 
in der großen Stadt Kambalu, die hoch im Norboften ber 
Provinz Kataia liegt 233), und bier, an ber füblichen Seite 


243) Der Name dieſer berühmten Stadt, den unſer Autor Cambals 
ſchreibt (auſtatt Can⸗balu, weil n vor b im Altitalieniſchen wie im Bor: 
tugieſiſchen in m verwandelt wird), wirb von ben Arabern und Perſern 
Khanbalik und Khanbaligh gefchrieben, was in einem ber Dialekte ber 
Tartarei „die Stadt des Khan's“ bedeutet. Diele Appellativbezeichuung 
ift nicht ungewöhnlich, wir finden fie in den Staͤdten Turfeflan’s Ka— 
baligh und Bifch:baligh, in Orbusbaligh, einem der Namen von Karas 
forum, und in Mu⸗baligh oder Stadt der Verwüflung, einem Namen, ber 
Bamian im Lande Balkh bei Gelegenheit ihrer Zerfiörung durch Diele 
giskhan gegeben wurbe. 

Die Kin (f. Sinleit. ©. 2) Hatten gegen bie Mitte des zwölften Jahr⸗ 
bunderts ihre Hauptrefivenz in bie Stadt verlegt, die heutzutage Peking 
heißt, welche fie mit dem Titel Tfchungstu ober kaiſerliche Stadt des RMit⸗ 
telpunfies zierten. Herren eines Drittheild von China hatten fie die Ge⸗ 
wohnheiten, bie Gefege und bie Rinrichtungen dieſes Reiches angenom; 
men. Diejer nördliche Theil Ehina’s, der den Kin unterworfen war, 
wurde von ben Chinefen Khan⸗zi genannt, das If das Kataia ber En: 
ropaͤer im Mittelalter im engeren Einne; der fübliche Theil, von dem 
die Sung bie Herren geblieben waren, wurbe von den Chinefen Manzji 
— das iſt das Manji (Manſchi) bei Polo — umd von ben Tartaren Nang: 
kiyaß genaunt. Die Chinefen nannten ganz China Tfchongkue, das heißt 
das Mittelreich. Diefes Reich nahın früher den Namen ber regirenden 
Dynaftie an; fo wurbe es Tfine unter ber Dynaſtie Tfine genannt, welde 
ungefähr breifundert Jahre vor unferer Zeitrechnung bluͤhte. Die Indier 


283 


ver neuen Etadt, ſteht ſein großer Palaft, vefien Form und 
Umfang ift wie folgt. Das Ganze bildet ein großes Viereck 


erhielten biefe Benennung und theilten fie ben weſtlichen Voͤlkern mit; 
fe gaben dem uörblichen China den Namen Tſchin, dem mittägigen China 
aber ven Namen Maha⸗tſchin oder Großchina, woher die bei ven Berfern 
und Arabern gebraͤuchlichen Namen Tſchin und Matfchiu kamen. — Die 
Hauptſtadt des Reichs Kin war bie heutzutage Peling genannte Stadt. — 
Bor der Herrfchaft der Tſchurtſche (Kin) führte fie ven Namen Densfing 
ober Hof bes Landes Den; Denstu ober kaiſerliche Stadt von Deng, 
und Tſchungking oter Hof des Mittelpunktes. Das ift die Stadt, welcher 
bie Mongolen den Namen Khansbalig, Ealferliche Refivenzftabt, gaben. — 
Schon im Jahr 1212 war Dſchingiskhan in das Reich Kin eingebrungen 
und verwuͤſtete es weithin, er eroberte eine Menge von Städten, und ber 
Kalfer Utubu mußte 1214 einen fchimpflichen Frieden fchliegen. Utubu 
hielt ſich nicht mehr ficher im feiner Hauptſtadt, die zu nahe an ber Grenze 
liege und beichloß, feine Mefidenz nach Piensting (heutzutage Kal⸗fong⸗fu) 
an den Sübufern des Gelben Flufies in Honan zu verfeßen; das war ber 
fünliche Hof, Nansfing, der Kulfer dieſer Dynaſtie. Die Mongolen dran: 
gen von Neuem in das Reich Kin ein, eroberten Tchung⸗tu (Pefing) und 
richteten ein großes Blutbad an. Mongolifhe Soldaten warfen Feuer in 
ven Faiferlichen Palaft, deſſen Brand, wie man fagt, mehr als einen Mos 
nat dauerte. Dſchingiskhan's Feldherrn ſetzten ben Krieg und die Ber: 
wäftung im Reihe Kin fort. Unter feines Nachfolgers Oftai Regirung 
wurde mit Hilfe der Sung ber Herrfchaft der Kin im Jahre 1234 ein 
Ende gemacht nnd das nördliche China dem Mongolenreiche einverleibt. 
Der Kalfer der Eung feierte mit großen Freudenbezeigungen die Vernich⸗ 
tung der Dynaftie Kin; der Thor, er freute ſich über fein eigenes Bers 
derben, feine Bundesgenoſſen trachteten unerfättlich bald nach dem Suͤd⸗ 
lichen China; im Jahr 1279 machte Kublat; nach langen Kriegszügen, 
ven Reihe Eung ein Ende und ganz China war der Mongolenherrfchaft 
‚unterworfen. Kublai aber hatte feine Reflvenz nach Beling = Khansbalif = 
Kambalu verlegt. 

Marco Polo's Angaben über Kambaln find Tange Zeit als übertrieben 
betrachtet worden, die neuere Kenntniß der Etabt aber thut dar, daß man 
dem Benezianifchen Reiſenden auch hierbei Unrecht gethan. Polo hatte 
fo Iauge am Hofe des Großfhan’s und in Kambalu zugebracht und war 
dabei ein vortrefflicher Beobachter, daß feine Schilderung ber großen Re: 
ſidenzſtadi als durchaus authentiſch betrachtet werden Fann. Es wuͤrde 
uns zu weit führen, wenn wir die Mittheilungen fpäterer und der neue: 
Ren Beobachter mit den Angaben Polo's vergleichen wollten; es genüge 


284 


mit einee Mauer und einen tiefen Graben umgeben; jede 
Geviertjeite hat adıt Meilen in der Länge und in gleicher 
Entfernung von jedem Ende derjelben it ein Eingangsthor, 
wo ſich das Volk verjammelt, weldjes hierher aus allen Ges 
genden fommt. In dieſer Ummauerung tft an den vier Eei- 
ten ein offener Raum, eine Meile in der Breite, wo bie 
Truppen aufgeftellt find, und hieran ftoßt wieber eine zweite 
Mauer, die ein Biere von ſechs Meilen einſchließt, rei 
Thore auf der ſuͤdlichen Seite und drei Thore auf der nörbs 
lichen hat, von denen je das mittlere Portal größer iſt ale 
die beiden anderen und immer verfchloffen gehalten wird, aus 
fer wenn der Kaifer in den Palaſt einzieht oder ihn ver 
läßt. Die anteren bleiben immer offen für vie, welche deu 
Kaifer begleiten und zu feinem Dienfte find. Im der Mitte 
einer jeden Abtheilung diefer Mauern ift ein ſchoͤnes und ge 
räumiges Gebaͤude, fo daß aljo in dem Zirk acht folcher Ge 
baͤude ftehen, in denen die Faijerlidien Kriegsgeraͤthe aufbe 
wahrt werten, und jedes der Gebäude Hat eine befonbere 
Gattung diefes Rüftzeuged. So nimmt z. B. die Zäume, 


zu wifien, baß fich ſehr Vieles noch fo, wie es zu bes Venezianers Zels 
ten beftanden, erhalten Wir finden Schildernngen von Beling In 
Du Halde's, Abulghafl’s, De Guignes’, Mailla’s, Staunton’s, Barrow's 
(Trav. in China), Ab. Remufat’s (Nouv. Melanges Asiatiq.) und andes 
ren Werfen. Nils Hauptwerk aber fann Pater Hyacinth Description de 
Peking, avec un plan de cette Capitale, traduit du Chinois en Russe, 
par P. H, et du Russe en Frangais p. F. de Pigny, St. Petersbourg. 
1829. 8. betrachtet werden. Dies ift jeboch nicht Ueberfeßung, fonbern 
nur Auszug eines weit vollftändigeren Chinefifchen Originalwerkes von 
dem Autor U tfchhang yuan von Jinho, das den Titel Schenyuͤen Schy 
lio fuͤhrt. Gine fehr lehrreiche Ueberſicht, Literatur, chronologiſche Ans 
gabe, der Blau von Peking und die wichtigften Haupimomente ihrer Be: 
fohreibung findet fih gedrängt in: Rapport sur le Plan de Peking pu- 
bli& à St. Petersbourg en 1829. p. Eyries et Klaproth, in Nour. 
Journal Asiat. T. IV. Paris 1829 p. 356-374; überf. im Fritifhen 
Megmeifer im Gebiet der Landkartenkunde, Berlin 1830. 8. Bo. I. 
©. 315-324. €. Ritter IV. 647. - . 


285 


Sättel, Steigbügel und :andered Geſchirr, welches zur Aus⸗ 
rüftung der Reiterei gehört, dad.eine Zeughaus ein; vie. Bor 
gen, Sehnen, Köder, Pfeile und anderes Zeug, das zum 
Schießbedarf gehört, find in einem- anderen zu finden; Pans 
zer, Harniſche und andere Waffenſtuͤcke aus Leder in einem 
dritten und fo die übrigen. In diefem Mauerzixf: iſt wieder 
ein anderer, ber ſehr did und volle zwanzig Fuß hoch iſt. 
Die Zinnen oder Bruftwehrzaden find ganz weiß. “Diefer 
Zirk bildet wieder ein Viereck von vier Meilen; ‚jede Eeite 
mißt eine Meile; da find wieder ſechs Thore in demſelben 
Berhältnig wie bei der erften Ummauerung. Er enthält in 
gleicher Weiſe acht große Gebäude, in denen fi) des Kaijers 
Garderobe befindet. Der Raum zwiſchen beiven Mauern ift 
mit fchonen Bäumen geſchmuͤckt und enthält Wiefen, auf de 
nen verſchiedene Arten von Thieren gehegt werden, wie Hirfche, 
Moſchusthiere, Nehböde, Dammhirſche und andere diefer Art. 
Feder Raum: innerhalb der Mauern, der nicht von Gebäuden 
beſetzt, iſt auf dieſe Weiſe hergerichtet. Es ijt da eine üppige 
Weine: Die Wege, welche durch die Wiefen führen, find 
drei Buß erhöht und gepflaftert, und ed fammelt ſich Fein 
Schlamm auf denfelben und bleibt Fein Regenwaſſer darauf 
ſtehen, ſondern fließt ab und trägt dazu bei, die Vegetazion 
zu fordern. An diefer Mauer, die vier Meilen umfaßt, fteht 
ber Palaſt des Großfhan’s, der an Groͤße fo ungeheuer if, 
daß er feines Gleichen nie gehabt hat. Er reiht nom noͤrd⸗ 
lichen bis zum füblihen Ende der Mauer ‚und laͤßt einen 
Raum. oder Hof frei, über den nur Perfonen von Rang und 
die militäriihen Wachen ſchreiten. Er hat Fein. Oberftod, 
aber. Bad Dad. ift außerordentlich had. Der gepflaterte 
rund oder die Platform, auf welcher. er fteht, erhebt ſich 
zehn Spaunen über den Außerften Boden und eine zwei Schritt 
breite Marmormauer iſt um die Platform in gleicher Höhe 
mit ihr aufgeführt; fie umfchließt den Grundplan des Ge- 
baͤudes und faßt Das Banze ein, und die Darauf gehen, find 
von außen fihtbar. Um ven..äußeren. Rand der Mauer. ift 


ein ſchoͤnes Geländer mit Säulen, dem das Volk fid nahen 
darf. Die Wände der großen Hallen. und der Zimmer: find 
mit Drachen im vergoldetem Schnitzwerk, Figuren von Krie 
gern, Bögeln und vierfüßigen Thieren, wie mit Darftellungen 
von Schlachten verziert. Die innere oder untere Seite des 
weitvorſpringenden Daches iſt in folder Weife geſchmuͤckt, daß 
nichts als Gold und Malerei ſich dem Auge darſtellt. Auf 
jeder der vier Seiten des Palaſtes iſt eine große Freitreppe 
mit Marmorſtufen, auf welchen man zu der Marmormauer 
aufſteigt, welche das Gebaͤude umgiebt, und die den Zutritt 
zum Palaſte ſelbſt geben. Die große Halle iſt erſtaunlich 
lang und breit und wird zu Gaſtmaͤlern fuͤr eine ungeheure 
Menge Volks gebraucht. Der Palaſt enthaͤlt eine große Zahl 
beſonderer Zimmer, die alle außerordentilich ſchoͤn und fo be 
wunderungswuͤrdig hergeſtellt find, daß es unmöglich ſcheint, 
in ihrer Anordnung noch etwas Herrlicheres zu geben. Die 
Fenſterſcheiben find fo wohlgearbeitet und fo fein, daß je 
durdfihtig wie Kryſtall ſind. Am hinteren Theile des Haupt 
palaftes find große Gebäute, die viele Zimmer enthallen, 
worinnen der Schatz des Monardien, Gold- und Silberſtan⸗ 
gen, koͤſtliche Edelſteine und Perlen, wie aud) feine. Gefäße 
von Gold und Eilber aufbewahrt werden. Da find aulı 
die Zimmer feiner Frauen und Beifchläferinnen, und in bie 
fer Zurüdgezogenheit fertigt er feine Geſchaͤfte mit Bequew 
lichkeit ab, denn da ift er geſchuͤtzt vor aller Art Störung. 
Diefem großen Palafte, mo der Kaifer refibirt, gegenüber fleht 
ein anderer Palaft, der jenem in jeder Beziehung ähnlich und 
Cingis, des Kaiferd aͤlteſtem Sohne, zur Reſidenz angewieſen 
iſt, an deſſen Hofe daſſelbe Zeremoniell beobachtet wird wie 
bei feinem Vater, da der Prinz zum Nachfolger in der Re 
gierung des Reiches beftimmt if. Nicht weit von dem Pu 
Lafte, auf ver nörbliden Seite und ungefähr. einen Bogen 
fhuß entfernt von der Mauer, die Darum gezogen fit, be 
finvet fih ein kuͤnſtlicher Hügel von Erbe, deſſen Höhe volle 
hundert Schritt und ber Umfang an ber Bafls ungefähr eine 


287 


Meile beträgt. Der ift befegt mit den fchönften immergrünen 
Bäumen; denn fobald Se. Majeftät erfährt, daß an irgend 
einem Platze ein ſchoͤner Baum wachſe, fo läßt er ihn mit 
allen Wurzel und der umgebenven Erde ausgraben und, wie 
groß und ſchwer er auch ſei, durch Elefanten zu biefem Huͤ⸗ 
gel ſchaffen und in die gruͤne Sammlung verſetzen, und weil 
der Huͤgel immer gruͤnt, hat er den Namen des gruͤnen Ber⸗ 
ges erhalten. Auf ſeinem Gipfel iſt ein zierlicher Pavillon 
errichtet, der gleichfalls durchaus gruͤn iſt. Alles dieſes zu⸗ 
ſammen, der Berg ſelbſt, die Baͤume und das Gebaͤude, ge⸗ 
waͤhren einen koͤſtlichen und gar wunderbaren Anblick. Gegen 
Norden, ebenfalls noch im Zirk der Stadt, iſt eine große 
und tiefe Hoͤhlung, die ſehr kuͤnſtlich gebildet iſt und welche 
die Erde zur Schoͤpfung des Berges hergegeben hat. Dieſe 
wird durch einen Bach mit Waſſer verſehen und hat das 
Ausſehen eines Fiſchteiches, dient aber dazu, das Vieh zu 
traͤnken. Der Strom, der von dort uͤber einen Aquaͤdukt 
laͤuft, fuͤllt wiederum eine andere tiefe Hoͤhle, die zwiſchen 
dem Privatpalaſte des Kaiſers und dem ſeines Sohnes Cin⸗ 
gis gegraben iſt, und die Erde von hier hat ebenfalls zur 
Errichtung des Berges gedient. In dieſem letzteren Baſſin 
beſindet ſich eine große Menge der verſchiedenſten Fiſche, von 
denen die Tafel Seiner Majeſtaͤt mit fo viel fie nur bes 
Darf verforgt wird. Der Strom fließt am aͤußerſten Ende 
des Waſſerbehaͤlters heraus, und man hat Vorſichtsmaß⸗ 
regeln getroffen, daß die Fiſche nicht entfchlüpfen Tonnen, 
Indem man Gitter von Kupfer oder Eifen an den Etellen 
des Zuſtromes und des Abftromes angebradit hat. Der Teich 
ift auch mit Schwaͤnen und anderen Waffervögeln bevölkert. 
Bon dem einen PBalafte bis zum anderen befteht eine Ver⸗ 
bindungsbrüde, welde über das Waſſer gefhlagen if. Das 
- tft die Beichreibung des großen Palaſtes. Wir wollen nun 
von der Lage und den Verhältnifien der Stadt Taidu reden, 


— ſ — — 


288 


Siebentes Kapitel. 


Bon der neuen Stadt Taidu, welche neben der von Kambaln erbaut wor: 
den iſt; von der Regel, welche in Bezug auf bie Unterhaltung der Ge—⸗ 
fandten beobachtet. wird, und von der nächtlichen Polizei der Stadi. 


Kambalı Tiegt an einem großen Fluffe in der Brovin 
Kataia und war in alten Zelten eine außerordentlich praͤch⸗ 
tige und Foniglide Stadt. Der Name felbft bedeutet „die 
Stadt des Herrſchers.“ Aber da Er. Majeität von den 
Sterndeutern gefagt worden, wie es beftimmt fei, daß dieſe 
Stadt in Rebellion gegen ihren Herrn aufitehen werde, fo 
beſchloß er, eine andere Hauptſtadt auf der entgegengejebten 
Eeite des Fluffed zu bauen, wo der fo eben befchriebene Pa— 
laſt fteht, jo daß Die neue und die alte Stadt von einander 
nur durd den Etrom, weldyer durch diefelben fließt, getrennt 
find. Die neuerbaute Etadt erhielt den Namen Tai⸗-du 2*%), 


243) Der Name Tai⸗du, richtiger gefchrieben Tata, bedeutet ver 
„große Hof“ und war die Ghineflfche Benennung der neuen Etabt, wel: 
che die Tartaren und bie weitlihen Voͤlker im Allgemeinen fortfuhren 
Khanbaligh zu nennen. M. — Es iſt wirklich granfenerregend, wie bie 
Mongolifchen Herrfcher mit den eroberten Ländern umfprangen; fein Ge⸗ 
feg, Fein Herfommen war ihrer Willkuͤr Heilig, fie traten die Unterwor: 
fenen mit Füßen; fo verfegte Kublak die Bevölkerung ver größten EStadi 
der Welt an eine ganz andere Etelle — in ein Echachbret, weit fie ihm 
dort unbequem war, fie möglicherweife gegen ihn aufftehen Eomnte un 
er fie mafchinengerechter beauffichtigen laſſen wollte. An eine freie Br: 
wegung war nicht mehr zu benfen, er fchob die Menfchen, willenloſe 
Schachfiguren, hin und her, wie es ihm gerade gutduͤnkte, des Drude | 
feiner Beamten und Kreaturen gar nicht zu gedenken. Despottfche Re 
gienngen, wie graufam wilffärlich in ihren eigenen Hanblangen, dürfen 
aber ven Unterthanen feinen Millen geftatten, da muß die ſtrengſte Regel 
herrfchen, jede Regung der Menfchlichkeit, jede freic Bewegung braͤchte 
Etörung in. die Staatsmaſchine; darum müffen die Unterthunen wo mög, 
lid) das Denken verlernen. Doch fo ganz ohne Burallele bleibt dieſes 
Berfuhren Kublai’s felbft auch In der folgenden Geſchichte nicht; was man 
gern möchte und in der freieren Zeit nicht recht kann, das foll Hier nicht 
unterfucht werden, auch von den Verfuchen Fann bier nicht bie Rede fein 


289 


und alle Katajer, das heißt alle tie Einwohner, welche Ein 
geborene der. Provinz Kataia find, mußten die alte Stadt 
räumen und ihre Wohnung in der neuen nehmen. Cinigen 
von den Einwohnern jedoch, deren Ergebenheit feinem Vers 
dachte unterlag, wurde es veritattet zu bleiben, und vorzuͤg⸗ 
lid darum, weil die neue Etabt, deren Umfang und Gehalt 
jet befchrieben werben fol, die Zahl der alten, die von uns 
geheurer Ausdehnung war, nicht faflen Fonnte. 

Diefe neue Etabt iſt in Seftalt eines volllommenen Viereds 
angelegt und hat vierundgwanzig (ital.) Meilen im Umfange, 
jo Daß jede Seite nidyt mehr und nit weniger als ſechs 
Meilen lang it. Cie ijt mit Mauern von-Exde umgeben, 
die am Grunde ungefäyr zehn Schritt did find, aber allmäh- 
lig nad) oben abnehmen, wo die Dide nidht mehr als drei 
Schritt beträgt. Diefe Mauern find durchaus weiß. Der 
ganze Plan ift in liniengerechter Regelmäßigfeit angelegt und 
die Etraßen find demzufolge im Allgemeinen fv gerade, daß, 
wenn man durch eind der Thore über die Mauer fommt und 
gerade ausfieht, man das entgegengefehte Thor auf der ans 
teren Eeite der Etadt erblid. Auf den Straßen find zu 
beiden Seiten Buden und Kaufläven von allen Arten auf 
geftellt. Alle Grundbeſitze, auf denen die Wohnungen durd) 
die ganze Stadt aufgeführt find, find ins Gevierte vertheilt 
und ftehen in durchaus gerader Linie zu einander, und jeder 
Beſitz bietet hinveidyenden Raum fir Gebäude mit zugehöris 
gen Höfen und Gärten. in folder wurde jedem Haupte 
eines Hausſtandes angeiviefen, Das heißt, die und Die Per: 
fon des und des Namend befam ein Grundſtuͤck eines Ges 
viertes als ihren Antheil und fo fort. Auf dieſe Weile ift 


Große Etädte an andere Etellen zu verfeßen, möchte in freieren Ländern 
jegt nicht mehr möglich fein; aber doch iſt eine entfernte Aehnlichkeit zu 
finden mit jener Zwingſtadt Kublai's und den Befefligungen von Paris 
in dem freien Sranfreich; beide wurben zu befferer Beanffichtigung und 
Regelung des Volks angelegt; nur war es bort reine Despotenfache, hier 
aber gaben bie Berireter des Volks ihre Ginwilligung dazu. 


19 


290 


die ganze Stadt in Vierede vertheilt, fu daß fie einem Schach— 
bret gleiht und ihr Plan einen Grad von Regelmäßigfeit 
und Schönheit zeigt, der unbefchreiblid if. Der Wall um 
die Stadt hat zwölf Thore, drei an jeder Geniertfeite, und 
über jedem Thore und in jedem Mauerabjchnitte fteht ein 
hübfches Gebäude, fo daß auf jeder Geviertfeite fünf folde 
Gebäude find, welche große Räume haben, in denen die Waf 
fen der Stadt aufgejtellt jind, und jedes Thor wird von taw 
fend Mann bewacht. Tabei muß man aber nidyt denken, 
daß foldhe Etreitfraft etwa wegen Furcht vor Gefahr irgend 
einer feindlichen Madıt Dort aufgeftellt iſt; fie iſt blos eine 
der Ehre und Wuͤrde des Kaiſers angemeffene Wade. Aber 
zugeftehen muß man, daß die Erflärung der Sterndeuter eine 
Art von Verdacht gegen die Katajer erregt hat. Im Mitte 
punfte der Stadt hängt in einem hohen Gebäude eine große 
Glocke, melde jede Naht angefchlagen wird, und nach tem 
dritten Glockentone tarf Niemand mehr auf den Straßen ge 
fehen werben, mit Ausnahme einer dringenden Angelegenheit, 
ſo man einer Frau in Kindesnöthen oder einem ſchwer fran 
fen Menfchen Beijtand holen will, und fogar in foldyen Fällen 
muß die ausgehende Perfon ein Licht haben. 

Außerhalb jedes Thores ift eine Vorſtadt, Die fo audges 
dehnt ift, daß fie zu beiden Geiten bis zu denen der näd 
ften Thore reiht und mit ihnen in Verbindung fteht, fo daß 
die Zahl der Bewohner in diefen Vorftäbten Die der inneren 
Stadt fogar noch übertrifft. In dieſen Vorftädten giebt «6 
in gewiflen Zwiſchenraͤumen von etwa einer Meile Entfernung 
von der Stadt viele Gafthöfe und Karawanſerais, in denen 
die Kaufleute, Die aus verſchiedenen Ländern kommen, ihre 
Herberge nehmen, und jedem befonderen Wolfe ift auch ein 
befonteres Gebäude angeiwiefen, wie wir fagen würden, eind 
den Lombarden, ein anderes ben Deutfchen und ein drittes 
den Franzoſen. Die Zahl der öffentlichen Frauen, vie ſich 
für Geld hingeben, beläuft fi, wenn man bie in der neuen 
Stadt wie die in den Vorſtaͤdten der alten Stadt zufammen 


291 


redjnet, auf fünfundzwanzigtaufend. Jedem Hundert und je- 
dem Tauſend diefer Verfonen find beauffihtigende Beamte ge 
Rellt, die unter den Befehlen eined Oberhauptmanns ftehen. 
Der Grund, fie unter eine ſolche hohe Auffiht zu. ftellen, ift 
folgender. Wenn Geſandte in irgend einer Angelegenheit, 
welche die Intereffen tes Großkhan's betrifft, fommen, fo ift 
es gebräudlih, fie auf Er. Majeität Koften zu unterhalten 
und in ehrenvolliter Weije zu traftiren; fo hat der Haupt 
mann den Auftrag, jedem zur Geſandtſchaft Gehörigen eine 
diefer Kurtifanen zu verihaffen, die jede Nadt durch eine 
andere erjegt werden muß. Für diefen Dienft, der als eine 
Art Tribut betradytet wird, den fie ihrem Herrn zu geben 
haben, erhalten fie Feine Belohnung. Wachen, in Abtheilun 
gen von breißig ober vierzig Mann, durchziehen während ber 
ganzen Nacht beftindig Die Straßen und fucher forgfältig nad) 
Berfonen, die zu ungehöriger Etunde, das iſt nad) dem drit⸗ 
ten Schlage der großen Glocke, fi vom Haufe entfernt ha⸗ 
ben. Wird irgend Jemand unter ſolchen Umftänden ange- 
troffen, fo faffen fie ihn augenblidlid,, fperren ihn ein und 
am anderen Morgen wird er zur Unterfuchung vor zu Dem 
Zwecke angeftellte Beamte gerührt, die ihn nun nad) dem 
Grade feined Vergehend zu einer fhivereren ober leichteren 
Strafe, die in Stodjchlägen, der fuogenannten Baftonade, bes 
ſteht, werurtheilen, welde Züdtigung jedoch zuweilen ben 
Tod herbeiführt. Auf diefe Weife werden gewöhnlid, die Vers 
breihen im Volke beftraft und zwar aus Abneigung, Blut 
zu vergießen, was ihre Bakſis oder gelehrten Sterndeuter fie 
zu vermeiden lehren. — Nachdem wir nun fo das Innere 
der Stadt Tai⸗du befchrieben haben, wollen wir von der Reis 
gung zur Rebellion veben, welche ihre Katajifhen Einwohner 
gezeigt haben. 


19* 


292 


Achtes Kapitel. 


Don den verrätherifchen Anfchlägen, tie Stadt Kambalu in Rebellion p ji 
jegen, und von den Strafen, bie über bie Urheber diefer Praftifen 
verhängt wurden. 


Von dem hohen Rathe, ver aus zwölf Perfonen beftelt, 
die die Macht haben, nad) ihrem Gefallen über die Länder, 
das Regiment und alle Dinge, die zum Staate gehören, ju 
verfügen, fol nody die Rete fein. Unter diefen war ein Sa—⸗ 
razene, Namens Achmak 245), ein verfchlagener und vermege 


945) Der Name diefes mächtigen und nieberträchtigen Arabiſchen 
Minifters, den die Chinefen Ahama nennen, war Ahmed, der Achmet m 
ferer Türfifchen Gefchichtichreiber. — Bei feiner Thronbefteigung vertraute 
Kublai die Verwaltung der Finanzen feines Reichs einem Mahomelaner 
aus Bokhara, Namens Seyid-Edſchell an. Diefer Miniſter farb 1270 
und hinterließ den Ruf der Rechtfchaffenheit. An feine Stelle Fam Ab 
med ans Fenafet, einer Etadt am Sihun. Ahmeb verbanfte fein Gluͤt 
der Befanntfchaft mit Dſchambnikhatun, der erfien ber Gemahlinnen Ru 
blat’s, die er gemacht hatte, als fie noch im Haufe ihres Baters Stich 
Noyan, eines der Fürften der Kunfaraten, war. Er wurbe am Hofe bie 
fer Katferin angeftellt, und geſchmeidig, verfchlagen, einfchmeichelnden 
und an Hilfsquellen fruchtbaren Geiſtes, wie er war, Hatte er im feiner 
Stellung Gelegenheit, die Gunſt des Großkhan's "zu gewinnen, ber 
ihm beim Tode Eeyid Edſchell's die Verwaltung ber Finanzen des Reis 
anvertrante. Ahmen wußte fih einen großen Einfluß über Kublai zu vers 
fchaffen. Diefer Fürft, habfüchtig und geizig, brauchte viel Geld um 
fein Minifter fand die Mittel, ihm welches zu verfchaffen. Er benuple 
feine Gunft, fich eine Gewalt, Die ohne Grenzen war, zu verfchaffen. Die 
Schilderung, die Marco Polo von ihm giebt, iſt auf eigene, Tangjährige 
Beobachtung begründet und findet bei anderen Gefchichtfchreibern ihre Bes 
ſtaͤtigung. Nach Ahmen’s Tove wurde das Minifterlum einem Uiguren, 
Namens Eanga, gegeben, ber ganz in bie Fußtapfen feines Borgängers 
trat, bis auch er endlich als ein Opfer feiner Frevel fiel und bie unge 
heuren Schaͤtze, die er aufgehäuft hatte, kamen ebenfalls dem Edhake 
Kublat’s zu Gute Co hatten ſich feit dem Tode Seyid Edſchell's die 
oberften Verwalter der Finanzen, die ebenfo wie die Mehrzahl ihrer Age 
gen Fremde waren, durch die fehändlichften Bedruͤckungen in Gunſt ae 
sen; denn Kublai war nad) Geld gierig, nahm alle die wohl auf, bie 


293 


ner Mann, deſſen Einfluß über ven Großfhan größer war 
als der aller anderen Mitglieder des Raths, und in folder 
Bethörung war fein Herr für ihn, daß er ihm Segliches zu 
thun erlaubte. Es wurde jedod nad feinem Tode entbedt, 
daß er durch Zauberfünfte Se. Majeftät fo berüdt hatte, daß 
ſie ihm in Allem, was er ihr mittheilte, Ohr und Vertrauen 
ſchenken mußte. Auf dieſe Weiſe konnte er in allen Dingen 
nach feinem boͤſen Gefallen handeln. Er verlieh alle Statt⸗ 
haltereien und öffentlichen Aemter, ſprach Gericht über alle 
Berbreder, und wenn er geneigt war, irgend Jemand, gegen 
den er boͤſen Willen hegte, zu opfern, fo brauchte er nur zu 
dem Kaiſer zu gehen und ihm zu fagen: „bie und die Pers 
fon bat ſich des Majeftätöverbrecdhens ſchuldig gemacht und 
verbient den Tod,” fo pflegte der Kaifer zu fagen: „thut, 
was ihr für das befte haltet,” worauf er den Berflagten 
ſogleich hinrichten ließ. So maͤchtig waren die Beweiſe ſei⸗ 
fer Gewalt und des Glaubens, den Se. Majeſtaͤt auf das, 
was er ihr vortrug, febte, daß Niemand den Muth hatte, 
ihm in etwas zu widerfprehen; aud war fein Mann da, 
wie hoch aud) im Rang, der nit in Furcht vor ihm geives 
fen wäre. Wenn Jemand von ihm eines Kapitalverbrechens 
angeklagt wurbe, fo hatte er, wie aͤngſtlich bemüht auch fi 
zu vertheinigen, feine Mittel, die Beſchuldigung zuruͤckzuwei⸗ 
fen, weil er ſich feinen Fürfpredjer verſchaffen konnte; denn 
Niemand wagte es, ſich dem Willen Achmak's zu widerſetzen. 
Auf dieſe Weiſe wurden Viele ungeredyt zum Tode verdammt. 
Außerdem erregte Fein huͤbſches Weib feine Sinnlichkeit, das 
er nicht in feinen Beſitz gebracht hätte, indem er, wenn es 
noch nicht verheirathet war, ed zur Frau nahm, oder wenn 
es bereits verheirathet, zwang, ſich feinen Lüften zu ergeben. 


ihm Mittel und Wege zeigten, feinen Schatz zu füllen und feine Reve⸗ 
nihen zu vermehren, und übergab daher bie Gewalt Menfchen ohne Scham, 
die ſich alle Nieverträchtigfeiten erlaubten. Das war eine der ſchwarzen 
Seiten in Kublat’s Charafter. S. Mailla IX. 413 f., Gaubil 202 f.- 
Dichami ui⸗Tkvarikh, D'Ohſſon II. 469 ff. 


294 


Penn er Kunde erhielt, daß irgend ein Mann eine hübfde 
Tochter Hatte, fo ſchickte er feine Helferöhelfer zu dem Bater 
des Mädchens, mit dem Auftrage, ihm zu fagen: „Was find 
deine Abfihten in Betreff. diefer deiner fchonen Tochter? Du 
fannft nicht beffer thun, als fie dem Oberftatihalter, dem Ad 
mak (fo nannten fie ihn, weil er des Kaifers Etellvertreter 
war) zum Weibe zu geben." Wir werden ihn dahin vermoͤ⸗ 
gen, daß er dir dieſes Amt oder jene Stelle auf drei Jahre 
übergiebt. Durch ſolche VBerfuhung wird er vermodht, fein 
Kind hinzugeben, und ift die Angelegenheit fo weit georbnet, 
fo geht Achmak zum Kaifer und benadyridtigt Se. Majeftät, 
daß eine gewiſſe Etelle erlevigt, oder daß die Zeit, für welde 
fie befegt, auf den und den Tag um fet, und empfiehlt den 
Vater als den zur Verrichtung der Pflichten geeigneten Mann. 
Diefem ertheilt Ze. Majeftät die Zuftimmung . und vie An— 
ftelung wird augenblicklich in Vollzug geſetzt. Durch ſolche 
Mittel, entweder weil die Leute begierig auf. hohe Stellen 
waren oder weil fie fi vor ihm fürdhteten, wurben "ihm bie 
[hönften jungen Weiber geopfert, entweder unter dem Titel 
von Gemahlinnen oder ald Sflavinnen feiner Lüfte. Er hatte 
fünfundzwanzig Soͤhne, welche im Befige der hoͤchſten Eiellen 
im Staate waren, und einige von ihnen, geſtuͤtzt auf hie 
Madıt ihres Vaters, hatten viele ehebrecheriſche Verbindungen 
und begingen viele andere ungeſetzliche und gewaltſame Hand⸗ 
lungen. Achmak hatte auch große Schaͤtze zufammengehäuft; 
tenn Jedermann, der eine Anftellung erhielt, fand es für 
nothivendig, ihm ein bebeutendes Geſchenk zu machen. 
Während eines Zeitraums von zwanzig Jahren "ühte er 
dieſe unbejchränfte Gewalt aus. Zuletzt konnten die Einges 
borenen ded Landes, Das heißt die Katajer, dieſe immer ſich 
mehrenden Handlungen der Ungerechtigkeit und dieſe Abſcheu— 
lichfeiten gegen ihre Familien nidıt mehr ertragen und hide 
ten Berfanunlungen, worin fie über die Mittel beriethen, um 
den mächtigen Mann ums Leben zu bringen und einen Auf- 
ruhr gegen die Regirung zu erregen. Unter den Männern, 


295 


die vorzüglich in dieſe Verſchwoͤrung verwidelt waren, befand 
fi, ein Katajer,- Namens Cen⸗ku (Tſchen⸗ku), ein Hauptmann 
von fechstaufend Mann, der, brennend von Rache wegen der 
Schaͤndung feiner Mutter, feines Weibes und feiner Tochter, 
den Blan einem feiner Landsleute, Namens Bancfu, der Oberft 
über zehntaufend Mann war, mittheilte und vorſchlug, ihn 
in. Ausführung zu bringen, wenn ber. Großkhan nad) Bes 
endigung. feiner dreimonatlichen Reſidenz in Kambalu nach 
dem Palafte Cian⸗du (Schan-du) abgereift fei und wenn fein 
Sohn Cingis ſich ebenfalls nach dem Plate, den er gewöhns 
lich um Diefe Zeit befuchte, zurückgezogen hätte, weil die Auf⸗ 
fit über die Etadt Achmak übergeben war, der feinem Herrn 
mittheilte, was für Angelegenheiten während deſſen Abweſen⸗ 
heit vorgefommen und dafuͤr Das Zeichen ter Zufricdenheit 
Cr. Majeftät empfing. Nachdem Van⸗ku und Cen⸗ku foldyen 
Rath, zufammen gehalten hatten, theilten fie ihre ‘Pläne ei 
nigen der Vornehmften unter den Katajern mit und durch 
diefe ihren Freunden in vielen anderen Städten. Es wurde 
demzufolge unter ihnen befdhloffen, daß an einem gewiſſen 
- Tage, unmittelbar wenn Die Feuerzeichen gegeben worben, fie ſich 
erheben und alle die, weldye Bärte trügen, erivürgen follten, 
und Die Feuerzeichen follten auch noch an anderen Orten auf 
lodern, damit daffelbe in dem ganzen Lande ausgeführt würde. 
Was nun aber die Bärte anlangt, fo muß man wiflen, Daß 
Die Katajer von Natur bartlos find 246), während die Tar- 
taren, Sarazenen und Chriften Bärte tragen. Weiter muß 
man ſich erinnern, daß ver Großfhan, weil er die Herrihaft 
über Kataja nicht durch legales Recht, fondern durch Die Ges 
walt der Waffen erworben hat, fein Vertrauen zu den Ein 
wohnern hatte und deshalb alle Etatthaltereien und alle Bes 
hörden der. Provinzen Tartaren, Sarazenen, Ehriften und 
Fremden, die zu feinem Haushalte gehörten, anvertraut hatte. 


246) Die Ghinefen haben nur fehr ſchwache und ſpaͤrlich ſtehende 
Barthaare, bie fehr ſpaͤt kommen. 


296- 


Darum war feine. Regirung allgemein verbaßt bei den Eins 
geborenen, die ſich ald Eflaven von diefen Tartaren und nod 
fchlimmer von den Sarazenen behandelt fahen. 

Da ihre Pläne auf diefe Weiſe angeordnet waren, bes 
ſchloſſen Van⸗ku und Cen⸗-ku, Nachts in ven Palaft einzu; 
dringen, wo der Erftere feinen Plat auf einem der koͤniglichen 
Sige nehmen, dad Zimmer hell erleudhten lafien und einen 
Boten an Achmak, der in der alten Stadt reſidirte, ſenden 
ſollte, der ihn augenblicklich vor Cingis, des Kaiſers Sohn, 
beriefe, der — ſo ſollte er ſagen — in dieſer Nacht ange 
kommen ſei. Achmak war ſehr eyſtaunt über dieſe Nachricht, 
da er aber gewaltigen Reſpekt vor. dem Prinzen Hatte, ger 
horchte er augenblidlih. Als er das Thor der (neuen) Stadt 
paffirte, begegnete er einem Tartarifhen Offizier, Namens 
Kogatai, der Oberft über die Wache der zwölftaufend Mann 
war, und dieſer fragte ihn, wohin er denn zu fo fpäter Stunde 
gehen wolle? Er antwortete, daß er gehe, Cingis feine Auf 
wartung zu machen, deſſen - Ankunft er ſoeben, vernommen 
habe. „ie ift e8 möglich,” fagte der Offizier, „daß er fo 
im Geheimen angefommen fein fann, ohne daß ich es bei 
Zeiten gewahr geworben wäre, um einen Theil der Wachen 
zu feiner Begleitung aufziehen. zu laſſen?“ Die beiven Ka 
tajer hielten ſich fiir verfichert, daß, wenn es ihnen gelingen 
follte, Achmak bei Eeite zu Schaffen, fie nichts weiter zu fürde 
ten haben wuͤrden. Als diefer nun in- den Palaſt trat und 
fo viele Lichter brennen fah, warf er ſich in uͤblicher Weife 
vor Bansfu nieder, denn er glaubte, es fei der Prinz; Cen⸗ku 
aber ftand da bereit mit einem Schwerte und trennte mit 
einem Schlage das Haupt vom Rumpfe Achmak's. Kogatai 
war an der Thür ftehen geblieben; als er aber fah, was 
da vorging, rief er aus, es fei da Verrat) im Epiele und 
ſchoß augenblidtih einen Pfeil auf Van-ku ab, ver auf dem 
Throne ja ſaß, und toͤdtete ihn ſo 2357). Dann rief er feine 

247) © Diefer Van-ku wird von D'Ohſſon nach Mailla und De Gnigues- 
. Mangstjchu genannt. Die Ermordung Ahmed’s fiel im Jahr 1282 vor. 





297 


Leute herbei, die Gensfu ergriffen, und ſchickte den Befehl in 
der Stadt umher, daß Fein Menſch, bei Topesftrafe, ſich vor 
den Thuͤren erbliden laſſen folle. Als die Katajer jedoch 
gewahrten, daß die Tartaren ihre Verſchwoͤrung entdeckt hats 
ten; und da fie ihrer Führer beraubt waren, von denen der 
eine getöbtet, der andere zum Gefangenen gemacht worden 
war, fo hielten fie ſich in ihren Häufern und fonnten den 
anderen. Städten die Zeichen nicht geben, wie verabredet wor- 
den war. Kogatai fandte augenblicklich Boten an den Groß⸗ 
han mit einem umftänblihen Bericht über Alles, was vors 
gefallen war, und dieſer ‚befahl ihm dagegen, daß er eine 
genaue Unterſuchung über ven Verrath anftellen laſſen und 
die, weldye er dabei betheiligt finden würde, nad) dem Grade 
ihrer Schuld beftrafen jolle. Am folgenden Tage verhing Kos 
gatai die Unterfuchung über alle Katajer, und die, welche bie 
Saupträvelsführer bei der Verſchwoͤrung gewefen waren, wur⸗ 
den zum Tode verurtheilt. Daſſelbe gefhah in den anderen 
Städten, von denen befannt wurde, daß fie. Theil genommen 
an dem Berbredjen. 

Als Se. Majeftät nach Kambalu zuruͤckkehrte, war ſie 
begierig, die Urſachen deſſen, was ſich begeben hatte, zu er⸗ 
fahren, und erkannte nun, daß der ſchaͤndliche Achmak nebſt 
ſieben ſeiner Soͤhne (denn alle waren nicht glei ſchuldig) 
die Abſcheulichkeiten, die wir befchrieben haben, begangen hatten. 
Er gab Befehl, daß der Schatz, weldyen der Todte in unges 
heurer Maſſe aufgehäuft hatte, von deſſen früherem Wohnſitze 
in der alten Etadt nad) der neuen gefhafft werde, wo er 
in des Kaiſers eigenem Schage niedergelegt wurde. Auch 
ließ er den Leichnam Achmak's aus dem Grabe. nehmen und 
auf die Straße werfen, daß er von den Hunden zerriffen 
werde; die Söhne aber, die des Vaters Beifpiel in feinen 
Bosheiten gefolgt waren, Tieß er lebendig finden, und da 
der Kaiſer zugleih die Grundſaͤtze der verfluchten Cefte ber 
Sarazenen in Erwägung zog, wie fie fid) fein Gewiſſen dar⸗ 
aus machen, irgend ein Verbrechen zu begehen und bie zu 


298 


ermorden, die einem anderen Glauben anhängen als fie, fo 
daß ter gottlofe Adymaf mit feinen Soͤhnen ſogar Fein ln 
recht in ihren Handlungen zu begehen glaubte, fo fah er 
fie fortan mit Verachtung und Abſcheu an. Er ließ daher 
diefes Volk vorforden und unterfagte ihnen viele der Ge 
brauche, Die ihnen von ihrem Geſetze geboten wurden; Fünftig 
folften ihre Ehen nad) Eitte der Tartaren gefchloflen werben, 
und anftatt ihrer Gewohnheit, die Thiere durch Abſchneiden 
der Kehle zu tödten, follten fie den Bauch derſelben aufs 
fhligen. Marco Polo war zu der Zeit, als ſich Diefes zu 
trug, am Orte der Begebenheiten 248), — Wir wollen nun 


248) Der Grund ber Ungnabe, in welche die Muhametaner Bei 
Kublai fielen, wird von D'Ohſſon nad Dſchami ut⸗Tevarikh anders er: 
zählt; das Refultat dabei‘ fiimmt mit dem von Marco Polo angegebenen 
merkwürdig überein: Es gab In. Kublat’s Reich. viel Mahometaxer, 
aber ein befonderer Umftand z0g ihnen mehre Jahre Yang eine Art Ber: 
folgung zu. Mahometanifche Kaufleute hatten ihm, dem Teidenfchaftlichen 
Sagbliebhaber, fchöne Adler und Falken aus dem Lambe der Kuris nu 
Kirgifen gebracht und als Zeichen feiner befondern Gnade ſchickte er Ihnen 
Gerichte von feiner Tafel. Als fle nicht davon effen wollten, fragte fe 
Kublai um den Grund. Sie antworteten, für fie ſeien biefe Speifen 
unrein, denn fie ſeien von Thieren, die nicht nach der Vorfchrift ihres 
Geſetzes getötet worden. Diefe Antwort beleivigte Kublai und überbem 
aufgehett durch bie Buddhiſten und die Chriften von feinem Hofe, rief er 
das Dſchingiskhan'ſche Geſetz wieder in's Leben, welches bei Tobesfirafe 
verbot, die zu fehlachtenden Schafe abzugurgeln, und verfprach, die Fami⸗ 
lien und Güter ber Schuldigen denen zu geben, welche folche anzeigten. 
Sobald diefes Edikt befannt gemacht worden, fanden fich Angeber; viele 
Bereicherten ſich auf dieſe Weiſe auf Koften der Mufelmänner ; die Eclaven, 
um ihre Freiheit zu erhalten, klagten ihren Herrn an. Diefe Verfolgung 
dauerte fieben Jahre; endlich ſtellte anf dringende Bitten einiger Mahe: 
melaner Großen und Prälaten der Finanzminifter Eanga dem Kaifer ver, 
daß die Mahometanifchen Kaufleute nicht mehr nach China kaͤmen, baj 
der Großfhan auf diefe Weife die Gefchenfe nicht mehr erhalte, die jene 
gewöhnlich mitbrächten, und dem Schaß der Zoll abginge, dem fie für 
ihre Waaren zahlten. Diefe Vorftellung bewog Kublat, fein Geſetz zuräd: 
zunehmen. — Bor biefer Zeit waren die Mahometaner ſchon einmal in 
Ungnade gefallen. Chriſten Hatten ihnen ben uͤblen Dienft erwiefen, dem 


erzählen, wie der Großkhan feine Leibwache hält und einges 
tihtet hat. | 


Neuntes Kapitel. 
Bon der Leibwache des Großkhan's, die aus zwoͤlftauſend Renten befteht. 


Tie Leibwahe des Großkhan's befteht, wie Jedermann 
befannt ift, aud zwölftaufend Reitern, Die Kajitan 29) genannt 





Färften ben Ders aus dem Koran zu zitiren: „Toͤdtet alle die, welche 
mehre Götter anbeten. Der Katfer Tieß die Mufelmsantfchen Doftoren 
kemmen und fragte deu vornehmſten unter ihnen, ob ihr heiliges Buch 
ſolche Vorſchrift enthalte. Gr Eonnte nicht leugnen. „Und,“ entgegnete 
Kublat, „ihr glaubt, daß auch der Koran von Gott gekommen?“ — 
„Dhne Zweifel.” — „Da Gott euch geboten Hat, die Ungläubigen zu 
tönen,” fuhr der Kaan fort, „warum gehordht ihr ihm nicht 2” — „Weil 
die Zeit noch nicht gefommen iſt; wir können noch nicht.” — „Aber Ich 
kaun euch verberben!“ rief der Zürft voll Zorn und gab Befehl zur Hin; 
richtung bi:fes Diannes. Der Finauzminifter Achmed, der Vorgänger 
Eanga’s, und andere Mahometanifche hohe Beamte baten den Kaifer, 
feinen Befehl nicht ausführen zu laſſen und andere Mufelmänner zu fragen, 
die hefier vom Geiſt ihres Glaubens unterrichtet ſeien. Cie ließen einen 
Khadi kommen, dem ber Zürft diefelbe Frage über jene Stelle des Korans 
vorlegte. „Es ift wahr,” amtwortete ber Khabi, „daß uns Gott befiehlt, 
die Vielgätteranbeter zu toͤdten, aber er bezeichnet uns unter biefem Namen 
pie, welche ein höchftes Weſen anerkennen; und da ihr den Namen Got: 
tes allen euren Befehlen vorſetzt, koͤnnt ihr nicht in dieſelbe Klaſſe gerech: 
net werben.” Kublat war zufrieden mit dieſer Antwort und gab dem 
Khadi Beweife feiner Gnade, die Mufelminnifhen Doktoren aber wur: 
den in Freiheit geſetzt. S. D'Ohſſon II. 4%. 


349) Gafitan (Cod. Ricc.), Quescitam ( Testo della Crusca). Es 
fcheint, daß ber Name ver Fatjerlichen Leibwache feinen Urfprung in dem 
ihrer Oberſten bat. Dſchingiskhan Hatte zu feinem Dienfte vier Mon: 
golifche Hauptleute, die Ihm große Beweiſe ihrer aufopfernden Liebe und 
Anhänglichfeit gegeben hatten. Eie wachten des Nachts über feine Ruhe, 
begleiteten ihn auf allen feinen Feldzuͤgen und leiſteten Ihm große Dienfte, 
veswegen zeichnete er fie auch in aller Weiſe aus, machte fie bei feinem 
Tode zu Fuͤrſten, und nach ben Chinefifchen Geſchichten „waren bie Rad): 


j 300 


werben, welches „treue Soldaten ihre Herrn“ beveutet. Nicht 
etwa aus Zucht hat er fid) mit diefer Wache umgeben, for 
dern weil fie zu Seiner Majeftät gehört. Diefe zmwölftaufend 
Mann werden von vier Hauptleuten befehligt, von denen 
jeder über dreitaufend gefeßt ift, und jever von dieſen drei 
taufend ift ohne Unterbrechung während dreier auf einander 
folgenden Tage und Naͤchte in Dienſt; nadı Verlauf vieler 
Zeit werben fie von einer anderen Abtheilung abgelöft. Waͤh⸗ 
rend ber Tageszeit verlaffen jedoch Die, welche nicht auf Wade 
find, nit den Palaft, außer wenn fie zum Dienfle Sr. Ma⸗ 
jeftät veriwenbet werben, oder wenn ein Mann burd feine 
häuslidyen Angelegenheiten abgerufen wird, in weldem alle 
er um Urlaub bei feinem kommandirenden Hauptmanne nad 
fuchen muß, und wenn er in Folge irgend eines ernften Zufalles, 
wie etwa, daß ein Vater, ein Bruder ober irgend ein naher 
Verwandter am Tode Tiegt, abgehalten fein follte, fogleid 
zurüdzufehren, fo muß er fih an Se. Majeftät um Berlin 
gerung des Urlaubs wenden. Zur Nachtzeit aber ziehen fih 
diefe Neuntaufend in ihre Duartiere zurüd. 





fommen biefer vier Mongolen alle in ber Leibwache angeftellt, man 
nannte fie bie vier Kie-ſik und enthob fie biefer Etellung nur, um fie 
zu Staatsminiftern zu machen.“ Hone de Bantes:rayes bemerft zu 
diefer Stelle (Hist. gen. de la Chin. T. IX., p. 106 aot.): „Dies be 
Rätigt das, was Polo im I. B., 12. Kur. fagt, daß ber Großkhan eine 
Wache von zwölftanfend Rittern gehabt, die Quieſites genannt unb von 
vier Oberften befehligt wurden, von bemen jeder dreitaufend Mann umter 
KH hatte.“ Nach Gaubil waren die Offiziere, die Polo Quiſetam nemmt, 
die Kuefie, von dem Namen der vier muthigen Hauptlente Dſchingiskhan's. 


301 


Zehntes Kapitel. 


Bon der Art, wie ber Großkhan feinen feierlichen und großen Hof Hält 

und bei Tifche ſitzt mit allen feinen Großen; von ber Art, in welcher bie 

goldenen und fllbernen Trinkgefaͤße in der Halle aufgeftellt find und mit 

Stutens und Kameelmilch gefüllt werden, und von ber Zeremonie, bie 
ftattfindet, wenn er trinkt. 


Wenn der Großfhan einen feierlichen Hof hält, fo ſitzen 
bie, welche vemfelben beimohnen, in folgender Weile. Die 
Tafel des Herrſchers fteht vor feinem erhabenen Throne und 
er hat feinen Eig auf der nörblidyen Eeite, das Geſicht nad 
Süden gewendet, und nädhft ihm, zu feiner Linken, fißt bie 
Kaiferin. Ihm zur Rechten, auf etwas niedrigeren Ceffeln, 
figen feine Eöhne, feine Enfel und andere Perfonen, die mit 
ihm durchs Blut verbunden find, das will fagen, die von 
dem Faiferlichen Geſchlechte abftammen. Der Eig Eingis’250), 
feines Alteften Sohnes, tft ein wenig über denen der anderen 
Soͤhne erhaben, deren Häupter ziemlic, gleich mit den Füßen 
Sr. Majeftät find. Die anderen Bringen und die Freiberren 
haben ihre Pläge an noch niedrigeren Tafeln, und dieſelben 
Regeln werben bei ten Damen beobadjtet; die Gemahlinnen 
der Eöhne, der Enfel und anderer Verwandte des Großfhan’s 
fiten zur linfen Hand an Tafeln, die in gleicher Weife nied⸗ 
tiger find. Dann folgen die Frauen ter Freiherren und ber 
Ritter, ſo daß Alle nad) ihrem verfchievenen Range und ih» 
ren Würden an den PBlägen, die ihnen angewiefen und zu 


250) Schon im fechften Karitel wurde Dſchingis oder Tfchingfim ers 
wähnt, bei Gelegeuhelt der Befchreibung des Palaftes, fo daß es fcheinen 
möchte, als rede Polo noch von einem Lebenden, obgleich er früher ganz 
richtig deſſen Tod angegeben; das ift fo zu erklären, daß Polo fein Werk 
nicht allein aus der Erinnerung, fondern auch nach Notizen, die er waͤh⸗ 
end feines Aufenthalts in China zu verſchiedenen Beiten aufgezeichnet, 
nieberfchrieb.” So wird auch von Kublat, deſſen Tod von Polo bei der 
Nundreife erwähnt wird, im ganzen Werke ale bem noch regirenden 
Kaiſer geſprochen. 


298 


ermorden, die einem anderen Glauben anhängen als fie, fo 
daß der gottlofe Achmak mit feinen Soͤhnen ſogar Fein Uns 
recht in ihren Handlungen zu begehen glaubte, fo ſah er 
fie fortan mit Beratung und Abſcheu an. Cr ließ daher 
dieſes Volk vorforden und unterfagte ihnen viele der Ge 
bräudje, Die ihnen von ihrem Geſetze geboten wurden; Fünftig 
folften ihre Ehen nad) Eitte der Tartaren gefchloflen werben, 
und anftatt ihrer Gewohnheit, die Thiere durch Abfchneiven 
der Kehle zu tödten, follten fie den Bauch derſelben auf⸗ 
ſchlitzen. Marco Poio war zu der Zeit, als ſich dieſes zu⸗ 
trug, am Orte der Begebenheiten248), — Wir wollen nun 


* 





248) Der Grund ber Ungnade, in welche die Muhametaner bei 
Kublai fielen, wird von D’Ohffon nah Dſchami ut: Tevarikh anders er: 
zählt; das Refultat dabei fiimmt mit dem von Marco Polo angegebenen 
merkwürdig überein: Es gab in. Kublal's Reich viel Mahometaner, 
aber ein befonderer Umftand z0g ihnen mehre Jahre Yang eine Art Ber: 
folgung zu. Mahometanifche Kaufleute hatten ihm, dem Teidenfchaftlichen 
Jagdliebhaber, fehöne Adler und Falken aus dem Lande der Kuris und 
Kirgifen gebracht und als Zeichen feiner befondern Gnade ſchickte er Ihnen 
Gerichte von feiner Tafel. Als fle nicht davon eſſen wollten, fragte fie 
Kublai um den Grund. Sie antworteten, für fie feien biefe Speifen 
unrein, denn fie feien von Thieren, die nicht nach der Vorfchrift ihres 
Gefeßes getötet worden. Diefe Antwort beleivigte Kublai und überdem 
aufgehett durch bie Buddhiſten und die Chriften von feinem Hofe, rief er 
das Dſchingiskhan'ſche Geſetz wieder in’s Leben, welches bei Todesfirafe 
verbot, die zu fehlachtenden Schafe abzugurgeln, und verfpradg, die Fami⸗ 
lien und Güter der Schuldigen denen zu geben, welche ſolche anzeigten. 
Sobald diefes Edikt befannt gemacht worben, fanden ſich Angeber; vice 
bereicherten fich anf diefe Weife auf Koften der Mufelmänner ; die Sclaven, 
um ihre Freiheit zu erhalten, Elagten ihren Herrn an. Dieſe Berfolgung 
dauerte fieben Jahre; endlich ftellte auf dringende Bitten einiger Made: 
metaner Großen und Prälaten der Finanzminiſter Sanga dem Kaifer ver, 
daß die Mahometanifchen Kaufleute nicht mehr nach China Eimen, daß 
der Großfhan auf diefe Weile die Geſchenke nicht mehr erhalfe, die jene 
gewöhnlich mitbrächten, und dem Schatz der Zoll abginge, ven fie für 
ihre Waaren zahlten. Diefe Borftellung beivog Kublai, fein Geſetz zarüd: 
zunehmen. — Bor biefer Zeit Haren die Mahometaner ſchon einmal ia 
Ungnave gefallen. Ghriften hatten ihnen ben uͤblen Dienft erwiefen, bem 


299 


erzählen, wie der Großkhan feine Leibwache hält und einge: 
richtet hat. 


— — iin — > 


Neunted Kapitel. | 
Bon der Leibwache des Großfhan’e, die aus zwölftaufend Renten befteht. 


Die Leibwache des Großkhan's beſteht, wie Jedermann 
bekannt iſt, aus zwoͤlftauſend Reitern, die Kaſitan 249) genannt 





Fuͤrſten ben Vers aus dem Koran zu zitiren: „Toͤdtet alle die, welche 
mehre Goͤtter anbeten.” Der Katfer Tieß die Mufelmsantfchen Doktoren 
kommen und fragte den vornehmen unter ihnen, ob ihr heiliges Buch 
folche Vorſchrift enthalte. Er konnte nicht leugnen. „Und,“ entgegnete 
Kublai, „ihr glaubt, daß auch der Koran von Gott gekommen?“ — 
„Dhne Zweifel.” — „Da Gott euch geboten Hat, die Ungläubigen zu 
Hödsen,” fuhr der Kaan fort, „warum gehordit Ihr ihm nicht 2" — „Weil 
die Zeit noch nicht gekommen tft; wir Fönnen noch nicht.” — „Aber ih 
fan euch verderben!“ rief der Fürft voll Zorn und gab Befehl zur Hin; 
richtung bi:fes Mannes. Der Finanzmintfter Achmed, der DBorgänger 
Eanga’s, und andere Mahometanifche hohe Beamte baten den Kaifer, 
feinen Befehl nicht ausführen zu Iaffen und andere Mufelmänner zu fragen, 
pie befier vom Geift ihres Glaubens unterrichtet fein. Sie ließen einen 
Khadi kommen, dem der Zürft diefelbe Trage über jene Stelle des Koraus 
vorlegte. „Es ift wahr,” antwortete der Khabi, „daß uns Gott befiehlt, 
die Vielgstteranbeter zu töbten, aber er bezeichnet uns unter biefem Namen 
pie, welche kein höchftes Wefen anerkennen; und ba ihr den Namen Got: 
tes allen euren Befehlen vorfebt, könnt ihr nicht in diefelbe Klaſſe gerech: 
net werben.” Kublat war zufrienen mil biefer Antwort und gab dem 
Khadi Beweife feiner Guade, die Mufelmännifchen Doktoren aber wur⸗ 
ven in Freiheit geſetzt. S. D’Ohfion IT. 490. 


249) Gafitan (Cod. Ricc.), Quescitam (Testo della Crusca). Es 
fcheint, daß der Name der Faijerlihen Leibwache feinen Urfprung in dem 
ihrer Oberſten hat. Dſchingiskhan Hatte zu feinem Dienfte vier Mon: 
golifche Hauptleute, die ihm große Beweife ihrer aufopfernden Liebe und 
Anhänglichfeit gegeben hatten. Sie wachten bes Nachts über feine Ruhe, 
begleiteten ihn auf allen feinen Feldzuͤgen und leifteten ihm große Dienfte, 
deswegen zeichnete er fie auch in aller Weife aus, machte fie bei feinem 
Tode zu Fuͤrſten, und nach den Chinefifchen Gefchichten „waren die Nach⸗ 


308 


denen fie beredhtigt find, fiten. Die Tafeln find in folder 
Weiſe georonet, daß Se. Majeftät, welde auf ihrem erha 
benen Throne figt, das Ganze überfhauen fanı. Man darf 
jedoch dabei ja nicht denfen, daß alle die, welche ſich bei fol 
chen Gelegenheiten verfammeln, an Tafeln gefegt werben koͤn⸗ 
nen. Der größere Theil der Ritter und fogar die Freiherren 
ſchmaußen im Gegentheil auf Teppichen in der Halle ſitzend, 
und außen vor der Halle ſteht eine große Menge von Leu— 
ten, die aus verſchiedenen Laͤndern kommen und viele ſeltene 
und merkwuͤrdige Dinge mitbringen. Einige von ihnen ſind 
Lehnsleute, die das Lehn wieder zu erneuern wuͤnſchen, das 
ihnen genommen worden, und die ſtets an den beſtimmten 
Tagen oͤffentlicher Feſtlichkeit oder bei koͤniglichen Hochzeiten 
erſcheinen. 

In der Mitte der Halle, wo Se. Majeſtaͤt an Tafel 
ſitzt, ſteht ein großes und prachtvolles Kunſtwerk, das in 
Geſtalt eines viereckigen Schreins gebildet iſt, von welchem 
jede Seite drei Schritt Laͤnge mißt, und das gar ſchoͤn mit 
Thierfiguren verziert und uͤbergoldet iſt. Innen iſt es hohl, 
um ein koſtbares Gefaͤß, das einem Kruge aͤhnlich iſt, auf— 
zunehmen. Dieſes wird mit Wein gefuͤllt und enthält un 
gefähr eine Tonne. Auf jedem feiner vier Seiten fteht ein 
Eleineres Gefäß, das ungefähr ein Orthoft enthält; das eine 
ift mit Stutenmild, dad andere mit Kameelmild gefuͤllt und 
fo die übrigen nad) der Art Getränfe, die gebraͤuchlich find. 
In dieſem . Büffet befinden fi) aud die Trinkgeſchirre und 
Pokale, die Sr. Majeftät gehören, in welche die Getränfe 
gefüllt werben. -Einige von ihnen find ganz von geviegenem 
Golde und ſo groß, daß, wenn: fie mit Wein oder anderem 
Getraͤnke gefüllt find, dieſes für at oder zehn Mann hin 
veihend fein wuͤrde. Vor je zwei Perfonen, die Eike an 
den Tafeln haben, ‚fteht eind von diefen Irinfgefhirren, zus 
gleich mit einem Löffel in Geftalt eines Bechers mit einem 
Griff, auch von Geld oder Silber, die zum Schöpfen. des 
Weins aus den großen Pokalen und zum Trinken gebraudt 


303 


werden. Das iſt der Brauch ſowohl bei den Frauen als 
bei den Männern. Die Menge. und der Reihthum der gols 
denen und filbernen Gefäße, die dem Großkhan zugehören, 
ift unglaublid. Hofherren von Rang ſind auch angeftelt, 
teren Pflicht e8 iſt, Darauf zu fehen, daß alle Fremde, die 
‚gerade zur Zeit des Bankets ankommen und mit der Etifette 
des Hofes nicht befannt find, angemefiene Pläge befommen, 
und dieſe Hofmeifter gehen überall in der Halle umher und 
fragen die Gäfte, ob fie mit Allem recht bedient find, oder 
ob irgend einer von ihnen Wein, Milk, Fleiſch oder fonft 
etwas wünfdt, worauf Tann das Verlangte augenblidlid von 
den Dienern herbeigebracht wird. 

An jeder Thür der Halle, oder in welchem Theile bes 
Palaftes der Kaijer fih aud) gerade befinden mag, ftehen 
zwei Männer von riejiger Geftalt, einer auf jeder Eeite mit 
einem Etabe in der Hand, um die Leute abzuhalten, mit 
ihren Süßen die Thuͤrſchwelle zu berühren und fie zu noͤthi⸗ 
gen, über dieſelbe zu fchreiten. Wenn fid) Einer aus Ber: 
fehen dieſes Vergehens ſchuldig madt, fo nehmen ihm biefe 
Wächter das Kleid, welches er für Geld wieder einlöfen muß, 
oder wenn fie das Kleid nicht nehmen, fo geben fie ihm eine 
foldye Menge Echläge, ald fie beauftragt find. Da aber ' 
Fremde mit Diefem Verbote unbekannt jein fonnen, fo find 
Kämmerer da, fie einzuführen und zu warnen. Diefe eigen- 
thuͤmliche Vorſicht aber wird gebraudt, weil fie es als ein 
Zeidyen böfer Vorbedeutung betrachten, wenn die Thürfchmwelle 
berührt wird. " Beim Herausgehen aus der Halle aber, da 
bei Einigen der Gefellfhaft doch die Getränfe ſich mächtig 
‚zeigen mögen, ift e8 unmöglich, gegen den Zufall zu wachen 
und ed wird dann nicht fo ftreng genommen. Die Herren, 
die am Kredenztiſche ftehen und den Kaifer mit Trank und 
Speiſe bedienen, müfjen Nafe und Mund mit ſchoͤnen Schleiern 
ober ſeidenen Tüchern beveden, damit feine Epeifen und fein 
Wein nicht von ihrem Athem berührt werden, und wenn er 
trinfen will, fo zieht fi der dienende Page, fobald er ihm 


304 


den Becher gereicht hat, drei Schritte zuruͤck und kniet nie 
der, worauf die Hofherren und Alle, die zugegen find, fid 
ebenfalls -nieveriverfen.. Zu gleicher Zeit ſchlagen die Hars 
fenfhläger und andere Hoffirer, die in Mafle da find, ihre 
Inſtrumente an und laſſen fie fo lange erklingen, als der 
Kaifer trinkt; darauf nimmt die ganze Geſellſchaft ihre Plaͤhe 
wieder ein. Diefer ehrerbietige Gruß wird fo. oft wieder 
holt, ald Ee. Majeität zu trinfen beliebt. Es ift nicht von 
Nöthen, über die Speifen etwas zu fagen, wie reichlich und 
föftlic, fie gemadht und mit was für Pracht und Herrlichkeit 
fie aufgetragen werben. Iſt das Mahl vorüber und werben 
die Tifche entfernt, fo treten eine große Zahl verſchiedener 
Leute in die Halle und unter dieſen Komödianten, Sänger 
und Mufifanten, wie aud) Gaufler und Zauberer, vie ihr 
Geſchick vor dem Großkhan zeigen zu großem Vergnügen und 
Ergögen aller Zuſchauer. Sind diefe Spiele beendet, fo geht 
Alled aus einander und Jever begiebt fih nad) Haufe. 


—-.- — —— 


Elftes Kapitel. 


Von der großen Feier in allen Reichen des Großkhan's am achtundzwan⸗ 
zigften September, welches fein Geburtstag ift. 


Alle Tartaren und anderen Unterthanen des Großkhan's 
feiern als Feſt den Gebutstag Cr. Majeftät, der am acht⸗ 
undzivanzigften Mondtage im Monat Eeptember ftattfindet 25%), 
und das iſt ihr.größtes Feft, mit Ausnahme desjenigen, wel 
des am erften Jahrestage begangen wird "und das nachher 
befhrieben werben fol. Der Kaifer befleivet ſich an feinem 


251) Nach. Hist. gen. de la Chine par Mailla (IX. 282) war Kublai 
ober Hupilai (wie die Chineſen den Namen aussprechen) im achten Monat 
des Jahres 1216 geboren, "welche Zeit, wie wir Anmerf. 253 über den 
Anfang des Katagifchen Jahres fehen werden, dem Monat September 
entfpricht, wie er unferem Autor. angegeben if. 


305 


Geburtstage mit einem‘ überaus Föftlichen goldgewirkten Ge⸗ 
wanbe, und bei dieſer Gelegenheit werben zwanzigtaufend Fuͤr⸗ 
ften, Freiherren und Oberhauptleute von ihm mit dem feint- 
gen an Farbe und Geſtalt aͤhnlichen Gewänbern beffeibet, 
deren Stoff aber nicht fo prädtig iſt, doch find fle von Seide 
und golbfchimmernder Farbe, und mit dem Kleide erhalten 
fie auch einen Gürtel von gelbem Leder, der gar FTünftlich 
mit Gold und Silberfaden geſtickt ift, nebft einem Paar Stie⸗ 
feln. Einige der Gewänder find mit Foftlihen Steinen und 
Perlen verziert zum Werthe von zwanzigtauſend goldenen By⸗ 
zantinen, und werden den Großen gegeben, die vermöge ihrer 
Aemter die Nächften der Perſon des Kaifers find und Quieci⸗ 
tan heißen 252). Diefe Kleider werben an den dreizehn gro- 
en Fefttagen, die in den dreizehn Mondmonaten des Jahres 
begangen werben, getragen, und wenn bie Herren ſo koͤſtlich 
geſchmuͤckt erjheinen, fo meint man, ed feien lauter Könige. 
Sobald Ee. Majeftät ein -befonderes Kleid anthut, fo tragen 
die Großen feines Hofes Ahnlidye, aber weniger Foftbare Klei⸗ 
der, die immerdar in Bereitihaft find. Sie werben nidt 
jährlicd, erneuert, fondern find im Gegentheil fo gemacht, daß 
fie wohl zehn Jahre dauern. Aus diefem Aufzuge kann man 
fi eine Idee von der Praͤchtigkeit des Großkhan's bilven, 
die ihres Gleichen nidyt hat bei irgend einem anderen Mon⸗ 
arhen der Welt. 

An diefem Geburtstagsfefte des Katfers fenden ihm feine 
Tartarifhen Unterthanen und auch die Völker jeden König 
reih8 und jeder Provinz aus allen feinen Reichen werthvolle 
Geſchenke; nach eingeführtem Gebrauch. So erfcheinen auch 
viele Leute am Hofe, die um Fuͤrſtenthuͤmer nachſuchen, auf 
welche fie Anſpruͤche haben, die bringen auch Geſchenke, und 


352) Statt Quiecitan hat Ramuſio Quiecitari und Marsden ſucht dieſes 
Wort als ein Baſtarditalieniſches vom lat. quiescere (ruhen) zu erklaͤren; 
allein jedenfalls iſt das letztere Wort ein Druckfehler. Quiecitan iſt das 
Geſchlecht der vier Mongolenoberſten, bie | er Im 9. Kap. Kaſitan nennt und 
von denen Anne. 249 vie Rede geweſen. 


20 


306 


Se. Majeftät befiehlt darauf dem Gerichtshofe der Zwölf, 
weldye Kenntniß haben von folden Angelegenheiten, ihnen 
folhe Ländereien over Statthaltereien anzumweifen, als da ge 
eignet find. Auch bitten. an dieſem Tage alle Ehriften, Hei 
den und Earazenen, genug alle Arten Voͤlker, ihren Gott 
und ihre Goͤtzen, daß fie den Kaiſer fegnen und erhalten 
und ihm langes Leben, Geſundheit und Glüͤck verleihen mögen. 
Solches und fo herrlich find die Freuden bei der Wiederkehr von 
Sr. Majeftät Geburtstages Wir merden nun von einem an⸗ 
beren Feſte reden, weldyes dad Weiße Feft genannt und beim 
Beginn des Jahres gefeiert wird. 


Zwoͤlftes Kapitel. 


Don dem Weißfeſte, welches am erſten Tage des Monats Febrnar, ver 
ber Anfang des Tartarenjahres iſt, gehalten wird; won ber Menge ber 
Geſchenke, die da gebracht werden, und von den Zeremonien, bie am einer 
Tafel flattfinden, auf welcher der Name des Großlhau's 
geſchrieben ſteht. 


Es iſt eine ausgemachte Sache, daß die Tartaren den 
Anfang ihres Jahres vom Monat Februar an rechnen 263), 
und bei diefer Gelegenheit iſt es Brauch, daß der Großkhan 
ſammt allen denen, die ihm in den verſchiedenen Ländern um 
terworfen ſind, weiße Gewänber anthun, bie nach ihrer Mei⸗ 


253) „Das Chinefiſche Jahr faͤngt bei der Konjunktur der Sonne mit 
dem Monde an oder am Neumond, der dem funfzehnten Grad des Waſſer⸗ 
manns am nächften iſt, welches bei uns ein Zeichen iſt, wo bie Some 
gegen das Ende Januars eintritt und bafelbft faſt den ganzen Mond 
Bebruar bleibt. — — Sie haben zwölf Mondmonate und unter dieſen 
find Feine, die nur neunundzwanzig Tage, und große, bie dreißig Tage 
haben. Alle fünf Jahre haben fie Einfchaltung, um bie Mondwandlung 
mit dem Sonnenftande zu ſtimmen.“ (Du ‚Halde II, 278.). Zu Kublats 


4b . 8 


ũ.. 


307 


nung von glüdliher Bedeutung find 25%), und fie ziehen dieſe 
Kleider beim Beginn des Jahres in der Hoffnung an, daß 


254) Der Aberglaube, die weiße Farbe, welche das natürliche Zeichen 
ber Reinheit ift, als gluͤckbedeutend zu betrachten, iſt in der ganzen Welt 
vorherrſchend geweſen, wie im Gegentheil Die ſchwarze wegen ihrer Verbindung 
mit dem Unreinen, der Finfternig und dem Ernſten als Vorbedeutung des 
Unglüds gegolten hat und das Zeichen ber Trauer geworben if. Die 
Chinefen jedoch, deren Gewohnheiten in vieler Ruͤckſicht den anderer Nas 
zionen entgegenlanfen — — wie Menfchen, bie ſchon fehr viel erlebt, 
ober, wie man fagt, durchgemacht haben, die durch die Menge ber Ges 
nuͤſſe blafirt find und nun auf fonderbare, dem Gewohnten und Natüre 
lichen entgegenftrebende Dinge verfallen, um ihrem Tangweiligen Leben 
eine Art Reiz zu verleihen, (das will ich überhaupt auf die ganze Rich: 
tung bes früh kultivirten, vielerfahrenen, raffinirten, überzivilffirten, im 
mechanischen Zortfchritt bis zu feinem Zielpunft gelommenen, und nım 
im Zirfel fi drehenden verlebten China beziehen; eine Warnung für 
die den. Geift paralyfirenden mechanifchen Gilfchritte unferer neneren Euro⸗ 
paͤiſchen Epoche!) — — haben es für geeignet gefunden, die weiße 
Farbe ftatt der ſchwarzen für ihre Trauerfleiver einzuführen; Kublat jes 
doch, der die meiften der bürgerlichen Einrichtungen feiner neuen und zivi⸗ 
lifirten Unterthanen annahm, wollte und konnte vielleicht auch nicht, wenn 
er es and gewollt hätte, fein eignes Volk zwingen, den alten Aber⸗ 
glauben zu ändern. Demzufolge wurde während feiner Regirung und 
wahrfcheinlich, fo Tange feine Dynaftie auf dem Throne faß, das Feft des 
Neuen Jahres in weißen Kleivern gefeiert, ind weiße Roſſe, die von 
den Mongolen fo hoch gehalten wurden, "waren das angemefienfte Ges 
fcheuf, welches dem Kaiſer gemacht werben Fonnte. Als die Chinejlfchs 
eingeborene Dynaflie der Ming der der Mongolen folgte, wurde der Ges 
Brauch der weißen Farbe bei folcher Gelegenheit wieder verboten, wie wir 
aus dem Tagebuche des Sefandten Shah Rokh's am Hofe Yong:lo er: 
fehen, wo. folgende Stelle vorfommt: „Am 25. Mondtage des Muharrem 
(angenfsheinlih ein Irrthum für den. 27.) benachrichtigte Mulana Kadt 
Sufuf (pie erfie Magiftratsperfon der Mahometaulfchen Bevölferung) ſei⸗ 
nen Sefandten, daß am andern Tag der Neujahrstag fei, daß der Kaiſer 
ta feinen neuen Palaſt gehen würde und daß bafelbft niemand weiß trüge, 
weil weiß ein Zeichen der Trauer bei den Khatajern ſei. So Fam gegen 
Mitternacht des 28. der Se⸗gin, fie abzuholen und führte fe in biefen 
yrachioollen neuen Palafl, an welchem man feit neunzehn Jahren gears 
beitet Hatte (der alte, von Kublai erbante, war nievergebrannt) und der 
eben erſt beendet worden,“ S. 8. — Bon dem ‚Glauben ver Katajer und 

20 * 


308 


während des ganzen Laufes nur was gluͤcklich iſt ihnen be 
gegnen und daß es ihnen wohlgehen werde. An diefem Tage 
fenden die Leute aus allen Provinzen und Königreichen, die 
Länder und Gerihtsrehte unter dem Großkhan haben, - ihm 
werthvolle Geſchenke in Gold, Silber und koͤſtlichen Steinen, 
mit vielen Stüden weißen Tuchs, welches fie beifügen, Damit 
Se. Majeftät fi das ganze Jahr hindurch ununterbrochenen 
Gluͤcks erfreuen und Schaͤtze befigen möge, die feinen Aus 
gaben glei fein. Aus demſelben Grunde machen ſich die 
Großen, Fürften und alle verfchiedenen Rangperfonen des Reis 
ches gegenfeitig Gefchenfe in ihren Häufern mit weißen Ge 
genftänden und umarmen ſich dabei mit Freuden und Fell 
bezeigung und fagen (wie wir ed auch zu thun pflegen): 
„Möge gut Gluͤck dich das ganze Jahr begleiten und Als, 
was du unternimmft, nad Wunſch gedeihen!‘ Bei biefer 
Gelegenheit werden eine Menge von weißen Pferden Sr. Ma 
jeftät verehrt, und wenn fie nicht ganz weiß find, muß es 
doch die vorherrfhende Farbe fein. Weiße Pferde find In 
diefem Lande nicht ungewöhnlich. 0 
Es ift weiter der Braud, wenn man dem Großkhan 
Geſchenke macht, daß die, welche es vermögen, ven Gegenftand, 
in welchem das Gefchenf befteht, in ver Zahl neunmal neun 
geben. So zum Beifpiel, wenn eine Provinz ein Gefchent 
von Pferden jendet, fo find neunmal neun oder einundachtzig 
Köpfe in dem Zuge; fo auch neunmal neun Städe in Gold 


Uirguren, daß eine Verbindung zwiſchen gewiſſen Karben nnd dem Glüuͤck 
and Mißgeſchick beftehe, erhalten wir einen Brief in ven Epochae ce» 
lebriores Ulugh Beig’s, der eimen Bericht über’ die Beiteintheilungen 
gibt, welche von diefen Völkern gehalten werden: Bel ven Katajern'ik 
der Zyklus, von welchem die Beftimmung der Tage abhängt, anders als 
bei uns; er wird im zwölf Theile geteilt. Bon biefen find vier Ekel, 
das ift dunkle Tage (diesatri), biefe find unglüdhringend .... und vier 
find Chunee, das iſt gelbe, dieſe find glüͤckbringend .... und zwei finh 
Yeh, das ift weiße, und die find die heilbringendſten.... und zwei find 
Hün, das iſt rabenſchwarze (furvt), und das ſiud die unhellvollſten. ©. 88 


309. 


oder Tuch. Auf diefe Weife erhält der Kaifer an dieſem Feft- 
tage nicht weniger ald hunderttaufend Pferde. An biefem 
Tage geſchieht es auch, daß alle feine Elefanten, deren Zahl 
ſich auf fünftaufend beläuft, in Progeffion aufgeführt werben, 
bedeckt mit Deden von Tu, die gar wunderfam und Föftlic 
mit goldenen und feidenen Thier- und Wögelgeftalten verziert 
find. Jeder derfelben trägt auf feinem Rüden zwei Schreine, 
die mit goldener und filbernen Gefäßen und anderem Geſchirr, 
das am Hofe gebraudt wird, gefüllt find. Dann folgt ein 
Zug Kameele, die gleidherweife mit Gegenftänven, die zum 
Hofftaate gehören, beladen find. Iſt dies Alles in geeigne- 
ter: Weiſe angeftellt, fo ziehen fie vor den Augen Er. Ma- 
jeftät vorüber und das gewährt ein gar ſchoͤnes Schauſpiel. 

Am Morgen des Feittages, bevor die Tafeln aufgerichtet 
find, ziehen alle Fürften, der ganze Adel in feinen verſchie⸗ 
denen Rangklaſſen, die Ritter, Ajtrologen, Aerzte und Falfe- 
niere und viele Andere, die öffentliche Aemter befleiven, mit 
den Hauptleuten der Armee, den Landpflegern und Amtleuten 
feierlid, in die große Halle vor dem Kaifer auf. Die, melde 
feinen Raum finden koͤnnen, ftehen außen vor dem Palafte, 
jedoch fo, daß fie von dem Herrſcher erblidt werden Fönnen. 
Die Verſammlung wird in folgender Weife geordnet. Die 
erften Pläge werden den Söhnen und Enfeln St. Majeftät 
und der ganzen kaiſerlichen Familie angewiefen. Naͤchſt die⸗ 
fen folgen die Könige der Provinzen und die Großen des 
Reiches nad ihren verfchiedenen Graden in regelmäßiger Folge. 
Wenn nun ein Jeder feined Standes und feiner Ordnung 
fist, fo erhebt fih ein Mann von hohen Würden oder, wie 
wir fagen würden, ein Großpraͤlat oder Obermarfhall, und 
zuft mit lauter Stimme: „Buͤckt euch und betet an!’ worauf 
fie Alle ſich neigen und ihr Antlig zur Erde Schlagen. Dar: 
auf ruft ver Prälat: „Gott fegne unferen Kaifer und erhalte 
ihn lange in der Freude des Gluͤcks!“ Darauf antwortet 
alles Volk: „Gott erhalte den Kaifer.” Noch einmal ruft 
ver Prälat: „Möge Gott die Größe und das Gluͤck feines 


310 


Reiches mehren; möge er alle die, welche dem Kaifer unter 
than find, in den Eegnungen des Friedend und der Zufrie 
venheit erhalten und möge UWeberfluß in allen ihren Landen 
herrfhen! Das Volk erwiedert abermals: ‚Gott, gieb es!" 
Dann werfen fie fid) viermal nieder. ft. das gefchehen, fo 
fhreitet der Praͤlat zu einem Altar, Der reich gefhmüdt und 
auf welchen eine rothe Tafel geftellt ift, auf weldyer der Name 
des Großkhan's gejdyrieben fteht, Neben ihm fteht ein Raudy 
faß, darinnen Spezereien angezündet find; mit dieſem beräu- 
hert der Prälat in ehrfürdtiger Weife die. Tafel. und den 
Altar für Alle, die zugegen find 255). Iſt dieſe Feierlichkeit 
beendet, fo Ffehren fie zu ihren P lägen zurüd und bringen 
dann ihre verſchiedenen Gaben dar, wie fie oben ſchon ange 
geben find. ind dieſe aufgeftellt und hat Se. Majeftät 
einen Blick darauf geworfen, jo werben die Tafeln zum Feſte 
gerüftet und die Geſellſchaft, Männer und Frauen, fest fih 
in einer Ordnung und Weile daran, wie fie in einem fris 
heren Kapitel befchrieben worven if. Wenn die Speifen weg 

- 255) Zu allen diefen Gebräuchen fönnten wir eine Menge Stelle 
aus der früheren Mongolengefchichte, aus der der Chinefen, und — aud 
aus der neueren Gefchichte zur Vergleichung vorführen. Der aufmerffame 
hiftorifch gebildete Lefer wird jedoch ſchon felbft in dieſer oder jener 
Weiſe gar intereffante Vergleiche anftellen, wie Bürften und Voͤlker oft, 
ohne daran zu denfen, ähnliche Gefinnung, ähnliche Weiſen in Handlung 
und Braud; angenommen haben, als einft diefer Roͤmiſche, ‚jener Afiatiſche 
Despot und bdiefes oder jenes Volk, das mechaniſche gedaufengeprefte 
Spielwerk feines Willens. Die Gefchichte Tehrt aber auch, wohin bad 
führt. Möge nur der Gedanke mächtiger, Fräftiger, felbſtſtaͤndiger aus 
der fumpfigen Ebene materiellinduftriellen Mohlbehagens, — daß -er nidt 
von biefem beherrfcht und geleitet werde, fondern es.felbft zu höheren 
Zweden im reinen Sinne ber Menfchheit beherrfche und leite, — fich wieder 
erheben, ein Adler über die Berge fich ſchwingen und ber Sonne entgegen 
fir:ben. Der Gedanfe ift nun einmal fchneller und gewaltiger, als alle 
Dampffraft und feine Bahnen zeichnen fich fehärfer noch über die Welt 
und führen weiter als alle Eifenbahnfchienen. Der: Gebanfe ift ewig, 


das Eiſen roſtet; doch zehrt und nährt fi der Gedanke auch vom Gifte 
und feinen Werfen, 


311 


getragen worden, fo treten die Spielleute und Komödianten 
auf und zeigen ſich zum Vergnügen des Hofes, wie es eben 
falls ſchon befchrieben worden. Bei dieſer Gelegenheit wird 
ein Löwe Er. Majeftät vorgeführt, der fo zahm ifl, daß er 
fi} von felbft zu den Füßen Sr. Majeftät legt und feinen 
Herrn erfennt. Sind dieſe Feſte beendet, fo geht Jedermann 
nach Haufe. 


Dreizehntes Kapitel. | 


Bon ber Menge Wild, die während ber MWintermonate erlegt und an ben 
" Hof gefenbel wird. 


In der Zeit, wenn der Großkhan in der Hauptſtadt von 
Kataia reſidirt, das ift während der Monate Dezember, as 
nuar und Februar, zu welher Zeit eine große Kälte herrſcht, 
giebt er Befehl, daß in den Landſchaften Kataia's vierzig 
Tagereifen umher alle Leute ein großes und allgemeines Treibs 
jagen anftellen. Die Amtleute müffen alle Arten Wild von 
größerer Gattung, wie wilde Eber, Hirfhe, Dammhirſche, 
Nehböde und Bären, hierher fenden. Dies geſchieht auf fol 
gende Weife. Alle Leute, die Land in der Provinz befiten, 
begeben ſich zu ven Plaͤtzen, wo dieſe Thiere fi aufhalten, 
ftellen ſich da auf und umſchließen fie in einem engen Ringe; 
da werben fie getöbtet, theild mit Hunden, theils aber und 
vorzüglich, indem man fie mit Pfeilen anfdießt256). Die, 
welche für Se. Majeftät beftimmt find, werden erft ausge, 
weidet und dann in großen Maflen auf Wagen gelaben; 
das thun die, welche innerhalb dreißig Stazionen von ber 
Hauptftadt wohnen. Die aber, welche vierzig Stazionen weit 


: .256) Diefe Art zu jagen, indem man das Wild tin ausgebehnten 
Linien, die ſich allmilig zufammenziehen, umringt, iſt oft von Relfenden 
befchrteben worden; ſie iſt in Deutfchland bei den fogenannten Treibs 
jagden angewendet. Ausführlicher wird bei ven erflen Jagdzuͤgen, bie ber 
Kaiſer in eigener Perfon leitet, noch die Rede davon fein. 


316 


Wild an den Flüffen bin zu verfolgen. Diefes Jaͤgerchor 
hält er jevody nicht auf einem Plage zufammen, fondern theilt 
es in verfdiedene Züge von ein- ober zweihundert und mehr 
Mann, welde die Beize in verſchiedenen Richtungen hin ver 
folgen, und der größere Theil deſſen, was gefangen wird, 
wird vor Ce. Majeftät gebracht. Auch hat er zehntaufenb 
Mann foldyer Leute mit, die Taskaol 261) genannt werben, 
deren Geihäft es ift, auf der Hut zu ftehen und die dei 
halb in Fleinen Trupps von zwei ober drei nicht weit von 
einander aufgeftellt find, fo daß fie einen beträchtlichen Strid 
Landes einnehmen. Jeder von ihnen hat eine Pfeife und 
eine Kappe, mit denen fie, wenn es nöthig ift, die Voͤgel 
[oden und verwahren können, und wenn der Großkhan den 
Befehl giebt, die Falken fliegen zu laſſen, fo haben die, welche fie 





Sagd: „Der Kaifer reifte am 23. März ab, um fich in die Provinz 
Leao⸗ tong, das Land feiner Väter, zu begeben, um ihre Gräber zu be 
fuchen, und nachdem er fie mit ben gewöhnlichen Zeremonien geehrt, 
feinen Weg in die Orientalifehe Tartarei zu verfolgen... Die drei erflen 
Königinnen begleiteten den Kalfer, jede auf einem vergoldeten Wagen; 
pie erften Negulos des Reiches waren auch babel mit allen Großen des 
Hofes und den vornehmſten Mandarinen jeder Ordnung; fie hatten alle 
ein jehr großes Gefolge und viel Gepäd, fo daß der Kaifer einen Ing 
von mehr als fiebenzigtaufend Perfonen bei fich Hatte.” — „Bon Peking 
bis zur Provinz Leaostong iſt der Weg, der ungefuͤhr 300 Meilen 
(Milles) beträgt, ziemlich eben; in ber Provinz felbft beträgt er 400 
Meilen, da ift er aber wegen ber Berge weit unebener: von ber Grenze 
biefer Provinz 400 Meilen weit hinein tft er fehr ſchwierig, da er bald 
von fehr fteilen und Hippenreichen Felſen, bald von Thälern, die außer 
orventlich tief find und von wuͤſten Ebenen durchzogen iſt, wo man oft 
zwei oder drei Tage zuruͤcklegen muß, ohne etwas zur finden.‘ Du Halde, 
III. p.7% sq, — Daß der Großkhan Kublat feinen Bug weithin fort: 
geführt, geht aus dem Echluß viefes Kapitels hervor, wo Polo fagt, daß 
er auf dem ganzen Rückweg noch die Jagd fortfege; die ganze Jagd aber 
danerte über einen Monat. 

261) Die Ableitung des Wortes Taskaol, wie die Varianten def: 
felben in den verſchiedenen Ausgaben Fönnen wir nicht angeben ; in ber 
Bafelauisgabe ift e8 durch „ustodes,“ von Ramuflo „huomini che 
stanno alla custodia‘ Kberfebt. | 


317 


fortſchicken, nicht nöthig, ihnen zu folgen, weil es die Pflicht 
der Anderen ift, jo aufzupaflen, daß die Vögel nirgend hins 
fliegen koͤnnen, wo fie nicht gefichert find und wo fie ihnen 
nicht augenblidlih, wenn ed noͤthig ift, zu Hilfe kommen 
fonnen. Jeder Vogel, der St. Majeftdt oder einem feiner 
Großen zugehört, hat ein Kleines filbernes Täafelhen, das an 
feinem Beine befejtigt ift, auf welchem der Name des Eigen» 
thümers und aud der Name des Falkners eingegraben ift, 
jo Daß man auch, fobald ver Falfe geſichert ift, gleich weiß, 
wen er gehört und man ihn zurüdbringen fann. Wenn es ges 
fhieht, daß, obgleich der Name dafteht, der Eigenthümer, der 
dem Finder nicht perfünlidy befannt ift, nicht gleich ausfindig 
gemadt werben Fann, fo bringt man den Vogel einem reis 
beren, der Bulangazi262) heißt, deſſen Titel bedeutet, daß 
er der Aufieher über Dinge ijt, deren Eigenthümer nicht ges 
funden werden koͤnnen. Wenn daher ein Schwert, ein Vogel 
oder irgend ein anderer Gegenftand gefunden wird und man 
nicht weiß, wem er zugehört, fo bringt der Finder denfelben 
ſogleich zu diefem Sreiheren, der ihm nimmt und forgfältig 
bewahrt. Wenn aber Jemand irgend etwas findet, was vers 
loren worden, und nicht dieſem Auffeher überantwortet, fo 
wird er als ein Dieb betradytet. Diejenigen, deren Eigen 
thum verloren gegangen tft, wenden ſich an jenen Freiherrn, 
der es ihnen dann zurüdftelt. ein Platz ift-immer auf 
dem erhabenften Punkte des Feldes und durch ein befonderes 
Faͤhnlein ausgezeichnet, fo daß er fchneller von denen gefuns 
den wird, Die fih an ihn zu wenden haben. Durch dieſe 
Anordnung kann alfo nichts verloren gehen, was nicht wie: 
der zu befommen wäre. 

. Wenn Se. Majeftät in dieſer Weife nad den SKüften 
des Ozeans zieht, begleiten gar unterhaltende Zufälle dieſe 
Waidmannsluft, und man fann wöortlid, jagen, daß fein an- 
deres Vergnügen in der Welt mit ihr verglihen werden kann. 


262) Auch die Ethhmologie dieſes Wortes iſt nicht naͤher anzugeben. 


320 


falten, ihre Sperber und andere Thiere, mit: welchen fie Theil 
an dem Vergnügen nehmen. : Die Zahl der Menfchen, die 
in diefem Lager verfammelt find, überfteigt allen Glauben, und 
ein Zufchauer koͤnnte -wähnen, er befinde ſich mitten in eine 
volfreihen Stadt, fo groß ift die verſammelte Geſellſchaft aus 
allen Theilen des Reiches. Se. Majeftät wird bei folden 
Gelegenheiten von ihrer ganzen Familie und ihrem Haushalte 
begleitet, das heißt, von ihren Aerzten, Aſtronomen, Falknern 
und allen anderen Arten von Hofbeamten. - 

In dieſen Theilen des Landes bleibt der. Kaifer bis zum 
Dfterheiligabend, während welcher Zeit er nicht müde wird, 
die Eeen und Fluͤſſe zu befudhen 267), wo er Stördye, Schwäne, 
Reiher und eine Menge anderer Voͤgel fängt. eine Leute 
werden auch nad) verſchiedenen anderen Plaͤtzen hin gefenbet, 
um ihm Wildpret in Menge zu verfchaffen. So vergnügt 
er fih in feiner Exrholungszeit in einer Weile, die Niemand, 
der nicht Augenzeuge ift, begreifen kann; die. Herrlichkeit und 
die Ausdehnung der Jagd tft größer ald man ed ausprüden 
kann. Es ift ein ftrenges Verbot, daß Fein Handeldmann, 
fein Künftlee oder. Bürger durch alle Reiche Sr. Majeftät 
einen Falken, Sperber oder irgend einen anderen Vogel, der 
zur Beize gebraudt wird, oder einen Jagbhund halten darf; 
auch tft es nicht erlaubt, daß ein Fuͤrſt oder Ritter nad 
Wildthieren oder Vögeln in der Nahbarihaft des‘ Pilates 
jagen darf, wo Se. Majeftät ihre Reſidenz auffchlägt (wer 
bei die Entfernung auf fünf Meilen zum Beifpiel auf ber 
einen Zeite, auf der anderen auf zehn, und fünfzehn vielleicht 
nach einer dritten Richtung hin beftimmt ifl), e8 müßte denn 
fein Name in einer Lifte aufgezeichnet fein, die der- Groß 
falfner hält, oder er ein befonberes Privilegium haben. Lieber 


2367) Hier giebt Baldelli merfwürbigerweife ſelbſt an, daß ſich bie 
Jagd Kublat’s bis zum Meerbuſen Lea⸗tong ausgedehnt habe, ie viel 
Fluͤſſe und Eeen ſelen, und widerſpricht feinen fräheren Angaben, - bem 
hier <ben, an ber Grenze von Korea, beginnt vie (Mandſchu⸗ )Tartarei, di) 
in welche der Graf bie Jagden nichtausgebehnt wiffen wii. .' 


321 


diefe Grenze hinaus iſt ed ihnen verftattet. Es beſteht je- 
doch ein Befehl, mworinnen es durch alle Länder den Unter⸗ 
thanen Sr. Majeftät, fie mögen Fürften, Freiherren oder Bauern 
fein, ‚verboten ift, Hafen, Rehböde, Dammhirſche, Hirſche oder 
andere Thiere diefer Art, oder irgend große Vogel während 
der Zeit vom März bis zum Oktober zu tödten, Damit fie 
zunehmen und ſich mehren koͤnnen, und da die Verletzung 
dieſes Befehls hart beftraft wird 268), fo vermehrt ſich das 
Wild aller Art bis ind Ungeheure. Wenn die gebräuchliche 
Zeit vorüber tft, fo fehrt Se. Majeftät. ven Weg, den fie 
gekommen, zurüd und febt das Waidwerk Die ganze Reife fort. 


Stebenzehntes Kapitel. 


Bon der Menge Menichen, welche beftändig in Kambalu anfommen und 
| abreifen, und von dem Handel der Stadt. 


Wenn der Großkhan nadı feiner Hauptſtadt zurüdgefehrt 
ift, hält er einen großen und prächtigen Hof, der drei Tage 
lang dauert und während weldem er große Banfets und 
andere Seite für die giebt, welche ihn umgeben. Die Herr- 
Iühfeiten diefer drei Tage find in der Ihat bewunderungs⸗ 
würdig. Die Menge ver Einwohner und die Zahl der Haͤu⸗ 
fer in der Stadt wie in den Vorftädten ringsum (deren zwölf 
find‘ nach den zwölf Thoren) ift größer ald der Einn faffen 
fann. Die Vorſtaͤdte find fogar noch bevölferter ald die eis 
gentlicye Stadt, und da nehmen die Kaufleute und Andere, 
beren Geſchaͤfte fie zur Hauptftabt führen und die dahin in 
großer Zahl ziehen, weil fie die Reſidenz des Hofes ift, ihre 
Wohnung. Wo au immer der Kaifer feinen Hof hält, 
dahin mwallfahrten dieſe Leute aus allen Gegenden, um ihr 


. %8) Die Sagbgefehe ber Tartaren ſcheinen alſo nicht weſentllich von 
den unfrigen verſchieden zu ſein. 
91 


. 322 


verfchievenes Gewerbe zu treiben. In den Vorſtaͤdten giebt 
es eben fo huͤbſche Häufer und ftattlihe Gebäude ald in ber 
eigentlihen Stadt, den Palaft des Großkhan's freilich „aus 
genommen. Keine Leihe darf im Ringe der Stadt begra 
ben werden, und die Leichname der ‚Heiden, bei denen es 
Brauch ift, ihre Todten zu verbrennen, werden an bie ge 
wöhnliche Stelle über die Vorſtaͤdte hinaus gejchafft. Dort 
finden auch die Hinrichtungen ſtatt. Luſtdirnen bürfen, «6 
müßte denn ganz im Geheimen geſchehen, ihr Gewerbe nicht 
in der inneren Stadt treiben, ſondern müfjen in den Bor 
ftänten wohnen, wo, wie ſchon angegeben tft, ſich über fünf 
undzwanzigtaufend aufhalten; auch ift dieſe Zahl nicht größer 
als nothwendig ift für den Zufammenfluß von Kaufleuten 
und anderen Sremben, welde, vom Hof hierher gezogen, be 
ftändig anfommen und abreifen. Nach diefer Stadt findet 
Alles, was felten und Foftbar ift in allen Theilen der Welt, 
feinen Weg, und vorzüglih tft das für Indien ver Yall, 
welches Evelfteine, Perlen und verſchiedene Spezereien und 
Gewürze fhidt. Aus den Provinzen Kataia’s felbft, fo wie 
aus den anderen Ländern des Reiches wird, was nur werk 
vol ift, hierher geführt, um den Bedarf der Menge, welde 
ihren Aufenthalt in der Nähe des .Hofes nimmt, zu befrie 
digen 269). Die Mafle Waaren, die hier verkauft wir, 
übertrifft den Handel aller anderen Pläge; denn nicht we 
niger als taufend.Wagen und Padpferde, die nur mit rohet 
Seide beladen find, ziehen täglich in die Stabt ein, und gol 


29) „Wenig Nazionen haben fo viel für die Einrichtung und das 
Gedeihen des inneren Handels gethan. Jede Provinz tanfcht ohne Mühe 
ihre Erzeugniffe gegen die der entfernteften Provinzen aus, und vom bin 
aͤußerſten Enden des Reichs Tann ein Kaufmann nach Peking Tommen, 
ohne nöthig zu haben, das Fahrzeug zu verlaffen, in welchen er ſich dert 
eingeſchifft.“ De Guignes fils, voyages à Peking etc. IIJ, 298. Diefes 
wird vollkommen beftätigt durch die neueften Nachrichten, welche wir über 
China durch die Rufen wie bie Engländer erhalten haben. Man vergleide 
damit die Schriften Guͤtzlaff's und Fr. Neumann's. 


323 


dene Gewebe und Eeivenftöffe aller Art werben bier in ums 
geheurer Menge verfertigt 270). In der Nahbarfdhaft ber 





270) Die ungehenre- Menge Seide, welche in China erzeugt wird, 
iſt eine befannte Sade. „Alle Welt,” ſagt P. Magalhanes, ein Portu⸗ 
giefifcher Miffionär, der ben Namen des großen Meltumfeglers trägt und 
defien Schriften Du Halde fehr benugt bat, „kennt ven Reichthum und 
die Güte der Seide, die man durch ganz China erzeugt. Das war fchon 
den Alten befannt, denn fie nannten es das Weich der Seide — — 
das Land ber Seren und Serika, vom Chinefifhen Ee oder Eu und 
Ser, was Seide heißt; fiche über den Handel und bie Rarawanenfhaßen 
dahin im Alterthum Bürd, Allg. Geſch. der R. u. E. I. 552-566 — — 
und die Nenern wiſſen es aus Erfahrung ; weil viele Nazionen Aſiens und 
Europas von dort mit mehreren Karamanen nnd einer Menge ron Schif⸗ 
fen Fommen, bie mit roher und verarbeiteter Seide beladen fin. Man 
erfennt auch biefen Ueberfluß durch die unglaubliche Zahl von einfachen 
oder mit Gold und Eilber verarbeiteten Seivenftoffen, bie in dem gan: 
zen Reiche verbraucht werben... Endlich kann man ſich auch von diefem 
unerfchöpflichen Reichthum durch bie 365 Barfen überzeugen, von denen 
sole oben fchon gefprochen haben, welche die beiven einzigen Provinzen 
Ran-Fing und Sche:flang alljährlich an den Hof ſchicken, die nicht aflein 
mit Stuͤcken Stoffs von Eeive und Gold, von Damaft, von Atlas und 
Eammet verſchiedener Art und Farbe, ſondern noch mit reichen und koͤſt⸗ 
lichen Kleidern beladen find... dem man noch die Hunderttaufende von 
Pfunden einfacher ober bereits gefponnener Seide beifügen kann, welche 
die anderen Provinzen jedes Jahr dem Könige als Tribut zahlen.” Nou- 
velle Relation de la Chine, 172. — Siehe über die geografifche Verbrei⸗ 
tang des Maulbeerbaumes uhb der Seidenzucht In Aften, die Einführung 
der Seide und Eeivenzucht aus China (Serica), von dem Oſten nach dem 
Weſten, Ritter VIII. 679 u. f., und die Forſchungen Abel Römufat’s 
und Klaproth's (Klaproth Asia polyglotta, p. 358; Tableaux hist. 
de l’Asie p. 57, 68—70; Conjecture sur l’Origine du nom de la Soie 
Journ. Asiat. 1823. T. II. p. 243; Abel Remusat Additions ib. 
245 — 247; Klaproth sur les differens noms de la Chine in Mémoir. 
relat. & l’Asie, Tom. III. p. 354266). &eiver war ber VIII. Bb. von 
Ritter’s Erpbefchreibung noch nicht erfchlenen, als ich den 1. Band mei: 
ner. Allg. Geſchichte der Reifen und Enweckungen ausarbeitete und die 
Unterfuchnngen Klaproth's nnd Remuſat's Fannte ich nur fehr mangelhaft 
aus Auszügen anderer Echriftfteller, die ihre Quellen, wie ich fpäter er⸗ 
faunte, nicht angeführt haben ; bach muß es mich freuen, daß ich in mei: 
nen Angaben über ie Hanbelswege der Alten nach China und in der Er⸗ 

21* 


324 


Hauptftabt find viele befeftigte und andere Städte, deren Ein 
wohner vorzüglih vom Hofe leben; fie führen ihre Waaren 
auf ven Marft von jener und nehmen dagegen lſolche Dinge 
mit ſich, als ſie ſelbſt beduͤrfen. 


Achtzehntes Kapitel. 


Bon einer Art Papiergeld, bie der Großlhan ausgeben und durch feine 
Reiche in Umlauf fegen läßt. 


In der Etadt Kambalu befindet fich die Münze des Groß 
khan's, von dem man in Wahrheit fagen Fann, daß er das 
Geheimniß der Alchymiſten befige, da er die Kunft verfteht, 
Geld auf folgende Weife zu verfertigen271). Cr Iäßt die 
Schale von folhen Maulbeerbäumen abftreifen, deren Blätter 
zum Futter der Seidenwuͤrmer dienen, und nimmt davon bie 
dünne innere Rinde, welche zwifchen der rauheren Borfe und 
dem Holze des Baumes fid befindet. Diefe läßt er einwei⸗ 
hen und darauf in einem Mörfer zerreiben, bis fie zu Brei 
geworben ift, daraus wird das Papier gemadyt 272), weldes 


Härung von Serifa mit jenen gelehrten Forſchern übereinftimme; nur häfte 
ih, wenn mir jene befannt, nicht nöthig gehabt, Malte Brun’s irrige 
Erklärungen, die ich für wichtiger hielt, als fie nun nach den Nachweifuns 
gen jener Autoritäten erfheinen koͤnnen, ausführlich anzuführen, um fe 
dann zu widerlegen. 


271) Die Echöpfung. des Papiergelbes macht unferen immer ernſter 
Autor witzig. Da Haben wir wieder eine der merkwuͤrdigen Parallelen, 
bie wir zwifchen jenen durch Weberfultur rafjinirten Zeiten und dem Eu⸗ 
ropäifchen Standpunkt, wohin uns der Fortſchritt ber verfeinerten Kultur 
geführt Hat, ziehen können. Es if uns nicht erlaubt, ausführlichere Vers 
gleichungen anzuftellen ; jeder Leſer wird hier ſelbſt ernſten Reflexionen 
nachgeben. 

272) Die Berichte, welche von Reiſenden über die vegetabiliſchen 
und anderen Subſtanzen, aus melden in China Papier nerfertigt wir, 


825 


dem, dad aus Baumwolle verfertigt wirb, ‚gleicht 273), aber 
ganz ſchwarz ift. Iſt Diefes fertig, fo wird es in Geldſtuͤcke 


gegeben worben, bifferiren beträchtlich und es möchte fcheinen, daß in vers 
fhienenen Provinzen verfchiedenes Material dazu angewendet wird. Die 
gewöhnlichfte und zu gleicher Zeit die am wenigſten wahrfcheinliche Ver, 
fiherung. ift, daß es aus der zarten reinen Ninde des Bambusrohrs (arun- 
do bambos) gemacht wird; aber Du Halde belehrt uns, dag das Papier 
nicht aus ber. Rinde, Kondern aus ber eigentlichen Eubflanz verfertigt 
werde. „Wenn man es in Stüde bricht,” fagt er, „und es im Waſſer 
perfaulen und jieven läßt, bis eg zu einer Art Teig geworben tft, macht 
man mehrere Arten feines und grobes Papier daraus, welches in ben 
Handel fommt.“ T. II. p. 19. An einer anderen Stelle fagt er weiter: 
„Marco Polo hat ſich getäufcht, wenn: er fagt, daß man zur Berfers 
Hgung des Paptergeldes der Rinde der Maulbeerbäume fich beviene. Die 
Chineſen nehmen fi wohl in Acht, Bäume zu zerftören, die ihnen fo 
koſtbar find: es ift das die Rinde des Baumes, der Kutſchuͤ genannt wird, 
ber ziemlich nuplos iſt und ber dem Hollunder durch die Menge des Saftes, 
den er enthält, gleicht, aug welcher man eine Art Papier bereitet, welches flärs 
fer ift als das, welches man aus dem Bambus macht, und aus biefer 
Rinde wurde auch das Papier verfertigt, von dem hier die Rebe iſt.“ 
©. 167. — Diefes Argument gegen ein fo wohlverfichertes Faktum iſt nicht 
niederſchlagend, weil nicht folgt, daß, wenn auch bie Chinefen einen zu 
richtigen Sinn für ihr eigenes Intereſſe hatten, als daß fie die Maulbeers 
baͤume für das Papier hätten zerftören follen, diefe Rücdficht ein gleiches 
Gewicht bei ihrem Tartarifchen Eroberer gehabt haben foll; aber die befte 
Antwort wird in einer nachfolgenden Etelle von Du Halde’s eigenem 
Werke gefunden, wo er ſich auf bie Autorität eines Chineftichen Buches 
bezieht, welches mittheilt, „daß ein gewiſſer alter Kaiſer ausgezeichnetes 
Bapier aus dem Hanf bereiten ließ .... daß es tn der Provinz Fokinn 
aus zarterem Bambus verfertigt wird, und dag man in den nörblichen 
Broyinzen die Rinde ver Maulbeerbäume dazu benußt.“ ©. 240.— 
Moch mag der Umftand, daß einer Art von Maulbeerbaum von Kämpfer 
die Benennung morus papyrifera beigelegt worden, eine hinreichende 
Rechtfertigung für unferes Autors Glaubwürdigfeit abgeben. M. 

.273) „Baumtollenpapier, fagt ein Dictionary of Arts and Sciences, 
if eine Art Papier, welches ſchon über fechshundert Jahre in Brauch 
if. In der Königlichen Bibliothek in Paris find Manuffripte auf diefem 
Bapier, welde aus bem zehnten Jahrhundert zu flammen fcheinen ; und 
ans dem zwölften Jahrhundert find Baunmwollenpaptermanuffripte haͤu⸗ 
figer, als Manuffripte auf Pergament. Baummollenpapier wird auch in 


326 


von verfihiedener Größe zerfchnitten, faſt vieredig, aber zu 
weilen. etwas länger ald breit. Won dieſen gilt das Eleinfte 
einen Fleinen Pfennig (un denaro d’un picciolo tornese), 
dann ein etwas größeres einen Benezianifhen Gilbergrofhen, 
ein anderes zu zwei Groſchen, dann zu fünf und zu zehn, 
wieder andere für einen, zwei, brei bis zehn goldenen By 
zantinen, und al viefes Papier wird mit großem. Gepränge 
und Auffehen gemacht, als wenn es Tauter loͤthig Silber und 
klares Gold wäre; denn auf jedes Stüd ſchreiben eine Ans 
zahl Beamte, die dazu beſonders angeftellt find, nicht allein 
ihre Namen, fondern drüden auch ihr Siegel darauf, un 
wenn dieſes in regelrechter Weife von allen vollgogen iſt, fo 
taucht der oberfte Münzmeifter, der von Sr. Majeftät dazu 
beftellt ift, da® ihm anvertraute Eiegel in Zinober und flem 
pelt damit das Stuͤck Papier, fo daß die Form des Siegel 
zinoberroth darauf abgebrudt ift27%); auf dieſe Weite erhält 
e3 volle Kraft als giltige Münze, und wenn es Einer nady 
machen wollte, fo würde er als Kapitalverbredher geftraft 
werden. Wenn das in großer Maffe fo geprägte Papiergeld 
in allen Theilen der Reiche des Großkhan's in Umlauf ge 
jegt worden, wagt Niemand, bei Gefahr feines Lebens, fih 
zu weigern, ed ald Zahlung anzunehmen. Alle feine Unter 
thanen nehmen es ohne Zögern an, weil, wohin fie aud 
ihr Gejhäft rufen mag, fie es für Waaren, Die fie gerade 
faufen wollen, los werden, wie gegen Perlen, Juwelen, Gold 
Oſtindien verfertigt, Indem man haummollene Lappen zu Brei flampft.“ 
Ramuſio's Ausdruck „tutte sono nere‘ mag vielleicht flärfer fein, als er 
im Originaltert war, welcher wahrfcheinlich meinte, daß die Farbe dei 
Papiergeldes dunfel war im Bergleich zu andern Papierforten. M. 

274) Diefe Etelle ift befonders merfwurdig; fie gibt die erfle An 
deutung, wie man mit Etempeln farbige Zeichen auf Papier brudt. 
Hätte man Marco Polo in den erften Zeiten richtiger verſtanden umb fel: 
nen Berichten in jeder Beziehung das Gewicht beigelegt, welches fie vers 
bienen, fo wär man wohl eher auf die-Erfindung ber Buchdruckerkunſt 
gekommen — und wer weiß, ob ſeine Mittheilung doch nicht dazu beige⸗ 
tragen hat, auf die wichtigſte Erfindung zu führen. 


827 


oder Silber. Kurz man kann bafıt alle Waaren erhalten, 
welche man will 2765), 

Zu verſchiedenen Zeiten im vaufe des Jahres kommen 
große Handelskarawanen mit ſolchen Artikeln, als eben er⸗ 
waͤhnt worden, nebſt goldenen Geweben an, bie fie vor Er. 
Majeftät niederlegen. Darauf ruft er zwölf erfahrene und 
gefhidte Männer zufammen, die zu dieſem Zwede ermählt 
worden, denen er befiehlt, die Waaren genau zu prüfen und 
den Werth feftzuftellen, zu welchem fie gefauft werben fünnen. 
Bei der Summe, die auf das Gewiffenhaftefte angegeben 
wird, erlaubt er einen vernünftigen Gewinn und zahlt dann 
augenblidlic, jenes Papier dafür, und dagegen haben die Ei- 
genthümer nichts einzuwenden, da es, wie fihon bemerkt, für 
ihre eigenen Einkäufe wieder verwendet werben kann, und 
fogar wenn fie Einwohner eines Landes fein follten, wo dieſe 
Art Geld nicht Furrent tft, fo verwenden fie den Betrag für 
andere Waaren, die für ihre eigenen Märkte pafjend fint. 
Wenn irgend Iemand Papiergeld befigt, weldyes von langem 


275) Nah PB. Gaubil war fchon Papiergeld in Beling unter bem 
Großkhan Stat in Umlauf gefeßt, der nur das nachahmte, was die Dy⸗ 
naftie, welche den Duen oder der Familie Diehingtefhan’s vorherging, be: 
reits in Ansübung gebracht hatte. „In biefem Jahre (1234) machte man 
Bapiergeld; die Billets hießen Tſchao. Das Eiegel des Pu : tichin s fe 
oder Generalfchagmeifters der Provinz wurbe darauf gebrudt und es 
hatte nun den vollfommenen Werth. Diefes Geld war fchon unter ben 
Kürften Kin in Umlauf gekommen.“ Observ. Chronol, p. 192. — Kublat 
nahm zu biefem Hilfsmittel — Papiergeld — feine Zuflucht feit feiner 
Thronbefteigung, nach dem Beifptel der Herrfcher von der Dynaftie Sung 
and felbft derer von der Dynaftte Thang, welche angefangen hatten, Pa: 
piergeld anszugeben, fo daß es in China ſchon feit zweihundert Jahren 
befannt war. D’Ohsson II. 486. Sur l’origine du papier -monnaie par 
M. Klaproth, Journ. asiat., 1.257. Bgl. Anmerk. 30. — Daß ſchon die 
Grfahrung von Jahrhumerten vorangegangen war, zeigt bie Umſicht und 
Vorficht für alle eventuelle Fälle, die Kublai in der Weife, wie er das 
Papiergeld in Umlauf feßen laͤßt, gebraucht; und es wäre nicht zu vers 
wundern, wenn die Worte Marco Polo's der neneren Kreirung bes Papter: 
geldes eine Anwelfung gegeben. 


328 


Gebrauche befhäbigt worden ift, fo bringt er es in die Muͤnze, 
wo er mit Bezahlung von nur drei Prozent neue Roten eins 
wechſeln kann 276) Sollte Jemand ſich gern Gold over 
Eilber verjhaffen wollen, um es zu ‚verarbeiten, wie zu 
Bechern, Gürteln oder anderen Gegenftänden, die aus Dielen 
Metallen verfertigt werden, fo wendet er fid) gleichfalls an 
die Münze und erhält für- fein Papier die Metallftüde, bie 
er braudt. Die fämmtlihen Truppen Er. Majeftät werben 

276) unſer Autor ſcheint dieſe Abgabe von drei Prozent fuͤr Er⸗ 
neuerung von abgenutzten Noten als nicht mehr, als was billig war, 
anzuſehen und das ganze Erpreſſungsſyſtem als einen Beweis der vol: 
endeten Politif und der großen Hilfsquellen feines Herrn zu betrachten. 
Es fcheint, daß die Dynaftie der Ming weniger übermäßig in ihren For⸗ 
derungen war und nur zwei Prozent verlangte. 

Als Joſaphat Barbaro gegen das Jahr 1450 zu Afow in der Krim 
war, erfuhr er von einem gebildeten Tartaren, der bei einer Geſandtſchaft 
nach Kataia gewefen war „in quel luogo si spende moneta di carta; 
laquale ogni anno & mutata con nuova stampa e la moneta vecchia in 
capo dell’anno si porta alla zecca, ove & chi laporta & data altrettanta 
della nuova e bella; pagando tutta via due percento di moneta d’argento 
buona, e la moneta vecchia si butta nel fuoco.“ Viaggio alla Persia 
etc. p. 4%. 12 mo. Wir bemerfen hier, daß der Ausdruck „con nuova 
stampa,‘ der fich. direft auf das in unferem Text befchriebene Berfahren 
bezieht, die Klage, welche der geiftvolle Derfaffer von „Researches into 
the History of Playing Cards“ ausfpricht, „daß weder Garpini, Et. 
Quintin, Rubruguis, noch Marco Polo die geringfte Andeutung über ben 
Gegenſtand mit Etempeln oder Stiften von Holz zu drucken gegeben has 
ben,‘ widerlegt. ©. 75. „Es iſt fehr zu bedauern, fagt er weiter, daß 
er (Marco Rolo) feinen Anlap fand, der ihn bewogen hätte, fein Zeugniß 
‚über diefen Gegenftand zu geben; denn da die meiften feiner angegebe: 
nen Thatfachen durch das Zeugnig anderer Reifenden in neueren Zeiten 
beftätigt worben find, fo tft fein Buch eines von denen geworden, welde 
mit einigem Grad von Eicherheit zitiert werben koͤnnen, obgleich es Tange 
als wenig mehr denn ein Gewebe ven romantifchen und unwahrſchein⸗ 
lichen Fabeleien betrachtet wurde... Und es ift Fein Grund zu zweifeln, 
baß der Stempeldruck fchon dafelbjt (in China) im Gebrauch war; obgleid 
aus irgend einem Grund, den zu errathen jebt fchwer ift, deſſelben feine 
Erwähnung von dieſem einfichtsvollen und fcharf beobachtenden Reiſenden 
geſchehen.“ S. 87. 





329 


mit diefem Kurrant bezahlt, welches für fie von bemfelben 
Werthe it, als wenn es Gold oder Silber wäre. Aus dies 
fem Grunde kann man wohl. behaupten, daß der Großlhan 
uͤber einen groͤßeren Schatz gebieten kann als irgend ein an⸗ 
derer Monarch in der Welt. 


Neunzehntes Kapitel. 


Bon dem Rath der zwölf Großbeamten, bie für bie Angelegenheiten des 
Heeres beftellt find, und von zwölf andern für bie,allgemeinen Angelegen; 
heiten des Reiche. 


Der Großkhan wählt zwölf große und mächtige Barone, 
wie ſchon erwähnt worden, deren Amt es ift, über jede Ans 
gelegenheit, welche Die Armee betrifft, zu entfcheiden, wie zum 
Beifpiel die Verfegung von Truppen von einer Etazion zur 
anderen, den Wechſel der über fie gefegten Hauptleute, bie 
Verwendung von Truppen, wo fie für nüthig erachtet wer⸗ 
den, und bie Zahl derer, die zu irgend befonderen Dienften 
verivendet werben follen, nad) dem Grade der Wichtigkeit ders 
felben. Außerdem iſt es ihr Amt, zu wachen über die Offi- 
jiere, die Beweiſe ihrer Tapferkeit in der Schlacht gegeben, 
und über die, welde fih gemein und feig gezeigt ha⸗ 
ben, um jene zu einer höheren Etelle zu befördern und dies 
fen einen niederern Plab anzumeifen. Wenn der Oberft über 
taujend Mann fid, in ungeziemender Weife benommen, fo be- 
trachtet ihn dieſer Gerichtshof als unwuͤrdig bed Ranges, 
den er eingenommen, und febt ihn zum Befehl über hun- 
dert Mann herab, oder im ©egentheil, wenn er folde 
Eigenfhaften entfaltet hat, die ihm Anfprüde auf eine Be⸗ 
förderung geben, fo beftellen fie ihn zum Oberften über zehn- 
taufend Mann. Alles dieſes geſchieht jedoch mit Vorwiſſen 
und Billigung des Kaiſers, dem fie ihre Meinung über des 
Offiziers Verdienſt oder Unwuͤrdigkeit mittheilen, und ver, 


230 


nad) Beftätigung ihrer Entſcheidung, dem, der befürbert wor⸗ 
den ift zum Befehl über zehntaufenn Mann (zum Betfpiel), 
die Tafel oder das Zeichen feines Ranges verleiht, wie wir 
ed ſchon befchrieben haben; auch reicht er ihm große Ges 
ſchenke, um Andere anzuregen, diefelben Belohnungen zu ver 
dienen. 

Der Rath, der aus diefen zwölf Fürften zufammengefept 
ft, heißt Thai 277), was oberfter Hof beveutet, weil er Nie 
mand anders ald dem Kaifer verantwortlid if. Außer die 
ſem giebt e8 noch eine andere hoͤchſte Verwaltungsbehoͤrde, 
die gleichfalls aus zwoͤlf Baronen beſteht, welche beſtellt ſind, 
die Oberaufſicht uͤber Alles zu fuͤhren, was die Regirung der 
vierunddreißig Provinzen des Reiches betrifft. Dieſe haben 
in Kambalu einen großen und ſchoͤnen Palaſt oder Hof, der 
viele Zimmer und Saͤle enthaͤlt. Fuͤr die Verwaltung jeder 
Provinz iſt ein vorſitzender Rechtsrath mit verſchiedenen Bei— 
ſitzern und Schreibern beſtellt, welche die ihnen gehoͤrigen Zimmer 
in dem Hofe haben und daſelbſt die Geſchaͤfte fuͤr die Provinzen, 
zu welchen ſie gehoͤren, vollziehen, nach den Mittheilungen, 
die fie vom Rathe der Zwoͤlfe erhalten. Dieſe haben Ge 
walt, die Wahl der Leute für die Negirung der verſchiedenen 
Provinzen zu treffen, deren Namen dem Großfhan zur Be 
flätigung ihrer Anftelung und Verleihung von goldenen ober 
filbernen- Tafeln, wie fie ihrem Range gehören, vorgelegt wer- 
den. Diefe haben audı die Oberaufficht über jedes Ding, 
welches die Sammlung der Einfünfte von Land und Mauth 
mit der Verfügung darüber betrifft, und haben die Leber 
wachung über jede andere Abtheilung der Staatsvermaltung, 
mit Ausnahme deſſen, was die Armee betrifft. Diefer Rath 


277) That ift augenfcheinlich das Tal in De Guignes' Chinefifchen 
Woͤrterbuche, welches er durch eminens, altus überfebt. Die gewöhnliche 
Chineſiſche Bezeichnung „Pingpu oder Oberfriegsrath‘ bezeichnet bie mis 
litärifchen Sunkzionen des Raths, aber der Name in dem Text ifl aus 
brückfich gefebt, um feinen oberſten Rang als Gerichtshof auszubrüden, 
wie es das Wort Thal oder Tay bedeutet. M. 


231 


wird Sing 278) genannt, was bebeutet, daß er der zweite 
Oberhof und, glei dem anderen, nur dem- Großfhan vers 
antwortlidh iſt. Aber der erfte Rath, der Thai genannt wird 
und die Verwaltung der Kriegsangelegenheiten hat, wird als 
höher in Rang und Würben eradjtet als der andere. 


Zwanzigftes Kapitel. 


Bon ben Pläßen, die anf allen Hochwegen zur Verſchaffung von Poſt⸗ 
vferden beſtellt find; vom den Jußboten und von ber Weiſe, wie die Ans: 
gaben verlangt werben. 


Von Kambalu führen viele⸗Straßen nad) den verſchie⸗ 
denen Provinzen, und auf jeder derfelben, das heißt auf je 
dem großen Hochwege, find in einer Entfernung von fünfs 
undzwanzig oder dreißig Meilen, wie gerade die Städte ge- 
legen find, ÖStazionen mit Häufern zur Verpflegung von 
Fremden, die Jamb279) oder Bofthäufer genannt werben. 


278) Die Chinefifchen Worte, die im Klang mit diefem Singh kor⸗ 
refpondiren und zugleich eine annähernde Bedeutung haben, find fing 
(Nr. 2938 des MWörterbuchs), welches durch „advertere, cognoscere‘“* und 
fing (6606), welches durch „examinare, considerare‘“ überfebt wird, 
welche beide, wenn man fagen fanır, daß fie im Einne verfchienen find, 
anf das Weſen bes hohen Juſtizraths angewendet werben können; mehr 
vielleicht als tfing (3947) „claritas, splendor“ oder tfin 9 (7698), „‚rectum, 
'bonum, perfectum.“ M. — Nach Du Halde's Wörterbuch beventet Singh 
Natur oder natürliche Vernunft; fo Fönnte jenes Tribunal metaforifch 
bezeichnet worden fein, um die Art feiner Entſcheidung und Gerechtigfelt 
zn bezeichnen {Du Halde JIT. 562). B. B. 

279) Diefes Wort ift in Ramuflo’s Tert Lamb gebrudt, doch finden 
wir in der Basler Ausgabe Janli, Janbi in der älteren Lateinifchen, und 
Samb in dem B. M. Manuffript, welches im ob. Riccard. überfept 
wird: vocantur autem mansiones illae jamb, id est mansiones equorum.“ 
Es ift augenfcheinlich, Daß das 2 für I in dem Italieniſchen ein Schreibs 
fehler if. Nach Du Halde nennen die Ehinefen ihre Poſthaͤuſer Tſchan 
(Chan) und find fünfundzwanzig bis dreißig Meilen (eine Tagereife) von 


332 


Diefed find geräumige und huͤbſche Gebäude, die verfchiebene 
wohlausgeftattete Zimmer haben, behangen mit Eeide un 
verfehen mit allen Dingen, welche für Leute von Rang paſ⸗ 
ſend ſind. Sogar Koͤnige koͤnnen an dieſen Stazionen in 
ſchicklicher Weiſe aufgenommen werden, da alle Beduͤrfniſſe 
von den Staͤdten und feſten Plaͤtzen in. der Nachbarſchaft her- 
beigefhafft werden koͤnnen, und für einige beforgt der Hof 
jelbit regelmäßige Vorräthe. An jeder Etazion werden vier 
hundert tüdhtige Pferde in beftänbiger Bereitfhaft gehal- 
ten 280), fo daß alle Boten, die in Er. Majeftät Angelegen- 
heiten gehen ‚und fommen,. und alle Gejandte Dafelbft ihre 
Niederlage halten und ihre müden Pferde durch frifche er 
fegen laffen koͤnnen. Sogar in den bergigen Gegenden, fern 
von den großen Landſtraßen, wo feine Dörfer und die Städte 
weit entlegen von einander find, hat Ee. Majeftät audı Ge: 
bäude in derſelben Weife errichten Iaffen, die mit allen nö 
thigen Dingen verfehen find und den gebräudlichen Stand 


einander entfernt. Marsden meint, das Wort: fei das Perfifche (welches 
Polo geläufig ſprach und daher auch oft Perfifche Ausdruͤcke in feiner 
Befchreibung gebrauht) Vän oder Jam, welches Meninsft durch 
stationarius, veredus seu veredarius equus überjeßt; doch bedeutet das 
Mort auch den Gafthof oder das Poſthaus. Die Gefandten des Schah Rokh 
fagen, „bie Prächtigfeit ver Ratajer nahm zu, je.mehr die Karawane fd 
ber Hauptftadt näherte. Cie fand allabenvlicdy ein Dam, Das heißt .eine 
gute Herberge“ (Hist.-gen. de voy. VII, 381). „In .allen Etäpten, 
weldhe an ber großen Heerftraße Liegen,” fügt €. Bouvet, „findet man ge⸗ 
woͤhnlich Dama’s, das heißt Anftalten, wo man mehr als I00 oder 150 
Pferde vorfindet; und wenn die Etäbte zu weit von einander entfernt 
find, fo find Poftenftazionen zwifchen beiden angelegt.“ 

280) Im Tagebudhe der Schah⸗Rokh⸗Embaſſade heißt .es: Bei jeder 
Tageseinfehr führte man vierhundert funfzig Pferde, Efel oder Maulefel 
mit fechsundfunfzig Wagen für die Gefandten herbei.... Die Wagen 
werden von einer guten Anzahl Menfchen gezogen, die fie mit Seilen vor 
einer Herberge zur andern ziehen, wie fehr auch ber Regen firöme, welde 
Berge man zu uͤberſeigen und wie ſchwierig auch die Wege ſeln 
mögen. “ 


833 


Pferden haben?284). Cr weilt Leute an, die an der 
Ne wohnen muͤſſen, um Das Land zu bebauen und zum 


31) Zur Bergleichung geben wir hier eine Stelle Ritter’s (III, 347) 
Zimfowsfi: „Ungeachtet Feine gebauten Straßen durch die Gobt 
anden find, und fie nach vielen Richtungen bin von den Einheimiſchen 
zogen wird, fo find Doch gewiſſe Hauptftraßenlinien mehr oder weniger 
Int und mit Stazionen verfehen, auf denen für das Fortfommen der 
mden geforgt werben Tann; es find biefe: die Poftroute, die weſt⸗ 
e zieht, und bie Kommerzronte „weiter oͤſtlich, welche aber auch, je 
der Sahreszeit, weſtwaͤrts ober oftwärts verrüct wird, und etwas 
icher, fonft aber ziemlich parallel mit Bater Gerbillon's 5. Reiferoute 
‚von welcher er über feine Begleitung des Chinefifchen, Kriegsheeres 
»Kaiſer Kung = bt gegen die Oeloͤth im Jahre 1696 Bericht erftattet 
Die Poftroute enthält 45, oder genauer genommen 42 Etazionen, 
der Urga bis Khalgan, die Kommerzroute nur 37 Stazionen 
Tagereifen, weil jene nicht gerade aus nad Peling, fondern 
‚ einen Umweg über die Stazion Sair⸗uſſu gelegt ifl, welche zum 
mreau und zur Reſidenz einiger Abgeorbneten des Tribunale 
Auswärtigen Angelegenheiten erhoben iſt. Bon ba geht nämlich, 
waͤrtig, die Epaltung der drei Haupiſtraßen aus, bie fühliche nach 

die mittlere nach Khobdo und die nördliche nach Urga. Auf dieſen 
Gen find Jurten für die Reifenden eingerichtet, eben fo wie zwiſchen 
‚ta und der Urga. Auf der öftlichen Kommerzroute, welche auch bie 
hanroute heißt, weil fie mitten in ber Gobi an bem hohen Berge 
3 Namens vorüberzieht, zog die Ruffifhe Miſſion nach China Hin, 
aber nur Jurten an den Etazionen aufgefchlagen, wenn der Befehl 
insbefondere von dem Gemeindevorſtand ausgegangen war. Auf 
m, geraden Wegen rechnet man, dag ein Kameel mit 10 Pud beladen 
ner Etunde leicht 34 Werft durchlaufe, ein Mag, wonach Timfomwsft 
Wegdiſtanzen, in Grmangelung befferer Daten, berechnete; denn den 
gofen, an fo große Entfernungen gewöhnt, find bei ihren Ritten 
renzen von 10 bis 15 Werft ganz gleichgiltig, und auf die an fie ges 
te Frage: wie weit noch ? iſt nur die Antwort: Kholö, weit, d. i. an 
Berfl, Zirö, nahe, d. h. an 15 Werft, oder Orifhon, fehr nahe, d. i. 
erſt ıc. Die Stazionen der erften Route waren, Timkowski's Anficht 
zu weit auseinander gerückt, fo daß In vier Tagemärfchen 150 Werft 
geogr. Meilen) zurücgelegt werben mußten, was zu anftrengend für 
taftthiere ward, aber von ben Chinefifchen Beamten abfichtlich eins 
pet war, um bie Ruſſiſche Karawane dort je früher je lieber los zu 
en. Späterhin kamen in der Regel auf den Tag nur 20 bis 25 


334 


Dienfte der Boft bereit zu fein, auf welche Weife große 
Dörfer entftehen. In Folge diefer Anorbnungen fommen und 
gehen Gefandte an den Hof und die Faiferlihen Boten durch 
jede Provinz und jedes Königreich mit der größten Bequem⸗ 
lichfeit und Leichtigkeit, und hierin zeigt ſich die. Größe und 
Hoheit des Großfhan’s uͤber jeden anderen Kaifer und Kös 
nig und über alle Menfhen. In feinem Reiche ftehen nicht 
weniger als zweihunderttaufend Pferde für die Poftverwaltung 
bereit und zehntaufend Gebäude find mit allem nöthigen Zus 
behör eingerichtet. Es ift das wahrhaftig eine fo wunder 
bare und in ihren Wirkungen fo erfolgreiche Einrichtung, als 
man fid} nur denfen kann 282). Wenn man fragt, wie e8 
moͤglich iſt, daß die Bevölferung des Landes die gemügenve 
Menge Menfhen für dieſen Dienft ftellen und auf welde 
Weiſe diefelbe ernährt werden Tann, ſo fonnen wir erwibern, 
daß alle Göhendiener, wie auch Die Sarazenen, nad ihren 
Berhältnifien ſechs, act oder zehn Weiber haben, von denen 
fie. eine Unmaſſe ‚von Kindern erhalten, einige von ihnen 
wohl dreißig Soͤhne, die alle ihren Vätern mit Waffen fol 
gen koͤnnen, während bei und ein Mann nur ein Weib hat, 
und wenn biefes unfrudtbar fein follte, muß er mit ihm bo 


Merft (3 bis 3% geogr. Meilen), felten einmal 30 oder 40 Werſt. Man 
pflegt auf Kameelen ohne Ladung 3 Wochen Zeit bis Khalgan zu ge: 
brauchen; man reitet von Mitternacht bis Mittag, hält fich unterwegs 
nicht auf, läßt aber dann. bie Thiere raſten. Werden in Khalgan die 
Kameele mit Waaren beladen und öfter gewechfelt, fo fommen fie ham 
in 40 bis 50 Tagen Zeit, für ven Ruͤckmarſch, nach Klachta zurüd. 

232) Wenn man bevenft, dag zu Polo’s Zeiten noch Feine Idee von 
Poſten in Europa war, daß feltdem viele Jahrhunderte vergangen, ehe 
nach und nad) regelrechte Poſten in Europa eingerichtet worden, fo if 
die ausgefprochene Bewunderung Polo’s über die grandiofen Poftanftaften _ 
in China nur zu fehr erflärlih. Wir mögen daraus wiederum erkennen, 
wie mächtig China in materieller Ausbildung fo früh fehon den Europäis 
fhen Ländern vorangeeilt iſt. Freilich trafen die Despoten jener Of 
fänder diefe Einrichtungen mehr ihres Vortheile wegen, als zum Nuden 
bes 0 allgemeinen Publikums. 


835 


fein Leben zubringen und if auf dieſe Weiſe des Gluͤckes 
beraubt, eine Familie aufzuziehen. Daher fommt es, daß 
unfere-Bevölferung fo viel geringer iſt als die ihrige. Was 
die Nahrung anlangt, fo ift fein Mangel da für das Volk, 
befonderd da die Zartaren, Katajer und die Einwohner ber 
Provinz Manji großeniheild von Reis, Buchweizen und Hirfe 
leben, weldye drei Arten Korn in ihrem Boden hundert Map 
auf eine geben. Der Weizen mehrt fidy freilich nicht in die⸗ 
fer Weife, und da das Brod bei ihnen nicht im Brauch tft, 
fo wird er nur zu Nudeln und Paſteten bereitet gegeffen. 
Jene drei Kornarten kochen fie in Milh oder mit Fleiſch 
auf. Es ift fein Etüd Land bei ihnen, das irgend urbar 
iſt, weldyes fie nicht bebauen, und ihr Vieh von allen Gat- 
tungen mehrt fid, außerordentlich, fo daß, wenn fie zu Felde 
ziehen, faum ein Mann ijt, der nicht ſechs, acht oder mehr 
Pferde blos für feinen Gebraudy mit fid führt. Aus vie 
fem Allen kann man die Urſachen einer fo mächtigen Bevoͤl⸗ 
ferung und vie Verhältnifie, die fie in Etand fegen, fo reich 
ih für ihren Unterhalt zu forgen, erfennen, 

In dem Raume zwiſchen jedem der obengenannten Poſt⸗ 
häufer find je drei Meilen Eleine Dörfer angelegt, deren 
jedes im Durchſchnitt etwa vierzig Hütten enthält. Im: die- 
fen wohnen die Zußboten, die ebenfalls zum Dienfte Er. Ma- 
jeftät angeftellt find. Eie tragen Gürtel um ihren Leib, an 
welchen mehre Keine Schellen hängen, damit ihr Kommen 
fchon in der Berne gehört werben kann, und da fie nur drei 
Meilen laufen, das heißt von einer dieſer Fußſtazionen Bis 
zur nädften, fo dient das Scellengeflingel dazu, Nachricht 
von ihrer Ankunft zu geben, und ſogleich bereitet fih ein 
neuer Kouric, daß er augenblidlih nach dem Eintreffen des 
erfien mit vem Padet forteilen kann. Go wirb daſſelbe fo 
ſchnell von Stazion zu Etazion gebradit, dag Se. Majeftät 
in zwei Tagen und zwei Nächten eine Nachricht aus folder 
Ferne empfangen fann, wie man fie in gewöhnlicher Weife 
in nicht weniger ale zwölf Tagen erhalten würde, und oft 


336 


gefhieht es, daß in der Erniezeit eine neue Frucht, die am 
Morgen in Kambalu gepflüdt worden, am Abend des fol 
genden Tages dem Großkhan in Ciandu überbradjt wird, 
obgleidy die Entfernung allgemein als zehn Tage weit ange 
geben wird. Auf jeder dieſer Dreimeilenftazionen ift ein 
Schreiber, defien Amt es ift, ven Tag und die Etunde, an 
weldem der eine Kourir anfommt und der. andere abgeht, 
zu bemerken, was aud in allen Bofthäufern gefhieht. Au 
serdem find Beamte angeftellt, welche allmonatlid an jede 
Stazion fommen, ihre Verwaltung zu unterfuchen und die 
Kourire zu ftrafen, die ihre Pflichten vernachläffigt haben. 
Alle dieſe Kourire find nicht allein frei von. den Steuern, 
fondern erhalten aud von Sr. Majeftät eine gute Loͤhnung. 
Für die Pferde, die in dieſem Dienfte verwendet werben, ift 
auch Fein Aufwand nöthig, da die Staͤdte und Dörfer in der 
Nachbarſchaft angewiefen find, ihnen Alles zu liefern und fie 
zu unterhalten. Auf Er. Majeftät Befehl müffen die Amt 
leute der Hauptftäbte von mwohlunterrichteten Perfonen unter 
fuchen laffen, welche Zahl von Pferden jeder Bewohner ver 
forgen kann. Daſſelbe geſchieht in den Feineren Städten und 
in den Dörfern, und nad) ihren Mitteln werden fie in An 
ſpruch genommen, fo daß alle zu beiden Eeiten der Etaziv- 
nen den gebührenden Theil beitragen müffen. Die Auflage, 
welche zur Unterhaltung der Pferde erforderlich geweſen, wird 
nachher bei jeder Stadt an den Abgaben, die fie dem Groß 
fhan zu leijten haben, abgezogen, und zwar fo weit, als ber 
Antheil eines jeden Einwohners, zu welchem er für Die Ver 
forgung. der Pferde an die naͤchſte Stazion verpflichtet in 
aufgeht. 
Man muß jedoch wiſſen, daß von den vierhundert Pfer⸗ 
den nicht alle beſtaͤndig im Dienſte an der Stazion ſind, ſon⸗ 
dern nur zweihundert, die daſelbſt einen Monat lang gehal⸗ 
ten werden, waͤhrend welcher Zeit die andere Haͤlfte auf der 
Weide iſt, und mit Anfang des neuen Monats kommen dieſe 
in. Dienft, während. Die anderen fid erholen und zu Fleiſche 


337 


fommen fönnen; fo Töfen fie einander abwechſelnd ab. Mo 
nım aber ein Fluß oder. ein See ift, den die Yußboten oder 
vie Poftreiter pafitren müflen, da find die benachbarten Städte 
angewieſen, drei oder vier Kähne zu dem Zwecke in fteter 
Bereitfhaft zu halten, und wo in einer Wuͤſte von mehren 
Tagereifen Teine Wohnung ift, da find die Etäbte an ihrem 
Saume genöthigt, folhen Berfonen, wie Gefandten, die an 
den Hof reifen oder von dort kommen, Pferde zu liefern, 
damit fie die Wüfte durchziehen Fonnen; auch muͤſſen fie ih- 
nen Proviant zufommen laſſen. Doc erhalten vie Staͤdte, 
die fo in Anfprudh genommen werben, von dem Großkhan 
eine Entſchaͤdigung. Wo die Boftftazionen entfernt von der 
großen Etraße liegen, da wird eine Anzahl von Pferden von 
Er. Majejtät gehalten und nur ein Theil von ven Stäpten 
und Dörfern der Landſchaft geliefert. | 

Wenn es nöthig ift, Daß die Boten mit außerorbentlichen 
Depefchen abgehen, wie in Fällen, daß fie Nachricht von Auf- 
fländen in irgend einem Theile des Landes, von der Rebellion 
eines Fürjten oder von anderen wichtigen Gegenftänven bringen 
ſollen, fo reiten fle zweihundert ober zumeilen zweihundert- 
undfünfzig Meilen in einem Tage. Bei foldyen Gelegenhet- 
ten tragen fie die Tafel des Geierfalkens als Zeichen, Daß 
fie in dringenden Geſchaͤften veifen und mit größter Schnellig— 
feit befördert werben müflen. Wenn zwei Boten zufammen 
von demſelben Orte auf guten flüchtigen Roſſen abreifen, da 
befeelt fie der Gelft des Wetteifers; fie guͤrten ihren Leit 
feft, binden ein Tuch um ihren Kopf und treiben ihre Pferde 
zu größter Eile an. Sobald fie tem Poſthauſe ſich nähern, 
ftoßen fie in ein laut fchallendes Horn, damit die Pferde in 
Bereitfchaft find, wenn fie ankommen. Diefe finden ſie friſch 
und wohlgerüftet zum Ritt; fie fpringen auf, und indem fie 
dieſe fo auf jeder Stazion wechſeln, legen fie, ehe ver Tag 
abgelaufen ift, zweihundertundfünfzig Meilen zurüd. Im Fall 
daß Die Sache von hödhjft dringender Wichtigkeit ift, fegen fie ihren 
Ritt die- Nacht - fort, und wenn gerade der Mond nicht fcheis 

22 


338- 


nen: follte, ſo werben fte zu der nädften Etazion von Leuten 
zu Fuß geleitet, die vor ihnen her mit Sadeln Taufen, wo- 
bet fie natürlih nidyt mit derfelben Eile fortfommen ald am 
Tage, da die Läufer nicht fo ſchnell laufen Fonnen. Boten, 
die einen folhen außerorventlihen Grad "von Beſchwerden er- 
tragen fönnen, werben in hohem Werthe gehalten. 


Einundzwanzigftes Kapitel. 


Don der Hilfe, die der Großfhan allen Provinzen feines Reiches in Zeiten 
der Theurung und bes Sterbens im Reiche angeveihen Täßt. 


Der Großfhan fenvet jedes Jahr Abgeordnete aus, um 
zu jehen, ob irgend melde von feinen Unterthanen in ihren 
Kornernten von ungünftigem Wetter, von Eturm over her 
tigem Regen, oder von Heuſchrecken, Wirmern oder irgend 
anderen Plagen gelitten haben, und in folden Fällen fteht 
er nicht allein. von @intreibung der gewöhnlihen Schatzung 
ab, fondern verforgt fie von feinen Kornboͤden mit fo viel 
Getreide, als für ihren Unterhalt und für die naͤchſte Aus 
faat nöthig if. Zu dieſem Zwecke läßt er in Zeiten guter 
Ernten große Auffäufe von ſolchen Arten Korn machen, ald 
ihnen am bienlidhften find, die in Kornhäufern, welche zu 
dem Zwede in den verfdiedenen Provinzen eingerichtet find, 
aufgehäuft und mit großer Eorgfalt gepflegt werben, daß bad 
Korn ohne Schaden drei oder vier Jahre lang liegen fanr. 
Es wird das Gebot gehalten, daß dieſe Kornhäufer immer 
voll find, damit man in Zeit des Mangels vorgefehen if, 
und wenn er in foldhen Zeiten das Korn gegen Gelb hin 
giebt, fo verlangt er für vier Maß nicht. mehr, als ver Kiw 
fer für ein Maß auf dem Marfte zu zahlen hätte. Sn hr 
licher Weife vergütet er, wenn ein Viehfterben in irgend einer 
Landſchaft eingetreten, den Leivenden ihren Verluſt aus ben 
Viehheerden, welche ihm gehören und die er als feinen Jehw 


339 

tenertrag in anderen Provinzen erhalten hat. Alle feine Ge⸗ 
danfen find, man kann ed glauben, auf den wichtigen Gegen- 
ftand gerichtet, dem Volke, welches er beherrſcht, beizuftehen, 
Damit es von. feiner Arbeit leben und fein Vermögen vergrös 
gern koͤnne. Wir koͤnnen nicht umhin, eine Eigenthuͤmlich⸗ 
keit Sr. Majeſtaͤt zu erwaͤhnen. Wenn durch das Einſchla⸗ 
gen des Blitzes in eine Viehheerde, Rindvieh oder Schafe 
oder anderer Hausthiere, Schaden angerichtet worden, moͤgen 
dieſe nun das Eigenthum einer oder mehrer Perſonen ſein 
und wie groß auch die Heerde wäre, fo verlangt er Feis 
nen Zehnten vor der Zunahme ſolchen Viehes drei Jahre lang, 
und fo verlangt er auch, wenn ein Schiff, mit Waaren be- 
laden, vom Blige getroffen worden ift, feinen Zoll und feinen 
Antheil der Ladung, denn er betradıtet diefen Zufall als ein 
böfes Omen. Gott, fagt er, hat felbft fein Mipfallen an 
des Eignerd Gütern gezeigt, und er wolle nicht, daß die 
Dinge, welche das Zeihen des göttlichen Zornes trügen, Ein- 
gang fänden in feinen Schatz. 


— — — — — — 


Zweiundzwanzigſtes Kapitel. 


Von den Baͤumen, welche der Großkhan an den beiden Seiten der Land⸗ 
ſtraßen ſetzen und wie er ſie pflegen laͤßt. 


Noch eine andere Anordnung hat der Großkhan getroffen, 
die zugleich fon und nuͤtzlich ift. Er läßt zu beiden Sei— 
ten der Landftraßen Bäume pflanzen und zwar von folder 
Art, die groß und die wird, Die ftehen nur zwei Schritte 
von einander und geben im Eommer Schatten, im Winter 
aber, wenn das Land verfchneit ift, zeigen fie den Weg, und 
das dient dem Reifenden zu Beiftand und Bequemlidjfeit 283). 

283) Es ift in der That bewunderungswuͤrdig, wie fo viele nußreiche 
und bequeme Einrichtungen, bie uns erft bie neuere Zeit gebracht hat, 
fchon in fo alten Zeiten in jenen fernen Oftländern eine fo vollfommene 

22 * 


340 


Das gefhieht an alfen Hochwegen, wo’ die Beichaffenheit bes 
Bodens eine PBilanzung zuläßt, aber wenn die Wege durch 
Sandwuͤſten oder über felfige Gebirge gehen, wo man feine 
Bäume haben kann, da läßt er Steine fegen und Cäulen 
errihten ald Merk: und Wegzeihen. Auch ftellt er Beamte von 
Rang an, deren Pflicht es ijt, darauf zu fehen, daß das Alles 
in geeigneter Weife hergeftellt und die Wege beftändig in 
Drdnung gehalten werden. Außer den für diefe Anpflanzun 
gen angegebenen Gründen ijt nod) einer, der den Großkhan 
dazu veranlaßt hat; feine Wahrfager und Eternveuter haben 
nämlich erflärt, daß die, welche Bäume pflanzen, mit. langem 
Leben belohnt werben. | 


{ 


Dreiundzmwanzigftes Kapitel. 


Mas man für einen Trank flatt des Weines in der Landfchaft Kataia hat, 
und von ben Steinen, die wie Kohlen brennen. 


Der größere Theil der Einwohner der Provinz Kataia 
trinft eine Art Wein, welder aus Reis mit verſchiedenen 
Gewürzen und Spezereien gemacht wird. Dieſes Getränf 
ober Diefer Wein, wie es genannt werden. mag, tft fo gut 
und blumig, daß fie fein befleres wuͤnſchen. Er ift flar, 
glänzend und angenehm im Gefhmad und ifl, wenn es fehr 


heiß gemadt, ſchneller beraufhend als irgend ein anderes 
Getränt 28%), . | | 


Ausbildung erhalten haben. Wir haben nicht nöthig, Zeugniſſe neuerer 
Reifende anzufuhren, wie jene Anordnungen in China noch -heutigen Tages 
fortbeitehen. 

284) „Sie werfen Reis in Waffer, thun einige Ingrebienzen dazu 
und Taffen diefes zumeilen dreißig Tage durchweichen. Dann kochen fe 
biegen fo gemifchten Reis; wenn er nun im euer fich flüffig anfgelöf, 
kommt er fogleih in Gährung und bedeckt ſich mit einem dunſtigen 
Schaum, ber ziemlich dem unſrer neuen Weine gleicht. Unter dieſen 


341 


Durch das ganze Land Kataia findet man einen ſchwar⸗ 
zen Etein, den man aus den Bergen gräbt, wo er in Adern 
läuft. Wenn er angezündet wird, brennt er wie Kohle und hält 
das Feuer weit beffer ald das Hol, fo daß es die ganze Nadıt 
hindurch erhalten werben kann und am Morgen noch brennend 
gefunden wird. Diefe Steine haben feine Flamme, außer daß 
fie ein wenig auflodern, wenn fie angezündet werden, aber 
während ihres Brandes ftrömen fie viel Hite aus. Aller: 
dings ift Fein Mangel an Holz in dem Lande, aber die Menge 
der Einwohner ift fo. ungeheuer und ihre Defen und Bäder, 
bie fie beftänvig heizen, find fo zahlreih, daß die vorhandene 
Menge für das Beduͤrfniß nicht hinreichen würde; denn män- 
niglich ift man gewohnt, zum wenigftend dreimal die Woche 
und im Winter täglih, wenn es in ihrer Madıt ift, das 
Bad zu befudyen. ever Mann von Madıt und Vermögen hat 
eind zu feinem eigenen Gebraudhe in feinem Haufe, und all 
das vorhandene Holz würde bald für folden Verbrauch un- 
bedeutend erfcheinen, während: diefe Steine in größtem Ueber⸗ 
fuffe vorhanden und fehr wohlfeil zu erhalten find 285), 


Schaum iſt ein fehr reiner Wein, den man abflärt und in wohlglafixte 
irdene Gefäße thut. Bon den Hefen, die fich geſetzt haben, macht man 
Branntwein, der nicht weniger ftarf if, als der unfrige in Europa.” Du 
Halde II, 118. ‚Die Chinefen trinfen weder Wein, noch Raf, den fie 
nicht erft heiß gemacht Haben.” Parennin lett. Edit. XXIT, 185. ed. 1781, 
Eine ausführliche Befchreibung viefer Welnverferfigung findet man eben: 
daſelbſt XVII, 190. 

285) Die umftändliche Befchreibuug, die Polo hier von der Be⸗ 
nutzung der Steinkohlen in China giebt, zu einer Zeit, wo die Eigenſchaf⸗ 
ten dieſes Foſſils ſo wenig in Europa befannt waren, kann mit Recht 
ebenfowohl als eine intereffante Urkunde des Faktum, als ein Beweis 
ber zweifellofen Urfprünglichfeit und Gigenthümlichfeit unfers Autors be: 
trachtet werden. „Es gibt eine fo große Menge von Eteinfohlengruben 
in den Provinzen, ale in feinen Reiche der Welt fo viel und mit ſolchem 
Meberfluß erfcheinen. Sie finden ſich ohne Zahl in den Bergen der Pro: 
vinzen Schen⸗ſt, Schansfi und Pe⸗tſche-li: auch bedient. man fich derſelben 
in allen Gewerföfen, in ven Kuͤchen aller Häufer und in den Kaminen 
der Zimmer, die man den ganzen Winter heizt. Ohne kin ſolches Hilfe: 


342 


| Vierundzwanzigſtes Kapitel. 


Von der großen und bewunderungswuͤrdigen Wohlthaͤtigkeit des Kaiſers 
gegen die Armen von Kambalu und andere‘ Perfonen, bie um Hilfe 
flehend an ſeinen Hef kommen. 


Es iſt ſchon erzaͤhlt worden, daß Se. Majeftaͤt große 
Maſſen Korn an ſeine Unterthanen (in den Provinzen) ver- 
theilen läßt. Bir werden nun von des Kaiferd großer Mild- 
herzigfeit und fürfidtiger Sorge für die Armen in der Etadt 
Kambalu reven. Cobald er erfährt, daß irgend eine achtbare 
Familie, die in guten Umftänden gelebt, durch Ungluͤcksfaͤlle 
arın geworden, oder daß fie in Folge von Krankheit und 
Alter nicht mehr für ihren Unterhalt arbeiten und Fein Korn 
zum Leben mehr erfhwingen kann, fo giebt er einer folden 
Familie fo viel ald zu ihrem SJahresaufwande ‚gehört, und 
zur gewöhnlichen Zeit erfheinen fie vor ben Beamten, welde 
die Verwaltung der Ausgaben Sr. Majejtät unter fi) ha 
ben und in einem PBalafte wohnen, worinnen fie ihrem Amte 
vorftehen; dieſen übergeben fie eine fehriftlihe Angabe ber 
Menge Korn, die fie im vergangenen Jahre erhalten haben, 
worauf fie auch für das gegenwärtige erhalten. In gleicher 
Weiſe forgt er auch für ihre Kleidung, wozu' er die. Mittel 
aus feinen Jehnten von Wolle, Eeive und Hanf nimmt. 
Diefe Stoffe läßt er zu verfchiedenen Arten Zeuge weben in 
einem Haufe, das zu dem Zwede eingerichtet worden ift, wo 
jeder Handwerfer einen Tag’ der Woche im Dienfte Sr. Ma 


— — 





mittel wuͤrden die Leute in ſo kalten Laͤndern kaum leben koͤnnen, wo das 
Brennholz ſelten und folglich ſehr theuer iſt.“ Du.Halde I, 29. „Bir 
haben zwanzig Tage nach einander in .Zwifchenräumen einige leichte 
Erpbeben gehabt; ähnliche waren fühlbar hundert (franz.) Meilen im Um: 
freis von Peking; man glaubt, daß fie ihren Urfprung in den Gruben 
gehabt Haben, die fich in den Bergen finden, welche man im Weften von 
Peking findet, von wo man bie Steinkohlen bezieht, die man im Lande 
verbraucht.” B. d’Entrecolles Lett. edif. AK, 9 M. - 


343 


eftät arbeiten muß. Aus diefen fo gefertigten Zeugen wer- 
en Kleider gemadt, die er den armen Familien giebt, denen 
s an Winters und Eommerbefleivung fehlt. Aud die Be- 
leidung für feine Armee laͤßt er ‚verfertigen‘ und in jeder 
Stadt eine gewiſſe Anzahl wollenes Tuch weben, weldes 
ion dem Betrage des Zehnten, den er an dem Plate erheben 
aͤßt, bezahlt wird. 

Man muß wifen, daß die Tartaren, als fie ihren ur- 
prünglichen Gewohnheiten folgten und nod nicht. die Religion 
er Götenanbeter angenommen hatten, nichts. vom Almofens 
eben wußten,. und wenn ein bevürftigr Mann ſich an fie 
zandte, fo trieben fie ihn mit Schmaͤhworten von fih und 
agten: „Geh mit deinen Klagelievern von böfer Zeit, Die Gott 
ir gejandt hat; hätte er dic, geliebt, wie es fcheint, daß er 
sich Tiebt, fo wuͤrdeſt du glüdlid fein wie ich.“ Aber feit 
te weilen Männer unter den Gößenanbetern und vorzüglid; 
ke Bakſis, von denen wir ſchon geredet haben, Sr. Majeftät 
orgeftellt haben, dag Milvthätigfeit gegen Arme ein gutes 
Berk ijt und fehr gnaͤdig von ihren Gottheiten aufgenommen 
yird, fo hilft er der Noth der Armen ab in der Weife,.. wie 
yir. angegeben haben, und Keinem wird Epeife veriveigert, 
er fommt und darum bittet. Kein Tag vergeht, an wel: 
ſem nit durd Die beftimmten Beamten zwanzigtaufend 
zchuͤſſeln Reis, Hirfe und Buchweizen (Panikum) vertheilt 
yerden, und wegen diefer bewunderungswuͤrdigen und ftaus 
enswerthen Sreigebigfeit, die er gegen die Armen übt, betet 
m das Wolf als feine Gottheit an 286), 


286) Ich halte es nicht für nöthig, zu ben Borhergehenben Erklaͤr⸗ 
ngen beizufügen; man nehme Marco Polo's Worte mit Ihrer Urfprüng- 
chkeit, Wahrhaftigkeit und Originalität und wird mehr daraus leſen 
mnen und treffenbere DBergleiche mit den Eitten und Gebräuchen anderer 
zoͤlker, ſo wie auch noch der neueren Zeit finden, als ich Hier anzugeben 
n Etande bin. 


344 


Funfundzwanzigſtes Kapitel. 


Bon den Aftrologen der Stadt Kambalu. 


Es giebt in der Stadt Kambalu - unter den Chriften, 
Carazenen und ‚Katajern gegen fünftaufend Aftrologen und 
Schickſalsdeuter, für deren Nahrung und Kleidung der Groß—⸗ 
than in berfelben Weife forgt, als er es für. Die vorerwaͤhn⸗ 
ten Familien thut, und die in beftändiger Uebung ihrer Kunft 
find 287). ie haben ihre Aftrolabien, auf denen die Bla 
netenzeichen, die Stunden, in welchen diefe den Meridian paf 
firen, und ihre verfdiedenen Afpeften -für das ganze Jahr 
verzeichnet find. Die Aftrologen ‘oder Kalendermacher jeber 
verfchiedenen Sekte nehmen jährlih die Prüfung ihrer ver 
fhiedenen Tafeln vor, um damit den Lauf der himmliſchen 
Körper und ihre Etellung‘- für jeden Mondwechſel zu beftim- 
men. Cie entveden damit aus den Pfaden und Konfigura 
zionen der Planeten in den verfhiedenen Zeihen, welden 
Stand das Wetter haben werde, und fagen die befonveren 
Erſcheinungen jedes Monats voraus: daß in dieſem Momt 
zum Beijpiel Gewitter und Sturm fein- werde, in jenem 
Erdbeben, in einem anderen Donnerfhlag und heftiger Re 
gen, wieder in einem anderen Seuchen, Eterben, Krieg, Zwie⸗ 
tracht, Verſchwoͤrungen. Wie ſie es in ihren Aſtrolabien 
finden, fo erklaͤren ſie, daß es fi) ereignen werde, wobei fie 
jedoch hinzufügen, daß. Gott nad feinem Willen mehr ober 
weniger fenden werde als fie beftimmt haben. Cie fchreiben 
ihre Währfagung für das Jahr auf gewiffe Heine Vierecke, 
welde. Takuini genannt werden, und biefe verkaufen fe 


287) Der Pater Le Comte fagt, daß unter allen Anftalten „einer 
guten Regierung‘ feine ſei, auf weldye die Chinefen mehr Sorgfalt ver: 
wendeten, als auf die Reihenfolge der Zeiten und Feſte. Der Kaifer 


845 


das Stuͤck zu einem Groſchen allen Leuten, die begierig find, 
einen Blid in die Zukunft zu thun. Diejenigen, deren Weifs 
fagungen am meiften richtig befunden werden, werben als die 
vollfommenften Meijter ihrer Kunft betrachtet und demzufolge 
am meijten geehrt. Wenn Jemand die Abjidht hat, ein gro- 
es Werk auszuführen, ſich auf eine weite Handelsreiſe zu 
begeben oder irgend ein anderes Unternehmen zu beginnen, 
und dabei zu erfahren wuͤnſcht, welchen Erfolg das haben 
mag, fo wendet er ſich an einen dieſer Aſtrologen, legt ihm 
vor, was für einen Plan er gefaßt habe, und fragt - ihn, 
wie der Himmel in diefer Zeit geftimmt erſcheine. Der Leps 
tere jagt ihm hierauf, daß, bevor er antworten fönne, es 
nöthig fei, daß er wiffe, in welchem Jahre, in welchem Mo- 
nate und in welcher Stunde er geboren fei, und nachdem er 
biefe Einzelnheiten erfahren hat, ſucht er nun zu beſtimmen, 
in welcher Beziehung das auffteigende Geftirn bei feiner Ge⸗ 
burt zu den Afpeften der himmliſchen Körper zu der Zeit 
ftehe, fuͤr welche er fid, erkundigt. Auf dieſe Vergleichung 
begründet er feine Vorherfagung des günftigen ober unguͤn⸗ 
ftigen Erfolges vom Unternehmen, 


unterhaͤlt mehr als hundert Leute, um den Kalender zu ordnen, ber alle 
Jahre erneuert wird. Im diefem Kalender find die Mondmonate aufges 
zählt, von denen manchmal 12, manchmal 13 auf ein Jahr fallen; und 
babei ftellen fie die Mebereinftimmung jener mit den Sommermonaten feft. 
- Serner. find darin verzeichnet die Nuachtgleichen, die Sonnenwenden, die 
Mond: und Sonnenfinilerniffe für Peking und für- die andern Hauptſtaͤdte ver 
Provinzen; der Lauf der Planeten, ihre Ctellung in dem Thierfreife, 
ihre Oppofizionen und Konjunfturen, ihre Annäherung an bie Sterne. 
Die merfwürbigften aftronomifchen Forſchungen find da angemerft.- Sol: 
chen beftimmten Angaben find viele Träumereien der Sterndeuterei beis 
gemifcht, vom Betrug erfunden, nah dem Gefchmad des thörigten und 
abergläubigen Volks; 3. B. unglüdliche oder günftige Tage, um ſich zu 
verheirathen, zu En bauen, Handel zu treiben, eine Reife zu unternehmen; — 
nach dieſen Singebungen regelt das Bolf feine Geſchaͤfte. Der Kaifer 
und bie gebildeten Leute achten. ſolche Vorherſagungen nicht Nouv. Relat. 
1, 377.) B. 2. 


346 


- Man muß wiflen, daß die Tartaren ihre Zeit nadı ei— 
nem: Zyklus von zwölf Jahren beredinen 288), deren erftem 


2883) In Ramufio’s Terte heißt es: „Numerano il millesimo de’ loro 
anni.“ Der Zyklus der Tartaren beträgt, wie der der Chinefen, zwöli 
Sahre; jene haben ihn warfcheinlich von dieſen. Aber die Chinefen ba; 
ben außerdem, ben fechzigjährigen Zyklus, welcher, wie fie fagen, aus dem 
höchften Alterthume ſtammt; als Erfinder deffelhen wird ein gewiller Te; 
nao genannt, ein Zeitgenofie des Kaifers Hoang-ti. Sie behaupten, daß 
ihr erfter Zyklus um das Jahr 2697 vor der Chriftlichen Zeitrechnung 
angefangen, fo daß jie jeßt im 76. Zyklus wären. Diefer Zyklus beflcht 
aus. 10 Zeichen, welche fie Sche-kan oder die zehn Etkmme nennen, um 
aus 12 anderen, Sche-kuth-tſchi oder bie zwölf Aeſte genannt (Hist, 
gen. de la Chine XI, 3.). Tem erften Jahre ihres Zyklus gaben fie einen 
Namen, der aus den beiden erften Worten ihrer beiden Orbnnungen zu 
fammengefeßt ift, und nennen es Kia⸗tſe; fo fahren fie in der naͤmlichen 
Reihe fort bis zum 11. u. 12. Jahre, wo man bem 11. u. 12. Worte 
ber Reihenfolge der zwölf Zeichen das 1. u.2. Zeichen der andern Reihen: 
folge Hinzufügen muß, und indem man jedes Jahr neue Zeichen einfchalte, 
geſchieht es erft nach 70 Jahren, daß im 71. Jahre die zwei erften Zeichen 
ber beiden. Reihenfolgen wieder vorkommen. Nähere Erläuterung beflen, 
was wir gefagt haten, gibt die ZyFlustafel von De Guignes (I, 46): 
diefe theilt die Namen der Jahre des zwoͤlfjaͤhrigen Zyklus im Chineſiſchen 
und im Tartarifchen mit; es find die Maus, der Stier, der Tiger, be 
Hafe, das Krokodil, die Echlange, das Pferd, der Widder, der Affe, ber 
Hahn, der Hund und das Schwein. Petit de la Croir braucht diefe Re 
men der Jahre im Leben Dſchingiskhan's. Polo erwähnt einige ber gi 
nannten Iahre, aber nicht in obiger Ordnung. Nach dem Morgens: 
difchen fchon erwähnten Gebrauch heißt der Tiger „Löme, die Schlange 
„Drache. Man darf deshalb Polo nicht der Unachtſamkeit und Urrich 
tigkeit zeihen; mit der Zeit koͤnnen Veränderungen eingetreten fein ;. wir 
lich gibt der Monotator der allgemeinen Gefchichte. China’s die Name 
bes zwölfjährigen Zyklus in folgender Ordnung: Das Pferd, der Widder, br 
Affe, der Hahn, der Hund, das Schwein, die Maus, der Stier, der Tigm 
ber Hafe, der Drache, die Schlange (VI, 317). B. B. — 
Ritter (TI, 1124 ff.) tHeilt über die Hakas oder Oftlirgbifen, us 
Obern Ienifei, Folgendes mit:  Eie hatten fehon den bei den Mongekr 
Mandſchu, Japanern und Tibetern eignen Zyklus von 12 Jahren, em 
jedes feinen Namen nach einem Thiere führt; das britte Jahr heißt da 
Tiger. Diefer Zyklus verbient-als cin? eigene Erfindung der Hafas, vb 
leicht die einzige, von der die Gefchichte Bericht erſtattet, Aufmerkfankk; 















= u 


ZEFEFRETTFER 


347 


Yahre fie den Namen des Löwens, dem zweiten den. ded Ochſens, 
em dritten den des Drachen, dem vierten den des Hundes geben 


r hat füch viel weiter verbreitet, als ihre Herrfchaft, jagt Ab. Nemufat 
a feinem lehrreihen Werke über die Tartarifchen Eprachen (Rech. s. 
es lang. Tartares p. 301). Es ift der Influs ber 12 Thiere, den di: 
Rirghifen in ältefter Zeit ausgedacht, der gegenwärtig faft in ganz Aſien 
yed Orientalen in Gebrauch if. Das Modell dazu war unftreitig ber 
malte awölfjährige Zyklus der Chinefen; aber ben nichtsbezeichnenden 
Sharafteren ver Chinefen die Thiernamen, zumal die der Hausthiere, zu fub- 
tituiren, ift nach der ausdruͤcklichen VBerficherung des Wen-hian⸗thung-khao, 
(8. 348, S. T) eine Erfindung der Kizlisfi:fjie (Kisfie), Darin fommen 
ie nuͤtzlichſten Thiere, wie ver Ochs, Hafe, Pferd, Hammel, Huhn, Hund, 
Schwein, vor. Auch die Ratte, Schlange, der Tiger (bei Klaprot Tabl. 
üst. p. 169), von dem Chrenberg gezeigt hat, daß er auch heute noch in 
Sibirien einheimifch iſt (Mb. Remuſat überfegt aber Leopard); der Affe 
mb der Drache vollendet das Tugend. Wollte man, fagt Remufat, auch 
en Kirghifen das Verdienſt diefer Erfindung nicht zugeſtehen, wie dieſes 
Maproth anzudeuten fcheint, der Tabl. hist. de l’Asie p. 169 meint, fie 
ei überhaupt feine Erfindung eines Volkes in Zentralaſien, fo laſſe fid 
och, bis jetzt, Fein paſſenderes Land für feine Srfindung angeben. — — 
Die Monate der Buraͤten (am Baikal) find Mondsläufe, nach denen fie auch 
hr Jahr (Schit) in 13 Monate theilen; dieſe geben zugleich in ihrem 
Ramen die lebendige Anſchauung des Kreislaufes eines Burätifchen Jah⸗ 
zes, Don Neujahr an heißen fie 1) Ulura Hara, d. 1. wenn bie Baͤche 
fieren; 2) Ura Hara, wenn man ben Winternorrath beforgt ; 3) Guhran 
Sara, der Rehmonat ıc. Ihre Chronclogte befteht ebenfalls in dem merk; 
würdigen Zyflus mit den Thiernamen, den mir als eine Erfindung der 
Hakas betrachten. ©. Georgi’s Reifen I, 298. Leiver hat Georgi deren 
Benennungen nicht nizdergefchrieben, fagt aber, mit dem Jahre 1732 fet 
Defer Zyklus abgelaufen gewefen, und dies Jahr fei nach dem Mammont 
(6 Mummuth?) genannt. ©. Ritter III, 138. — Beiden Eiamefen 
wechſeln die Monate mit 29 oder 30 Tagen; ihr Jahr hat 354 Tage. 
Die Monatnamen richten ſich nach den Zahlen. Ihrem Sonnenjahre wird 
Edes dritte Jahr ein Echaltmonat nad) dem 8. Monate zugefügt. Ihr 
Jahr fängt nicht mit dem erften Monat an, fondern dem Chinefifchen 
eich, 3. B. im Jahre 1822 mit dem 11. April. Auch ihre Chronologie 
eat wie die Ghinefifhe einen großen Zyklus von 60 Jahren und ben 
Zeinen von 12 Sahren, mit ven Thiernamen, der von den Hafas erfunden 
in Soll. Auch in Siam. heißt das dritte. Jahr der Tiger (Khan); wie 
>ei dem Ghlmefifchen Cyklus find auch ganz unbedeutende Thiere darin 


+, 


N 


348 


und fo den übrigen, bis biefe zwoͤlf Jahre abgelaufen find. 
Wenn daher Jemand gefragt wird, in welchem Jahre er ge 
boren fei, fo antwortet er: im Laufe des Jahres vom %- 
wen, an dem, und dem Tage, die und die Stunde und Mi- 
nute, was Alles forgfältig von feinen Eltern in ein Bud 
verzeichnet worden. Nach Vollendung der zwoͤlf Jahre des 
Zyklus Fehren fie zu dem erften zurüd und wiederholen. be⸗ 
hänbig biefelbe Relhenfolge. 


Sechsundzwanzigſtes Kapitel. | 


Bon der Religion der Tartaren 20°); von dem Glauben, den fie über 
die Seele haben und von einigen ihrer Gebräuche. 


Es ift ſchon bemerft worden, daß dieſe Voͤlker Goͤtzen⸗ 
diener ſind, und maͤnniglich haben ſie fuͤr die Gottheiten eine 


aufgeführt, wie die Ratte, der Ochs, der Haſe, das Pferd, Die Ziege, was 
eben auf eine Annahme befielben aus der Fremde hindeutet (Crawfurd 
Journ. 328 — 332;. G. Finlayson Journ. 249, 250.).:- 

- 289) Bolo handelte oben ſchon von dieſem Gegenftande; hier gibter 
etwas verwirrte Angaben über die Meinungen und Gebräuche ber is 
China herrſchenden Sekten feiner Zeit; 1) die Sekte der Gelehrten ober 
die alte. Religion des Reiche, die von denen, bie ſich Nachfolger der Lehre 
des Konfuchus nennen, verberbt worden; 2) die Eefte ver Anhänger bes 
Laos Kiun oder der fogenannten Tao-fie; 3) die Sekte der Anbeter des Fo 
oder die Lamadiener; 4) der Schamanismus oder bie Religion der Tar: 
taren. Polo ift wohl zu entfchuldigen, daß er jene Sekten vermengt hat, 
ba bie Duldung der Tartaren und Kublaifhan’s es geftattete, daß ein 
jeder fich zu der Religion. befennen konnte, die ihm am Beſten gefiel, fo daß 
nicht wenige eines gemifchten Glaubens geweſen fein mögen; ein Frem⸗ 
der im 13. Jahrhundert Fonnte fie nicht genau unterfchelven ; - denn troß 
ber Bemühungen fo vieler gelehrter Diänner hat man jetzt noch Mühe, 
durch diefen Srrgarten des Glaubens jener Voͤlker zu bringen; weniger 
aus Mangel an tüchtigen Forſchungen, als ‚wegen ber Verwirrung und 
Berinderlichfeit der Meinungen. und der Goͤtzendiener ſelbſt. Der Pater 
Le Comte Handelt weitlaͤufig über biefen Gegenftand (Nouy. Rel, II, 120.) 


349 


Tafel an einem hohen Orte der Wand ihres Zimmers haͤn⸗ 
gen, auf welcher ein Name geſchrieben ſteht, der den hohen, 
himmlifſchen und erhabenen Gott darſtellt, und dieſem weihen 
fie ihre taͤgliche Anbetung und zuͤnden ihm Weihrauch an; 
die Haͤnde emporgehoben und das Geſicht dreimal auf den 
Boden ſchlagend, flehen ſie ihn um Einſicht und Geſundheit 
des Leibes an, und weiter bitten ſie nichts. Unter dieſem 
auf dem Boden haben fie ein Goͤtzenbild, welches fie Ras 


und glaubt mit vielen andern tüchtigen Säriftitelfern, dag bie patriarcha⸗ 
liſche Religion in allen Zeiten die bes Reiches war. Nach Du Kalbe 
weihten die Gründer und erften Anhänger berfelben ihre Verehrung nur 
einem hoͤchſten Weſen, dem Urfprunge aller Dinge, welches fie Schang-t, 
ven hoͤchſten Kalfer, nannten ober auch Tien, welches bei den Chinefen 
den Geift bebeutete, der im Himmel herrſcht; obwohl fie jet dieſen Nas 
men auch gebrauchen, um ben fichtbaren Himmel zu bezeichnen. Aus dem 
berühmten Fanonifihen Buche der Ehinefen, Schu: King (Dn Halde J, 3), 
erfennt man, daß die Chinefen dem Tien alle Eigenfchaften Gottes beis 
legten. Es ift bemerfenswerth, daß Plato das Wort Ceog vom Verbum 
Hey ableitet, welches fo ſehr dem chinefifchen Tien ähnelt (Plato in 
Cratil.). Nicht weniger merkwürdig ift, daß die Chinefen Titan den Tem⸗ 
pel ber Erde nennen (Ambas. de Macart. III, 177), und bie alten 
Griechen nannten die Erde Tıdex und ihre Söhne hießen’ daher Titanen. 
Solche Analogien beweifen eine urfprüngliche Religion, eine nrfprängliche 
Sprache und die allmälige Verderbniß beider in allen Gegenden (Voss, de 
Idol. Lit. II; 2). Eeit einigen Jahrhunderten iſt der Dienft des Tien dem 
Kaiſer allein vorbehalten , ven die Chinefen als den Oberpriefter ( oder Ober- 
haupt ber Kirche, wie auch die Ruſſen ihren Kater) anfehen (Semed. 127). 
Der Tempel, welcher dem. Tien geweiht iſt, befindet fih im Umkreiſe 
des Palaftes; Magalhanes redet davon; er fagt, daß derfelbe Pe⸗teu heiße 
und den Polarfternen gewidmet ſei. Im Tempel gab es gar fein Goͤtzen⸗ 
Bd, aber wie Polo erzählt, eine Tafel, darauf man Tieft: ,,‚Dem’. Geifte 
und Gotte Pe-ten.” (Nouv. Relat. 347.) Im Berichte von Macartney’s 
Sefandtfchaft wird dieſes Tempels als‘ des prächtigften in China erwähnt. 
Sn der Chinefifhen Hauptftabt Heißt er, nah Staunton, Tienstan, oder 
die Erhabenheit des Himmels, und findet man blos den Namen Tier ein: 
gehauen (III, 177). Diefes beftätigt die Verficherung Pole’s, daß der 
Gott des Himmels nicht durch Bilder dargeftellt, fondern nur durch 
feinen Namen den Menſchen in das Gedaͤchtuiß gerufen. wird. B. B. — 


350 


tigai 290) nennen, den fle ald den Gott der irdiſchen Dinge 
oder Alles, was immer auf der Erbe erzeugt wird, betrad; 
ten. ie geben ihm ein Weib und Kinver, und’ verehren 
ihn in Ahnlicher Weife, indem fie. Weihraud brennen, ihre 
Hände erheben und fid auf den Boden werfen. Dieſen bit 
ten fie um günftige Witterung, reiche Ernte, Familienzuwachs 
und fo weiter. Sie glauben, die Seele fei unfterblid, nam 
ih fo, daß fie unmittelbar nad) dem Tode des Mannes in 
einen anderen Leib wandere 291), und daß demnach, wenn 


290) Ueber Natigai f. 1. Buch, Kap. 49, Anm. 180. — Nach Pal: 
las nennen die Mandfchu den Gott des Himmels Aſchbo, die Mongolen 
Tingueru, was Himmel und Gott des Himmels bedeutet. Er fah einen 
derfelben mit bloßem Haupte, einem SHeiligenfchein und Bart, ein ent 
blößtes Echwert in der Rechten halfend, die Linke in fegnender Stellung. 
Auch zwei Heine Knaben waren daneben gemalt und auf der andern Eeite ein 
Mäbchen und ein Greis. Die Nouvelles Annales .des voyages publiees 
par M. M. Eyries et Malte-Brun (Paris 1819. II, 177) geben eine 
gute Bemerfung zu dem Namen Natigai. Es heißt darin nämlich, daß 
im Kalmuckiſchen der Vater Atfchigai Heißt und daß die Buräten ihn 
Jetzegue (Dfiorgon Burchan oder Tingiri i.e. coelum, Gott des Himmels) 
nennen; f. Georgi’s Reifen I. 313 ff.; auch bei ven Hafas iſt der Glaube 
an Einen Oberen Gott ganz verbunfelt durch den Wahn won Daͤmonen; 
fo daß eben fo, wie im alten Glauben ver Chinefen und anderer Voͤller, 
ber Name des Himmels gleichbedeutend war mit dem ihres blos Däme: 
nifchen Gottes (wie Thian bei Chinefen, Tagri bei Mongolen , Lha bei 
Tidetern, Deva bei Hindu ıc.). Bon folchen Dämonifchen Göttern naun⸗ 
ten fich auch die ſtammverwandten Beherrfcher der Hiongsnu, Tangrickutn, 
Söhne des Himmels; die Thukin (Dftturf) brachten dieſem Tagri oder 
Tengri, als Himmelsgott, beftimmte Opfer, und eben fo dem Po =ten:gri, 
dem Ervengott. ©. Remufat Observ. sur la dectr. Samandenne et la 
Triade Supreme. ®Bergl. vor. Anmerkung. Es fcheint alfo nach bem 
Beifpiele vieler anderer alter und neuer Bölfer, daß fie ihrem Goͤtzen deu 
Namen Vater geben. Wirklih find Natigat und Atfchigai einander fo 
ähnlich, daß jenes Wort eine Verſtuͤmmlung der Abbiegung der zweiten 
Benennung zu ſein ſcheint. B. B. 

291) In den Anmerkungen zum zweiten Kapitel dieſes Buches ik 
Schon von der Seelenwanderung ber Buddhaiſten oder Fo⸗Diener bie 
Rede geweſen. Du Halve führt das Geſpraͤch eines Chinefischen Filofofen 
an, welcher über bie Meinungen Tao⸗tſe's und Fo's diskutirt. Der Leh⸗ 


351 


er tugendhaft oder ſchlecht während feines Lebens geweſen 
jet, fein zufünftiger Zuftand in dem Maße beffer oder ſchlech⸗ 
ter fein werde.. Wenn er ein armer Mann geweſen ift und 
fi) edel und bejdeiden aufgeführt hat, fo wird er in erfter 
Folge von einer Edelfrau wieder geboren und ſelbſt ein Ede⸗ 
mann werben, naͤchſt dieſem yon einer hocdhgeborenen abeligen 
Dame und er ein Adeliger von hohem Range werben, und 
fo beftändig auf der Leitr des Dafeind aufiteigend ſich end⸗ 
lid) mit der Gottheit vereinigen. Aber wenn er im Gegen- 
theil der Sohn eined Edelmanns gewefen und ſich unwuͤrdig 
aufgeführt hat, fo wird er in feinem nädıften -Zuftande ber 
Eohn eined Bauers werden und zulegt ein Hund, in beftäns- 
digem Abjteigen zu einer Etufe des Dafeind, die immer nieb- 
tiger wird ald die vorhergehende. _ 

Im Umgange mit einander find fie zierlich und hoflih 292); 


tere war nach ihm ber Erfinder des Glaubens an die Eeelenwanderung, 
und es lebte ver Betrüger etwa im 5. Jahrh. vor der Chriftlichen Zeitrech- 
zung. Um zu zeigen, wie gefährfich die Meinungen biefer Sekte ſeien, 
erzählt der Filoſof einige intereffante Züge; unter diefen, daß ein lieber: 
licher Menſch, der einer Jungfrau nachftellt, ihr fagt: erinnerſt du Dich 
nicht, daß, ehe du wiebergeboren wurbeft, du mir zur Braut verfprochen 
warft ? Dein plößlicher Tod beraubte mich der Rechte, zu welchen. ich 
durch deinen Beſitz gelangen will. Tiefe alten Bande find der Grund ber 
Zuneigung, welche die gegenwärtige Begegnung begünftigt (Du Halde III, 
52). B 2. . 

292) Dffenbar fpricht Polo in diefem Kapitel von ben eigentlichen 
Ghinefen oder Katajern, wie er bei der Eittenfchilderung im 1. Buche 
mehr die Mongolen und ihre Gigenthümlic;feiten vor Augen gehabt; da 
durch die Eroberung viele Mongolen in das Land Tamen und-die Erobers 
ten von ben Beftegten viel von Eitten und Religion annahmen, aber auch 
pie gebilvetern Beſiegten in Manchem von den Gebräuchen ber rohen 
Wandervoͤlker angeſteckt wurden, fo war es natürlich, daß viele der Eigen; 
thuͤmlichkeiten der verfchiedenen Voͤlker, namentlich in Religionsfachen, mit 
einander vermifcht wurden. In obiger Stelle hat er aber durchaus bie 
feineren Umgangsfitten der Chinefen vor Augen: „Das dritte Prinzip, 
welches ihre Moral gebietet, ift, daß es ungemein wichtig iſt, unter. bem 
Volke die Sitte, die Befcheivenheit und ein gewiſſes höfliches Benehmen, 


864 


Sprechen hoͤrt297). Jeder Vornehme führt ein Feines Ge 
faͤß bei fidy, in weldhes er fpudt298), fo lange er fid In 
der Audienzhalle aufhält; denn Niemand wagt es, auf ven 
Fußboden zu fpuden, und hat er in jenes Gefäß gefpudt, 
fo legt er den Dedel wieder drauf und macht eine Berbeu: 
gung. Auch haben fie fehr ſchoͤne Stiefeln von weißem Le— 
der bei fi, und wenn fie zu Hofe Fommen, ziehen fie, be 
vor fie die Halle betreten, two fle auf die Befehle Sr. Ma: 
jeftät warten, dieſe weißen Stiefeln an und übergeben bie, 
in welchen fie gegangen find, den Dienern in Verwahrung. 
Das gefhieht, damit fie die ſchoͤnen, gar Töftlich mit Seite 
und Gold und in gar mannichfachen Farben gearbeiteten Tep⸗ 
piche nicht befchmugen. | 


Stebenundzwanzigfted Kapitel. | 
Bon dem Fluffe Puliſaugan und von ber Bruͤcke, die darüber führt. 


Bis hierher haben wir in Diefem anderen Buche die Lage, 
Größe und den Handel der Etadt Kambalu angezeigt; dabei 


397) Diefes vollkommene Stillſchweigen am Hofe zu Pefing wirt 
von Bell. befonders hervorgehoben, welcher fagt: „Als wir vorfchritten, 
fanden wir alle Staatsminifter und Hofbeamten “auf Pelzkiſſen mit ge 
Treuzten Beinen vor der Halle im Freien ſitzend; unter dieſem waren dem 
Geſandten und feinem Gefolge Plaͤtze angewiefen; und fo verharrten wir... 
bis der Kalfer In die Halle trat. Waͤhrend diefer Beit.... wurde auch 
nicht das geringfte Geräufch von irgend einer Selte vernommen.“ 11,5. 
Weiter bemerft er: „In dieſer Zeit füllte fi bie Halle und «8 wer 
hberrafchend,, daß auch nicht das geringfte Geraͤuſch, Tein Laͤrm mb 
feine Unordnung' entftand..... Kurz das Charakfterifiifche des Hofes zı 
Beling If Ordnung und Auſtand mehr als Größe und Brad.” 
©. 9. 


2%) Diefes Geraͤth ift fehr gewöhnlich in vielen Teeilen Dftinbien, 
wo ed nach ben Portugiefen Cuſpidor genannt wird. Hier iſt es weil 
durch die Gewohnheit, Betel zu kauen, eingeführt Werben. M. 


855 


haben: wix :Türzlih bie Gewalt und Pracht und den Reich⸗ 
shum des großen. Khan's beſchrieben. Run erfordert auch Die 
Ordnung, daß. wie ebenfalls. die anftoßenden Landſchaften br⸗ 
ſichtigen und kuͤrzlich anzeigen, was darin zu finden: iſt. Darum 
als ‚der große Khan mid, Marco, in ferne Lande feines Rei⸗ 
des, Aufträge zu vollführen, geſchickt hat, blieb ich oft vier 
Monate auf der Reife, da erkundete ich alle Dinge, denen 
ich begegnete, mit Fleiß und reiſte hierhin und dorthin 299). 


299) In.biefer Einleitung folge ich. dem Latelnifchen Tert, der Yes: 
mal etwas weiter ausgeführt if, als der Rammfio’s. Im Text des Bruder 
Pipin’s flieht: „Hxpeditis his, quae de provincia Cathay et eivitate 
Cambalu, atque Magni Kaam magnificentia, ad praesens curavi de- 
scribere, nunc ad describendas breviter regiones finitimas äocedamus, 
Quodam tempore magnus rex, me Marcum, ad remotas partes sul Im- 
yerü negotio deszioavit. Kgo autem de civitate Cambalu iter arripiens, 
mensibus Quatuor in itineribus fui. Ideo quae in via illa eundo, et 
redeundo reperi declarabo.‘“ 

Hier beginnt Marco Polo's Reiferoute durch das Alpengebirge es 
china's, durch die Thäler bes Fenho, Hoangho und Welke, auf: der Straße 
don Peling gegen S.⸗W. aber Si:ngan-fa nah Tſching⸗tu⸗fu In Spks 
dehnen. „Im zweiten Buche feiner Mirabila Mundi beginnt der bes 
rähmte Veneziauer, nachdem er im erflen bie allgemeine Beſchreibung 
bes nördlichen Mongoliſches Reiches (Kataia) beendigt hat, mit dem ſpe⸗ 
ziellen Nachrichten über den Süden bes Chineſiſchen Reiches (Mangi). 
„Bei genauerer Betrachtung‘, fagt Klaproth, uud bamit ſtimmen auch fruͤ⸗ 
here und ſpaͤtere Unterfuchungen Aberein, „ergibt fih, daß Marco Bolo faſt 
überall nur diejenigen Staͤdte nennt, bie er felber befacht hat; und daß 
die Neihenfolge, in der er fie nennt, biejenige feiner eigenen Reiferonte 
iR. Diefes fehr intereffante Refultat zeigt ſich entfchleben in ber hier au⸗ 
zufährenden Reihe von Daten, die dadurch fehr wichtig werben, baß fie 
über einen, uns nur aus allgemeinen Rompilaziouen ber Jeſniten befchries 
benen, fonft aber won Heifenden neuerer Zeit gänzlich unbefnchten, 
wicht. nninterefianten Strich des Alpengebirgslanbes von Weſtchina, Inner: 
halb des mittleren Hoanghoſyſtems, die Bemerkungen eines Curopaͤiſchen 
Angenzeugen, wenn ſchon ans dem Gube des 18. Jahrhanderts mittheilen, 
die es nur bedauern laſſen, baß fein jüngerer Beobachter ihm gefolgt tft, 
und daher aller fatifiifchen Notizen, bie wir barüber beſitzen, ungeachtet 
der größte Theil jener merfwürbigen Alpengaue feiner wahren Natur 
nach doch immer noch der Terra incognita anheim fällt. — „ie durchs 

23 * 


856 
Als ich zehn Meilen (Miglien) von der Hauptftadt hin 
:wegfam, fand ich ein großes fließenvdes Waſſer, das heißt 
Bulifangan 300), das in den großen Ozean fidy ergießt, und 
es gehen viele Schiffe mit Maflen von Waaren auf biefem 
Waſſer. Ueber viefen Fluß geht eine fehr huͤbſche fteinerne 
Brüde, dergleichen vielleiht nicht in der Welt tft; fie if 
preihundert Echritt lang und acht breit301), fo Daß zehn 
Mann neben einander ganz bequem darüber reiten Eönnen. 
Sie ruht auf vierundzwanzig Bogen und fünfundzwanzig 
Pfeilern, die im Waſſer ftehen, alle von Serpentinftein und 
mit großer Kunft aufgeführt. Auf jeder Seite und von eb 
nem Ende zum anderen führt eine. ſchoͤne Bruftwehr, vie aus 
Marmorplatten und Saͤulen gar meifterlid, gebilvet if. Wenn 
man die Brüde herauffteigt, fo ift fie etwas weiter als wo 
der Aufgang feine Höhe erreicht, aber von dieſer aus Iaufen 


wandern biefen Lanpftrih nach dem Kommentar unfres Lanbsmannes 
(J. Klaproth Remarques geographiques sur les Provinces occidentales 
de la Chine decrites par M. Polo in Nouv. Journal asiatique T. I. 
1828, p. 97 — 107), der Hier bie, wie uns fcheint, größten Schwierig. 
feiten und Dunfelheiten größtentheils durch feinen Scharffinn und feine 
jeltene orientalifche Gelehrſamkeit gluͤcklich beſiegte und begierig mad 
auf einen fortlaufenden Kommentar dieſer Art, zu dem in vielen 
heilen noch fehr beduͤrftigen, klaſſiſchen und einzigen Werfe des von 
jeher bewunderten, aber fo felten verflandenen und bis heute weit mehr 
mißverflandenen Yutors, ber darin gleiches Schickſal, wie früherhin fein 
Borgänger Herodotos, theilte.“ Ritter IV, 513 f. 

300) Pulifangan, d. i. Bräde des Cangstan Stromes; das If ber 

Lukeouho, ein rechter Zufluß des De: bo, der im Often au Peling vor: 
überzieht.. 
301) Diefe Brüde befteht heuie noch; der Fluß heißt auch Sang- 
fan-bo Hoen⸗ho, oder Dom stim:ho bei D’Anville. M. Bolo, dem bei 
Perſiſche, durch feinen laͤngern Aufenthalt in Ballh und als Hofſprache 
geläufig war, der auch wohl einen Perjifchen Dolmeifcher als Reifege: 
führten haben mochte, weil er oft Berfifche Ausdruͤcke in feiner Beſchrei⸗ 
bung braucht, nennt baher auch biefe Bräde mit dem Perſiſchen Rama 
Puli Eang fan, d. i. die Bride des Sang kan⸗Stromes. R. nach 
Klaproth. .. EL Pr. 


357. 


die Seiten in gerader gleidhmäßiger Linie zu einander: fork:ı 
Oben am Yufgange fteht eine fehr große und hohe Säule; 
die auf einem Sodel von Marmor ruht, neben der die große 
Geftalt eines Löwen liegt. Auf der Säule liegt ein gleiches 
Gebild. Da, wo die Brüde ſich abneigt, fleht eine andere 
ſchoͤne Säule mit ihrem Löwen, einen und einen halben Schritt 
von ber. erſteren entfernt, und alle Räume zwiſchen einer 
Säule und der anderen, die ganze Länge der Brüde, ſind 
mit Marmortafeln gefüllt, die mit kuͤnſtlichen Bildwerken vers, 
ziert und jedesmal in die nädften Säulen, die .über die ganze 
Bräde gehen, eingefügt find. Jede Eäule ſteht einen und 
einen halben Schritt von der anderen und hat gleichfalls; 
wie bie große, einen Löwen auf fi fiben. Das zufammen 
bietet einen gar prächtigen Anblid dar. Diefe Bruftiwehren 
dienen dazu, daß ben darüber Gehenven Fein Unglüd wiber« 
fahre. Was gefagt worden ift, bezieht ſich auf den Abſteig 
wie auf den Aufgang der Bruͤcke 202), 


— — — —— — 


Achtundzwanzigſtes Kapitel. 
Don der Stadt Giogiu. 


Wenn man tiber dieſe Bruͤcke kommt und dreißig Meilen 
gegen Weſt oper Niedergang zeugt, kommt man burd ein Land, 
das reicd ft an ſchoͤnen Gebäuden, Weinbergen und wohl 


— — — — — — 


302) In Andreas Müller Lat. Ueberſetzung ſteht &..85: „Est 
autem in eo loco pons marmoreus pulcherrimus;, “ unb fo nennen bie 
fpäteren Sefuiten fie auch eine Marmorbrüde (P. Magalhanes) mit 70 
Eulen auf jeder Seite und dem fchönftlen Marmorgetäfel, daneben mit. 
Skulpturen von Blumenwerf und Thierfiguren geziert. Sie fagen, bie 
Brüde folle zweitaufend Jahre alt, 1688 aber bei großem Waflers 
mangel des Stromes eingeftürzt fein. S. B. B. not. 39%. Nah Klap⸗ 
roth warb fie aber A. 1189 in fünf Jahren gebaut, und nachher mehr: 
mals reparirt. 


bebmuten und fruchtbaren Ackerfeldern, zu einer fchönen und 
bedeutenden Stadt, die login 303) (Tſchotſchu ausgeſpr.) 
heißt, wo die Goͤtzendiener viele löfter haben. . Die Ein 
wohner leben im Allgemeinen von Handel und Gewerben. 
Sie haben Manufakturen von Gold» und Seidengeweben und 
ver fhönften Art Schleierzeug. Die Herbergen zur. Aufnahme 
von Fremden find fehr zahlreid. Eine Meile wett über bie 
fen Plat hinaus theilt fid) die Straße, der eine Weg geht 
gen Weften und der. andere gen Suͤdoſten, erſterer durch bie 
Provinz Kataia und legterer durch die Provinz Manjt 30%), 
Bon der Stadt Giogiu reift man in zehn Tagen durch Ka⸗ 
taia nadı dem Koͤnigreiche Tasin-fu 30.6), auf weldyer Reife man 
an ‚vielen ſchoͤnen Städten und feften Plaͤtzen vorüber fommt, 
in denen Handel und Gewerbe blühen und wo man viele 
Weingärten und wohlbebautes Land erblidt. Von hier wer 
den Weintrauben in das Innere von Kataia gebracht 306), 
wo fein Wein wäh. Maulbeerbäume find im Lieberfluß 
da, deren Blätter die Einwohner in Stand fegen, große Maffen 
von Eeide zu probuciren 307), in hoher Grad von Bil— 


303) Giogin nach alten Ausgaben, Gtoguy und, Gisghuy nach bem 
Testo di lingua bei B. B. und im Cod. Ricc., bei Ramujio aber Gonza, 
heißt heutzutage Tfcho stfchen in Pe⸗tſchely (nicht Tfo bei D’Anville und dars 
nah auch irrig auf allen andern Karten, auch auf der von Grimm). 
&. Ritter IV, 515. 

304) So theilt fi der Meg auch noch heute gegen W. durch 
Schaufl, gegen ©. durch Ho⸗nan. 

305) D. i. Tal-yan-fu (Tal=yuan fu), bie Kapitale der heutigen 
| Provinz Schanſi am Ben-hoflufie. 

806) Auch die Jeſuiten ber weit fpäteren Zeit verſahen ihre Miſſio⸗ 
nen von dieſen Weinbergen aus mit dieſem Trank. 

307) Mehre hiſtoriſche Daten (S. Ritter VIII, 705 ff. und vgl. Du 
Halde und Mailla) geben ung die Beweiſe, daß die Seidenzucht des Bom- 
byx mori vom Norben China’s ausging, verfchienen vom wilden Ge 
ſpinſte, und demnach erft fpäter, durch Kultur, von da gegen Suͤden mie 
gegen Welten fich verbreiten Tonnte. Daß diefe Zucht auch in China, 
dem Stammlande, wie bei den weſtlichen Ausbreitungen, zuweilen ben 
felben Gefahren ber Zerftörung durch harte Froͤſte ausgefeht war, bavan 


359 


dung herrſcht unter allen Leuten dieſes Landes in Folge ihs 
res häufigen Verkehrs mit den ‚Städten, die zahlreich und 
nicht weit. von einander entfernt find. Nadı diefen fommen 
beftändig die Kaufleute und bringen ihre Güter von einer 
Stadt zur anderen, wie gerade die Meflen in venfelben ges 
halten werden. Nachdem man fünf Tage über die zehn, bie 
fhon erwähnt worden, weiter gereift, fol man an eine Stabt 
fommen, die noch weit größer und ſchoͤner ifl, Namens Ach⸗ 
balud) 308), bis wohin. fid) die Grenzen von ben Jagdrevie⸗ 
ven des Kaiſers erftreden und in denen Niemand jagen darf, 
außer die Prinzen feiner eigenen Familie und Die, deren Ra- 
men in des Großfalfners Lifte eingetragen find; aber - über 
diefe Grenzen hinaus koͤnnen alle Perfonen, die vermöge ih⸗ 
res Ranges dazu beredtigt find, nad) Luft das Wild vers 
folgen. Es ereignet ſich jedoch felten, daß der Großkhan 
dem Jagdvergnuͤgen in biefem Theile des Landes obliegt, und 


giebt das 14. Jahrhundert ein Beifpiel: Im Jahr 1305 fiel Ende Fruͤh⸗ 
ling eine fo flarfe Kälte in Nordchina ein, daß alle. Maulbeerbäume ber 
Länder von Holien (in Peifcheli), Panyang und Ytu (in Schanft und 
Echenfi) erfroren; der Verluft wurde auf 2,410,000 Stuͤck angegeben, 
woraus ein fehr großer Schaben erwuchs. Tie meiften Nachrichten, welche 
Polo Furz vor jenem ungluͤcklichen Zufall über die außerordentliche Menge 
der Eizengung der rohen Seide von fehr vielen Orten mittheilt, betreffen 
Vorzüglich die nördlichen und mittleren Provinzen China’s, wie In Betfcheli 
zu Pulifangau, Tain fu, Pian fu am Karamoran, Kindjang fu, Ouenzan 
fu, wo, an allen genannten Orten, von fehr ftarfer Seidenzucht und reich: 
haltigen Maulbeerpflanzungen die Rede iſt. Leider führt dieſer Neifende 
nirgenbs fprachliche Bemerkungen über einheimifche Benennungen an, ob: 
wohl ihm die Kenntniß der einheimischen Sprachen nicht fehlte; hier 
würden fie über die damals gebräuchlichen Namen der Seide (bie in fel- 
nem Stalienifchen, Franzoͤſiſchen und Lateinifchen Codd. seta, sole, Se- 
ricum genannt wird), und des Maulbeerbaumes (morari e vermicelli che 
producono la Scta, bei Ramuflo; moriaus et vermes que funt la sole, 
im Text. franc. ed. Paris 1824, p. 119) fehr lehrreich gewefen fein. 

308) Ob Ak balf, d. i. die Weiße Stadt, vielleicht zugleich auch der 
Name eines KRaiferlichen dagoſchleßes iſt? R. — ©. J. Buch, 55. Kay. 
Aumerk. 


360 


die Folge davon ift, daß das Wild, vorzüglich Hafen, in 
folher Menge fid) vermehren, daß fie wohl alle Saat in ber 
Provinz zerftören. ALS Diefed zu den Ohren Er. Majeftät 
fam, begab er fidy mit feinem ganzen Hofe in dieſes Land, 
und eine unzählige Menge dieſer Thiere wurde getöbtet. 


— — — —— — 


Neunundzwanzigſtes Kapitel. 
Bon dem Koͤnigreich Tasinsfu. 


Rah einer zehn Tage dauernden Reife von der Stadt 
Giogiu kommt man, wie fhon gefagt, in das Königreid, Ta- 
insfu, deſſen vorztiglichfte Etadt, die Hauptfladt der Provin, 
benfelben Namen hat. Cie tft außerordentlid) groß und fehr 
ſchoͤn. Ein beträchtlicher Handel wird von hier getrieben und 
eine Menge verfciedener Fünftliher Arbeiten verfertigt, vor 
züglid Waffen und andere Kriegsvorräthe, die hier bequem 
am Plage find für Str. Majeftät Armeen 309). Diele Wein 
berge giebt es, von denen Weintrauben in großem Lleberfluß 
- gefammelt werben, und obgleich in dem ganzen Diftrifte von 
Ta⸗in⸗fu Feine anderen Trauben gefunden werden als die im 
unmittelbaren Bezirke der Hauptftabt erzeugten, fo geben biefe 
doch hinreichenden Vorrat für die ganze Provinz. Aud an 
dere Früchte wadyfen hier in Menge, wie der Maulbeerbaum 
mit den Würmern, welche die Seide liefern. 


309) Klaproth bemerkt (Nouv. Journ. .Asiat. I, 99), nach Chinef: 
hen Daten, daß die dortigen Eiſenbergwerke die ergiebigften In China 
find, zumal bei der Kapitale ſelbſt, und in der benachbarten Umgebung 
gegen Suͤden, ber Heineren Stadt Siu⸗-keu⸗hian. Dort find heute nod 
die Fabrifen für Säbel, Dolche, Meſſer, Meifel, Stahlarbeiten (gleichfam 
Solinger Waaren), bie von da durch ganz China und die Mongole 
verhandelt werben. 


381 


Dreißigſtes Kapitel. 
Bon der Etat Pi⸗an-⸗fu. 


Wenn man Tacin⸗fu verläßt und fieben Tagereifen nad; 
reiten. zieht, kommt man durch ein ſchoͤnes Land, in welchem 
ele Städte und fefte Pläbe find, wo Handel und Gewerbe 
üben und deren Kaufleute nad verfchiedenen Theilen des 
mbes reifen und mit reihem Gewinn. zurüdfehren, und er 
icht endlich eine Stadt, Piransfu 319), die außerordentlich 
oß und fehr berühmt if. Sie hat gleichfalls zahlreiche 
sufleute und Handwerker, Auch Seide wird hier in ‚gro- 
v Menge erzeugt. Wir wollen nun weiter nichts über dieſe 
laͤtze ſagen, fondern von ber auögezeichneten Stadt Kasciansfu 
den, vorher aber doch noch eine adelige Feſtung, Namens 
batsgin, hervorheben. 


Einunddreißigſtes Kapttel. 
u Bon der Feflung Thaigin oder Taigin. 


. Weftlih von Pisan-fu liegt eine große und ſchoͤne Fe⸗ 
ang, die Thaigin311) Heißt und in alten Zeiten von- ei- 
m König, Namens Dor, erbaut fein fol. In diefem Ka 
M ift ein trefflic, Iuftiger und weiter Palaſt, darinnen ein 


. 310) D. i. Pinsyang: fu (Phingsyang-fu), liegt gegen Suͤden eben: 
fs am Fen-ho in Schanſt. Nach der Ehineflfchen Cage foll fie die 
eflbenz des Urahnen ber Ehineflihen Kaifer, Dao (©. Ritter II, 159 ff.), 
we dritthalbiaufend Jahren gewefen fein. 

311) Thaizgin d. i. Phustfin, im Weſt von Phu⸗tſcheu-fu, am Hoangho. 
as Fort hatte unter der Diynaftie der Sung, im Jahre 1011, ven Nas 
en Tai-fhing erhalten, der ihın auch zu M. Polo's Zeit geblieben war. 
ewöhnlich mwechfeln die Namen ver Ehinefifchen Etädte mit den Dyna⸗ 
jen und dadurch iſt viel Verwirrung in deren Deutung gelommen. 


360 
die Folge davon ift, daß das Wild, vorzüglih Hafen, in 
folder Menge ſich vermehren, daß fie wohl alle Saat. in ber 
Provinz zerftören. ALS dieſes zu den Ohren Er. Majeftät 
fam, begab er ſich mit feinem ganzen Hofe in dieſes Land, 
und eine unzählige Menge biefer Thiere wurde getöbtet. 


— — — — — — 


Neunundzwanzigſtes Kapitel. 
Bon dem Königreich Ta- In + fi. \ 


Rah einer zehn Tage dauernden Reife von der Statt 
Giogiu kommt man, wie ſchon gefagt, in das Koͤnigreich Ta- 
insfu, deſſen vorztiglichfte Stadt, die Hauptftadt der Provim, 
benjelben Namen hat. Cie tft außerordentlich groß und fehr 
fhön. Ein betraͤchtlicher Handel wird von hier getrieben und 
eine Menge verfchiedener kuͤnſtlicher Arbeiten verfertigt, vor: 
züglih Waffen und andere Kriegsvorräthe, die hier bequem 
am Plage find für Sr. Majeftät Armeen 309). Viele Wein 
berge giebt es, von denen Weintrauben in großem Lieberfluß 
gefammelt werben, und obgleih in dem ganzen Diftrifte von 
Ta⸗in⸗fu Feine anderen Trauben gefunden werben als die im 
unmittelbaren Bezirke der Hauptftadt erzeugten, fo geben biefe 
doch hinreichenden Vorrath für die ganze Provinz. Auch an 
dere Früchte wacfen hier in Menge, wieder Maulbeerbaum 
mit den Würmern, welche die Seide liefern. 

309) Klaproth bemerkt (Nouv. Journ. .Asiat.I, 99), nach Chinef: 
ſchen Daten, daß die dortigen Eifenbergwerfe die ergiebigften in China 
find, zumal bei der Kapitale ſelbſt, und in der benachbarten Umgebung 
gegen Süden, der Heineren Stadt Siu⸗-keu⸗hian. Dort find Heute noch 
bie Sabrifen für Säbel, Dolce, Meſſer, Meifel, Stahlarbeiten (gleichjam 


Solinger Waaren), die von da durch ganz China und die Mongolei 
verhandelt werden. 


361 


Dreißigfied Kapitel. 
Don der Stavt Pisansfu. 


- Wenn man Tasinsfu verläßt und fieben Tagereifen nad) 
Weiten zieht, Tommt man durch ein fchönes Land, in welchem 
viele Städte und fefte Plaͤtze find, mo Handel und Gewerbe 
blühen und deren Kaufleute nad verfchiedenen Theilen bes 
Landes reifen und mit reihem Gewinn. zurüdfehren, und er⸗ 
reicht enblidh eine Stadt, Pi-ansfu 310), die außerordentlich 
groß und fehr berühmt if. Sie hat gleihfalls zahlreiche 
Kaufleute und Handwerker. Auch Seide wird hier in gro⸗ 
fer Menge erzeugt. Wir wollen nun weiter nichts über dieſe 
läge fagen, fondern von der ausgezeichneten Stadt Kasciansfu 
reden, vorher aber doch noch eine abelige Feſtung, Namens 
Thal ⸗gin, bervorheben. 


Einunddreißigſtes Kapitel. 
Von der Feſtung Thaigin oder Taigin. 


Weſtlich von Pi⸗an⸗fu liegt eine große und ſchoͤne Fe⸗ 
fung, die Thaigin311) heißt und in alten Zeiten von: ef- 
nem König, Namens Dor, erbaut fein fol. In dieſem Kas 
ſtell ift ein trefflic Iuftiger und weiter Palaft, darinnen ein 


310) D. i. Pinsyang: fa (Phing-yang-fu), liegt gegen Süden eben: 
falls am Ben-ho in Schanfi. Nah der Ehineflfchen Cage foll fie bie 
Refidenz des Urahnen der Ehinefifchen Kaiſer, Yao (S. Ritter II, 159 ff.), 
vor dritthalbtaufend Jahren gewejen fein. 

311) Thaisgin d. 1. Phustfin, im Weſt von Phu⸗tſcheu⸗ in, am Hoangho. 
Das Fort hatte unter der Dynaftie ver Sung, im Jahre 1011, ven Nas 
men Tar⸗khing erhalten, der ihn auch zu M. Polo's Zeit geblieben war. 
Gewoͤhnlich wechfeln die Namen der Chinefiſchen Staͤdte mit den Dyna⸗ 
fiten und dadurch iſt viel Verwirrung in beren Deutung gefommen. 


3623 


großer Saal, in welchem die Gemälde von allen berühmten 
Zürften, weldie an dieſem Orte regirt haben, aufgehängt find, 
eine gar prächtige Sammlung, bie zu fehen eine fondere Luft 
iſt. Don erftgemelvetem Könige Dor erzählt man folgende 
Geſchichte, fo ſich mit ihm zugetragen haben fol. Er war 
naͤmlich ein großer und mächtiger Herr, hielt fid) gar praͤch⸗ 
tig und fonderlid Hatte er im Gebraud, daß er ſich durch 
junge Mädchen von außerordentliher Schönheit bedienen lief, 
deren er eine reihe Zahl an feinem Hofe unterhielt. Wenn 
er zur Erholung außerhalb der Feftung ging, wurbe er von 
biefen Mädchen in einem Wagen gezogen, was fie ſehr 
leichtlic ind Werk ftellen konnten, da der Wagen gar nicht 
groß war. Sie waren feinem Dienfte geweibt und verrid 
teten Alles, was zu feiner Bequemlicfeit und feinem Der 
gnügen dienen konnte. In feinem Regimente ließ es es nicht 
an Kraft fehlen und er regirte mit Winde und Geredtig- 
fett. Die Werfe feines Kaftelld waren, nad) der Eage des 
Volkes im Lande, über alle Maßen fell. Aber er war ein 
Bafall Un⸗khan's, der, wie ſchon angegeben worden ift, be 
fannt war unter dem Namen Prieſter Johann, und von Stolz 
getrieben erhob er fi wider biefen. Als Un⸗-khan dies er 
fuhr, verdroß es ihn nicht wenig. und dad um fo mehr, weil 
ed wegen der feften Lage des Kaftelld vergeblich geweſen 
wäre, gegen ihn zu marfdjiren oder auch nur Feindfeligfeiten 
gegen ihn zu beginnen. So erhielten ſich die Dinge einige 
Zeit lang, als fieben Ritter, vie feine Lehnleute waren, vor 
ihn traten und erflärten, daß fie ausgehen würden, fih ber 
Perfon des. Königs Dor zu bemädtigen und ihn lebendig in 
bie Hände Ihres Heren zu liefen. Da verhieß ihnen Un— 
han eine große Belohnung und ermuthigte fie nur noch mehr. 
Demgemäß zogen die Ritter hin zu Dor's Feftung, und ſtell⸗ 
ten fi, al8 wenn fie aus gar fremdem Lande Fämen und 
boten ihm ihre Dienfte an. ie verrihteten ihre Pflichten 
jo treu und gewehrig, daß fie.die Achtung ihres neuen Herm 
gewannen, der ihnen vorzuͤgliche Gunft zeigte, ſo daß, wenn 


363 


er auf die Jagd ging, er fie ſtets um feine Berfon hatte. 
Als eined Tages ver König der Jagd oblag und- einen. Fluß 
überfchritten hatte, der ihn von feinem Gefolge trennte, welz 
ches auf.:der entgegengefebten Seite blieb, nahmen dieſe Rit⸗ 
ter die Gelegenheit, die ſich zur Ausführung ihres Planes 
barbot, wahr, zogen ihre Schwerter, umringten den König 
und führten ihn mit Gewalt fort in das Land. Unsfhan’s, 
ohne daß. Iener hätte Hilfe von feinen Leuten erhalten koͤn⸗ 
nen. Als fie an den Hof ihres Herrn und Königs kamen, 
gab wieler Befehl, dem Gefangenen ſchlechte zerrifiene Kleider 
anzulegen, und um ihn durch Unwuͤrdigkeit recht gu ernied⸗ 
rigen, befahl .er ihm, das Vieh zu hüten. In dieſer Lage 
blieb König Dor zwei Jahre; denn ed war gut vorgefehen, 
daß er nicht entfliehen Fonnte. Nach Verlauf diefer Zeit ließ 
ihn Un⸗khan vor fi bringen, und der Mann zitterte vor 
Furcht, dag man ihn zum Tode führen würde. Aber Uns 
than im Gegentheil, nad) feharfem und ftrengem Tadel, in 
welhem er ihn warnte vor überfommendem Hochmuth und 
Stolz, der ihn von feiner Treue zu feinem Oberheren abs 
wendig machen Tonne, gewährte ihm Verzeihung, ließ ihm 
wieder die koͤniglichen Kleider geben und fanbte ihn mit chs 
renvoller Begleitung nad feinem Lande zuruͤck. Won’ biefer 
Zeit an bewahrte Dor feine Treue und lebte in Freundfchaft 
mit Un⸗khan. Das iſt das, was mir vom König Dor ei 
zähle worden ift. 


Zweiunddreißigftes Kapitel. 
Bon bem fehr großen und edlen Fluß, Kara: moran genannt. 
Wenn man die Feftung Thaigin verläßt und ungefähr 
zwanzig Miglien weit zieht, kommt man an einen Fluß, ver 
Karasmoran genannt wird 322) und fo groß ift, ebenforwohl 


— — — — 


- 312) Der Karamoran iſt ber große Fluß Hoangho oder ber Gelbe 


364 


in feiner Breite ald Tiefe, daß Feine feſte Brüde daruͤber 
geführt werben Tann. Seine Wafler ergießen ſich in ven 
Ozean, wie fpäter ausführlicher noch befprochen werben fol. 
An feinen Ufern find viele Städte und Burgen, in denen 
viel Handelsvolk lebt, weldes gar ausgebreitete Gefchäfte 
treibt. Das an ihm liegende Land bringt allerlei Gewürze 313) 
und auch Seide In großer Menge hervor. Unglaublich if 
die Menge von Voͤgeln, namentlid, von Bafanen, deren man 
brei für einen Venezianiſchen Grofchen kauft. Es giebt hier 
and ganz gewaltige Rohrwaldungen, von weldyem Rohre 
einiges einen Buß und anderes einen und einen halben Fuß 
die ift und von den Einwohnern zu einer Menge von nuͤtz⸗ 
lichen Dingen verwendet wird 31%), 





Strom. Die Duelle des Hoangho liegt in einem direkten Abſtande von 
20 geogr. Meilen von der Mündung zum Meere; feine Steomentwidel 
ung beträgt aber in feinem ganzen Lanfe beinahe das Doppelte; wir res 
nen nach genauer Mefiung 540 geogr. Meilen, fo daß alfo die Krim: 
mungen allein 260 geogr. Rängenmeilen betragen, wodurch er mit feinen 
Zufläffen jenes gewaltige Stromgebiet von etwa 34,000 Quadratmeilen 
gewinnt, das durch Ihn, der 14 Mal fo lang wie die Donau ganz Euro 
von Weiten nach Oſten durchziehen würbe, bewäflert und befruchtet wird. 
Er entipringt auf der Alpenterrafle des Sifan, um den. Kofo Nor (blauer 
See) im Norden der gewaltigen Kette Bayan Khara und des großen 
Sue Shan. ©. Ritter II, 153 u. IV, 491 fi. 

Zwanzig Millien in S. W. des Forts Thaizgin hat Polo den Kara: 
moran oder Hoangho uberfebt. Auch heutzutage ift bier die gewöhnliche 
Ueberfahrt über den Hoangho auf ber großen Route von Ei-ngan:fa. 

313) Zenzero, von Marsven durch Ingwer überfebt. 

314) Tas Bambusrohr (arundo bambos), eines der nüblichften Ma: 
teriale, welches die Natur den Einwohnern warmer Klimate verliehen hat, 
ift, wie befannt, in großer Menge in China vorhanden. „Man findet im 
ganzen Reiche das Rohr, weldjes die Portugiejen Bambous genannt ha 
ben; aber Tſchekiang iſt reicher an dieſem Rohre, als irgend eine anbere 
Provinz. Es gibt dafelbft ganze Waldungen beffelben. Dieje Bambus 
find von unendlichem Nuben für China, wo fie fehr groß und hart fin; 
obwohl fie inwendig hohl find und durch Knoten getheilt, find fie doch fehr 
ftarf umd ertragen die fchwerften Laſten.“ Du Halde I, 174. 


— — — 





Dreiunddreißigſtes Kapitel. 
Von der Stadt Ka⸗cian⸗fu. 


Iſt man diefen Fluß überfeht und zwei Tagereifen weis 
g gezogen, fo kommt man an eine Stabt, Kasciansfu315), 
zen Einwohner Goͤtzendiener find. Cie treiben einen bes 
ächtlidyen Handel und bejchäftigen ſich mit Verfertigung von 
ejerlei Zeugen. Das Land bringt in großem Ueberflug 
eide, Ingwer, Galgant, Epiefe und viele andere Spegereien 
rvor, die unferem Erdtheile faft unbekannt find. Sie fer- 
zen hier Föftliche Gewebe von Seide und Gold, wie jede 
ıbere Art feidener Stoffe. — Wir werben nun von der 
religen und berühmten Stadt Quen⸗zan⸗fu im Reiche des⸗ 
[ben Namens reden. 


— — — — — — 


Vierunddreißigſtes Kapitel. 
Von der Stadt Quen⸗zan⸗fu. 


Wenn man von Ka—⸗cian⸗fu ſieben Tagereiſen nach We⸗ 
m weiterzieht, fo trifft man fortwährend auf Staͤdte und 





815) Ritter fagt: „Auf dem Wege zu dem Fort Thalgin, bemfelben 
mz nahe, wurde von Polo eine große Stadt, Kaclanfı, paſſirt, deren 
efchreibung aber, wohl durch einen Schreibfehler ver Kopiften, erft nach: 
x mitgetheilt wird, nachdem er den Karamoran überfeht hat. Ka⸗cian⸗ 

liegt aber auf dem norböftlichen Ufer defielben; es ift nach Klaproth’s 
erichtigung Phu-ticheusfu, das damals Ho-tfchung-fu‘ (wir bemerken noch; 
als, daß die Benennungen der Staͤdte mit den verfchiedenen Dynaftien 
schfeln) hieß, woraus die Diongolifche Alternazion in Kaclanfı leicht er: 
lich ift (das geht auch aus der erfien Anführung von Kaclanfı im 
). Rap. hervor). — Andere Kommentatoren haben fie auf andere Städte 
Dentet, und find dadurch von der Hauptroute, bie der Venezianer an: 
mmi, ganz abgeleuft worden, fo 3. B. auch der Graf Balbelli Boni in 
nem Kommentar. Es war eine der Hauptſtaͤdte von Schanfl. . ..... 


866 


Hanvelspläge und kommt durd viele Gärten und bebaute 
Gründe, mit einer Menge von Maulbeerbäumen, d. h. ſol⸗ 
hen Bäumen, die zur. Erzeugung ber Seive verhelfen. Die 
Einwohner verehren im Allgemeinen Goͤtzen, aber ed werben 
auch Neftorianifhe Chriften, Turfomanen und Earazenen da 
felbft gefunden. Das Wild des Landes giebt der Jagdluſt 
viel Raum und auch ein guter Bogelfang if da. Nach Ver 
lauf diefer fieben Stazionen fommt man-an die Stabt Due 
zanfu 316), welde die alte Kapitale eines großen, adeligen 


316) Quenzanfu, Kenzanfu d. i. Si⸗ugan⸗fu. Bon Kaclanfa zu 
biefer großen Stadt Duenzaufu jind 7 Tagereifen, nad Polo; eben fo 
weit find Phu -tfcheusfu und Ei-ngan-f heutzutage auseinander gelegen. 
Ste At die in alter Zeit berühmte Kapttale der Provinz Schenzfi. Zur 
Zeit ver Mongolen hieß fle Kingstfchao-fu (auch Ngan⸗ſi⸗fu und Tſchang⸗ 
gan; Hian⸗yang zu Schihoangti's Zeit). "Zur Zeit der Tang hieß fle bel 
Arabifchen Autoren (Renaudot Anciennes Relat. des Indes et de la 
Chine p. deux Voyageurs Mahometans etc. trad, d’Arabe Paris 1718, 
p. 52. 72. Klaproth Tableaux hist. de l’Asie p. 229) auch Kumban, 
Khumban, bei Chineftfchen Situ (Gaubil Hist. Ch. de la Grande Dyn. 
des Tang in Mem; conc. 1; Chin. Paris 1814. XVI, 369), d. h. Reit 
refivenz ; Tang aber hieß ber große Hanptfaal des Ratferpalaftes im dieſer 
Stadt, daher die Dynaftie ber Tang felbit davon Ihren Titel erhielt (Tang- 
fong), wie die Türkifche Dynaftie zu Konftantinopel, von der Hohen Pforte, 
Aber bei dem Perfiichen . Autor Raſchid⸗eddin heißt fie, in deſſen De 
fchreibung des Mongolenreiches, unter Kublaikhan, Kin-dfchang-fu (Kon: 
tfchan-fu) und daher auch Polo's ganz richtige Benennung berfelben mit 
Italieniſcher Schreibung des Lautes, die früher, aus Unkenntniß des Ber: 
ſiſchen Autors, dem Benezinmifchen Reiſenden, wie fo vieles Andere, als 
Jerthum und Wehler aufgebärbet wurde. ' 

* Die Iefuitenberidjte (Du Halde Deser. de Ia Chide L, 220 * 
ſagen in nenerer Zeit, daß dieſe Stadt, einſt Jahrhunderte hindurch die 
alte Reſidenz der Kaiſer, noch heute, naͤchſt Peking, eine der ſchbuſten 
Staͤdte China's und der Sitz hoher Magiſtraturen ſei. Die Maner, mit 
Thuͤrmen flankirt, die pfeilſchußweit auseinander ſtehen, haben 4 Lienes 
Umfang, ſtehen im Viereck und haben prachtvolle Thore. Das Jumere 
der Stadt iſt weit ſchlechter bebaut, als Peking, ein Theil derſelben iſt 
Garniſonsſtadt fir Mandſchu⸗Truppen; and ſicht man daſelbſt och Keſte 
eines alten Palaſtes (von dem Polo berichtet). Pater Martin (Nov. Atlas Si- 
nensis I. c. fol, 47 ete.) nennt in yidjer Stadt, bie amfliheatraliſch am Weihe⸗ 


867 


und mächtigen Königreichs war, ver Sitz vieler Könige gar 
hoher Abkunft und berühmt in den Waffen. Heutigen Ta- 
ges wird fle von dem Sohne des Großkhan's, der Mangalu 
heißt, regirt, dem fein’ Vater die Herrfchaft darüber ver- 
lichen 317), Das Land hat großen Handel und iſt ausge 
zeichnet in feinen Gewerben. Rohe Seide wird in großer 
Menge erzeugt, Töftlidhe Gewebe von Gold und alle anderen 
Arten von feidenen Stoffen werben allda bereitet. Auch fer 
tigt man an diefem Plate alle Dinge, die zur Kriegsruͤſtung 
nöthig find. Alle Lebensmittel find im Ueberfluß ba und 
man kann fie zu mäßigem Preife erhalten. Die Einwohner 
beten im Allgemeinen Goͤtzen an, aber es find auch einige 
Chriſten, Turfomanen und Earazenen da. In einer Ebene, 
die ungefähr fünf Meilen von der Stabt entfernt ift, fteht 


nfer emporfteige, noch Mefte von ſieben Palaͤſten und viele alte merfwärs 
dige Koͤnigsgraͤber, auch mehre von den Älteren Kaifern in ver limgebung 
ausgegrabene Seen, zur Kurzweil mit Luftfchlöffern verfehen, auch mit 
Kanaͤlen unter fi) verbunden, und einen, auf welchem fle, gleich ven 
Roͤmiſchen Kaiſern In Ihren Naumachien und unter Waffer gefebten Amfi⸗ 
theatern, Scheingefechte zur Uebung ber Matrofen und Seetruppen ver: 
auftalteten. Das Waſſer des Weiho ift nach ihm fchon hell'und Klar, 
vermag aber nicht bei dem Einfluß in den Safranſtrom (Croceus, b. t. 
‚der Gelbe Strom, Hoangho) dieſem feine Trübe zu nehmen. Sollte es in 
biefer Stadt noch Monumente feiner früheren Slanzperiobe aus dem 8. 
Jahrh. vor Chriſti, aus der Zeit des zweiten Puniſchen Krieges geben ? 
wo hier einer der größten Regenten bes Reichs, Tſhin Schi⸗hoangti (er 
flarb im J. 210 vor Chr.), feinen Hof hielt, durch beffen Thaten und 
Herrſchaft erit der Name ver Thin (Tfinae bei Ptolem., d. 1. der Chi⸗ 
nefen) berähmt ward. Große Architekturen Fährte dieſer Monarch entlang 
am Ufer des Weiho auf; Martini’ Nachricht ſcheint faft auf dergleichen 
hinzudeuten. Das Volk in diefer Gegend iſt weit tädhtiger, robufter und 
tapferer, als in andern Provinzen Ehina’s, die Gebirgslandſchaft umher 
iR ungemein angenehm, ein wilbreiches Revier. R. nach Kl. 

317) Mang-Fola b. Chinefen, Mingfin b. Raſchideddin, ber dritte 
Sohn Kublats, der neun Jahre hindurch von feinem Vater zum Ngan fi 
Bang, d. i. Bicefönig von Echenft, eingefeht warb und im Jahre 1280 
farb. Marco Polo’s Reife, der ihm dort Iebend fand, muß alfo, wie fich 
hieraus ergiebt, vor biefem Jahre flattgefimben Haden. R. na K. 


868 


ein beträchtlicer PBalaft, der dem Könige Mangalu gehört 
und gar herrlich mit vielen Springbrunnen und Baͤchen innen 
und außerhalb der Gebäude gusgeftattet if. Auch iſt ein 
fhöner Park dabei, der mit einer hohen Mauer, die mit Zin 
nen verfehen, umgeben ift, barinnen werben alle Arten vor 
Wild, vierfüßige Thiere und Vögel, gehegt. Er enthält eine 
Menge Säle und Gemäder, die mit Malereien in Gold und 
dem herrlichften Azur, wie mit dem fchönften Marmor ver 
ziert find. Mangalu, der ganz in die Fußtapfen feined Va⸗ 
ters tritt, regirt fein Königreih mit Gerechtigfeit und wird 
von feinem Volke geliebt. Er findet viel Vergnügen an ber 
Jagd und der Falkenbeize. | | 


Fuͤnfunddreißigſtes Kapitel. 
Bon ‚ven Grenzen von Kataia und Mangi. 


Wenn man von der Refivenz Mangalu's drei Tage weh 
lich zieht, trifft man wiederum auf: viele Städte und Burgen, 
deren Einwohner von Handel und Gewerben leben und wo 
Ueberfluß an Seide iſt; aber nach Verlauf diefer drei Sta 
zionen fommt man in eine Gegend mit Bergen und Thaͤlern, 
die in der Provinz Kun-kin 318) ſich befinden. Doch fehlt 


318) Ueber Kunkin (Cunchin 5. Ramuſio, in ben alten. Epitome’s 
aber Ehinchin, in der Basler Ansgabe Cunchi, und in den Älteren Latels 
nifchen Chym oder Kyn) Eönnen Ritter und Klaproth Feine Auskunft ges 
ben. Pater Martini (Nov. Atlas Sinensis, 1655 Fol. 69 u. 70) fagt, von 
den der Stadt Tſching-tu⸗fu (wo eine Miffton der Jeſuiten ihren Eih 
hatte, |. f. Kap.) naͤchſten Bergen feien einige wolkenhoch; einer, ber 
Cinching, fei über taufend Stadien groß und der fünfte im Range 
under ben vornehmften Bergen ber Chineſen, auf dem fich die Tinſien, b. 

i. bie Unfterblichen, verfammelten. Bon einem andern, dem Berge Pin, 
der 60 Stadien hoch fei (36,000 Fuß ?), entfpriuge der Kiang; von bem 
Tasfung-Berge flürze fich ein gewaltiger Mafferfol herab, auf dem Berge 
Kungking gebe es viele Affen, an Größe und Geflalt dem Menſchen 


'869 


ed dieſem Landſtriche nicht an Einwohnern, die Goͤtzenanbeter 
find und Das Land bebauen. Eie leben auch von der. Jagd, 
da dad Land fehr walvreih if. In den Wäldern findet 
man wilde Thiere, wie Löwen (Tiger), Bären, Luchfe, Damme, 
Antilopen, Hirfhe und viele andere Thiere, von denen man 
guten Nugen zieht. Diefe Gegend erftredt fid, zwanzig Tage: 
reifen weit, während welcher ver Weg nur über Berge, durch 
Ihäler und Wälver führt, doch find viel Etädte hier und 
bort, wo bie Keifenden eine gute Aufnahme finden. Hat 
man die Reife von zwanzig Tagen nach Weften vollendet, 
fo fommt man an einen Ort, der Ach⸗baluch Manjt 319) 
heißt, was die Weiße Etadt an den Grenzen Manji’3 be- 
deutet. Die Eiftwohner Ieben von Handel und Handarbeiten. 
Eine große Maſſe von Ingwer wird bier erzeugt 320), ber 








ganz gleich; auf dem Berge Lung:gam fehe man noch bie Trammer eines 
Sommerpalaftes des Königs von Lho, ber in der Eommerfrifche bezogen 
werde. In dem Fluffe Kin, der an der Eüpfeite der Stabt fliege, waſche 
man bie Seide, weil dieſe dadurch ven trefflichſten Glanz gewinne (©. 
Ritter IV, 417). In Cinching, Kung-king und dem -Fluffe Kin finden 
wir die Namensähnlichkeit mit Polo's Provinz Kunkin, die fich zwanzig 
Tagereifen weit erfirede; vielleicht, baß fi bei genauer Bekanntſchaft 
des merkwürdigen Alpenlandes diefes mittleren Eiue-ling (Oftrandes bes 
großen NAlpengebirges Ehina’s) ein Zuſammenhang mit jenem heraus: 
finden liege. Nach zwanzig Tagereifen kommt man, nach Polo, freilich 
erft nad) Achbaluch Manjt und hat dann wiederum mehr als zwanzig 
Tagereifen nad) Sin⸗di⸗fu. 

319) Dieſes zweite ſonſt unbefaunte Achbaluch muß in ber Nähe 
weitwärts ver heutigen Kapitale Hanztfchung-fu von Schenfi gelegen ha: 
ben, nach Klaproth der jetzt zerſtoͤrte Ort Pematfching, d. h. weißes 
Gerd. R. 

32 We ift zweifelhaft, ob nuter der Wurzel, die hier Zinzero (im 
Testo d. ling. Giengiovo) — Ingwer — genannt wird, nicht vielmehr 
die, welche wir Chinawurzel und die Ghinefen Fu⸗lin (smilax) nennen, 
zu verfiehen ſei, die von vorzüuglicher Güte in biefer Provinz erzeugt wird 
und der vielleicht, weil fie zu jener Zeit in der Europälfchen Barmazie 
wenig ober gar nicht befannt war, ein befannter mb verwandter 
Stamm fubkitwirt wurde. M. — Baldelli B. fagt I, 100 über I 
Giengiovo (Amomum Zingiber Lina.): & una pianta perenne che nasce 

24 


870 


durch die ganze Provinz Kataia zu großem Bortheile ber 
Kaufleute verführt wird. Das Land liefert Weizen, Reis 
und anderes Korn in reihen Maße und zu wohlfeilem Preiſe. 
Diefe Ebene 221), vie dicht mit Wohnungen befegt ift, geht 
zwei Etazionen weit fort, worauf man wieder an hohe Berge, 
Thaͤler und Wälder fommt. Wenn man zwanzig Tage od 
weiter nad) Weften reift, fo findet man noch immer Das Land 
bewohnt und zwar von Leuten, die Goͤtzen anbeten und von 
dem Grtrage ded Bodens, wie aud) von der Jagd leben 322). 


nelle due peningole Gangetiche e nella Cina per attestato del nostro. 
Detta pianta fu descritta dall ’Acosta che ne die il disegno (p. 19). 
Secondo esso ha tre in quattro palmi d’altezza. Il fusto & composto 
‘da un’ adunamento di foglie: ha le radicl simili a quelle dell’ Iride. 
Si riproduce per seme e per radice. Questa & la sostanza pregiate 
della pianta. Mangiasi verde a uso d’insalata. La radice secca & 
anche considerata come droga medecinale stomatica e corroboraate; 
& condimento per le vivande, come il pepe del quale ha il gusto (Targ. 
T. II. p. 31). 

321) Das Thal des oberen Laufes des Han Fang oder Juͤn Klang 
©. Ritter IV, 324. 

822) Die Nachweifung der Route durch biefen meittäuftigen 
Strich jenes hoͤchſt merkwürdigen Chineſiſchen, reichbevoͤlkerten us 
reich cultivirten Alpengebirgslandes, das auf eine ſehr frühe Ziviliſazior 
jener Gegenden zurüdichliegen laͤßt, ift allen frühern Rommentatoren ber 
Berichte des Venezianers unmöglich geiwefen. Sie laͤßt fich aber zum 
nach dem, was fchon früher ver hier gut bewanderte Bater Martin Mar: 
tint angegeben, und nach Klaproths Griäuterung, zu ber bie Khienlongſche 
Ehinefifche Karte die vollfändigften topografiſchen Auffchlüffe gibt, aui 
das ficherite verfolgen. Bon Eingan fu geht audy heute Fein geaber 
Meg gegen S. MW. nach Tſching in fu; man wuͤrde dann bem Echnee⸗ 
ruͤcken des Tai pe Echan, wie auf Grimm’s Karte von Hoch-Aflen veutlid 
zu ſehen iſt, überfleigen müflen; eben fo wenig zu M. Bolo’s Zeit. Hau 
reifte erft im Thale des Wei ho, gegen Welt, aufwärts, uber Mei bi 
Pao Ei hian. Diefem Orte gegenüber, auf dem Elbnfer des Weihe, liegt 
das Fort Imen tſchin (es fehlt bei D’Anville und Grimm). Mit biefer 
fleinen Feſte beginnt eine hoͤchſt merfwürbige Kunſtſtraße über jenes Alpen; 
gebirgeland, die etwa 20 geogr. Meil. (420 Li, hier wohl zu 350 Li anf 1°) weit 
über bie wildeſten Felshoͤhen und Gebirgsftröme hinweg; zuleht am Helumz 
Kinng (Krlung K. irrig bei Brian) hinweg: führt uud erſt im S. bei dem 


371 


Hier giebt e3 ebenfalls, außer ven Thieren, die wir oben 
aufgezählt haben, eine große Menge von ber Art, welche ven 
Mofhus liefern. 


Bert Ki theon Fuan enbet, das nur 5Li im N. MW. von Raotfching hinan, 
oder 60 Li im N. der Kapitale Hantſchung fu, am obern Han Klang, 
in Schenſi liegt. In der Mitte diefer Alpenſtraße, welche an Länge bie 
Europäifchen, 3. B. die Eimplonftraße, weit übertrifft, Legt etwa wie ber 
Bleden Simplon auf der Kulminazion bes Paſſes, fo Hier bie Stazlon 
Sung Iin jn (Sunglin y bei Grimm); die abfolnte Höhe über dem Meere 
iR ums unbefannt. Die Lage iſt tm innerſten Weitwinkel ber Provinz 
Schenſi; das Gebirge gehört zur Parallelfette des Be Ling; wir fünnen 
fe daher die Alpenſtraße des Pe Ling nennen. 

Dieſe Kunfiftraße über den Waſſerſcheidezug zwiſchen Hoang ho und 
Ta Kiang (zwiſchen Weiho und Han Klang) warb Im III. Saoc. n. Chr. 
Geburt erbaut, zum Theil auf Bfellern, zwifchen denen bie wilden Bes 
birgswaͤſſer hindurchſtroͤmen. Die alten Fundamente derſelben wurben im 
Zahre 1392, alfo durch die Ming⸗Oynaſtie, reftaurirt. 
- Der Pater Marti. Martini hat ihre Lage, wie eine hauffirte Allee, 
anf feiner Karte ver Provinz Schenfl, obwohl roh, gezeichnet (bei D’Ans 
pie und Khienlong's Karten vermißt man fie) und gibt folgende, wie 
es scheint auf eigener Anſchauung beruhende Nachricht von ihr. Zwi⸗ 
fen den Kapitalen von Echenft (Eingan fu) und Szuͤtſchnan (Tching tu 
fa) {ft fo wildes Gebirgsland, voll hoher Berge und tiefer Kluͤfte, daß 
man in früheren Jahrhunderten, um von einer Etabt zur andern zu ges 
langen, gewaltige Umwege gegen S. O., durch Honan, zu nehmen genoͤ⸗ 
thigt war und 2000 Stabien zuruͤckzulegen hatte. Deshalb wurbe unter Lieus 
pang (Lieonpi bei Klaproth), ein Ufnrpator, der ſich zum Herrfcher von 
Chen, d. i. Mefl-Szütfchnan, aufwarf und Im Jahre 320 n. Ehr. Geburt 
feine Refivenz zu Difcheon nahm, von einem feiner Kriegsobriften (Chang 
leaug bei Pater Martini) dieſer Gebirgeweg gebahnt, ver dazu Die Arbeit 
feines ganzen Heeres von hunderttaufend Mann verwendet haben foll, in⸗ 
bem er jedem Corps deſſelben die Abtragung eines Theile der Berge und 
ihre Durchbrechung auftrug, fo daß ber Weg oft zwifchen fleile, hohe Fels⸗ 
mauern hindurch geführt wurbe, bie ihm kaum von oben herab noch Tagess 
licht geflatteten (alfo durchgebrochene Welsgallerien, wie auf ber Simplons 
und andern Buropätfchen Alpenſtraßen). An andern Stellen mußten hoͤl⸗ 
zerne Ballen untergelegt und Bruͤcken von einem Berge zum andern über 
be Klüfte hinhbergeführt werben. In vielen der eingehauenen und eins 
gebohrten Feloloͤcher wurden die Tragebalfen befefligt; andere wurden ge> 
brochen, um ben wilden Gebirgswaͤſſern unter ber Straße einen unſchaͤb⸗ 

94, * 


:372 


| Sechs unddreißigſtes Kapitel - 
Bon der Provinz Ein-di-fu und dem großen Fluſſe Quian (Kian). 


- Wenn man diefe zwanzig Stazionen durd ein bergiges 
Land durchzogen hat, erreicht man eine Ebene an den Gren⸗ 


lichen Abzug zu verfchaffen. In zu breiten Thalflüften wurden Säulen 
and Pfeiler errichtet, und über biefe, die Kunſtſtraße ſchwebend hinwegge⸗ 
führt. Wohl ein Drittheil der Etraße if über ſolche Bruͤcken geführt. 
Richt überall find fie fo gar hoch wie zuweilen, wo das Hinabbliden ix 
die Tiefe dem Wanderer ein Graufen erregt. Auf diefer Straße koͤnnen 
vier Reiter nebeneinander ziehen, an bequemen Stellen find Dorffcaften 
und Gaſthaͤuſer angelegt. Die ganze Straße. if mit. Erbe überfchuttel, 
zur Sicgerheit der Reifenden auch auf den Brüden, und dieſe habenzur 
Seite hölzerne und eiferne Lehnen und bie und ba Ausbaue oder GErler. 
Diefe Straße iſt bis Heute, jagt Pater Martini, gut unterhalten; bie 
Chineſen nennen fie Gientao, d. i. der Stubelmeg, die Pfeilerſtraße. 
Etwa 3 Fleine Etunden (40 Li) vom Ende diefer Kunſtſtraße tritt ber 
Weg etwa bei Mianhian (Mian auf Grimm's Karte) in die Thalebene 
des obern Han Kiang ein, die nun, aufwärts, gegen S. W. bis Chin 
finan ju verfolgt wird. Dies. ift die erſte Stazion, die auf der Eibs 
grenze der Provinz Echenfi und am Norbeingange ber Provinz Szuͤtſchuan 
liegt. a 

Bon hier erhebt ſich wieder. von Neuem ein hohes Gebirgeland; es 
ift der Parallelzug des Tapı Ling, deſſen fshneereiche Höhen hier gam 
in ber Nähe überfliegen werben mußten. Im ©. W. von dem genannten 
Grengorte, drei Stunden (40 Li) weit, wird, in ber Chineflfchen Reiche: 
geografle, der ſehr Hohe und ſteile Tſchhao thiang ing als Paſſageberg 
genannt, über ben es gegen ©. W. zur Stadt Kiantfcheon (unter 30° 
N. Br.) geht. Doch vorher hat man erft Die Sadt Tſchao hoa (bei D’Ansille 
und Grimm) als Stazion zu paffiren, bie am Eingange des Kialing-Riang: 
Ihales liegt, beffen Strom der He ſchui Kiang, gegen ©. D. über Bass 
ning fu voruberraufcht, um fich in den Großen Kiang zu ergießen. Der 
jelbe Weg, wo aber feine Kunſtſtraße mehr nad) Art der oben genannter 
gebahnt zu fein feheint, ift es, den M. Polo, wie oben gejagt, zum .gweis 
ten Male auf 20 Tage durch Gebirgsland zurüdlegt, hoͤchſt wahrſcheinlich 
auch über Pao ning fu, wenn er diefe Stadt auch nicht insbeſondere 
namhaft macht; und von da führt der Weg immer noch über Alpengebiet, 
wenn auch Aber milderes und durch -flarf ‚benälferteiumn bebaute Thaͤler 


873 


zen von Manji, wo eine Landſchaft, Namens Sindifu 323), 
ſich befindet, mit welchem Namen auch die große und edle 


bis zur fruchtreichen, weitern Thalebene von Tſching iu fu. Ritter IV, 
520 ff. 

323) Tichlug -tu-fu, die alte Kapitale von Szütfehuan, liegt unter 
30° 40 N. Br. und 1019 44° O. L. von Paris (12° 18° W. 2. Pefing) 
zunaͤchſt am Ofifuße der erhabenften, ewigen Schriee: nnd Eismaſſen von 
Yün Ling. Marco Bolo nennt fie Sin⸗din⸗-fu nnd befuchte fie, als er 
von ihr ſuͤdweſtwaͤrts feine Wanderung in das damals verwäftete Tibet 
anftellte. Gr war vom Norden der Kapitale Schenſi's, von Sin⸗gan⸗fu, 
über die Parallelfette des TapasLing, auf einer Kunfiftraße dahin gelangt, 
yon ber in vor. Anmerf. die Rebe gewefen. Diefe Stadt und ihre Um⸗ 
gebung möchte wohl zu den merfwürbigften alpinen Landſchaften Aſiens 
"gehören, die durch ihre hohe Kultur ſchon frühzeitig berühmt geworben 
find, gleich Kaſchmir, Katmandu, Afam, und, als Sig eigener Herrſcher 
and heimathlicher Zivilifagion, nicht ohue Einfluß auf den Gang ber Ge: 
fehichte bleiben Fonnte, wenn wir auch davon nur wenig nachzuweiſen im 
Stande find. Der Pater Martin Martini (Nov. Atlas Sinensis 69 u. 70), 
welcher noch aus der Zeit der Ding, vor der Mandfchn-Eroberung, über 
China Bericht erftattet und uͤber Tſching⸗tu⸗fu gut unterrichtet fein 
Eonnte, weil in biefer Stadt eine Miffton der Jeſuiten ihren Eib Hatte, 
deren Patres erit während ber Kriegsüberfälle ver Manpfchuheere fie vers 
Infien mußten, aber aus ber furchtbaren Plünderung und Berheerung biefer 
Kapitale, wie der ganzen Provinz, doch noch glücklich mit dem Leben da⸗ 
son kamen, — diefer Pater Martini beftätigt die damalige Bedeutſamkeit 
Hefer Hauptſtadt des Randes, welche ſeitdem wohl als bloße Provinzial: 
Radt weniger Aufmerkſamkeit erregt hat. Steift, fügt er, eine ſehr be- 
fuchte Handelsſtadt; der Palaſt des Königs darin war herrlich und Hatte 
4 Miglien im Umfreis mit 4 Thoren; er lag mitten in ber Stadt. Por 
dem Suͤdthore zog ſich eine breite Straße hin, mit vielen Arkaden, von 
Stein Fünftlich gebaut. Durch die ganze Stadt gehen fchiffbare Kanäle, 
die mit Steinquadern und gefchnittenen Eteinen zu beiden Seiten einge: 
faßt find, durch viele fteinerne Brücden verbunden. Sieben Pagoben find 
den Heroen und ein Tſcha einem Könige (Cangungo) geweiht, zum An: 
denken, daß man ihm bie Zucht des Seidenwurmes und bie Byſſusberei⸗ 
tung (ob Seidenweberei?) verbanfe. Der Boden der Stadt, weldher 30 
Gemeindeortfchaften zugehören, Tiegt auf Infeln, tft ungemein fruchtbar, 
anf das Trefflichfte bewaͤſſert und überall fo bebaut, daß Fein oͤdes Raͤum⸗ 
chen übrig bleibt. Zumal gegen Often Hin wandert man 3 Tage lang 


874 


Stadt, ihre Kapitale, vormald der Eig vieler reicher und 
mächtiger Könige, belegt ift.. Der Umfang diefer Stadt bes 
trägt zwanzig Meilen; aber heutigen Tages ift fie getheilt 
und zwar in Folge diefer Umftände: Der letzte alte König 
hatte drei Eöhne, und da e8 fein Wunſch war, daß jeder 
von biefen nad) feinem Tode regiren follte, nahm er eine 
Theilung der Stadt für biefelben vor, indem er einen Theil 
von dem anderen durd Mauern ſchied, obgleich das Gange 
von einer allgemeinen Umwallung eingefchlofien blieb. Dieſe 
drei Brüder wurden demnach Könige und jeder von ihnen 
befam als feinen Antheil einen beträchtlichen Landftrich, da 
das Lund ihres Vaters fehr ausgedehnt und reich geweſen 
war. Aber ver Großfhan hat Etabt und Land erobert, bie 
drei Provinzen vernichtet und ihre Erbſchaft feinem Reid 
einverleibt 32%), 

Die Stadt wird von mehren beträchtlien Strömen be 
wäjfert, welche von den fernen Bergen ſich herabgießen, vie 
Stadt umgeben und fie in verfchiedenen Richtungen durchflie⸗ 
fen. Einige von diefen Slüffen find eine halbe Meile breit, 


durch das Iuftigfte, reich bebante Geſilde und hat wohl hundert Brüder 
zu überfeßen. Ritter IV, 413 ff. 

334) Durch die Mongolen wurde die große, reiche und blühende 
Stadt erobert und furchtbar verheert. Nach der Chinefifchen Hiftorie 
warb fie im 3. 1236 erfiürmt, wobei in ber Kapitale eine Million uw 
viermalhunderttaufend Menfchen ihren Tod gefunden haben follen, und 
eben fo viel in der Provinz. — Der Chinefiiche Geograf Lu hua : tfehu 
zitirt fchon den Yusfung , ein beruͤhmtes Kapltel der Schu-fing, ober bie 
antife Befchreibung von China (2300 Jahre vor Chriſti), um ihr hohes 
Alterthum zu rühmen; fie liege unter der Konſtellazion der Tſing und 
Kuai (der Zwillinge und des Krebfes), ihre Landſchaft dede die Weſtlaͤn⸗ 
ber wie ein Ziegeldach auf einem hohen Haufe (ale Schutzprovinz bes im 
nern China). Der ältefte Name der Stabt iſt D-tichen (im Anfang 
ber Chriftlichen Aera), der des Landes aber Chu; im zehnten Jahrhundert 
heißt es Königreich Chu, und die Stadt Eyästfchuan, wie fpäter bie 
Provinz. Erſt unter der Dynaftie der Sung (um 1000 Jahre. u. Chr.) 
kommt es als Provinz zum Chinefifchen Reiche und ſeit der Mitte des 
18. Jahrh. unter die Moungolenlaiſer. R. J 


375 


andere zweihundert Echritte und fehr tief. Verſchiedene große 
und fhhone fteinerne Brüden find über dieſelben geführt, bie . 
acht Schritt breit und mehr oder weniger lang find nad) ber 
Breite ded Stromes. Don einem Ende zum anderen geht 
auf jeder Eeite eine Reihe von, Marmorfäulen, welde das 
Dad; ftügen; denn hier haben die Brüden fehr ſchoͤne Daͤcher 
von Holz, die mit Malereien von rother Farbe verziert und 
mit Ziegeln gebedt find. In der ganzen Länge hin find Bu- 
ttfen und Kaufballen, wo alle Arten Handel getrieben wers 
ven. Eins von diefen Häuschen, das größer ift als bie 
übrigen, haben Beamte inne, welde vie Abgaben von ben 
Lebensmitteln und Waaren und einen Zoll von den Leuten, 
welche über die Brüde gehen, einnehmen. Auf viefe Weiſe 
fol Ce. Majeität täglih die Summe von hundert goldenen 
Byzantinen einnehmen. Dieje Ylüffe vereinigen ihr Waſſer 
unterhalb der Stadt und bilden ven mächtigen Fluß, ver 
Quian (Kian) genannt wird 325), deſſen Lauf bis zu fel- 
nem Erguß in den großen Ozean hundert Tagereifen beträgt. 
Bon feiner Eigenthümlichkeit fol uoch in dieſem Buche ges 
fprodhen werben. 

An dieſen Flüffen und in ven benadybarten Gegenden 
find viele Staͤdte und fefte Plaͤtze, und die Zahl der Schiffe, 
die mit Ladungen von Waaren zur Hauptftabt kom⸗ 
men und wieder gehen, iſt groß. Das Volk der Landſchaft 
befteht aus Goͤtzenanbeter. Wenn man von dannen zieht, 
reift man fünf Stazionen theils über eine Ebene und theils 
durch Thäler, wo man viele ftattlihe Wohnungen, Burgen 
und Fleine Städte ſieht. Die Einwohner leben vom Ader- 
bau. In der Hauptftadt werten viele Gewerbe getrieben, 


335) Der Quian oder Kian iſt ver Klang. Eo fah man fehon zn 
Marco Bolo’s Zeiten dieſen Eeitenarm für den Anfang des Hauptftromes, 
des Ta⸗kiang, der eiter abwärts Dan-tfesfiang, der Blaue Etrom heiät, 
an; unftreitig, weil er aus dem beveut:ndften Kulturthale hervortritt, ins 
des das Duellland des Kincha⸗Kiang außerhalb des eigentlichen Ehina 
nur’ als Land der Barbaren und ber Wildniß gelten Fonnte. N. 


376 


vorzuͤglich werden feine Zeuge und Flor oder Schleiertücher gefer- 
tigt. Im dieſem Lande, wie in den ſchon erwähnten Diftriften, 
giebt es Löwen, Bären und andere wilde Ihiere. Rad) Ver: 
lauf dieſer fünf Tagereifen fommt man in das vermüftete 
Land Thebeth 32 9). 


326) Bekanntlich wird Tibet im Norden von den weitläufigen Berg: 
wäften und Steppen der Bucharifch-Mongolifchen Lanbfchaften , die unter 
Chinefifcher Oberhoheit ftehen und das Chinefifche Turkeſtan heißen, be 
grenzt ; im Oſten von China, im ©. D. von Afam und einigen weniger 
befannten Territorien wilder Bergvölfer, die weder ben Chineſen, neh 
ben Birmanen, noch den Afamefen. oder Briten gehorchen; im Suͤden und 
©. W. von Hindoftan, Nepal und Ladakh. Gehen wir aber genauer In 
bie Begrenzungen ein, fo bietet die beftimmtere Bezeichnung der Grenz 
linien fehr große Schwierigfeiten dar, weil fie wirklich nicht fo vorhanden 
find, wie die Europaͤiſche Politik fie in bequem zugaͤnglichen und kultivirien 
Landichaften zu ziehen gewohnt ift. Theile find es unüberfleigliche, aber 
auch minder befannte, wilde Gebirgszüge, theils weite Wüjteneien , welche 
beide die natuͤrlichen Scheidungen der Voͤlker in breiten Zonen von ſelbſt 
darbieten; theils ſind es aber auch Weidelaͤnder, auf denen das Nomaden⸗ 
leben die Stazionen der Voͤlker und Staͤmme hin und herſchiebt nm 
viele übergreifende Grenzverhältniffe nach Zeit und Umftänben herbei 
führt. Endlich find es zwifchen allen diefen unbeſtimmteren nur. gewiſſe 
Sirpunfte und Linien, di: von Flußlaͤufen, von Gebirgspäfien, von anges 
legten Feſtungen, ſtazionirten Garniſonen und theilweiſe von politiſchen 
Vertraͤgen abhaͤngig find, von denen das Netz der Begrenzung oft ziem: 
lich willfürlich und gewöhnlich zum Vortheil der Gewalthabenden ausge: 
fpannt wird: fo daß es in den Grenzregionen ‚oft fehr ſchwer Hält, ben 
wahren, gegenwärtigen Etand der Dinge nicht. nur in den Geografen, 
jondern im Beftehenden felbft zu ermitteln. Denn noch nicht überall hin 
find durch Chinefifche Konfequenz ſolche Firpunfte nach Außen entflanden, 
wie im gewiffen Lofalitäten ihrer Grenzbezirfe, zu deren Feftftellung Ja⸗ 
Ionfle und Konfequenz fie führte. Nitter IV, 184. Die genauen An: 
gaben über die einzelnen Grenzen fehe man ebendaſelbſt in den ange: 
führten Stellen des Folgenden. — Ueber die Oftgrenze gegen China, bie 
alte und neue Grenze am Darlung und am Klucha » Kiang, bie nns für 
unfern Autor am meiften intereffiren, fagt Ritter weiter: Nur zwiſchen 
biefen Landfchaften zweier großen Länderräume der Erde, die faſt noch 
gänzlich zur Terra incognita gehören, fo vielerlei Namen .auch darin auf 
unfern Lanbfarten umberirren, if die politiſche Grenze zwiſchen China 


877 


Siebenunddreißigſtes Kapitel. 
Von der Provinz Thebeth. 


Die Provinz Thebeth wurde gaͤnzlich zerſtoͤrt und ver⸗ 


und Tibet genan beſtimmt, und auch das hiſtoriſche Verhaͤltniß über Tibet 
uub die Tibeter ſelbſt gibt die wichtigften Auffchlüffe ber dieſelbe. Die 
Chineſiſche Geografie gibt uns hieruͤber die beſtimmteſte Belehrung, denn 
Die große Militärftrage aus Suͤdchina nach H'Laſſa und zu ben Grenzen 
der Briten und Gorkha's in Indien, ihrer gefürchteiften Nachbarn, führt 
hente dort hindurch, wie fie fchon feit den Alteften Zeiten, ber Tufan und 
Tangıt, wie der Mongolen, und fpäter ver Ming und Manpfchuren eine 
SHauptpafjage der Eroberer war. Zwei große Haupiſtroͤme, die hier eins 
ander ganz benachkart in Parallelthilern vom Norden nach Suͤden ziehen 
(zwiſchen 116 bis 117° D. 2. von Ferro, oder 84 bie 994° DO. 8. v. 
Gr. — 3. 2. Grimm's Karte von Hochafien), und der zwiſchenliegende, 
biefelben fcheivende Gebirgszug (ihre Waſſerſcheide), an deffen Suͤdpaß die 
Stadt Basthang (unter 29° N. Br.), an befien Norbpag die Stadt Tiambo, 
ver Echlüffel zu Tibet (314° N. Br.), liegt, bilden hier die Hauptpunkte 
der gegenwärtigen neuen Grenze, mweldye Tibet von ber Chineflfchen Pro: 
vinz Szuͤtſchuan dem größten Theile nach ſcheidet. — Der weftliche jener 
beiden Etröme iſt der Etrom von Kambodja, welcher direkt fühmärte 
unter dem befannteften Namen Lan: tfang=flang fi durch ganz Yinnan, 
und von da als Mefon oder Maefhaun durch Hinterindten mehre hundert 
Meilen weit in die Etamefifchen Gewäfler ergießt. Der äflliche ber 
Heiden ift der noch weit größere und berühmtere, ber Große Kiang (Ta 
Klang) vder Kinha: Klang (von dem oben fchon im 36. Kap. die Rebe 
geweſen tft), "welcher ebenfalls wie jener aus dem Norden von Khu⸗khn⸗ 
nor fich herabfiärzt, die Chinefifche Provinz Ezütfchuan im Eben ums 
ſtroͤmt und kaum Norbyimnan wieder berührt, um fich dann Im mächtigen 
Knie gegen Ofen und Norboften wöglich gewendet, durch ganz Oftchine, 
wo er unter dem Namen NYang-tſu⸗Kiang (Jang⸗tſe-kiang) den Europiern 
am befannteften tft, in die Gewaͤſſer des Tung⸗Hai oder des Chineftfchen 
Kuͤſtenmeeres auszulaufen. — Wirklich bietet alfo die Waſſerſcheide zweier 
Ströme, die, nur ein Paar Tagereifen auseinander, parallel mit einander, 
von Norden nach Süden, zwifchen den beiden Staͤdten Tfiambo bis Ba: 
thang einige 30 bis 40 geografifche Meilen weit firömen, dann aber in 
bie gewaltigften Hinterindifchen und Norbchinefifchen Fernen anseinander 
gehen, einen mertwärbigen Naturcharakter für ben Typno ber Gebirge: 


376 


vorzüglid; werben feine Zeuge und Flor oder Schleiertuͤcher gefer- 
tigt. In diejem Lande, wie in den ſchon erwähnten Diftrikten, 
giebt es Loͤwen, Bären und andere wilde Thiere. Nach Ver- 
lauf diefer fünf Tagereifen kommt man in das vwermüftete 
Land Thebeth 326), 


326) Bekanntlich wirb Tibet im Norden von ben weitläufigen Berg 
wäften und Steppen der Buchariſch⸗Mongoliſchen Landfchaften , die unter 
Chinefifcher Oberhoheit ftehen und das Chinefifche Turkeſtan heißen, be 
grenzt; im Dften von China, im ©. DO. von Afam nnd einigen weniger 
befannten Territorien wilder DBergvölfer, die weder ben Chinefen, neh 
ben Birmanen, noch den Afamefen oder Briten gehorchen; im Eüben wm 
©. W. von Hindoftan, Nepal und Ladakh. Gehen wir aber genauer in 
bie Begrenzungen ein, fo bietet die beſtimmtere Bezeichnung ber ren: 
linien fehr große Schwierigfeiten bar, weil fle wirklich nicht: fo vorhanden 
find, wie die Europätfche Politik fie in bequem zugänglichen und Eultivirien 
Landfchaften zu ziehen gewohnt ifl. Theils find es unuͤberſteigliche, aber 
auch minder befannte, wilde Gebirgszüge, theils weite Wuͤſteneien, welde 
beide die natürlichen Scheidungen der Völfer in breiten Zonen vor felbf 
barbieten ; theils find es aber anch Weidelaͤnder, auf denen das Nomaden: 
leben die Stazionen der Bölfer und Etämme hin und herſchiebt m 
viele übergreifende Grenzverhältnifie nach Zeit und Umſtaͤnden herbei: 
führt. Endlich find es zwifchen allen diefen unbeflimmteren nur gewiſe 
Fixpunkte und Linien, di: von Flußlaͤufen, von Gebirgspäffen, von ange 
legten Feſtungen, flazionirten Garnifonen und theilweife won polttifchen 
Verträgen abhängig find, von denen das Netz ber Begrenzung oft ziem⸗ 
lich willkuͤrlich und gewöhnlich zum Vortheil der Gewalthabenden ausge 
ſpannt wird: ſo daß es in den Grenzregionen oft ſehr ſchwer haͤlt, den 
wahren, gegenwärtigen Stand der Dinge nicht nur in den Geografen, 
jondern im Beftehenden felbft zu ermitteln. Denn noch nicht überall hin 
find durch Chineſiſche Konfequenz folche Firpunfte nach Außen entftanben, 
wie in gewiſſen Lofalititen ihrer Grenzbezirfe, zu deren Feftftellung Ja⸗ 
Ionfle und Konfequenz fie führte. Ritter IV, 184. Die genauen An 
gaben über die einzelnen Grenzen fehe man ebendaſelbſt in den ange: 
führten Stelfen des Folgenden. — Ueber die Oflgrenze gegen China, die 
alte und neue Grenze am Darlung und am Kinche - Klang, die uns fir 
unfern Autor am meiften intereffiren, fagt Ritter weiter: Nur zwiſchen 
biefen Landfchaften zweier großen Länderräume der Erbe, bie faſt noch 
gänzlich zur Terra incognita gehören, fo vielerlei Namen auch darin auf 
unfern Landkarten umherirren, ift die yolitifche Grenze zwifchen Ehim 


ic) 
19327). Im einer Weite von zwanzig Tagereiſen fieht 





mt, daher wohl die Verfudhe, den Namen aus Ethymologie ober Ver⸗ 
chung der Ausländer, wie der Araber oder ber Miffionare, herleiten zu 
Men. Die Chineſiſchen Annalen fehreiben ihn aber urfprünglic den 
betern felbf zu und fegen ihn in Verbindung mit ber Gründung bes 
ches Tufan im 7. Jahrh., das gegen N. ©. durch ganz Kufpu:Nor 
% Tangut bis Sining und Ninghia an Hoangho reichte (f. Aften I, 
4.n. |. f.). Der Gründer diefes Neichs nannte es ſelbſt Thu-fu ober 
inspho, was fpäterhie (fagt der Weitſang thou chy co. I. p. 26) 
(lich in Thufan verbreht wurde. Seitdem blieb ihnen biefer Name 
ju⸗pho; er wurde fpäter auch wohl auf die norböftlicdern Tangut übers 
gen und behauptete ſich während der Zeit der Dichingisfhaniven , wie 
r Ming, wo dafjelbe Thn-fan und Thuspho oder Thu⸗po gleichbedeutend 
it Tibet gebraucht wird. Aus Thnspo iſt ſeitdem bei Auslaͤndern durch 
e Ramenverbrehung,, welche durch Mongolen allgemein wurde, Toͤbdt. 
uw Tühet, Tobut, Tebet, Tibet entflanden. In Efanang’s Mongoli⸗ 
en Annalen, welche im zweiten Abfchnitt die Tibetiſche Gefchichte ents 
üben, wird das Land immer Tübet gefchrieben, in der Tibetifchen His 
wie des Boddhimoͤr aber Toͤbot. Ritter folgt erfterer Schreibweife ; 
ke haben die durch die Jeſuitenmiſſion eingeführte und gewähnlichere bei⸗ 
Salten, um fo mehr, da es dem Thebeth oder Tebet Polo’s, deſſen 
wtorität wir fo viel als möglich gelten laſſen mögen, am meiſten gleich 
mini. Mer fi ausführlicher über dieſes Land unterrichten will, mirb 
ahl Ritters ganz ausgezeichnete und fo viel die Quellen darboten, ziem: 
h erfchöpfenne Tarftellung Tibet’s im IV. Bd. der Erbbefchreibung 
ichleſen. 

327) Mit einfachen Worten gibt hier Marco Polo eine ergreifende 
childernng der grauenvollen Serftörungen, welche bie Mongolen in bie 
Inder Afiens trugen: in entfeßlicher herzerftarrender Gewalt wird fich 
jer das troſtloſe Bild des durch jene Unheilvollen herbeigeführten Zu⸗ 
mebes In den weiten reichbevölferten Räumen vor uns entwirren, wenn 
ke feben, daß die Dölferfalamität fo groß war, daß wegen Fülle an 
Hoff die Zerſtoͤrungszuͤge in das große Land Tibet von den Gefchicht: 
preißern nur kurz, nur flüchtig berührt werden. De Guignes fagt ein: 
W (IV, p. 123): „Mangu nomma le General Holitai pour aller 
wmettre le Tibet. Tout ce pays fut desol&, les villes et les cha- 
wux rases.“ So Mailla, der den Mongoliichen Feldherrn Oulkang⸗ 
at nennt und der neuere D'Ohſſon; Lebterer fagt (II, 316): „Ouriang- 
mia attaqua les Toupo ou Tubetains. Il soumit, à la suite de plu- 
wurs combats, cette nation guerriere qui ao composait de plus de trois 


. 378 


wüftet zur Zeit, als Mangufhan feine Waffen in viefes Land 


landſchaft dar, in deren Mitte fie fich hinzieht. Diefe Charakteriſtik ha- 
ben die fcharffichtigen Chinefen herauszufinden gewußt, und biefen Waſſer⸗ 
ſcheidezug, Ningstfingfchen, oder Mang:li, der zugleich ein gemaltiges, 
erviges Schneegebirge ift, welches‘ aber eine merfwürbige Reihe von 
Hebergangspäffen darbietet, zu ihrer neuen Grenze zwifchen China und 
ihrer abhängigen Provinz Tibet erhoben. — In älteren Zeiten waren bie 
Tibetiſchen Bölferfchaften um ein Bedeutendes weiter gegen 
ben Oſten, uber diefe Ströme hinüber, ausgebreitet. Cie Kalter 
zur Zeit, ba ihnen. im Norden wie im Suͤden noch ſelbſtſtaͤndige, den 
Chinefen noch nicht unterwworfene Reiche blühten (mie Taugut im Norden, 
Nantſchao im Suͤden), ſelbſt beveutenden Antheil an der weftlichen Hälfte 
ber jebigen Ehinefifchen Provinz Szütfchuan; fie wurden aber durch viele 
Grenztriege wie durch die Chinefifche Sivilifazion und deren politifce 
Grenzbeftimmungen immer weiter gegen Weiten zuruͤckgedraͤngt. Als Marco 
Polo von Tichhing-tusfe (Sindifu) ans nach Tibet wanderte, brauchite er 
nur fünf Tagereifen, offenbar gegen Welt, um bie Grenze-biefes Landes 
zu erreichen. Er zog in deſſen öftlichftem, kurz vorher furchtbar verwuͤſte⸗ 
ten Theile umher. Wirklich ift bier, wie auch Klaproth (Remargues 
geogr. etc. in Nouv. Journ. Asiat. T.I, p. 108) bemerft hat, die aͤlteſte 
Grenze Tibets zu ſuchen. Man fehe die weitere Ausführung hiervon bei 
Ritter IV, 187 ff. 

Ueber die Eintheilung yon Tibet in Kleins und Groß⸗Tibet, d. I. von 
BYaltiftan und Ladakh; eben fo über die Unterſcheidung von drei Tibeten, 
dem erften, zweiten, unter welchem jene beiden verftanden werben, und 
dem dritten Tibet, mit dem großen: Dzangbo, fehe man Ritter; wir 
bemerfen nur, daß Ofttibet, welches gegenwärtig ganz von China abs 
haͤngig tft, als das eigentliche Tibet bezeichnet wird, von welchem auch 
nur bei M. Polo die Rede iſt, und dem die allgemeine Benennung: Pew 
U⸗Tſang beigelegt wird. Hieruͤber verweifen wir wiederum -auf Ritter's 
Erklärungen und gehen nur zu der allgemeinern und gegenwärtig allein 
herfömmlichen, aus dem Dften herftammenden Benennung von Tibet oder 
Tuͤbet, je nach den verfchiedenen Schreibarten verfchievener Zeiten und 
Bölfer, uber. Edriſi erhielt durch die Eroberung der Ghazvaniden in 
Indien, durch welche der Islam über die Hochgebirge Mittelafiens weg; 
fhreitet, wohl die merfwürbigen Nachrichten, die erften vom Koͤnigreiche 
Tobbat, wenigftens fchon im Sahre 1154 n. Chr. Denn dieſes Tobbat 
ober Tuͤbet liegt nach Edriſi's Angabe ganz richtig zwiſchen Ferghana, 
India und. Ein ausgebreitet. Diefer Name aber blieb den unmittels 
karen Nachbere:. ver Tibeter nub manchen unter ihnen felbft ganz unbe: 





879 
trug 227). In einer Weite von zwanzig Tagereiſen fieht 





kannt, daher wohl vie Verſuche, den Namen aus Ethymologie ober Vers 
drehung ber Ausländer, wie ber Araber ober der Miffionare, herleiten zu 
wollen. Die Chinefifchen Annalen fchreiben ihn aber urſpruͤnglich den 
Tibetern felbft zu und fegen ihn in Nerbindung mit der Gründung des 
Reiches Tnfan im 7. Iahrh., das gegen N. ©. duch ganz Knkhu⸗Nor 
and Tangnt bis Sining und Ninghla an Hoangho reichte (f. Aflen I, 
174 u. f. f.). Der Gründer diefes Reichs nannte es ſelbſt Thu⸗fu oder 
Thu⸗pho, was fpäterhin (fagt der Weitſang thou chy co. I. p. 26) 
faͤlſchlich in Thufan verdreht wurde. Seltvem blieb ihnen biefer Name 
Thu⸗pho; er wurde fpäter auch wahl auf die nordoͤſtlichern Tangut über: 
tragen und behauptete ſich während der Zeit der Dfchingisfhaniven, wie 
ber Ming, wo baffelbe Thu-fan und Thuspho oder Thu⸗po gleichbeveutend 
mit Tibet gebrancht wird. Aus Thnspo iſt ſeitbem bei Ausländern durch 
He Namenverbrehung, welche durch Mongolen allgemein wurbe, Töbht, 
auch Tuͤbet, Tobut, Tebet, Tibet entfianden. In Sſanang's Mongoli⸗ 
fen Aunalen, welche im zweiten Abjchnitt die Tibetifche Geſchichte ents 
halten, wird das Land Immer Tübet gefchrieben, in ver Tibetifchen His 
ſtorie des Boddhimoͤr aber Toͤbot. Ritter folgt erfterer Schreibmweife ; 
wir haben bie durch die Jeſuitenmiſſion eingeführte nnd gewoͤhnlichere beis 
behalten, um fo mehr, da es dem Thebeth oder Tebet Polo's, deſſen 
Autorität wir fo viel als möglich gelten laſſen mögen, am meiften gleich 
kommt. Mer fi ausführlicher über dieſes Land unterrichten will, wird 
wohl Ritter’s ganz ausgezeichnete und fo viel die Quellen darboten, ziem⸗ 
lich erſchoͤpfende Darftellung Tibet’s im IV. Bb. der Erdbeſchreibung 
nachlefen. 

327) Mit einfachen Worten gibt hier Marco Polo eine ergreifende 
Schildernng der grauenvollen Zerftdeungen, welche die Mongolen in bie 
Länder Afiens trugen: in entfeßlicher herzerftarrender Gewalt wird ſich 
aber das troſtloſe Bild des durch jene Unheilvollen herbeigeführten Zu- 
ſtandes In den weiten reichbevölferten Räumen vor uns entwirren, wenn 
wir fehen, daß die Wölferfalamität fo groß wur, dag wegen Fülle an 
Stoff die Zerfiörungszüge in das große Land Tibet von deu Gefchichts 
ſchreibern nur kurz, nur flüchtig beruhrt werben. De Guignes fagt ein: 
fa (IV, p. 123): „Mangu nomma le General Holitai pour aller 
soumettre le Tibet. Tout ce pays fut desol&, les villes et les cha- 
teaux rases.* Eo Mailla, der den Mongolijchen Feldherrn Oulkang⸗ 
hotat nennt und der neuere D'Ohſſon; Letzterer fagt (II, 316): „Ouriang- 
cadai attaqua les Toupo ou Tubetains. Il soumit, à la suite de plu- 
sieurs combats, cette nation guerritre qui se composait de plus de trois 


- 


380 


man nichts als zerbrochene Städte und geſchleifte Echlöfier, 
und weil der Menſchen fo wenige geworben, haben ſich wilde 
Thiere und vorzüglich Löwen (Tiger) in einer folden Mafle ver 
mehrt, daß die Kaufleute und andere Reiſende vorzuͤglich bei 
Radıtzeit großen Gefahren ausgefegt find. Eie find nidyt allein 
gezwungen, ihre Unterhaltsmittel mit fi zu nehmen, ſondern 
müffen aud, wenn fie an ihre Haltpläge kommen, die dw 
ferfte Wachſamkeit und folgende Vorfiht anwenden, daß ihre 
Pferde von den wilden Thieren nidyt gefrefien werden. Es 
wird nämlich in dieſer Gegend und vorzuͤglich in der Nähe 
der Flüffe ein Geröhriht (Bambus) gefunden, das zehn Ellen 
lang ift, drei Spannen im Umfange und drei Epannen von 
einem Knoten zum anderen hat 328). Don diefem Rohre, 
wenn ed nody grün ift, maden die Reifenden Bündel und 
fhidhten fie, fobald der Abend naht, in einer gewiffen Ent 
fernung auf, dann aber zünden fie ein Feuer an und fobald 
die Hitze das Rohr ergreift, plagt ed mit laut krachendem 
Getoͤſe. Das Gekrach aber ift fo ftarf, daß man es zwei 
Meilen weit hört; dadurch werben Die wilden Thiere ges 
fhredt und fliehen von jener Stelle. Die Kaufleute‘ ver 
fehen ſich daneben mit eifernen Fußbaͤndern, Die Beine ber 
Pferde zu fefleln, die fonft, von dem Geraͤuſche erfchredt, ihre 
Halftern zerreißen und davonlaufen würden. Weil fie Diefe Vor- 
fiht vernadhläffigt haben, haben gar Viele ihre Pferde verloren. 
Sp zieht man zwanzig Tage weit durch ein troftlos zerftörs 


cent mille familles. * Das gefchah im Jahre 125%, nicht 1251, wie 
Balvelli Boni angibt. Vgl. noch unfere Anm. 347 und die zum 42. Kay. 
dtefes Buche. 

328) Im jepigen Tibet wählt nach dem Wei tfang thon hy p. 171 (f. 
Ritter IV, 236) das Bambusrohr nicht, obwohl es daſelbſt viel aus China 
bezogen wirb; es tft offenbar, daß Marco Polo hier vom oͤſtlichen Theile 
Tibet's redet, welcher jet dem unmitielbareu Chinefifchen Reiche einver⸗ 
leibt iſt. — Die Erplofionen des Bambusrohrs, wie man fie bei Ber: 
brennung eines Afiatifchen Baſar's oder Dorfes wohl wahrnehmen fann, 
follen dem Pelotonfeuer ähnlich fein. 


- 


881 


te3 Land, da man weder Herberge noch Lebensmittel findet, 
nur vielleicht einmal in drei ober vier Tagen, wo man Ge 
begenheit hat, einigen Borrath aufzunehmen. Nach Verlauf 
viefer Zeit fängt man an, einige‘ Echlöfler und fefte Plaͤtze 
zu entveden, vie auf felfigen Höhen oder auf den Gipfeln 
von Bergen erbaut find, und allmählig betritt man ein bes 
wohnte® und bebauted Land, wo Feine Gefahr von Raub⸗ 
thieren mehr ift. 

Eine ſchmaͤhliche Gewohnheit, die nur aus der Verblen⸗ 
bung der Goͤtzendienerei hervorgehen Fonnte, berricht unter dem 
Volke dieſes Lanpftrihes. Diefe Leute mögen Feine Maͤdchen 
heirathen, fo lange fie noch Jungfrauen find, fondern ver- 
langen, daß fie vorher Umgang mit dem anderen Geſchlechte 
gehabt. haben, und das, verfidyern fie, fei ihren Göttern wohl 
gefällig. Darum, fobald eine Karawane mit Kaufleuten ans 
fommt und die Zelte für die Nadıt aufgefchlagen worben 
find, kommen die Mütter, welche heirathsfähige Töchter haben, 
und führen diefe-zur Stelle hin, und eine jede ftreitet um 
pen Borzug und bittet die Bremen, ihre Tochter zu nehmen 
und ſich ihrer Geſellſchaft zu freuen, fo lange fie in der Nach⸗ 
barfhaft weilen. Die fih durd ihre Echönheit empfehlen; 
werden natürlid, gewählt und die anderen gehen unzufrieden 
und aͤrgerlich nad) Haufe, jene aber weilen bei den Reifen- 
den, bis biefelben wieder abreifen. Die Fremden ftellen fie 
dann ihren Müttern wieder zu und verfudhen niemals, fie 
mit ſich fortzuführen. Man erwartet jedoch, daß die Kauf 
leute ihnen Geſchenke mit Pub, Ringen oder anderen Zeichen 
des Danfes machen, welde die Maͤdchen mit nach Haufe 
nehmen. Wenn fie nachher heirathen wollen, tragen fie Dies 
fen Schmud um ihren Hald oder an anderen Theilen des 
Körpers, und diejenige, welche am meiften ſolchen Tandes 
hat, wird als die befte und reizendſte betradıtet und ſteht 
daher in höherer Schaͤtzung bei den jungen Männern, welde 
fi ein Weib erwählen wollen; auch kann fie ihrem Ehe 
herrn feine - angenehmere Mitgift bringen,. ald eine rechte 


334 


fleiven ſich ſchlecht mit Leder, Thierfellen und hanfenem Zeuch. 
Sie haben eine befondere Sprade, die der Provinz Thebeih 
gehört, weldhe an Manji grenzt. Das Land war vormals 
fo ftarf und wichtig, daß es in acht Koͤnigreiche geiheilt 
wurde, weldye viele Etäbte und Schloͤſſer enthielten. Seine 
Flüffe, Eeen und Berge find zahlreih. In den Flüffen wir 
Goldſand in reiher Menge gefunden 332). Nicht allein, 
daß die Koralle, wie ſchon erwähnt, als Geld gebraucht wird, 
fondern die Frauen tragen fie auch um den Hals und fchmüden 
damit ihre Goͤtzenbilder. Manufakturen von Kamelot und 
golddurchwirktem Tuche find hier und viel Arznei: und Spe— 
zerei wird in dem Lande erzeugt, die nicht zu uns verführt 
wird. Diefe Leute find Schwarzfünftler, und vermöge ihrer 
hoͤlliſchen Kunft verrihten fie die außerordentlichften und trüge 
lichften Verzauberungen, die man je gefehen und gehört hat 333). 
Sie laſſen Ungewitter auffteigen mit zudenven Blitzen und 
Donnerfhlägen und bringen viele andere wunderbare Dinge 
hervor. Sie find allgefammt. ein boͤſes Geſchlecht. Sie hr 
ben Hunde, Die fo groß wie Eſel ſind 234), ſtark genug, 


geführt (ebend. c. I. p. 40, 48—53). Woher aber bezogen bie Tibetaner 
bie Korallen in folder Menge? — Merkwuͤrdig ift, daß noch gegenwaͤr⸗ 
tigen Tages das Bolf von Tibet Fein eigenes Kourantgeld hat, fondern feine 
Münze von den benachbarten Nepaulefen bezieht. 

332) Ceterum aurifodinae Betanenses, de quibus scribebat Ns» 
biensis, plures sunt.et copiosae in provinciis U, 'Tzang, Kiang, Tak- 
po, Long-bo et Khang (Alph. Thib. 465). Borzfiglich viel Goldſau 
wird in dem ſchon erwähnten Kincha⸗Kiang gefunden, wovon im nächken 
Kapitel noch die Rede fein wird. 

333) Schon im J. B., Kap. 56 tft von den Schwarzkuͤnſten ber Ein 
wohner Thebeth's und Kafchmir’s Die Rede. Diefe Uebereinſtimmung in 
verſchiedenen Theilen des Werks verdient befondere Beachtung. 

334) Die Tibetifchen Hunde find im Königreich Ladakh fehr ſtark 
wild und doppelt fo groß, als die Hindoſtaniſchen; fie Haben dicken Kopf, 
langes Haar, viel Kraft und Muth, und follen Löwen bänbigen kdunen; 
als folcye follen fie den Chinefen fon im 12. Jahrh. v.Chr. als Ges 
ſchenke durch Gefandiichaften ber Weſtvoͤller von Kin angeboten morben fein, 


885 


alle Arten wilder Thiere zu jagen, vorzüglid; wilde. Ochſen, 
bie fie Beyamini ‚nennen 335) und die außerorbentlid, groß 
und grimmig find. ine der beiten Arten von Lanetenfalfen 
giebt es hier und auch Eafer, die fehr fhnell im Fluge find, 
und. damit haben die Einwohner eine gute Vogelbeize. Diefe 
Provinz Thebeth ift dem Großkhan unterworfen, wie alle vie 
anderen Königreihe und Provinzen, bie bislang erwähnt wor 
den find, Dieter zundädhft liegt die Provinz Kaindu. 


— — — —— 


Achtunddreißigſtes Kapitel. 
Bon der Provinz Kaindn. 


Kaindu 336) ift eine weftlihe Landſchaft, die früher ihre 
eigenen Fürften hatte, aber fett fie unter die Herrſchaft des 


bie Ghinefen nennen fie Liungao (Klaproth Mag. Asiat. II.; bentfche 
Meberjeßung in Hertha VI, 334.) 

335) Ueber den bos grunniens f. I, 5l. Das Beiwort Beyamini 
Iönnen wir nicht erklären. 

336) -Diefes Land Kaindn mit Eicherheit zu beftimmen, moͤchte bie. 
jest noch feine Schwierigkeit haben, da jene ganze Region am · Suͤdweſt⸗ 
ende der Chineſiſchen Provinz Dünnan, gegen das alte Koͤnigreich Awa 
(Mien), noch von feinem Beobachter. bef'grieben ift, und jene, Angaben 
ſich nur hie und da au etwas Bekanutes anfehliegen. Am naͤchſten trifft 
wohl Klaproth’s Erklaͤrung (Rem. geogr. sur les Prov. occident. de la 
Chine decrites.p. M. Polo in N. J. Asiat. I, p. 109— 119.), obgleich 
une auch diefe noch hypothetiſch erfcheint und manches dunkel laßt. Kaindu 
if, nach ihm, das noͤrdliche Land der Birmanen, norbwärts von 
Awa; bie Stadt befielben Namens ward zur Mongolenzeit Kiangstheu ge⸗ 
naunt; fie Sag 10 Tagereifen von ber Grenze im S. W. von Dünnan. 
Klaproth Hält fie für das heutige Hentha, am Oftufer des Irawadi (un- 
. ter 2320,55 N. Br.), welcher, auf dem Weflufer des Etromes gegen: 

über, nicht fern ein großer See, der Nando Kando der Karten, legt, der 
uns indeß unbefannt blieb. Denn Eramfurb’s Reife, die dort von Ama 
am weiteften gegen Norben vordrang, erreichte nur bie Nähe ſuͤdwaͤrts 
von Monchabe am Suͤdenbe jeues See's, ber 10 Stunden von Awa ent: 

25 


386 


Großkhan's gebracht worden, von den Landpflegern regirt 
wird, die er ihr ſetzt. Was wir gefagt haben; ſoll jedoch 
nicht fo verftanden werben, daß fie in dem weftlichen Theile 
(Aftens) gelegen fei, fondern nur, daß fie weitlich in Bezug 
auf unfere Wanderung von den norböftlichen Gegenden liege. 
Ihre Einwohner find Goͤtzendiener. Cie enthält viele Städte 
und Burgen und die Hauptftabt, die gleih im Anfange ber 
Provinz liegt, heißt gleichfalls Kaindu. Im ihrer Nähe be 
findet fi) ein großer Salzſee, in welchem viele Perlen von 
weißer Farbe, die aber nicht rund find, gefunden werben. 
So groß aber ift deren Menge, daß, wenn der Großthan 
Jedermann erlaubte, darnach zu ſuchen, ihr Werth bald ganz 
herabfallen würde; aber bie Fischerei ift Allen verboten, bie 
nicht eine befondere Erlaubniß von ihm erhalten. in Berg 
in der Nachbarſchaft giebt. Türfisfteine,. deren Gruben aber 
auch nicht ohne diefelbe Bewilligung bearbeitet werden Fönnen. 


fernt und an 13 Eunden lang fein fol. She man biefes Säbende er⸗ 
reichte, Eehrte man bei den Refabergen aber Schon wieder um, vor denen 
ſich allerbings aber nur ein Fleiner See ausbreitet, welcher Bitterwaſſer 
in ber Landesfprache heißt. Bon blauen Kalkfteinfiippen umgeben tft biefer 
wirklich ſalzreich, auch bereiten bie Dorfbewohner umher Salz aus ihm 
und kochen aus ber benachbarten Erde Eal. Diefer Ste, fast 
Crawfurd, if der Einzige feiner Art im Lande. Sollte dieſes wirklich 
ber gran Lago fein, ven Bolo nennt? Schwerllich; von jenem großen Er 
iſt es aber nicht befannt, daß er falzig, noch weniger, daß er petleureith 
fei. Die Angabe ber Gewärzpflanzen,. die man jeboch nicht fuͤr die be⸗ 
Tannten Arten, fonbern nur für analoge halten kang, welche auch Marc 
Polo nur vergleihungsweife angibt, Laffen allerdings ſchon anf ein heiße⸗ 
res Klima in einem tropiſchen Tiefthale ſchließen, das hier offenbar au 
einem jener großen Suͤdſtroͤme ſchon außerhalb der Hochgebirgstetten von 
DYünnan liegen mußte. Wenn Polo hiermit Kaindu jene Lokalität gegen 
das Königreich Ama wirklich bezeichnet, fo tft es auffallend, daß er fe 
nicht näher als Grenzvrovinz, die offenbar ſchon zu dem Koͤnigreiche Mien 
(d. i. Awareich) gehört, genauer angibt oder ihrer fpäter noch einmal 
erwähnt, da er boch weiter unten (Rap. 42) noch einmal auf dieſelbe Ge⸗ 
gend zuruͤckkommt, wo er den Feldzug feines Großkhan's and bie Schlaqcht 
gegen-ben König von Mien, im Jahre 1270, genan befchreibts: 3. 


387 


Die Einwohner dieſer Landſchaft haben dieſelbe ſchamloſe 
und haͤßliche Gewohnheit, es nicht als eine Schande anzu⸗ 
ſehen, daß die, welche durch das Land reiſen, ihre Frauen, 
Töchter oder Schwefiern brauchen, ſondern im Begentheil, 
wenn Fremde anfommen, bemüht fid) jener Hausherr, einen 
von thnen mit nadf Haufe zu nehmen und ihm alle Frauen 
feiner Familie zu übergeben, ihn als Herrn des Haufes zuruͤck⸗ 
zulaſſen, bern er felbft zieht aus. Die Frauen hängen fogleich 
ein Zeichen Über die Thür, welches nicht eher wieder weg—⸗ 
genommen wird, als bis der Gaft feine Neife weiter forts 
fegt, worauf der Hausherr wieder zurüdfehren kann. Das 
thun fie zu Ehren ihrer Gögen, denn fie glauben, daß fie 
durch foldye Handlungen der Liebe und Gaftfreundfchaft gegen 
Reiſende Segen über ſich herabrufen und daß fie mit Ueber⸗ 
flug an Früchten der Erde gefegnet werben. 


Das Geld, deſſen fie fi) bevienen, wird auf folgende 
Weiſe bereitet. Sie bilden Goldſtangen und die gelten nadı 
dem Gewicht, ohne irgend einen Stempel. Das ift ihr grös 
Beres Geld. Das Fleinere ift folgender Art. Es giebt in 
diefem Lande Salzquellen, aus denen fie Salz bereiten, ins 
dem fie ed in Fleinen Pfannen ſieden. Wenn das Waffer 
eine Stunde lang gefodyt hat, wird es eine Art Teig, wel- 
Ser zu Kuchen zum Werth von ziel Pfennigen (denari) 337) 
gebllvet wird. Diefe, welche flach an der unteren und hohl 
an der oberen Eeite find, werben auf heiße Ziegeln an ein 
Feuer gelegt, damit fie troden und hart werben. Auf dieſe 
letztere Art Münze wird ver Stempel des Kaiſers gebrüdt, 
und fie darf durch Niemand anderes als feine eigenen Be⸗ 
amten bereitet werben. Achtzig Stüd gelten einen Caggio 


337) Marsden bemerkt das merkwürdige Zufammentreffen, daß weil 
ein Salzfuchen ben vierhundert uud achtzigften Theil einer Unze Gold, 
welche vier Pfund Sterling ausmache, und der Saggio von Venedig der 
ſechſte Theil einer Unze ſei, der Werth eines jeben Kuchens genau zwei 
engl. Penre betrage. 

25 * 


388 


Gold (d. i. J Unze Venezianiſch). Aber wenn fie von ben 
Handelsleuten zu den Einwohnern der Gebirge und nad an 
deren wenig bejuchten Gegenden verführt werben, fo erhalten 
fie für ſechszig, fünfzig oder fogar vierzig folder Salzkuchen 
einen Saggio, in dem Maße, als fie die Einwohner weniger 
zivilifirt, von den Städten weiter entfernt und mehr gewöhnt, 
auf derfelben Stelle zu bleiben, finden, infoweit eben Leute 
in derlei Verhältniffen nicht immer Abfab für ihr Gol, 
ihren Moſchus und andere Waaren haben fonnen. Und fr 
gar zu dieſem Preiſe entfpridyt e8 vollfommen den Wuͤnſchen 
folher Leute, weldhe den Goldfand aus den Fluͤſſen fammeln, 
wie fchon gemeldet worden. Diefelben Kaufleute reifen in 
gleicher Weife durch die Gebirge und andere Gegenden The 
beths, von denen wir gefprochen haben, wo das Salgzgeld 
gleichfalls Furrant if. Ihr Gewinn iſt betraͤchtlich, weil dieſe 
Landleute das Salz zu ihrer Nahrung braudien und es als 
unumgaͤnglich nothwendig für ihre Beduͤrfniſſe betrachten, wäh. 
rend die Einwohner von ten Etädten zu demfelben Zwede 
blos Die zerbrocdhenen Etüde der Kuchen brauchen und bie 
ganzen Kuchen ald Geld in Umlauf fegen. Auch in viele 
Landſchaft werben die Mofchusthiere in großer Anzahl gefar 
gen und iſt der Moſchus verhältnißmäßig im Ueberfluß da. 
Diele befonderd gute Fiſche werden in dem Eee gefangen. 
In dem Lande werden Löwen (Tiger), Bären, Rehe, Hirſche 
und Antilopen gefunden. Auch giebt es allda zahlreiche Bi 
gel verfehiedener Gattung. Der Wein wird nidt aus Traw 
“ ben bereitet, fondern aus Weizen und Reis, mit Gewürze 
gemiſcht; das ift ein gar Föftliches Getränf. 

Dieſe Landſchaft erzeugt auch Gewürznäglein. Der Baum 
ift Elein, die Zweige und Blätter gleihen denen des Lorbeer 
baumes, find aber etwas länger und ſchmaler. Ihre Bluͤ⸗ 
then find weiß und Fein, wie die Näglein es felbft find, 
aber wenn fie reifen, färben fie ſich dunkel. Ingwer waͤchſt 
da und auch Kaſſia (Zimmt?) im Ueberfluß, außerdem viel 
andere Gewürze und: Spezeteien, von denen niemals etwas 


389 


nad Europa gebradht worden 338). Menn man die Etadt 
Kaindu verläßt, fo hat man fünfzehn Tage bis zur entgegens 
gefesten Grenze der Provinz zu reifen. Während diefer Reife 
trifft man auf anfehnlide Wohnungen, viele fefte Poſten und 
auch für Jagd und Wogelfang geeignete Pläge. Die Ein- 
wohner haben die Eitten und Gebraͤuche, die ſchon beſchrie⸗ 
ben worden find. Nach Verlauf diefer fünfzehn Tage fommt 
man an den Fluß Brius, der die Provinz begrenzt und in 
welchem fehr viel Goldſand gefunden wird 339). Er ergießt 


338) Marsden meint, dies fei ein fehr großer Irrthum, bie Gewürzs 
nelfen (Garofali) und Zimmt (Canella) wachen ficher nicht in biefem 
Landftrich, noch irgendwo über den Tropen hinaus, und glaubt, es feien 
diefe Worte ein Etüd ans einem Memorandum deſſen, was er auf den 
Gewürzinfeln gefehen, die er ficher befucht habe, welches zufälfig feinen 
Blab neben der Befchreibung von Kaindu gefunden. Ich kann ihm In 
Beiden Bemerkungen nicht beiſtimmen; ich glaube nicht, daß Polo die Ge; 
würzinfeln befucht habe, fonft würde er als ein fo guter und treuer Beob- 
achter diefe merkwuͤrdige Reife ausführlich befchrieben haben. Jene Tro; 
yengewürze Garofali (Gewürznelfen) und Canella (Zimmt) koͤnnen allers 
dinge nicht in jener Gegend wachfen, worauf fich die Befchreibung von 
Kaindu bezieht, dagegen kann man aber, wie Ritter, annehmen, baß die 
genannten Gewürze nicht diejenigen bezeichnen follen, die wir jetzt unter 
ihren Namen verftehen, fondern nur analoge; Ritter bemerkt, daß die 
Blüthen des Caryophyllus aromaticus nicht weiß von Barbe feten, fondern 
ſchwarzroth. Wie leicht koͤnnen aber auch Zimmt und Gewuͤrznelken in 
jenes Land von ben Infeln geführt worben fein, und es gab das Entre⸗ 
pot diefer Waaren für die tiefer im Lande wohnenden Völfer ab, und 
feßtere glaubten, bie Gewürze wachfen in dem den Handel vermittelnden 
Sande, wie wir es im Altertum fehen, wo die Griechen vom Zimmt und 
andern Gewürzen Indiens, die ihnen über Arabien und yon ber Oftfüfte 
Afrika's zugeführt wurden, ebenfalls glaubten, er machfe in den letzige⸗ 
nannten Ländern; daß er den Nelfenbaum und feine Bluͤthe, letztere nicht 
ganz richtig (wie wir gefehen haben) befchreibt, thut nichts zur Sache; 
auch die Alten gaben Befchreibungen vom Zimmtbaum in Gegenden, wo 
er nicht wuchs (ſ. Buͤrck Allg. Gefch. d. Reif. u. Entd. I, 91 u. a. a. O.). 

339) Alſo ein Kincha⸗Kiang hier, denn nicht der im Norden der Ta 
Kiang, fondern ein mehr fühwefllicher, ob der Srawani? — Polo gibt 
leider gar Feine nähere Richtung der Weltgegend an, weshalb ich glaube, 
vaß er nicht felbft jene Gegenden befucht, fondern nur nach Hörenfagen 





390 


fih in den Ozean. Wir wollen nun dieſen Sluß verlafien, 
da nidts Bemerkenswerthes weiter da vorfommt, und von 
der Provinz Karaian reden. 


— — — — 


Neununddreißigſtes Kapitel 
Bon der großen Provinz Karaian und Ihrer Hauptſtadt Jaeci. 


Wenn man den vorerwähnten Fluß paflirt ift, Fommt 
man in die Provinz Karalan 349), die von folder Ausdeh—⸗ 


berichtet, wie auch in feinem Zufak „da nichts Bemerkenswerthes welter 
vorkommt.” — Diefer Kincha-⸗Kiang (riviere du sable d’or), bemerft 
Klaproth ausdruͤcklich in feiner belehrenden Kritif (Observ.- crit. in Men, 
rel. à l’Asie I. c. p. 409; ibid. p. 205 Not. I. im Wei tsang thou chy 
I. c.) heiße im Tibetifchen Bu rei tfiu, d. 1. Pholai⸗tſchu in Ehinef. Aus⸗ 
ſprache, oder Ba⸗tſchu; dies erklaͤre es, warum der edle Venezianer ihn 
Brius nannte (che dil parte la provincia Caindu, nel qual fuime a 
truova molta quantita d’oro di paiola). R. IV, 19. — Daß es zwi 
Kincha⸗Kiang, d.h. Flüffe gebe, die Goldſand wälzen,. fagt ausprädlid, 
nach Klaproth’8 Zitat, die Chineftfche Reichsgeografie, die man nicht mil 
einander verwechfeln dürfe, den nördlichen, den Ta Klang in Dünnen, ms 
ben fühwetlichen, ven Irawadi in Awa. Sollte es nicht deren noch meh 
geben, die Goldwaͤſchen darbieten zwifchen dieſen beiden? es wird ja va 
Polo felbft in allen jenen Provinzen Dünnan’s zwijchen beiden ausbrad 
lich von Goldreichthum in den beiven folgenden Kapiteln gefprochen, us 

es koͤnnte eben fo gut einer der mehreren zwifchen jenen beiden Criremm 
gelegenen ſuͤdlichen Ströme mit dem Namen Golbitrom belegt fein, wie 
etiva der Nu Klang ober Lang: thſang⸗Kiang, bie auch direkt zum Ozen 
abfließen. R. IV, 738 ff. 

340) Dünnan heißt noch heute bei den Mahometanern Bentralaftens 
Karayan, nach den Kingeborenen des Landes. Diefe find von einer aw 
deren Abflammung, als die Chinefen, ihre Sieger; dieſe Karayan (ober 
Karain) find eben fo im Birmanenlande verbreitet, wo fie noch heute Kas 
rain heißen, und ihre Stammgenoffen haben fich weit gegen den Ofen 
durch Suͤdchina ausgebreitet, wo fie einen bedeutenden Theil der alpin 
Miao tfe ald Bewohner des Mino Ling ausmachen. Es iſt für Eihnograße 
hoͤchſt wichtig, baß wir den Sig dieſes Aboriginervolkes in feiner Heimath 


891 


nung ift, daß fie in fieben Regirungsſitze getheilt wird. Cie 
liegt nach Welten, ihre Einwohner find Gdgenanbeter und fie 
ift der Herrfchaft des Großkhan's unterworfen, der als ihren 
König feinen Sohn Centemur 341) eingefept hat, einen rei⸗ 
hen, prächtigen und mächtigen Sürften, der mit großer Weis- 
beit und Zugend begabt ijt und von dem das Königreich mit 
großer Gerechtigkeit regirt wird. Wenn man von dieſem 
Fluſſe fünf Tagereifen nad) Weiten zu zieht 342), fo fommt 
man durch ein reich bewohntes Land und fieht viele Burgen. 
Die Einwohner leben von Fleifh und den Fruͤchten der Erbe. 
Ihre Sprache ift ihnen eigenthuͤmlich und ſchwer zu erlernen. 
Die beften Pferde werden in diefer Provinz gezogen. Nad) 





durch Polo fennen lernen, von befien weiter und vielfacher Berfirenung 
(Marsnen Not. 826.), die wir ohne den Mittelpunkt und Urfis faktifch 
zu kennen, ſchwerlich herauegefunden haben würden. Diefe Provinz um: 
faßte den füplichen Theil von Yünnan, das Land der Thfuan man der 
Chineſen, die fich ſelbſt Karatn nennen. R. — Ueber die Gebirgslandfchaft im 
Oſten von Nuͤnnan und die Gebirgsvälfer: Minostfen,, die Aboriginer f. 
ausführlicher Ritter IV, 755 — 773. 

341) Diefer Prinz heißt in dem BI. Mſpt. Bufentemur, in den 
Ital. Auszügen Henfenstemur und in der Basler Ausgabe richtig Efen: 
temur. Die Landichaft Karalan hatte wirklich Sfenstemur zum Bizeföntg, 
es iſt der Defian Timur der Chinef. Annalen (Lie tai ki szu nian pao 
Kiv. XCX. Tabl. Geneal. und Kiv. XCVIII. fol. I. vers. nad) Klap- 
roth Rem. I. c. p. 3.), aber nicht Sohn, fondern Enkel Kublal's; 
fein Bater war Khogatſchi —Hugatſchi nah Dſchami ut⸗Tevarikh —, 
fünfter Sohn Kublai's. Er wurde im Jahr 1280 zum Bang (Vizefönig) 
von Dünnan erhoben und blieb daſelbſt bis 1307, wo er anders beorvert 
ward: Bor ihm war fein Bater König von Muͤnnan geweſen. Diefer 
Gfentemur iſt nicht zu verwechjeln mit einem andern Cukel KAublat’s, Te⸗ 
wur, dem Sohne Dſchingis oder Tſchimkin's, der der Nachfolger feines 
Iniferlichen Großvaters wurde. Kublai hatte jeboch auch einen Sohn, der 
Kutuktemur hieß. S. unfere Anmerf. zu U, 5. 

342) E partendosi dal sopradetto fiume si cammina verso Ponente, 
bei Ramufio. Diefe Etelle widerfpricht aber jener Annahme (Anm. 339), 
ven fehr weftlichen Irawady für den Brius, der. den Golbfand waͤlzt, gel: 
ten zu laſſen; in allem Bolgenven ftimmen wir mit Klaproth’s Kommentar 
überein. R. 


392 


Verlauf dieſer fünf Tage fommt man in ihre KHauptftadt, 
weldye Jaci heißt und groß und abelig iſt 223). Im ihre 
findet man Kaufleute und Handwerfer mit einer gemifchten 
Bevölkerung, die aus einheimifchen Gögendienern, Neftoriani 
fhen Chriften und Earazenen oder Mahometanern befteht; 
aber die Erfteren maden die zahlreichfte Klafſe aus. Das 
Land ift fruchtbar in Weizen und Reid. Die Leute jedoch 
eften Fein Weizenbrod, welches fie für ungefund halten, fon 
dern leben von Reis, und aus dem anderen Korne bereiten 
fie, mit einem Zufage von Gewürzen, Wein, der klar, hell⸗ 
farbig und ſehr angenehm im Gefhmade if. Als Gelb be 
dienen fie ſich der weißen Porzellanmufheln 224), vie im 
Meere gefunden werden, und fie tragen diefelben auch al 
Shmud um ihren Hals. Adıtzig foldier Muſcheln find am 
Werthe einem Eilberfaggio oder zwei DVenezianifchen Groſchen 
gleih. Auch in dieſem Lante giebt e8 Ealzquellen,. aus wel: 
hen man allen Ealzbevarf der Einwohner gewinnt. Die Ab⸗ 
gabe auf dieſes Salz gewaͤhrt. dem Koͤnige eine reiche Re⸗ 
venue. 

Die Einwohner betrachten es als keine Beleibigung, wenn 
Andere Verbindungen mit ihren Frauen unterhalten, fobal 
nämlid, das Weib mit einem foldhen DVerhältniffe einverftan 
den if. Es ift hier ein Eee, ver faft hundert Meilen im 
Umfange hat3#5), in welchem eine große Menge Btiche ver 


343) Die Kapitale, welche Polo Jaci nennt, nach Stalientfcher Schrelb⸗ 
art, heißt Goei⸗thſu zur Zeit Kublai's (Datfi nach Mongol. Ausſprache, 
die der Venezianer genau wiedergibt); fie war fchon In frähern Seiten ver 
Sungbynaftie die bebeutendfte Stadt des Landes und erhielt fpäter ben 
heutigen Namen Thſu-huing⸗fu (Tſchou young b. D’Anville, Tſchu⸗juͤng b. 
Grimm, im Weſt der heutigen Kapitale Dinnan gelegen) , bei welcher die 
Chineſ. Reichsgeografie auch heute noch vier“ Haupigruben. nennt, bie 
ſchwarzes Salz geben, aus denen bas Gon dernement großen Gemins 
zieht. N. 

344) Borcellann bei M. Polo, Kauries fe Ritters Erdkunde L 
©. 149, 324 ıc. n 

345) Dieſer große fiſchreiche See iſt unſtreitig der Enthat, ber im 


393 


fhiedener Art gefangen wird; einige verfelben find von bes 
deutender Größe. Die Leute haben die Gewohnheit, unge: 
fochtes Fleiſch von Geflügel, von Schafen, Ochſen und Büf- 
feln zu efien, das aber auf folgende Weife bereitet if. Eie 
ſchneiden das Fleiſch in Fleine Etüdchen und legen ed dann 
in Ealzbrühe mit einer Beimifhung von verfdienenen Ges 
würzen 346), Co wird ed für Perſonen höherer Stände 
zubereitet; die ärmere Klaſſe aber taucht es, nachdem es Flein 
gefhnitten, blos in eine Knoblauchbruͤhe und ißt es, als 
wenn ed gekocht wäre. 


Vierzigſtes Kapitel. 


Bon ber Provinz Karazan. 


Wenn man von der Etadt Jaci zehn Tage nad) Weften 
reift, gelangt man in die Provinz Karazan, deren Hauptftabt 
auch fo heißt 247), Die Einwohner find Goͤtzenanbeter. 


Weften die Wohnfitze der Tihnan man ober Karaun von denen der Uman 
oder Karadſchang fcheivet, zu benen Bolo nachher fortfchreitet. Er Hat 
nach der Chinef. Reichsgeografte über 22 geogr. Meilen (300 Li) Umfang, 
etwa bie Groͤße des größten Deutfchen, des Bodenſees; der Fäftlichfte 
Fiſch, den man darin fängt, der bis 1 Fuß lang wird, heißt Kungyn; 
die Chinefen nennen ihn „ben erften der Fiſche.“ Marsden’s Auslegung 
Jaci (das er zu engl. Aussprache Jachi fchreibt) für Deche oder Taltfu 
zu nehmen, {ft baher blos unbegrünbete Vermuthung. R. 

336) Alfo Poͤkelfleiſch. 

347) Marco Polo nimmt nun, In der Fortſetzung feiner Befchreibung 
von Dünnan, durch welche wir den früheren Zuſtand dieſer, ſeitdem fehr 
veränderten, Ehinefifchen Grenzyrovinz Fennen Iernen, eine direkt wefts 
lie Route und ehrt noch einmal an die Weftgrenze gegen Mien, d. 
i. das Amareich, zuräd, von bem er nach obiger, früher geftellter Angabe 
des Landes Kaindu fich alſo erft weithin gegen Oſten hatte entfernen 
muͤſſen. Diefer Echwierigfeit des Zuſammenhanges, die uns noch nicht 
ganz Har aufgeloͤſt ſcheint, ungeachtet, iſt nun Polo's weftliches Vor⸗ 
fchreiten, von der Kapitale der Karain aus, ganz Kar. — Aus Klap⸗ 


394 
Das Land gehört zur Herrſchaft des Großkhan's und die 


roth's Unterfuchungen ergibt fh, daß diefes Karazan, das Karapfchang 
bei dem Perfer Raſchid-eddin (Descript. de la Chine sous le Regue 
de la Dynast. Mong. trad. du Persan de Rachid-eddin av. Not. p. 
Kl. Paris 1832. p. 39.), aber auch der EChineſiſchen Annalen tft, welche 
den Namen mit Ouman äberfegen, d. h. Schwarze Barbaren. (Es gab 
auch Weiße Barbaren, Peman, Tſchaghandſchang der Mongolen, die bei 
Raſchid⸗eddin mit jenen öfter identiſch erwaͤhut werben.) An einer Stelle, 
wo ber Berfifhe Autor aus der Negirungszeit Mangufhan’s von dem 
Feldzuge des damaligen Prinzen Kublai Bericht gibt, drückt er ſich fo 
aus: Dies Land heißt in der Kataier Sprache Dar⸗liu (d. h. des großen 
Könige), in der Suͤdſprache Kandarmi (oder Kendermi, d. i. großes Land), 
in feiner Sprache Kandahar. Es grenzt an Tibet, Tangut, auch mit 
anderen Provinzen Hindoftan’s und an das Land der Zardandam (ſ. f. 8.) 
Mangufhan befahl Kublai dahin zu ziehen. Diefer verheerte das Land, 
plünderte es im Monat Moharrem des Jahres 1256 n. Chr. (65% der 
Hegra), nahm deſſen König Mahsarar (d.h. großer Herr) als Gefangenen 
mit fi und fehrte von dem Heer zurüd. Der Verfaſſer des Tarikh 
Haideri (f. Klaproth Rem. I, e. in N, J. A.I, 114) beſtaͤtigt biefe 
Namen, indem er fagt: In S. W. von Mahatichin, in der Nähe von 
Tibet, iſt das Land Dat:liu der Chinefen, das bie Mongolen Karadfchang, 
bie Hindu’s Kendhur, wir, die Perfer, Kandhar nennen (welches aber ein 
anberes als das uns benachbarte Kandahar if). Gin anderer Berfifcer 
Annaliſt im Tarikh Hafidz abru fügt feiner Nachricht noch hinzu: „Dieſes 
Land Karadſchang liegt zwiſchen Hindoſtan und Tibet; in deſſen einer 
Hälfte find die Einwohner ſchwarz, in der andern weiß; die weißen nes 
nen die Mongolen Tſchoghan⸗dſchaung.“ Die Hiſtorie der Thang fagt ge 
nauer: Der öftliche Theil viefes Landes wird von den Ou Man, aber 
Schwarzen Barbaren, bewohnt, ber weflliche von den Welpen: — Diefes 
Karadſchang ift aber das alte mächtige Reich Tali oder Nantfchao, das 
(wie wir fchon angegeben, f. ob. Anm.) im Jahre 1255 zerflört und in 
eine Mongolifhde Provinz verwandelt war. Daraus, daß. der Feldherrt 
Uriangkhotai Damals von Tibet aus, zu gleicher Zeit, in einem Seldzuge 
die Kinder Karadſchang (d. i. der Duman), Tſchaga⸗dſchang (d. i. der Bes 
man) wie der Lolos, die Abe und Alu durchziehen und verheeren konnte, 
gebt hervor, daß dieſe wilden Gebirgswölfer und bie Gebirgogaue nahe 
zufammengrenzten (vgl, unfre Anmerf. 327), Er eroberte, fagen bie Chi⸗ 
neflihen Annalen, im So hung Fian lu, 5 Feſtungen, 8 Bu ober große 
Staͤdte, + Klun, d, 1. Herrſchaften, und befiegte 37 barbariſche. Trips, 


895 


Regirung wird von feinem Eohne Kogatin 348) geführt. Im 
den Släffen wird Gold in Fleinen und großen Stuͤcken ges 
funden, doch giebt es auch Goldadern in den Bergen. Wer 
gen des vielen Goldes hat ein Eaggio Gold nur den Werth 
von ſechs Saggi Silber. Sie brauden ebenfalls die ſchon 
erwähnten Porzellanmuſcheln ald Kurranigeld, die jedoch nicht 
in. diefem Lande felbft gefunden, fondern aus Indien einges 
führt werben. 

Man ſieht bier ungeheuer große Schlangen, die zehn 
Schritt lang find und zehn Spannen im lmfange haben. 
Vorn neben dem Kopfe haben fie zwei kurze Beine mit drei 
Klauen wie die Tigerfagen, und Augen haben fie größer als 
ein Vierfreuzerbrod (pane da quatiro denari), die feuerglühend 
find. Der Radjen ijt groß genug, einen Mann zu verſchlin⸗ 
gen, die Zähne find groß und fharf und der ganze Anblid 
diefer Ungeheuer ijt fo furdtbar, daß weder Mann noch Thier 
fi, ihnen ohne Schrecken nahen kann. Noch andere Schlan⸗ 
gen findet man, die weniger groß find und acht, ſechs ober 
fünf Schritt Länge haben. Man fängt fie alſo. Am Tage 
rollen fie fi wegen der großen Hige in Höhlen, aus denen 
fie zur Nachtzeit hervorkriehen, um ihren Fraß zu fuchen, 
und was für Ihieren fie begegnen, die fie faſſen Zönnen, 
fei es ein Löwe, ein Wolf oder fonft ein anderes, fo vers 
fhlingen fie dieſelben; dann wälzen fie fih nad einem See, 


bie mit größter Tanferfeit täglich Gefechte veranlaßten;. das ungefunde 
Klima raffte fehr viele Mongolen hinweg. 

348) Tiefer Kogatin iſt der Khogatſchi (Hugatſchi bei Dſchami ut- 
Tevarikh) der Chinefen, der von Kublat ſchon 1267 zum Bang oder Vize⸗ 
fönig erhoben wurde. Seine Refldenz nahm er zu Talifu, bie ſeitdem 
zu einer ver 12 Kapitalen des Mongolifchen Kaiferthums erhoben wurde. — 
In der Nähe von Talis fu fland Tay Hotfching, die Refidenz der alten 
Könige von Nan tſchao, von der man heute nur noch Trümmer in ber 
Nähe jener großen Stabt zwifchen dem gleichnamigen Alpenfee und dem 
vielgipfligen Schueeberge, der fih im Weiten dieſes Sees unter 250 45° 
N. Br. emporhebt, wahrnehmen ſoll. 


a 





394 
Das Land gehört zur Herrſchaft des Großkhan's und die 


roth's Unterfuchungen ergibt ſich, daß diefes Karazan , das Karadſchang 
bei dem Perſer Raſchid-eddin (Descript. de la Chine sous le Regue 
de la Dynast. Mong. trad. du Persan de Rachid-eddin av. Not. p. 
Kl. Paris 1832. p. 39.), aber auch der Chineſiſchen Annalen iſt, welche 
den Namen mit Duman äberfegen, d. h. Schwarze Barbaren. (Es gab 
auch Weiße Barbaren, Peman, Tſchaghandſchang der Mongolen, die bei 
Raſchid⸗eddin mit jenen öfter identiſch erwaͤhnt werben.) An einer Etelle, 
wo der Perfifhe Autor aus der Regirungszeit Mangufgau’s von dem 
Feldzuge des damaligen Prinzen Kublai Bericht gibt, druͤckt er ſich fo 
aus: Dies Land heißt in der Kataler Sprache Dar⸗liu (d. h. des großen 
Könige), in der Suͤdſprache Kandarmi (oder Kendermi, d. i. großes Land), 
in feiner Sprache Kandahar. Es grenzt an Tibet, Tangut, auch mit 
anderen Provinzen Hindoſtan's und an das Land der Zardandam (ſ. f. R.) 
Mangufhan befahl Kublai dahin zu ziehen. Diefer verheerte das Land, 
plünderte es im Monat Moharrem des Jahres 1256 n. Chr. (654 der 
Hegra), nahm deſſen König Mahzarar (d.h. großer Herr) als Gefangenen 
mit ſich und Fehrte von dem Heer zuruͤck. Der Verfaſſer des Tarifh 
Haideri (f. Klaproth Rem. I, e. in N, J. A.I, 114) beftätigt kiefe 
Namen, indem er fügt: In S. W. von Mahatfchin, in der Nähe von 
Tibet, iſt das Land Dat:liu der Chinefen, das die Mongolen Karapfchang, 
bie Hindu’s Kendhur, wir, die Perfer, Kandhar nennen (weldyes aber ein 
anberes als das ung benachbarte Kandahar if). (Gin anderer Perfſiſcher 
Annalif im Tarikh Hafidz abru fügt feiner Nachricht noch Hinzu: „Diefes 
Sand Karadſchang liegt zwiſchen Hindoftan und Tibet; in beffen einer 
Hälfte find die Einwohner ſchwarz, in ber aubern weiß; bie weißen nens 
nen bie Mongolen Tſchoghan⸗-dſchang.“ Die Hiftorie der. Thang fagt ges 
nauer: Der öftliche Theil diefes Landes wird von den Ou Man, aber 
Schwarzen Barbaren, bewohnt, ber weftliche von den Weißen. — Diefes 
Karadſchang ift aber das alte mächtige Reich Tall oder Nantſchao, das 
(wie wir ſchon angegeben, f. ob. Anm.) im Jahre 1255 zerflört und in 
eine Mongoliihe Provinz verwandelt war. Daraus, daß der Feldherr 
Uriangkhotai damals von Tibet aus, zu gleicher. Zeit, in einem Feldzuge 
die Linder Karadfchang (d- i. der Duman), Tſchaga⸗dſchang (d. i. der Bes 
man) wie der Loloe, bie Abe und Alu durchziehen und verheeren konnte, 
gebt hervor, daß biefe wilden Gebirgsvoͤlker und bie Gebirgsgane nahe 
zufammengrenzten (vgl, unfre Anmerf. 327). Er eroberte, fagen die Ehis 
nefifchen Annalen, im So hung kian lu, 5 Fellungen, 8 Zu ober grofe 
Staͤdte, 4 Kiun, d, j. Herrſchaften, und befiegie 87 barbarifche, Tribus, 


895 


Regtrung wird von feinem Eohne Kogatin 343) geführt. In 
den Släffen wird Gold in kleinen und großen Stuͤcken ges 
funden, dod) giebt ed auch Goldadern in den Bergen. Wer 
gen des vielen Goldes hat ein Saggio Gold nur den Werth 
von ſechs Saggi Silber. Sie brauchen ebenfalls die ſchon 
erwaͤhnten Porzellanmuſcheln als Kurrantgeld, die jedoch nicht 
in dieſem Lande ſelbſt gefunden, ſondern aus Indien einge⸗ 
fuͤhrt werden. 

Man ſieht hier ungeheuer große Schlangen, die zehn 
Shritt lang find und zehn Spannen im Umfange haben. 
Vorn neben dem Kopfe haben fie zwei kurze Beine mit Drei 
Klauen wie die Tigerfagen, und Augen haben fie größer als 
ein Vierkreuzerbrod (pane da quatiro denari), die feuerglühend 
find. Der Radjen ijt groß genug, einen Mann zu verfchlin- 
gen, die Zähne find groß und fharf und der ganze Anblic 
diefer Ungeheuer tft jo furdtbar, daß weder Mann nody Thier 
fi) ihnen ohne Schrecken nahen kann. Noch andere Schlan⸗ 
gen findet man, Die weniger groß find und acht, ſechs oder 
fünf Schritt Länge haben. Man fängt fie alſo. Am Tage 
rolfen fie fih wegen der großen Hige in Höhlen, aus denen 
fie zur Nachtzeit hervorkriehen, um ihren Fraß zu ſuchen, 
und was für Thieren ſie begegnen, die ſie faſſen koͤnnen, 
ſei es ein Löwe, ein Wolf oder ſonſt ein anderes, fo vers 
fhlingen fie Diefelben ; dann wälzen fie fih nad) einem See, 


bie mit größter Tanferfeit täglich Gefechte veranlaßten;. das ungefunde 
Klima raffte fehr viele Mongolen hinweg. 


- 348) Tiefer Kogatin tft ber Khogatfchi (Hugatſchi bei Dſchami ut⸗ 
Tevarikh) der Ehinefen, der von Kublat ſchon 1267 zum Bang oder Bizes 
König erhoben wurde. Ceine Reſidenz nahm er zu Talifu, bie ſeitdem 
zu einer der 12 Kapitalen des Mongoliichen Kaiferthums erhoben wurde. — 
In der Nähe von Talis fu fland Tay hotſching, die Refidenz ber alten 
Könige von Ran tichao, von der man heute nur noch Trümmer in der 
Naͤhe jener großen Stadt zwiſchen dem gleichnamigen Alpenfee und dem 
vielgipfligen Schueeberge, der fih im Welten vieles zus unfer 250 45° 
N. Br. emporhebt, wahrnehmen foll. 


396 


einem Brunnen oder Fluß, um zu trinfen. Indem fie fid 
jo an dem Ufer hin bewegen, machen fie, wegen ihres ſchwe⸗ 
ren Leibes, tiefe Eindruͤcke, ald wenn ein ſchwerer Balfen 
über den Eand iveg gezogen worden wäre. Die nun, bie 
fi! mit der Jagd der Schlangen abgeben, merfen ſich ven 
Weg, den fie am meiften zu nehmen pflegen, und ftecfen viele 
Pfaͤhle, mit ſcharfen eifernen Spitzen verfehen, in ven Boden 
und bebeden fie mit Eand, fo daß fie nicht gefehen werben 
Fonnen. Wenn nun die Thiere ihren Weg nad) den Plägen, 
wo fie ſich gewoͤhnlich aufhalten, nehmen, werben ſte von jenen 
Spigen ſchwer verwundet und jterben ſchnell. Sobald die über 
ihnen fliegenden Krähen bemerfen, daß fie tobt find, erheben fie ihr 
lautes Gefchrei; dies ift den Jaͤgern ein Signal; fie eilen ſchnell 
zur Etelle, trennen die Haut vom Fleiſche und nehmen fo 
gleich, forglid die Galle heraus, die bei ihnen als Heilmittel 
ſehr hochgehalten wird; denn fo ein toller Hund gebiffen hat, 
wird Davon zum Gewicht eined Denard in Wein aufgelöft 
dagegen gebraucht. Auch iſt es nuͤtzlich bei Befchleunigung 
der Geburt, wenn bei den Frauen bie Kindesnoͤthen heran⸗ 
fommen. Streit man nur wenig davon auf Beulen, Blats 
tern oder andere Ausihläge des Leibes, fo Iöfen ſich dieſe 
bald auf, und die Galle ift auch heilfam für andere Ge 
bredien.. Das Fleifh des Thieres wird zu hohem Preiſe 
verkauft und an Wohlgefhmad aller anderen Art Fleiſch 
vorgezogen und von allen Leuten als eine Delifatefje gehal- 
ten 342). Im diefer Provinz find die Pferde fehr groß und 


349) Marsden hält dafür (und Baldelli B. folgt Ihm), daß biefe 
Schlange der Alligator fei, und meint, das ſei eine der ungenaueflen nas 
turhiftorifchen Echilderungen Bolo’s, der hier nur nah Höreifagen un 
Chinefifchen Befchreibungen gefchrieben habe; allein Marsden if hier 
ficher felbft im Irrthum, die große E chlange ift, wie auch Klaproth und 
Ritter angeben,. fiher die befannte Boa (Mai theu che der Chinefen). 
Hitter. .fagt (IV, 744): Sie ift durch ganz Eübchina, zumal aber In 
Yuͤnnan, fehr Häufig, oͤfter 25 bis 30 Fuß lang — man fieht alfo, daß 
Polo nicht ükertreibt, — an 4 Fuß Im Umfang und folk ſelbſt Rothwild, 


397 


werben jung zum Verkaufe nad. Indien geführt. Sie ha- 
ben den Brauch, den Pferden den Schwanz an einem Gelenfe 
durchzuſchneiden, damit fie ihn nicht hin und her werfen und 
daß er hängen bleibe, da ihnen das Hin⸗ und Herfhlagen 
befielben beim Reiten eine häßlidie Gewohnheit ſcheint 350). 
Diefe Leute reiten mit langen Steigbügeln, wie die Frans 
ofen es in unferem Erbtheile thun, während die Tartaren 
und faft alle anderen Voͤlker fie kurz haben, um vefto bes 
quemer den Bogen brauchen zu fonnen, da fie in ihren Steigs 
bügeln über das Pferd ſich emporrichten, wenn fie bie. Pfeile 
abſchießen. Cie haben eine vollfommene Rüftung von Büffel 
leder und führen Lanzen, Schilde und Armbrüfte (palestre). 
Alle ihre Pfeile find vergiftet. Es wurde. mir auf das Bes 
flimmtefte verfihert, daß ſonderlich die, weldye Bofes im Einne 
Baben, immer Gift bei fi führen, in ver Abjicht, e3 zu vers 
fhluden, wenn fie etwa wegen eined Verbrechens ergriffen 
würden und der Folter übergeben werben follten, um fid 
Heber, anftatt das zu dulden, felbft hinzurichten. Aber ihre 
Oberherren, fo ſolchen Gebraud fennen, haben Dagegen immer 
Hundefoth bei ſich, weldyen fie die Angeklagten gleidy Darauf 


wie Rebe ıc. verfchlingen — dabei möchte ich noch bemerfen, daß gewiſſe 
wilde Thiere durch das Vorbringen der Kultur gefchwächt zu werden fchei: 
nen und an Kraft und Surchtbarfeit verlieren, fo daß bie ungeheuerlichen 
Echilverungen, die uns über dieſelben ‚aus alten Zeiten überfommen, 
sicht. fo ganz übertrieben find; darum iſt es wohl möglich, daß dieſe 
Schlange zu Polo’s Zeiten auch noch größere Thiere angegriffen und ver: 
zehrt habe, wie wir es ja auch von der Boa constrictor wiſſen. — Ihr 
Zleifch wird allerdings als Delikateffe gegeffen, ihre Galle wird getrod- 
net und als Medizin thener verkauft, aus ihrer Haut macht man Trom- 
meln, Saͤbel⸗ und Dolchfiheiven. Bon den vielen Winpungen, bie fie bei 
ihren Bewegungen macht, wird fie auch Janche oder Jan Jan genannt, 
aber auch Nanche, die Südfchlange, weil fie fih nur ſuͤdwaͤrts des gros 
gen Nan⸗Ling Parallel's, 26° N. Br., vorfindet. 

350) Eine Art Englifiren, welches hier demnach ein alter Gebraud 
if. Das iſt eine von den Gefchichten, die man Polo gar lange nicht ge: 
glaubt und weswegen man ihn wie immer mit Unrecht verläftert hat. 


398 


hinunterfchluden: laffen, worauf fie das Gift wieder von fih 
geben. So hat man gleid das Gegengift für die Liften vie 
fer Elenden bereit. Bevor fie dem Großkhan unterthan wur 
den, mar dieſes Volk folgender fhändlihen Gewohnheit ers 
geben. Sp ein Fremder von Stand, der: perfönlidye Schoͤn⸗ 
heit mit Tapferkeit vereinigte, feine Herberge in dem Hauſe 
Eines von ihnen nahm, fo wurde er nädtlider Weile er 
würgt, nicht etwa wegen feines Geldes, fondern damit ber 
Geift des Geſchiedenen mit -feinem PVerftande und feinen an 
deren ſchoͤnen Gaben bei der Familie bleiben möchte, damit 
fie durdy Erlangung derfelben in ihren Angelegenheiten Glüd 
hätten. Danach wurde der Mann als ein Gluͤckskind be 
tradhtet, der auf diefe Weife Die Eeele einer adeligen Perfon 
befaß, und Viele mußten ihr Leben darüber laſſen. Aber von 
der. Zeit an, als der Großfhan die Regirung Des Landes 
übernahm, hat er Maßregeln getroffen, diefe greuliche und ab- 
fheulihe Thorheit auszurotten, und in Folge ſtrenger Etra⸗ 
fen, die er über die Schuldigen verhängen ließ, hat fie auf⸗ 
gehoͤrt zu beſtehen. 


Einundvierzigſtes Kapitel. 
Bon der Provinz Zardandam und der Stadt Borlam. 


Wenn man von Karazan fünf Tagereifen weſtlich sicht 
fommt man in die Provinz Zardandam, welde zur Herrfihaft 
des Großkhan's gehört und deren Hauptftabt Unciam heißt 351). 


351) Nach Klaproth Heißt Zardandam (Ramuſio ſchrefbt Cardandan) 
im Perſiſchen, dem, wie wir ſchon oͤfter geſehen haben, Polo nicht ſelten 
folgt, ſo viel als Goldzaͤhne, was die Chineſiſchen Annaliſten durch Kin⸗ 
tſchi uͤberſetzen, womit fie Suͤdweſt-HYuͤnnan bezeichnen. Die Stadt Uncian, 
welches von den vielen abweichenden Schreibweiſen ver Mannffripte (Ra⸗ 
mufto fchreibt Vocian, A. Müller Unchiam ıc.) bie einzig richtige Lesart 
ift, bezeichnet, wie ſchon der Pater Marti. Martini (Atlas Sinensis I. c. 


L 


399 


Die Münze viefes Landes befteht in Gold nad, Gewicht und 
auch in Porzellanmuſcheln. Cine Unze Gold wird für flnf 
Unzen Eilber gegeben und ein Saggio Gold für fünf Saggi 
Eilber, weil e8 feine Silbergruben in dem Lande giebt, fon- 
dern nur Gold; demnad haben die Kaufleute, welche Eilber 
einführen, guten Gewinn 352). Männer und Weiber haben 
in dieſem ante die Gewohnheit, ihre Zähne mit dünnen 
Solvplätthen zu überziehen, die gar Fünftlihh der Korm ver 
Zähne angepaßt werben, welde ſtets damit bedeckt bleiben 353). 





— 


fol. 170) zuerſt richtig dargethau, die Etadt Dungstfchang (Yung-thang 
bei D’Anvilfe) im ©. W. von Talifu, auf dem Wege gegen Awa hin. 
Auch Abd-⸗allah Beidhawi, in feiner Hiftorie von Khatat, fpricht von dem 
Wolfe mit gelvenen Zähnen. Zwiſchen Katal, fagt er, und Karadjang 
nd mehrere Länder, jedes von feinem befonberen Könige beherrfcht. In 
einem berjelben haben die Ginwohner den Gebrauch, fi die Zähne mit 
Goldplaͤtichen zu bebeden, die fie abnehmen, wenn fie efien wollen. — 
Dies ift aber auch die Iepte Provinz MWeft-Dünnan’s, die Marco Bolo nennt: 
in allen feinen Angaben, die fräher ihm, wie Aehnliches auch Herodot 
and Pytheas von Maffilia traf (f. Bürd Allg. Geſch. der R. u. E. I.), 
nur Echmähreben veranlaßten, findet ſich bie gewifienhaftefte Treue, burch 
die verſchledenartigſten Zeugniffe der Autoren, der Chinefen, Mongolen, 
Perſer, Araber und Anderer auf das Merkwuͤrdigſte beftätigt, und das muͤh⸗ 
fame Beftreben bes gelehrten Orientaliſten, unferes beutfchen Landeman⸗ 
‚nes, zur Ehrenrettung des Benezianers, um ihn. vor leeren oberflächlichen 
Hypotheſen nnd Willfähren der Kommentatoren zu bewahren, worin ihm 
auch Pater Gabr. de Magalganes, B. Mart. Martini, Marsden, Zurla 
und Andere nach ihren Methoden, aber ohne Orientalifche Filologie, vor⸗ 
Hergingen, if für Aflatiiche Erdkunde nicht weniger verbienfllih. Eiche 
Ritter IV, 745 f. 

353) Achnlich war es mit dem Eilber der Fall. welches bie Föntzier 
von den Edulen des Herkules nach Arabien führten, wo es feltener und 
ſehr geſchaätzt war und mit gutem Gewinne gegen Gold ausgetauſcht 
wurde. ©. Buͤrck A. Geſch. d. R. u. E. 

363) Dieſe Gewohnheit finden wir bei mehreren Negervoͤlkern. P. 
Martini bemerft S. 207: Der Chinefifche Gefchichtsichreiber fügt," daß 
die Einwohner des großen Königreichs Kintfcht gar befondere Sitten ha⸗ 
ben; fie beveden ihre Zähne mit Golpplätichen, darum nennt man fie 
Sin⸗tſchi, das will fagen, mit goldenen Zähnen; andere haben lieber ganz 


398 


hinunterſchlucken laſſen, worauf fie das Gift wieder von fih 
geben. So hat man gleid das Gegengift für bie Liften die 
fer Elenden bereit. Bevor fie dem Großkhan unterthan wur 
den, war dieſes Volk folgender ſchaͤndlichen Gewohnheit er 
geben. So ein Fremder von Stand, der perſoͤnliche Schoͤn⸗ 
heit mit Tapferfeit vereinigte, feine Herberge in dem Haufe 
Eines von ihnen nahm, fo wurde er nädhtlicdher Weile er 
würgt, nicht etiva wegen feine Geldes, fondern damit der 
Geift des Geſchiedenen mit ſeinem DVerftande und feinen am 
deren fchönen Gaben bei der Familie bleiben möchte, damit 
fie durdy Erlangung derfelben in ihren Angelegenheiten Glüd 
hätten. Danach wurde der Mann ald ein Gluͤckskind be 
tradjtet, der auf diefe Weife die Eeele einer adeligen Perſon 
befaß, und Viele mußten ihr Leben darüber laſſen. Aber von 
der. Zeit an, als der Großkhan die Regirung Des Landes 
übernahm, hat er Maßregeln getroffen, diefe greuliche und ab 
fheuliche Thorheit auszurotten, und in Folge ſtrenger Era 
fen, die er über die Schuldigen verhängen ließ, hat fie aufs 
gehört zu beftehen. 


Ginundvierzigftes Kapitel, 
Bon der Provinz Sardandam und der Stabi Vociam · 


Wenn man von Karazan fuͤnf Tagereiſen weſtlich sicht 
kommt man in die Provinz Zardandam, welde zur Herrſchaft 
des Großkhan's gehört und deren Hauptſtadt Unciam heißt 251). 


351) Nach Klaproth heißt Zardandam (Ramuſio ſchrefbt Cardandan) 
im Perſiſchen, dem, wie wir ſchon oͤfter geſehen haben, Polo nicht ſelten 
folgt, ſo viel als Goldzaͤhne, was die Chineſiſchen Annaliſten durch Kin⸗ 
tſchi uͤberſetzen, womit fie Suͤdweſt-Yuͤnnan bezeichnen. Die Stadt Uncen, 
welches von ben vielen abweichenden Schreibweifen ver Mannffripte (Ru 
mufto fchreibt Vocian, A. Müller Unchiam 2c.) bie einzig richtige Lesart 
ift, bezeichnet, wie ſchon der Bater Mart. Martini (Atlas Sinensis I c. 


'899 


Die Münze dieſes Landes befteht in Gold nad, Gewicht und 
auch in Vorzelanmufheln. Cine Unze Gold wird für fünf 
Unzen Eilber gegeben und ein Saggio Gold für fünf Saggi 
Silber, weil e8 Feine Eilbergruben it dem Lande giebt, ſon⸗ 
dern nur Gold; demnach haben die Kaufleute, welche Eilber 
einführen, guten Gewinn 352). Männer und Weiber haben 
in dieſem Lande vie Gewohnheit, ihre Zähne mit dünnen 
Goldplaͤttchen zu überziehen, die gar Fünftlid der Form der 
Zähne angepaßt werben, welde ſtets Damit bebedt bleiben 353). 


— — — — — — — 


fol. 170) zuerſt richtig dargethan, die Stadt Yungstichang (Yung⸗tchang 
bei D’Anville) im S. W. von Talifu, auf dem Wege gegen Ama hin. 
Auch Abd⸗-allah Beidhawi, in feiner Hiftorte von Khatat, fpricht von dem 
Bolfe mit gelvenen Zähnen. Zwiſchen Kata, fagt er, nnd Karadjang 
nd mehrere Länder, jedes von feinem befonderen Könige beherrfcht. Im 
einem derſelben haben die Ginwohner den Gebrauch, ſich die Zähne mit 
Goldplätichen zu beveden, die fie abnehmen, wenn fie efien wollen. — 
Dies iſt aber auch vie Tepte Provinz Meft:Dünnan’s, die Marco Polo nennt; 
tn allen feinen Angaben, die fräher ihm, wie Aehnliches auch Herodot 
and Pytheas von Maffllia traf (f. Bürd Allg. Geſch. ber R. u. €. I.), 
nur Schmähreben veranlaßten, findet fich bie gewifienhaftefte Txeme, burch 
die verſchledenartigſten Zeugnifie der Antoren, ber Chineſen, Dongolen, 
Perſer, Araber und Anderer auf das Merkwuͤrdigſte beflätigt, und das muͤh⸗ 
fame Beſtreben des gelehrten Orientaliſten, unferes beutfchen Landoman⸗ 
‚mes, zur Chrenrettung des Benezianers, um ihn. vor leeren oberflächlichen 
Hypotheſen nnd Willführen der Kommentatoren zu bewahren, worin ihm 
auch Bater Gabr. de Magalhanes, PB. Mart. Martini, Marsden, Zurla 
amd Andere nach ihren Methoden, aber ohne Orientalifche Filologie, vor: 
hergingen, ift für Aflatifche Erdkunde nicht weniger verbienfllih. Siehe 
liter IV, 745 

352) Aehnlich war es mit dem Silber der Fall, welches die Foͤnizier 
von deu Ehulen des Herkules nach Arabien führten, wo es ſeltener und 
ſehr geſchaͤzßt war und mit gutem Gewinne gegen Gold ausgetauscht 
wurde. S. Buͤrck A. Geſch. d. R. m. E. 

363) Dieſe Gewohnheit finden wir bei mehreren Negervoͤlkern. P. 
‚Martini bemerft S. 207: Der Ehinefifhe Geſchichtsſchreiber ſagt, daß 
die Sinwohner des großen Königreichs Kintichi gar beſondere Sitten ha⸗ 
ben; fie bebeden ihre Zähne mit Golpplätichen, darum nennt man fle 
Sin⸗tſchi, das will fagen, mit goldenen Zähnen; andere haben lieber ganz 


400 


Die Männer mahen fi) auch dunkle Streifen ober Bänder 
um ihre Arme und Beine, indem fie auf folgende Weife aus 
punftiren. Cie haben fünf zufammengebunvene Radeln, vie 
fie in das Fleiſch drüden, bi das‘ Blut herausfommt, und 
dann reiben .fie die Punkte mit einem ſchwarzfaͤrbenden Stoffe, 
der nicht wieder zu vertilgen if. Soldye dunkle Streifen wer 
den als Schmuck und ehrenvolle Auszeihnung betradytet 354), 
Sie haben für nichts Anderes Einn als für Reiten, Jagen 
und was zur Führung der Waffen und zum Friegerifchen ke 
ben gehört; darum überlaffen fie die Leitung der häuslichen 
Angelegenheiten ihren Weibern, die zur Beihilfe ihrer Ber 
rihtungen SHaven haben, welche entweder gefauft werben oder 
Kriegdgefangene find. 

Diefes Volk hat folgenden eigenthuͤmlichen Brauch. Wenn 
ein Weib ein Kind geboren, das Bett verlaſſen und den Cäug 


ſchwarze Zähne, die fie mit Firnis oder mit irgend anderen Färbemitteln 
uͤberſtreichen.“ Der Brauch, die Zähne zu überplattiren und fie ſchwarz 
zu firnifien,  befteht nad Marsden auch unter ven Einwohnern vos 
. Sumatra und. wahrfcheinlich der Malayen im Allgemeinen; das thun jene 
namentlich Abende, um beim Burkelfcheine dem Redenden in Berfanmius 
gen einen ifeft bei feinen Zuhörern zu ſichern. Marsden hat Ned, 
wenn er vermuthet, daß. diefe Gewohnheit mohl bei allen Malayifchen 
Stämmen allgemein ſei; bie Reifenden berichten mehrfach davon; fo ſchea 
Pigafetta bei der erften Weltumfeglung: „Der König von Calagan (Mies 
banao) war fehr nett nach dem Gebrauche feines Landes gefleivet und der 
ſchoͤnſte Mann, den er unter diefen Völkern gefehen habe. Seine ſchwar⸗ 
zen Haare fielen ihm über bie Schultern herab; ein ſeidener Schleier be⸗ 
deckte fein Haupt und in den Ohren trug er zwei goldene Ringe. Be 
Gürtel bis auf die Knie war er mit Seide geftidiem Tuche bebedit, au 
der Seite trug er eine Art Dolch oder Säbel, der einen fehr fangen gob 
denen Griff hatte, die Scheide war von fehr gut gearbeitetem Holz Auf 
jedem feiner Zähne fah man drei Fleden von Gold, fo baf 
es fchten, als hätte er alle feine Zähne mit dieſem Metall eingefaßt. Gr 
hatte fih mit Etorar und Benzoe parfuͤmirt. Seine Haut war gemalt, 
ihr Grund aber olivenfarbig.” Bürd, Magellan over bie erſte Reife um 
bie Erde ©. 137 f. 

354) Das Taͤtowiren iſt unter allen Malayenſtoͤmmen ſehr gebrändäih 


401 


ling gewaſchen und eingewinvelt hat, fo nimmt der Mann 
fogleidy ven Platz ein, den fie verlaffen hat, und das Kind 
zu fih, das er vierzig Tage lang nährt. In diefer Zeit 
beſuchen ihn die Freunde und Verwandten der Familie und 
bringen ihm ihre Gluͤckwuͤnſche, während die Frau die haus» 
Ischen &efchäfte verrichtet, dem Manne Epeife und Tranf ans 
Bett bringt und den Säugling an feiner Eeite ſtillt 355). 
Diefes Volk verzehrt das Fleifh roh oder in der ſchon be- 
ſchriebenen Weiſe zubereitet und nimmt Reid dazu. Den 
Wein bereiten fie aus Reis, mit Gewürzen gemifcht, und es 
ift Dies ein guter Tranf. \ 

. In dieſer Landfchaft haben fie weder Tempel noch Goͤtzenbil⸗ 
der, fondern fie verehren den Aelteften, ven Familienvater, dem, 
wie fie fagen, fie ihr Dafein verdanken und fo Alles, was fie bes 
figen, ſchuldig find 356). ie haben gar feine Kenntniß vom 





355) Merfwürbiger Weiſe berichtet Xenophon biefelbe fonberkare 
Sitte von ven Tibarenern in Kleinufien, und auch bei den wildeſten Staͤm⸗ 
men Norbamerlfa’s findet man Achnliches. S. Bürd A. Geſch. d. R. u. 
@. I. ©. 233. 

856) Im Testo di lingua fteht: lo maggiore (mozore) della casa; 
bei Ramufto heißt es il piò vecchio di casa; in A. Müller’s Ueberſetzung 
progenitor; da auf dieſe Weife der Einn der verfchiedenen Ausgaben über- 
einftimmt, glaube ich, daß fie allerdings die Aelteften oder Väter ber 
Familie als ihre göttlichen Berather verehrten, mas auch fehr gut mit 
Ser Chinefifchen Rinvespietät gegen bie Eltern übereinftimmt. Marsben 
Aberſetzt the elder or ancestor of the family und erffärt In einer Note, 
daß wohl der allgemeine Ahnherr, bie Vorfahren darunter zu verftehen 
felen, und Ritter ftimmt ihm bei, indem er bie Worte Polv’s überträgt 
„fie verehren ihre Vorvaͤter“ und das als Heroenkultus auslegt. Hier: 
mit kann ich mich nicht einverftanden erklaͤren; das Volk wird ung von 
Bord: als ein fehr rohes ungebildetes gefthilbert und — von Goͤtzendienern 
eings umgeben — war es wohl nicht geeignet, eine bloße Idee zu ver- 
ehren, benn das wäre doch jedenfalls der Heroenfultus ohne Bilder; es 
verlangte für feinen Kultus etwas Sinnliches und da diefe Leute, 
wie Bolo ausdruͤcklich bemerft, feine Goͤtzenbilder hatten, fo nahmen fie in ber 
jenen Voͤlkern eigenen Pietaͤt ihre eigenen Alten, Väter ober Großvaͤter, 
zu Gegenſtaͤnden ihrer Verehrung, ihres Kultus. 

26 


402 


Schreiben; aud) darf man fid) Darüber nicht wundern, wenn man 
die rauhe Natur des Landes betrachtet, welches ganz gebirgig 
und mit dichten Wäldern bevedt if. Im Sommer ft bie 
Luft fo ſchwuͤl und ungefund, daß die Kaufleute und andere 
Fremde das Land. verlaffen müffen, um dem Tode zu ent 
gehen. Wenn die Eingeborenen einen Handel mit einander 
haben, wofür ein Schuldzeugniß ausgeftellt werden fol, fe 
nimmt ihr. Oberhaupt ein vierediges Stud Holz und theilt 
ed; dann werben Zeichen auf jedes der Stüde bemerkt, welde 
die fraglidde Summe fundgeben, und beide Parteien erhalten 
jede eins 387), gerade wie es mit unferen Kerbhölzern ge 
halten wird. Wenn der Termin abgelaufen ift und be 
Schuldner bezahlt hat, übergiebt der Gläubiger fein Gegew 
ſtuͤck und Beide find zufrieden geftellt. 

Weder in dieſer Landſchaft, noch in ven Etädten Kaindu, 
Unciam und Jaci findet man Leute, welde die Arzneifunf 
verftehen. Wenn eine vornehme Perſon erfranft, fo beruft 
ihre Familie die Zauberer, welche den Goͤtzen Opfer bein 
gen 358), denen giebt der Kranfe Rechenſchaft über fein Ge 
bredyen. Die Zauberer laſſen dann die Leute fommen, welde 
raufchende und laute Inftrumente fpielen, und tanzen danach 


— 





357) Knotenfchrift, wie bei den Eifan am Hoangho — diefe fun 
weder leſen noch fchreiben (Amiot, Ab. Remusat Rech. sur log Langus 
Tartares 66 — 6%; maden fie unter fi einen Bertrag, fo binden 
fie Etride an Holzſtuͤcke mit fo viel gefchlungenen Knoten, als bie Zahl 
ber getroffenen Uebereinfunft betragt (vie Ouippo oder Knotenſchrift, wie 
bei den Peruanern).“ Ritter IV. 505 — oder Schrift mit Kerbhoͤlzen 
wie bei den Tukhiu oder Turk der älteften Zeit (f. ebend. IF. 1131) we 
es noch die Samojeven oder Lappen im hohen Norden in Gebrauch habea: 
eine unftreitig antife Methode, die bis heute, nah Marsden's Berfiche 
zung, fogar noch bei gewiſſen Berechnungen im British Exrquequer is 

Gebrauch iſt; Note 859, 

358) Echamanendienft. Webrigens ift hier wohl zu beachten, daj 
Polo von hier nicht allein von Zardandam, fondern von mehreren Pu⸗ 
vinzen Katat’d und Manji's im Allgemeinen redet, wo Goͤtzendienſt herrſcht; 
denn in Zarbandam, fagt er, giebt es Feine Goͤtzen. 


⁊ 


—— 


403 


und laſſen Geſaͤnge erſchallen zu Ehre und Preis ihrer Gbgen, 
fo lange bis ber böfe Geift in einen von ven Tanzenden ges 
fahren if, worauf der Muſiklaͤrm aufhört. Sie befragen nun 
ven Beſeſſenen nady der Urſache der Krankheit des Mannes 
und um die Mittel, die man zu feiner Heilung brauchen 
folle. Der boͤſe Geif antwortet aus dem Munde deflen, in 
weldyen er gefahren, dag die Krankheit durch eine Beleidi⸗ 
gung, die einem gewiſſen Bögen wiverfahren, herbeigeführt 
worben. Darauf richten die Zauberer ihre Gebete an den 
Goͤven und bitten ihn, dem, Sünder zu verzeihen, mit der 
Bedingung, daß, wenn er hergeſtellt worden, er ein Opfer 
aus ſeinem eigenen Blute darbringen würde. Wenn aber 
der Dämon fieht, daß Feine Ausfiht auf Befferung vorhans 
ven, jo fagt er, ber Goͤtze ſei fo ſchwer beleivigt, daß Fein 
Opfer ihn befänftigen Fonne. Wenn er aber im Gegentheile 
meint, daß die Heilung leicht von Statten gehen werde, fo 
werlangt er, daß ein Opfer von fo viel Schafen mit ſchwar⸗ 
zen Köpfen gebraht werde, ald Zauberer mit ihren Weibern 
verfammelt find, und daß das Opfer von ihren Händen ver: 
richtet werde, woburd), wie er fagt, die Gottheit wieder vers 
föhnt werden Fönne. Die Verwandten willigen fogleid in 
Alles, was verlangt worden; die Schafe werben geſchlachtet, 
ihr Blut gegen den Himmel gefprigt, die Zauberer, Männer 
und Frauen, zuͤnden duftiged Aloeholz an und durchraͤuchern 
damit das ganze Haus des Kranken. ie gießen die Brühe, 
in welcher das Fleiſch gefotten worden, mit etwas &etränf, 
Ks aus Gewürzen bereitet worden, in die Luft und laden, 
fingen und tanzen rundum und meinen da, fie erwieſen ih- 
zem Gößen oder Gotte eine Ehre. Die nähfte Frage an den 
Beſeſſenen it, ob der Göge mit dem Opfer zufrieden fei, 
weldhes ihm dargebracht worden, oder ob er verlange, daß 
im nod ein anderes geweiht werde, und wenn er antwor⸗ 
tet, daß er zufrieden ſei, fo ſetzen fi) die Zauberer beiberlei 
Beidlehts, die mit ihren Gefängen nicht aufgehört haben, 
nieder, das Fleiſch zu verzehren, welches ald Opfer darge⸗ 
26 * 


404 


bradyt worden, und den Gewürztranf zu trinfen, von dem in 
die Luft gefprengt worben; das thun fie mit Zeichen großer 
Heiterkeit. Haben fie ihr Mahl beendet und ihren Lohn em- 
pfangen, fo kehren fie nach Haufe zurüd, und wenn burd 
Gotted Borfiht der Kranke genefet, jo fchreiben fie feine Hei⸗ 
lung dem Gößen zu, dem dad Opfer gebradyt worden; wenn 
er aber fterben follte, fo erklären fie, daß vie Feſtlichkeiten 
darum ohne Wirfung geblieben feien, weil die, welche bie 
Speiſen hergerichtet, ſich erfühnt hätten, davon zu Foften, be 
vor dem Goͤtzen fein Theil dargebradyt worden ſei. Dabei 
muß man wiſſen, daß diefe Zeremonien nicht bei ver Krank 
heit eines jeden Mannes vorgenommen werben, ſondern vie 
leicht nur ein=- oder zweimal im Laufe eines Monats für 
vornehme und reiche Leute. Sie find. jedody bei allen hei 
nifhen Einwohnern aller der Provinzen Kataia's uud Manji' 
gebräudlih, unter denen ein Arzt eine. feltene Erfcheinung iR. 
Und fo fpielen die Teufel mit ver Verblendung ſolcher ver⸗ 
fuͤhrter und elender Voͤlker. 


Zweiundvierzigſtes Kapitel. 


Wie der Großkhan die Eroberung des Koͤnigreichs Mien und  Bangelı | 
vollfuͤhret. 


Ehe wir weiter fortfahren, wollen wir von einer ar 
würdigen Schlaht reden, die im Königreihe. Unciam ver 
fiel 399). Es gefhah, daß im Jahre 1272 der Groffüer 


359) Die Lage der Provinz Yünnan im Often bes Nus Klang weh 
Langthſang⸗Kiang, wie im Suͤden des KinchasKiang, und ihre bedes 
tendſte Schneegebirgsfette, fowie deren Doppelverzweigungen gegen DR 
in die Nan-Ling- und Juling- Parallele möge man bei Ritter ſelbſt ia 
Bergleihung mit der Karte genauer nachfehen. Als Grenzprovinz as 
‚der alten und neuen Grenze gegen Tibet, gegen das Land der Birmanız, 
theilweiſe durchſchuiten vom weſtlichen Kincha⸗Kiaug (oder Pinlang 


405 


eine Armee in Die Länder Unciam und Karazan ſchickte, fie 
zu fügen und zu vertheinigen gegen’ jeglichen Angriff, ven 


..39- 





Hang) vom NusKiang und Lanthfang - Klang, im Shven an Laos, Anam 
ober Tonkin ſtoßend, wuͤrde die genauere Erforfchung biefer Landichaft, 
in. welche ber große Wendepunkt ber Gebirgs- und Stromfufteme ges 
gen Of, Nord und Süd fo harakteriftifch für das Ganze hervortritt, 

auch lehrreich für bie Betrachtung bes Ganzen fei. Aber, wenn ſchon 
pie Angabe ihrer einzelnen Lofalititen mit Polo’s Wanderungen beginnen, 
#6 find alle folgenden Nachrichten über fie nur Einzelnheiten geblieben, 
He man nur ben drei Perioben ber Eroberung und Zerftürung der Mons 
golen, der Eroberung durch die Mandſchu und der Landfartenaufnahme 
durch pie Sefuiten verdankt, denen aber die Großartigfeit und Mannichfal: 

figfeit der Naturverhältniffe und die Schwierigkeit der dortigen Völferverhält: 

atfie Feine Hare Cinficht, feinen Ueberblick über ein fo merkwuͤrdiges Laͤn— 
dergebiet geſtattete. — 

„Dieſes Land hatte in früheften Zeiten ſechs Gebirgsfuͤrſten, Tſchao's, 
yon denen der Im ſuͤdlichſten, Nantſchao, im fiebenten Jahrhundert n. Chr. 
ſich vier der übrigen Tſchao's unterwarf und dem Chinefijchen Kaifer hul⸗ 
Digte. Diefes Königreih Nantichao wurde, nachdem unter Mangufhan, 
defien Feldherr Urlangfhotat Tibet verwuͤſtet hatte, von demfelben Ober: 
ſeldherrn, dem auch der Prinz Kublat mit 100,000 Mann beigegeben war, 

äberfallen und im Jahre 1255 (N. Journ. As. I. 116 not.) verheert. Diefe 
Groberimgen gegen ben Süden wurden ben Mongolen nicht leicht, weil 
das wilde Gebirgsland, noch mehr aber das heiße und ſchwuͤle Klima die— 

fes fchon fubtropifchen Südens den Norberoberern fehr verderblich ward; 

won jenen 100,000 Mann kamen nur 20,000 mit dem Leben davon. Dec 
wurde dies. Land, das nun mit der Hauptſtadt Yünnan gleichen Namen 
erhielt, wirklich den Mongolen unterworfen und zur Provinz gemacht; 

aber. vie Feldzuͤge bes nachmaligen Kublaithan gegen das benachbarte 
Rgan⸗nan (Tunkin) mißlangen vreimal, bald hintereinander, im Jahr 1280 
und die beiden folgennen Male 1285 und 1287, wo fie von NYuͤnnan aus 
unternommen wurden (Gaubil S.194, 203, 207). Zu rafch durch die Ge⸗ 
birgebefileen vorbringend, wurde ihnen der Ruͤckweg abgefchnitten, bie 
Hige rieb die Norbländer auf und ber größte Theil ihrer Truppen ging 
wrloren. . Die Könige von Mientien (d. i. das heutige Birmanenreich in 
wa) mögen damals nach früher gehabter Fehde als ſuͤdweſtliche Nachbarn. 
von Dünsan mit den Mongolen befreundet (auf dem Wege über Bhanmo, 
an oberen Irawady) ober ihnen von Neuem unterwürfig worden fein, 
kaum vom Sahre 1297, fagen die Ehinefifchen Annalen, habe der Könlg von’ 
Mientien (er hieß Fitiya) feinen Prinzen (Sinhobati) mit Tribut an den 


406 


Fremde gegen fie ausführen möchten; denn zu dieſer Zeit hatte 
Ce. Majeität noch nit feine eigenen Söhne zu den Regiruns 
gen beftellt, wie zu thun fpäter feine Politif war; wie zum 
Beifpiel Eentemur, für den dieſe Plaͤtze zu einen Fuͤrſten⸗ 
thume hergeftellt wirden. Als der König von Mien und 
Bangala in Indien, der mädtig war in der Zahl feiner In 
terthanen, an Ländern und an Reichthum, vernahm, daß eine 
Tartarenarmee zu Unciam angefommen fei, faßte er ven Ent 
ſchluß, fogleidy vorzurüden, um fie anzugreifen, damit burd 
ihre Vernichtung der Großkhan abgeſchreckt werde vom ferne 
ren Verſuch, eine Etreitraft an den Grenzen feines Reiche 
aufzuftellen. Deshalb verfammelte er eine fehr große Arme 
mit einer Menge von lefanten, deren es fehr viele in die 


fem Lande giebt, auf deren Rüden Schloͤſſer von Holz ge 


ftellt wurden, deren jedes wohl zwoͤlf bis ſechszehn Soldaten 
zu halten vermodte. Mit diefen und einer zahlreichen Armee 
zu Roß und Fuß madıte er fi auf den Weg nad) Unelam, 
wo des Großfhan’s Armee lag, und ſchlug, um feinen Trup⸗ 
pen einige Tage Ruhe zu geben, in nicht großer Eutfernung 
von der Stadt fein Lager auf. Sobald die Annäherung des 
Königs von Mien mit einer fo großen Streitfraft Neftarbin, 


Kaiferhof der Mongolen geſchickt, wo er fehr gnäbig aufgenommen war 
(Mailla IX, 468). Ginen früheren Feldzug Kublaifhan’s aus dem fü 
wetlichen Dünnan im Jahre 1272 gegen Wien (b. i. das damalige König 
reich Awa), durch welchen daſſelbe ſchon früher tributpflichtig an die Dam 
ward, befchreibt Bolo in diefem Kapitel. Dies iſt alfo die merkwuͤrdigt 
Beriode, in melcher Eurz vorher der erfte und einzige Europäifche Bes 
obachter, eben der Benezianer, jene Gegenden bereifet und als Augen 
zeuge zum erfien Male über die Landſchaften von Dünnan Bericht gegeber 
bat, doch ohne fie noch mit dem Namen zu nennen, daher nur erſt eis 
gelehrter Kommentator und zwar auf Kenntniß ber einheimifchen, orien 
talifchen Sprachen und Gefchichtsquellen begründet, dieſen Bericht erläws 
tern, von hypothetiſchen Erflärungen befreien und für die Geografie auf 
bar machen konnte. Dies ift Durch Klaproth's Bemühungen gefchehen, wis 
. wir bereits angegeben haben. ©. Ritter IV, 732 ff. und vergl. bamit 
- bie neueren Nachrichten, nach Jefuitenberichten, ebend. 751 ff. 


407 


ber bie Truppen des Großfhan’s befehligte, befannt wurde; 
jo war biefer, obgleich ein tapferer und geſchickter Haupt⸗ 
mann, doch in Beſorgniß, da er nicht mehr als zwölftaufenn 
Mann, gediente Leute freilich und brave Soldaten, unter feis 
nem Befehle hatte, während der Feind fechszigtaufend hatte, 
außer ben Elefanten, die fo gerüftet iwaren, wie wir bereits 
angegeben. Doch verrieth er Fein Zeichen von Furcht, fons 
bern ftieg in die Ebene von Unciam hinab und nahm eine 
Ctellung, in weldyer feine Blanfe durd einen dicken Wald- 
von großen Bäumen gevedt war, wohin feine Truppen, im 
Sal eines wüthenden Angriffs der Elefanten, den fie nicht 
aushalten möchten, ſich zurüdziehen und von dort in Sicher⸗ 
heit fie mit ihren Pfeilen beſchießen koͤnnten. Ex rief die 
Haüptleute feiner Armee zufammen und ermahnte fie, nicht 
weniger Tapferkeit bei dieſer Gelegenheit zu entfalten, als 
fie es in früheren Kämpfen gethan, und erinnerte fie, daß 
der Sieg nidt von der Zahl der Leute, fondern von Muth 
und kriegeriſcher Erfahrung abhinge. Er ftellte ihnen vor, daß 
Die Truppen des Königs von Mien und Bangala roh und 
ungeuͤbt wären in der Kriegsführung, da fie Feine Gelegen- 
heit gehabt hätten, Erfahrung darin zu erlangen; daß, anftatt 
entmuthigt zu werden durch die größere Anzahl ihrer Feinde, 
fie Vertrauen auf ihre eigene Tapferfeit fühlen follten, Die 
ja fo oft die Prüfung beftanden hätte; daß ihr Name ſchon 
ein Gegenftand des Schredens fei, nicht nur dem Feinde vor 
ihnen, fondern der ganzen Welt, und er fhloß mit dem Ver⸗ 
fpredhen, fie zum ficheren Siege zu führen. Als der König 
von Mien erfah, daß die Tartaren in die Ebene hinabgefties 
gen waren, feste er augenblidlid, feine Armee in Bewegung, 
rüdte bis ungefähr eine Meile von dem Feinde vor und 
führte feine Truppen tin Schlachtordnung, ftellte die Elefanten 
an bie Front und die Reiterei und das Fußvolf in zwei aus—⸗ 
gevehnten Flügeln hinter ihnen auf, doch Tieß er zwiſchen ih- 
nen einen beveutenden Raum. Hier nahm er feinen eigenen 
Standpunkt, feuerte feine Leute an und forderte fie auf, mu⸗ 


408 


thig zu fehten und verfiherte fie, daß fie. fliegen würden, fo- 
wohl wegen ihrer überlegenen Zahl, da fie Vier gegen Ci 
nen wären, als wegen ihrer furchtbaren gerüfteten Elefanten 
maht, deren Gewalt beim Angriffe der Feind, der niemals 
mit folden Streitern zu thun gehabt, in Feiner Weife aus 
halten Fünnte. Darauf gab er Befehl, eine ungeheure Zahl 
von Kriegsinftrumenten erihallen zu laffen, und rüdte kuͤhn 
mit feiner ganzen Armee gegen die Tartaren, weldye ruhig 
-ftanden, Feine Bewegung madten, fondern fie den Verſchan⸗ 
zungen fidy nähern ließen. Dann aber brachen fie hervor 
mit muthigem Geifte und ver größten Begierde, zu Tämpfen; 
aber bald erſah man, daß die Tartariſchen Pferde, die den 
Anblick ſolch ungeheurer Thiere mit ihren Schlöffern nidt 
gewohnt waren, erjchredt wurden, fi wandten und zu fliehen 
ſuchten, und die Reiter Fonnten fie trog aller Anftrengung 
nicht zurüchalten, während der König mit feiner ganzen Trup⸗ 
penmafje mit jedem Augenblide mehr Raum gewann. Als 
der fluge Feldherr Diefe unerwartete Unordnung ‚bemerkte, er- 
griff er fogleih, ohne die Geiſtesgegenwart zu verlieren, die 
richtigen Maßregeln und befahl feinen Leuten abzujteigen um 
ließ ihre Pferde. in den Wald führen, wo fie an die Bäume 
feftgebunden wurden. Sobald feine Leute abgeftiegen waren, 
rüdten fie, ohne Zeit zu verlieren, zu Fuß gegen die Elefan ' 
tenlinie vor und ſchoſſen rafh und rüftig ihre Pfeile gegen 
fie ab, während dagegen die, welde in den Schlöffern ww 
ren, wie audy die übrigen Theile der Armee mit großer Thaͤ⸗ 
tigkeit. die Ladung zurückzugeben fuchten; aber ihre Pfeile 
brachten nicht diefelbe Wirkung hervor wie die der Tartaren, 
deren Bogen von Fräftigerem Arme gefpannt wurde. Die 
Lesteren ſchoſſen jo unermuͤdlich und richteten, nad) dem Be 
fehle ihres Feldherrn, alle ihre Waffen gegen die Elefanten, 
daß diefe bald mit Pfeilen bedeckt waren, plößlid das Feld 
raͤumten und fih auf die eigenen Leute ftürzten, die hinter 
ihnen aufgeftellt waren und fo in Verwirrung gebradt wur 
den. Es war ihren Führern weder mit Gewalt noch mit 


409 


Geſchicklichkeit bald nicht mehr möglich, fie zu halten. Wild 
gemadt durch den Schmerz ihrer Wunden und durch das Ger 
fhrei.. der gegen fie anrüdenden Feinde, waren fie nicht laͤn⸗ 
ger mehr zu halten, fondern liefen ohne Ordnung nad) allen 
Richtungen hin, bis fie zulegt, von Muth und Furcht getrier 
ben, in einen Theil des Waldes ftürzten, der von den Tars 
taren nicht bejept war. Die Folge hiervon war, daß wegen 
der Dichtigfeit der großen Baumäfte und Zweige fie mit lau- 
tem Gekrach die hölzernen Ecylöffer, die fie auf ihren Rüden 
teugen, zerbrachen und die, weldhe darin faßen, in die Zer- 
fiorung mit hineinzogen. Als die Tartaren die Verwirrung 
der Elefanten jahen, faßten fie frifhen Muth, zogen Trupp 
bei Trupp mit vollfommener Ordnung und Regelmäßigfeit auf 
zu ihren Pferden, ‘die fie wieder beftiegen, verbanden ihre 
verſchiedenen Abtheilungen und nun wurde ein blutiger und 
furchtbarer Kampf von Neuem begonnen. Auf der Seite der 
Truppen des Königs fehlte ed nicht an Tapferkeit, er felbft 
ging durch die Reihen und-bat fie, feftzuftehen und ſich nicht 
ſchrecken zu laſſen durch den Unfall, der die Elefanten be 
troffen. . Aber die Tartaren waren durd) ihr außerorventlidyes 
Geſchick im Pfeilſchießen zu mächtig für fie, und Die Feinde 
empfanden es fchmerzlih, daß fie nicht fo gewaffnet waren 
wie die Tartaren. Als die Pfeile auf beiden Seiten ver- 
fhoffen waren, griffen die Männer zu ihren Scwertern und 
eifernen Kolben und kamen heftig mit einander ind Hand⸗ 
gemienge. Da fah man nun fchnelle entfeglihe Wunden, ab» 
gefhlagene Glieder und Menſchenmaſſen, die zu Boden ftürzten, 
verftümmelt und tobt, und es floß fo viel Blut, daß es ein 
Grauen war, das zu fehen. So groß war auch das Getöfe 
der Waffen und fo fihredlid das Brillen und Schreien, daß 
der Lärmen zum Himmel aufzufteigen ſchien. Der König 
von Mien benahm ſich ald tapferer Feldherr und war überall 
gegenmärtig, wo die größte Gefahr ſich zeigte, feuerte feine 
Eolvaten an und bat fie, mit Kraft Stand zu halten. Er 
ließ neue Schwadronen von der Reſerve zur Unterſtuͤtzung 


410 


derer, welche erf—höpft waren, vorrüden. Als er aber zulept 
fah, daß es unmöglid, fei, den Kampf länger zu erhalten 
oder dem geivaltigen indringen der Tartaren zu wider 
ftehen, daß ber größere Theil feiner Truppen entiwerer ge 
tödtet oder verwundet und Das ganze Feld mit Leichen von 
Männern und Pferden bedeckt war, während die Ueberleben⸗ 
den bereit zuruͤckzuweichen begangen, da fühlte er ſich ſelbſt 
angetrieben, mit den Truͤmmern feiner Armee die Flucht zu 
ergreifen. 

Der Verluſt dieſer Schlacht, welche vom Morgen bis 
zum Abende dauerte, wurde ſchwer auf beiden Seiten gefuͤhlt; 
aber die Tartaren waren endlich doch die Sieger, und das 
war vorzuͤglich dem Grunde zuzuſchreiben, daß die Truppen 
des Koͤnigs von Mien und Bangala nicht bewaffnet waren 
wie die Tartaren und daß die Elefanten, vorzuͤglich die in 
den erſten Reihen, nicht im Stande der Vertheidigung me 
ten, der fie befähigt hätte, bie erften Ladungen der feindlichen 
Pfeilſchuͤſſe abzuhalten, wodurch fie den Feinden Gelegenheit 
gaben, ihre Reihen zu breden und fie in Unordnung zu 
bringen. in Punkt von vielleicht noch größerer Wichtigkeit 
ift, daß der König feinen Angriff auf die Tartaren nicht in 
einer Stellung, wo ihre Flanke duch einen Wald gefdüpt 
war, hätte machen, ſondern lieber verſuchen ſollen, ſie in das 
offene Feld zu ziehen, wo fie dem etften ungeſtuͤmen An 
griff der bewaffneten. Elefanten nidyt würden widerſtanden, 
und wo er durd Entfaltung der Reiterei feiner beiden Fluͤ⸗ 
gel fie würde umringt haben. Als die Tartaren den Feind 
gefhlagen und nun ihre Streitkräfte twieber zufammengegogen 
hatten, Fehrten fie zum Walde zurüd, in. welchen die Elefan⸗ 
ten, Schutz zu ſuchen, geflohen waren, und wollten fid ihrer 
bemädhtigen. Da fanden fie die Leute, die der Niederlage 
entgangen waren, befchäftigt, Bäume zu fällen und fid zu 
verbarrifadiren, um fi zu verteidigen. Aber ihre 2er 
fhanzungen wurden bald von den Tartaren zerftört und dieſe 
bieben Diele nieder und fingen mit dem Beiſtande derer, die 


411 


die Führung der Elefanten gewöhnt waren, von dieſen Thie- 
ren bis zur Zahl von zweihundert 360). Seit diefer Zeit 


360) D’Ohfion erzählt nach De Buignes Aber dieſe Schlacht (IT. 
442 fj.): Der Prinz Siankur hatte im Jahr 1283 den Befehl erhalten, 
die Eroberung des weftlichen Theile von. Dünnan zu vollenden, welches 
die Fürftenthümer Taizliu und Yung-tſchang umfaßte (man fehe hierüber 
die frühern Anmerf., befonders 347). Er hatte eine Armee von 12,000 
Mann, die unter ihm von den Generälen Kulid und Naffirsud:vin (der 
Neftardin Polo’s) befehligt wurde. Der König von Mien, dem diefe bei: 
den Länder ohne Zweifel tributbar waren, waffnete fih, die Mongolen 
zuruͤckzutreiben. Weber die Echlacht felbft folgen beide Gefchichtfchreiber 
dem fehr merkwuͤrdigem Berichte Polo’s. Interefiant iſt noch der Vers 
gleich dieſer Schlacht mit Aleranders Beſiegung des Inpifchen Königs 
Porus, wo ebenfalls die Elefanten fo große Verwirrung in den Reihen 
ihrer Lente anrichteten. ©. Bird A. Geſch. d. R. u. E. S. 386 ff. — 
Mailla berichtet (IX, 419) nur ſehr kurz über die Eroberung des Könige 
reihe Mien⸗tien. 

Nach einer Inffripzion zu Sagaing (©. J. Crawfurd Embassy 
p. 492) ſoll der dritte der Panyaregenten (deren Dynaftie vor Ende 
bes breizehnten Jahrhunderts auf den Thron gehoben wurde,) In feinem 
fänften Regirumgsjahre durch ein Chinefenheer zuräcdgefchlagen worden. 
fein. Es if nun die Frage, ob bies derfelbe (Fitiya) war, von dem {A 
einer der vorigen Anmerkungen bie Rebe gewefen und ob bies Kublat’s 
Teldzug gegen Mien, den Polo nennt? — Dies feheint nur einer der 
vielfachen Verſuche zivilifirterer Nachbarftaaten geweſen zu fein, das Bir⸗ 
manenland zu unterjochen, dem deſſen Bewohner nicht ſowohl durch Muth 
‚und Energie Widerſtand leiſteten, ſondern vielmehr die natürliche Schutz⸗ 
mehr der Wildniſſe und des Gebirgslande, von denen es norbwärts auf 
allen Eeiten umgeben if. Die Gefchichte gedenkt eines früheren Einfalts 
vom Jahre 1233 und diefes ſchimpflichſten, der fie nicht in das Jahr 1272, 
fondern in das Jahr 1277 fept (oder vielmehr 1283, nach den Autoritär 
ten, die wir angeführt haben), in welchem aber die Chinefen am weites 
fien gegen Süpen, bis Awa, vorgebrungen fein follen, das ja Polo auch 
wirflih bei diefer Gelegenheit befchreibt. Aus diefer Zeit fol noch die 
Birmanifche Provinz, im S. W. von Ama, bis Beute Ihren Chinefifchen 
Namen Taruk Dau (d. h. Chinefifche Landzunge vom Irawadi gebilvet) 
beibehalten haben. R. V, 300 ff. — König von Mien und Bangala 
nennt Polo den befiegten Herrfcher wohl darum, weil derfelbe einige nord⸗ 
öftlicde Provinzen von Bengalen erobert hatte. — Pater Martini (&. 170) 
erinnert zu biefem Kapitel, daß alfo die Quandymafle- der Mongolen von 


412 


hat der Großkhan immer Elefanten bei feinen Armeen ver 
wendet, was er früher nicht gethan. Die Folgen dieſes Sie⸗ 
ged waren, dag Ce. Majeftät Befig nahm von den ganzen 
Beigungen des Könige von Bangala und Rien und ie 
jeinem Reiche einverleibte. 


Dreiundvierzigftes Kapitel. 
Von einer wilden Gegend und dem Königreih Mien. 


Wenn man die Provinz Zardandam verläßt, fo Fommt 
man auf einen weiten Sinabftieg, den man zwei und einen 
halben Tag hinabzicht ohne Wechſel und ohne daß man eine 
Wohnung fieht. Dann erreiht man eine weite Ebene, auf 
weldyer drei Tage in jeder Woche eine Menge Handelsleute 
fid) verfammeln, von denen viele von den benachbarten Ber 
gen herabfommen und Gold mitbringen, um es gegen Silbe 
zu verwechſeln, welches die Kaufleute, die aus fernen Gegen 
ven hierher kommen, zu biefem Zwecke herbeifchaffen, und ein 
Saggio Gold wird fir fünf Saggi Silber gegeben... Es iſt 
den Einwohnern nidyt erlaubt; ihr eigenes Gold auszuführen, 
fondern fle müffen es den Kaufleuten übergeben, welche ihnen 
dafür die Gegenftände geben, welde fie verlangen, und 
da nur die Eingeborenen zu ihren Wohnplägen gelangen Ton 
nen (jo body und feit ift deren Lage und fo ſchwierig der 
Zutritt), jo werden die Gefchäfte in der Ebene abgemacht. 
Veber diefe Gegend hinaus, nad) Suͤden gegen Die Grenzen 
von Indien, Tiegt die Stadt Mien 261). Die Reife dauert 


Mittag her zuerfi in Eina eingebrochen und daſelbſt die erfte Staffel zu 
dem . ganzen Siniſchen Kaiſerthume gelegt habe; erft 1280 wurben. bie 
Sung (oder Song, wie ich fie von den beften neueren Autoritäten, unter 
anderen auch von Neumann gefchrieben finde) in Maha⸗Tſchin (Manji) 
vernichtet. 

. 861) Bitter. meint; (IV. 146 ß), Polo heile jenen Feldzug aus Dun 


413 
fünfzehn Tage durch ein wenig bevölfertes Land und durch 


nan gegen Ama offenbar als Augenzeuge mit, woraus ſich fein Sinab- 
fteigen von der Gebirgsprovinz Zardandam zum Tieflande von Mien ober 
Ama ergebe, und das Suͤdende der Gebirgslandfchaft zum Tieflande des 
Irawadi, den er jedoch bei der Kapitale von Mien nicht nennt (f. frü- 
here Anm.), mit ihren goldenen pyramidalen Königsmaufoleen, die Ku: 
blai, ohne fie zerfiören zu laffen, in Befiß nahm. Nur durch ein fehr 
ftarfes Hinabfteigen (grandissima discesa) von zwei ‚und einem halben 
Zage aus der Gebirgsprovinz von Yungtfchang Fann man, fagt er, in 
bie. Pianura ampla e spatiosa gelangen, wo, alfo am Suͤdfuß des Ge: 
Pirgsfaumes, wahrfcheinlich im Thale des heutigen Nu⸗Kiang, der uoth: 
wenbig überfeßt werden muß, uum zum Sramadithale gegen Awa vorzn- 
dringen, ein Marftverfehr zwiſchen den Bewohnern der Ebene und des 
Gebirgslandes gehalten zu werben pflegt; es ift offenbar der Grenzmarkt 
und Grenzumfaß zwiſchen dem Amwareiche und dem Chinefischen, oberhalb 
Bhanmo, den auch Colon. Eymes bei feiner erſten Geſandtſchaftsreiſe dort 
erfundete. Hier, in ber Nähe war es, wo bie Echlacht geliefert wurde, 
die dem Großkhan den Sieg gab. — Kehren wir zu dem hohem Alpen⸗ 
Iande von Dünnan zurüd, fo fehen wir, daß biefelben Orte, wie fie Polo 
yon D. nah W. befchrieben Hat, in der Richtung der großen Heerſtraße 
Hegen, wie man fie, von Pefing fommend, im Even bes großen Kiang- 
firumes aufwärts gehend, buch Nuͤnnan zu berühren pflegt; wenn man 
die Straße nad) Awa nehmen will. Das Routler des Birmantfchen Ge: 
fandten, Zabua, aus dem berühmten Birmanifhen Grenzmarkte, eben 
jenem Bhanmo, welches derfelbe dem Kolon. Symes und Dr. Fr. Has 
milton (Edinb. Philos. Journ. 1820. Vol. III. p. 32) gab, beweift dieſes. 
Sie betreten, von Oſten herfommend, die Grenze der Provinz und Fehr 
ten in ber heutigen Kapitale in Dünnansfu ein, :gingen aber von ba Ik 
15 bis 18 Tagereifen durch Bergland, 44 geogr. Meilen direften:Abftund 
gurüdlegend, nad) Yung-tfchangsfu. Der gewöhnliche Weg führt durch 
Tſchuhiungfu, Talifu und Yungtfchangfu; dieſe beiden legten Stazionen 
rechnet man fleben Tagereifen weit aus einander. Ehe man. biefe Tepte 
Etadt erreicht, muß man den Kiulongfluß (d. 1. der Langthfang - Kiang) 
überfesen, den der Birmaniiche Gefandte den Maekhaun nennt. Es ift 
der Eirom von Kambodja, einer der gewaltigften Ströme, der ganz Düne 
aan vom Norden nach Süden durchfchneinet, von bem wir aber. nur we: 
zig erfahren. Nach einer neuen Kartenzeichnung heißt er bei den Chine⸗ 
fen der Nenndrachenfluß (Keuslung Kiang bei. Ir. Davis.) —:— Don 
Yungstfhangsfu wird nah fünf Tagereifen. Tengejuetichu, zehn geogr. 
Meilen fern, erreicht, das am Suͤdfluſſe des: bis jett-befannten ſuͤdweſt⸗ 


414 


Wälder, in denen es viele Elefanten, Rhinozeros 362) und 
andere wilde Thiere giebt, doch auch gar Feine menſchlichen 
Wohnungen zu erbliden find. 


— — — — — 


Bierundvierzigftes Kapitel. 
Mon der Stadt Mien und einem großen Grabmal ihres Könige. 


Nachdem man, wie bemerft, fünfzehn Tage gereift if, 
erreiht man bie Stadt Mien 363), die große und praͤchtige 


lichen ewigen Schneefeldes auf der Grenze des Chinefifchen Reichs liegt. — 
Man fehe weiter Ritter’s Erklärungen aber dieſe „wichtige Durchgang 
linie, die einzig erforfchbare, ‚der Heeres: und Handelsſtraße, welde zus 
gleich die einzige der Ziviliſazion und der Kultur zu fein ſcheint, au wel 
cher and) die Handelsmaͤrkte, Kapltalen umd Reſidenzen erbant find.” 

362) Der wilde Glefant findet fich in allen tiefen Waͤldern des Bes 
manenlandes von den nörblichften bis zu den fuͤdlichſten Landſchaften, aber 
ganz vorzüglidh Häufig in den Waͤldern von Pegu. Die Barietäten, wels 
he hier vorkommen, weichen nicht befondere von ber gemeinen Afiatifchen 
Spezies ab. Sie werben, wie auch bie Rhinnzerofe, von ben wil⸗ 
den Gebirgsvölfern, den Karian, gejagt und ihr Fleiſch if nicht nur eis 
bar, fondern wird von ihnen für eine große Delifatefie gehalten. Nur 
innerhalb ber Tropen, glaubt man, erreicht der Elefant feine größte Voll⸗ 
fommenheit; aber auch da find fie fich keineswegs gleich, ihr Schlag fcheizt 
gielmehe nach den verfchlevenen Lokalitaͤten und fyſikaliſchen Beſchaffen⸗ 
heiten der Länder auch fehr verſchieden zu fein. Alle Glefauten, die 
man in Birma fängt, müflen dem Könige abgeliefert werben. Er be 
fißt deren an 1000 Etüd, davon aber nur ein Theil gezähmte find, bie 
unter einem beſonderen Stallmeifter, dem Sen Wun, flehen; der andere 
Theil, die Lodelefanten, die man in der Nähe der Waldungen ſtazilonirt, 
haben ihren befonderen Chef, den Aolma; beide bienen zw Elefantenjag⸗ 
den und zum Pomp bei Eöniglichen Feſten. R. 

363) Mien ik Awa. Die Stadt Ama liegt unter 219 50° R. Br. 
und 96° 0 D. 2. von Greenw, in einer reichbewaflerten. und reichbeban 
ten Ebene am ©. D. Ufer bes Irawadiſtromes, von zwei kleineren Fluk 
fen numflofien. Sie heißt Aengwa, Aen⸗na, d. h. Fiſchteich, weil fie on 
fieben Teichen, vom denen noch fünf in der Gegend Abrig blieben, erbazt 


415 
Rayitale des Koͤnigreich. Die Einwohner ſind Goͤtzendieners 64) 





ward. Diefer' ame wurde erft von Hindn und Malayen und dam auch 
von Europaͤern in Awa verdreht, nach welchem nun auch das ganze Koͤ⸗ 
nigreich genaunt wurde, ein Name, der im Lande ſelbſt ganz unbekannt 
blieb. In allen offiziellen Urkunden heißt ſie in Pali: Ratanapura (oder 
Yatana) d. i. Juwelenſtadt, die Herrſcherin über Thunapara (d. i. Gold⸗ 
land, im Oſten des Irawadi) und Tam⸗pa⸗di⸗pa (Kupferland im Welten 
des Irawadi.) — Marama oder die Große Marama, im Gegenſatz ber 
Kleinen Marama, wie fih die Bewohner von Rakhain (d. 1. Arafan) nen= 
nen, ift feit den legten Sahrhunderten die eigene Benennung des Birmas 
nenvolfes gewefen, bie in Mranma oder Myanma, daher Myen oder 
Mien bei Marco Polo, zufanmengezogen wird. Diefer Name wurde in 
ver Perſiſchen Sprache, welche zu Eolonel Eymes Zeit die der diploma⸗ 
Afchen Verhandlungen war — (man flieht alfo, wie das Perſiſche noch 
immer weithin in Aflen gewiffermaßen als gebilbetere ober vornehmere 
Sprache gebraudt wird, wie es wohl zu Polo’s Zeiten, der ja fo oft 
Berfiiche Benennungen braucht, noch ausgedehnter ver Ball gemwefen fein 
mag) — in Birma und Birman im PI. verbreht, was die moderne 
Schreibart der Briten in Burman, Burmefenreich mwiebergiebt (vergl. 
Ritter IV, 1201, 1224 und V, 300 fi.) — Die Stadt Awa hat drittehalk 
We drei Stunden im Umfang. Sie iſt mit einer großen Backſteinmauer 
wmgeben. Die Häufer find meiſtentheils Hütten mit Gras: bedeckt; bie 
Säufer-ver Chefs beſtehen aus Planken mit Ziegelvächern, fle liegen zer⸗ 
ſrent über dem ganzen großen Raume; dazwifchen liegen elf große Bas 
zars oder Märkte, deren Butiken gut mit. Waaren verjehen find aus Lao, 
China, Hindeftan und England. Die vielen Tempel mit weißen, vergols 
beten Thürmen geben der Etabt ans ber Ferne einen glänzenden Impas 
fonten Aublick, der aber in ber Mähe gänzlich verfchtwinvet. Der größte 
berfelben heißt Logatharbu; er beficht aus zwei Tempeln in alter und 
moberner Form; in jenem iſt außer vielen anderen auch ein Folofinler ſitzen⸗ 
ker Gautama aus Sanpftein gehauen. — Es wuͤrde zu weit führen, wolls 
tem; wir über bie lebten Kriege ver Engländer im Awa⸗ ober, Birmanen; 
zeiche und die neueren Verhaͤltniſſe noch etwas fagen, wir verweifen anf 
Bitter und die von biefem augeführten Werke. 

364) Buddhakultus. „Ihre Religion ift von den Bubpbiftifchen For⸗ 
men, Doktrinen und Zeremonien ihrer Nachbarn in. Kambadja, Eiam, 
Geylen in feinem weſentlichen Punkte verfchienen, fie weichen nur in den 
Außeren Formen von einander in manchen Punkten ab.“ Ihre Hauptlehre 
iR die Serlenwanderung. Die Guten kommen, nad) einer Anzahl von 
Transmigrazionen, in den Himmel, in eine ewige. Seligkeit, wo Gau⸗ 


* 


416 


und haben ihre beſondere Sprade 865). Es wird erzählt, 
dag in dieſem Lande vormals ein reicher und mädtiger Mon- 
arch regirte, der, als er feinen Tod nahen fühlte, an ver 
Etelle, wo er begraben werden wollte, zu Haͤupten und Fü: 
en des Grabmals zwei Pyramidenthuͤrme aus Marmor errich⸗ 
ten ließ, die zehn Schritt body und von angemeffenem Umfange 
waren und deren jeder auf der Epige eine Kugel trug. Eine 
diejer Pyramiden war mit Platten von Gold von Daumes 
vide bevedt, fo daß nichts als Gold zu fehen war, und bie 
andere mit Platten von Eilber366). Rings um die Kur 
geln waren Heine Gloden von Gold und Eilber aufgehängt, 
bie erflangen, fobald der Wind fie in Bewegung ſetzte. Das 
Ganze gewährte ein prädtiges Schauſpiel. Das Grab war 
in gleicher Weife mit goldenen und filbernen Platten bebedi. 
Das ließ ver. König herftellen zu Ehren feiner Seele um 


tama, ihr hoͤchſter Gott, und die Heiligen wohnen; aber bie Boͤſen im: 
men an einen Höllenert. S. Ritter V, 287 und IV, 1170 5. 

365) „Die Struktur der Birmanenſprache iſt fehr einfach, wie die 
aller Hinterindijchen Sprachen. Alle nicht vom Pali abgeleiteten_ Woͤrter 
find Monofyllaben und felbft die polyfollabifchen von da abgeleiteten es; 
fheinen, als ſei jede Silbe ein bifiinftes Wort. Hierdurch, wie durch 
bie vielen Gutturals, Ziſch⸗ und Nafenlaute erfcheint die Rede wenigfiens 
dem Fremden fehr monoton und unmuſikaliſch.“ Dan ſehe Ritter V, 
233 ff. 

366) Gold wird an einigen Stellen im glußſcnde gewaſchen, doch 
nirgends, ſagt man, in großer Menge. Deſto auffallender iſt der größte 
Lurus der Vergoldung bei den Architekturen und Skulpturen für Tempel, 
wozu auch wohl das meifte verwendet wird. Vieles foll aus China (dem 
golpreihen Dünnan, wo, wie wir gefehen haben, das Gold nur. fünf um 
ſechs Mal fo viel werth ift, als das Silber, während in-Birma fiehzehr 
Mal fo viel) eingeführt werden. Der Goldglanz, bemerkt ſchon Colonel 
Eymes, gehe den Birmanen über Alles; was zum Koͤnigshauſe gehört, 
muß ben Beinamen bes Golves (Shoe) führen und vergofpet fein, von 
den Rudern ber Föniglihen Gondeln bis zu dem Dache des Palaftes und 
ber Pajoden. Das Gold iſt den Birmanen das. Eymbol des Vortrefflich⸗ 
ſten in jeder Art; fie fchlagen daher nie Münzen daraue ſondern ver⸗ 
wenden es nur zum Putz. Ritter V, 243 f. 


N 


417 


dag fein Andenken .nie untergehen mödte. Da ber Groß⸗ 
Ian den Beſchluß gefaßt hatte, dieſe Stadt in Befig zu neh 

‚fo jandte er einen tapferen Oberften hierher, um dies 
auszufüßren, und die Armee wurde nad) ihrem Wunfhe von 
einigen der Gaukler oder Zauberer begleitet, von denen immer 
eine -große Anzahl am Hofe war. Als biefe in die Etabt 
traten, fahen fie. die beiden fo reich verzierten Pyramiden, 
wollten fid, aber damit nicht befafien, bi3 fie nidt Er. Ma 
jeſtaͤt Befehle, was mit ihnen zu thun wäre, erkundet hät 
ten. Als der Großkhan erfuhr,, daß fie zum: frommen An- 
denken eines früheren Königs errichtet worden, wollte er nicht, 
dag fie. nur im Geriugiten -betaftet over beſchaͤdigt würden, 
do. die, Tartaren gewohnt find, es als ‚eine abſcheuliche Hand- 
lung zu beitadyten, wenn man einen Gegenſtand, der einem 
Todten gehört, wegnimmt. In diefem Lande werben viele 
Elefanten, große und ſchoͤne Ochſen 997), außertem Hirfche, 
Dammhirfhe und andere Thiere in großer Menge gefunden. 


Fuͤnfundvierzigſtes Kapitel. 
Bon ber Provinz Bangala. 


Bangala 368) ftößt gegen Mittag an Indien und war 
noch nicht vom Großkhan eingenommen, ald Marco Polo noch 
an feinem Hofe war. "Die Kriegsunternehmung gegen dieſes 
Land beihäftigte Kublai’8 Armee eine geraume Zeit, da dad 
Land feſt und fein König maͤchtig iſt, wie ſchon berichtet wor⸗ 
ben HER). Es hat feine eigene Sprache. Das Volk beſteht 


367) Buͤffel, bie ſehr häufig find in Birma. 
368) Bangälah iſt die urſpruͤngliche Aus ſprache und Schreibart des 
Königreich, Bengalen. 
369 In Ramufio’s Ausgabe ſteht irrthuͤmlich und allen anderen Ei, 
onen widerſprechend: La ‚provinia di Bangala — la quale al tempo, 
27 


| 
| 


J 


418 


aus Goͤtzendienern, und e3 giebt Lehrer unter. ihnen, bie an 
der Spite der Eulen flehen, um in den Grundſaͤtzen ihrer 
heidniſchen Religion und der Negromantie zu unterrichten, 
deren Lehre bei allen Etänden, ſelbſt bei den Vornehm⸗ 
ften. und den Fürften des Landes, vorherrfhend iſt. Od: 
fen werben hier gefunden, die fo groß find wie Elefan⸗ 
ten, aber nit fo did. Die Einwohner leben von Fleiſch, 
Milh und Reid, an denen fie Lleberfluß haben. Es waͤchſt 
viel Baumwolle im Lande und blüht der Handel. Epife 
narde, Galgant, Ingwer, Zuder und viele Arten von Spe 
jereien giebt es unter den Erzeugnifien des Bodens, die zu 
faufen die Kaufleute aus den verſchiedenen heilen. Indiens 
hierher ziehen. Aud handeln fie Eunuchen, . deren - ed eine 
Menge im Lande giebt, ald Sklaven ein; denn Alle Gefan 
gene, die fie im Kriege machen, werden augenblidlic ent 
mannt, und da jeder Fürft und jeder Vornehme wuͤnſcht, fe 
als Wade für feine Frauen zu haben, fo erhalten die Kauf 
leute einen bedeutenden Gewinn, wenn fie fie in andere Kö 
nigreiche verführen und .dort verfaufen. Dieſe Provinz hat 
breigig Tage in Ausdehnung, und an ihrer öfllichen Grenze 
liegt ein Land, Namens Kangigu. 


Sechsundvierzigſtes Kapitel. 
Von der Provinz Ranglgn 79). 


Kangigu ift eine Landſchaft, die nad Oſien Liegt „un 
von einem Könige vegirt wird. Das Volk betet Göpen an, 


che M. Polo stava alla corte ilGran Can la sottomesse al suo impero, 
e stette l’hoste suo gran tempo all’assedio di quella.* 

370) Ueber die nun bis zum 51. Kapitel folgenden Laudſchaften ms 
Städte find wir fehr im Dunkeln. Marsven und Balbelli Boni has 


ben fih bemüht, buch Namenähnlichkeiten ac. dieſelben zw entiif: 


fern, allein’ es iſt ihnen Durchans mißlungen. Ktaproth giebt barkber 


419 


Hat eine ‚befondere Sprache und hat ſich freiwillig dem Groß⸗ 
fhan unterworfen, dem es einen jährliden Tribut bezahlt. 
Der König iſt finnlihen Genüfjen ergeben. Er hat gegen 
breihumdert Frauen, und wenn er von einem ſchoͤnen Weibe 
hört, fo ſendet er nad) ihm und fügt ed jener Zahl bei. 
Gold wird hier in großer Menge gefunden und auch viele 
Arten von Epezereien, da ed aber ein Binnenland ift, fern 
von der Eee, fo giebt es wenig Gelegenheit, fle zu verfau- 
fen. Die Einwohner leben von Fleiſch, Reis und Mild. 
Eie haben feinen Wein aus Trauben, fondern bereiten ihn 
aus Reis, mit Gewürzen gemifht. Männer und Frauen 
haben ihre Leiber ganz überpunftirt (tätowirt) mit Figuren 
von Thieren und Voͤgeln, und es ‘giebt befondere Künftler 
unter ihnen, deren einzige Befchäftigung es ijt, diefen Schmuf 
mit der Spitze einer Nadel auf die Hände, die Beine und 
die Bruft zu zeichnen. Wenn diefe Punkte mit einem ſchwarz⸗ 
faͤrbenden Stoffe überrieben worden find, fo tft es unmoͤglich, 
ſei e3 mit Waffer oder was fonft, die Zeihnung wieder zu 
‚verlöfhen. Die Männer ober die Frauen, welche bie größte 


feine Aufklaͤrung und Ritter ſchweigt. Die Befchreibungen Bolo’s find 
bier überbem zu allgemein gegeben, als daß man einen ficheren Haltpunft 
an ihnen finden. Fönnte; Daß aber biefe. Gegenden zu China ſelbſt, dem 
früheren Reiche der Eung, gehören, darf nicht beftritten werben, denn 
Polo fagt .ohne Weiteres: „dieſe Landſchaften find dem Großfhan unter- 
worfen“ und „es Eurfirt hier das Papiergeld des Kaiſers,“ nur. find fie 
noch gänzlich undurchforfcht. Wir müffen Polo's Richtung nordoͤſtlich bis 
Sindinfu (Tſchingtufu — im 49. Kapitel) ‚wieder verfolgen; er-tfi auf 
ber Rödreife von Ama nad Pefing, nur auf einem anderen 
Wege. Ich will die leeren Hypothefen bei einzelnen Angaben nicht noch 
vermehren und bemerfe nur, daß Kangigu unmöglich Tunfin oder Tong- 
Ung fein fann, wie Baldelli ausführlich darthun will, ben dieſes würde 
gi weit. fünöftlih, ganz aus ber Richtung, bie Polo verfolgt, und am 
Meere liegen, während Polo auedruͤcklich jagt, Kangign fei tief. im Lande ge- 
legen (ma per esser fra terra, e molto discosto dal mare); es bezieht 
Ach vielmehr in Richtung und Beſchrelbung auf Afam und bie, wilden 
Bergvoͤlker zwiſchen Bengalen, Birma und Nuͤnnan. 


27 + 


—— 


420 


Menge folder Figuren auf dem Leibe haben, werden fuͤr die 
ſchoͤnſten gehalten. 
Siebenundvierzigſtes Kapitel. 
Bon der Landſchaft Anm. 
Amu liegt gegen Often und feine Einwohner find dem 


Großkhan unterworfen. Cie find Gögendiener und leben von 
dem Fleiſche ihres Viehes und den Fruͤchten der Erde. Eie 


haben eine befondere Eprahe. Im Lande giebt es vice 


Pferde und Ochſen, die von reifenden Hanteldleuten ge 
fauft und nad) Indien geführt werben, aud Büffel in gro 
fer Menge, in Bolge der Weiden und fchonen Chenen. 
Männer und Frauen tragen Ringe von Gold und Eilber an 
ihren Gelenfen, Armen und Beinen, aber die der Fraum 
find Eöftliher. Die Entfernung zwiſchen dieſer Landſchaft und 
der von Kangigu beträgt zwanzig Tagereifen. — Wir wol 
[en nun von einer Provinz, die. Tholoman heißt und adt 
Tage von Amu liegt, reden. 


Adtundvierzigfte Kapitel 


Bon Tholoman. 


Die Landfhaft Tholoman Tiegt nad) Dften und ihre Eis 
wohner find Goͤtzendiener. Sie haben eine befondere Eprade 
und find dem Großfhan unterworfen. Die. Leute find groß 
und wohlgebildet, ihre Farbe neigt fih mehr zum Braune 
als Lichten. Eie find gerecht in ihren Handlungen und w 
pfer im Kriege. Viele ihrer Städte -und Burgen Tiegen auf 
hohen Bergen. Sie verbrennen die Leider ihrer Todten, un 
die Knochen, die nicht zu Aſche werben, Iegen fie in häere 
Buͤchſen und führen fie auf die Berge, wo ſie biefelben is 


— — — — — — — — 


421 


Selfenhöhlen verbergen, damit fie nicht von den milden Thie⸗ 
ren gefunden werben. : Gold giebt es hier im Ueberfluß. 
Zu. ihrem kleinen Gelde brauchen fie die Porzellanmufdeln, 
die aus Indien Fommen, und diefe Art Münze ift auch in 
den beiden vorerwaͤhnten Landſchaften Kangigu und Amu zu 
finden. Ihre Speiſen und ihr Trank ſind dieſelben wie die 
ſchon erwähnten. 


Neunundvierzigſtes Kapitel. 
Don den Staͤdten Gintigui, Sindifu, Gingui, Pazanfı. 


- Wenn man die Landfchaft Tholoman verläßt und weiter 
nad) Oſten reift, zieht man zwölf Tage an einem Fluſſe 
hin 271), auf deſſen beiven Eeiten viele Staͤdte und Schlöffer 
liegen, bid man enblid die große und ſchoͤne Stadt Cintigui 
erreicht. Ihre Einwohner find Gößendiener und Unterthanen 
des Großkhan's. Cie find Handeldleute und Handwerker. 
Eie bereiten Zeuch aus der Rinde gewiſſer Bäume, dad gar 
gut ausfieht und die gewöhnliche Sommerbekleidung für beide 
Geſchlechter abgiebt. Die Männer find tapfere Krieger. Sie 
haben fein anderes Geld ald das von Sr. Majeftät geſtem⸗ 
pelte Papier. 

Sn diefer Provinz find die Löwen (Tiger) fo zahlreich, 
dag die Einwohner aus Furcht vor ihren MUeberfällen bei 
Nacht nicht außer ihren Städten fchlafen koͤnnen, und bie, 
welche den Fluß befchiffen, dürfen nicht wagen, mit ihren 
Kaͤhnen an den Ufern anzulegen und da zu ruhen, denn 
man weiß, daß diefe Thiere fih in das Waſſer ftürzen, an 
das Fahrzeug ſchwimmen und da die Leute herauszgiehen; fons 
dern fie muͤſſen in der Mitte des Etromes ankern, wo fie 
wegen feiner großen Breite fiher find. In dieſem Lande 

871) Hier fommen wir alfo wieder. an ben Kincha Ktang ober ei⸗ 
nen ſeiner großen Suflüffe vom Süden. 





422 


werden auch tie größten und wildeften Hunbe, die es giebt, 
“ gefunden; tieje jind fo muthig und ſtark, dag ein Mann mit 
einem Paar verfelben über einen Löwen. Herr werben kann. 
Eolite er bewafjnet mit Bogen und Pfeilen und von. jenen 
Thieren begleitet einen Löwen treffen, fo hebt ex die unver 
zagten Hunde auf ihn und dieſe greifen ihn auch fogleid 
an. Ter Lowe ſucht inftinftmäßig einen Baum, vor den er 
fi) ftelfen fann, damit die Hunde ihn nicht faffen koͤnnen 
und daß er feine Feinde vor fid) hat. Sobald er die Hunde 
bemerft, zieht er fid) gegen ven Baum zurüd, doch thut er 
dies mit langfamem Schritt und läuft nicht etwa, damit es 
nidyt fcheine, ald zeige er Furcht, was fein Stolz nicht zw 
geben würte. Nun fuht er die Hunde zu paden, fie find 
aber zu ſchnell für ihn und fpringen zurüd, er aber geht 
wieder bedaͤchtigen Schrittes zurüd; doch bevor er feinen Platz 
wieder erreicht, iſt er durch fo viele Pfeile verwundet und 
fo oft von den Hunden gebiffen worden, daß er vor Schwaͤche 
und Blutverluft niederſtuͤrzt. Auf dieſe Weife wird er end- 
lid) gefangen oder erlegt. 

Hier wird außerordentlich viel Seide gewebt, Die in gro 
per Menge -in andere Gegenden verführt wird und zwar zu 
Schiffe auf den Fluſſe, welher an Etäbten und Burgen vor 
beiftrömt, und das Volk lebt gänzlid vom Handel. Nat 
Verlauf von zwölf Tagen fommt man an die Stadt Eivinfu, 
von welcher fchon berichtet worden 372), Von da erreiht 
man in zwanzig Tagen ®ingui3?73) und in weiteren vier 


372) Bei Ramufio fteht wohl nur als ein Druckfehler Sidinfu. Mas 
fehe über dieſe Stadt und ihre Umgegend das 36. Kap. d. B. und bie 
Anmerk. 

373) Gingut wird von Marsden und Baldelli für Giogiu (Gouza bei 
Ramuf.) — Tichostfchlu (28. Kap. d. B.) gehalten. Jedknfalls bezeich⸗ 
net dieſe Stabt das Ziel der Rüdfehr und beginnt. mit dem folgenden Ba 
zanfu eine neue Tour Marco Polo's; doch erfcheint dieſer ganze lepte 
Theil des Kapitels zu kurz und unklar in feinen Angaben, ſo daß bie 
Muthmaßung nicht fern liegt, es habe hier eine ſtarke Korrupzion de 


423 


Tagen die Start Bazanfu 374), die zu Kataia gehört und 
nah Suͤden Hegt, wenn man zur anderen Eeite der Provinz 
zurüdfehrtt. Die Einwohner beten Gögen an und verbrennen 
die Leichen ihrer Todten. Auch giebt es hier gewiffe Chris 
fien, die eine Kirche haben. Sie find dem Großkhan unter 
than und fein Papiergeld Furfirt bei ihmen.. Cie gewinnen 
ihren Lebensunterhalt durch Handel und Gewerbe, denn fte 
haben Seide im lieberfluß, aus der fie golddurchwirkte Stoffe 
fertigen, wie auch fehr ſchoͤne Schaͤrpen. Ein großer Fluß 
fließt vorüber, auf welchem reihe Waarenladungen nad) Kam 
balu geführt werden; denn man hat viele Kanäle gegraben, durch 
wekche die Verbindung mit der Hauptftadt hergeftellt ift 379). . 
Wir wollen aber diefe Stadt verlaffen und von einer anderen, 
Namens Cinngelu, reben. 


Fuͤnfzigſtes Kapitel. 
Bon der Stadt Ciang⸗lu. 


Ciang-⸗lus76) ift eine große Stadt, die gegen Süden 
und in der Provinz Kataia liegt. Sie gehört zum Reiche 
des Großfhan’s. Die Einwohner beten Goͤtzen an und vers 
brennen die Leichen ihrer Todten. Das Stempelpapier des 


Worte Polo's ftattgefunden und fel ein Theil feines Berichtes ausgefallen. 
Mit ven Worten „la qual’ & verso mezzodi, ed’ & della provincia de 
Catajo ritornando per l’altra parte della provincia,‘ foll wohl gefagt 
werben, daß er nur den Weg im Dften Kataia's nach Süden verfolge. 
374) Pazanfu Hält. Balvelli für Pao⸗ting⸗fu in Pe⸗tſche⸗li, am Fluſſe 
En, welches zu Polo's Zeiten Baostfchen-fu genannt worden ſei. (Mart, 
Atl. Sin. p. 20.) 
375) Wir find Hier im Gebiete des Hoangho und des großen viel: 
verzweigten Ratjerfanales, von dem noch die Rede fein wird. 
376) Cianglü, nach. B. B. Moanstichin, das unter der Gerichtsbarkeit 
von Pao⸗tſcheu ſteht und früher Dongrie genannt wurde „ist gen, de 
la Chine XII, 2%.) 


424 


Kaiferd Furfirt bei ihnen. In diefer Stadt ımb in der fie 
umgebenden Gegend bereiten fie große Maflen von Salz und 
zwar auf folgende Weile. In dem Lande wird eine falzhal- 
tige Erde gefunten. Diefe ſchichten fie in große. Haufen auf 
und gießen Waſſer darüber, welches durch-die Maſſe dringt, 
die Ealztheile einzieht und fi in SKandlen fammelt, aus 
denen ed in fehr umfangreide Pfannen gebradht wird, bie 
aber nicht mehr als vier Zoll hoch find. In dieſen wirb es 
forgjam gejotten und dann läßt man es Fryftallifiren, Das 
fo bereitete Salz ijt weiß und gut. Die, welche fich hier 
mit beidhäftigen, haben guten Gewinn und der Großkhan zieht 
gute Kinfünfte hiervon. Diefe Gegend erzeugt eine Menge 
wohlſchmeckender Pfiriihe, die fo groß find,. daß eine von 
ihnen wohl zwei Pfund Marktgewidyt wiegt 377). 


Einundfünfzigftes Kapitel 
Bon der Stadt Ciangli. 


Ciangli278) iſt auch eine Stadt von Kataia, die gegen 
Suͤden liegt und dem Großkhan gehört. Die Einwohner ber: 
jelben find Gögenviener und haben auch des Kaifers Papiers 
geld. Eie it von Gianglu fünf Tagereifen weit entfernt, 
während welcher man an vielen Staͤdten und Burgen vor 
überzieht, die aud zu dem Reihe Er. Majeftät: gehören. 
Es find das große Handelspläge, und der Zoll, der von iks 
nen erhoben wird, beläuft fi) zu einer hohen Eumme. Durch 
dieſe Etabt ftrömt ein breiter und tiefer Fluß, auf dem Ma; 
fen von Waaren gefahren werden, die in Seide, Epezereien 


377) Peso della sottile, nach ven Woͤrierbüchern „ein Gewicht fuͤr 
feine Waaren, das leichter iſt als das gewoͤhnliche.“ 

378) Ciangli iſt Detfchen im Bezirke von Pao⸗ting, welches früher 
ben Namen Tichangli Hatte. . (Hist. gen. de la Chine XII, 21.) 9. 2. 


425 


und. anderen werthvollen Artikeln beftehen. — Rir wollen 
nun dieſe Etadt verlaffen und von einer anderen, Namens | 
Zudin=fu, reden. 


Zweiundfuͤnfzigſtes Kapitel. 
Bon der Stadt Tupinfn. | 


- Wenn man Eiangli verläßt umd ſechs Tagereifen nadj 
Suͤden zieht 379), Fommt man an viele Städte und Bürgen 


379) Polo giebt in feiner Kürze eine ganz vortreffliche Beſchreibnug 
biefer reichbevölferten gewerbthätigen Provinzen bes eigentlichen Ghina 
und es iſt nur zu bevauern, daß wir fo gar wenig neuere Nachrichten 
über fie haben, die ung Iehrreichen und interefiauten Vergleich mit den 
Angaben unferes Reifenden gewähren würden; benn nicht allein, daß fich 
bie Namen feitvem vielfach verändert haben, daß uns Polo's Benennun⸗ 
gen oft verftummelt zugefommen find und die Gelehrten diefelben nur mit 
der genauften Kenntniß orientalifcher Sprachen und Ghinefifcher Gefchichte 
entziffern koͤnnen — fondern unfere große Unbefanntfchaft mit den Ders 
haͤltniſſen und der DBefchaffenheit jener Gegenden wird uns auch nach les 
berwindung aller dieſer Echwierigfeiten bis jebt auch zu wenig mehr als 
alfgemeiner Feftitellung der Namen führen. Der neuern Zulafjung bes 
Europäifchen Handels in China feheint es aufbewahrt zu fein, nach und 
nach Aufklaͤrung hierüber zu geben. 

In diefen Kapitel gelangen wir zu der iſolirten Gebirgshalbinfel 
Schautung und ihrer ‚Kapital. Diefe Halbinfel iſt als- die noͤrdlichſte 
der großen fechs Kuͤſtenprovinzen Ehina’s befannt, die im Süden durch 
ben Hoangho von Kiangnan, im Weit durch den Kaiferfanal von Petfchelt 
gefchieden und bort mit fumpfreicher Niederung, vielen fiehenden Eeen 
und Flußlaͤufen umgeben, indeß ihre öflihe Eeite ringsum vom Meere 
umflofien if. Vom 15. bis 3. Juli 1793 wurde fie vom Britifchen 
Schiffe der Macartney Embafjade zum erften Male durch Guropälfche Bes 
obachter umfegelt, wobei man ihre fteilen, oͤſtlichen Vorgebirge kennen 
lernte. €. weiter Ritter IV, 540 ff. — Ueber bas Innere biefer gebir⸗ 
gigen Halbinfel find wir fo gut wie gar nicht unterrichtet, denn bie Je⸗ 
fuitenpatres preifen nur wie gewöhnlich im Allgemeinen (Du Halde T.L 
c. I. p. 212) die Sruchtbarfeit, die 6 Provinzen, die 114 Städte, 15 Fe⸗ 
flungen, die Häfen und die vielen Produkte, die fie beſitze. Der große 


——- 


426 


von beträdhtlicher Wichtigkeit und Größe, deren Einwohner 
Goͤtzen anbeten und die Todten verbrennen. Sie find dem 
Großkhan untertfan und haben das Papiergeld. Eie treiben 
Handel und Gewerbe und haben Lebensmittel im Ueberſluß. 
Zu Ende diefer ſechs Tage fommt man an eine Stabt, Na 
mend Tudinfu, die vormals eine praͤchtige Kapitale war, 
aber der Großkhan unterwarf fie ſich durd die Gewalt ver 
Waffen. Cie gewährt einen reizenden Aufenthalt mit ben 
Ihönen Gärten, die fie umgeben und die mit Bäumen, Buͤſchen 
und herrlihen Srüdten prangen. Seide wird: hier in reicher 


Kaiſerkanal, der fie im Weften umziehe und von ber. Provinz Pestfche:iy 
abfchneide, fei mit einer unfäglichen Dienge von Schiffen und Waaren 
bedeckt, deren Durchzug allein dem Kaiſer als Zoll jährlich zehn Mille: 
nen (?) abmwerfe (vergl. das vorige Kapitel Polo's). Dadurch erhalten 
die Städte Echan-tung’s, die am Kanale felbft liegen, wie Lin:tflstichen, 
Tongstfhang-fu, Tſi⸗ning-fu, Danztfcheu-fn und auch bie entfernteren, 
wie die Kapitale Schantung’s, Tfienausfa, am Kuͤſtenfluß Ta-tein:ho, der 
gegen N. DO. zum Golf’ fließt, ihre große Bedentung, ihren Wohlfand, 
ihre ſtarke Populazion. 

Dieſe letztere, die Kapitale Tſi⸗-nan⸗fu, d. h. im Säben des Tfiflufes 


liegend, ward von Polo befucht und Tu-dinsfu genannt. Sie liegt 


noch innerhalb der bergigen Landſchaft Echanztung’s, von fruchtbaren Thäs 
lern, Aderfelvern, mit heerdenreichen Weidelaͤndern und fifhreichen Seen 
umgeben, wie mit Bergen, reich an Gifenerze; fie führt ihre Probufte 
alle auf vem Kanal ans. Die Jeſuiten fagen, Weis, Hirfe, Weizen, 
Gerſte, Bohnen u. a., viel Geflügel, Wild, Bifche Hätte die ganze Pro; 
vinz in unfäglicher Menge, wie Obſt aller Art, und Anderes ſei in folchem 
Weberfluffe vorhanden, daß hier das mohlfeilfte Leben Rattfinde und eis 
einziges fruchtbares Jahr fo reichen Ertrag gebe, daß bie Provinz davon 
zehn Sahre zehren und doch noch ansführen koͤnne. Bw bem eigens 
thämlichften Produkten des Landes wird die wilde Seidenraupe gerechnet 
(Martini fol. 55), welche ihre Seidengefpinnfte auf dem Felde an den Baͤu⸗ 
men fich ſelbſt in lange Fäden ziehe, die dann an allen Gefträuchen und 
Heden hängen und vom Winde hin und hergeführt werden. Ans biefer 
Seide (Im Kuan⸗yu⸗ki wird fle Efe genannt) werben. audy Zeuge gewebt 
(Kteustfchen genannt), die zwar nicht fo fein wie die der Zuchtfeide ſind, 
aber deſto fiärfer umd dauerhafter, nur von nicht angenehmer, wechfelnber 
Barbe, grau, gelblich oder weiß, daher fehr wohlfell. R.— 


4217 


Menge erzeugt. Eie hat unter ihrer Gerichtsbarkeit elf große 
Etädte des Reichs, die alle Hanvelspläge find und Ueberfluß 
an Eeide haben. Bevor fie Er. Majeftät unterworfen wurde, 
war fie ber Regirungsſitz ihres eigenen Koͤnigs. Im Jahre 
1272 beſtellte Se. Majeſtaͤt einen ihrer vornehmſten Haupt⸗ 
leute, Namens Lukanſor, zum Statthalter dieſer Hauptſtadt 
und gab ihm Befehl uͤber achtzigtauſend Roſſe zum Schutze 
dieſes Theiles des Landes. Da dieſer Mann ſich als Herr 
eines reichen und ergiebigen Kreiſes ſah, wurde er in Stolz 
berauſcht und ſann auf Rebellion gegen ſeinen Oberherrn. 
Darum zog er die erſten Maͤnner der Stadt in ſeinen Plan 
und mit ihrer Hilfe gelang es ihm, den Aufruhr in allen 
Städten und Feſtungsplaͤtzen der Provinz zu erregen. Cor 
bald der Kaifer von dieſer Verrätherei Kunde erhielt, ſchickte 
- er eine Armee von hunderttaufend. Mann ab unter dem Bes 
fehle zweier anderer feiner Barone, von denen einer Angul 
und. der andere Mongatai hieß. AS Lufanfor hörte, daß 
fi) diefes Heer nahe, verlor er feine Zeit, eine nicht we- 
niger zahlreiche Armee zu fammeln als feine Gegner hatten, 
und führte fie ihnen fo ſchnell ald möglich, entgegen. Es 
war eine. heftige Schlacht auf beiden Eeiten, als aber end» 
lich Lukanſor getödtet wurde, ergriffen feine Truppen die Fludt. 
Viele wurden vor Se. Majeftät gebradjt, der bie Anführer 
hinrichten ließ, die Anderen aber begnabigte und in feine eis 
genen Dienfte nahm, in welden fie fih fortan treu ers 
wiefen 380), 


380) Nach den Ehtnefifchen Gefchichten begab fich das im Jahr 1262; 
Lufanfor wird darin Li⸗tan genannt; diefe Namenverfchledenyeit wird 1De- 
niger ihren Grund in einer Korrupzion der Bolo’fchen Echreibwelfe ha: 
ben, als vielmehr darin, daß fie einer und derſelben Perfon verſchiedene 

Namen geben, die ungefaͤhr dem Praͤnomen, Nomen und Agnomen bet 
Roͤmer entſprechen. Die beiden Generale Kublat’s werden Hapiffcht oder 
Apitfche und SfetienstfchE genennt. Hist. gen. de la Chine IX, 298; 
vergl. .D’Ohsson II, 381 f.) 9* 


428 


Dreiundfünfzigfted® Kapitel. 
Bon der Stadt Singuimatu. 


Wenn man von Tudinfu fieben Tage nach Süden weiter 
zieht, fo kommt man burd viele Etäbfe und feſte Plaͤtze, 
wo Handel und Gewerbe blühen. Die Einwohner find Goͤtzen⸗ 
Diener und tem Großfhan unterthban. Tas Land hat viel 
Wild an Thier und Vogel und Ueberfluß an Allem, was 
man zum Leben bedarf. Nach Verlauf der fieben Tage kommt 
man an die Etadt Eingui-matu 381), durch welche, jedoch 
mehr auf der fürlihen Eeite, ein großer und tiefer Fluß 
ftrömt, den die Bewohner in zwei Arme getheilt haben, von 
denen einer feinen Lauf nad) Morgen nimmt und durch Ka 
taia fließt, während ber andere einen weftliden Lauf ver: 
folgt und nad)’ der Provinz Manji zieht. Auf diefem Fluſſe 
gehen fo viele Ediffe, dag ihre Zahl unglaublid erjcheinen 


381) Der vergeblichen Bemühung ber früheren Kommentatoren zur 
Ausfindung bes völlig unbefannten Ortsnamen Singuimatu {ft man’ durd 
Klaproth (Mescr. du Grand - Canal etc. extr. d’ouvrag. Chin. Möm, 
T. III. p. 323) glüdlich überhoben: das © fei ein Schreibfehler ftatt 
F und Fingui⸗matu zu leſen, d. 1. Fenschouismastheou nach Italienifcher 
Schreibweife (fprich Fen wie Fun), das heißt „der Waflertheilung Ha: 
fenort.” Hiermit flimmen bie neuen Brittfchen Reifenachrichten gut über; 
ein. Der Wen⸗-ho (Luen irrig bei Etaunton), fagen fie, der waſſerreichſte 
der Kanalzuflüffe, ergießt fid) transverfal in denfelben. Eine ftarfe Mauer 
fihert Hier die Ditfeite des Kanals; an biefe prallen die Waller des Wen; 
ho an, theilen ſich und fliegen dem Kanal gegen N. und ©. zu, fo baß 
Schiffe, mit ihm kommend fogleich zweierlei Laufe folgen koͤnnen. Hierin 
lag die Möglichkeit offen vor Augen, das Nord: und Suͤdreich hydrogra⸗ 
fifch zum verbinden, da Doppelfeitiger Zufluß der Wafler von beiden Eel; 
tenhöhen, von Oſt (MWen-ho) wie von Weit (Wei-ho) etwas weiter im 
Norden vorhanden war und es nur ber Schleußen zum Aufſtauen der 
Waſſer bedurfte, da Wafferfülle felbft bei ver Einftlichen Bifluenz des Wen⸗ 
ho nicht fehlte, den Echleußenabzug des Kanafgefälles gegen Norden und 
Süden zu erfegen. Auch heute fteht hier noch ein eleganter Tempel, der 
dem Flußgotte erbant if. R. 


429 


moͤchte, und auf ihnen. werben von einer Provinz zur an 
deren alle Arten von Waaren und Proviant verführt. Wahr: 
lid es ift ftaunenswerth, Die Menge der Schiffe zu fehen 
und wie groß fie find, die fortwährend auf» und abziehen, 
beladen mit Waaren vom größten Werth 382). Wenn man 


382) Leber den großen Kaiferfanal fehe man die fchon angeführte 
Schrift Klaproth’s und Ritter im IV. Bd. d. Erbbefchr.; wir ziehen nur 
@iniges unferen Autor näher Erflärende aus: Die vielen Kunftfanäle in 
China dienen flat der dort nur feltenen großen Landitraßen zum Waaren⸗ 
transport und fur Reiſende (vergl. 49. Kap. dieſes Buchs, was Polo 
bei Pazanfu fagt); fie find mit dichtem Gedraͤnge voruberziehender Jun: 
ken, Transportfchiffe und Floße bedeckt, von Millionen Menfchen benust, 
deren Gewerbe nur auf fie angewiefen erfcheint. Es find die naͤhrenden 
Adern der Gewerbihätigfeit und des Verkehrs im Lande, noch mehr ale 
die Ströme, deren ungebändigter Lauf, erft in dieſe mildere Kunftform 
umgewandelt, allfeitig zur Irrigazion und zum Traneport dienen fann. — 
Der Kaiferfanal, der größte dieſer Kanaͤle, kildet die große Kommunifas 
zionslinie zwifchen Being, der Nordrefidenz, und den mehriten Prorinzen 
der Mitte und des Suͤdens; er verfnüpft den unteren Lauf aller großen 
Oſtſtroͤme China's in dem Gebiete von Bestfchesiy bis Kiang⸗ſt und Fu⸗ 
Han (Bosfien) zu dem grandiofeften Fluß: und Kanalſyſteme der Alten 
Welt, dem nur das Ruſſiſche und Norbamerlkanifche an die Seite geftellt 
werben kann. Zu feiner Musführung waren viele Jahrhunderte hindurch 
die Arbeiten von Millionen der Individuen nothwendig. — Die Chinefen 
nennen biefen Kanal Yun-ho d. h. Transportftrom oder Yun⸗liang-ho d. h. 
- Transports und Waarenftrom, Tſao-ho d. h. Transportfirom bes Hoftris 
buts oder auch, obwohl am feltenften, Yusho d. h. Kaiſerſtrom oder Kat: 
ferfanal. Er durchfchneidet das ganze ozeanifche oder maritime China, 
d. i. fein Geftaveland von Hang⸗tſcheu-fu (30% N. Br.) in Tichesfiang, 
durch Kiangsfu, Echanztung, Betfche-Iy bis Peking. Cein erfter Zweck 
‚ war ben Transport von Korn, Reis und anderen Produften, die als Tribut 
abzuliefern waren, zu erleichtern. Vor Alters dienten dazu die fchiffbaren 
Flüſſe; wo Ihre Schiffbarkeit aufhörte, vertheilte man die Waaren an 
Laftträger bis zum nächften Schiffsplatze. Diefer Beſchwerde abzuhelfen, 
liegen fchon die Kaifer der Handynaftie Kandle graben, um in ihre Ka⸗ 
pitale, wie an bie Grenzen bes Reichs, Korn, Reis und anderen Pros 
viant zu transportiren. — Sehr viele Arbeiter wurden zur Herftellung 
dieſer Kandle verbraucht, fo. bag in der Mitte des zweiten Jahrhunderts 
n. Chr. der Dienft der Laftiräger, ber ein Srohmbienft war, Im ganzen 


430 
Singui⸗matu verläßt und weitere ſechszehn Tage nad) Suͤden 


Neiche aufgehoben wurde. Eeit diefer Zeit fommuntzirten die großen 
Stroͤme durch Kanaͤle und waren weithin ſchiffbar. Seit den Han Eis 
zu den Mien, db. 1. bis zur Mongolenherrfchaft, ward aber bie Melden 
öfter in verjchiedene Provinzen verlegt; daher mußten dann jeveamal neue 
KRommunifazionen ausgeſonnen und eingerichtet werden. Kublai ift es, 
der vorzüglich viel für diefe Mafferverbindungen gethan, und unter feinen 
Nachfolgern wurden fie immer mehr vervollſtaͤndigt. Im fünfzehnten 
Jahrhundert wurde der Kanal in allen Thetlen vergrößert und in dieje⸗ 
nige Geſtalt gebracht, die er darauf bis heute behalten hat. — Nach den 
Chinefiſchen Autoren heißt es über die einzelnen Etreden des Kanalkanes: 
Um die Echwierigfeit der Verbindung des Hoangho mit den Zuflüffen zum 
Vefinggolf zu überminden, haben die Chinefen damit angefangen, von 
der Höhe der Mafferfcheidung die Eenfung des Bodens gegen N. W., 
d. 1. gegen die Ufer des Wei:ho und Tſchang-ho (ein Iinfer Zufluß von 
jenem), abzumefien, ſewie gegen ©. D. gegen den Hoangho. Die noͤrd⸗ 
liche, die erfte, wurde zu 90 Tſchang (Toifn? d. 1. 540 Buß), die ſuͤd⸗ 
liche zu 160 Tſchang (d. 1. 960 Fuß) befunden. Demgemäß baten fie 
unterhalb Wen-⸗ſchang-hian (Woenschang Fei D’Anville) ven Lauf des Wen: 
bo, der von N. D. zu dem Kanale fommt, getheilt. An diefer Etelle 
ift die Landfchaft zu beiden Seiten des Kanals mit Waſſern bedeckt, deren 
Seefriegel in Oft Matſchanghu, Schuſchanhu (Ehoschanshu bei D’Anville), 
in W. Nanmwanghu heißen. Der Wen-ho am Zufammenfluffe mit dem Ka 
nal erhielt nun Fünftliche Ufer. Seiner Einmündung gegenüber, an ber 
Eeite des Kanals, wurde befien Ufer mit einer foliven Duadermaner be: 
kleidet, um ber Gewalt der dert anjchlagenden Stromwaſſer Widerſtand 
zu Teiften. In der Mitte bemerkt man kaum eine Bewegung, aber zu 
beiven Seiten, gegen Norden und Suͤden, etablirte ſich fogleich eine zwei 
fache, kontraͤre Etrömung, davon eine zum Nordgolf nach Betichelt, bie 
andere gegen Suͤden zum Hoangho geht. Beim Ausgraben des Kanals 
zur Anfnahme diefer Wafler hatte man zur Seite aus ber geroonmenen 
Erde große Hügel aufwerfen Iafien, die mit Bäumen bepflanzt wurden, 
worunter auch Ricinus. Diefe Etelle hieß Ben: fhulsnanswang 
Die Barken, welche bier (auf diefer Kulminazion des Kanalſyſtems) aus 
Tegen, bringen im Tempel des Dradenfönige der Waſſertheilung (Ber 
ſchui⸗ nan⸗-wang Miao) ihr Opfer. Das Wafler der benachbarten Seen im 
Oſten iſt ebenfalls durch eine große Menge Schleußen in den Kanal ge 
Yettet, der hierdurch feine Speifung von der Höhe erhält. — Diefer we 
fentlichfte Theil der Kanalanlage iſt entfchteven ein Werk aus ber Zeit 
des Mongolenkaiferse Kublat; denn Marco Polo giebt ans bet der Takonk 


431 


geht, kommt man fortwährend durch Handelsſtaͤdte und an 
Schlöffern vorüber. Das Volk im ganzen Lande befteht aus 
Gögendienern und iſt dem Kaifer unterthan. 


— — — — — 


Vierundfuͤnfzigſtes Kapitel. 


Bon dem großen Fluſſe Kara-moran und von den Staͤdten Koi⸗gan⸗zu 
und Kuanzın. ü 


Wenn man die Reife von ſechszehn Tagen vollendet hat, 
erreiht man noch einmal ben großen Fluß Starasmoran 283), 


ſchen Kürze feiner Berichte doch die genaufte Befchreibung diefer Etelle, 
die feiner Aufmerffamkeit nicht entging, und die Treue feiner Berichte als 
Augenzeuge beftätigt, wenn fchon fein klaſſiſches Werk nicht felten durch 
bie Unmiffenheit der Abſchreiber entſtellt ift. 

383) Vom oberen und mittleren Lauf des Koangho haben wir be⸗ 
reits gefprochden (Anm. 192, 204 nnd 313). Der untere Lauf des 
Hoangho wird bis zur Stadt Honan zur Seite noch von Gekirgen be- 
gleitet, dann aber tritt er in eine müchtige Ebene ein und füngt von 
Kar⸗fong⸗-fu an, das Flachland durch gewaltige Ueberſchwemmungen zu 
Yerheeren, deshalb man von hier feit den Alteften bis in die neueflen 
Zeiten verfucht Hat, feine Gewalten durch Waſſerbauten aller Art zu bin; 
digen. Hier beginnt das Land der Kandle. — Noch In dem’ oberen Laufe 
bis - zu feinem Austritt ans der Chinefifchen Mauer, fchon oberhalb Lan⸗ 
then in Kanſu hat der Strom, wie alle Alpengemwäfier, ein fehr helles 
Hares Wafler. Mit ver Umſpuͤlung bes Landes der Ordos wirb er lehmig, 
punfelgelb gefärbt, gleich dem Tiber und Mainftirom; er foll davon fel- 
nen Chinefifhen Namen Hoang (db. 1. gelb, croceus, daher bei den Mif; 
ſionaͤren auch ver Saffranfirom genannt) erhalten haben, wie feinen Mongoll⸗ 
ſchen Namen Raramoran (von kara, bunfel, trübe), ben auch Bolo gebraucht. 
— She der Hoangho ſich zum Meere ergießt, erhält er, noch ganz nahe 
am feiner Mündung, von der rechten Ceite, vom Even her, einen 
nicht unbedentenden fehr wafjerreichen, ſtark befchifften Zufluß, ven Huai⸗ 
Yo; biefer ergießt fich Im N. W. der großen Stadt Huaingan bei Tfing- 
Go, wo bie Durchkreuzung bes großen Kaiſerkanals von ©. gegen R. 
Ratifindet, durch dem Hungstfenfee in jenen großen Strom; baher bier 
andh die große Ueberfahrt auf ber Hauptpaſſage von Suͤbchina nach Norbs 


432 


der feine Duelle in dem Lande hat, welches dem Könige Un 
khan gehörte, der, wie ſchon gefagt worden iſt, Priefter Jo⸗ 
hann des Nordens genannt wurde. Er ift- von mächtiger 
Tiefe und auf feinen Waſſern fegeln große Schiffe mit voller 
Ladung dahin. Große Fifche werden dafelbft in betraͤchtlicher 
Menge gefangen. An einer Etelle in diefem Bluffe, unge 
fähr eine Meile vom Meere entfernt, ijt ein Hafen für fünf 
zehntaufend Edjiffe, von denen jedes fünfzehn Pferde mit 
zwanzig Mann und außerdem nody das zur Leitung de 
Schiffes gehörige Volk und die nöthigen Vorraͤthe und den 
Proviant halten kann 384). Dieje läßt Se. Majeftät fort: 


china, oder von Ranfing nach Peling, worüber allein die Europaͤiſchen 
Meifenden als Augenzeugen Bericht erftatten koͤnnen, weil fie nur bier 
bei der Durchfahrt den Hoangho zu erbliden pflegen. Der Hollaͤndiſche 
Embaſſadeur I. Neuhof, 1656 (I. Neuhof, die Gefandtfchaft der Oſtindi⸗ 
fhen Geſellſchaft ꝛc. an den Einifchen Kaifer ıc. Amſterd. 1666 ©. 33l), 
bei feiner Durchfahrt bemerft, der Gelbe Flug, ſtuͤrzend und uͤberſchwem⸗ 
mend, kommt viele hundert Dleilen weit aus fernen Gebirgen, bedi das 
ganze Land mit Unflat, ſchießt fehr fchnell, bis er endlich bei der Etat 
Hoaingan mit einem fehr flarfen, tiefen Strom und großem Geraͤuſch ſich 
in das Meer ergießt. — Barrow (Travels in China p. 514) bemerft, das 
Land, welches zu beiden ‚Uferjeiten des Hoangho deſſen Lieberfchwemmuss 
gen ausgefebt fei, möge wohl dem Umfang nach fo groß wie Guglan 
fein; die jährliche Ausgabe ver Echapfammer zur Erhaltung feiner Dimme 
betrage, nach des Kaiſers eigener Angabe, drei Millionen Unzen Silber 
(1 Million Pfund Sterling). Dennoch if diefer Strom, :obwohl er mit 
fehr großen Echiffen befahren werden kann, in China nur vom zweit 
. Range und wird darum nicht Kiang, wie fein füblicher Nachbar, ſondern 
nur Ho tituliet. Bon feiner Mündung in den Ozean iſt uns Feine näher 
Nachricht von Beobachtern bekannt. ©. Ritter 522-535. Sehr genau 
Forſchungen über die Veränderungen des unteren Laufes des Fluſſes 
Hoang-ho, feit den Alteften Zeiten, findet man im Journ. Asiat 189. 
- Quatr. Ser. I, 452 et suiv., II, 84 e. s. Sur les changements du coun 
infsrieur du fleuve Jaune par Ed. Biot. 

384) Marsden hält diefe Angabe von fünfzehntaufend Echiffen fir 
Abertrieben; doch muß man bevenfen, daß Polo den Hafen ſah, als Aw 
Hat wahrfcheinlich die Kriegsrüftungen gegen Japan: und mehr fünlide 
Inſeln zugleich vornahm, während zu gleicher Zeit son oben herab dk 


433 


während im Stande der Bereitfhaft halten, eine Armee nad 
einer der Infeln im großen Ozean zu führen, bie vielleicht 
im Zuftande der Empörung ift, oder auch zu einer in ir 
gend einer noch entfernteren Gegend. Diefe Schiffe liegen 
nahe am Ufer des Fluſſes vor Anker, nicht weit von einer. 
Stadt, Namens Koi⸗gan⸗zu 385), weldyer auf der anderen Seite 
gegenüber eine andere, Namens Kuan⸗zu, liegt, aber jene ift 
ein ſehr großer Ort, diefe ein Fleiner. Wenn man über deu 
Klug fest, fommt man in die fehr edle Provinz Manji; doch 
darf man nicht etwa benfen, daß ein vollfommener Bericht 


beladenen Echiffe herabfommen, deren Waaren mit den Kandlen nad 
Süden und Norden gingen und andere wieder Proviant zuführten; wenn 
man den grandiofen Styl bevenft, in welchem zu jenen Zeiten von den 
mächtigen Herrfchern alle Dinge unternommen wurden, fo erfcheint die 
Suche nit gar zu unwahrfcheinlih. P. Martini fagt: „Nicht ohne Grund 
fürchte ich, dag die, welche es nicht gefehen haben, an ber Wahrheit 
meiner Angaben zweifeln und mir feinen Glauben beimefien werben.... 
und ich habe oft gefagt, daß es fcheine, als wenn alle Schiffe der Melt, 
wenn man bie Zahl und Menge betrachtet, in diefer Provinz verfammelt 
wären.” (Atl. Sin. p. 115.) 

385) Aus der Lage und Achnlichfeit des Namens ergiebt fidh, daß 
biefes die Stadt Hoai⸗ngan⸗fu ift, welche nahe am füböfllichen Ufer des 
Hoang-ho liegt. Ihre Spentität wird von D. Magalhanes angegeben, 
der, von unferem Autor revend, fügt: „Il parle de la ville de Coi-gan- 
zu, qui s’appele Hodi-gan-fu, et qui est très riche et marchande.‘ 
P. 10. 

Der .geringe Unterfchled der Orthografie fchwindet, wenn man weiß, 
dag alle Chinefifchen Worte, die mit einem Hand anfangen, von den Weſt⸗ 
lichen Tartaren mit einem harten Kehllaut ausgeiprochen werben, wäh: 
zend auf der anderen Eeite die Kehlartifulazion der anderen Voͤlker von 
den Chinefen anm Hauch gefänftigt wird; fo fprechen fie ftatt Khan — 
San, fuͤr Kokonor — Hohonor, für Kubilat — Hupilat (ich bemerfe bei 
biefem legteren Namen, daß ich gerabe bei ihm ftets der Echreibweife 
Polo's gefolgt bin, weil diefer ficher den Namen, den er während feines 
Zangen Aufenthaltes in China wohl täglich und zu hunderhmalen nennen 
Worte, fo gefchrieben hat, wie er zu feiner Zeit ausgefprodhen wurde; 
wenere Gelehrte fchreiben ihn Khubilai und Chubilei, wo dann bie Tar- 
tarifche und Chinefiſche Ausiprache vereint erfcheint.) 

28 


434 


von der Provinz Kataia gegeben worden if. Nicht ven 
zwanzigften Theil habe ich beſchrieben. Marco Polo hat bei 
feinen Reifen durch die Provinz nur foldye Städte aufgemerft, 
die er auf feinem Wege fand, und die Übergangen, vie hier 
und dort zur Eeite lagen, wie audy viele zwiſchenliegende 
Pläge, weil eine Erzählung von allen viefen ein viel zu 
langes Werk geben und wohl den Leſer ermüpden würbe 386). 
Wir wollen nun dieſe Gegenten verlaffen und zuerft davon 
reden, wie die Provinz Manjt erobert worten, und dann von 
ihren Etäbten, deren Pracht und Reichthuͤmer im folgenden 
Theile unfered Buches befprodyen werden fol. 


Fuͤnfundfuͤnfzigſtes Kapitel. 


Bon der ſehr edlen Provinz Manji und wie fie von dem Großkhan unter 
worfen wurde. 


Die Provinz Manji iſt die praͤchtigſte und reichſte, bie 
in der Oftwelt zu finden fein, mag. Gegen das Jahr 1269 
war fie einem Zürjten unterthan, der Fanfur 287) genannt 
wurde und an Madıt und Reichthum alle anderen, die feat 
einem Jahrhundert in dieſem Lande regirt hatten, übertraf. - 


386) Der Uebergang von ber erften zur dritten Perfon ift hier be 
merfenswerth und dient dazu, die Annahme zn rechtfertigen, daß das Werl 
vorzüglich von unferes Antore eigenen Noten und mündlichen Mitiheilms 
gen Fomptlirt worden if. M.— Mid dankt am wahrfcheinlichfien , baf 
Polo allerdings fein Werk zuerft nievergefchrieben hat, worauf es von fe 
nen Bekannten Eopirt worden, von denen vielleicht ver eine ober ber & 
bere, nach Polo's fernern mündlichen Mittheilungen, noch Zufäte mac 

387) Sanfur, ber in der Basler Ausgabe Facfur gefchrieben wir, 
ift nicht der Befondername eines Fürften, fondern der Titel Bagh:für, ver 
von den Arabern und andern öftlichen Völfern den Kaiſern von China gut 
Unterfcheidung von den Mongolifchen Herrfchern gegeben wird. Ad 


wird dem Parzellan im Orient und auch in Rupland ber Name Fagfır 
gegeben. 


435 


Tr war von Natur frieblieberid und ein wohlmollender Herr. 
r war von feinem Bolfe fo geliebt und fein Reich von fo 
roßen Flüffen eingefhloffen, dag man es als ein unmög- 
ches Ereigniß betrachtete, er Fünne von irgend einer Madıt 
7 Erde angegriffen werden. .Diefer Wahn verleitete ihn, fid) 
ht um Sriegsangelegenhetten zu Fümmern, noch machte er 
in Volk mit Friegerifhen UWebungen befannt. Die Staͤdte 
Ines Reiches waren merkwürdig wohlbefeftigt, von tiefen 
wäben umgeben, die einen Bogenfhuß Breite hatten und mit 
zaſſer gefirlit waren. Er hielt feine Reiteret, weil er feines 
ngriffs gewärtig war. Die Mittel, ſich Genuß zu ver: 
yaffen und feine Vergnügungen zu mehren, machten die vor= 
glichſte Beichäftigung feiner Gevanfen aus. Er hielt an 
inem Hofe tauſend ſchoͤne Frauen, die feine Perſon umgas 
nr  und- in deren Gefelfchaft er feine Freude ſuchte. Er 
ar ein Freund des Friedens und der Gerechtigkeit, Die er 
nau aufreht zu halten ſuchte. Die geringfte Handlung 
r lintervrüdung oder ein Unrecht irgend einer Art, welches 
n Mann gegen den anderen beging, wurde in- ftrengfter 
zeiſe geftraft, ohne Anfehen der Perfon. So groß aber 
ar die Wirfung feiner Gerechtigkeit, daß, wenn Kaufhallen, 
e mit Gütern gefüllt waren, durch die Nadläffigfeit ihrer 
igenthümer. offen gelafjen wurven, Niemand wagte, einzu= 
eten oder aud nur das Geringfte daraus zu rauben. Reis 
wde aller Art konnten frei und ohne Furcht bet Nadıt und bei 
age durch alle Theile feines Reiches reifen. Er war gottesfürd;- 
g und milbthätig gegen Arme und Bebürftige. Kinder, welche 
yn ihren elenden Müttern, weil fie diefelben nicht zu ernäl)- 
n vermocdten, ausgeſetzt worden waren, ließ er aufheben und 
jorge für fie tragen, wohl an die zwanzigtauſend. Wenn bie 
naben das hinreichende Alter hatten, Tieß er fie in irgend einem 
zandwerke unterrichten und verheirathete fie nachher an junge 
Röddyen, die auf dieſelbe Weife erzogen worben waren 388), 





» 888) Es iſt zu verwundern, daß Polo, der doch fo Tange in China 
28 + \ 


436 


Ganz verfchieden von der Gemüthsart und ven Gewohn⸗ 
heiten Fanfur's waren die Kublai-Ehan’d, des Kaiſers der 





gelebt hat, die Sroberung des Reiches der Sung in vielen Dingen fo 
unrichtig erzählt. Der Eroberung bes Reiches Kin (Nordchina) iſt An. 
243 Erwähnung gefhehen. Im Jahr 1267 faßte Kublai den Plan, das 
fünliche China oder das Reid) der Sung anzugreifen und mehre Städt 
wurben von feinen Generalen erobert. Damals regirte Tſcha⸗oki, ber 
ale Kaifer oder König den Namen Tustfong angenommen hatte. Auf 
diefen bezieht fih die Schilderung Polo's. Die Chinefifchen Hiſtorien 
ftellen diefen König in nicht fo freundlichem Licht dar, vielleicht weil 
donrch ihn und feine ſchwache Regirung das Unglüd über das Reid der 
Eung herbeigeführt wurde. Tustfong wird im denfelben als ein ſchwacher, 
fchwelgerifcher Fuͤrſt gefchildert, der nur in Geſellſchaft feiner Weiber 
Bergnügen fand und die Regirungsgefchäfte ganz feinem nieberträchtigen 
Minifter Kia⸗ſſe-tao überließ, der durch feine verkehrten Maßregeln ven 
Untergang des Reiches herbeiführen half. Im Jahr 127% ſtarb der Kaifer 
Tuztfong. Die Großen wollten Tſchao⸗ſche, ven älteften Sohn Tu⸗tſong's, 
zu feinem Nachfolger ernennen, allein der erfte Minifter wollte länger in 
Macht und Anfehen bleiben und feßte den zweiten Eohn des Verftorbenen, 
Tfchao:hien, der nur vier Jahr war, anf den Thron. Diefer Fürfl er: 
hielt ven Beinamen Kong-tfong und die Kaiſerin Siei-ſchi, Wittwe von 
Tustfong’s Vater, wurde als Regentin proflamirt; das ift biefelke 
auf die jich die Erzählung Polo’s bezieht. Die Feindſeligkeiten Kublats 
gegen das Rei der Eung waren eigentlich nicht unterbrochen worben; 
allein die Schwäche der Chinefifchen Regirung benußend, bereitete er jet 
eine große Invafion in China vor und ernannte bie Generale Eche-tian: 
tfe und Bayan als Beldherrn der Armee, die in Huckuang einfallen follte; 
eine andere Armee, unter dem General Bolo hoan, begannen ihre Opers 
ztonen in Kiang:nan. Beide Armeen mochten zufammen zweihunderttaufen 
Mann zählen. Sche⸗-tian⸗tſe ſtarb unterwegs und überließ Bayan ben 
alleinigen Oberbefehl. Diefer zog mit feiner zahlreichen Flotte in bad 
Reich ein und eroberte Etadt auf Stadt. Kiazflestao bot große Armen 
auf und ſchickte fie den Mongolen, bie an den Ufern des Kiang Hinzogen, 
entgegen, fie wurden aber gefchlagen. Der unfelige Minifter wurde noch in 
pemfelben Jahre, nad) dem Verlangen der Großen des Reichs, von bet 
Kaiſerin Regentin in die Verbannung geſchickt und unterwegs von einem 
Begleiter getödtet. Die Kaiferin war bald unthätig, wenn es Roi 
that, fh gegen den Feind zu rüften; bald ergriff fie die ungeeigneifen 
Mafregeln, und Alles ging unglüdlih. Die Mongolen fiegten überall, alle 
bedeutenden Städte fielen in die Hände Bayan's und im Jahr 1276 er: 


‘ 


437 


Tartaren, defien einziges Vergnügen im Kriege, in der Er⸗ 
oberung von Ländern und in der Ausbreitung feines Ruhmes 
beftand. Nachdem er feiner Herridaft eine Anzahl von Pro⸗ 
vinzen und Königreihen zugefügt hatte, richtete er feine Ab- 
fihten auf die Unterjochung Manji's und verfammelte zu dies 


Härte die Kaiſerin Regentin, daß ihr Enfel fich dem Großkhan unterwerfen 
und ihm einen jährlichen Tribut zahlen werde. Die Hauptftadt des Reichs, 
Linzugan (jeßt Hang -ticheu-fu genannt, Polo's Quinſai) wurde Bayan 
übergeben und ber junge Kaifer mit der NRegentin und feiner Mutter nach 
Kublai’s Hof abgeführt. Tfchaoshien Kongstfong mußte vom Range eines 
Kaifers zu dem eines Kong, ober Prinzen vom dritten Range, herab: 
fteigen. Zwei Brüder deſſelben, over vielmehr ihre Anhänger, fuchten 
den Diongolen zu widerſtehen; der ältefte diefer Söhne Tustfong’s, Toan⸗ 
tfong, wurde zum Kaiſer ausgerufen , mußte fich aber auf feiner Flotte 
fihern. Das Schiff, welches ihn trug, fcheiterte auf der Infel Kang⸗ 
tſchu, nur mit Muͤhe wurde er gerettet und ftarb bald darauf 1278, in 
feinem elften Jahre, und nun erhoben die Anhänger der Eung den jüng- 
flen Bruder Ti-ping zum Kalferr Diefer trieb fich ebenfalls mit der kai⸗ 
ferlichen Familie anf einer Flotte von 800 Echiffen an den Grenzen 
China's umher; allein auch diefe wurden von den Mongolen unter Tſchang⸗ 
hong-fan bei der Iufel Hal angegriffen und bejiegt. Lusflusfu, der Mi- 
uffier Tisping’s, ſah feine Rettung mehr, warf fein Weib und feine Kinder 
in's Meer, nahm den jungen Kaijer auf feine Schultern und ausrufend: 
„beſſer frei zu flerben, als durch fchmachvolle Gefangenschaft feine Vor: 
fahren entehren,” ftürzte er fich mit ihm in die verfchlingenden Fluthen; 
ihm nach die Kaiſerin Mutter und ihre Frauen; ünd ber ganze Haufe, 
an hunderttaufend Menfchen, foll fi) erfäuft Haben; die See war mehre 
Tage lang mit Leichen bedeckt. Die noch übrigen Schiffe der Faiferlichen 
Flotte wurden umhergetrieben und von Stürmen zertrümmert. Und fo 
ging, troß der heldenmuͤthigſten Aufopferung vieler Großen, die nur zu 
fpät durch die Verzweiflung aufgeregt wurden, bie Dynaftie der Sung 
anter, die dreifundert und zwanzig Jahre regirt hatte, und Kublai war 
im Sahre 1279 Herr yon ganz China. ©. Mailla IX, 302— 400; Gau- 
bil 146 — 189; De Guignes IV, 159 ff.; D’Ohsson II, 382 — 438; 
Gutzlaff Sketch of Chin. Hist. I, 351 u.352. — Die Selbftentleibung 
der Chinefen, wenn fie yon einem mächtigen Feinde befiegt werben, 
feheint Nazionalgefühl zu fein; fo tödteten ſich bei den letzten Siegen ber 
Engländer viele Mandarine und Bewohner bezwungener Staͤdte eben- 


falls ſelbſt. 


438 


fem Zwecke eine zahlreihe Armee zu Ruß und Buß, über 
weldhe er den Befehl einem General, Chinſan Bayan, gab, 
was in unjerer Epradye „der Hundertäugige‘” bedeutet. Auch 
wurde dieſem eine Anzahl von Schiffen beigegeben und mit bier 
fen madte er ji auf zur Eroberung Manji's. Als er dort 
landete, forderte er die Bewohner der Stadt Koi-ganszu auf, 
ji der Herrſchaft feines Katferd- zu unterwerfen. Als fie 
das zu thun ſich weigerten, ruͤckte er, ftatt Befehl zur Be 
lagerung zu geben, vor die nächte Stubt, und als er da 
eine ähnlidye Antwort erhielt, ging er an eine dritte und 
vierte immer mit gleiher Antwort. Nun hielt er es nidt 
länger für rathfam, fo viele Staͤdte fih im Rüden zu laſſen, 
da dod feine Armee nicht allein ftarf war, fondern er aud 
noch eine gleiche Streitfraft, die Se. Majeftät ihm aus bem 
Innern zuſchicken wollte, erwartete, und er entſchloß fi nun, 
eine von dieſen Staͤdten anzugreifen, und da er große Er 
fahrung und Geſchick im SKriegführen hatte, brachte er auf 
den Platz in feine Gewalt und alle Bewohner fielen unter 
der Scyärfe feines Schwerted. Sobald. die Kunde von die 
ſem Ereigniß in die anderen Städte fam, wurden die Ein 
wohner von folder Furcht und folhem Schrecken ergriffen, 
daß fie aus eigenem Antriebe fi, beeilten, ihre Unterwerfung 
zu erflären. Als dieſes ins Werk geſetzt war, rüdte er mil der 
vereinten Kraft feiner beiden Armeen gegen bie koͤnigliche 
Stadt Quinſai, die Reſidenz des Könige Fanfur, ver alle 
Entjegen und alle Furht eines Mannes empfand, der no 
Feine Schlacht gefehen und niemals fid mit der Kriegsführung 
befhäftigt hat. In der Bangnig um die Sicherheit feiner 
Perfon ergriff er die Flucht zu einer Scifföflotte, Die zu dem 
Zwede in Bereitſchaft Tag, ſchiffte alle feine Schäge und Ko 
barfeiten ein und überließ die Sorge um die Stadt feine 
Gemahlin mit der Anmweifung, fie bis aufs Weußerfte zu vers 
theidigen, denn er glaubte fiher, daß ihr Geſchlecht ihr 
zum Schutze gereidhen würde, im Fall fie in die Hände dei 
deindes fiel. Don da ging er in die See nad) gewiſſen 


439 


Snfeln, wo jehr ſtark befeftigte Pläge waren, und blieb allva 
bis zu feinem Tode 289). In diefer Lage wurde die Kö- 
nigin zurüdgelaffen, und man erzählt, es fei ihr die Weif- 
fagung befannt geworben, welde die Ajtrologen dem Könige 
gegeben, daß er niemals feiner SHerrfhaft beraubt werben 
wuͤrde, außer durch einen Feldherrn, der hundert Augen hätte. 
Auf dieſe Erklärung geftügt, fühlte fie, wiewohl Quinſai 
immer mehr bedrängt wurde, Vertrauen, daß die Stadt nicht 
verloren gehen würde, weil es ihr unmöglich ſchien, daß ein 
Sterbliher fo viel Augen haben koͤnne. Als fie jedoch nad 
dem Ramen des Feldherrn, der die feindlihen Truppen an- 
führte, frug und erfuhr, daß er Chinfan Bayan, weldes 
Hundert Augen bedeutet, heiße, wurde fie bei Nennung def 
felben von Entfegen ergriffen, da fie nun überzeugt war, daß 
diefes der Mann fei, der, nad) der Weiffagung der Aftro- 
Iogen, ihren Gemahl des Thrones berauben würde. Ueber: 
wältigt von weiblicher Furcht, entjagte fie allem längeren 
Miverftande und ergab ſich fogleid. Da die Tartaren fo 
im Befige der Hauptftabt waren, brachten fie bald den uͤbri⸗ 
gen Theil des Landes zur Unterwerfung. Die Königin wurde 
vor Kublat gebradjt, der fie ehrenvoll empfing, und ed wurde 
eine Vollmacht von dem Kaiſer ausgeftellt, vermöge derer ihr 
Die Aufrechterhaltung der Würde ihres Ranges gewährt wurde. 
Da wir die Art und Weife angegeben, in welder die Er- 
oberung von Manji ausgeführt wurde, wollen wir nun von 
den verfchiedenen Städten diefer Provinz und zuerft von Koi⸗ 
gan⸗zu reden. 


389) Diefe irrige Annahme Polo’s hat wohl ihren Urfprung darin, 
daß bie beiden letzten Kaiſer mit ihren Anhängern auf Schiffen an den 
Küften China's hin und Herzogen, und bezieht fich wahrſcheinlich auf den 
eilfjägrigen Toanztfong und feinen AufentHalt auf der Injel Kang—-tſchu. 


440 


Sechsundfünfzigſtes Kapitel. 
Don der Stadt Koi⸗gan⸗zu. 


Koisganszu ift eine fehr ſchoͤne und reihe Stadt, die 
zwifhen Suͤdoſt und Oſt am Anfange der Provinz Manji 
liegt, wo eine ungeheure Zahl von Schiffen anlegt und vor 
überzieht, da ihre Lage, wie ſchon bemerft worden ift, nahe 
am Ufer des Fluffes Karasmoran if. Große Waarenbeftel 
lungen werben in diefer Stadt gemadht, wonach die Güter 
auf dem Fluſſe nach verſchiedenen anderen Pläben verführt 
werden. Salz wird hier in großer Menge bereitet, jedoch 
zur Ausführung nad) anderen Gegenden, und von dieſem Sal 
zieht Se. Majeftät große Einkünfte. 


— nn — — — 


Siebenundfuͤnfzigſtes Kapitel. 
Bon der Stadt Pan⸗ghin. 


Wenn man Koi-ganszu verläßt, zieht man eine Tagereife 
weit nad Güdoften auf einem fchönen Steindamme hin, ber 
in die Provinz Manji führt. Auf beiden Seiten dieſes Etein 
weges find fehr ausgebreitete Eeen, deren Waffer tief find 
und beſchifft werden Fonnen 390); auch ift außer dieſem fein 





390) Diefe Steinwege bilden‘ die Dämme des Kanals und trennen 
ihn von den Gewäflern des Sees. „Der Kanal,” fagt De Guignes, „iR 
zu beiden Seiten von einer Chauffee eingefaßt, bie ungefähr fünf un 
zwanzig Buß breit und zehn bis zwoͤlf Zuß hoch und zumeilen vor 
Schleufen durchfchnitten iſ. Wir hatten am Morgen Kanäle zu unfrer 
Linken und den See Kao⸗yéu-hu zu unfrer Rechten. Diefer See nimmt 
eine große Flaͤche ein; fein Durchmeſſer ift fo beträchtlich, daß man kaum 
das Land auf feiner weftlichen Seite erfennen kann.” II, 35. „Von Naus 
fing abwärts verläßt der Strom (Ta Klang) feine nördliche Richtung und 
wendet fi in immer größerer Breite gegen Often durch Kiang:nan, bie 
er unterhalb Tiching-fiang, dem Schlüffel des Reichs von ver Ser 


441 


anderer Weg, mitteld deſſen man in die Provinz einbringen 
fonnte. Man kann jedoch zu Schiffe dahin gelangen, und 
auf dieſe Weife 309 der Feldherr, der Kublar’8 Truppen an⸗ 
führte, in diefelbe ein und landete mit feiner ganzen Streit⸗ 
macht. Nach Berlauf diefer Tagereife erreicht man eine bes 
trädhtliche Stadt, die Paughin 291) Heißt. Die Einwohner 
beten Goͤtzen an, verbrennen ihre Todten, haben Papiergeld 
und find dem Großfhan unterworfen. Sie leben von Hans 
del und Gewerben. Sie haben viel Eeive und fertigen aus 





feite her, bald ben Ozean erreicht. Zumäcft oberhalb dieſes letztgenann⸗ 
ten Ortes ift es, wo der Ratferfanal vom Norben her, vom Hoangho kom⸗ 
mend, dieſen Hauptftrom erreicht, daher eben bis hierher auch die Euro⸗ 
päifche Beobachtung geht. Von diefem Theile des Kaiſerkanals, zwifchen 
beiden Hauptfirömen, fagen die Chinefifchen Autoren (Klaproth Descr. du 
gr. Canal etc. in Mem. rel. c. I. T. IH, p. 301), daß das alte Bette 
des Thfiansfeusfluffes, oder des Kuanho, dazu verwendet worben fei, ber 
vom Norden fam. Er fliege bei Hoai⸗ngan-fu vorbei, dann ſuͤdwaͤrts am 
Dftufer des großen Sees Kaosyeu hin, wo er zwifchen zwei Steindimmen 
von Quadern eingefaßt ſei. Diefe Einfaffung wurde in den Jahren 1490 
und 1584 zu Stande gebracht. Er ziche zwiſchen diefem Eee, den Staͤd⸗ 
ten Bao-yng-hian und Kaosyeu-tfcheu Hin, umfliege in NR. O. die 
Stadtmauer von Dangstfcheusfu (von der im 60. Kap. die Rede ifl) und 
theile fich dann in zwei Arme, von denen einer, bireft gegen Suͤd, nad) 
Kua⸗tſcheu, fich mit dem Kiang vereine, auf dem die Suͤdbarken gehen, 
welche aus ben Suͤdprovinzen des Reichs den Tribut nach Peking bringen, 
dagegen auf dem andern, alfo wohl gegen ©. W., die Fahrt zum obern 
Laufe des Kiang nah Nanking geht, wohin die Reisbarken Eommen. 
Dieſe Berzweigung mehr gegen Dang-tfcheu-fu iſt eine jüngere Ans 
lage, jene direkt nach Sid, welche zur Ueberfahrt des Kiang bei Tſching⸗ 
kiang⸗fu führt, ift die ältere. Im Norden tritt aber der Kanal von Hoai⸗ 
ngan-fu, durch Vermittlung der Wafler des Hoai-fluſſes, deſſen Lauf vom 
Weſten her mancherlei Abinderungen erlitten hat, am Oftende des Hong: 
tfeufees zum Hoangho. Ritter IV, 685 f. — Aus diefer Schilderung wers 
den Polo's Worte flar erfcheinen ; doch fcheint zu den Zeiten unferes Reis 
fenden nur ein Damm beftanden zu haben. 


391) Pau:ghin ift das in vor. Anm. erwähnte Pao⸗yng⸗hian, jetzt 
eine Stadt dritten Ranges. 


442 


ihr mit Gold ſchoͤne Gewebe. Alles, was man zum Leben 
braudıt, ijt da im lleberfluß. | 


Ahtundfünfzigftes Kapitel. 
Von der Etadt Kain. 


In der Entfernung einer Tagereife von Pau⸗ghin nad 
Suͤdoſt zu fteht die große und wohlgebaute Stadt Kain 392), 
Ihre Einwohner find Gößendiener, brauchen das Papiergeld 
ald Kurrant und find dem Großfhan unterthan. Handel und 
Gewerbe blühen bei ihnen. Sie haben Fiſche im Ueberfluß 
und auch Wild, Thier und Geflügel. Faſane vorzüglich giebt 
es im Ueberfluß, daß man für ein Stuͤckchen Eilber, einen 
Venezianiſchen Groſchen an Werth, drei folde Vögel, h groß 
wie PBfauhennen, Faufen Fann, 


Neunundfünfzigftes Kapitel. 
Don den Staͤdten Tingui und Cingui. 


Wenn man von der legterwähnten Stadt eine Tagereiſe 
weiterzieht, während welder man viele Dörfer und viel be 
bautes Land fieht, fo kommt man in eine Stadt, Tinsgul 
genannt, die nicht gerade fehr groß ift, aber reich verjehen 
mit allen Lebensbeduͤrfniſſen. Die Einwohner find Goͤtzen 
diener, Unterthanen des Großfhan und brauchen fein Papier 
geld. Cie find Kaufleute und haben viele Handelsihift. 
Wild, Thier und Geflügel, findet man da im Ueberfluß. 


— — — 





392) Kain iſt wohl ein Druckfehler fuͤr Kaiu und iſt keine andere 
Stadt, als die in Anm. 390 erwähnte Kao⸗yen⸗tſcheu (auf Grimm's Karte 
Kaozjeu). 


448 


Die Stadt ift nah Suͤdoſten gelegen, und zu ihrer Linfen, 
das heißt auf ihrer öftlihen Seite, fommt man in einer Ente 
fernung von drei Tagereifen an dad Meer. Im zwifchen- 
liegenden Raume findet man viele Salzwerfe, wo Maf- 
fen von Salz bereitet werden. Zunähft fommt man an die 
große und wohlgebaute Stadt Gingui, von wo das Salz 
in alle benachbarten Provinzen verführt wird. Won diefem 
Produkte erhebt der Kaifer große Einkünfte, deren Betrag 
kaum geglaubt werden würde. Auch hier beten die Einmwoh-. 
ner Bögen an, brauchen das Papiergeld und find dem Groß⸗ 
fhan unterthan 39 3), 


— — — — — 


Sechszigſtes Kapitel. 


Bon der Stadt Jan⸗gui, über welche Marco Polo die Statthalterſchaft 
führte. 


Wenn man in fünöftlicher Richtung -von Cingut fortzieht, 
kommt man in die wichtige Stadt Jansgui 39%), die fiebens 
undzwanzig Städte unter ihrer Gerihhtöbarfeit hat und als 
ein Platz von großer Wichtigkeit betradytet werden muß. Eie 
gehört zum Reiche des. Großkhan's. Die Bewohner find. 
Gögendiener und leben von Handarbeiten. Sie verfertigen 
Waffen und alle Arten Friegerifher Rüftung, weshalb gar 
viele Truppen ihr Duartier im Lande haben. Die Etadt 
ift der Refivenzort eines der zwolf Freiherren, von denen ſchon 
gejagt worden, daß fie von St. Majeftät als Lanppfleger 
der Provinzen beftellt find, und an der Stelle eines biefer 


— — — 


393) Tingui ſcheint das Tai⸗tſcheu der Karten zu fein, eine Stadt 
zweiten Ranges, die von Dang-tfcheusfn abhängig iſt. Cingui, das weder 
in der Basler Ausgabe, noch in den Epitome's fteht, ift nicht zu deuten. 

394) Das tft Dantfchusfu (f. Anm. 390), eine volfreiche Handels: 
ſtadt, die nach den ficher übertriebenen Angaben der Jeſuiten mit ihren 
Borftäpten und Umgebungen zwei Millionen Bewohner haben fol 





\, 


- 


444 


Barone hatte Marco Polo, im befonderen Auftrage Er. 
Majeität, die Statthalterfhaft dieſer Stadt während Dreier 
Jahre. 


Einundſechszigſtes Kapitel. 
Bon der Provinz Nan⸗ghin. 


Nan-ghin ift der Name einer großen und ausgezeidneten 


Provinz Manji’d und liegt gegen Weſten 395). Die Be 


395) Die Provinz Nanghin ift Nanking; und es ift fehr zu ver 
wundern, bag Polo diefe große und berühmte Stadt Nanfing,, die nächte 
nach Pefing, die doch auf feinem Wege lag, gar nicht erwähnt, und dabei 
ift es merfwürdig, daß er mit der nächften Stadt Easjanfu nur noch die 
Provinz Hufuang in die Mitte des Reichs verfolgt. Sonderbar if, 
daß dieſes Verhältnig von den Kommentatoren fo gar nicht näher belend: 
tet worden it. Ich hege Feinen Zweifel, daß vom 61. zum 62. Kap. 
entweder einige Kapitel ausgelaſſen find, ober dag eine Tertforrupzion 
bei Ramuſio und in den meiften andern Ausgaben flattgefunden hat. So 
heißt es in der Lat. Ausg. Andr. Müllers: „Ad occidentalem plagam 
est regio quaedam Navigui (Tertv. Nayngui) nomine, opulenta et 
amoena etc. Civitas praecipue illius regionis Sianfu vocatur.‘“ In 


Megiferi Ueberfegung (von 1611) fteht: „Segen Niedergang ift ein Land, 


"das heist Nanghin.... Die Hauptftadt diefes Landes Heißt 


Sianfu und hat fonft zwölf Städte, die ihr unterworfen find.” Nach 
diefen beiden Legarten Fönnte man faft auf. die Bermuthung Fommen, 
unter Sajan-fu fei Nanfing zu verfiehen, da aber das hiftorifche Faktum 
ihrer Belagerung feitgeftellt ift, fo glaube ich mit Beftimmtheit, dab 
Polo ausführlih von der Etadt Nanfing gefprochen und erfurjiv auf 
Sajansfu übergegangen ift; dazu fteht in dem fehr kurzen Testo di lingua: 
„Nangi € una provincia molto grande ericca.... Si qui ci partiame, 
e conterovi delle tre nobili citta di Saiafu; perocch& sono di troppe 
grande affare.“ (Baldelli bemerkt hierzu: Questo passo & il pia dimo- 
strativo che il Milione della Lezione attuale & versione dal francese. 
Ci dice, che conterà delle tre nobili citta di Sajafu e non fa men 
zione che d’una sola cittaA di tal nome, come portano gli altri codici 
ll traduttore mal traslato il testo francese“ et je vous dirai de la 
tres noble ville de Sajafu,“ L’istessa errata lezione porta il 


445 


wohner find Gögenanbeter, brauchen das Papiergeld als Kur- 
rant und treiben bedeutenden Handel. Sie haben rohe Seide 
und weben goldene und feidene Stoffe in großer Menge und 
nad; verſchiedenartigen Muftern. Das Land erzeugt Korn im 
Veberfluß und iſt reich verfehen mit Hausvieh, wie auch mit 
Wild, Thier und Geflügel, das gute Jagd bietet. Der Kai- 
fer zieht gute Einfünfte von ihr und vorzüglid von dem 


Magliabachiano terzo, copia di questo.) — Wir müffen um fo mehr 
bedauern, daß uns Polo's Befchreibung der fo überaus merfwärbigen 
Stadt Nanking fehlt, weil viefelbe durch die neuern Greignifie des Kriegs 
ber Engländer mit China ein erhöhteres Intereffe gewonnen hat. Nach 
ber Einnahme von Tfchefiang rüdte die Englifche Erpedizion auf bem 
Dang-tje:fiang bis hierher vor, ale am 29. Aug. 1842 der für die Euro: 
päifchen Berhältnifie mit China fo wichtige Frieden abgefchloffen wurde. 
Nangking, d. h. Suͤdreſidenz, der Titel, mit Namen Kiangsning-fu, ift bie 
‚ größte und berühmtefte Stadt des fühlihen China, weil in ihr die ein- 
heimifchen Herrfcher des Suͤdreichs Häufig ihren Hof hielten. Die Chi: 
nefen nennen fie die fchönfte Stadt der Welt. Zwei Reiter, am frühen 
Morgen zu demfelben Thore in Galopp, aber nach den Gegenfeiten, un 
bie Stadtgrenze reitend,, follen erft am fpäten Abend wieder zuſammen 
fommen. Ueber die Stadt Nanfing fagt der Beriht Sir Hngh Gough's, 
des Dberbefehlshabers der Englifchen Landtruppen gegen China, an Lorb 
Stanley: „Es wuͤrde nicht Teicht fein, Ew. Lordſchaft eine Hure Bes 
ſchreibung diefer ungeheuern Stadt oder vielmehr des ungehenern Raums 
zu geben, der innerhalb ihrer Mauern eingefchlofien ift.....” Die Zahl 
der Einwohner von Nanking ſchaͤtzt der General auf eine Million. Tie 
Befakung mochte 6000 Tartarifche und 9000 Chinefifhe Soldaten be- 
fragen; zugleich war die ganze männliche Bevölkerung unter die Waffen 
gerufen. Indeſſen bei dem großen Umfang der Umwallung (von ungefähr 
2 engl. Meilen) betrachtete Sir Hugh, troß her Höhe der Mauern von 
28 bis zu 70 Fuß, die Erftürmung als ein leichtes Unternehmen. Gr 
hatte 4500 Kombattanten unter fich, worunter die meiften zur Expedizion 
gehörigen Europäifchen Soldaten. Die Chinefen ließen die Engländer 
alle ihre Angriffsanftalten zu Land und zu Wafler treffen, bis fie mit ber 
Vollmacht des Kalfers zum Unterhandeln herausrüdten, woranf Sir H. 
Bottinger (der Englifche Bevollmächtigte bei der Expedtzion) die Einftel: 
Kung der Operagionen befahl. S. A. 9. Zeitung von 1842, Nr. 338 uud 
vgl. Nr. öl. Zr N. 


446 


Zolle, der von den reihen Waaren, mit welden die Kauf 
leute handeln, erhoben wird. — Wir wollen nun von ber 
adeligen Stadt Sa-jan-fu reden. 


Zweiundſechszigſtes Kapitel. _ 


Don der Stadt Eazjan-fu, die mit Hilfe der Herren Nicolo und Maffio 
Polo erobert wurde. 


Earjansfu 396) iſt eine betraͤchtliche Stadt in der Pro 
vinz Manji, die zwölf reiche und große Städte unter ihrer 
Gerichtsbarkeit hat. Cie ift ein Play mit großem Handel 
und ausgedehnten Gewerben. Die Einwohner verbrennen ihre 
Todten und find Goͤtzenanbeter. Eie find Unterthanen Er. 
Majeftät und brauden fein Papiergeld. . Rohe Seide wir 
in großer Menge allda erzeugt und die ſchoͤnſten Seidenzeuge 
mit Gold burdywebt verfertigt. Der Platz iſt reich verfehen 
mit allen Dingen, die zu einer großen Stadt gehören, umd 
wegen ihrer ungemein feften Lage Fonnte fie eine_ Belagerung 
von drei Jahren aushalten; denn fie weigerte fi, dem Groß 
fhan fih zu unterwerfen, fogar nachdem er ſchon im Beſitzze 
der Provinz Manjt war 3297). Die Echwierigfeiten, Denen 


396) Polo verfept uns, wie fchon in vor. Anm. erwähnt, bier aus 
ber Provinz Kiang-fu in die Mitte des Reichs, in die Provinz Husfuang; 
Sajan⸗fu, oder richtiger nach der Lat. Ausgabe Sian⸗fn, iſt Siang-⸗yang⸗fu 
am Fluſſe Han, der auch ein nördlicher großer Zufluß des Kiang if. 

8597) Tie Belagerugg diefer Stabt wurde bereits im Dftober 1008 _ 
unter den Generalen Lieutfching und Atfchu begonnen, doch Eonnten fie die 
Zufuhr, die ihr zu Wafler zufam, nicht verhindern. Nachdem fie die Stadi 
bereits ein Jahr belagert hatten, fahen fie fich in bie Rothwendigkeit vers 
tet, gegen das ihr gegenüberliegende Fan⸗tſching, welches mit ihr burd 
mehre Schiffbruͤcken verbunden war, zu rliden. Die Chinefifchen Geſchich⸗ 
ten erzählen, daß ein General der Armee, Al haiya, ein-Uigure, mü 
Kublat von dem Ingenieuren im Okzlident gefprocgen habe, vie eine Art 
Maſchine zu bauen verftünden, mit denen man Steine von großem Ge 


447 


man bei der Belagerung begegnete, lagen vorzüglid darin, 
daß die Armee ſich ihr nicht nähern Fonnte, mit Ausnahme 
der nördlichen Seite; denn die anderen waren mit: Seen und 





wicht ſchleudern Tonne; auf feinen Rath lieg Kublat ſolche erfahrene In: 
genieure aus Perfien kommen, die in feiner Gegenwart zu Ta⸗tu mit diefen 
Katapulten Verſuche madten. Sie wurden nach Fan'tſching gefchidt; 
ſie ſchleuderten Steine, wohl fünfhundert Pfund an Gewicht, in die Stadt, 
die ungeheure Breſchen in die Wälle machten, in welche Alt halya feine 
Soldaten worrüden ließ, und fo wurde Fan⸗tſching im Februar 1273 eins 
genommen. Jetzt richteten bie Mongolen ih:e vereinten Kräfte gegen 
Siang-⸗yang. Tod fand der Angriff erſt im November flatt. Die Kata: 
pulten wurden dagegen gerichtet, die gefchleuderten Steine fielen mit 
furchtbarem Gekrach, ähnlich den Donnerfchlägen, nieder und zertruͤmmerten 
Häufer und Thuͤrme. Schrecken verbreitete fich über bie belagerte Stadt 
nen fie ergab ſich. — Nach dieſen Chinefifchen Berichten find von Mailla 
und andern Gefcichtichreibern Zweifel an Marco Polo's Ausfage . ers 
hoben worben, daß fein Vater und Oheim Kublai den Rath gegeben, Ka- 
tapulten bauen zu laſſen; allein ich glaube, es ift Fein Mißtrauen in Polo’s 
Worte zu feßen; er war mit feinem Vater und Oheim nicht lange an 
Kuklal’s Hof angefommen; legtere hörten von der Belngerung Siang⸗ 
Yang’s, ite beeilten. ſich, Kublat auf die im Abendlande gebrauchten 
Schleuvermafchinen aufmerffam zu machen; dabei ift wohl zu beachten, 
daß Marco nicht von fich felbft redet, da er damals noch ein fehr junger 
and in derlei Tingen unerfahrener Mann war, fondern nur von feinen 
beiden älteren Verwandten. Daß die Chinefifchen Gefchichtfchreiber von ven 
nicht lange erſt im Lande angelommenen Europäern feine, vielleicht ohne ihren 
Willen, Notiz nahmen und erzählen, Kublai habe Berfifche Ingenieure fommen 
laſſen, ift jehr leicht erflärlih; Die Perfer waren ihnen ein fernes Wer: 
volf — und aus bem Weſten kamen die Benezianer an, erfahren und 
- Zunftgeäbt in vielerlet Dingen; unter diefen Perfern ift niemand anders 
zu verfiehen, als unfere Venezianer; denn dag Kullai Perfer ganz befon- 
ders zu dieſer Belagerung habe fommen laſſen, ift am fich fchon unwahr⸗ 
ſcheinlich; das hätte er wohl erſt anbefohlen, als die Belagerung fo lang» 
dauernd und hartnädig fich gezeigt hatte, es wären über das Hinſenden 
und Herfommen mehre Jahre vergangen; wohl aber fönnen eben in 
Ghina befinpliche Perfer an den Arbeiten Theil genommen haben. Polo 
ſelbſt iſt wohl nicht bei der Belagerung gewejen, wahrſcheinlich auch 
wicht fein Vater. und Oheim, weil er fonft wohl angegeben, das Ne bie. 
Maschinen yor der Stadt geleitet Hätten: : ;.. 


448 


Waſſern umgeben, auf weldyen ver Platz fortwährend Zufuhr 
erhielt, was. die Belagerer nicht ‚verhindern Tonnten 398), 
Als der Kaifer von diefen Anftrengungen hörte, verdroß es 
ihn fehr, daß diefer Pla allein fo hartnädig aushielt, ta 
doch das ganze Land zum Gehorjam gebradyt worden war. 
Diefe Umſtaͤnde kamen aud zu den Ohren der Brüder Nicolo 
und Maffio, die fih am Faiferlihen Hofe aufbielten; da mel 
deten fie ſich fogleid beim Großkhan und baten: ihn, er-möge 
ed ihnen verftatten, Mafchinen zu bauen der Art, wie man 
fie im Abendlande braude, die da Steine werfen Fonnten 
von dreihundert Pfund Gewicht, modurd die Gebäude ver 
Etadt zertrimmert und die Einwohner getödtet werden koͤnn⸗ 
ten. Ihr Borfhlag wurde vom Kaifer in Acht genommen 
und ihr Plan fehr gebilligt; darauf gab er Befehl, daß die _ 
gefchieteften Schmiede unter ihre Leitung geftellt. wuͤrden; 
unter denen befanden fidy einige Reftorianifdye Chriften, melde 
ſich als die gefchicteften Zimmerleute erwiefen 399). In wer 


398) In Hist. gen. des Huns IX, 329 wird als ein Irrthum Bolo’s, 
der an der Wahrhaftigkeit feiner Erzählung zweifeln laſſe, angegeben, baf 
er fage, den Einwohnern Siang-yang's fei Zufuhr vom Meere gefommen; 
entweber täufchte fich der Herausgeber in feiner Bemerfung, ober er if 
- ber falfchen Lesart eines Textes gefolgt; in Ramuſio's Terf fteht; „„perche 
dall’ altra. parte vi erano laghi grandissimi;‘ in Test. d. Ling.: „che 
Paltro si & il lago molto profondo;“ in A. Muͤller's Ausgabe: „un 
dique cingitur aquis et lacubus;‘“ vom Meer iſt hier Teine New. 
Alfo wieder ein unrichtiger Borwurf gegen Polo, welchem vie Heraus; 
geber jener Gefchichte noch mehre eben fo ungerecdhte beifügen. 

399) Gerade diefe nähere Bezeichnung der Zimmermeifter fcheint mir 
Polo's Erzählung noch mehr-zu beflätigen. A haiya, dem die Geſchicht⸗ 
fchreiber den Kublat gegebenen Rath zumelfen, war ein Wigure, vielleiht 
ein Chriſt. — Raſchid-eddin erwähnt die Belagerung von ‚ Sayanfı“ 
(alfo ift Polo's Schreibweife der Stadt Verſiſch) und berichtet, daß, da 
man in China Feine großen Mandjanifs Kumga (Mandjanif fommt vom 
Griech. Meyavınog und bedeutet bei den Perfern und Arabern Katapalie; 
was aber Kumga beveutet, wifjen wir nicht) kenne, der Kaan einen Inge: 
nieur aus Damas oder Baalbef fommen ließ, defien drei Söhne, Abu:biler, 
Shrahim und Mohammed mit ihren Zimmerleusen- fieben große Man: 


449 


nig Sagen vollendeten fie drei Rüftungen ganz nad) der Ans 
weifung der. beiden Brüder. . Run: wurde ein Verſuch mit 
denfelben gemadt in Gegenwart des Großfhan’s und feines 
ganzen Hofes, und da fah man Steine werfen, von denen 
ein jeder dreihundert Pfund wog *0 0), Darauf wurden fie 
auf Schiffe gefhafft und zu der Armee geführt: Als fie vor 
der Stadt. Sajanfu aufgeftellt waren, fiel: der erſte Stein, 
der von ihnen gefchleudert wurde, mit folhem Gewicht und 
foldyer Heftigfeit auf ein Gebäude, daß ein großer Theil deſ—⸗ 
felben. zerſchmettert wurde und in Trümmern fiel. Die. Ein- 
wohner erſchraken über biefes Unheil, welches ihnen ein Dons 
nerfeil vom Himmel ſchien, dermaßen, daß fie fofort fid über 
die Uebergabe berathſchlagten. Es wurden fogleih Männer 
zur Unterhandlung aus der Stadt geſchickt und ihre Unter⸗ 
werfung wurde unter denſelben Bedingungen angenommen, 
welche dem uͤbrigen Theile der Provinz gewaͤhrt worden wa⸗ 
ren. Als ſich fo ihre Kunſterfahrenheit bewaͤhrt hatte, wurde 
der Ruf und das Vertrauen dieſer beiden Venezianiſchen Brü- 
der bei Sr. Majeftdt und ‚allen feinen Gofleuten gar, ſehr 
vermehrt. 


—* erbaut hätten, welche bei ber Belagerung von Sayan⸗fu, einer 
‚engfeftung von Manjt, das heißt, dem füblichen China, angewendet 
worden wären (S. D’Ohsson II, 391). Doch andy dieſes Zeugniß beweift 
atchte‘ gegen Polo; nur daf Ingentenre und Werkleute aus verſchtedenen 
kAudern, nicht aber in derlei Dingen unerfahrene Mongolen „sur Er⸗ 
banuns ver Wurfmaſchinen gebraucht wurden. 

400) Dieſer Verſuch von Kublat zu Tatu wird, wie wir in Anm. 
—* geſehen haben, merkwuͤrdigerweiſe von ben Chineſ. Geſchichtſchreibern 
beftätigtund ſcheint mir ebenfalls dadurch der Ausfage Polos eine größere 
Betchftigung zu verleihen. | 


450 


Dreinndfechegigftes Kapitel. :. | 
vVon der Siadt Singui und dem ſchr großen diuſſe Quiau (ang). 


Wenn man die Stabt Sajanfu verläßt und fuͤnfzehn 
Tagereiſen weiter nach Suͤdoſten zieht“ 01), erreicht man bie 
Stadt Singui⸗ 2), die, orweht nicht ſehr groß, vo ein 


\ 


' 401) Wir fommen jehl an And Kibe bebeitenber Stänk, die ſehr 
wichtig find in dieſem handelsmaͤchtigen und reichbevoͤlkerten Theile bed 
Landes, die aber, weil bislang nur wenig. Europäer bis hierhes. einge 
drungen, und die, bie dafelbft gewefen, nur fehr ungenügenbe Beichreibungen 
gegeben, nach ihren neueren Verhältniffen ſchwer zu beſtimmen find. Die 
Deutungen ber Kommentatoren erfcheinen- mie Hier meift unrichtig ‚mb 
gerabe die Kenntniß biefer Lokalitaͤten würde und; nach den neueren On 
eigniſſen, beſouders intereffant erfcheinen; Goch koͤnnen wir Thon. oa der 
nächften Zuknuft der Aufklaͤrungen viele erwarten, da feit dem letzten Ver⸗ 
trägen mit England, dem bald andere Staaten noch nachfolgen. werben, 
bis jest wenigſtens fchon die Mündung des Klang dem Europaͤiſchen Hank 
geöffnet fl. 

- 46%): Singni, ein Stabtname, der bei Polo einigemal wieherfel 
wird und mir mit dem Morte Tfching, welches ein großes Dorf. beimutel, 
das aber bis auf eine Million Menfchen haben fann, zufanımenzuhungen 
ſcheint. Der Richtung nach, die Pole angibt, koͤnnte es. Kino⸗tſchen⸗fu 
am Kiang fein; ich füge der Richtung nach, denn bloße Namenaͤhrlichleit 
kann hier nicht gelten, indem, wie ich fchom. erwähnt habe, bie Namen ver 
Staͤdie mit ben verſchiedenen Dynaſtien wechfeln und, ein und die ſelbe 
Stadt in den verſchiedenen Zeiten wohl acht und mehr Namen erhallen 
hat; das iſt auch die große Echwierigfeit,. die oft faum mit ber genauss 
ſten Kenntniß Orientaliſcher Sprache und Geſchichte zu überwinden if, 
und zwar auch beſonders darum, weil wir bis jetzt meiſt nur die Names 
mit ſehr allgemein gehaltenen . Angaben fennen und Polo- oft nicht den 
eigentlichen Namen, fondern nur einen Beinamen, und. zwar in Perſiſchen 
Ausprud, gibt. — Ueber diefes Eingut tft noch zu bemerken, daß in der 
Lat. wie noch In andern Ausgaben, die Entfernung von Sajanfu nur auf 
fünfzehn Meilen angegeben wird. Es ift daher fehr möglich, daß bie 
Textkorrupzion fich Hier wieder zeigt und die angegebene Entfernung Ein 
gui's fich nicht auf Sajanfu, fondern auf Nanfing bezieht und wir alio 
eine ganz andere Reihenfolge von Städten hätten. Es tft offenbar, mit 
find gerade bei diefem wichtigen Theil ver Befchreibung Polo’s yon Chin 





451 


bedeutender Handelsplah if. Die Zahl der Schiffe, die ihr. 
gehören, ift überaus groß, weil fie nahe am Fluſſe Quian 
(Kiang) kiegt, welches der größte Strom in der Welt iſt; er ift 
an manden Stellen zehn, an anderen acht und wieder an 
anderen ſechs Meilen breit. Keine Läuge his zu dem Platze, 
wo er, ſich ind Meer ergießt, befäuft fh wohl his auf hun⸗ 
dert Tagereifen.. Seine gewaltige. Größe verdankt ey ver Un⸗ 
zahl von fhiffbaren Kfüffen, die ihm ihre Waſſer zuführen 
und ihre Duellen in fernen Ländern haben. ine große 
Menge von Hauptſtaͤdten und andere große Städte liegen an 
feinen. Ufern und mehr als zweihundert mit ſechszehn Pro⸗ 
vinzen henutzen ihn zur Schifffahrt, wodurch der Waaren⸗ 
txansport ſo ungeheuer iſt, daß es denen, die nicht. Zeuge 
davon geweſen ſind, unglaublich erſcheinen mag. Wenn wir. 
jedoch die Länge feines Laufes betrachten und die Menge von. 
Fluͤſſen, die, wie ſchon bemerkt, mit ihm in Verbindung ſte⸗ 
hen, ſo darf es nicht in Staunen ſetzen, daß die Maſſe und 
Der Werth der Wagren und Lehbensmittel, die auf ihm per⸗ 
fuͤhrt werden, fuͤr ſo viele Staͤdte, welche in allen Richtun⸗ 
gen hin Ina, unberechenbar iſt. Am nnbreichſen iſt er 


— 





noch fehr In der Irre, und es find nur einzelne Far Heryorfretende Punfte, 
an die wir uns halten fünnen, doch fo, daß wir immer einen allgemeinen, 
iummpr:woch. intereffanten Blick in die Verhältniffe bekommen. — Kin⸗ 
iſcheu⸗fu Legt noch in der reichen Provinz Gusfuang, if eine fchoͤne und 
reiche Handelsſtadt, in welcher jetzt eine Mandſchu-Garniſon ſteht, weil 
ihre Lage fie nach dem Sprichwort zum Schlüffel oder zur Herrfchaft von 
Zentralchina eignet. Weites abwärts liegen bie Doppelſtaͤdte Wu⸗ tſchaug am 
Morde, Han⸗yang am Suͤdufer, bie beide nur durch den breiten Strom 
des Kiang geſchieden find. Beide ſind ſehr große. Staͤdte. Hier, fagt wan, 
ſei pie dichtgedruͤngteſte Populazion in Ching. Die Barlenceihen 
ziehen zwiſchen beiden. Stäbten mehre Stunden Tang.anf 
dem Strame unnnterbrocen-fort; immer. fanu mun 8000: hie 
10,009 rechnen, die Hier vor Anker liegen und von Da Durch Das 
weiche Waflerneg ‚nach allen Richtungen ausgehen.- Hier alfo mag das 
Singui Polo's liegen, und hier mag er ſich durch ben veichen Btußentehe 
au ber Beſchreibung des Kieng angeregt gefähft haben. 

29 * 


452 


aber für das Ealz, weldyes nicht allein auf dem Kiang und 
feinen Nebenflüffen nadı ven Etäbten, die an ihren fern 
liegen, verführt wird, fonbern auch von da nad allen Plaͤtzen 
im Innern des Landes. Ad Marco Polo ſich in’ der Stadt 
Singui befand, fah er bei. einer. Gelegenheit nicht weniger 
als fünftaufend Fahrzeuge, und doch giebt es noch andere 
Städte den Fluß entlang, wo die Zahl noch betraͤchtlicher if. 
Alle diefe Fahrzeuge haben eine Art Ded und einen Maft 
mit einem Eegel. Ihre Fracht beſteht gewöhnlich in unge 
fähr viertaufend Kantari oder Benezianifhen Zentnern bis 
aufwärts zu zwölftaufend Kantari, weldye Laft einige von 
ihnen aufnehmen fonnen. Sie brauden Fein hanfenes Tau⸗ 
werk, außer für die Maften und Eegel, fondern fie haben 
das Rohr von: foldher Art, wie wir es ſchon beſchrieben haben, 
das fünfzehn Schritt Tang tft und welches fie der Länge nad 
in fehr duͤnne Stirde fpalten, und Indem fie dieſe zuſammen⸗ 
fledhten, bilnen fie Seile davon; die dreihundert Schritt lang 
find. Diefe werden fo geſchickt verfertigt, daß fie an Feſtig⸗ 
feit und Kraft dem hanfenen Tauwerfe gleidfommen. Mit 
dieſen Eetlen werden die Schiffe ein jedes mit zehn ober 
zwölf Pferden auf den Flüffen gezogen, fowohl aufwärts ge 
gen den Strom als auch abwärts. An vielen Stellen find 
am Ufer des Fluſſes Götzentempel und andere Gebäude er 
rihtet, und man fieht. eine fortwährende Reihe von Dörfern 
und bewohnten Plägen +03). ee 


403) Die Befchreibung , die uns Polo von dem Klang gibt, müffen 
wir eine ganz’ vortreffliche nennen; er zeigt: darin feinen ſcharfen klaren 
Blick und feine Auffaffung ber Verhaͤltniſſe im Großen. — Die Duelle 
bes Klang (Vanstieu Kiang, Jan⸗tſe Klang, der Blaue Strom der Jeſniten⸗ 
karten, in ben Berichten der Engländer uͤber ihre flegreiche Erpedizion 
wird er gewöhnlich Yang⸗tſe⸗kiang geſchrieben), oder des großen fühlichen 
Stromſyſtems von China, Tiegt in einem direkten Abflande von 390 geogr. 
Meilen von der Mündung zum Meere, feine Stromentwickelung beträgt 
aber nad) Mefiung 630 geogr. Längenmeilen, alfo 90 oder faſt 100 Mei 
len mehr, als bie Länge feines nörhlichen Nachbars, des Hoangho. Durch 


458 
Vierundſechszigſtes Kapitel. 
Von der Stadt Kayn⸗gui. 


Ray gu 404) iſt eine kleine Stadt an dem ſuͤdlichen 
ufer des vorerwaͤhnten Fluffes, wo jaͤhrlich eine ſehr große 





Die Kruͤmmungen, von dritthalb Hundert 240 geogr.) Meilen, bewaͤſſeri er 
gin Stromgebiet von vollen 34,000 O.⸗Meilen. Seine Länge würde ben 
brei aneinander gereihten Ländern der Wolga, des Nhein’s ynd der Meer 
gleichfommen, fein Stromgebiet dem der 10 größten weſteuropaͤiſchen Stroms 
fyfteme bis zu ben der Ober und der Donau (diefe beiden mit einges 
sechnet) an Areal gleich. fein. S. Ritter. IV, 648. Der Min: Kiang, 
fagt Kaiſer Kaughi (Klaproth Mem, rel. à P’Asie T. III, 392 ff.) entjpringt 
Im Weiten des. Hoangho, auf,bem ‚Gebirge Balan⸗khara⸗ tſitſir⸗khana (im 
wilden Sande ber Sifan Tibet's, Min Schan der Chineſen), nicht gu fern 
yon, ben Duellen des Hoangho; er liegt außerhalb der Weſtgrenze von 
Ehina. S. weiter R.IV, 650. Der mittlere Lauf des Kiang, wo er ges 
wößnlih King Klang oder auch Ta King, der Große Strom, genannt 
wird, gehtdurch Szütfchnan und Hupe, bis oberhalb King⸗tſchku⸗fu, wo 
er in’ die Nieberungen Ehina’s eintritt, Nur an ver Merresmändung 
wird er Dang-tfe Kiang genannt. — Die Schilderung, welche Polo von 
dem Fluſſe gibt, wird burg die Jeſuiten und Macartney’g Sefanbtiehafter 
. beſtaͤtigt. ¶ 
.Die Quellen des Hoaug ho und Klang entfpringen, in analogen Ber- 
haͤltniſſen einander benachbart, auf einer und derſelben Hochterxafle,. dem 
Plateaulande ver Sifan. Sie nehmen anfangs einen direkt enigegenges 
fegten Lauf, bis fie in einer Entfernung von 15 Breitegraben, ‚vom 
Hochgebirge in rechten Winfeln zweimal zuruͤckgeworfen, glößlich umfehren. 
Run treten fie da, wo fie fi bis auf 4 Breitengrgde einander genähert, 
wieder in rechten. Winfelg plöplih aus dem Alpenlande hervor. und eilen 
in konvengirender Normaldixefzion dem Ozean zu. Nach einem langen 
Lauf treten fie, laͤngſt benachbart, doch num erft durch Kanaͤle und Arme 
in Verbindung , ohne fich jedoch aus einer Mündung in das Meer zu er⸗ 
gießen. — — — Der Honan und Kiangnan bilden zwifchen beiden. Strös 
men das große Chinefifche Blachfelb , ein von zwei Rieſenſtroͤmen gebil- 
detes Delta von taufend Flußarmen, Kandlen durchſchnitten, voll Lagu: 
nen, Moräften, Seen. — — — Die Kulturgeſchichte China’s führt in die⸗ 
ſes flache Zweiſtromland, welches ein Drittheil des ganzen Reichs aus: 
macht, zuruͤck. — Erf bie neuere. Periode hat Ale Anfmerkfamäeit.v von ‚dp 


458 


Mienge Korn und Reis gefammelt wird, deſſen größten Theil 
man von da 'nidy- der Stadt: Mahnbans" fr bie Hofhaltung 
weg nach dem Norden, nach Peking, als die Refivenz dev Nichichinefifchen 
Synaftien aus Hochaſten gezagen. — — Diefes Mefopotantten , fammt 
dem ſuͤdlich anliegenden Delta des Kiang; iſt dns wahre Maha⸗Tſchin 
(Matfchyn der Indiſchen, Man⸗tſchi oder Man-vzy der Chinefifchen Hiſto⸗ 
rifer, Man:gi oder Manzji bei M. Polo) oder Großchina (Maha Im 
Salifttit ſ. v. a. „groß“), welches von den Anwohnern des Ganges bie 
fen Nomen zuerſt erhlelt, im Gegenſatz er 6 noͤrdlichen Provinzen von 
Katal. — Eben bbieſes Reich ver Mb ft der fruͤheſte Sitz der Chine⸗ 
fifchen Kültur und weiterhin Das Ziel iller Erobernntzen "Her Rachbar⸗ 
hoen. | 0 * A 
Alle Fluͤſſe CHink’s Forhmeit, wie He Zwillingeſtroͤme, vom Hochlande 
ind. fließen im Varallellsmus von "RB. waih O. in ven Dzean; die Einf: 
liche Kommunlfkazion zur Binuenſchifffahrt aber geht von N. nach ©. und 
ſchneibet alle dieſe Syſteme iver Kuͤſtenſtrͤme in rechten Winkeln. Die 
kleinen Fluͤſſe füllen die Kanaͤle mit Waſſer, die drei großen Ströme aber 
(Euho, Hoangho und Kiang) leiten vie Ueberwucht An den Ozean. Den 
ganzen Kuͤſtenſtrich durchſchlaͤngt won N.nad S., vbm Golf von Petfcheli 
fühwärts bis zum Alpenfee Sihn un dir’ erſten!ſblichen hohen Gebttge— 
fette in S. von Hangäiſchu⸗fn, ver mächtige auptſtamm (the trunk) des 
Kanalfyſtems, zu dein alle anbern mie Aeſte und gweige fich verhalten. 
Dies iſt der Große ober Kaiſerkanal, Bus groͤßte Kanalſyſtem berWelt. 
Er iſt ein Gegenſtuͤck zu der Großen Mauer, deren kubiſcher Inhalt mehr 
Backſteine haͤlt, als alle Wohnhauſer (13600 000) Yon Englaud und Schott 
land; body überirifft fein Nutzen und die Zweckmaͤßlgkeit ſeiner Einrich⸗ 
tung ſene bei weitem. Nur tn einem Lande, wo-hber Millionen Hand 
lantzer despotiſch disponirt werben Tonnte,,- war 66 möglich-,. beide zu 
kauen; nur In einem Lande von fo gleſchfoͤrmigem Nivrau, wie hier, wat 
es möglich, einen folgen Rieſenkanal ohire eine einzige Tinterbreckung zu 
Stande ju bringen. Er tft von alfen Europaͤiſchen fehr verſchieden, weil 
er ſich mach der Natur des Kindes richtet, ſich oft windet, von verſchiede⸗ 
ner Breite iſt, bald 200, bald 2000 Fuß welt, und faſt! nie · ſtillſtehendes 
Waffer hat, ſein Gefälle beträgt oͤfter 2-68 3 Fuß auf eine Engliſche 
Meile ; bald if er tief in Berge eingeſchnitten, bald laͤuft er auf erhoͤhe⸗ 
tem (b18 20 Fuß) hohem Damm, mit Granitquadern eingefaßt, über Seen 
und Moräfte von ungehenrer Ausdehnung hinweg. ‚Seine jahlisfen Schlia: 
fen, Brüden, die Kultur an feinen fern, die unzählige. -Dtenge von 
Städten, bie ihm entlang oft tiefer als fein Bett Hegen und -bie veſtaͤndig 
anf ihm hin. und herſegelnden Flotien von Traueporiſchiffen, die zahllofen 


458 


Des Großlhan's führt; denn durch dieſe Stadt iſt die Ver 
biudungslinie mit Kataia auf Fluͤſſen, Eeen und einem’ wel 
ten tiefen. Kaual hexgeſtellt, weichen. letzteren Se. Majeftät 
graben laſſen, damit. vie Schiffe von einem großen Fluſſe 
zum anderen und fo zu Waffer von der, Provinz Manji bie 
aa Kambalu ‚gehen Fbunen, ahne noͤthig zu haben, auch nux 
einen Theil der Fahrt zur See zu machen. Dieſes Wexk iſt eben 
Fo hewunderungswuͤrdig als ſchon in der Weiſe, wie es in: fa 
weiter Ausdehnung duxrch Das Rand geführt. worden, als much 
durch die Vortheile und Wohlthaten, die qs den Städten ges 


ſchwimmenden Doͤrfer und Fiſchervoͤlker, die auf und an ihm, auf ſeinen 
Zu⸗ und Ableiten hauſen, ſetzen den Reiſenden in Erſauren. S. Ritter 
IV, 712 - 729.. 

404) Ritter meint (IV, 689), Tfeßtn- Hang: fu fe wahrfcheinlich 
Kaingui bei M. Polo; daſſelbe, das er gleich nachher als Cian⸗ghan⸗fu 
näher bejchreibt; dem kann ich aber durchaus nicht beiftimmen ; warum 
. Sollen. .diefe beiden "Städte fih auf Tſchin⸗ktangefu beziehen ? Kaingui 
Jann :sichis anderes, fein, als Kuntfchen, welches wir ſchon erwähnt haben 
zund wa ſich direft gegen Suͤd der von Dangstfhusfu (Dangut) kommende 
Kaiſerkanal mit dem Kiang vereinigt; das paßt auch ganz quf. bie Bes 
ſchtelbung⸗ ‘die und Polo von Kaingqui gibt. Hier tft auch der Kin Scan _ 
oder der Goldberg, welcher mitten zwiſchen den Städten Kuatſcheu am 
Mord: uud Tſching Klang am Suͤdufer, etwas unterhalb beider Städte 
Itegt' (Staunton c. I. Trad. p. Castera T. IV. p. 146; Du Halde T, 1V, 
p-. 82. H. Ellis Journal .o, I. p. 287. und Ritter ſelbſt LV,-688)., ‚Ellig 
ſah ſchon aus der Ferne” gegen. S.⸗-O. den Gipfel der maleriſchen ‚See; 
Anfel aus dem Strome des Klang emporragen, die unmittelbar Im Often 
ver Kanaleinfahrt und Heberfahrt uͤber den Kiang zu befien-Stburfer ifich 
aus feinen Waſſern erhebt. Die Lage dieſes Inſelchens am Eingange der 
großen Bal, an welcher die große Stadt Tſchingkiang erkant ‚ib. ihre 
Form, Ihre ‚Kultur macht eine frapante. Wirfung, . Es ift eine. mahre 
Zauberinſel, ſagen die Jeſuiten. — Gin. pittoresker Juſelfels .neben- dem 
‚Kin Schan heißt Din, Schan, .d. 1. der ‚Silberberg; ; bie Jaloufie der Chi⸗ 
neſen erlaubte die Beſchiffung von beiden nicht. Aber bei der. ‚Mekerfahrt 
‚ficht man. dis Steilufer des Kin Shan; ‚Gärten und Luſthaͤnſer find, bie 
‚Terraflen hinaufgeführt ; ‚fie gehören dem Kaiſer, der dort einen ſchoͤnen 
und großen Palaſt erbaute, ver ein Meblingsaufentgalt Khien⸗ longa. war. 
Auf den hoͤchſten Hoͤhen der Felsinſel ſind Pagoden errichtet. 


456 


währt, an denen es vorüberzieht. An feinen Ufern find zugleid 
fefte und langhin laufende Terraſſen oder Chauſſeen hinges 
führt, wodurch aud das Reifen zu Lande fehr bequem ge 
madıt worden if. In der Mitte. des Fluſſes, der Stadt 
Kayn⸗gui gegenüber, liegt. eine Infel ganz aus Felſen, dar 
auf iſt ein großer Tempel und ein Klofter gebaut, worinnen 
zweihumbert Möndye, ‚wie man fie nennen kann, wohnen und 
den Goͤtzendienſt verrichten, und dies ift der oberfte von vielen 
anderen Tempeln und Klöflern. — Bir wollen nun von der 
Stadt Bian-ghiansfu reden. . 


Fuͤnfundſechszigſtes Kapitel. 
Don der Stadt Cian⸗ghian⸗fu. 


Cian⸗ghian⸗fu +05) iſt eine Stadt in der Provinz Manit, 
deren Einwohner Goͤtzendiener find, dem Großkhan unterihan 
und bei denen das Papiergeld Geltung hat. Sie leben von 
Handel und Gewerben und find reih. Sie weben Zeuge 
von Gold und Seide. Die Jagd ift. hier ganz Föftlich für 
jede Art Wild, und Lebensmittel find im Ueberfluß da. Sn 
biefer Stadt giebt es zwei Kirchen. Reftorianifcher - Chriften, 
die im Jahre 1274 erbaut worben find, als Se. Majeftkt 
einen Neftorianer, Namens Mar Sachis, zur Statthalterfhaft 
auf drei Jahre beftellte.e Bon ihm ſind dieſe Kirchen er⸗ 


405) Cianghianfu, im Cod. Ricc. Cinghian⸗ en, tft die große und 
volkreiche Handelsftabt Tſchinghianfu, eine ber wichtigften des Reihe, 
welche neuerdings im Kriege der Engländer mit China befonders berühmt 
geworben iſt, denn bie Einnahme biefes mächtigen Kriegsplaßes am 21 
Sult 1842 führte vorzüglich den Frieden zu Nanfing mit herbei. Sie 
liegt zwei Tagereifen vom Meere und wird ber Schläffel des Reiche von 
der Seefeite genannt. Unzählige Junken füllen ihren Hafen. Bon ven 
nächften Anhöhen foll die Aueſicht auf die Stadt und ihre Umgebung 
großartig fein. 


457 


baut worden, da fie vorher niht da waren, und fie beftehen 
noch. — Bir verlafien nun biefen Plat und ſprechen von 
in-guisgul, 
Sechsundſechszig ſtes Kapitel. ’ 
Don der Stadt Ein. ⸗gni⸗gui. 


Wenn man Cianghianfu verläßt. und drei Tage nach 
Suͤdoſten weiter zieht, kommt man an vielen Staͤdten und 
Feſtungsplaͤtzen voruͤber, deren Einwohner Goͤtzen anbeten, 
von Kuͤnſten und Gewerben leben, dem Großkhan unterthaͤnig 
ſind und ſein Papiergeld brauchen. Nach Verlauf von drei 
Tagen erreicht man die Stadt Tin-gui-gui*06), die groß 
und fhon ift und viel rohe Eeide erzeugt, aus welcher Ge- 
webe verfchiedener Arten und Mufter gefertigt werden. Alles 
zum Leben Nothivendige ‚findet man bier im Ueberfluß und 
die Menge Wild bietet gar Juftige Jagd. Die. Einwphner 
waren ein hinterliftiges unmenſchliches Gefhleht. Zur Zeit, 
als Chinſan Bayan oder der Hunbertäugige das Land unter- 
warf, ſchickte er gewiſſe Alaniſche Chriften mit einem Theile 
feiner eigenen Beute ab, fi der Stadt zu bemädjtigen, und 
fobald fie davor erfihienen, lieg man fie ohne Widerftand 
einziehen. Der Plap war mit einer doppelten Mauer "ums 
“geben, eine in der anderen, und. bie Alanen befegten die erfte 
Ummwalung, wo fie eine beveutende Menge Wein fanden, 
und da fie viele Beſchwerden und ntbehrungen erbulvet, 
waren fie eifrig, Ihren Durft zu. ſilen, und tranken, ohne 


406) Tingnigut, oder wohl richtiger nach der Basler Antgabe Cin⸗ 
guingui und dem Berliner Mſpt. Chin⸗chin⸗gui, iſt nach den Kommentatoren 
Tſchang⸗tſcheu-fu in der Nähe des Kanals; ſie wurde von Bayan einge⸗ 
nommen, und er ließ die ſaͤmmtlichen Ginwohner niedermetzeln, wie die 
Chineſ. Geſchichten berichten (S. D’Ohsson II, 409 f.); wiewohl 
viefe weiter Feine nähern Details enthalten, fo iſt wohl an der Waebrheit 
vor Polo's Angaben. nicht zu zweifeln. 


238 j 

ſich weiter zu: beſinnen, „Bis; zu ſolchem Uebermaße, daß ſie 
ſich berauſchten und daruͤber eiuſchliefen. Kaum. Lemerkte das 
Volk der Stadt, welches ſich in der zweiten Umwallung be 
fand, daß ſeine Feinde ohnmaͤchtig im Schlafe dalagen, ſo 
ergriff es die Gelegenheit, ſie zu ermorden und es entkam 
deren keiner.Als Khinſar Vayan von. dem GEäsſchicke dieſer 
feiner abgeſendeten Truppen hoͤrte, da war er unwillig und 
ergrimmt wie nie und ſandie eine andere Armee, den Pla 
anzugreifen. ':Die’Etadt wurde aingenominen und er gab Be 
fehl, alle Einwohner, alt zund jung, ohne Untexſchied des Ge 
ſchlechts, zur Vergeltung dem Schwerte zu. überliefern. 
Siebenundſechszigſtes Kapitel. 
— WVon ben Staͤlen Singui und Vagin. 


ESingui 207) iſt eine große und praͤchtige Stadt, deren 
Umfang zwanzig Meilen beträgt. Die Einwohner ſtud Goͤtzen⸗ 

407) Bon Iſching⸗kiangefu ‚führt ber große Kanal serfi durch ſtelniges 
Land und iſt zuweilen vur 12 Fuß breit, mit hohen Belsufern ober Qua⸗ 
. bern eingefaßt und mit Brüden-überbaut, aus rothem Granitftein, dann geht 
er In eine vollfoimmen ebene Flaͤche über, als wäre hler ein’ Seeſpiegel 
gewefen, nach Su⸗tſchku-fu, das ift Polo’s Eingut. ’ Um bie Vorſtaͤdte die: 
Ver geivaktigen Stadt: gu durchſchiffen, brauchten die ‚achten der britiſchen 
Embaſſade unter Lord Macartney 3 Stunden Zeit; auf allen Seiten war 
bie Stadt von Kanqaͤlen durchſchnitten, und. die Sngländer wurden an Be 
nedig erinnert. Die ungeheure Menge der hier ‚vor, Anker Jiegenden Bar: 
Ten feßte fie in Verwunderung. Der Kanal fegt unter. ben Bogen ber 
Stabtmauern hindurch,‘ im derſelben Art, ‚wie dieſe don ben’ Hoflänbern 
In Batavia angebracht find. Die Stadt erfchien freundlih , gut gebaut, 
He Bewohner dicht gedraͤngt, wohlhäbend, meiſtentheils in:Seide 
gekleidet. "Ste nennen ihr Sutfihufn das Patadses von Chian, 
wenn auch nicht dm Himmel, doch gerade unter dem Himmel, nf 
em Sprichwort, auf. der Erde. Nahe der Stadt im Meſt breite 
ſich der prachtvolle Spiegel des Vaihuſees, mit: pittoresfen Hügeln um 
raͤnzt, aus, ein fifchreiches Waffen, ein Luftort des Volkes, wohlu unzaͤh⸗ 
lige Luftfahrten der dortigen Staͤdter ſtets auf Barken in Bewegung Kal, 


438 


anbeter, dem Großkhan unterthan und: brauchen fein. Papier⸗ 
def. Sie haben eine große Menge roher Seide und. ver- 
arbeiten fie nicht allein zu ihrem eigenen Verbrauche, da fie 
ſich alle in Seide. kleiden, ſondern aud für. andere. Märkte. 
Es giebt unter ihnen einige ſehr reiche. Kauflante,..und vie 
Zahl ihrer Einwohner ift fo groß, Daß. fie: ein: Gegenſtand 
gerechten Staunens iſt. Es find jedoch fehr feige Leute, die 
nur mit ihrem Handel und ihren Gewerben fid befchäftigen. 
In diefen entfalten. fie eine ‚große Geſchicklichkett, und wenn 
fie fo unternehmend und kriegeriſch, wären, als. fie. gewerb⸗ 
thätig und erfindungsreih find, fo önnten. fie (denn fo un 
geheuer ift ihre Zahl) nicht fein die ganze Provinz (Manji) 
unterwerfen, ſondern auch noch viel weiter gehen. Es giebt 
unter ihnen ſehr geſchickte Aerzte, weldie die Natur der: Kranfs 
heit :beftimmen und bie geeigneten Mittel: gegen dieſelbe anz 
erden koͤnnen. Auch giebt es daſelbſt ſehr weiſe Männer; 
oder, wie wir ſir nennen, Filoſofen, und andere, Die Magier 
und Bauberdr ‚genannt werben. koͤnnen. Auf’ den Bergen. in 
der Nähe der Stadt waͤchſt Rhabarber in größter Vortreff- 
Kehkekt und wird zu fo wohlfeilem Preiſe verkauft, duß vier⸗ 
g Pfunr von der friſchen Wurzel in ihrem Gelde zum 
Bee, eings Venezianiſchen Groſchens zu haben ſinb. Unter der 
Geriätsbarfeit vor Singui ftehen ſechszehn vetraͤchtliche und reiche 
- greße.-und fleinere. Städte, wo Handel und ‚Gewerbe ‚blühen. 
Unter von "Namen Ein hui zu verfiehen ‚Die Stadt. Der 
Erbe, ie unter dem von Dubrsfat ‚die Stadt des ‚Hin 
mel.” Wir verlaſſen Hinz“ Singui. und wollen von einer 
anderen Stadt reden, die nur eine Tagereiſe davon entfernt 
iſt and Dorgin 2) keißt⸗ wo ebene großer Meberftuß an 


Con 


“nt denen ui hier das weitige Geſttecht ei nehmen darf. Diefe 
"See Hegt anf der Grenze der’ Provinzen Kiangfuͤ im Norden mb Eſche⸗ 
ang im Süben, zu welcher Item wir mit der nachſten Stadt über; 
Heben. Ritter YV, 85° F. 

408) Ber Küiferkarlaf‘ Fühwärts von Sutſchufn durchileht in eine 
er wechſelnden Weite ein Atrgerhein "reichbebnutse Land, Ader Kia⸗ 





454 


Menge Korn und Reis gefammelt wird, beffen größten Theil 
man von da 'nidy: ber Stadt! Kalndalu Für’ bie Hofhaltung 


weg nach dem Norden, nach Peking, als die Refidenz ver Nichichineitfchen 
Dynaſtlen aus Hochaſten gezogen. — — Diefes Mefopotanden , fammt 
dem fuͤdlich anliegenden Delta des Kiang, it, dns wahre Maha » Tſqhu 
(Matfchyn der Inbifchen, Man⸗tſchi oder Man-bzy der Chineſiſchen Hiſto⸗ 
riker, Man⸗gi oder Man⸗ji bei M. Polo) oder Großchina (Maha Im 
Salifktit f. v. a. „groß), Weichen von den Anwohnern "des Guntges Die 
fiir Namen zuerſt erhielt, im Gegenſatgz er 6 noͤrdlichen Provinzen von 
Rita. Eben vbieſes Reich ver Mktts AM der ffruͤheſte Sitz ver Chine— 
fſchen Kuktide und wWkiterhin vab Ziel aller Erobernntzen Ber Rachbar⸗ 
—** Kae nn zZ 
Ale Fluͤſſe Chinas Forhmeit, wie He Zwillingoſtroͤme, vom Hochlande 
tind. fließen im Paralleilsmus von "WB. naih O. in den’ Dzean; die Ems 
‚Hide Kommuntkkazion zür Binnenſchifffahrt aber geht von N. nach ©. und 
flöäneidet ale dieſe Syſteme ver Kuͤſtenſtroͤme in rechten Winkeln. Die 
Meinen Flauͤſſe füllen die Kanaͤle mit Waſſer, die drei großen Ströme: abtr 
(Eko, Hoangho und Kiang) leiten Wie Uebttwucht An den Ogemm.-: Den 
gihzen Kuͤftenſtrich vutchſchlaͤngt von N. nach S., vbni Golf von Petfheli 
fübwärts fie zum Abpenfke Sthu kn der’ Affen! "Fühlichek hohen Gebtee— 
fette in S. von Haugaſchufu, der mäthtige Hhauptſtamm (ehe trunk) dee 
Kanalfyſtems, zu dem nlle anbern mie Hefte: und gweige ſich verhaltes. 
Dies iſt Der Große oder Kaiſerkancl, bis groͤßte Kanalſyſtem "ber Well. 
Er iſt ein Gegenſtuͤck zu der Großen Mauer, deren kubiſcher Inhalt mehr 
Backſteine haͤlt, his alle Wohnhauſer (1/800,000) Yon Englaud und Schott⸗ 
Merid ; body üuͤbertrifft ſein Nüben und die Zweckmaßlgkeit feiner Ciurich⸗ 
tung sehe bel weitein. Nur tn einem Lande; wo-"hber Millionen Himb 
kantzer despotiſch dispontrt werben konnte, wat es möglich. beit zu 
kühlen; nar in einem Lande von fo gleichformigem Nivrau, wie hier, wor 
es moͤtlich, “einen folchen Rieſenkanal ohne Eine einjige-Unterbretfing zu 
Stande zu bringen. Er iſt von allen Europaͤiſchen ſehr verſchieden, wel 
er ſich nach der Matur des: Kindes richtet, ſich oft windet, von verſchiede⸗ 
ner "Breite iſt, bald '200, bald 2000 Fuß' weit, und faſt! nie ſtillſtehendes 
Waffer Hhat, ſein Gefaͤlle beträgt dfter 2-68 3 Fuß auf eine Engliſche 
Meile;'bald iR er tief in Berge eingeſchnitten, bald laͤuft er auf erhdͤhe— 
tem (bis 20 Fuß) hohem Damm; mit Granitquadern eingefaßt, 'üßer Sen 
und Moräaͤſte von ungeheurer Ausdehnung hinweg. ‚Seine zahlloſen Schler⸗ 
fen, Bruͤcken, die Kultur an feinen Ufern, die unzaͤhlige Menge von 
Städten, bie ihm entlang oft tiefer als fein Bett Hegen und die beftändig 
anf ihm hin. und Herfegelnden -Sloklen von Transpottfgifen, die zahllofen 


458 


bed. Sroßfhan’s- führt; denn durch biefe Stadt iſt die Ver⸗ 
biudungslinie mit -Katala auf Fluͤſſen, Seen und einem weis 
ten tiefen. Kanal hexgeſtellt, weichen; letzteren Se. Majeftaͤt 
graben laſſen, damit ‚vie Schiffe. von einem großen Fluſſe 
zum anderen und jo zu Waffer von der Provinz Mani bie 
nach Kambalu gehen Tounen, ohne inöthig zu haben, auch nur 
einen heil der Fahrt zur See zu. machen. Dieſes Werf iſt chen 
je hewunderungswuͤrdig als. ſſchoͤn in der Weife, wie es In: fo 
weiter. Ausdehnung durdg das Land geführt. worden, als auch 
durch die Vortheile und Wohlthaten, die 48 Den Städten ge⸗ 


ſchwimmenden Dörfer und. Fifchervölfer, die auf und an ihm, auf feinen 
Zu: und Ableiten haufen, ſetzen den Reiſenden In Erſtaunen. S. Ritter 
IV, 712 - 729. 

404) Ritter melnt (IV, 689), gſchin⸗tlang—⸗ Fr A wahrſcheinlich 
Kaingui bei M. Polo; daſſelbe, Das er gleich ‚nachher als Cian⸗ghan⸗fu 
näher beſchreibt; dem kann ich aber durchaus nicht beiftimmen ; warum 
. füllen‘ bieſe beiden "Städte ſich auf Tichinzichgefu beziehen. Kaingui 
Aann mie andetes, fein, als Kuntfchen, welches wir fchon erwähnt Haben 

wa ſich birefi gegen Suͤd der yon Nang⸗tſchu⸗fu (VYangui) kommende 
Raiferfanal, mit dem Kiang vereinigt; das paßt auch ‚ganz. auf. bie Bes 
Fgreinung, die uns Polo von Kalndni gibt. Hier iſt auch der Kiu Shan _ 
voder der Goldberg, welcher mitten zwiſchen den Städten Kuatſchku am 
Blord⸗ wid Tſchlng Klang am Suͤdnfer, etwas unterhalb beider Städte 
FHegt (Staunton c. I. Trad. p. Castera T. IV. p. 1463 Du Halde T. AV. 
2-82. H. Ellis Jonrnat.c, I. p. 287. und Ritter ſelbſt LV,-688).. ; Ellis 
fah fchon aus der Ferne‘ gegen S.⸗O. den Gipfel ber malerifien ‚gel: 
Anjet aus dem Sirome des Klang emporragen, die unmittelbar im Öften 
Ger Kanaleinfahrt und Ueberfahrt über-ven Stang zu befien- ‚Shibirfer ifich 
. aus feinen Waſſern erhebt: Die Lage dieſes Inſelchens am Eingange ber 
Aroßer Bai, an welcher die große Stadt Tırhingfiang. eykant HE. ihre 
Norm, ihre „Kultur macht eine frapante. Wirfung, Es iſt eine. mahre 
Zaubeerinſel, fügen. bie. Sefuiten. — Gin. pittoxesfer. Sufelfels. neben..bem 
Kin Schan beißt, Din. Schan, d. i. der Eliberberg; bie Jaloufie der Chi⸗ 
neſen erlaubte ‚bie. Beſchiffuug. von beiden nicht. Aber bei ber uneherfahrt 
‚feht man. die Steilufer des Kin Schan; ‚Gärten und Luſthaͤnſer find. bie 
Terrafſen hinaufgefuͤhrt; ‚fie. gehören. bem Kaiſer, der dort einen ſchoͤnen 
mad ‚großen Palaſt erbaute, ber ein Aeblingsaufenthalt Khien.-kong’A, war. 
Auf. den höchflen Höhen der delsinſel find Pagoden errichtet. 4 


463 


in ber: Welt verdient wegen ihrer: Groͤße und Schoͤnheit als 
auch wegen der Kurzweil, Öreube und Woluuſt, die man va 


in ben friheren Jahrhunderten — wir haben ſchon erwaͤhnt, daß die Na: 
men ber Kreife und Etädte und, wie Roumanı angibt, nicht felten and 
die der’ Fläffe und Berge unter dem verfchleenen Dynaſtien des Mitiel⸗ 
reich vielfach verändert wurden — zehn werfchlesene Namen. Die. Dy: 
naftie ver Sul nannte fie zuerft Hang⸗tſcheu, unter den großen Sung (Song) 
bieß fie Linsugansfu, unter den Yuen (Fuer) oder Mongolen Hang-tfdrkude 
und erfi von der legten einhelmifihen Dynaftie erhielt fie wiederum ven 
Ramen Hangsticheuffe. Die Sung, von den Niu⸗tſchi oder Kin tm zwölf: 
ten Jahrhundert unferer Seitrechnung immer weiter gegen Suͤden ge: 
vrängt, waren endlich im Sabre 1132 gensthigt worden, hierher thren 
Hofhalt zum verlegen, nnd die Stadt erhielt nun den Namen King:ffe 
oder Mefidenz, wörflich die größte oder vorzuͤglichſte Berfammlung. Das 
it das Quin⸗ fal des DVenezianifchen Reifenden. „Rolo war des Chine⸗ 
fifchen, wie aus mehren Stellen feines. Meifewerfs erhellt, unkundig (hier 
möchte ich nicht fo unbedingt Heren Pesfefibe Neumann beiſtimmen; er 
war des Perfiſchen wahsfcheinli "weit erfahrener: und: mochte ſich wohl 
gewöhnlich dieſer Ho fſprache bedienen, Doch lernte ex. bei feinem Langen 
Aufenthalt in China, wo fogar feine: Amtögefchäfte ihm vielfach mit ein⸗ 
heimifchen Beamten und Seuten aller Art zuſammenfuͤhrten und unterhan: 
bein liegen, das Shinefifche, eine Eprache, bei derer Erlernung allerdings 
große Schwierigkeiten: entgegenſtehen, fichet wenigſtens im Allgemeinen 
verſtehen und ſich — wenn er dabei auch vielen and mancherlei Irrthaͤ⸗ 
mern begegnete, wie eben hier bei Kingsffe darin verſftaͤndlöch machen, 
obwohl ich glaube, daß Polo hler weniger eine: beſondere Ueberſetzung bes 
Wortes hat geben wollen, als vielnmehr eine allgemeine Vezelchnung ber 
Stadt, ‚nie: fie: von den in fo luſtigen und vergnuͤgungsſuͤchtigen Vethaͤli⸗ 
niſſen lebenden Bewohnern angefehen wurbe; — das geht mir au ame. 
Polo's ganzer Auffaſſung Ehinefifcher Verhaͤltniſſe hervor, die ihm nicht 
fo in ihrer Cigenthuͤmlichkeit zugekommen waͤre, wenn er des Ehineſeſchen 
gar nicht kundig geweſen; ſ. unſre Annerk. 23); feine Dolmetfcher Gaben 
ihn fahſch berichtet, wenn fe Kingeflee: durch Himmelsſtadt überſetzten.“ 
„Die Stadt Hang-ticheu (30° 20°! aörol, Breite, 3° 39 4° SAL. Länge 
yon Pefing), wo der Direktor des ganzen .Kreifes und. der Schatzmeiſter 
refidiren, liegt anf der abrölichen Seite des Fluſſes Ifienstang, der. unfern 
ber Ringmauern vorüberfließt, bier umgefähr eine halbe. Stunde breit fein 
mag und nach einem Sftlichen Laufe von beinahe 15. geogr. Meilen fh in 
das Meer ergießt. Suͤdweſtlich der Stadt. tft der romantifche Sie ober 
Woſtliche See ,-deffen Umfang. LO Deutſche Meilen ‚beträgt (dem Polo fü 


453 


findet, die "wohl: die Einwohner verleiten: Tonnen, ſich tnr Bas 
radieſe felbft: zu wähnen. "Diefe. Stadt wurde. After von. Mareo 
Polo beftsht, der forgfältig ‚und fleißig Alles’ beobachtete und 
ſich nad Allen ertundigte, was fie vera I), was er Ale 


koſtlich beſchreibt). An feinen Ufern, bie ringsum mit großen gfatt g ges 
meifelten Quadratſteinen gepflaftert find, erheben fi pruͤchtige Dempel 
und Kloͤſter, Palaͤſte nnd Landhaͤuſer, wohin ſich Die Beamten und: reichen 
Kaufleute der Lreiskauptftadt in der ſchoͤnen Jahreszeit zuruͤckzlehen. Mau 
gun fowohl. zu Land unter herrlichen: Alleen, als .auf.dem-Wafjer. ya 
Sichn gelangen; denn ber Eee ward burd) Kanaͤle mit allen Theilen dr 
Stadt in Verbindung gebracht. Es iſt dies nicht die einzige Aehnlichkeit 
Hang⸗tſcheu's mit Venedig. Die Bevoͤlkerung der Etabt, welche von 
Staunten, dem Bater, ficherli mit Unrecht ſelbſi ver Peking's gleich 
geächtet wird. (ich glaube, daß fie in früheren Selten nicht minder: 'gröoß 
war, als bie der jegigen Hanpiftabt China's, ja zu: Polo's Zeiten: mer 
fie ſicher noch weit größer), iR in jebem Tall ſehr bedeutend. Hang⸗tſcheu 
iR wegen feiner hoͤchſt günftigen Lage, am Ausgange bes ‚großen Kanals, 
fett vielen Sahrhunderten ein Hauptftapelplap bes Seehandels mit den 
zahlreichen Infen des oͤſtlichen Archipelagus nnd Japans geweſen, aus 
welchem Gtunde fie wohl auch den Naͤmen Huug⸗tſchẽeu, d. h. Schfff oder 
Edifferſtadt, erhalten hat. Der auegedehnde Handel’ dieſeq · Kreiſes hat 
wahrſcheinlich auch die Juden bewogen, ſich in Tſche⸗kiang, namentlich zu 
Hang⸗tſcheu und Ning-po niederzulaſſen, wo wir deren bis zum 17. Jahrh. 
mehre Familien finden. Es find hier allein 60000 Manſchen mit- Hu 
Seidenweberei :beichäftigt ; die zahlreichen Brddhiſtiſchen und Taoklloͤſter ver 
Stadt und der nahen Umgebung ſollen 18,000 Maͤuche und Nonnen ents 
halten: : In Hang-tfchu verweilte unfer beruͤhmter Laudsmann, der Je⸗ 
fait. Bartini, vier Jahre Lang, die er theils dem Miffionsgeichäfte,. teils 
Dir Ausarbeitung feines vortrefflichen Chineiiigen Atlas widmete — ein 
Wert Dentihen Fleißes und Deutſcher Gewiſſen haftigleit aus dan wir 
haͤufig geſchoͤpft haben. ““ 
410) Hieruͤber vergleiche Reumann’s Bemerkung bı sr. MNote. Das 
Ehincfifcdye: Sprichwort, auf welches Polo feine Angabe von ber parädieft- 
ſchen Lage der Stadt gründet, iR ebeufalld nad Reumasn ist ver. Mar 
merfung angeführt worder; man fehe daruͤber ‚weiter, was Polo über bie: 
wolläftige Erinnerung ber Gesmien ou Dainfal in. der. 2 Abthellnug die⸗ 
fes Kapitelo ſagt. i. 

.#11) Bold, voramsfchens, daß ſeine Schilderung über biefe guigte 
und zeichfte Stadt der Welt, die fi fo ganz außen. dem. bamallgen Euros: 


258 


ih. weiter zu: beſinnen, bis zu ſolchem Uebermaße,, daß fie 
fh. bexauschten und daruͤber ‚eiufchliefen. Kaum. hemerkte das 
Volk der Etabt, welches fih in der zweiten Umwallung ‚be 
fand, daß feine Feinde ohnmädtig im Schlafe dalagen, fo 
ergriff e8 die Gelegenheit, fie zu ermorden und es entfam 
deren Feiner), Als Chinſer ‚Dgyan von. dem Gäſchicke dieſer 
ſeiner abgeſendeten Truppen hörte, da war er unwillig und 
ergrimmt tie nie und fandte eine andere Armee, den Pla 
anzugreifen. ':Die‘Eitadt Abaıbe.singenominen und er gab Br 
fehl, :alle:-&inmohner, :alt :und jung, ‚ohne Unterfchied des Ge 
fie, zur Vergeltung Dom Scuwerte ni. überliefern. 


I... 


* Siebenundfeßsjigtes Kapitel. 
Bon ben Etipfen Singui und Vagin. 


. Gingui 40 7) iſt eine geoße und prädtige Stadt, deren 
— * zwanzig Meilen beträgt. Die Eimvofnier ſtud ar 
un. 

- 407) Bot Sfäiing: Hangefa fuhrt ter große Kanol er Ber Bei 
Land und iſt zuweilen wur 12 Buß breit, mit hohen Belguferı ober Qua⸗ 
. bern eingefaßt und mit Brüden überbaut, aus rothem Granitſte in, dann geht 
er In eine vollfonimen ebene Flaͤche über, als wäre hier’ ein Seefplegel 
dewefen, nach Su⸗tſchku⸗ fu, das iſt Bolo’s Eingaf. Um die Vorſtaͤdte die⸗ 
Ver gewaltigen Stadt gu durchſchiffen, brauchten die Jachten der britiſchen 
Embaſſabe water Lord Macartney 3 Stunden. Zeit; auf allen Seiten war 
bie Stadt von Kauqaͤlen vurchſchnitten, und die Cuglaͤnder wurden ‚an Be: 
nebig erinnert. ‚Die ungeheure Menge ber bier ‚vor, Anker Hegenden Bar: 
Yen ſetzte fie in Verwunderung. "Der Kanal fegt unter. den Bogen ber 
Stadtmauern hindurch, in derſelben Art, wie dieſe von ven’ Hollunvern 
in Batavia angebracht find. Die Stadt erfchien freundlih, gut gebaut, 
He Bewohner dicht gebrängt, wohlhabend, meiſtentheils in:«Seibe 
gekleidet. "Ste nemen ihr Sutſchufn das Baranses von China, 
wenn auch nicht dm Himmel, doch gerade unter dem Himmel, mad 
nem. Sprichwort, auf der Erde. Nahe ver Stadt im : Weſt breitet 
fich der prachtvolle Splegel des Vaihnſees, mit pittoreslen Hügeln um 
kranzt, aus, ein fiſchreiches Waffen, ein Luſtort des Volkes, wohln um 
lige Luftfahrten der dortigen Staͤdter ſtets anf Barken in Bewegung fm, 


438 


anbeter, dem Großkhan unterthan und: brauchen fein. Papier: 
geld. Sie haben eine große Menge woher Seide und. ver 
arbeiten fie nicht allein zu ihrem eigenen Berbrauche, da fie 
ſich alle in Seide kleiden, fondern aud fir. andere: Märkte, 
Es giebt unter ihnen einige ſehr reiche. Kaufleute, und Die 
Zahl ihrer Einwohner ift fo groß, daß. ſie ein: Gegenſtand 
gerechten Staunens if. Es find jedoch fehr feige Leute, bie 
nur mit ihrem Handel und ihren Gewerben fid befchäftigen. 
In diefen entfalten. fte eine große Geſchidlichtett, und wenn 
fie fo unternehmend und kriegeriſch wären, als. fie. -gewerb- 
thätig und erfindungsreih find, fo Ernten fie (denn fo un 
geheuer ift ihre Zahl) nicht afein bie ganze Provinz (Manji) 
unterwerfen, ſondern auch noch viel weiter gehen. Es giebt 
untex. ihnen ſehr geſchickte Werzte,. weldhe die Natur der: Krank⸗ 
eit boſtimmen und Die ‚geeigneten Mittel: gegen dieſelbe ans 
werden koͤnnen. Auch giebt es daſelbſt ſehr weiſe Männer; 
oder, wie wir ſie nennen, Filoſofen, und andere, Die Magier 
und Bauberer genannt werden koͤnnen. Auf den Bergen. in 
der Nähe der Stadt waͤchſt Rhabarber in größter Vortreff⸗ 
Kechkett und wird zu fo wohlfeilem Preiſe verkauft, daß vier⸗ 
Pfund von der friſchen Wurzel in ihrem Wehe zum 
erthe eines Venezianiſchen Groſchens zu haben ſinb. Tinter der 
Veriqisbarkeit yon Singui ſtehen ſechszehn vbetrachtliche und reiche 
große und ‚fleinere Städte, mo Handel. und :Gewerbe blühen. 
inter ven Namen Ein⸗ dui u verfiehen ‚Die Stadt. Der 
Erbe wie unter dem von Duinsfai ;dle Stadt des Him⸗ 
ine.” Wir verlaſſen Ming Singui und wollen von einer 
anderen Stadt reden, die nur eine Tagereiſe davon entfernt 
“3 And Vagiu 20 —8* heißt⸗ wo kbenfalle Beoper Urberſueß an 


* denen ei hier bas webbliche Geſciflecht Authen nehmen darf. Def 
See Hegt auf ver Grenze der’ Provinzen Kangfü im Norden mb" Tiche: 
ang im Süden, zu welcher. lettern wir mit ver nachſten Stadt über: 
Yen. Ritter IV, 695%. - 

-408) Der Kaiſerkanal fühwärts yon Sutſchuſa durchileht in einer 
ilelfuch wechſelnden Btkile An: iirgerhein reichbebautes Land, über Kia⸗ 





258 


ſich weiter zu: beſinnen, bis; zu ſolchem Uebermaße, daß ſie 
ſich berauſchten und daruͤber eiuſchliefen. um. hemerkte das 
Volk der Stadt, welches ſich in der zweiten Umwallung .be 
fand, daß ſeine Feinde ohnmaͤchtig im Schlafe dalagen, ſo 
ergriff es die Gelegenheit, fie zu ermorden und es entkam 
deren keinerAls Chinſar VBeyan von dem Esſchicke dieſer 
ſeiner abgeſendeten Truppen hoͤrte, ‚da, mar er unmillig und 
ergrimmt wie nie und fandie eine andere Armee, den Plat 
anzugreifen. Die? Stadt wurde aingenominen und er gab Be 
fehl, :alle Einwohner, alt und jung, ohne Unterſchied des Ge 
Tach, | Lu Bergeltung dem Se u. überligfern. 


Ir... 


u Siebenundſe hohigſtes Rapitel. 
Von den Etäbfen Singui und Vagin. 


: Gingui0 7) iſt eine große und prächtige Stadt, bes 
—* zwanzig Meilen beträgt. Die‘ Einwohner ſtud ya 
— — 

407) Bon Aſching⸗ Harfe fahrt her große Rangl ef durch Beige 
Lan und iſt zuweilen wur 12 Buß breit, mit hohen Belsufern ober Dus 
. bern eingefaßt und mit Brüden überbaut, aus rothem Granitſtein, Daun geht 
er In Line vollfonimen ebene Fläche über, als wäte hier ein Seeſpiegel 
geweſen/ nah Su⸗tſchku⸗ fu, das iſt Polos Singiti. Um die Vorſtaͤdte die: 
Tr gewaltigen Etabt- gu durchſchiffen, brauchten Die Jachten der Keikifchen 
Smbafjabe-water Lord Macartney 3 Stunden „Seit; auf allen Seiten war 
bie Stadt von Kauaͤlen Yurchfchnitten, und, die Cuglaͤnder wurden ‚an Be: 
nedig erinnert. Die ungeheure Menge her bier ‚vor, Anker Viegenpen Yar: 
Yen ſetzte fie in Verwunderung. Der Kanal fegt unter den Bogen ber 
Etadtmauern hindurch,in derſelben Art, wie dlieſe don ven’ Hollncvern 
in Batavia angebracht find. Die Stadt erſchien freundlich, gut gebaut, 
He Bewohner dicht gedraͤngt, wohlhäbend, meiſtentheils in «Seide 
gekleidet. ‘Ste namen Ihr Sutſchufn das Paratses von China, 
wenn auch nicht dm Himmel, doch gerade unter dem Himmel, md 
Urem Eprichwort, auf. der Erde. Nahe der Stadt im Weſt breitet 
ſich der prachtvolle Spiegel des Taihuſees, mit pittoresken Hügeln wm 
ranzt, aus, ein fifchreiches Waffen, ein Luſtort des Volkes, wohin uni 
lige Luftfahrten der dortigen Staͤdter ſtets anf Barken in Bewegung Kat, 


— 


4398 


anbeter, dem Großkhan unterthan und brauchen fein. Papiers 
geld. Sie haben eine große Menge roher Seide und. ver 
arbeiten fie nidt allein zu ihrem eigenen Berbrauche, da fie 
ſich alle in Seide kleiden, fondern auch für. andere.’ Märkte. 
Es giebt unter ihnen einige ſehr reiche. Kaufleute „. und vie 
Zahl ihrer Einwohner ift fo groß, daß. ſie ein: Gegenſtand 
gerechten Staunens if. Es find jedoch fehr feige Leute, die 
nur mit ihrem Handel und ihren Gewerben fid befchäftigen. 
In diefen entfalten. fie eine ‚große Geſchicklichkett, und wenn 
fie fo unternehmend und kriegeriſch, wären, als. fie gewerb⸗ 
thätig und erfindungsreih find, fo önnten fie (denn fo uns 
geheuer ift ihre Zahl) nicht allein die ganze Provinz (Manji) 
unterwerfen, jondern auch nad) viel weiter gehen. Es giebt 
unter. ihnen ſehr geſchickte Aerzte, welche die Natur der. Krank⸗ 
Geit boſtimmen und Die geeigneten Mittel: gegen: viefelbe anz 
wenden koͤnnen. Aud). giebt es daſelbſt ſehr weiſe Männer; 
oder, wie wir ſie nennen, Filoſofen, und andere, Die Magier 
und Zauberer ‚genannt werden koͤnnen. Auf den Bergen. in 
der Nähe der Stadt wählt Rhabarber in größter Vortreff⸗ 

kKchkelt und wird zu ſo wohlfeilem Preiſe verkauft, duß vier⸗ 

g Pfunr von bet friſchen Wurzel in ihrem Wehe zum 

erthe ineß Venezianiſchen Groſchens zu haben ſinb. Unter der 
Gerichtsbarkeit yon Singui ſtehen ſechszehn vetrachtliche und reiche 
große und ifleinere Städte, wo Handel und Gewerbe blühen. 
inter von Namen Ein ⸗ gun zu verſtehen ‚Die Stadt Der 
Erde, wie unter dem von Duinsfat ‚de Stadt des Him⸗ 
ine.” Wir 'perlaͤſſen ring“ Singui sid wollen von einer 
anderen Stadt reden, bie nur eine Tagereiſe davon entfernt 
iß And Vagius 20 —8* beißt, wo benfalle Broßer Urherſueß an 


* denen * hier dns weibliche Geſcecht auhell nehmen darf Sieſer 
See liegt anf der Grenze der’ Provinzen Klangfuͤſim Norden und Eſche⸗ 
kiang im Suͤden, zu welcher lebtern wir mit ver naͤchſten Stadt über: 
wehen. Ritter YV, 605°. : 

: 408) Der Käiferfadat Hühwärts von Eutfchufe durchzleht in einer 
ef Wwechſelnden Yteite ein uͤrgemeinreichbebautes Land, Aber Kia⸗ 





258 


fih weiter zu. bejinnen, bis. zu ſolcheom Uebermaßer, daß fie 
ſich berauishten uud daruͤber eiuſchliefen. Kaum. Kemerfte das 
Rolf der Etabt, weldyes fi in der zweiten Umwellung be 
find, daß feine Feinde ohnmädtig im Schlafe dalagen, fo 
ergriff ed die Gelegenheit, fie zu ermorden und es entfam 
deren feinen. , AB. Chinſer Beyan von dem Gäſchicke dieſer 

ſeiner abgeſendeten Truppen hörte, ‚Da war er unmillig und 
ergrimmt wie nie und fandie eine andere Armee, den Platz 
anzugreifen. ': Die Stadt wurde aingenominen und er gab Be 
fehl, :alle &inwohner, alt ;und hung, ‚ohne Unterſchied des Ge 
fhlechts, zur Vergeltung dem Schwerte zu überliefern. 


" Siebenundfeßsjigtes Kapitel 
Bon den Etäpten Singui und Bagin. 


. Eingui@0 7) iſt eine große und prächtige. Stabt, derer 
Umfang manig Meilen beträgt. Die Einwohner ſiud —2 

407) Bon Iſchingklamfe fuͤhrt ver große Kangl erh bei ſielutget 
Land und iſt zuweilen vur 12 Buß breit, mit hohen Felsufern ober Qua⸗ 
. bern eingefaßt und mit Brüden überbaut, aus rothem Granitſtein, daun geht 
er in eine vollkommen ebene Flaͤche uͤber, als wäre hier ein Seeſpiegel 
geweſen, nach Su⸗tſchku—⸗ fu, das iſt Polo’s Singui.  Nin die Vorftänte bie 
Ter gewaltigen Stadt zu durchſchiffen, brauchten He Jachten der briuiſchen 
Embaſſade water Lord Macartney 3 Stunden „Zeit; auf allen Seiten. war 
bie Stadt von Kanälen vurchſchnitten, und die Sngländer wurden ‚an Be: 
nebig erinnert. „Die ungeheure Menge ber bier ‚vor, Anker ſiegenden Bar: 
Yen feßte fie in Verwunderung. Der Kanal ſetzt unter. ven Bogen bet 
Stadtmauern hindurch, in verfelden Art, wie dieſe Bon den‘ Holfänbern 
in Batavia angebracht find. Die Stadt erſchien freundlih, gut gebaut, 
bie Bewohner dicht gedrängt, wohlhäbend, meiſtentheils in Seide 
gekleidet. Ste namen Ihr Sutſchufa das Baradses von China, 
wenn auch nicht dm ‚Himmel, doch gerade unter bem Himmel, nach 
ihrem Spridwort, auf.der Erde. Nahe der Stadt im Weſt breit 
fÜH der prachtvalle Spiegel des Vaihuſees, mit: pittoresfen Hügeln um⸗ 
Fränzt, aus, ein fifchreiches Waffie, ein Luſtort des Wolkes, wohin unzöh 
lige Luftfahrten der dortigen Staͤdter ſtets auf Barken in Beregung Ant, 


458 


anbeter, dem Großkhan untertiian und brauchen fen. Papiers 
geld. Sie haben eine große Menge roher Seide und. ver- 
arbeiten fie nicht allein zu ihrem eigenen Berbrauche, da fie 
fi; alle in Seide Heiden, fondern aud für andere. Märkte, 
Es giebt unter ihnen einige fehr reihe Kaufleute. und vie 
Zahl ihrer Einwohner ift fo groß, daß. fie ein: Gegenftand 
gerehten Etaunens if. Es find jedoch fehr feige Leute, bie 
nur mit ihrem Handel und ihren Gewerben fid befchäftigen. 
In diefen entfalten fie eine große Geſchicklichkett, und wenn 
fie fo unternehmend und Friegerifch. wären, ale. fie gewerb⸗ 
thätig und erfindungsreih find, fo onnten fie (denn fo uns 
geheuer ift ihre Zahl) nicht allein die ganze Provinz (Mani) 
unterwerfen, ſondern auch noch ‚viel weiter gehen. Es giebt 
unter ihnen ſehr geſchickte Aerzte, welche die Natur der. Krank⸗ 
Heit :beftimmen und die geeigneten Mittel gegen viefelbe ans 
wenden ‚Tonnen. Auch giebt es bafelbit ſehr weiſe Männer; 
oder, mie wir fie nennen, Filoſofen, und andere, die Magier 
und Bauberer ‚genannt werden koͤnnen. Auf den Bergen. in 
der Nähe der Stadt waͤchſt Rhabarber in größter Vortreff⸗ 
a und wirb zu fo wohlfeilem Preife verkauft, baß: wiers 

ig’ Pfund von der friſchen Wurzel in ihrem Gelde zum 

erthe eings Venezianiſchen Groſchens zu haben find. Unter ber 
Gerichtsbarkeit von Eingut ſtehen ſechszehn vetraͤchtliche und reiche 
große -und Fleinere Städte, wo Handel und Gewerbe blühen. 
Anter ven Namen Ein dui zu verſtehen „die Stadt Der 
Erbe, wie unter dem von Duütsfat ;die Stadt des Him⸗ 
inel®. Pix verläffen hin Singui und wollen von einer 
anderen Stadt reden, bie nur eine Tagereiſe davon entfernt 
iß And Va⸗giu 20 2) beißt, wo o ebenfalls⸗ großer Urberſiuz an 


‘nt denen ui hier dns webbliche Geſcclecht fer nehmen darf. Diefer 
See Hegt anf der Grenze der’ Provinzen Klangfü im Norden mb Eſche⸗ 
Hang im Süben, zu welcher lebtern wir ‚mit der nächften Stadt übers 
gehen. Ritter IV, 95 °F. 

. 408) Der Kaiſerkanal ſuͤbwoaͤrts won Sutſchufu durchjleht in einer 
vlelfach wechſelnden Weite: ein ungemeinreichbebnutes Land, über Kia⸗ 


460 


toher Eeide it und wo es viele Kaufleute und Kuͤnſtler giebt. 
Ceidenzeuge- von feinfter. Qualitaͤt werben bier gewoben .und 
nachher nach allen Theilen der Provinz verführt. Da 6 
hier weiter nichts Bemerfenswerthes. giebt, wollen wir nun 
zur erſten Stadt, der Hauptſtadt der Provinz Manii, die 
Quinſai heißt, übergehen. 


Achtundſechszigſtes Kapitel. 
Von der adligen und prachtvollen Stadt Quinſai (Kinſai). 
1. u | 
Wenn man Vagiu verläßt, kommt man im Laufe von 
drei Tagereifen an vielen Städten, Schlöffern und “Dörfern 
vorüber, die alle gut bewohnt und reich And. Die Leute 
find Gögenanbeter und Unterthanen des Großkhan's. Rad 


Verlauf von drei Tagen erreidht man. die avelige und präd» 
tige Etabt Duin>fait99), ein Name, welder bebeutet „bie 





hing⸗fu bis Hang-tichang-fu (Ritter IV, 696). Diefes Kia⸗-hing (30° 5% 
48° n. Br. 4° 4° 11” öfl. & v. Ber.) bieß früher Siu⸗tſchéu und if 
bie zweite Stadt des Kreifes, auf allen Seiten mit Weihern und Kanaͤlen 
umgeben und liegt in einem herrlichen fruchtbaren Landſtrich; der Reid: 
thum, die Pracht der Gebäude wird von ben Retfenden fehr gerühmt 
Wie in den Italienifchen Stänten laufen neben ben Straßen bedeckte Hallen 
hin (S. Neumann: Der Kreis Tſche-Kiang; in A. A. Ztg. 1842. Beil. 140.). 
Tiefe Stabt wird wohl das Vagiun Polo’s fein; doch meinen die Kommen 
tatoren, Vagiu koͤnne auch Hu⸗tſchku, nordweftlih von. Ria-hing, fein, ber 
Seeort oder Seediftrikt, nahe am Tai-hu oder großen See, wovon die 
Stadt ihren Namen’ erhalten hat. 

409) Die Befchreibung, die Polo von biefer damals größten Etadt 
der Welt gibt, ift wahrhaft bewunderungswürbig zu nennen und gibt und 
das anfchaulichite Bild der großartigen luxurioſen Einrichtungen und bes 
verfeinerten Lebens der Ehinefen, welche fi aber weit morfcher und bla 
firter bis auf unfere Tage erhalten haben. 

Mit Ruͤckſicht auf die neuern Verhaͤltniſſe, bie ung durch bie Engliſche 
Grpedizion jener Gegend, wo Polo's Quinſai liegt, beſonders interefiant 
und wichtig gemacht haben, fchiden wir exft, nach Neumann, der erſten 


—2 


461 
Himmelefabt” #1 9; und ben ſie vor allen anderen Sräbten 


— 


Deutſchen Autorität über Chinefiſche Geſchichte und eiterahur (A. A. gei⸗ 
tung 1842, Beil. 139 — 141), eine kurze Beſchreibung des Kreiſes Tſche⸗ 
Hang, deſſen Hauptſtadt jenes Quinſai iſt, voran.“ Der eilfte Kreis des 
Chineſiſchen Reichs, von dem bie Englaͤnder ſich bei ihrer großen Expe⸗ 
dizion bereits- mehrer Staͤdte bemächtigt hatten, iſt Tſche⸗kiang. ‚Die Nas 
men der Kreife find ans ihrer Befchaffenheit, aus der relativen Lage- oder 
befonderen Eigenshümlichkeit hervprgegangen. Der. größte Fluß des Krei⸗ 
fes ift. ver Tfien-tang-fiang oder der Strom bes Kupferfees, welcher den 
ganzen Kreis durchſchneidet und wegen felner vielfachen Krümmungen 
unfern, ver Mündung (15 Meilen öftlich von Hang⸗tſcheu⸗fu ‚ober Quinſai) 
Tſchekiang oder. der gefrümmte Fluß genannt wird, und fo nach ihm 
der ganze Kreis. . Im Often grenzt die Eontinentale Mafle dieſes Landes 
an das Meer, es werden aber die zahlreichen Inſeln, welche zwiſchen 
China und Japan liegen, ſaͤmmtlich noch zu Tſchekiang gerechnet. — 
Obgleich Tfchefiang der Fleinite Kreis des Mittelreiches ift, ſo erftredt er 
fi) doch von 270 47° bis 31° 12° nördlicher Breite und von 19. 35° bie - 
6° oͤſtlicher Länge von Peking und umfaßt einen Klächenraum von 9780 
Deutichen Quadratmeilen. — An Sruchtbarkeit und Lieblichkeit ragt die⸗ 
fes Sans fo. hervor, daß man in den aͤlteſten Zeiten im Reimfprucge fagte: 
Schang jeu tien tang, : Des Paradiefes Rang ... > 5. 
Hia jeu Sn bang, Erfreut ih Su und Hang; 
nämlich die Bezirke, weiche zu den Etädten Susticheu im Kiang » nau 
und Hangsticheu im &icheflong gehören. -- (Bon den. Produkten wollen 
wir hier nichts weiter fagen, Marcg Polo macht uns damit ausführlich, 
bekannt.) — Tſche⸗kiang ift einer der bewölfertften Kreiſe des Reichs, 
und doch Fommt im Durchſchnitt bei weiten keine fo große Anzahl 
anf die Dundratmeile, als in Deutfchen Bundesflaaten (hier..erinnern wir 
aur, dag zu Polo’s Zeiten kurz nach ber glanzvollen ruhigen Regirung 
der Sung, ‚welche in der Hauptſtadt diefes Kreifes reſidirten, ſich „wohl 
eine weit größere Anzahl Bevöfferung dan gefammelt haben mag, als jetzt, 
wo die Mandfchuregirung welter im Norden, zu Peling, feit fo Tangen 
Jahren ihre Refivenz aufgefchlagen). Auf einem Flächenraume von 9780 geogr. 
Duadratmeilen: wohnte im Jahr 1812 eine Bevoͤlkerung von .26,254,784 
Seelen. Aderbau, Gewerbe-und Handel werben Yon der Bevoͤlkerung feit 
den erften. Jahrhunderten der Chineſtſchen Geſchichte mit Fleiß und Em⸗ 
figfeit getrieben. Man findet hier etlf Städte erſten, eine zweiten, dann. 
ſechs und flebzig dritten Ranges, überbies einen bedeutenden kreisunmit⸗ 
telbaren Ort, Wuang⸗-huan geheißen. 
Die Hauptſtadt dieſes Kreiſes iſt Hang⸗iſchtu⸗fu. Dieſe Stadt hatte 


463 


in ber: Welt: verdient megen ihrer: Größe und Schönheit, ala 
aud wegen ber Kurzweil, Freude und Woluuſt, die man da 


in den feäheren Jahrhunderten — wir Haben ſchon erwähnt, daß die Na 
men ber Kreife und Staͤdte und, wie Roumanı angibt nicht felten auch 
die der Släffe und Berge unter den verfchlevenen Dynaſtien des Mitte: 
reiche vielfach verändert wurden — zehn verichledene Namen. Die. Dy: 
naftie der Sul nannte fie zuerſt Hangstfchen, unter den großen Sung (Song) 
bieß fie Lin⸗ agan⸗fn, unter den Duon (Fuer) oder Mongolen Hang—-tſcheu⸗lu 
und erſt von ver legten einhelmifchen Dynaftie erhielt fie wiederum den 
Ramen Hang—⸗tſcheu⸗fu. Die Sung, von den Niu⸗tſchi oder Kin im zwölf: 
ten Jahrhundert unferer Zeitrechnung immer weiter gegen Süsen ge: 
drängt, waren endlich im Jahre 1132 gensthigt worden, hierher ihren 
Hofhalt zn verlegen, und bie Etadt erhielt nun den Namen King:ffe 
ober Mejidenz, wörklich die größte oder vorzuͤglichſte Berfammlung. Das 
tft das Dun: fat des Venezianiſchen Reiſenden. „Rolo war des Chine⸗ 
fifchen, wie aus mehren Stellen feines Reiſewerks erhellt, unkundig (hier 
möchte ic} nicht fo unbedingt Herrn Profeſſor RNeumann beiſtimmen; er 
war des Berfifgen mwahrfcheinli weit erfahrener: und: mochte ſich wohl 
gewöhnlich diefer Ho fſprache bedienen, boch lerate ex. bei ſeinem Langen 
Aufenthalt in China, wo fogar ſeine Amtsgeſchuͤfte ihn vielfach mit ein⸗ 
heimiſchen Beamten und Leuten aller Art zuſammenfuͤhrten und unterhan; 
bein liegen, das Chinefiſche, eine Sprache, bei deren Erlernung allerdings 
große Schwierigkeiten entgegenfichen , ficher. wenigſtens im Allgemeinen 
verftehen und fi) — wenn er babei and) vielem and :mandherlei Irrthu⸗ 
mern begegnete, wie eben hier bei Kingsffe — darin verſtäaͤndlöch machen, 
obwohl ich glaube, daß Polo hler weniger eine: beſoubere Ueberfetzung des 
Mortes Hat geben wollen, als vielnehr eine allgemeine Bezelchnung ber 
Stadt, ‚wie: fie: von ben in fo luſtigen und vorgwügungefügtigen Verh auu 
niſſen lebenden Bewohnern angeſehen wurde‘; — das: geht mir auch ame. 
Bolo’s ganzer Anffaffung Chineſiſcher Verhaͤltniſſe hervor‘, die ihm nicht 
fo in ihrer Cigenthuͤmlichkeit zugekommen waͤre, wenn er des Chiueſiſchen 
gar nicht kundig geweſen; ſ. unſre Anmerk. 23.); feine Dolmetſcher Haben 
ihn falſch berichtet, wenn fe Kingeſſee duch Himmelsſtadt überfegien.“ 
„Die S tadt Bang⸗tſcheu (30° 20°! aörhl. Breite, 3° 39° 4 Iſtl. Laͤnge 
yon Peking), wo der Direftor des ganzen Kreiſes uad: der Schatzmeiſter 
reſidiren, liegt anf der noͤrdlichen Seite des Fluſſes Tfienstang, ver unfern 
der Ringmauern norüberfließt, bier ungefähr eine halbe Stunde breit fein 
mag und nad einem öftlichen Laufe von beinahe 15. geogr. Meilen fh in 
das Meer ergießt. Suͤdweſtlich der Stadt tft der. romantifche Si⸗hn oder 
Woſtliche See, dein Umfang. 10. Deutirhe. Meilen beträgt (ben Bolo fo 


453 


findet; die ‘wohl: die Cinwohner verleiten: fonnen, ſich im: Pas 
radieſe felbft zu wähnen. Dieſe Stadt wurde After von Mareo 
Polo beftcht, der forgfältig und fleifig Alles’ beobachtete und 
ſich nach a Allem erkundigte, was ſie dert > was er Aues 


koſtlich beſchreibt). An feinen Ufern, bie ringsum mit großen glatt ges 
meifelten Quabratfteinen gepflaftert find, erheben ſich prächtige Dempel 
und Kloͤſter, Palaͤſte und Landhaͤuſer, wohin ſich die Beamten und reichen 
Kaufleute der Kreishauptſtadt in der ſchoͤnen Jahreszeit zuruͤckziehen. Matı 
kann ſowohl zu Land unter herrlichen Alleen, als auf dem Waſſer zum 
Si-chn gelangen; denn der Eee warb burd) Kanäle mit allen Iheilen derx 
Stadt in Verbindung gebracht. Cs ift dies nicht bie einige Aehnlichkeit 
Hang⸗tſcheu's mit Venedig. Die Bevoͤlkerung der Staͤdt, welche von 
Staunten, dem Bater, ficherlich mit Unrecht ſelbſi der Peking's gleich 
geachtet wird (idy glaube, daß fle in früheren Zeiten nicht minder: groß 
war, als bie der jetzigen Hauptſtadt China's, ja zu Polo's Zeiten: mer 
fie ſicher noch weit größer), iR in jedem Ball ſehr bedeutend, Sangztjchey 
iR wegen feiner hoͤchſt guͤnſtigen Lage, am Ausgange des großen Kanals, 
ſeit vielen Jahrhunderten ein Hauptſtapeiplatz des Seehandels mit den 
zahlreichen Infefn des oͤſtlichen Archipelagus und Japans gemwefen, aus 
welchem Grunde fie wohl auch. den Namen Hatgstfchdu, d. h. Schiff oner 
Schifferſtadt, erhalten dat. Der auögenrhibe Handel’ dieſes Kreifes Hat 
wahrfcheinlich auch die Juden bewogen, ſich in Tſche⸗kiang, namentlich zu 
Hangstfcheu und Ning:po niederzulafien, wo wir deren bis zum 17. Jahrh. 
mehre Yamilien finden. -&s. find hier allein 60000 Menſchen mit Hin 
Seidenweberei beſchaͤftigt; die zahlreichen Voddhiſtiſchen und Taoklloͤſter ven 
Stabt und der nahen Umgebung ſollen 18,000 Mauche und Nonnen ent⸗ 
halten. In Hang-tfcheu verweilte unſer beruͤhmter Landsmann, der Je⸗ 
ſuit Martini, vier Jahre lang, bie er theils dem Miſſionsgeſchaͤfte, theils 
der Ausarbeitung feines vortrefflichen Chineſiſchen Atlas widmete — ein 
Werk Dentihen Fleißes und Deutſcher Gewiſſenhaftigleit aus dan wir 
: häufig geichöpft haben.“ oo 
410) Hlerüber vergleiche Reumann’s Bemerkung in vor. oe. Das 
Chiueſiſche Sprichwort, auf welches Polo feine Angabe von ber paradieſt⸗ 
fügen Lage der Stadt gründet, iſt ebenfalls nad Reumaan in vor. An—⸗ 
merfung angeführt worder; man fehe daruͤber ‚weiter ,. was Polo über bie: 
wollüfige Grinnerung ber Fremden au Dadnfat in ber: ö Abthellmig die⸗ 
ſes Kapliiels ſagt. i 
E11) Polo, vorars ſehend, daß ſeine Schilderums über bieft. guigte 
und zeichfte Stadt der Welt, die fi fo ganz außer dem damallgen Euros: 


464 


in feinen Notizen aufzeihnete, aus denen folgende Einzeln 
heiten fürzlich gegeben werden. Nach der gemeinen Schaͤtzung 
bat diefe .Stabt hundert Meilen im: Umfange #12). Ihre 
Straßen und Kandle find ſehr weit und breit und es giebt 
da Pläge, tarauf man Markt hält, die, weil fie nothiwen- 
Digerweije im Verhältnig zu der ungeheuren Mafje von Men 
ſchen, weldye ſich auf ihnen verfammeln, ftehen müffen, außer: 
ordentlich groß ſind. Eie hat auf der einen Seite einen Eee 
von frifhen und klarem Wafler, auf der anderen aber gegen 
über einen gleichfalls großen Strom, deſſen Waſſer durch die 
vielen großen und kleinen Kanaͤle allenthalben durch die Stadt 
rinnt, die mit ſich allen Schmutz in den See und von da 
in das Meer fuͤhren, daher denn ſtets eine gute und 
geſunde Luft in der Stadt herrſcht, und durch die ganze Stadt 
kann man auf den Gaſſen gehen, fahren und reiten und de 
neben auf den Kanälen in Schiffen dahin gleiten, wohin man 
will, und die Straßen und die Kanäle find jo groß, daß fie 
| Raum geben für die Boote auf der einen Geite und für die 
Magen auf der anderen, fo daß diefe ganz bequem nit ben 
für die Beduͤrfniſſe der Einwohner nöthigen Gegenftänven da⸗ 


pätfchen Verhaͤltniſſen in wunderbarer Fülle und eigenthuͤmlichem Glanze 
herausgehoben hatte, für hbertrieben und luͤgenhaft gehalten werben koͤnne 
fagt bier, daß, wie unmwahrfcheinlich auch feine Anguben- Flingen . möchten, 
er boch verfichern foͤnne, daß er Alles mit Flieiß erkundet und. niederge⸗ 
ſchrieben habe; neuere Beobachtungen haben das, was man fo. lange in 
Zweifel fepte, betätigt umb es iſt dabei wohl zu bedenken, daß Hangtſcher 
zu Polo’8 Zeiten, da fie noch vor Kurzem bie Refldenz der Katjer bed 
kultivirteſten und reichſten Reiches der Welt gewefen war, befien Glan 
und Fülle in ihr Fulminitte, und ihr Handel noch nicht durch Chinefſiſche 
Abgefchlofienheit gehemmt wurbe, weit größer, . reicher und drangvoller 
gewefen fein mag, als es jetzt ift, wo fie, wie alle Chineſtſchen Verhäli⸗ 
niffe, wenn auch wicht überlebt, doch fehr verlebt if. . 

412) Bei den Angaben ber Größe der Staͤdte verſteht Polo ſicher 
nicht Italtenifche Meilen, ſondern Chineſiſche Li, die im Verhältuiß zu 
jenen wie brei zu acht find. Der Umfang. Dany: tue wird wog immer 
zu ſechzig Li angegeben. Ä - 


455 


hinfahren formen, Ban :fngt. allgemein; daß. bie: Zahl bet 
Bruͤcken, gyaße. und Heine, ſich nuf zwoͤlftauſend ‚befaufe. : Die, 
welche über Die Hauptkanaͤle: goſchlagen: jind und in‘ Verbin⸗ 
bung mit den vornehmſten Ekraßenſtehen, haben fo: hohe 
und mit folcher Kunſt aufgerichtete Bogen, daß Schiffe mit 
ihren Maſten unter ihnen wegfahren .fonnen+13), während 
zu gleicher Zeit ‚über ſie Karren und Menſchen hinweg zie⸗ 
ben} fo gut iſt ber. Auf- und Abftieg von ven. Efraßen- zur 
Hoͤhe des Bogens genommen» :. Wären dieſe ‚Brüden aber 
nicht. ſo zahlreich, jo : könnte. man nicht. .mit ſo viel: Bequem 
lichleit von einem Plabe zu dem anderen gelangen. IR 
Fa Fa“ 

Bu , 3. . | ns : 
Außerhalbe der Stadt zieht fi, ein 1 Graben, der he auf 

ber einen. Seite umfaßt, etwa. vierzig Meilen. in bie Länge 
hin, ſehr breit und voll. Waſſer,/ welches aus dem vorerwaͤhn⸗ 
ten Fluſſe kommt. Den liegen "vie, alten Koͤnige des Lan 
des ausgraben, daß, wenn ‚Deu: Fluß feine Ufer. uͤberſtroͤmen 
ſollte, das uͤberfluͤſſige Waſſer ſich in. dieſen Kanal ergoͤſſe. 
Zu gleicher Zeit ſollte er auch als Vertheidigungsmittel die⸗ 
nen. Die Erde, die daraus ‚gehoben ward, wurde nad) der 
. einen Seite geworfen und das. fieht. nun aus, ald;iwenn viele 
Hügel den⸗Platz umgaͤben. Egs: giebt..innerhalb der Stadt 
sehn. Hauptmarktplaͤtze, außer den unzähligen Kaufhallen ie 
Straßen entlang. Jede Eeite dieſer vieredigen Plaͤtze iſt eine 
halbe ‚Meile: on: und an "nen vi bauft bie. Seuntfeape, 


— — ze. pen 
, ; 413) Bei Ramuflo hein es „una nave yipuo ‚passate, da sottssenz 
‚gibero ‚ alten anderen Ausgaben .enigegen, bie den Stau haben ,:.wie ich 
‚sn: in meiner. Uebertraguag. wiedergegeben habe. Was wäre denn‘ Merk⸗ 
‚wärbigeh dabei, menn-gene. boch nicht gesßen: Kähne; bie durch die Stadt 
auf den Kanaͤlen hingegen, ihre Maften ſtrecken mußten, fobalv;fle anter 
‚pen Bruͤcken, welche Die Chineſen gewöhnlich ſehr hoch: ſchlagen, hlußahren 
‚wollten? Rolo wuͤrde daun nicht fuͤr mothig gefunden haben,“ ‚de Sache: zu 
erwaͤhnen. Sie ' 13364)2) 


so 


466 


Die vierzig. Schritt breit iR und in einer geraden Linie von 
einem Ende der Stadt. zum’ anderen. gehl. Es durchſchneiden 
fie viele niedrige und. bequeme. Bruͤcen *123. Diefe. vier 
eigen Marftpläge, deren Ausdehnung: je zwei Meilen beträgt, 
find einer von dem anderen vier Meilen entfernt. In pa 
zalleler Richtung mit der Hauptftraße, aber auf der anderen 
Seite der Plaͤtze, läuft ein fehr breiter Kanal, auf deſſen 
näherer Eeite geräumige Waarenbäufer. von Stein aufgeführt 
find, und das zur DBequemlidyfeit der Kaufleute, die mit ih—⸗ 
ren Gütern: aus Indien und anderen. Gegenden kommen, das 
mit fie .einen zweckmaͤßigen Etand. für den Markt haben. 
Auf jedem der Plaͤtze verfammeln fih drei Tage in jeber 
Mode von vierzig» zu fünfzigtaufend Perſonen, welche auf 
den Marft fommen, um fid) mit jeglidiem Vorrathe zu ver 
fehen. Da giebt ed eine aberfikfiige. Menge Wild aller Art, 
wie Rehboͤcke, Hirſche, Dammhirfſche, Hafen und Kanindief 
mit Rebhuͤhnern, Faſanen, Birkhuͤhnern, Wachteln; SHaushäk 
nern, Kapaunen und eine ſolche Umahl Enten und: Bänf, 
daß man fie nicht ausdrucken kann; denn: dieſe wardon ſeht 
leicht auf dem See aufgezogen, jo bag man zum: Werihe end 
Venezianiſchen Silbergroſchens ein Paar: Gänfe und zwei Baar 
Enten faufen fanı. Da find auch vie Schlachthaͤuſer nm 
Fleiſchbaͤnke, wo das Vieh geſchlachtet wird,. mie Ochſen, sh 
ber, Boͤcke und. Lämmer,: um die Tiſche der reichen Leute.um 
ber 5 hohen Magiftratsperſonen. zu verſorgen. Due Bar: de 


414) Sangıtfeen hat ſich in diefen Yulagen fi. ‚jenen. Seiten IR 
dert; von ben großen Marftpligen reden neuere Reifende wicht mehr. De 
Engländer (G. Etaunton) fagen, die Häufer ſeien meift einſtoͤckig, We 
‚Straßen eng, wie alle Gtänefifchen, aber alle Häufer. mit Butlkeir, No 
gazinen, Kaufloͤden verfehen, daß ſie denen in Bondon’an. Glamz nd 'Pük 
nicht nachſtehen. Die Ieiuitenpatres (Pu’Halde T; I. p. 75) vergieige 
das Gebränge der Stabi mit dem von Paris, rar. fehe mar: Fein: weil 
ches Wefen auf, der Straße (auch Hierin hat ſich alfo die Stite der ve 
wohner ſeit Polo ſehr verändert); vorm zeigen: bie Häufer ihre Läden, af 
der Ruͤckfeite ziehen an jedem Hanfe, jeber Straße Kanaͤle sum Ans: m 
Einladen ver Waaren vorüber. 








MT. 


niedexen Klaffen macht ſich Fein: Bedenken: daraus, jede : ans 
dere⸗Art won Fleiſch ohne Auswahl und wie unkein:es auch 
ſei zu verzehren. Zu allen: Jahreszeiten giebt es auf ben 
Märkten eine Menge von Kraͤutern und Fruͤchten aller. Art 
und vorzüglich Birnen von: fo außerordentlicher Größe, . daß 
ein Stud zehn Pfund. wiegt #15); fie find innen weiß und 
wie Teig und von angenehmen Geruch. Auch find Pfirſiche 
in der Jahreszeit, wo fie reifen, da, fowohl gelbe als weiße, 
die vom lieblichſten Geſchmacke find. Zrauben werden hieit 


nicht gezogen, aber getrorfnet und fehr gut. aus anderen Gen 


genten hergefuͤhrt. Das iſt auch bei dem Weine der Falk, 


den die Einwohner nicht ſehr hochhalten, da ‚fie. an thr eige⸗ 


_ uU & | RT ' 


nes Getränf aus Reis und Gewürzen gewohnt find. Don 


dem Meere, welches fuͤnfundzwanzig Meilen entfernt iſt, wird 


taͤglich den Fluß aufwaͤrts nach der Stadt ‘eine ungeheure 
Menge Fiſche gebracht; aud im See giebt es Fiſche im: Meber- 
Ruß; und eine Menge Menſchen haben Feine anbere: Befchäfe 


tigung, als fie. zu fangen. : Es find nerjhienene Arten; nach 


Der. Jahresgeit, und durch ben Abhuh, der Ihnenvaud ven 
Stadt gugeführt: wird, werben fie groß unb fett. Wenn:maii 
vie: Fiſche einfuͤhren ſieht, Da: möchte man. glauben; . es fei: mn 
möglich; daß fie verkauft ‚werben fünnten, und doch : find. fie 
in ‘Zeit von wenig Etunden nerfhwunden, fo groß if vie 
Zahl: der Einwohner und zwar ber Leute, die ſolchem Aurus 
nachgeben Fonnen, denn Fiſch und Fleiſch wird in einer Mahls 
geit gefyeift.: Jever von dem zehn Marktplaͤtzen ift mit Hoheit 
Wohngebäuden umgeben, in deren unteren Theilen Kauflaͤden 
ſind, mo. alle Arten gefertigter Waaren eingebracht und. alle 
Handelsgegenſtaͤnde „verkauft werden; fo- unter anderen: Spr⸗ 
dereien, Gewuͤrze, Tand aller Art und Perlen: In—- gewiſſen 
Laͤden wird nichts Anderes verkauft als der Wein des Larir 
des, ‚den: fe betandig b brauen und den Leuten friſch zu einem 
= LI ira 

416) ‚Henere Reifende ſprechen noch von den‘ ungehetret . Bl: 


Wir: die man : den oſtlichen Probluzen Hinatdifnden.i Helen 
30 * 


468 


mäßigen: Preiſe verkaufen. DW rEtvagen; die mit den Mackt- 
pläpen in Verbindung ſtehen gtnb zahlreich;: und in kinigen 
von ihnen find. viele kalte Baͤder, In Denen Diener beiderlei 
Geſchlechts bereit ſind, um die Abwaſchung bei Maͤnnern und 
Frauen zu verrichten, die ſie beſuchen und die von Kindheit 
auf gewohnt find, in kaltem Waſſer zu baden, was fe der 
Geſundheit fuͤr ſehr - zuträglid : halten:’ = Dody "haben. Re an 
dieſen Babeplägen Zimmer, vie mit ‚warmen: Waffer „verfehen 
find, zum Gebrauch der ‚Fremden, die, weil ſie nicht. Daran 
gewoͤhnt find, den Schauer des kalten Waſſers nicht vertra⸗ 
gen koͤnnen. Alle find. gewohnt, ſich caglich m baben und 
vorzüglid, ‘vor ihren Mahlzeiten. | 


. - . 
32 . er 
3 
En wu 


. Sn. anderen EStaßen And: die Wonungen der Sur 
nen, deren ‚Zahl fo groß iſt, daß ich es gar nidyt wage, ſie 
gu nennen! Und nicht allein bei den: Maͤtkten, Deren Lage 
fuͤr ihren: Aufenthalt am geeignetſten iſt/ ſondern ‚in. je 
Theile :der Stadt find fie zu finden,: präditig! aufgeputzt und 
außerordentlich parfuͤmert, in him: eingerichteten Haͤnſern und 
umgeben von einer, Menge Dienerinnen?DieſeFrauenzim⸗ 
mer find: erfahren und vollkommen in ber. Kuͤuſten ver: Bei 
lockung und Bethoͤrung, die fie Ihmeihlerifdr für inte Perſe⸗ 
sien jeden: Standes: paſſend anzumenden‘ uertefjen fd; daß 
Fremde, die: einmal ihre Reize 'gefoftet- haben, in eimen Zu 
ſtand der. Verzauberung verſetzt werden und:! von chren buh⸗ 
ferien Kuͤnſten fo beruͤckt ſind, daß fie die" Beſtrickung nie 
wieder verwinden koͤmen; ‚beraufcht sen den ſinnlichen © 
nuͤſſen kehten ſie in ihre Heimath zutä und” erzaͤhlen; daß 
ſie in Quinſai oder. der Himmelsſtadt geweſen find, and ſeh—⸗ 
nen. ſich nach der Zeit, wo. ſte in. das Paradies wieder zu 
ruͤckkehren koͤnnen. In anderen Straßen ſind die Wohnungen 
der Aerzte und der Aſtrologen, die auch Unterricht im Leſen und 
Schreiben, tie. auch. ‚in: vielen. anderen Kuͤnſten ertheilen; 


469 


ihre Zimmer find aud) in den Häufern, die den Marftplat 
umgeben. Auf den entgegenftehenden Seiten eined jeden Die- 
fer Pläge find zivei große ebäube ,. wo die von Sr. Ma- 
jeftät: beftellten Beamten fid. befinden; am fogleich Keuntniß 
zu nehmen von irgend: Mißhelligfeiten,: bie vieleicht Ada -zwih 
fhen ; den fremden Kaufleuten oder unter. ven Einwohnern der 
Stadt. erheben konnen. Es iſt aud ihr. Amt, darauf. zu 
. fehen,. daß die Wachen auf den verſchiedenen Brüden; Pie: in 
ihren Bezirk gehören. (wovon ſpaͤter nod die Rede fein fol); 
pflichtmaͤßig beſetzt werben, und im Fall ver Nachlaͤſſigkeit die 
Ungehorſamen nach ihrem: Gutduͤnken zu. beftuafen...ı nu: 
* Auf jeber:&eite. der Hauptftraße, die, wie ſchon exwaͤhnt 
worten, ſich von einem Ende der Stadt. bis zum: anderen ers 
ſtreckt, befinden ſich große PBaläfte und Paͤuſer mit ihren; Gina 
ter und neben, dieſen die Wohnungen von Genbiverfein; ‚ Die 
nad) ihrer verſchiedenen Beihäftigung :in: ihren Butiken at« 
beiten, und ju «ten Etunden :fieht ‚man: Maſſen van: Mens 
fchen. in ihrem verſchiedenen Berufe kommen und: gehen, daß 
ed unmoͤglich erfiheint, dieRahrung für den. Unterhaltiife 
Bieler. herbeizufchaffen; aber. man wird gleid auf andere Ges 
vanfen kommen, wenn man fieht, wie jever Marktplatzu mit, 
Verfäufern .befegt:ift, die ben ganzen Raum mit den. Vor— 
raͤthen, die fie auf. Karren und. Booten herbeigeſchaft as 
bew;.:beneden, mad Alles. fte verfaufen. Wenn man. zung 
Beifptel: ven. winzigen Gegenſtand, den Pfeffer, nimmmt;ıge 
Tann, man. fi einen Begriff machen von der ganzenMafft 
von Vorräthen an Fleiſch; Wein, Gewuͤrzen und ähnlichen 
Dingen, Die. zum. Unterhalte, der "Einwohner. Quitſais vers 
braucht werden; da erfuhr Matco Polo von xinem Beimten; 
ver bei. Sr; Majeftät Zoll angeftellt :äft,- daß ver ztägliche' Bes 
darf an Pfeifer. ch: auf- dreiundvierzig Laſten (soma) ‚betäuft 
jere r zu Vveihnnderthreiundvierzig Bruns: vn 


7 Pi . z . tr 19T 
Tau HI En m 


ro 


j " eh) R Kurt; . DT ee 

Die Eimmohner ‚der ‚Sit: —* Goͤdeicmcbeter und braun 
den des Kaiſers Bapiergeld als Mütze: Die Männer: wie 
die Frauen find von weißer Geſichtsfarbe und ein... hibfches 
Boll. .Der. größere Theil von ihnen kleidet fh Immer. in 
Seide, denn biefe wird im ‚ungeheuver Menge in: dem Kreife 
von Duinfat erzeugt und außerdem. noch. zu Haufen von Kauf 
leuten aus anderen Provinzen’ eingeführt. ‚Bon ‚ven Hand 
werfen des. Platzes werden zwölf für vornehmer als Die au 
teren betrachtet, weil fie von alfgemeinerem -Rugen find; fir 
ein jedes derſelben find taufend Werkftätten da und jene Merk 
ftatt befchäftigt zehn, fünfzehn..oder zwanzig Handwerker und 
in einigen Fällen wohl auch vierzig, unter ihren verſchiedenen 
Meiftern, Die reichen Meiiter aber arbeiten nicht ſelbſt mit 
ihren‘ Händen, fordern nehmen gar vornehme Mienen an und 
ſtolziren einher. So enthalten ji aud ihre Weiber :ver Ar 
beit. Sie find fehr ſchoͤn, wie. bemerft worden ift, und wer 
den in. gar zaͤrtlichen und ſchmachtenden Gewohnheiten auf 
gezogen. Die Köftlihkeit ihrer Kleidung in Seide und Ju⸗ 
welenſchmuck kaun man ſich faum vorftellen. -Obgleich nad 
den Geſetzen ihrer alten Könige: jeder Bürger ‚das‘ Gewerbe 
feines Vaters ausüben muß, fo iſt es ihnen’ doch verſtattet, 
wenn fie reich geworden find, fi: der Handarbeit: zu enthab⸗ 
ten und. Leute zu ftellen, die in dem väterlichen Gewerbe für 
fie arbeiten - Ihre Häufer ſinb ſchon gebaut und reich mit 
Schnitzwerk. verziert. Sie finven! ein: ſolches-Vergnuͤgen an 
ben. Drnamenten folder Art in Gemaͤlden : mb: fantaſtiſchen 
Gebaͤuden,: daß die Summen, die fie für ſolche Gegenſtaͤndt 
verſchwenden, ungeheuer find. Die: eingebornen Bewohner 
von Quinſai find von Natur friedfertig. und. nach dem, Bei⸗ 
fpiele ihrer früheren Könige, die felbft unfriegerifh wa— 
ven, an die Eitten des Friedens und der Ruhe gewöhnt. 
Die Führung der Waffen ift ihnen. unbefannt und fie haben 


47 


as) Feine in ihten Häufern: Tumult und Balgerei find bei 
ihnen unerhoͤrt. Ihre Handels- und- Gewerbangelegenheiten 
führen fe wit vollfommener Aufrichtigkelt ynd Redtfhaffen 
beit. „ Sie find freundlich unter“ einander, und Leute, welche 
eine und biefelbe Straße ‚bewohnen, Männer. und Frauen, 
erſcheinen, aus dem bloßen Verhaͤltniß der Nachbarſchaft, wie 
eine Familie. In ihren haͤuslichen Sitten find fie frei von 
Eiferſucht oder Verdacht gegen ihre Frauen, denen große Ach⸗ 
tung erzeigt wird, und jeder Mann wuͤrde als infam betrach⸗ 
tet werden, der: ed ſich herausuehmen wollte, unanſtaͤndige 
Ausdruͤcke gegen ein Weib zu brauchen. Gegen Fremde, 
welche ihre. Stadt des Handels wegen beſuchen, benehmen 
fie, ſich herzlich, Inden ſie freundlich in ihre Haͤuſer ein, geis 
ger: ihnen die gaſtfrenndlichſte Aufmerkſamleit · und geben ih⸗ 
‚nen: beſten Rath und Beiftand in ihren. Handelsverrichtuufs” 
gen *16). Außerdem Lieben fie „ven Anblid des Militaͤrs 
nicht, felbft. die. Wachen des Großfhan’s nicht ausgenommen, 
da-. fe ‚Daran . erinnert werden, daß fie. durch Diefelben: den 
Regirung, ihrer angebornen —* und Heren beraubt wor⸗ 
den find. 2 1091 


An den Ufern des Sees find viele fhöne. und geraͤut 
Gebäupe, die Leuten’ von Rang und hohen Magiſtratsperſonen 
Jugehtren. Auch fin viele Woͤbentempel da mit „Ihren Ah⸗ 
lelen, In. denen fh. ‘eine Menge von Möndieit, befindet," in Idie 
den Sienft bei den Yoofen. y verrichten. Birmtid in der m 








2. mr Hain hat Fr der Chaaller der cehiselichen Handelsleute Pr 
Bolo fehe verändert, deun nad) neueren Besichten füchen fie, wenigſtenz 
pie der niederen Klaſſe, die Fremden zu betrügen, „ie ſie koͤnnen. „seht 
Aber iR Hang- ſchen mehr auf · Landhandel befchränft, waͤhrend es gi 
Venezianers "Zelten eineh ausgebreiteten Seehandel Hüfte und die. reichen 

nſieute wohl Acht auf ihr Renomlree Hatten unb bei Zeemden mit ct 
Tex: Buvorfommenheik;zu. begeguen. ſuchten. B 





473 


befinden ‚fi. zwei Inſeln, auf deren jeder ein’ pruͤchtiger Pa⸗ 
laſt ſteht, mit einer unglaublichen Zahl von Zimmern, Loſa⸗ 
menten und Gemaͤchern. Wenn die Einwohner der Stadt 
eine Hochzeit feiern oder ein großes Banket geben wollen, 
ſo gehen fie auf eine. dioſer Inſeln, wo ſie Alles bereit ſin⸗ 
den, was ſie nur verlangen koͤnnen,Gefaͤße, Schuͤſſeln, Teller 
tuͤcher und: was ſonſt, welche auf. allgemeine Koſten der Bir 
ger, die aud die Paläfte erbauen laſſen, angejdiafft und un 
teralten werden. Es kann wohl geſchehen, daß da zueich 
net Zeit: hundert ken Ya: Hochzeiten und: anderen Feiten 
verfammelt find, tis: erhalten‘. aber. demungeachtet ‘alle. ihre 
befonveren Zimmer: und Lojamiense, Die: mit folder: Ordnung 
eingerichtet find, daß feine Geſellſchaft mit- der anderen: zw 
fammentrifft und: fte ſtoͤrt. Hierbei find: nun. noch auf dem 
See eine Menge von Luſtkaͤhnen oder Gondeln, von denen 
eine zehn,‘ fünfzehn -bis : zwanzig Perſonen halten kann; da 
fie fünfzehn bis zwanzig Schritt lang find,- mit einem wei⸗ 
ten und ebenen Boden verfeher, und fidf nicht auf- eitie Seite 
neigen;wenn fe. durch das Waſſer gehen, - Die, Leite nım, 
die ihre Luft an foldem Vergnügen haben und fidh deſſen 
erfreuen wollen, entweder in Gefellfhaft ihrer Frauen oder 
in der von Herren, miethen eine —F Barken, die immer 


Fa ee BEE 


langet Stangen, die en big auf”den Boden ves Sees fir 
ßen, der nicht mehr als einen' oder zwei Faden tief iſt, fuͤh⸗ 
ren fie die Barken dahin, bis fie an den Ort kommen, wos 
hin fie. wollen. Dieſe Kajuͤten find immer mit verfchiedenen 
Narben und verjehiedenen "Figuren ausgemalt; -aud find alk 
Theile" des Fahrzeuges mit Malereien verziert." Es ‚find da 
Senfter, an jeder Seite, bie geſchloſſen und gebffnet wer⸗ 
den koͤnnen, um der Gefeufchaft, wenn fie an Tafel figl, 
Gelegenheit zu geben, nad. jeher. Richtung: hinauszuſchauen 


413 


und. ihre Angen.-an dem Wechſel und: ver Schoͤnheit ver Se 
nerie, die an ihnen voruͤberzieht, zu ergögen, und-- wahtrlich 
der Genus, der auf. ſolche Weife auf. dem’ Waffer gebote 
wird, übertrifft jeden anderen, der immer auf dem Lande gewaͤhrt 
werben. kann; denn de ſich ‚der. Eee auf ver einen Seite dit 
ganze Studt entlang ausbreitet, ſo hat man, wenn man- {it 
dem Boote fteht, in-einer geroiffen Entfernung: vom Ufer 
eine Ausſicht auf alle ihre Groͤße und Schoͤnheit, ihre Pas 
laͤſte, Tempel, Kloͤſter unv- Gärten, mit Bäumen von: mdd) 
tiger Groͤße, die art! des Ufers Rande: ſich erheben, währen) 
man ſich zu :gleichen. Zeit‘ an dem Anblide der anderen Boote 
ergoͤtzen kann, wie ebenfe 'eirigerichtet find und bie beftännig 
voruͤberziehrn amd in: gleidher Weife:iimit Geſellſchaft gefuͤllt 
find, welde ihrem Vergnügen folgen.’ &8 denken --nbex: vie 
Einwohner diefes Platzes, fobald ihr Tagerwerf vollendet ift 
und ihre Handelsgeſchaͤfte voltzogen find, an nichts Anderes, 
als wie fie die übrigen Stunden mit ihren Srauen ober Ge 
Tiebten in Luſtparthieen zubrigen follen, entweder uf dieſen 
Barken oder⸗in ber; Stadt in Wagen, von welchen lehteren 
eine Beſchreibung zu geben ‚hier. wohl der Map -ift,- da ® 
einen‘ Theil der Wergiiügungen dieſes Volkes ausmachen.‘ : 
" Worerſt muß man wiſſen; daß Die Straßen vor — 
aue⸗ mit Kiefeln und Backſteinen gepfkaftert find, und‘ fo firb 
es uud alle die: Hochwege, die von va durch die Provin 
Manit gehen,“ vernibge deren die Reiſenden nach jeder; Ge⸗ 
"gend. hinziehen Tonnen -"ohne- ihre‘ Büße zu: beſchmutzenz: aber 
va die Kurtere Er. Mejeät, diemit großer Eile zu Pferde 
reiten, das Pflaſter nicht brauchen koͤnnen, fo hat man einen 
Theil des Weges auf einer Seite ihrelwegen ungepflaſtert ge⸗ 
laſſen. Die Haupiſtraße der Stadt,“ von welcher wir ſchon 
geſprochen haben, daß ſie von einem Ende zum anderen geht, 
iſt auf‘ jeder Seite zehn Schritt breit’ mit Kieſeln und Bag⸗ 
‚feinen gepflaſtert, während der zwiſchenliegende Theil, mit 
Sand; bedeckt und mit gewoͤlbten Rinnen verſehen iſt, um 
das Regenwaffer.:inimie. benachbarten Kanaͤle zu:.führen;;: fo 


4 


47% 


daß bie Straße -immer- troden- bleiht. Auf: dieſem Sande 
are bie Wagen beftänpig rauf und abe. Eie- find lang, 
et, haben: Vorhänge und Kiſſen von Seide ımd- Können 
ſechs Perſonen halten. Männer und Frauen, die eine Liſt⸗ 
fahrt machen wollen, miethen. fie. wohl‘ täglich au biefem Zwede, 
und da kann man jede Stunde weite Reihen . ſehen, die in 
dem mittleren Theile der Straße dahinkutſchiren. Einige von 
ihnen. beſuchen Gaͤrten, wo die Gefellfhaft won denen einge 
fuͤhrt wird, die die Perwaltung des Platzes uͤbernommen ha⸗ 
ben, und an ſchattigen Oxten, welche die. Gaͤrtner dazu her⸗ 
gerichtet haben, mwohlempfaugen wird, und hier hringen die 
Männer. mit ihren rauen den ‚ganzen ‚Tag zu: und ehren, 
wenn ed fpit wird, in ‚der. Weife nad Sauie- zuruͤck wi 
fie gefommen inbet7),. 
1 


. ” . ‘ 
. 
D 
. “oe 
. . 
FR) 
" G.:: 


Es iſt bei dem Volke zu Duinfai der Brauch, daß. bie 
Eltern bei der Geburt eines Kindes fogleidh ven. Tag, bie 
Stunde und die Minute aufzeichnen, wo ‚die Entbindung fa 
fand. Dann fragen fie die Aſtrologen, unter "weldyem Zei⸗ 
chen oder Himmeldafpefte das Kind geboren worden iſt, und 
die, Antwort wird ebenfalls fehr forgfam aufgeſchrieben - We 
+3 nun zum Manne geworben ift und "ein: Faufmännifcee 
Geſchaͤft oder eine Reiſe unternehmen. ober ‚einen. Heiraths⸗ 
pextrag abſchließen will, fo. wird. jenes, Zaugniß zu Dem Aſtao⸗ 
Jogen gebracht, der es wahl pruͤft, die Umftaͤnde genau als 
wiegt und nun gewiſſe orafelaztige Worte: fagt, auf welde 
diefe; Leute, bie. fie zuweilen durch den ‚Erfolg, geredhtfertigt 
finden, großes Bertrauen jegen. Diefe Aſtrologen: oder Ma 


"- 417) Das Leben in Europa war zu Polo’a Selten fehr einfach, waͤh⸗ 
‚rend In China die verfeinertften und raffinirteften. Sitten herrfchten, bie 
‚eines Curopaͤers Verwunderung erregen mußten. Jetzt wird mai viel 
:Nehnlichkeit in der Lebenswelfe und den Verhältniffen der großen Sum 
unuſeres Erdtheils mit dru damaltgen zu Quinſai finden, 


2756 


kr iwerben in großer Zahl? anf ſedem Marktplate angetrof 
t, und feine Hochzeit wird eher. gefeiert; bis nicht die Met 
Img von einem. der Afteologen gehört worden iſt. " 
Es iſt weiter ihr. Brauch, bei dem Tode einer. vorneh⸗ 
ei und reihen: Perfon folgende Zeremonien 'zu: beobachten! 
fe Berwandten, Männer: und Frauen, thun grobe Gewaͤn⸗ 
van und begleiten. den Leichnam nad. dem zum: WVerbtenmek 
flimmten Blape. Die Prozeſſivn wird aud ton Muſikcn⸗ 
n begleitet, die ihre Inſtrumente Tpielen, wie fie ſich vor⸗ 
aͤrts bewegt, auch werden Gebete zu ihren Goͤtzen mit Tate 
e- Stimme geſungen. Wenn fie zur Stelle kommen; wer 
t fie viele Stuͤcke Baumwollenpapier, auf denen die Bilver 
m. Dienern,' Dienerinnen; Pferden und Kameelen gemalt 
ad, wie auch mit Gold dunchwirkte Seide uns Gold⸗ und 
Hbermünzen in die Flammen. Dies gefhieht jn Folge ih⸗ 
8 Glaubens, daß der Dahingeſchiedene in.:dem anderen Les 
alle dieſe Gegenftänve, die erftgenannten in ihrem natuͤr⸗ 
hen Zuſtande von Fleiſch. und Blut, mit fammt dem Golde 
2b Seidenzeuge befigen werde. Sobald. der Scheiterhaufen 
wBrangt iſt, erſchallen alle muflfalifhen Inſtrumente zu glel⸗ 
er Zeit und machen einen lauten und langanhaltenden Laͤrm, 
nd. fie glauben, daß vurch dieſe Zeremonie ihre Bögen ver) 
nkaßt werden, die Seele des Mannes; deſſen Körper zu 
ſche verbrannt worden, aufzunehmen, daß er in! der anderen 
Mr wieder nen n gehoren werde und wiedet vom! zehn are. 
Ne N ARE a Zu v. a Sale 
38* m be ui BE F23e 
: Sn jeder Straße diefer Stadt befinden fich ſteinerne Ger 
Aude oder Thürme, wohin, wenn etwa Feuer in irgend ei⸗ 
em Bezirke ausbriht, ein Ungluͤck, weldes durchaus sicht 
ngewöhnlid ift, da alle Häufer  zumeift aus Holz. erbaut 
sd, die Einwohner-ihre Habe Ichaffen. und in Sicherheit 
ringen fonnen. Auf Anordnung Er. Majeftät ift da: eine 
Bade: von zehn Mann unter einem Dache auf. allen-Haupt 


476 

bruͤcken aufgeftellt,, von.» denen. fünf,, bei Zage-.und fünf bei 
Naht ihre Pflicht thun. In jedem der Wachthaͤuſer befindet 
ſich ein ſchallendes Inſtrument von Holz, wie eins von Me 
iall, nebit..einer Waſſeruhr (borialo), don. welcher letzteren 
die Etunden bei Tag und Nacht angezeigt werben. Sobald 
die erſte Stunde her Nadıt vorbei iſt, fo. führt ‚einer ber 
Wächter einen einzigen Schlag auf das hölzerne Inftrument, 
wie and) auf den metallenen Gong (bacino), wodurch ben 
Leuten in der Nahbarfdiaft verkündet wird, daß die erfe 
- Stunde vorüber iſt. Nach Verlauf der zweiten: twerben zwei 
Schläge gethan und fo fort, indem die Streiche zunehmen, 
wie. die Etunden vorriden.- Die Wache darf. nicht fchlafen 
und. muß immer bereit fein. Am. Morgen, ſobald pie Sonn 
ſcheint, wird wieder -ein einziger Schlag: gegeben, wie, am 
Abend, und jo fort von Stunde zu Stunde. Einige diefer 
Schaarwädter durdjziehen die Stadt, um hadyzufehen, ob Se 
mand noch Feuer oder Licht brennt.nad) der beftimmten Etunde, 
wo fie. auögelofht werden muͤſſen. Sobald: fie dieſes :Ber: 
gehen entdecken, heften fie ein. Zeichen. an die' Thuͤr und am 
Murgen. wird der Eigenthümer des. Hauſes vor" den Wagi⸗ 
fiat ; gerufen, von dem er, wenn ex nit. eine genuͤgende 
Eniſchuldigung für. das Uebertreten des Geſetzes findet, . zu 
giner. Strafe verurtheilt wird. : Collten-fte Jemand :aufer 
Haufe. zu. ungefeglider Stunde finden, . fo fangen fie ihn und 
‚fperren. ihn ein. und. am Morgen wird er vor denſelben: de 
richtshof geführte. Wenn fie am Tage irgend eine PBerfon 
‚ausfinden, Die wegen Lähmung ober megen eines anderen 
Gebrechens unfähig ift zu. arbeiten, fo bringen fie viefelbe 
in eins der Hospitäler, deten mehte in jedem Theile ber 
Stadt find, gegründet von.;den alten Koͤnigen und, auf-dad 
Freigebigſte ausgeſtattet. Wenn fte geheilt.ift, ſo muß fe 
An irgend einem Geſchaͤfte arbeiten... Sobald ein euer in 
einem Haufe ausfommt, fo: machen fie Laͤrm, indem fie auf 

Die. hölzernen Mafchinen ſchlagen, worauf die Wächter von 
allen: Bruͤcken in einer gewiffen Entfernung :herbeieilen, um 


473 


und Ihre Augen an dem’ Wechſel und ver Schoͤnheit ver Se 
neris, die. an ihnen votiberjicht,. zu ergögen, und wahtlich/ 
der Genuß, der auf. ſolche Weiſe auf. dem Waſſer gebotel 
wird, uͤbertrifft jeden anderen, der immer auf dem Lande gewaͤhrt 
werben. fannz denn da ſich ‚der See auf ver einen Cette bil 
ganze Stadt entlang ausbreitet, ſo hat man, wenn man- IN 
dem Boote ſieht, in einer hewiſſen Entfernung: vom Ufer 
eine Ausſicht auf alle ihre Groͤße und Schoͤnheit, ihre Pa⸗ 
täfte, Teinpel, Kloͤſter und Gärten, mit Bäumen von maͤch 
tigoͤr Groͤße, die an des Ufers Rande fi, erheben, während 
man’ fih zu tgleicher Zeit‘ an dem Anblide der anderen Boote 
ergoͤtzen kann, Die ebenſo ſeingerichtet find und bie beſtaͤndig 
ogeüherzießen: und ini gleicher Weife:itmit Geſellſchaft gefuͤllt 
find, welche ihrem Vergnügen folgen.(' Es denken uber vie 
Einwohner dieſes Platzes, ſobald ihr Tagewerf vollendet iſt 
und ihre Handelsgeſchaͤfte voltzogen ſind, an nichts Anderes, 
als wie ſie die uͤbrigen Stunden mit ihren Frauen oder Ge 
Tebten“ in‘ Luſtparthieen zubriagen follen, entweder auf‘ dieſen 
Barken oder⸗in der. Etadt: in Wagen, von welchen lehteren 
eine Beſchreihung zu ageben hier. wohl der ab“ tft, da ſe 
vinen!Theil der Vergnuͤgungen dieſes Volkes ausmachen. 
zu Wererft:muß- min: wiffen, daß Die Straßen von. —5 — 
alle init Kieſeln und Backſteinen gepflaftert find, und jo find 
es td alle: die: Hochwege, bie von va durch -bie Provinʒ 
Manii tgehen,“ vermbge deren die Reiſenden mach: jeder" Ge 
gend: hinziehen Tannen, "ohne- ihre Büße: zu: befdhmußenz abet 
va vie Kurtere Sr. Meijeftät,, Hiemit igroßet Eile zw: Pferde 
zeiten, das Pflafter nicht brauchen koͤnnen, ſo hat man einen 
Theil des Weges auf einer Seite ihrelwegen ungepflaſtert ge⸗ 
lafſſen. Die Haupiſtraße. der Stadt,“ von welcher wir' ſchon 
geſprochen haben, daß ſie von einem Ende zum anderen geht, 
iſt auf jeder Seite zehn. Schritt‘ breit' mit Kiefeln und‘ Bag⸗ 
‚feiner gepflaſtert, waͤhrend der zwiſchenliegende Theil. mit 
Sand bedeckt und mit gemwölbten Rinnen verſehen iſt, ‚um 

das Regenwaſſer. ‚in die benachbarten Kanaͤle zu fuͤhren, . 


— 


278 


en ... 6.* rt Er 
AS der Großfhan die Provinz Manjt, die big: dahin 
ein Königreich gewefen war, feiner Herrſchaft unterivarf,. hielt 
er es für zwedmößig, fie in- neun Theile zu theilen, über 
deren jeden er ‚einen König oder Bizebonig: fehte, der ald 
oberfter Statthalter ‚des Kreiſes gefept ift und Die Gered- 
tigfeit ‚uber dad Volk pflegt. Diefe machen jaͤhrlich einen 
Beriht an Kommifjiondre, die. von Er. Majeſtaͤt beftellt find, 
über den Betrag ver Ginfünfte, wie über jede andere Ange 
legenheit, die zu ihrer Jurisdikzion gehört. Nach dem brit 
ten Jahre werden ſie gewechſelt, wie alle andere oͤffentliche 
Beamte. Einer von dieſen neun Vizekoͤnigen hält feinen Hoi 
in der Stadt Duinfai und hat. Macht über mehr als huw 
dertundvierzig Haupt und andere Städte, die alle groß um 
reich find. Auch darf man fid) über dieſe Zahl nicht: wun 
dern, wenn man bevenft, daß in ver ganzen Provinz Masji 
nicht weniger als zwoͤlfhundert Städte find, die eine großt 
Bevölferung von ;gerverbthätigen und reihen. : Bewohnern: ha⸗ 
ben. In. jeber diefer, nach ihrem Umfange und anderen Yen 
hältniffen, hält Se. Majeftät eine Beſatzung, die fish. on ei⸗ 
nigen Plaͤtzen auf taufend, an anderen auf zohn⸗ nder zum 
zigtauſend Mann befäuft, je nachdem er. glaubt; daß. Die Statt 
in ihrer. eigenen Bevölferung mehr oder weniger. maͤchtig iſt 
Man darf aber nicht etwa- meinen, daß alle biete Truppen 
Zartaren find; im Gegentheil, fie: find vorzüglich Eingeborem 
der Provinz Kataia. Die Tartaren find alle . Reiter. und 
Reiterei kann nidt um bie Stäbte aufgeftellt: werben, : weldt 
in ‚den. nievrigen, marſchigen Theilen der Provinz kiegen, for 
bern nur im feiten trodenen Gegenden;, wo ſolche Truppen 
ich: wohlzu Pferde bewegen fünnem. Nach.erſteren ſendet 
er Katajer und ſolche Soldaten aus der Provinz Manji,i.die 
ein militärifches Geſchick haben; denn er hat ed eingeführt, 
daß alljährlid von allen feinen Unterthanen diejenigen aus 
gehoben werben, welde fi am beften zum Tragen der Waf- 


479 


fen eignen, und dieſbe laͤßt. er einſchreiben un. Mienfte ok 
fernen Sjahlteidyen -Befagtingeit, welche ald eben’ fo! viele Au. 
mieen bettachtet ‘werben koͤnnen. Aber die Sofvateh "bie il 
dert Provinz Manje ausgehoben erben, verwendet “r nichl 
Aim Dienſte in ihrem Heimathlande, fonbern im Begenthef 
er ſchickt fie. zu ‚anderen Befagungen, bie vielleicht zwanzig 
Tagereiſen weit entfernt find, wo: fie vier oder fünf Jahre 
bleiben nach deren Berlauf ie wieder nach Hauſe zuruͤckkeh⸗ 
ren kKonnen ‚und -andere werben. abgeſendet, ſie zu etſeden 
Dieſe Anordnung ift auch bei: den. Katajern getroffen." 
größere Theil: der Einfünfte der Städte, welche in den Stha 
des. Großkhan's gezahlt werden, wird zur Erhaltung vief 
Beſatzungen verivendet. Wenn es geſchieht, daß eine Studl 
im Zuſtande der Empoͤrung iſt (und es iſt nicht ungewoͤhnlich 
dei diefem Volke, daß es, durch irgend eine ploͤtliche Erbin 
terimg erregt, ober in der: Trunkenheit ſeine Statthalter” unð 
Amtleute ermordet), fo wird ein Theil der Beſatung einer 
benachbarten Stadi ſogleich mit dem Befehle: abgeſchict, Bit 
Stadt zu zerfiören, "wo fo gefährlide: Rebellion geld; 2% 
denn ed wilrbe ein fehr langweiliges Untkernehmen fein; eine 
Armee aus einer anderen Provinz zu ſchicken, Die! zwei Mo⸗ 
nate anf ihrem Marſche zubringen koͤnnte. Zu dleſeni BZweckt 
erhält die Stadt Quinſai beſtaͤndig eine Beſatzung von drei⸗ 
pigtauſend Mann, und die geringſte Zahl; vie. In i icgend ei⸗ 
nen Plat— sn in belauft ſich auf tauſend. en 
U STIN. 
rät een nn — u 8... BE En >. 
ui in i not len 
- 1.8: bleibt ı nun noch übrig, von einem: ſehr ſchoͤnen Ba 
Anfte zu. eben; der ‚früher. die: Reflvenz' des Königs Faufur 
war, deſſen Borfahren: ein Landfſtuͤck von zehn Meilen: im Witte 
fange, mis: Mauern- einfihloffen und: in:- drei: Theile: cheilten. 
Ba; dem In der: Mitte gelegenen ging man durch ein „hohes 
Bortal.ein und auf jeder Seite won dieſem war eine yräde 
rige Kolonnade auf einer ſehr großen:und! ausgedehnten: Aachen 


480 


Terrafie, : verea Daͤcher pp Pfeilerxeihen getragen wurden, die 
mit dem ſchoͤnſten Azur und Gold verziert waren. Die Säus 
lenhalle, die dem Eingange gegenuͤber an der vorderen Seite 
des Hofes ſich befand, war noch größer als. die anderen, ihr 
Dach war reich verziert, die Pfeiler vergoldet und vie Wände 
der-Sunenjeite mit ausgezeichneten Gemälden geſchmuͤckt, welde 
die Gefdjichte ver früheren: Könige Parftellten. : Hier hielt 
König Faufur an gewiſſen Tagen, die dem Dienjte ‚ihrer 
Goͤtzen gewidmet waren, jährlid feinen ‚Hof und ‚gab: feinen 
Großen, den erjten Magijtratsperfonen: und ben. reichen Bürs 
gern Duinfai’s ein- Feſt und:Banfet.. Unter dieſen Säulen 
balfen (loggie) Fonnte man zu gleicher Zeit zehntaufend Pers 
fonen ganz bequem bei- Tafel -figen fehen. Die Feſilichkeit 
dauerte zehn oder zwölf Tage, und- die Pradt, die bei bie 
fer Gelegenheit in Seide, Gold: und Edelſteinen entfaltet 
wurde, übertraf alle Einbildung; denn jeder Gaſt, von Welt 
eifer befeelt, bemühte ſich ſo viel. Ölanz zu zeigen, als es 
ihm feine Umſtaͤnde erfaybten. Hinter der. zulegt ‚erwähnten 
Halle (loggia), die dem großen “Portale gegenüberfteht, war 
eine Mauer mit einem Durchgange, welche den aͤußeren Theil 
von dem inneren ſchied; wenn man.da- hineintrat, fo: gelangte 
man an einen großen Dirt, der wie ein. Kloſter ‚mit: feinen 
Zellen. (claugero) geftaltet.: war, , deſſen Saͤulenreihen - eine 
Portikus. trugen, ber ‚vie Zelfengebände (deito elausteo) un 
gab und In verfdiebene: Zimmer, bie fuͤr den. Gebrauch de} 
Könige und der Königin beſtimmt waren, fuͤhrte. Dieſe 
Saͤulen oder Pfeiler waren iz, ähnlicher Weife verziert, wie 
auh die Wände. Aus diefem. Zellenhofe fam man in einen 
bevedten.. ang ober Korridor, dern ſechs Schritt: breit -und fo 
lang war, daß ev. bis an. ven: Rand des Sees führte. Ar 
jeder . Ceite dieſes Korridoxs waren zehn entſprechende in 
gänge zu. zehn. Langen: Zellenhoͤfen, ‚Die. von: ihrem Portilus 
aumgeben waren (rispondevane..in; quaaip .amdito ;:dieri coli 
da una banda. e dieei:. dall’ .altra,-‚fahriecate; a’ modo di 
slaustri: lunghi. con. li. lore portichi, imaraop, amd. geber Jellen 


“ 481 


hof hatte fünfzig Zimmer mit den ihnen zugehörigen Gärten, 
Die Reſidenz von taufend jungen Frauen, welde der König 
in feinem Dienfte hielt 418). Zuweilen von feiner Königin 
begleitet und ein andered Mal von einem Theile jener Frauen, 
befudhte er ven Eee, um ſich da in Barken, Die mit Eeibe 
gevedt waren, zu erlujtiren und die Götentempel, die an 
des Sees Ufer ftehen, zu beſuchen. “Die beiden anderen Abs 
theilungen dieſes Eerails hatten die [hönften Anlagen, Haine, 
Gewaͤſſer, herrliche Gärten voller Fruchtbaͤume und aud Ges 
hege für alle Arten von. Jagdwild, wie Antilopen, Hirſche, 
Hafen und Kaninchen. Audy hier erluftirte ſich der König 
in Gefellihaft feiner Damen, von denen einige in Wagen 
fuhren, andere zu Pferde waren. Keine männliche Berfon 
durfte bei dieſen Partieen fein, dagegen aber waren die 
Frauen geübt, mit Hunden die Thiere, die wir erwähnt has 

ben, zu jagen. Waren fie ermüdet, fo zogen fie fi) in Die 


J 





418) Die Pläne der Chineſiſchen Palaͤſte ſcheinen einander ziemlich 
zu gleichen und namentlich in Bezug auf die obige Art Hof, auf einer 
erhabenen Terraffe, dem Haupttheile des Gebaͤudes gegenüber, wo bie 
Berfonen fi) verfammeln, deren Rang ihnen das Vorrecht verleiht, ih: 
rem Monarchen ihre Aufwartung zu machen. In Neuhof’s „Geſandſchaft“ 
(ES. 172) wird man eine Daritellung des vorderen Hofs von Peking fin; 
den, welche Ban Braam ihrer Treue wegen empfiehlt. Der Palaft eines 
hohen Staatsbeamten oder eines Reichen fcheint nach demſelben ‘Plane 
gebant und in derſelben Meife verziert zu fein. „Elle est toujours pré- 
cedee d’une grande cour od logent les portiers, et qui est entourde 
de galeries et d’un grand peristyle dont le toit est soutenu par des 
colonnes.... Cette cour est ferme&e par trois grandes portes en bois.... 
Aprös ces trois portes on trouve une autre cour.... et enfin une troi- 
siöme cour qui fait face à l’appartement principal... cet appartement 
compose de plusieures pieces, donne par derriere sur les jardins et 
communique par des galeries avec celui des femmes.“ De Guignes 
II, 176.— „Par les mots colonnes et galeries il ne faut pas en- 
tendre des colönnes. ou des galeries, dans le style Grec; le vrai mot, 
celui qui convient le mieux & la .colonne Chinoise, c’est pilier, puis- 
_ que son diametre est toujours le m&me dans toute sa longueur.“ Ib. 
173, — M. " 

3l 


482 


Luſthaine an ven Ufern des Sees zurüd, legten ihre Kleider 
ab und fprangen in das Wafler, luſtig herumſchwimmend, 
pie einen dahin, die anderen borthin. Der König ſah bie 
fem Schaufpiele zu. Darauf fehrten fie in den Palaft zu 
rüd. Zuweilen ließ er das Mittagsmahl. in einem biefer 
Haine auftragen, wo die Zweige und das Laub der hohen 
Bäume dichten Echatten boten, und diefelben Damen umgaben 


und bebienten ihn. So bradte er feine Zeit zu unter ben. 


entnervenvden Reizen feiner Frauen und in völliger Unwiſſen⸗ 
heit im Kriegführen, und die Folge davon war, daß feine 
Weichlichkeit und feine Beigheit dem Großkhan erlaubten, ihn 
feiner glänzenden Herrfhaft zu berauben und ihn ſchmachvoll 
vom Throne zu jagen, wie ſchon erzählt worven if. Ale 
diefe Dinge wurden mir, ald id, in der Stadt war, von eb 
nem reihen Kaufmanne von Duinfai mitgetheilt, ver, als 
ih ihn fah, fehr alt, aber früher der vertraute Diener dei 
Königs Fanfur gewefen und mit jedem Umſtande feines Le⸗ 
bens befannt war #19). Da er den Palaft in feinem ur 
ſpruͤnglichen Zuftande gefannt hatte, wuͤnſchte er mid hir 
zuführen und ihn mir zu zeigen. Gegenwärtig ift er bie 
Refivenz des vom Großkhan eingefehten Vizefünigs; die Ko 
lonnaden find nod in der Weije erhalten, wie fie frühe 


419) Da Polo mit Perfonen viel verkehrt, welche die kaiſerliche da⸗ 
miülte der Sung gefanut, fo ift es fehr zu verwundern, daß er über das 
Gude der lebten Kaiſer fo übel unterrichtet war, wie wir oben Koi⸗ 
tel 55 gefehen haben... Die Befchreibung des Palaftes und der Lebens 
weife- des Kaiſers, den er Perfifch Fanfur nennt, giebt er dagegen feht 
genau und anfchaulid. In Allem, was Polo felbft gefehen und erlebt, 
faun man ihm ficher trauen, dagegen in geichichtlichen Daten, die er 
nach Hörenfagen mittheilt, ift er fehr ungenau; man kann annehmen, daf 
bie geſchichtlichen Thatfachen und Regirungshandlungen im Munde des 
Bolfes- jener Sftlichen Gegenden, das fo wenig In die Verhaͤltniſſe, Ehe 
raltere und Handlungen feiner despotifchen Herren eingeweiht wurde, mei 
nur paffive Zuſchauer abgab und Feine Volfsgefchichte, fondern nur ein 
Geſchichte feiner Herren hatte, ſehr verbreht und entſtellt wurden. ESo 
find die Angaben Bolo’s zu erflären.- 


483 » 


waren, aber die Zimmer der Srauen find verfallen und. ihr 
Grund faum noch fihtbar. Die Mauer, welde den Bar 
und bie Gärten einfhloß, war ebenfalls eingefkiürgt und we⸗ 
der Thiere noch Bäume fand man mehr’ darinnen +20), 


10. 


Fuͤnfundzwanzig (Ital.) Meilen von diefer Stadt in nords 
öftliher Richtung ift dad Meer und an vemfelben liegt eine 
Stadt, Gampu genannt*21), wo ein außerordentlich ſchoͤner 
Hafen ift, der von allen ven Schiffen, die Waaren aus Ins 
dien bringen, befuht wird. _ Der Fluß, der an der Stadt 
Duinfai vorüberfließt, bildet da, wo er in die Eee fällt, ven 


. 4%) Echon zu Polo's Zeiten begannen alfo einzelne Theile Duinfat’s 
ſich zu verändern, die Faiferliche Nefivenz ging ihrem Ruin entgegen; fo 
mag mit der Zeit Hangstfcheu der Veränderungen manche erlitten und 
wie groß es auch noch iſt, viel von feiner übermäßigen Größe verloren 
Haben. 

421) Gampu iſt mit Unrecht von Marsden und Anderen für Ningpo 
gehalten worden. „Der ehemals fo berühmte Hafen Kan=pu (Polo’s 
Gampn — n vor p im Italienifchen in m verwandelt —) if jegt verlans _ 
dei. Es wird behauptet, diefer Ort müffe auch unter dem in ben Ara⸗ 
Hifchen Geografien und Netfebefchreibungen fo Häufig erwähnten Chancu 
oder Kanfu verflanden werben (Klaproth Memoires relat, à l’Asie II, 
202. Mitter IV, 702); biefem ift aber Feineswegs jo. . Das Kanfu ber 
Araber iſt aber ohne Zweifel Kuang tfcheu oder Kanton. Ungefägr ‚eine 
Dentfche Meile in norböftlicher Richtung von dem alten Kan⸗pu entfernt, 
Liegt der bedeutende Eeehafen Tſchapu (30° 31’ N. Br., 1200 40° Sfit, 
Be v. Gr.), Eurzer Bach. Der Ort betreibt einen großen Handel, vor: 
züglich mit Japan. Neumann A. U. 3. 1842 Beil. 140. — Nicht fern, 
jedoch weiter ſuͤdlich, ungefähr 20 geogr. Meilen von Hang-tihen, liegt 
der Hafenort Ning:po (29° 55°.13° N, Br., 400 57° 1% öftl. Länge. von 
Peling), welchen die Engländer bei ihrem Kriege mit China, fowie Tſcha⸗ 
pu, Tſchinhai und andere Städte des handelsreichen Tfchefiang eingenoms 
men hatten. Ning:po gehört jegt zu den fünf freien Häfen — Kanton, 
Amoy, Fu⸗tſcheu⸗fu, Ningpo und Schanghae (die Tichufaninfeln, welhe 
die Engländer beſetzt gehalten, liegen vor ihr), — die dem Guropälfchen 
Handel eröffnet find. — - 


31* 


484 
Hafen. Beſtaͤndig find Boote in Bewegung, welde die Guͤ⸗ 


ter den Fluß auf- und abführen, und vie Waaren, die zur 


Ausführung beftimmt find, werden an Borb der Schiffe ge 
bradjt, die nad) verſchiedenen Theilen Indiend und Kataia's 
gehen. 

Marco Polo war gerade in der Etadt zu ter Zeit, wo 
der jaͤhrliche Bericht von Sr. Majeſtaͤt Kommiſſionaͤren uͤber 
den Betrag der Einkuͤnfte und die Zahl der Einwohner ab- 
geftattet wurde, und hatte Gelegenheit zu bemerfen, daß die 
Iegteren auf einhundertundſechszig Tomans von Beuerftätten ein- 
regiftrirt waren, und da ein Toman *22) fo viel als zehn 
taufend ift, fo folgt, daß die ganze Etadt eine Million ſechs⸗ 
malhunderttaufend Bamilien enthalten haben muß, unter wel⸗ 
her Unmaſſe von Bevölferung fih doch nur eine Kirche Ne 
ftorianifher Chriften befand. Jeder Familienvater oder Haus 
herr muß einen Zettel über der Thüre feines Haufes anheften, 
auf weldem die Namen aller einzelnen Perſonen, männliden 
wie weiblichen, gefdjrieben ftehen, wie aud die Zahl feiner 
Pferde. Wenn eine Berfon ftirbt oder die Wohnung verläßt, 
fo wird der Name ausgeftrihen, und wird ein Kind geboren, 
ſo wird fein Name der Lifte zugefügt. Auf dieſe Weiſe find 
die Oroßbeamten der Provinz und die Amtleute der Staͤdte 
alle Zeit befannt mit der genauen Zahl der Einwohner. Die 
felde Ordnung wird durch die ganze Provinz Kataia wie 
durd; ganz Manfi gehalten. Im gleicher Weife müffen bie 
Inhaber der Gafthöfe und öffentlichen Hotels die Namen de 
rer, die bei ihnen ihre gelegentliche Wohnung nehmen, in ein 
Bud). einfchreiben, wobei fie den Tag und die Stunde ihrer 


. Ankunft fowohl wie ihrer Abreife ‚angeben müffen; Davon 


wird täglid, eine Abfchrift an die Magiftratsperfonen abge 
geben, von denen wir gefagt haben, daß fie fi zur Auffiht 


422) Der Toman ber Tartaren und Perfer iſt gleich‘ dem Wan ber 
Chinefen und man druͤckt mit dem Worte große Zahlen aus, zehntanfend 
multiplizirend, wie Polo es angiebt. 


° 


485 


auf den Marftplägen befinden 323). Es ift in der Provinz 
Manji die Gewohnheit, daß die Leute der bebürftigen Volks—⸗ 
klaſſe, tie ihre Samilien nicht erhalten fonnen, ihre Kinder 
an die Reichen verkaufen, daß fte nun in befferer Weife auf: 
erzogen werben, al3 ihre Armutl) ed ihnen erlauben würde 2%), 


— — — — — — 


Neunundſechszigſtes Kapitel. 
Von den Einkuͤnften des Großkhan's. 


Wir wollen nun von den Einkuͤnften reden, die der Groß» 
fhan aus der Stadt Duinfai und den Plägen zieht, die uns 
ter ihrer Gerichtsbarkeit ſich befinden, weldye die neunte Ab» 
tbeilung ober das Königreich Manji bilden. Zuerft erhebt 
er vom Salze, dem ergiebigften Artikel, eine jährlidye Abgabe 
von achtzig Tomans Gold; da jever Toman adıtzigtaufend 
Eaggi ausmacht und jever Saggio einem Venezianifhen Du- 
faten gleich ift, fo beläuft fid die Summe auf ſechs Millio⸗ 
nen viermalhunderttaufend Dufaten. Diefes ungeheuere Er⸗ 
gebniß Fommt daher, daß die Provinz am Meere liegt und 
in der Menge von Lagunen und Salzſeen dad Wafler fid) 
während der Eommerhige Eryftallifirt und man auf diefe Weife 
eine Maffe Salz zieht, die hinreichend iſt für den Bebarf 
von fünf der übrigen Abtheilungen der Provinz. Auch wird 
viel Zuder gebaut und gefertigt, der, wie alle anderen Ge⸗ 
würze, brei und ein Drittel Prozent zahlt. Eben fo viel 


"wird aud vom Wein oder von dem aus Reis gekochten Ges 


tränf erhoben. Die zwölf Klafien Handwerker, von benen 
wir fchon gefprohen haben und von denen eine jebe taufend 


423) Dan fieht, wie China in allen derlei Dingen unferen kultivir⸗ 
ten Curopaͤiſchen Staaten mit gutem Beifpiele vorangegangen ift. 

424). Diefes wie ber. häufige Kindermord in China wird durch neuere 
Berichterftatter beftätigt. 


486 


Werfftätten hat, und die Kaufleute, fowohl bie, welche Gi 
ter in die Stadt eindringen, als vie, welche fie in das In 
nere fhaffen oder zur Eee ausführen, zahlen eine Abgabe 
von drei und ein Drittel Prozent; kommen aber Die Waa—⸗ 
ren zur Eee aud fernen Ländern und Gegenden, wie au 
Indien, fo zahlen fie zehn Prozent. So wird aud von al 
len Erzeugnifien ded Landes, vom Vieh, von den Pflanzen: 
probuften des Bodens und ver Eeide dem Könige eine Ab 
gabe gegeben. Marco Polo tft dabei gewefen, als die Red: 
nung gemadjt wurde, und hatte Gelegenheit, Fennen zu Iernen, 
dag die Einfünfte Cr. Majeftät, mit Ausnahme der Abga— 
ben, weldye vom Ealze erhoben werben, fi des Jahre auf 
die Eumme von zweihundertündzehn Tomand (jeder Toman 
zu adtzigtaufend Goldſaggi) oder ſechszehn Millionen adt 
malhunberttaufend Dufaten beläuft 425), 


— un — — nn 


Siebzigſtes Kapitel. 
Von der Stadt Ta⸗pin⸗ zu. 


Wenn man die Stadt Quinſai verlaͤßt und eine Tage⸗ 
reife nach Suͤdoſten zieht, kommt man an Haͤuſern, Villen und 
föftlihen Gärten vorliber, wo alle Arten Gewaͤchſe im lieber: 
fluß gezogen werben, nad) der Stadt Ta⸗pin⸗zu, weldye unter 
die Gerihtsbarfeit von Duinfai gehört. Die Einwohner be 


— — 





425) Es war demnach in den bem Großkhan zu leiſtenden Abgaben 
und Zoͤllen bie geregelte Orbnung, wie fie unfer neueres Staatenſyſten 
eingeführt hat; zu Polo’s Zeiten war das in Europa etwas Unerhoͤrtes, 
man hatte davon gar feinen Begriff. Uns werben jene Abgaben nicht 
fo ungeheuer und unglaublich erfcheinen; wir find vertraut mit ihnen, je 
gar unjere Prohibitivzölle erfennen wir in ihnen wieder — die Zeitgenoſ⸗ 
fen Polo’ nannten aber ven Venezianer wegen feiner Angabe von fi 
vielen Millionen Messer Milione oder Millionenauffchneider. Was is 
alten Seiten als Lüge galt, erfennen wir jet als eine fehr ernfte Wahrheit 


487 


u: Goͤtzen an, braudyen Papiergeld, verbrennen die Leichen 
ver Todten, find dem Großkhan unterthan und leben von 
andel und Gewerben. — Da diefer Play nichts Beſonde⸗ 
8 hat, wollen wir von der Stadt Uguiu reden. 


Einunpfiebenzigftes Kapitel. 
Don der Stadt Ugulu. 


Bon Taspinszu wiederum drei Tage nad) Südoften reis 
nd gelangt man in die Stadt Uguiu, und noch zwei Tage: 
ifen weiter in verfelben Richtung kommt man in beftändiger 
Age an vielen Städten, Edylöffern und anderen bewohnten 
lägen vorüber, ‚und fo ift die Nachbarſchaft ringsum, daB 
is Alles einem Fremden wie eine ausgebreitete Stadt er; 
yeint. Alle diefe find von Duinfat abhängige. Das Volk 
tet Goͤtzen an und das Land liefert alle Lebensbeduͤrfniſſe 
‚großem Ueberfluß. Hier wird das Geröhridt von grö- 
rer Die und Länge gefunden, als alles, von dem wir ſchon 
redet haben, denn ed hat bier vier Spannen im Umfange 
id iſt fünfzehn Schritt Tang. 


Zweiundfiebenzigftes Kapitel. 
WVon den Etädten Gengui, Zengian und Gieja. 


Reiſt man zwei Tagereifen in derfelben Richtung weiter, 
kommt man an die Stadt Gengui, und immer weiter nad) 
üboften ziehend, begegnet man immer volfreihen Staͤdten, 
ren Bewohner Handel treiben und das Land bauen. Im 
efem Theile der Provinz Manji find Feine Schafe zu fehen, 
er viele Ochſen, Kühe, Büffel und Ziegen und Schweine 
‚großer Menge. Nach Verlauf des vierten Tages kommt 


488 


man an tie Etabt Zengian, die auf einem Hügel erbaut 
ift, der wie eine Infel in dem Fluſſe fteht, welcher in zwei 
Arme getrennt die Etabt zu umarmen ſcheint. “Diefe beiden 
Arme verfolgen eine entgegengefegte Richtung, der eine nimmt 
feinen Lauf nad) Eüdoften und der andere nad) Nordweſten. 
Die zulegt erwähnten Städte befinden ſich gleichfalls unter 
ter Herrſchaft des Großkhan's und ftehen unter Quinſai. 
Das Bolf betet Gögen an und lebt vom Handel. In dem 
Lante ijt Veberflug an Wild, Thier und Geflügel. Wenn 
man brei Tage weiterzieht, fommt man an die große und 
abelige Stadt Gieza, welche vie letzte iſt, die unter ber Gr 
richtsbarkeit Quinſai's fteht 426). Verlaͤßt man dieſe Etatt, 


426) Es find uns dieſe Staͤdte fo gut wie unbekannt und ſelbſt wenn 
wir alle ihre Namen richtig feftftellen Fönnten, würben wir boch mur dieſe 
ganz allgemeine Angabe Fennen. Berfolgen wir diefe Tour Polo’s durch 
Tſchekiang mit Neumann (a. a. D.): Die Stadt Schasshing (30° 6° 0" N, 
Br, 4° 4° 11° Oeſtl. & v. BP.) erhielt wahrfcheinlich von der Dynaſtie 
Sung diefen Namen, der „‚fortgefegte Freude“ bebeutet, weil fie bie Ba: 
terftadt einer großen Anzahl in den Künften des Friedens wie des Krie⸗ 
ges ausgezeichneter Männer ift. — Der Ort Jen⸗tſcheu, gegen bie Grenze 
bes Kreifes Nganshoel innerhalb eines Hügellandes gelegen, baher and 
bie hohe oder Falte Etadt genannt, ift der Kupferminen wegen, die in 
der Nähe find, berühmt. Cüpöftlich liegt Kin⸗hoa, von der unferem Jas: 
min ähnlichen Goldblume, die in ihrer Nähe Häufig waͤchſt, fo gemanat. 
Suͤdoͤſtlich von Kinzhoa liegt ein Ort, Kiu⸗tſcheu oder die Wegſtadt ge: 
heißen, denn von Hier aus führt ein gebirgiger, fleiler Weg nach dem 
Kreife Fo⸗-kien (in den wir mit dem nächften Kapitel eintreten); vie Ent 
fernung von Kiu⸗tſcheu nach Fo⸗kien ift unbedeutend, deſſen ungeachtet be; 
durf es, der Natur des Bodens wegen, dreier voller Tage, um von dem 
einen Kreife in ben anderen zu kommen. Man muß hier zwei Engpaͤſe 
durchziehen, welche zwar durch Kunft erweitert wurden, aber doch noch 
fo fchmal find, daß eine entfchloffene Truppe einem ganzen Heere ver 
Mebergang verwehren kann. Marco Polo iſt diefe Etraße gezogen; er 
nennt diefe Stadt Kugui oder nach anderen Ausgaben Gengui (Neumanı 
hat fih wohl verfchrieben, das Kugui der einen Ausgabe, Cingui des 
Cod. Ricc. iſt das Gieza Ramufio's und biefes entipricht Kiu-tfchen; 
Gengut hat die Tertvariante Chegut und in dem Berl. Mferpt. Cheu⸗qgui 
und dieſes entfpricht nach Marsden dem jebigen Tſchuki, während Zen⸗ 


489 


jo tritt man in ein anderes Reich oder Vizefönigthum (Kreis) 
von Manji- ein, das Koncha heißt. 


Dreiundfiebenzigftes Kapitel. 


Bon dem Königreiche oder Vizekoͤnigthume Kon⸗cha und feiner Haupiſtadt 
Fu⸗giu. 


Wenn man die letzte Stadt des aobrigreihs oder Vize⸗ 
koͤnigthums Quinſai, die Gieza heißt, verläßt427), fo kommt 
man in das von Kon⸗cha 228), deſſen Hauptſtadt Fu⸗ giu 
- heißt #29). Zieht man ſechs Tagereiſen durch dieſes Land 
in füböftliher Richtung über Hügel und durch Thäler, fo 
fommt man fortwährend durch Städte und Dörfer, mo Alles, 
was man zum Leben bevarf, im Ueberfluß vorhanden ift; 
auch ift gute Jagd daſelbſt, vorzüglih auf wildes Geflügel. 
Die Leute find Gögenanbeter, dem Großfhan unterworfen und 
treiben. Handel. In dieſen Gegenven giebt ed außerordent⸗ 
lid flarfe Löwen (Tiger). Ingwer und aud) Galgant wach⸗ 





— — 


gian, nach demjelben, das von Neumann erwähnte Jen-tfchen wäre). Sens 
feits der Gebirge lebt ein ganz anderes rauhes Volk, deſſen Dialekt auch 
von dem ber ſuͤdoͤſtlichen Kreiſe in dem Grabe verſchieden iR, daß man 
ihn beinahe als eine ſelbſtſtaͤndige Eprache betrachten Fönnte. 

427) Wir kommen jetzt an das Geftaveland von Suͤdchina, das fich 
von N. D. gegen ©. W. von Suͤd⸗Tſche⸗kiang entlang der Küftenprovin- 
zen Fukian oder Fokien und Kuanstung (Kanton) an 200 geogr. MI. bis 
zur Grenze von Tun:fin ausbehnt, von einem breiten Saume unzähliger 
Heinerer Klippen und größerer Injeln, die unmittelbar das. Geſtade ums 
gürteu, begleitet und vom großen Nan Hal ober dem Suͤdmeere befpült, 
Diefe Provinzen gaben ebenfalls deu Schauplatz der Englifchen Expedi⸗ 
zionen gegen China und ihren Groberungen im Jahr 1841 und 1842 ab. 

428) Das Königreich Koncha, oder wie in einigen Ausgaben ſteht 
Yugui, iſt die Provinz Fokien oder Fukian. 

439) Das ift Fu⸗tſcheu-fu, im Kriege von den Englaͤndern erobert 
unb jetzt einer ver fünf Freihaͤfen. 


490 


fen da in großer Menge, wie audy andere Gewürze und Spe 
zereien. Für Geld an Werth eines Venezianiſchen Eilbers 
groſchen kann man achtzig Pfund friſchen Ingwer erhalten; 
in ſolchem Ueberfluß iſt er vorhanden. Es giebt da auch 
eine Pflanze, die alle Eigenthuͤmlichkeiten des wahren Safran, 
ſeine Farbe und ſeinen Geruch hat und doch kein eigentlicher 
Safran iſt. Sie ſteht in hoher Schaͤtzung, und da ſie bei 
allen ihren Mahlzeiten verwendet wird, fo hat fie einen ho—⸗ 
hen Preis *80). 

Die Bewohner dieſes Landestheils eſſen Menſchenfleiſch, 
das ſie fuͤr delikater als irgend anderes halten, wenn naͤm⸗ 
lich die Perſon nicht an einer Krankheit geſtorben iſt. Wenn 
ſie in die Schlacht ziehen, laſſen ſie ihr Haar loſe um ihre 
Ohren fliegen und malen ihre Geſichter mit feinſter Azurfarbe. 
Sie bewaffnen ſich mit Lanzen und Schwertern und marſchi⸗ 
ren alle zu Fuß, mit Ausnahme des Anfuͤhrers, der zu Pferde 
reitet. Sie ſind ein ſehr wildes Menſchengeſchlecht, ſo daß, 
wenn ſie ihre Feinde in der Schlacht erſchlagen, ſie gierig 
ihr Blut trinken und nachher ihr Fleiſch verſchlingen *221). 
Verlaſſen wir das und reden wir von der Stadt Queslinfu. 

430) Nach Marspen tft diefe Pflanze die cnrcuma longa. „Der Tur- 
merick ober terra merita over curcuma (Kurkume) wird im Chinefifchen 
Tſcha⸗-kiang genannt; er kommt aus Onang-tong (Kanton); biefe Wurzel 
{ft gut zum Färben.” De Guign. III, 264. — In Ehina foll er jeßt weniger bei 
Speifen verwendet werben, dagegen brauchen ihn die Malaien und andere 
Völker der öftlichen Infeln zu allen ihren Gerichten. - 

431) Diefe wilden Völferfchaften befinden fidy noch immer in einem 
rohen Zuſtande. — Ritter fagt IV, 729: Wir find noch wenig: über die fünf 
fnolicderen Provinzen China’s unterrichtet, von denen die zwei oͤſtlichen zu 

dem Geftadelande (Fukian, Ruangstung, die wir jeßt durch den Handel ber 
Engländer mehr Tennen lernen werden), die drei weftlichen zu den Eontis 
nentalen Alyengebirgslandfchaften (Ruangfi, Kuei⸗tſcheu, Dünnam) gehd- 
ren... Doch fagen -uns die wenigen Daten, baß der ganze Landſtrich 
durch eine romantifche Gebirgsnatur, die nur flredlenweife kultivirt iR, 
fih auszeichnet... Die Natur dieſes Geftabelandes, burch doppelte Ge⸗ 
birgsparallele von den übrigen Chineflfchen Landfchaften im Norben ge 
fondert, ſcheint auch in vieler Hinficht von demfelben verfchieden zu fein; 


491 


Bierundfiebenzigfted Kapitel. 
Bon der Stadt Que⸗lin-fu. 


Hat man die Reife von ſechs Tagen, wie im vorigen 
Kapitel angegeben worben, vollendet, fo fommt man an bie 


wirffich hat es von jeher in ver Befchichte eine eigene Rolle gefpielt und 
fonnte immer nur erſt von den Norberoberern gebändfgt werben. In den 
älteften Chineflfchen Annalen bis auf die Zeitgenoſſen Alerander des Gro- 
fen bildet diefer ganze Eüpftrich, im Gegenſatz des Übrigen Chinefifchen 
Reiche, das Land der Barbaren von Yue; fpäter wird es das von dem 
Ghinefifchen Reiche abhängige Nansyue oder das Due des Suͤdens, dann 
wird es ber Eig eigener Küftendynaftien, bis es unter ber erobernden 
Dynaftie der Thang (feit 632 n. Ehr.), die auch gegen Süden ihre Herr: 


ſchaft durch Ausbildung der Marine bis Hinterindien erweiterte, näher und 


für immer an das Gefchicl des großen Chinefifchen Reichs der Mitte und 
des Nordens gefnüpft wird. — So verfchiedenartig und eigenthuͤmlich daz 
her auch die Natur und die Bevölkerung dieſer Suͤdchinefiſchen Gebirgss 
und Geſtadelandſchaft, nach ihren urfprünglichen Verhäftnifien, von jenen 
befchaffen fein mag, fo iſt doch überall» durch Eroberung und Neberlie- 
ferung das Ghinefifche Kulturelement, die Verwaltung, die Sitte, bie Re: 
ligion, die Sprache hindurchgedrungen und hat fich der Herrſchaft des 
einheimtfchen Elements, das unterbrüct wurde und theilmelfe untergegans 
gen if, auch überall bemeiftert..... Daß es in ben Geflabelandfchaften 
eben fo wenig möglich war, die ganze einheimifche Bopulazion der Kultur: 
mitte und dem Norben des Chineftfchen Reichs gleichzuftellen, beweifen bie 
völlig von dem Mandarinendhinefifch abweichenden Volksſprachen von Knan⸗ 
tung nnd Bolten, und die allgemeine naztonale Abneigung der Bewohner 
Suͤbchina's gegen die fliegende Obmacht der NReichsbeherrfcher, der Mand⸗ 
ſchugebieter, die gleich den Mongolen vom Norden famen und eben fo wenig 
wie dieſe mit den Sühvölfern zur Nazionaleinheit zufammenwachfen Fonns 
ten. — Weiter fagt Ritter (787 ff.) über die Bewohner von Fokien, bie 
Suftanlang oder Tfchinstfchn der Europker: Die Dynaſtie der Mandſchu 
iſt dem Beifpiele der Mongolen nicht gefolgt, fie hat die Fukian⸗lang, 
d. 1. die Männer von Fukian, nicht unterſtuͤtzt; diefe haben Dagegen durch 
den Druck ihrer Despoten nothgedrungen, eine höhere, allgemeinere, für bie 
Geschichte ver Menſchheit wichtigere Bedeutung gewonnen, als fie ohne das er: 
rungen haben wärben. Ein merkwuͤrdiges Seitenſtuͤck zu dem analogen Schick⸗ 
fal der Holländer, deren freie Ziviliſazion und der Hanvelsfchwung in den Oft: 


2. Zumeioru*? ne sen beirähtlidem Umfange if, 
or mm Iron sur me In# zu bimtert Schritt lang und 
zZ Zmr rm me. Te Armen tiefes Plapes find fehr 


sen eurire Vfet er Srerrumg tes Hafens von Liſſabon anf Befehl 
Sir TI. zcaze IS}... Tre Tuflanfamg, jagt Lindſay, würden die erfien 
«rz. were errıt waren ms Jh er Hambiche abzuſchutteln, das ſchwer 
au er szectteeriensee Mae er. vie bier das Uebergewicht geivonnen 
a2 de zur er vienmzideer Ran. den üsizensen Wohlſtand von Zufiah 
ze aus SE Yoe m wumem. aur Aſchneidung alles Fremdhanu⸗ 
zı: me ur Meuiemg er smbeimirder Schiffe mit hohen Abgaben 
sur Ir. — 232 mamierun zeie Üinmehner ven Fufian aus und liefen 
a rt u ZR zuuspeurten Jarein ls Koleniten nieder; den Juſeln 
SumiX, jermoK ME MEree zu Diele hegensen Die reichften Kauf: 
st SER Erima ut Amir ah Edunzhar uud Kanton. Die 
mern nom GR ur em Emmifchen Archipelagns andges 
weis mt muster. — — le ebineitider Gmigranten, die in fo 
mer zu ze Zummideen Arcaineisg, mie im Gecdhin China und Eiam 
SIERT merten. Hmmm zu Nee ÜBehiete Ber Tichintichu, d. i. der 
Kırirmene. wer me Muungmez, > ii Same, der. Alle Seehafen des 
Jacıimer ma ändern Bere merden won ihnen umd ihren Schifen 
zone We er ne Sreie ei Sechamels umb ber großen Unter: 
wmunns Zie img 3m Tniyg, entichlaifenes Bell, efl heftig und grau⸗ 
Sm zer un zruerct ud zeil Burger „BR Volo bat fie zu feine 
Se: mer ne Nomen Japım aid ame jchr wilde Bälferjchaft befchriehen, 
Team Amt zo me 3 muncenlidder iR, bie kriegerijchen Dergvölfer 
Funsitız, zwar mi Ne Same mach meiler im Gebirgelande gegen 
SZAMAMAeE meptrabr vie znder, wir heut zm Tage.“ Dieſes 
Las mewe a uhr ımmchmen: mene mh air früheren Nölferichaften 
sun Sofern wit ne Nuoer we Nerhiepumg genanden haben ınögen, jo 
jumee 18 ab zit, mE we ne Kilemlimner verlaifen haben, bie ihrem 
Exenn ar mie Kin rien mut ub mehr im das SIumere dei 
<ınmes zua 'cure Werze zachfpeunges Duber, und maehl jelten am Meere 
ꝝaonade Fuer Dun: We wilder, Surler Size trieb fe im eim beweg⸗ 
zes ten u a Mer. Susi ur Seeuhet brachten mehr Kulter 
er w rag Baia Jeter md ihe Dertiger mülzer Ghurufier blieb ihnen. 
Ih Nude xumefanclicher. mut Mer, uber Türe merfwärtige Poll 
genaadeit, weil ih zJuıade. zug ihn durch die jegigen Perbäliniffe Gare 
zes mir Our iz ıc Zatuiſt meh eine genge Molle zmgeiheilt if un 
Selo's Rittaeil aagen bex nufeite zu2erd> zur je iniereilumier werden. 
332, P. Nuecz gi vu Som für Riewaing:in im Wolien. 


:493 


huͤbſch und leben in Vergnügen und Luſt.“ Es wird viel 
rohe Seide bier erzeugt und feidene‘ Stoffe verſchiedener 
Art verfertigt. Auch Baummwollenzeug mit farbigen . Faden 
wird gewebt und zum Perfaufe nad jevem Theile ver Pros 
vinz Manji verführt. Die Bewohner beihäftigen fih ehr 
mit Handel und führen Maffen von Ingwer und Galgant 
aus. Man hat mir gejagt, doch fah id das Thier. nicht 
felbft, daß ed an dieſem Plage eine Art Haushühner giebt, 
die Feine Federn haben, fondern deren Haut mit ſchwarzem 
Haare überzogen ift, welches dem Kagenfelle gleiht. Das 
muß ein fonverbarer Anblid fein*33). Cie legen Eier wie 
andere Hühner und find fehr gut zu effen. Die Menge Los 
wen, die da herumftreifen, machen das Reifen durch das Land 
gefaͤhruch, darum ziehen immer eine Menge von Leuten in 
Geſellſchaft. 


Fuͤnfundſiebenzigſtes Kapitel. 
Bon der Stadt Un⸗guen. 


Wenn man die Stadt Quelinfu verlaͤßt und drei Tage 
weiterreiſt, ſo kommt man beſtaͤndig durch Staͤdte und Bur⸗ 
gen, deren Einwohner Goͤtzendiener ſind, Seide im Ueberfluß 
haben, die ſie in großer Maſſe ausfuͤhren, und erreicht die 
Stadt Un⸗guen +34), wo man Zucker in großer Menge vers 


433) Polo Tpricht Hier ganz herobotifch. Man wird ſich erinnern, 
bag in Nenholland ähnliche Vögel gefunden werben. Daſſelbe Thier oder 
, ein ähnliches fonberbares wirb von Du Halde fo befchrieben: Man findet 
dafelbft (in der Provinz Eestfchuen) Hühner, deren Wolle ver: ver Echafe. 
ahnlich iſt; fie find fehr Flein und haben Furze Füße; vie Chineſiſchen Da⸗ 
men finden viel Gefallen an den Thieren und ziehen ſie zum Vergnuͤgen auf. 

434) Unguen haͤlt P. Martini aus der Richtung von Polo's Reiſe⸗ 
ronte für U⸗ki oder Naeu⸗ki⸗hien, doch iſt dieſe ganze Gegend fo unbes 
Tannt, daß bier nur Muthmaßungen gelten können, die ſich oft durch eine 
einzige richtige Ortsbeftiimmung, wie wir. im Folgenden fehen werben, in 

Nichts auflöfen. 


494 


fertigt, den man nadı der Stadt Kambalu an ven Hof des 
Großfhan’s fendet. Che Un⸗guen unter die Herrſchaft bed 
Großkhan's fam, waren die Einwohner nicht mit der Kunf 
befannt, feinen Zuder zu bereiten; fie kochten ihn in fo un 
vollfommener Weife, daß, wenn er abgekühlt war, er ein 
dunfler Teig blieb. Aber als diefe Stadt dem Großfhan 
gehorfam wurde, waren einige Leute aus Babylon. am Hofe, 
die gingen nad Unsguen und Iehrten die Einwohner ben 
Zuder mit der Aſche gewiffer Bäume raffiniven. 


Sechsundſiebenzigſtes Kapitel. 
Don der Etadt Kan⸗gin (oder richtiger Fugin). 


Wenn man in derfelben Richtung fünfzehn Meilen wel 
ter zieht, fo fommt man zur Stadt Kan⸗giu (Fugiu), die zum 
Königreihe oder Bizefönigihume Koncha, . einem der neun 
Kreife Manji’s, gehört435). Im diefem Plate liegt eine 





435) Kangin halt Marsden merfwärbiger Weiſe für Kuangtigu = 
Kuangstong = Kanton; das erjcheint mir aber als eine zu gewagte 5% 
pothefe, da wir danu ganz aus Polo’s Reiferoute herausgeriſſen und viel 
zu weit im Ehben verfegt würben ; doch kann ich auch nicht Balbelli B. 
beiftimmen, der Tſchan⸗tſchu, die dritte Etabt Fokien's, ebenfalls der Nie 
menähnlichkeit wegen für Kangin annimmt, weil das auch nicht mis ber 
Richtung, die Polo verfolgt, übereinftimmt, indem Tſchau⸗tſchu ſuͤdlich 
von Tfinenstfchusfe (Zaitum) liegt, wohin wir mit nächflem Kapitel foms 
men. Dabei ift zu bemerfen, daß ber Testo di lingua und bie anderen 
Ausgaben, wie A. Müller’s,. flatt Kangiu Fugni und Fugni haben, mas 
Fustfcheusfu wäre; Polo hat dieſe nur als Hauptſtadt des Landes erwähnt, 
während feine Reiferonte ihn boch durchführen mußte, wo er ficher aus 
führlicher über biefe beveutende Etubt geredet Hätte. Ich ‚bin daher mit 
gutem Grunde der Meinung, daß flatt Kanglu Fu⸗gin zu leſen if, 
und werde darin um fo mehr beftärkt, da Polo von der großen Beſatzung 
welche der Großkhan zur Sicherung der Provinz in biefelbe verlegt, redet, 
und wohl anzunehmen ift; daß biefes in der Hauptſtadt gefchehen; auf 
liegt Fu⸗iſchu-—fu nicht unmittelbar am Meere, fondern mehr landein au 


495 


große Armee zum Edjuge des Landes, die immer bereit fein 
muß, auszuziehen, wenn irgend eine Stadt Miene zum Aufs 
ruhr macht. Durd die. Mitte der Stadt ftromt ein Fluß, 
der eine Meile breit iſt, an deſſen beiden MUferfeiten große 
und hübfche Gebäude ftehen. Bor diefen fieht man eine große 
Menge von Edjiffen liegen, die Waaren an Bord haben, vor- 
zuͤglich Zuder, der auch hier in großer Maffe bereitet wird. 
Diele Schiffe kommen aus Indien in biefen Hafen, befradj- 
tet von Kaufleuten, die veicdye Lager von Juwelen und Per: 
Ten mitbringen, durdy deren Verfauf fie einen beträdtlichen 
Gewinn erhalten. Diefer Fluß ergießt fih in das Meer, 
nicht fern von dem Hafen, der Zatstum heißt... Die Edjiffe, 
die aus Indien fommen, fahren den Fluß bis zu der Etadt 
hinauf, welche reich an Vorräthen aller Art ift und herrliche 
Gärten und koͤſtliche Fruͤchte hat. 





einem Arme des Niaostungsflang (auf Grimm's Karte, Ming bei Ritter) 
eines beveutenden Fluſſes, auf welchen Polo’s Befchreibung ganz paflend 
it. Die Entfernung von Zaitum iſt dann auch ganz richtig und es iſt 
wohl zu beachten, daß man den großen Niao-tungsfiang uͤberſetzen muß, 
wenn man von Fustfchusfu dahin gelangen will, wie Polo ausprüdlich 
angiebt, was er bei einem Heinen Fluſſe nicht geihan. Tie Etelle Questo 
fiume mette capo non molto lontana dal porto detto Zaitum bei Ras 
muſio iſt interpolirt oder forrumpirt; fie ift in anderen Ausgaben nicht 
gu finden, im Testo di lingua fteht „E questa terra & presso al porto di 
Chatan nel mare Oceano,“ bei Müller „et quoniam urbs ista parum 
distat a mari oceano, est ibi insigne emporium und im naͤchſten Kapi⸗ 
tel heißt es: wenn man den Fluß überjest hat, kommt man, ſuͤd⸗ 
oͤſtlich weiter ziehend, in fünf Tagen nach Zaitum. — Durch die. neueren 
GEreigniffe {ft uns Fu⸗tſchu-fu, wie ſchon oben bemerkt, noch fehr befannt 
geworben umd es möchte daher unfere Beſtimmung berfelben nach Polo nicht 
uninterefiant erjcheinen. 


496 


Siebenunpfiebenzigftes Kapitel. 
Bon der Etabt und dem Hafen Baltum und der Etabt Tin⸗gui. 


Wenn man tie Etabt Fu⸗giu verläßt und über den Fluß 
fegt, um in ſuͤdoͤſtlicher Richtung weiterzuziehen, fo reift man 
fünf Tage lang durch ein wohlbebauted Land, an vielen 
Städten, Burgen und prädjtigen und großen Wohnungen vor 
über, die reich verſehen find mit aller Art Borrath. Der 
Weg führt über Hügel, durd Ebenen und Wälder, in denen 
man die Bäume findet, aus welden der Kampfer bereis 
tet wird 286). Das Land if auch reih an Wild. Die 
Einwohner find Goͤtzendiener. Cie find dem Großfhan 
untertban und fliehen unter der Gerichtöbarfeit von Fur 
giu. Nach Verlauf der fünf Tage fommt man an die edle 
und ſchoͤne Etadt Zaitum #37), die einen Hafen an der Eew 


436) Das iſt der laurus camphora in China und Sapan, ber ſehr 
groß iſt und von Ramuflo unrichtig arboscello oder Etrauch genannt 
wird. 

437) Diefe berühmte Stabt Sattum tft das große Emporium Tſiuen⸗ 
tſchu⸗fu, bei den Britifchen Schiffen Tichin-tfchn (Chinchen), eine Ders 
drehuug ber Fukiauſprache. Wie in den früheren Jahrhunderten der Ara 
bifchen Schifffahrt in der Blüthezeit des Khalifats der Hafen Kaufu (Bes 
lo's Gampu) das Hauptemporlum China's im Verkehr mit dem Auslanbe 
war, fo im Mittelalter zu Marco Polo’ (1290) und Ibn Batuta’s Zeit 
‚ (1340) der Hafen Zaitun oder Zaitum, als bort noch Mongolenfaifer herrfchten. 
Obwohl die Lage diefes Zattun früherhin unbekannt war und bis in bie 
neuſte Zeit auf verſchiedene Küftenftänte gedentet wurde, wie noch zuleht von 
dem berühmten und hochverbienten Narsden auf Amoy, von dem Italiener 
BI. Zurla auf Tfchang-tfchu-fn (das Baldelli wieder für Kangin hielt), 
von Pat. Gaubil und De Guignes auf Tfiuenstfchusfu, von Anderen auf 
Kanton: fo tft doch erft durch Klaproth die Hypothefe von De Guignes 
und Pat. Gaubil als Wahrheit erwiefen und die Wahrheit bes Tertes 
bei Ramuflo (Zaitum ftatt Zarten, Zartam, Zalten, Zaizen, Caycan u. a.) 
auf das Befte gerechtfertigt worden. — Abulfeda (1335) bemerkte in ſei⸗ 
nem Rapitel von Sina, dieſes Zaitun fei ein berühmtes Emporium ber 
Einen, nad den Erzählungen ber Reifenden an einem flark befchifften 
Golfe, am einfallenden Fluſſe gelegen. Die-Ausfpracye des Namens fei 


497 


kuͤſte hat, der berühmt ift wegen der vielen Ediffe, die mit 
Waaren. beladen, welche nachher in alle Theile .ver Provinz 
Manji vertheilt werden, dahin Fommen. Die Menge Pfeffer, 
die dahin gebracht wird, ift fo groß, daß der, welder für 
ten Bedarf der weſtlichen Thrile der Welt nad) Alerandria ges 


ganz wie bei den Arabern die Benennung ber Dlive (Zaltun). Aber fchon 
vor {hm war Ibn Batuta (f. Ritter IIT, 425) auf feiner Geſandtſchafts⸗ 
teije-von Indien nad) China in demfelben Hafen, den er im Arakifchen 
El Zaitun ‚nennt, gelandet und er bemerkte ausprüdlich, daß es ba feine 
Dliven gebe, wie man vielleicht dem Namen nad) wohl zu wähnen geneigt 
fein möchte. Allerdings fehlt der Delbaum, ber die Oliven trägt, im 
ganz Oftafien. — Es war eine große Etabt, wo man damals die koͤſtlich⸗ 
fien bunten Seidenzeuge und Eatins mebte, die man allen anderen im 
Handel vorzog. Der Hafen ſei, fagt Ibn Batuta, einer der fchönften 
der Welt, hundert große Junken und unzählige kleinere Schiffe lagen dort 
vor Anker. Tief fege die Hafenbucht landein bis zur Einmuͤndung dee 
Fluſſes, an dem bie Stadt, bie zwifchen lauter Gärten liegt, erbaut ift; 
eine ſtarke Muſelmaͤnniſche Kaufmannfchaft und ihr Echeifh empfing fehr 
gaftlich den berühmten Glaubensgenofien. Ihn Batuta fchiffte ſich zu ſei⸗ 
ner Ruͤckkehr nach Indien wieder in bemfelben Hafen anf einem Mahomes 
taniſchen Schiffe ein. Ungeachtet die Notiz von Ibn Batuta’s Flußſchiff⸗ 
fahrt von bier nicht ganz mit der Karte ftimmt, fo zweifeln wir doch nicht, 
daß fein EI Zaitun identisch ift mit dem des Abulfeda und des Marco 
Polo, von dem in fpäteren Sahrhunderten uns jede genauere Kunde ver- 
ſchwindet; denn Ibn Batuta’s Bericht iſt nur ein Fragment und Excerpt 
feines umſtaͤndlichen und noch nicht ebirten Tagebuchs (Ibn Batuta Tra- 
veis transl. fr. Arab. Mscr. b. S. Lee. London 1829. p. 211, 215, 
221). — Nach der Chinefifchen Reichsgeografie (Klaproth Recherch. sur 
les Ports de Gampou et de Zaithoun de M. Polo in Mem. rel. a l’A- 
sie II, 208 f.) Heißt die heutige Stadt Thſiuan⸗tſcheu-fu, aber wirklich 
zugleich auch Thfeusthung, ein Name, den fie erhielt, weil man zur Zeit 
ihrer Ummauerung dort außerhalb der. Stadt Thſeu, d. i. Dornengebüfch, 
und bie Baumart Thung, d. i. Bignonia tomentosa, anpflanzte. Daher 
der Name Thfeuthung der vulgäre Name der Stadt geblieben, den der Ber 
negianer ganz richtig durch fein Zaitum wiedergab. — Ich bemerke hier 
nur noch, daß ſüdlich nicht gar fern von ThfinanstichEnsfu, durch zwei Fleine 
Halbinfeln davon getrennt, die Inſel Amoy mit der Stadt gleiches Ras 
mens liegt, einer ber feit dem Englifchen Kriege dem Guropälfchen Hau⸗ 
del geöffneten fünf Freihafen China’s. 
32 


498 


führt wird, im Vergleich damit unbeveutend. ift und vielleicht 
nidyt mehr als den hundertſten Theil ausmachen würde. Es if 
in ber That unmöglich, ſich eine Vorftellung zu machen von 
dem Zufammenfluffe der Kaufleute und der Aufhäufung von 
Gütern in diefem Hafen, der ald einer der größten. und be 
quemften der Welt betrachtet wird. Der Großfhan zieht eis 
nen ungeheuren Zoll von biefem Plage, da jeder Kaufmann 
zehn Prozent von feinen Waaren zahlen muß. Die Schiffe 
werben von den Kaufleuten zu breißig Brogent feine Waaren, 
vierundvierzig Pfeffer, vierzig Aloe und Sandelholz und andere 
E:pezereien als auch allgemeine Handelsartifel beladen, fo daß 
bie Kaufleute beredinen, daß ihre Abgaben, Zoll und Fracht 
eingerechnet, fid) auf die Hälfte der Ladung belaufen, und doch 
ift der Gewinn von der Hälfte, die ihnen übrig bleibt, fo 
beträchtlich, daß fie immer wieder und gern auf benfelben 
Markt mit neuen Gütern kommen. Die Einwohner find 
Gögendiener und haben Ueberflug an allen Lebensmitteln; es 
ift ein Föftliches Land und die Leute find friebfertig, üp 
piger und weichlicher Ruhe ergeben. Gar viele Leute kom 
men aus den inneren Theilen von Indien, um ihre Leiber 
mit Nabelpunftirmalereien zieren zu Iaffen, wie wir es ſchon 
beſchrieben haben, und die Etadt iſt berühmt wegen ihre 
Künftler, die darin erfahren find 438), | 


138) Marsden zieht diefe Stelle in Zweifel und fagt, es Tel nid! 
zu glauben, daß in biefem befuchten und gebilveten Theile China's Me 
Leute fih damals oder überhaupt Hätten den Körper tktowiren laffen: es 
muͤſſe alſo ein Irrthum in Namuſio's Terte fein; wahrſcheinlich haͤtten fh 
die Lente in Punktirmanier abkonterfeien laſſen, das habe Polo ſagen web 
len. Hier kann ich dem gelehrten Kommentator nicht beiftimmen, fordert 
Un ber Meinung, baß bie Worte, wie fie in Ramuflo’s Terte eher 
durchaus richtig find, jene PBortraitabnahme wuͤrde Polo wohl fan «it 
fo wichtig gehalten haben, ale daß er fie erwähnt hätte. Wir haben aber 
oben gefehen (Kap. 73 und Anm. 431), daß ganz in ber Nähe von Ih 
Yo wilde Voͤlkerſchaften wohnen, bie Fokienleute, die fich das Geſicht me: 
* Irene gab es viele wilde Bölferfchaften im ſuͤdlichen China, tie in 

nterindien, namentlich bie Malaien (fo bie Bewohner yon Zardandem, 


499 


Der Buß, der am Hafen von Zaitum vorüberfließt, 
iſt groß und reißend und ein Arm von dem, der an ber 
Stadt Duinfai vorbeiftrömt 439). An dem Orte, wo er ſich 


Kangigu ac., ſ. II. Buch 41. und 46. Kap.), die ſich tätomwirten und bie 
Leiber bemalten; diefe famen nach dem berühmten Hafen von Zaltun, wo 
fyefulirende Kinftler auf biefe Malereien fi funftfertig eingeubt hatten, 
die gutzahlenden Wilden zu ſchmuͤcken. 

439) Diefe Stelle findet fidy nicht in den anderen Ausgaben; ift fie 
jedoch wirklich von Polo, fo glaube ih, er meint Fugir und ift Quin⸗ 
fat ein Schreibfehler in Ramufio’s Tert. Der Ninostung-Hang (Ming bei 
Ritter), deu, wir bei Fu⸗tſchu-fu erwähnt haben, und ber bei Thfiuenztfchu-fe - 
einmändende Fluß Finnen fich möglicher Weife bei ihrem oberen Laufe 
berüßren ober von einer Duelle ausgehen, wo dann bie wegen der Por; 
zellanfabrifazion merkwürdige Stadt Tin⸗gui zu finden wäre, welche vie 
Kommentatoren für Thing⸗tſcheu⸗—fu im Gebirge Tazju:ling (auf Grimm's 
Karte) Halten. Dieje Stadt giebt heut zu Tage nicht mehr das Hanpt- 
depot der Porzellanwaaren ab, fondern diefes ift In die benachbarte Bros 
vinz Kiang-fi gebracht, wo die größten Porzellanfabrifen find. ‚Nahe ver 
@inmündung bes Leng-fhiastong, am fehr flachen Oftufer des Noyang- 
Sees, liegt die Stadt Jao⸗tſcheu⸗—fu, berühmt durch die Hanptfabrifen 
Chineſiſcher Porzellanwaaren. Die Porzellanerde findet fich hier auf dem 
Grenzgebiete iin Oſten des Poyangfees, gegen Kiangnan (jept Anheei). Pros 
ben davon hat man zu feiner Zeit dem berühmten Fyſiker Rerumur 
zum Gewinn der Franzoͤſiſchen Fabriken mitgetheilt. Dies Porzellan von 
Jao (Da Halde I, 164) iſt ſchneeweiß, gänzlich farblos, das geſchaͤtzteſte 
in China; das von dem benachbarten Fu⸗kiang (von welchem Polo redet; 
man fieht, daß in China Doch ſeitdem inpuftrielle Fortſchritte gemacht wor⸗ 
den find) und das von Kanton lit geringer an Werth. Daher war hier ber 
größte Verkehr des Porzellanhandels mit ganz China und ein ſtets gros 
Ser Zuſammenfluß von Kaufleuten. Der Fabrikort Kingste-fching ohne 
Mauern und daher nur eim Tfching, obwohl von einer Diillion Dienfchen 
bewohnt, ein Ort außerorbentlichen Reichthums, wo bie größten Porzel⸗ 
laufabrifen und Kaufmannspaläfte find, zu Jao gehörig, liegt nahe biefer 
Stadt im Nordok in einem Gebirgsthale, nicht fern vom Boyangfee. — Die 
früheren Iefuitenberichte (Du Halde) fagen, ein Gebirgsthal, amfitheas 
traliſch fich erheben, umgebe fie, von zwei fi) gegen bas Dftufer bes 
Sees vereinigenden Jluͤſſen durchfchnitten, deren Hafenplatz ſtets von 
dichtgedraͤngten Barken bedeckt fei, die auf Waaren zum Transport irgend 
wohin, durch das weite. Chinefifche. Reich, warten. Beim Eintritt durch 
die Thelſchlucht in den Hafen erblicke man auf einmal den ganzen weit⸗ 

32 *. 


500 


von dem Hauptftrome tremnt, fieht Die Etabt Tingui. Bon die: 
ſem Plage ift nichts weiter. zu bemerfen, als daß daſelbſt Beder 
oder Bafen und Schuͤſſeln von Porzellan gefertigt werden, 
und das geihieht, wie man mir erklärt hat, auf folgende 
Weite. Eie fammeln eine gewifle Art von Erde, die gra⸗ 
ben fie wie Erz aus Gruben (raccolgono una certa terra 
come di una miniera) in große Haufen, fo daß fie dem 
Winde, dem Regen und der Eonne ausgeſetzt ift wohl drei 
ig bis vierzig Jahre lang, während welder Zeit man fie 
ganz ungeftört läßt. So wird fie für die Verarbeitung zu 
den oben erwähnten Gefäßen geläutert und gereinigt. Dann 
werben foldhe Farben, ald man für paſſend Hält, darauf ge 
bradt und die Waare im Dfen gebaden. Die Bere 
nen aljo, welde die Erbe graben lafien, fammeln fie für 
ihre Kinder und Kinvesfindr. Eine große Mafle die 
fer Waare wird in der Etadt verkauft, und für einen Pe 
nezianifhen Groſchen kann man adıt Porzellanbecher kau—⸗ 
fen** 0). | Zr 

Wir haben nun das Vizekoͤnigthum Kondya .befchrieben, 
einen der neun Kreile Manji’s, aus dem Se. Majeftät eben 


Iäufigen Fabrikort, der in ber Nacht eher einem Yererihale gleiche, aus 
bem mehrere hundert Echornfleine mit Dampfwolken fich leuchtend erheben. 
Gräber habe er mur am breihumbert hohe Porzellanöfen zu Bremmereien 
aehabt, bie Zahl habe ſich aber bis auf füͤnfhundert vermehrt. Ritter 
IV, 671. . 

440) Die Porzellanfabrikazion erſchien zu Polo's Zeiten den Euro 
päern, denen biefes Geſchirr gar foRbar war, als etwas höchf Bun 
derbares; fie iſt jedoch nicht fo ſchwierig als fie gefchildert wurde. And 
Pigafetta erzählt Aehnliches von dem Borzellane, das er auf Bor 
neo in großer Menge ſah. ‚Man fagte ihm, es werde ans einer Art 
fehr weißer Erde gemacht, die ein halbes Jahrhundert unter der Erde 
liegt — alfo gerade umgefehrt wie es Polo erzählt wurde —, um ihr 
ben gehörigen Grad von Zeinheit zu verfchaffen, fo daß fie ein Spruͤch⸗ 
wert hätten, der Vater ließe ſich für ben Cohn begraben. Eobalb man 
Gift in eines biefer Porzellangefäße thue, erzählten bie Bewohner von 
Borneo, zerfpringe es.“ Bär, Magellan... °— 





501 


fo große Einfünfte zieht als felbft aus Duinfai. Bon den 
anderen wollen wir nicht fpredyen, weil Marco Polo dafelbft 
feine Etäbte als "die von Quinſai und Konda befuht hat. 
Es mag noch bemerft werden, daß durd die Provinz Manji 
eine allgemeine Epradje und eine gleihmäßige Art zu fdhreiben 
vorherrſchend ift; doch giebt es in den verfchiedenen Theilen 
des Landes eine große Dialeftverfchievenheit, wie wir es zivi- 
fhen den Genueſen, Maildänvern, Slorentinern und den Dias 
leften ter anderen Italienifchen Länder finden, deren Einwoh⸗ 
ner, obwohl fie jeder eine befondere Sprache haben, ſich doch 
gegenfeitig verſtaͤndlich machen koͤnnen **1). 

Da Marco Polo noch nicht uͤber alle Gegenſtaͤnde, uͤber 
die zu handeln er ſich vorgenommen, geſchrieben hat, will 
er jetzt dieſes zweite Buch ſchließen und ein anderes mit 
einer Beſchreibung der Länder und Provinzen Indiens bes 
ginnen, da3 er in Groß⸗, Klein» und Mittel- Indien unters 
fcheivet, Theile, die er im Dienfte des Großfhan’s befucht 
bat, als ihn dieſer in verſchiedenen Gefhäftsangelegenheiten 
dahin fchidte, und nachher, als .er in Geſellſchaft feines 
Vaters und feines Oheims, auf der Rüdreife, die Königin 
begleitete, die für König Argon beftimmt war. Er wird 
Gelegenheit haben, viele außerorventlihe Dinge, die er 
in diefen Länbern gefehen hat, zu berichten, aber zu gleicher 
Zeit wird er aud andere erzählen, die ihm von glaubwür- 
digen Perſonen mitgetheilt, oder vie ihm auf der Ceefarte 
ter Küften Indiens vorzugsweife gezeigt wurden. 


441) Diefe Unterfcheldung der Chinefifchen Dialekte ift mir ein Zeug. 
niß mehr, daß Polo Chineſiſch verftand. 


Drittes Bud. 


»Erſtes Kapitel. 


Bon Großs, Kleins und MittelsIndien; von den Eitten und Gebraͤuchen 
ber Bewohner; von vielen merfwärbigen und außerorbentlichen Dingen, 
bie man bafelbf flieht, und zuerſt von ihren EC chiffsfahrzengen. 


‚Da wir in den vorhergehenden Theilen unferes Werkes 
von fo vielen Provinzen und Ländern geiprochen haben, wol 
len wir fie nun verlaffen und zu Indien übergehen und vor 
den merkwürdigen Dingen, die dafelbft zu finden find, reden. 
Wir wollen mit einer Befhreibung der Kaufmannsfchiffe an 
fangen, die von Tannenholg gebaut find. Eie haben ein 
. einziged De und unter diefem iſt der Raum in ſechszig 
fleine Kajüten oder mehr oder weniger, nad) der Größe der 
Sahrzeuge, getheilt, die zum Aufenthalt und zur Bequemlichkeit 
ber Kaufleute zugerichtet find... Cie find mit einem guten 
Steuerruder verfehen. Sie haben vier Maften mit eben fo 
vielen Eegeln, und einige haben zwei Maften, die man aufs 
rihten und nieverlafien kann, wie es eben nöthig iſt. Sie 
haben auch andere Schiffe, das find die größten; dieſe haben 
außer jenen Kajüten bis zu dreißig Verfchläge oder Abtheis 
lungen im Kielraum, die aus diden ineinandergefügten Plan—⸗ 
fen gemacht find. Das hat man vorgeridhtet gegen einen 
etwaigen Zufall, wodurch das Schiff einen Leck bekommen 


503 


fan, wenn ed. an einen Felſen flößt oder einen Schlag von 
einem Wallfiſch befommt, ein Umſtand, der nicht felten vors 
fommt; denn wenn man bei Nadıt fegelt, fo erregt die Bes 
wegung durd) die Wogen einen weißen Schaum, der die Auf 
merkſamkeit des hungrigen Thieres anzieht. In der Erwar⸗ 
tung, Straß zu finden, bricht es heftig gegen die Stelle vor; 
fHlägt gegen das Schiff und zerftößt nicht felten den Boden, 
Das. Waffer ftrömt nun an der Stelle ein, wo der Schaden 
gefhehen, und nimmt feinen Weg zu dem Abzugraume ober 
Brunnen, der immer leer gehalten wird. Sobald die Schifföfeute 
das Led entdeden, ‚entfernen fie fogleidy die Güter von der Abs 
theilung, die vom Waſſer angegriffen ift, dad, weil die Bre⸗ 
ter jo wohl eingefügt find, nit von einem Verſchlage in 
- den anderen dringen fann **2). Darauf wird ber Schaden 
ausgebeffert und bie Güter wieder an. die Stelle. gebrad)t, 
von wo fie weggefhafft worden waren. Die Echiffe find 
doppelplanfig, das heißt, ihre Planfen find nochmals mit Bre- 
‚tern. uͤberſchlagen. Cie find innen und außen mit Werg Fals 
fatert und mit eifernen Nägeln befeftigt. Cie find nicht mit 
Pech beffeivet, weil das Sand Feind hat, -fondern der Boten. 
wird. in folgender Weife uͤberſchmiert. Die Leute nehmen 
uñgeloſchten Kalk und Werg, welches letztere fe klein fchneis 


442) De uignes (TI, 206) ſpricht in ganz ahnlicher Weiſe, und Po⸗ 
lo's Textworte noch erlaͤuternd, von den Chineſiſchen Junken, welche die 
Reiſe nach Java und den anderen Inſeln machen: La cale des sömmes 
..est.divisee en plusieurs gompartiments faits de planches de deux pou- 
ces d’epaisseur, et calfat&s soigneusement, ainsi que les dehors, avec 
“de la galegale, espöce de mastic compos& de chaux et d’huile appelee 
tong-yeou, et melde avec des fils deli&s de bambou. La 'galegale 
se durcit dans l’eau et devient impenetrable. Un scul puits place au 
pied. du. grand mät suffit pour tenir la jonque à sec; on le vide avec 
des sceaux. C'est un grand avanfage pour ces bätimens que d’avoir 
leur cale divisee en compartimens .... car si un navire touche sur ün 
rocher et en est enfoncee, l’eau ne penetre que dans un endroit, et 
ne se repand pas par-tout. Es ift wohl anzunehmen, daß Polo-in obis 
ger Stelle von den Chineſiſchen und Hinterindiſchen Schiffen redet. 


504 


den; dieſes beides flogen fie zujammen, mengen ed mit Oel, 
das fie von einem gewiſſen Baume erhalten; und maden aus 
dem Ganzen eine Art. Ealbe, welche lange Elebrig und zähe 
bleibt und zu dem Zwede noch befler iſt ald das Pech. 
Schiffe größter Gattung erfordern -eine Mannfdyaft von 
dreihundert Leuten, andere zweihundert und einige nur hun 
dertundfünfzig, nachdem fie größer ober Kleiner find. Eie 
führen von fünf zu fehstaufend Körbe Pfeffer. In frühe 
ren Zeiten trugen fie größere Laften als gegenwärtig, aber 
da die Gewalt der Eee an mehren Orten die Inſeln zerrifien 
hat und das vorzüglid an einigen der Haupthäfen, fo fehlt 
es für ſolche ſchwere Schiffe an WBaflertiefe und fie haben 
deshalb in den lebten Zeiten fleinere gebaut. Diefe Schiffe 
werden aud mit Rudern fortbewegt, teren. jeted vier Mann, 
ed zu führen, - bevarf. Die von der größeren Klaſſe werden 
von zwei oter drei großen Barfen begleitet, die ungefähr taw 
fend Pfefferkoͤrbe tragen koͤnnen und mit ſechszig, adıtzig ober 
hundert Matrofen bemannt find. Dieſe Fleinen Echiffe wer 
den oft gebraudt, um die großen zu ziehen, wenn fie unter 
Ruder gehen oder audy wenn fie unter Eegel find, das heißt, 
wenn der Wind etwas wibrig .ift, ‚aber nit, wenn er ge 
rade hintein weht, weil in viefem Balle die Eegel ver gro 
feren Schiffe denen ter Eleineren den Wind abfangen muͤſſen, 
weil dieſe fonft in Grund gefegelt würden, Die. Schiffe füh: 
ren aud) bis zu zehn Kleine Boote mit fih, um die Anfer 
auszumerfen, zu filhen und zu einer Menge anderer‘ Dienfte, 
Tiefe werden an ber Seite des Schiffes aufgehängt und ins 
Waſſer gelafien, wenn man fie braudt. .. Auch die Barken 
haben ihre Heinen Boote. Wenn ein Ehiff ein Jahr oter 
darüber auf ter Reife gewefen ift und ver Ausbefferung be: 
darf, fo giebt man ihm noch einen Breterverſchlag über den 
eriten, fo daß Diefes Die dritte Wand ift, melde in derſelben 
Weiſe Falfatert und beftriden wird wie tie anderen, und has 
wird, wenn neue Ausbefferungen nöthig find, bis zu ſechs 
‚Lagen wiererholt, dann erft wird ed als unbraudbar bei 


505 


Eeite getan und nicht mehr zum Eeebienfte verwendet. — 
Da wir fo die Edififahrt bejchrieben haben, wollen wir nun 
in der Erzählung über Indien fortfahren; aber zuerft vollen 
wir von gewifien Infeln in dem Theile des Ozeans, in wels 
dyem wir und jegt befinden, reden und mit der Infel ans 
fangen, die Zipangu .heißt. 


— —— 


Zweites Kapitel. 
Von der Inſel Zipangu. u 
Zipangu #3) ift eine Inſel im öftlihen Ozean, tie uns 


gefähr fünfzehnhundert Meilen von dem Feitlande und den Ges 
ftaden von Manji liegt. Sie iſt fehr groß, ihre Einwohner 





443) Das iſt der Name, welchen man nad Polo den merkwuͤrdi⸗ 
gen Infeln im Chinefifchen. Meere gab, welche die Fantaſie, durch Polos 
Erzaͤhlung aufgeregt, mit Wundern und Golv füllte. Zipangn und Ins 

‚dien waren das eigentliche Neifeziel Columbus. Zipangu iſt ein Kollek⸗ 
tivnahme, welcher den Infeln gegeben wurde, bie wir noch unter dem 
Namen Iapan begreifen. Bon den Chinefen werden fie Ge⸗pen (Oſche⸗ 
ven, Iy⸗poͤn nach ber Orthografie von De Guignes, oder Jih⸗pun nad) 
der von Morrifon) genannt, und davon haben alle andere Namen ihre Abs 
leitung. Im Benezianifchen Dialekt wird für das fanfte g (welches wir 
fch. oder dich ausfprechen) cft ein z gefeßt, wie 3. DB. zogo ſtatt gioco, 
zentil für gentile, und fo Finnen wir Zipangu für Gi⸗pan⸗gu (Dſchi⸗pan⸗ 
gu) gefchrichen anfehen. „Je Ge-pen est ainsi appel& parcequ'il est 
situö, par rapport & la Chine, dans l’eudroit d’oü le soleil semble s’or- 
tir pour £clairer le reste de l’univers.“ P. Amiot in Me&m. conc. les 
Chin. XIV, 54. Bon den Eingeborenen felbit wird es Nipen und Nifon 
genannt, was biefelbe Bedeutung hat und mit denfelben Charakteren wie . 
der Chinefiiche Name gefchrieben wird. „Japonia indigenis Nipon, id 
est solis fulcrum, dicta ea est jnsula quam Kuropaeis primus M. P. 
Venstus Zipangri. ignotae originis vocabulo indigitavit.“ Kaempfer 
Amoen. Exot, 481. — Die Entfernung des nächiten Theils der füd- 
lichen Injel von der Kuͤſte von China bei Ning:po beirägt nicht ‚mehr 
als 500° Ital. Meilen, und Marsden meint daher mit Recht, dag Chine⸗ 


506 


find von heller Geſichtöfarbe, wohlgebifpet .und haben’ gute 
Sitten. Ihre Religion ift Goͤtzendienſt. Sie find unabhän 
gig von jeder fremden Macht und werden nur von ihren eis 
genen Königen regirt. Eie haben Gold im größten Ueber 
fluß, feine Quellen find unerfhöpflih, aber da ver König 
nicht erlaubt es auszuführen, fo fommen wenig Kaufleute in 
das Land, auch wird die Infel nidht viel von Schiffen ferner 
Gegenden beſucht. Dieſem Umſtande müffen wir den unge 
heuren Reichthum in des Königs Palafte zufchreiben, nad 
dem, was und von denen erzählt worben ift, die Zutritt 
zum Balafte haben. Das ganze Dady ift mit Gold plattirt, 
gerate fo wie wir bie Käufer oder richtiger die Kirchen mit 
Blei decken. Tas Täfelwerf in ven Saͤlen ift von demſel⸗ 
ben koͤſtlichen Metall; viele Zimmer haben Eleine Tifche, vie 
von dickem maſſivem Golde gearbeitet find, und bie Fenſter 
haben aud goldene Verzierungen. Eo ungeheuer -find bie 
Reichthuͤmer des Palaftes, daß ed unmoͤglich ift, ſich eine Idee 
davon zu machen 3%). Auf dieſer Anfel giebt es auch Per 
len in großer Menge, bie ‚find rothfarbig, rund und jeht 
fliche Meilen ober Li zu verfichen ſelen; denn Pol⸗ erzählt je bier mu 
nah Chineſiſchen Berichten. 

443) Bon dieſem prachtvollen Balafl ging. bie Sage durch den Orient 
und Kämpfer felbft erzählt (Gefchichte von Japan) von einem ber alten 
Könige Japans: Er ließ einen prächtigen Palaft, Kojain genannt, zu fels 
ner Refidenz bauen, befien Bußbeden mit Gold und Silber gepflaftert war.“ 
— Gold giekt es in Japan in Menge, der König hat ein Vorrecht über 
alle Diinen des Reichs und bie ihm nicht eigen zugehören, von denen 
nimmt er zwei Drittgeile des Ertrags in Anſpruch; doch follen jebt die 
Adern fparfamer laufen und nicht mhr fo viel Gold geben. Kaͤmpfer. . 
Mas die vielen Gigenthhmlichfeiten von Sapın betrifft, die Polo theil⸗ 
weis berührt, fo wuͤrde es zu weit führen,-wenn wir ausführlicher dar⸗ 
über uns auslafien wollten: zudem find faft alle unfere Nachrichten von 
altem Tatum aus den Zelten, wo die Holländer in Javan Fuß gefaft 
hatten. Polo's Erzählung von jener Infel, bie erfie Kunde, vie daven 
nah Europa drang, ift, wie furz auch und obwohl er nach Körenfagen 
berichtet, doch am ſich ſelbſt hoͤchſt Intereffant. Dan fehe darüber Kim 
pfer’s und Thunberg’s Werke. ' 


807 . 


groß, den weißen Perlen an Werth glei, ja in nod) hör 
herer Schaͤtzung #5). Es iſt bei einem Theile der Einwoh⸗ 
ner der Brauch, die Todten zu begraben, bei dem anderen, 
fie zu verbrennen #6). Grftere legen eine Perle in ben 
Mund der Leiche. — Aud findet man vafelbft viele Föftliche 
Evelfteine. 

Als der große Khan Kublai hörte, daß die Infel Zi« 
yangu fo reid) wäre, da gedachte er, wie er fie unter feine 
Gewalt bringen und feinem Reiche einverleiben möchte. Ilm 
das zu bewirken, rüftete er eine zahlreiche Flotte aus und 
fhiffte ein großes Truppenforps ein unter dem Befehle zweier 
feiner beften Kriegsoberften, von denen einer Abbafatan und 
der andere Bofancin hieß. Diefelben fuhren von den Häfen 
von Zaitun und Duinfai aus, durchſchnitten die dazwiſchen⸗ 
liegende Eee und erreichten die Infel in Eicherheit +47); 


445) Alerander Talrymple erzählt von Perlen, die an ber Kuͤſte von 
Borneo gefunden werben und anſtatt des mattburchjichtigen Weiß von 
lebhaft ducchfichtiger Jeuerfarbe und vollkommen rund find. 

446) Zwei Religionen find unter dem Bolfe von Japan vorherrfchenn, 
die alte ober bie der Sintos, welche Geiſter verehrten, die von Ihnen 
Sin und Kami genannt werben, nnd bie nene (deren Einführung ungefähr 
mit der Chriftlichen Aera beginnt) oder die der Budsdos, Verehrer des 
Indiſchen Buddha, unter dem Namen Fosto:fe und Budsd. Diefe Leptes 
ren, die aber bei weitem bie zahlreichſte Klaſſe find, verbrennen die 
Todten. M. — S. Kaͤmpfer. 

447) Schon Im Jahre 1266 ſchrieb Kubfat einen Brief an den Rate 
fer von Japan, worin er ihm fein Erftaunen ausdruͤckte, daß er ihm noch 
feine Gefandte zur Huldigung geſchickt habe; allein die Abgeorbneten des 
Mongolifchen Kaiſers, die fich In Korea einfchiffen follten, ließen ſich das 
ſelbſt durch die Erzählung der Gefahren, denen fie fich ausfegen würden, 
wenn fie nach Japan kaͤmen, abſchrecken und Fehrten wieder um. Doch 
kaum fah ſich Kublai im Beflge von ganz China, ale der Wunſch nur 
um fo heftiger in ihm aufftieg, ſich das fchäßereihe Japan zu unterwers 
fen, das früher dem Chinefifchen Reiche Tribut gezahlt hatte. Verſchie⸗ 
dene Befandte hatte er an ben Kalfer von Japan gefchidt, mit der Aufs 
forberung, ihn ale „Sohn des Himmels“ und Herrn der Erbe anzuers 
fennen, allein die Abgeorbneten wurben theils nicht angenommen, thells 


308 


aber in Folge ter Eiferjucht, vie ſich zwiſchen den beiden Be⸗ 
fehlshabern erhob, von denen einer des anderen Plaͤne mit 
Verachtung behandelte und der Ausfuͤhrung ſeiner Befehle 
entgegen war, konnten ſie keine Stadt oder Feſtung in ihre 


hingerichtet. Der Abmahnung mehrer ſeiner weiſeſten Raͤthe enigegen 
lleß er im März 1280 eine Exrpedizion vorn hunderttauſend Mann zur 
Broberung der etlichen Infeln rüften; Fau⸗nen⸗hu, einer der beſten Cbi⸗ 
nefiihen Geuneraͤle, erhielt den Oberbefehl über biefe Expedtzion. Die 
Truppen wurben gegen das Ende des Jahres in ven Häfen von Lin-ugan 
(Quinſai = Hang:tfheu:fu) und Thſiuan⸗tſcheu (Zaitum) eingefchifft und 
die Wlotte fegelte nach Korea ab, wo ber Kontingent des tribntpflichtigen 
Könige jenes Landes, welcher ans neunhundert Echiffen und zehntanfend 
w.blersrzirten Truppen beftand, zu ihr ſtieß. Nun fuhr bie Expedizien 
nach dem Lande ab, welches fie unterjochen follte; aber bei Japan wurde 
fie von einem furchtbaren Sturme überfallen, ver dem größten Theil der 
Echiffe zerfiörte. Die Schiffbruͤchigen fielen in die Hände der Japanefen, 
bie, nach der Geſchichte China's, fiebzigtaufend Chinefen gefangen nah: 
men und breißigtaufend Mongolen tödteten. Schwache Trümmer biefer 
farchtbaren Armee gewannen die Kuͤſte China's gegen den Herbſt des Jah⸗ 
res 1281. (Nm. conc. l’histoire, les sciences etc. des Chinois, per 
les mission. de Pekin; Paris, 1729, XIV, 63 et suiv. — Charlevoix, 
Hist, et descr. gen. du Japon; Paris, 1736, in 12, II, 79. — Gaubil 
Hist. de Gen. 195. — D’Ohsson II, 365 et 439 et suiv.) — Im Saft 
1283 rüftete Kuklat eine zweite Flotte gegen Japan, ber General Atagai 
wurde zum herbefehlehaber verfelben ernannt; ber König von Kos 
tea follte fünfhundert Echiffe dazu geben; Echiffe wurden gebaut, See⸗ 
leute und Zimmerleute in den Küftenprovinzen zu großem Cchaben be 
Handele derfelben mit Gewalt ausgehoben; die Truppen zeigten laut ihre 
Unzufriedenpeit, Niemand im Rath des Kalfers billigte das Unternehmen; 
da ſchob Kublat die Ausführung deffelben, das fich, weil Niemand es Eil: 
ligte, in die Länge zog, noch auf, weil er fich ınit einer anderen Eryedis 
zion gegen Kochinchina und Ton-fin befchäftigen mußte: Endlich, im Jahr 
1286, follte Die gerüftete Flotte abgehen; doch hoͤrte endlich Kublal auf 
den Rath Lieu-fiuen’s, des Präfiventen des Tribunals der Mandarinen, 
und entjagte dem fo gewagten Kriege gegen Japan; ber vorzügliche Grund 
aber, warum ſich Kublai bewogen fand, die far ihn fo lockende Grpebis 
zion aufzugeben, war die gefährliche Etellung, welche Katon (f. II. 2, 
1. Kay., Anm. 219 2.) gegen ihn einnahm. Mailla 1X, 218. D’Obs- 
son JI, 444, 447 u. 450. . 


509 


Gewalt bringen, mit Ausnahme einer einzigen, die mit Sturm 
genommen wurte, als ſich ihre Befagung geweigert hatte, ſich 
zu ergeben. Es wurde Befehl gegeben, fie alle der Schaͤrfe 
be3 Edjwertes zu übergeben, und demzufolge wurten allen 
Die Köpfe abgefihlagen, mit Ausnahme von adıt Perjonen, 
die durch Die Macht eines teufliichen Zauber, ver in einem 
Juwel over Amulet war, weldes fie in dem rechten Arme 
zwiſchen der Haut und dem Fleijche eingelegt hatten, geſichert 
waren gegen die Kraft Des Eifend und durch dajjelbe weher 
getöbtet no verwundet werben Fonnten. Als man’ Diefes 
enibedte, wurben fie mit einer ſchweren hölzernen Keule ge— 
ſchlagen und ſtarben ſogleich. 

Einige Zeit darauf geſchah es, daß ein Nordwind mit 
großer Gewalt zu wehen begann und die Schiffe der Tar⸗ 
taren, welche an der Kuͤſte des Eilandes lagen, wurden wirr 
in einander getrieben. Es wurde daher in einem Rathe der 
Hauptleute am Bord beſchloſſen, das Land wieder zu verlaſſen, 
ſobald man nur loskommen koͤnne, und ſobald die Truppen 
wieder eingeſchifft waren, ſtach man wieder in See. Der 
Sturm jedoch ſtieg zu ſolcher Heftigkeit, daß eine Menge 
Schiffe zu Grunde gingen. Die Leute, die zu ihnen gehoͤr⸗ 
gen, hatten ſich auf Schiffstruͤmmern an eine Juſel gerettet, 
die. ungefähr vier Meilen von der Küfte von Zipangu lag. 
Die anderen Schiffe, weldye nicht fo nahe am Lande waren, 
litten nicht unter dem Sturme, und. bie, auf welchen fid) die 
beiden Führer: mit den vorzuͤglichſten Hauptleuten oder denen.bes 
fanden, deren Rang fie beredjtigte, über hunderttaufend oder zehn: 
taufend Mann zu befehlen, richteten ihren Lauf heimmwärt3 und 
fehrten zum Großkhan zurüd. Diejenigen von ven Tartareı, 
welche auf der Inſel blieben, an welder fie gejtrandet waren, 
und deren Zahl fi auf breißigtaufend belief, fahen fid nun 
ohne Schiffe und von ihren Führern verlaſſen, ohne Waffen 
und Vorraͤthe, und erwarteten nichts weniger, als gefangen 
zu werden oder elendiglich umzukommen, vorzuͤglich da die 
Inſel keine Wohnungen bot, wo ſie hätten Schutz ſuchen und 


510 . 


ſich erholen koͤnnen. Eobald der Sturm aufhörte und die 
Eee eben und ruhig wurde, kam das Bolf von der Haups 
infel Zipangu in zahlreihhen Booten mit einer großen Macht 
herüber, um dieſe ſchiffbruͤchigen Tartaren zu Gefangenen zu 
machen, und als fie gelandet waren, gingen fie aus, fie zu 
ſuchen, aber in fehr unordentlicher Weiſe. Die Tartasen da 
gegen handelten mit. kluger Vorſicht und verbargen fid im 
Innern der Infel in den Bergen; während der Feind, fie zu fir 
hen, auf einem Wege berbeiftrömte, liefen fie an ver Kuͤſte 
auf einem anderen herum, worauf fie zu dem Platze Famen, 
wo tie Bootflotte vor Anker lag. Da fie die Boote all 
verlafien fanden, aber mit fliegenden Flaggen, bemädjtig 
ten fie fid) derſelben, ftießen von ver Injel ab und rüdten 
vor die Hauptſtadt von Zipangu, in welhe man fie, wegen 
der Flaggen, ohne Beſchwerde einziehen ließ. Hier fanten 
fie wenig Einwohner außer den Frauen, die fie zu ihrem 
eigenen Gebrauche zurüdbehielten und alle Anderen verjagten 
fie. Als der König hörte, was ſich ereignet,. war er jeht 
betrübt und gab ſogleich Befehl zu einer ftrengen Belagerung 
der Etabt und ließ die Ein- und Ausgänge fo fleißig be 
wachen, daß weder Jemand in die Stadt fommen, noch aud 
aus ihr entfliehen Fonnte, ſechs Monate, fo lange ale die 
Belagerung dauerte. Nach Verlauf diefer Zeit verzweifelten 
die Tartaren, daß ihnen Hilfe fommen würde, und ergaben 
fi, auf die Bedingung, daß fie am Leben geſchont wuͤrden. 
Diefe Ereignifie begaben fid, im Jahre 1264448), Als ver 


448) Die Angabe biefes Jahres zeigt ganz deütlich, wie bie Jahree— 
zahlen bei Marco Polo durchaus forrumpirt worben find; denn bas Er⸗ 
eigniß fand flatt, als fih Polo im Chineſiſchen Reiche befand und doch 
wenigftens von ber Ausräftung und dem Erfolg von ber Egpedigion hörte; 
alfo das Breigniß auf feinen Fall fo viele Jahre vor feiner Ankunft fepen 
fonnte; felbft, wenn er fich die richtige Zeit nicht gemerkt und fie and 
irrthuͤmlich nach ver Erinnerung notirt hätte. In dem erſten Veneziauiſchen 
Auszug fteht 1269, in der Basler Ansgabe 1289. — 

Kämpfer gibt uns aus ben Japaueſiſchen Aunalen einen Bericht über 


507 


groß, den weißen Perlen an Werth glei, ja in noch hoͤ⸗ 
herer Schaͤtzung #45). Es ift bei einem Theile der Einwoh⸗ 
ner der Brauch, die Toten zu begraben, bei dem anderen, 
fie zu verbrennen #46). Erſtere legen eine Perle in ben 
Mund der Leiche. — Auch findet man dafelbft viele Föftliche 
Evelfteine. 

Als der große Khan Kublai hörte, daß die Inſel Zi⸗ 
pangu fo reih wäre, da gebadjte er, ‚wie er -fie unter feine‘ 
Gewalt bringen und feinem: Reiche einverleiben möchte. Um 
das zu beivirfen, vüftete er eine zahlreiche Flotte aus und 
ſchiffte ein großes Truppenkorps ein unter dem Befehle zweier 
feiner beften Kriegsoberften, von denen einer, Abbafatan und 
der andere Vofancin hieß. Diefelben fuhren von. ven Häfen 
von Jaitun und Duinfai aus, durdfchnitten die dazwiſchen⸗ 
liegende: Eee und erreichten die Inſel in Sicherheit +47); 


* 445) Aleranber Dalrymyle erzählt von Werten, die an der Kuͤſte von 
Borneo gefunden werben und anftatt bes matidurchſichtigen Weiß von 
lebhaft durchfichtiger Benerfarbe and vollfommen rund find. 

446) Zwei Religionen find unter dem Volke von Japan vorherrſchend, 
die alte oder bie der Sintos, welche Geiſter verehren, bie von ihnen 
Sin und Kami genannt werben, und bie nene (deren Einführung ungefähr 
mit der Ehriftlicden Aera beginnt) oder die der Budsdos, Verehrer des 
Indiſchen Buddha, unter dem Namen Fo⸗to⸗ke und Budsd. Diefe Letzte⸗ 
ren, die aber bei: weitem bie zahlreichſte Klaſſe find, verbrennen die 
Todten. M. — S. Kämpfer. 

= 447) Schon im Jahre 1266 ſchrieb Kubfat einen Brief an den Kai⸗ 
fer von Sapan, worin er ihm fein Erftaunen ausprüdte,. daß er ihm noch 
feine Geſandte zur Huldigung geſchickt habe; allein die Abgeorbneten des 
Mongolifchen Kaiſers, die fih in Korea einfchifen follten, ließen fich das 
ſelbſt durch die Erzählung der Gefahren, denen fie fich ausfegen würden, 
wenn fie nach Japan Tamen, abſchrecken nnd Fehrten wieder um. Doch 
kaum fah fih Kublat im Beflge von ganz China, als der Wunfh nur 
um fo heftiger In ihm aufftieg, ſich das fchäßereiche ISapan zu unterwer⸗ 
fen, das früher dem Chinefifchen Reiche Tribut gezahlt Hatte. Verſchie⸗ 
dene Geſandte Hatte er an den Kalfer von Japan gefchiett, mit ber Auf⸗ 
forberung, ihn als „Sohn des Himmels“ und Herrn der Erbe anzuers 
kennen, allein die Abgeorbneten wurden theils nicht angenommen, theils 


512 


jeder Schulter einer if. -Einige-haben vier Arme, andere 
zehn und einige buntert. Diejenigen, weldye die größte Zahl 
haben, werten als die mächtigiten betradhtet, und es wird 
ihnen daher aud) Die meifte Berehrung gewinmet #49). Wenn fie 
von Chriften gefragt werben, warum fie ihren Göttern fo 
verſchiedene Geftalten geben, fo antworten fie, daß es ihre 
Väter vor ihnen jo gethan hätten. „Die, weldye vor und 
waren, übergaben fie und fo und jo werden wir ſie unferen 
Radfonmen überlajien.” Die verfdiedenen Zeremonien, die 
por dieſen Göhen vorgenommen werben, find fo graͤßlich und 
teufliſch, daß es gottlos und abſchenlich waͤre; davon in um 
ſerem Buche zu beridhten. Der Lefer möge jedoch willen, 
Daß tie abgoͤttiſchen Einwohner diefer Infeln, fobald fie einen 
Feind ergreifen, ver nicht die Mittel hat, ein Loͤſegeld auf 
zubringen, alle ihre Verwandte und Freunde in ihr Haus 
laden und ten Gefangenen ſchlachten, feinen Leib zuridten 
und im Gajtmahl verzehren. Cie fagen aud), das Menfden: 
fleiſh fei das wohlfdhmedendfte, das in der Welt zu fin 
den fei. 


_ . „er. — 


Viertes Kapitel. 
Bon dem Meere Gin (Tfchin) zwifchen dieſer Infel und der Provinz Nanjl. 


Man muß wilfen, daß das Meer, in weldyem. vie Inſel 
Zipangu liegt, das Meer Ein genannt wird 50), was fo 


449) Das find Budedogoͤtzen. 

450) Was auch die Chinefen ihrem Lande für einen Namen gegeben 
haben mögen, fo if es wohlbefannt, daß es von allen Völkern des Dfen 
Chin und Ehina (Tiihin und Tichina) genannt wird; erfteres von ven Ber 
fern nnd den Bewohnern Hindoſtans, lebteres von ben Malaien und ass 
bern Infelbewohnern. Was unfere Seefahrer Ghinefifches Meer nennen, 
heißt in ber Malatifchen Sprache umveränderlich ‚laut china.“ — Polo be 
richtet nad) Hörenfagen über die. in dieſem Meere liegenden Infelnz fein 
Angaben Finnen nur als allgemeine Echiffer - und Kaufmannenachrichte 
über ferne koͤſtliche Gegenden gelten. 


513 


viel heißt als die Eee, welde ‘gegen Manji liegt, und in 
der Sprache der Infel wird ed Manji Ein genannt. Diefes 
Meer Ein iſt fo weit und groß, daß die erfahrenften: Sees 
leute und Piloten, welche durch daffelbe ſchiffen und die Wahrs 
beit Fennen, fagen, daß in demſelben nicht weniger als fiebens 
taufendvierhundertundvierzig Infeln liegen, die faft alle. bes 
wohnt jind, und daß feine Bäume darin wachen, die nicht 
einen guten und angenehmen Duft haben, und daß. viele gar. 
verſchiedenartige Spezereien und Gewürze da wachſen und eine 
Menge Aloe, wie Pfeffer in- großem Ueberfluß, weißer und 
fhwarzer. Es iſt unmoͤglich, den Werth des Goldes und 
anderer Dinge, die auf den Inſeln gefunden werden, zu 
ſchaͤtzen; aber ihre Entfernung von dem Feſtlande iſt fo groß 
und. die Schifffahrt mit fo viel Schwierigfeit und Noth ver- 
bunden, daß die Handelsſchiffe von den Häfen Zaitum und 
Duinſai feinen großen Gewinn ziehen, ba fie ein ‚ganzes 
Jahr zu ihrer Reife brauchen, indem fle im Winter ausfahren 
und im Sommer zurüdfommen; denn in biefen Gegenden 
berrihen nur zwei Winde, der eine während bed Winters, 
der andere während des Sommers, ſo daß fie den einen fie 
die Hin-, den anderen für die Herreife benugen muͤſſen #51). , 
Diefe Länder find fehr entfernt von dem Feſtlande Indiens. 
Wenn wir dieſes Meer das Meer von Gin nennen, fo müf« 
fen wir darunter doch nur einen Theil des Ozeans verftehen; 
denn wie wir von dem Englifchen over dem Aegäifchen Meere 
reden, fo ſprechen pie öftlichen Nölfer von dem Meere Ein 
und dem Indiſchen Meere, während alle zufammen unter, ber 
allgemeinen Bezeihnung der Ozean begriffen find. — Wir 
wollen nun nicht weiter von dieſen Laͤndern und Inſeln re⸗ 


 .451) So wird noch henttged Zuges bie Schifffahrt bei ben Chineſen 

betrieben; ihre Junken, die nach Java und andern Hinterindiſchen Infeln 

fahren, konen vermoͤge ihrer Bauart nicht gegen den kontraͤren Wind 

gehen und brauchen-baher zwei Muſſon's (Monfoons) zu ihrer Sin: und‘ 

Herreife,.tn ber Weife, wie es Polo angegeben hat. u 
33 


818 


Da wir nun das erzählt haben, wollen mir noch Einiges 
über .diefen König und fein Land ‚melden. ..Zuerft muß man 
wiſſen, daß in feinem Reiche ein junges Maͤdchen, das et 
was fonberlich ſchoͤn iſt, ſich verheirathen. kaun, bevor es ihm 
nicht .vorgeftellt worden tft. Diejenigen, welche ihm angenehm 
erſcheinen, behält:er eine Zeit lang, und wenn fie entlaflen 
werben, fo giebt er ihnen eine Summe Gelbes, damit fi, 
nach ihrem Range im Leben,. eine pafiende Verheirathung fin 
den koͤnnen. Marco Polo beſuchte im Jahre 1280 vielen 
Platz, zu: weldier Zeit ver König. dreihundertfuͤnfundzwanzig 
Kinder, männliche und weibliche, hatte: Diele der erſteren 
hatten fd als. tapfere Soldaten ausgezeichnet, Das Lam 
iſt reich an Elefanten und Aloeholz. Es giebt auch viele 
Wälder von Ebenbaͤumen, deren Holz. fehr. ſchoͤn ſchwarz if 
und zu verfchiedenen ſchoͤnen Geräthiihaften verarbeitet. wir. 
Weiter giebt es nichts . Befonberes bier zu melven.. Wir 
wollen dieſen Platz verlaffen und nun von der Inſel rem, 
bie das große Giava (Java major) genannt wird, 


— 





Siebente® Rupiten.; 
Don ber. Zufel Java. Giarah 


>. Wenn man Ziamba verläßt und. ot Shen wu 
Suͤdoſten fünfgehnhunbert Meilen weit ſteuert, je: lkommt man 





Tonkin welches während. ger guit ka auch auftidrertſch hezeigt zei, 
and 'Rodiin-: China. Die Mongolifchen Truppen Hatten einen ſchweren 
Stand in den heißen und gebtrgigen Ländern; "fie ‚Verloren verſchieden 
Schlachten und Sutn fiel in’einer Derfelben, im Jahre 1285.:-Der Krieg 
gegen Kochin⸗ China und Ton⸗kin würde’ nun unter: Togan': mit wechſels⸗ 
dem Gluͤck gefuͤhrtz troßdem abet Togan' im Jahre IN2S8 genzlich geſchle⸗ 
gen wurde, erklaͤrten doch die Koͤnige von Ton⸗kin und Kochin⸗ Cha 
ihre Unterwerfung. S. Mallfka IX, 414 u. f.; KU, 1l m. fe (Neon 
Kist. sur la Cochin-chine-par‘ Gaubil) iind 26- en. hist, ect * 
lichig par Gaub.); D’Ohsson II; 441, 445-1. 48 7. 


515 


dehnt, daß man zwei Monate braucht, ihn zu durchſegeln 
von: feiner noͤrdlichen Kuͤfte an, wo er an den ſuͤdlichen Theil 
der Broving Manji ftößt, und von da bis wo er fd dem 
Ländern. Ania 54), Tholoman und vielen- anderen fon ers 
wähnten nähert. In dieſem Meerbufen. ‚giebt -e8. eine Menge 
Infen, Die zum großen Theile. an den Küften hin wohl 
bevoͤlkert find. An den Gtelten. aber, wo die Fluͤſſe ſich er⸗ 
gießen, wird viel Goldſand aus dem Meere gefammelt. Auch 
Kupfer und piele.andere Dinge werden auf:den Infeln gefun 
den,. und mit dieſen wird der Handel getrieben, indem die 
eine Inſel liefert, was eine andere nicht hervorbringt.- : Sie 
handeln auch wit den Vaͤlkern des Feftlandes, indem fie ihr 
Gold und ihr Kupfer gegen ſolche Beduͤrfnifſe, als fie ‚eben 
brauchen, austauſchen. Auf den meiften waͤchſt Korn in gras 
Gem Ueberfluß. Diefer Meerbufen iſt ſo groß und die Ein⸗ 
wohner find: fo zahlreich, rap. er „wie. eine andere. Welt ers 
ſcheint. 


8 . .r s———. 


| Sechstes Kapitel. 
Den dem Lande ‚Btamba; von dem Könige biefes Landes und wie er ven 
en Gropfhan irlbutyflichtig geworben. 


Wir nehmen nun das wieder auf, wovon wir. fruͤher 
—* Wenn men Zaitum verlaͤßt und fuͤnfzehnhundert 





fernungen auf dem Meere vor; ie kann nur mehr. im Allgemeinen eine - 
bebeutende Entfernung bezeichnen. | 

454) Ania wird durch die, Namenaͤhnlichteit von den Kommentatoren 
für Anam der Ton-fin; angensmmen; die Ehinefen, welche nie ein Wort 
mit einem A anfangen, fprechen es Ngan⸗nan aus. Ueber Tholoman haben 
wir. fchon- früher feine Ausfunft geben Bünnen; aus den Morten. Bolo’s 
(II, 48) geht nicht hervor, daß 28 am Meere. liegt; auch glaub’. ich. nicht. 
. daß. es im Sinne der obigen Worte. au das Meer flogen fol, ſondarn «* 
will nur bie algemelne Enge, bes Meebeſens von Sheinan zu jerea eins 
dern angeben... :; - rer. bien .. 
| 33 * 


520 


ren föftlichen Gewürze und Spejereien find bie Erzeugnifie 
diefer Infel, weshalb ſie von vielen waarenbeladenen Schiffen 
beſucht wird, wodurch den: Eigenthümern ein großer Gewinn 
zufällt. Die Maſſe Gold, die hafelbft gefammelt wird, über 
fteigt alle Berechnung und allen Glauben. Bon. da haben 
die Kaufleute von Zaitum ‚und von Manji im Allgemeinen 
dad Bold in ſehr großer Menge. .geholt und. holen ed nod 
heutigen Tages, und von da bringt man den größten Theil ber 
Gewürze, welche in der ganzen Welt vertheilt werden. Daß 
der Großkhan die Infel nicht unter feine Botmäßigkeit ge 
bracht hat, muß man ber Länge der Reife und den Gefahren 
der Shhifffahrt nuſchreiben. 





Achtes Kapitel 
| Bon ben Safeln Sondur und aondur und von dem kande POPP 


Weienn man bie Inſel Java verläßt und. ſiebenhundert 
Meilen weit zwiſchen Suͤden und Suͤdweſten ſteuert, jo kommt 
man zu zwei Inſeln, von denen bie ‚größere Sondur un 
die andere Kondur 458) heißt. Da fte beide unbewohnt fit, 





458) Ronbur kann bas Kondore auf fern Karten ‚fein, welches 
zwiſchen Borneo und Kambodja Hegt; die Richtung, welche Bolo angikk 
trifft; man muͤſſe zwifchen Eid und Suͤdweſten fegeln ; die Siebenhunder⸗ 
meilenzahl ift ebenfalls nur auf. eine große Entfernung zu beziehen, am 
gu ihnen. zu fommen. Bon dem nördlichen Theil Borneo's, wo die As 
fivenz bes Königs der Infel gelegen — f. Pigafetta’s .und. Herrera’s Bes 
richte. in Buͤrck's Magellan 190 f. —, fühweftlih durch das Meer. ſteuern 
Eommt man in eine Provinz bes Feflandes,, Lochak; Diefes iſt alſo ein 
Theil des Landes. Kambodja, deſſen Hauptſtadt Loech heißt, nach der Autorität 
Gaevar's de Cruz, ber fie während ber Regierung Könige Sebaſtian von 
Portugal beſuchte (ſ. Purchas III, 169). . 

Durch einen Irrthum heißt es bei Ramuſio „e partendosi da queste 
(Sondur & Condur), come s’ha navigato per Seiroocoz“. währen bie 


517 


fah, daß fein ganzes Land von dem Feinde zerftört werben 
wuͤrde, fo fhldte er Gefandte an den Großkhan, um ihm 
oorzuftellen, daß, da er, der König, ein alter Mann fet, der 
immer fein Reih im Zuftande der Ruhe erhalten. habe, er 
daſſelbe vor: der Bernichtung, mit welcher es bebroht fei, ret⸗ 
ten wolle und daher ſich bereit erkläre, wenn bie. feinvliche 
Armee zurüdgezogen werde, einen jährfihen Tribut an Ele⸗ 
fanten und wohlduftigem Holze zu: zahlen. Der Groß 
khan hörte dieſen Vorfhlag, und durch Mitleid getrieben 
ſchickte ex fogleich den Befehl an Sagatu ab, daß er fih mit 
der unter feinem Befehle befinvlichen Madjt zurüdziehen und 
gur Eroberung von anderen "Ländern übergehen folle. Das 
geſchah denn auch ohne Auffhub. Bon diefer Zeit an fehidte. 
. der König dem Kaifer ald Tribut eine große Menge von 
Alveholz mit fünfundzwanzig der größten und fehönften Ele⸗ 
fanten, welche nur in feinem Lande zu finden waren. So 
geihah es, daß der König von Siamba dem Großkhan un⸗ 
terthan wurde 1206). 


456) Der König von Kochin⸗China erwies nach dem Falle des Rei: 
ches der Eung Kublai feine Huldigungen und zahlte Tribut, der Mon: 
golifche Kaifer aber fehle dem Könige, der, wie ihn auch Polo fhilvert, 
ſchwach und alt geweſen fein muß, einen Regierungsrath ein, ben aber 
ber alte König, von feinem Sohne- angeregt; gefangen nehmen ließ. Ku: 
blar ſchickte im Jahre 1281 den General Sutu — Polo’8 Eagatu — ge: 
gen’ den aufrührerifchen Prinzen. Diefer flüchtete mit feinem Sohne, der 
das Kochin-Chinefifche Heer anflıhrte, In die Gebirge, wie Polo auch an⸗ 
gibt, und hielt ven Mongolifchen General mit Verfprechungen hin. Sutu 
aber mußte fich zurüdziehen, als er hörte, dag beträchtliche Streitkraͤfte 
auruͤckten, um ihm von der Blotte abzuſchneiden. — Etaumenswürbig iſt der 
ewig: bewegliche AUnternehmungsgeift des Großkhan's Kublat, der Dſchingis⸗ 
Ihon’s Teflament, die ganze Welt ben Mongolen unterthan zw machen, 
auszuführen trachtete. — Zu berfelben Zeit-(im Jahre 1283), als er ſei⸗ 
wen. Sohn Siankur mit den Generälen KuljiE und Naſſir⸗ud⸗din zur Er⸗ 
oberung des weſtlichen Dünnan’s abſchickte (ſ. B. LU, Kay. 42) und ber 
König von Mien (Ama) befriegt, geichlagen und tributbar ‚gemacht 
alo auch ‚eine neue Motte gegen Japan gerüftei wurbe, ſchickte Kublat 
ein neues Heer unter feinem Sohne Togan und dem General Sutn ‚gegen 


522 


Neuntes Kapitel. 
" Von ber Zufel Pentan und bem Koͤnigreiche Malatar. 


Wenn man von Lochak nach Mittag: ‚fünfhunert Meilen 
weiterfegelt, fo fommt man. an, eine Inſel, die Pentan heißt2609) 
dere Küfte wild und unbebaut iſt, aber: es .giebt da Wil 
der von wohlriechenden Bäumen in Menge Zwiſchen der 
Provinz Lochak und biefer Infel, Benten ift Die Eee in ei⸗ 
nem NRaume von ſechszig Meilen: nicht mehr als vier Faden 
tief, was diejenigen, weldye fie befdiffen,. nöthigt, die Muber 
ihrer Schiffe aufjzuziehen (damit ſte ‚nicht. den Grund. berüb 
zen). Nachdem man dieſe ſechszig Meilen nach ESuͤdoſten ge 
fegelt iſt und dann noch dreißig Meilen weiterfaͤhrt, kommt 
man an eine Inſel, die fuͤr:ſich ein’ Koͤnigreich iſt und Ma⸗ 
laiur ‚genannt wird *260), was zugleich auch der Name ih 
Hauptſtadt iſt. Die Bewohner werden von einem Koͤrige 
regirt und haben ihre beſondere Sprache. Die Stadt if 
groß und wohlgebaut. Ein betraͤchtlicher Handel wird da 
getrieben mit: Gewürzen ‚und :Cpezereien,: an; denen der Pla} 

leberfluß Hat. Nichts weiter: Bemerkenswerthes ‚bietet fid 
darı Von da: olteriehend ‚wollen. t wie num von Java. minor 
reden. ©. . 11 J 


459) Mardden meint, Penian, ini per. altern Eat. Ausgabe Bent, 
möge die Inſel Bintan oder Bintang in der öffichen Mündung ber Bu 
laccaſtraße fein; vie Entfernung von’ Kambodſcha dahin. möge: wohl eine 
fuͤnfhundert Meilen betragen und Wären: viele Uniefen: and Korallenif 
er dem: Wege’vahfn.: Em 

: 460): Es kann⸗ PR gegweifet erden, Por unfer Autor nunter der 
Sfel und dem: Koͤnigreich Malaier- : von ven Königreich! ven Malela 
Drang malätim) rebet, das. ungefaͤhr ein Jahrhundert zuvor an’ tem 
ſuͤdoſtlichen Ende: der Halbinſel, welche Ihren: Namen: trägt- REINER 
Salbluſel voder Satan son Malacca) gegrimet wurde. M. 


Lt! 


— — — — — — 


619 


an eine große Infel, die Java heißt +57) und nad) den Ber 
richten einiger fehr wohlunterrichteten Schiffer die groͤßte in 
der Welt iſt, da ſie einen Umfang son ungefähr dreitauſend 
Meilen hat. Sie ſteht unter ˖ der Herrſchaft nur eines Ko: 
nigs, auch zahlen die Einwohner keinen Tribut an irgend 
eine andere Macht. Sie find Gögenanbeter. Das Land ift 
veih an Borräthen aller Art. Bfeffer, Muskatnuͤſſe, Spike⸗ 
narde, Galgant, Kubeben, Öervürgnelfen und alle die anber 





J 47) Di⸗ meiften Rommentatoren Haben piefes Giava Moggiore Por 
Jo's, Java malor, für Java angeſehenz doch kann ich nicht beiſtimmen 
und halte der ganzen Beſchreibung nach, die Polo von der Juſel gibt, 
dieſes Java für Borneo, das reich an Gold und Edelſteinen if, während 
man wenig Gold auf dem jetzt fo genannten Sava findet. Nach Borneo 
ift Polo nicht gefommen, es lag ihm auf feinen Fahrten zu weit öftlich 
außer Wegs; darum erzählt er auch nur davon, „was ihm bie Schiffer 
gefagt, es ſei die größte Infel der Welt,” wie e8 denn auch wirffich die 
größte Infel der alten. Welt. iſt; von den Gemärzinfeln im Often um: 
geben, war es auch reich an allen ven Gewürzen, die Polo aufführt, 

welche es eben von jenen Infeln mit Leichtigkett zgg. Nüch Th. Stam: 
ford Raffles (The History of Jawa. Lond. 1817. T. 1, P. 4) wird 
Borneo von ben Eingebornen Jana Jawa, das Land Java' dber Nufa 
Zawa, die Infel Iaya genannt. Dagegen halte ich dafuͤr, daß unter dem Lauve 
Kugoua, gegen welches, nach den Chineſiſchen Geſchichten (De Guigues xvi., 
186), Kublai jan Jahre 1292 eine Racheflotte von 1000. Schiffen mit, 30; ‚009 
Mann Befatung ausſchickte, weil einer von feinen Mandarinen vom Koͤ— 
nige von Kuaoua gemißhandelt ‚worden war, bie von ung jept fo genannte 
Inſel Jada zu verftehen fei. Die Flotte Hef von Zaitun (Tſuen⸗tſcheu) ans, fes 
gelte an den Küften son. Ton⸗kin und Kochin⸗China hin und.längte nad) 
68 Tagen: zu Kuaoug an. (Ritter fagt irrthuͤmlich, fie wäre nach 68 Ta⸗ 
‘gen · ſchon zuruͤckgebehrt); der König des Landes ergab: fid) augenblidlich und. 
‚hberrebeteidie Feinde, nach einem benachbarten Sande, Kırlang; zu ziehen; def 
ſen aufgeſiellte große Trappenmacht gefchlagen wurde; trotz ber Treuloſigkett 
yes Khulye vor Kuabua kehrten die Chineſen mit ungeheurer Beute nach 
Batttim zuruͤck. Auf dieſer Fahrt ward eine Stelle des‘ Meeres Hoentun, 
3816. unermeßliches Chaos, nad). Water Gaubil’s Vieberfegung, entdeckt: 
tele Bexeichnung deute ich aber nicht, wie. Ritter u, N. darauf, daß fre 
ein fchauervoller Ausdruck für hen Ozean fein fol, wo kein Landmehr zu 
fehen; Fein Grand: zur finden ſei, ſondern anf die vielen zerſtrerten Inſeln, 
Riffe und Untiefen, bei denen fie auf der Fahrt voriiber mußten..." * 


520 


ren koͤſtlichen Gewürze und Spejereien find bie Erzeugnifie 
diefer Inſel, weshalb fie von vielen waarenbeladenen Schiffen 
bejucht wird, wodurch den Eigenthümern ein großer Gewinn 
zufält. Die Mafie Gold, die daſelbſt gefammelt wird, über 
fteigt alfe Berehnung und allen Glauben. Bon. da haben 
die Kaufleute von Zaitum und von Manji im Allgemeinen 
das Gold in fehr großer Menge .geholt und holen es noch 
heutigen Tages, und von da bringt man den größten Theil ber 
Gewürze, welhe in der ganzen Welt vertheilt werden. Daß 
der Großkhan tie Infel nicht unter feine Botmaͤßigkeit ges 
bracht hat, muß man ber Ränge der Reife und den Gefahren 
der Schifffahrt zuſchreiben. 


Achtes Kapitel. 
Von den Inſeln Sondur und Kondur und von dem Lande Lochak. 


Wenn man die Inſel Java verlaͤßt und ſiebenhundert 
Meilen weit zwiſchen Suͤden und Suͤdweſten ſteuert, ſo kommt 
man zu zwei Inſeln, von denen die groͤßere Sondur und 
die andere Kondur 458) heißt. Da fle beide unbewohnt ſind, 


— 





458) Kondur kann das Kondore auf fern Karten fein, welches 
zwiſchen Borneo und Kambodja liegt; die Richtung, weiche Bolo angibt, 
trifft; mau muͤſſe zwifchen Suͤd und Suͤdweſten fegeln ; bie Siebenhunnerk 
meilenzahl ift ebenfalls nur auf. eine große Entfernung zu beziehen, um 
zu ihnen zu Eommen. Mon dem nörblichen Theil Borneo's, mo die Res 
fivenz bes Königs der Infel gelegen — f. Pigafetia’s.und Herrera’s Bes 
richte in Buͤrck's Magellan 190 5. — fühweftlih durch das Meer. ftenernd 
kommt man in eine Provinz bes Seftlandes,, Lochak; biefes iſt alfo..ein 
Theil des Landes. Kambodja, deſſen Hauptſtadt Loech Heißt, nach der Autorität. 
Basyar’s de Cruz, ber fie waͤhrend ber ‚Regierung Könige Sebaftian von 
‚Portugal befuchte (f. Purchas IH, 169). * 

Durch einen Irrthum heißt es bei Ramuſio „e partendosi da queste 
(Sondur 6 Condur), come s’ha navigato per Soirooco3“. während bie 


— 





521 


fo ift es nicht nöthig, mehr über fie zu fagen. Iſt man 
fünfzig Meilen weit von diefen Infebn. in ſuͤdweſtlicher Rich⸗ 
tung geſegelt, fo erreicht man eine ‚große und reiche ‘Pros 
vinz, die einen Theil des Feftlandes bildet und Lochak heißt. 
Ihre Einwohner. find Gögenanbeter. Cie haben eine. ihnen 
eigenthuͤmliche Sprache. und ‚werden von ihrem eigenen Koͤ⸗ 
nige regirt, der feinem Anderen‘ Tribut zahlt, denn die Lage. 
des Landes ift fo, daß es vor jebem feindlichen Angriffe ges 
fügt if. Wäre es angreifbar, . fo würde der. Großfhan 
nicht gejäumt haben, es unter feine Botmäßigfeit zu bringen, 
In dieſem Lande waͤchſt Sandelhol; in reicher Menge. Gold 
it in folhem Ueberfluſſe da, als kaum glaublich erſcheint; 
Elefanten werden daſelbſt gefunden und die Jagd mit Hunden 
und Voͤgeln bietet reihe Ausbeute dar. Bon- hier. werden 
alle Porzellanmuſcheln geholt, weldye in. andere Länder vers’ 
führt und da ald Münze gebraudjt werden, wie ſchon be 
merkt: worden ift. Hier ziehen fie eine Art Frucht, die Berdi 
genanut. wird, die Größe einer Limone und gar. föftlichen 
Geſchmack hat. Außer diefen Dingen. giebt ed weiter nichts . 
Bemerfenswerthes, außer daß das Land wild und. bergig ift 
‘und ‘wenig von Fremden befucht wird; denn das ſucht ber 
König, wie er nur kann, zu verhindern, damit feine Cchäge 
und andere geheime Dinge feines Reiches dem übrigen Theile 
der Welt fo wenig als möglich befannt werben. 





Richtung doch offenbar weſtlich gemeint iR, wie ſie von allen aheen Edi⸗ 
zionen gegeben iR; wozu waͤren denn auch fonft bie beiden ganz nube⸗ 
deutenden Inſeln von Polo aufgeführt worden, bie blos. dadurch merk⸗ 
würdig waren, daß man vor Ihnen vorüberreifte, um von Giava maggiore 
nach Lochak zu gelangen, was doch nicht noͤthig geweſen waͤre, wenn rn 
‚wieder‘ ſuͤdoͤſtlich Hätte ſteuern müflen. Durch .biefen. Irrthum, wie 
‚Durch die falſche Annahme Java's für Borneo iſt die ganze Berhucibung 
ea. Binterindifchen Archipelagus von den Kommentatoren fo mißverflan; 
den und ihr eine ganz .falfche Deutung gegeben worden, während. fi, nach 
unfern Angaben, wohl ganz‘ einfach und Far erfcheint. 


522 


Neuntes Kapitel. 
Bon der Infel Ventaũ und dem Koͤntgreiche Malailnur. 


Wenn man von Lochak nach Mittag fünfhundert Meilen 
weiterfegelt, fo fommt man an. eine Infel, die Pentan heißt 459), 
teren Küfte wild und unbebaut ift, aber es giebt va Wäl 
der von wohlriechenden Bäumen in Menge. Zwiſchen ver 
Provinz Lochak und dieſer Inſel Pentan ift die See in e 
nem Raume von ſechszig Meilen nicht mehr als vier Faden 
tief, was diejenigen, welche fie beſchiffen, noͤthigt, bie Ruber 
ihrer Schiffe aufzuziehen (damit He nicht den Grund beruͤh⸗ 
zen). Nachdem man dieſe ſechszig Meilen nach Suͤdoſten ge 
ſegelt iſt und dann noch dreißig ‚Meilen weiterfaͤhrt, kommt 
man an eine Inſel, die für ſich ein Königreich. iſt und Ma 
laiur genannt wird 60), was zugleich auch der Name ihre 
Hauptfiabt iſt. Die Bewohner werben von einen Könige 
regirt und haben ihre beſondere Eprade. Die Stadt if 
groß und wohlgebaut. Ein betraͤchtlicher Handel. wird da 
getrieben mit: Gewürzen und Spezereien, an, denen: der Plah 
Ueberfluß hat. Nichts weiter: Bemerfenswerthes ‚bietet fid 
dar: Bon: da: weitergiehenb wollen wir. nun von Java. minor 
redet. | 





459) Marsden meint, Bentan, in ber Altern Lat. Ausgabe Pentayn, 
möge die Infel Bintan oder Bintang In bee äffichen Muͤndung der Me 
laccaſtraße fein; die Entfernung von Kambodſcha dahin moͤge wohl eiwa 
fuͤnfhundert Meilen betragen, und waͤren viele Unttefen: ind Korallenriſt 
auf. dem Wege dahin. ’:- 

860): Es Tann: kaum gerweifet erben, daß unfer Autor unter ber 
Infel und dem Koͤnigreich Malainr von dem Koͤnigreich ver Malaien 
(Drang maldiju) redet, das. ungefähr ..eie Jahrhundert zuvor an’ hem 
füosfluhen Ende der Halbinſel, welche Ihren Namen: trägt- ( Rai 

Halbinfel:oder balbinſel © son Malarca)ı gegehmet wurde, M. 


‚ı1° F Be 2 u’ 


nn — — — 


523 


u. er Behntes. Kapikel.. 
EEE der Sue Java alnor. 


r 
» “ ns 


. Bein man t bie Anfel. Pentan verläßt und in fipeſtüher 
Richmag ungefaͤhr hundert Meilen weiterſegelt, kommt man 
zur Inſel Klein-Java (Giava minore, Java minor) #61), die, 
wie gering man auch ihre Groͤße annehmen mag, doch nicht 
weniger. als zweitauſend Meifen Im Umfange hat*62). Auf 
dieſer Inſel find acht Koͤnigreiche, die von eben ſo vielen 
Königen: beherrſcht vr , und > Ss Bönigeid het 


3 7 


381)‘ Diefes Glava Minore iſt Sumatra; daraus, daß Hefe Sſel 
pie doppelt fo groß iſt, as die, welche wir jetzt allgemein Java-nenneit, 
von Polo im Gegenſatz zu Groß⸗Java Klein-⸗Java genannt wird, haben 
wir einen Beweis mehr, daß erfteres ſich nicht auf das jekige Java, 
_ Sondern auf die größte Infel’ des Sundaardhipelagus, Borneo, bezieht. 
Das Mißverftändnig bat, Si. yom Mittelalter bis auf unfere Zeiten fort: 
gepflanzt. Sumatra konnte durch bfe genaue Wefchreibung, bie Polo von 
diefer Iufel-gibt,: wicht verkamnt werden; dagegen wurde, als: Die Hinters 
indifchen Infeln von den Europäern viel befucht zu werden anfingen, bas 
jetzige Java für das Giava maggiore Polo's — wobei wir nur bemerken, 
daß die Reiſen des Veneziauers damals, wie wir aus allen Berichten. er⸗ 
ſehen, die viel mit Polo's Beſchreibungen und Anſichten freilich viel⸗ 
fach mißverſtanden, durchwuͤrzt find, bie größte Autoritat ausühten - — ge⸗ 
halten und hat diefe Bezeichnung behalten. 

: 465) Obdoatdo Barbofe, -der-dns Tagebuch feiner gelſe im Jaht 1816 
ſchlp ſagt von Sumatra? „una .grandissins e bellissima isoka chimmata 
‚Sumatra, laqual ‚tien di giroqjfo da satteoenta leghe, che send - ‚dumile 
@ gento miglia, ‚contate,per lĩ Mori ‚que l’ban navigata tutta d’intorno,f 
Ramusio, vol. I, fol. 318. Unb dag if wirklich die Größe, die bie "Infel 
auch nach unferen neueren Karten hat. 

463) Die meiſten der früheren Befchreiber Sumatva's thellen in 
verſelben Weiſe Die Juſel Sumatta im: eine gewiſſe Anzahl. Koͤnigreiche; 
Body. find, dieſe Abtheilungen nicht auf. die ullgemeinen Verhaͤltniſſe ver 
Inſel anwendbar; denn obgleich beträchtliche Theile derſelben von mehr 
ober wenfger maͤchtigen Sultinen reglert werden, ſo iſt Hoch ber groͤßere 
Theil des Innorn unzähligen Heinen Raja's (Radſcha's) oder Oberhaͤuß⸗ 
tern unterworfen. M. — Tee ve PT 


924 


feine eigene Sprache, die verſchieden von der aller anderen 
it. Das Volk betet. Goͤhen an. Die Inſel hat Schaͤtze im 
Ueberfluß und alle Arten von Gewürzen, Aloeholz, Eandel- 
holz, Ebenholz und viele andere Arten von Epezereien, die 
wegen ber Länge der Reije und ber. gefährlihen Schifffahrt 
nicht in unjer Land geführt werden, ſondern ihren Weg in 
die Provinzen Manji und Katata finden. 

Wir wollen nun bejonderd davon handeln, was die Ein 
wohner eines jeden diefer Königreihe angeht; aber zuerft if 
es nöthig, zu bemerfen, daß bie Inſel jo weit ſuͤdwaͤrts liegt, 
dag man den Norbftern nicht ſehen kann. Sechs von. ven 
acht Königreidyen wurden von Marco Polo beſucht und dieſe 
will er beſchreiben; über bie anderen beiden aber,. die er 
zu ſehen feine Gelegenheit, will er nichts fagen. 


— — en mn — — 


Elftes Kapitel. 
Bon dem Koͤnigreiche Felech auf der Iuſel Iava minor. 


Wir wollen mit dem Koͤnigreiche Felech 6%) beginnen, 
welches eins von den adıten iſt. eine Einmohner find zum 
größten Theile Goͤtzendiener, aber viele, die an der Eeefüfte 
wohnen, haben fid; durch die Sarazeniſchen Kaufleute, welde 
fie beftänbig .befuchen, zur Religion Mahomet’s befehrt.. Die: 
jenigen, weldye die Berge: bewohnen, leben in viehifcher Art. 
Eie eſſen Menfhenfleifh und ohne‘ Unterſchied alle andere 
Arten Fleiſch, reines und unreinest85) Ihre Verehrung 
46) Felech iſt in der älteren Lat. Ausgabe Ferlech und in den Jial. 

Anszügen Ferlach gefchrieben, und Marsvpen hält es daher für einen 

Platz, der jebt Perlaf Heißt und am Außerfien Oſtende ber nörhlichen Käfe 

liegt. 

ß 465) Noch immer, wie Marsben angibt, thieriſche Gewohnheiten des 
- EStammes der Batta, welche einen beiräctlichen Theil des Sunern ver 
Inſel bewohnen. 


XR 


o 





525 


‚iR auf verſchiedene Dinge gesichtet, benn: Jeder verehrt. den 
ganzen Tag, was ſich zuerſt feinem Gefichte darbietet, wenn 
er ſich am Morgen N. | a 


4 





2. g8woͤlftes Kapitel. 


Bon dem zweiten‘ Rönigreiäe,. Basına genannt, 


Wenn man das lehterwähnte Konigreich verläßt, Fommt 
man in das von Basma *67), welches unabhängig . von ven 
anderen ift und feine. eigene. Sprade hat. Die -Leute erken⸗ 
nen den Großkhan als ihren Herrn an, zahlen ihm aber 
feinen Tribut, und . ihre Entfernung ift fo .groß,. daß "Er: 
Majeftät Truppen nidyt hierher gefchickt werden koͤnnen. Dem 
Namen nah ift ihm aber Die ganze Inſel unterthan, und 
wenn Schiffe des Weges fahren, ergreifen bie. Bewohner bie 
Gelegenheit, ihm ſeltene und Euriofe. Dinge zu. ſchicen und 
vorzuͤglich eine gute Art Fallen #6 8). 


466) 36 erinnere mid, Aehnlichee von einer wilden Bit 
in Afrika gelefen zu haben. - 
a467) Basına hält Marsven für Paſe, welches von den alen Reiſen⸗ 
den Paçem geſchrieben wird und an der noͤrdlichen Kuͤſte liegt. — n 
468) Dieſer Bericht‘ findet in dem bekannten Etrgetz Kublars, ven 
Ruhm feines Keiches auf Plaͤtze auszudehnen, bie außer dem Bereich ſel⸗ 
wer Waffen lagen, und vorzüglich fi) ale Oberherrn, wenn auſch nur dem 
Namen nach, unter ven Fürften der Indiſchen Infeln anerfannt zu fehen, 
feine Beftätigung. „Diefer Fürft hatte eine außerorbentliche Leidenfchaft, 
feinen Namen bei ben Fremden gefannt zu fehen und hatte oft Abgeord⸗ 
nete zu den verſchiedenen Königen Indiens geſchickt, um fie zu veranlaffen, 
Daß fie die Seltenheiten ihres Landes nach China braͤchten.“ Hist: des 
Huns XVI, 186, M. — Im Jahre 1282 erfreute es. Kublai ungemein, 
als Ihm gemeldet wurde, . daß bie‘ Könige von Indien (Kulang kei P. 
Gaubil, Klulan bei Mailla) ihm eine Flotte. mit Geſaudten und Tribut 
geſchickt, der aus ſchwarzen Affen, von ber- Größe eines. Menfchen,: und 
&pelfteinen beftehend, in dem Hafen von Zaitun — ber durch die wielen 
Kauflente, welche ihn aus allen -Weltgegenben,. namentlich: aber aus Ins 


526 


In · dem Lande. giebt es viele wilde Giefanten und: Rhi⸗ 
nozerofe, welche letztere weit Fleiner. find als vie Elefanten, 
aber ihre Füße find ſich aͤhnlich. Ihre Haut. gleicht ber. eis 
ned Büffeld. Born am. Kopfe haben fie ein einziges Hom, 
aber mit diefer Waffe ftoßen und verlegen ſte die nicht, welche 
fie angreifen, fondern brauden hierzu nur ihre Zunge, die 
mit Tangen ſcharfen Stacheln bewaffnet iſt, und ihre Kniee 
oder Fuͤße; wenn ſie auf einen Menſchen feindlich losgehen, 
ſtoßen ſie ihn mit den Fuͤßen nieder und trampeln auf ihm 
und zerreißen ihm mit. der Zunge+4P). Ihr Kopf iſt gleich 
dem eines wilden Ebers und fie tragen: Ihn: tief am Boden. 
Sie wühlen mit Ergögen in Sumpf und. Edylamm und: find 
fhmusig in ihren Gewohnheiten. Doc laffen ſich dieſe Thiere 
nit durch Iumgfrauen (donzelle) fangen, wie man. bei und 
wähnt, fondern find. im. Gegentheil ſehr wild amd ſcheu 470), 
In dieſem Landſtriche werden Affen verjdyienener Art gefun⸗ 
den und Geier, die fo ſchwarz wie. Raben, außerordentlich 
groß und ganz befonders gut: zur. Beige find... 

Man mug wiflen, daß das, was her die getrockneten Leiber 
fleiner menjhlider Kreaturen, die aus Indien gebradht wer . 
den follen, berichtet wird, ein leeres Märchen iſt; foldhe- vor- 
geblihe Menſchen werben auf biefer Infel in fofgenver Weife 
gefertigt. Es giebt In dem Lande eine Ait yon Affen, bie 
nicht fehr groß find und. ein menſchenaͤhnliches Geſicht haben. 
Die Leute, die ſich damit abgeben, ſie zu fangen, ſcheeren 
ihnen das dem ab und laſſen ee nur um vas ‚Kim und 


Yen befuchten , ſolche Verhaltriſte ſehr Gegiiufgte — gelandet ſei — 

San Jahre: 1286 war der Bericht. bei Hofe eingereicht, daß zu Zaitun 
Schiffe aus neunzig (7) verſchiedenen fernen. Koͤnigreichen won Ceylon, 
Bengalen Malakka, Sumatra eingelaufen wären. R.IV,7AL f.. ° 

469). Der Slaube, daß die Rhinozeroſe das Fleiſch mit ihrer. Zunge 
gerreißen, ift allgemein geweſen vom den * Bagen bes Plinins an bis auf 
die neuere Zeit. M. 

470) Su Polo's Zeiten glaube: man, bob ” wie Asiens Inf 
fü nur von. einer Jungfrau fangen. Bl a 


627 


die anderen Theile, wo es am menſchlichen Körper ebenfalls 
waͤchſt, ſtehen. Cie trocknen fie dann. und praͤpariren ſie mit 
Kampfer und’ anderen Spezereien, und wenn fie dieſe Thiere in 
ſolcher Weiſe zugerichtet haben, . daß fie ganz Fleinen Mens 
ſchen aͤhnlich ‚find, legen. fie viefelben in. hölzerne Kuͤſten und 
verfaufen::fie den Handelsleuten, die fie in alle Welt, vers 
führen. Aber. das ift blos ein: Berrug und. fie verfahren fo, 
wir wir es angegeben haben, und weder: in Indien noch tt 
irgend einem anderen 2ande, mie wild ed auch fei,. find: Pyg⸗ 
maͤen von ſo kleiner Geſtalt, als dieſe Affen: haben, gefun 
den worden. — Da wir genug von dieſem Konigreiche gen 
fagt haben ;. das ſonſt nichts Bemerkenswerthes weiter dar⸗ 
bietet, wollen wir nun von: einem ‚anderen, Namens ESa⸗ 
mara, reden. 3 


— —— — — 
7 * 


Dreizehütes Kapitel 
Bon beim. britten Königreiche, Samara — * 


Wenn man Basma verläßt, fo kommt man, in has 8 

Wr ‚Samara471),. ein anderes von denen, ‚in melde 
pie. Snfel, - getheilt ».ift: In dieſem brachte Vehro Note 
fünf "Monate. zu, währen welchen er. mit feiner Begleis 
tung, ſehr ‚gegen ihrer ‚Aller. Willen, daſelbſt zuruͤckgehal⸗ 
ten, wurde, denn der Wind war ihnen ungünftig und fie mufe 
ten Die. zur Schiffahrt. günftige, Jahreszeit abwarten +72), 
Der Norbſtern iſt hier nit. ſichtbar, auch nicht. die, Sterne, 
die den Wagen“ bilden +73). Die Leute find Cofenanteer, 





a. Eamara N Haren, ie Som. ange; ie, ana: Bote 
ua Daft llegt. 
472) Ich habe dieſe Worie aus ber Lateiniſchen uebeiſebang bie 
hier hezeichnender, iſt als Ramuſio's Text, vervollkändige 
„473) einem nurx fünf GBrad vom Aequator entfernten · Lande Son 
der Polarftern nicht gefehen werden; Dagegen iſt der Wagen oder. ;Miroße 


528 


Eie werden von einem ‚mächtigen Fuͤrſten beherrſcht, der fid 
ſelbſt als Vaſallen des Großlhan bekennt. 

Da es noͤthig war, eine ſo lange Zeit auf dieſer Inſel 
zu verweilen, ließ er ſich mit ſeiner Geſellſchaft, die aus un⸗ 
gefaͤhr zweitauſend Perſonen beſtand, an der Kuͤſte nieder, 
und um ſich gegen die Feindſeligkeit der Wilden zu ſchuͤtzen, 
welche einzeln Herumirrende ergreifen, ſchlachten und freſſen, 
ließ er rings auf der Landſeite einen großen und tiefen Gra⸗ 
ben ausſtechen, ſo daß er auf beiden Seiten in den Hafen 
auslief, wo die Schiffe lagen, und an dem Graben ließ er 
noch mehre Blockhaͤuſer oder Redouten aus Holz, welches das 
Land in Menge darbietet, errichten, und durch dieſe Art von 
Feſtungswerken vertheidigt, erhielt er die Geſellſchaft waͤhrend 
der fuͤnf Monate ihres Aufenthaltes in vollkommener Sicher⸗ 
heit. So groß aber war dad Vertrauen, dad man den Ein 
geborenen eingeflößt hatte, daß fie Lebensmittel und andere 
nothiwendige Dinge, nad) einer mit ‚Ihnen geihloffenen Ueber: 
einfunft, herbeifdafften. 

Kein feinerer Bild für die Tafel kann in irgend einem 
Theile ver Welt gefunden werben, als man hier fängt. Weis 
zen wird hier nicht gebaut, fondern dad Volf Tebt von Reis. 
Eie haben auch feinen Wein, ſondern bereiten aus einer Art 
Baum, welder ver Dattelpalme: gleiht 47%), ein Töftliches 
Setränf auf folgende Weife. Sie fihnelden einen Zweig ab 
und hängen an die Stelfe ein Gefäß, in welches der Saft 
aus der. Wunde träufelt und das ſich im Laufe eines Tages 
und einer Naht füllt. Die Eigenfhaften viefes Trankes find 
fo heilfam, daß er gegen Baferfuht hitft, wie gegen Lungen⸗ 


Baͤr nur einen Theil des Jahres bei Nacht in jenen Gegenden nicht fit: 
bar; Polo mag zu folder Zeit in Sumatra fich aufgehalten haben nad 
daher wahrfcheinlic feine Behauptung, der Wagen ſei auf der Inſel nicht 
zu ſehen. 

474) Dieſe Palme wird in Samatra Anan genannt und iſt der 
borassus gomatus Loreiro's, von Andern mit saguorus pinnatus bes 


zeichnet. - 


529 


und. Zeberleiven. Wenn man flieht, daß dieſe Stämme feinen 
Saft mehr. geben, fo. bewäflert man die Bäume, indem man aus 
dem Fluſſe fo viel Waſſer berbeifhafft, als zu dem Zwecke 
noͤthig iſt, und fit dieſes geſchehen, fo Iäuft ver Eaft wie 
pr .evft  geronnen. ‚Einige Bäume geben rothen, andere wei⸗ 
Bew: Saft. Die Indiſchen Nüffe wachen aud hier von der 
Groͤße eines Manndfopfes und enthalten eine Subſtanz, die 
m und angenehm im Geihmad und weiß wie Mild, ift. 
Die. Höhlung dieſes Fleiſches ift mit einer Flüffigfeit fo klar 
wie MWafier- gefüllt, bie fühl und duftiger und fchmadhafter 
vie Wein oder irgend ein anderes Getränf iſt. Die Eins 
sohner effen Fleiſch aller Art, ‚gutes und ſchlechtes ohne 
Unterſchied. 


— — — — 


- Bierzehnted Kapitel. 


Bon dem vierten Koͤnigrelche, Dragofan genannt. 


Dragojan 75) ift ein Königreih, das von feinem ciges 
ven Fuͤrſten beherrfcht wird und feine befondere Sprache hat. 
Seine Einwohner find roh, verehren Goͤtzen und erfennen die 
Oberhoheit des Großkhan's an. Sie haben folgenden ſchau⸗ 
yethaften Gebrauch, wenn eins der Glieder ver Familie von 
ner Krankheit befallen if. Die Verwandten des Kranken 
chiclen zu den Zauberern, von denen ſie verlangen, wenn er 
ie Zufaͤlle unterſucht hat, daß er die Erklaͤrung gebe, ob det 
Rranfe wieder gefunden werbe oder nicht. Diefe antworten 
nd) der Meinung, die ihnen der böfe Geift eingiebt, ent 
weder, Daß er gefunden werde oder nidt. Wenn bie Ents 


475) Dragojah, in den Italien. Auszügen Deragola, wird von Va⸗ 
entyn und andern Niederländifchen Echriftftellern für Indragiri ober 
Andragiri, ein beträchtlicher Fluß auf der Oftfeite der Infel, gehalten, 
ver, obgleich fehr weit im Süpen liegend, doch von unferem Reiſenden, 
vaͤhrend feines langen Aufenthalts auf der Inſel, beſucht worden fein 


nag. 
34 


530 


ſcheidung dahin lautet, daß er ‚nicht wieder gejund wird, fo . 
rufen die Verwandten gewifle Leute, deren Amt es ift und 
die das Geihäft mit Eicherheit volfführen, dem Leidenden ven 
Mund zu verfhließen, bis er erftidt if. Iſt dieſes geſche⸗ 
ben, fo ſchneiden fie den Leichnam in Etüden, richten ihn 
zum Mahle her, und wenn er fo zubereitet ift, verfammeln 
fid) die Verwandten und efien ihn in feftlichem Zuſammen⸗ 
fein ganz auf und laſſen nit einmal das Marf in ven 
Knochen uͤbrig *76). Würde ein Stüdhen von. dem Leibe 
übrig bleiben, fo wuͤrden Wirmer daraus; dieſe Würmer 
wuͤrden aus Mangel an weiterer Nahrung fterben und ihr 
Tod würde der Eeele des Verftorbenen entfjeglihe Strafe zu 
ziehen. Dann fammeln fie die Knochen, legen fie in Fleine 
zierliche Käften und tragen fie in gewiffe Höhlen in den Ber: 
gen, wo fie fidher gegen die Angriffe wilder Thiere find. 
Wenn fie irgend eine Perfon ergreifen koͤnnen, die nidt in 
ihren Diftrift gehört und Fein Loſegel zahlen kann, ſo toͤdten 
und freſſen ſie dieſelbe. 


— — — — — — 


476) Herodot erzählt von den Maſſageten am Kaspifchen Meere: 
„Wenn einer fehr alt wird, fo Fommen die Verwandten zuſammen und 
ſchlachten ihn, nebſt anderem Dich, Fochen’ ihn, nebſt anderen Bich, 
und efien fein Bleifh; und das gilt bei ignen für eine große Gluͤd⸗ 
ſeligkeit.“ Rennell fagt, diefe Eitte fei noch in Bengalen und andern Ge: 
genden Aſiens herrſchend. S. Bürd Allg. Geſch. der R.n. &, I, 12. — 
Weiter erzählt Herobet von den Paduͤern, einem Indifhen Nomadenvolk, 
daß es rohes Fleiſch verzehre. „Wird einer unter ihnen krank, Mann 
ober Weib, fo verfammeln fich die naͤchſten Freunde, fchlachten ihn, tie 
fehr er fi auch firäuben und feine Krankheit verleugnen mag, und vers 
zehren ihn. Auch fogar die Alten töbten und eflen fie.” Cbend. 19 f. 
Achnliches thun bie Iſſedonen; S. 225. 


31 


Fuͤnfzehntes Kapitel. 
Bon dem fünften Königreiche, Lambri genannt. 


- Zambri277) hat in gleiher Weife feinen eigenen König 
und feine befondere Spradye. Die Leute beten ebenfalld Bögen 
an und nennen fid) Vaſallen des Großkhan's. Das Land 
bringt Verzino (Braftlienz oder Färbeholzbaum) in großem 
Neberfluß hervor und auch Kampfer, mit einer Menge ans 
derer. Spezereien. Eie fäen. eine gewiſſe Pflanze, die dem 
Berzino gleiht, und wenn fie aufidießt, fo pflanzen fie Dies 
felbe qn eine andere Stelle, worin man fie drei Tage Iäßt. 
Sie wird dann bei den Wurzeln herausgeriffen und: als 
Faͤrbeſtoff gebraudt. Marco Polo brachte einigen Eamen 
von biefer Pflanze mit nad; Venedig und fäete ihn daſelbſt, 
aber da das Klima nit warm genug war, Fam feiner das 
von auf. In diefem Königreihe werden Männer gefunden 
mit Schwänzen, die eine Spanne lang und dem eines Hundes 
ähnlich, aber nicht mit Haaren bevedt find t78). Die grös 
Bere Zahl von ihnen ift eigenthuͤmlich gebilvet, doch leben fte nur 
in den Bergen und bewohnen feine Städte. Das Rhinozeros 
ift ein gewöhnlicher Bewohner der Wälder, und ed giebt da⸗ 
felbft aud, alle Arten Wild, Thier und Vogel. 


477) Barbofa zählt die Länder an der Kuͤſte Sumatra’s fo auf: Duya, 
5° 10° nördl. Br., Lambri, Achem, Bier, Pebir, Live, Pereda, Bar 
cem, Baraz, Jambi und Pallınbam. Lambri Tiegt alfo an der Weſt⸗ 
füfte der Infel und tft verfchleven von Jambi, ale welches verfchlevene 
Kommentatoren Lambri angefehen haben. 

478) Diefe Erzählung von Menfchen mit Echwänzen iſt neuerdings 
wieder in Java aufgetaucht, wo man wirffich Menjchen mit einem Auss 
wuchs bes Mfterbeins gefunden haben will. 


532 


Sechszehntes Kapitel. 


Bon dem fechsten Känigreihe, Fanfur genannt, wo man Mehl aus 
Bäumen bereitet. 


Fanfur 79) if ein Königreich derfelben Infel, das von 
feinen eigenen Bürften beherrfdt wird, wo das Volk eben 
falls Bögen anbetet und den Großfhan als Oberherrn an 
erkennt. . In dieſem Theile des Landes giebt es eine At 
Kampfer, der weit vorzüglidher. ift ald irgend anderer; et 
wird Fanfurfampfer genannt und mit Gold aufgerwogen. Es 
giebt da feinen Weizen und auch Fein anderes Korn, jonvern 
die Speife der Einwohner befteht in Reis mit Mildy und 
in dem Weine, welcher in der Weife aus Bäumen gewonnen 
wird, als im Kapitel von Eamara befhrieben worden if 
Sie haben auch einen Baum, von weldhem fie in eigenthüm- 
licher Weife Brod erhalten. Der Stamm tft hoch und fo bid, 
daß ihn kaum zwei Männer umfpannen koͤnnen 880). Wenn 
von diefem die Außere Rinde abgeftreift wird, fo wird bad 
Holz ungefähr drei Zoll did gefunden, und der imnerfte Theil 
ift mit Mark gefüllt, das eine Art Mehl giebt, welches dem 
vom Ahorn +81) bereiteten gleicht. Das Marf wird in mit 
Waſſer gefüllte Gefäße gethan und mit einem Stabe umge 
rührt, damit die Fafern und andere Unreinigfeiten auffteigen 
und die reinen Mehltheile fih am Boden fegen. Iſt dieſes 
gefhehen, fo wird das Waſſer abgegoffen und das Mehl, 
weldyes zurüdhleibt, von allen ungehörigen Zuthaten gereb 


— 





479) Barbofa nennt Kampar am Eingang der Malaffaftrage, und 
Marsden meins, Fanfur bedeute Kampar (welches bie Arabifchen Piloten 
Kanfar ausfprechen würden), das an einem Fluſſe liege, ber in die Ma 
lakkaſtraße fich ergieße. 

480) Der Sagobaum. 

481) In Ramufiv’s Tert ſteht Carvolo, ein Wort, das in ben Wors 
verkhchern nicht zu finden if. Im Portugieſiſchen bedeutet carvalho bie 

iche. 


233 


nigt, wird gebraudt, indem man Kuchen und verſchiedene 
andere Arten Backwerk daraus bereitet. Es gleicht dem Ger⸗ 
ftenbrode und Marco Polo hat davon gegeffen und einiges 
mit nach Venedig gebradt. Das Holz des Baumes, das, 
wie ſchon erwähnt worden ift, ungefähr drei Zoll dick iſt, 
gleidyt dem Eifen darin, daß es, wenn ed ind Wafler gewor⸗ 
‚fen wird, augenblidlid unterfinft. Es kann von einem Ende 
zum anderen lang gejchlifien werben iwie das Bambusrohr 382), 
Die Eingeborenen fertigen kurze Lanzen daraus; wären fie 
fehr lang, fo würden fie fo ſchwer fein, daß man fie nicht 
tragen oder führen koͤnnte. Cie find an einem Ende {darf 
zugefpigt und im Feuer gehärtet, jo daß fie jede Ruͤſtung 
durchbohren fönnen, und find in vieler Beziehung dem Eifen 
vorzuziehen. — Nun haben wir genug über dieſes König- 
reich, einen von den Theilen der Infel, gefprodhen. Don den 
anderen Königreichen, die den übrigen Theil ausmachen, wol- 
[en wir nichts fagen, weil Marco Polo fie. nicht beſuchte. 
Wir gehen weiter und wollen zunaͤchſt eine kleine Inſel, die 
Nokueran heißt, beſchreiben. | 


Siebenzehntes Kapitel. 
- Don ber Inſel Nofueran. | 


Wenn man Java (minor) und das Königreich Lambri 
verläßt und ungefähr hundertundfuͤnfzig Meilen weiterfegelt, 
fommt man an zwei Infeln, von denen- eine Nofueran, bie 
andere . Angaman heißt. Nofueran +93) wird von feinem 


. — — 
— e— — 


4 Marsden fat; daß Polo. fi irre; das harte und ſchwert Seh, 
aus welchem man die Lanzen bereite, fei nicht das des Eagobaums, der 
ein ganz .anderes Gewebe habe, fondern der Stamm einer anderen Pals 
me, die von ven Einwohnern Eumatra’d und Java's nibong und von den 
Naturforfchern caryota urens genannt werde. 

483) Eine von den Nigobartfchen Infeln, welche von den Arabifchen 


534 


Könige regirt und die Bewohner find von dem Zuſtande ver 
Thiere wenig entfernt; alle, Männer und Weiber, gehen nadt 
und haben feinen Theil des Körpers bevedt. Eie find Gögen- 
anbeter. Ihre Wälder find voll der edelſten und Föftlichften 
Bäume, fo wie der weißen und rothen Sandelbaͤume, welde 
die Indiſchen (Kokos⸗) Nüffe tragen, und Gewürznelfen- und 
Färbeholzbäume, außer welchen fie viele verſchiedene Speze⸗ 
reien haben. Weiter vorwärts jchreitend, wollen wir von 
Angaman reden. 


Achtzehntes Kapitel. 


Don der Infel Angaman. 


Angaman #84) ift eine fehr große Infel, die von Feb 
nem Könige beherrſcht wird. Die Einwohner find Goͤtzendiener 
und ein fehr viehifdhes Gefhleht; fie haben Kopf, Augen 
und Zähne ganz wie die Hunde. Eie find graufam von 
Natur und tödten und frefien alle die, welche nidt- von ih 
rem eigenen Wolfe find, veren fie habhaft werden Tonnen, 
Ihre Nahrung befteht in Reis, Milch und Fleiſch jeder Art. 
Sie haben Indifhe Nüffe, Paradiesäpfel 35) und viele am 
dere Früchte der Arten, welche in unferem Lande wachſen. 








Reifenden im neunten Jahrhundert unter dem Namen Negebalus erwähnt 
werben. Odoardo Barbofa (1516) nennt die Infel Nauafar; drei biefer 


. Snfeln bilden nach ihm den fiherften Hafen Indiens. 


484) (ine der Andamaninfeln auf der Oftfeite des Bengaliſchen 
Meerbuſens. R. H. Colebrooke (Asiat, Res. IV, 389) fchilvert die Bes 
wohner als eines der rohften Voͤlker auf der Welt. 

485) Unter den pomi paradisi ift ber Pifang, musa Barack 
Linn, , zu verfiehen. M. 


935 


Neunzehntes Kapitel. 
Bon der Infel Zeilan. 


Wenn man die Infel Angaman verläßt und in etwas 
ſuͤdlicher Richtung nad) Weſten tauſend Meilen weit ſegelt, 
fo zeigt ſich die Inſel Zeilan. Dieſe iſt gegenwärtig bei ih— 
rer Groͤße in allen Verhaͤltniſſen die beſte Inſel der Welt. 
Sie hat zweitauſendundvierhundert Meilen im Umfange *86), 
aber in alten Zeiten war ſie noch groͤßer, denn da maß ſie 
volle dreltauſendſechshundert Meilen, nach dem, wie wir es 
auf den Karten finden, welche im Beſie der Schiffer dieſer 
Meere ſind. Aber die Nordwinde, welche mit ungeheurer 
Gewalt daherſtuͤrmen, haben die Berge zernagt und muͤrbe 
geniacht, ſo daß dieſe an einigen Theilen zuſammengeſtuͤrzt 
und in die See gefallen ſind, und die Inſel hat deswegen 
nicht mehr ihre urſpruͤngliche Geſtalt behalten 287). Sie 


Pr Die Inſel Zeylen hat 1250 Quadratmeilen Inhalt und. eine 
Kuͤſtenumſaͤumung von 160 Laͤngemeilen. R. 

487) Die fruͤhere Vermuthung, als ſei das alte Taprobane, nach 

den Angaben der Alten, namentlich des Ptolemaͤus, durch den ihr Flaͤ—⸗ 
chenraum wenigſtens um das Zehnfache vergrößert wurde, wirklich von 
größerem Umfange gewefen, als das jetzige Zeylon, aber durch .eine Nas 
turbegebenheit zerftört und verfleinert worden, hat von Hoff (Gefch. der 
natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche I, 84-91) In feiner fo lehr⸗ 
‚weichen ‚wie meifterhaften Unterſuchung ſchon gründlich in fo weit wider: 
legt, daß eine folche auf feinen Fall innerhalb der Hiftorifchen Zeit ſtatt⸗ 
finden ‚mochte. Die Betätigung derſelben Bermuthung, welche M. Polo 
befiimmt ausfprach (Isola di Zeilan- che anticamente era maggiore),. 
hatte derfelbe, wie er felbit jagt, nur aus den Seekarten dortiger Schiſſe 
entnommen ; follten dies aber nicht die Arabifchen Kopien ver Ptolemaͤi⸗ 
ſchen Karten Agathodaͤmon's gemwefen fein? an welche fich leicht jene eins. 
heimiſche Sage von zernagenden Norbiwinden (Tramontana) anſchließen 
£onnte. Ob füch dieſes etwa nur fpeziell auf Die Zerftörung der Telsriffe 
der Adamsbruͤcke durch den heftigen. N. O. Mönfun und die dadurch bes. 
wirkte heftige Brandung beziehen foll, Iaffen wir auf fich berufen, da 


936 


wird von einem Könige beherrfcht, ver Eandernaz heißt #88), 
Die Bewohner find Gögenanbeter und find unabhängig von 
allen anderen Staaten. Männer und Frauen gehen nadt 
und haben nur ein Tuch um den mittleren Theil ihres Leis 
be3 gejhlungen. Sie haben fein anderes Korn als Reis 
und Eefam, aus welhem Iegieren fie Del bereiten. Ihre 
Nahrung befteht in Milch, Reis und Fleifh und fie trinfen 
den Wein, der von Bäumen abgezogen wird, wie wir ſchon 
beichrieben. haben. Hier giebt es das beſte Sappan- (Färbe:) 
Holz (Verzino), weldes man nur finden kann. Die Inſel 
bringt fhonere und Foftbarere Rubinen vor, ald man in iv 
gend einem anderen Theile der Welt finden kann, und auch 
Eafire, Topafe, Amethyfte, Granaten und viele andere Föft 
liche Edelſteine. Der König ſoll den größten Rubin beſitzen, 
den man je gefehen hat; er ift eine Epanne lang und arm 
did, glänzt über alle Maßen und hat feinen einzigen Fleden. 
Er glüht wie Feuer und ift fo Foftbar, daß man feinen Werth 
nah Geld gar niht fchägen Ffann. Der Großkhan Kublai ' 
fhidte feine Gefandte an diefen König mit dem Verlangen, 
daß er ihm den Beſitz dieſes Rubins abtreten möge, er folle 
den Werth einer Stadt dagegen erhalten. Die Antwort bes 
Königs aber Tautete fo, daß er ihn nicht um alle Schäge 
der Welt verfaufen würde; auch koͤnnte er ihn unter keiner 


— 


dieſe Gegend der Sitz unzähliger Sagen und Babeln durch alle Zeiten 
geworben ff. Ritter VI, 17. 

488) Wohl Chandra nas, ein Titel der Panduiden, ber Monddyna⸗ 
ftien, wie in Sandrafottus u. a., f. Ritter ITI, 986, 1065. 1071, V, 480, 
und Bürd A. ©. d. R. I, 430 f. Marsven bemerkt zu dieſer Etelle, 
daß diefer zwar nicht der König von Kandy oder’ Zentralzeylon, doch ein 
Fürft der Weftfüfte der Inſel geweſen fein müfle, wahrfcheinlich in einen 
Gebiete, in welchem Hindu’s vom Gegengeflave, aus Pandion's Neid, 
oder Malabaren fich angeſiedelt hatten und bie Herrfchaft befaßen. Solche 
Epur ältefter Hinduanſiedlung, welche der Arabifchen lange vorherging, 
ift vor biefer erſt nach nnd nad in Dumfel zurüdgetreten. Ritter IV, 
59, vergl. überhaupt Nitter’s Deihreibung von- Seylon in. Dem genam⸗ 
ten Banbe. 





337 


Beringung aus feinem Reiche gehen lafien, weil er ein Jus 
wel ei, das ihm von feinen Vorfahren auf dem Throne 
vererbt worden. Deshalb konnte der Großkhan den Stein 
nicht erlangen. Die Einwohner dieſer Infel find durchaus 
nicht kriegeriſch, ſondern im Gegentheil feig und furdtfam, 
und. wenn einmal Soldaten nöthig find, ſo werben fie aus 
anderen Laͤndern der Nahbarihaft von den Carazenen ges 
holt #89). 


Zwanzigſtes Kapitel. | 
Don der Provinz Maabar. on 


Wenn man die Infel Zeilan verläßt und ſechszig Mei⸗ 
. Ien in weſtlicher Richtung weiterſegelt, ſo gelangt man zu 
der großen Provinz Maabar #90), die fein Eiland, fondern 


489) Die Moplay Araber oder Mapilli auf Malabar; ſ. Ritter V 
586, 642. 

4090) Ramuſio hat irrthuͤmlich Malabar anſtatt Maabar, welches er 
für eine Korrupzion angeſehen haben mag, das aber richtig in der Basler 
und den beiven älteren Lat. Ausgaben fteht. 

"EI Maabar {ft ein Arabifches Wort, Trajectus, hier die Küfte der 
Anfuhrten an ver Eee von Oman, welches zur Zeit der erfien Mahomes 
tanerbofuche an dieſen Kuͤſten (feit dem achten Jahrhundert n. Chr.) der 
allgemein gebräuchliche Rame war, ber auf ben flarfen Verkehr zwiſchen 
Indien und Arabien hindeutet, der ſich hier entwidelte. El Maabar iſt 
naͤmlich die ganze Weſtkuͤſte Dekan’s von Kambaya fünwärts- bis Kap 
Komorin (Komhari bei Itn Batuta) und. die Arabifche Bezeichnung, wos 
son die einheimtfche Benennung Malabar (Malayala), die mit jener nicht 
zu verwechfeln, nur ven fühlichen Theil ausmacht; von 12° IN. Br. 
vom Chandraghiriberge und Fluß mit dem gleichnamigen Fort, fübmärts 
Mangalore, beginnt erſt das eigentliche Nalayala oder Malabar, das aher 
auch wohl norbwärts bis Bombay ausgedehnt wird.. So fagt Ritter V, 583. 
Allein Marsden weift nah, dag Maabar, welches Durhfahrt, Fähre, 
Sort, Trajectus beventet, eine Benennung war, die von den Mahome⸗ 
tanern dem, was wir die Tinevelly, Madura nnd’ vielleicht Tanjoreländer 


538 


ein Theil des Feſtlandes von Oftindien ift, wie es genannt 
wird, weil ed das adeligfte und reichſte Land der Welt if. 
Es wird von vier Königen regirt, von denen der vornehmfte 
Sender-bandi heißt. In feinem Reihe ift eine Perlenfiſcherei 
in der Einbucht eines Meerbufens, der zwiſchen Maabar und 
der Infel Zeilan liegt, wo das Waſſer nit mehr als zehn 
bis zwölf, an einigen Stellen nur zwei Faden tief if. Die. 


nennen, gegeben werben, von ihrer NachFarfchaft, wie es fcheint, zu ben 
Sandbaͤnken und Korallenriffen ver Rama’s oder Adamsbruͤcke. Diefe Be: 
nennung wird jetzt nicht mehr gebraucht, aber in den Werfen alter Orien⸗ 
taliſcher Schriftfteller und Hiftoriker, die über diefen Theil Indiens gehan⸗ 
delt haben, gefunden. „Commemorät ol Canum“, fügt Abulfeda in ber 
Ueberfeßung von Reisfe, „urbem Indicam, nomine Mandari, et ait esse 
urbem inter emporium et trajectum (al Mabar) ad insulam Sarandib,“ 
und weiter „Tertiam Indiae provinciam recensebat al Mabar (seu tra- 
jectum) cuins initium incidat in locum, tribus aut quatuor. diebus ab al 
Caulam in orientem remotum.“ Diefe Unterſcheidung der Länder Mods 
bar und Malabar tft Ausführlich von S. De Sacy auseinandergefeht wors 
den, welcher bemerkt: „Marco Bolo unterfcheivet deutlich Malabar, weldes 
er Melibar nennt, von Mabar,” „und weiter: „Was das Wort Mabar 
anlangt, fo hat man gezweifelt, ob es ein Arabifches Wort ober eine Abs 
Anderung bes Judiſchen Namens Maravar wäre; ba dieſes Wort aber 
ein ain in fi fchliept und außerdem eine rein Arabiiche Form hat, fo 
betrachte ich es al8 gewiß, daß es diefer Sprache angehört.‘ Relation 
de l’Egypte Notes p. 112, 113. Aus diefen Zeugnifien, wie aus Polos 
Mittneilungen geht mir hervor, daß unter Manbar weder bie Suͤdweſt⸗ 
kuͤſte, noch die Süboftküfte allein, fondern die ganze große Suͤdſpitze Je 
diens zu verftehen fei, welche von ven Arabern fleißig beſucht wurde und 
wo fie Nieberlafiungen begründeten, Malabar aber mag einen Theil davon 
ausgemacht haben. Witter fagt auch V, 606: Maabar, d. i. Weſtkuͤſte 
Malabar, durch das Binnenland bis zur Oſtkuͤſte Koromandel, wo Mas 
dras liegt, weil diefe ganze Breite, über welche fich die Tamulifche Spras 
che ausbreitet, bei ven Hindugeografen die Provinz Dravidadeſa if. — 

Ich gebe Polo’s Befchreibungen von Indien ohne weiteren ausführlichen 
Kommentar, da fie faft durchweg an und für fich ganz verftänplich find und 
Indien für uns doch fchon zu den befannteren Ländern gehört, Anmer⸗ 
ungen und DBergleiche aber zu Polo’s Worten leicht fehr umfangreid 
werben: würden; nur bie nöthigfien Bemerkungen werde ich hier und da 
no, ‚beifügen. 


. 539 
Fiſcherei wird in folgender Weiſe betrieben: ine Anzahl 
Kaufleute bilden fi zu verſchiedenen Kompagnien und nehs 
men viele Schiffe und Boote von verſchiedener Größe, bie 
wohlnerfehen mit Grundtafelwerf find, fo daß fe fiher vor 
Anker liegen können. Sie miethen PBerfonen und nehmen fie 
mit fi, die wohlerfahren find in der Kunft nad den Mus 
ſcheln, in denen die. Perlen enthalten find, zu fifchen. Dieſe 
bringen fie in Eäden aus Netzwerk, die fie um ihre Leiber bes 
feftigt haben, herauf und dann fteigen fie von Neuem hinunter, 
fommen wieder auf die Oberfläche empor, wenn fie nicht läns 
ger den Athem halten können, und taudhen nad einem furs 
zen Zwifchenraume wieder unter, und das thun fie den gan⸗ 
zen Tag und- häufen eine Maffe von Mufcheln auf, die hins 
reichend wäre, alle Länder zu verforgen. Der größere Theil 
der Perlen, die man durd die Fiſcherei in dieſem Meerbufen 
erhäft, ift rund und fhimmernd.. Die Etelle, wo die Mus 
fheln in größter Zahl gefunden werden, heißt Betala, an 
der Küfte des Feftlandes, ‚und von da breitet ſich die Fiſcherei 
ſechszig Meilen nad; Suͤden aus, und da in dieſen Meers 
buſen große Fiſche Fommen, die fih den Tauchern gefährlid 
zeigen, fo führen die Kaufleute Zauberer mit fi, Die zu der 
Klafje der Brahmanen’ gehören, weldye vermöge ihrer hoͤlliſchen 
Künfte die Gewalt haben, : diefe Fiſche ſo zu zwingen ‚und 
zu fihreden, daß fie fein ‚Unheil anrichten Tonnen, und weil _ 
die -Filcherei nur am Tage ftaftfinvet, fo. löfen fie den Zaus 
ber. bei Abend, damit unehrliche Leute, welche fi, verfucht 
fühlen möchten, bei. Nacht zu tauchen und die Mufcheln zu 
fehlen, durch die Furcht vor dieſen raubgierigen Thieren da⸗ 
von abgefchredt werden mögen. Die Magier find zugleich 
tief erfahren in der Verzauberung aller Arten. Thiere und 
aud Vögel. . Die Fischerei beginnt im April und dauert bie 
zur Mitte Mai. Das Privilegium, fie zu betreiben, wird 
vom Könige gepachtet, dem man, nur den zehnten Theil des 
Ertraged abgiebt; den Magiern geben fie den zwanzigften 
Theil, und folgli haben. fie ſelbſt einen beträchtlichen Gewinn. 


540 


FR die oben angegebene Zeit beendet, fo werben feine Mu- 
ſcheln mehr gefunden, und die Schiffe werden dann an einen 
anderen Pla geführt, der volle breihundert Meilen von diefem 
Plage entfernt ift, wo ſich die Leute im Eeptember niederlaſſen 
und bis zur Mitte Oftober gefiiht wird. . Außer dem Zehn 
ten von den Berlen nimmt der König alle die Muſcheln, 
die groß und wohlgebilvet find, in Anfprud, und da er fehr 
gut dafür bezahlt, fo bringen ihm die Kaufleute dieſelben 
jehr gern. 


Die Bewohner dieſes Landſtriches gehen immer nadt, aus 
fer daß fie die Theile des Körperd bedecken, wo es bie 
Scham gebietet, und der König geht wie die Anderen. Aber 
er zeichnet‘ fidh ehrenvoll aus durch verſchiedene Schmuckſachen, 
wie z. B. durch ein Halsband, das mit Föftlichen Eteinen, 
Emaragven und Rubinen von ungeheurem Werthe befeht if. 
Auch hat er um den Hals hängend und bis zur Bruft rei 
hend eine fhöne feivene Schnur, welde hundertundvier große 
und ſchoͤne Perlen und Rubine enthält. Der Grund viefer 
befonderen Zahl ift, daß er nad) den Regeln feiner Religion 
fo vielmal täglidy ein Gebet zu Ehren feiner Götter wieder 
holen muß, und das beobadjteten die Könige, feine Vorfah—⸗ 
ren. Das täglidie Gebet befteht in den Worten: - „px 
cauca, pacauca, pacauca,‘* das wiederholen fte einhunberb 
undviermal. Um jeden Arm trägt er drei: goldene Armbaͤn⸗ 
der, die mit Perlen und Juwelen gefhmüdt find, an brei 
verſchiedenen Theilen feines Beined goldene Bänder, die in 
demfelben Maße verziert find, und an feinen Fußehen wie 
an feinen Fingern Ringe von unſchaͤtzbarem Werthe. Fuͤr 
diefen König ift es freilich ein leichtes Ding, foldye koͤnigliche 
Zeichen zu tragen und fo viel Glanz zu entfalten, da. bie 
föftlichen Ehelfteine und die Perlen alle die Erzeugniſſe fer 
nes eigenen Lande3 find. Er hat zum Wenigften tauſend 


.541 


Frauen und Kebsweiber, und wenn er ein Weib ſieht, deſſen 
Schoͤnheit ihm gefällt, fo giebt er. ſogleich ſein Verlangen 
fund, es zu befigen. Auf dieſe Weije eignete er fid) das 
Weib feines Bruders zu, der ein Fluger und verftänbiger 
Mann war und fi beftimmen ließ, die Sache nit zu eis 
nem Gegenftande des Etreited zu machen, obgleidh er vers 
fchievene Male auf dem Punkte war, zu den Waffen zu grei» 
fen; aber ihre Mutter trat ihnen entgegen, zeigte ihre Brüfte 
und fagte: Wenn Streit fi zwiſchen eudy erhebt, fo reiße 
ich augenblicklich dieſe Brüfte, die euch ernährt haben, von 
meinem Leibe. Und dabei blieb die Eadıe. 

Der. König hat um feine Perſon viele Ritter und Edel⸗ 
leute und die nennen ſich die Treuen des Koͤnigs in dieſer 
Welt und in der anderen. Dieſe bedienen den Koͤnig bei 
Hofe und reiten mit ihm aus; ſie ſtehen immer um ihn und 
wenn er ausgeht, begleiten ſie ihn. Sie uͤben große Gewalt 
in jedem Theile des Koͤnigreichs aus. Wenn der Koͤnig 
ſtirbt und fein Leichnam verbrannt. wird, ‚dann ſtuͤrzen ſich 
alle dieſe treuen Diener freiwillig in die Flammen und. wers 
den verbrannt, um ihn in die andere Welt zu begleiten. 

Auch folgende Gewohnheit herrfcht bei ihnen. Wenn ein 
König ftirbt, fo greift der Sohn, welder ihm nadjfolgt, den 
Schatz, den Jener aufgehäuft hat, nit an, im Glauben, daß. 
es ein übles Licht auf fein Regirungsgeſchick werfen wuͤrde, 
wenn er, im vollen Beſitze der Laͤnder, nicht im Stande waͤre, 
den Schatz zu bereichern, wie es fein Pater gethan. In 
Folge dieſes Vorurtheils glaubt man, daß durch die Koͤnige 
in dem Palaſte ungeheure Reichthuͤmer von Alters her auf⸗ 
gehaͤuft worden ſeien. 

Da in dieſem Lande keine Pferde erzeugt werden, ſo ge⸗ 
ben der Koͤnig und ſeine drei Bruͤder jaͤhrlich große Eum: 
men Geldes aus, um fie von ben Kaufleuten von Ormus, 
Diufar, Peer und Adem*91) zu Faufen, welche fie hierher 


491) Die in der Lateinifchen Weberfegung aufgezählten Hafen find - 


542 


zum Verkaufe führen und durch dieſen Handel reich werben, 
da fie bis zu fünftaufend herbeibringen und für jedes von 
ihnen fünfhunvert Goldſaggi erhalten,. was hundert Mat 
Silber gleih ift, und da nad) Verlauf ded Jahres nicht drei⸗ 
hundert leben geblieben, weil, wie man glaubt, fie. Feine recht 
geeignete Leute haben zu ihrer Fuͤhrung ober ihnen vie ges 
eigneten Arzneimittel zu geben, fo müflen fie jährlich wieder 
durd andere Pferde erfegt werben... Aber meine Meinung 
if, daß das Klima des Landes der Bferderace ungünftig if, 
daher werden fie nicht im Lande erzeugt und iſt es fo ſchwer, 
fie zu erhalten. ALS Futter geben fie ihnen mit Reis ge 
kochtes Fleifh. Eine große Etute, die von einem fchönen 
Hengfte belegt wird, bringt nm ein kleines ſchlecht - geftalte 
tes Füllen hervor, das verdrehte Beine hat und zum Reiten 
untauglich iſt 492). 

Folgender ſonderbarer Gebrauch herrſcht noch in dieſem 
Reiche. Wenn ein Mann, der ein Verbrechen begangen hat, 
weshalb er verurtheilt und zum Tode geführt wird, ‚feine Bes 
reitwilligfeit erklärt, fich felbft zur Ehre irgend eines Goͤtzen zu 


Eurmos, EHifi, Durfar, Eer und Even. Weber Enrmos, Hormnz oder 
Drmuz, wie über Adem, Eden oder Aden tft Hier nichts weiter zu fagen 
nöthig: Chiſi iſt Kts oder Kes, eine Infel im Perfifchen Meerbufen, von 
welcher I, 7 nnd Ann. 62 die Rede gewefen tft. Dinfar und Becker, 
welche in der Basler Ausgabe Durfar und. Eer heißen, fcheinen dieſelben 
Piäge wie Escier und Dulfar des 41. und 42. Kap. d. B. zu fein und 
fönnen als die Etädte Schähhr und Durfär an der Arabifchen Kuͤſte, oͤſt⸗ 
lich von Aden, angenommen werben. M. 

492) Suͤdwaͤrts der Mahratten, verfichert Ir. Buchanan (Journey etc, 
I, 121 u.a. O.), felen durch ganz Dekan, Mafffoore, wie Malakar, die 
Pferde nur von fehlechtefter Race, Hein, häplich und voll Mängel, daher 
re Ravalferie von Hyder Al und Tippo Saib immer in fehlechtem Stand 
gewefen. Die Einfuhr war von jeher doppelter Art; zu Lande von Bers 
fien und Turfeftan oder Bochara her, und zu Wafler von den Arabern, 
und auf diefem Wege wurbe die einheimifche Race veredelt oder bie 
fremde einheimifch gemacht. — Auch heute muß bie Kavallerie der Bri⸗ 
ten in Madras, wie in Bombay, von Arabern und dem Perfiſchen Golf, 
bie in Bengal von Kabul aus verforgt werben. Ritter V, 900 f. 


343 


opfern, ſo ſetzen ihn ſeine Verwandte und. Freunde augen. 
blicklich in einen Wagen und geben ihm zwoͤlf gut gehaͤrtete 
und geſchaͤrfte Meſſer. So fahren fie ihn durch die Stadt 
und rufen mit lauter Stimme, daß dieſer brave Mann ſich 
in freiwilligem Tode aus reinem Eifer für die Ehre des 
Goͤtzen opfern will. Eobald er an den Platz kommt, wo der 
Spruch des Geſetzes an ihm wäre vollzogen worden, ergreift 
er zwei non ben Meſſern und ruft aus: „Ich opfere mid 
felbft zu Ehren dieſes und dieſes Goͤtzen!“ ſtoͤßt fi ſchnell 
eins in jede Hüfte, ergreift die anderen, ftößt eins in jeden 
Arm, zwei in den Bauch und zwei in die Bruſt. Nachdem 
er fih auf: dieſe Weife alle Mefler,. mit Ausnahme eines 
einzigen, in verfchievene Theile feines Leibes getrieben, indem 
er bei jever Wunde die erwähnten Worte ausgerufen hat, 
ftößt er fi das lette in das Herz und giebt: jogleidy feinen 
Geiſt auf. Darauf verbrennen feine Verwandten den Leid 
nam mit großer Freude und Luſt, und fein Weib, aus Liebe 
zu ihrem Gatten, ftürzt. fi in ven Sceiterhaufen und ver⸗ 
brennt mit ihrem Manne. Die rauen, welde das thun, 
werben gerühmt von den anderen Leuten, und diejenigen, welche 
es nicht thun, werden verachtet und geſchmaͤht. 


Die Bewohner dieſes Reiches beten Goͤtzen an und vor⸗ 
zuͤglich den Ochſen, denn dieſer, ſagen ſie, ſei heilig, und ſie koͤn⸗ 
nen durch nichts in der Welt bewogen werden, ſein Fleiſch 
zu eſſen. Aber da giebt es eine beſondere Klaſſe von Mens 
fhen, die Gavi genannt werden #93), welche, obgleid fie 
fein Fleiſch eſſen, doch das Thier nicht zu toͤdten wagen. 
Wenn ein Ochſe entweder eines natürlichen Todes oder auf 
andere Weife ftirbt, fo eſſen die Gavi von ſeinem Biete, 





493) Das it, wie auch Mareden bemerft, die verachtete Rute ber 
Barin. 


u 544 


und alle Leute beſchmieren ihre Häufer mit Kuhduͤnger. Diele 
Leute haben die Gewohnheit, fih auf die Erde auf Teppiche 
zu fegen, und wenn fie gefragt werben, warum fle auf biefe 
Weiſe fipen, fo antworten fie, daß auf ber Erve zu fihen 
ehrenvoll fei; denn da wir aus der Erde gefommen find, fo 
werden wir zur Erde wieder zurüdfehren; Keiner kann ihr 
Ehre genug erweiſen und Keiner follte die Erbe verachten. 
Diefe Gavi und ihr ganzer Etamm find die Nachkommen te 
rer, welche den heiligen Apoftel Thomas erſchlugen, und be& 
halb kann Keiner von ihnen in ein Gebäude treten, wo ber 
Leichnam des gefegneten Apoftels ruht, felbft wenn man zehn 
Leute braudyen wollte, ihn zur Stelle zu führen; er wir 
durch übernatürlihe Gewalt von dem ‚heiligen Körper zurüd 
getrieben. Ä 

Das Land bringt Fein anderes Korn hervor als Reis 
und Eefam. Die Leute gehen mit Schild und Lanze in bie 
Schlacht, aber ohne Bekleidung, und find ein verächtlid uns 
friegerifhes Geſchlecht. Sie tödten Fein Vieh und Feine Art 
Thier zu ihrer Speife, fondern wenn fie Fleiſch von Schafen 
over anderem Vieh oder von Vögeln eſſen wollen, fo rufen 
fie die Sarazenen herbei, die nicht unter dem Einfluffe ber 
felben Gefege und Gewohnheiten find, das für fie zu thun. 
Männer und Frauen wafhen zweimal des Tages ihre Leis 
ber in Wafjer, am Morgen und am Abend. Bevor biefe 
Abwaſchung nicht flattgefünven hat, eſſen und trinfen fie nicht, 
und die Perfon, die ſolchen Brauch vernadyläffigt, wird ale 
ein Ketzer betradıtet.. Man muß wiflen, daß fie beim Eſſen 
ſich der rechten Hand bedienen und ihre Nahrung nit mit 
der linken berühren. Für jedes reinlihe und ſaubere Werk 
brauchen fie die Rechte, und die Linke verwenden fle zu ben 
niedrigen Gefhäften der Reinigung und zu anderen Dingen, die 
zu den thierifchen Verrichtungen gehören. Sie trinfen aus 
einer befonderen Art Gefäße; Jedermann hat- fein eigenes 
und bedient ſich nie des Trinkgeſchirrs eines Anveren. Wenn 
fie trinfen, jo führen fie das Gefäß nit zum Munde, for 


945 


dern..halten ed über: den Kopf und gießen es in den Mund 
und berühren das. Geſchirr durchaus nicht. mit den Lippen 
Henn fie einem. Fremden zu trinken reichen, fo geben fie ihm 
ihr Gefäß nicht in die Hand, fondern, :wenn. er fein eigenes 
mit fi. führt, gießen. fie ihm ben. Wein ober anderes Ges 
traͤnk in feine Hände, aus denen trinkt er. wie aus einem 
Becher. 

In diefem Lande herrſcht die groͤßte und frengite Ger 
rechtigfeit und jeded Vergehen wird ſchwer geahndet. Was 
die Schuldner anlangt, fo herrſcht folgender Brauch. Wenn 
die Mahnung zur Zahlung vom Gläubiger wiederholt ges 
macht worben iſt und. der Schuldner ihn von einer Zeit zur 
anderen durch -trügerifche Verſprechungen binhält, fo kann ber 
Erftere ihn fahnden, indem er einen Kreis um ihn zieht, aus 
dem er nicht zu treten wagt, bis er feinen Gläubiger befrier 
digt, entweder durch Bezahlung oder indem er ihm eine ans 
gemejjene Eicherheit giebt. Sollte er verſuchen zu entjliehen, 
fo madyt er fi der Todesſtrafe ſchuldig, als Einer, der die 
Regeln ver. Gerechtigkeit. verlegt hat. Zur Zeit, da Meſſer 
Marco Molo bei feiner Heimkehr in diefem Lande. weilte, 
war er Augenzeuge eined merkwürdigen . Verfahrens ſolcher 
Art. Der König fchuldete einem gewiſſen fremden Kaufmanne 
eine: Summe Geldes und obgleih oft um Zahlung angegan- 
gen, hielt er ihn body lange Zeit mit eitlen Verſicherungen 
hin. Als der König eines Tages zu Pferde ausritt, nahm 
der Kaufmann die Gelegenheit wahr und. befhrieb eineh Kreis 
um ihn und fein Pferd. Sobald der König fah, was ger 
ſchehen, hielt er an und ritt nicht weiter und bewegte. fidy 
aud) nicht eher von der Etelle, ald bis die Forderung - des 
Kaufmanns vollfommen befriedigt war. Die Umſtehenden ja» 
hen mit Verwunderung, was da vworging, und fagten, daß 
Das ber gereihtefte König fei, der ſich felbit den Gefegen der 
Geredhtigfeit unterwerfe. 

Diefe Leute enthalten fich de Weins, der aus Trauben 
bereitet wird, und ſollte ein Mann entberft werben, der: fots 

35 


546 


hen. tränfe, fo würde fein Zeugniß bei Gericht nichts gelten. 
Ein aͤhnliches Vorurtheil beficht gegen. die,. welche Die See 
befahren, denn das, meinen fie, Finnen nur verzweifelte Leute 
fein und fie koͤnnen nicht als Zeugen zugelafien werben. Eie 
halten ausfchweifenben Umgang mit Frauen für Fein Lafter. 
Die Hide im Lande ift außerorventlid groß unb deshalb 
gehen die Einwohner nadt. Es regnet dort nicht, außer in 
den Monaten Juni, Juli und Auguft, und wenn die Luft 
nicht während dieſer drei Monate durch Regen abgekühlt 
wirbe, fo würde man da gar nicht leben koͤnnen. 

Es giebt in diefem Lande viele Männer, die erfahren 
find in einer Wiſſenſchaft, Fiſionomia genannt, welche bie 
Ratur und Eigenfhaften eines Mannes kennen lehrt und eb 
fie gut oder bofe find, und das erfennen fie gleich, ſobald 
fie den Mann oder das Weib fehen. Cie wiffen aud, mad 
ed zu bebeuten hat, wenn man einem Thiere ober Vogel de 
gegnet. Diefe Leute winmen dem Fluge der Vögel mehr Auf 
merffamfeit als irgend andere Menſchen in der Welt und fs 
gen daraus Gutes und Böfes wahr. In jedem "Tage da 
Woche ift eine Stunde, die fie als unheilvoll betrachten, un 
dieſe nennen fie Choiad) 394); fo zum Beifpiel am Montag 
die Stunde mezza terza, am Dienflage die terza, am Mit 
woch die nona495), und in dieſen Stunden madıen fie fein 


y 


494) Choiach iſt ſicher ein fehr forrumpirkes Wort, das wir ad 
-. den barbarifchen aftrologifchen Bezeichnungen des fuͤdlichen Indiens urichi 
herauszuſtnden vermögen. 
495) Durch Gewohnheit wurde der gewoͤhnliche buͤrgerliche Tag ia 
zwölf Tagess und ebenfoviel Nachtſtunden getheilt und in verfchiebenn 
Einnden ded Tages verrichtete man die. Gebete, wie heut zu Tage in in 
Kapiteln der Domlirche. Prima beieie man um die erfie Stunde ki 
Tages, terza in ber dritien, sesta um Mittag und nona um brei Uhr 
Nachmittags. Co fiel mezza terza zwifchen die erfte und bie brille 
Stunde. Boccaccio fagt (Gior. V. Nov. 3.) „Perche entrati in ir, 
nella mezza terza vi gimmsero.“ Auch Dante bediente fich dieſer Art, 
bie. verſchiedenen Tageszeiten auszudruͤcken: 


347 


Einfäufe. und. verrichten ‚Beine Art Geſchaͤfte, denn. fie. ſind 
überzeugt, daß biefe feinen Erfolg haben würden. In gleider 
Meife beſtimmen fie hie Eigenſchaften eines jeden Tages durch 
Das ganze Bahr, Die in ihren Buͤchern aufgeſchrieben und: ans 
gemerkt find. Sie beftimmen die Tagesftunde nach der Länge 
des Schattend eines Mannes, wenn er aufredt ſteht. Wenn 
ein Kind geboren wird, ſei es ein Knabe oder ein Maͤdchen, 

ſo zeichnet ber. Vater ober. die Mutter den Tag der Woche, 

an welchem die Geburt ftattfand, .auf, auch den Mondwechſehk, 

in welchem es gefchehen, ven Namen des Monats und. bie 
Stunde... Das. gefchieht,; weil alle Fünftigen Handlungen ih⸗ 
res Lebens durch die Aſtrologie geleitet werden. Sobald ein 
Sohn das Alter von dreizehn Jahren erreicht, ſo wird er 
feiner Freiheit uͤberlaſſen und er iſt nicht laͤnger mehr ein 
Inſaſſe in ſeines Vaters Hauſe. Da geben ſie ihm in ih— 
rem Gelde etwa zwanzig bis vierundzwanzig Grot. Mit die⸗ 
ſem Gelde halten ſie ihn fuͤr befaͤhigt, ſeinen eigenen Lebens⸗ 
untexhalt zu erwerben, wenn er irgend ein Handelsgeſchaͤft 
unternimmt und daraus Gewinn zieht. Dieſe Knaben wer 
ven nicht müde, den ganzen Tag: umberzulaufen und ‘eine 
Saache an einem Plage zu faufen und an einem anderen Blake 
wieder zu verkaufen. . In der Zeit, wo die Perlenfiſcherei 
vor fih geht, gehen fie. zur Bai und Faufen von ven Fiſchern 
oder von anderen Leuten fünf, ſechs oder mehr Perlen, nad) ih⸗ 
ren Mitteln, bringen fle dann zu Kaufleuten, bie. wegen der 
Sonnenhitze in ihren. Häufern bleiben, , und ſagen zu..ihnen: 
Dieſe Perlen haben uns fo viel gefoftet; bitte, .gieb und fo 
viel: Gewinn als du für gut findef. Die Kaufleute geben 
dann etwas Aber: den Preis, zu weldhem Iene fie erhalten 
haben; Auf dieſe Weife machen die Knaben es auch mit 
anderen Gegenftänden und werden auögezeihnete und jehr 


un „ Porse gei mila miglia di lmtann  . 1: 
Ci ferve Pora sesta‘ (oder Mittag). tn, 
. Parad, Cant. 0: —. B. 8; 


35 * 


548 


Muge Hanbelöleute. Wenn das Geſchaͤft für den Tag vor 

über ift, fo bringen fie die Lebensmittel, die zu ihrem Mahle 

nöthig fin, zu ihren Mättern und dieſe kochen fie für bie 

Knaben, die niemals etwas auf ihres. Vaters: Koften eſſen. 
4. 

Richt allein in dieſem Königreihe, fondern durch ganz 
Indien find alle Thiere und Voͤgel ganz unähnlid denen in 
unferem Lande, .mit Ausnahme ver Wachteln, Die ganz ben 
unferigen gleihen. Die anderen find ſehr verfchieven.. Es 
giebt da Flevermäufe fo groß wie Geier und Geier fo ſchwarz 
wie Raben und noch weit größer als unfere #96). ie fin 
außerordentlich fehnell im Fluge und verfehlen nie, ihren Bo 
gel zu greifen. 

In den Tempeln ber Bewohner giebt es viele Goͤtzen, 
die fie als maͤnnliche und weibliche. Geſtalten darſtellen, 
und dieſen weihen Väter und Mütter ihre, Toͤchter. Sind 
diefe jo geweiht, fo muͤſſen fie, wenn der. Priefter ihre 
verlangt, zur Verehrung der Gögen erſcheinen, und bei folk 
hen Gelegenheiten kommen fie fingend -und Inſtrumente ſpie⸗ 
lend und erhöhen bie Seftlidjett durch ihre Gegenwart. Dieſe 
jungen Maͤdchen find fehr zahlreich und ‚bilden große Bar 
den297). Verſchiedene Male in der Woche bringen fie bem 
Bögen, deſſen Dienfte fie geweiht find, ein Opfer in Spei⸗ 
fen, und an diefem Mahle, fagen fie; nimmt ver. Göße Thal. 
Zu dem Zwede wird ein Tifdy vor denfelben geſetzt und auf 
biefem läßt. .man bie Epeifen eine volle Stunde ftehen, wäh 
rend welcher die Maͤdchen nicht aufhören’ zu fingen, zu ſpie⸗ 
len und in lüfternem Tanze ſich zu bewegen. Das bauert 


496) Erſteres iſt vespertilio vampyrus L., deren Fligel ausgebrei⸗ 
tet vier Fuß meſſen; letzteres iſt „le ventour royal de Pondicheri, dont 
le dos, le ventre, les ailes et la queue sont noirs.“ Sonnerat t. IL 
p. 182. — M. 

497) Bajaberen ‚ober Devadafi, wie wohl miht noͤthig iſt zu bemerfen. 


549 


fo lange, als ein Mann von Stand Zeit zu feinem Mahle 
verwenden wiirde. Sie erflären dann, daß der Geift des 
Goͤtzen zufrieden ift mit dem Antheile an der aufgetragenen 
Mahlzeit und fegen ſich felbft um ven Tifh und’ verzehren, 
was darauf fteht; darauf gehen fie eine jede nach Haufe. 
Als Grund, warum diefe Maͤdchen fih verfammeln und. die 
angegebenen Zeremonien yollführen, wird Folgendes angegeben: _ 
Die Briefter. erflären, daß der Manngöge aufgebracht und ers 
grimmt gegen die Fraugoͤtze iſt und Feine Vereinigung mit 
ihr haben, auch nicht - einmal mit ihr reden will, und Daß, 
wenn feine Maßregeln ergriffen würben,- Friede und. Cinigs 
keit. zwiſchen ihnen: herzuftellen, das ganze Klofter zu Grunde 
gehen würde, da ihnen. bie Gnade und ber Segen der Gott⸗ 
heiten vorenthalten. würde. Deshalb verlangen fie, daß 
die Geweiheten nadt erfcheinen, nur--mit einem Buche ums 
gürtet, und daß fie-jo dem Gott und der Göttin Hymnen 
fligen. Dieſe Leute glauben, daß Erſterer fich mit kebierer 
after erfreut. 

Dieſe Leute haben eine Art Bettſtelle oder Huͤtte von 
fehr leichtem Rohrwerke, das ſo kuͤnſtlich zuſammengefuͤgt iſt, 
daß, wenn ſie darauf ruhen oder ſchlafen wollen, ſie die Vor⸗ 
haͤnge rings um ſich dicht verſchließen koͤnnen, indem ſie an 
einer Schnur ziehen. Das thun ſie, um ſich vor den Taranteln 
zu ſchuͤtzen, die ſehr ſchmerzhaft beißen, als auch um Fliegen 
und anderes Gewuͤrm abzuhalten, waͤhrend zu gleicher Zeit 
die Luft, die doch ſo noͤthig iſt, die ungeheure Hitze zu mil⸗ 
dern, nicht ausgeſchloſſen iſt 298). Solche Bequemlichkeiten 
genießen jedoch nur Perfonen von Rang und Vermögen, Ans 
dere von. der nieveren Klaffe liegen’ auf der offenen. Straße, 


— 





. 498) Was. Pelo hier beſchreibt, iſt der Musquitovorhang, der aus 
einer Art Sage gebildet und fo dicht iſt, daß er Muͤcken und andere flies 
gende Inſekten nicht hineinlaͤßt. Die Taranteln und Mürmer, welche in 
‚Ramufio’s. (aber nicht im Lateinifchen) Texte erwähnt werden, find wohl 
in der Einbiloung irgend eines der erſinderiſchen Ueberſetzer unſeres wu 
tors entfiauben. M. on , 


550 


In diefer Provinz Maabart+99) befindet ſich der Leid 
nam des glorreihen Märtyrers, des heiligen Thomas, bes 
Mpoftels, welcher vafelbft das Maͤrtyrerthum erduldete. Er 
ruht in einer Fleinen Stadt, die von wenig SKatıfleuten be 
ſucht wird, well fie Ihrem Handel wenig Tarbietet 500); aber 
in Artdadit kommen eine große Menge Chriſten und Sarazenen 
hierher. Die Lepteren betradıten ihn als einen großen Profeten 
und nennen ihnen Ananias, wad einem heiligen Mann be 
deutet. Die Ehriften, welche hierher pilgern, fammeln Erde 
von der Etelle, wo er erfhlagen wurde, die vor rother Farbe 
tft, und nehmen fie ehrfürdtig mit ſich fort; ſpaͤter wenden 
fie dieſelbe oft zur Verrichtung von Wundern an und geben 
fie, in Waſſer aufgeloͤſt, den Kranken, wodurch manches Ge 
brechen geheilt: wird. Im Jahre umferes ‚Seren 1288 wollte 
ein mächtiger Fürft: des Landes, der zur: Erntejeit eine un 
geheure Menge Reis aufgehäuft und nicht genug Kornboͤden 
hatte, wo · er alles unterbringen : konnte, das gerveihte Haus, 
weldyes zu der Kirche des heiligen Thomas gehörte, zu dem 
Bwede benugen. Da das gegen den "Willen der Kirchen⸗ 
pfleger war, fo baten ſie ihn, doch nicht in dieſer Weiſe :ein 
Gebäude in Beihlag zu nehmen, welhes: zur Aufnahme ver 
Pilger diene, welche kommen, ven Leichnam dieſes glorreicen 
Heiligen zu beſuchen. Demungeachtet beharrte er Hartnädig 
Darauf. Im der folgenden Naht erfchlen ihm der "heilige 
Apoſtel in’ einem Geſichte, in der einen Hand eine Fleine 
Lanze, die er mad ver Kehle des Könige richtete, und fogte 





49099 Seite San Thomẽ, nahe im Gäben des hentigen Mabras, wo 
die antike chriſtliche Kirche noch ſteht, in der Noͤhe des alten Mailapur. 

500) Aus dieſer Sielle geht hervor, daß Polo ſich das Koͤnigreich 
Maabar vom aͤußerſten Süden ber Halbinſel der Koromandelkuͤſte, fo weit 
die Tamulfprache herrſcht (vergl. Anmerf. 490), was er ein Wenig nor 
waͤrts von Madras ſetzt, ausgedehnt dachte. Die Bat; Ueberſetzung ſpricht 
hier von einem Königreich Bar oder Vaar als ‚einen Theil von Maabar. 
Wenn das eine urſpruͤngliche Unterfcheidung -tft, To mag fle fich auf das 
feine Territorium Marawar, am füdlichen Ende der Halbinfel, beziehen. R. 


954 


za ihm: „Wenn bu nicht augenblicklich mein Haus, welches 
du in Beſchlag genommen haft, raͤumſt, jo werbe idy. Did 
elendiglich ſterben laſſen.“ Der Kürft erwachte in heftiger 
Unruhe, gab ſogleich Befehl zu dem, was von ihm verlangt 
wurde, und erklaͤrte offentlid),. daß. ex den Apoftel in einem 
Geſichte erblict habe. Eine‘ Menge von Wundern gefchehen 
da täglich. durch die Vermittelung bed gefegneten ..Helligen. 
Die Chriften, welche die Pflege der Kirche Haben, - befiben 
Wälder von den Bäumen, welche vie Indiſchen Nüffe tras 
gen, und daraus ziehen: fie die Mittel zu ihrem Ilnterhalte: 
Als einenZoll zahlen fie einem ber koͤniglichen Brüder mo⸗ 
natlich einen Grot für jeden Baum. Es wird erzählt, daß 
der Tod dieſes hochheiligen Apoftels. in folgender Weiſe flatt- 
fand... Er lebte in einer Einfievelei, wo er. dem Beten obs 
lag, und war von vielen Pfauen umgeben, welcher Vogel in 
diefem Lande in Menge zu finden iſt; da fam ein Gögen- 
diener vom Stamme der Gavi, von dem wir fchon gerevet 
haben, des Weges und bemerkte den heiligen Mann nicht, 
ſchoß einen Pfeil nad) einem Pfau und traf den Apoftel in 
bie Seite. Da fid der Heilige ‚verwundet. fah, hatte er nur 
noch Zeit, Goti für alle feine Gnade zu danfen und empfahl 
im feine ‚Hände, feinen Bee). 

-801) Die Anfiedelung der Syriſchen Chriſten in der Suͤdſpitze von 
Bekan, welche durch ihre hundert Kirchen laͤngs. dem Geſtade die Portu⸗ 
gleſen bei ihrer erſten Eroberung daſelbſt in Erſtaunen ſetzten, deren ſtarke 
BSopulazloni, an 200,000, erſt ſeit 1806 durch CI. Buchanan im Gebiete 
Son: Tranvankore wieder entdeckt: warb, gehört: ihrem Entſtehen nach ik 
die. fruͤheſten Jahrhunderte nach Chrkſti Geburt. X. Neander (Allg. Geſch. 
ver chriſil. Relig. u. Kirche, I. 1, 119) Sagt: Die Syrifch Berfifche alte 
, Wbeißerigemielnde anf ver Kuͤſte von Malaber in Oflindien leitet bekaunt⸗ 
Ag: ihren Arſprung von dem Apoſtel Thomas "ab; wenn gleich wir die 
gehen beſtimmten Spuren -von- blefer Gemeinde nicht fruͤher als um die 
Sitte‘ des sechsten Iahthunderts bei Cosmas Indieopleuſtes finden." Doch 
Achon Gregotins von Nazianz, in den letzien Zeiten des vierten Jahrhunderté, 
ſagt, Orat,25, daß Thomas in Indien dad Evangelium verkuͤndigt Habe. 
Man ſehe weiter Ritter N, 601.5; über. die Ei. Thomaochriſten in Indien. 





R 
— 


548 


Muge Handelöleute. Wenn das Beihäft für den Tag vor 

über ift, fo bringen fie die Lebensmittel, vie zu’ ihrem Mahle 

nöthig fing, zu ihren Muͤttern und dieſe kochen fie für bie 

Knaben, die niemals etwas auf ihres. Baters Koften efien. 
4. 

Richt allein in dieſem Königreiche,. fondern durch ganz 
Indien find. alle Thiere und Voͤgel ganz unaͤhnlich denen in 
unferem Lande, .mit Ausnahme der Wachteln, die ganz den 
unferigen gleihen. Die anderen find jehr . verfchieden.. . Es 
giebt da Flevermäufe ſo groß wie Geier und Geier fo ſchwarz 
wie Raben und nody weit größer als unfere #96). Cie fin 
außerorventlih ſchnell im Fluge und verfehlen nie, ihren Be 
gel zu greifen. 

In den. Tempeln der Bewohner giebt es viele. Goͤtzen, 
die fie als maͤnnliche und weibliche Geſtalten darſtellen, 
und dieſen weihen Väter und Mütter ihre, Töchter. Sind 
diefe fo geweiht, fo muͤſſen fle, :wenn der Prieſter ihre 
verlangt, zur Verehrung der Goͤtzen erſcheinen, und bei ſol⸗ 
den Gelegenheiten kommen fie fingend -und Inſtrumenie ſpie⸗ 
lend und erhöhen die Seftlichfett durch ihre Gegenwart. .Diefe 
jungen Maͤdchen find fehr zahlreich und ‚bilden große Bar 
den+9T). Verſchiedene Male in der Woche ‚bringen fie dem 
Bögen, deſſen Dienfte fie geweiht find, ein Opfer in Spei⸗ 
fen, und an diefem Mahle, fagen fie; nimmt der Göge Theil. 
Zu dem Zwede wird ein Tiſch vor denſelben gefegt und auf 
biefem läßt. man die Epeifen eine volle Stunde ftehen, wäh 
rend welcher die Maͤdchen nicht aufhören’ zu fingen, zu ſpie⸗ 
len und in luͤſternem Tanze ſich zu bewegen. Das dauert 


496) Erſteres iſt vespertilio vampyrus L., deren Flugel ausgebrei⸗ 
tet vier Fuß meſſen; letzteres iſt „le ventour royal de Pondicheri, dont 
le dos, le ventre, les ailes et la queue sont noirs, “ Sonnerat t IL 
p. 182. — M. 

497) Bajaveren ‚ober Devadafi, wie woht nicht nötig {ft zu bemerfen. 


549 


fo lange, ald ein Mann von Stand Zeit zu feinem Mahle 
verwenden wuͤrde. ie erflären dann, daß der Geiſt des 
Goͤtzen zufrieden iſt mit dem Antheile an der aufgetragenen 
Mahlzeit und fegen ſich felbft um den Tiſch und verzehren, 
was darauf ſteht; darauf gehen fie eine jebe nad Haufe. 
Ald Grund, warum diefe Maͤdchen fid, verfammeln und. die 
angegebenen. Zeremonien yolführen, wird Folgendes angegeben. _ 
Die Briefter: erklären, daß ver Manngöpe aufgebradht und ers 
grimmt gegen bie Fraugdpe it und feine Vereinigung mit 
ihr haben, auch nit einmal mit ihr reden will, und Daß, 
wenn feine Maßregeln ergriffen würden, Sriede und Cinigs 
keit zwiſchen ihnen herzuſtellen, das ganze Kloſter zu Grunde 
gehen wuͤrde, da ihnen die Gnade und der Segen der Gott⸗ 
heiten vorenthalten wuͤrde. Deshalb verlangen fie, daß 
die: Geweiheten nadt erfcheinen, nur: mit einem Tuche ums 
gürtet, und daß fie ſo dem Gott und der ©öttin Hymnen 
fingen. Dieſe Leute glauben, daß Erfterer fih mit Letzterer 
fter erfreut. 

Diefe Leute haben eine Urt Bettftelle oder Hütte von 
fehr leichtem Rohrwerke, das fo kuͤnſtlich zufammengefügt ift, 
daß, wenn fle darauf ruhen oder ſchlafen wollen, fie die Vors 
Hänge. rings um ſich dicht verfchließen Tonnen, indem fie an 
einer Schnur ziehen. Das thun fie, um ſich vor den Taranteln 
zu Ihügen, die fehr ſchmerzhaft beißen, als aud um liegen 
und. andered Gewürm abzuhalten, während zu gleicher Zeit 
die Luft, die doch fo nöthig ift, die ungeheure Hige zu. mils 
dern, nicht ausgeſchloſſen it +92). Solche Bequemlichkeiten 
genießen jevoh nur Perfonen von Rang und Vermögen, Ans 
dere von ber nieveren Klaffe liegen auf der offenen ‚Straße, 


—— 


498) Was Polo Hier beſchreibt, iſt der Musquitovorhang, der aus 
einer Art Gaze gebildet und fo dicht iſt, daß er Muͤcken und andere flies 
gende Inſekten nicht hineinläßt. Die Taranteln und Würmer, welche in 
Ramnfio’s (aber nicht im Lateintfchen) Terte erwähnt werben, find wohl 
in ver Einbilvung irgend eines der etſinderiſchen ueberſeber unſeres Au⸗ 
tors entſtanden. M. 


546 


hen tränfe, fo würbe fein Zeugniß bei Gericht, nichts gelten. 
Ein aͤhnliches Vorurtheil befteht gegen. die,. welche die See 
befahren, denn das, meinen fie, Einnen nur verziveifelte Leute 
fein und fie fonnen nicht als Zeugen zugelafien werben. Eie 
halten ausſchweifenden Umgang mit rauen für Fein Lafter. 
Die Hige im Lande ift außerordentlid groß . und deshalb 
gehen die Einwohner nadt. Es regnet dort nicht, außer in 
den Monaten Juni, Juli und Auguft, und ‚wenn die Luft 
nicht während .viefer prei Monate durch Regen abgekühlt 
wiürbe, fo wuͤrde man. da gar nidyt leben koͤnnen. 


Es giebt in diefem Lande viele Männer, die erfahren 
find in einer Wiſſenſchaft, Fiſionomia genannt, welche bie 
Natur und Eigenfhaften eines Mannes kennen Iehrt und ob 
fie gut oder böfe find, und das erfennen fie gleich, ſobald 
fie den Mann oder das Weib fehen. Cie wiffen auch, mas 
ed zu bedeuten hat, wenn man einem Thiere oder Vogel de 
gegnet. Diefe Leute widmen dem Fluge der Vögel mehr Auf 
merffamfeit als irgend -andere Menſchen in ver Welt: und fe 
gen daraus Gutes und Böfes wahr. In jedem Tage der 
Woche ift eine Stunde, die fie als unheilvoll betradyten, und 
diefe nennen fie Choiach +94); fo zum Beifpiel am Montage 
die Stunde mezza terza, am Dienflage die terza, am Mitt 
woch die nona 295), und in biefen Etunden machen ſie keine 


— — — —— 3 


494) Choiach iſt ſicher ein fehr korrumpirtes Wort, das wir au 
.. ven barbarifchen aftrologifchen Bezeichnungen bes fuͤdlichen Indiens nicht 
herauszufinden vermoͤgen. 

45) Durch Gewohnhelt wurde ber gewoͤhnliche buͤrgerliche Tag in 
woͤlf Zagess und ebenſoviel Nachtſtunden getheilt und in verfchiebenen 
Stunden des Tages verrichtete man die Gebete, wie heut zu Tage in ben 
Kapiteln der Domkirche. Prima betete man um die erſte Stunde iii 

. Tages, terza in ber dritten, sesta um M ittag und nona. um prei Uht 
Nachmittag. Eo fiel mezza terza zwifchen die erſte und die hrike 
Stunde. Borcaccio fagt (Gior. V. Nov. 3.) „Perch& entrati in in, 
wella mezza terza vi gimnsero.“ Auch Dante bebiente no dieſer Art, 
bie. verfchienenen Legtezeuen anszudruoͤcken .. 


347 


Einfäufe. und verrichten ‚Beine Art Gefchäfte, denn fie. find. 
überzeugt, daß dieſe feinen Erfolg haben würden. In gleicher 
Weiſe beſtimmen ſie Die Eigenschaften. eines jeden Tages burd 
" das ganze Jahr, die in ihren Buͤchern aufgefchrieben und: ans 
gemerkt find. Sie beftinmen die Tagesſtunde nad) der Länge 
des Schattens eined Mannes, wenn er aufredit ſteht. Wenn 
ein Kind geboren wird, ſei es ein Knabe oder ein Maͤdchen, 
ſo zeichnet der Vater ober. die Mutter den Tag der Mode, 
an weldem die Geburt ftattfand, auf, auch den Mondwechſel, 
in welchem es gefchehen, den Namen des Monats und. die 
Stunde. Das gefchjeht, weil ae Fünftigen Handlungen ih⸗ 
res Lebens durch ‚Die Aftrologie geleitet werben. Sobald ein 
Sohn das. Alter von dreizehn Jahren erreicht, fo wird ex 
feiner Freiheit überlaflen. und er ift. nicht länger ‚mehr. ein 
Sufaffe in feines Vaters Haufe. Da geben fie ihm in ihs 
rem Gelde. etiwa zwanzig bis vierundzwanzig Grot. Mit die- 
fem Gelde balten fie ihn. für befähigt, feinen eigenen Lebens» 
unterhalt zu erwerben, wenn er irgend ein Hanbelsgefchäft 
unternimmt und daraus Gewinn zieht. Dieſe Knaben wer 
ven nicht: müde, den ganzen Tag. umberzulaufen und eine 
Sache an einem. Plage zu Faufen und an einem anderen Platze 
wieder zu verfaufen. . In der Zeit, wo die Berlenfiicherel 
* ſich gebt, gehen fie. zur Bai und kaufen von ven Fiſchern 
yon ‚anderen Leuten fünf, ſechs oder. mehr Perlen, nach ih⸗ 
ven. —— bringen ſie dann zu Kaufleuten, die wegen der 
Sonnenhitze in ihren Haͤuſern bleiben, und ſagen zu ihnen: 
Dieſe Perlen haben uns fo viel gelkoſtet; ‚bitte, gieb uns: fo 
viel Gewinn als du für gut findef. Die Kaufleute geben 
dann etwas Aber. den Preis, zu weldhem Iene fie erhalten 
haben; Auf dieſe Weife maden die Knaben. es auch mit 
anderen Gegenftänden und werden auögezeihnete und jehr 


.„ Foxse sei mila. miglia di lmtann ... ! 2 5! 
Ci ferve Pora sesta““ (ober Mittag). - 
. Parad. Cant. 2: — B. 8 
35 * 


550 


In diefer Provinz Manbart99) befindet ſich der Reid 
nam bes glorreihen Märtyrers, des heiligen Thomas, des 
Apoftels, welcher dafelbit das Maͤrtyrerthum erduldete. Er 
ruht in einer Fleinen Stadt, die von wenig Kaufleuten be⸗ 
ſucht wird, weil fie ihrem Handel wenig Tarbietet 500); aber 
in Andacht kommen eine große Menge Chriften und Sarazenen 
hierher. Die Letzteren betrachten ihn als einen großen Profeten 
und nennen ihnen Ananias, was einem heiligen Mann be⸗ 
deutet. Die Chriſten, weiche hierher pilgern, ſammeln Erde 
von der Stelle, wo er erſchlagen wurde, die von rother Farbe 
iſt, und nehmen fie ehrfürdtig mit ſich fort; „Später wenden 
fie diefelbe oft zur Verrihtung von Wundern an und. geben 
fie, in Waffer aufgelöft, der Kranfen, wodurch mandjes Ge 
bredjen geheilt: wird. Im Jahre unſeres Herrn 1288 wollte 
ein mächtiger Fürft des Landes, der: zur Erntezeit eine um 
geheure Menge Reis aufgehaͤuft und nicht genug: Kornboͤden 
hatte, wo er alles unterbringen: konnte, Das“ geweihte Hau, 
weldyes zu der Kirche des heiligen Thomas gehörte, zu dem 
Zwecke benutzen. Da das gegen den "Willen der Kirchen⸗ 
pfleger war, fo baten ſie ihn, doch: nicht in dieſer Weiſe ein 
Gebäude in Beſchlag zu nehmen, welches: zur Aufnahme der 
Pilger diene, welche kommen, den Leichnam dieſes glorreichen 
Heiligen zu befuchen. . Demungenchtet beharrte er hartnädiz 
barauf. In der folgenden Nacht erſchlen ihm der heilige 
Apoſtel in einem Geſichte, in der einen Hand eine kleine 
Lanze, die er mad ber. Kehle des Königs richtete und ſagie 





499) Heute San Thom! , nahe im’ Gäben des hentigen Mabras, wo 
die antike chriſtliche Kirche noch ſteht, in der Naͤhe des alten Mailapur. 
500) Aus dieſer Sielle geht hervor, daß Polo ſich das Koͤnigreich 
Maabar vom aͤußerſten Suͤden der Halbinſel der Koromandelkuͤſte, fo weit 
die. Tamulſprache herrſcht (vergl. Anmerk. 490),- was er. ein Wenig nord⸗ 
waͤrts von Madras feht, ausgedehnt dachte. Die Rat. Beberfegung ſpricht 
er von eindm Königreich Bar over. Baar als seinen Theil von Maabat. 
Wenn das eine-urfprängliche Unterſcheidung iſt, ſo mag ſte ſich auf das 
leine Territorium Marawar, am fühlichen Ende der Halbinfek, deziehen. N. 


558 


za ihm: „Wenn du nidt augenblidlid, mein Haus, welches 
du in Beſchlag genommen haft, räumft, fo werde ich Did 
elenviglidy fterhen. laſſen.“ Der Kürft erwachte in heftiger 
Unruhe, gab ſogleich Befehl zu dem, was von ihm verlangt 
wurde, und erflärte oͤffentlich; daß. er den Apoftel in einem 
Geſichte, erblidt habe. Eine Menge von Wundern gefchehen 
da täglich. durch die Vermittelung . bes. gefegneten . Heiligen. 
Die Ehriften, welche vie Pflege der Kirche. haben, beſitzen 
Wälder von den Bäumen, welche die Indiſchen Nuͤſſe tras 
gen, und daraus ziehen: fi bie Mittel zu ihrem Unterhalte. 
Als einenZol zahlen fie einem der Föniglihen Bruͤder mo— 
natlidy einen Grot für jeden Baum. Es wird: erzählt, daß 
der Tod dieſes hochheiligen Apoftels. in folgender Weiſe ſtatt⸗ 
fand. Er lebte in einer Einfievelei, wo er. dem. Beten obs 
lag, und war von vielen Pfauen umgeben, welcher Vogel: in 
diefem Lande in Menge zu finden iſt; da Fam ein Goͤtzen⸗ 
diener vom Stamme der Gavi, von dem wit fdhon gerebet 
haben, des Weges und bemerkte den heiligen Mann nicht, 
ſchoß einen Pfeil nad einem Pfau und traf den Apoftel in 
bie Seite. Da ſich der ‚Heilige verwundet fah, hatte er nur 
noch Zeit, Goti für alle feine Gnade zu danlen und empfahl 
in ſeine ‚Hände, feinen Geiſt⸗oa). 


— mi 


601) Die Anfiedelung der Syriſchen Chriſten in der Suͤdſpitze von 
Defatt, welche durch ihre hundert Kirchen laͤngs dem Geſtade die Portu⸗ 
gleſen bei ihrer erſten Eroberung daſelbſt in Erſtannen ſetzten, deren ſtarke 
Populazion, an 200,000, erſt ſeit 1806 durch CT. Buchanan im Gebiete 
von’ Tranvanfore wieder entdeckt Ward, gehört Ihrem Entſtehen nad ih 
die früheften Jahrhunderte nach Chriſti Geburt. A. Neander (Allg. Geſch. 

vor rl. Relig. u. Ricche, 1. 1, 314) jagt: Die Syriſch⸗ Perſiſche alte 
Chriſtengemeinde anf der Kuͤſte von Malabar in Oſtindien leitet bekannt⸗ 
Tich ihren Urſprung von dem Apoſtel Thomas "ab, wenn gleich wir die 
gehen boſtimmden Spuren von dieſer Gemeinde nicht fruͤher als: um die 
Mirte des fechsren Jahthunderts bei Cosmas Iudicopleuftes finden." Doch 
Ichon Gregotius von Nazianz, in den Tepten Zeiten des vierten Jahrhunderts, 
fügt‘; Orat. 28, daß Thomas in Indien das Evangelium verkuͤndigt Habe. 
Man ſehe weiter Nitter U, 601.5. Aber die Ei. Thomaschriſten in Indien. 





302 


Obgleich tie Eingeborenen viefed Landes. ſchwarz find, 
werben. fie Doc nicht fo dunkel geboren, als ſie es fpäter 
durch Fünftliche Mittel werben; denn ſte halten Die Schwänze 
für die Vollendung der Schönheit. Zu dieſem Zwecke reiben 
fie dreimal jeves Tages. die Kinder Über ‚und: aber mit. Er 
ſamoͤl ein. Ihre Gottheiten: ſtellen fie ſchwarz dar, aber. den 
Teufel malen fie. weiß und. verſtchern, daß alle boͤſe Geifter 
diefe Farbe. haben. Diejenigen unter ihnen, . welche dem Odh— 
fen Verehrung erweifen, :fihren, wenn fir in Die Schlacht zie⸗ 
hen, einige Haare..eined wilden Stierd. mit. fih, welde fie 
an die Mähnen ihrer Pferde. befejtigen, und glauben, daß 
die Tugend und. Wirkſamkeit derjelben eine ſolche ſei, daß 
Jedermann, der fie bei ſich fuͤhrt, fiher vor allen: Gefahren 
iſt. Deshalb wird. das. Haar. des. wilden Stiers in dieſen 
Laͤndern zu hohen Preiſen verkauft. 


.. ⸗ 
nu 0 ⁊* 


Einunvbzwanzighes Kapitel 
| Bon bem Königreich, Muri ober Morſul. | 


Das Königreid Murfili 502) it das, in welches man 
kommt, wenn man das Koͤnigreich Maabar verläßt und fünf 


. 502) Purfilt ober Monſul (vielleicht Monſal) hait Mareden für 
Muchli⸗patan oder, wie es gewöhnlicher genannt wird, Mafulipatam, ds 
es nicht ungebräudlich fei, dag der Name ber Hauptſtadt für den bes 
Bandes, gefeht werde; es gehört zu dem, was eine Zeit Jang das König 
zeig Goleonda und in noch Alteren Zeiten. Telingena genannt wurde. 
Malte» Brun. glaubt, daß Polo ‚von Golconda rede, was Reich des 
Glfenbeins bedeute, Balvelfi dagegen nimmt mit Bewißheit. an, daß Polo 
von bem berühmten Neiche Oriſſa fpreche. Die Bortugiefen fanden zu per 
‚gelt ihrer Grokerungen bie Küfte von Koromandel bis nach Bengalen nar 
son zwei Königen beherrfcht, von Dem von- Narfinja ober Bisnagor (dem 
Maabar Polo’s) und dem. von Oriſſa; jenes erſtreckt fird bis zum 17. Grad 
und diefes beginnt daſelbſt. Ueber. Oriſſa ſ. Ritter VI, 630 ff- — Ich bes 

merle hierzu, noch, daß Polo nur, ganz. ing Allgemeinen und nach Hören 


d08 


hundert Meilen nah Mitternaht zu zieht. eine Einwoh> 
ner beten Bögen an und find unabhängig. von jeder anderen 
Macht. Sie leben von, Reis, Fleifh, Fiſchen und Früchten. 
In den Bergen dieſes Koͤnigteichs werden Diamanten gefun⸗ 
den. Waͤhrend der Regenzeit ſtuͤrzen die Waſſer in heftigen 
Stroͤmen durch die Felſen und Höhlen, und wenn dieſe fi 
geſetzt haben und verflofien find, gehen die Leute. aus: und 
ſuchen Diamanten. in den Betten der Sluͤſſe, wo fie. deren 
viele finden... Wan erzählte Meſſer Maxco Polo, daß. im 
Sommer, wo die Hitze unerträglich. ift und es nicht reg⸗ 
net, .fie herabfteigen. von. ven Bergen mit. vielen Beſchwerden 
und großer: Gefahr ‚wegen der Unmaſſe von Schlangen, die 
fie. da heimſuchen. ‚Nahe am Gipfel: follen "tiefe Thaͤler voll 
Schluchten, und mit Abgründen ‚umgeben. fein,. worinnen bie 
Diamanten: gefunden ..werben,. und hier machen viele Adler 
und weiße Stoͤrche, die von den Schlangen herbeigezogen wer⸗ 
den, welche ſie gern verzehren, ihre Neſter. Die Leute, welche 
auf das Suchen der Diamanten ausgehen, ſtellen ſich an den 
Muͤndungen der. Höhlen oder Schluchten auf und. werfen da 
Stuͤcke Fleiſch hinab, welche die Adler. und Etoͤrche in bie 
Thaͤler hinunter verfolgen und dann mit ſich zu den Gipfeln 
ber Selfen: fuͤhren. Da:.hinauf ſteigen die Leute ſogleich, treir 
ben die Voͤgel fort: und‘ wenn fie; die. Fleiſchſtuͤcken aufheben, 
finden fie oft Diamanten, die. daran ſtecken. Sollten die. Adler 
das Fleiſch ſchon verfhlungen. haben, fo wachen die Leute bei 
ihrem Horſt während. der Nacht, und am Morgen: finden fie 
die Steine’ unter dem Unraihe, den jene haben herunterfallen 
faffen 903). .: Ir. diefem Lande fertigen fie die feinften Baum⸗ 
mwollenzeuge, die i in. Indien gefunben werden. en. im 





.. fagen von dem Sande al⸗ einem ſehr bergigen redet, in weichem viele 
‚Diamanten gefunden werben, und. daß feine allgemeine. Veſchreihena wohl 
auf das durch ſeine Diamanten beruͤhmte Golconda paßt. 

.... 508) Das iſt eine Sage, die von dem, Indiſchen Berglande in Indien 
fowohl,. ala. im. Driente ganz allgemein war; eg iſt dieſelbe, bie wir in 
ham Mönchen von Faufend. ah. Bing Nacht yon, Eludbad ‚graäßlt fnbsn, 


654 


 Zweinnbzwangigftes Kapitel” n 
Bu Bon ber Provinz Lak, Sur ober Kar. u 


Wenn man den Platz verläßt, wo der glorreiche Npoftel 
St. Thomas ruht, und; gegen: Untergang zieht, kommt man 
in die Provinz‘ Lak 804), aus welcher die Draminen, bie 
über ganz Indien verbreitet find, ihren . Urſprung herleiten. 
Das find. die beften und. ehrenwertheften Kaufleute, die man 
finden fann. » Durdy nichts Fonnen fie veranlaßt werben, eine 
Unmwahrheit zu fagen, ſogar wenn ihr- Leben davon abhängen 
foltte. Sie haben auch einen Abſcheu gegen Raub und Ent 
wenden fremden Gigenthums und find fehr keuſch und zufrieden 
im Beige nur. eines Weibes. Wenn ein frember Kaufmann, 
der unbefannt mit den Gebraͤuchen des Landes: ift, mit: er 
nem von biefen Leuten befaunt wird und deſſen „Händen die 
Beiorgung feiner Gefhäfte anvertraut,: fo bewahren die Bra 
minen feine Güter, verfaufen und ‚geben redlich Rechenſchaft 
über ‚den. Fortgang des Handels, wobei fie auf das Emfigfte 
auf den Vortheil des Fremden Adıt haben und ‚Feine Beloh— 
ung für ihre Muͤhe verlangen, wenn der Eigenthümer ih 
nen nicht von freien Stüdeh eine dankbare Gabe reicht: Sie 
eften Fleiſch und trinken den Wein des’ Landes, doch . töbten 
fie ſelbſt fein Thier, fondern laſſen das von“ ben Mahome 
tanern thun. Die Braminen. tragen ein gewiſſes Keunzeichen 
nuͤmlich eine dicke baumwollene Schnur, die uͤber die Schul⸗ 
der geht und unter dem Arme feſtgebunden iſt, ſo daß bie 
Schnur auf der Bruft und über der. Schulter ſich zeigt. Der 
König ift außerorbentlid) reich und: maͤchtig und findet viel 
Dergnügen im Beſitz von Perlen und koͤſtlichen Edelſteinen. 

604) inter Lak, Loak ober | Bar hat’ och Mau bie ertvariemten 
vereinigen wollen; vie Kommentatoren haben fich vergebens bemuͤht, ben 
Namen diefes Landes zu deuten; wir muͤſſen uns mit ver allgenetnen Rich⸗ 
Aung — weſtlich von Madras bie Polo ungiebt; begnüͤgen; der Bene: 
done reber überdem von Agemeinen Insifieni Sitlen und” Berbattriſen 





x 


555° 


Wenn die Kaufleute von Maabar ihm foldye von vorzuͤglichet 
Schoͤnheit bringen, tralıt er ihrem Worte :und giebt ihnen 
die: Summe doppelt deſſen, was fie, wie fie fagen, ihnen ges 
toftet haben,’ fo daß. ihm: viel ſchoͤne Juwelen angeboten’ were 
den. . Die Leite des Landes find. große Goͤtzendiener und der 
Bauberei und der Wahrfagekunft fehr zugethan. Wenn fie 
Gütereinfäufe machen wollen, fo beobachten fie -foglei den 


Schatten, den ihr Körper. im. Sonnenſcheine wirft, beftimmen 
. bie Verhaͤltniffe nach den Regeln ihrer Wiſſenſchaft und ſchrei⸗ 


ten: dann zum Kaufe. Eie find: fehr: enthaltfam im Eſſen 
und ‚erreichen ein hohes Alter. Ihre Zähne erhalten fle durch 
ven: Gchrauh einer gewiſſen Pflanze, die fie zu kauen die 
Gewohnheit haben.. Sie befördert die Verdauung und’ trägt 
Em: Allgemeinen zur. Gefundheit des Körpers bei 5086), 
Unter den Eingeborenen. Diefed Landes giebt es eine Mlaffe 
—* die vorzugsweiſe ſich einem religiöfen Leben widmen} 
fe heißen Zingui 506) "und fühten zu Ehren ihrer Gotthei⸗ 
ten ein ſehr firenges Leben. Sie gehen. vollfommen nackt 
und verbergen feinen Theil: ihres Körpers, denn - fie" fägen, 
es kbnne ‚Feine Schande in der Nacktheit fein, da: fie ja/nädt. 
auf die Welt kaͤmen; in Bezug auf das, was die Scham⸗ 
theile genannt werben, jagen fie, da fie bei ihnen nicht bie 
Werkzeuge der Sinne waͤren, ſo haͤtten ſie keinen Grund, bei 
ihrer Blosſtellung zu errötben. Eie beten den Ohſen an 
und tragen .'eine Heine Stierfigur von vergoldetem Erz ober 
anderem Metall voru an ihrer Stirn befeftigt. Cie verbrens 
nen auch die Knochen der Ochſen zu Pulver und bereiten 
daraus eine Salbe, mit⸗ welcher ſie in ‚großer Ehrfurcht ver⸗ 


pr 


' ss) Das Betelfauen der Inbier iſt belannt; ‚ent 4. Rahel ei 


Polo noch ausführlicher davon. 


506) Eine von den religiöfen, Beillerllaſen, welche * unp Sennyaf, 
bei: den Mahometanern Falir genannt werden. Ihr Treiben if, nach 
neueren Befchreibungen befannt ‘genug. Polo's Miitheilungen über. In⸗ 
diſche Sitten ſind ganz vorttefflich; bie meiften, feiner Aägaben fiben, "4 


ttcochheutigen Tags vor li: 


556 


ſchiedene Theile des Körperd überfireihen. Wenn fie Ie 
mand begegnen, mit dem fie in freundſchaftlichem Verhaͤltniſſe 
ſtehen, fo beftreihen fie die Mitte feiner Stirn -mit etwas 
von: diefer fo gubereiteten Aſche. Eie herauben feine Kreatur 
ihres Lebens, nicht einmal eine Fliege, einen. Floh oder eine 
Laus, denn fie glauben, daß fie eine Seele haben; auch eflen 
fie fein Thier, denn: fie wuͤrden fonft ‚eine Sünde begehen. 
Sie eſſen nichts Grünes, weder Kräuter .nod) Wurzeln, wenn 
fie nicht trocken ſind, denn fie ſagen, Alles, was grün fei, 
habe noch eine Seele. Eie brauchen weder Löffel noch Tel 
lex, ſondern legen ihre Epeifen .auf Die getrodneten Blätter 
des Adamsapfels, der. auch Paradiesapfel genannt - wird. 
Wenn fie ihre Nothdurft verrichten wollen, gehen fie an das 
Meeresufer,- entladen ſich ihrer Buͤrde im Sande :und- ftreuen 
fie dann in. alle Richtungen, damit fie Feine Wuͤrmer erzeuge, 
deren darauf folgender Hungertod ihr Gewiſſen mit einem 
fihweren Vergehen beladen wuͤrde. Sie leben bis zu einem 
hohen Alter, einige von ihnen fogar bis zu hundertundfuͤnfzig 
Zahren, in Geſundheit und Kraft, obgleid ſie auf. der nad 
ten Erde fhlafen. Das, muß ihrer Mäßigfeit und Keuſch⸗ 
heit zugefchrieben werben... Wenn fie fterben, werten ihr 
Leiber ‚verbrannt. 2 a 
Dreiundzwanzigſtes Kapitel... - - 
J Von der Jufel Beilan. J 

Ich kann nicht umhin, etwas niederzuſchreiben, was id 
vergeſſen habe, als ich von der Inſel Zeilan ſprach, und was 
ich erfuhr, als ich dieſes Land auf meiner Heimreiſe beſuchte. 
Auf dieſer Inſel giebt es einen hohen. Berg; der ſo felſen⸗ 
zerriffen iſt ünd ſolche Schluchten und Abgruͤnde hat, Daß man, 
wie geſagt wird, ihm nicht erſteigen kann, außer mit eiſernen 
Ketten, die man an den Felſen befeſtigtz mit dieſen ſollen 
einige Leute den Gipfel erreicht haben, wo, das Grah Adam’s, 


557. 


unfered Urvaters,- fih. befinden ſoll 807), -Das iſt die Sage 
bei .ben Sarazenen. . Aber. die Bögenanbeter ‚fagen, daß, das 
Grab den Leib Sogomon⸗barchan's enthalte, welcher der erſte 
Menſch war, der. die Goͤtzen erfunden hat, und den. fie abs 
eine heilige Berfon verehren... Er war ber Sohn „eines 
Königs der Inſel, weihte fi einem .einfiepleriihen Leben 
und ‚wollte: weder Königreiche noch anderen weltlichen Befis; 
obgleich ihn. fein Vater durch die ſchoͤnſten Maͤdchen und durch 
alle nur ervenfbaren herrlihen. Genüffe verloden und, von 
feinem Vorſatze abbringen wollte. Er ließ fidy durch nichts 
verleiten, umd der junge Mann. enifloh ‚heimlid auf. Diefen 
Berg, wo er in ſtrenger Keuſchheit und Enthaltſamkeit end⸗ 
lich ſein Leben beſchloß. Von den Goͤtzendienern wird er als 
ein Heiliger betrachtet. Der Vater war in Verzweiflung umb 
lie. ein Bild. nad) feinem Eohne von Gold und Foftlichen 
Edelſteinen machen und verlangte, daß alle ‚Einwohner ber 
Inſel ihn verehren und ald eine Gottheit anbeten follten. 
Soldyes war. der Urſprung des Goͤtzendienſtes in diefem Lande, 
aber Sogomon-barhan 508) wird noch für den hoͤchſten von 
allen Goͤtzen gehalten. In Folge dieſes Glaubens pilgern 
die Leute aus vielen fernen Laͤndern zu dem Berge, auf wel⸗ 
chem er begraben liegt. Einige von ſeinen Haaren, ſeine 
Zähne und. eins ſeiner Becken werden. noch aufbewahrt und 
mit vieler Feierlichkeit gezeigt. Die Sarazenen jedoch bes 
haupten, daß dieſe Dinge dem Profeten Adam gehorten. und 
beſuchen in gleicher Weiſe. mit t Ehrfurqh den me 


20. ee 


507) Das iſt der Abams⸗ Pik, unter allen Hochglbfeln Beyfond durch 
die einhetmifche Pilgerfahrt der einzig befuchte und bekannte. Die Arne 
bifchen Schiffer nannten ihn ſchon im neunten Jahrh. n. Chr. — Die ges. 
bahnten Pilgerwege, bie ſeit alten Zeiten hinauffuͤhren, ſind von neueren 
Reiſenden noch immer im Gange gefunden worden. Ibn Batuta ſtellte im 
vierzehnten Jahrhunbert eine Pilgerfahrt nach Adams Fußtapfen auf jenen 
Berg an. S. Travels of Ibn Batuta, by Sam: Lee, ch. 203'-p. 18 
—192.: neber ven Adams-Pik und feine Befleigung f Ritter WE: 

" 508) Das ift Buddha; f. Anm. 231. 


850 


die: ihre "eigene Sptache reden. Der König einen ande⸗ 
ren tributpflichtig. Es waͤchſt hier viel gutes Sappanholz 
und Pfeffer in großem Ueberfluß; letzteret wird ſowohl in 
den waldigen, als in ben offenen Theilen des Landes gefun⸗ 
den. Er wird in den Monaten Mat, Juni und Juli ges 
fammelt und die Bäume, die ihn Hefern, werben. in Plan⸗ 
tagen gezogen (sono domestichi).. Aüd) "haben -fie fehr gu- 
ten Indigo in großem Heberfluß. Sie ‚ziehen ihn aus einem 
Krane, welches mit den Wurzeln "ausgerupft und in Waſſer⸗ 
. kübel geworfen wird, worin man es läßt, bis es fault; 
darauf preffen fie.den Saft aus. Dieſer ‘wird: ber ‚Sonne 
Ausgefegt und verbunftet, dann laͤßt er eine Art Teig zu⸗ 
ruͤck, welcher in kleine Stuͤckchen in der dorm geſchnitten 
win wie mir ihn zu und gebracht ſehen. 


Die Hitze während: einiger Monate iſt fo groß, daß fie 
kaum zu ertragen iſt, doch kommen bie Kaufleute aus vielen 
Theilen der Welt hierher, fo zum Beifpiel aus dem Koͤnig⸗ 
reiche Manji 512) und aus Arabien, ängezogen durch den 
großen Gewinn, den fie von ben Waaren, bie ſie einfuͤhren, 
wie von den Gutern, die ſie mitnehmen‘: zichen. Viele 
Thiere werden hier ‚gefunden, bie verſchieden von denen an 
derer Lander find. & ‚giebt Hier Ediven ° 51 N. die ‚gan 


von großer Berühmtheit zur Zeit, als Indien zuerft von den z Porkngiefen 
befucht wurde, die von feinen Bürften Beiftand gegen ben König von 
Kalikut oder ven Eamorin, wie er genannt wurbe, erhielten. In neueren 
Zeiten fcheint feine Wichtigkeit als Dean ſich jn der von Anjengo 
in ſeiner Nachbarſchaft verloren zu haben. 

519) In der neueren Zeit ſieht man F ſelten Schiffe aus dem 
ſuͤdlichen Theile China's (Manji's) in den Indiſchen Gewaͤſſern, weſtwaͤrts 
von den Malafla- und Sundaſtraßen; aber früher, als‘ fih China nod 
nicht fo abgefchloffen Hatte, kamen Chineftfihe Schiffe und Kaufleute nach 
Indien und fogar in: den Perſiſchen Meerbufen. Edriſi ĩGeograph. p. 25) 
fagt vom Hofe von Yemen: Ex ipsa solvuntur navigia Sindae, Iı Indiae 
‚et Sinarum, et ad ipsam deferuntur vasa. Sinica. 


813) Da Pelo die Tiger. nie.befonders erwähnt, fi ſondern immer Lö; 


561 


ſchwarz find und Papageien verfchiedener Art, von denen 
einige weiß, wie Schnee, mit tothen Fuͤßen und Echnabel, 
andere roths und grünfarben und wiederum welche, die fehr flein 
find. Auch die Pfauen find größer und fchöner als bie 
unjtigen und non anderer Bildung und Geftalt, fowie überhaupt 
ihre Hausgeflügel fehr verſchieden von dem unfrigen ift. Und 
fo ift es auch mit den. Früchten. Der Grund folder Ver⸗ 
ſchiedenheit, fagt man, fet in der großen Hitze, die. in bie 
fen Gegenden herrfcht, zu fuhen. Wein wird aus dem 
Zuder bereitet, den eine gewiffe Palmenart liefert. Er iſt 
außerorbentlih gut und beraufchender ald derjenige, der aus 
Trauben bereitet wird. Die Einwohner haben Alles, was 
zur Nahrung des Menfhen nöthig ift, im 1leberfluß, mit 
Ausnahme des Korns, von. dem fie feine andere Art als 
den. Reis befigen; aber diefer ift in großer Maſſe vorhanden. 
&3 giebt unter ihnen viele Aftrologen und Aerzte, die wohls 
erfahren in ihrer Kunft find. Alle, Männer und Frauen, 
find ſchwarz und gehen, mit Ausnahme: eines Fleinen Stüdes 
Zeug, welches fie vorn vor ihre Leiber binden, ganz: nadt. 
Ihre Sitten find fehr finnlid und fie nehmen ihre Blutsver⸗ 
wandten zu Frauen, ihre Schwieger⸗ und Etiefmütter nad) 
dem Tode ihrer Väter und bie Wittwen ihrer verftorbenen 
Brüder. Solcher Zuftand aber herrfht, wie man mir ges 
fagt hat, in ganz ‚Indien. 


— err — — —— — 


Sechsundzwanzigſtes Kapitel. 


Bon Kumari. 
Kumari 814) iſt eine Provinz, wo ein Theil unſeres 


wen dafuͤr ſetzt, ſo glaube ich, daß er unter leoni Loͤwen und Tiger zu⸗ 
gleich verſteht. Daß es ſchwarze Tiger in Indien gibt, iſt bekannt. 
514) Kumari ober in der Lat. Ueberſetzung Comari iſt der korrelte 
Name des Außerften füplichen Vorgebirges von Indien, das promontorium 
36 


850. 


vie ihre eigene Sptache reden. Der König iſt keinem ande⸗ 
ren tributpflichtig. Es waͤchſt hier viel gutes Sappanholz 
und Pfeffer in großem Ueberfluß; letzterer wird ſowohl in 
den waldigen, als in ten offenen Theilen des Landes gefun- 
den. Er wird in den Monaten Mat, Juni und Juli ge 
fammelt und die Bäume, die ihn liefern, werben, in Plan 
tagen gezogen (sono domestichi). Aüd) haben-fie fehr gu 
ten Indigo in großem Neberfluß. Sie ziehen” ihn -aus. einem 
Kraute, welches mit den Wurzeln ausgerupft und in Waſſer⸗ 
. kübel geworfen wird, worin man es läßt, bis es fault; 
darauf preifen fie.den Saft aus. - Diefer wird: der Eonne 
ausgefegt und verbunftet, dann läßt’er. eine Art Teig zw 
ruͤck, welder in fleine Stiegen in der. Gorm geſchnitten 
wird, wie wir ihn zu uns gebradt ſehen. " 


Die Hige während einiger Monate iſt FR groß, daß ſie 
kaum zu ertragen tft, doch kommen bie Kaufleute aus vielen 
Theilen der Welt hierher, ſo zum Beiſpiel aus dem Koͤnig⸗ 
reihe Manji 512) und aus Arabien, ängezogen ' durch den 
großen Gewinn, den fie von ben Waaren, bie fie einfuͤhren, 
wie von den Stern, die fle mimehmen‘; zichen. Viele 
Thiere werden hier ‚gefunden, die verfhieden von denen an 
derer Länder: find. Es giebt Hier Löwen 813), Die gan 
.. a Bu et MT NET CNDDN 


von großer Berühmtheit zur Zeit, als Indien zuerft von den Portugiefen 
befucht wurde, die von feinen Fürften Beiftand gegen ben König von 
Kalikut oder den Eamorin, wie er genannt wurde, erhielten. In neueren 
Zeiten fcheint feine Wichtigkeit als —— ſich; jn ber von Anjengo 
in ſeiner Nachbarſchaft verloren zu haben. 

512) In der neueren Zeit ſieht man F ſelten Schiffe aus dem 
ſuͤdlichen Theile China's (Manji's) in den Indiſchen Gewaͤſſern, weſtwaͤrts 
von den Malakka⸗ und Sundaſtraßen; aber fruͤher, als ſich China noch 
nicht ſo abgeſchloſſen hatte, kamen Chineſiſche Schiffe und Kauflente nach 
Indien und ſogar in den Perſiſchen Meerbuſen. Ebriſi (Geographi. p. 25) 
fügt vom Hofe von Demen: Ex ipsa solvuntur navigia Sindae, Iı Indiae 
‚et Sinarum, et ad ipsam deferuntur vasa Sinica. 


. 888) Da Pelo die Tiger nie beſonders erwaͤhnt, fr ſondern immer 8; 


561 


ſchwarz find und Papageien verfchiedener Art, von denen 
einige weiß, wie Schnee, mit rothen Fuͤßen und Echnabel, 
andere roth⸗ und grünfarben und wiederum welde, bie fehr klein 
find. Auch die Pfauen find größer und fdhöner als bie 
unfrigen und non anderer Bildung und Geftalt, fowie überhaupt 
ihr Hausgeflügel fehr verfhieven von dem unfrigen ift. Und 
fo ift es aud mit den. Früdhten. Der Grund folder Ver⸗ 
ſchiedenheit, fagt man, fet in ver großen Hige, die in die⸗ 
fen Gegenden herrfcht, zu ſuchen. Wein wird aus dem 
Zuder bereitet, den eine gewiffe Palmenart Tiefer. Er iſt 
außerordentlich gut und berauſchender als derjenige, der aus 
Trauben bereitet wird. Die Einwohner haben Alles, was 
zur Nahrung des Menſchen nöthig it, im Ueberfluß, mit 
Ausnahme ded Kornd, von. dem fie feine andere Art als 
den Reis beſitzen; aber diefer ift in großer Mafle vorhanden. 
&3 giebt unter ihnen viele Aftrologen und Aerzte, die wohls 
erfahren in ihrer Kunft find. Alle, Männer und Frauen, 
find ſchwarz und gehen, mit Ausnahme eines Fleinen Stuͤckes 
Zeug, welches fie vorn vor ihre Leiber binden, ganz nadk. 
Ihre Sitten find fehr finnlich und fie nehmen ihre Blutsver⸗ 
wandten zu rauen, ‚ihre Schwieger⸗ und Etiefmütter nad) 
dem Tode ihrer Väter und die Wittwen ihrer verftorbenen 
Brüder. Solcher Zuftand aber herriht, wie man mir ges 
fagt hat, in ganz Indien. . 


— — — — — 


Sechsundzwanzigſtes Kapitel. 


Bon Kumari. 
Kumari 614) iſt eine Provinz, wo ein Theil unſeres 


wen dafuͤr ſetzt, ſo glanbe ich, daß er unter leoni Loͤwen und Tiger zu⸗ 
gleich verſteht. Daß es ſchwarze Tiger in Indien gibt, iſt bekannt. 
514) Kumari ober in der Lat. Ueberſetzung Comari iſt der korrekte 
Name des Außerften fürlichen Vorgebirges von Indien, das promontorigm 
36 


562 


Nordgeſtirns, welches in Java und ungefähr noch dreißig 
Meilen von diefem Plate unſichtbar tft, gerade gejehen wer- 
ven kann, fo daß es in einer Elle Höhe über dem Horizont 
erfheint515). Das Land tft nicht fehr bebaut, da ed vor 
züglih mit Wäldern bevedt ift, und viele Thiere haufen in 
diefen, beſonders Affen, die ſolche Geftalt und Größe haben, 
daß fie Menſchen ähnlih find. Es giebt da auch langſchwaͤn⸗ 
zige Affen, die fehr verfchieden von jenen in Bezug auf bie 
Größe find. Löwen, Leoparden und Luchfe giebt es in. Menge. 


Siebenundzwanzigfteß Kapitel. 
Don dem Königreig Dely. 


Benn man bie Provinz Kumari verläßt und dreihundert 
Meilen gegen Niedergang zieht, kommt man in das König 


Comariae bei Ptolemäus, das Kap Komorin ber neuern Europäer. 8 
der Richtung, die Polo verfolgt, von der oͤſtlichen mach der weftlichen Kaufe 
der Halbinfel ,. Hätte biefer Plag: vor der Etadt Konlan gefept werben 
müffen ; das mag wohl aus einer Berfegung feiner einzelnen Notizen ents 
ftanden fein. M. 

515) In einigen Thellen des Werks ſcheint la tramontana ober 
nostra tramontana, wie es eigentlich heißen follte, den Nordpolarſtern, 
aber in andern das Sternbild des Großen Bären zu bedeuten. Da von 
der tramontana hier als „zum Theil unfichtbar” die Rede ift, ſo ſpricht 
Polo ar diefer Stelle wohl von dem Großen Bären. Bon einem genauen 
aftrologifchen Verſtaͤndniß kann bei unferem Autor natürlich nicht Die Rede fein, 
und es würde zu weit führen, wollte einer genau erörtern, wie bie Eid: 
lung der Sternbilder in jenen Gegenden ſei; Polo wollte auch meiner 
Anficht nach Hier Feine aftronomifche Merkwuͤrdigkeit anführen, wie feine 
Kommentatoren ihn verflanden haben, fondern er wollte, (und Hierin zeigt 
fih fein kluger und mwohlberechnender Geiſt, ver immer praftifch fich zeigt 
und aus ben engen Anfichten feiner Zeit hinausſtrebt) fo genau es ihm 
nur möglich war, feinen Landslenten die Lage jener Länder und wie fie 
auf einander felgen und wie groß ſie ungefähr waren, angeben und ver⸗ 


Nnulichen. mn 


* 
Ar 


563 


reib Dely 516), weldes feinen eigenen König und feine 
befonvere Sprade hat und feiner anderen Macht Tribut zahlt. 
Die Bewohner find Gögendiener. Es giebt hier Feine Has 
fen für die Aufnahme von Schiffen, fondern einen großen 
Fluß mit einer fiheren Einfahrt. Die Sicherheit und Fe⸗ 
ftigfeit des Landes befteht nicht in ber Menge feiner Ein- 
wohner, nod in ihrer Tapferkeit, fondern in der Schwierig— 
feit der Paͤſſe, durch welche man in daſſelbe fommt und die 
einen feindlichen Einfall faft unmöglid machen. Cs bringt 
- große Maffen Pfeffer und Ingwer hervor und viele andere 
Gewuͤrze. Wird ein Schiff durch Zufall in die Mündung 
feines Fluſſes getrieben, das nicht die Abficht hatte, in biefen 
Hafen einzulaufen, fo nehmen e8 die Bewohner des Landes in Bes 
ſchlag und konfisziren alle Güter, die es an Bord hat, indem fie 
fagen: Es war euere Abfidht, anderswo hinzugehen, aber unjere 
Götter haben euch und zugeführt, damit wir das, was euch 
gehört, befigen follen. Die Schiffe von Manji fommen hier 
her vor Ablauf der guten Jahreszeit und ſuchen ihre Güter 
‚ labungen im Laufe einer Woche oder, wenn es moͤglich ift, 
in fFürzerer Zeit zu beforgen; denn längeres Anhalten wuͤrde 
wegen ber Sanbbänfe, die ſich der Küfte entlang befinden 
und fi oft gefährlid; erweifen, unfiher werden, wie gut die 
Schiffe aud mit hölzernen Anfern, die gegen ftarfe Wind- 
ftöge halten müffen, verfehen find. Das Land wird von 
Tigern und. vielen anderen Raubthieren heimgeſucht. 








515) Dely ift ver Berg Dilla der Engliſchen und Dellt der Nieder 
laͤndiſchen Karten, 12° N. Br., wo nach PBaolino, der ihn Monte v’IME 
nennt, das Land Malabar oder Malayala endet und das von Kanara ans 
faͤngt. M. | 


564 


Achtundzwanzigſtes Kapitel. 
Don Malabar. 


Malabar 817) it ein ausgevehntes Königreid) von Groß— 
indien, das gegen Meften liegt, bei weldem ich noch ver: 
517) Marsden fügt: ,, Obgleich der Name Malabar auf die ganze 
Meftküfte der Halbinfel angewendet wird, fo gehört er doch nur dem Theil 
zu, welcher ſüͤdlich vom Berg Della liegt, ver von den Eingeborenen Ma; 
layala und Malayalam genannt wird,“ und befchulbigt nun unfern Autor - 
großer Ungenauigfeit, daß er gerade umgefehrt den Namen dem Theil der. 
Küfte, der fich nordwaͤrts von dieſem Borgebirge hinſtreckt, gegeben habe, 
welches in Wirklichkeit die Provinz Kanara, wie wir fie nennen, fei, und 
Konfan fege er für den Etrich, der fich nörblich vom Kap Komorin, wie 
ganz richtig angab, ungefähr vierhundert Meilen lang hinſtrecke. Es if 
nicht wahrfcheinlich, daB fih Polo an irgend einem Bla auf dieſer Kuͤſte 
lange auigehalten habe und er mag über einige geografifche Punkte falſche 
Mittheilungen erhalten oder unrecht verfianden haben, aber im Bezug au 
die VBobenerzeugnifle und die Eitten ver Voͤlker finden wir ihn ganz wohl 
unterrichtet, fo daß man annehmen kaun, baß die Namenverfekung burd 
feinen Abfchreiber herbeigeführt worden. Dagegen fagt Ritter (V. €. 
691 693) „..... Der Küftenftrih auf der Roromandelfeite, welcher bei 
den Ginheimifchen Dravada heißt, iſt dadurch in neuerer Zeit bei Eure 
päern ganz irrig Karnatif im eigentlichen Einne genannt und der Kuͤſten⸗ 
ſtrich auf der Weftfeite der Chat zwifchen Konkan im N. und Malabur 
im Süuͤden, der bei den Einheimifchen Haiga im N. und Tulava im Ei 
den heißt, wirb von Europäern alfo eben fo uneigenilich Kanara genannt; 
doch laͤßt fich dieſer herfömmlich gewordene Mißbrauch nicht mehr ändern... 
Tulava dehnt fi fünmwärts des Kundapuraflußes über Mangalore bis zum 
Ghandragirifluffe (120 30° N. Br.) und beffen Bai zu Urigara im Ror: 
den von Baikull aus, wo Malabar fünwärts mit biefem Orte beginnt, 
obwohl auch Hier die Einheimiſchen Malayala, von weldem 
jenes nur die modernifirte Ausfprache ift, auch weiter gegen ben 
Norden ausdehnen. Wir Haben durch dieſe Notiz zugleich ein Bei: 
fpiel geben wollen, wie überall die Infongruenz ber antifen, mittelalter: 
lichen und modernen Namen durch ganz Defan verbreitet iſt sc.” — Wem 
bie Araber, wie wir in einer früheren Anmerkung nach Ritter angeführl 
haben, auch die MWeftküfte der fünlichen Halbinfel EI Maabar nannten, 
jo zeigt doch Polo deutlich, daß er unter Maabar die ſuͤdliche Oſtkuͤſte 
verfieht und Malabar auf ver Weftfüfte wohl davon unterfcheibet. 


565 


weilen und einige Einzelnheiten anführen will. Die Be- 
wohner werben von ihrem eigenen Könige beherrfcht, ver 
unabhängig von jeder anderen Macht ijt, und haben ihre be 
. fondere Sprade. In dieſem ‚Lande wird der Nordftern um: 
gefähr zwei Faden über dem Horizonte gefehen. Hier forwohl, 
als in dem Königreidhe Guzzerat, welches nidyt weit: entfernt 
liegt, giebt es zahlreiche Seeräuber, welche dieſe Meere jähr: 
lid mit mehr als hundert Heinen Schiffen heimſuchen und 
alle Kauffahrteifähtffe, die des Weges kommen, anfallen und 
plündern. . Auf ihren Fahrten nehmen fie ‚ihre Weiber und 
ihre Kinder mit ſich und dieſe begleiten fie während der gan- 
zen Eommerfreuzzüge. Damit ihnen Feine Schiffe entgehen 
koͤnnen, legen fie ihre Bahrzeuge in einer Entfernung von 
fünf Meilen von einander an, fo daß zwanzig Ediffe einen 
Raum von hundert Meilen einnehmen. Erblickt eines ber- 
jelben ein. Hanbelsfhiff, fo giebt es ein Zeichen mit Feuer 
oder Rauch, da ziehen fie ſich alle enger zufammen und Fa- 
pern das Schiff, welches vorüberfahren will. Den Schiffs⸗ 
leuten wird nichts zu Leide gethan, aber fobald fie das Schiff 
zur Prife gemadt haben, bringen ſie dieſelben ans Ufer und 
empfehlen ihnen, für eine andere Ladung zu forgen, damit 
fie, wenn fie wieder des Weges Fommen, die Kaperer noch 
einmal bereichern koͤnnen 518), 

In diefem Königreiche giebt e8 Pfeffer, Ingwer, Kus 
beben und Indiſche Nüffe im Weberfluß, und die feinften und 
fhönften Baumwollenzeuge, die man nur in der Welt finden 
faun, werben hier verfertigt. Die Schiffe von Manji brin- 
gen Kupfer als Ballaft, und außer dieſem Goldbrokat, Sei- 
denzeuge, Gazen, Gold- und Eilberftangen, mit vielen Arten 
von Epezereien, die es in Malabar nicht giebt, und diefe 
vertaufchen fie gegen die Erzeugniffe der Provinz. Es giebt 
da zur Stelle auch Kaufleute, welche die Waaren von Manjt 


518) Die Malat’fchen Seeräuber haben feit den Alteften Zeiten bie 
zu Anfang dieſes Jahrhunderts in jenen Meeren eine große Rolle geſpielt. 


566 


nach Adem verfuͤhren, von wo ſie nach Alerandrien geſchafft 
werden. | 
Nachdem wir nun vom Koͤnigreich Malabar geſprochen, 
wollen wir das von Guzzerat beſchreiben, welches daran 
grenzt. Wollten wir es unternehmen, uͤber alle Staͤdte In- 
diens zu handeln, fo würde unjer Bericht fehr weitſchweifig 
und wohl aud ermübdend werben. Wir wollen daher nur 
die berühren, über welde uns etwas Beſonderes mitgetheilt 
worden ift. 


— — — — — 


Neunundzwanzigſtes Kapitel. 
Bon dem Koͤnigreich Guzzerat. 


Das Königreich Guzzerat 519), welches auf Der wefſtli⸗ 
hen Seite vom Indiſchen Meere begrenzt ift, wird von eb 
nem Könige beherricht und. hat feine befondere Sprache. Der 
Nordſtern fheint von bier etwa ſechs Faden Höhe zu haben. 
Dieſes Land hegt die allergroßten Piraten, die, wenn fie 
auf ihren Kaperzügen einen reifennen Kaufmann erfaffen, 
ihn nöthigen, Seewaſſer zu trinken, welches durch die Wir 
fung, die es auf die Eingeweide hat, darthut, ob er Ber 
len. oder Juwelen verfhludt hat, um fie zu verbergen, als 
er den Feind herannahen fah.. 

Es giebt hier großen Ueberfluß an Ingwer, Pfeffer und 
Indigo. Baumwolle erhält man in großer Menge von einem 
Baume, der ungefähr ſechs Klaftern „Ho ift und zwanzig 
Jahre lang trägt, aber die Baummolle, welche von fo alten 
Bäumen genommen wird, taugt nicht mehr zum Spinnen, 


519) Guzzerat finden wir ganz wie in Mamufio’s Tert gefchrieben 
(fait jede andere Ausgabe hat. eine Variante dieſes Namens) auf den neue: 
ren Karten; in den Perfifchen und Arabifchen Echriften heißt es Gujrdt 
‚ oder Gujurdt, doc) tft es zweifelhaft, ob die Halbinfel,. die jetzt Guzerat 
heißt, vor Alters ein integrirender Theil des ebenfo genannten Königreichs 
war, von dem Nehrwaleh oder Putian die Hauptſtadt war. M. 


567 


fondern nur zum Verpolſtern. Diejenige ‚dagegen, welche 
von zwölfjährigen Bäumen genommen wird, ift geeignet für 
Muffelin und anderes Zeug, das von größter Beinheit 14820), 
Eine große Menge von Ziegen-, Büffel, Ochſen⸗, Rhinoze⸗ 
108- und anderen Ihierfellen wird hier gegerbt, und ganze 
Schiffsladungen gehen damit nad; verſchiedenen Theilen Aras 
biend. Bettdecken werben von rothem und blauem Leber ge 
macht, die. außerorventlidh zart und weich und mit Gold⸗ 
und Eilberfaden geftidt find. Auf dieſen ruhen die Saras 
zenen jehr gen. Auch Kifien, die mit Golddraht in Vögel 
und TIhiergeftalten verziert find, werden an biefem Plate 
gefertigt und in einigen Fällen beträgt ihr Werth wohl fechs 
Mark Eilber. Stidereien werben hier mit größerer Kunft 
und Zartheit gefertigt, als in irgend einem anderen Theile 
der Welt. Weiter gehend wollen wir nun von dem Königs 
teidy reden, dad Kanam heißt. 


Dreißigſtes Kapitel. 
Bon dem Königreich Kanam. 


Kanam 621) ik ‘ein großes und. ebles Koͤnigreich, das 
gegen Niedergang zu gelegen if. Wir ſagen nad) Nieder—⸗ 
gang oder Weit, weil Meffer Marco's Reife von der Mor⸗ 


| 520) Nach ven Tertworten möchte es fcheinen, als wenn unfer. Autor 
ven Bombar oder Seldenbaumwollenbaum, welcher gewöhnlich eine Höhe 
son fiufzehn bis zwanzig Fuß erreicht, fälfchlich für das grossipium ar- 
boreum, einen Etrauch, oder das grossipium herbaceum genommen habe; 
Doch da er letztere wohl gefannt haben wird, fo iſt anzunehmen, daß feine 
eigentlichen Worte: in Ramuflo’s Ausgabe korrumpirt worden find; in ber 
Basler Ausgabe heißt es einfach: Sunt etiam ibi arbores de quibus bombyx 
(bombacium in den Manuffripten) in magna colligitur copia. Haec ar-. 
bor crescit sex passibus in altum, et fructum producit per viginti au- 
nos, deinde ad nihilum valet ultra.‘ 
521) Kanam ober richtiger — nach dem Testo della Crusca, il Riee., 


- 


970 


Dreiunddreißigſtes Kapitel. 
Pon dem Königreich Chesmakoran. 


Das iſt ein ſehr großes Land, welches ſeinen eigenen 
König und feine beſondere Sprache hat 525). Einige von 
feinen Bewohnern find Gößenanbeter, aber der größere Theil 
find Earazenen. Sie leben von Handel und Gewerben. 
Ihre Nahrung befteht in Reid und Weizen mit Fleiſch und 
Mil, die jie in Meberfluß befigen. Viele Kaufleute kom⸗ 
men zur Eee und zu Lande hierher. Das ift- die legte Pros 
vinz von Großindien, wenn man von Nordweſten vorfchreite; 
denn wie ed mit Maabar anfängt, fo endigt es hier. In 
der Beſchreibung Großindiens haben wir hier nur die Pro 
vinzen und Städte angegeben, die an ber Meeresfüfte Tiegen; 
denn wollten wir auch von denen, die im Inneren des Lars 
des liegen, reden, fo wuͤrden wir unfer Werf zu weit au% 
dehnen. Wir wollen nur von gewiflen Infeln reden, von 
denen eine die der Männer und die anbere bie der Weiber 
genannt wird. 


Vierunddreißigſtes Kapitel. 
Bon den Infeln ver Männer und der Weiber. 


gern von Chesmaforan, ungefähr fünfhundert Meilen 
nad) Süden, liegen im Ozean zwei Infeln, ungefähr breißig 
Meilen von einander. Auf der einen wohnen Männer ohne 
Grauen und die heißt die Männerinfel, auf der anderen -be 


525) Rennell’s Hypotheſe ift fehr fcharffinnig und wahrſcheinlich zu: 
gleich, daß Ches⸗ma⸗koran für Kidg-Makran fteht, welches zu Polo's Zei: 
ten als zu Indien gehörend gedacht wurde; das wäre das Gedroſien ber 
‚Alten. Kedge Ift nach Pottinger die moderne Hauptitadt von Makran, 
das ein ausgebreiteter Landftrich vom Meere, weftlich vom Indus ifl. 


\ 


571 


finden ſich Weiber ohne Männer und die wird die Weiber 
infel genannt. Die Bewohner beider Inſeln find von ber 
felben Race und wohlgetaufte Chrijten. Die Männer be 
ſuchen die Infel der Weiber und bleiben mit ihnen drei 
Monate Tang, nämlid im März, April und Mat, zufammen, 
ein jeder Mann in einer befonderen Wohnung mit feiner 
Frau. Dann ehren fie zur Männerinfel zurüd, wo fle den 
übrigen Theil des Jahres bleiben, ohne Gefellfhaft von 
Frauen. Die Frauen behalten ihre Soͤhne bet fi, Bi3 die— 
felben das Alter von: zwölf Jahren erreicht haben, worauf 
fie zu ihren Vätern gefhidt werben. Die Töchter behalten 
fie bet ſich, bis fie heirathsfähig find und dann verheitathen 
fie diefelben an die Männer der anderen Infel. Ind das ift fo 
eingeführt: wegen ver eigenthuͤmlichen Befchaffenheit des Kli- 
ma’s, welches den Männern nicht erlaubt, das ganze Jahr 
hindurch bei ihren Frauen zu bleiben, weil fie fonft fterben 
würden. Sie haben ihren Bifchof, der dem auf der Inſel 
Soccotera untergeordnet iſt. Die Männer forgen für den 
Unterhalt der Frauen, . indem fie das Korn ausſaͤen, aber 
die legteren adern den Boden und fammeln die Frucht ein. 
Die Inſel bringt auch viele andere Brücdte hervor. Die 
Männer leben von Milch, Fleiſch, Reis und Fiſchen, von 
welchen letzteren fie eine große Menge fangen, da fie tüd- 
tige Fischer find. Sowohl friſch gefangen als gejalgen wer 
den bie Fifhe an die Kaufleute verkauft, Die zu der Inſel 
fahren; doch kommen dieſe vorzüglich des Ambra's wegen 
her, das hier in großer Menge gefammelt wird 526), - 


526) Die Lage diefer Infeln anzugeben, möchte jetzt ſehr fchivierig 
fein; genug fie Tiegen ywifchen Indien und Arabien oder der Socotrainſel 
mittewege. Marsven nimmt, gegen Polo's Angaben, ber freilich nur nach 
Hörenfagen berichtet, an, es felen bie Abd⸗al⸗curia (les deux soeurs ober 
les deux freres auf anderen Karten), die bei Socotra liegen. "Die Lebens⸗ 
weife der Einwohner ifi nicht fo wunderbar, fogar nicht fo ungewöhnlich, 
‚als es auf dem erften Anblick fcheinen möchte. Die Lente waren Fi⸗ 
ſcher und brachten drei Monate des. Jahres auf ber Infel, die ihr ei 


EN 


- 


572 


Fuͤnfunddreißigſtes Kapitel. 
Bon der Infel Soecotera. 


Wenn man dieſe Inſeln verlaͤßt und fuͤnfhundert Meilen 
nach Suͤden weiterfaͤhrt, kommt man an die Inſel Socco— 
tera 527), vie ſehr groß iſt und Ueberfluß hat an Allem, 
was zum Lebensunterhalte gehört. Die Einwohner finden 
viel Ambra an ihren Küjten, welches aus den Eingeweiden 
ter Wallfiſche kommt. Da es ein Handeldartifel ift, nad 
welchem große Nachfrage, fo befhäftigen fid) Die Bewohner 
vorzüglid damit, dieſe Fiihe zu fangen, und das thun fie 
vermittelft Eijen, die einen Wiverhafen haben, die fie fo 
fett in den Wallfiſch einjchlagen, daß fie nicht wieder her- 
ausgezogen werden Fonnen. An dem Eifen (Harpun) if 





gentlicher Wohnplatz war, mit ihren rauen zu; nad) Berlauf dieſer Ruhe: 
zeit gingen fie ihrem Geſchaͤfte nach — nach einer Infel in ver Nad: 
barfchaft, die vorzüglich geeignet zum Fiſchfang wär, welchem fie neun 
Monate lang oblagen, bie Bifche einfalzten und verfauften, wie wir es 
ähnlich noch heut zu Tage von manchen Küftenftrichen und Inſeln finden; 
fo führt Marsven an, daß es die Englifchen Fischer an den Baͤnken und 
Küften von Newfoundland zu thun gewohnt gewefen wären und daß Aehn⸗ 
liches bei den Fifchern zu Waterford in Irland gebräuchlich ſei; auch bie 
Malfifchfänger führen ein ähnliches Reben. — Der Fiſchfang und das 
Einfalzen ver Fifche ift In jenen Gegenden, In Gebrofien ſowohl, als von 
ba auf ven Infeln bis Arabien und an den dortigen Kuͤſten Afrika's, fehr 
gewöhnlih. Der Boden ſelbſt ift fandig,.falzig und wenig zum Aderbau 
geeignet. Die Griechen nannten die Bewohner Ichthyofagen; ; ſ. Buͤrck A. 

G. d. R. u. E. J, 406 u. a. a. O. 

527) Dieſe beträchtliche Infel, das Socotora D’Anville3 und Eoco: 
tra der Engliſchen Geografen, liegt nahe beim Kay Guardafui, dem nord 
öftlichften Punkt des Afrifantfchen Kontinents. - „Insula Socotra est am- 
pla limitibus, mensura praestans, nitida tellure, ferax arborum, & 
pleraque ipsius germina sunt arbores aloss. “ Edrisi VL pars clim. 
primi. p. 23. 

Die Art des Wallfiichfangs, das Gewinnen bes Wallrats 3c., iſt ganz 
richtig von unſerem Autor angegeben. Daß das Chriſtenthum ſchon fruͤh⸗ 
zeitig. auf jenen Inſeln geherrſcht, wird durch viele Zengniſſe beftätigt. 


973 


ein langes Eeil befejtigt, das eine Tonne führt, Damit man 
die Etelfe erfennen fann, wo ter Fiſch, wenn er tobt ift, zu 
finden if. Dann ziehen. fie ihn an das Ufer und nehmen 
das Ambra aus feinem Leibe, während fie aus feinem Kopfe 
mehrere Butten Del (Wallrat) gewinnen. 

Alle dieſe Leute, Männer wie Frauen, gehen nadt und 
haben nur eine Eleine Bedeckung vorn und hinten, wie die 
Gögendiener, die wir befchrieben haben. Eie haben fein 
anderes Korn ald Reis, von weldhem jie, nebft Fleifh und 
Milch, leben. Eie find getaufte Ehriften und haben einen 
Erzbiſchof, der ihr Oberherr iſt und nidyt dem Pabfte un- 
terthänig, fondern einem Patriarchen (Zatolic) 528), ver in 
der Stadt Bagdad wohnt und ihn einfeßt,‘ oder wenn er 
von dem Volke felbit ermählt worden tt, ihn in feiner Würbe 
Seftätigt. Viele Eeeräuher fommen zu.diefer Infel mit den 
Gütern, die fie gefapert haben und die ihnen die Einwoh⸗ 
ner ohne Bedenken abfaufen, indem fie fid) damit vedhtfertie 
gen, daß die Dinge: ven Gögendienern und Sarazenen abges 
nommen worben feien. Alle Schiffe, die nad der Provinz 
Adem gehen, legen hier an und maden große Einfäufe an 
Fiſchen und Ambra, wie auch an verjdhiedenen Baumwollen⸗ 
zeugen, die an dem Plate verfertigt werben. 

Die’ Einwohner diefer Infel find der Zauberei und Her 
zerei mehr zugethan, als irgend ein ander Volk, obgleich 
ihnen das von ihrem Erzbiſchof ſtreng verboten tft, der fie 
für die Eünde erfommunizirt und in den Bann thutz fie 
fümmern fi; aber wenig darum, und wenn ein Schiff, das 
einem Seeräuber gehört, einem der ihrigen Schahen oder Leid 
zufügen follte, fo bannen fie e8 unter einem Zauber,. daß 
es in feinem Kaperzuge nicht fortfahren kann, bevor ed nicht 
die Beſchaͤdigten befriedigt hat, und felbft wenn das Pira⸗ 


528) Zatolie iſt eine Venezianiſche Korrupzion für Katholikos, der 
Titel, der dem Haupt ber Neſtorlaniſchen Kirche/ deſſen feſter Sitz in 
Bagdad war, gegeben wurde. 


374. 


tenihiff einen günftigen Wind haben ſollte, fo haben fie 
Gewalt, daß diefer ſich dreht, und daß es wider Willen zur 
Inſel zurüdfahren muß. Sie konnen aud) die Eee zur Ruhe 
fprehen und nach ihrem Willen wieder Stürme auffteigen 
laſſen, Schiffbruch herbeiführen und noch manche andere Dinge 
ind Werk ftellen, über Die wir weiter nicht ausführlich reden 
wollen. Wir wollen nun von der Infel Magaftar ſprechen. 


Sechsunddreißigſtes Kapitel. 
Bon der großen Infel Magaftar (vie jebt San Lorenzo genannt wird). 


Wenn man die Infel Soccotera verläßt und fübweftlid 
taufend Meilen weiter fteuert, fommt man nad) Maga: 
ftar $29), das ift eine der größten und frudhtbarften Inſeln 
in der Welt. Ihr Umfang beläuft fih auf dreitaufend Meis 
len. Die Einwohner find Saragenen und ‚folgen dem Ge 


529) Das tft bie Infel Madagaskar, die In Ramufio’s Tert Mas 
gaftar, in der Basler Ausgabe Madaigascar, in der Älteren Lateintfchen 
Mandaygafter und in den Epitome’s Mandeigascar genannt wird. Unfere 
Seefahrer ſcheinen faft die Orthografie der Basler Ausgabe angenommen 
zu haben, indem fie Madagascar ſchreiben. Die Singebornen nennen fie 
Malagafch oder Madagaſch. Weber In Edriſi's noch Abulfeda's Werfen 
findet fih der Name und unjer Autor war wohl der Erſte, der ihn in 
Europa befannt machte, wenn auch früher eine dunkle Kunde davon in 
bie weftlichen Länder gebrungen fein follte, wie man unter des Ariftotes 
les Phebol und des Ptolemäus Infel Menuthias annehmen koͤnnte (f. Bürd 
A. G. sc. I, 249 und 541). Der Name San Lorenzo, den die Inſel in der 
Ueberfchrift dieſes Kapitels führt, wurbe ihr von den Portugieſen bei ih 
rer Entdeckung 1506 gegeben, und ift wohl won Ramuflo oder einem der 
Abfchreiber zu näherer Erklaͤrung beigefügt worden, was die Worte „hora 
detta * bedeuten. — Die Inſel hat zweitaufend Meilen im Umfang. Polo 
hat feine Nachrichten über die Infel von den Arabifchen Kaufleuten, bie 
fie befuchten, erhalten, wie aus feiner Befchreibung Teicht zu erfehen ift; 
Kublal's Boten, von denen weiter unten hie Rebe ift, hat er nicht geſpro⸗ 
hen, wie aus der Art, wie er von ihrer Senbung fpricht, hervorgeht. 


575 


fege Mahomet’3 530). Cie. haben vier Scheikhs, was in 
unferer Sprache durch „Alte“ ausgedruͤckt werben würde, 
welche die Regirung unter ſich theilen. Das Volk lebt vom 
Handel und Gewerbe und es werden dort Elefantenzaͤhne in 
großer Menge verkauft, da es dieſer Thiere ſehr viele in 
dieſem Lande giebt I31), wie auch in Zenzibar, von wo bie 
Ausfuhr gleichfalls ſehr beträchtlich -ift.: Die Hauptfpeife; 
welche die Bewohner zu allen Jahreszeiten genießen, ift Kar 
meelfleifh. Das Bleifc von anderem Vieh dient ihnen- auch 
zur Nahrung, doch ziehen fie jened vor, da es Das. geſun⸗ 
defte und fchmadhaftefte iſt, welches man auf der Welt fin 
den fann. In den Wäldern giebt es ‚viele rothe Sandel⸗ 
holzbäume und weil diefe in’ fo großer Menge gefunden 
werben, fo ift der Preis des Holzed ſehr gering. Auch 
hier giebt ed Ambra von Walfifhen und da vie Fluth es 
an's Ufer wirft, fo wird es zum Verkauf gefammelt. Die 
Eingebornen jagen Luchſe, Tiger und eine Menge andere 
Thiere, wie Hirfhe, Antilopen und Dammhirſche; aud die 
Vogelbeize bietet reiche Ausbeute und es find die Voͤgel vers 
fhieden von denen in unferen Gegenden. . 
Die Infel wird von Schiffen aus verfchievenen Theilen 
der Welt befucht; diefe bringen Waarenlabungen, Brofat und 
Eeivenftoffe, welche fie .an die Kaufleute der Infel verfaus 
fen oder gegen einheimif—he Güter austaufhen, wobei fie 
großen Gewinn haben. Nah den zahlreichen Inſeln, vie 
weiter im Suͤden find, fahren die Schiffe nicht; Magaftar 
und die Infel Zenzibar werden allein befudht. Das Fommt 
daher, weil die Meeresftrömung nad jener Richtung hin 
mit. fold) ungeheurer Edynelligfeit geht, daß fie ihre Rüds 


530) Die Eingebornen find im Allgemeinen feine Mahometaner, doch 
haben einzelne Stämme ber Bewohner, vorzüglich an der Kuͤſte Hin, ben 
Mahometismus angenommen. 

531) Polo berichtet nur nach Hoͤrenſagen; Elefanten giebt es nicht 
auf Madagaskar, wohl aber in Menge an ber benachbarten Afritaniſchen 
Kuͤſte. 


576 


fehr unmöglich machen wuͤrde 532). Die Edhiffe, die von 
der Küfte Malabar nad diefer Inſel fegeln, vollführen 
die Hinteife in zwanzig bis fünfundzwanzig Tagen, zu ih 
rer Rüdfahrt aber brauchen fie drei Monate; fo ftarf iſt die 
Waſſerſtroͤmung, die beftändig nach Suͤden geht. 

Die Einwohner der Infel erzählen, daß in einer gewiſ— 
fen Sahreszeit ein wunderbarer Vogel, der Rudy 333) heißt, 
aus den füblihen Gegenden hier erſcheint. An Geftalt foll 
er dem Adler gleihen, aber er ift ungleih größer, denn er 
it fo groß und ftarf, daß er einen Elefanten mit feinen 
Krallen ergreift und mit fid in die Lüfte führt, von we er 
ihn auf die Erde fallen läßt, daß er ftirbt; dann fenft er 
fi auf ihn nieder und verzehrt ihn. Leute, Die biefen Bo 
gel gefehen haben, verſichern, daß, wenn: feine Flügel aus 
gebreitet find, fie von einem Ende zum anbern ſechzehn 
Sqrit meſſen und ſeine Federn ſeien acht Schritt lang und 


— — — — — 


532) Dieſe Stroͤmungen, die ſuͤdlich durch den Kanal von Mözamiit 
gehen und dann eine weitliche Richtung um das Kap der Guten Hoffaung 
nehmen, find allen Oftindienfahrern wohl befannt. -Bewunderungswärbig 
aber ift die Notiz zu nennen, die Polo von diefem merkwürdigen Umſtand 
auf einem Theil der Grofugel gibt, der bis dahin noch nicht von Euros 
päern befucht worden war; man erfennt daraus, mit welcher Genanigfelt 
und Sicherheit des Urtheils er fich zu erfundigen ſuchte. 

533) Ruch (for. Rukh) iſt der Vogel Rockh, der uns aus den Ers 
zählungen der Taufend und Bine Nacht wohl befannt iſt. Da biefes 
Thier — welches der Wahn der Orientalen meift auf die Hinterindiſchen 
Inſeln verjegt bat, fo daß felbft die fpäteren Reifenden (wie Pigafetta, 
ber den Vogel Garuda nennt und fagt, fein Bruͤteort ſei auf einer Inſel 
des Einns Magnus, des Meerbufens von China; ſ. Bürd, Diagellan 279) 
von ihm dafelbft viel erzählen hörten, — von Polo und feinen Berichter: 
flattern nad) der Gegend vom ſuͤdlichen Afrifa verwiefen wird, fo meint 
Marsden, es koͤnne wohl ver Albatros oder der Kondor fein, der, wie 
groß er auch ift, Freilich noch fehr Elein fel gegen ven Ruch; denn biefer würde, 
da Polo feine Flügelauspehnung zu ſechszehn Echritt ober passi, bie ei: 
nen und einen halben Fuß betragen, angiebt, vierzig Fuß meſſen; doch 
ift zu bemerfen, daß Polo dabei fagt: „si come intesi'* und „la quale 
li fu affermato.‘‘ 


—— 


‚» . 977 


im Berhältnig did. Da Meffer Marco. Polo glaubte, daß 
dieſe Gefihöpfe Greife fein möchten, wie man fie auf Bil 
dern fieht, halb Vögel, Halb. Löwen, fo frug er die, wel 
he fagten,. daß ſie die Vögel gefehen ‚hätten, ganz befon- 
ders über diefen Punkt; aber dieſe behaupteten, daß ihre Ges 
flalt durchaus die von Vögeln fei oder, wie man fagen Fann, 
die von Adlern. Als ver Großkhan dieſe wunderbare Gr- 
zaͤhlung hörte, fandte ex Boten nad) der Infel, unter dem 
Vorwande, die Freilaffung eines feiner: Diener zu bewirken, 
welcher hier zurüdgehalten wurde, aber eigentlih. um fih 
nad den Berhältniffen des Landes und der Wahrheit ber 
wundervollen Dinge, die davon erzählt wurden, zu erfunbi- 
gen. Als fie zu feiner Majeftät zurüdfehrten, brachten fie, 
fo habe ich gehört, eine Feder des Ruch mit fih, die, wie 
beftimmt verfihert wurde, neunzig Spannen maß und ber 
Kiel hatte zwei Palmen im Umfang; das‘ war gar wunbers 
bar zu fehen und machte dem Großkhan gar großes Vergnüs 
gen, weähalb er venen, die die Feder mitbrachten, reiche 
Geſchenke reihen ließ. Sie braditen aud) den Hauzahn eines 
wilden Bären mit, ein Thier, das fo groß wie ein Büffel 
wird, und diefer Zahn wog vierzehn Pfund. Diefe Infel 
hat auch Kameloparven, Efel und andere ‚wilde Thiere, die 
fehr verſchieden von denen unferer Länder find. Da id das 
gefagt habe, was über biefen Gegenftand nöthig war, wol⸗ 
len wir nun von Zenzibar reden. 


Siebenunddreißigſtes Kapitel. 
Von der Inſel Zenzibar. 


Ueber die Inſel Magaſtar hinaus liegt die Inſel Zenzi⸗ 
bar 534), die zweitauſend Meilen im Umfang haben fol. 


— 


534) Diefes Senzibar, das in den beiden Lateiniſchen Ueberfeßuigen 
37. 





878 


Die Einwohner beten Goͤtzen an, haben ihre eigene Sprade 
and zahlen Feiner ‘anderen Madt Tribut. Es find große 
Leute, aber ihre Höhe tft der Dicke, des: Leibes nicht ange 
neifen; ; waͤre es anders, ſo wuͤrden ſie als Rieſen exſcheinen. 
Sie ſind jedoch ehr art und kräftig, und einer: von ihnen 
kann fo viel tragen, als vier von Leuten unfered Schlages, 
und ißt für fuͤnf. Sie find ſchwarz und gehen nadt. Ihre 
Scham beveden fie nur mit einem Stüd Zeug. . Ihr Haar 
ft fo Fraus, daß fogar wenn man es in Waffer taucht, ed 
faum auseinander zu wirren if. Cie haben große Mäuler, 
ihre Rafen find aufwaͤrts gebogen, ihre. Ohren lang und 
ihre Augen fo. groß und ſchrecklich, daß. fie: wie: Teufel. auf 
fehen. Die Weiber find gleichfalls haͤßlich, ſie haben weit 
Mäuler, vide ‚Nafeh und : große: Augen: Ihre Hände 
und Köpfe ſind uͤber alle Maßen groß.:: Sie Ieben .von 
Fleiſch, Mild; und. Dattel::. Eie. haben: Feine Weintrauben, 
aber. bereiten .eine Art Wein aus Reis und Zucker, dem 
fie einige Gewürze beimiſchen, und :das. ift: ein. ſehr wohl 
ſchmeckender Trank, der berauſchend ift .wie ber andere. Auf 
diefer Infel.. werben Elefanten. in großer Zahl gefunden und 
ihre Zähne bilden einen bebeutenden Handelsartikel. Lieber 
diefe großen. Thiere: verdient. noch. bemerkt. zu ‚werben, daß 
ihre Begattungsart nicht fo. iſt wie bei anderen wilden Thie 
ren wegen der Lage des. weiblichen: Gliedes, ſondern daß ſie der 
der Menſchen aͤhnlich iſt 536). .. 


— —— — — — 


Zanzibar und in den erſten Epitome's Tangibar heißt, iſt Zanguebar der 
neueren Geografie. Die Kaufleute, die dahin famen, beſuchten nur einige 
Kuͤſtenpunkte des Handels wegen. und'ba ſie daſelbſt keingen großen Kon 
tinent vermutheten, ſahen fe, das Land als eine. große Infel gleich Ma: 
dagaskar an; ähnlich wurde das Kap Gardafui gleich der nicht fern da: 
. von liegenden Infel Sofotora.von. Eupemerys und feinen Zeitgenoſſen aud 
als Infel angefehen und geiälfbert;, % Buͤrck A. ©. ıc. I, 488 u. 436. 

535) in in alten Zeiten’ fehr allgemeiner Irrthum über bie Begat: 
tungsweife der Elefanten, die, wie wir wiſſen, biefelbe geheim und nur 
wenn ſie glauben, daß fie nicht geſehen werden, verrichten. 


J 


579 


In dieſem Lande wird aud die Giraffe oder der Kame 
loparde gefunden, das ift ein ſchoͤnes Thier. Der Leib iſt 
ſchoͤn geftaltet,. die Vorderbeine find Lang. und hoch, der Hals 
ſehr lang, der Kopf Hein. Es iſt freundlich und beleidigt 
Niemand; feine Farbe iſt licht mit runden rothen Sleden, . 
die ‚Höhe. feines: Halſes mit Einſchluß des Kopfes mißt drei 
Schritt. Die Schafe des Landes find verſchieden von ben 
unftigen; fie find ganz weiß ‘mit Ausnahme: bes Kopfes, der 
ſchwarz ift, und ſo ift auch die. Farbe der Hunde. Die 
Thiere fehen überhaupt dort ganz. anders: aus als die uns 
ferigen. Diele Handelsſchiffe beſuchen das Land; fie taufchen 
bie. Güter, die fie bringen, ‚gegen: Clefantenzähne und Ambra 
aus, welches man in Menge an den Kuͤften ver Inſel findet, 
weit das’ Meer dort vol von Wallfiſchen if. | 

"Die Häuptlinge der Inſel fuͤhren zuweilen Krieg gegen 
einander und ihre Leute zeigen. im. Kampfe viel Tapferkeit 
und Todesverachtung. Sie haben keine Pferde, fondern 
fehten : auf: Elefanten und Kameelen. Auf die Ruͤcken ber 
Elefanten ſtellen fie Kaſtelle, die‘ fuͤnfzehn bis zwanzig 
Mann halten, welde mit Schwertern, Lanzen und, Eieinen 
gerüftet find, denn mit folhen Waffen reiten fie... Kurz vor 
der Schlacht geben: fie ihren Elefanten. Wein zu trinfen, in⸗ 
dem fie glauben, daß fie dadurch aufgeregt und wilder zum 
Kampfe werden. 


Aqtunddreißigſtes Kapitel: 
| . Bon der Menge Infeln im Indiſchen Meere. | 
Indem ich von den Provinzen Indiens gehandelt, habe 
ich nur die vorzuͤglichen und beruͤhmteſten beſchrieben und 
habe es ſo auch mit den Inſeln gehalten, deren Zahl ins 
Unglaubliche ſteigt. Ich habe gewiß und wahrhaftig von 
Eeeleuten und ausgezeihneten Piloten‘ aus dieſen Läns 


- bern gehört und aus den Schriften derer, welde bie In— 
37 * 


580 


diſchen Meere beſchifft Haben, erfehen, daß die Infeln fid auf 
nicht weniger als zwölftaufennfiebenhundert belaufen, die be 
wohnten und bie unbewohnten geredinet®36). Der Länder: 
theil, der Großindien genannt wird, erſtreckt jid) von Maabar 
bis Cheömaforan und umfaßt vierzehn große Königreiche, von 
benen wir zehn aufgezählt haben. . Kleinindien fängt bei Zi⸗ 
amba an und erſtreckt fi bis Murfili und umfaßt acht Koͤ⸗ 
nigreiche mit Ausſchluß der Infeln, welche ſehr zahlreich find. 
Wir wollen nun vom Zweiten oder von Mittelindien reden, 
welches Abascia genannt wird 537). 2 





336) Das bezieht ſich auf bie Infelgruppen der Malediven und Lake⸗ 
biven, wie Marsden meint; doch kann man auch alle Inſeln in den In⸗ 
bifchen Meeren, die Sunbainfele mit eingerechnet, darunter verfichen. 

537) Unter Großtindien verfteht alfo Bolo das eigentliche Indien, wel: 
ches wir Vorderindien nennen, unter Kleinindien Hinterindien; merkwuͤr⸗ 
dig aber if, dag er Abyffinien und Arabien mit zn Indien rechnet und 
es das Mittlere Indien nennt, eine Gintheilung, die wir nicht wieder bei 
einem zeitgenoͤſſiſchen Echrifiteller finden. Ich erkläre fie fo: er bes 
greift Abyffinien und Arabien mit unter Indien, weil biefe Linder nad 
feinem Begriffe mit an dem großen Jubifchen Meere lagen und ein fleter 
Handel und ES chifffahrtverkehr zwifchen ihnen und Indien flattfand. Wie 
weit aber Polo ven Begriff ausbehnt, haben wir fihon gefehen, daß er 
in feiner Einleitung (fänfte Abtheilung, nicht fechste, mie. fälfchlich ges 
druckt iſt; vergl. Anm. 24) den König von Perfien auch König von- Indien 
nennt, was zugleich eine VBeftätigung meiner Anficht abgiebt, daß er alle 
an bie Indifhen Meere (wozu er auch die Perfifchen und Arabifchen rech⸗ 
net) grenzenden Länder unter dem allgemeinen Namen von Indien begreift; 
eriheinen ihm doch auch Sokotra wie Madagaskar und Banguebar als 
Indiſche Infeln; denn er führt unmittelbar nach den Kapiteln, bie über 
biefe legtere Handeln, fort: „Indem ich von ben Provinzen Indiens ge: 
handelt habe ....“ und baffelbe tft auch in Bezug auf bie Infeln geſche⸗ 
hen. — Abasſscia iſt in feiner Ausfprache dem Arabifchen und Perfifchen 
Namen Habefch oder Habſch fehr ähnlich. | 





581 


Neununddreißigſtes Kapitel. 
Bon dem Zweiten oder Mittelindien, Abascia (oder Abyſſinia) genannt. - 


Abascia iſt ein großes Land, das Mittel- oder Zweites 
Indien genannt wird. Sein Hauptkonig iſt Chriſt 838). 
Von den anderen Koͤnigen, ſechs an der Zahl, die dem erſten 
tributbar, ſind drei Chriſten und drei Sarazenen. Man hat mir 
geſagt, daß die Chriſten dieſer Gegenden, damit ſie als ſolche 
erkannt werden, drei Zeichen (auf das Geſicht) machen, naͤm⸗ 
lich eins auf die Stirn und auf jede Wange eins; dieſe letz⸗ 
teren werden mit einem gluͤhenden Eiſen eingebrannt, und 
das kann als eine zweite Taufe mit Feuer, nach der erſten 
mit Waſſer, betrachtet werden. Die Sarazenen haben nur 
ein Zeichen, das geht ihnen von der Stirn bis auf die halbe 
Nafe. Die Juden, die gleichfalls hier fehr zahlreih ſind, 
haben zwei Zeichen und die find auf ven Wangen532). 

Die Hauptftadt des erften Königs liegt im Innern des 
Landes 540). Die Reihe der Sarazenifhen Fuͤrſten Tiegen 
gegen die Provinz Adem. Die Belehrung diefer Leute zum: 


538) „Das Chriſtenthum hatte diefe Nazton über ven Afrifanifchen: 
Barbarismus erhoben, ihr Verkehr mit Aegypten und den Nachfolgern 
Konftantin’s hatte Theilnahme für Künfte und Wiffenfchaften bei ihnen er⸗ 
weckt; ihre Schiffe trieben Handel mit Zeylon und fleben Königreiche ges 
horchten dem Negus oder oberften Fürften von Abyſſinien.“ Gibbon, 
Vol. IV, p. 267. — Noch jetzt herrfcht dort ein hriftlicher König. 

539) Auch von diefem fonderbaren Gebrauche ift bei anderen mittel: 
alterlichen Schriftftellern die Rebe. 

540) Das bezieht fi anf Axuma oder Akshuma, die alte Hauptſtadt. 
Abyſſiniens und der Sig des Fürften, ver von Alvarez, Barbofa und ans’ 
deren alten Portugiefifchen Antoren der Prete Jako, der Priefter Johan⸗ 
nes von Aethiopia genannt wurde. Merfwürbig aber. iſt es, dag Marco 
Polo's Bericht über den Chrifllichen König Abyffiniens den Portngiefen: 
Anlaß gegeben hat, viefen König in. Abyffinien aufzufuchen, ihn als 
einen BPriefterfaifer und Oberhaupt der Chriftlicden Kirche in Afrika. zu 
bezeichnen und ihn Priefter Johannes zu nennen. ©. J. de Barros Dec. 
111, 4, 1. u. Ludolfus Hist. Aeth. II, 1. und vergleiche unfere Mn. Ki6, 


582 


Ehriftlihen Glauben war das Werk des glorreidyen Apoftels 
Et. Thomas, ‚der erft dad Evangelium m dem Koͤnigreiche 
Nubia predigte und feine Einwohner befehrte, nachher Abascia 
befuchte und dort durch feine Predigten und feine Wunde 
Daffelbe bewirkte. Dann ging er nad der Provinz Maabar, 
wo er, nachdem er’ eine ungeheure Menge von Memfchen be 
fehrt hatte, die Krone des Märtyrertfums empfing, wie wir 
ſchon erzählt Haben, und dafelbit begraben wurde. Die 
Leute von Abascia find tapfere und gute Krieger, da fie wit 
dem Eoldan von Ardem54!), dem Volle von Nubien und 
vielen anderen, deren Länder an bie ihrigen grenzen, in be 
ftändiger Feinpfeligfeit find. In Folge dieſer beftänvigen lie 
bung im den Waffen werben fie für vie beften Soldaten in 
diefem Theile der Welt gehalten...  . 

Im Iahre 1288, fo hat man mir gefagt, faßte diefer 
große Abyſſiniſche Für den Entſchluß, in Perſon das heilige 
Grab Chriſti in Jeruſalem zu beſuchen, eine Pilgerfahrt, bie 
jedes Jahr von einer großen Anzahl feiner Unterthanen voll 
führt wird; aber feine hohen Staatsbeamten riethen ihm ba 
von ab, indem fie ihm die Gefahren vorſtellten, denen er fih 
audjegen würde, wenn er burdy fo viele Staͤdte zöge, bie 
den Earazenen, feinen Feinden, gehörten. Da befchloß er, 
einen Biſchof als feinen Etellvertreter hinzufenden, einen Mann, 
der in hohem Rufe der Heiligkeit fland, ver bei feiner Au 
funft zu Jeruſalem die Gebete ſprach und die Opfer bradite, 





541) Marsden Hält dieſes bier erwähnte Adem oder Aden nicht für 
das Arabiſche Arten, ſondern für Adel, ein Königreich, welches ſuͤdlich 
an Abyſſinien grenzt und von ber Arabifchen Stadt durch den Arabiſchen 
Meerkujen getrennt wirt: mit dem Lante Adel, befien Haupthafen Zeila 
it, habe ver Koͤnig von Abufjinien, nad Zeuguiien mittelalterlicder 
Hiforifer,, vielfach im Krieg gelegen, und fei es fehr erflartich, daß Pol⸗ 
bei viefer Gelegenheit ben Namen jenes Landes mit bem ber berüfmies 
Elatt, ron welder im nächſten Karitel die Rede it, verwedhielt habe. 
Was dem gelebrten Kommentator bierin betärft, ſind tie Worte ver Bas 
ler Anegabe: „Contingit kanc regiewem (Abasiam) alia quaedam pro- 
vineia Aden dieta.“ 


583 


wie ihn der König angeiviefen hatte. Als er jedoch vun je- 
ner Stadt durch das Reich des“ Soldan von Adem zurid- 
fehrte, Tieß ihn dieſer vor ſich kommen und verfudhte ihn zu 
uͤberreden, Mahometaner zu werden. Da er ſich mit gezie⸗ 
menber: Feſtigkelt weigerte, den Chriftlichen Glauben iu ver- 
laſſen, ſo ließ ihn der Solban, der Rache des Abyſſi niſchen 
Monarchen trotzend, beſchneiden und dann weiter 'siehen.- 3 
ver Biſchof zuruͤckkam und Bericht erflättete über die Unwuͤr⸗ 
pigfeit und Gewalt, det man ihn "unterworfen hatte, gab ber 
König ſogleich Befehl, ‚eine Armee zu verſammeln, anderen 
Spitze er ſich ſtellte, um den Soldan zu vernidten; dieſer 
feines Theils rief zwei Mahometaniſche Fuͤrſten, ſeine Nach⸗ 
barn, zum Beiſtande herbei, bie auch mit großen Streitkraͤf⸗ 
ten“zu ihm ſtießen. In dem Kampfe; der nun folgte, war 
der Abyfſiniſche Koͤnig ſiegreich, und nachdem er die Stadt 
Avem gewonnen; hatte uͤbergab er ſie der Pluͤnderung, zur 
Rache der Beleidigung, die man ihm in der Perſon ſeines 
Biſchofs zugefuͤgt hatte. | 
-Die Einwohner diefes Koͤnigrelchs leben pon Weizen, 
Reis, Fleiſch und Milch. Ste pfeſſen Del aus Seſam und 
haben Ueberfluß an aller Art von Unterhaltsmitteln. In dem 
Lande giebt es Elefanten, Loͤwen, Kameloparden und viele 
andere Thiere, wie wilde Eſel, und Affen, welche die Geſtalt 
von Menſchen haben; auch viele Vögel, wilde und Haus⸗ 
gefluͤgel. Das Land iſt fehr reich an Gold und wird viel 
von Kaufleuten beſucht, die großen Gewinn haben: — ‚Bir | 
wollen nun von der Provinz Adem reden. 


584 


Vierzigſtes Kapitel. 
Bon der Provinz Adem. | 


Die Provinz Adem 542) wird von einem Koͤnige be 
herriht, der den Titel Soldan führt. Die Einwohner find 
alle Earazenen und verabfheuen die Chriften auf das Aeu⸗ 
ßerſte. In diefem Reiche giebt ed viele Städte und Burgen 
und ed hat die gute, Gelegenheit eines vortrefflihen Hafens, 
der von Schiffen beſucht wird, die von Indien mit Gewuͤr⸗ 
zen und Epezereien fommen. Die Kaufleute, welche dieſe kau⸗ 
fen, um fie nad Alexandria zu führen, ‚laden fie von ben 
Schiffen ab, in welden fie hergefchafft werben, und bringen 
die Ladungen an Bord anderer Fleinerer Schiffe, mit denen 
fie einen Meerbufen zwanzig Tage lang aufidiffen, auch mehr 
oder weniger, je nachdem ihnen dad. Wetter günftig iſt. Has 
ben fie diefen Hafen erreiht, fo laden fie dann ihre Waa⸗ 
ren auf Kameele und laſſen fie dreißig Tagereifen durchs 
Land bis zum Fluſſe Nil tragen, wo fie wieder in Fleine 
Schiffe, Zerme genannt, verladen werben, in denen man fie 
firomabwärtd nad; Kairo und von da auf einem Fünftlichen 
Kanale, Kalizene genannt, nad) Alerandria ſchafft. Das ift 
der am. wenigften ſchwierige und der Fürzefte Weg, den bie 
Kaufleute mit ihren Gütern, ven Erzeugnifien Indiens, von 
Adem nad) Alerandria nehmen koͤnnen 8*23). In dieſem Ha 
‚ fen von Adem fhiffen die Kaufleute auch eine große Anzahl 
Arabifher Pferde ein, welde fie zum Verlaufe nad) allen 
Königreihen und Snieln Indiens verführen, wo fie Diefelben 
zu theuren Preifen verkaufen und großen Gewinn haben. 

Der Soldan von Adem beſitzt ungeheure Schäge, die er 
von dem Zolle fammelt, den er auf die Waaren, die von 


542) Das tft die berühmte Handelsſtadt Aden im aͤußerſten Suͤdoſten 
Arabiens, nicht fern vom Eingang im Arabifhen Meerbufen gelegen. 

543) Eine durchaus trefflihe Befchreibung des fogenannten Weber: 
landhandels aus Indien. 


685 ‘ 


Indien fommen, wie auf das, was in feinem Hafen als 
Ruͤckfracht eingeſchifft wird, gelegt hat, da dieſes der betraͤcht⸗ 
lihfte Markt in jener Gegend ift zum Austaufh von Waa- 
ven und der Platz, wohin alle Handelsfhiffe fommen. Man 
"hat mir gefagt, daß, ald der Soldan von Babylon im Jahre 
1200 feine Armee zum erſten Male gegen die Stadt Acre 
führte 5%4) und Diefe einnahm, die Stadt Adem ihm dreißig⸗ 
taufend Pferde und vierzigtaufend Kameele zuführen ließ, und 
das that fie in ihrem Haß gegen die Chriften. — Wir wol⸗ 
len nun von der Stadt Escier reden. 


Ginundvierzigfies Kapitel. 
Von der Stadt Escier. 


Der Beherrfher dieſer Stadt iſt ein Mahometaner, ver 
fie unter der Oberhoheit des Soldand von Adem mit mufter- 
hafter Gerechtigkeit regirt. Don: diefer Stadt liegt fie unge⸗ 
fähr vierzig Meilen nad) Süpoften entfernt 5%5). Ihr find 
wieder viele Städte und Burgen unterthan. Ihr Hafen ift 
gut und wird von vielen Handelsihiffen aus Indien beſucht, 
welche eine Menge ausgezeichneter Pferde mitnehmen, die 


544) In Jahreszahlen und hiſtoriſchen Daten iſt Pelo, wie wir ſchon 
bemerkt haben, meiſt inkorrekt; erſtere ſind freilich durch die Abſchreiber 
vielfach korrumpirt worden. Es war im Jahr 1187, als Sultan Saladin 
oder Salah⸗eddin die Stadt Acre oder Aka den Franken entriß; Demen, 
in welchem Aden legt, wurde. von Saladin’ Bruder beherrſcht, der Ihm 
fiher Hilfe bei jener Groberung leiſtete. Saladin wird wuneigentlich 
Sultan von Babylon genannt; feine vauptſtadt war Kahlrah oder Kairo. 
S. Anm. 19. 

545) Escier ift das Schähhe Niebuhr's, das Sahar D’Anville’s; 
mit dem Artikel würde es Al⸗ſchaͤhhr ausgefprochen werben, dem fich das 
Escier (Eſchier) Polo's mehr nähert; doch nennt Polo irrthuͤmlich jene 
Lage nordoͤſtlich (vielleicht nur ein Schreibfehler) ſtatt ſuͤdoͤſtlich; auch iſt 
die Entfernung von Aden größer als vierimbvierzig (Ital.) Meilen. 


586 


in dieſem Lande -fehr. geſchaͤt ſind mb‘ ” theuren Preiſen 
verkauft werben. 

: Diefer Diſtrikt erzeugt eine große Menge: weißen Weihs 
rauch, der ganz vorzuͤglich gut iſt und Tropfen auf Tropfen 
aus einem gewifien Fleinen Baume quillt, welcher der Tanne 
“ ähnlidy if. Die. Bewohner: zapfen ven Baum zu gewiſſen 
Zeiten an oder loͤſen die Rinde: los und aus der Wunde 
träufelt allmählig der Weihraud, der naher hart wird. So⸗ 
gar wenn fein Einſchnitt gemacht wird, ſchwitzt in Folge der 
ungeheuren Hitze in jener Gegend das Harz heraus... Es 
giebt dort aud) viele Balmbäume, die gute Datteln im Ueber— 
fluß Tiefen. Kein Korn außer Reis und Hirfe wird in die 
ſem Lande gebaut, und fie müffen Daher das nöthige aus 
anderen Läntern bezishen. Auch wird fein Wein aus Traus 
ben da gefeltert, fondern fie bereiten ein ſtarkes Getränk aus 
Reis, Zuder und Datteln, und das ift gar koͤſtlich. ie he 
ben Fleine Echafe, deren Ohren nicht dar find, wo fie Die an 
deren dieſer Thiere haben, fondern an dieſer Stelle wachſen 
zwei Eleine Hörner, und tiefer. unten, nad) der Nafe zu, find 
zwei Deffnungen, welche ftatt der Ohren dienen. 

Diefe Leute find ſehr vorzüglide. Fifher und fangen bie 
Thunfifhe in fo großer Menge, daß man zwei berfelben für 
einen Benezianifhen Groſchen haben Tann. Sie trocknen fie 
an der Eonne, und da wegen der ungeheuren Hige das Land. 
gewiffermaßen verbrannt und Feine. Pflanze zu fehen ift, fo 
gewöhnen fie ihr Vieh; Kühe, Schafe, Kameele und Pferde, 
ben getrodneten Sifch: zu eſſen, den fie, weil er ihnen fort 
während vorgeworfen wird, nun auch ohne Widerwillen ver: 
jehren. Die Fiſche, bie hierzu verwendet werden, find von 
fleiner Art; man fängt: fie in großer. Menge. wahrend der 
Monate Maͤrz, April und Mai, und wenn fie getrodnet find, 
ſchichtet man fie in ben Häufern zum Zutter für das Vieh 
auf. Diefes frißt auch den friſch gefangenen Fiſch, aber if 
doch mehr an den getrodneten gewoͤhnt. Wegen des Man 
geld an Korn bereiten . Die Eingehorenen aus den. größeren 


587 


Fifchen auch eine: Art; wieback und: zwar auf folgende Art. 
Sie haden::fie:in-fehr kleine Stuͤckchen und: machen mit Meht 
eine dicke zaͤhe Fluͤſſigkeit, die ſie über die feinen Stuͤckchen 
gießen. wodurch das: Ganze: eine: Art. Teig wird. Dieſen 
formen fie in Brode, welde fie trodnen und der. fengenben 
Sonne ausfegen. Don diefem Zwieback wird ein Vorrath 
gemacht, der für das ganze Jahr zur Speife dient. Der 
vorerwähnte Weihrauch ift: im dieſem Lande. fo ‘wohlfeil, daß 
er von dem Statthalter. der Zentner zu zehn Byzantinen auf- 
gefauft wird, und dieſer verfauft ihm wieder den Zentner zu 
vierzig Byzantinen. Das. thut er. auf Befehl des Eoldans 
von Adem, der allen Weihrauch, der: in dem Lanpe: erzeugt 
wird, zu Dem: erwähnten: Preife beanfprucht und einen großen 
Gewinn durch Den Wiebderverfauf zieht. Weiter tft nichts 
von. dem Plage zu bemerken und wir. wollen ‚nun, von der 
Stadt Dulfar reden. J 


3Zweiündvierzizſtes Kapitel. 
Von der Stadt Dulfar. 

Dulfar 546) Me eine große und edle Stadt, oa 
Meilen von Escier, in ſuͤdoͤſtlicher Richtung, entfernt. Ihre 
Einwohner ſind Mahometaner und ihr Oberhaupt tft auch 
dem Eoldan von Aden unferthänig. Diefer Pla Tiegt nahe: 
am Meere und hat einen guten Hafen, der von vielen Schif⸗ 
fen beſucht wird. Eine Menge Arabiſcher Roſſe werden hier 
aus dem innern Sande hergefuͤhrt, welche von den Handels— 
leuten aufgefauft und. nad) Indien. gefhafft.. werben, wo fie 


vw. ta 


546) Dulfar iR das Dafar Nicbuhr’s und ber Karten. Es Tegt » von 
Schaͤhhr nordoͤſtlich and die Entfernung iſt größer als. fie Polo angiebt. 
Es iſt ebenſo befannt; wie Schaͤhhr wegen feiner Ausfuhr des beſten 
Welhrauche. 


588 


durd; deren Wiederverfauf großen Gewinn haben. Auch Weit, 
rauch wird bier erzeugt und von den Handelsleuten gefauft. 
Dulfar hat andere Staͤdte und Burgen unter feiier Gerichts 
barfeit. — Wir wollen nun von dem Meerbufen von Ka 
lajati reden. 


Dreiundvierzigfties Kapitel. 
Bon der Stadt Kalajatl. 


Kalajati 57) iſt eine große Stadt, die an einem Meer⸗ 
bufen liegt, der Kalatu heißt, von Dulfar ungefähr fünfzig 
Meilen nad) Süpoften entfernt. Die Bewohner folgen dem 
Gefege Mahomet's und find dem Melit von Drmus 548) 
untertban, der, wenn er von einer anderen Macht angegriffen 
und hart bevrängt wird, feine Zuflucht zu biefer Stadt nimmt, 
weiche fo feft und vortheilhaft gelegen ift, daß“ fie nie von 
einem Feinde genommen wurde. Das Land ringsum liefert 
feine Art Korn, fondern das wird aus anderen Gegenden 
eingeführt. Der Hafen der Stadt iſt gut, und viele Haw 
delsſchiffe fommen hierher, welche ihre Städgüter und Spe 
zereien mit großem Vortheile abfegen, da das Verlangen da⸗ 
nad, für den Bedarf der Städte und Burgen, die in einiger 
Entfernung von der Küfte liegen, ſehr beträchtlich if. Don 
diefem Hafen werden auch viele Pferde nadı Indien ausge 
führt und mit großem Vortheile verkauft. 

Die Beftung ift fo am Eingange des Meerbufens von 
Kalatu gelegen, daß fein Schiff ohne deren Bewilligung ein 
oder auslaufen kann. Zuweilen geſchieht es, daß der Melik 


547) Ralajatt {ft Kalhaͤt an der Küfle von Omän, nicht fern von 
Maskäat oder Muskat. 

548) Der Titel Melik beneutel: eigentli König oder Sultan, wird 
aber oft auf tributbare Fürften und Gouverneure von Provinzen angewen⸗ 
dei. M. — Ueber ven Melik von Ormus f. I. B., 15. Kap. und die Anm. 
9% u. 9. 


989 


dieſer Stabt,. ber unter gewiffen Verpflihtungen zu dem Koͤ⸗ 
nige von Kermain fteht und ihm tributbar ift, feine Lehnhafs 
tigfeit abwirft, . weil ihm derſelbe irgend eine ungewöhnliche 
Abgabe auferlegt. Wenn er die verlangte Zahlung nidt lei⸗ 
ften will und. ein Heer abgefhidt wird, ihm dazu zu brins 
gen, fo verläßt er Ormus und nimmt feinen Aufenthalt zu 
Kalajati, wo er es in der Gewalt hat, jedes Schiff von ver 
Ein- und Abfahrt abzuhalten. Dadurch wird der Handel ge- 
hemmt und der König von Kermain ‚hat großen Berluft an 
den ihm zukommenden Zöllen, und weil er fo in feinen Ein 
nahmen verfürzt wird, fo flieht er ſich gezwungen, den Streit 
mit dem Melif Beizufegen. Das fefte Kaftell an dieſem Plage 
ift nicht allein. der Echlüffel zum Meerbufen felbft, fondern 
auch der Eee, da von dort die Schiffe, Die vorüberfegeln,. zu 
allen Zeiten gefehen werden. “Die Bewohner dieſes Landes 
im Algemeinen leben von Datteln und Fiſchen, friſch gefan⸗ 
genen oder eingefalzgenen, und haben ftetd großen Vorrath an 
beiden; aber die vornehmen Leute und diejenigen, welde bie 
Ausgabe beftreiten koͤnnen, braudyen auch Korn, welches fie 
aus anderen Gegenden beziehen. Wenn man. Kalajati vers 
läßt und dreihundert Meilen nad) Rorboften fegelt, kommt 
man a der Inſel Ormus. 


Vierundvierzigſtes Kapitel. 


Bon Ormus. 


Auf der Inſel Ormus ſteht eine ſchoͤne und große Stadt, 
welche nahe am Meere erbaut iſt. Sie wird von einem 
Melik beherrſcht, deſſen Titel dem unſeres Markgrafen gleich 
iſtz der hat viele Staͤdte und Burgen unter ſich. Die Ein⸗ 
wohner find Sarazenen, die ſich alle zum Glauben Mahos 
met's befennen. Die Sige, die hier herrfcht, iſt außerordent⸗ 
li, aber in jevem Haufe befinven ſich Luftzieher, durch welde 


592 


Königs if. Sie befigen. ungeheure Heerben von Roſſen, 
Kühen, Schafen und anderen Hausthieren 581). Im diefen 
nördlichen Gegenven findet man Bären, bie weiß von Farbe 
und fehr groß find, denn. größtentbeild meſſen fie zwanzig 
Epannen in ber Länge552).. Da .giebt ed auch Fuͤchſe, de 
ren Bell ganz ſchwarz iſt 583), wilde Ejel in großer Zahl 
und gewijje Keine Thiere, die Mondes genannt werben, welde 
die zarteften Selle haben und bei und Zibelline oder Zobel 
heißen 55%). Außerdem giebt es noch verſchiedene Fleine 
Thiere von dem Marder⸗ und Wieſelgeſchlechte und folde, 
welche den Ramen Faraonismäufe tragen 555). Die Schwaͤrme 
der legteren gehen ins Unglaubliche, aber die Tartaren ha 
ben foldye Kunft im ange verfelben, daß fie ihren Händen 
nicht entjchlüpfen Tonnen. 


Um das von biefen Bölfern bewohnte Land zu erreichen, 
muß man durch eine weite Ebene, die voͤllig unbewohnt und 
wuͤſte iſt, eine Reiſe von vierzehn Tagen machen, ein Zus 
ftand, der durch das Zufammenlaufen von unzähligen Waſſern 
und Quellen herbeigeführt worden ift, durch welche es gäny 


— — — — — — 


551) Im J. B., Kap. 46 ff. wird das Leben der eigentlichen Tartaren 
oder Mongolen ausführlich befchrieben und wie die, welche fich in ben 
eroberten Laͤndern niedergelaſſen, durch ben Einfluß dieſer verborben wor⸗ 
ven find. Vgl Anm. 183 und 184. 

552) Ursus albus Linn., ber dreizehn Zuß lang wirb, was mit Be 
10’8 Angabe übereintrifft. 

553) Der Pelz des fehwarzen Fuchſes wird in Rußland noch hoͤher 
als der feinſte Zobel geſchaͤtzt. 

664) Rondes wurden ſchon im II. B., 16. Kap. erwaͤhnt; hier erklaͤrt 
Polo den Namen ſelbſt durch Zobel, das iſt mustela zibelina Linn. Bol 
nennt noch vari und arcolini, über welche Namen die Kommentatoren 
keine genaue Auskunft geben koͤnnen, er will jedoch ficher dadurch Tiere 
mit feinen Bellen aus dem Wieſel⸗ und Mardergefchlecht bezeichnen; ar- 
colini fol vielleicht arcigloso, Vielfraß, fein. 

555) Murmelthier, mus marmota Linn, Ta- ei bei den rei 
f. Anm. 177. 


5393 


ih in Marſchen gelegt iſt86). : In Folge der langen Dauer 
ver Falten Jahreszeit ift das Alles gefroren, mit Ausnahme 
weniger Monate im Jahre, da die Sonne das Eis fchmilzt 
und den Boden fumpfig madt, dag man mit viel mehr - 
Schivierigfeit und Mühfal darüber reifen fann, als wenn 
Alles gefroren it. Damit jedoch die Kaufleute ihr Land bes 
fuchen und ihre Felle Faufen koͤnnen, in welchen ber ganze 
Handel der Bolfer befteht, fo haben dieſe mit großer Ans 
firengung die fumpfige Wüfte für Reiſende zugaͤnglich gemacht, 
indem fie. am Ende einer jeden Tagesſtazion ein hoͤlzernes 
Haus errichtet haben, das von der Erde erhoben iſt, wo 
Leute hinbeſtellt ſind, deren Amt es iſt, die Kaufleute zu em⸗ 
pfangen und zu beherbergen und ſie am naͤchſten Tage zu 
der folgenden Stazion zu fuͤhren, und ſo kommen ſie von 
Stazion zu Stazion, bis fie den Weg durch bie Wuͤſte voll⸗ 
endet haben 587). Um aber über Die gefrorene Flaͤche des 
Bodens zu kommen, haben fie eine Art Fuhrwerf, welches 
dem nicht unaͤhnlich ift, deffen fi) die Eingeborenen ver ftei- 
len und faft unzugänglichen Berge in der Nahbarfhaft ums 
fere8 eigenen Landes bevienen und welches eine Tragula ober 


556) Wenn man auf die Karte flieht, wird man finden, daß eine 
Menge von Flüffen, die nach Norden und Norboften firömen, ihre 
Duellen in den hohen Ebenen . zwifchen dem 45. und 55. Breitengrade, 
‘ben urſpruͤnglichen Wohnplaͤtzen der Wanderhorden, haben, wo mir alfo 
ein ſolches Waſſerland ſehen, wie es unſer Text beſchreibt. „Varaba 
(zwiſchen dem Irtiſch und Oby) iſt wirklich, was fein Name bezeichnet, 
eine weite Marſchebene. Sie iſt im Allgemeinen voll von Seen und Marſch⸗ 
gruͤnden, die mit großen Waͤldern von Espen, Erlen, Weiden und ande⸗ 
ren im Sumpf gedeihenden Baͤumen beſetzt find.” Bell's Trav. I, 205. 


: 557) Diefe Haltpläße, wie unbebentend auch in Bezug auf ihre Gebaͤude 
und Bewohner, find ſolche, wie fie in der Sprache der Ruſſen, beren 
Reich das hier befchriebene Land einſchließt, Oſtrogs oder Dörfer ge: 
nannt werden, und die Häufer entfprechen mehr denen, welche bie Reiſenden 
nach und von Kamtſchatka Balagan nennen laſſen, als bem Joba oder 
Blockhaus. M. — ©. Leſſeps Reiſen in Kamtſchatka, I. B. 


38 


502 


Königs if. Sie befigen. ungeheure Heerden von Roſſen, 
Kühen, Schafen und anderen Hausthieren 551). In dieſen 
nörblihen Gegenden findet man Bären, die weiß von farbe 
und. fehr groß find, denn groͤßtentheils meſſen fie zwanzig 
Spannen in der Länge 862). Da giebt ed auch Fuͤchſe, de 
ren Bell ganz ſchwarz iſt83), wilde Eſel in großer Zahl 
und gewiſſe Heine Thiere, die Rondes genannt werben, welde 
die zarteften Belle haben und bei uns Zibelline ober Zobel 
heißen 55%. Außerdem giebt es noch verſchiedene Kleine 
Thiere von dem Marder» und Wiefelgefhlehte und folde, 
welde den Ramen Faraonismäufe tragen 555). Die Schwärme 
der legteren gehen ind Unglaublihhe, aber die Tartaren be 
ben ſolche Kunft im Zange verfelben, daß fle ihren Händen 
nicht entſchluͤpfen Fonnen. 

Um das von dieſen Voͤlkern bewohnte Sand zu erreiden, 
muß man durch eine weite Ebene, die vollig unbewohnt und 
wüßte ift, eine Reife von vierzehn. Tagen machen, ein Zu 
ftand, der durch das Zufammenlaufen von.unzähligen Waflern 
und Quellen herbeigeführt worben ift, durch welche es gäny 


— 





551) Im 1. B., Kap. 46 ff. wird das Leben ber eigentlichen Tartaren 
ober Mongolen ausführlich beſchrieben und wie bie, welche fich in ben 
eroberten Ländern niebergelafien, durch den Einfluß dieſer verborben wor⸗ 
den find. Vgl. Anm. 183 und 184. 

552) Ursus albus Lins., ber dretzehn Fuß lang wird, was mit Pe⸗ 
10’8 Angabe uͤbereintrifft. 

553) Der Pelz des fchwarzen Fuchſes wird in Rußland noch hoͤher 
als der feinſte Zobel geſchaͤtzt. 

664) Rondes wurden ſchon im II. B., 16. Kap. erwähnt; hier erklaͤrt 
Polo ven Namen ſelbſt durch Zobel, das iſt mustela zibelina Linn. Pol 
nennt noch vari und arcolini, über welche Namen die Kommentatoren 
feine genaue Auskunft geben Fünnen, er will jedoch ficher dadurch Tiere 
mit feinen Bellen aus dem Wiefels und Marbergefchlecht bezeichnen; ar- 
colini fol vielleicht arcigloso, Vielfraß, fein. 

555) Murmelthier, mus marmota Linn, Ta-elpi bei den Ghinefes; 
ſ. Anm. 177. 







das Vieh. Ihr Verſtand iſt getruͤbt und fie find 
Die Tartaren fallen oft in Raubzuͤgen in das 
d nehmen ihnen Vieh und Habe. Dazu benutzen 
jäte, im denen die Finſterniß herrſcht damit ihr 
bemerkt wird; aber da fle ff) der Richtung nicht 
üinen, in welcher Re mit ihrer Beute nad Haufe 
free, To ſchuͤßen fie ſich vor Irrewanderung, 
aten reiten, die getade Fuͤllen haben, welche leh⸗ 
uͤtter begleiten Faffen bis zu den Grenzen ih⸗ 
bes, aber dann laffen fie dieſelben unter bes 
+ beim Gintritte in die dunkle Gegend zuruͤck. 
erf der Binjterniß ausgefuͤhrt iſt und fie bie 
Lichtes wieder fehen "wollen, fo Taffen fie die 
Hals ihret Pferde Fallen und diefe frei “ihren 
neh Durdh muͤtterlichen Inſtinkt geleitet, 
tuten ihren MWep gerade auf die Stelle zu, wo 
if-biefe Welfe Fönnen bie 
jeder errelchen. 
sohnee dieſer dunklen Gegend benützen die Som- 
e ſich beftänbigeh Tageslichies erfreuen, um eine 
melinen, Marbern, Wiefeln, Fuͤchſen und ans 
eſer Art, zu erlegen, deren Belle, fehr fein und 
ii viel koſtbarer als die, melde in ben 
en „bewohnten Gegenden zu finden find, die 
den Raubzuͤgen, von denen wir geredet has 
erden. Während des Sommers führen auch 
Belle in die benachbarten Länder, wo fie dies 
Gewinne abfegen, und nad) dem, was mir 
, werben einige fogar bis in das Land Ruffia 
Von diefem wollen wir nun zum Schluſſe 






















ilderung diefes Norblandes der Finſterniß ift ohne Ue⸗ 
wahr als vortrefflich am ſich und bedarf wohl feines 


38 * 


294 


ein Echlitten genannt wird; es tft ohne Räder, mit glab 
tem ebenem Boden, fteigt aber vorn in eine halbbogenförmige 
Krümmung auf, und fo gebaut kann ed leicht über das Eis 
hinlaufen. Diefe Heinen Wagen zu ziehen haben fie gewife 
Thiere abgerichtet, die den Hunden aͤhnlich find und aud fo 
genannt werben fonnen, obgleih fie beinahe fo groß find wie 
Eſel. Eie find fehr ftarf und an das Ziehen gewöhnt. 
Sechs folder Hunde find paarweife an jenen Wagen gefpannt, 
der blos einen Treiber, der die Hunde Ienft, und einen Kauf 
mann mit feinem Waarengepaͤck enthält 558). Wenn die Tage 
reiſe beendet ift, verläßt der Kaufmann den Wagen mit bie 
fem Hunbevorfpann und wechſelt diefe von Tag zu Tag, bi 
er endlich feine Reife durd die Wuͤſte vollendet hat, und 
nachher führt er bei feiner Ruͤckkehr die Pelze mit fi, vie 
Ihren Weg zum Perfaufe in unferen Weltheil finden. 


— hun nn — 


Fuͤnfundvierzigſtes Kapitel. 
Bon den Laͤndern der Finſterniß. 


Ueber den entfernteſten Theil des Landes dieſer Tartaren, 
von wo die Felle, wie wir geſagt haben, geholt werden, giebt 
es eine andere Gegend, welche ſich bis zu den aͤußerſten Gran 

\ zen des Nordens der Erde erftredt und vie das Land der 
Finſterniß genannt wird, weil während des größten Theil 
ber Wintermonate feine Sonne dort fheint und der Himmel 
finfter ift in der Weife, wie bei uns gerade gegen die Mor 
‚gendämmerung, ‚wenn man fagt, fehen und nicht fehen. Die 

Einwohner dieſes Landes find hübfcd und groß, aber von fehr 
bleicher Geſichtsfarbe. Sie haben feinen König oder Herm, 
dem fie unterworfen find, ſondern ſie leben ohne Sitte und 


— · — — — 


| 558) Die Schlittenzüge. mit: bunden in jenen Gegenden find jeht 
wohlbefannt..  : . 


a y 





695 


Geſetz wie das Vieh. Ihr Verſtand iſt getruͤbt und fie find 
faft dumm. Die Tartaren fallen, oft. in Raubzügen in das 
Land ein und nehmen ihnen Vieh und Habe. Dazu benugen 
fie die Monate, in denen Die Finſterniß hertſcht, damit ihr 
Nahen nicht bemnertt wird; ; aber da ſie ſich der Richtung nicht 
verſichern koͤnnen, in welcher fle mit ihrer Beute nad Haufe 
zurüdfehren inter, To ſchuͤten fie fih vor Strefoanberung, 
Indem fie Stuten reiten, die gerade Füllen haben, welche Tg? 
tere fle die Muͤtter begleiten faffen -bt8 zu den Örenzen ih⸗ 
tes eigenen Landes, aber dann laffen fie diefelben unter bes 
ſonderer Hut beim Eintritte in bie dunkle Gegend zuruͤck. 
Wenn iht Werk der Finſterniß ausgeführt iſt und fie bie 
Gegenden des Lichtes wieder fehen "wollen, ſo laſſen fie bie 
Zügel auf den Hals ihrer: Pferve fallen und biefe frei ihrer 
eigenen Lauf nehmen. Dar muͤtterlichen Inſtinkt geleitet, 
nehmen bie: ‚Stuten ihren Wen gerabe' auf die Etelfe zu, wo 
fie ihre Füllen verfaffen, und aiif diefe Weife fönnen bie 
Reiter ih Sicherheit ihre Wohnplaͤtze wieder erreichen 
Die Einwohner diefer dunkler Gegend benützen die Som⸗ 
merzeit; wo fie ſich beſtaͤndigen Tageslichtes erfreuen, um eine 
Menge von Hermelinen, Mardern, Wieſeln, Fuͤchſen und an⸗ 
dern Thieren dieſer Art zu erlegen, deren Selle ſehr fein. und 
jatt find und daher viel foftbarer. als die, melde in den 
von den Tartaren bewohnten Gegenden zu finden find, die 
deshalb auc zu den Raubzügen, von denen wir. geredet has 
ben, verleitet werden. Während des Sommers führen aud 
diefe Leute ihre Felle in die benahbarten Yänder, wo fie die— 
felben mit gutem Gewinne abjegen, und nad dem, was mir 
gefagt worden ift, werden einige fogar bis in das Land Ruſſia 
verführt 359). Don diefem wollen wir nun zum Schluſſe 
des Werkes reden. 


559) Diefe Schilderung dieſes Nordlandes der Finfternig ift ohne les 


bertreibung eben fo wahr als vortrefflich an ſich und bedarf wohl Feines 
weiteren Kommentars. 


38% - 


596 


Sechsundvierzigſtes Kapitel. 
Von ber Provinz Ruffla. 


Die Provinz Ruffia 560) ift fehr groß und in vide 
Theile getheilt und ‚grenzt an das Norbland, welches wir ald 
die Gegend der Finſterniß befchrieben haben. Seine Einwoh⸗ 
ner ſind Chriſten und folgen dem Brauche der Griechen in 
ihren Kirchenaͤmtern. Die Maͤnner ſind ſehr ſchoͤn, groß und 
weiß, die Frauen ſind auch weiß und groß, mit blondem Haar, 
das fie lang tragen. Das Land iſt dem Koͤnig der weſt⸗ 
lihen Tartaren tributbar und grenzt an die öftlichen Grenzen - 
des Reiches deſſelben. In diefem Lande findet man bie Felle 
von Hermelinen, Wiefeln, Zobeln, Marvern, Fuͤchſen um 
anderen ſolchen Thieren im Ueberfluß und aud viel Wade. 
Es hat das Land viele Bergwerfe, aus denen man eine Menge 
Eilber zieht. Ruſſia ift eine fehr falte Gegend, und man 
bat mir verjihert, daß es fi) fogar bis zum nördlichen Dean 
erftredt, wo, wie in einem vorhergehenden Theile des Wer: 
kes bereitd. gefagt worden ift, Geier und Wanderfalfen in 


großer Zahl gefangen und von da in viele Länder verführt 
werden. | 


560) Rußland wurde nebft einem beirächtlichen Theil von Polen un 
Ungarn von den Mongolen unter Batu, einem Enkel Diehingisfhan’s, im 
Jahre 1240 erobert und jenes blieb bis in bie Mitte des vierzehnten Jahr: 
hunderte unter bem Joche der Mongolen, 


Dufähe um Verbefferungen 


von 


Karl Friedrich Neumann. 





Einleitung. 


Wahrhaftig ſei der Menſch, gruͤndlich und tuͤchtig in Allem, 
was er treibt. nnd ſchafft; dann iſt es gleichgiltig, ob von 
ber Mitwelt er verkannt oder gepriefen wird. Es wird ohne; 
Zweifel einmal die Zeit fommen, wo jedes wahre Verdienſt 
gewürdigt und bie gebührende Anerkennung finden wird, Welde 
Schmähungen haben nicht Herodot und Marco Polo von ihr 
ren unfundigen: Landsleuten und Zeitgenofien erfahren, und: 
welch eines großen Ruhmes erfreuen fie ſich :nicht, bei der 
unterridhteten, erfahrenen Nachwelt! Je beſſer wir bie Länder, 
weldye diefe berühmten Retfenden durchzogen, Fennen lernen, 
defto mehr werden wir in den Stand gefebt,. alles Einzelne, 
auch die früher unſcheinbarſten Bemerkungen und in Sagen. 
eingehüllten Ihatfahen deuten und begreifen zu fonnen, und, 
defto höher fleigt der Ruhm dieſer vielfundigen Mänuer, des 
Griechen und des DVenetianerd. Freilich gibt es aud,' jeßk; 
noch Gelehrte, an welchen die Erfahrungen. und Forſchungen 
der. neuern Zeit fpurlos vorübergehen, denen Marco Polo 
jetzt no „eine kirchengeſchichtliche Dichtung ift, Pie 
ungefätdt aufammengefebt und dann als Reifes 
befhreibung eingefleidet wurde, erfunden im Geiſte 
der Zeit überhaupt, und im Vortheile fowohl der Geiftlid- 
feit als des Hanbelöftandes infonderheit. Dem Verfaſſer Des 
Heifetoerfa, bag untet, dem Namen des Märco Pols hekannt if, 
fährt Here Hülmann, "dem dieſe abentheuerligen Worlen ger 


600 


hören, fort ?), hat ein aͤhnlicher Zweck vorgeſchwebt, wie dem 
Urheber des Rolandslieves; Anfeuerung des Eifers der Mon- 
golenbefehrung, zur Erleihterung des Handels durch deren 
Gebiet. Weiter find tie Poli wohl aud nicht gekommen, 
als bis in vie große Budarei. Sehr ftarf ift Daher bie 
dichterifche Freiheit des Bearbeiterd, den Helden Marcus fagen 
zu laffen, er habe fiebzehn Jahre in Kubilai's Dienften ge 
ftanden, ihn auch an einigen Orten verfihern zu laffen, er 
fei ſelbſt dageweſen.“ Dieſes im Jahre 1829 niedergeſchrie⸗ 
bene Urtheil über Marco Polo kann als eine denkwuͤrdige 
Warnung dienen, auf weldye Abwege felbft gelehrte und viel 
feitig gebildete Männer, wie Hüllmann, gerathen koͤnnen, 
wenn fie unvorfichtig‘ genug find, über Perfonen und Zu 
flände zu reden, von weldyen fie nur geringe oder gar Feine 
Kenntnis haben. Marco Polo ift im Gegentheile fo fern 
von aller Dichtung und Ruhmrednerei, daß wir: jet, mit 
wenigen Ausnahmen, alle Städte und Localitäten nachweiſen 
fonnen, welche von ihm beſchrieben wurden; daß jede gründ 
liche Forſchung über die Ränder, die er beſuchte, jede willen 
fhaftlidhe Reife in den Gegenden, die er durchzog, ein Blatt 
ift in dem Ruhmeskranze des edlen Venetianers. Doch ward 
dem trefflihden Manne kaum jemald zuvor eine ſolche Recht⸗ 
fertigung, ein ſolches wohlverdientes Lob zu Theil, wie durch 
das Iehrreihe Tagebudy einer Reife zu den Duellen des 
Oxrus ). Id komme in einer fpätern Anmerfung darauf 
zurüd. Ä 

„In welch einem ganz andern Lichte würden wir aber das 
unfterblidde Werk des venetianiſchen Kaufmanns betradıten, 
wenn ed nad) allen Eeiten hin vollftändig erläutert, wenn 
die verdorbene Orthographie der Eigennamen entfernt und 
diefe ſelbſt fAmmtlid, gedeutet wären! Marsven, Graf Bal 


1) Hüllmann, Städteweſen des Mittelalters. Bonn 1829. IV. 360 
2) Journey to the source of the river Oxus. By Lieut. Wood. 
London 1841. ©. 60. a 


601 


deli Boni und Ritter haben, von ihrem Standpunfte aus; 
fehr viel geleiftet; doch fie find der Spraden des üftlichen 
und Mittelafiens unfundig, wo fih Polo am Iängften auf- 
gehalten und die er am ausfuͤhrlichſten befchrieben hat ). 
Es war fhon lange meine Abſicht, eine neue, unferer er- 
weiterten wiffenfhaftlihen Kenntnig Aſiens angemeffene Aus» 
gabe Polo's zu unternehmen; ich wollte hiezu, neben dem 
volfftändigen gebrudten Material, aud die acht theils voll 
ftändigen, theild mangelhaften Handſchriften der Hof⸗ und 
Staatsbibliothef in Münden und die zu Wolfenbüttel bes - 
nußen, welche nad) der Beſchreibung Leffings zu urtheilen 
(Saͤmmtl. Schriften. Berlin 1826. 1X. 72.), eine. große Aus: 
beute. verſprechen. Auch Klaproths handſchriftlicher Nachlaß 
zu Polo hätte mir zu Gebote geſtanden, er befindet ſich auf 
der koͤniglichen Bibliothek zu Paris, fol aber, wie mir Ken 
ner verfiherten, Taum ver Beachtung werth fein. Durdy 
foldy eine Ausgabe Polo's, wie fie mir vorſchwebte, wäre 
zugleid, ein Wunſch unferes Altmeifters Göthe in Erfüllung 
gegangen. „Es Täßt uns dieſer Reiſende“, dieß Zeugniß 
giebt ihm der Dichter in den Noten und. Abhandlungen. zum 
befiern Verſtaͤndniß des meftöftlichen. Divans, „uͤberall von 
Menſchengeſtalten und Sitten, von Landfhaft, Bäumen, 
Pflanzen und Thieren fo mande Befonverheit erfennen, Die 
für die Wahrheit feiner Anfhauung bürgt, wenn gleid, Vie 
les maͤhrchenhaft erfcheinen möchte. Nur der mwohlunterrichtete 
Geograph koͤnnte dieß Alles ordnen und bewähren. Wir 
mußten uns mit dem allgemeinen Eindrud begnügen; denn 
unfern erften Studien kamen feine Noten und Bemerkungen 
zu Hilfe.” Zufällige Umftände veranlaffen mid, wenigftend 
für jest, von dieſem Vorhaben abuftehen und Her 

3) I erfehe a aus. dem Zultheft des Bulletin de Ia Socidts de cæ. 
graphie, daß Hugues Murray zu Coinburgh eine neue Veberfegung 


des Polo erfcheinen lieg, welche ‚ebenfalls mit vielen Geläuterangen ver⸗ 
ſehen iſt. Ich habe dieſe Ausgabe nicht geſehen. 


602 


D. Bürd einen großen Theil meines: feit Jahren geſam⸗ 
melten Etoffes zur Erläuterung des trefflihen alten Reifen 
den mitzutheilen. Ic habe die Aushängebogen feiner neuen 
Ausgabe jorgfältig durdigelefen und ihm eine Anzahl Be 
merfungen und Berihtigungen, vie mir beifielen over zur 
Hand waren, zum beliebigen Gebrauche übergeben. Es wäre 
ein Leichtes geweſen, dieſe Zujäge beveutend zu vermehren; 
denn es find. und in dem letzten Jahrzehent gar viele Duellen- 
und Reifewerfe zur genauern Kenntniß des Morgenlandes 
mitgetheilt worden. Wir befigen jebt aud) in Deutfchland, 
durch die große dinefifhe Bücherfammlung, die id in Kanton 
erworben, habe, alle feltenen, gefhichtlichen und erdkundlichen 
Schriften der oftafiatifchen Literatur aus den Zeiten der Mon 
golenherrfchaft, wo die Polos fih im Morgenlande herum 
trieben; wir befigen durch die Arbeiten der trefflichen Drien- 
taliten 3. 3. Schmidt, Hammer » Purgftal, Duatremere, 
Saubert, d'Ohſſon und mehrerer Anderer aus mongolifchen, 
arabifhen und perfifhen Geographen und Hiftorifern eine 
Maſſe Stoff zur Erklärung und Ergänzung. der zahlreichen 
weftlichen Berichte aus dem Dreizehnten und vierzehnten Jahr: 
hundert über Oft» und Mittelaften: . Man- begnügte- fid) aber, 
aus mehreren Gründen, mit ben nothwenbigften Bemerkun⸗ 
gen und ift fo_frei, neben den zahlreihen trefflichen Erlaͤu⸗ 
terungen. des geiftreihen neuen: Ueberſetzers und Herausge⸗ 
bers den gelehrten Leſer auf dieſe Werke ſelbſt zu verwei⸗ 
ſen. Bei einer kritiſchen Ausgabe dieſes Schatzes zur Kennt⸗ 
niß Aſiens muͤßte man vor Allem eine ſorgfaͤltige Sichtung 
der Nachrichten Polos vornehmen, man muͤßte das, was er 
ſelbſt ſah, was er von Hoͤrenſagen oder gar nad) den ſchrift⸗ 
lichen Werfen: der Aſiaten mittheilt, genau unterfcheiben. 
Dabei dürfte nicht uͤberſehen werden, daß Polo hoͤchſt wahr 
ſcheinlich verſchiedene Berichte uͤber feine Reife, theils aus 
fuͤhrlichere, theils Fürzere, abgefaßt und feinen Freunden ‚und 
Bekaunten mligetheilt hat, Einer ‚biefer fützern Berichte, 
vielleicht Der ik tefte, . wad ſicherlich wie Paul in Paris ge⸗ 


603 


zeigt hat (Nouveau jonrnal: asigtique. XI. 244.), in. französ 
ſiſcher Sprache nievergefchrieben und darauf. ins Italienische, 
Lateinifhe, Deutſche, Spanifhe und wohl aud in andere 
Sprachen überfegt. Man ſieht felbft an. mehreren Stellen; 
daß der italienische Ueberſetzer feinen Text nicht recht ver 
ftanden hat. . Diefe kurze Beichreibung mag der Reiſende 
fpäter aus. dem Gedaͤchtniß oder aus ſchriftlichen Denfmalen 
vermehrt haben, und fo ſcheint das. ausführliche Werk, wie 
ed in der Sammlung des Ramufio vor uns liegt, . entftann 
den zu fein®). Diefes Werk, welches befanntlid; lange Zeit 
ein beliebtes Volksbuch geweſen iſt, hat auch ſicherlich, wie 
andere Bücher dieſer Art, durch Abſchreiben, durch Mißs 
verſtaͤndniſſe und Schreibfehler, vermittelſt Zuſaͤtze und Ab⸗ 
kuͤrzungen viele Veraͤnderungen erfahren. Man ſcheint ge⸗ 
woͤhnlich nicht genug’ zu beachten, daß im dreizehnten und 
noch in der erften Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts ein 
ftarfer Verkehr ftattfand zwifhen dem Weſten, namentlich 
dem päbftlihen Stuhle, und den Ländern des mittlern und 
öftlichen Aſiens. Der römifhe Etuhl hegte, wie man ſchon 
aus vielen Stellen in den Documenten zu Mosheims Kir 
chengefdichte der Tataren und in Remufats Abhandlungen 
über die Verbindungen der frangofifhen Könige mit ven 
Mongolen erfieht, zu einer Zeit die Hoffnung alle Tataren 
für das Reich Chrifti zu gewinnen. Zu dieſem Endzwecke 
wurden die vorhandenen Berichte, von mehreren Geiten her, 
ausgezogen und zu einem äüberfichtlihen Ganzen georbnet. 
Ein ſolches Handbuch der tatarifhen Geſchichte und Zuftände 
fheint das Buh vom großen Chan zu fein, weldes wir 
durch Jaquet Fennen gelernt haben. Alle diefe Begebenheiten 
und Fragen Fonnten und müßten, von einem gewifien Stand» 


4) Es freut mich, eine ganz ähnliche Anficht in meinen Bemerfuns 
gen ausgefbrochen zu haben, namentlih S. 590. Anm. 549. Herr Pros 
feflor Neumann, dem ich bie einzelnen Aushängebogen zugefchidt habe, 
hatte die letzten Bogen noch nicht erhalten, als er biefe Ginleitung 
ſchrieb. B. 


604 


punkte aus, mit den Nachrichten, die wir in dem Werke 
des Marco Polo leſen, in Verbindung gebradjt werben. 
Dazu ift aber hier Fein Raum. Diefe flüchtig nieberges 
fhriebenen Andeutungen follen bloß auf die allfeitige Mid; 
tigfeit des Werfes aufmerffam madhen. Der Kundige mag 
daraus erjehen, daß die Reifen des venetlantichen Edelmanns 
zu den denkwuͤrdigſten Monumenten gehören, nicht bloß bes 
dreizehnten Jahrhunderts, fondern aller Zeiten ver Melt, 
geſchichte. 


Muͤnchen, im Oktober 1844. 


Karl Friedrich Neumann. 


" + 
‚5 


2 


ES. 8%. Der Name Soldadia ft fiherlich bie ältere, richtigere 
Sorm, die fchon in der Erobefchreibung des Edriſi — er vollendete fein 
wichtiges Werk bereits im  Beginne bes Jahres 1154 — vorkommt: 
Edrisi II: 395. ed. Jaubert. Der Name: wirb auf verfchiedenen alten 
Karten, ans dem vierzehnten, fünfzelmten und. fechszehnten Jahrhundert, 
bald Sedac, bald Soldadia, Soldaia und Soldaya geſchrieben. 

S.. 33. Note 4. Batu ſtarb nicht im Jahre 1265 (ein Drudffehler 
der Ausgabe), ſondern 65% ver Flucht, d. i. 1255. Nach einem kurzen 
Swifchenreiche von defien Soͤhnen, Sertak und Ulaghfcht, folgte binnen 
Jahresfriſt Batu’s Bruder, Barka oder Berfe, wie Sammer: Purghall 
ſchreibt. Gefchichte der goldenen Horde 153. 

©. 83. Note 5. Man weiß dieß Alles jetzt beſſer, als es die Ser» 
zen Marsven und Baldelli Bont wiſſen konnten. Bulgar liegt keineswegs 
in der Tatarei — ein Name, den man aus der Erdkunde und Gefchichte 
ganz verbannen follte, weil fo viel Unfug damit getrieben wird. Ich bee 
merfe, daß das Wort Tatar, ein Name ungewifler Herkunft und Bebens 
tung, bei: den Gejchichtichreibern und Eihnographen des Oftens und bes 
Meftens bald im - umfaflenderen,. bald im engern Einne gebraucht wird. 
Im eritern Einne verfieht man barunter drei nach Geftalt und Farbe vers 
ſchiedene, in fprachlicher Beziehung aber innig verwandte Völker, Türken, 
Tungufen und Mongolen; dann ‚werden audy nicht felten bie letzteren al- 
lein, nach ihrem ehemaligen Herrfcherhaufe, Tataren genannt; denn bie 
Borfahren des Tichinggis Chakan gehörten zu dieſem berühmten Clane 
des:mongolifchen Volles. Schon während der zweiten Hälfte bes neunten 
Jahrhunderts erfcheint, unter der Form der Ta tfe over Ta tiche, ver Nas 
me biefes Stammes in den Gefchichtswerfen bes aͤußerſten Oſtens. I 
Guropa ward der Name, dem Wortipiele Tartarus zuliebe ehemals uns 
richtig Tartar gefchrieben, erft im Laufe der erfien Jahrzehnte des breis 
zehnten Jahrhunderts bei Gelegenheit der Einfälle der Mongolen befannt. 
Vincenz von Beauvais fcheint der ältefte Schriftfteller, welcher in feinem, 
für bie Begebenheiten Afiens im breizehnten Jahrhundert fo wichtigen Ges 
ſchichtsſpiegel alle Völker des Nordoſtens der Erde unter biefem Namen 
aufammenfaßte. Ungefähr zu berfelben Zeit geſchah auch hafielbe. in ben 


nz 


606 


Litteraturwerken des chinefifchen Volkes. Es Hatte die Macht des großen 
Tatarenfürften Tſchinggis Chafan die dreifach getheilte Völferfamilie zu 
einem übermächtigen Reiche vereinigt und feinen Stamm zu dem herr 
fchenden erhoben, von dem Geſtade des öftlichen Oceans bis zu den Tief: 
ändern des Guphrat und Tigris, bes Dniefter und Dnieper. Gleichwie 
ehemals durch Karl den Großen und feine Nachfolger der Name Franke 
im Oriente zur allgemeinen Bezeichnung der weftlichen Völker erhoben 
wurde; fo jetzt Tatar durch Tfchinggis und die ihm naͤchſtfolgenden Cha- 
kane für die öftlihen Bölfer im Abendlande. Diefe äftlichen Bulgaren 
find aber feine Tataren, fondern Finnen, und wir kennen fie jetzt voll- 
kommen durch die, gelehrten Abhandlungen des Staatsruthe Fraͤhe. „Die 
Bulgaren,“ fagt Edriſt, „find ein zahlveiches Voͤlklein, deren Lebensmeife 
und Bildung der Art der Orlechen gleicht. Die Stadt Bulgar ift von 
Chriſten und Mufelman bevälfert.”‘ Kdrisi II. 402. ed. Jaubert. Ter 
Drt ward drei Jahre nad) der Schlacht an der Kalfa von deu Mongolen 
eingenommen und furchtlar zerflört. Doch erhielt er fich bis im die zweite 
Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderte. Die Kämpfe der Großfürften mit 
diefen Bulgaren erzählt Müller (I. 3.) in der Abhandlung von ben Bil: 
fern, welche vor Alters in Rußland gewohnt Haben. Buͤſching's Maga⸗ 
zin XVI. 313 folg. 

Es gab mehrere Seral oder Reſidenzen. Hier ift aber die Hauptfiat 
der Chane der goldenen Hotbe gemeint, deren Ruinen vom Weften nad 
Dfien 40 Werſte, vom Ufer der Wolga in die Steppe, und wenigftens 
10 Werſte längs der Achtuba fich erfireden. Hammer: Putgftall, Goldene 
Horde 9. Nicht Berke, der zuerfi den Iflam annahm und in der That 
in feiner Art ein großherziger Fuͤrſt war, ſondern fein Borfahrer im 
Reiche Batu hat Groß -Serai an der Wolga gegründet. Hiernach muß 
Deguignes Anmerk. b. berichtigt werden. = 

©. 35. Die Angaben über die Kämpfe zwifchen dem Ilchan Chr: 
lagu und Berke und die Nieverlige des Tegtern dienen zur Herſtellung 
einer richtigen Zeitrechnung des Reiſewerks. Der Krieg zwiſchen ben 
beiden Fürften, der von Seiten des eiftigen Mufelman Berke durch reli 
giöfe Gründe: hervorgerufen wurbe, war erfi im Jahre 1261 ausgebrochen; 
die vollkommene Nieberlage des Herren von Kiptſchak füllt aber erſt ins 
Ende des naͤchſten Jahres, 1262. (Kammer a. a. D. 166). ° Die Bolos 
verweilten ein Jahr in ben Ländern Berke’s, folglich Tonnten fle nicht 
1250, fondern erft 1260 nach Konflantinopel gekommen fein. . Alle ande 
ren Angaben find irrig und ſicherlich aus Verſehen der Abſchreiber ent⸗ 
ſtanden. 

©. 86. Note 8. Ukek lag auf dem weſilichen Ufer der Wolga, 
halbwegs zwiſchen Bulgar und Serai, kluftehn Siatlonen von jeder die⸗ 
fer Staͤdte entfernt. Hammerca. a. DEI: u. 


607 


S. 40. Note 14. Diefe Kin pat, d. h. buchſtaͤblich goldene Tafel 
(6369 u. 8140 nach dem tonifchen Woͤrterbuch Morrifon’s), find eine Art 
Freipaß oder Panisbrief, wie fie im Orient feit den Alteften Seiten und 
> au in unferem, in fo vielen Beziehungen orientalifchen Mittelalter ge: 
bräauchlich waren, und haben nichts mit dem Zollſchein ober der Beſchei⸗ 
nigung gemein, welche die Schiffe, bevor fie den Hafen verlafien, erhal- 
ten. Tſchop, richtiger Tſchap, tft ein Wort des Kantoner Dialeftes und 
bedeutet einregiftrirt; der ganze technifche Ausdruck heist Tfhap Fi 
tan, Beugniß daß die Flagge (In den Zollvegiftern) eingetragen iſt. Die 
Kin vai over Freipaͤſſe werben nicht felten in den chinefifchen Sahrbüchern 
und ſelbſt in Dramen erwähnt; fo im Beginne des vierten Aufjuges des 
Hoai lanki oder der Gefchichte des Kohlenzirkels. 

©. 41. Note 15. Aias, Lalas und Phaias bei den Armentern. 
Sm Jahre 1320 warb diefe Stadt den Armentern von den Aegyptern ab» 
genommen. Tſchamtſchean in der armenifch geſchriebenen großen Geſchichte 
Armeniens III. 320. 

©. 44. Note 20. Bundoktar oder Bhuntuchtar, wie die Armenier 
ihn nennen, fiel, von einigen armenifchen Großen felbft dazu aufgefordert, 
im Beginne des Jahres 1274 in Cilicien ein. Diefe blutigen Zwiſte wers 
den von den haikaniſchen Schriftftellern und von Makeifi, in feiner Ge- 
fchichte der Mamelufen: Herrfchaft Aegyptens, genau befchrieben. 

©. 35. Note 21. Klemenfu {ft Kai ping fu, 156 Li norböftlich von 
dem Paß der größen Mauer entfernt, welcher Tuſchi heißt. Die Chitan 
hatten in der Nähe bereits eine Stadt erbaut, bie fie Huan tſcheu nann⸗ 
ten. Chubilai ließ auf Befehl des Chakan Mangu diefe neue Stabt an- 
legen; fie erhielt 1260 den Namen Kal ping und erhielt auch, weil bie 
Kürften hie und da hier reſidirten, in Beziehung auf die gewöhnliche Neff: 
denz (Taitu, Chanbalit, Peking) den Namen Schangtu, obere Reflvenz. 
Der Ort ward, nad) der Vertreibung der Mongolen Aus China, im Sahre 
1369 von einem Generale des Gründers der Mingbynaftie erobert und ift 
jegt, wie es in ber allgemeinen Befchreibung bes Reiches bes jebt regies 
renden Herrfcherhaufes der Mandfchu heißt, in großem Verfalle. Man 
erfenne aber noch, fo wird daſelbſt berichtet, die Umgränzung und bie 
Fundamente der alten kaiſerlichen Paläfte. 

©. 48. Zeile 3. Karazan oder richtiger Kara bfchang, das ſchwarze 
Dſchang, warb zu ben Beiten der Mongolen der ſuͤdweſtlichſte Theil der 
Provinz Jun nan mit Einfchluß des Landes der Echan oder Laos genannt. 
San oder nach unferer Ausfprache richtiger San iſt angenfcheinlich ber 
Name Schan. Diefe Völkerfchaft ift jebt hinlänglich befannt. Polo, 
was man niemals vergefien follte, fchreibt die Namen Häufig nach ihrer 
Ausſprache in den Dinlekten, fo 3. B., wie man fpäter fehen wird, Tien⸗ 
dech anſtatt Tiente. 


608 


S. 49. Note 24. Die Gemahlin Arghun’e, von der hier die Rede ift 
— er hatte deren acht —, heißt in den öfllihen Quellen Bulghan und 
farb am Ufer des Kur oder Cyrus am 7. April 1286. Sammer: Purg: 
Rall, Gefchichte der Sichane I. 37%. Indien kann ein Schreibfehler fein 
für Perfien. Doc) muß bemerft werden, daß der ofllihe Theil Perfiens, 
Choraſan, Afghaniftan und das Land der Balutfhen nicht felten das erfie 
Indien genannt werben (Ramusio X. 342 c.), und daß in den Berichten 
ber chriftlichen Sendboten aus dem breizehnten und vierzehnten Jahrhun⸗ 
dert felöft ganz Perfien unter biefem Namen begriffen wird *). 

.S. 50. Note 25. Zu welchem Volke die Chitan gehören, ift fchwer 
zu fagen; in jebem Falle ift aber der Ausorud mongolifch-tungus 
fifch ganz ungeeignet. Sie waren entweder Mongolen oder Tungufen. 
Leptere Annahme iſt bei weiten wahrfcheinlicher. 

©. 46. Note 30. Mit der Sinführung des chineſiſchen Papiergel⸗ 
des in Perſien durch Kentſchadu, der am 24. März 1295 hingerichtet 
wurde, hat es feine vollfommene Richtigfeit, wie ſchon aus der fyrifchen 
Chronik des Abulfaranfch (p- 861 ed. Lips. 1789) zu erfehen iſt. Ham: 
mer Burgftall, Geſchichte ver IIchane I. 405, 423 und dazu meine Bes 
merfungen in ben Münchener Gelehrten Anzeigen, Jahrg. 1843. ©. 142. 
Das chinefiiche Wort Tſchao (Nr. 373 Morrifon), welches Papiergeld he: 
deutet — im Perſiſchen Dſchaw oder Schaw — wird mit einem Cha 
after gefchrieben, der fprechend genug aus wenig und Metall zufam: 
mengeſetzt it und urſpruͤnglich wegnehmen, confiſciren bedeutet. 
Wer haͤtte wohl dem ſteifen Schranzenweſen der Chineſen ſo viele Ironie 
zugetraut? In den Juen ſſe oder der Geſchichte der Mongolen » Dynaftie 
in China findet man genaue Nachrichten über das chinefifche Papiergeld. 
Gaubil uberfegte fie, fie find aber im Drude feiner Gefchichte der Mon: 
golen in China verflümmelt worden, weil man glaubte, fie enthielten An: 
fpielungen auf das Syftem von Law. Nouveau journal asiatique X. 332, 

©. 57. Zeile 1. Die deutfche Meberfegung vom Buche: „des eveln 
ritters und lanndtfarerß Marche polo“ (Nürnberg 1477) ift- hier vollſtaͤn⸗ 
biger. „Von Nigropont,‘ heißt es daſelbſt, „fuhren fie. gen Candia, gen 
Modena, darnach gen Venedig.“ 

©. 58. Note 33. Bloß der öftliche Theil von ı Gappabocien hieß ur 
fprünglich Kleinarmenien. Durch die Revolutionen in ihrem Vaterlande 
wurden aber die Armenier immer mehr gen Meften gedrängt, und der 
Name Kleinarmenien befam demnach aud) eine größere Ausdehnung. Im 
breizehnten Sahrhundert umfaßte er felbft ganz Eilicien. .. 

©. 58. Note 34. Sebafios kann feine andere Stadt als Eis fein, 


*) In dieſem Sinne babe ich auch Polo’3 Angeben verſtenden und erklaͤrt. Sick 
"die Roten 24 und 837. 8. 


609 


die Reſidenz der Nubenter in Gilicien; fie wird aber von den Armeniern 
niemals Sebaftos genannt. Es war bie wahrfcheinlich ein Ehrentitel, 
weil die Stadt Reſidenz war. 

©. 60. Note 37. Die Gefchichte der Seldſchuken fennen wir jebt 
viel beffer. Es ift ungegründet, daß Seldſchuk, wovon der Theil ver 
Turfman, der ihm anhing, den Namen Seldſchuken erhielt — wie fpäter 
andere Türken von Athaman den Oth oder Osmanen — im Dienſte eines 
Chaſarenfuͤrſten an der Wolga geſtanden habe. 

©. 64. Note 43. Anſtatt Sip Ovannes I. Surp, d. h. heiliger 
Johannes. 

S. 64. Note 44. Der Name Ararat, fuͤr den Berg Armeniens, der 
jetzt gewoͤhnlich ſo heißt, findet ſich nur dreimal in der ganzen armeniſchen 
Litteratur. Die Landſchaft oder Provinz ward, wie wir aus Moſes von 
Chorene erſehen, Ararat genannt, weil hier nämlich ein mythiſcher arme- 
nifcher Häuptling, Arai genannt, begraben laͤge. Der Ararat der heiligen 
Schrift, ein Name, welcher Berg der Berge d. h. hoher Berg bebeutet, 
hat ficherlich nichts mit dem armenifchen Mafts gemein. 

©. 66. Note 47. Anftatt Perfien lies Chuarefm. Cs flüchtete im 
Jahre 1221 eine Menge Türken aus Furcht vor Tfchinggis auf die Ins 
feln im fafpifhen Meere. Auf einer verjelben flarb der lebte Chunrefins 
Schah Alaeddin in demfelben Jahre. | 

©. 68. Man Fann bier bie Genauigkeit des. Reifenden bewundern; 
nur die Mongolen nennt er Tataren und unterfcheidet fie mit Necht von 
ben türfifchen Kumanen wie von den anderen Nationen. Der Name Kur 
mane kommt von Kum, Sand und bedeutet alfo Sands oder Steppen- 
bewohner. 

©. 70. Note 52. Anſtatt Schah Arman muß es heißen: ber feld- 
fchufifche Krieger Sokman Kotbi, welcher den Titel Schah Arman d. i. 
Koͤnig der Armenier annahm u. ſ. w. 

S. 72. „Nach allen Gegenden Indiens.“ Man erſieht hieraus, daß 
Polo von den ſyriſchen Chriſten in Indien ſpricht. 

S. 74. Bagdad heißt zu deutſch die von Gott gegebene (Stadt). 
Bag iſt ein altperſiſches Wort, das auch in Keilinſchriften und im Arme⸗ 
niſchen ſich findet und Gott bedeutet. 

©. 75. Note 63. Die Araber legten im März des Jahres 635 m. 
3. Bafrah an, um den Perfern jeve Verbindung mit Indien abzufchnei- 
den. Man wählte zu der neuen Nieverlaffung einen Ort, wo viele weiße 
Eteine lagen, weßhalb er Bafrah genannt wurde, was im Arabifchen eine 
befondere Gattung weißer Steine bebeutet. St. Martin Mem. sur l’Ar- 
menie II. 312. 

©. 77. Note 65. Die Gefchichte des Motenaffim Billah d. h. der 
an Gott Feſthaltende — der 37fte und letzte Chalife aus dem Haufe des 

39 


610 


Abbas — erzählt ausführlich nach oͤſtlichen Quellen, Sammer - Purgflall 
Geſchichte der Slchame I. 138. Sie ftinmen im Weſentlichen mit ven 
Nachrichten Polo's überein. Am 10. Bebruar 1258 warb Bagdab von 
Chulagu eingenommen und zehn Tage fpäter der Chalife auf eine barba; 
riſch graufame Weile hingerichtet. 

&. 80. In der Vorrede zu der trefflichen Nürnberger beutfchen Les 
berfeßung vom Jahre 1477 wird bereits darauf aufmerffam gemacht, daß 
Polo's Neifewerk aus zwei verfchlevenen Theilen beflände, aus bem mas 
“er ſelbſt geſehen und was er von Andern gehört hat. Der Ueberfeper 
fügt dann hinzu: „Damit unfer puch gerecht und von einem iglichen uw 
geftroft fey: Darumb nemet die gefehen für die gefehen und Die gehorten 
für die gehorten. Tiefe Mahnung mögen bie Lefer niemals vergefien. 
Sch verweife auf die Einleitung zu meinen Bemerkungen. 

©. 82. Zeile 8. Schreibe Muhammed, und niht Mahomet. Die 
Letztere ift alte franzoͤſiſche Echreibart. 

S. 81. Note 67. Germfir Heißt zu deutſch warme Gegend. 
Es gibt mehrere verfchiedene Laͤnderſtrecken, welche dieſen Namen führen. 
Sehr bekannt ift in neuern Belten das Germfir oder Germfil Afghani: 
flan’s geworben, welches auf Elphinftone's Karte, bei der Beſchreibung 
von Kabul, fich innerhalb 30° 50’— 310 50° der Breite und 63— 65° ver 
Länge erftredt. 

©. 3. Note 8l. Kerman hatte in der That Häufig ſelbſtſtaͤndige 
Herrfäher, deren mehrere Hammer-Burgftall in der Gefchichte der Mongo⸗ 
len in Perſien auffuͤhrt. 

S. 96. Note 85. Edriſt (I. 166. ed. Jaubert) zählt mehrer 
Städte in Mefran auf, doch führt Feine den Namen Kamandu oder auf 
nur einen Ähnlihen. Es mag dieß der Ort Ermall over Kambelij fein. 

©. 100. Note 91. Nugodar oder richtiger Nigudar iſt wohl be: 
fannt; es ift dieg ein Sohn Dſchudſchi's, des Erftgebornen Dſchagatai's, 
den Polo Zagatai nennt. Nigudar war alfo in der That vefien Ente. 
Ferifchtah (I. 217 folg. Briggs Ayeen Akbery II. 101.) berichtet ung, daj 
im Jahre 1241, zur Beit der Regierung des Moeseddin Behram, hie 
Mongolen Lahor genommen und hier wie allenthalben als unfinnige wilde 
Barbaren gehaust haben. Diefe Raubzüge wurden mehrmals wieberhelt 
unter Behram's Nachfolger, Mafud (1242). Ueber Kandahar drangen bie 
Mongolen gegen ben Indus vor, flahlen die Menfchen fammt deren Habe 
und fehrten mit Beute reichbeladen nach Sabaliflan zuric. Hammer will 
(8. d. Ilchane I. 309) behaupten, die Nigudarifchen Banden feien von 
ben Karawinas yerfchieben. Man fteht aus ber Stelle Polos (S. 10), 
daß der berühmte Orientalift ven Gefchichtfchreiber Raſchideddin, anf ben 
er ſich beruft, mißverfianden haben muß. 

©. 106, . „Rufmedin Achomak.“ Cs iſt hier wohl Rukneddin Ab 


611 


met zu lefen, welcher gegen das Jahr 1296 in Hormus, unter Anerken⸗ 
aung ber Oberhoheit von Kerman, herrfchte. Man befigt ausführliche 
Sahrbücher von Hormus. 

©. 19. Note 108. Mulenet ift das arabiſche Wort Mulhad, 
welches Ketzer bedeutet*). Die ſicherſten und vollſtaͤndigſten Nachrichten 
uͤber die Aſſaſſinen und ihre Vernichtung durch Chulagu — ſie beſtanden 
nad) Raſchideddin von 477 —654 der Flucht — gibt Hammer s Burgftall 
in der Gefchichte der Ilchane. 

©. 128. Note 112, Die Stadt wird auf den neneften Karten Af: 
ghaniſtan's und der benachbarten Länder Schibbergan gefchrieben, ohne 
Zweifel das Sapurgan unferes Polo. Merv und Ballh find fünf Laͤn⸗ 
gengrabe auseinander; es ift unmwahrfcheinliäh, dag der Reifende in feinem 
Berichte folch einen Sprung gemacht habe. Dazu kommt, daß diefer Ort 
in den öftlihen Quellen wirklich Schiburghan oder Schaburghan genannt 
wird. Hammer, Geſch. ver Ilchane I. 263. Edriſt, I. 409. ed. Jaubert, 
nennt die Stadt Afpurgan, wahrfcheinlih ein bloßer Schreibfehler, aus 
dem Artikel al entftanden, für Schapurgan. 

©. 131. Note 114. Die Traditionen der Orfentalen in Betreff 
Aleranders verdienen Faum Beachtung; fie find erſt in verhaͤltnißmaͤßig 
fpäterer Zeit vermittelft Weberfegungen fabelhafter Lebensbefchreibungen 
aus dem Griechifchen des fogenannten falfchen Kallifthenes in die arabifche 
und perfifche Sprache nach dem Orient gekommen. Findet ſich doch in 
der ganzen Indifchen Litteratur Feine Spur des Namens Alexanders! Siehe 
den Zuſatz zu Note 119 und 120. 

S. 133. Note 118. Scaffem fcheint verfchrieben für Scharwan, 
bei Eorift (I. 476) Karwan. „Die Stadt Karwan, fagt diefer kundige 
Mann, ift wenig beveutend, aber huͤbſch. Ste Tiegt an dem Ufer bes 
Sluffes, der von Bendjehir kommt; biefe Stadt ift einer der größten Hans 
velspläße für indifche Waaren.“ 

©. 135. Note 119 u. 120. Man begreift nit, warum Nitter fagt 
(Aſien VII: 3. 789), Polo habe Balachſchian auf „wundervolle Weiſe“ 
beſucht. Das Land Heißt bei den öftlichen Schriftftellern (Herbelot unter 
dem Worte) Badakſchan oder auch Balachſchian, welche Iektere Schreibart 
auch bei Polo fich findet; das x muß Im vreizehnten Jahrhundert ein Kehl: 
laut gewefen fein, jegt hat es im Stalientfchen, wie befannt, den Werth 
eines ff.‘ Don dem Lande haben auch die koſtbaren Steine den Namen 
Balaffi erhalten; fie wurden ubrigens auch Balchaſch ober Bals 
feine genannt (Chafch Heißt Stein im Türkifchen), wie wir aus 
der Befchreibung der Reiche und Länder von Schehabsebdin erfehen (No- 
tices des manuscrits XII. 246). Der Name Sikinan wird bei Edriſt 

) Wie In den Roten auch bereits angegeben worden il. Ze 

39 * 


612 


(I. 480) Saghanlan gefchrieben, und von Herrn Mood Schagnan. Bir 
erſehen aus Polo, tag ein Berg diefen Namen führt, von welchem dann 
wohl Stadt und Umgegend ihre Benennung erhalten Haken. Die Eagen 
in Betreff einer Abftammung von Alerander hate ich ſchon früher zurüd: 
gewiefen (Münchener Gelehrte Anzeigen. 1841. Nr. 76) und Mood in 
feinem Journey to the river Oxus, London 1841 ift ganz berfelben 
Meinung. „Es nimmt fich allerdings fchön aus,” bemerkt Hügel (Kaſch⸗ 
mir und das Reich der Siek II. 471) mit vollem Rechte, „an einem Plate 
von dem man nichts zu fagen hat, mit großen Buchftaben zu leſen: Be: 
völfert dur die Abfümmlinge Aleranders des Großen; 
allein ich vermuthe, dag darin nicht mehr hiftorifche Wahrheit Tiegt, als 
in der Idee Bernier’s, der Ealomon einige Zeit auf dem Tacht i Sollman 
in Kafchmir feinen Hof halten laͤßt.“ Wir erfehen aus Polo, dag ſchon 
im breizehnten Jahrhundert die Bewohner Babakfchan’s die hoͤchſte Hoch⸗ 
ebene der Erde Bhami, Dad nannten oder vollftäindiger Duni Bha: 
mi, Dad der Erde; denn Bamer bei ihm und dann bei allen ſpaͤ— 
tern Reifenden und Geographen tft ohne Zweifel bloß aus biefem perf- 
ſchen Worte entflanden. Man erinnere fih nur, daß Tadſchik die ur: 
forünglihen Bewohner des Landes find. Die Einwohner mögen hinter 
dem Worte Bhamt eine nichtsbedentende Endyartifel, welche, wie im Ehis 
nefifhen och, x gelautet haben mochte, Hinzugefügt haben, aus beren 
Verjchmelzung dann mit Bhami, Bhamer oder Pamer, Pomolo bei den 
Netfeberichten der bupphiftifchen Bilger aus China, entflanden iſt. Was 
Polo in Betreff des Feuers hier von Andern erfahren bat — gli fu af- 
fermato — von eigener Beobachtung, wie man behauptet (Ritter a. a. O. 
501), fpricht der edle Venetinner nicht — warb fpäter von vielen Reifen 
ben, namentlich von Alerander von Humboldt (Ueber Innerafien, in Pogs 
gendorf’8 Annalen. 1830. Bd. 94. S. 17) durch wiederholt angeftellte 
Verſuche vollflommen begründet gefunden. 

©. 140. Note 122. Baſecia iſt ficherlich eine falfche Lesart, in ber 
alten deutfchen Ueberſetzung ſteht Baſtea. Baltiftan, welches von ben 
Baltaͤ oder Byltä des Ptolemäus den Namen hat (Mannert, Norden vr 
Erde. Leipzig 1820. 478), ift nicht zu verfennen. Die Baltk haben ihre 
eigene Sprache, d. h. fie fprechen tuͤbetaniſch. Mit Necht bemerkt Polo, 
daß fie Goͤtzenbilder d. h. Abbildungen indifcher Gottheiten haben. And 
heutigen Tags gibt es noch Hindu in Baltiftan, und felbft die Echiiten 
haben viele indifhe Gebräuche beibehalten. Kafferiftan ift in jeder Be 
siehung von Baltiftan verfchieven. Ritter's Sammlung über Sffarbah, 
das nichts mit Alerander gemein hat, und Baltiftan bedarf mannigfacher 
Berichtigung. Edriſt (I. 493) befchreibt die Stadt Sffardo unter dem 
Namen Bathinf oder Badfink; fie fei auf einer Anhöhe erbaut, vie mis 
einer, fleinernen, bloß mit einem Thore verfehenen Mauer umgeben if. 


613 


Ganz Baltiſtan hat jetzt Faum eine Bevälferung von 75,000: Seelen und 
fteht, wie man weiß, unter dem Sifh von Lahor. 

©. 142. Note 126. Diefe Note bedarf mannigfacher Berichtigung, 
wozu hier der Raum nicht iſt. Wir wiſſen auch aus den weſtlichen orien⸗ 
taliſchen Quellen, daß die Mongolen in Kaſchmir einfielen (Ilchane J. 
87). Die Sprache Kaſchmirs iſt eine Tochter des Sanſkrit und bis auf 
bie Regierung bes Schemsebbin, der im Jahre 1315. den Thron beftiegen 
hat, war der Buddhismus, der mit dem Brahmanismus viele Kaͤmpfe zu 
beftehen hatte, herrfchend im Lande. Bon ben 200,000 Seelen, welche 
jest in biefem lieblichen üppigen Thale leben, follen fich nach Hügel: bloß 
25,000 zum Brahmanismus befennen; fie machen fümmtlicdh darauf An⸗ 
fpruch zur erſten Kafte zu gehören. Vom Buddhismus ift jebt Feine Spur 
mehr im Thale. 

©. 145: Note 131. Das Thal des Orus, jagt Wood, hört zu RT 
far auf; bis zu Diefem Orte zieht es fich von Ifch Kaſchem aus (36° 42° 
42°) in norbnorböftlicher Richtung. Iſſar liegt unter 370 2°10° noͤrdl. 
Br. und gegen zehn taufend Buß uber der. Dieeresfläche. Hier theilt fich 
das Hauptihal in zwei Meile, wovon das erjtere nah Tſchitral, Gilgit und 
Kaſchmir führt, das andere über das Tafelland des Pamir hinweg nach 
Serfend in China. Man mußte ſich nun entfchliegen, welchen von beiden 
Wegen man weiter verfolgen wolle. Giner von ihnen, . das war gewiß, 
mußte zur Duelle des Orus führen; aber welcher von beiden? Dieß herr 
anuszubringen war eben die Schwierigfeit. Die Kirgifen hatten uns gleich 
ohne langes Bedenken gejagt, daß der Gegenftand unferer Nachforfchung 
in einem See auf dem Bamsisduntah oder Dach der Welt zu fins 
den wäre, und ber Weg dahin führe durch den Durah — dieſes Wort 
beveutet ein enges Gebirgsthal, eine Schlucht — des Sir:t-fol hinauf. 
Obgleih ſchon aus der nördlichen Richtung diefes Thales fich faſt mit 
völliger Gewißheit fehließen ließ, daß der Sir⸗i-kol und nicht der Sirhad 
— ſo heißt ver Fluß, welcher aus dem Maftutfch oder dem Thale von Tſchit⸗ 
ral kommt — der wahre Duellfluß des Orus fein müfle, fo hielt man es 
Doch für angemefien, den DVereinigungspunkt der beiden Ströme zu befu- 
chen. Es ſchien zwar dem Neifenden, als ob der Sirhad beträchtlicher 
wäre; die Wachhanis aber, welche ihn begleiteten, waren ber entgegenge- 
fehten Meinung. Der Sir⸗i-kol war in mehrere Arme.getheilt und zuge 
froren, fo dag fein Wafferreichthum fich nicht wohl ſchaͤtzen ließ; doch 
fonnte man an einer eisfreien Stelle im Hauptarme wenigftens fo viel 
beobachten, daß ſeine Schnelligfeit doppelt fo groß als die des Sirhad, 
feine Temperatur aber um fünf Grad niebriger war, denn fie betrug nur 
zmeiunddreifig, während die des andern ſiebenunddreiſig Grad hatte. Daß 
die Quelle des aus Pamer kommenden Fluſſes in einer viel groͤßern Hoͤhe 
entſpringe, als die des andern, dieß bewies ſchon der Umſtand, welcher 


614 


außerbem umerflärlich fein würde, daß ber erfiere Strom gerade am Ber: 
einigungspunft zugefroren war, während der Sirhab Feine Cisdecke hatte 
und fein Lauf Iangfamer und feine Temperatur höher war. Es ward er: 
zählt, daß im Sommer der Eir:i-Eol viel waflerreiher iſt als der Sirhad, 
obgleich der Ieptere viele Nebenflüffe hat, in ben erftern aber nur zwei 
unbedeutende Bäche, der Langer Kifch nämlich und der Serſumen, ſich 
ergießen. Unter den Zuflüfien des Eirhad befindet ſich der Pirchar, ein 
Name, welcher in ber Geographie dieſer Gegenden eine bedeutende Rolle 
fpielt, ſeitdem Macariney ihn als den wahren Duellfluß des Orus be: 
zeichnet Hatte. Wir fehen daraus, wie fehr er der Wahrheit nahe Fam. 
Nur wer in den Ländern, deren Karten er entwarf, gereist tft, kann die 
Arbeiten biefes talentvollen Officiers nach Ihrem Verdienſte mürbigen. 
Vom Ifchkarm Paſſe bis hierher war man an den Ruinen dreier Kaffir⸗ 
feftungen vorübergefomnien, welche, wie die Eingebornen glauben, von ven 
Guebern oder Yeneranbetern errichtet wurden; die eine, in ber Nähe von 
Kundut, heißt Sumri; die andere, unwelt Ifchtrach, führt den Namen 
Kakah, und die dritte, Kilo Zanguebar genannt, liegt bei dem Dorfe Iſ⸗ 
far. Noch jet fann man bemerken, wie ungerne ber Babaffchi ein Licht 
ausbläst. Aehnliche ſchwache Anklänge an Zoroafters Glauben laflen ſich 
auch hier erfennen. Gin Wachhani Hält es für umerlaubt, das Licht mit 
bem Athem auszuldfchen; lieber will er die Hand fo lange bin und her 
ſchwenken, bis der Fichtenfpan ausgeht, und wenn dieß auch ein paar Mi: 
nuten dauern follte, als daß er das ficherere und fürzere Mittel wählte. 
Die Reifenden wanderten nun eine Strecke vorwärts auf bem rechten Ufer 
bes Fluſſes und ſtiegen dann eine niedrige Anhöhe hinauf, Die augenfchein 
Hd das Thal gegen Often begränzte; als man fie erftiegen hatte, am 
19, Februar 1838 Nachmittags 5 Uhr, ftanden fie auf dem Bam⸗i-duniah, 
während vor ihnen eine herrliche, aber zugefrorene Waflerfläche fich aus 
breitete, aus welcher gen Weften zu der bier noch ſchwache Oxus floß*). 
Diefer fchöne Eee hat die Geflalt eines Halbmondes; er iſt von Often 
nad Weſten gegen vierzehn (englifche) Meilen Yang und ungefähr eine 
Melle breit. Auf drei Seiten wird er von fanft anfleigenden Hügeln bes 
gränzt; auf der vierten, der fünlichen Selte dagegen thuͤrmen fie fich zu 
Bergen empor, die ſich zu einer Höhe von dreitauſend fünfhundert Fuß 
über dem Epiegel des Sees ober neunzehntaufend fünfhundert Fuß fiber 





Es tft ein unerflärbarer Irrthum von Ehanilom, wenn er in feiner Befchreibun 
von Bochara ſagt: Mood habe fpäter daran gezweifelt, ob dies auch die wahre Duck 
des Drus ſei. Sch kenne ‘den trefflihden Mann perfönlid und habe viel mit ihm übe 
diefe Gegenden Mittelafiens gefproden; von der. Genauigkeit Marco Polo's war er fo 


entzädt, daß er damals (1840) entfchloffen war, die Beſchreibung Badakfchan's ausführ⸗ 
Uch zu erläutern. - 


615 


ber Meeresfläche erheben und mit ewigem Schnee bedeckt find, aus deſſen 
nie verfiegender Duelle der See gefpeist wird. Nach Beobachtungen au 
der Wertfpige des Sees fand man, durd die Meridianhöhe der Sonne, 
bie Breite zu 370 27° N., und die Länge durch eine auf Lange Kiſch, 
woſelbſt die Reifenden zulegt chronometriſche Beobachtungen angeftellt hat⸗ 
ten, gezogene Linie zu 73° 40° öftlich von London. Die Höhe über dem 
Meere beträgt, vermittelft der Temperatur von fochendem Waffer gemefs 
fen, 15600 Fuß; denn das Thermometer zeigte hundert vierundachtzig 
Grad Fahrenheit. Die Temperatur des Waflers unter dem Eife flaub 
auf zweiunddreiſig Grad, gerade auf dem Gefrierpunfte. Dieß ift alfo 
die wahre Lage der Quellen diefes beruͤhmten Fluſſes, der nach einem 
Laufe von zweihundert deutfchen Meilen in die Suͤdſeite des Aralfees ſich 
mündet. Pamer iſt nicht bloß der Mittelpunkt im Flußſyſteme Mittel 
afiens, fondern auch ber Heer, wovon befien vornehmfte Gebirgszüge aus⸗ 
gehen. Die Ebene, an deren Süpfeite der See fich ausbreitet, hat einen 
Umfang von ungefähr drei (engl.) Meilen, und von biefem hochgelegenen 
Plateau aus gefehen, jcheinen die Berge Feine große Höhe zu haben. 
Das Tafelland Pamer ift bloß zweiundfechzig Fuß niedriger als der Monts 
blanc; die Höhe der von diefer Ebene emporfteigenden Berge, welche zu 
3400 Fuß angegeben wurde, beruht bloß auf einer beiläufigen Schäkung. 
Mo nichts als Schnee dem Auge fich darbietet, da iſt es nicht leicht Hoͤ⸗ 
hen und Entfernungen richtig zu Ichäben; und es fönnte wohl fein, daß 
die Dimenfionen, welche auf diefe Weife vom Sirzisfol angegeben find, 
in der Folge unrichtig befunden werden. Da das Land ſowohl als das 
Waſſer mit Schnee bedeckt waren, fo war es unmöglich, die Größe des 
Sees genau zu mefien. Was Moon über Länge und Breite deffelben ans 
gegeben hat, verbanft er der Mittheilung der Kirgifen, die mit der Ges 
gend genau befannt waren. Ich bevaure, fügt der Neifende hinzu, daB 
ich es verfäumte, die nöthigen trigonometrifchen Beobachtungen auzuftels 
len, um die Höhe der füdlichen Gebirgsfette zu beftimmen Bon Pamer 
aus fenft fich die Fläche in jeglicher Richtung, bloß gegen Suͤdoſten nicht, 
wofelbft ähnliche Platenus, laͤngs der Nordfeite des Himalaja, nach Tür 
bet hinein fich erfireden. Ein Mann, welcher die Gegend zwifchen Wach: 
han und Kafchmir gefehen hatte, berichtete dem Reifenden, daß der Kuners 
Fluß, gleichwie der Oxus, aus einem See entfpringe und daß biefer ganze 
Landſtrich, nämlich die Difteifte Gilgit, Gundſchit und Tichitral, fm einer 
fortlaufenden Reige von Gebirgsfchludhten und Thälern befiehe, in Denen 
die Abflüffe der Pamer⸗Ebene ihr Rinnfal haben. Wood glaubt, der Hin: 
dokuh jet höher und dichter als der Himalaja; denn der eritere bildet die 
Waſſerſcheide zwifchen den Fluͤſſen Mittelafiens und dem Süden biefes 
Erdtheiles und. ift ein ohne Unterbrechung: fortlaufender Gebirgszug; der 
Himalaja hingegen wirb zweimal durchbrochen, einmal vom Indus umd 


616 


dann vom Kunerfluſſe; anch fließt von allen Fluͤſſen, die in ihm entfprins 
gen, keiner in nörblicher Richtung. 

©. 149. Note 136. Die Spradhe der Bewohner Kafchgar’s, wie 
bie der ganzen Bevoͤlkerung der Fleinen Bncharei ift die türkifche. 

©. 153. Note 141. Die Angabe der mufelmanifchen Pilger über 
die Bevölferung Jarkand's tft fiherlich fehr übertrieben. Im der meueften 
Ansgabe des großen chineftfchen Staatshandbuches (Tat tſing Hoei tien) 
wird fie auf 18,341 Familien gerechnet, die in 12,000 Häujern wohnen. 
Es liegt uberdieg eine Garniſon hier von 4,000 Mann. 

©. 157. Note 143. Es lit zw verwundern, daß man nicht früher 
die Laye von Peym erfannte. Es iſt dieß ohne Zweifel Pei tfchen — 
Pidjan auf der Karte Mittelafiens von Klaproth — ein Diftrift, der nad 
der Geographie des Kienlong (Buch) 39 Bl. 8) im Dften an EC chaticheu 
oder die Sandſtadt des Diftriftes Chamil gränzt und im Süden an ven 
Zopnoor. Pei tfchen, heißt es in der angeführten Geographie, liegt 770 
Li mweftlich von Chamil; in den Zeiten der Han gehörte es zu dem Reiche 
der Kiuffe oder Ufen. Die Etadt Turphan ift in weitlicher Richtung 260 
Li davon entfernt; nach Chotan hat man 4—5000 Li in ſudweſtlicher 
Richtung. Bon hier nach Peling find 8000 Li. Der Drt Bei tfchen, 
nad welchem wie gewöhnlich der ganze Diftrift ven Namen erhielt, liegt 
ungefähr 42° 40° nördl. Br. und 89° 15° fl. Länge von Paris. 

©. 158. Note 144. Unter Tſchartſchan mag der Diftrikt Tichira 
verborgen fein; Tfchere, auf der Karte Mittelafiens von Klaproth, oͤſtlich 
von Bhotan. Der Difirift hat, nach den neneiten chinefifchen Angaben, 
eine Bevölferung von 4288 Familien. 

©. 161. Note 146. Der Lopfee oder Lopnoor (40% 42° nördl. Br. 
86 — 87° der Ringe nach Klaproth’s Karte von Mittelafien) Tiegt in ber 
That nordöftlich von Tſchira oder Tſchartſchan. An diefem See oder un 
fern defielben, am Eingange der Wüfte von Weften her, Hat wohl bie 
Stadt Lop, welche jeßt nicht mehr vorhanden ift, gelegen. 

©. 167. Note 148. Der Name Tangut fommt von dem tübetanis 
[hen Etamme der Tang und dem Laute ut, richtiger od*), womit im 
Mongolifchen die Mehrheit gebildet wird. Der Name Tangut if alſo 
mongolifchen Urfprungs und begreift die vier Stimme der Tang. Tangıt 
umfaßte urfprünglich alle Länder von 93° bis 103° der Länge und 3 
bis 459 der Breite, alfo den norbweftlichen Theil Chinas, auf dem linken 
Ufer des gelben Fluffes und nördlich des blanen Eees; dann die Linder 
und Staͤdte Schatichen und KRuatfchen, den Theil der Gobi zwifchen China, 


*) Die mit k, ng, b, 1 und m endenden Wörter der mongoliſchen Sprache bilden 


die Mehrheit auf od. &. J. Schmidt, Grammatik der mongoliſchen Sprache. St. Pe⸗ 
tersburg 1831. G. 27. 


617 


Chamul und dem Lopfee, gleichwie die Städte und Diftrifte Chamul und 
Turfan. Tangut, fagt Raſchideddin (Klaproth, Description de la Chine, 
traduite du Persan de Rachid-eddin. Paris 1833. 45) iſt ein großes 
Land; die Chinefen nennen es Ho fi, den Weiten des Fluffes, weil es 
fich weftlich des gelben Fluſſes erftredt. Es enthält große Städte, worin 
die Fürften reſidiren; es find im Ganzen vierundzmwanzig foldher Städte, 
Die meiften Bewohner find Mufelman, doch gibt es hier auch Buddhiſten. 
Diefe Tang gründeten am Anfange des eilften Iahrhunderts ein von 
China unabhängiges Fürftenthum, welches bei dem Namen der älteften 
chinefifchen Dynaftie, Ha, genannt wurde. Tſchinggis Chafan machte dies 
fein Reiche Hta oder Tangut ein Ende (1227 u. 3.). Die herrfchenven 
Mongolen nannten nun, nach der Ihnen unterworfenen tübetanifchen Bes 
völferung der Tang, alle Tübetaner und ihr ganzes Land Tungut, was 
bei ihnen heutigen Tags noch der Fall it. Der Name Tangut findet fich 
aber nicht mehr in den modernen chinefifchen Schriften; ein großer Theil 
des urfprünglichen Landes Tangut wird unter der Benennung ber Länder 
um den blauen Flug (Ting hai, Kofonvor) zufammengefaßt. 

E. 169. Note 149. Sn dem was aus Nitter über die Berbins 
dungsftraßen zwifchen Weſt-, Mittel- und Oftaften und uͤber die religiöfen 
Beziehungen diefer Länder zu einander ausgezogen wurde, koͤnnte Man⸗ 
ches berichtigt und näher beftimmt werben, wenn hier der Ort zu folchen 
Grörterungen wäre. Es tft auch nicht im Entfernteften ein Grund vor: 
handen anzunehmen, daß irgend ein Herrfcher der Tang ſich zum Chriftens 
thume befannt habe. Anftatt Mon Hoab (S. 171) Iefe man Muhn, 
welches Feine Umfchreibung von Mobed tft, fondern von Mog, Magier; 
ebenfo muß anftatt Kianlan Kialan gelefen werben, welches ein verftüms 
meltes Wort der Sanffritfprache ift und Klofter bedeutet. 

S. 170. „Die, welche Goͤtzen anbeten, reden cine verfchiedene Spra⸗ 
che.“ Es iſt dieß die tübetanifche Sprache. Die hier eingewanberten 
Zurfman redeten natürlich türkfifch und die Mongolen mongolifch. 

©. 172. „Prieſterſitzen.“ Abbatie find Abteien. 

©. 175. Note 152. Klaproth febt auf feiner Karte Mittelaftens 
die Stadt Chamil, Chamul oder Hami ungefähr 43° 10° nörbl. Br. und 
92° 15° fl. Länge von Paris. ©. 176 Seile 3 lies anflatt Ran hat, 
San hal. J 
S. 180. Note 155. Die Chineſen aͤndern häufig die Namen ber 
Städte. Che man alfo einen Namen des Marco Polo auf einen hinefls . 

en zuräcführen will, muß man wiſſen, wie biefer im dreizehnten Jahr⸗ 
hundert lautete. Marsden wußte dieg nicht und Hat deßhalb viele Fehler 
begangen*). Barful warb erft im achtunddreiſigſten Jahre Kienlongs 


*) ie ich auch bertits In verfchledenen meiner Roten ausgeſprochen habe. B. 


618 

(1773 u. 3.) Tſchin fi Su, d. 5. des Weſtens Hut oder Schub genannt; 
es fällt aljo die Namenähnlichfeit mit Einci-talas weg. I ho wird jetzt 
als der fpecielle Name des Regierungsfißes angegeben, woraus erhellt, 
dag die chinejifchen Alterthumsforfcher das heutige Barful für das Neid 
Iho der frühern Jahrhunderte erflären. Heu Han fchu, d. h. Chroniken 
ber fpätern Han, Buch 96 Bl. 4. Die ganze Befchreibung der Localität 
paßt aber vortrefflih auf Turfan, wie man aus der Durftellung Turfan’s 
in den chineſiſchen Quellen, dann bei Ritter und in Humboldt’ Asie cen- 
trale erfehen kann. Ich glaube, daß Deguignes recht fah, welcher Cinci 
auf die Echenfchen der Chinefen bezog. In bdiefen Gegenden ‚lag das 
Reich diefer Schenſchen, wovon ber heutige Ort Turfan wahrjcheinlic) die 
Hauptſtadt gewefen iſt. Vergl. meine Pilgerfahrten buddhiſtiſcher Pries 
fer S. 41. Remusat, Melanges asiatiques I. 209. 

©. 183. Note 157. Ganz richtig. Succuir ift Su tſcheu. Marco 
Polo fept hier und bei andern Stäbtenamen ein r hinzu, weil er glaubte, 
die euphonifche Partikel or, welche die nörblichen Chinefen Häufig ang 
Ende fegen, gehöre mit zum Namen. 

S. 185. Note 158. Ich halte alle bis jebt verfuchten Etymolo⸗ 
gien des Wortes Rhabarber fuͤr ungegruͤndet. Die einzige richtige iſt 
folgende: Waſch heißt im Zend und heutigen Tags noch im Dialekte 
Ghilan's (Siehe Chodzko Specimens of the popular poetry of Per- 
sia. London 1842) eine Pflanze; es ift dieß unftreitig unfer deutfches 
Wachen, Gewaͤchs. Riwaſch, das in Rhabarber verderbt wurde, hieße 
demnach woͤrtlich überfeßt Ninnpflanze. 

©. 219. „Jede Compagnie von hundert Mann wird ein Tuf ge 
nanut.“ Polo fagt mach der wörtlichen Ueberſetzung der Recenfion bei 
Ramufio: Jeder Anführer von 100 wird ein Tuf genannt. Die richtige 
Lesart findet fh aber in dem franzöfifchen Tert der geographifchen Ge: 
ſellſchaft zu Paris, wo es heißt: Et sachies que les cent mille est 
apell& un tut. Tuk tft ohne Zweifel der bekannte Schweif eines Jak, ei: 
nes Roſſes oder auch eine befondere Stundarte, — das Zeichen des ober: 
fien Befehlshaber. Der Name und die Sitte ward, mie fo vieles An: 
bexe ber tatarifchen Völferfchaften, von den Chinefen entlehnt, wie fchon 
Memufat bemerfi. Recherches sur les langues tartares 303, d’ Ohs- 
son, Hist. des Mongols I. 40. White, Institutes of Timour. Oxford 
1783. 290. Die im letztern Werfe dargeftellten Anoronungen Timur’s 
bilden den beften Kommentar über alles dasjenige, was wir in Marco 
Polo über die Eitten und Einrichtungen der Tataren vorfizven. 

S. 24 Note 188. Die Ebene Bargu bildet einen Theil von 
Sibirien und erhielt ohne Zweifel ihren Namen von dem mongolifchen 
Etamm Barkut, ber hier hauste. „Tata, der Fürft der Merkit,“ fagt 
Raſchid, „ergriff, uachdem er von Tichinggis geichlagen war (1197), vie 


619 


Flucht, ging in das Land Barkutfchin, in der Nähe des Fluſſes Selengga, 
öftlih des Landes der Mongolen. Weil hier der mongolifhe Stamm 
Barkut Iebte, hat man die Gegend Barkutfchin genannt, wie fie noch hen⸗ 
tigen Tags heißt. Klaproth, Description de la Chine, traduite du 
Persan de Rachid-eddin. Paris 1833. 33. 

©. 225. Note 189. Die Merkit oder Mefrit — fie führten beide 
Namen — find ein Theil ver Mongolen, welcher nach Raſchideddin aus vier 
Staͤmmen beftand, aus den Merfit im engern Einne, ven Mubän, ven 
Tudäschalin und den Dyiun. Cie wohnten um bie untere Selengga und 
ihre Mebenflüfle, in der Gegend bes Baikalſees. Tſchinggis fehlug fie 
zum eriten Male im Jahre 1197; aber erft im Jahre 1203 wurden alle 
Staͤmme gezwungen ſich der Oberherrlichfeit des Chafan zu fügen. Die 
Erzählung des Raſchideddin ftimmt vollfommen mit Bolo überein; die bei; 
ben trefflihen Schriftiteller erläutern fich gegenfeitig. 
S 226. „Die Länder der Komanen.“ Polo nimmt bier fiherli 
biefen Namen einer türkifchen Horde in allgemeiner Beveutung für Turfs 
man, Türken überhaupt. 

©. 230. Note 1%. Ganz richtig. Die große Mauer ward erft, 
nach der Vertreibung der Mongolen aus China, unter der Mingdynaftie 
wieder hergeftellt. in ausführlicher Bericht über diefen neuen Anfban 
findet fih in der großen Sammlung der Ming ffe ober Gefchichten ver 
Ming, weldyen der P. Hyakinth vor mehreren Jahren ins Ruffifche über- 
fest Hat. 

©. 332. Note 19. Der Auszug aus Nitter enthält manche Un; 
richtigfeiten. Weber haben die Hlongnu die Stadt Hia genannt, noch 
fonnten die tübetanifchen Tanghiang ein Turkreich gründen. Seit der 
Groberung biejes weſtlichen Landes durch bie Chinefen ſaßen hier abwech⸗ 
felnd chinefifche Statthalter, welche, wie bereits im Zuſatze zu Note 148 
bemerft wurde, ſich im Laufe des eilften Jahrhunderts unabhängig mach⸗ 
ten und den hochflingenden Titel der älteften Dynaftie des Mittelreiches, 
Hia oder auch, weil das Land im Weiten des Mittelreiches liegt, St 
hia, weſtliches Hia angenommen haben. Dieß gefchah unter der Re⸗ 
gierung des Tſchao juen (regierte 1032 — 1048), und zwar wie im Kang⸗ 
mu ausbrüdlich bemerkt wird, im Jahre 1034. Die Refivenz war Hiug⸗ 
tſcheu, welcher Ort jept Niughta oder Hias⸗Ruh genannt wurde. 
Nah Raſchideddin hieß dieſe Reſidenz im Zangutifchen Ezirfai, im 
Mongoliihen Ezirfayn (Sanang jetfen, in feiner Gefchichte ver Mon⸗ 
golen, nennt fie Irghai). Man fehl jebt, woher Marco Polo fein 
Egrigay oder Egrigaya genommen Hat. Unter den Stüpten, bie 
Raſchideddin in Tangut oder Hia anführt, heißt eine auch Chaladſchan — 
es ift dieß wahrfcheinlih das Calacia des Marco Polo. Klaproth a. a. 
O. In dem Werke Shajrat ul Atrak or genealogical tree of the 


620 


Turks and Tatares, translated and abridged by Col. Miles, London 
1838, wird (S. 19) Ninghia, Kafcheen over Gafcheen geheigen. Die: 
fes Werk enthält vortrefflihe Nachrichten über die ganze Mongolengeit, 
die Namen find aber fo verborben, daß fidh nur der Kundige hier zuredt: 
finden fann. 

€. 2334. „Calacia.“ Bergl. die vorhergehende Note. 

€. 334. Note 200. Der Himmelsfohn der Tang hieß Hiuentſong. 

©. 238. Note 202. Raſchideddin fagt, in der Ratheverfammlung 
der Mongolen faßen Beamte aus dem Volke der Tadſchik (Perſer), der 
Chatai (Chinefen), Uigur (Türken) und Arfaun. Dann beißt es in ber 
in armenijcher Sprache gefchriebenen Geſchichte der Drpelier (St. Martin 
Mem. sur l’Armenie OD. 132) von Mangu Chan, er habe eine befon: 
dere Neigung für die Chriften, welche von den Mongolen Arfaiun ge 
nannt würden. Argor bei Marco Polo bezieht fich entweder auf eine 
Nölferfchaft, welche fih zum Chriſtenthume befannte, weßhalb dann alle 
Ehriften diefen Namen erhielten, oder es ift hier irgend ein Eigenname, 
ein Titel eines fyriicheneftorianifchen Chrijten zur allgemeinen Bezeich— 
nung geworben. Dieß Lebtere ift mir das Wahrfcheinlichfte. Vielleicht 
führt eine genaue Durchſuchung ver Bibliotheca orientalis Affemani’s zu 
einem Reſultate. 

S. 39. Note 203. Ung ſcheint verſchrieben für Tung = Tun: 
gufen*). Unter Mongolen wurden auch bie Türfen mitbegriffen. Die aus 
dem Talmud gefchöpften arabiihen Sagen über Gog und Magog ober 
Jadjuſch uud Madiuſch finden fi) zufammengeftellt bei d’Ohssaon, des 
peuples du Caucase. Paris 1828. 275 folg. 
©. 24. Note 206. Vergl. oben Zuſatz zu Note 21. Ich uͤbergehe 
manche Ungenauigkeiten in dem Auszuge aus Ritter. So wurden ;. B. 
Peking und Kaifong (nicht KRatfang) niemals Schangtu genannt; die er: 
ſtere Stadt oder richtiger Die neue Stadt, welche Chubilai in der Nähe 
der alten Refivenz der Kin errichten ließ, hieß Taitu (Daidu bei ven 
Perfern und Mongolen), was die große oder allgemeine Reſidenz beveute. 
In der mongolifchen Gefchichte des Eanang heist Schangtu: Stapt de 
Rades, Keibong (d. 1. Kaiping) Echangtu. Kalping erhielt im Sahre 
1263 die Ehrenbenennung Schangtu. Im Jahre 1369 ward diefe Stabt 
son einem General bes Gründers ber Mingdynaftie den Mongolen ent 
riſſen. Sept befindet fich hier, fo heißt es in den gefammelten Satzungen 
der regierenden Dynaftie (Tai tsing Hoei tien), die Stadt Djao naiman 
sume chota oder der acht Tempel des Bildniſſes Buddha's, die mit einer 
doppelten Mauer umgeben iſt. Auf ber norböftlichen Seite der aͤußern 


2) Ich freue mid in diefen Worten des Herrn Profeffor Neumann eine neue Bes 
träftigung meiner Grflärung des Landes Ungut (Note 246) zu finden. ®. 


621 


Mauer ift eine Infchrift, welche, wie das Datum zeigt, aus ven Zeiten 
Chubilai's ftammt. Die Mauern verfallen immer mehr, doch fieht man 
noch die obern Bundamente der alten Refivenz der Mongolen : Chafane. 

E. 249. Note 212. Solcher Gräuel wird heutigen Tags noch von 
Dogis und Eanyafis in Indien verübt. Mehrere diefer Art erzählt auch 
der treffliche Verfaſſer des Dabiftan. Bogis, ein Wort, das von dem 
Eanffritworte Yoga, Vereinigung herfommt — dem Stamme nad) mit 
Jungere verwandt — nennen ſich Schwärmer, welche eine Vereinigung 
mit der Weltfeele erftreben; fie treiben den Pantheismus auf die äußerfte 
Spitze. Dephalb efien fie auch alles Mögliche, allen Koth und Unflath, 
ſchlagen felbft Leute tobt und verzehren fi. The Dabistan II. 129 und 
an vielen andern Etellen, nad) der Ueberfeßung von Troͤzer. 

S. 250. Rote 213. Ich halte dafür, daß Bakfi das Sanffritwort - 
Bhikſchu iſt, welches einen Bettelmoͤnch, dann jeden bubbhiftifchen Moͤnch 
bedeutet. Da die Mönche oder Geiftlichen die einzigen Gelehrten waren, 
fo befam das Wort auch die legtere Bedeutung. Die Pflichten der brah⸗ 
manifchen Bhiffchu werden angegeben im Wifchnupurana 295 nach der 
Ueberfeßung von Wilfon; die bubphaiftifchen Bhikſchu haben 250 Geſetze 
zu befolgen. Siehe meinen Katechismus der Echamanen ©. 10. 

©. 2351. „Zeugen folder Kunft zu fein.” Aehnliche wundervolle 
Dinge berichtet auch der fonft fo umfichtige Verfaſſer des Dabiftan. 

©. 252% Note 215. Die Tao-Eefte kennen wir jet viel befier, als 
fie Le Comte Fennen konnte. Auch ich glaube, daß hier von den Sien 
oder Unfterblichen der Tao ſſe (No. 8932 des tontfchen Woͤrterbuchs von 
Dr. Morrifon) die Rede if. Es würde aber zu weit führen, wenn ich 
hier in das Innere der Taolehre eingehen wollte; ich bemerfe bloß daß 
fie nichts mit dem Epicuraͤismus gemein hat. 

©. 252. „Kublai Kaan.“ Die Ueberfegung: Herr der Herrn 
zeigt, daß Marco Polo ganz richtig Chakan oder Großchan gefchriehen 
Hatte, 

©. 254. Note 216. Polo nennt Kubilat oder richtiger Chubilat*) 
den fechsten Chan, weil er Tult, welcher nach dem Tode des Tfchinggis 
bis zur neuen Wahl Vorſteher des Reiches war, mitrechnet. 

S. 258. Note 220. Manjt ift aus den beiden chinefifchen Worten 
Man tfe, d. H bie fünlihen Barbaren hervorgegangen. Der 
Nordweſten des Mittelreiches ift nämlich die Heimath der chineftfchen Cul⸗ 
fur; man nannte in alten Zeiten die Suͤdmaͤnner, fünlihe Barbaren — 
ein Name, welcher ihnen auch, nachdem fie die Bildung bes Jao und 
Schun ſchon lange angenommen hatten, geblieben tft. 

©. 262. Note 235. Es find dieß Namen der Gegenden nördlich 


— 


*) ®. meine Note 336. _ er 8. 


622 


und norbivefllih von China, die wohl bei forgfältiger Nachforfchung näher 
beftimmt werben fönnten. Barsfel erinnert an Barkul. 

S. 2388. Note 244. In ähnlicher Weife wird diefe nene Nefivenz 
— fie ward im Jahre 1772 vollendet — von Reſchideddin und in den 
einheimifchen chineſiſchen Jahrbuͤchern geſchildert. Die Polizeianftalten. 
von welchen Bolo S. 291 berichtet, finden ſich heutigen Tags noch in 
allen größern chineſiſchen Etädten. 

©. 292. Note 245. Die Chinefen fehildern Ahama oder Achmeb 
mit denſelben Farben wie Polo, mas fehr für die Wahrhaftigkeit ihrer 
Annaliften fpriht. Die Biographie des Ahama fteht in den Juen fe ober 
Geſchichten der Mongolen, Buch 13 am Anfange. Sie erwähnen bei bie 
fer Gelegenheit auch unferes Polo (Iuen fie a. a. O. BI. 4 auf ber 
rechten Eeite Zeile 6, No. 2068 und 8176 im Wörterbuch des Baftlius), 
welcher auf Befragen dem Himmelsfohne alle Echandthaten des Achmed 
offenbarte, wodurch diejer zum erftenmal feinen Günftling kennen lernte. 
S.. 305. Note 352. Das Anziehen verfchiedener Kleider bei ver: 
fchledenen Beitlichfeiten ift heutigen Tags noch Eitte bei den Chinefen. 
Diefe Kleidungsstücke find ſaͤmmtlich in den gefammelten Sagungen des 
Reiches abgekilbet. 

©. 313. Note 259. Civieci tft ficherlicd) verdborben aus Kuſch— 
dſchi, mie Raſchideddin fchreibt, was Bogler over Falkner bedeutet. 
Bon mehreren andern SJägerftellen und über das ganze Jagdweſen ber 
Mongolen berichtet Hammer⸗Purgſtall, Gefchichte der goldenen Horde 23, 
und an vielen andern Stellen der Geſchichte der Iſchane. Es Täpt fih 
durch eine forgfältige DVergleihung des Waflaf Raſchid u. A. mit den 
Angaben des Polo Manches in dem Werfe des edeln Venetianers noch in 
ein Flareres Licht feßen. 

©. 317. Note 262. Freiherr, Tarchan im Mongolifchen und Tür: 
kiſchen. Bulangazt, d. h. Diftriftsauffeher. Das Wort fommt von 
Buluf, Diftrift und der mongolifchen Endpartifel dſchi. Es muß alfo 
richtig Bulugdſchi heißen. Klaproths Erklärung iſt unrichtig. De- 
scription de la Chine par Rachid-eddin 24. 

©. 321. „Noch bevölferter als die Stadt.” Dieß iſt heutigen Tags 
noch in China der Tal. Alle fremden Kaufleute wohnen in Kanton in 
den Vorftäbten und hier haben auch die Kaufleute ihre Läden. 

©. 322. ‚Der Helden.” Es find dieß Buddhaiſten. 

©. 322. „Fuͤnfundzwanzigtauſend.“ Glaubwürbige Perfonen verfl: 
cherten mich in Kanton, daß es daſelbſt 80,000 Luſtdirnen gäbe. 

©. 324. Note 272. Die Chinefen verftehen bie Kunft aus den ver: 
ſchiedenſten vegetabilifchen Stoffen Paper zu machen, aus Pflanzen (mas 
deßhalb Ifao Shi, Pflanzenpapier genannt wird), aus Hanf und Baum: 
wollftauden, aus der Rinde und den Bafern unter der Rinde verfchiedener 


623 


Blume, wie des Maulbeerbaumes, des Bambnöbaumes m. f. w. Daher 
hat das chinefifche Papier fo vielerlei Farben. Man Fennt jebt bie ver: 
fchtedenen Weifen ihrer Papterfabrication, au) bie des fogenannten Reis⸗ 
papiers, was ebenfalls ein Pflanzenpapier tft, ganz genau. Die Kunft 
Papier zu machen, batirt fi vom Jahre 95 u. 3. 

©. 3%. Note 274. Ich bin der feften Meberzeugung und glaube 
es auch beweifen zu fönnen, baß die Buchdruckerkunſt von China über 
Mittelafien nach Europa wanderte. Die erften europälfchen Drude, die 
Weiſe der Holzfchnitte gleicht vollfommen der chineſiſchen. Es würde hier 
zu mweit führen, dieß im Einzelnen auszuführen und mit den Beweisftellen 
zu verfehen. 

S. 327. Note 276. Schlözer hat in feinen hiftorifchen Nebenftun: 
den, Göttingen 1797. ©.164, einige Stellen der Reiſenden aus dem drei: 
zehnten Jahrhundert zufammengeftellt, die ſich auf das chinefifch -mongolt- 
[he Papiergeld beziehen. Es ift ein Irrthum, wenn er fagt, das Papier: 
geld fei unter Chubilai eingeführt worden. Schon zu den Zeiten ber 
Tang führte man, wie Matnanlin berichtet, eine Art Papiergeld ein, wel: 
ches dann unter den Song in Fulle ausgegeben wurde. Die Nachricht 
bes Mönche Haitho über das Papiergeld zu ben Zeiten der Mongolen 
flimmt gang mit den Angaben Polo’s überein. Jetzt iſt in China Feine 
Spur mehr von ſolchem Papiergelde, wohl aber auf Japan. Ich fah 
einft bei v. Siebold einen Streifen ſolchen länglichten Papiergeldes — 
es findet fich auch abgebildet in einem der Hefte des Nibbon. 

©. 330. Note 277. Thai wird mit dem chinefifhen Charakter No. 
9722 nad) dem tonifchen Wörterbuche des Dr. Morrifon gefchrieben. 

©. 331 (falſch BI). Note 278. Es ift das Wort Sing (No. 
9482 des angeführten Mörterbuches), welches urfprünglih genau un: 
terfuchen, dann eine Snfpectiou, Provinz und den Rath derfelben be- 
deutet. Es wird auch Seng ausgefprochen, namentlich in der Beventung 
von Etabt, Hauptftadt, wo der Rath feinen Sig hat. Raſchideddin und 
die chinefifchen Gefchichten der Mongolen (Juen fie) find fehr ausführlich 
über die verfchlevenen Behörden bes Neiches; Marco Polo's Nachrichten 
werben dadurch im Einzelnen berichtigt, im Ganzen aber vollflommen be- 
ftätigt. 

©. 331. Note 279. Durch die Ueberſetzung bes Mortes Lamb, 
Jamb mit poste di cavalli, mansiones equorum find wir im Stande 
ganz genau bie chineflfchen Laute anzugeben, aus welchen Lamb und Jamb 
hervorgegangen und verberbt find. Es find dieß die Morte Je tſchen 
(No. 12226 und 763 des angeführten Wörterbuches), die wörtlich Pferd: 
ftälle oder Poftftationen bedeuten. In diefen Poftftationen Hält nämlich 
die Regierung immer Pferde bereit, um die Couriere weiter zu befdrbern. 
Privatleute dürfen ſich dieſer Poſt nicht bedienen. Man flieht, die chineſi⸗ 


624 


ſche Defpotie geht noch weiter als die deutfche; bei uns wird Doch nur ge: 
wien ungehorfamen Zeitungen die Wohlthat der Boftverbindung entzogen. 

©. 335. „zu forgen, erfennen. Dieß Alles gilt noch heutigen Tags 
fo gut wie zu den Zeiten Polo’s. 

€. 336. „Ciandu,“ I. Schangtu. Vergl. oben Zufat zu Note 206. 

€. 339. „vergrößern koͤnne.“ Alle diefe Sitten find heutigen Tags 
noch gäng und gäbe im Mittelreiche. 

©. 3413. „Baffis,” 1. Bhiffchu, die buddhaiſtiſchen Bettelmoͤnche. 

Vergl. oben Zuſatz zu Note 218. 
S. 351. „niedriger wird als die vorhergehende. In ben vorherge: 
henden Anmerfungen, die von der Religion handeln, befindet ſich in Form 
und Inhalt manches Unrichtige. Ich bemerfe bloß, daß die Religion aller 
nord» und mittelafiatifchen Völfer, bevor fie zum Buddhismus übergingen, 
eine Art Naturcultus gemwefen ift, ähnlich der einheimifchen Religion des 
Mittelreiches, gemeinhin die Lehre des Confucius genannt. Auch nad 
ber Annahme des Buddhismus, welcher, um dieß gelegentlich zu bemer: 
fen, in vier verfchiedene Secten oder Echulen zerfällt, die genau unter: 
ſchieden werden muͤſſen, hielten die Mongolen noch viele ihrer ehemaligen 
Gebräuche bei, und zwar, wie Pallas Eanmlungen zeigen, bis auf ben 
heutigen Tag. Es tft die Aufgabe der Eritifchen Gefchichtsforfchung, diefe 
angeftammten Gebräuche von der neuen aus Indien flammenden Religion 
zu fichten, was bier natürlich zu weit führen würde. 

S. 356. Note 300. Buli fan Fang bedeutet trockenen Fluß 
der Maulbeerbäume. Dieſes Fluͤßchen führte im Laufe der Jahr: 
hunderte verfchiedene Namen. Es ift aber nicht gegründet, wenn Ritter 
nah Klaproth berichtet (Note 301), der Song ting ho (Ritter fehreibt 
nad) der vorgefundenen portugiefijchen Ausfprahe Chom tim) fei ber 
Puli fan fang. Ter Jong king ho, d. h. der immer ruhig fließende 
Fluß, heißt an der Duelle und an feinem obern Laufe San fang Ho. 
Taitſing Hoei tien, Geographie Buch 87 BI. 8, 2. 

©. 361. Note 310. Die richtigen Namen der Städte des Kreifes 
Schanſi, wovon hier die Rede ift, lauten: Tai juen; Ping jang. Das 
Wort Fu bebeutet Bezirfsftapt. 

©. 368. Note 316. Die Dynaftie der großen Tang — man nennt 
jie fo zur Unterfcheidung von der Heinen Dynaflie Tang — Hat ihren 
Namen von der Feudalherrſchaft Tang erhalten; es war dieß ein Name 
des Diftriftes Tai juen in Schanſi. Dan hat Gefchichten von Tfchang 
ngan, bie einige Bände füllen. 

©. 375. Note 325. Bloß unfern der Mündung wird der Kiang, d. 
h. Strom, Jang tfe, Meeresfohn genannt. Es tft unrichtig den ganzen 
Strom mit. dieſem Namen zu belegen. 

©. 376. Note 326. Die große Ländermaffe, im Nordweſten an dad 


625 


Fuͤrſtenthum Badakſchan und das öftliche Türfenland grenzend, im Cds 
often an die chineſiſchen Kreife Junnan und Sfetfchuen, bie von den hos 

hen Echneefoppen des Himalaja im Süben zur der Kuenlunfette im Nor: 
den reiht, ward noch niemals von wifjenfchaftlich gebilveten Reiſenden 
durchzogen; fie iſt deßhalb am wenigften befannt unter allen Reichen des 
Morgenlandes*). Im Alterthume waren diefe Gegenden in dunfele Ea- 
gen eingehullt; man faßte fie unter der Benennung „Sand der Eafä“ und 
„Skythien außerhalb des Imaus“ zufammen „und verſtand barunter wohl 
auch die ganze Marfgraffchaft It und die andern benachbarten Länder 
bis in bie unbefannteften Gegenden der Erbe**). Die Bevölferung dies 
fer Gegenden nannte aber feit undenflichen Zelten das Land ihrer Hei: 
math Bod, ein Wort, das Erde over Land beveutet, woraus dann bie 
indifche Benennung Bhutan, Bhotangga oder Bhutant, und die fpäter von 
den Türken verderbte Benennung Tübet entftanden iſt **). Die Araber, 
welche im fiebentem und achten Jahrhundert unferer Zeitrechnung gegen 
Mittelafien vordrangen, hörten diefen Namen aus dem Munde ber türfi- 
fen Bevölferung und verbreiteten ihn über alle Linder des Weſtens; 
wir finden ihn auch zuerft bei einem Reifenden tiefes Volkes aus ver 
erften Hälfte des neunten Iahrhundertst). Die fpätern arabifchen Geo⸗ 
graphen und Gefchichtfchreiber fuchten fih In ihrer Weiſe ven Namen bes 
Landes zu erklären; der Eine will ihn von Tübet, der Haupiſtaͤdt bes 
Neiches herleiten; der Andere von Tobba oder Tobhai, der Chrenbenen- 
nung der Beherrfcher des glüdlichen Arabiens. Ein Eprofje viefes Ge: 
fchlechtes, wird hinzugefügt, hätte in den Zeiten, bie über alle Geſchichte 
hinausreichen, diefes Reich gegründet und ihm feinen Namen gegeben, — 
eine Herleitung, die ebenfo geiftreich und wahr ift, wie die Noricum’s von 
Norir, dem Sohne des Hercules. Nach einer andern, der Wahrheit ziems 
Lich nahe kommenden Angabe, die wir in den chinefifhen Jahrbuͤchern 
finden, wäre das Land von ber einheimifchen Bevölkerung Tu fan oder 
Tu po genannt worden, woraus dann bei den benachbarten turfifchen 
Stämmen die Benennung Tübet hervorgegangen wäre tt). ' 


*) Orthographie und Ausſprache find im Zübetanifhen verſchieden; man ſchreibt 
eine Menge Buchſtaben, die jept nicht mehr ausgeſprochen werben. In ber Note find 
die Wörter fo gefchrieben, wie fie ausgeſprochen werden. 

**) Mannert, Norden ber Erde, Leipzig 1820. 470. 890. 

»*) Journal asiatique, 1834. Xu vor Bod ift hoͤchſt wahrſcheinlich ein Artikel. 
Laſſen glaubt auch wohl mit Recht, man müſſe unter Bhautta im Radſchah Tarangini 
irgend ein Tübet verſtehen. Zeitſchrift für die Kunde des Morgenlandes II. 28. Man 
begreift jest, wie von fo verſchiedenen Tuͤbets oder Ländern die Rede fein konnte. 

+) Neifen zweiee Muhammedaner, in Sprengel’s Bibliothek der Reifebefchreibungen, 
Bb. XXXI. 454. 

++) In den Zahrbüdern der Tang (Lang ſchu, Bud 270, zweite Abtheilung, 
1. 10 v.) heißt es ausdrücklich: Tu fan i juei Tu po, Zu fan pr auch Tu po. 


626 


Mag dem nun fein, wie da wolle, dieſe Laͤndermaſſe zerfällt in vier 
Abtheilungen: Vorder: und Hintertübet, oder Hoch⸗ und Niedertübet ge- 
heißen; Labafh, auch zweites over Mitteltübet genannt, und endlich Bal: 
tiftan oder Kleintubet. Die zwei erſten Theile, welche im bie Kreiie 
Noari, Tfang, Cham, U over Wei, und biefe wiederum in mehrere Dis: 
ſtrikte eingetheilt find, ftehen unter der Herrfchaft bes Mittelreiches; die 
zwei andern find den Sikh zinspflichtig. Der tübetanifche Volksſtamm iſt 
aber auch jenfeits der angegebenen Graͤnzen verbreitet; man findet ihn in 
den chineſiſchen Kreifen Junnan, Sſetſchuen und Schenft, und feine Spra⸗ 
he zeigt im Ganzen eine innige Berwandtfchaft mit der des Mittelreiches, 
namentlich ınit den Dialekten der fünweftlichen Bezirke. Es waren in früs 
herer Zeit die Graͤnzen des Landes weiter gegen Often geruͤckt; Fam doch 
Marco Bolo, von der Hauptftadt des Kreifes Sfetfchuen in China ausge: 
hend, ſchon nach einem Marfche von fünf Tagen in das Reich Tübet*)! 
Heutigen Tags wird das Land von den Chinefen Si tfang, d. h. Tfang 
im Weiten genannt und in Vorder» und Hintertfang eingetheilt; Tſang 
it aber fein. chineſiſches ſondern ein tubetantfches Wort, welches Rein: 
beit oder Klarheit beveutet. Vordertuͤbet gränzt im Often an bie Be 
fißungen der einheimifchen erblichen Lehnsherrichaften des Kreifes Sfet: 
fchuen, norböftlich ar das Land der neununddreifig Banner der Mongolen 
am blauen See, und norbweftlih an das Gebiet von Chotan und Jerkend. 
Im Weiten gränzt das Land an Hintertübet, ſuͤdweſtlich an die Horben 
der Tſche mong hiong, und fünöftlich an den Kreis Junnan. Das Land 
ſteht unter der Herrfchaft einer Anzahl chineftfcher Lehnsleute, Lamas oder 
Chotuktu geheißen, welche fänmtlich wiederum dem Groß Lama im Tem 
pel Botala bei Lhaſſa untergeben ſind**). Diefe Stadt, wo auch ver dis 
neſiſche Gouverneur feinen Eig hat, wird als ein reizender Platz geſchil⸗ 
bert, mitten in grünen Auen gelegen; bie Luft ſei hier immerdar rein, 
frifch und ſtaͤrkend; der prachtvolle Ort mit herrlichen Palaͤſten und rei: 
hen Klöftern, mit fchönen Straßen und, geräumigen Markwlaͤtzen ge 
fhmüct, verdiene im vollen Maaße ven Namen Lhafla oder Götterwoh: 
nung***): die Entfernung von der Hauptfladt des Kreifes Sſetſchnen, 
Tſching tu geheißen, beitage 458 beutfche Meilen, und die von Peking 
816 — ein Weg den die chinefifche reitende Poft gewöhnlich in fünfunds 
vierzig Tagen zurüdlegt. ‚Bon Lhaffa gelangen bie Nachrichten nach Te: 
klakot, an die Gränzen ber englifchen Befigungen in Indien bieffeits bes 
Himalaja innerhalb eines Zeitraums von einundzwanzig Tagen, fo baf 


*) Polo II. 36. 


*) Tai teing hoei tien, zweite Abtheilung, Buch 729 WI. 12. Lhaffe w 
n. Br. 910 6 öRL. 2. v. Sonden. haſſa Liegt 299 


”) Timkoweky, Travels. London 1827, I. 446. 


627 


auf biefer Seite bie Länder Großbritaniens bloß fechsundfechzig Tagreifen 
von der Hauptflabt des Mittelreiches entfernt find *). 


Weſtlich von Vorbertübet liegt Hintertübet, deſſen Hauptſtadt Djaſchi 
Lhumbho **), am großen Fluſſe, Jaͤru Tſang po tfiu, d. i. reines Waſſer 
des Weſtens gelegen, wo der zweite Groß-Lama des Landes, der Bandjin 
Erdeni, ſeinen Sitz hat. Djaſchi Lhumbho, was Wohnung herrlicher 
Freude heißt, iſt von Lhaſſa ungeführ fiebenundſechzig deutſche Meilen ent⸗ 
fernt, ein Weg, der gewöhnlich in acht Tagretſen zuruͤckgelegt wird ***). 
Bon Lhaffa nach Sining im Kreife Kanfı brauchen Karamanen fünfzig 
Tagreifen, und von hier gen Peking vierzig+). Die Gränzen gegen Ne: 
pal und Indien werden von den feigen Chinefen forgfältig bewacht; denn 
das Vorbringen der Engländer gegen den Himalaja erregte ſchon ſeit laͤn⸗ 
gerer Zeit Furcht und Verdacht bei der eiferfüchtigen Negierung des Mit: 
telreiches++). | 

©. 383. Note 331. Es find dieß die fogenannten Cowris, welche 
heutigen Tages noch als Scheidemünzen auf den Maldiven curfiren. Auch 
die Chinefen berichten von diefer Mufchelmünze und nennen fie Bet, ein 
Wort das fpäter in der Bedeutung Reichthum vorfommt. 

©. 384. „Das Land war vormals ftark und wichtig.” Man flieht, 
Polo kennt die Gefchichte Mittelaftens fehr gut. Es war Tübet im ach⸗ 
ten, neunten und zehnten Jahrhundert der mächtigfte Stunt Mittelaftens, 
die Tübetaner fielen häufig in China ein und haben die weftlichen Pros 
vinzen diefes Reiches ftarf verwuͤſtet. Man hat noch einen Brieden, der 
zwifchen beiven Staaten aufgerichtet wurde. 

©. 385. Note 336. Zwiſchen Bengalen, Arracan und Caflay ers 
ftrecft fich eine gebirgige Gegend, welche von eingeborenen Stämmen bes 
wohnt wird, die Kayn oder Chien genannt werden. Es ift wohl biefer 
Landftrich von Bolo unter dem Namen Kaindu, d. h. Hauptftabt der 
Kain, beichrieben worden. Er fügt fpäter ausdrüdlich, die ganze Provinz 
fei nah dem Namen der Hauptſtadt genannt worden. 

€. 392. Note 343. Es ift ganz richtig, dag die Stadt Tſu hiong 








*) Tai tsing hoei tien, Abtheilung Geographie, Bud 121 WI. 12. Taklatot liegt 
309 24° nördl. Br. 810 8° öftl. Länge von London. 

**) Bon den Engländern gewöhnlih Teſchu Lumbu genannt. Djaſchi Lhumbho Tiegt 
290 7° n. Br. 800 2 öftl. L. v. London. 

**0) Ritter IV. 3. 257 fagt irrthümlich fünf und vierzig; er rechnete wahrſcheinlich 
250 Li aüf den Grad, was ſeit Kanghi nicht mehr der Fall iſt. j 

+) Horatio della Penna, Missio apostolica 'T'hibetana. Münden 1740. 209. 
&ining liegt 360 39° 22° n. Br. 140 40° 30 weftl. 2. von Peking. 

++) Jacquemont ritt auf die Wachen zu, fie flogen auseinander und ließen ihn 
durchziehen. Voyage dans l’Inde. Paris 1841. Capt. Alex. Gerard, Account of 
Koonawur in tho klimalaya. . London 1841, 104. 

40 * 


* 


628 


(25° 6' n. Br. 140 45° 20” wefll. 2. v. Befing) zu ven Zeiten ber Song 
und der Juen oder Mongolen, Wei tfu oder Wei tſcheu geheißen hat. 
Aber daß diefe Etadt das Jadſchi des Raſchideddin und das Jaci (fpr. 
Jadſchi) des Polo ſei, iſt eine bloße Hypothefe Klaproth’s. Die Staͤdte⸗ 
und Ländernamen bes ſuͤdweſtlichen chinefifchen Reiches, welches zu den 
Zeiten der Mongolen nach diefer Seite hin ausgevehnter war als jeht, 
find deßhalb fo ſchwer mit den heutigen Namen auszugleichen, weil die 
Gingebornen und ihr Gebieter — Leute ganz verfchierenen Stammes und 
verfchiedener Sprache — diejelben Orte und Gegenden auch mit verfchie: 
denen Namen belegen. Cs iſt dieß zum großen Theil heutigen Tags noch 
ber Fall. Die Seen find nicht hinreichend zur Drientirung, denn es gibt 
in Junnan vier große Eeen, wovon ber größte Tien tſchi, d. h. die 
große Waffermenge, und ein anderer Or! hai genannt wird. Vergl. 
Note 335, wo anjtutt Kung yn, Kong ju zu lefen il. 


S. 400. Note 354. Auch eine Anzahl der autochthonen Stämme 
der Provinz Junnan und der Halbinfel jenfeits des Ganges tätomwiren 
fih heutigen Tags noch. Vergl. auch Polo ©. 419. 


©. 404. Note 359. Man muß jeht bei diefem und den folgenden 
Abfchnitten die einheimifchen Nachrichten der Birmanen vergleichen, wo: 
durch Vieles in ein Elareres Licht gefebt wird. Gin großer Theil dieſer 
birmaniſchen Annalen findet ſich in den erften Bänden des aftatijchen 
Journals von Bengalen. 


©. 418. Note 370. Die Namen in diefem und in den folgenden 
Abfchnitten beziehen ſich ohne Zweifel auf die Gränzlande zwifchen In: 
bien und China und die zum Theil bis auf den heutigen Tag felbtftän 
digen Gebiete der Miao tfe. Cie Taffen fih wohl durch genaue Berglei: 
hung mit den Nachrichten der Chinefen und den Localitäten — wir be: 
figen über diefe Gegenden fehr ing Detail gehende Nachrichten — auf 
/ die einheimifche Form der Benennungen zurüdführen. Eo tft Kangign, 
+ Kangfur, das Neich oder Land des halbbarbarifchen tübetanifchen Etam- 
mes der Rang; die Namen im Agſten Kapitel beziehen fich auf Staͤdte ver 
Kreiſe Sfetfchuen und Kang fu. 


©. 425. Note 379. Die jebige chinefifche Kreiseintheilung war zu 
den Zeiten der Mongolen unbefannt. Unter Chubilai zerfiel das Reich in 
‚zwölf große Provinzen, die Lu d. h. Wege genannt wurden, anf bie 
Polo im 6Often Kavitel diefes Buches anfpielt. Er fagt, die Provinzen 
werden von 12 Freiheren regiert; es find dieß die Tſching fiang der Chi 
nefen — ein Titel, der aus China nach Mittelaſien und febft bis nad 
Perfien wanderte. Die Hofprovinz umfaßte die jebigen Kreife Tichili, 
Schanfi, Schantong und einige Theile der andern benachbarten Kreife. 
Bon einer Provinz ES chantong iſt alfo im dreizehnten Jahrhundert feine 


* 


629 


Never). Tfinan Bu führte fehon zur Zeit der Mongolen biefen Namen; 
es tft alfo Fein Grund vorhanden, warum Polo die Stadt Tudin Tu 
hätte nennen follen. Sch Halte dafür, daß Tudin Yu verfchrieben iſt 
für Wu ting Fu (37° 33° n. Br. 1° 12° Sfil. L. v. Peking), eine an= 
dere Bezirksſtadt des jebigen Kreifes Schangtong. Bei den Staͤdtenamen 
(S. 426) Iefe man anftatt Lin tji tfcheu, Ling tfing tſcheu (36° 37° 15 
n. Br. 0° 33° 30° weſtl. 2.). 

©. 428. Note 381. „Einen Hafen der Maffertbeilung” gibt es 
heutigen Tags nicht mehr, wohl aber mehrere Hügelreihen, welche „Waf- 
ferfcheide” heißen, was freilich auch natürlicher ift, als ein Hafen der 
Maffertheilung. Die Hügelreihen diefes Namens — Ling im Chinejls 
ſchen — find verzeichnet in Endlicher's Inder zur Karte von Schantong. 
Wien 1843. ©. 10. Es ijt übrigens ganz gegründet, dag Ma teu einen 
Hafen, einen Landungsort bedeutet. 

©. 431. Note 383. SKaramuran heißt Schwarzer Fluß. Die Tuͤr⸗ 
ken wie die Mongolen geben haͤufig den Fluͤſſen den Beinamen Kara, 
ſchwarz, ſo Karaſu, Schwarzwaſſer u. ſ. w. 

©. 434. Note 387. Fakfur oder richtiger Bakfur iſt bie alt⸗ 
perſiſche Ueberſetzung des chineſiſchen Titels Tien tſe, Stmmelsfohn. 
Bak, das bereits in den Keilinſchriften vorkommt, heißt Gottheit und 
Fur (puer), Sohn. Hiemit hängt auch Bagdad (Theodata) zuſam⸗ 
men. Das Wort Bak findet ſich auch im Armeniſchen, unter der Form 
Bakin. 

©. 441. Note 391. Par ing hien liegt 330 15° n. Br. und 20 49 
öftl. Länge. 

©. 443. Note 393. Tingui ift Tfing kiang (320 5° n. Br. 30 48° 
öftl. 2.) und Cingui, Tfing fu (31° 11’ n. Br. 40 24 oͤſtl. von Peking). 
Es find die Städte dritten Ranges. 

©. 443. Note 394. ang tfcheu Fu (die ijt die richtige Schreib: 
weife des Namens) liegt 32% 26° 32° n. Br. 20 55° 43° öfll. L. Marco 
Polo irrt ſich in Betreff der relativen Lage der Orte, die er Hier bes 
ſchreibt. 

S. 450. Note 402. Singui iſt, allem Anſcheine nach, Song kiang 
Zu, 310 0° 0° n. Br. 40 28° 341° öfl. L. 

©. 457. Note 406. Tin gui gui kann feine andere Stadt als 
hang tfcheu Fu (310 50° 56 n. Br. 3° 24° 17” öftl. 8.) fein; bie 
Richtung zwifchen dieſer Stadt und Tſchin Fiang, d. h. des Fluſſes Huth 
oder Schuß, ift ganz richtig angegeben. Ich brauche hier nicht ausführ: 


*) Dad habe ich in meiner Note auch gar nicht fagen wollen, fondern ich habe nur 
durch Angabe des neuen Namens bie Gegend, in weldhe und Polo führt, im Allgemeinen 
bezeichnet. B. 


— 
4* 


t 630 


lich zu fein, weil ich alle dieſe Localitaͤten bei Gelegenheit der letzten Ope⸗ 
sationen der Engländer in der allgemeinen Zeitung ausführlich erläutert 
habe. 

©. 384. „Der Lifte zugefügt.” Diefelbe Anordnung findet heutigen 
Tags noch im Mittelreiche flatt. 

S. 488. Note 426. Ich weiß jet nicht mehr, wie ich zu der Ba: 
riante Gengui gefommen Bin. 

©. 489. Note 48. Fokien und Kiangtſche — fo hieß damals 
Tſchekiang mit Theilen der heutigen Kreife Kiangnan und Kiangſi — bil: 
deten bis zum Jahre 1297 eine der 12 Lu oder Wege des Reiches, wel: 
der von Kiang tfche, das Kon ha (ſprich ſcha) des Polo, den Namen 
führte. Kon ha oder Klang tfche umfaßte alfo eine bei weiten größere 
Laͤndermaſſe, als ver heutige Kreis Fokien. 

©. 498. Note 438. Die gute Bemerkung des Herausgebers gegen 
Marsden kann noch dadurch unterftügt werden, daß zu den Zeiten ber 
Mongolen auch Südchina hier und da Indien und zwar Großindien ge 
nannt wurde. Co berichtet uns wenigftens Johannes de Marignola, ein 
Franziscaner und päbjtlicher Legat, welcher im Jahre 1339 zu Chambaligh 
geweſen fit. 

©. 505. Note 443. Der tüchlige Kämpfer und Alle, die es ihm 
nachfchrieben, find im Irrthume, wenn fle wähnen, Polo fei der erfte welt: 
liche Neifende, welcher Japan unter dem Namen Edi pen Fuo, d. h. 
Reich des Eonnenaufgangs — e8 ward fo von den Chinefen genannt, weil 
es ihnen gen Morgen liegt — befchrieben habe. Schon vier Sahrhuns 
derte früher haben die Araber diefes oͤſtliche Infelreich gefannt. Eiche 
meinen Artifel Japan in der Encyelopädte von Erfch und Gruber, mo 
„biefe Stelle des Polo erläutert wird. Auch Raſchideddin befchreibt Ja: 
pan unter dem verdorbenen Namen Dſchemkut, fo wie den unglüdlichen 
Zug der Mongolen gegen dieſes Reich. 

©. 514. Note 517. Malabar, im engern Einne des Mortes, er: 
fireckt fi von dem Cap Komorin bis zum Fluffe Tfchandraghiri, 12° 30 
n. B. Der einheimifche Name dafür, fo 3. B. in den Puranas, if Ke: 
rala, unter welchem, wie unter Malabar, nicht felten das ganze weftlice 
Uferland der Halbinfel verflanden wird. 

©. 569. Note 524. Somnath ift in den jüngften Jahren, wegen 
der Abenteuerlichfeiten bes letzten Generalſtatthalters von Indien, Lord 
Ellenborough, vielfach in Sffentlichen Blättern und Beitfchriften zur Sprache 
gefommen *). Mahmud von Ghaſnah zerftörte den Ort auf feinem lepten 
Zuge nach Indien, 1025 u. 3. Er ward aber fpäter wieder aufgebaut. 


ä 
») Durch ein eigenthümliched Ueberfehen ift eine ähnliche Bemerkung von mir über 
biefen Gegenſtand ©. 569 nicht abgedrudt worden. DB _ 


631 


Diefe berühmte Stadt Pattın Somnath — wegen ihrer herrlichen Lage 
ward fie ausfchliegend Pattan, d. h. die Stadt, genannt — lag an ber 
äußerften Spise der Halbinfel Gudſcherat, der Infel Diu gegenüber, und 
erhielt ihren Beinamen Somnath ober richtiger Swayambhunat, 
der durch ſich felbit feiende Gott, von einem heiligen Lingam des 
Eiwa, der hier aufbewahrt wurde. Nach einer andern, unwahrfcheinliches 
ren Erklärung bedeute das Wort Eomanat Mondgott. Coma, Mond, 
iſt einer ter vielen Namen Siwa's. 

©. 573. Note 528. Auch Edriſi (I. 48. ed. Jaubert) weiß, daß hie 
Bewohner Socotra’s Ehriften find. Er fügt noch Hinzu, daß fie bald nach 
der Erfcheinung des Heilands Chriften wurden und es auch geblieben find. 

©. 580. Note 536. Auch über die Menge Infeln zipifchen Indien, 
China und noch weiter gen Often gelangten vermittelt der Araber die 
erften Nachrichten nach dem Welten. Edrisi I. 87. ed. Jaubert. . 

€. 584. Note 542. Diefer Ort wird mit Recht feit den älteften 
Zeiten Aden oder das Paradies genannt; denn hier herrfcht ewiger Sons 
nenfchein, — ein wolfiger Tag bildet eine feltene angenehme Abwechslung. 
Der einheimische Name Aden findet fich fchon, unter der Form Athana, 
bei Plinius (Hist. Nat. VI. 28). Es tft dies das Emporium romanum 
(Pocockii Specim. Hist. Arabum. Oxonii 1816, 85), ehemals auch 
Arabia felix geheipen. Die Bevölferung des Dorfes Aden beftand, zur 
Zeit als es die Engländer (1838) in Befik nahmen, aus 600 Seelen. 

©. 585. Note 544. GI Kahira (Kairo), d. h. bie Siegreiche, wirb 
im Mittelalter gewöhnlich Babilon genannt. Seht heißt die Stadt bei 


der einheimifchen Bevölferung gemeinhin Miſr — ver befannte Name für 
Aegygten. 


Seite 


Druckfehler. 


49 Tied als Abfchnittözeihen 5 fl. 6. 
53 I. ebenfo 6 ftatt 5. 


313 3.2. v. u. I. Etymologie fl. Ethymologie. 


317 8. 1. v. u. derfelbe Drudfehler. 
483 3.5.v. u. I. Schanghae ft. Tſchinhai. 


Drud ber Teubner'ſchen Dfficin in Dresden.