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länMtcfyen (Srunbbeft^es
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1900.
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IcmMtcfyen (Brunbbeft^es
. !5enborff,
«Sedjau.
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uauu«. janiuut'uer. AAtni.
17
7
gn§a£t.
Setle
A. ®ie fyt)potfjefariid)e ^Berfdjulbung be3 ©runbbefi£e3 unb ba§ Kentenprincip . 7
B. 3)a§ 3nteftat*9(ner6enretf)t 20
C. Tie natürliche Serfcfiulbungggren^e 27
D. ©utSgejcfjtcfiten 48
L,«uuw. janruuciier. aa\jh.
17
tyotrtreö*.
ffie (Srfenntnifj, baß ber s#ott)lage ber läublidjcn ©ruubbeft^er
nid)t gefteuert tnerben fann, tuen« man nicfjt ber übermäßigen 33er=
ferjutbung be§ ©runb&eft|e§ entgegentritt, wirb immer allgemeiner.
(Sin gangbarer 23eg, tt)ie man ber ^erfdjulbung entgegentreten fönne,
tft aber bisher nidjt gettnejen. 3)a idj mtdj mit bem ©ucfjen natf)
folgern Sßege feit öatjren befdjüftigt tjabe, neunte id) baZ 2Sort ju
ber $rage.
3$ bringe äunäcljft ^met früher gehaltene Vorträge jur meiteren
ßenntnifj unb taffe biefe Referate in ber alten $orm erfdjeinen, ob»
mof)l meine 9ln|"idjten in^mifdjeu in manchen Singen (ba man borf)
rjin^ulernt) ftdj etnmS geänbert rjaben.
3n bem Stbjcrjnitt C. „Sie natürliche $erfd)ulbung§gren,$e" glaube
id) na^umetfen, bah e§ boer) einen gangbaren 38eg gtebt, mie man
ber übermäßigen SSerfdjulbung entgegentreten lönue.
3n bem 3lbfcfjnitt D. ,,©ut3gefdjicfjten'' wollte idj an einzelnen
Söeifpiclen geigen, mie bie Sdjufben unb greife ber ©üter entftanben
unb geroadjfen ftnb, unb bajg e§ auefj einem Sanbroirtl), ber mit Keinen
Mitteln anfängt, mol)l möglich ift, üormärtä ^u fommen, fofern er $u
red)ter $eit ©Bulben macfjt, aber audj gu rechter $eit ©djutbeu tilgt.
Rubere Unterfucrjungen in ber ifttcrjtung ftnb mir bi§l)er nicfyt
befannt gemorben, üieUetc£)t finb barjer bie Serielle über einzelne ®üter
aud) nid)t ofyne allgemeine» Sntereffe. @£ ift nid)t unbebenltitf), mit
ben ©utägefdjidjten an bk Oeff entließ feit §u treten, benn ®ut3ge[cfjicrjten
lafjen ftdE> ntcfjt [djreiben orjne $amilienoert)ä(tniffe ju berühren, mit
benen man nicfjt gern an bie Deffenttidjfeit tritt.
35ermeibet man bk Scilla, ben eigenen Srebit 51t gefäljrben, [0
faßt man in bie ©tjarrjbbiä, als ,,9tegierung$(anbroirtt)" ober
i.iiuuw. junroueuer. aawii.
17
— 6 —
„SRenommManbnnrttT rjingeftellt äu werben, aber bie emäelne ^erfon
i[t boct, nur ein furje« ©Heb in einer langen ftette, (jat alfo 5«tUct)
rect)t beidjrünften ©influfe.
£)te ©efcfjidjte frember ©üter fann man aber bod) gar ntct)t
treiben, unb fo tjabe td) fcfjliefelid) afle Sebenren überrounben unb
tjabe bie <£c$ulbengeföid)te ber eigenen ©üter gefcfjrieben, roetl tdj
glaube, batnit bem @runbbefi|, ber SanbttrirtrjfdjQft unb ber 3ßkt)rt)ett
31t bienen.
geefjau, im SD^är§ 1900.
~gpex\bovff.
7
A. Die Ijtjjjotfjekartfdje Uerfttjulimnö bea (ßtutibbeß^eg
unb baö UtentettpriniU).
Vortrag be§ £tn. 9tiltergut§befi^er§ 2öenborff = 3bäied)oma
in ber ©eneratoetjamniiung be§ lanbtt). $roöinäiatoeretn§ öom 14. ®ej. 1893.
2Senn man bie tiefe, mäcfjtige QSemegung, melcfje burdj ben ©tanb
ber ©runbbefiijer unb Sanbmirtrje gel)t, beobachtet, fo fjat man fid)
äunädjft ju fragen: Sft biefe 53emegung eine nene $orm ber alten
klagen bei ben £anbroirtl)en, bie ja „immer flogen", ober ift bie $8e*
megung mtrflicfj burd) Sftotf) öerurfacfjt?
©iefe $rage erfcfjeint überfttiffig, menn man lebiglirf) gn 2anb=
toirtfjen fpridjt; bie $rage ift nicfjt überflüffig, toenn man über ben
ÄreiS ber Sanbroirttje l)inanögeb,t.
Sine ©tatiftif ift nnr foroeit üorfjanben, als bie ©ubtjaftationen
befannt finb unb neuerbingS amtltcfje 33ericfjte über bie Jprjpotfjefen*
bemegung ö er ö ff entließt werben; folcfje ßufammenftellungen geben jebotf)
fein ftareä 23ilb öon ber ©acfjlage.
%&) fya.be mir au3 bem Greife, in bem icfj feit 30 Sauren mofme
unb beffen SSertjäftntffe id) fenne, felbft eine ©tatiftif gemalt, inbem
ttf) nad) bem Slbrefjbucfj üon 1872 bie ©cfjicffale ber bort aufgeführten
89 ©üter oerfolgte.
©<§ finb 33 sroangroeife üerfauft (manche mieberrjolt),
6 fielen bicfjt Oor folgern SSerfauf,
23 finb fretioiHig berfauft,
27 finb in unöeränbertem S3efi| ber gamilie.
~~ 897
ober in ^ro^enten auSgebrüdt finb öon ben 89 ©utäbefi^ern auä bem
3af)rc 1872
37 $ßro3. äufammengebrocfjen,
7 * fterjen bor bem gufammenbrucr),
26 = fjaben fiefj ber (Sntfcfjeibung burd) 95erfauf enraogen
30 = ijaben fid) gehalten.
100 ^rog.
L.auu\v. jaiiiDucner. AAViil.
17
SScnn id) ba§ £>anbbud) be§ ©runbbeftjjeS Don ® llerf) olg Dom
3al)re 1881 gur §Gnb netjme, ftnbe idj in bem obcubeäeid)netcn
Greife 126 23efitjer oerzcicrjnet; baoou finb in ber furzen ©pannc
$eit üon 12 Sauren:
42 burd) gmangäbertauf üom ®lltc gefcfjteben,
9 ftel)en fürs bor biefem (£reigntf3,
27 rjaben fid) ber ©ntfdjeibung burd) Verlauf entzogen,
39 fjaben ha§> ©ut ber Familie bi3t)er erhalten,
6 fommen als 23ef)örben ober 9Jcajorat§be[i^er nid)t in $ragc;
3 finb Dorroärt3 gefommen;
126,
ober in ^Prozenten:
34 ^ro^.
finb gefallen,
7 *
fteljen bid)t oor bem $aü,
21 ,
blieben unentfd)ieben,
30,5 =
^abeit fid) gehalten,
5 =
!ommen nidjt in $rage,
2,5 =
famen borroärt§.
100 ^5ro5.
2)a§ ift bodj in ber £t)at ein trübe§ 23i(b ! — ißir treiben foDiel
©tatiftif mödjte boef) einmal auf breiter ©runblage bic 9iid)tigfeit
meiner gufammenfteHung, ftaatlidj geprüft raerben; jeber ßanbratt)
fönnte i>a§> mit §ülfe einiger älteren 23efi£er leicht machen.
£)er bezeichnete Sfteig fjat nidjt mirttjfcfjafu'id) befonberS ungünftige
$etten geljabt unb gilt al§ einer ber beffem; in Dielen greifen ioirb
ba§ Silb nod) biet trüber merben — unb babet fteljen mir erft im
Anfang ber Ärifi§.
£>a mag fid) füglid) jeber ©runbbefitjer mit 9?cd)t fragen: SBann
roirb benn audj an bid) unb bie ©einen $>a§> ©djidfal tjerantreten,
ba'B bu bie Jpeimatt) oerlaffen mujjt unb mit bem ©tod in ber £mnb
fdjeiben Don ber ©cfyolle, bie bein @efd)led)t unb bid) bisher nät)rte?
Unb toenn ber 53efi|er nidjt nur an fid), fonbern an grau unb $inb
benft, fo ift e§ feine Derfludite ^fltdjt unb ©djulbigteit, fid) 51t mehren,
fo fel)r er !ann.
©iefen berechtigten ©elbfterljaltungStrieb al§ „agrartfd^e 93egel)r-
lidjfeit" §u bezeichnen, bagu f'ann nur DöHige Unfenntnifj ber 35er=
fjäftniffe ober böfer SSille führen. SSer bie ernfte 33emegung ber
£anbmirtl)e fo auffaßt, al§ ob bie Sanbmirttje auf Soften ber All-
gemeinheit fid) „SiebeSgaben" mollten bewilligen laffen, mäl)renb bic
fpöttifd) fo bezeichnete ,,nott)leibenbc2anbmirtt)fd)aft'' eS fid) im 5)?üf3ig=
— 9 —
gang root)t gebjen liejge, ber hat eben feine Afynung Dort bem tiefen
(Stuft ber $rage.
üWan roerfe uns nicf)t ein: „Auf bie ^ßerfon fommt eö nidjt an,
rjabt 3f)r abgemirtl)fd)aftet, fo fommen nad) (Sud) anbere, bie e§ beffer
oerfterjen". — 3unäd)ft gefjt ber Sanbroirttj nidjt leicht fort üom
fjeimifdjen §of, er f)ätt feft an ber ©cfjoHe, bie itjn unb fein ©efd)led)t
t>iclleicf)t fd)on lange ernährt, bi§ feine Straft crlatjmt. Unb mit ber
eigenen Straft, bem eigenen Vermögen, gefjt and) bie Straft nnb ba£
Vermögen ber Sßirtljfdjaft uertoren, fo bafj nur bie Stnodjen bleiben.
£>aran mirb ber S^actjfotger aud) feine grofee $reube fjaben. Unb
mofjer foHen fie fommen, tk Seute, bie e§ beffer üerftefjen? 2)a3
anonyme Äapttal fann bie 23efi£er ausbeuten, baz berftebjt cS, aber
mirtfjfdjaften, ba3 Reifet SScrttje fdjaffen, ba§ fann e§ ntct)t.
2Ba§ mirb aufierbem au§ ben roirtfjfdjaftlidj üernidjteten ober aud)
nur ftarl angefränfelten Sefifcetn? — Snfofern e3 ftet) um @ro§*
gnmbbefifcer mit befferer ©r^ieljung fjanbett, merben biefe Sefitjer
Antisemiten, fofern e§ fid) um Sauern fjanbett, madjen fie nidjt erft
bie§ ©tabium burdj, fonbern roerben gleid) ©ogtalbemofraten.
SSenn mir uns nun fragen, tneldje Urfadjen finb e3, bie §u fo
traurigen 3°^9en Qefüfyrt tjaben, fo glaube id) bie Urfadjen in ber
,s?auptfadje auf 4 fragen gurücff üt)ren ju fönnen:
1. bk Arbeiterfrage, 2. bie SßäfyrungSfrage,
3. bie ßottfrage, 4. bie ©ctjutbenfrage.
Sn ber Arbeiterfrage erfenne id) baZ 53eftreben be§ oierten <Stanbe3,
für fid) beffere SebenSbebingungen §u erreichen.
S)te8 Seftreben mufj id) al§ berechtigt unb unabroei3tid) an*
erfennen. SSer mödjte ba§> Soo§ feiner Arbeiter nid)t Oerbeffern? Aber
mer fann e§? £>odj nur ber leiftung§fäf)ige unb ntdt)t ber öerfdjutbete
unb bamit leiftungSunfätjige Arbeitgeber.
Sßenn ber Stutfdjer fid) ein ©ta§ Sier unb eine (Sigarre leiftet,
ma§ ber Jperr fdjon nidjt me^r fann, ober menn ba§> ©efinbe ntdtjt
merjr gufrieben ift mit ber Stoft, mit meldjer ber Sauer fid) begnügen
muß, fo finb ba§> unhaltbare guftänbe.
©eroifj ift e§ etmaS @d)öne3 unb ©rofjeä um bie ftaatlidje gür*
forge für bie Arbeiter; menn aber bie Seute fjier bleiben, roetdje ftdt)
auf frembe gürforge, bie ja nur impp fein fann, oerlaffen, mäfjrenb
foldje Seute au§manbern, bie au§ eigener Straft üorroärtä motten, fo
merben unfere Arbeiter gcroiffermajjen burd) gucfjtmat)! letftungS*
unfähiger gemalt. öd) bebaure nidjt ba% ©infen in ber Quantität,
fonbern ba§ in ber Dualität ber Arbeiter.
i^aiiuw. jani DUClier. AAVill.
17
— 10 —
©ine 23efferung ber Sage ber 23efi|er burd) Acnberungen in ber
Arbeiterfrage ift bei ber ganzen (Strömung ber ßeit nid)t 51t erwarten,
infofern folcfje 23effcruug auf Soften ber Arbeiter gefcfjel)en foilte, tft
fie audj nicfjt %\x münfdjen.
SSon ber Söfung ber 2öäl)rung3frage erwarten üiele ba§> £>eil.
©ctoif} tft ba§ Sinfen be§ SilberroertfjeS ober, mie idj e§ richtiger
bezeichnen möd)te, ba3 (Steigen be§ ©olbmertfjeS für un§ ein icfjlimmeS
3Mng. ©emif; fteigen unfere ©Bulben aud), — menn ber 28ertf) beS
@otbe§ als SSertfymeffer immer metjr fteigt, unb fomit ba§> Stftafj immer
länger mirb, fo fann eö root)t bagu fommen, bafj bie Gtte länger mirb
al§ ber Äram; aber id) glaube nidjt, bafe e§ in menfdjlicfjer 9Dcad)t
liegt, ein fefteS Sßerfjältnifj zmifcfjen @olb unb anbern 2Saaren, aud)
Silber, einzuführen, nod) meniger fjatte id) bie groangSeinfüfjrung
früherer äBertfjOerfjältniffe für möglidj. ÜJcan joll bie $rage, bie id)
fjier nur flüdjtig ftreife, nict)t rufjen laffen; id) tjoffe aber auf balbige
§ülfe burd) fiöfung ber SBäfjrungäfrage nicfjt, e§ fei benn, bafj neue
ergiebige ©olbqueüen erfdjfoffen mürben unb ber ©olbmertfj bem=
gemäft fiele.
Sn ber $ ollfrage, bie roefentlidj eine $rage ber Äonfurreng
ift, überfielt man meinet ©racfjtenS üon Ianbtmrttjfdjaftttdjer Seite
f)äufig bie $rage ber grasten, fei e§ im internationalen Sßerfefjr, fei
e§ auf t)eimiftf)en Sahnen, auf benen bie Sanbmirtfjfdjaft meniger
begünftigt mirb, als §anbel unb Snbuftrie.
©afj gölte auf lanbmirtfjfdjafttidje 'jßrobufte, namentlidj ©etreibe,
nottjroenbig finb, foEen mir nicfjt ber 5lon!urren§ erliegen, barüber
f)errfd)t fo jiemlictj ©inftimmigfett, nur über Die £)örje ber ©etreibe*
3Öüe ift man üerfcfjiebener Anficht, üftacfjbem fo bebeutenben $on=
furrenten mie Defterreid), Amerifa unb (Snglanb mit Kolonien gegen-
über ber goU auf lange $eit leiber feftgelegt ift, mirb ein ertjöfjter $oll
gegen D^u^lanb aud) nicfjt ber ficfjere 2Seg gur Rettung unferer £anb=
mirtfjfd)aft fein, mie bieS Safjr bei benibar Ijotjen ^ampfgöüen un£ lefjrt.
hiermit roiE id) miefj aber nidjt als $reunb eines ruffifcfjen
£>anbel§tiertrage3, ben icfj nidjt fenne, erklären, unb id) mit! bie erften
brei 3ra9en *n ^rer 28icfjtigieit für ben lanbmirtt)fdjaftlid)en betrieb
burd)au§ nicfjt unterfertigen, erfenne folcfje üielmel)r auäbrüdlid) an,
roidjtigcr aber mie bie augenblicfltdjen unb medjfelnben Betriebs-
oerfjältniffe be£ £anbmirtfj3 finb bie bauemben Sefitwerfjältniffe be§
@runbbefit$er3.
2Ba§ nun bie Scfjulbenfrage betrifft, fo bin id) ber 9D?einung,
ber unüerfdjulbete ©runbbefift fönnte, fei e3 leidjt, fei e§ fdjmer, bie
— 11 —
Soften tragen, roeldje bie Arbeiterfrage, bie 2öäl)rungSfrage unb bie
ftanfurrenj beS AuSlanbeS irjm auferlegen, dagegen mürbe eS bem
©runbbefi£ auf Die kalter nid)tS nützen, menn bie Arbeiterfrage, bte
2Säf)rungSfrage unb bie goflfrage nad) bem Söunfdje ber 8anbroirtl)e
geregelt mürben, bie (sdjulben unb bie llrfadje ber ^erfdiutbung aber
in alter 2Sirffamfeit befielen blieben.
@S mürbe lebigtid) bie 9?ente ber ©üter gehoben merben, mit ber
diente aber ber 2£ertl) unb mit bem Sßertl) bie äftöglidjfett unb bamtt
beim nädjftcn 23cfit3roed)fel bie$ermirflid)ung einer t)örjeren^erfd)ulbung.
Sie bem Kapitalismus fo feinblid)en Agrarier glauben burd) il)re
SBeftrebungen fief) ju Reifen, fte Reifen aber lebtglid) bem Kapital,
roeldjeS bei unferem je$igen SBerfdjulbungSfrjftem bie fiebere Siente, ja
audj baS fidjere Kapital, fomeit man ©rjpottjef für Kapital anfetjen
fann, üorrocg nimmt. Sarum meine id), ber ©runbbefitj leibet an
mand)en liebeln, ber liebet größtes aber ftnb bie ©djulben.
©emiß ftefjen SSerfcrjulbung beS ©runbbefitseS unb sJcotl) ber ßanb-
roirtl)fd)aft in SSectjfelmirfung, aber bodj fcfjeint mir flar, bafj bie &er*
fdjulbung mebjr Urfadje als SStrfung ber S^ott) fei. Sie ©cfjulben
brüden unS in 5miefacfjer SSeife: nad) itjrer Qualität unb ilirer
Quantität.
lieber bie Dualität einigermaßen erfdiöpfenb $u fpredjen, märe
nierjt beffer möglich, als baS 3Serf Don SRobbertuS „Sie Krebitnotl)
beS ©runbbefttjeS" auSsugSmetfe mit^utrjeilen. Aber mie märe eS möglid),
baS Stubium btefeS überaus geiftreidjen unb fd)arfftnnigen SSerfeS burd)
auS^ugSmeife SCRittrjeilung §u erfe^en; id) fann ben §erren, bie baS
SBerf nidjt fennen füllten, beffen ©tubium auf baS brtngenbfte empfehlen.
SaS Kapital ift trjeilbar in jebem Söerrjältnifj, fein SebenSprin^ip ift bie
unbefcrjränr'te $emeglid)feit; im §anbel unb in ber Snbuftrie rairb
Kapital in allen geinten oermanbt, um bei jebem Umfafc in nerbefferter
unb nermeljrter ©eftalt aufS Neue 511 erfd)einen. ©er ©runbbefitj ift
menig tt)eilbar, fein SebenSprinjip ift bie ©eftänbigfeit. Ser SSertt) beS
©runbbefttjeS berul)t, abgefeljen Don Liebhabereien, lebiglid) in ben
Naturalien, bie man auf itjm e^eugen fann. Sie natürliche 23erfd)ul=
bung beS ©runbbefitjeS märe alfo bie früfjer üblid)e SSerpflidjtung gu
jäfrcltcrjen 9caturatleiftungen. (£in et)rlid)er Kompromiß gtötfdjen Kapital
unb ©runbbefitj märe ber, bafj ©runbbefitj feinem Sßkfen nad) jmar
Stente, aber btefe bem 3Sefen beS Kapitals gemäß in ©elb letftet.
Sie 23erpflid)tung, nad) Künbigung Kapitalien abjugeben, miberfpridjt
gang unb gar ber üftatur beS ©runbbefitjeS, unb man fämpft üergebenS
unb nid)t ungeftraft gegen bie Natur; foldje unnatürtidje $erpftid)tung
i^tuuw . juaiDucuer. aawu. <_
— 12 —
mufj gu mud)erifd)cr Ausbeutung füljrcn, roetdje burd) fein SSudjergefetj
gu oerrjinbern ift.
•ftodj meljr brücfenb als bie Qualität ber ©djulben ift beren
Ouantität. SSie grof3 bte ©djulbenlaft beS ©runbbefil^eS ift, roeifj man
nid)t, ba jtoar über bie ^njpottjefenberocgung ftatiftifd)e Erhebungen
gematfjt mürben, nidjt aber über bie §rjpotl)efcnbeftänbe. ^ßrobcroeiS
ift öon einzelnen Amtsgerichten bie bucfjmäfjige SSerfcrjulbung feftgcftellt,
baran bie prozentuale 33crfd)ulbuug berechnet unb bann fortgefcfjrieben
auf ©runb ber £)t)potl)efenbemegung. sJlad) biefer 23ered)nung ift ber
©rof3grunbbefit3 in ben oftclbifcfjen sßroötnjen öerfdjulbet gu 60 — 75
^rogent, ber bäuerliche Sefiis gu 30—45 ^rogent, je nad) ben einzelnen
ÖberlanbeSgerid)tSbegtrien.
$)a£} bie SSerfd)ulbung o^ne Aenberung ber beftimmenben Sßer*
tjältniffe in immer ftärferem ülftaa&e bis gur 93ernid)tuug beS 23efi|=
ftanbeS macfjfen mujj, ift flar, töie baS SBadjfen ber Kamine, bie in
baS holten gefommen ift. Unfere ^ßroöing ^ofett fdjeint nodj nidj-t
bejonberS fd)(ed)t gu ftetjen, benn nod) im Satire 1890/91 fielen
Sfoueintragungen öon 40,39 Millionen auf länbttdjen ©runbftücfen
Söjd)ungen im Setrage öon 36,40 Millionen gegenüber. 2>aS 23i(b
äubert fid) aber fel)r, wenn man bie ^öfefjungen ber AnfiebelungS*
lommiffiou mit 3,28 Millionen berüdfidjtigt unb bebenft, bafj 4,16
Millionen als in 3roang3üerftetgerung ausgefallene §t)pott)efen getöfdjt
finb. £)iefe l'öfdjungen ber ausgefallenen §t)potl)efen bebeuten aber
fo biet Hummer unb Elenb, bah man foldje äöjc^ungcn alö erfreulich
gemifj nicfjt anferjen faun. S'vecfjnet man aber bie
3,28 Millionen ber AnfiebelungStommiffion
unb 4,16 „ ausgefallene §rjpott)efen,
alfo 7,44 Millionen
gurüd, fo ftetjen 40,4 Millionen Eintragungen 36,4—7,4 ober runb 29,0
Millionen Söjdjungen gegenüber, alfo Melj rein trag un gen oon 11 Milli-
onen, ©o ift eS aud) in anbereit DbertanbeSgeridjtSbegtrten; in folgen
finb auf länblidje ©runbftücfc in einem Saljre 1890/91 metjr einge*
tragen als gelöfd)t in Millionen SDcarf:
31,5 in Breslau,
21 in Berlin,
24 in Naumburg,
20 in (Seile
u. f. m., bagegen maren eS nur
10 Millionen in Königsberg,
4
„ in ^ofen unb;
8 „ in «Stettin,
3
„ in Marienwerber,
in ben legten Segirfen ift bie &al)l iwoljl nur beStjalb
If einer, weil man uicrjt mel)r borgen tonnte.
— 13 —
üftun Ocrtfjeilt fid) bie Ziffer oer $fcrfd)ulbung nod) feine§raeg§
gleid) auf alle Öefifcungen, eS fallen gang ober jum großen £t)etl
au§ bie ©taat3bomänen, bie fürftltdjen nnb ©üftSgütcr, bie £atifunbien,
roeldie Hjeü8 weniger 9?otf) leiben, tljeilS burd) ©tatirt oor $er*
fdjulbung gcfdjiitjt finb. 3n «ßofen mit ca. 2890000 £eftar 2treal
gehören etma 260000 <peftar bem (Staat nnb fernere 500000 JpeEtar
gehören mit einem üöefitj oon je über 2500 Jgeftar.90 ©rojjgrunbbefijjern.
©er gumadjS üon 4 (refa- 8 SJiitiionen, menn man bie 91b-
§at)[ung ber SlnjtebeuingSfommtffton berüdfidjtigt), ober 11 Millionen
(roenn man aud) bie aufgefallenen £>t)potrjefcn in Söctracrjt äietjt, bleibt
alfo auf 2 130000 £>eftar laften, roenn man annimmt, bafj fid) ber Ober*
lanbe§gerid)t§be5irf^ofen mitber^rootns bedt, roaänicrjtganä bergall ift.
®er SSertt) biefer 2,1 9Jtitlionen £eftar ift etma 1200 sJJciUionen,
menn man bie ©runbfteuer oon burd)fd)nittlid) 10 90?. mit 60 multU
pligirt, mie t)ier generell angenommen mirb. (£3 ftimmt biefe ßatjt Oon
600 SO?, pro §eftar aud) mit bem im ©urdjfdmitt bei ben umfang*
reiben Käufen ber 5lnfiebelung§fommiffion geilten greife. Söenn
angenommen mirb, bafc bie ©runbftüde mit 60 ^ro^ent üerfcfjulbet
finb, ftetjen auf 1200 SJciUionen SSertf)
720 Millionen ©tfjulben;
480 Millionen 9Jcar!
bleiben alfo (Stgenttjum ; baö ift an fidj nod) eine pbfcfje Summe, aber
für ben großen nominellen 33efit$ barf bie Summe nidjt mefjr oerringert
merben, mie ba§ järnlid) um 4 refp. 7 ober gar 11 Millionen gefcl)iet)t.
9?un finb aber ferner aud) auf bie in 23etrad)t gelegenen ©runb*
ftüde bie Sdjulben feineStuegd gleichmäßig üertrjeilt; menn man bie
£>älfte be§ 23efi£e§, — gut fituirte ©utlbefitjer unb Säuern, — ju
30 ^5ro3ent üerfdjulbet annimmt, fo muß bie anbere £)älfre, ba 60
^ro^ent ber ©urdjfcrjnitt ift, 3U 90 ^rojent öerfdjutbet fein, unb
gerabe bei biefer §ctlfte roadjfen bie ©pulten am fcfjnetlften unb führen
bie SBefi^er bem Untergange entgegen. Soldje 23efi§er merben burd)
©laubiger aud) al§ Sanbroirtrje in ber SSirtljfdjaft beroudjert unb
fönnen nidjt mebjr bie fonft mögliche 9tente erzielen. Sn ^reußen
bürfte ber SScrtf) be§ ©runbbefitjeä etma
25 9Jftlltarben betragen,
t)ieroon ab 5 TOilliarben Staate* unb anberer unüerfd)ulbbarer 23efi£,
bleiben 20 Söcilliarben, l)ierauf
laften etma 12 9J?it!iarben Sdjulben
8 SRiHiarben bleiben
j-iauuw . jumoucner. aa \ 111.
— 14 —
nlfo unberfdjulbeter 93cfit3. ®iefer SBefi^ l)at in 5 Saljren abge-
nommen um 700 ÜKtflioncn, alfo um faft 10 ^ro^ent; gel)t 1)a§> fo
meitcr, fo muffen mir balb %m Sfrifi* fommen. Sie ©üter finb in
sßrcn&en feit faft 100 3>al)ren geftiegen, fie fönnen aber ntdjt immer*
fort im greife fteigen, ber Stillftanb fdjeint fcfjon ba ju fein.
SDie Sdjnlben finb infolge unfcreS 23erfd)utbung§frjftem§ im
allgemeinen aber nod) ftärfer geftiegen al§ bie @ut§mertt)e; menn nun
bie ©utSrocrttje fteljen bleiben ober gar fallen, muffen bie Sdjulben
unüermciblicb, ju einer ®rifi§ führen, ba iljnen bei jetzigem Srjftem ein
ipalt nid)t fann geboten merben. Unb haä Me§ gefdjieljt in rutjigen
Reiten ofyne Unglücü
Sieben biefer priuaten 93erfdjulbung fommt aber noctj eine rapib
macfjfenbe öffentliche Sdntlb. £)a ift t>a% 9teid) mit ben in fur^er $eit
geroactjfenen Scfjulben, ba ift ber Staat, bie ^ßrooin§, ber ®rei§, bie
Commune, bie ^ircfjen* unb Sdjulfoäietät, ®enoffenfd)aften it. unb bod)
finb e§ in leerer Snftanj immer btefelben Präger ber Sdntlb. 2)a
mag man mit 9^ed)t fragen, n)of)in foll ba§> führen, menn ntdjt gu
einem @nbe mit Scfjrecfen? (Sott nid)t ernftlid) einmal i>a% Sparen
beginnen, oon bem nur immer gefprod)en mirb?
Sd) mödjte ber Slnfidjt entgegentreten, baß bie greife ber ©üter
übermäßige finb. Sßenn man atlcS in ©ebäuben unb lebenbem raie
tobtem Snoentar inücftirte Kapital, tuenn man SJceliorationen, 2Bege,
(Srnte unb Saaten beredjnet, fo bleibt für ba§ Jpeftar freies Sanb bei
600 SDcf. *ßrei§ ^er^üd) wenig übrig.
Slber aud) i>k Renten begrünben bie jetzigen greife, fofern man
nidjt überfdjulbet bie gortfdjrittc ber ^eu^eit ©ratnage, fünftlidjc
Düngung, §adfrud)tbau auänutjen fann. 3d) laffe bie 9tenten au$
meinen brei ©ütern, bie als fdjulbenfrei gebadjt finb, folgen, mie fie
meine feit langer $eit öleid) geleitete SSudjfüljrtmg ergiebt:
I.
II.
III.
Warf.
SKarf.
Warf
1859/60
1474
—
—
1860 61
15 807
—
—
1861/62
15 350
—
—
1862 63
17 595
—
—
1863/64
20 475
—
—
1864/65
18 879
—
—
1865/66
13 962
—
—
1866/67
23 400
—
—
1867/68
24 300
—
—
15 -
/
I.
II.
in.
2Rarf.
SRart.
maxi
1868/69
33 000
—
—
1869/70
10 800
—
—
1870/71
26 295
—
—
1871/72
15 600
6 000
—
1872/73
17 190
9 600
—
1873/74
16 341
2 500
—
1874/75
30 558 »)
1500
—
1875/76
13 998
7 000
—
1876/77
21 732
9 000
—
1877/78
33 510
9 500
— ■
1878/79
18 710
23 1002)
—
1879/80
37 9183)
16 775
—
1880/81
34 810
19 377
—
1881/82
30 584
35 873
—
1882/83
37 315
32 495
—
1883/84
46 321
14 729
—
1884/85
36 560
31995
— 4 000
1885/86
39 522
21 720
— 4 227
1886/87
32 628
30 100
4- 38 358
1887/88
33 600
15 303
-j- 19 748
1888/89
37 630
15 400
42 300
1889/90
45 636
15 708
43 601
1890/91
60 216
16 073
61218
1891/92
53 316
9 435
45 556
1892/93
28 310
13 598
30 442.
@3 fommt babei nitfjt barauf an, ob alle SIbgüge unb ,Sufät3e, tote
fie §. 23. bei ber Steuererflärung erforbert toerben, gemacht tourbcn:
e3 fommt üielmetjr §um SSergleid) lebigltd) barauf an, bafj bie 23ud)=
fütjrung toätjrettb be§ ganzen ^ettxrctLtnxcö nactj gfeidjen ©runbfätjen
geleitet tottrbe. Sd) bemerfe auäbrüdticrj, bafj bie ©rgebniffe al3
burdjfdjntttltdje nid)t angefeuert toerben tonnen, üietmetjr als eine üon
ben 3 5lu§nal)tnen, Die tct) im 9lnfang meiner 2lu3fül)rungen bd 126
Skfitjern feftftellte; auf allen 3 ©ütern i[t trotjbem ein fefir großer
5Iu§fatI an diente im legten 5at)r entftanben unb aud) für ba3 laufenbe
5at)r üorau§§ufet)en. £)tefer 2Iu§faß in feiner 3lllgemeint)cit mufjte
511 grofjer Aufregung führen, roetl unfer ftar! oerfdjulbetcr ©runbbefifc
*) Srainirt. 2) ©tarfefabrif. 3) gucferrii&enbau.
i.ituu« . janiDucuer. AA.N1U.
17
— 16 —
foldje SluSfätle nidjt ertragen fann. £ur Berfdjulbung fcl&ft fonnte
ber StugfaD tu hm roenigcn Sauren nidjt füljren. Siel fdjlimmcr als
auf ben ©ütern mit ftarfem <patffrud)tbau ober Snbuftrie ftefjt eS auf
ber großen gaf)! ber ©üter, bie auf Hörnerbau - - ber üerbrettetften
unb natürltdjften Betriebsart — angemiefen finb. ©afj faft alle
£rjpotl)cfcnfdjulbcn burd) BefitjOeränberungen, fei eS bei SrbauSein*
anberfetumgen, fei eS bei Häufen entftanbcn finb, roeifj jeber, ber fidj
mit ber $rage ber Serfdjulbung befdjäftigt tjat.
(Sine aügcmeine Statiftif über bie «Sdjulbgrünbe ift mir nid)t
befaunt, jcbod) finb in einem SlmtSgcridjt DftpreufjenS bie (Eintragungen
nadj Sdjulbgrünben gruppirt. Som ®efamtbetrage Don 535132 SDcf.
famen 415 431 auf Befi^üeränberung,
32 200 auf familienredjtlidje Serfügungen,
1 800 auf SStrtljfdjaftSüerlufte unb nur
85 701 blieben für alle anberen ©rünbe.
dagegen roaren tion 292 618 9J?arf Söfdjungen
177 171 „ auf Ausfälle
bei 3ro°ngSberfteigerungen jurüd^ufütjren. ©er ©runbbefifc mirb alfo
nidjt auS totrtljfdjaftUdjen ©rünben 511 immer Ijöfjerer Berfdjitlbung
gelungen, fonbern er mufc af§ fapitalifirte Stente forttuäljrenb bie
Söerttje abgeben, bie er felbft erzeugte, unb groar nn'rb er üom Staat
gelungen, bieS in einer $orm gu tfjun, bie feiner Statur gumiber,
alfo überaus berberblid) ift.
©er ©runbbefitj ift in feiner Bebeutung für ben Staat aber bod)
etmaS anbereS unb nndjtigereS als Kapital, meldjeS international ift
unb eine eigentliche <peimatl), ein Baterlanb nid)t fjat; ift ber ©runb=
befitj in feiner ©efammtfjeit aud) nidjt metjr ber «Staat, fo ift er bod)
nod) Ijeute baS Bater lanb; ben ©runbbefit5 leiftungSfätjig gu Ijalten,
ift alfo nod) t)eute eine fetjr midjtige, menn nidjt bie midjtigfte 3luf=
gäbe unfereS «Staates. £)ie «Staatsregierung bat bieS aud) nie ganj
bergeffen, fie f>at aufjer ber Pflege beS Betriebes, ber &anbmirtf)fdjaft,
aud) ben Befit3ftanb erhalten roollen. 2ÜS foldje Begebungen finb
aus älterer Qtit °*e ©rrid)tung ber Sanbfdjaften anzuführen, auS
neuerer $eit bie Sluffteüung ber <pöferolle; eS ift aber nidjt gelungen,
bie guten nieberfädjfifdjen ©emofjntjeiten außer ifjrer §eimatlj in
roeiteren Greifen einzubürgern. (SS finb Berfudje gemadjt, bie §eim*
ftätten bei uns einzuführen; idj glaube, bieS wirb unb fann nidjt gelingen.
<palbgebrod)ene ©jiftenzen, bie nidjt leben unb fterben fönnen, fann
man nidjt fünftlidj ju erfpriefelidjem SBirfen füljren. 2Benn ber §etm=
— 17 —
ftättenbcfifcer bk unuerfd)ulbbarc .Speimftätte bel)ält, ber ©laubiger ben
oerfd)itlbeten 9?eft nimmt, fo tonnen beibe nebcneinanber nid)t leben.
W\t ber ©tnfüfyrung ber Dtentengütcr glaubte man einen recrjt
befdjeibenen 53erfud) gemad)t 511 rjaben, unb bod) roirft bie§ ©efe£
in feinen befcrjränften ©renken über Srroarten fegen£reid). (Snbltctj
tjat bie Stommiffion für ba$ bürgerlidje ©efetjbud) nun aud) bie ©in*
fütjrung üon SRentenjdjulb beantragt, aber fafultatiü neben Kapital*
fd)ulb. S)a§ roirb fo roenig fjelfen, tote |jalbrjeiten ju Reifen pflegen,
unb ein ©cgengeroicfjt gegen bie §ö()e ber 33erfd)ulbung ift bamit gar
nid)t gefdjaffen.
5D?cm foll aber bei ber SBerjdjulbung fefjen:
1. auf bie ridjtige 50rm.
2. auf ba$ richtige 9J?aJ3.
2Baä bie $orm anbetrifft, fo fann id) nur bie 9iobbertu3'fd)e
fjorberung roiebertjolen. Wem i)öre auf mit ber (Stntragung üon
jpüpottjefcnfapital unb trage üon nun ab auSfctjüeßlid) 9tente ein. gür
bie 93egrünbung biefer $orberung fann id) nidjtS beffereä tfyun, al§
auf 9t ob b er tu § gu üerroeifen.
2Ba3 abtc baö SO? ob anbetrifft, roefdje je£t fo mistige $rage
Jobber tu 3 roenig beamtet, fo bin idj ber SJietnung, man foll nidjt
eroige 9tente eintragen, fonbern gcitlict) begrenzte. (£3 fd)eint mir, bafj
jebermann, ber ©Bulben mad)r, aud) baran benfen follte, foldje §u
tilgen, unb bie§ fann ber ©runbbcfitjer feinem SBefen nadj nur burd)
9?ente tfjun, bie er rjingiebt, etroa roie bie 2(morttfation bei unferen
5anbfd)aft3fd)ulben, bie fdjon nidjt mel)r reine Stapitalfcfjulben barjteHen.
©§ mürben fid) bann fünftig rool)l groei Wirten oon totenfdjiilb
buhen: i. fianbfdjaftörente,
2. ©ut§= (Snbtoibual*) 9?ente.
2>a3 SSerfafjren mit ber 2aubfdmft§rente roäre bem SScrfafjrcn bei
ber Sanbfdjaft fetjr ätmlid), nur follte bie 21 mortifation üiel t)öt)er fein
— etroa 2 ^ßroj. Sie lanbfd)aftlid)e SBerjdjulbung roürbe babei niebriger
bleiben, roa§ bem ©runbbefi^ nur Üiutjen bräcfjte, unb bie Slmorti*
fationSquote, bie nad) ben Sbeen be3 ©rafen $fetl ot)ne bie ?tmorti*
fation gu unterbrechen erhoben roerben fönnte, fäme bem ©runbbefitjer
roirflid) 51t ftatten.
Um bie ©crjulb nid)t übermäßig road)fen gu (äffen, roäre eine ©renge
feftaufcfeen baZ einfacfjfte Mittel; id) mödjte biefeS Mittel, roeld)e§ roie
jeber 3roang große §ärten mit fid) führen roürbe, nid)t merjr empfehlen,
roie id) früher get£)an.
SBeitborff, <Scf|iilbeiu(aftinig öc>3 lünblirfcit <8vuiibbefi&e?. o
Laudw. Jahrbücher. XXVIII. j-
_ 18 —
Scf) laffc alfo ber ©utöljtjpotljcf unbegrenzten 9taum, fo toett
jcmanb Ärcbit geben mill, nur mürbe id) bie $eit ber $8crpflid)tung
auf f)öd)ftcn§ 25 Sarjre bemcffen. ßaffe id) al§ ©runbbefitjer 5. 35.
auf 25 Satjre eine 9tente oon 6 9)H. eintragen, fo mürbe mir ber
9Jentenncl)iner tjicrfür etwa 100 ffit §al)len fönnen, raenn er bei einem
3in§fuJ5 oon etma 4 $rog. fidj eine Slmortifatton mit ^tnfe^inä 511
ctroa 2 $ro;$. rechnet. üftacfj 25 Sauren tonnte bie S^ente, ba fte für
länger ntdjt eingetragen ift, cinfad) gelüfd)t merben.
$ommt ber 9vcntcngcber feinen &erpftid)tungen nidit nad) unb fott
ba§ binglid)c 9ted)t geltenb gemad)t merben, fo l)at ber 9tentennel)tner
uidjt ba§ Kapital, metd)e§ ber im allgemeinen nidjt ttjcilbarc ©runbbcfitj
nid)t geben fann unb mcldjeä bem Dtentennefjtner ja niemals Oerfprodjen
mürbe, 51t forbern, fonbern er t)at ba§> @ut gegen antid)ietifd)e sJcut3ung
auf bie geit ber S'tcntenpflidjt in ^ßfanbbefi£ §u nehmen, f)ernad) aber
bem (Eigentümer mieber surüdjugeben. Safe ber ^ßfanbinljaber bie
oorftetjcnb eingetragene Renten öormeg ausgasten müfete, ift felbftrebenb-
2)er 9ientenempfänger mürbe alfo in ber ^ßrajiä bie ©equeftration morjl
ber Sanbfcfjaft übertragen, meldje ba§ 9tcd)t, bie ©equeftration 51t
leiten, mie fie e§ je£t I)at, fid) mof)l faum mürbe nehmen laffen.
3öic fetm ber 23efit3ftanb burd) biefe $orm befeftigt mürbe, leud)tet
ein, aber aud) bem sJtentennel)mer gefd)ät)e fein Unredjt. Sßir miffen,
bafe faft alle jetzigen §rjpotl)efen, nad) meinem $orfd)lag fpätere
Dientenforberungen, au§ (£rbfd)aft§tl)eilungen unb Slaufgelberreften
I)errüt)ren, fie rjaben alfo ber ©adje nad) urfprünglid) aud) nur ha§>
9tedit auf 9tente gehabt. Sie menigen mirflidjen SartebjnSgeber merben
bei Uebernarjme ber 9tentc irjre 9ied)te fd)on matten, fie finb bei bem
(Sefdjäft bie ©tarieren unb merben, fomeit fte moüen unb bie ©efetje
e£ erlauben, ba% Stecht be§ ©tarieren braucfjen. 2)a§ 9ted)t be§
ißefitjerg gu freiem Verlauf bliebe nad) mie cor befterjen.
üftun gu ben alten ©Bulben! — £>at man gcljler al§ folcfjc
erlannt, fo ift e3 leichter, fie 311 üermeiben, als t)k folgen ber
genadjten get)ler aus ber Sßelt gu fdjaffen. ©0 laften benn bie alten
au3 $et)lern entftanbenen ^apitalfdjulben fdjroer auf un§. 3d) fann
mid) ntc£|t ju ber gorberung befennen, ber ©taat follc bie ©cfjutben
übernehmen; id) tjalte bie Sbce mit ben 93obenaffignaten unb §in§lofem
Slrebit für unausführbar, mid) erinnern biefe si*orfd)tüge ctma§ an t>\Q
©djaljfcfjetne au§ $auft II. £t)eil, mo bie Xerfung für bie ©d)eine
oieüeid)t oorljanben, aber nirtjt greifbar ift. Sd) befennc mid) ütclmeljr
31t ber Meinung, baf) bie ©d)utben mie fie gemad)t finb, aud) be^afjlt
merben muffen unb t)abe öon ber beutfd)en £anbmirtl)fd)aft bie t)ot)c
— 19 —
ütteinung, ba$ fie in ftdj bie Kraft finbet $u be$al)len, wenn fie ifjrem
Sßefen nad) betjanbclt wirb, Soweit eä ftdj um 2lmortifation3=
barleljne tjanbelt (fpätere 2anbfd)aft3rcntej, möge e3 bei bem !Rec£)t
ber ©laubiger fein SBewenben l)aben, nur fott bem ©djulbner ba§ 3^ect)t
gufteljen, biefe ©Bulben nad) Künbigung burdj Kapitaläatjlung ab^u*
löfen, wo bte Slmortifationäjcit über 25 3>at)re hinausläuft.
Sei ben Kapitalien, bie oljne 2tmortifation eingetragen finb, follte
ben ©laubigem eine für^ere grift — etroa 3 ober 5 3al)re — gewährt
werben, um bie Kapitalien burd) Kapitalzaljlung einzuteilen. 2So
bie ©laubiger ba§, nietjt wollen ober fönnen, follte an ©teile beS
Kapital* eine sJ?ente auf 25 3>al)re treten, bereu §ö£)e fid) nad) ber
für Kapital auybebungenen 3m§quote ridjtet. £>er ©laubiger mürbe
an ©idjertjeit, 28at)rjdjetnlid)ieit baZ etwa§ unftdjere Kapital gurüd=
juerljalten gewinnen, müßte bagegen allerbing§ aud) ^ur 2lmortifation
mit beitragen.
3>d) glaube nid)t, haft biefe @inrid)tung eine allgemeine KrifiS
Ijerbeifüljren würbe, benn ber ©laubiger müfjte fid) fagen: „$orberft
bn jet>t mit ©ewalt bein ©elb, fütjrft bu in bem bebungenen geitraum
oon 3 bi§ 5 Sauren bie ©ubtjaftation tjerbei, fo wirft bu bei bem
großen Angebot an ©iitern in ber ©ubtjaftation baZ Kapital unb bie
3infen Oerlieren. 23egnügft bu bid) mit ber 9iente ftatt Kapital, fo
crrcidjft bu, \va§> fid) erreichen läßt" — unb enöttcf» Wäre ein @nbe mit
©djrecfen für ben bebrängten <Sd)ulbner, einem ©djrecfen ofyne öttbe
Oor^ieljen, benn ber SHufion fann fict) boef) niemanb Eingeben, baf$
bei Regelung ber ©d)utbeuOert)ältniffe e£ gan^ ofjne SSerlufte an wiru)*
fdjaftlidjen (Sgiftenjen abgeljen wirb.
£>a§ ift fo wenig leid)tfinnig gebadjt wie ber (Staat leidjtfinnig
ift, ber notwenbige Kriege übernimmt. 2tud) l)ier weiß man, baß
blutige Opfer üon bem @in$elnen gur (Spaltung be§ ©an^en geforbert
werben. 35ie3 Unternehmen ift etwa§ anbere* aU bk oon einer
gewiffen Partei üorgeteagene 9Inftdjt: mögen bie jetzigen Sefitjer 51t
©runbe gefyen unb neue Seftfcer bie ©üter billig faufen, fo werben
biefe befielen, ©ie Würben nod) weniger befielen at§ tk alten, benn
bie ©dmlben Würben bei ben nädjften SefitWeränberttngen fidj wieber*
finben, bie garten leiftungSfäfjigen Sßirtfje, bie an ber @cf)oUe feft-
Ijängen, würben aber oerloren bleiben.
Slufterbem wollen wir un§ nid)t in ba3 alte (Sifen werfen laffen,
wir jetzigen Sefitjer, benn nod) ift SDcar! in unfern Knodjcn unb bie§
ÜDcarf l)at fid) fdjon bei unfern $orfal)ren am beften bewährt, wenn
bie üftotf) am größten war. 1UI§ ber &<fy'm?be im ßanbe war unb bie
Lanäw. Jahrbücher. XXVIII. ^-
- 20 —
altmärfifd)en dauern itjre gähnen lentrollten mit ber Snfdjrift „2Bir
finb dauern Don geringem ©ut unb bienen unfern §errn mit unferm
SBlut", ha begann ^rcufjenS glorreiche ßeit; al§ bie oftpreufufdjen
©täube Don ben gran^ofen auf ba3 rjärtefte au3gcfogen fid) um 9)orf
fdjaartcn, iia begann ba§> ©übe ber ^ran^ofen^eit unb mir Seutfdje,
bciZ SBolt in SBaffen, mürben baS erfte 93oIf ber Sßett unter bem
©cepter ber ber £)ot)en5oIIern, menn and) ba§ ©cepter bi§mei(en in
ber $orm eineä ftrüdftodeS fegengreid) roirfte.
(£§ mirb un3 Sanbmirttjen gefagt, flagt nidjt immer, fonbern mad)t
praftifdje 93orfd)läge; id) glaube einen gemadjt 51t bjaben unb bitte
benfelben ernftüd) ju prüfen unb bann 511 t)anbeln. $ür Ijeute möcfjte
id) folgenbe Einträge [teilen:
A. 2)er lanbwirirjfdjaftlidje ^5rouin§ialDerein für bie ^rouinj
^ofcn mofle folgenbe SDcafjnaljmen fomotjl ©r. (Ejcelleng bem £>erm
Sftiniftcr für Sanbmirtt)fd)aft, aisbann aud) ©r. (Sjceüeng bem Jperrn
Sufti^minifter jur ©rmägung übermeifen :
I. Sie ($ruubbud)ämter finb für Eintragung oon Kapital*
forberungeu auf länblicfje ©runbftüde 511 f et) tieften.
II. Sn bie @ruubbüd)er ber länblid)en ©runbftüde finb in ber
3. 91btrjei(ung fünftig nur ^eitlidj öegrengte Stentcnpflicfjten einzutragen.
B. &on biefen Anträgen ift ©r. ©jcelleng bem §errn Dfieicfjö-
fangler, als bem Leiter unferer 2öirtt)fd)aftSpolittf, geljorfamft 93erid)t
§u erftatten.
C. 5ln ©e. ©i-ceüens ben £>errn Ober=$räfibenten ift bie S3itte
p ridjten, unfre Einträge geneigteft befürmorten p mollen.
B. lieber bie Jroe&m aß takelt ber Gmtfüljruna
t>e0 Jnftetat=&nerbeitred)te0*
3?efeiat b& 9iitterflut§6efi(>er§, Oeconomieratt)3 3Benborff = 8ec6QU erftattet in ber
©i^ung be§ 2lit§jd)ufie§ I ber £cmbu>irtf)fcrjaft2fammer für bie ^roüin^ $o}en
am 30. 2Rai 1899.
SBenn man baran gel)en miß , ba§ Suftetat = ©rbred)t in ben
©runbbefitj 51t änbern, fo liegt ibic grage natje: ift e§ benn notlnoenbig,
eine fo tief einfdmeibenbe ?(enberung gu maetjen, liann e§ nid)t beim
Hlten bleiben? gür bie ^ßroüins $ofen mufc man sunädjft bie tt)at=
fadjlictjen SSerpttniffe fid) flar legen.
— 21 —
$ofen l)at bei eiroct 2 800 000 .fceftar Streal 1 760 000 2tcfer,
240 000 Jpeftar SSiefen.
Sie 600 000 £>eftar $orften, foloie bie anberen ^mecfen bienenben
$läd)en formen bei unferen öctradjtungen unberüdfidjtigt bleiben, weil
bte gorften übertoiegenb bem ©taat unb gan§ großen SBeftfcungen,
mciftenS gibeüommiffen, gehören unb mithin wenig üerfcfjulbet ftnb.
2)a§ Slcferlanb ber $rooins fjat im 2)urd)fd)nitt einen (Srunb-
fteuerreinertrag oon 10 Wavt pro ©eftar, bie SSiefen einen ©runb*
fteuerreinertrag oon 13 Wart. 9)citt)in beträgt ber ©runbfteuerreinertrag
ber 1 760 000 &eftar 2lcfer 17 600 000 «Warf unb ber 240 000 £eftar
Sßiefen 3 120 000 äJcart.
ÜJhm ift aber ber $reiö ber Sänbereien ungefähr ba§ 64facfje
be§ ©runbfteuerreinertrage», mithin 1326 9JMionen sDcarf für 9lcfer=
lanb unb SSiefen.
3Iuf eine SDfarf ©runbfteuerreinertrag famen
im 3af)re 1883 = 36,00 DJcarf ©Bulben,
im Safere 1896 = 42,05 Wtait ©djulben.
3)a§ ift bie üerfdjulbetfte ^rooinj be§ Staates, unb roenn man
bie ©cfjulben 1896/97 nad) ^ßro^ent be§ 2Bertt)e3 redjnet, fo roareu
1882 64 : 36 = 100 : x = 56,25 ^rojent, unb
1896 64 : 42 = 100 : x = 65,62 $rogent
be§ 2öertf)e§ oerfdjulbet.
Sftacfj ber (SrgänjungSfteuerftatiftif betrug bie Sßerfdjulbung
im öfag.s©^ $ofen 50,53 ^ro^ent,
im 9?eg.=33e5. S3romberg 57,99 ^ro^ent
be§ @runbüermögen§ einfdjliefjlid) be§ 23etrieb3fapita(§. 2)iefe ©tatiftif
be^ietjt fitf) aber nur auf bie ßenfiten mit einem (Sinfommen üon über
3000 SJcarf, unb bie§ (Sinfommen fet)lt nid)t nur bem 33auern, fonbern
audj bem übermäßig uerfdjulbeten ©rofjgrunbbefit;; e§ rotrb atfo bie
burdjfcfjnittlidje s£erfdjulbung fdjon bie oben berechneten 65 ^Sro^ent
betragen.
3ftan fann taum annehmen, bafj 1883—96 bie ©utäpreife
geftiegen feien, benn naefj ben Unterfudutngen üon ©arra^in rjaben
bie ©utäpreife in $ofen folgenbe ©ntmidelung gehabt:
Säuerlicher
mittel
groß
gan$ groß
23e[i£
200-300 ha
500—1000 ha
über 1000 ha
1841/1850
38
48
55
64
1851/1860
63
80
73
78
1861/1870
100
100
100
100
Landw. Jahrbücher. XX VIII.
17
22
33äuerlid)er
mittel
gr°J5
gana 8™fe
<8efty
200—300 ha
500-1C00 ha
über 1000 ha
1871/1875
117
120
132
121
1876/1880
127
125
133
122
1881/1885
139
134
143
131
1886/1890
150
128
133
118
1891/1894
175
123
125
114
(£§ ift alfo nur bei bem bäuerlidjen S3eft^ ein «Steigen ber greife
§u erfetjen. ®ie mittleren ©üter finb ctmaS, bie großen ©üter ftnb
ftar! im greife gefunfen, mie \)a& aud) in ben ^ßadjtpreifen ber Domänen
gum 3lu§brud fommt unb mot)l bie §aitpturfad)e ift für bie Etagen
be§ überfdjulbeten @runbbefi|e§.
3>n ben legten 3 Sauren ift nun unüerfcnnbar mieber ein (Steigen
ber Sobenpreife eingetreten, aber bie S£l)atfad)e ftcfjt feft, bafc in ben
meitauä meiften gälten ber ©objn niefit mefyr in ber Sage ift, t>a% ©ut
in ber SBeife ju übernehmen, mie e§ frütjer üblid) mar, b. t). ber <5o£)n
fann nid)t metjr tjinter ben fremben ©ut§fd)ulben für bie DJciterbcn
neue (SrbfdjaftSfdjulben eintragen laffen unb mit feiner ©rbportion ba§>
©ut übernehmen.
2) er SSeg ift nid)t mebjr möglid), e§ ift fd)on gilbtet eingetragen
unb fo giemlid) alle SBefitjer mollen Oerfaufen, um bie (Srbfcrjaftgtljeilung
m'ög(id) 51t maerjen.
2lu3nat)men beftätigen bie 9?eget.
Man fott fid) ferner Har machen, baß in ben Surdjfc^nittä^a^en
ber SSerfdjulbung einerfeit§ bie menig üerfdjulbeten ganj großen Söe*
fitmngen, gibeifommiffe, ?Infiebelung3befit3 k., anbererfeitä bie fleinen
bäuerlidjen Sefiiuingen, bie fid) üietfad) nod) gtemlid) frei üon Scfjulben
gelten, einbegriffen finb, um §u ermeffen, mie böfe bie SBerfdjulbung
ber mittleren unb mittelgroßen Söefitmngen ift.
SBill man alfo ben 23efitjftanb erhalten, fo muß man einfdjreiten,
baß bem ©utScrben hk Uebernaljme erleichtert merbe. S)enu mit ben
neuen Sefitjem, bie nad) @d)loß, *ßarf unb Sagb fetten unb et)er
fragen, mieoiel S'iefyböde merben gefdjoffcn, al§ miebtel Kartoffeln
merben geerntet, mit foldjen neuen Sßefitjern ift toenig geholfen unb
bie ermünfd)ten Käufer, bie felbft mirtt)fd)aften mollen unb Kapital
unb frifdje, intelligente 2trbeitsfraft in bie ^ßrooinj bringen, finb
fef)r feiten; nur bie 2lnfiebelung§fommiffion bringt gute, namentlid)
fäd)fifd)e unb meftfälifdje Sauern, in bie ^ßrooiuj. Sa, e§ ift bringenb
ba^ bie Sage ber Srben, bie @runb unb 53oben übernehmen foüen,
gebeffert merbe, mollen bod) jetjt fcfjon bie meiften (Söt)ne unb £bd)ter
HB
— 23 —
oom Santa in bie ©tabt; bem ©utsbcfifcer trirb ber Offxgtcr unb
tiöl)cre Beamte meift ebenfo üorgejogen, wie bem 23auem ber Setjrer,
ber Unteroffizier unb ber Beamte mit feftem ©eljalt; mehr $ut>
unb weniger Arbeit, ein l?cben, in bem für bie grauen üon bem
fdjredtidjen ftütjemelfen fetbft an geiertagen bodj feine Siebe ift.
Taö alte Snteftat» ©rbrcdjt, weldjeä ©runbbefifc wie Kapital
betjanbeltc, hat fdjredlid) gefdjabet unb mürbe nod) mehr gefdjabet
haben, menn ber gefunbe Sinn ber ©runbbefifeer bie <Sd)äben nidjt
fo häufig baburdj abgemenbet Ijätte, haft er e§ nidjt auf bie (Srb*
regulirung nad) ben ©efetjen anfommen ließ, fonbern meift burdj
Vertrag, feltener burd) Sejtamcnt, bm 53efit$ an ben ©runbftütfen
übertrug. SBill man ben ©xunbbefifj ftabil machen, unb ba% ift
nöttjig im ftaatlidjen Sntercffe, fo genügt ba^u nidjt eine Grtjöfjung
beö 9ientcnertrage§, beim mit biejem fteigen bie Sdjulbcn unb hrirfen
erbrütfenb bei einem fpäteren galten ber 9tente.
@S ift nötl)ig, baß ber SBerfdjulbung ©renken gebogen werben,
ober t>a$ ber Slnerbe bebeutenb beoor^ugt werbe ober bafs eine Stom-
bination beiber Mittel balb Jpülfe fdjaffe.
S)a§ ^tüeifinberftjftem läßt fict) bod) auch nidjt empfehlen.
2ftan foE nidjt fagen: wir wollen auf beffere Reiten hoffen, bann
wirb audj bie $erfcfjulbung geringer werben. £>er $roft ift trügerifd):
bzi ftarf oerfcbjulbetem S9efi| fommen bie befferen ß^iten nid)t meljr bem
fogenannten Öefifcer, bem ©ut§inl)aber, 51t ftatten, fonbern meljr bem
wirfltdien Sefitjer, bem Sntjaber ber §rjpotbefen; biefer realifirt
in befferen gehen feine gorberung mit ginfen un0 3mfeg5mfen'
wäljrenb er bei fdjledjteren Reiten ftitt ift, um nidjt ba§ ©ut über*
nehmen 31t muffen. Sie befferen 3e*ten kommen alfo meljr bem
©laubiger, als bem ©djulbner 51t ftatten; erfterer fütjrt einen 33e[i|*
wedjfel gerbet.
Sie ©djulben wachfen außerbem lawinenmäßig immer mein',
befonberö beim mittelbäuerlidjen Scfifc üon 1883-1896 um 36 $ro=
jent, beim rleinbäuerlidjcn um 55 ^rogent, beim ©roßgrunbbefife aüer-
bing§ tonnte bie 33erfdjulbung nur um 18 ^03. fteigen, weil fie frfion
fo tjoef) War, baß nidjt meljr uiel geborgt werben tonnte.
SBarten fjilft alfo nidjt.
SBill man bie Neuregelung in Uebereinfttmmung bringen mit ber
SiedjtSüberjeugung ber ©runbbefifcer in $ofen, fo wirb mau nadi
einer feften gleichmäßigen StedjtSüber^eugung üergebenS fuetjen. Sn
ber Sdjrift be§ ^rofeffor; ©ering refp. be§ Dr. ©roßmann finb fet)r
oiele Beobachtungen äufammengetragen ein burdjget)enbe3 fefte§ *ßrin(yp,
Landw. Jahrbücher. XXVIII.
17
— 24 —
lote e§ in SSeftfalen unb Jpannoüer beftel)t, ift nid)t gu ernennen.
(£in foldjeä ift aud) nid)t §u erwarten.
SBon bem alten polnifdjcn ©roftgrunbbefitj fyat ficf) ber in ber
gamilic erhalten, ber burdj $ibeifommif3 ober äljnlid) roirfenbc $amilien5
trabition gebunben ift.
S)er roeit überroiegenbe Streit be§ 23efi£e* ift in anberc, meift
in bcutfrfje £)änbe übergegangen.
©er beutfdje (Srtoerber ift au3 ben Oerfdjiebenften Sagen unb mit
ben Oerfdjiebenften 9^ed)t§anfd)auungen nad) ^ßofen ge!ommen. ?lm
rneiften (Srfofg jeboef) l)at ber nteberfäd)fifd)e Sanbroirtb, mit feinen
t)eimatt)lid)en 2lnfd)auungen gehabt, ©er Sauer t>at fid) noefj feine
9ted)t§anicfjauungen btlben fönnen, benn feit ber furzen geit, ba^ tx
5um freien ©efitser geworben ift, rjat fid) eine fotcfje $lutt) oon roirtf)=
fd)aftlidjen unb politifd)en ?tenberungen über irjn ergoffen, bafj eine
fefte ©etoorjnljeit in ber Vererbung nidjt entftefjen tonnte. 2)a3 S8e*
ftreben, ben ©runbbeft| ber $amilte 51t erhalten, ift aber ein fo natür*
lid)e§, ba^ aud) ber SSauer jotoofyt ber pofnifcfje af§ ber eingetoanberte,
meift nieberfäd)ftfcl)en (Stammet, irjtn SRecfjmtng trug.
Sluf 100,00 äftarf be§ ÄaufpreifeS fommen bei ©rbfaüpreifen nad)
©arrajin:
bei ßleinbefifc 9JJittelbefi& ©rofebefifc
1851/60 73,1 65,2 81,1
1861/70 73,5 77,9 82,7
1871/75 79,7 79,3 82,5
1876/80 82,4 81,7 81,7
1881/85 85,5 88,9 79,8
1886/90 88,7 82,9 85,5
1891/94 87,4 83,4 90,5
(£3 ift atfo überall gu ernennen, bafj ber (SrbfallpreiS niebriger fein
fottte, at§ ber St'aufpreiä, jebocfj tjat bei ber ungünftigen Sage ber @rb-
laffer bie SMfferenj nottyroenbiger Steife abnehmen muffen.
$8011 einer Umfrage bei ben ©runbbeftt$ern, rool)in ifjre SQBünfc^e
in ber ©rbfrage getjen, oerfpredje id) mir recfjt roenig (Srfolg. fielen
Sefitjeru liegt bie $rage, mit ber fie fid) roenig befdjäftigen, red)t
fern; fie roollen mit 9fod)t t*k gretfjeit behalten, »ererben p fönnen,
rote e§ trjnen gut fdjeint, man überfielt babei rool)l ben Unterfdneb
ättrifdjen. 9lnerbenrcd)t unb Snteftat * 2tnerbeured)t unb fürdjtet ol)nc
®runb, aud) beim Snteftat*@rbenred)t in ber greitjeit befd)ränft §u fein.
3n einer grofjen $erfammlung aber fann man rooljl Sntercffc
für eine &ad)e erroetfen, man fann aber feiten Slufflätung unb
25 —
5(ntroort ermatten, bie Serfammlung folgt bcm einen ober bem anberen
^iitjrer unb roaS recfjt ift, läßt fid) bttrd) @timmenmet)rt)eit fctjtoer
entjdjeibcn, tote (Sdjiücr fdjon ben dürften ©aptetja jagen läfjt.
(SS roäre nun ^roifdjen bätterlicfjem Scfi£ unb (Skofjgruttbbeftii
51t untcrfcfjeiben, jebod) ift nid)t 31t oerfennen, baJ3 eine ©ren^e ju
§iel)en überaus fdjroicrig roäre. 2)er Sauer muß fiel) auf baS Snteftat-
(Srbredjt öerlaffen fönnen, baS muß für u)n bte Siegel bilben.
£)er ©roßgrunbbefitjer muß ber sJiegel nad) bttrd) Vertrag ober
Xeftament ober ^rabttton baS @rbred)t in ben ©runbbefitj für ben
eingelnen $atl beftintmen.
Sft baS 3nteftat-?lncrbenrert)t für ben Säuern alfo nötrjtg, fo ift
eS für ben ©roßgrunbbefitjer erträglich. 2)aS 2lnerbenred)t bei freien
Sefitjungen roürbe fid) im Mgemetnen bem ©efetje üom 8. Sult 1896
anfd)ließen fönnen, atid) bei freiem Sefit} müßte baS neue 9ted)t
obttgatorifd) roerben unb nicfjt fafultatiü bleiben.
Sagegen müßte bem freien Sefit^er baS SRedjtjn fielen, foroot)l
buret) 9ied)tSgefd)äfte unter Sebenben als aud) für ben 'SobeSfatl baS
obligatorifctje 5lncrbenred)t 51t fuSpenbtren unb bte $reit)eit ber Serfügung
über fein ©runbftüd unbeeinträd)tigt gn erhalten. ®aS ift burdjattS
etroaS SlnbereS als ber jetzige gttftanb, roo nad) 3nteftat^@rbred)t
geseilt roerben foll, ©ruttbftüd toie ftaöital, unb nur burdj einen
föedjtSaft ein Slnerbe unter geroiffen Sebingungen ernannt toerben fatttt.
2SaS jettf bttrd) STeftament nur als 9luSnal)me in ber (Erbfolge
fjtngeftellt roerben rann — baS ?lnerbenred)t — muß bie sJ?egel
roerben, fo mag benn fünftig als 2luSnal)me fjingeftellt roerben, roaS
jettf bie 9tcgel ift — baS gleicfje (£rbred)t in ben @ruubbefi|.
SDer ©runbbefitjer muß ftcf) auf bie gefe|lid)e Erbfolge öerlaffen
fönnen, muß oon itjr üerlangen, ba$ fte ber Statur feines (SrbeS ent=
fprtdjt unb muß attd) ofjne 2eftament rttfjig fterben fönnen. 2)aS
'3nteftat^(nerbenred)t, roelcfjeS als folcfjeS nur eintritt, roenn ber @rb=
laffer nid)t attberS üerfügt fjat, läßt bem (Srblaffer üöllige £eftü>
freifyeit, bie bd bem ?tnerbenred)t im JRentengütergefet; Oom 8. Sult
1896 naturgemäß nicfjt geblieben ift.
©er (Srblaffer fiet»t nur $u leicfjt jebe 5lbroeicfjung Oom 2>nteftat=
(Srbred)t als ein Unredjt für bie anbereit (Srben an, §u bem er fid)
nicfjt entfd)tießen mag. Sie §§ 5—8 beS ©efei3eS üom 8. 3uli 1896
paffen alfo ntdjt für baS ?lnerbenred)t in ben freien Sefit;.
2)aS neue bürgerliche ©efetjbucfj änbert baS ©rbredjt in ben
©runbbefttj in einer Sßeife, bie recfjt übel roirfen muß. üftadj lanb-
redjtlidjcr Seftimmung fy. IL Sit. IL § 336 u. f. jefct ber (Srblaffer
Landw. Jahrbücher. XXVIII.
17
— 26 —
ben $ßreiS bcS ©uteS feft unb f>at eS babei fein 23eroenben, menn
nid)t bie SScrletmug unter ber §älftc oorliegt; bagegen beftimmt baS
bürgerliche ©efetjbud) in § 2311:
„Sine Dom ©rblaffer getroffene Sßcrtljbeftimmung ift nierjt
mafegebenb",
eS roirb bann ^mtfdjen (SrtragStDcrtti unb ©d)ütmngSmertf) unter-
fdjiebcn unb anfd)cincnb rüirb ber SrtragSmertl) bebeutenb niebriger
angcfcljen, mie ber ©djätsungStnertt). 2)er § 2049 lautet:
„£>er (Srtragöroertt) beftimmt fiel) nad) bem Reinerträge, ben
baS S3anbgut nad) feiner btöfjcrigen mirtl)fd)aft(id)cn 23eftimmung
bei orbnungSmäfsiger 53emirtl)fd)aftung nad)t)a(tig gemärjren
fann."
Set bem (Ertrage eines SanbguteS ift bie ^erfon beS 2öirtt)eS ein
cbenfo roidjtiger $aftor, mie baS ©ut felbft, unb eS roirb bei ber
33ered)nung beS Reinertrages alfo auf unfidjere STaren anfommen.
öierabe bie Xaren nad) bem Reinertrage, bie bisherigen gerid)tlidien
Xaren, Ijaben fid) burctjauS un^uüerläffig gezeigt. Sfädjt feiten ergeben
bie gerid)ttid)en Stajen, bie ReinertragStajen finb, 150 ja 200 ^ro^ent
anberer 5ut>ertäffiger 28ertl)taren, ba ift eS bod) f)öd)ft bebentlid),
baS 9lnerbenred)t auf bie Saje nad) Reinertrag bafiren 511 motten.
Sßorficfjtigc ©efcbäftSleute borgen mof)t auf lanbfdjaftlidje Staren
unb nad) bem ©runbfteuer^Reinertrag, aber nicfjt auf geiid)tlid)e Staren
— (SrtragStajen. SSic roenig püerläffig foldje finb, geigen aud) folgenbe
Seifpiele, bie mir in letzter ^eit üortamen.
gür ein ®nt, baS geridjtlid) auf 925 000 SDZarf tajrtrt mar,
mürben nur 730 000 geforbert, ein anbereS @ut mit 484 000 9Jcarf
tarirt, mürbe mit 410 000 be§af;(t unb baS gefd)iet)t jejjt, mo bie @üter=
p reife fo l)od) finb.
©a finb bie lanbfdjaftlidien — SSertljtaren — bod) meit 5itöer=-
läffiger unb aud) niebriger.
SDurd) baS 3nteftat=s2lnerbenred)t merben manche Sßortljeile beS
^•ibeifommiffeS metjr ober meniger erreicht unb mand)e ^adjtrjeile beS
(enteren merben oermieben.
SDer Snfjaber beS ?tnerbengutcS ift ja nierjt nur ©efitjev, fonbern
aud) (£igentt)ümer, mätjrenb ber gibcifommifjbefitjcr lebiglid) Sefiüer ift,
bagegen (Siqentljiimer ein Ruberer, metftenS bk gamilic.
SDie (Stetigfeit beS SefitjerS ift beim 2lncrbcugut alfo lange nidit
fo groß, als bei bem $ibeitommiffe, aber immerhin größer als bei
ganj ungebunbenem (Sigentljum. Sßielleidjt ift baS gut; benn ber
unüeraufjerlidje gibeifomtmfebefi$ füfjrt letdjt §u unertoütiftf)ten Satt*
funbien unb Riefet über baö Qki (jtnauS, roetd)eö baZ Slncrbenrcrfjt mit
SSolImadjt gut «guStoenfion, alfo ba§ Stoteftat * 2lncrbcnrcd)t ütetteid)t
nid)t ganj erreicht.
9cacfj § 33 beä ©efefceS oom 8. Suti 1896 lann bic geeignete
Sßerfon gum Anerben au8gett>ät)tt »erben, es fommt bie ftarre
©ucceffionSorbnung bes gibeifommniffe§ in gortfaü, bie oäterüdje
Autorität toirb geftärft unb ba$ ift ein SBorifyetl.
SDas" (jeutige Sanbgut ift eine Verbinbung üon ©runb unb
©oben mit Kapital; bü§ jefeige SnteftafeSrbrecfjt rietet fiel) nur nad)
ber Statur be§ Kapitals unb lüfjt bie 9catur be§ ©runb unb SBobenS
aufjer Stugen.
SOtag ber SBertt) be§ inOeftirten Kapitals" an ©ebäuben, ftultur ?c
and] größer fein, at§ ber urfprüngtidie reine 53obenmcrtt), fo rjat bas
mit bem Soben untrennbar oetinüpfte Kapital bod) bie Statur be§
Vobens angenommen, e§ ift aljo mol)l richtiger, ba§> 3nteftat=(Srbred)t
in ein Sanbgut rid)tet fid) nad) ber Sftatur bes" SBobens" unb über*
läßt es" bem Xeftator, ber Statur be§ Capitata 9ted)nung 51t tragen.
9Set ber oietfältig njccrjfclnben ©eftatt unferer Sßirttjfdjaften oom
einfadjen 23auenti)of &tS jur fomplijtrten gnbrifnrirtf)fcr)aft ift e§ rool)(
unmöglich, ein 3nteftat*@rbredjt gu finben, ba3 für alle Sanbgüter
pafjt. gür ben einfadjen 83auernf)of pafet baZ IHnerbenredjt, ben oieU
fachen ^utfjaten, hjefdjc bas ßrmerböteben herbeiführt, mufj fdjltefelid)
für ben einzelnen galt burd) befonbere Verfügungen 9ted)nung getragen
werben. Sarjer nidjt Slnerbenredjt, fonbern 3nteftat*9(nerbenred)t unb
Seftament mit 2Bertt)beftimmung ber ©runbftücfe nad) Sanbredjt, atfo
6alb Seftament madjen nod) uor bem Slblauf biefes Safjrfjunbertö.
C. Die natürliche IJerl'diiiUmntjöQrenK.
39ßtc ift bic £rctf>ctt bcS (tfrmtböeftycS emorbett?
greilieit, maö ift in Seinem tarnen rrtcfjt gefünbigt unb bod)
roer ftrebt nid)t nad) 2>tr!
Sie fogenannte grelfyeit bes ©runbbefitjes bebeutet greitjett in ber
33enu£ung besfelben, nicfjt nur §ur (grgeugung üon ©ütem, fonbern
namentlid) in ber Verfügung über ben 23efit>, alfo in ber gteitjett
bes S5eft|er§, bas ©ut 51t »ererben, mie er nrill, 511 »erlaufen, roie er
mill unb §u üerfd)utben mie er ruiU.
Landw. Jahrbücher. XXVIII.
17
— 28 —
3>n tiefer 33e$tetyung ift ber SBcfi| jeht mcift ein freier, aber ber
3uftanb ift nod) fein alter unb tjat inandje Mängel gezeitigt.
©3 ift mot)l ber Mt)e mertt), ^u fragen, tute ift bie grciljeit
gemonnen? Unb t>a ift ber 2JBeg ein fetjr Oerfdjicbencr bei ben Ritter*
gütern nnb btx ben S3aucrl)öfen. ©a§ 9J?ittclaltcr, bie Scljen^eit
batte fo 5iem(itf) allen 33cfitj gu Setjen gemadjt, aud) ben früher frei
gemefenen, nnb bie Sel)n3oerfaffung reicht bis in nnfere geit Ijinein,
obfdion nad) unb nad) bei febjr Dielen ©runbftüden bie Scl)n£=
oerfaffung meit früher aufgehoben mar.
(£rft 1852 Derbot bie prcufcifdje SSerfaffung bie Srridjtung neuer
Seijen unb in ben 70er Sauren merben in ben einzelnen ^rouinäen bie
Set)n§güter aufgehoben. (Sie mürben entmeber gegen eine Abgabe an
ben ©taat in freie» ©gentium ober fonft in gibeifommiftgüter oer*
ttjanbelt. Sie 2et)n§güter tonnten nid)t leidjt üerfdjulbet werben,
ha ber $afall bod) eben nur Sefitjer, ntdjt ©igenttjümer mar unb §u
Set)n§fd)iilbcn bie .ßuftimmung be§ £el)n§f)erren unb ber Signalen
erforberlid) mar. S)ie 53erfd)utbung mar alfo ätjnlid) mie jet-t bei
ben gibeifommiffen unb tonnte nid)! arg merben. $reilidj fammelten
bte alten 3tittergut§befi|er audi feiten ©crjätie, benn bie Dielen Kriege
unb $et)ben gerftörlen ba§ ©efdjaffene; bd 9ftif3mad)§ mar eS fdjmer,
fid) felbft, bie Untertl)anen unb bas $iet) ju ernähren, unb bei gün*
ftigen Salden maren bie ^ßrobufte faft mertt)lo§.
©djutben Ratten fte aber aud) nid)t biet, unb menn e§ einige ßeit
gut ging unb ber 9ftttergut§befitjer ein orbenttidjer ÜDfann mar, mürbe
er für feine $t\t aU(i) lieber ein reidjer SKann, tute e§ je|t bei ben
^ibeifommifjbefifcern aud) gel)t. Unter ber Ärebitlofigfett litt aber bie
Kultur unb bie S33irtl)fdjaft auf baö ärgfte; namentlid) mo eine neue
2ßirtf)fd)aft gefdjaffen merben foEte, mar ba§ orjne Ärebit faft
unmöglid).
3n bei* Gsrfenntnifj biefer SBatjrtjeit crridjtctc ber gro|3e ftönig
griebridf) bie Sanbfcfjaften.
2)ie Ritterfdjaft ber ^rooin^ ober beS 35esirf§ fjaftete für bie
^fanbbriefe unb fo tonnten bie Rittergüter ben tanbfdjaftlidjen ftrebit
ausnutzen. S5alb nad) Eroberung ber ^roüin^ ©djlcfien mürben in
ben einzelnen Sanbfdjaften biefer ^roöinj bie laubfdjafttidjen Sirebit*
Dereine, bie auf Rittergüter bcfdjräntt blieben, eingeführt unb tjaben
mit i£)rem SlmortifationSjmange bi$> auf ben heutigen £ag fegenöreidtj
gcioirft. Stuf ©Rieften folgten balb bie anbern öftlidjcn ^prooin^en
mit ärjnlid)en ©inridjtungen.
— 29 -
©er Ärebit fonnte naturgemäß nid)t fcljr rocit geljcn, bcnn Die
Rittergüter marcn fdjmer nerfänflid). 3)a3 prenfeifd^e 5anbred)t jagte:
9air ber 5(bcl ift 511m Scfitier abiiger ©ütcr bercd)tigt.
(Sin ärjnltctjeö 9icd)t bcftanb in bcn öänbern bcr polntfcrjen St'ronc
mit nod) fd)ärfcren Scftimmungen. ©urd) Gbift oom 9. Dftober 1807
ift biefe Seftimmung für ^rcufjen fortgefallen. Son bann ab beginnt
erft bie tl)atftid)Hd)e [yreil)eit oe3 Sefitjeä, alfo aud) bie $reil)eit ber
Serfdjulbung, hod) nnttbe bie Scrfdjulbung ^unädjft in engen ©renken
gehalten, erft burd) bie Hricg^eiten, bann bnrd) bie überaus trüben
mirtt)fd)aftlid)en SBerpttntffe, bie niebrigen greife, ben mangelnbeu
Slbfatj ber ^robufte, tueldje bi§ etoa 1830 anhielten.
üftun erft mürben bie ©üter einträgtid) unb bamit mertt)t>otl, aber
aud) hk Sd)ulben nahmen rafd) 511. Sin silnerbenred)t, fei e§ burd)
£erjn3t>erfaffung, fei c§ burd) Srabition begrünbet, beftanb rooljl eben
fo lange faft allgemein.
Sie Sauern fjatten im üorigen 2>af)rf)unbert faft nirgenbä ©igen
tl)um, fie maren laffitifdje Sefitjcr, ©igentljümer mar ber @runbt)err.
2)a§ mar alfo im ©omanialbefitjse ber Sanbeyfürft, fpäter ber <£)omänen=
fi§fu§, fonft nielf ad) bie geiftlidjen Stiftungen, meiften§ aber ber
9rittergut»befit3er. 2)ie Sauern maren Untertanen in größerer ober
geringerer 2lbt)ängigfeit, nur au3r:a()m£meife freie (Sigenttjümer.
Sie grofeen SolfSmirtrje auf bem preufjifcfjen SEljrone griebrtet)
S33ill)elm I. unb $riebrtcb IL t)atten bie ©omanialbauern freier gefteüt
unb bie Befreiung angebahnt, bie in ber Stein*£mrbenberg'fd)en 3e^
gur I5infül)rung gelangte. 51ud) t)ter ift t>a% (Sbtft 00m 9. Dftober
1807 au§fd)iaggcbenb, unb bie §§ 10-12 fagen:
§ 10. %lad) bem ©atum biefer Serorbnung entftel)t fernerhin
fein Untertl)änigieit3;SerrjältniB, meber burdj ©eburt, nod)
burd) jpeiratt), nod) burd) Uebernet)mung einer untertänigen
(Stelle, nod) burd) Vertrag.
§ 11. SOcit ber ^ßublifation ber gegenrotirtigen Serorbnung l)ört
baö bisherige Unterttjänigfeit^Serrjältnifj berjenigen Unter*
tl)ancn unb it)rer Leiber unb Sftnber, meldje il)re Säuern-
guter erbltd) ober eigentrjümlidj ober erb^inäroeife ober erb*
päcbjtlid) befitien, mecbfelfeitig gängticl) auf.
§ 12. SJfit bem 9Jcartini=£age 1810 t)ört alle ©ut^Unter*
ti)ünigfeit in Unferen fämmtlidjen Staaten auf. 9cadj bem
30cartini^age 1810 giebt e§ nur freie Seute, fomie foldjeä
auf ben Romainen in allen Unferen ^rooin^en fd)on ber
%aü ift, bei benen aber, roie fid) üon felbft t>erftet)t, alle
Landw. Jahrbücher. XXVIII.
— 30 -
Serbinblidjfciten, bie i()nen als freien Seilten oermöge bcö
SBeftfceä eines ©runbftüds ober oermöge eines bcfonbern
SertrageS obliegen, in Straft bleiben.
SBurben nun bie dauern ftu freien ßigenttjümern gcmatf)t, jo Ratten
fic bocf) nod) nidjt bie $reil)eit ber 33erfdjußwng, bie Sauertjöfe
burften nur bis ein Siertel beS SßerttjeS ücrjdjulbet »erben; bicfc
Serfd)iilbuugSgren^e marb 1823 auf bie §älftc errocitert unb erft 1843
gan§ fallen gelaffen.
©o lange ber Sauer nicfjt (Stgentrjümer, fonbcrn nur bebingtcr
SBefitjer mar, fonnte Don freier Vererbung feine 9?ebe fein. £>er üftad)=
folger im SBefit) mar Anerbe im meiteften ©innc, mar Sefihnadjfotgcr
unb ber ®runbf)err Ijatte unter mehreren ;,ur SRadjfolgc im Sefit5
gleidjbercdjtigtcn ©rben bie 5luSmal)l desjenigen, ben er für ben £aug=
lid)ften l)ielt, bem @ute oorftufterjen. ®te $reit)eit erlangte ber Sauer
alfo in ber ©tein^arbenberg'fc^en ^eit bcfonberS burdj baS ©bift Dom
9. Dftober 1807, bod) mit bem SRefte ber Sefcfjränhmg mürbe erft in
ben fünfziger Satjren aufgeräumt, befonbcrS burdj baS ©e[et3 oom
2. SWärg 1850. 9?eben ben Rittergütern unb ben laffitifdjen Sauern
gab eS früher noefj bie Derfdjiebenften formen beS SefikeS, bie reine
$ad)t, bie (Srbpadjt, bie @mpl)iteufe, tk antidjrettfdje SKutjung unb
bie namentlich im unfultiöirten Dften ju ben üerfcrjiebcnften Sebingungen
angefeilten Sauern in einer langen (Stufenleiter üom ßeibeigenen, über
ben ber §err baS 9<ted)t über £eben unb Xob l)atte, bis ^um freien
@igentl)ümer, ber ^mar meift nod) einen ßinS 8U äaljlen ÜJQtte, aber
frei bererben, frei berfaufen unb frei üerfdjulben burfte.
SSMdjcr (ticlu-nuri) ift tiatt ber $rcif)cit gemadjt?
S)ie grettjeit beS Se[t|e§ ift nun errungen unb eS fragt fidj, mcldjcn
©ebraud) l)aben bie ©rnnbbefi|er Don ü)rer gretljett gemacht?
£>a ift baS Silb ntdjt immer ein gang crfrculidjeS unb mandjer
Seobad)ter fommt mol)t gu ber Meinung, au§ bem ©ebraudj mürbe
ein äftifjbraud). 9ftan foll über bie ©djattenfetten bodj nidjt bie 2i(pt=
feiten üergeffen! Söeldjc &ad)t l)ötte feine SMjrfeite? Sn mirtl)fd)aft-
lidjer, fultureüer Sejtet)ung t)at ein gortjdjrttt ftattgcfuiibcn, ber oljnc
bie greitjeit nicfjt benfbar mar. 9ftag man han (Sinflufj ber ^ortfdjrittc
in ben 9?aturraiffcnfd)aften, im Serfeljr, noefj fo t)od) anfdjlagen, c§
bleibt genug fegenSrcidjer ©tnflufj ber greitjeit übrig.
Slarl ber ©rofee füljrtc bie ©reifelbermirtljfdjaft ein, hk für 8el)nS-
Oerfaffung unb l)örigc Sauern paf3te unb biefe ®rcifclbcrnrirtt)[djaft Ijat
— 31 —
fid) ein Saijrtaufenb gehalten, aber bor mirtl)jd)aftltd)e gortfctjritt be3
let.Uen 5al)rf)unbert§ mar in £cutfd)lanb größer, als ber bc£ üorfjer^
gefjenben SatjrtaufenbS.
©erabe bie beutfdje Sanbtotrtrj[djaft ifi fdjncflcr oorgcfd)ritten, rote
bic unferer SRadjbarn, toie man lcicl)t erfennt, roenn man bie ©ren^c
nad) Siufelanb, aber and) bic nad) $ranfrettf), übcr|"cl)rettet unb bic
©Überträge nehmen mit ©djmaniungcn nod) immer ju. ®äme e§ nur
auf fteigenben 9voh,ertrag an, [o lebten mir in einer golbenen $eit.
Weniger eifreulid) t»at bie $reil)eit in anberer Vcäieljung gemirft.
2>te Vererbung be§ ©uteö in ber gamilie (an ben Anerben) läfet nadj,
obgleid) bie Srabition ein ©egcngeroid)t giebt. 2)er SSerfcmf mirb aljo
metjr -utr Diegcl unb ba§ tft in jcber S5e§ietjung eine menig münfd)en3=
mertlje ©ntmidlnng.
Viel fdjummer tft e§ aber mit ber Verfdjulbung, bic au£ ben
Vererbungen unb Verläufen entfterjt unb nad) ben 53eftimmungen beS
©rbrerfjtä unb ber mirtf)fdjaftlid)cn ©efetjgebung entftel)en mufj,
@8 !ann t)ier nid)t bie Aufgabe gelöft merben, nad)äumeifen, mie
bie ©ctjulben mad)jen, tefj miü nur anführen, mie fid) §err ^rofeffor
©ering 1896 im 2)eutfd)en Sanbmirttjfdjaftöratf) auslief; :
„9ßa§ moüen alle öffentlichen abgaben, meiere bie Sanblüirtt)icf)aft
ftU teilten t)at, bebeuten gegenüber ber ©d)ulbenlaft, maö alle benibaren
©teuererleidjterungen gegenüber einer etmaigen Srmäfcigung be§ 3™^
[ufeeä um 1 ober nur 1/2 ^ro^ent? ®ie al§ @taat§fteucr au|3cr ^ebung
gefegte, aber al§ ftommunalabgabe betanntlid) fortbeftetjenbe preufeijcfjC
©runbfteuer braute einen Ertrag oon 40 Millionen sD?arf. 2>ie t)rjpo=
ttjefarijdje Verjdjulbung be§ länblidjen ©runbbefi£e§ in Sßreufjen mirb
aber Dorn ftatiftifdjen Sureau fel)r mäfcig auf 10 9)tilliarben gefct)äW,
W Verringerung be§ $inö um 1 $rogent mürbe alfo einer (Summe Oon
100 Millionen Ütfar! gleid) fommen.
Sie ©d)ulberleid)terung unb ©d)ulbentlaftung tft nid)t nur aU
eineä ber 2lbt)ülfemittcl für ben gegenmärtigen 9?otl)ftanb anjufetjen,
fonbern bilbet, im Verein mit ber il)r notfjmenbig eng oertnüpften
Reform be§ 2tgrarred)te§, ben ®ern aller agrarifd)cn ©o^ialpolitif.
£)er lanbmirtbjdjaftlid) benutzte Voben ^reufeenö ift nad) ben Srntitte^
hingen be§ ginan^minifteriumS au§ ber £eit 1871—1881 auf 24MIi=
arben Wart gu bemert()en. 2)aüon gehören nun bereite 10 9Diilliarben
ober 5/i2 mirtt)fd)aft(id) nid)t merjr ben ©igentt)ümern , fonbern beren
(Gläubigern unb bic £n)potl)eienfd)iilb be§ tänbtidjen ©runbbcfife$e§
mädjft aUjätjrlicfj, in guten mie fct)lect)ten Reiten, um einen enormen
betrag, neuerbing§ um mefjr al§ 200 Millionen xOfarf. £)er bereits
Limihv. Jahrbücher. XXVIII. yi
— 32 —
eingetretene SRüdgang be£ gtnäfufeeS, foroeit er ben Sanbroirtljen 51t
@ute tarn, i[t baburd) für ben ©runbbefitj im ©an^en üotlfommen
mett gemacht morbcn. ©0 t>oü§tet)t fid) in rafd)em £empo unb mit
ber ©id)erl)eit etneö fokalen ©efetjeä bie aümät)Ud)c Enteignung be§
©runbbefitjeS. „©djritte," fo rjeifjt e§ in einem fetjr bcmerfenömertrjen
^Utffa^ au§ ber „geitfcfjrift be§ ^ßreufjifdjen ftatifttfrfjen 23urcau3"r
„mie in ben leisten 3>at)ren bie 93erfd)u(bung jäljrlid) um runb
0,2 SftiUiarben Tlaxt fort, fo mürbe fie fpäteftenS in 35 Sauren, alfo
etma in einem ÜUcenfdjenalter, auf 16 9JciÜiarben geftiegen unb bamit
bie Enteignung beS ©runbbcfitjeS jmar nidjt ber $orm, rcot)l aber ber
©adjc nad) im SSefcntlidjen uolienbet fein; beim bann mären jmet
drittel ber 33obenroertl)e, unb §mar in ber Siegel bie fid)erften jTrjeile
berfelben, üon ben ©runb befrfcsern auf Äapitalbefi§er übergegangen.
E§ mirb babei borauSgejefct, bal feit 1871—1881 nod) feine 28ertt>
oerminberung be§ länblid)en ©runbbefit3e§ unb ber auf Ujn oermenbeten
Kapitalien ftattgefunben t)at unb bajg in einem 9Jcenfd)enutter aud) nod)
nid)t eine folcfje in SRedjnung p [teilen fein mirb. Sollte aber, mie
oon mandjer ©eite angenommen mirb, ber ©runbbefi^ für abfetjbare
$eit eine beträdjtlid)e äBertrjüerminberung, beifpielöroeife eine fotdje
um ein 3) rittet, bie fid) fdjon au3 einem ©inten feiner 9?ol)einnat)men
um üiet meniger al§ ein drittel, ergeben mürbe, in 9red)nung 31t
[teilen haben, fo bliebe offenbar fdjon eine $erfd)ulbung üon 9 biö
10 ÜUftlliarben nur nod) um ein ©eringeä rjinter ber 3roetbritteloerfd)ul=
bung gurüd unb man t)ätte einen großen 5Xt»etl beä ©runbbefitjeä aU
üerloren an^ufetjen; er märe entmeber überhaupt nid)t merjr in bem
bischerigen 3>ntenfität§grabe bemirtl)fd)aftungSfärjig ober märe menig=
ften§ ben £)rjpott)efengläubigern verfallen unb bem eingetragenen Eigen*
trjümer bliebe nur nod) ein ©cfjeinbefitj."
2)ie alten geuballaften [inb abgejdjüttelt, aber burd) ben äftifj*
bxaud) in ber greirjeit ber SBerfd)ulbung tritt eine Änedjtfdjaft beö
@runbbefit$e§ unter ba& Kapital ein, bie üiel fd)limmer merben fann,
al§ bie burd) patriard)alifd)e 9tüdfid)ten gemilberte feubale Knedjtfdjaft
unter bem ©runbrjerrn; benn \)a% anonljme Kapital rennt mie ber
fpanifd)e ©rojjinquifitor feine Ucenfd)en, fonbern nur 3a^en- ®g
mieberl)ott fid) aud) r)ier ein Vorgang, ben mau in ber ©efd)id)te oft
beobachten fann. E§ giebt feinen böferen geinb ber ^retfjett, al§ 1>tä
llebermaa^ unb bie mifjbräudjlidje 9lnmcnbung ber greitjett
9ftan foß aber nicfjt greitjeiten aufgeben, roeil [ie mi)3braud)t
mürben, fonbern man fotl bem ÜDiifjbraud) einen Siegel üor*
fdjteben.
33
£tc ttrfacfjen ber SBcrfdjulbmtg*
gragt man nun, au§ metcfjen Urfadjen finb bie ©Bulben gemalt,
fo wirb man fo äiemlid) alle Urfadjen unter eine oon ben folgenben
4 ©cfidjtSpunften unterbringen tonnen.
1. Meliorationen unb Sauten,
2. 2eid)tfinn unb Unmirtl)fd)aftlid)feit,
3. SRott),
4. ©utsübernatjme burdj Stauf ober (Srbe.
Sie auä Meliorationen unb Sauten entftetjenben 8duitben finb
nid)t fdjlimm, beim e§ wirb baburd) auf anbrer Seite ber ©utsmertl)
gehoben, jubem tommt biefe llrfacfye nicfjt aüju rjäufig üor; in ber
Siegel werben Meliorationen unb Sauten au§ ben Erträgen guter
3at)re bejarjlt ober e£ wirb auf genoffenfdjaftlicrjem SSege amortifable
©dntlb aufgenommen, Jpanbett e§ fid) um SuruSbauten, fo mürbe
man biefe SluSgabe fdion unter ben ^Weiten s$unft Seidjtfinn unb
Unmirtt)fd)aftlid)fcit aufjätjlen muffen, aber aud) bie ©djulben, bie
au£ biefen Slnlaffen gemadjt merben, finb weitaus nicfjt fo gafjlreid), al»
man tjäufig annimmt. Sie au§ üftotl) gemad)ten Sd)ulbeintragungen
tialte id) für jarjlreicfjer, fie merben in ber Sieget au3 ^ßerfonalfdjulben
bann jmangSmeife ju ©runbjdjulben gemacht, menn ber ©runbbefitjer
oor ber ©ubljaftation ftefjt; em großer 2l)eil fällt bann im Serfatjren
au§ unb mirb gelöfdjt, bebrüdt alfo nicfjt bauernb ben ©runbbefifc.
®an5 anberS ift e3 mit beut oierten ^ßunft, ©utSübernatmie bei
ftauf unb (Srbe. Sluö btefer Urfad)e entfielen mot)l 80% aller
Scfjulben, fo ba^ baneben bie anbern Urfacrjen üerfdjminben. Siefe
©djulben bleiben unD finb bie wahren Urfadjen ber ©djulbennotl).
(£3 ift fdjwer, bie Wtrflidjen ©rünbe ber ©runbfcrjulöen nadjäuweifen,
aber bei allen Hennern ber Sertjältniffe ift nur eine Stimme, baß
neben hzn Sdjulben, bie au§ Sefitweränbcrung entfielen, bie Sdjulben
auS allen anbern ©rünben faum in Setradjt fommen.
Ueberblidt man ba$ ©rgetjen ber Sanbwirtrjfdjaft beö legten
^aljrljunbert, baS in Seutfdjlanb in btefer $eit mit bem ©rgeljen ber
©runbbefttjer faft gleich bebeutenb tft, fo mirb man gu bem Sfofultate
fommen, baß eS ja SdjWanfungen immer gegeben tjat unb immer
geben mirb, bajjj im ©angen aber bie lanbwirtrjfdjaftlidjen Serljättniffe
fid) überaus glüdtidj entmidelt Ijaben. Sie Renten fomotjl mie bie
greife ber ©üter Ijaben fid) nidjt nur oerboppelt unb oerbreifadjt,
fonbern oeroielfad)t, fie finb für ben ®leingrunbbefi£ im fteten Steigen
geblieben, für ben ©roftgrunbbefiij ift aüerbingS in bem ^al)r§et)rit
SSenboiff, SctjulöeiiUnJuuig be§ läitblidjeu @nuiDbefi$e3. 3
Landw. Jahrlnicher. XXVIII. 17
— 34 —
1885—95 eine rütf läufige 23cmegung gemefen, aber fctjon fteigt bie
9tente unb bcr ©ut^preiö mieber gang bebeutenb. 28a§ bie 3ufunft
bringt, fann frciltd) 9tiemanb triff en ; unb bod) ift SMagen unter ben
©runbbefitjern. $mei ©rünbe erfenne tcfj für baö klagen an, ba$> ift
1. bie Seutcnott),
2. bie Scrjulbennott).
2öären biefe beiben üftotljftänbe nierjt üorrjanben, fo rjätten mir £anb=
mirtlje nierjt 511 flogen, mögen bie abgaben geftiegen fein, mögen bie
greife mancher ^ßrobufte gefallen fein, mir profitieren jetjt merjr unb
billiger al§ früher unb fönnen bei beut <3d)ut5, ber unferen ^ßrobuften
ju Xfjeit mirb, bie ftonfurreng beä Sluslanbeg rootjl befielen. ®ie
Seutenott), bie man jetjt bie fokale $rage nennt, £;at unter anbern
tarnen in jebem ftulturftaat beftanben, unb je größer ber mirtrjfdjaft*
itdje Sluffdjttmng ift, um fo ärger mirb bie Seutenott) im (Staate; bafj
für bie Sanbtr>irtt)fd)aft bie Seutenott) aber fo arg ift, t)ängt §um SErjeil
aud) mieber mit ber ©djulbennotl) sufammen.
£)er ft'necrjt mtll beffer leben unb finbet beffereö Seben in ber
Snbuftrie, alz am Sttfrfje be§ überfdmlbeten 33auern, unb ber t>er=
fdjulbete ©rofjgrunbbefitj fann bie SSofjnungen unb Sßotjtfarjrtäetnrid)'
tungen nicfjt befefjaffen, auf bk ber moberne Arbeiter Slnfprud) macfjt.
2)afj aud) noefj anbere Urfadjen be£ Seutemangetä auf bem Sanbe
oorrjanben finb, bafj bie Seute felbft triel ©cfjulb fjaben unb bie Slrbeit
auf bm Sanbe bei 9?aturalmirtl)fcfjaft teine§meg§ fo fdjledjt be-jafjtt
mirb, mie oft angenommen mirb unb e§ naefj ber (Mblörjnung fd)eint,
ift gemifj ^utreffenb. lieber Seutenott) flogen mir Sanbmirtf)e aud)
nid)t allein, obfcfjon jene unö am fjärteften trifft.
Sänge 3eit ift man ber ?lnficfjt gemefen, man fönne ber Sanb*
mirtrjfdjaft burd) großen unb billigen Strebit Reifen unb in. ber Stljat
fjat ber fogenannte befrud)tenbe Ärebit ber (Sntmicflung geholfen; nun
macfjfen aber bie ©djulben ftetig meiter unb fo rapibe, bah ba% Steigen
ber Diente nierjt (Schritt galten fann. Sie Sanbmirtf)fd)aft fjat fid) an
ben ©dnilbcn grünblicfj ben SJcagen oerborben, unb mer fie meiter
mit ftrebit nähren miE, furirt fie 511 £obe. ©aS £)at benn aud) bie
neuere Stiftung in ber SSirtfjfdjaftSpoltttf erfannt unb man ift bemütjt,
bk SJente mit ©taatäfjilfe §u tjeben. 2)ie3 53eftreben l)at befonberS aud)
ber 93unb ber Sanbmirttje.
©er öunb ber Sanbmirtl)e ift entftanben im Sarjre 1892/93, als
bk mirtt)fd)afttid)en SBerrjältntffe be§ beutfdjen ©runbbefifcies redjt
fdjledjt maren unb e£ ben roeitauä meiften Sanbmirtl)cn nicfjt möglid)
mar, bie Saften, befonbers bie Sdjulbenginfen, fjerau§protrtf)fcf>aften.
— 35 —
Wlcin fcmn ben <Sa£ rooljl unterfcfjrciben, ben ber 53unb feinem ^ro*
gramm üoranftettt: „Sie Seutfdje Sanbtütrt^fcfjaft tft ba$ erfte unb
bebeutenbfte ©eroerbe, bie feftefte <Stü£e beö 9teid)§ unb ber ©in^et*
ftaaten. Sicfelbe 51t fd)üt$en unb 51t fräfttgcn tft uttfere erfte unb
ernftefte Aufgabe". Tier S^acfjfa^ „roeil burd) ha» 33(üt)en unb ©ebeiben
ber £anbroirt()ftf)aft bic 3Bot)tfaf)rt aller anbern S8ecuf§$roetge geftdject
ift", ift fcfjon aufed)tbar. igocfjentroidelte Snbuftric brauet aud) @£port,
roie roir Sanbroirtlje am Qudzv fctbft feEjen.
SHS bte großen iDKttet beS SunbeS rourben be^etdjnet:
1. bte Soppelroäfyrung,
2. genügenber 3olIfct)ui3.
Ser (Staube an bte bauernb glücflict) madjenbe SBirfuug ber SoppcU
roätjrung ift je^t rootjt fefjr erschüttert, nodj merjr ber (Staube an bte
Surdjfüfjrbarfeit ber 3J?a§nat)me unb ift biefe $rage öon ber "£age3=
orbnung ber föufttcafocreme üerfdjrounben, in roetdjen bte ©rörterungett
burd) (Sacrjienntitiß roenig getrübt, ftdj fo lebhaft entfalten tonnten unb
$u einmütigen Öefcfjlüffen führten.
Safe unfere 8anbroirti)fd)aft im gettafter ber SSdjut^ötte auet;
eine§ gotlfdjutje» bebarf, tft geroifj richtig unb tutrb nur öon roenigen
beftritten. ?tber melier 3°^fa^ $ genügenb? (53 !ann ntc£)t geforbert
roerben unb ba§> ttjut aud) root)I ber 23unb mdt)tf bzn ßoßfcW fo
tjotf) ju fetjett, bafe jeber Sanbroirtt) feine 9tente finbet. Sßollte ber
©taat bie§ ftkl erreterjen, fo müfjtc er bie 28irtt)fd)aft3s unb 8eben3=
füfjrurtg be§ 2anbroirtl)§ ebenfo regeln;, roie ben $rei§ unb bie SSer-
fd)utbung ber ©üter. ®aS roirb ber beutfdje Sanbroirtf) ntdtjt motten,
fo mirb ber 8tanb ber freien beut)d)en öeft^cr nidjt jum ©octaltemitä
übergeben. Sßorjl aber rjat ber (Staat bie $fltd)t, bafür 31t forgen,
bafj baZ erfte unb uorneljmfte ©eroerbe nierjt untergehe, bafj bie ©runb*
befitjer nidjt uon itjrem §ofe üerjagt roerben, ba§ t)ei&t 00m ©tanbe
ber ©runbbefitjer gefproerjen, nicfjt oon ber einzelnen ^ßerfon. Wlan fann
ja biefe Sßfltdjt be* (Staates leugnen, mer aber bte ^ßftidjt anerfennt,
mufj audj bem «Staate baZ 3tect)t einräumen, bie SSeranlaffung §u
befeitigen, metcfje bie iöefi^er oon ifjren (Stellen treibt; baZ Reifet bie
(Sdjulben^infen bürfen nidjt in ungemeffene (Summen roadjfen. (5f)e
ntct)t rjier ^Sorfetjrung getroffen ift, fjüft feine fünfttief) gehobene 9tente,
benn biefe 9tente fommt in oerftärftem $Jtaafo im ©utäroertf), ber
oer^tnft roerben mufe, roeil er beim Slnfauf ober ©rbgang in ©ttt3=
fd)u(ben umgeroanbelt rourbe, §um 2lu3brud. (Steigt bte 9tente, fo
fteigt ber ©utspreig, fteigt ber $ret§, fo fteigt bie (Sd)ttlbenlaft unb
bic Diente müfjte roieber fünfttidj gehoben roerben, unb fo in in finitum,
Landw. Jahrbücher. XXVIII.
17
— 36 —
aber nid)t mit ©ra^ie. Oft einmal 3$orfet)rung getroffen, bafj bie
©djulbcn nid)t madjfen, bann märe eS $dt, bie 9?ente (^u lieben unb
bann rannte ber (Staat and) mofjl grofje Opfer bringen, um ben
©runbbefi}} mieber gefunb gu mad)en.
Snjmifdjcn muft man mit ber (Srnäljrung be§ Patienten üorfid)tig
fein, er barf ja nidjt an ©ntfräftung fterben, aber gu ftärfcnbe Silafy
rung ftärft mebjr bie Krantfjeit, al§ ben Patienten. 3)aJ3 ber $unb in
<perbeifüt)rung ber fogenannten fleinen Mittel fegensretet) gemirft t)at
unb in ber ßufammenfaffung fo Dieter Sanbroirtt)e eine grofte SMactjt
getoorben ift, fann ÜWiemanb leugnen, ber grofje (Srfolg aber märe
nid)t erreid)t, menn in bem Aufruf üom 21. l£)c^ember 92 nid)t fo
überaus fräftige £öne angefd)lagen mären. 2)er feft auf feinem (£rbe
fttjenbc @igentf)ümer ift bie ftärffte ftaatöerljaltenbe Kraft, ber notf)-
leibenbc ober oon ber ©cfjoüe üertriebene Sefi^cr aber ift geborner
Stoolutionär unb feine3meg§ eine fefte ©tütje für £t)ron unb Elitär.
£>ie SunbeSleitung ift ja oietfad) bcmül)t, bie Semegung in rubjigeä
^arjrmaffer 51t leiten, ba$ §od) auf ben &anbe3l)erren mirb nicfjt oer=
geffen, oortjer unb nadjrjer t)ört man aber manetje (Stimme au3
anbrer Tonart, unb e3 mirb bei fdjmeren gehen nid)t leietjt fein, bie
©elfter 31t bannen, bie man rief; bie öerfcrjulbeten Kleinbauern merben
ben fonferoatiuen $üf)reru bie öeereäfolge bann oielleicrjt öerfagen.
2Sad)fen aber bie ©djulben meiter, mie biäfjer, unb fie muffen
gleich einer ßaroine immer ftär!er madjfen, fo fann lein 33unb
unb feine ftaatlidje 9Jcaa£}nal)me eine entfpredjenbe ©runbrente
bauernb tjerbeifüfyren. £)a§ fönnte bann nur bie 9cotrj, inbem bie
23efit$er oon ber ©ctjoüe oertrieben merben unb auberen beuten
^Slatj machen.
©er Sä§eg get)t über üeid)cn, über otel Seidjen unb oie( National*
Oermögen mirb gerftört in ben Reiten, menn ber leiftung3unfät)ige
2Birtt) ben mirtt)icrjaftlid)cn Stobeäfampf augfidjt. ©a mufj ein anberer
SBeg gefunben merben.
Sn ber ©rfenntni^, ba^ eS unmöglich ift, ber ftetig macfjfenben
^erfdjulbung eine ftetig ioad)fenbe teilte gegenüberstellen, rjat man
benn aud) nad) anbern Mitteln gefud)t, ber Sftott) ber ©runbbefitjer
ju fteuern. $)a f)at fid) auf ©runb ber Setjre üon £>enrrj ©eorge§ l)k
ßanbliga gebilbet, roeldje anftrebt, ben gefammten ©runbbefitj 311 Staate*
eigentl)um 31t madjen. ÜESirttifdjaftlid) mürbe bie Wufrjebung bes§ prioaten
©runbbefitjeS unb ber im ©runbbefii3 inoeftirteu Kapitalien jeben
gortfdjritt lammen, politifdj märe ber geiler nodj größer, bem
<Sociali3mus mürben %f)ür unb %i)ov geöffnet, menn ba% (Srbe an
— 37 —
©runbbefin aufhörte; ba§ *ßrtoatetgentt)iim überhaupt müfjte bann balb
faden, ba§ ift ein 2Beg, ber nur für Socialbemofratcn pafet.
2)er S3unb l)at al§ fein äWittel ben ginSlofen Ärebit empfohlen.
®a» Mittel märe uralt; im alten Xcftament ift 3in3nat)me Der*
boten, für moberne Sföirtt)fd)aft roirb e§ rootjt ntcfjt gan^ paffen. §err
Don 2Bilfon*ft, sJtombin, liefe 1879 eine 23rofd)üre „^inälofer Sfrebit"
erfd)einen, ,v>err üon ©far^n^fi, ©planne, l)at al§ Referent be§
23unbe3 biefe 3bcc üon ben „©runbnoten" roeiter ausgebaut, unb e3
fönnte ja rool)l fdjeinen, tafa bie tanbnürtl)fd)afttid)e (5entrallanbfd)aft
ba§felbe 9icd)t rjütte, roie bie 9tcid)§banf. £>ie ^eidjSbanf aber fönnte
aud) rooI)l nidjt befterjen, loenn fie nid)t furjfriftige Anlagen unb ben
Siegutator be3 roedifelnben ^in-SfufeeS l)ätte; unter fotdjen 33ebingnngen
fann ber Sanbroirtl) üielteicfjt aud) ©elb oon ber 9teidj*banf nehmen,
ber ©runbbefitjer braucfjt für feinen Ärebit lange Triften unb fefte
^in§rate, ein ®rebit otjne biefe ^ebingungen ift für ben ©runbbefit}
unbraudjbar. ®ie ©enoffenfdjaften mirfen al§ ^robnftiogenoffenfdjaften
überaus fegenSreid), als SarlebjnSfaffen fönnen fie fid) aud) nur auf
fur^friftige ®arte()ne cinlaffen unb bamit roie anbern ©eroerben aud)
ber 2anbmirtf)fd)aft l)e(fen. ^iele gut fituirte SBefiijer fönnen bie ein*
gelncn fd)ioad)en iool)l galten, finb aber bie meiften fdnoadj, fo retfjen
fie aud) ben einzelnen nod) ftarfen mit in ha§> SSerberben. 9Jtit bem
©runbbefi^ ift eö anberS, fjier finb hk Sanbfdjaften, bie toeitau£ ältefte
5lrt ber ©enoffenferjaft, unb fie roirfen nod) immer fegenäreid) unb
werben al3 bie befte Slrt beö ©runbfrebitS anerfannt.
Q5ei @rrid)tung ber Sanbfdjaften ift rid)tig erfannt, bafj ber
©runbbefit; ein 2)arlet)n nur in $orm oon Diente roieber ^eim^aljlen
fann, unb bie Sanbfdjaften forbern alio neben einer möglid)ft geringen
ginSrate unb ben eignen mäßigen $8erioaftung3foften feinen ©eroinn,
wol)l aber eine 5(mortifation. £)iefe ftmortifation ift meift gering,
Vi— 1%» untt bauert batjer feljr lange. 3mmerf)in ftebjt e3 nod)
gut um ben ©runbbefitj, ber roeiter feine ©djulben l)at, al3 bie
Sanbfdjaffc
SDfan l)at ben ©egen ber Sanbfdjaft möglicfjft fielen ju gut
fommen laffen rooüen, unb babjer fjat man bie Sanbfdjaft, roelcrje erft
eine ©euoffenfrf)aft be§ ritterfd)aftlid)en @runbbefit>e§ mar, aud) auf
bie fleinen Sefitiungen au3gebel)nt.
S)ie Sanbfcfjaften finb aud) mit ber 33elett)ung bielfacf» roeiter
gegangen; man giebt mebjr al3 bie Hälfte be£ ^armerttjeg, unb ber
STaitücrtt) ift bem geftiegenen @rtrag§roertt) unb bem nod) merjr ge*
ftiegenen Staufpreife entfpredjenb im Saufe ber ßett ert)öf)t.
LandV. Jahrbücher. XXVIII
17
— 38 —
$)te ©icfjerfyeit ber s}Sfanbbriefe mufe aber unter allen itmftänben
gemarjrt roerben, unb [o finb ber lanbfdjaftlidjen SSeleibjung ©renken
gesogen, baß [ie bem Sircbitbebürfniß eines großen StrjeileS beS ©runb=
befi§e£ nid)t mebr folgen fonnte.
£)ie erftftellige, toeniger brütfenbe £>rjpotf)et mirb amortiftrt, bie
brütfenbcn 9£acfjt)t)pott)efen bleiben flehen, unb bie 21mortifation mirb
meift abgehoben, fobalb es gebjt, aber feiten ^ur Xilgung ber 9laä)=
t)t)pott)cfen öermenbet. 33on ben SebenSberfidjerungen mirb jetjt üielfad)
eine Tilgung ber ©runbfdjulben erwartet, ber ©runbbefitjer foH fein
£eben entfprccfjenb oerfidjern unb bei ber Erbtfyeilung foH bie oon ber
2eben3terftd)erung§;@efeüfd)aft ausgezahlte (Summe t)inbern, baß neue
©runbfcfjutben eingetragen merben.
93ei Seilten mit menig Kapital, aber t)orjem Einfommen, ^ler^ten,
$Hed)tSanmälten, mantfjen Beamten roirft bie $erfid)erung fegenSreid),
bei Sanbmirtljen t)abe id) bjäufig beobad)tetr ba$ bie ^ßerfidjerung mit
ben t)ot)en Saaten ben S3efi|er üom §of trieb, unb enblid) bie $er-
fidjerungSfumme öon ben ©laubigem mit 33cfd)lag belegt mürbe; eS
ift fctjmer, baS 9(ugenmaaß 511 t)aben für bie gu berficfjernbe Summe,
fai'ultatiü fann ficfj tjeute jeber ©runbbefi^er uerficrjern, itmi biefe
^flidjt obligatorifcf) aufzuerlegen, erfdjeint mir nid)t angänglid).
©0 fdjeint benn als letjteS Mittel §ur ?lbt)altung beS übermäßigen
31nmad)fenS ber 23erfd)ulbung nur möglid), ftaatlidi eine 33erfd)itlbungS=
grenze §u sieben, über tueldje hjnauS bem ©runbbefitjer nictjt mefjr
geftattet ift, ©drüben 5U madjen. SDte Erörterung biefer $rage bilbete
ben §auptgegenftanb ber ^erfjanblungen in ber ?lgrarfonferenz, meld)e
1894 in Sßerlin unter 23orfi§ ber 9P?inifter für Sanbmirtfyfcrjaft unb
für bie ginangen tagte.
Wlaxi glaubte einerfeitS, baß eine ©ren^e gu gießen fei auf ©runb
Don Ertragslagen ber ©runbftüde unb baß bie 23eleit)ung nirfjt mefent*
lid) über bie SBeleitjung ber Sanbfdjaft t)inauSgel)en follte. (Gegenüber
biefen 2luSfüt)rungen mürbe rjingemiefen auf bie große Unficfjerfjett
ber £a£en, auf bie übergroßen Kapitalien, bie bann jum Slntauf
oon ©runbbefitj nöttjig mären unb bie Sanbmirtt)fctjaft gum
Monopol reidjer Seute madjten, auf bie 99?öglid)feit, t>a^ bie
2üd)tigfeit beS Erben baS Kapital fo meit erfefcen fönne, ba^ burd)
bcfonbere Seiftungen unb befonbere Sinfad)l)eit baS ©ut ber gamtlie
erhalten bliebe.
Wafy biefen 3luSfül)rungen fd)ien mir bie 2tnfid)t ber meiften 9Jiit=
glieber ber ^Igrarfonfereng bal)in ju get)en, ba^ eine 3Serfd)ulbungS-
gren^e nidjt §u gießen fei.
— 39 -
3u bemfelben 9?efultate fommt aud) ?ßrofeffor greit)err öon ber
©oltj. Set) fann bat 2ln3füfjrungen biefe§ üon mir f)orf)gefd)ä^ten
©elefyrten in ben meiften gäUen beitreten. SGBenn er aber fagt, „bie
h,ot)e SBerfäulbimg ift für oiele ©ut3befi|er ficfjer ein grofceä Uebel
unb fdjroerer 3)rutf; irm $u befeitigen, liegt aber im SBereicfje roeber
ber Sßfltdjt nodj ber 9J?ad)t bcS (Staates", fo mufj id) bem üftacfjfafc
in beiben Schiebungen roiberfprecfjen.
3[t bie Ueberfdjulbung be§ ©runbbefitjeä ber jpauptgrunb ber
üftottjlage, fo ift e§ 9ßflid)t be§ 6taate§, SSanbel ^u fdjaffen, nnb roo
ein 2Bilie ift, ba ift aud) ein 2öeg.
s)latnvlid)c ©rettje ber $$erfrf)itJbtmß.
9J?ir fdjeint, e§ liegt im 93erettfje foroob,! ber $flict)t al§ ber
sJ!ttad)t be§ @taate§, bafür 51t forgen,
1. baß bie ©ctjulben in einer $orm bleiben, bie bem 3Befen
be§ ©runbbefitjeS entfpricfjt;
2. ba^ bie ©duilben in einer £)öf)e bleiben, bie ben 33efi^er
nirfjt erbrücfen.
3Sa3 bie gorm ber $erfd)ulbung anbetrifft, fo rjat ba§> beutfdje
bürgerliche ©efetsbuefj neben ber Hapitaleintragung in $orm t>on
2pt)potl)ef ober ©runbfdjulb bie Renten fcfjulb gugelaffen.
Sie £anbfd)aft§fd)ulben finb als ftapitalfctjulben eingetragen,
follen aber burefj eine State, roeldje Qm^, SBerroaltungSlaften unb 3lmor=
ttfation in fid) fdjtießt, getilgt roerben. £>iefe gafylung ber 9^ate ift bie
£>auptfad)e, unb mürbe man biefe eintragen, fo erfcfjeint bie 8d)ulb
al§ amortifable Renten fd)ulb.
£>at oon 9tobbertu§ baZ große $>erbienft, bie 9vententl)eorie al£
bem 9Sefen be3 ©runbbefifceS entfpredjenb aufgeftellt unb roiffenfdjaft*
lid) begrünbet 511 tjaben, fo möd)te id) il)m bod) nicfjt batin folgen,
bafj er eine eroige (md)t amortifable) 9tente empfiehlt. 3m ©rroerb§-
leben, roie aud) fonft in ber 2Mt, ift nid)t3 beftänbig, ?(lle§ im eroigen
2£ecfjfel, fo muß aud) bie s^erfd)ulbung nidjt ftabil fein. 3>eber @runb*
befi^er foll baZ 9?ed)t t)aben, ©cfjulben §u machen, aber biefem 3^edf|t mufj
bie ^5flid)t gegenüber ftet)en, bah aud} jeber ©runbbefifeer ©Bulben
tilgen mufe.
2)er roedjfelnbe 33efi^er foÜ nid)t ba% bleibenbe ©runbftücf bauemb
belaften, unb eine bauernbe eroige 33elaftung ift bie 5lapital3eintragung,
für beren Abtragung feine QSorfenrung getroffen ift. 23ei jeber ©in*
tragung einer ©djulb muß jugleid) bie ?(rt itjrer Tilgung mit ein*
LandV. Jahrbücher. XXVIII.
17
— 40 —
getragen »erben. £>ie Abtragung fann ja in mancherlei Art befielen,
bie Ütente fann nad) einer beftimmten $rift üon felbft anfrören, ©ic
fann anfrören nad) Eintreten eineä @reigniffe§, roeldjeä notrjroenbig
erfolgen ntujj. @3 fann ber 93ater ben (Srben ba§> ®runb(tüd über-
geben gegen Stiftungen, bie mit bem Stöbe beä ^ater§ aufhören, wie
jel^t bat Seibgebinge eingetragen Wirb. (£3 fann für jüngere @efd)Wifter
(Srjieljitngggelb ge^arjlt werben, Wenn ba$ SSermädjtnife gering mar, e3
fann aud) für bie ÜDciterben big gu beren ©rofejäljrigfeit eine beftimmte
9?eil)c don Sauren (£inäal)(ung gum Seifpicl in eine ©pariaffe gemadjt
werben unb fo ein Vermögen angefammelt werben, wenn ba§ 93er=
mädjtnife größer war. (£§ fann äljnlid) roie bei ber 5anbfd)aft eine
9reif)e oon Satjren eine Annuität eingetragen werben, burd) beren
3al)lung eine 23erpflid)tung gelöfd)t wirb, unb fo finb nod) mannte.*
faltige Abmachungen benfbar.
Smmer aber muf3te befielen bleiben, bafj nad) ©intreten eineö
unüermeiblicfjen (£reigniffe§ ober nad) Ablauf einer beftimmten $rift
bie 3at)lung!§pftid)t be§ ©runbftüdeä auft)ört.
£>er @runbbud)ricf)ter fann bann bk 9Serpflid)tung löfdjen, fobalb
it)m ba§> Eintreten be§ (Sreigniffeö nad)gemiefen tft ober fobalb 4 ^atjre
nadj Abtauf ber grift, für Wetd)e bie 3at)lung eingetragen ift, oerffoffen
finb, alfo bie letzte 9vatenäaf)lung üerjäbjrt ift. Soweit e§ fid) um bk
©idjertjeiten l)anbett, meiere bie Sanbfdjaften beleihen, wären ja nur
geringe Aenberungen nötf)tg, fobalb anbere ©idjertjeiten in $rage
fommen, mürbe ba§> Kapital bie gunftion übernehmen muffen unb
bä genügenbem $erbienft aud) gern übernehmen, bie teilte gegen
Kapital etnäutaufd)en, mie jetjt bie $krfid)erung§banfen ©cfdjäfte
mad)en.
(£3 müjste aüerbingö aufboren, bafj für eine ^orberung eine
beftimmte Stelle (locus) offen bleibt, aud) wenn bie $orberung größten*
ttjeil» getilgt ift; bie nad)ftefjenben Renten muffen bem 9tange nad)
entfpredjenb nadjrüden unb gelangten bamit 511 grö[3erer ©id)erl)eit, e3
fönntc nicf)t mel)r gefdjefjen, bafj nur bie gut plajirten £>t)potI)efen burd)
Amortifation getilgt werben, bie böfen §t)pott)efen aber bauernb ben
<55runbbefi§ bebrüden, weil jebe Amortifation burd) bie fogenannte $on-
oertirung l)infäHig Wirb.
^Bewilligen bie alten $orberungen einer neuen ©djulb ober ber
Äonöertirung ben SSorrang, fo fann e§ ja gefdjetyen, ba\] bie 8d)utb-
entlaftung nicfjt fortjdjreitet, aber Wenn alle ©laubiger bie Sage nod)
fo günftig beurteilen, bafj fie ben Vorrang einräumen, wirb bie Sage
aud) nod) nicfjt fd)limm fein.
— 41 —
Sßenn \d) hiermit meine 53etrad)tungen ü6er bie ^orm ber @)runb«
fdjulb frfitiefee, fo meifj id) mot)I, bafe mir mandjc ©inroürfe gemalt
merben fönnen, bie id) al3 Saie nidjt miberlegcn fönnte, aber id)
gmeifle nid)t, bajgj für Suriften e§ nid)t all^u fdjmer [ein mürbe, in ber
gemiedenen SRidjtung einen gangbaren 2Beg 51t finben ; notfjroenbig märe
aber, t>a$ gange Arbeit gemad)t mürbe, unb baf? bie Wentenfdjulb nid)t
nur gugelaffcn mürbe, fonbern bafj bie SRcntcnfdjulb bie einige $orm
mürbe, in ber länblid)er ©rnnbbeft$ ücrfcrjulbct merben fann.
9J?an fönnte cinmenben, ber ©runbbcfitj mirb mol)l 5fapttalfrcbit
finben, aber feinen 9icntcnfrebtt; benn ber ©laubiger miü fein Kapital
gefdjloffen mieber Ijabcn. Sm 33erfet)r gmifdjen ©ruubbcfitj unb Kapital
ift e§ bie Aufgabe be§ ©runbbefitserö kirnte abzugeben, unb bie Stuf*
gäbe be§ $apital§ ift eS, au§ ber 9tente mieber Kapital anjufammeln,
fo madjt c§ bie l?anb[d)aft, fo madjen e§ alle Q3anfen, bie 9lmortifatton8*
gelber ausgeben.
2Ba§ nun bk <pöt)e ber ©djulben anbetrifft, fo ftimmte id) ben
Sftitgliebcrn ber 5(grarfonferen^ 511, hk eine öom (Staate auf $runb
einer ^aje feftjufe|enbe 33erfd)ulbung3grenäe au§ ben oben angeführten
©rünben für untfjunlid) tjtelten.
$)er Sßertf) einer Diente mirb aber burd) ^mei gaftoren bebingt:
1. burd) bie £)öf)e ber 51t gafjlenben Sfate,
2. burd) bie Qdt, für meldje bie 9?ente gu jagten ift.
SSoIIte man bie £öt)e ber 9?ate feftlegen, fo mürben hiergegen alle bie
©rünbe fprcdjen , meldje gegen eine SBerf djulbungSgrenje überhaupt fpredjen.
Sttan müßte mieber auf Sojen gurüdf greifen, bie ftetö unguüerläffig
bleiben merben unb bnrd) feine SSorfdjriften suüerläffig gemacht merben
fönnen ; man mürbe 51t @rtrog§tajen fommen unb biefe finb unter allen
unjunerläffigen £aj;en bie aller un^uoerläffigften; fie muffen eS um fo
mefyr fein, als fie bie (Stgenfcfjaften be3 3Sirtfje§ mit in Q5etrad)t gießen.
Sei orbnungSmäfeiger 23emirtt)fd)aftung, alfo bei einer 23emirtl)fd)aftung,
bie nad) ben Setjren ber SSiffenfdjaft tljeorctifd) unanfechtbar geführt
mirb, ift ber (Srtrag meift red)t flein, unb ein ^rofeffor ber Sanbmirtl)*
fd)aft mag barin bisweilen tjinter einem für bie &nnbmirtf)fd)aft üer*
anlagten s$raftifer, ber redjt menig gelernt tjat, gurüdfterjen, bie Sanb*
mirttjfdjaft ift eben eine Ä'unft unb feine SSiffenfdjaft.
933ill man bie 9?ate nad) oben t)in begrenzen, fo fcfjttefet man ber
lanbroirtf)fd)aftlid)en gäl)igfeit bie Srjür unb öffnet fie bem Kapital,
bie Gnnigfeit ber gamtlie, bie üielleidjt mit ^edjt auf bie £üd)tigfeit
be§ ©utSüberneljmerS ääf)len fann, mirb geftört unb alle $et)ler ber
ßuüielregiererei entftetjen.
Lamlw. Jahrbücher. XXVIII.
17
— 42 -
3n ber $eftlegung ber State täfjt fid) eine Verfd)ulbung§gren$e
ntd)t jtefyen.
SlnberS ift e3 mit ber 3e^- &cx tft t)on ^ajen feine 9?ebe, unb
fo uerfcfjroinben alle Ung(cid)l)eitcu unb Ungerecfjtigfeiten, bie eine
natürlid)c $olge ber £a;ren finb. 5öei Slnleiljen oon Kommunen fdjreibt
bie Regierung Slmortifation^roang, alfo Tilgung bor, unb man fönnte
bod) bei ben ^ommunattierroattungen fidjerer auf Drbnung rechnen,
at» bei bem einzelnen ©runbbefitjer; roill \)k Regierung ben ©runb=
befi|$ erhalten, fo roirb fie aud) t)ier nietjt baoor ^urüdfd)rerfen bürfen,
auf 5(mortifation gu rjatten.
9J?an tonnte fagen, eö roirb eine SfcormaUSimortifationätabelle
aufgerechnet unb nur banad) roerben Renten eingetragen. £)aS fcfjctnt
mir unpraftifdj; man roirb unterfdjeiben muffen, unb ha bieten fid)
3 klaffen bar:
1. bie münbelficfjeren Renten;
2. Renten, bie barüber rjinaug auf ©runb einer herein«
barung öom ©cfjulbner unb ©täubiger eingetragen roerben;
3. Renten, bie groang^roeife otme 3u[^mmun9 oe§ ©ninb*
ftütfbefitjerS eingetragen roerben.
S)tc münbetfidjeren (Selber fönnen möglidjft geringen 3in^ffufe lln0
eine Heine Slmortifation Don nur V2 ^ßrocent fjaben, \>a% roürbe eine
9(mortifationÄfrift oon etroa 60 Safjren bebingen; unb roürbe foldje
(Eintragung nur foroeit ftattrjaft fein, al§ bie äNünbelfidjerfyeit nad)=
geroiefen ift. 30?an fönnte burd) bie 51t erroeiternbe £t)ätigfeit ber
öanbfdjaft foldje ©renje finben ober aud) etnfad) buref) bie ©runbfteuer.
gür $erroattung§foften roäre ein befonberer betrag feft^ufe^en,
au£ bem bie ©rroerb^banfen ibjren ©eroinn fjaben, roäfyrenb etroaige
©rfparniffe bei ©enoffenfdjaften, alfo ber Sanbfdjaft, bem ©djulbner
fdjliefetic^ gutgefdjrieben ober auSge^at^t roerben.
SDie Renten, bie über bie Mnbelficfjerrjeit I)inauö auf ©runb
einer Vereinbarung eingetragen roerben, follten nidjt eine längere
®auer f)aben bürfen, al§ ein Sftcnfdjenalter. S)a nun ein Kapital
bei 3V*7o ßinäfuS unb IV« % Slmortifatton 35 Saläre jur Tilgung
bebarf, bei 2% aber 30 Satjre, fo fdjiene mir bie fcfjärfere gorm
rid)tiger, bajs fotdje Renten nicfjt länger al§ auf 30 Satjre eingetragen
roerben bürfen. (Snbltdj bie ätuangöroeife eingetragenen Renten follten
an bie grift oon 10 Sauren gebunben fein, roa§ einer Veräinfung
oon 3 72°'o unb etroa 9% 51mortifation cntfpridjt.
<pält man biefe griffen unrocigcrlid) feft, fo roirb bei oerftänbigen
©runbbefitjern balb ba% @infel)en entfteljen, bafj fie bie tjobjen Annuitäten
- 43 —
rridjt ,ut leiften octmögen, unb mo baä @infel)cn feljlt, mirb baä
3ntereffe ber ©laubiger ben l)ot)en Ärebit nicfjt gemäßen, irren fidj
aber beibe, fo bleibt ber ©runbbcfitj alö fold)er immer gefunb; beim
nad) ücrrjältnifjmäßig fur^er ^irtft finb bie ©crjulben amortifirt ober
fie faflen au3, unb ber ©rimbbcfitj bleibt leiftung3fät)ig. 3>n biefer
Scgrcn^ung ber geit ift bie natürliche 33crfd)ulbung§gren5e
gegeben, f idjer unb oljnc unerträgliche öärten. 9ßa§ foll
nun aber gefcfjefjen, menn ber ©runbbcfitjer bie 3af)lung ber föente
unterläßt?
@§ mufj ber Sventenpflidjtige ^tuangömeife jur 3a^un9 m'
gehalten merben unb baZ fann gefd)ct)cn
1. burd) 3roang3üermaltung,
2. burd) 3^ang§üerfauf be§ ©runbftüdä.
Sie 3roai19-,öerroa^un9 ^ätte 51t gefd)et)en baburd), bafs ein ©laubiger
bie SBerroaltung übernimmt, bem S3eft^er nur ben notl)bürftigen Unter-
Ijalt geroäfjrt unb au§ ben 9teinerträgen bie §u gatjlenbe Sftente bem
9?ange ber (Sintragung gemäfj begabt. ®a ber ©runbbefitjer unb
alle 9tentenbered)tigten ein Sntereffe baran tjaben, bafj ba§> ©runbftüd
nid)t oermüftet mirb, foHte bie $ermaltung bem erften ©laubiger
übertragen merben, ein äl)nlicf)e§ 9ted)t gur 3roan9§öerwaltung rjaben
auef) je|t bie Sanbfdjaftcn.
9f?eictjt ber (Ertrag bc<§ ©runbftüdS nid)t jur 3a^un9 au<er
9tente ju, fo fällt bie diente für baZ betreffenbe Satyr au§, ba%
unterbrtdjt jebod) nid)t bie Tilgung unb mirb ber 9lu§faH nicfjt auf
fpätere 3at)re übertragen, oielmetjr gef)t bie Tilgung meiter, al£ menn
bie State ge^atjlt märe.
SDa§ fct)etnt für ben ©täubiger fjart, ift aber nod) meniger tjari,
al§ menn bei 3TOQnQ-1ücrfauf bie ganje gorberung auffällt. (£§ fann
burd) beffere ßrtrüge in ber gufunft, burd) günftigen SSerlauf über-
aus anbern Urjadjen ber 9reft ber 9tente gerettet merben.
Seim 3tt,an9^Derfauf- oer bind) 23erfteigerung gefd)e()cn mürbe,
tjätte ber (Srroerber bie münbelftd)cren Renten 51t übernehmen, bie
anberen Renten mit bem Kapital, meldjeä ber nod) fälligen 9tenten=
pflidjt entfpricfjt, in ber <pöt)e feines ©eboteS ab^ulöfen, falls bie
9tente nid)t fo eingetragen ift, bafj fie aud) beim 3rt,an9^uer^auf
nidjt abgelöft merben foü. Sie überfdjiejgenben, meiter gel)enben
9tentenpflid)ten fallen aus, merben gelöfdjt, mie jetjt bie Kapitalien,
meiere beim 3tt)ang3üerrauf ausfallen.
Solche ©laubiger, beren 9ted)t auf 9tente nur 10 3af)re ober
meniger läuft, füllten auf bie 3rcan9goerraa^un9 befcfjränft bleiben,
LandV. Jahrbücher. XXVIII.
IT
— 44 —
nur mer auf längere $eit 9teri)t auf 9tcnte bjat, fann nud) 3^an9§;
Oerfauf beantragen.
Sie 10 jährige 3ttjan9göertuattung ift mot)t genügenber ©d)u£
gegen bösmitlige ©djulbner, bei ber furzen sJtente [oll aber bie
©tätigfeit be3 gamilienbefitjed nid)t 511 ©unften eine§ üielleicfjt nid)t
cinmanbsfreien ©läubigerö ^erbrocfjen roerben.
äftancrje ©laubiger, bie je£t geneigt finb, $lapttal=$rebit frü geben,
mcrben ficf) befinnen unter biefen 53ebingnngen 9tcntenfrebit 51t ge*
U)ät)rcn, unb e3 mirb baburd) bie natürlidje ©djulbengren^e im freien
$erfet)r [id) ergeben.
$aHt ber $rebit unb fallen bamit bie ©üterpretfe in geroiffem
©rabe, fo ift ba* eine ©efunbung ber SBerrjältniffe be§ ©runbbefit;e3.
2ln b,ob,em ©ut§prei§ liegt nur bem ^erfäufer, ber bamit aufhört,
©runbbefitjer ju fein unb Hapitalift mirb; bem Käufer, ber ©runb=
befifter mirb, ift mit niebrigern Kaufpreifen ebenfo gebient, mie bem
^Säd)ter mit niebrigern ^ßacfjtpreife.
©obalb bie äkrtjältniffe mieber gefunb finb unb menig ©runbbefit}
oerfäuflid) ift, mirb bann eine gefunbe '•ßreiSfteigerung mieber eintreten.
2)aJ3 bie fritifdje $eit für ben ©runbbefitj oerrjängnifeüoll fein
mürbe, fürdjte id) nidjt, bie ©laubiger mürben nid)t fomorjl im Sntereffe
be§ ©runbbefitjeä, als im eignen Sntereffe ficf) §urüdt)alten; benn fie
üerlieren bie 3lu3ftd)t, ibjre ©d)ulbforberung rjeim^ubefommen gang ober
tljeilmeife, menn fie gerabe in böfer $eit auf ,3al)lung brängen ; i>a$
ift fdjon jetjt Fjäufig ber ©runb für milbe§ Slbmarten.
^tc alten «riiulbeii.
(Sine fcrjmierige $rage ift e», bie jetjt öorfyanbene übermäßige
^erfdjulbung gu befeitigen, menn man ben .ßuftrom neuer ©Bulben
abgebämmt fyat.
Wan fönnte bie (Eintragungen mit bem 9?ed)t, mie fie eingetragen
finb, fteljen laffen unb iljnen ba§ 9ted)t auf iftadjrüden in hk an erfter
©teile burd) ?lmortifation frei gemorbene ©teile zugeben ober man
fönnte, mie man iftente fapitaliftert, ba% Kapital jmangSmeife in 9Jente
auflöfen unb biefe 9?ente mit x'lmortifation an ©teile bc§ Kapitale
etntragen.
©cgen ben erften SBeg finb Oielc Scbenfcn: bie faulen ©duilben
mürben fd)lief3Üd) auf bie erfte ©teile rüden unb fein merben, man
mürbe iljnen ein Stedjt jugeben, auf mcldjeS fie gar leinen Slnfprud)
Ijabcn, bafür aber auf fel)r lange $eit kern ©runbbettt} jeben 5trebit
— 45 —
miber Dtcdjt unb Sifligfcit abfd)nciben unb bamit minbcfteng §tt»et
©erierattolten ber ©runbbefiticr trcbitloS madjen unb in (Slenb bringen
ober bie 23efi£er burdj ben operatioen Eingriff in großer ßat)t üon ber
©d)üHe oertreiben. 25er 2Beg fdjcint mir nicfjt gangbar.
Setritt man ben anbern 2Bcg unb fetjt ba3 Kapital jttmngäs
meife in Diente um, fo ift biefer (Singriff mebjr formell als jadjlid) üon
einfd)neibenber SBebeutung. c3 mürbe audj leidjtcr, bie üieten
^mangSeintragungen ju üermetben, bie orjne ^meifel noc^) V®
leisten ?lugenbtid erfolgen merben, menn ba$> eingetragene Kapital
auf Soften be3 ©runbbefitjeä bie ©icfjertjeit in ber ^ufunft unbebingt
erlangen müßte.
(SS raufe zugegeben merben, bafe ber Eingriff in bie gorm, Diente
ftatt Kapital, sug(eid) ein (Eingriff in bie greifet beS Mapitatö märe,
biefer (Singriff gu ©unften beS ©runbbefitjeö ift aber nid)t annäljernb
fo einfdjneibenb, al§ bie Eingriffe, roetcfje fid) ber ©runbbcfitj, namentlid)
ber ©rofegrunbbefitj, 311m SBorjle beS ©taateS fo oft t>at muffen
gefallen laffen unb gmar mit 9ted)t, ba ber STfjeil fid) bem ©an^en
unterorbnen raufe. ®tc 2tufl)ebung ber §örigfett mar bod) nid)t nur
ein formeller, jonbern ein grofeer facrjlicfjer (Singriff.
Sie (Sinfüt)rung ber ©olbmäbjrung, bei meldjer bie in ©ilbermä^rung
gemachten ©Bulben nadj ©olbraätjrung gültig mürben unb nun fo
jurüdge^ablt merben muffen, belaftete ben ©runbbefitj bebeutenb. ®ie
^3atrimonialgerid)t§barfeit, ba$ greijd)u(5enred)t, ba% 3>agbred)t, ba$
(£d)anfred)t, ber 9Jtüh,tbann, üiele sJJed)te auf bem ©ebtet ber ftHrcfje unb
(Schule unb anbre mebjr mürben bem ©runbbefit} meift gan§ otjne ober
bod) obne au§reid)enbe (Sntfdjulbigung genommen, at§ man erfannte,
ba^ ba» 2Sot)l be§ ©an^en foldje Sluftjebung ert)eifd)te. (Srfennt man
jetjt, bafe baZ 2öcf)t beä ©taateg, bie suprema lex, ben (Singriff in
ba$ 9ted)t bes Kapital«, ber mefcnttid) nur ein formeller ift, erforbert,
fo barf man üor bem (Singriff nid)t ^urüdfdjreden. 2(eufeerftenfall3
fönnte man aud) bem Kapital eine grift geroä()ren, fid) au§ bem ©runb=
befitj ^urüd^ugieljen, menn eä bie neue gorm nidjt eingeben mill, unb
id) glaube nidjt, ba^ für ben ©runbbefitj in grofeem Umfange eine
@efaf)r eintreten mürbe, ba ba$ Kapital im eignen Sntereffe au3 ben
oben angeführten ©rünben Oorfid)tig fein mürbe.
gür einzelne gäUe märe ein (Snbe mit <5d)reden aud) ntdjt
fctjtimmer, a\§> ein @d)reden ol)ne (Snbe unb üorübergebjenb mit ^mifcfjen*
t'rebit 51t Reifen, mürbe ber (Staat morjl in ber £age fein.
®er SBibermiüe be§ SlapitalS gegen Slmortifation unb ber 9?ott)*
ftanb ber ßanbrairtrjfdjaft, ber üer()inbern foll, ba^ aufeer ber Minorate
LancTw. Jalnbüelier. XXVIII.
17
— 46 —
aud) nod) ein Xljeil ^ur 2lmortifation gc^atjlt werben fönne, ift nid)t
fo grofj, als behauptet luirb.
8n ber böfeften ßeit, melcfje bie Sanbmirtl)fd)aft beS S^reifeö
©nefen feit langer ^cit burd)gemad)t l)at, gehörte id) bem Kuratorium
ber ©nefener ©parfaffe an; nad) langen SScrljanblungen erft gaben
meine Kollegen im Kuratorium unb bie Verwaltung mir nad), baß ©par-
taffengelber gegen Wmortifation ausgegeben werben lonnten. ©ie
^)^potl)cfen[d)ulbner mürben bor bie $rage geftellt, ftatt 5% ginS
nunmetjr ö1/* diäte, baüon aber nur 4 V* gur SSer^infung unb 1% pr
silmortifation ju 3at)len, unb ber übermiegenbe £t)eil ber ©cfjulbncr
naljm biefen für fie fefjr üorttjetttjaften 2$orfd)lag an, ber 9teft mirb
wot)l nod) folgen unb neue ©d)ulben mürben nur gegen s,)lmortifatiottS=
Pflicht gemadjt, je^t werben nur 4% $inS un0 i«/0 5(mortifation alfo
jufammen 5% State geforbert.
SDie ©parfaffe Ijat bei 6 9J?iUioneu Einlage ben größten £t)eil auf
Jptopott)ef ausgeliehen, unb bie gufunft beS bäuerlichen 23efi£eS im Greife
ift hiermit in oiel fidlere 23at)nen geleitet, alS^'wenn bie ©cfjulben nur
üer^inft mürben unb bamit fterjen blieben. iftadj Satjren mirb baS
erft reerjt beutlid) werben. Man barf nicfjt behaupten, bafj eS ben
©runbbefitjern unmöglich fein würbe, neben bem $inS aud) bie
Tilgungsrate burd) Sanbwirtl)fct)aft IjerauS gu tjolen. ©oweit eS fiel)
um gering üerfdjulbete ©runbftüde rjanbelt, fällt ber (Sinwanb fofort
weg. §anbelt eS fid) aber um E)odc) oerfdjulbete ©runbftüde, fo muß
man wiffen, bafj fjier ber 3^nSfuJ3 icfet em fyörjerer ift, wie er fein
würbe, wenn bie $orberung aus ber unftdjereu §ötje in baS ©ebiet
mit größerer ©id)erl)eit nacrj unb naefj einrüden würbe.
33aS f)at je^t bod) ber üerfcfjutbete ©runbbefitjer an ben ©laubiger
§u gatjlen, bamit bie Äünbigung abgeroanbt wirb! ©iefe llnftdjerrjeit,
ob ber gäHigreitStermin t)inau§ gerüdt wirb, unb bie SSudjernjinfen,
bie ge^arjU werben, bamit prolongirt mirb, finb oft fcfjlimmer als
Tilgungsrate; babei will ber ©laubiger eigentlich baS ©elb gar nicfjt
tjaben, er fdjredt nur unb läfjt fid) in ben öcrfdjiebcnften formen
bod) SSudjer^infen 3al)len. ©ierjt man übrigens bie Unftcf)ert)eit.
welker ber ©laubiger auSgefetjt ift, baS 9?ifilo fein Kapital $u oerliercn,
fo ift ein crt)öt)eter ginSfufc als SScrfidjerungSprämie gegen SSerluft
faum ^u üerbammen. s-8ei SlmortifattonSrenten mit üftadjrüden in
bie freie ©teile ift baS 9tifilo aber weit Heiner, mittjin fann unb wirb
aud) bie ginSrate geringer fein.
2ßaS bie <pöf)e ber 3lmortifationSrate anbetrifft, fo rjalte id) bie
üorgefdjlagene feineSWegS für ,l)od). Sei ben münbelfidjeren Renten
— 47 —
id)lug id) nur V2% öor, bau ift burcfjctus erforberlid), wenn bte
Selcirjung nid)t gu aüjugrofecr 33orfid)t gelungen werben foH.
2Seld)e ©ntwidlung bte ©ruubftüdöwertrje unb beren Erträge
fünftid) fyaben werben, !ann 9?iemanb auf 60 Satjre oorau§fet)en, nur
bte s2lmortifatton faim l)ier bte nött)tge ©tcrjerrjett gewähren; benn
gerabe bei böfen rüdläufigen Reiten ift ber ©runbbcfit3 am wenigften
in ber Sage, abgugafjlen ober größere ©idjerfjett 311 gewähren.
3n ?Inbetrad)t ber fetten .<pt)pott)efen ift eine 2lmortifation§frift
öon 30 Sauren aud) genügenb lang. 30 Satire finb ein 9ftenfd)en*
alter, unb wer in biefer $rift bie ©djulb ntc£»t tilgen will, t)at !ein
?lnred)t auf Sfrebit in ^weiter ©teile; ein ©efdjäft, weldjeö baju
feine ?tusfid)t gewährt, ift nicfjt empfet)len§mettt), man foH es
unterlaffen.
gür bte 5Wang3Weife wiber ben SSiüen be£ ©runbbefitjerö
eingetragene 9vente ift eine 2)auer oon 10 Sarjren aber fdion weit-
getjenb. ©oldje ©djutben finb eigentlich gar nidtjt mefjr ©runb*
fdjulben, fonbern e£ finb perfönlidje ober Söirthjdjaftäfcrjulben be§
@runbbefit3er§ alä Sanbwirtrj, unb wenn tjier ntd)t in 10 Satjren
Tilgung erfolgt, fo ift e§ in ber Xfyat leicfjtfinnig gewefen, bie ©crjulb
p fontrafyiren, unb e§ ift an ber geit, gwangSWeifc bie Seitreibung
51t bewirfen.
©inb bie Duellen be§ ftet§ neuen $erfd)ulbung burd) @in*
fitl)rttng ber natürlichen SßerfdjulbungSgrense üerftopft unb tjat auf
Diefem SSege bie ©efunbungbeä ©runbbefttjerä begonnen, bann, aber aud)
erft bann ift e§ ,ßeit, bafj ber Staat tjelfenb eintrete, bafj alfo aud) bie
anbern ©tänbe bem ©runbbefit; beiftetjen; benn e§ rjanbelt fid) nun
nid)t ntefjr um eine bauernbe Saft, fonbern um eine furje fpanne geit,
in ber bie ©enefung burcf) befonberö fräftige Sftarjrung geförbert
werben mufj.
2)ie Jpauptfacfje aber wirb ber ©runbbefit) ober ber Sanbmirtt), welche
bd un£ ja meift in ber ^ßerfon jufammen fallen, fel&ft tt)im muffen,
unb Wenn e3 gelingt in fdjwerer Slrbeit eine§ 9ftenfcfjenalter§ bie
©ünben ju tilgen, weldje ber SRifebraud) ber f^rettjeit ein Safyrrjunbert
lang begangen fyat, fo ift aüe§ erreicht, tvaZ man billigerweife troffen
fann. 2)a3 ift fein S8orgef)en, für weldjeö fid) bie Waffen begeiftern
laffen; meinen Söorfcfjlägen wirb nidjt fo jugejubelt werben, al§ wenn
man ler;rt, bie Regierung tjätte e§ in ber £>anb burd) golU un0
@efe|e§beftimmungen bie 9?otl) ber Sanbwirtt)fd)aft §u t)eben, aber bie
Regierung fyätte nur SBorte, feine Srjaten, mit benen fie ba§> $ßot)l-
wotlen für bie Sanbwirtfjfdjaft unb ben ©runbbefitj bewiefe.
Landw. Jahrbücher. XXVIII.
17
— 48 —
bleiben bie ©djulben befielen unb madifen [ie raeiter, wie bt^^er,
jo fyat feine 9tegicrung bie ©eroalt, bie Iftotb, üon ben ©runbbefitsern
fernzuhalten. $m eignen Sutereffe, meldjeä batjtn geb,t, einen leiftungö*
fähigen unb mäfjig üerfdjulbeten ©tanb ber ®rmtbbefi$er als ficf)erfte
©tütje fid) 511 erhalten, foüte bie Regierung bem mafjlofen ©d)ulben=
mad)cn einen Siegel üorfd)icben unb neben bem 9iect»t auf ©djutben
machen bie ftrenge ^flid)t ber ©djulbentügung burd)fül)ren.
©eroifj fönnen. bie b^oben Beamten in ben 9ftinifterien für Sanb*
mirtfyfcfjaft unb ginangen, getuifs fönnen fo gelehrte ^rofefforen mie
(Sonrab ober ©ering, mir üiele ©djmierigfeiten in ber ®urd)füt)rung
Don mir gemad)ten 93orjd)läge nadjmeifen, aber gerabe fold)e Sperren
mürben aud) Ieid)ter unb fid)erer bie Mittel finben, mie bie ©djmierig*
feiten 51t überminben finb, al§ ber einfache praftifdje Sanbmirtf).
D. d5utögcfdiid)tett.
1* SRmtfttt (Rittergut im Greife $t)ri£).
©röfje 822 £eftar. ©runbfteuer^einertrag 17628 Sfiarf.
3>n ber 1784 erfd)ienenen Sefdjreibung üon ^ßommern lögt fid)
33rüggemann über bie§ ©ut mie folgt au§:
„S'caulin, V4 SJieüe üon $t)ritj gegen ©üben, an einem ©ee, i;at
2 Sormerfe, meld)e je£t in einem bereinigt finb, 1 2Baffermül)le,
9 S3auern, 12 ßoffättjen, 1 ©djmiebe, 1 ©cfyulmeifter, eine p ber
^ßl)rt^'fcr)en ©rjnobe gehörige Slirdje, meldje ein $ilial üon Äöfelitj
ift, guten SBeigenader, feine jpolgung auf ber ^elbmarf, aujgerfyafb ber*
felben aber ein 9?eüier in ber Stielten tinfdjen §eibe, t>a% Söenbfelb genannt,
grenzet gegen Often an bie S^eumärfifdjen Dörfer ßremlin unb
Sreberlom, gegen Sorben aber an bie !>fteumärfifd)en Dörfer Sftellentin
unb ^ßitjermitj, unb gehörte efyematö tt)ei(§ gu bem 'Sßtjritj'ftfjen Äreife
in ^ommern, tt)eü§ gu bem ©olbin'fdjen Greife in ber 9£eumarf. $u
bem erften mürben, aufjer ber $ird)e, nur 2 dauern unb 2 ®offätt)en
gered)net. Son ben übrigen eb,emal§ gu bem ©olbin'fdjen Greife ge=
porigen (Sinmofjnern befitjet ber 3ot)anniteiorben 5U ©onnenburg
2 Sauern, unb bie ^tjrtfc'fdje sJO?auriticnfird)e 2 Sauern unb 1 <galbbauer.
Se^t getjöret bau gange 25orf -ftaulin 511 bem <gergogtl)um Sommern,
nadjbem ber $önig burd) bie ftabinet^refolution üom 3. 3uniu§ 1780
üerorbnet l)at, ba$ aud) ber bisherige 9£eumärfifd)e £b,eil biefeä
■
— 49 —
Dorfes unter ber ^ommer'fdjen ©eriditsbarfeit ftefjen foll. 9Jaulin
tft ein Jpagen'fdjes £erni, meldjeä oon §an$ oon £>agen 1409 befeffcn
mürbe unb erjcmalS aus 2 Einheiten beftanb. (Sin Sfjeil ober 9£aulin
(a) tarn üon bem Generalmajor £>an§ Soadjtm oon §agen an feinen
Sorjn, beu Slamtnertjerm 25ubiälao s$l)ilipp oon §agcn unb fiel nad)
beffen £obe am 22. gebruar 1749 feinem einzigen <3ol)ne s$l)ilipp
©igiSmunb oon §agen ju, melier biefcS ©ut, unb jmar foroorjl, roaS
baoon in 'ißommeru als in ber ^eumarf liegt, nad) bem $ergleid)e
üom 20. SuniuS 1749 bem Hauptmann Sßaron öon Scfjulg uerfaufte.
9?ad)bem eS Ijtcrauf in ÄonfurS geraden unb jutn geridjtlicfjeit $er-
fauf gefommen mar, mürbe ber $ommer'fcr)e unb üfteumärf'fcfje jttjeil
bicfeS ©uteö gugleid) mit bem ^eumärfifdjen ©ute *ßtfcernnfc nad)
ben StecrjtSfprüdjen ber ftönigl. Regierung oom 21. 9coüember 17(55
unb J. äRarg 1770 bem Hauptmann ©amuel griebrid) oon (Seriell
3ugefprod)cn, worauf fiel) ber ftriegSratrj Gart griebrid) uon §a9cu
unb bie in SlriegSbienften fteljenben 5 ©ebrüber alS: Sorjatm (Srjriftian,
Siegmunb ?luguft, (Sari (Srnft. ©corge Sßilrjelm unb ?übred)t @ott=
lieb oon §agen am 12. Dftober 1773 beS ibjnen in 2lnfef)ung biefcS
©uteS juftc^enben ©ucceffionSredjtS unb ber sMtbelef)nfd)aft für einen
?lbftanb üon 2000 9tu)lr. in altem ©elbe begaben, ©inen aubern
Xrjeil biefeS ©utS ober üftaulin b erbte ber Cberft <ganS Siegmunb
oon §agen oon feinem $ater, bem Sanbrattje be£ ©olbin'fc^en
ft'reifeS ^tibo ßrjriftopb. Oon §agen, unb t)inter(ie§ it)n feinen Ätnbern,
wefcfje fid) am 11. Dftober 1771 alfo üergltdjen, bafj biefcS ©ut beut
Sieutenaut beS §er(^ogl. 23e0ern'fd)en Regiments Seopolb (Sljriftopl)
oon £>agen gufiel. tiefer uerfaufte Scaulin b unb jmar foroorjl beu
^ommcr'fd)cn als ehemaligen ^eumärfifcfjen £rjeil nad) bem SBergletdje
oom 21. SsuniuS 1779 bem Hauptmann ©amuel $riebrid) öon ©ct)ä{$cll,
melier babjer jefct baS ganje Dorf Sftaultn, mit SluSfdjliejjung ber
bem Sotjanniterorben gu ©onnenburg unb ber ^rjrit/fdjen Sftauriticu*
fircfje zugehörigen §öfe, befi£ct."
hiermit enbet ^rüggemann'S 23efd)reibung.
Den neumär fifcfjcn Slntfjetl 9taulin a t)afte 1770 ber §aitpt*
mann «Samuel griebrtet) oon ©djäfcell für 28,600 Srjlr. erroorben unb
aufcerbem 2000 £t)tr. für SerjnSabfinbung be^lt. Statin b unb c,
meldjeS nad) bem DrbenSleljuSbrief oon 1595 bie £>agen als ein ?lfter=
lef)n beS SorjanntterorbenS befafceu, mürbe 1779 für 23,500 Xrjlr. oon
bem Hauptmann Samuel oon ©erjä^eü gleichfalls erfauft.
Da§ ganje ©ut foftete mithin 28,600 -f 2000 + 23,500
= 54,100 Xtjlr. (Samuel oon Sc^ä^cH Ijeiratfjete ein ^räulein Pon
SJJenbovff, St^ufbentlaftiiiifl i>el liiub;ii(jen (Snintüefinc«. 4
Lancfw. Jahitücher. XXVIII. 17
— 50 —
StdjnotoSfa unb erbeutete ba3 Ijerrjdjaftlidje 333olml)au3, roogu er oon
bem <pcrrn üon Ütanbabcn 8000 £f)lr. anlief). 2)ie ©ct)ulben waren
nunmerjr:
1. «ßfanbbriefe auf SGaiiltn a = 18,925 %f)U. Mourant,
2. $fanbbriefe auf SRaultn b c = 15,225 „ in ©olb,
3. $ aufgelberrcft f. S. ©. 0. §agen = 2,595 „
Sdjitlb an Don SHeinbaben
= 8,000
Sm Satire 1804
übernahm als (Srbe
Sa. 44,745 %\jlx.
üerftarb (Samuel oon (SdjätjeU unb bas ®ut
ber Hauptmann griebrid) üon Seriell für
70,000 %{)lx. tiefer übernahm bie ©djulben mit
unb liefe für bie 9ftiterben Ulrife üon Scrjätjell .
9Imalie Don Scfjätjell
44,745 £tjlr.
7,282 „
7,256 „
1,742 „
1,696 „
62,721 £t)lr.
(Sari oon (Scfjätjell .
Caroline üon Sd)ät3e[l
eintragen, t)atte mithin
©Bulben.
Sn btefer $eit würben bie dauern frei erflärt unb babet aud)
motjl eine anbere 5luäroeifung be3 bäuerlichen 'ülderS üorgenommen,
fonft ftnb bie ©renken üon ^aulin feit ber $eit nid)t trefentltcf) üeränbert.
©ctjon im Satjre 1812 ftarb audj griebriefj üon ScfrjätjeU unb
I)interlieJ3 eine SSittroe unb 5 minorenne Äinber.
3sn ben böfen ÄrtegSjeiten unb bei ber großen ©djulbenlaft mürbe
bae> @ut oormunbfcfjaftlid) üerüacrjtet, aud) eine Snüentur aufgenommen.
2)em ^äcfjter mürben at§ eiferner
23eftanb 1814 übergeben:
^ferbe ....
für 371 2t)lr.
9ln «Saaten:
Dtiubüiet; ....
„1054 „
9 Sßigpel SBetjen
(Sdjmeine . . .
« 70 „
3
Joggen
Sdjafc ....
„ 1311 „
13
©erfte
5lcfeigcrätl) . . .
„ 91 „
17
§afer
Söetten u. §au§5eug
„ 60 „
1
„ 20 Scfjff. ©rbfen
Sin Tupfer, Steffeln
6 „ §anf
unb Slafen . .
„ 250 .,
13
13 „ Sein
Sa. 3207 Xlitr.
„ 4 „ Kartoffeln.
SDen $actjtprei3 tonnte id) nirfjt ermitteln.
1832 mürbe Sftaulin mieber üerpadjtet an ben Slmtmann Schlüter
für 4131 Stjtr. einfdjltefelid) 100 Xrjlr. in ©olb.
^ßädjter t;atte aufeerbem ber Sßittroe üon Scfjätjell ein Seibgebinge
§u geben üon V/2 SBtSpel Joggen, 6 Steffel Soeben, 1 Stfjeffel
Uh
/
51 — ji
~ /
(Srbfen, 1 fetteö ©cfjmein ^u 150 «ßfb. im Sßerttje öon 10 %\)\x. unb ^
eine Leibrente öon 260 ST£)lr. baar.
^äcrjtcr fann eine Brennerei bauen neben ber üorfyanbenen traueret
unb auf ,3tnfen un0 Sauten :c. bie 'ißacfjt üerrecfjnen bi§ auf 500 Srjlr.
93erpflegung§gelber für bie <5cfjä|3eirfcf)e gamilie.
9J?itt)in finb, ba bie ^Brennerei gebaut rourbe, roorjl nie mefjr al£
500 $t>lr. ge§af)lt.
©egen einen beftimmten Vtbftanb mußte ber ^äcfjter öon ber ^ßaerjt
gurücEtreten. £>abie gorberungen beS ^ädjteräroucrjfen unb feine 5(u§fid)t
mar, bah ber einzige ©ot)n Lieutenant gerbinanb oon ©cfjätjell ba§ ©ut
übernehmen fönne, frfjrttt bie $ami(ie öon ©djätjell 1838 gum SSerfauf.
Sttein «ater (Sbuarb SSenborff faufte Sfaulm 1838 für 92,700 3$lr.
(Sr übernahm bk öcfjulben mit 62,721 Xt)lr.,
liefe für bie ©crjä^elt-örben ftaufgelberreft .... 9,979
eintragen unb garjtte baar 20,000
Sa. 92,700 £t)h
9J?etn SBater mufete bem ^äcfiter ferner garjlen . . . 19,000
al§ $ad)tabftanb unb für (Srfyörjung beä Snüentar-
roertt)e§; atfo ©utStoertt) mit Snüentar . . . = 111,700 „
£)a§ Snüentar betrug 1839 laut Saje:
32 ^ferbe im SBerttje Don 1,441 Xtjlr.
3 Süllen „ „ „ 130 „
26 Äülje „ „ „ 675 „
32 Ddrfen „ „ , 1,537 „
18 grofee ©tfjroeine im 3Sertt)e öon . . 114 „
3182 ©cfjafe , . . 6,060 „
tobtet Snüentar (16 Sßagen, pflüge, §acfen,
(Sggen, ©talljeug, 9J?olferei= unb <£>au§=
gerät!)) im SSertfye öon . . . . • . 873
Sa. 10,830 %\)\x.
2ln ©aaten mürben übergeben: Sflarftpreis &ro Steffel
30 SßiSpel Soeben, üierfütjrig beftellt, 1 %tyt. 14 ©gr.
11 „ Joggen, „ „ 1 „ 5 „
5 „ ©rbfen, gmetfütjrtg befteüt, 1 „ 12 „
15 „ ©erfte, „ „ 22 „
26 „ §afer 25 „
2 „ SBicfen
6 ©cfjeffet Sein
3 „ §anf
46 2öi§üel Kartoffeln 15 „
Laucfw. Jahrbücher. XXVIII. ■> -
— 52 —
sD?ein &ater fyatte 1857 bau ©ut 3öäiec^0lüa gcfauft in ber
"9lbfid)t, e§ feinem älteften <Sot)ne ©buarb grieDrid) 51t übergeben. £>a
mein Sßater aber fd)on 1859 ftarb, übernahm ber ältefte ©otjn Sftaulin
erft in 2lbminiftration, bann in ^3ad)t, 1871 in (Sigentljum. 9iadj
meinem SSater hinterblieben bie SSittme unb 9 ftinber.
$er Kaufpreis 1871 betrug 246,000 $l)lr. unb mürbe ruie
folgt belegt:
an s$fanbbrieffd)ulben mürben übernommen . . 104,775 £t)lr.
an anbern ©cfjulben (0. ©cfjätjell :c.) .... 16,506 1/2 „
für bie Sterben mürben eingetragen .... 100,718
auf baS $atererbtl)eil angerechnet . . . . . 10,000 „
unb baar ge^atjtt . 1 4,000 'A „
Sa. 246,000 Zfyh.
2)a narf) Vertrag mit ber benachbarten ßutferfabrit; ftarfer
Rübenbau betrieben mürbe, ging bie SSirttjfcfjaft fetjr gut. £>er 9Jein=
ertrag ift mir nid)t befannt, id) fc£)ä^e itjn auf 15000 j£f)lr. 5113
ber Ütübenlieferungöoertrag 1890 abgelaufen mar, mürbe 1890 eine
Brennerei gebaut. s2lber fction 1894 oerftarb mein S3ruber unb tjinter*
liefe feine fintier, jonbern nur eine SBittme, meldjer ber Dftefebraud)
beg SrbeS oermacf)t mar, mätjrenb bie 8 ©efdjroifter bie ©rben mürben.
jDurct) Xaj:e angefetjener @ut3nad)baren mürbe ber 3Bertf> oon
9?aulin 1894 auf 320,000 £f)lr. = 960,000 2Jcf. feftgefetjt unb id)
übernahm $>a§> @ut gu biefem greife in @igentt)um.
£)ag Slaufgelb mürbe belegt mie folgt:
(£§> mürben übernommen ^fanbbrieficrjulben . . 434,325 SOJf.
anbere, f)auptfäd)lid) gamilienfd)ulben .... 90,000 „
für meine Sterben unb mid) mürben eingetragen
C3tn3gemife für bie Söittroe) . . . . . . 324,000 „
Sa 848,325 Wd.
= 282,775 Srjlr.
©er 9teft mürbe baar be^atjlt, auefj etmaö auf Sanon oerredjnet.
93ei geftlegung einer $erfd)ulbung3gren-!|e märe eine fo tjorje ^er*
fd)ulbung jebenfallä nietjt §uläffig gemefen unb rjätte ba£ ©ut ber
^amilie nicfjt erhalten bleiben fönnen unb bod) ift ba§> ®efd)äft ein
burd)au£ folibeö.
(Sin großer Xrjeil ber ©djulben ift fd)on jcUt mein ©igentljum
unb ftel)t nur megen be<o ginögenuffeS eingetragen, bie "jpfünbbrtef-
fdjulb amortifirt fid) unb -jubem finb bie Reinerträge fteigenbe, [obajs
ber gan^e Kaufpreis fid) gut öerjinft.
— 53 —
tu
/
*£)te Reinerträge maren:
1894/95 53,880 9D?f. .
95/96 53,670 „
96/97 54,494 , im 2)urrf)fd)mtt 65,720 SD?f.
97/98 64,091 „ l
98 '99 102,475 „ '
®ie (Sntmitflung im uerfloffenen Saljrrjunbert ift atfo fo:
«Steigen be§ ©ut3tt>ertt)e§ r>on 70,000 $t)lr. auf 320,000 Ifjlr.
ber «Rente „ 4,000 ,. „ 21,000 „
S)te Snoentur, h>eld)e ju ferjr mäßigen ©ätsen alljä^rltcf) oor=
genommen nrirb, betrug am 1. 3ult 1899:
©ebäube .... 301,028 SRI
lebenbeä Sntoentar . 87,313 „
tobtet „ . 20,454 „
2Wafd)tnen . . . 12,018 „
S3rennereietnrid)tung 29,017 „
(Saaten .... 38,183 „
481,013 mt
Söeftänbe .... 7,887 „
7,887 „
Sa. 488,900 O/cf.
= 162,966 Srjlr.
8ln Sßtet) mar üorrjanben:
TOart löaiet
sterbe 67 i. SSertbe ö. ca
.24,000 = 8000
9ftnböie£) 213 „ „ „ „
60,000 = 20000
©ctjafe 1098
21,000 = 7000
@cf,meine 182 „ ,
9,000 = 3000
Sa.
114,000 2ftf. = 38,000 It)lr.
2)ie jetzige grutfjtfotge ift tote folgt:
1. Sßeijen
fdjroacfjer ©tallbünger
2. »en unb Kartoffeln
©taUbung
3. ©erfte, £>ülfenf rückte
4. Joggen
fünftlicfjer £>ung
5. Kartoffeln
©tatlbünger
6. Sommerung
7. Klee
8. Setjen
©tallbünger
9. ^üben
fünftlicfjer 2)ung
10. Kartoffeln
©tallbünger
11. ©ommmerung
12. Klee
r.umlw. Jahrbücher. XXVIII.
— 54 —
3m Saufe be§ 3al)rl)unberts f)at fidj ber 2Sertl) be§ ©uteö aller-
bingö audj burd) Skrbefferungen faft t»erfünffacf)t , ctroas ftärfer
nod) ift bie Diente geftiegen, ber 2Bertf) bes lebenben 3noentar3 tjat
fid) toerjetjnf ad) t, ber SSertf) be§ tobten 3nüentar3 aber tjat fid) faft üer*
t)unbertfad)t.
3» ;{crf)mt (frütjer gbäiecrjoma — üWacuif genannt),
felbftänbiges Sanbgut im Greife ©nefen,
©röfee 572 £eftar mit 7865 Wlt ©runbfteuer=$einertrag.
ätfan fagt, tafa bie Dörfer gbjiecrjoma unb sJJcacnif, mie bie meiften
Dörfer um ©nefen, früher bem ergbifctjöflicrjen 2)om=@tift in ©nefen
pgetjörten, bie Elften tjabe id} jelbft nidjt einfetten fönnen.
9Jär tyat eine Sßertjanblung oorgelegen, monad) 1805 aus jebem
£)orf je ein £omainenüorroerf gebilbet mürbe unb baneben in jebem 2>orfe
eine größere Sln^a!)! oon freien Bauernhöfen ausgeroiefen mürben; alle
biefe©runbftüde unterftanben bann bemftgl. SDomainen^lmt 9ttnid)omo.
2)ie fübpreufjifctje $eit bauerte nid)t lange oon 1795 bis 1807,
oon 1807 big 1815 gehörte ©nefen mieber gum ^erjogtrjum 2Sarfd)au.
3m SBtener ^rieben 1815 fam bie ^ßroDina s^ofen mieber §u
spreufjen unb bie SDomainenoormerfe mürben 5unäd)ft auf fürgere &\tf
bem unb jenem, oerpacfjtet.
3m 3af)re 1826 mürben bann beibe ©omainenüormerfe gb^ieerjoma
unb üDiacnif bem Sanbratt) bes Greifes Obornif Sperrn Stftarcian Seo
Don ©fr^hpna Xroarbomsfi in (£rbpad)t gegeben.
Srbpäcrjter füllte an Äanon unb ©runbfteuern pfammen ftetS
700 j£t)lr. äal)len unb ta bie ©runbfteuern bamals 120 SEbJr. betrugen,
tjatte ber Äanon bie £)öt)e öon 580 Stbjr.
2)ies Slbfommen führte in ber $o!ge bei ©infürjrung anberer
©runbfteuern §u üiel ^ßro^effen, bis enblid) ber $anon buref) Kapitals*
gatjlung oon mir gan§ abgelöft mürbe.
3m 3af)re 1826 mar ßbgiecfjoma aufjer bem (Srbpad)tSfanon oöütg
fdjulbenfrei; ha bei Sanbratt) öon StroarbomSfi aber an bie ©ötjne
unb ©ctjmtegerförjne baS ©ut auf einzelne 3a£jre oerpacfjtete, ging bk
2öirtt)jd)aft gan^ gurütf, unb q!§ ber Sefit^er 1856 ftarb, maren
22,555 Xfjlr. meift für frembe ©laubiger eingetragen unb ber fapitali*
fierte Äanon mit bem Sßerttje oon 12,616 STrjlr. Qu btefer geit ftanb
ber aus 9?aulin gebürtige Hauptmann oon ©d)ä£eü tn ©nefen unb
Oeranlafjte meinen ^ater, ben 53efit$er oon *Rauiin, gb^iedjoroa fur
69000 Xtjlr. 5U ermerben, baS mar im §erbft 1857.
— 55 —
Wein Leiter übernahm ben ÄanonStoertt) . . = 12606 Xrjlr.
bie Imarbom3ii'fd)en ©crjulben mit = 22555
für minorenne ö. £njarbom§fi'fd)e ßrben mürben . 4175
eingetragen, ber 9?eft mit 29664 „
mnrbe gejagt. Sa. 69,000 £f)!r.
Wein SSatcr fing nun fräftig an, ba% ©ut empor 511 bringen,
obroorjl er in Ufaulin blieb, aber fcfjon nad) anbertrjalb Sauren ftarb
mein 93ater im gebruar 1859.
9?un mürbe bie Söirtrjfdmft mieber fdjmädjer geführt, bi§ id) als
ganj junger Wann Don 23 Sabjren bie SBermaltung 1864 übernahm.
Set) taufte bann oon meinen Witerben gb^iedjoma 1866 für
89,105 2f)lr., alfo für 20,000 £t)lr. über ben Kaufpreis Oon 1857,
ba ein Sauert)of im 3af)re 1859 für 1800 Xtjtr. tjinjugefauft mar
unb t>a§> ©ut annät)ernb fooiel gufdjufe erforbert tjatte. 3dj über-
nahm bie alten <2d)ulben =22680 1t)lr.
liefe für meine Witerben eintragen 43809 „
berechnete ben $anon mit 12616 „
unb erfnelt auf mein (Srbtfjeil . 10000
Sa. 89105 %tflx.
2l?äl)renb ein Wontfcrmifer 53auernb,of 1859 für 1800 £t)lr.
getauft mar, taufte id) einen gleiten SBauernfjof 1871 für 3300 %rjlr.
unb fjeute foftet ein gleicher Sßauerbjof in Wontfd)nif- toofjl 9000 %i)h.
greilid) (inb bie ©efjöfte je|t in befferm Staube, e§ ift SSarjnrjof ganj
in ber 9?ät)e, unb e§ ift aud) biet bcffereS Snüentar üorrjanben, immer*
tjin ift ber 28ertt) ber 23auernrjöfe minbeften§ ebenfo geftiegen, mie
ber SBertt) ber ©üter.
3)a id) äimädjft tuet gu bauen, Snoentar 51t befdjaffen unb 311
brainiren tjatte, tonnte icfj nidit balb baran gebjen, bie Srfnilbenlaft gu
oerringern. 9?ad)bem ba3 (Srfte beforgt mar unb id) ben Stanon ab-
gelöft rjatte, mürbe ba$ ©ut lanbfdjaftltdj auf 404,200 Wf. abgefegt,
tet) erhielt 202,100 Wf. geliehen, tonnte bamit meine <prjpotl)efen=
fcfjulben begabten unb f)atte nunmerjr auSfdjliefslid) amortifable Sdjutben.
^8or bem Sabre 1860 tonnte 3ecfjau bei ber ungeregelten Sßtttrjfdjöft
morjl faum nennen§roertt)e Renten abgeben. ®ie Renten au3 ben
3at)ren 1860 bi§ 1893 finb in bem Vortrage 00m ©e^ember 1893
angegeben unb laffe id) bie Reinerträge oon 1893 — 1899 t)ier folgen:
93/94 = 29427 Wf. 96/97 = 23186 „
94/95 = 21426 „ 97/98 = 57687 „
95/96 = 24759 „ 98/99 = 51050 „
Landw. Jahrbücher. XXVIII.
17
— 56 —
£)ie Snüentur üon 3ec*)au ^c§ bei jeljr oorftdjtigcr ?(nrcd)nung
1899 nadj:
©ebäubeinüentar 192173 3»f.
IcbcnbeS Snüentar 56926 „
tobteS Snüentar 20873 „
©aaten 58820 „ 328,792 2Rf.
ba^u Seftänbe 4,293 „
2ln SSiet) mürben gejault: Sßferbe unb $ot)ten 58 ©tücf
9tinbüie(j ... 114 „
©tf)afe . . . 1065 „
©djroeinc . . . 115 „
£)ie grucfjtfotge tft je|t wie folgt:
1. Söinterung fdjmadjer ©taHbung
2. 9?üben fünftlicrjer Sung
3. Kartoffeln ©taHbung
4. ©erfte, §ülfenfrüc£)te
5. Joggen fünftticfjer 2)ung
6. Kartoffeln unb Drüben ©taübung
7. (Sommerung
8. Klee
2)a8 in bem Vortrage Don 1893 unter 9?r. II ermähnte ©ut habe
idj meinem älteften ©orjne für 300000 9)?. übergeben, ber e§ aber
balb für 340000 weiter üerfaufte.
3, <*iri)l)df (früher 2)embtomo genannt),
ab(ige§ Sanbgut im Streife ©nefen,
mit 260 §eftar unb 3337 Sftarf ©runbfteuer-föeinertrag.
©emblomo, abtig, gehörte gu bem ©ute SKobU^eroto unb mürbe
mit biefem 5ufammen 1835 üon bem £r)abäu£ oon 2Sefier§fi für
87,000 £rjlr. getauft. ©ann mürbe "bciZ fönigtidje Former! SemMomo
mit ca. 230 borgen für 3000 Xt)Ir. unb Uebernafyme eine§ Kanon
Oon 148 £fjir. im Sarjre 1852 fjinjugerauft.
1863 mürbe ba§> bereinigte SSormerf fönigfid) unb abiig £)em-
bloroo für 40,000 £f)tr. an ben £>errn Sluguft üon SubomcSft üerfauft
unb üon bann ab beftet)t erft ba% ©ut ©emblomo in ben jetzigen
©renken.
igerrn üon Subomr^Ii mürbe ber Kauf balb leib unb er überrebete
mid), ber id) bamatö jung unb nnternel)mung§tuftig mar, gu bem für
— 57 —
meine bamaligen $ermögenguerl)ä(tniffe redjt gesagten Kauf öon
Semblomo, meld)e§ mit $ed)au faft grenzt.
3dj jaulte 57,000 %£)lr. unb übernahm aufeerbem bie Sßflidjt, ben
Kanon gu *at)len, alfo -j- 3000 = 60,000 $f)lr.
SDiefer Sauf mürbe 1867 abgefcfjloffen.
Scfj bemirtl)fd)aftete ©embtomo al§ $ormerf öon $edjau bi§ 1884
unb oerfaufte e§ bann an einen §errn de. für 80,000 Stfjtr.
®a§ ©ut mar 1863 gu 34,000 Sfjlr. lanbfd)aftlid) etngefdjäfct
unb mit 17,000 Sfjtr. ^fanbbriefen beliehen, üon benen 1884 über bie
Raffte amortifirt mar.
2>er Kaufpreis oon 80,000 £t)lr. = 240,000 Tit. mürbe, mie
folgt, belegt:
Kanon circa 9,000 TU
^ßfanbbriefc gelten noefj circa 23,000 „
2)iberfe @d)ulben 18,000 „
$ür mid) mürben eingetragen 120,000 „
£>err 3B. gafjlte baar . 70,000 „
Sa. 240,000 Tit.
$on mir maren gmar bie UBirtf)fd)aft§gebäube unb ba§ Snüentar
uerbeffert, bie 2(ecfer audj grofeentf)eil§ brainirt, für ben Komfort
l)atte icfj nid)t§ getfjan, ber neue ©efitjer bauete ein 2öoi)nrjau§, legte
ben ©arten an unb liefe, al§ baZ ©ut fo gefd)tnüdt mar, baffelbe
mieber tanbfcfjaftlid) abferjätjen. $)ie Sanbfdjaft fdjätjte e§ nun auf
203,000 Tit. unb bettet) e§ mit 101,500 Tit. Sanad) mürbe baZ ©ut
auf ©runb einer gerid)tlid)en (Srtragötaje, bie mit 300,000 Tit. fdjlofe
unb fid)er §u rjod) mar, üon ber ©öarlaffe mit meiteren 98,500 $M.
beliehen, bie alten ©Bulben mürben gmar be§at)ltf aber ba§ ©ut mar
mit 200,000 Tit. überfcfjulbet, lonnte neben ben 6d)ulben§infen bk
Soften für Unterhalt ber gamilie unb ©rgieljung ber Kinber nid)t auf-
bringen. Sagu traten nun nod) llnglüctefäHe, namentlid) bradj ber
9?o§ unter ben ^ferben au§ unb e§ fam 1896 gur ©ubfjaftation-
£>a§ ©ut mar in feljr traurigem $uftanbe, Qong °^ne 3Ste^>, nur bie
ro|franlen $ferbe maren gurüdgefürjrt, batjer aud) oljne £)ung, objne
gutter unb orjne ©aatgetreibe unb Kartoffeln.
©o übernahm e§ bie ©parfaffe am 1. SIpril für 175000 Tit.
£>a bie <&aat%eit begann, oerlaufte bk ©parfaffe mir ba% ©ut mieber
für 178000 Tlt -f 9000 Tlt Kanon = 187000 Tit. 3d) liefe ba§,
le|te $ief), bie ro£franfen ober roijüerbädjtigen $ferbe unb $of)len
fämmttidj tobten, ©efdjirre unb ©taüutenfilien öerbrennen unb machte
bie Söeftellung mit Dcrjfen öon ben benachbarten ©ütern, ber ©arten
Land w. Jahrbücher. XXVIII. y.
— 58 —
mürbe großenteils mieber §u $elb gemacht, ba% SöotjnrjauS ttjeilroeife
jum Speicher, aber bod) fe|te id) bi§ $u 1. Suli über 25000 Tlt §u.
$aä ©ut foftete alfo mieber 212000 9ttf. unb ift nod) je|t ntdjt
mieber gang im ©tanbe. 3)ie SBerfdjulbung beftefyt aber jetjt nur in
ben 1886 aufgenommenen ^fanbbriefen in Jpörje oon 101500 2ftf.,
bei roeldjen erfyeblidje 2(mortifation *ßta£ greift, auct) ber Kanon ift
ab gel oft.
2)ie Reinerträge maren ju meiner 23efi^eit um 1880 etroa
9000 3)?f. unb merben je|t aUmätjlid) mieber erreicht.
£)ie le|te Snüentur ergab am 1. Suli 1899 nact) ferjr mäßigen
«Säfcen üeranfdjlagt:
1. ©ebäubeinOentar
. . 72 889 Wl
2. tebenbeS Snoentar . 22 345 „
3. tobtet Snöentar
. . 7 288 „
4. (Saaten . . .
23 075 „
5. SBertr) ber Seftänbe 1 686 „
Sa. 127 283 2Rf.
5In ißtcc) mürbe bei ber legten Snüentur am 1. Suli 1891
"Eferbe . .
12 <BtM
Rinber . .
93 „
©ctjafe . .
433 „
Sctjmeine .
22 „
Sie grudjtfolge ift:
1. ^Sinterung
gebüngt
2. Kartoffeln
gebüngt
3. ©erfte, (Srbfen
4. Sinterung
üinfttictjer £>ung
5. Kartoffeln
gebüngt
6. (Sommerung
7. Klee
8. ^Sinterung
gebüngt
9. V2 Kartoffeln, % £afer (Kartoffeln gebüngt)
10. ©rünfutter, SSeibe.
4> Wüljllmrn (frütjcr 9)?ielno genannt),
§errfd)aft 1575 £eftar mit 8458 9ttf. ®runbfteuer*9teinertrag,
tjieroon circa 500 «peftar S-B3alb.
2tu§ bem ©runbbud) läßt fid) bie ©efdjtdjtc Oon 9D?ielno Oon 1783
an üerfolgen.
— 59 —
3n biefem %<xl)xe fauft ber ftafteflan Valentin üon ©ogimir£ft,
üon bcn ©regoriug Don Äolub^tcfi'fc^en ©rben bie Jperrfcrjaft SRielno
mit ber üBüfte sJ?oma§3t)ce (jetjt SBotmerf Söeiben) üor bem ©nefener
©robs©ericf)te für 36000 potnifcrje ©ulben, bog ftnb = 6000 2f)lr.
3u biefer £eit mar Wielno bem Som^apitel mit 16000 ©ulben
= 26662/;! 2f)lr. üerfcrjulbet. 2)er ftafteHan tjatte eine (Srbtocfjter
grangiöfa, meldjc in erfter (£t)e an üon ßoebinäfi üert)eiratl)et, aber
Don biefem gefdjieben mürbe, in gmeiter (£t)e J)eiratt)ete granäräfa üon
©o^imirgfi ben ©jcjeönt) üon Sani^eiüäfi.
2)tefe gran^a üon Sani^emäfa ermGrb at§ £eftamentg=(£rbin
im 3at)re 1800 Sftielno für 150000 poln. ©ulben = 25000 Srjlr.
SBenn man aucfj annehmen miß, bafj ba§ ©nt in ber furzen 3eit
üon 1783—1800 ficfj mirtfyfcrjaftlid) gehoben fjat, fo ift bie enorme
^ßreiSfteigerung ber @rbtod)ter gegenüber mot)l nur baburcfj ertlärlicf),
bafj ha§> ©ut in^tüifcrjen üon polnifcrjer in preufeifcfje Regierung über*
gegangen mar unb $u ©übpreußen gehörte.
£)ie grau üon Sani^em^fa liefe für it)ren ©atten nun gu ben
üortjanbenen ©djulben üon 2666 Sttjlr.
nocf) ein ©efdjenf üon 50000 ©ulben = . . . . . 8333 „
eintragen unb bie ©tfjulbenlaft betrug 11000 Xtyh.
üftacfj bem 1841 erfolgten STobe feiner grau erroarb ber ©gc^cSni)
oon 3ani§5em§fi 3J?ielno für 45000 £t)Ir. unb lieb, üon bem ®om=
Kapitel an 11233 £t)lr., roomtt mot)l bie alten ©djutben getilgt mürben.
©ctjon 1846 mürbe 9J?ielno mieber üerfauft unb groar an Sljerefta
üon «PftrofonSfa für 93000 $t)lr. 3Sie alte ©ebäube mit gemölbten
feuern unb alte Dbftbaum^lüeen bemeifen, ift bamal§ 9D?ielno njofjl
in gutem guftanbe gemefen.
Slber fd)on 1847 raufte, mie t)a§> ©runbbud) fagt, ber naturalifirte
Sube (£lfan §irfcljfelö SDäetno mit bem auf 24600 %tyx. angegebenen
lebenben unb tobten Snuentar für 110000 Sfjlr. §irfd)felb natnn
Sßfanbbrtefe in £öt)e üon 23780 £f)lr. auf, geriet!) aber in ©djttüertg*
feiten unb e§ fam im üftärg 1853 gur ©ubrjaftatton, in melctjer Sofef
Sfiuffaf, ein ©nefener jübifdjer Kaufmann, 9ftielno für 80500 £l)lr.
ermarb.
SmSIuguft beSfelben 3at)re§1853 üermittelte 9iuffaf bm Verlauf ber
£>errfd)aft ©gialün an Jpeinrid) SSÜtjelm üon «Sprenger unb üerfaufte
bemfelben and) SDcietno für 96000 ^rjlr. mit bebeutenben SBeftänben
üon altem fcfjlagbaren <Qolg.
SSon ber §errfcfjaft 9J?ielno maren terfdjiebene SSauerbörfer ab*
getrennt.
Landw. Jahrbücher. XXVIII.
17
— 60 —
Utrata, (3jalenbfie mit 8 beutfdjen $Birtl)en (^ßommerenie, 2öetbe=
mann, Jpunbt ic), bte 2Baffermül)le Wieroolfa unb enbüd) nod) ©tara=
roie§, in bem 7 2öirtf)e ßu je 22 Xt)Ir. 9fante mit 410 borgen ab*
gefunben mürben.
SDie angelten 2öirtt)e fonnten ftdj auf bem leisten 23oben fd)led)t
ernähren unb tjatten in ber $orft gemiffe 9ted)te, fo bafj ber <peinridi
SBÜfyeltn üon Sprenger unb fein Sofyn unb 93efit3nad)folger Gart Wlav
Dito §einrid) oon «Sprenger bie abgeneigten ©runbftüde jämmtUdi
mieber anfauften; e§ blieb öon all ben 5tnfiebelungen nid)t§ al§ ein
jetjt im Söalbe gelegener unb aud) gefdjloffener eüangelifdier Söegräbnifc
plats übrig.
SDie Ferren öon Sprenger öerfauften für mebjr at§ ben gefammten
Kaufpreis Saurjolj au§ bem SBatbe, fdjonten bie gladje aber mieber
forgfam an. ?ln ben ©ebäuben mürbe aud) mandjeS getfyan, bie Sanb=
mirt'gfdjaft aber nebenfäcfjlid) berjanbett. 1863 mürben ^fanbbriefe in
§öt)e Don 50000 Strjtr. aufgenommen, meitere Sdjulben öon S3e(ang
maren nid)t üorfyanben.
8m Safyre 1884, nad)bem id) t>a$ angren^enbe 3)embtomo Der*
fauft l)atte, faufte id) nunmehr ba§ gan^e 9J?ieIno für 500000 Wavt
= 166666 Xrjlr.
S)er Kaufpreis mürbe fo berichtigt, baJ3 id) an Renten unb
Sdjulben übernahm = 83 200 Wt
eintragen tiefe lte $oft ju 158 000 „
2te $oft §u 158 000 „
funb baar sarjtte 100 800 „
Sa. 500000 swt
3d) bauete fofort eine Brennerei, fetjte bie Sßirtfjfdjaft in Stanb
unb fonnte im Sarjre 1887 bei einer (anbfd)aft(id)en £a;re oon
574 400 2Tcf. für 287 200 \Wlt ^fanbbriefe erhalten, bamit fonnte id),
inbem id) ben injmifdjen eingegangenen $aufge(berreft oon ©emblomo
§u £>ülfe normt, bie anbern Sd)utben bejahen unb bernelt nur bie
amortifable ^ßfanbbrieffdjulb neben ben Renten, meld)e aud) (angfamer
3(mortifatton unterliegen.
SDie diente au§ ber 93?ielnoer $Birtt)fd)aft betrug:
1884/85 — 4 000 2)?f. \ obmot)l Sauten gu JRein^
85/86 — 4 227 „ j ertrag gerechnet mürben
86/87 + 38 358 „
87/88 19 748 „
88/89 42 300 „
/
61 - ^
-/
89/90
43 boo mt
90/91
61218 „
91/92
45 556 „
92/93
30 447 „
93/94
32 612 „
94/95
33 804 „
95/96
31 671 „
96/97
54 370 „
97/98
50 051 „
98/99
60113 „
Sie ^noentur ergab am 1. %u{\
1899:
1. ©ebäubeinüentar . . .
. 167 626
2. lebenbeS
Snuentar . .
. 52 926
3. tobteä Snoentar • . .
. 23 146
4. 23rennerei=©inrid)tung .
. 34 807
5. »Saaten
. 77 540
356 045
6. 23eftänbe
5 990
Sa
. 362 035
7.
2)ie <2ad)en finb jerjr mäfcig gejdjäfct, mürbe man ben üollen
äßerttj anjetjen, baju Drainagen, 23rütfen, SBege, Brunnen, #äune it.
riin-juredjnen, fotuie enblid) ben SSertt) be§ ftetjenben §ot5eS, [o bleibt
für \>m Manien 5(der faum (Stroaö übrig.
2ln lebenbem Snoentar mar am 1. 3u!i 1899, nadjbem ha^
äNaftuierj oerfauft mar, oortjanben:
^ferbe 60 ©tücf
3iinböiet) 110 „
Sdjafe 1379 „
Sctjroetne 32 „
Spiritus ronrbe gebrannt 191 927 Str. r. s2Ufofjol.
3)ie grudjtfolge auf bem Jpauptgut 9Mt)lberg ift:
1. 3ioggen gebüngt
2. Kartoffeln gebüngt
3. ©rbfen, Supinen
4. Otoggen rünftlidjer 5)ung
5. Kartoffeln, Supinen Kartoffeln gebüngt
6. Sommerung, Joggen
7. Klee, Sßeibe
8. Sradje.
Landw. Jahrbücher. XXVIII.
17
— 62 —
9Iuf bem SSortuerf Sßeiben ift bie grucfjtf olge :
1. Joggen gebüngt
2. ©ommerung
3. Kartoffeln gebüngt
4. ©ommeiung
5. Söeibe
6. 2Beibe
7. Sracfje.
3n Sßeiben totrb btö Sungötel) aucfj oon meinen anbern ©ütern
im ©ommer gehütet.
2)ie $orft becft §ur 3e^ oen eignen 93ebarf, öerfauft mirb nur
ettoa fomel, at§ bie gorft Unfoften ueruriacfjt, babet roäcfjft ber <pol^
mertl) immerhin noct) etma§. Zxofy ber lanbfcfjaftlid) t)übfd)en Sage
mit Slnrjöfcen, Söalb unb SSaffer, ift feit met)r als 50 Satjren bie
«perrfctjaft Mljlburg öon ben Sefi^ern nidjt bemo^nt morben, roeit
ba§ rjerrfcfjaftticrje 2ßof)nfjau§ fetjlt; biefer gerjler foE nunmehr ab'
gefteüt roerben.
. vu\AAAJVUV\/vv\^--— —
Snict Don i'nul etf)eitler'§ Erten. .^ofluicöbtucfevet in (Sortiert.
€4*
/
f.
Landw. Jahrbücher. XXVIII. -, -
ys^d/pr/- /tot*
/U*fi lujfl JiJi^
Untersuchungen über den Einfluss der Verschuldung länd-
licher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung.
Von
Dr. Brase-Linderode.
Die Bestrebungen, die Gutsbesitzer zu entschulden und die fernere
Verschuldung durch entsprechende Erbgesetze oder Festsetzung- einer Ver-
seil uldungsgrenze zu verhindern, werden häufig bemängelt, indem man die
Schuldenfreiheit als eine Verführung zur Faulheit und schlechten Wirtschaft
hinstellt und behauptet, der Fortschritt der nationalen Kultur sei nur ge-
sichert, wenn der Stachel des Kampfes um die Existenz immer fühlbar bleibe.
Dem gegenüber erschien es angezeigt, einmal im kleinen zu untersuchen,
wie sich denn diese Verhältnisse in Wirklichkeit stellen, ob die Wirtschafts-
weise mehr verschlechtert wird durch excessiven Schuldendruck oder durch
absolute Schuldenfreiheit, ob ein gewisses Mass von Verschuldung erforder-
lich ist, damit die Gutsbesitzer tüchtig wirtschaften, fleissig und vorwärts-
strebend bleiben. Solche Untersuchungen haben in einem Kreise des
Regierungsbezirks Liegnitz stattgefunden.
Die untersuchten Rittergüter habe ich zunächst nach dem Grundsteuer-
Reinertrage, nach ihrer Grösse und Verschuldung in nachstehender Über-
sicht geordnet:
a) 3 Landwirte haben eine Besitzung v. 1500— 2000 Mk. Grundsteuerreinertr.
1 Landwirt hat „ „ ,, 2000— 3000 „
2 Landwirtehaben ,. „ ,, 3000- 4000 „
4 „ „ „ „ „ 4000— 5000 „
2 „ „ „ „ „ 5000— 6000 „
1 Landwirt hat „ „ „ 6000— 7000 „ „
1 ,. „ „ „ „ 7000— 8000 ,.
„ 8000- 9000 „
1 „ „ „ . , „ 9000—10000 „
„10000-11000 „
„11000-12000 „
1 „ „ „ „ „12000-13000 „
„13000-14000 „
1 14000—15000 „
17
Laudw. Jahrbücher. XXVIII. 17
4 Landwirte besitzen
3
»
5?
2
;;
»
2
»
»
1 L
indwirt
besitzt
1
5)
n
1
"
n
1
"
■■
254 Brasb:
b) 1 Landwirt besitzt weniger als 100 Hektare.
1 .. 100— 200
200— 300 „
300— 400
400— 500
500— 600
600— 700 „
700— 800
800— 900
900—1000
17
c) Von den 15 Rittergütern im Amtsgerichtsbezirk sind nach der „Grund-
schulden-Ermittelung 1896"
— schuldenfrei,
— verschuldet bis zum 10-fachen Grundsteuer-Reinerträge.
1 „ vom 10-20 „
3 „ „ 20 — 30 ,, „ „
2 „ „ 30- 40 „
2 „ „ 40- 50 „
5 „ „ oO 60 „ .. „
1 „ „ 60- 70 ..
H 5? 70— 80 „ „ „
80— 90 „
1 „ „ 90-100 ,.
15
d) Es sind — verschuldet bis zu 10% des Schätzungswertes.
„ — „ von
ist
1
sind
2
ist
1
sind
2
57
5)
2
3
ist
1
sind
2
10-
- 20
20-
- 30
30-
- 40
40-
- 50
50-
- 60
60-
- 70
70-
- 80
80-
- 90
90-
-100
100-
-110
14
Eine Übersicht des Besitz- und Schuldenstandes jedes einzelnen Be-
sitzers gewährt die folgende Zusammenstellung:
«Siehe Tabelle auf Seite 256 und 257.)
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung'. 255
Nunmehr werde ich die Bauern aufzählen, deren Wirtschaft ich ge-
sehen habe, und zugleich in einer Übersicht ihren Besitz- und Schuldenstand
zum Ausdruck bringen.
(Siehe Tabelle auf Seite 258 und 259.)
a) 3 Bauern haben eine Besitzung v. 1500 u. mehr Mk. Grundsteuerreinertr.
19 „ .. „ .. „ 300b. unter 1500 ..
12 „ „ „ „ .. 90 „ „ 300 „
34
b) 1
besitzt
100
ha und mehr
2
besitzen
90—100
—
?>
80— 90
..
—
■•
70— 80
..
3
??
60— 70
..
5
»5
50— 60
..
4
jj
40— 50
,.
4
55
30— 40
J5
7
55
20— 30
"
7
?»
10— 20
»
1
besitzt unter
10
"
34
c) Von diesen 34 Besitzungen sind nach der ..Grundschulden -Ermittelung
1896"
5 schuldenfrei,
3 verschuldet bis zum 10-fachen Grundsteuer - Reinertrage.
11
..
vom
10—20
55
"
7
..
»
20—30
55
"
5
••
■•
30—40
55
55
3
••
55
40—50
•5
55
34
d) 2 vei
■schuldet bis zu 10 %
des Schätzungswertes.
5
••
von
10—20 ,.
55
55
7
>?
5-
20—30 „
55
55
3
55
55
30—40 ,.
55
55
5
..
55
40—50 .,
55
'5
o
O
55
55
50—60 „
55
55
3
"
55
60—70 ,,
55
••
1 ist
••
•■
70—80 „
•■
55
34
Ergänzend füge ich hinzu :
1. Wieviel vom Gesamtareal einer Besitzung auf die einzelnen Kultur-
arten entfällt, habe ich anzuführen unterlassen, weil sichere, zutreffende An-
(Fortsetzung des Textes auf Seite 260.)
17
256
Brase :
<u
53
J.
ha
Dave
n sind:
r
pji
'« &c
SS
0J -tJ
in <V
Ö
O
Mk.
Viehbestand
Entfernung von der
Zug-
vieh
Nutzvieh
Bewirt-
1
M
o
ha
ö
$■
ha
ha
o
C
W
ha
Bahn-
Post-
Telcgra-
phen-
schaf-
tungs-
forni
X
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53
QQ
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o
3
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o
32
&
**-<
Ä
km
ätation
km
km
1
a
•in.").;)
178,7
L,6
0,3
0,5
4.4
5958
8
1 1
106
2,5
6
6
Inspekt. B.
2
b
301,0
243
12
34
—
12
L905
10
26
100
too
—
3
..:,
1,5
Sein Sohn
.">
c
758,0
572
02
88
5
31
12375
26
54
220
900
—
1,5
1,5
1,5
Selbst
4
d
7.~>.0
54
5
11
—
5
1643
6
2
—
—
am Orte
7
7
Selbst
.")
e
229,0
180
10
32
—
7-
4630
10
20
55
—
16
4,5
7,5
7,5
Selbst
6
f
487,6
318
42
82
—
45,6
9756
24
27
L36
—
—
1
(i
6
Inspekt. E.
7
Besitzg. g
819,0
636
91
94
1
21
14084
34
42
166
1800
—
1
1
1
Selbst
8
h
693,0
372
34
25 1
4
11)
7506
17
35
114
32
7
am Orte
am Orte
Selbst nnd mit
Hülfe seiner
Söhne
0
i
527,0
254
61
194
1
5
5738
12
12
1 21 1
—
—
7
7
7
Selbst
11)
k
445,0
200
64
170
—
9
4500
12
4
65
—
—
7
7
7
Selbst u. allein
11
1
347,0
120
40
168
—
14
3840
10
10
94
—
4
10
am Orle
am Orte
Selbst
12
in
924,0
125
45
750
—
4
6840
6
1
44
—
—
10
2
2
Inspekt. B.
13
n
572,0
200
30
323
6
11
4520
12
12
70
—
16
11
3,5
am Orte
Selbst o. allein
14
0
281,0
150,7
29,3
85
0,7
8
2358
11
10
37
—
—
1
7
7
Selbst u. allein
15
P
127,5
85,5
8
28
—
6
1698
6
4
35
—
10
5
4
4
Selbst
IG
q1)
204,0
154
18
21
—
11
1910
10
8
48
—
-
3
2
2
Inspekt, E.
17
r1)
333,0
191
51
55
—
7
3582
1
10
18
70
—
4
4
4
Selbst ii. allein
*) Der Schätzungsbogen fehlt.
1. Bei den Besitzungen q und r ist das statistische Material nicht voll-
ständig, weil die „Grundschulden-Ermittelung 1896" in dem betr. Amtsge-
richtsbezirk nicht stattgefunden hat.
■j-) Der Verkehrswert wurde damals auf 840000 Mk. geschätzt, wäh-
rend es der Vater seinem Sohne (als „Familiengut") nur zu 750000 Mk.
angerechnet hat. Der Besitz war belastet mit 426600 Mk. Pfandbriefen und
Landschaftsgeld; für 6 Geschwister sind je 18945 Mk. zweimal gerichtlich
eingetragen = 227340 Mk. Demnach ergiebt sich die Schuldensumme von
653940 Mk.
2. Der Kaufpreis von 232 500 Mk. bezieht sich auf d und das zugleich
erworbene Nachbargut N, das hier unbeachtet bleibt; der Schätzungswert
von N beträgt 230 000 Mk.
3. Der Kaufpreis für e ohne Zubehör beträgt 283 500 Mk.; der Schätzungs-
wert für die ganze Besitzung 320000 Mk.
4. Der Eintragung des rückständigen Kaufgeldes folgten nachstehende
Hypotheken :
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 257
Übernahme des Rittergutes
Landschaftliche
«
Verschuldung
Also:
oder
oo
in
welchem
für
welchen
Preis '?
Anzah-
lung (laut
Grund-
buch)
Restkauf-
geld
andere amtliche
Taxe
Betrag na< h
der „Grund-
scliulden-
Ermittelung
1896"
4-3
o
Jahre ?
vom
"3j £h 'oj
Mk.
Mk.
Mk.
Jahre
Mk.
Mk.
Mk.
0/
10
>~~
1865
237 000
112 500
94 500
1SS0
201 539
27!) 623
244 150
87,3
40,!)
1863
273 900
29 400
244 500
248 496
297 492
137 950
40,3
28,1
1874
750 000
f)
—
747 000
850 000
653 940
76,9
52.S
L870
232 500 2)
im Erbwege
—
117000 a)
72 270
61,7
13,8
L872
435 000 3)
45 210 I389 7HO
—
320 000 3)
281 145
87,8
60,7
1866
360000
im Erbwege | 88 650 4)
1892
449 645
500 000
5 ISO! 12
103,7
53, 1
1870/73
504 000
im Erbwege
alte Taxe
425 055
771000
569 295
73,8
40.1
1857
384 000
180 720
203 280
1885
430 007
430 000
289 800
07.3
38,6
1888
395 000
112 296,45
282 703,55
330 000
294 730
89,3
51,3
1853
195 000
165 500
25 500
216 300
260 000
249 060
95,7
55,3
1890
234 000
83 850
150 150
—
190 000
80 550
42,3
20,9
1870
240 000
175 800
(14 200
—
360 200
135 000
37,4
19,7
1892
480 000
237 000
243 000
—
*)
443 000
—
98
1897
165 000 5)
18 200
146 800
1893
137 706
140000
146 900
104,9
02,2
1898
105 000
47 700
57 300
--
85 000
48 482
57
28,5
1893
130 000
—
—
—
120 000
—
—
—
225 000
—
—
186 000
255 000
—
—
—
im Jahre 1873:
„ „ 1876:
„ „ 1892:
„ „ 1892:
.. 1893:
60000 Mk.
45000 „
72450 „
29900 „
75000 „ (Vermögen der Ehefrau)
282350 Mk.
5. P. hat die Tochter des Vorbesitzers zur Frau.
Anmerkung: Landwirtschaftlich-technische Gewerbe sind im Betriebe in
b. Brennerei (neu gebaut und aufs beste ausgestattet) mit 36280 l Kontingent;
g. Brennerei, 56000 l Kontingent. Die Dampf kraft wird benutzt zum Dreschen, Ölkuchen-
brechen, Häckselschneiden, Getreideschroten, — Ziegelei mit Ringofenbetrieb;
h. Brennerei, 32000/ Kontingent (obwohl das Kontingent ausnahmsweise um 7000/ er-
höht worden ist, wird die Kartoffelernte grösstenteils direkt verkauft);
i. Brennerei, 28000 / Kontingent. Die Dampfkraft wird benutzt zum Häckselschneiden,
Haferquetschen und -schroten;
n. Ziegelei und Turbinenanlage zum inneren Wirtschaftsbetriebe;
r. Stärkefabrik, Mahlmühle, Dampfziegelei.
258
Bease:
d
Grund-
Versiche-
Viehbestand
Ä
Grund-
steuer-
rungs-
03
S t a n d
buch
No.
Grösse
Eein-
ertrag
wert der
Gebäude
~
"Öl>
J3
ha
Mk.
Mk.
s
PL|
1
Bauer
2
30
468
10
6
2
2
Scholtiseibesitzer
1
66
858
12 250
30
12
4
3
Bauer
14
22
423
15 600
14
7
2
4
Bauer
7
1<)
277
20 000
11
4
2
5
„Vw. Wiedmuth"1)
43
57,5
1876
25
10
6
(i
Bauer
2
17
298
3800
20
6
1
7
Bauer
3
24,5
393
10 000
20
10
2
8
Bauerguts- u. Zie-
geleibesitzer
7
39,25
721)
59 665
20
12
4
(.)
Gutsbesitzer2)
3
93
2376
13000
46
2
4
10
Bestgutsbesitzer
10
15,25
390
14 500
12
6
2
11
Grossgärtner
18
7
132
4170
8
4
1
12
Bauer
A.II. 2
43,25
454
16 150
18
6
2
13
Bauer
A.I. 2
28
312
10160
13
4
2
14
Bauer
A.I. 7
12
154
4 200
7
2
1
15
Bauer
2
63
853
24
7
4
16
Bauer, Agent und
Viehhändler
1 \
15 i
95,5
1624
Viehhandel
5
17
Bauer
10
52,5
630
17
6
2
18
Scholtiseibesitzer
1
110
993
36 000
43
4
6
19
Bauer
22
42,5
301
7 700
14
2
2
20
Bauer
6
56
516
16 260
20
4
2
21
Bauer
15
32
285
5 250
9
5
1
22
Restgutsbesitzer
16
15
177
7 565
9
4
1
23
Grossgärtner
12
11
03
3 000
6
4
1
24
Bauer
21
21,5
211
6 000
8
5
1
25
Bauer
14
23
195
5 800
9
4
1
26
Bauer
25
61,25
546
6 000
20
10
2
27
Gärtner
1
14,5
174
12
8
2
28
Bauer
Ob.-N.-S. 3
26
315
12
6
2
29
Bauer
M.-S. 7
43, 75
345
13
7
2
30
Bauer
12
51,75
4(52
16
4
2
:il
Bauer
A.II. 3
41
351
1 4 700
14
7
2
32
Bauer
A.v.D.20
32,75
276
6 000
16
10
2
33
Bauer
A. v. D. 2
24
237
10 880
13
6
2
34
Scholtiseibesitzer
1
58
'.US
33 000
27
3
4
1
1) Das Gut ist seit 1583 in derselben Familie.
2) Das Bauerngut gehört zum Grossgrundbesitz.
Einflnss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 259
Über-
Amtliche Taxe
Schätzungs-
V
erschuld u n g
nahme der
Betrag- nach
der „Grund-
Vielfaches
Wirt-
schaft im
Jahre?
vom
Jahre
Mk.
wert
Mk.
schulden-
Ermittelung
1896«
Mk.
vom Wert
%
des Grund-
steuer-
Reinertrages
IST.")
—
:;i 000
6 900
22.2
14,7
1888
—
49 200
18 215
41
21,2
1889
1889
23 162
29 700
13 400
45,1
31,6
lsT.")
—
20 000
—
—
—
lStw
—
100 000
79 400
79,4
42,3
1879
—
IS (MX)
8100
45
27,1
1871
—
26 000
9 954
38,2
25,3
IST.")
—
56153
31 000
55.2
42.5
1886
101 438
101 000
67 600
66,9
28,4
1876
—
26 597
4 800
18
12,3
1873
—
12100
2 550
21
19,3
1871
—
35 000
—
—
—
1861
—
23 000
—
—
— .
1873
—
11 500
—
_
—
1868
—
56 000
27 600
49.2
32,3
1881/83
—
95 500
57 762
60,4
35,5
1855
—
35 201
12 075
34,3
19,1
1884
—
70 000
—
—
—
1894
1894
15000-18000
16 000
8 055
50,3
26,7
1886
—
30 274
7 000
23,1
13,5
1877
—
19 000
3 106
16,3
10,8
1885
—
14 147
7 140
50,4
41 ».3
1873
—
7 588
1500
19,7
16,1
1869
1897
15 000
15 500
3 600
23.2
17
1896
1897
15 000
13 500
3 000
22,2
15,3
1890
—
36 000
9 450
2(1.2
17,3
1881
—
15 000
1950
13
11,2
1892
—
20 000
3 000
15
9,5
1867
—
24 000
1800
7,5
5.2
1857
—
30 000
240
0,8
0,5
1871
—
26 028
10 845
41.6
30,8
1890
1894
26 089
24 619
7 864
31,9
28,4
1864
1894
21000
20 000
5 100
25,5
21.5
1896
—
50 000
35 000
70
36,9
260 Brask:
gaben hierüber nicht zu erlangen sind; seit der Aufnahme von 1861 — 6 1
zwecks Veranlagung zur Grundsteuer hat sich vieles geändert.
2. Die Höhe des Kaufpreises, des Verkäufers Person, die Anzahlung
und rückständigen Kaufgelder, den Zinsfuss für erste, zweite, dritte Hypo-
theken, die Gläubiger und ihre Person, wie die üblichen Darlehnsbedingungen
habe ich vielfach nicht ersehen können.
3. Die „amtliche Taxe" eines Bauernhofes ist meistens eine solche der
Kreistaxatoren oder des Ortsgerichts.
Auch der Bauer hat mich im allgemeinen über sein Thun und Treiben,
seine Wirtschaftsführung, Lebenshaltung und anderes mehr besser aufge-
klärt, als ich erwartet hatte. Nirgends bin ich auf grossen Widerstand ge-
stossen. Allerdings habe ich keinen Bauern, selbst nicht den intelligenteren
und fortgeschrittenen, nach Ernteerträgen in kg pro ha, nach Aufzeichnungen
der baren Einnahmen und Ausgaben, oder sogar nach Buchführung und
Rentabilitätsberechnungen gefragt. Solche zum Teil heikle Fragen würde
der einfache Bauer nicht anders als lästig finden. Das liegt einmal in
seiner Eigenart.
Zur Erläuterung der Verschuldungszahlen auf Seite 257 und 259 darf
ich folgendes nicht unerwähnt lassen:
1. Rittergutsbesitzer a hat 94 500 Mk. durch seinen Vorbesitzer einge-
tragene Hypotheken als Selbstschuldner übernommen = 38,7% der Ver-
schuldung nach der „Grundschulden-Ermittelung 1896''; diese Summe von
94500 Mk. ist, wie aus den Grundbuchakten hervorgeht, kein Darlehn, sondern
eigener Kapitalbesitz.
Rittergutsbesitzer i hat desgleichen 282 703 Mk. im Grundbuch ein-
getragene Hypotheken von seinem beinahe bankerott gewordenen Vorbesitzer
selbstschuldnerisch übernommen = 95,9% der Verschuldung, wie sie die
„Grundschulden-Ermittelung 1896" angiebt.
Rittergutsbesitzer m hat 64200 Mk. Hypotheken als „Selbst- und Allein-
schuldner' von seinem Vater, dem Vorbesitzer, übernommen = 47,5% der
Verschuldung nach der „Grundschulden-Ermittelung 1896". Es handelt sich
hier um „Eigentümer-Hypotheken", die cediert und daher nicht in Abzug
gebracht worden sind.
2. Nach dieser Statistik ist das
Rittergut b zu 46,3 °/0d. Schätzungswertes od. z.28,l-fachenGrundsteuerreinertrage verschuldet.
j> d » ol,<' „ „ ,, „ ,, 43,o ,, ,, ,,
>> 1 p öJ,o „ „ ., ,, ,, Ol,o ,, ,, ,,
Demnach würde man diese 3 Rittergüter zu den höher verschuldeten zu
rechnen haben, während ihre Besitzer gerade als die vermögendsten im
Kreise bekannt sind. Rittergutsbesitzer b gilt als Millionär, d ist sehr gut
situiert, und der Vater von i soll über 5000000 Mk. verfügen.
3. Nach der „Grundschulden-Ermittelung 1896" ist
Bauer 17 zu 34,3°/0 desSchätzungswertes od. zum 19, 1-fachenGrundsteuerreinertrage verschuldet
,, o ,, 4o,l ,, ,, ,, ,, ,, 31, o ,, ,, ,,
F.intluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 26]
Der erstere ist m. E. in Anbetracht der vorliegenden Boden-, örtlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse so verschuldet, dass er sein im Jahre
L855 im Erbwege übernommenes und nunmehr heruntergekommenes Gut ohne
erheblichen Verlust weder verkaufen, noch viel weniger seinem ältesten
Sohne gewissenhaft übergeben kann. Der letztere ist trotz der höheren
Verschuldung ein behäbiger Bauer und in gutem Auskommen.
Bauer 20 z. B. ist nach der „Grandschulden-Ermittelung 1896'"
zu 23.1" 0desSchätzungsw.od.z. 13,5-fach. Grundsteuerreinertr. verschuldet,
dagegen ist Bauer (J zu 4ö .. .. ,, ., „27,1 „ .. ,,
Relativ ist die Verschuldung m. E. bei 20 höher als bei 6, denn der
letztere ist die fast doppelt so hohen Schulden zu verzinsen besser in der
Lage, als der erstere.
Bauerguts- und Ziegeleibesitzer 8 ist nach der „Grandschulden-Er-
mittelung 1896" zu 55,2 % des Schätzungswertes oder zum 42,5-fachen Grund-
steuer-Reinertrage verschuldet und betreibt die Landwirtschaft im Neben-
beruf, so dass seine Existenz mehr gesichert erscheint, als z. B. die des
Bauern 6 bei einer Verschuldung von nur 45% vom Werte oder zum
2 7.1 -fachen Grundsteuer-Reinertrage.
Bauer 16 ist zu 60.4% vom Werte oder zum 35,5-fachen des Grund-
steuer-Reinertrages verschuldet; er verdient als Viehhändler. Agent und
Vermittler ungleich mehr als durch Landwirtschaft, die er im Nebenberuf
betreibt, und pflegt als professioneller und mit Zinsrechnung sehr vertrauter
Geldverleiher höhere Zinsen einzuheimsen, als er für eine sichere Hypothek
bezahlt.
Weder das Zahlenmaterial der „Grandschulden-Ermittelung 1896" noch
der betreffenden Grundbuchakten vermag die augenblicklich zutreffenden
Schuldverhältnisse jedes einzelnen Besitzers zur Anschaung zu bringen —
ohne das an sich wertvolle statistische Material bemängeln zu wollen. Es
sind z. B. unter Rubrik III im Grundbuch eingetragene Hypotheken ganz
oder zum Teil abgezahlt, aber nicht immer gelöscht worden; der Zinsfuss
ist herabgesetzt, eine Schuld cediert worden und anderes mehr, ohne dass
man dies im Grundbuch jedesmal hat ändern lassen. Ob und über wieviel
Kapitalvermögen die einzelnen Besitzer verfügen, habe ich trotz aller Be-
mühungen nirgends genau erfahren, auch nicht aus dem Urmaterial der
Verschuldungsstatistik ersehen können. Daher ist nichts schwieriger, als sich
eine richtige Vorstellung von der jeweiligen finanziellen und wirtschaftlichen
Lage jedes einzelnen Besitzers zu verschaffen. Dies umsomehr, als zu meinem
lebhaften Bedauern der Vorsitzende der Einkommensteuer-Berufungs-
Kommission für den Regierungsbezirk Liegnitz nicht in der Lage ist, mir
die erbetene Erlaubnis zur Einsicht der Staatssteuerlisten zu erteilen.
262 Bkask:
Es sei mir gestattet, den „Untersuchungen über den Einfluss der Ver-
schuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung" folgendes voraus-
zuschicken.
1. „Ländliche Besitztümer": Ks handelt sich in der vorliegenden Arbeit
lediglich um Rittergüter und Bauernwirtschaften im Kreise und Amtsgerichts-
bezirk X in Xiederschlesien. Das sind im wesentlichen die Besitzungen in
Gruppe II und III der Verschuldungsstatistik von 1806. Die beiden Ritter-
güter N und L im Amtsgerichtsbezirk Y haben annähernd dieselben Boden-,
Verkehrs- und Absatzverhältnisse; N wird luxuriös bewirtschaftet, L ist
sehr belastet ; aus diesem Grunde habe ich sie als passende Objekte erachtet,
obwohl sie einem anderen Bezirke angehören.
Es sind Rittergüter gewählt, deren Besitzer selbst wirtschaften und
Landwirte von Beruf sind oder aus Neigung und anderen Motiven geworden
sind, und solche Güter, die durch einen selbständigen Beamten im Auftrage
ihres Besitzers verwaltet werden. Diese Besitzer sind, mit einer Ausnahme,
nicht etwa Industrielle, die ihr überflüssiges Kapital in Grundbesitz anlegen.
Es sind auch keine Kapitalisten, die einen Teil ihres Vermögens in Land-
gütern anzulegen pflegen, und zwar nicht, um Landwirtschaft zu treiben,
sondern der Hauptsache nach, um einen angenehmen Landsitz zu erwerben.
Solche Pseudo-Landwirte brauchen nicht darnach zu fragen, ob sich das
Anlage- und Betriebskapital verzinst, und ob die Schuldenzinsen herausge-
wirtschaftet werden oder nicht; sie wissen im Gegenteil, dass eine Verzinsung-
schön in Rücksicht auf die ausgeführten Luxusbauten, gärtnerischen Anlagen
etc. niemals zu erwarten ist Sie empfinden auch den Ausfall nicht und
können niemals einen Notstand der Landwirte kennen lernen, weil man sie
in die Klasse der „Berufs-Landwirte" nicht einreihen darf.
Unter den Bauernwirtschaften giebt es grosse, mittlere und kleine,
schuldenfreie und verschuldete, solche mit schweren und leichten Böden ; es
sind vielfach Besitzungen, die nach dem Gutachten des Katasterkontrolleurs
und Ortsvorstehers für die betreffende Gemeinde zugleich als typisch gelten
dürfen.
Die Bodenverhältnisse sind in diesem Amtsgerichtsbezirk scharf abge-
grenzt, auf der Höhe sind die bindigen, kräftigen Klee- und Weizenböden
verbreitet, nördlich der Kreisstadt, in der Ebene, die sandigen, von Natur
armen und sterilen Roggen- und Kartoffelböden. Dort ist viel Acker, hier
ist viel Wald; dort Fortschritt in der Bodenkultur und mehr oder minder
intensive Feldwirtschaft, hier mehr ein Ackerbau nach altem Stil und zum
Teil noch extensive Weidewirtschaft.
2. Alle besuchten Besitzungen werde ich bei Beginn meiner Schluss-
folgerungen in 2 Kategorien unterscheiden, nämlich 1. in die ..nicht ver-
schuldeten" und 2. die „verschuldeten".
..Nichtverschuldete" Besitzer sind 1. solche ohne Grundbuchschulden,
2. solche, die wohl Hypotheken eingetragen haben, aber ein eben so grosses
Kapitalvermögen besitzen, so dass ihre Grundschuld dadurch kompensiert
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 263
wird, und 3. im weitesten Sinne des Wortes verstehe ich darunter verschuldete
Besitzer, deren Verschuldungsmass so minimal vorkommt, dass die Verzinsung
geliehener Kapitalien auch im Falle schlechter Ernten, wider Erwarten
grösser gewordener Ausgaben und sinkender Verkaufspreise, also bei grossen
Schwankungen in den Gutserträgen unter allen Umständen gesichert ist.
Die „nichtverschuldeten" Besitzer sind in letzter Instanz identisch mit den
kapitalkräftigen, die ..verschuldeten- mit den kapitalschwachen. Ich werde
aber nicht weiter sondern und gruppieren nach der Verschuldung in viel-
fachem des Grundsteuer-Reinertrages und nach der Verschuldung in Hundert-
teilen des Schätzungswertes. Es lässt sich einmal nicht mit mathematisher
Sicherheit behaupten, wo für den Berufs-Landwirt die Grenze der für ihn
gefährlich werdenden Verschuldung beginnt, bei welchem Verschuldungs-
mass er noch tüchtig zu wirtschaften vermag, ohne die Substanz seines
Gutes anzugreifen, von wo ab er unrettbar seinem wirtschaftlichen Ruin
entgegeneilt. Solche und andere Fragen lassen sich nur individuell beant-
worten. Das einzige Kriterium zur richtigen Beurteilung bilden die Boden-
und örtlichen Verhältnisse, insbesondere aber des Landwirts Person.
3. „Einfluss der Verschuldung"'. Vielfach wird es unmöglich sein
einen bestimmten direkten „Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitz-
tümer auf deren Bewirtschaftung" mit absoluter Sicherheit zu konstatieren
und ihn nun aus der grossen Zahl aller Faktoren herauszuschälen, die allein
oder im kausalen Zusammenhange die Landwirtschaft und ihren Betrieb
bedingen und beherrschen. Wenn es 2 Besitzungen mit völlig gleichen
Produktions- und Absatzverhältnissen geben würde, die eine schuldenfrei,
die andere belastet wäre, dann Hesse sich behaupten, diese oder jene Er-
scheinung ist lediglich als „Einfluss der Verschuldung" zu betrachten. Den
thatsächlichen Verhältnissen entsprechend werde ich mich auf gewisse Unter-
scheidungsmerkmale zu beschränken haben ; das sind namentlich : der all-
gemeine Kulturzustand des Bodens. Meliorationen. Gebäude und deren bau-
licher Zustand. Viehbestand und dessen Ernährung. Maschinen und Geräte.
Düngung und Feldbestellung, wie endlich die Arbeiterverhältnisse; wird
insbesondere über grossen Arbeitermangel und schlechte Leistungen geklagt?
4. Auf die Verschuldungsursachen werde ich bei passender Gelegenheit
zu sprechen kommen.
5. Reinertragsermittelungen, wie sie in meinem Programm vorgesehen
waren, lasse ich fort, selbst wenn die erforderlichen zuverlässigen Daten zu
beschaffen sind. Allein an der einen Frage, wie hoch jedesmal der Boden-
zins einzusetzen ist, scheitert die ganze Rechnung.
Meine Aufgabe besteht zunächst darin, „den Einfluss der Verschuldung
bezw. NichtVerschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung"
an einer Reihe von Beispielen zu illustrieren, d. h. eine knappe Charakteristik
zu liefern von der Bewirtschaftung jedes einzelnen Rittergutes und sämtlicher
Bauerngüter. Ich werde allerdings nicht umhin können, auch technische
Ulil Brase:
Einzelheiten wenigstens zu erwähnen, denn mit „intensivem" oder „exten-
sivem Betriebe", „guter" oder „schlechter Wirtschaft" ist nicht viel gesagt,
Im wesentlichen werde ich folgende Punkte zu erörtern haben:
1. Feldlage, Abdachung und Wegenetz;
2. Boden, sein Kulturzustand (Meliorationen);
•">. Gebäude: Bauart und baulicher Zustand (Versicherungswert).
4. Viehbestand: Beschaffenheit , Fütterung, Nutzungsrichtung und Ver-
wertung der tierischen Produkte;
5. Feldmaschinerie;
t *>. Arbeiterverhältnisse ;
7. Wirtschaftssystem und Fruchtfolge;
8. Düngung: Stallmist, künstliche Düngemittel, Kalk, Gründüngung,
Zwischenfruchtbau ;
9. Feldbestellung: Tiefkultur, Beetbau, Drill- und Hackkultur.
Der Darstellung wird eine kurze Kritik der Wirtschaftsführung folgen.
Die Bauerngüter pflegen nach annähernd gleichen Grundsätzen bewirtschaftet
zu werden; sie zeigen bei weitem nicht solche wesentliche Verschieden-
heiten im Betriebe, als die Rittergüter. Daher werde ich sämtliche Bauern-
wirtschaften in meiner Darstellung zusammenfassen.
Die Rittergüter a, b und c stehen als „Musterwirtschaften des Kreises"
an der Spitze (vergl. das statistische Material auf Seite 256 u. 257).
1. Der Boden des Rittergutes a ist ein milder, poröser, kräftiger Lehm
in Krume und Untergrund, ohne Steine und viel Unkraut und durchweg
„kleefähig"; er trägt alle möglichen Früchte, liefert höhere Weizen- als
Roggenernten und ist in hoher Kultur. Dahin ist der Boden erst allmählich
gebracht worden durch systematische Drainierung, starke Düngung, tiefe
Lockerung und schonende Behandlung des Ackers, saubere Bestellung zur
rechten Zeit. Drill- und Hackkultur, also durch Kapital- und Arbeitsauf-
wand, endlich und namentlich durch Intelligenz, Fleiss und Ausdauer des
Besitzers und seines Beamten.
Die Feldlage ist ideal, die Abdachung wechselnd, aber unbedeutend.
Die Wirtschaftsgebäude sind massiv und fast sämtlich mit vielen Kosten
neu gebaut; es sind hier immense Kapitalien festgelegt, die selbst ein Gut
mit solch günstigen Produktionsverhältnissen zu verzinsen nicht imstande ist.
Das Vieh ist ohne Ausnahme kräftig genährt; jeder Blick lehrt, dass
auf gewissenhafte Fütterung und Pflege viel gesehen wird. Zur Arbeit
hält man 4 Gespann Pferde und 7 Paar Ochsen; die letzteren werden jung
und stark auf Märkten eingekauft, bei Mastfutter schonend zur Arbeit ver-
wendet, um sie nach einiger Zeit mit Gewinn wieder umzusetzen. Die Nutz-
viehhaltung ist stark: auf 1,5 ha Acker entfällt 1 Stück Grossvieh. Die
reinblütige Oldenburger Herde zählt 106 Köpfe und besteht zu ungefähr
1/3 aus Kühen und zu '2/3 aus Jungvieh der verschiedenen Altersstufen. Die
Vollmilch liefert Herr B nach X in die Molkerei für einen Preis von 7 1/2 Pf.
pro Liter. Alle gesunden Kälber werden zur Aufzucht bestimmt. Der
Eintfuss der Verschuldung ländlicher Besitztümer anf deren Bewirtschaftung. 265
Nachwuchs dient teils als Remonte und wird teils zur Zucht oder gemästet
verkauft.
Die Wirtschaft ist ausgerüstet mit allen möglichen Maschinen und
Geräten, die ihrer Bestimmung entsprechend verwendbar sind, wann und
wo es zweckmässig erscheint. Jenes Arbeiterverhältnis der „alten guten
Zeit" verschwindet trotz der besseren Wohnungen, höheren Löhne und
gleichbleibender Behandlung im persönlichen Verkehr immer mehr; diese
Missstände sind indessen bei weitem nicht so fühlbar, als bei verschuldeten
Besitzern.
Das Wirtschaftssystem mit seiner schonenden Fruchtfolge, als eines
integrierenden Bestandteiles, zielt nicht ab auf die augenblicklichen und
höchst möglichen Erträge, sondern auf Dauer und Stabilität. Das wieder
ist erreichbar 1. durch die starken Stallmistdüngungen, die in ojährigem
Turnus wiederkehren, weshalb künstliche Düngemittel nur zur Ergänzung
mit Vorsicht in kleinen Mengen Verwendung finden — es sind dies meistens
Superphosphat und Chilisalpeter, und 2. werden, um grosse Schwankungen
im Gesamtertrage thunlichst zu vermeiden, nur relativ sichere und möglichst
viele Früchte angebaut. Im Winterungsschlage wird in der Regel mehr
Weizen als Boggen kultiviert, im Sommerungsfelde: Gerste, Hafer und
Wickgemenge. Unter den Hackfrüchten lohnt die Kartoffel eine kräftige
Düngung, Tiefkultur und kostspielige Pflege mindestens ebenso hoch, wenn
nicht mehr, als die Zuckerrübe, deren Anbau daher sehr beschränkt ist.
Runkelrüben und Möhren werden stark gedüngt und in einer Ausdehnung
kultiviert, wie es die Winterfütterung verlangt. Rotklee wird „viel" ge-
baut und zum Teil 1 Jahr, zum Teil 2 Jahre lang genutzt; nach diesem
folgt Raps in starker Stallmistdüngung und danach Winterweizen. Auf
die technischen Einzelheiten des näheren einzugehen, würde sicher zu weit
führen.
Rittergut a ist als „Perle-' im Kreise allgemein bekannt. Ob die an
sich musterhafte Bewirtschaftung aber auch rationell zu nennen ist, das
lasse ich dahingestellt. Teuere Neubauten absorbieren jegliche Rente. Die
Gebäude werden ohnehin als ein notwendiges Übel, als eine drückende Last
empfunden, die wie eine Hypothek an den Gutserträgen zehrt (vergl. die
Ernteerträge auf Seite 309 und 310).
2. Die Felder des Rittergutes b liegen vom Hofe aus auf 2 Seiten
in grossen, zusammenhängenden Flächen; Herr A hat auf eigene Kosten
8 km Wege mit selbst gewonnenen und zugekauften Steinen chaussiert bezw.
gepflastert, „Sommerwege" angelegt, Bäume gepflanzt und die übrigen Feld-
wege sämtlich gebessert.
Der Boden ist ein milder, poröser und kräftiger Lehm in „alter Kraft"
und systematisch drainiert; er ist überall „kleefähig" und trägt Weizen
mit relativer Sicherheit. Der Boden ist durch langjährige Kultur erst zu
den höchst möglichen Erträgen geführt, die Ernten sind sicherer und die
Produkte wertvoller geworden. Für Zuckerrüben, Pferdebohnen, Wick-
gemenge, Luzerne, Shiriffweizen, Chevaliergerste und andere mehr anspruchs-
266 Brase:
volle Pflanzen und deren Varietäten sind die Bedingungen ihres Wachs-
tums durch Fleiss und Geldopfer erst nach und nach geschaffen worden.
Heute trägt der Boden alle möglichen Früchte und mit Erfolg, damals aber
nicht. Was hat es beispielsweise für Mühe gekostet, viele Hundert Kubik-
meter Steine und eratische Felsblöcke vom Acker abzufahren , allerhand
Samen- und Wurzelunkräuter zu vertreiben und dem Boden grosse Kalk-
mengen zuzuführen ?
Die Gebäude drohten in den 60er Jahren einzustürzen, der Raum
war sehr beschränkt trotz des damals schwachen Viehstandes und der
gegen heute verschwindend kleinen Ernten , der Hofraum äusserst beengt
und bei Regenwetter grundlos. In Gebäuden hat der Besitzer nicht weniger
als 170 000 Mk. festgelegt; heute ist alles massiv, aus Stein und Eisen ge-
baut, die Ställe sind für den grösser gewordenen Viehbestand berechnet,
die Scheunen fassen nunmehr die 2- bis 3 mal grösseren Ernten; Speicher,
Brennerei, Wagen- und Geräteschuppen, Arbeiterhäuser fehlten früher über-
haupt. Der Viehstand ist vermehrt und verbessert worden. Der Nutz-
viehstapel besteht zur Hälfte aus Milchvieh, zur Hälfte aus Jungvieh: Land-
rasse gekreuzt mit Oldenburger und Simmenthaler Bullen und 400 Schafen,
Rambouillet gekreuzt mit Hampshiredowns. Die Stallmilch bezahlt der
Käser mit 7 1/2 Pf. pro Liter. Alle gesunden Kälber werden zur Aufzucht
bestimmt.
Das Schurgewicht der Schafe beträgt durchschnittlich 3 leg pro Stück;
50 leg Schmutzwolle bringen nicht mehr als 40 Mk. Ausgemerzt werden
alljährlich 100—120 Schafe, die mit 46 bezw. 50 Pf. pro Kilogramm Lebend-
gewicht zur Schlachtbank gehen. Der Kraftfuttermittelankauf ist unbe-
deutend, weil die eigene Wirtschaft viel und kräftiges Futter liefert, nament-
lich Wiesen- und Kleeheu, mit Klee durchwachsenes Sommerungsstroh, Runkel-
rüben und Möhren, eingesäuerte Rübenblätter, Schlempe, Pferdebohnen und
Wickgemenge als Schrot und Trockenschnitzel (8% der gelieferten Zucker-
rüben). Sämtliches Vieh wird rationell gefüttert und gehalten.
Die ganze Summe von Maschinen , Ackergeräten , Wagen und Werk-
zeugen bildet einen komplizierten Apparat, der zu jeder Stunde parat ist.
Die eigenen (heimischen) Arbeitskräfte reichen nicht mehr aus wegen
des vermehrten Bedarfs infolge besserer Bodenkultur und intensiver Be-
wirtschaftung, so dass kein anderes Mittel übrig bleibt, als polnisch-russische
Wanderarbeiter während des Sommers gegen hohe Löhne einzustellen.
Es wird im wahren Sinne des Wortes intensiv gewirtschaftet, Kapital
und Arbeit aufgewendet, um dauernd die höchst möglichen Erträge zu ge-
winnen. Es wird auf einen beständigen Wechsel von Blatt- und Halm-
früchten geachtet, im übrigen aber giebt es keine bestimmte Fruchtfolge,
an der man krampfhaft festhält. Das Anbauverhältnis im Jahre 1898 war
z. B. folgendes:
28 ha Winterweizen,
57,5 „ Winterroggen,
10 „ Gerste (2/3) mit Hafer (V3),
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 267
6,25 ha Hafer,
20 „ Wickgemenge,
7,5 ,, Pferdebohnen,
20 „ 1- und 2jähriger Rotklee,
1,5 ,. Luzerne,
3 .. amerikanischer Pferdezahn-Mais,
43 .. Kartoffeln.
10,75 .. Zuckerrüben,
5 ,, Runkelrüben.
0,75 .. Möhren.
Der Stallmist rührt von kräftig- gefuttertem Vieh her; er wird in
Tiefställen und auf der Düngerstätte konserviert und fast ausschliesslich
zu Hackfrüchten verwendet. Dazu wird Kaiint, Superphosphat, Thomas-
phosphatmehl und Chilisalpeter gekauft für Zucker- und Runkelrüben, Mais
und sämtliche Halmfrüchte.
Die Felder werden zur rechten Zeit gewissenhaft bestellt, mit dem
Vierschar wird geschält, zur Saat mit Vorschar 17 — 20 cm tief gepflügt, zu
Zuckerrüben vor Winter 4-spännig bis zur Tiefe von 30 — 35 cm. Die
Drillkultur ist die allein übliche Saatmethode ; der Weizen wird soweit ge-
baut, dass man ihn im Frühjahr hacken kann. Auf Sortenauswahl legt der
Besitzer grossen Wert; es wird nicht bloss ..Weizen" und „Roggen" gebaut
sondern Shiriff squeare head, Pirnaer Originalroggen, von Kartoffeln 10 — 15
Varietäten, gelbe und rote Eckendorfer und Oberndorfer Runkelrüben.
Damit verlasse ich dieses Kapitel und füge kritisierend hinzu : Eine alte
schlesische Wirtschaft von 1860 steht heute auf hoher Stufe der Kultur.
Der Besitzer ist von Anfang an unermüdlich auf die allseitige Verbesserung
seines Gutes bedacht gewesen. Au Energie und Ausdauer, an Fleiss und
Sparsamkeit hat es wahrlich nicht gefehlt. Mit all seinem Wissen und
Können, seiner Erfahrung und wirtschaftlichen Einsicht, mit seinem Geschick
und Verständnis war es nicht genug; die Kapitalkraft ist und bleibt die
conditio sine qua non (vergl. die Ernteerträge auf Seite 309 und 310.)
3. Die Felder des Rittergutes c liegen um den Hof und seine 3 Vor-
werke herum. Die Wege sind in bester Verfassung.
Der Boden ist von Natur und seinem Kulturzustande nach derselbe
wie in b. Die Gebäude sind sämtlich massiv und neu gebaut.
Die Rindviehherde besteht aus 50 reinblütigen silbergrauen Holländer-
Kühen und im übrigen aus Jungvieh aller Altersstufen. Die Schäferei be-
steht aus 300 Mutterschafen, grosse Rambouillets mit reichem Wollbesatz
bei mittelfeiner Qualität; im übrigen sind es Lämmer, Hammel und Merz-
schafe. Es wird viel Vieh bester Beschaffenheit gehalten. Der ganze Vieh-
bestand entspricht seiner Grösse und Zusammensetzung nach den Futter-
verhältnissen der eigenen Wirtschaft. Der Rotklee liefert 2 — 3 Schnitte,
auf Stoppelklee ist mit Sicherheit zu rechnen ; Wickgemenge. Grünmais und
Rübenblätter sind bestimmt, während der Grünfütterung jede Lücke auszu-
füllen. Im Winter werden Runkelrüben, getrocknete Rübenschnitzel, Wiesen-
268 Brase:
und Kleeheu. Sommerungsstroli in grossen Mengen, und dazu wird Wick-
gemenge als Schrot gefüttert, so dass der Zukauf von Rapskuchen auf das
geringste Mass beschränkt ist. Durch eine grössere Schafhaltung werden
die zufälligen Acker- und Stoppelweiden einer ausgedehnten Wirtschaft
und namentlich alle Spreu-, Kaff- und Strohbestände ausgenutzt.
Die Milch nimmt der Käser in b für einen Preis von 7 l/2 Pf. pro
Liter. Mit der Milchwirtschaft wird eine umfangreiche Jungviehzucht ver-
bunden, zunächst für den eigenen Bedarf; was übrig bleibt, wird zur Zuchl
verkauft oder gemästet. Das Schurgewicht der 45 — 60 kg schweren Schafe
beträgt 4,5 — 5 kg Schmutzwolle pro Stück, der Preis für solche Wollen
48 — 55 Mk. pro 50 Jcg; in jedem Jahre werden 200 — 220 Hammel und Merz-
schafe an den Schlächter verkauft.
Brauchbare Maschinen und Geräte sind im Überfluss vorhanden.
Die Massenkartoffeln werden direkt vom Felde als Fabrikware ver-
kauft und nicht mehr, wie früher, in der eigenen Stärkefabrik verarbeitet,
weil ihre Maschinen veraltet sind und man die Räume zu anderen Zwecken
zu benutzen denkt.
x\uch Herr C beschäftigt seit Einführung des Zuckerrübenbaues 16 — 18
Russen während des Sommers, klagt aber nicht über Arbeitermangel, nennt
vielmehr sein Personal im allgemeinen leistungsfähig, fleissig und vor allem
zuverlässig.
Der Besitzer wirtschaftet nach keiner bestimmten Fruchtfolge, um die
augenblicklichen oder späteren Handelskonjunkturen möglichst auszunutzen,
ohne aber sein Bodenkapital im TJbermass in Anspruch zu nehmen. Unge-
fähr 150 — 175 ha tragen Winterung (3/4 Roggen, V4 Weizen) im Sommerungs-
schlage wird trotz der hohen Kultur weniger Gerste als Hafer gebaut, weil
er durchschnittlich höhere Erträge liefert und im Proviantamt seinen an-
ständigen und zahlungsfähigen Kaufmann findet. Es wird zweierlei Hülsen-
fruchtgemenge gebaut, teils um eigenes Kraftfutter zu gewinnen, teils um
für Roggen und Weizen eine passende Vorfrucht sich zu sichern; das eine
besteht aus Hafer und gelben, schwarzen, blauen und weissen Lupinen, das
andere aus Erbsen, Wicken und Hafer. Rotklee wird rein und im Gemisch
mit etwas Gras in grosser Ausdehnung gebaut, 1 und 2 Jahre lang genutzt.
Mit Kartoffeln werden 50 — 60 ha, mit Zuckerrüben 13,75 ha. mit Runkel-
rüben 12,5 ha und mit Grünmais 3,75 ha bestellt. Der Stalldünger wird
aufs beste konserviert, zu Weizen und sämtlichen Hackfrüchten verwendet.
Dazu werden dem Boden alljährlich 20000% Chilisalpeter, 30000 kg Ammoniak-
superphosphat und 3000 — 4000 kg Kainit zugeführt. Herr D pflegt seine
Felder aufs beste zu bestellen, tief und zur rechten Zeit zu pflügen, seine
Früchte zu drillen und auch zu hacken, wenn dies nötig ist. Bei der Saat-
gutauswahl wird sowohl auf die Sorte als auch auf die Qualität des Samens
und auf dessen Reinheit geachtet, nach dem alten Grundsatz, dass „für die
Aussaat das Beste nicht zu gut ist."
Sämtliche Wiesen sind zur Bewässerung eingerichtet und daher sehr
ertragreich; dazu ist das Wiesen Verhältnis in hohem Grade günstig.
Eiufluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer anf deren Bewirtschaftung. 269
Der langen Rede kurzer Sinn ist der, Rittergut c steht unter den
„Musterwirtschaften" im Kreise obenan ; darüber herrscht nur eine Meinung.
An Gebäuden. Zug- und Nutzvieh, Maschinen und Geräten, an Arbeitskräften
ist eher Überfiuss als Mangel. Der Boden ist in hoher Kultur, die Wirt-
schaft gut ausgerüstet. Herr C hat sich von seinem bewährten Grundsatz
leiten lassen: In einer schlechten Wirtschaft fehlt es überall, in einer guten
aber nirgends; eine schlechte Wirtschaft kostet nur, eine gute hingegen
bringt hohe Erträge. Der Besitzer ist fleissig und vorwärtsstrebend, könnte
aber bei weitem nicht so intensiv wirtschaften, wenn er nicht zugleich über
ausreichende Kapitalien verfügte. Das ist erst die Voraussetzung, tüchtig
und namentlich intensiv wirtschaften zu können, und Herr C thut dies
auch, obwohl er für keine Familie zu sorgen hat (vergl. die Ernteerträge
auf Seite 309 und 310).
Die Besitzungen d, e und f unterscheiden sich von a. b und c dadurch,
dass sie bei denselben guten Boden-. Verkehrs- und Absatzverhältnissen
nicht „musterhaft", sondern rationell, d. h. lediglich „auf Rente" bewirt-
schaftet werden (vergl. das statistische Material auf Seite 256 und 257). Dies
eine Ziel zu erreichen, ist kein anderer Landwirt in solcher Weise bestrebt.
wTie S in d und n. Er ist kapitalkräftig und m. E. der intelligenteste Land-
wirt weit und breit.
4. Die Felder des Rittergutes d liegen in einer Fläche um den Wirt-
schaftshof herum ; die Wege sind in stand gehalten und 3 km bald nach
der Übernahme auf eigene Kosten chaussiert worden.
Der Boden ist überall „kleefähig" und trägt ohne Ausnahme den
schönsten Weizen; er ist systematisch drainiert (Anfang der 70er Jahre),
ohne Steine und viel Unkraut. Mit Hilfe starker Stallmistdüngungen,
Anwendung phosphorsäurehaltiger Düngemittel, durch tiefe Lockerung und
sachgemässe Bestellung, passenden Fruchtwechsel, richtige Auswahl anbau-
werter Kulturpflanzen und lohnender Varietäten, durch Drill- und Hackkultur
ist eine ertragreiche Scholle Land entstanden. Die Bodenkultur ist heute
viel besser und gründlicher, als vor 25 Jahren. Die Maschinenfabriken
liefern dem kapitalkräftigen Besitzer alle möglichen und die für seinen
Boden geeigneten Saat- und Schälpflüge, Eggen und Walzen der verschiedensten
Konstruktion, Drill- und Hackmaschinen, welche Geräte eine regelrechte
Feldbestellung erst gestatten. „Daher sind die Erträge heute nicht nur
höher als in früheren Zeiten, sondern vor allen Dingen sicherer, die Pro-
dukte besser — , und ihr Verkaufspreis ist wesentlich gestiegen, wenn man
die Preise der 20 er Jahre in Betracht zieht."
Die vorhandenen Gebäude werden so billig wie möglich unterhalten,
teure Neubauten, die jede Rente vollends verzehren würden, peinlichst unter-
lassen. „Ob ein massives Bauwerk aus Stein und Eisen in 100 Jahren den
wechselnden Wirtschaftsbedürfnissen entsprechen wird, ist eine andere Frage."
S sagt von anderen Landwirten: „Es wird oft aus Eitelkeit viel zu teuer
und luxuriös gebaut, auch von solchen, deren Vermögensverhältnisse es
nicht erlauben, immense Kapitalien auf Nimmerwiedersehen festzulegen. Die
Landw. Jahrbücher. XXVIII. IS
270 Bkase:
Versicherungsgesellschaften finden an massiven Bauten ihren Gefallen; den
Landwirt, insbesondere einen kapitalschwachen, führen sie nur zu leicht zum
wirtschaftlichen Ruin."
In d werden 3 Paar Pferde gehalten und 1 Gespann Ochsen, letzteres
zum Futterholen und zur Aushilfe im Frühjahr und Herbst; 2 Gespann
Pferde würden alle notwendigen Arbeiten zur rechten Zeit nicht gut be-
wältigen, namentlich nicht während der Ernte. Die Haltung eines dritten
Gespannes wiederum verteuert den ganzen Wirtschaftsbetrieb mehr, als man
glauben möchte. Kleinere Güter verlangen einmal eine relativ starke An-
spannung. Für Dampfpflugarbeit wiederum sind die einzelnen Ackerflächen
zu klein, weshalb das Umsetzen besagten Apparates zu sehr verweilen würde.
Die Nutzviehhaltung wird als „notwendiges Übel" angesehen: „Wer
Viehzucht nicht versteht, soll's lieber lassen", sagt der Besitzer selbst. Da-
zu ist ein geschultes, erfahrenes, insbesondere aber zuverlässiges Wärter-
personal ein wichtiger Faktor für jede Viehhaltung und -Benutzung. Solches
Personal lässt sich vielfach nicht finden, was auch in d zutrifft. Es be-
steht im Gegenteil unter den unteren Volksschichten in unserer Zeit eine
gewisse Abneigung, die Fütterung und Pflege des Viehs - - selbst bei hoher
Löhnung — zu übernehmen.
Die Milch wird an die Molkerei in X geliefert für einen Preis von
8 Pf. pro Liter.
Die ständigen Arbeitskräfte sind : 1 verheirateter Vogt, 3 verheiratete
Pferdeknechte, 1 Futtersmann mit seiner Frau, 2 Kuhstallmägde, 3 Familien,
die für Lohn und Deputat arbeiten, und 2 Tagelöhner, von denen einer
selbst Grundbesitzer ist. Klagen über fühlbaren Arbeitermangel, unerhörte
Ansprüche und schlechte Leistungen habe ich nicht gehört, russische oder
polnische Wanderarbeiter nicht gesehen.
Die Felder werden in 6 Schlägen bewirtschaftet: auf Hackfrüchte
folgt Sommerung, dann Rotklee (zu Grünfutter und Heu), hierauf Raps,
wenn nicht Weizen, auf Raps Weizen, nach Weizen Wickgemenge und 6.
Winterung. Raps, Wickgemenge und sämtliche Hackfrüchte werden stark
mit Stallmist gedüngt. Weil der Boden arm an Phosphorsäure ist, werden
in der Regel im 6jährigen Turnus 2 Schläge mit Superphosphat oder Thomas-
mehl gedüngt. Die Verwendung von Kalisalzen hat sich bisher nicht be-
zahlt. Stickstoffhaltige Düngemittel dienen lediglich zur Aushilfe. Der an
sich beachtenswerte Zwischenfruchtbau lässt sich praktisch schwer durch-
führen, weil der Boden im Frühjahr langsam trocknet, und die Ernte in-
folgedessen meist vor Mitte Juli nicht beginnen kann, und 2. wreil die
einzelnen Erntearbeiten bei solchem starken Gebund trotz Aufbietung aller
disponiblen Arbeitskräfte zu viel Zeit in Anspruch nehmen, überhaupt in
nassen Jahren. Inzwischen wird es in Rücksicht auf unser Klima und
dessen Einfluss für die Bestellung langsam wachsender Leguminosen schon
zu spät. Im Hackfruchtschlage werden in der Hauptsache Kartoffeln ge-
baut, Runkelrüben und Pferdezahnmais , soviel als nötig ist, Zuckerrüben
auf einer verhältnismässig kleinen Fläche. Wird die Kartoffel so gedüngt
Einfluss der Verschuldung- ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung'. 271
und während der Vegetation gepflegt, wie die Zuckerrübe, dann liefert sie
beinahe dieselben Roherträge und noch höhere Reinerträge. Die Fabrik-
kartoffeln erzielen, nachdem das nötige Saatgut ausgelesen ist, in diesem
Jahre z. B. 1,20 Mk. pro 50 kg, die Zuckerrüben 4l/2 Pf. pro Prozent
Zucker. Die zurückgelieferten Trockenschnitzel stehen ihrem Werte nach
in keinem Verhältnis zu den grossen Geldauslagen. Dazu ist die Nach-
wirkung der Rübenkultur in d eher negativ: der nachfolgende Hafer stand
auffallend schlechter, als nach Kartoffeln; erst eine Beidüngung von 25 kg
( Jhilisalpeter pro 1/i ha war imstande, ausgleichend zu wirken. Hafer wird
mehr als Gerste gebaut, weil sie in kleinen Mengen als Malzgut sich nicht
leicht verkauft. Roggen wird nur in kleinem Massstabe der Arbeitsteilung
wegen angebaut. Auf Sortenauswahl pflegt man grossen Wert zu legen.
Von Weizenspielarten lieferte der Leutewitzer squeare head die höchsten
und sichersten Erträge; von allen möglichen Kartoffelsorten hat sich keine
dauernd besser bewährt, als „Professor Maercker", die jetzt ausschliesslich
kultiviert wird.
Meine Kritik der Bewirtschaftung fasse ich in folgendem zusammen:
Es wird sparsam, mit viel Überlegung, grosser Vorsicht und insbesondere
rationell gewirtschaftet. Grundsatz ist, was keine Rente verspricht, unter-
bleibt ein wie allemal. Die Rente ist allein massgebend, während fürs
Auge nichts geschehen darf (vergi. die Ernteerträge auf Seite 309 u. 310).
5. Die Feldlage des Rittergutes e ist folgende: Der schwere Boden
zieht sich um den Wirtschaftshof herum, die Felder mit den leichten Böden
liegen in einem langen Streifen, sind vom Hofe weit entfernt und durch
Rustikalbesitz getrennt. Die Abdachung ist wechselnd, aber unbedeutend.
Der Boden ist zu 3/4 des Areals, auf der Höhe, der beste des Kreises: ein
milder, kräftiger Lehm, von oben bis unten ohne Steine und Quecken und
für alle Früchte gleich gut geeignet. Der Rest ist ein feuchter bis trockener
Niederungssand. Der schwere Boden bedarf unbedingt einer systematischen
Drainierung, die nunmehr für 100 ha geplant ist und in Angriff genommen
wird. Die Gebäude sind sämtlich massiv, zum Teil neu gebaut.
Herr E wirtschaftet intensiv, aber abweichend von den meisten übrigen
Besitzern, wie dies aus der Grösse und Zusammensetzung seines Viehbe-
standes schon hervorgeht. Es werden 70 Stück Grossvieh gehalten, d. i.
auf 1 ha Acker 200 kg Lebendgewicht, und zwar junge, rotbunte Stiere,
die im Gewicht von 250—450 kg auf den Märkten gekauft und mit Rauh-
futter und Wurzelwerk ernährt werden. Allmählich werden die heran-
gewachsenen Stiere zur Arbeit angelernt und später als Zug- oder Schlacht-
vieh verkauft. Daher genügen 5 Gespann Pferde, um alle notwendigen
Arbeiten zur rechten Zeit beenden zu können. Es giebt keine Schafhaltung
und keine Aufzucht. Das Haushaltungsvieh besteht aus 5 — 6 Kühen, dazu
werden 15 — 18 Schweine für den eigenen Bedarf und zum Verkauf ge-
füttert. Die Fütterung des ganzen Viehbestandes basiert auf allerhand
Roh- und Abfallstoffen der eigenen Wirtschaft, das sind: grüner Klee,
Klee- und Wiesenheu, Stroh, Kaff und Spreu, frische und konservierte
18*
272 Bease:
Rübenblätter, desgleichen Mais, getrocknete Rübenschnitzel , Möhren und
Runkelrüben, so dass der Futtermittelankauf ein Quantum von 10000 kg
Rapskuchen meistens nicht übersteigt. Sämtliches Vieh ist gut genährt,
Die Feldmaschinerie genügt allen Anforderungen.
Seit Einführung des Zuckerrübenbaues reichen die heimischen Arbeits-
kräfte nicht mehr aus, weshalb in jedem Frühjahr eine Schar Polen ein-
geführt zu werden pflegt. Die „Binnenschläge" enthalten den guten Boden
und unterliegen folgendem Fruchtwechsel: 1. Klee, 2. Klee, 3. Raps, ge-
düngt, 4. Weizen, 5. Roggen, 6. Kartoffeln und Zuckerrüben, gedüngt,
7. Sommerung (Gerste und Hafer), 8. Kartoffeln und Rüben, gedüngt,
9. Hülsenfrüchte und Gerste, 10. Weizen. Dem Hackfruchtbau wird eine
Anbaufläche von 42—45 ha eingeräumt, davon sind 15 ha Zuckerrüben,
2 — 2,5 ha Runkelrüben und im übrigen Kartoffeln zwecks direkten Verkaufs.
Die „Aussenschläge" mit den sandigen Böden tragen 4 mal Winterroggen,
2 mal Kartoffeln und 3 mal Hülsenfrüchte (Lupinen und Gemenge).
Der Stallmist wird als Grundlage jeder Düngung angesehen und durch
Zukauf von 10000 kg Chilisalpeter, 25000 kg Superphosphat, 50000 kg Kalk
und Kalisalzen in seiner Wirkung ergänzt und unterstützt. Der Zwischen-
fruchtbau wird in grösserer Ausdehnung betrieben: auf 18 — 20 ha wird
Serradella in den Roggen eingesät und 15 — 22 ha werden während oder
nach der Ernte mit einem Gemisch von blauen Lupinen, Erbsen und Wicken
als Stoppelfrüchten bestellt.
Mit 1- und mehrscharigen Pflügen wird flach geschält, zur Saat für
Getreide 12 — 17 cm tief, zu Kartoffeln 20—25 cm, zu Zuckerrüben 4 spännig
noch tiefer gepflügt und zwar in breiten Streifen. Drillkultur, Anwendung
der Handhacke und Sortenauswahl betrachtet auch Herr E als geeignete
Mittel zur Steigerung der früher niedrigeren Erträge.
Die Kritik des Wirtschaftsbetriebes mag mein Gewährsmann über-
nehmen: „e ist, wie viele Güter, über den Kopf bezahlt, wenigstens um
30000 Mk.; es sollte unter allen Umständen, sobald wie möglich, systematisch
drainiert werden. Der Besitzer zersplittert sein disponibles Kapital, indem
er zugleich eine Pachtung im Kreise G. übernommen hat; überdies ist er
durch alle möglichen Ehrenämter zu sehr in Anspruch genommen und da-
her seiner Wirtschaft viel entzogen" (vergl. die Ernteerträge auf Seite 309
und 310).
6. Die Felder des Rittergutes fliegen arrondiert; das Terrain ist coupiert.
Der Boden ist überall ein milder, poröser, vermögender Lehm in Acker-
krume und Untergrund, auf der Höhe wie in der Tiefe. Der Boden liefert
Jahr für Jahr, wenn und wo er sachgemäss drainiert ist, die besten Ernten
und namentlich, wenn stark gedüngt, tief gepflügt und zur rechten Zeit
bestellt wird, was auch geschieht. Der Boden ist in „alter Kraft", nur
sind 75 ha nicht drainiert.
Für die Gebäude und deren Instandhaltung ist eher zuviel als zu
wenig gethan. Der frühere Schafstall ist zur Unterbringung von 60 Stück
Rindvieh, die Räume der Brennerei sind zum Speicher, der alte Kuhstall
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 273
ist als Geräte- und Wagenschuppen hergerichtet, ein Schuppen für Maschinen,
eine Feldscheune und das Beamtenhaus sind neu gebaut worden, desgleichen
mehrere Familienhäuser. Die übrigen Ställe und Arbeiterwohnungen be-
durften kleiner Reparaturen, die zu grossen wurden; ein Kellergewölbe
dient als Kälberstall, weil es für seine ursprüngliche Bestimmung' sich nicht
als passend zeigte. Wo zur Einfriedigung- des Wirtschaftshofes ein billiger
Zaun genügt hätte, ist eine massive Mauer aufgeführt. All diese Änderungen
und Neubauten haben immense Kapitalien verschlungen. Daher erklärt
sich auch die auffallend hohe Versicherungssumme von 314950 Mk.
Die relativ starke Anspannung besteht aus 24 Pferden und 27 Ochsen.
Die letzteren werden auf Märkten gekauft und neuerdings teilweise selbst
gezogen. Der Nutzviehstapel besteht aus 4 Bullen, 53 Milchkühen und 79
Stück Jungvieh, das in Laufställen untergebracht ist. Die Milch wird
direkt nach S an die Molkerei verkauft für einen Preis von 2 1/2 Pf. pro
% Fett; der Fettgehalt schwankt zwischen 3,4 — 3,5%. Die Ausgabe für
Kraftfuttermittel in Höhe von 9000 Mk. wird erspart, seitdem man in den
zweijährigen Rotklee Tymotheegras einsät. Das liefert ein kräftiges, ge-
sundes und vor allen Dingen billiges Futter in Massen. Bei starker
Tymotheeheu- und Rübenfütterung beträgt der Milchertrag 8 l pro Tag und
Kuh. Das Jungvieh erhält Haferschrot und Futtermehl; die Zugochsen
werden mit Rapskuchen, Bohnen-, Erbsen- und Wickenschrot, Trocken-
schnitzeln, Heu und Gemengestroh ernährt. Sämtliches Nutzvieh ist in
bester Kondition.
An Feldmaschinerie ist eher Überfluss als Mangel; da habe ich 2 Drill-
maschinen gesehen, 1 Breitsämaschine, 2 Geräte zur Kartoffelbestellung,
eiserne 3-scharige Schäl- und 1-scharige Saatpflüge, Walzen und Eggen der
verschiedensten Konstruktion, je nach ihrem Zweck, Mähmaschinen, Lokomobile,
Strohpresse und anderes mehr.
Die Brennerei ist eingegangen, wie ich bereits erwähnte; die Ziegelei
wird eingehen, weil ihr Betrieb nach hergebrachter Gewohnheit nicht mehr
lohnt.
Das alte patriarchalische Verhältnis zwischen Gutsherr und Arbeiter
ist längst geschwunden, obwohl der früher kapitalkräftige Besitzer gerade
auf möglichste Verbesserung der materiellen Lage seiner Arbeiter bedacht
gewesen ist und auf ihre richtige Behandlung stets seine Aufmerksamkeit
gelenkt hat. Von Arbeitermangel ist indessen bisher keine Rede.
Herr Inspektor E wirtschaftet intensiv, dabei nach dem wirtschaftlich-
ökonomischen Prinzip, das den grösstmöglichen Nutzeffekt bei geringstem
Aufwand zu erlangen sucht, Es wird keine ein für allemal geltende Frucht-
folge innegehalten; nur der Klee kehrt nach einer bestimmten Periode
wieder, wie auch in der Regel nicht Halmfrucht auf Halmfrucht folgt. Das
Anbauverhältnis ist im allgemeinen folgendes : Etwa 50 ha sind Klee (allein
und im Gemisch mit Tymotheegras), der zu % der Fläche 1 .Tahr, zu 1/i
2 Jahre lang genutzt wird; 125 ha Winterung (7/i0 Weizen, 3/10 Roggen);
62 — 65 ha Sommerung — davon 45 — 50 ha Hafer und Gemenge, bestehend
^7 | Brase:
aus Hafer (2/3) und Erbsen und Wicken (V3). 15 ha Gerste zu Brauzwecken;
52 — 54 ha Hackfrüchte, und zwar 25 ha Zuckerrüben, 20 ha Kartoffeln,
7 — 8 ha Runkelrüben und Möhren. Auf Lein, Wickgemenge zu Grünfutter,
Deputatkartoffeln, Samenrüben und badischen Mais entfällt der Rest vom
Ackerareal.
Die Grundlage der Düngung gewährt eine starke, in kurzem Turnus
wiederkehrende Stallmistdüngung. Der Stallmist wird verwendet zu sämt-
lichen Kartoffeln, Runkelrüben, Möhren und Mais, zur Hälfte der Zucker-
rübenfläche und zu AVeizen, soweit er reicht. Zum Einkauf künstlicher
Düngemittel werden alljährlich 5000—6000 Mk. verwendet (15000 /# Chili-
salpeter, 30000— 40000 hg Superphosphat, 50000 kg Kainit.) In der Regel
wird mit Vorschar bis zur Tiefe von 20 cm gepflügt, zu Zuckerrüben
4 spännig bis 25 cm, und das Stoppelschälen mit grosser Energie durchzu-
führen gesucht. Sämtliches Getreide wird 15 cm weit gedrillt und gehackt,
soweit dies möglich ist. Die Weizensorten sind: Sandomir-, Eppweizen,
gelber Kaiserweizen; die passendste Roggensorte ist der „Probsteier" ; von
Kartoffelsorten haben sich Gleason, Seed, ,. Professor Maercker" und gelbe
Rose mehr wie andere dauernd bewährt.
Nach alledem bin ich der Meinung, dass das in Rede stehende Ritter-
gut rationell bewirtschaftet wird, denn für die teuren Bauten ist der Be-
amte nicht verantwortlieh zu machen (vergl. die Ernteerträge auf Seite
309 und 310.)
Die Besitzung g und das Rittergut h werden „sparsam, aber gut" be-
wirtschaftet (vergl. das statistische Material auf Seite 256 und 257).
7. In g ist der Boden wechselnd und zum Teil im Ertrage unsicher
trotz Drainage; das Ober-Vorwerk daselbst hat Sand, Kies und Thon, welch
letzterer überall den undurchlässigen Untergrund bildet; im übrigen herrscht
ein „kleefähiger" Mittelboden vor, der sich besonders zum Anbau von
Roggen und Kartoffeln eignet. Die Felder sind grösstenteils systematisch
drainiert.
Die Gebäude sind massiv und in gutem baulichen Zustand, die Vieh-
ställe zum Teil neu gebaut.
Die Fütterung ist gestützt auf die Futterstoffe der eigenen Wirtschaft;
es sind dies Schlempe, Trockenschnitzel, Wiesen- und Kleeheu, Stroh, Spreu,
Rübenblätter, Runkelrüben, grüner Klee, Mais, Serradella und Schrot von
Hülsenfrnchtgemenge; dazu wird Weizenschale, Futtermehl, Raps- und Lein-
kuchen, neuerdings auch Torfmelasse und Maiskeimmelasse zugekauft,
Sämtliches Vieh ist besserer Beschaffenheit. Die Milch wird durch eigenes
Personal an bestimmte Kunden in x direkt verkauft für einen Preis von 10 Pf.
pro Liter. Alle gesunden Kälber der reinblütigen Oldenburger Herde werden
zur Aufzucht benutzt. Die Kuhkälber bilden die eigenen Remonten, die
Bullenkälber werden kastriert und gemästet, wenn sie nicht später als Zug-
ochsen Verwendung finden sollen. Der Milchertrag beträgt pro Kuh und
Jahr annähernd 3000 l. Die Schafe werden in 2 Herden gehalten, auf dem
Hauptgute stehen etwa 900 englische Fleischschafe (Hampshiredowns. zum
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 275
Teil gekreuzt mit ShropsMres), in Anteil z ca. 900 feine Tuclnvollschafe -
Electoral. Das Schurgewicht der Fleischschafe beträgt 3 — 4 kg Schmutz-
wolle ; 50 kg erzielen nicht mehr als 50 Mk. Die Tuch Wollschafe liefern
1,5—2 kg gewaschene Wolle; 50 kg brachten bisher 180 Mk. Die Hammel
in dieser Herde dienen 3 — 4 Jahre lang als Wolltiere und werden danach
zur Mast aufgestellt; sie verlangen relativ viel Futter und werden mit
44 Pf. pro Kilogramm Lebendgewicht bezahlt. Die Frühjahrslämmer der
Fleischschafherde werden vor Winter zur Mast aufgestellt und im nächsten
Frühjahre verkauft für 52 — 54 Pf. pro Kilogramm Lebendgewicht,
Das tote Inventar wird in stand gehalten und ergänzt, was unbedingt
nötig ist. Über Arbeitermangel wird je länger, desto mehr geklagt; das
alte Dreschgärtnerverhältnis hat sich aufgelöst; der Arbeiterbedarf ist in-
folge der gegen früher intensiveren Bewirtschaftung und namentlich seit
Einführung des Kübenbaues immer grösser geworden; alte Arbeiter ziehen
weg, andere lassen sich nicht nieder; so hat man geglaubt, zu Russen seine
Zuflucht nehmen zu sollen. Wenn indessen verlangt wird, dass ein Mann
im Sommer für 1 Mk.. im Winter für 0,80 Mk. arbeitet, so lässt sich leicht
erklären, warum gerade die tüchtigsten Kräfte der Landarbeit verloren
gehen. Für die ganze Besitzung ist nur 1 Beamter angestellt, während
mein Gewährsmann 3 für nötig hält.
Die Felder werden nach einer Fruchtfolge von den einzelnen Höfen
aus bestellt, nämlich: 1. Hackfrüchte, gedüngt, 2. Sommerung (Hafer und
Gerste). 3. Klee (Rotklee, Gelbklee, Raigras, Tymotheegras) , 4. Klee,
5. Winterung (l/4 Weizen, 3/4 Roggen), 6. Hackfrüchte, gedüngt, 7. Winterung
(Weizen und Roggen), 8. Sommerung (Hafer und Hülsenfruchtgemenge),
9. Winterung. Die Fruchtfolge des Hauptgutes weicht insofern ab, als nach
4. Klee, 5. Raps folgt, gedüngt, 6. Winterung u. s. f.; es sind demnach
nicht 9, sondern 10 Schläge.
Zur Winterung wird Thomasphosphatmehl und Sylvinit, zur Sommerung
Superphosphat, Sj'lvinit und Chilisalpeter verwendet. Als Zwischenfrucht
dient nur die Serradella. Zu Getreide und Zuckerrüben werden 1600 — 2000 kg
Stückkalk pro Hektar aufgebracht, der neuerdings als Mehl gekauft, mit
Sylvinit gemischt und mit der Kalk- und Düngerstreumaschine von Hampel
vorteilhaft verteilt wird. Der Kartoffelbau wird seit 2 Jahren etwas ein-
geschränkt zu Gunsten der Zuckerrübe, deren Anbaufläche auf 15 ha aus-
gedehnt ist.
Die Getreidestoppel wird, sobald wie möglich, flach geschält und zur
Saat mit eisernen Pflügen 12—17 cm tief gepflügt und zwar in breiten
Beeten. Zur Bestellung wird teils die Drillmaschine, teils die Breitsä-
maschine benutzt,
Xach meinem Dafürhalten wird mehr kapitals- als arbeitsintensiv ge-
wirtschaftet, aber sparsam (vergl. die Ernteerträge auf S. 309 und 310).
8. Das Rittergut h mit 2 Vorwerken hat einen vielfach wechselnden
Boden, der trotz systematischer Drainage schwierig zu bestellen und
daher im Ertrage unsicher ist und bleibt. Meistens ist es ein strenger
276 Brase:
Lelim in der Ackerkrume wie im Untergründe, der hier und da in sandigen
Lehm und lehmigen Sand übergeht. Annähernd 75 ha Wald, Öd- und Un-
land sind mit grossem Aufwand urbar gemacht worden. Es sind Flächen,
die bei hohen Löhnen und niedrigen Getreidepreisen weniger zu Acker als
zur Holzkultur sich eignen. Steine habe ich auf dem Felde gerade genug
gesehen; auch an Quecken fehlt es nicht.
her Boden ist jahrzehntelang schonend behandelt worden, so dass er
in gutem Düngerzustand sich befindet.
Die Feldlage ist in Rücksicht auf die Grösse der Wirtschaft immer-
hin günstig; die Ackerstücke dagegen sind relativ klein, infolge der vielen
Vorflutgräben.
Die Abdachung wechselt vielfach ; die Privatwege sind nicht befestigt
und zu beiden Seiten durch Steinhaufen und Schlehenbüsche eingedämmt.
Der Besitzer hat verfallene Gebäude bald nach der Übernahme wieder-
hergestellt, das eine ergänzt, das andere neu gebaut oder für andere Zwecke
eingerichtet. Die Gebäude sind sämtlich massiv und werden so billig, wie
nur möglich, in stand gehalten.
Das Vieh ist im ganzen gut genährt. Kraftfuttermittel werden in
folgendem Masse zugekauft: 30000 kg Weizenkleie, 10000—15000 kg Baum-
wollsaatmehl, 5000 — 7500 kg Mais in jedem Jahre. Dazu werden etwa
7500 kg Pferdebohnen geschroten und von je 85 kg Mahlroggen 25 kg Kleie
zurückgenommen. Die Zugochsen werden 550 — 600 kg schwer und 4 Jahre
alt auf Märkten eingekauft für einen Preis von 30 — 35 Mk. pro 50 kg;
sie arbeiten im Wechsel und werden mager oder angemästet wieder verkauft.
Für die Vollmilch bezahlt der Käser 73/4 Pf. pro Liter; er liefert
die Magermilch für 2 Pf. pro Liter zurück bis zur täglichen Abnahme von
80 Litern und die Butter fürs Haus mit 2 Mk. pro Kilogramm. Grundsatz
ist, alle gesunden Kälber werden zur Aufzucht behalten. Ausgemerzte
Milchkühe, Bullen und Zugochsen, selbstgezogene und gemästete Stiere und
nicht tragend gewordene Färsen werden verkauft. Um die Körperformen
zu verbessern, die Futterverwertung und Mastfähigkeit zu erhöhen, wird
die Holländer-Kuhherde mit Oldenburger Vieh gekreuzt.
Die Schafe wurden abgeschafft und dafür 25 — 30 Meissner Zuchtsauen
und 2 Eber aufgestellt. Die 4 — 6 Wochen alten Absatzferkel erzielen 12
bis 15 Mk. pro Stück. Die Eber werden durch Ankauf aus einer bekannten
Stammherde ergänzt.
Das tote Inventar ist ausreichend vorhanden, aber nichts mehr.
Der Arbeitermangel wird mehr und mehr zur grossen Plage.
Es wird nach keiner bestimmten Fruchtfolge, wohl aber nach einem
für jedes Jahr festgelegten Bestellungs- und Düngungsplane gearbeitet. Die
Hauptfrüchte bilden Roggen, Hafer, Kartoffeln und Klee; Zuckerrüben
werden kontraktlich nur 2,5 ha gebaut, Futterrüben 4,5 ha, Mais 1 — 1,5 ha;
im Winterungsschlage auf den besseren Böden Weizen in Stallmist, im
Sommerungsfelde : Gerste, allein oder mit Hafer, Pferdebohnen, Wickgemenge
und auf den leichteren Böden gelbe Lupinen zur Ernte oder zur Gründüngung.
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 277
Sämtliche Hackfrüchte und 20 — 22,5 ha Winterung werden stark mit
Stallmist gedüngt. Phosphorsäure und stickstoffhaltige Düngemittel werden
ausnahmsweise, Kalisalze hauptsächlich als Wiesendünger angewendet und
30000 kg Kalkasche zu Zuckerrüben, Pferdebohnen und Halmfrüchten.
Gerade diese Auslage hat sich sehr bezahlt. Serradella wird in grossem
Umfange zur Gründüngung oder Futtergewinnung in Winterroggen ein-
gesät, teilweise auch gelbe Lupinen während der Koggenblüte.
Die Arbeit des Stoppelschälens war in diesem Jahre wegen der grossen
Härte infolge der andauernden Trockenheit nicht oder nur schwer durch-
zuführen; gepflügt wird in der Regel bis zur Tiefe von 15 — 17 cm mit
oder ohne Vorschar in 12 m breiten Streifen. Die Winterung ist zum Teil
„auf 1 Furche" bestellt, der Roggen vielfach nicht gedrillt, sondern mit
der Maschine breit gesät.
Der Besitzer wirtschaftet sparsam, mit viel Überlegung und Sorgfalt.
Den Boden könnte man mehr angreifen, als dies geschieht. Indessen ist
nicht höchst mögliche Produktivität als Ziel gesteckt, sondern dauernd
gleichbleibende, wenn auch augenblicklich nicht zu hohe Erträge. Der Be-
sitzer schlägt beispielsweise in jedem Jahre nur 1 ha Nutzholz und nicht
4 — 5 ha, wie dem Forstplan entsprechen würde (vergi. die Ernteerträge
auf Seite 309 und 310).
Die beiden Rittergüter i und k liegen in derselben Feldmark und
haben annähernd die gleichen Boden- und dieselben Verkehrs- und Absatz-
verhältnisse. Das erstere ist „nicht verschuldet", das zweite im Verlauf
von 45 Jahren durch denselben Besitzer immer mehr belastet worden; der
Eintragung des Restkaufgeldes von nur 25500 Mk. folgten nachstehende
Hypotheken :
Im Jahre 1855: . . . . 11550 Mk.
.. 1876: .... 6000 „
.. 1876: .... 6000 ..
.. 1880: .... 45000 ..
.. 1883: .... 13950 ..
., 1883: .... 36000 ..
„ 1886: .... 9000 ..
.. 1886: .... 9000 ..
= 136500 Mk.
und obige 25500 ..
= 162000 Mk..
d. i. beinahe soviel, als die hohe Anzahlung betrug (vergl. das statistische
Material auf Seite 256 und 257).
9. Der Boden des Rittergutes i ist ein trockener bis feuchter, nur
zum Teil kleefähiger Sand; darunter liegt glacialer Thon. der sporadisch
in vielen Ackerstücken zu Tage tritt, wodurch die Bestellung wesentlich
erschwert wird. Die Quecken werden zur Kompostierung in grosse Mieten
zusammengefahren; im Acker habe ich aber gerade noch genug gefunden.
278 Bbase:
Die Felder sind bei wechselnder Abdachung- arrondiert; das Ackerareal
wird indessen durch Holzungen unterbrochen, so dass hierdurch „Binnen"-
und „Aussenschläge" sich ergeben.
Die Gebäude sind sämtlich massiv, allen wirtschaftlichen Bedürfnissen
entsprechend und in gutem baulichen Zustand.
Der Besitzer hat 50 Stück Rindvieh übernommen und zeigt heute 120
Haupt schönes und wohlgepflegtes Wilstermarsch- und Oldenburger Vieh,
darunter allein 50 Milchkühe. Die Vollmilch wird direkt nach y verkauft
für einen Preis von 13 Pf. pro Liter. Ebenso wichtig wie die Milchnutzung
ist die Aufzucht für den eigenen Bedarf, zur Anzucht von Zugochsen und
Mastvieh. Gelegentlich gemästet werden ausgemerzte Zugochsen und über-
flüssiges und für Zuchtzwecke nicht geeignetes Jungvieh.
An gebrauchsfähigem toten Inventar fehlt es nicht; ich habe eiserne
Saat- und mehrscharige Schälpflüge gesehen, den Düngerstreuer, eine Drill-
maschine, Cambridgewalze und anderes mehr.
Die Hauptfrüchte bilden Roggen, Kartoffeln, Lupinen und Serradella;
der Kleebau bleibt auf die „kleefähigen" Äcker beschränkt. Von Runkel-
rüben, Möhren, Pferdezahnmais, Hülsenfruchtgemenge, Hafer, allein und mit
Gerste im Gemisch, wird gebaut, soviel die eigene Wirtschaft bedarf. An-
nähernd 100 ha pflegen in jedem Jahre mit Winterung bestellt zu werden.
Die „Aussenschläge" tragen in 8 Jahren 4 mal Roggen, 2 mal Lupinen und
Serradella als Jahresfrüchte zur Gründüngung, 1 mal Sommerung und 1 mal
Kartoffeln.
In 3 Jahren werden die „Binnenschläge" 1 mal gedüngt mit 5 — 6
Fuder Tiefstallmist pro 7* ha, die Winterung stärker als Kartoffeln. Kainit
und Thomasphosphatmehl im Verhältnis von 2 : 2 werden vielfach mit gutem
Erfolge und namentlich auf sämtlichen Wiesen angewendet, Knochenmehl
nur hin und wieder. Lupinen und Serradella werden in den „Binnen-
schlägen" in grösserem Umfange als Zwischenfrüchte angebaut.
Der Boden wird zum Teil eben, zum Teil in 4 m breiten Beeten ge-
pflügt, der leichte bis zur Tiefe von 15—17 cm, der bessere bis 25 cm.
Als anbauwürdigste Sorten haben sich folgende erwiesen; von Roggen:
der Pirnaer, Schlanstädter und schwedische Schneeroggen, von Weizen: der
Frankensteiner Weissweizen, von Lupinen: gelbe und blaue, von Kartoffeln:
Athene, Hannibal, Anderssen, „Professor Maercker", blaue Riesen und
Imperator. —
Herr 0 hat schadhafte Gebäude nutzbar gemacht, die Brennerei besser
ausgestattet, die Drillkultur eingeführt, Sortenauswahl getroffen, die vorhandene
Düngerstätte eingehen lassen und sämtliche Viehställe zum Liegenlassen
des Düngers eingerichtet, den Zwischenfruchtbau eingeführt, Gründüngung
und Kaliphosphatdüngung mehr angewendet, als es früher üblich war,
namentlich die Wiesen regelrecht gedüngt, Maschinen und Geräte vermehrt
und ergänzt, die Viehherde wesentlich vergrössert und verbessert, sich einen
lohnenden Milch- und Viehabsatz geschaffen und eine nachhaltige Holz-
nutzung gesichert. Als Mangel habe ich empfunden, dass es an ausreichenden
Einfluss der Verschuldung landlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 279
Arbeitskräften wie an Spannvieh fehlt und, dass viel schlechtes Land anter
dem Pfluge ist.
Der Besitzer ist sehr vermögend und wirtschaftet seit nunmehr 10 Jahren
intensiver als seine nicht genügend kapitalkräftigen Vorbesitzer, obwohl bei
ihm ein materieller Zwang nie vorgelegen hat. Er leitet seine Wirtschaft
selbst, überlässt aber jede Ausführung seiner Direktiven einem älteren Ver-
walter, der nunmehr seit 7 Jahren amtiert (vergl. die Ernteerträge auf
Seite 309 und 310).
10. Die Feldlage des Rittergutes k ist mindestens ebenso günstig als
die von i. Das Gelände ist beinahe eben, und der Boden vorwiegend ein
leichter, trockener bis feuchter Sand : ..Roggen''- und „Kartoffelboden", nahe
des Hofes, ein vermögender, lehmiger Sand oder sandiger Lehm, den man
als ..Aueboden" bezeichnen darf. Der Boden ist im allgemeinen in der
ganzen Feldmark von derselben Beschaffenheit. Der Gutswert liegt vor
allen Dingen in 1- und 2 schürigen Bewässerungswiesen und in früher
kapitalen Holzbeständen. Von der Gesamtfläche entfallen 14,38% auf Wiesen
und 38,2% auf Holzungen, während für Ackerland nur 44,94% übrig
bleiben.
Die Bewirtschaftung ist sehr einfach: die Hauptfrüchte bilden Winter-
roggen und Kartoffeln; Gerste, Hafer, Hülsenfruchtgemenge, Lupinen, Klee
und Rüben werden in der Hauptsache nur für den eigenen Bedarf gebaut.
Der Besitzer bezieht keine Düngemittel und Futterstoffe, wenigstens nicht
in nennenswertem Umfang, strengt seine Pferde derart an, dass sie trotz
kräftiger Fütterung schlecht genährt aussehen, spart an Arbeitskräften und
Löhnen, soweit irgend möglich, hält wegen Arbeitermangel nur 2 Gespann
Ochsen, wo früher die Anspannung wesentlich stärker und daher ausreichend
war. Die Folge des immer drückender gewordenen Arbeitermangels ist
z. B. : dass am 10. Oktober dieses Jahres Roggen zur Saat gedroschen wurde,
dass am 22. desselben Monats kümmerliche Gründüngungslupinen zu Winter-
roggen erst untergepflügt wurden, während die Herbstbestellung gerade auf
solchen Böden längst beendet sein sollte, und dass — zugleich infolge von
Kapitalmangel — verkauftes Roggenstroll mit Dampf zu Häcksel geschnitten
wurde, anstatt die Hackfruchterate nach Kräften zu fördern und ganz be-
sonders die im Rückstande befindliche Herbstbestellung zu beschleunigen.
Der Besitzer ist gezwungen, an seinen morschen Gebäuden jegliche
Reparaturen zu vermeiden, Neubauten gänzlich zu unterlassen. Die leck
gewordenen Strohdächer sind von grünem Moos über und über besetzt; der
frühere Schafstall steht leer und findet keinerlei Verwendung.
Es wird im Hinblick auf die ausgedehnten Wiesenflächen und des
Gutes Verkehrslage verhältnismässig wenig, wohl aber leistungsfähiges Nutz-
vieh besserer Beschaffenheit gehalten.
Geackert wird mit eisernen und Holzpflügen bis zur Tiefe von 12 bis
17 cm in schmalen „Fluren". Die Hackkultur verbietet sich von selbst,
wohl aber wird gedrillt, trotz aller Quecken. Zwischenfruchtbau, Kalkung
und dergleichen mehr kostet Geld und kommt daher für besagte Wirtschaft
280 Bkase:
nicht in Frage. Das bescheidenen Ansprüchen genügende Ackergerät wird,
so lange wie möglich, beibehalten, ergänzt oder hinzugefügt so wenig wie
nur möglich. Dass der Boden nicht in hoher Kultur ist, versteht sich
bereits von selbst,
Der Besitzer ist bis in sein hohes Alter mühsam und thätig, lebt
heute beispielslos einfach und bescheiden; er hält sich keinen Beamten,
verzichtet auf eine persönliche Unterstützung und vermeidet grundsätzlich
jede grössere Ausgabe für seinen Haushalt. Die baren Einnahmen bestehen
im Erlös für Roggen, direkt verkaufte Kartoffeln, Vieh und dessen Produkte,
namentlich aus verkauftem Stroh und Wiesenheu; periodisch wiederkehrende
Waldstreu- und Holzauktionen sind bestimmt, Einnahmen und Ausgaben
endlich ins Gleichgewicht zu bringen (1 ha 40— 60jähriges Stangenholz
z. B. erzielt in der Regel nicht mehr als 1080 — 1440 Mk.).
Nach alledem gipfelt die übliche Wirtschaftsweise darin, ohne be-
sonderen Arbeit- und Kapitalaufwand vornehmlich zu nutzen, was die Natur
gerade bietet; sie ist also extensiv und erscheint in diesem Falle zugleich
mangelhaft. Aus den vorliegenden Natur-, Verkehrs- und nicht minder
auch aus den Schuldverhältnissen ist ein Wirtschaftssystem entstanden, wie
ich es in aller Kürze darzustellen mich bemühte.
Die Besitzer 1 und m haben anfangs beide intensiv gewirtschaftet,
aber nicht mit finanziell günstigem Resultat, weshalb der eine zur „exten-
siven Weidewirtschaft" zurückgekehrt ist, der andere den grössten Teil
seiner Ackerflächen aufgeforstet hat (vergl. das statistische Material auf
Seite 256 und 257).
11. Der Boden des Rittergutes 1 wechselt vielfach, ist von Natur fehler-
haft und daher im Ertrage äusserst unsicher. Es finden sich trockene und
feuchte, feine und grobe Sandböden von hellem oder dunklem Farbenton,
Kies, humusarme und anmoorige Böden, sandige Lehm- und lehmige Sand-
böden und insbesondere nasse und kalte Böden. Der Boden leidet ohne
Unterschied an stauender Nässe infolge des undurchlassenden Untergrundes,
weshalb der übliche schmale Beetbau wohl oder übel beibehalten wird.
Dürre Perioden beeinträchtigen weniger das Ernteergebnis, als nasse Zeiten.
Die sicherste Frucht ist Roggen und in trockenen Jahren die Kartoffel.
Der Besitzer ist von Anfang an bestrebt gewesen, sein Gut allseitig
zu verbessern und zu heben. Er hat die Drillkultur eingeführt, ausreichend
Kainit und Thomasmehl zu jeder Frucht verwendet, Chilisalpeter zur Kopf-
düngung benutzt, Kalk in grösseren Mengen zugeführt, auf vorteilhafte
Konservierung und zweckmässigste Verwendung des Stalldüngers hingewirkt,
die 1 schürigen Feld- und Wald wiesen zu düngen angefangen, den Anbau
von Kartoffeln, Klee und anderen Leguminosen ausgedehnt, neues Saatgut
angekauft, das Stoppelschälen durchgeführt, den Zwischenfruchtbau aufge-
nommen, auf dem früheren Weinberge eine Obstbaumschule angelegt, die
Feldwege bepflanzt, mit Zuckerrüben-, Tabak- und Hopfenbau versucht, das
Zugvieh vermehrt und besser gefüttert, Kraftfuttermittel waggonweise be-
zogen, die Schafhaltung aufgegeben und Milchwirtschaft an deren Stelle
Einfluss der Verschuldung1 ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 281
eingeführt, Schweinezucht zum Ferkelverkauf angelegt, alle möglichen
Maschinen und Geräte gekauft, bis zur Dampfdreschmaschine, eigene Schmiede
und Stellmacherei geschaffen, einen Dampfsparmotor aufgestellt zum Betriebe
des Viehfutterdämpfers, der Schrotmühle, der Häckselmaschine, Düngermühle
und Dreschmaschine, die Gebäude in stand gesetzt, namentlich die Körner-,
Futtermittel- und Heuböden, die Viehställe besser eingerichtet, einen Wagen-
und Geräteschuppen neu gebaut, eine Centesimalwage aufgestellt; er hat die
Arbeiterwohnungen ausbessern lassen und nach Kräften sich bemüht, die
nötigsten Arbeiter zu erwerben und bei hohen Löhnen zu erhalten. Diese
Meliorationswirtschaft im wahren Sinne des Wortes hat sich aber nicht be-
währt: das finanzielle Resultat war negativ.
Daher ist man. um weitere pekuniäre Verluste zu vermeiden, zur
früher üblichen, d. h. extensiven Bewirtschaftung zurückgekehrt: die schlech-
testen und unsichersten Böden sind zur Aufforstung, die übrigen Acker-
flächen zur Weidewirtschaft bestimmt worden, Roggen wird 2 mal, wenn
nicht 3 mal, nacheinander ohne Düngung angebaut, der Kleeschlag nicht ge-
wechselt, so lange das Weidevieh sich nur ernährt, der Anbau von Kartoffeln
und Hülsenfrüchten ist eingeschränkt, die Kultur mehr anspruchsvoller
Früchte aufgegeben, die „Frucht wechselwirtschaft" ist zur „Wechselwirt-
schaft" geworden. Kalk, Dünge- und Futtermittel werden so wenig wie nur
möglich angekauft, der Zwischenfruchtbau ist verlassen worden, es sei denn,
dass Serradella in den Winterroggen zwecks Futtergewinnung eingesät
wird. Nunmehr überflüssiges Ackergerät wird nach und nach verkauft.
Die Milchwirtschaft wird beibehalten, die 100 Köpfe zählende Viehherde
während des Sommers geweidet, im Winter mit Stroh, Spreu, Kaff, Heu,
Rüben, Kartoffeln und Schrotgetreide ernährt. Bei solcher Haltung und
Fütterung ist der durchschnittliche Milchertrag 5 l pro Kuh und Tag. Die
Milch wird centrifugiert, die Butter an jedem Sonnabend für einen Preis
von 2,10 — 2,20 Mk. pro Kilogramm in G verkauft. Alle gesunden Kälber
werden zur Aufzucht bestimmt, junge Stiere und ausgemerztes Vieh gemästet.
Es wird auf eigenen Nachwuchs von Pferden und Zugochsen gesehen und
die Schweinezucht infolge des schlechten Ferkelabsatzes eingeschränkt. Der
Bedarf an Arbeitskräften ist vermindert; wohl stehen Wohnungen leer, aber
der früher schwer empfundene Arbeiterinangel ist beseitigt. Es werden jetzt
nicht mehr beschäftigt als: 2 Mägde und 2 Frauen in den Viehställen, 1 ver-
verheirateter Vogt, 3 verheiratete Pferdeknechte, 3 verheiratete Ochsen-
knechte und 2 Arbeiterfamilien.
Der Besitzer sucht fortwährend den Wirtschaftsaufwand nach Möglich-
keit herabzusetzen, den Betrieb vor allen Dingen einfach und billig zu ge-
stalten, um wenigstens eine bescheidene Rente zu erlangen. Von der Ge-
samtfläche des Gutes entfallen 11,52% auf Wiesen, das Ackerareal ist auf
34,58% zusammengeschrumpft, die Holzungen wurden nach und nach auf
48,41 % der Fläche ausgedehnt (vergl. die Ernteerträge auf Seite 309 und 310).
12. Das Rittergut m ist nicht mehr, wie einst, ein Acker-, sondern ein
Waldgut. Auf Ackerland entfallen 13,52%, auf Holzungen dagegen 81,16%
282 Rrase:
des ganzen Areals. Nach und nach sind 250 ha Acker aufgeforstet worden,
so dass nur 125 ha übrig- bleiben, von denen etwa 75 ha selbst bewirtschaftet,
die übrigen 50 ha parzellen weise verpachtet werden.
Die vorliegenden Boden-, Verkehrs- und Absatzverhältnisse, die Höhen-
lage, das hügelige Gelände, der ewige Arbeitermangel, all das ist nicht ge-
eignet, bei aller Kapitalkraft des Besitzers die landwirtschaftliche Produktion
zu fördern und nutzbringend zu gestalten.
Man hat alle möglichen Mittel versucht, um zu lohnenden Erträgen zu
gelangen, aber vergeblich ; an der Leitung hat es nicht gelegen. Das Wirt-
schaftssystem, die Fruchtfolgen wurden mehr wie einmal geändert, der Vieh-
stand erst vermehrt, dann vermindert u. s. f., seine Zusammensetzung ge-
ändert, eine mehr versprechende Nutzungsrichtung eingeschlagen und befolgt,
die Kulturarten wurden gewechselt, bald diese, bald jene Früchte, Anbau-
methoden und Düngungen gewählt, aber ohne Erfolg. Die Rente war ein-
mal infolge der nach und nach gesunkenen Wollpreise und der hierdurch
herbeigeführten Auflösung der früher blühenden Schäferei bei solchen Pro-
duktionsverhältnissen geschwunden.
So kam es, dass man endlich zur Holzkultur seine Zuflucht genommen
und auch gefunden hat. Auf den leichten Bodenarten wachsen Kiefern und
Birken freudig heran, im Nassen findet die Erle ihren geeigneten Standort,
auf den mehr lehmigen Böden die Eiche. Lärchen werden zur Einfassung
benutzt, Fichten als nachwachsendes Unterholz. Die Insekten-. Pilz- und
Feuersgefahr ist nicht grösser als an anderen Orten. Der Wald wird forst-
männisch bewirtschaftet nach Plan, Schlageinteilung und Vermessungsregister.
Der Um trieb ist hundertjährig bei Nadelholz, 25 — 30 jährig bei Laubholz
und 15 jährig bei Eichenschälwald.
Der Wirtschaftsbetrieb aber ist wesentlich vereinfacht und verbilligt
worden: die Vorwerke sind abgebrochen, das Zugvieh ist auf 5 Gespanne
reduziert, dabei arbeiten die starken Ochsen im Wechsel, es werden einige
40 Stück Rindvieh gehalten und zwar 15 — 18 Oldenburger Kühe, die mit
schlesischem Rotvieh gekreuzt werden, im übrigen Jungvieh vom Saugkalb
bis zu gebrauchsfähigen Bullen und Erstlingskühen. Sämtliches Jungvieh
bewegt sich in Laufställen und im Sommer auf einer sonnigen Koppel. Die
noch vorhandenen Gebäude und das nötige Inventar hält man in Ordnung.
Der früher auf der Tagesordnung stehende Arbeitermangel ist infolge des
verminderten Bedarfes wie mit einem Schlage beseitigt.
13. Das Rittergut n bietet landschaftlich sehr viel, landwirtschaftlich
aber desto weniger: 32 Besitzer sind in diesem Jahrhundert gekommen und
gegangen.
Der letzte Käufer von 1892 hat sich durch allerhand Naturschönheiten
und -reize blenden lassen, sich im Fruchtstande arg getäuscht, die Arbeits-
löhne für niedrig gehalten, aber nicht mit dauerndem Arbeitermangel und
wenig befriedigenden Leistungen gerechnet, den Boden in seinem Ertrags-
werte überschätzt, seine schlechten Eigenschaften nicht recht gekannt, die
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 283
ungünstige Verkehrslage nicht beachtet, wie es hätte geschehen sollen, end-
lich und namentlich übersehen, dass die Ernten und Gutserträge erheblich
schwanken, der Boden kostspieliger Meliorationen, die ganze Wirtschaft
allerhand Verbesserungen bedarf, um selbständig und ertragsfällig erst zu
werden. Ein solches trügerisches Gut hat der jetzige Besitzer, ein sächsischer
Landwirt und Kaufmann, mit 480000 Mk. weit über seinen reellen Wert
bezahlt; die Anzahlung betrug 237 000 Mk. in bar. Die eingetragenen
Hypotheken in Höhe von 243 000 Mk. sind auf den Käufer übergegangen.
Dieses Restkaufgeld ist der Schulden Anfang ; 1 Jahr nach der Übernahme
hat der neue Besitzer nicht umhin gekonnt, 80000 Mk. zinslos auf den Namen
seiner Frau und 3 oder 4 Jahre später 120000 Mk. zu 41/2°/o für seine
älteste Tochter gerichtlich eintragen zu lassen. Der unglückliche Ankauf
hat das eigene Kapital von 437 000 Mk. in Anspruch genommen, und rechne
ich das Restkaufgeld von 243 000 Mk. hinzu, so ergiebt sich die immense
Summe von 680 000 Mk.
Von 572 ha Gesamtfläche sind nutzbar nur 200 ha Acker und 30 ha
Wiesen, also 40,2%; der Wald mit 56,46 % enthält nur Schonungen,
schwaches Stangen- und Bodenschutzholz, aber kein schlagbares Holz, das
verkauft und somit indirekt zur notwendigen Verbesserung des Gutes ver-
wendet werden könnte. Jeder Hektar Acker soll alljährlich 48,30 Mk. ab-
werfen, wenn wenigstens das von Fremden geliehene Kapital verzinst werden
soll. Das ist der Besitzer trotz aller Anstrengungen nicht imstande. Wo
bleibt nun die Verzinsung des eigenen Kapitals und des Familiengeldes, die
Risikoprämie, der Unternehmergewinn, der Lohn für die eigene Arbeit?
Die Feldlage des betreffenden Rittergutes ist immerhin günstig, obgleich
die „grosse" wie die „kleine Seite" je 2 mal durch Rustikalbesitz getrennt ist.
Der Boden wechselt ungemein: es finden sich trockene und nasse
Sandböden, Kies, humusarme Böden, sandige Lehm- und lehmige Sandböden
wie auch schwere, nasse und kalte Böden. Viele Ackerstücke enthalten zu
allem Überfluss bald hier, bald da sporadisch auftretende „Schärfen" und
„Wassergallen". Die Ackerkrume ist flach, 12—17 cm tief, der Untergrund
strenger Lehm oder Lette, in der Regel undurchlässig. Der Boden nimmt
zu wenig Wasser an und giebt es zu schwer ab; er ist eher mit einem
Wasserbecken als mit einem Siebe zu vergleichen. Trotz der Höhenlage
und wechselnden Abdachung hat es mit genügendem Gefälle und der nötigen
Vorflut seine Bewandtnis. Die Felder wurden 1854 drainiert, im Jahre
1872 wieder; auch die zweite Drainage ist längst verfallen. Aufs neue zu
drainieren, ist dem Besitzer versagt, weil seine Mittel erschöpft sind, und
nicht einmal die Hypothekenzinsen, geschweige denn bare Überschüsse heraus-
gewirtschaftet werden.
Die meisten Äcker sind ihrer Beschaffenheit nach und in Rücksicht
auf die besprochene Mannigfaltigkeit des Bodens schwierig zu bestellen.
Kurze Regenperioden reichen hin, die Felder in Sümpfe zu verwandeln, die
Hoffnungen auf eine befriedigende Ernte zu vernichten, die Bestellung auf-
zuhalten oder zu verhindern und die bis dahin mühevoll erlangte oberfläch-
284 Brase:
liehe Kultur des Bodens wieder aufzuheben. Die chemischen Umsetzungen
in der Ackererde vollziehen sich in nassen Jahren nur unvollkommen. Die
Wirkung von Stallmist bleibt in einzelnen Jahren sogar gänzlich aus, der
Boden ist arm an Kalk; seine Anwendung bezahlt sieh wohl, ist praktisch,
indessen schwer durchzufuhren infolge der grossen Entfernung bis zur
nächsten Bahnstation: <> Gespann Pferde bewegen nämlich täglich nur ein
Frachtquantum von 10000 kg. Die Auswahl der unter solchen Verhältnissen
gedeihenden Gewächse ist in hohem Grade beschränkt, und ihr Ertrag zu-
nächst abhängig von des Himmels Gunst.
Stauende Nässe im Boden, seine Armut, der übliche und nicht zu um-
gehende schmale Beetbau, flüchtige und unzeitige Feldbestellung (im Jahre
1896, 1897, 1898), fragliches Gedeihen der wenigen in Betracht zu ziehen-
den Früchte. Missraten von Klee und anderen Futterpflanzen, insbesondere
von Kartoffeln und Runkelrüben, Strohmangel, die Thatsache endlich, dass
das Arbeitsvieh angegriffen ist, das Nutzvieh so sparsam wie nur möglich
ernährt wird, der Arbeitermangel grösser nicht gedacht werden kann, drücken
der Wirtschaft vollends den Stempel auf.
Zur weiteren Charakteristik und als Ergänzung des Gesagten will
ich folgendes hinzufügen: Die Gebäude sind sämtlich massiv, gewölbt sind
die Viehställe indessen nur zum Teil. Der frühere Schafstall wird zur
Hälfte benutzt, um Maschinenstroh unterzubringen; die andere Hälfte dient
als Schweinestall. Der neue Besitzer hat die vorhandene Düngerstätte ein-
gefriedigt und gepflastert, das Gebäude der früheren Stärkefabrik zur Kon-
servierung der Rübenblätter und als Stapelplatz für künstliche Düngemittel,
Getreide und anderes mehr ohne grössere Kosten hergerichtet; er hat im
Holzstalle des früheren Beamtenhauses einen Viehfutterdämpfer aufgestellt
und zum Einsäuern schadhafter Kartoffeln Platz geschaffen. Das Arbeiter-
haus aber ist nach wie vor eine alte Lehmhütte mit schlecht gewordenem
Strohdach; die Ziegelei ist nur für Handbetrieb berechnet und daher nicht
rentabel.
Über Fütterung, Nutzungsrichtung und Beschaffenheit des Viehstandes
sei folgendes gesagt: Im Sommer wird im Stalle grün gefüttert, im Herbst
treibt man sämtliches Vieh aus, um die Stoppelweiden auszunützen, deren
Ertrag sonst verloren gehen würde. Die Winterfütterung besteht aus Heu.
Stroh, Kaff, Spreu, Rüben, etwas rohen oder gedämpften und konservierten
Kartoffeln, Sauerfutter und Schrotgetreide. Dazu wird Torfmelasse. Mais.
Weizenschale, Futtermehl und Rapskuchen homöopathisch angewendet. Ein
Futtermann soll 30 — 35 Kühe und ebensoviel Jungvieh füttern und pflegen.
Die Milch wird verbuttert, Mager- und Buttermilch durch Schweinehaltung
(-zucht) verwertet. Das von einem der Vorbesitzer angekaufte Wilster-
marschvieh ist wegen der immer schlimmer gewordenen Perlsucht nach und
nach beseitigt und dafür schlesisches Landvieh eingeführt worden, und mit
Erfolg. Alle gesunden Kälber werden angebunden.
Die Schafhaltung hat einer der Vorbesitzer abgeschafft.
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 285
Rentabel ist nur die neu angelegte Schweinezucht, solange die -1 bis
6 Wochen alten Absatzferkel aus gesunder Herde bei einem Preise von
12 — 15 Mk. wie bisher gesucht sind.
Das tote Inventar ist zum Teil nicht brauchbar, wie z. B. die Getreide-
mähmaschine, der Düngerstreuer und Heuwender. Gedroschen wird mit
Dampf oder Wasser mittels Drahtseiltransmission, desgleichen Getreide ge-
schroten und Holz gesägt. Die Dreschmaschine und Getreidereinigungs-
maschine z. B. leiden an allen möglichen Defekten und bedürfen daher
teurer Reparaturen.
Dem dauernden Arbeitermangel schreibe ich es teilweise zu. dass am
21. Oktober dieses Jahres z. B. Roggen gedroschen wurde, um säen zu
können, und dass 2/3 der Winterung noch zu bestellen waren.
Bei solchen Boden-, örtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist
es unmöglich, eine für mehrere Jahre festgelegte Fruchtfolge thatsächlich
innezuhalten; genug, wenn nicht der Witterungsverlauf den für jedes Jahr
aufgestellten Bestellungs- und Düngungsplan wie ein Kartenhaus zusammen-
wirft. Es pflegen annähernd 75 ha bestellt zu werden mit Winterroggen
(zum Teil in Stalldünger), 25 — 40 ha mit Hafer (zum Teil gedüngt), „etwas"
Peluschkengemenge zur Grünfütterung. 10 — 13 ha Rotklee im Gemisch mit
Raigras und Timotheegras. etwa 25 ha mit Kartoffeln, gedüngt, 3 ha Runkel-
rüben, gedüngt, und 0,5 — 0,75 ha Möhren, gedüngt. Gelbe Lupinen werden
in grosser Ausdehnung angebaut zur Ernte wie zur Gründüngung; als
Körnerfrüchte liefern sie denselben Rohertrag pro Flächeneinheit, wie der
Roggen. Pferdezahnmais kultiviert man neuerdings nicht mehr, weil die
für sein Gedeihen unbedingt erforderliche Pflege unmöglich oder zu teuer
wird, und begnügt sich daher mit billiger Serradellauntersaat in Roggen.
Die unsichersten Schläge tragen abwechselnd Lupinen und Winterroggen.
Kainit und Thomasmehl kommen allein den 1 schürigen und zum Teil sauren
Wiesen zu gute. Der vorteilhafte Anbau von Stoppelfrüchten auf verqueckten
Ackern setzt einen kapitalkräftigeren Landwirt, mehr und zu jeder Zeit
leistungsfähiges Arbeitsvieh voraus.
Es wird in schmalen Beeten zur Saat flach gepflügt und sämtliches
Getreide eng gedrillt. Die notwendige Arbeit des Stoppelschälens und
Stürzens vor Winter kann man vielfach vor Frosteintritt nicht beenden.
Kein anderes Beispiel erscheint in gleicher Weise geeignet, „den Ein-
fluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung"
zur Evidenz zu zeigen, und zugleich auch, was alles ein schlechter Guts-
kauf im Gefolge hat (vergl. das statistische Material auf Seite 256 u. 257.
die Ernteerträge auf Seite 309 u. 310). Die beiden Rittergüter o und p
stehen unter einem unverkennbaren Einfluss des Besitzwechsels; die neuen
Besitzer meliorieren (vergl. das statistische Material auf Seite 256 u. 257).
14. Das Rittergut o ist über seinen wahren Wert bezahlt worden
und namentlich mit Rücksicht darauf, dass der Vorbesitzer aus seinem
Gute für annähernd 13000 Mk. Kies verkauft und ungeachtet dessen für
seine Wirtschaft wenig oder nichts verwendet hat. Die Felder liegen in
Landw. Jahrbücher, XXVIU. 19
286 Bbasb:
der Hauptsache arondiert. Der Boden wechselt ebenso wie seine Ab dach ung;
ungefähr 25 ha sind Lehmboden, nach der landschaftlichen Taxe vom
Jahre 1893 Boden I. Klasse, 20 ha sind drainiert, 5 ha werden drainiert.
Etwa 25 ha Acker enthalten einen „kleefähigen" und weizentragenden,
uumosen, frischen Sand; er g-eht mit ansteigender Höhe in einen kiesigen,
aber frischen Sand über, und dieser bildet den grösseren Rest vom Acker-
areal. Der Untergrund besteht vorwiegend aus strengem Lehm und Lette.
Die Bestellung ist infolge besagter Mannigfaltigkeit des Bodens sehr schwierig.
So weit zur allgemeinen Charakteristik.
Herr J hat einen massiven Kuhstall für 30 Stück Vieh neu gebaut,
den Hofraum pflastern lassen, die Jungviehzucht, Schaf- und Schweinehaltung
abgeschafft und direkten Milchverkauf nach y eingeführt (1 Z = 13 Pf.).
Befriedigen die frischmilchend oder tragend angekauften Kühe nicht mehr
in ihrem Ertrage, dann gehen sie „angefleischt" zur Schlachtbank. Der
durchschnittliche Milchertrag schwankt zwischen 6 und 8 l pro Kuh und
Tag. Die Sommerstallfütterung besteht aus grünem Klee, Buchweizen,
Senf, Wickgemenge, Serradella, Mais, Rübenblättern und Wiesenheu — ein-
mal des Tages. Im Winter werden die Milchkühe ernährt mit (pro Kuh
und Tag) 10 kg Rüben, 5 kg Kartoffeln, 1 kg Leinkuchen, 1 kg Weizen-
schale, 1 kg Gemengeschrot oder Roggenkleie und genügend Heu, Häcksel,
Hafer- und Gerstenstroh.
Herr J hält auf einen Bestand von 20 — 25 rotbunten, kapitalen Ochsen,
die er jung im Gewicht von 250 — 400 kg auf Märkten preiswert einzukaufen
sucht, kräftig füttert, allmählich zur Arbeit heranzieht und sie endlich als
volljährige und gebrauchsfähige Zugochsen mit Gewinn zu verkaufen sich
bemüht. Für die Ochsen gilt folgende Futterration pro Stück und Tag:
10 kg eingesäuerte Kartoffelreibsel, 1 kg Rapskuchen, 1 kg Melasse, satt
Heu und Häcksel.
Für den Lehmboden ist nachstehende Fruchtfolge vorgesehen: 1. Hack-
früchte (Runkelrüben und Kartoffeln), gedüngt, 2. Sommerung (Gerste, Hafer
und bisher auch Weizen), 3. Rotklee, 4. Winterung: Gelbweizen, gedüngt.
7a mit Stallmist, l/2 mit 50 kg Superphosphat pro 1/i ha, 5. Wickgemenge,
bestehend aus: Gerste, Hafer und Wicken zur Grünfütterung und Reife,
6. Winterung: Gelbweizen, 1/2 in Superphosphat, l/B in Stalldünger. Der
leichte Boden unterliegt folgendem Umlauf: 1. Hackfrüchte, gedüngt, 2. Ge-
misch von Sommerroggen, Gerste, Hafer, Erbsen, Peluschken, Wicken und
Serradella zur Ernte in 150 kg Kainit; der Serradellanachwuchs giebt eine
Gründüngung ab für die nachfolgende 3. Winterung: Roggen in 150 kg
Kainit, auf den besseren Böden Weizen in Stalldünger, 4. Winterung; aus-
schliesslich Roggen in 150 kg Kainit und in Stallmist, 5. 1/8 gelbe Lupinen
und Serradella zur Ernte, V2 Lupinen zur Gründüngung, 6. Roggen in Kainit
oder in Stallmist.
Der Dünger rührt von kräftig ernährtem Vieh her; er bleibt in Tief-
ställen bis zur Ausfuhr liegen und wird mittels Kainit und Superphosphat
rationeller Weise konserviert. Es wird lediglich Roggen- oder Weizenstroh
Einfluss (1<t Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 281
zur Einstreu verwendet und nicht mehr, wie früher, Waldstreu, Heidekraut
und Laub. Die Erfahrungen mit Kalk- und Chilisalpeterverwendung auf
besagtem Lehmboden ermutigen nicht gerade zu neuen Versuchen, während
auf leichtem Boden die Kalkung — in derselben Weise ausgeführt - - er-
folgreich war.
Zur Saat wird 17 — 20 cm tief in 4 m breiten Beeten gepflügt, die
Stoppel während oder bald nach der Ernte mit 3- und 4 scharigen Pflügen
flach umgebrochen. Herr P drillt sein Getreide und ist bestrebt, geeignete,
ertragreiche Sorten auszuwählen: er baut Dividenden- und märkischen
Winterweizen, Struves Grannen- und Kolben-Sommerweizen, Pirnaer, Pet-
kuser und spanischen Doppelstauden-Roggen , von Kartoffeln: Richters
Imperator, „Professor Maercker", Gleason, Athene, Elephanten und „Grosser
Kurfürst".
Der neue Besitzer wirtschaftet intensiver als der frühere; er ist nach
Kräften bemüht, die Substanz seines Gutes zu erhalten und zu vermehren;
verkauft beispielsweise nur 0,5 ha Holz, obwohl er 0,75 ha Kiefernhoch-
wald und 2 ha Laubholz in jedem Jahre zu schlagen berechtigt ist, wendet
Kapital und Arbeit an, um nachhaltig höhere Erträge zu gewinnen (vergl.
die Ernteerträge auf Seite 309 u. 310).
15. Das Rittergut p hat Herr L in diesem Jahre um wenigstens
20000 Mk. zu teuer gekauft,
Am 29. Oktober war z. B. die Kartoffel- und Rübenernte beendet;
man war dabei, Fabrikkartoffeln zu liefern und die Ackerarbeit zu Ende zu
führen. Der Saatenstand war versprechend, das Vieh gepflegt, das Inventar
samt Gebäuden nur in Ordnung. Man bezieht Kraftfutter- und Düngemittel
mehr, als früher, kauft bessere Maschinen und Geräte, man ist bestrebt,
die Viehhaltung auszudehnen, sucht die Viehprodukte besser zu verwerten,
kurz man organisiert und schmiedet neue Pläne (vergl. die Ernteerträge
auf Seite 309 u. 310).
Die beiden Rittergüter q und r im Amtsgerichtsbezirk V habe ich des-
wegen als passende Objekte befunden, weil bei annähernd gleichen Boden-.
Verkehrs- und Absatz Verhältnissen das eine luxuriös bewirtschaftet wird,
das andere verschuldet ist (vergl. das statistische Material auf Seite 256
und 257).
IG. Das Rittergut q wird im Auftrage des Besitzers, eines sehr ver-
mögenden Mannes, durch einen selbständigen Beamten verwaltet. Der
Kaufpreis betrug im Jahre 1893: 130000 Mk., der Schätzungswert lautet auf
120000 Mk., und dazu sind die Gebäude mit 109200 Mk. versichert.
Die in Rede stehende Besitzung liegt auf der linken Oderseite ; die Feldlage
wie das Wegenetz sind für den Wirtschaftsbetrieb selten vorteilhaft. Die
relativ grossen Ackerstücke beschreiben die Figur eines Rechtecks oder
Quadrats. Der Boden ist nach seiner Beschaffenheit in der ganzen Feld-
mark gleich: ein trockner Sand bis zu den Antipoden, ohne Steine und
Quecken. Der Grundwasserstand ist 1 — 3 m tief. Obwohl die Oder durch
ihren Rückstau den an sich trockenen Boden feucht hält, ist er dennoch
19*
288 Bbase:
nicht meliorationsfähig- und vor allen Dingen zu hoch bezahlt. Jegliches
Wachstum mehr anspruchsvoller Kulturpflanzen wird lediglich durch Intelligenz
und Versuchsfreudigkeit, insbesondere aber durch Geld und Arbeit erzwungen ;
das Land wird hierdurch noch einmal gekauft und ein kostspieliger Acker-
bau betrieben, wo nur eine verständige Holzkultur das allein Richtige wäre.
Die Gebäude sind sämtlich massiv, zum Teil neu gebaut, die Viehställe
gewölbt und zum Liegenlassen des Düngers eingerichtet.
Es werden 28 Milchkühe gehalten; es ist Holländer und schlesisches
Rotvieh, das man mit Shorthorn und neuerdings mit Wilstermarsch gekreuzt
hat. Täglich werden 200 — 250 l Milch nach y geliefert für einen Preis von
14 Pf. pro Liter. Die Fütterung besteht aus grünem Rotklee (erster und
zweiter Schnitt), Luzerne, Rüben, Trockenschnitzeln, Rübenblättern, Wiesen-
und Kleeheu; dazu werden ungefähr 15000 % Ölkuchen und 20000%
Weizenkleie alljährlich angekauft.
Auch das zur Ergänzung bestimmte Jungvieh, 16—20 Stück, wird aus-
reichend ernährt und sorgsam gepflegt.
Von einem kaltblütigen Hengste und 3 Stuten im Ackerstalle stammen
6 Fohlen ab, die im eingezäunten Obstgarten frei umherlaufen.
Die Schweinezucht grosser englischer Rasse liefert so viel Ferkel, als
im Orte schlanken Absatz finden.
An Maschinen und Geräten ist eher Überfluss als Mangel.
Auch an Arbeitskräften fehlt es nicht, weil 1. Gärtner und Stellenbe-
sitzer im Orte auf Nebenverdienst zu sehen gezwungen sind, und 2. weil
ein reicher Grundbesitzer (Forense) solch hohe Löhne zu zahlen und Ein-
richtungen zu Gunsten seiner Arbeiter zu treffen in der glücklichen Lage
ist, wie kein anderer. Weder der kapitalkräftige Erwerbsmann, noch viel
weniger der verschuldete Besitzer vermag eine derartige Konkurrenz auszu-
halten, gar erst zu überwinden.
Es wird im wahren Sinne des Wortes intensiv gewirtschaftet und der
Norfolker Fruchtwechsel zu Grunde gelegt: 1. Hackfrüchte: 4/s Kartoffeln
und Vö Zuckerrüben, gedüngt - - im Jahre 1898 z. B. waren 30 ha Kar-
toffeln, 4,5 ha Runkelrüben und 3,5 ha Zuckerrüben, — 2. Sommerung: Gerste,
Hafer und Hülsenfruchtgemenge; dieser Schlag wird indessen, soweit wie
möglich mit Winterroggen bestellt, weil er auf solchem Boden die sicherste
Frucht ist und bleibt, 3. Stickstoffsammler, und zwar 6 — 10 ha Rotklee, im
übrigen: Erbsen, Ackerbohnen, Wicken und gelbe Lupinen zur Ernte, 4.
Winterung, in der Hauptsache Roggen. Der Stalldünger wird im Tiefstalle
konserviert und zu diesem Zwecke, bezw. zur vollständigen Absorption des
Stickstoffs 6 Waggon Torfstreu alljährlich angekauft. Den früher üblichen
Bezug von Latrine und anderen Düngestoffen aus der nächsten Stadt hat
man eingehen lassen; dagegen wird Kunstdünger alljährlich in folgenden
Mengen verwendet: 120000% Kainit, 35 000—40000% Thomasphosphat-
mehl, 5000 leg Ammoniaksuperphosphat, 5000 % schwefelsaures Ammoniak
und 2500% Chilisalpeter. Halmfrüchte bekommen in der Regel 600%
Kainit, Kartoffeln 1 200 % Kainit - - zur Vorfrucht — pro Hektar. Unter
Eiufluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 289
sämtliches Getreide pflegt man im Mai 8 kg Serradella pro V4 ^ zur Grün-
düngung einzudrillen; wenn sie schlecht aufgegangen ist, dann werden
während oder bald nach der Roggenernte gelbe Lupinen in einer Stärke von
70 — 75 kg pro 1U ha eingedrillt, um wenigstens die vorteilhafte Beschattungs-
gare zu bewirken. Zu einer der ersten Aufgaben nach erfolgter Übernahme
gehörte die Kontrollierung des Kalkgehaltes des Bodens. Es werden Jahr
für Jahr nicht weniger als 170000 kg Düngekalk verwendet; man hat an-
fangs sogar 20 Waggon Kalk und darüber gekauft, für eine Ackerfläche
von 154 ha.
Die übliche Feldbestellung erfordert einen bedeutenden Zeit-, Arbeits-
und Geldaufwand. Alle Früchte werden „auf 2 Furchen" bestellt; man
schält flach und pflügt später zur Saat bis zur vollen Tiefe, zu Zuckerrüben
4 spännig auf 35 — 50 cm. Säen heisst so viel wie: Drillen ausgewählter
Sorten. Von Kartoffeln z. B. werden folgende Varietäten kultiviert: Magnum
bonum, Richters Imperator und „Professor Maercker". —
Technisch wird das Beste geleistet, nicht aber wirtschaftlich. Der
Wirtschaftsaufwand ist viel zu gross, als dass ihn ein solcher Boden bezahlen
könnte. Der Boden wird durch Kapital gezwungen; mit Hilfe grosser
Kapitalien werden landwirtschaftliche Kunststücke gezeigt, mit Kapital wird
scheinbar Unmögliches möglich gemacht, mit Kapital ist ein „Luxusgut" ge-
schaffen worden (vergl. die Ernteerträge auf Seite 309 und 310).
17. Das Rittergut r, dessen Felder arondiert auf der linken Oderseite
liegen und deren Abdachung unbedeutend ist, hat einen trockenen bis feuchten,
quecken wüchsigen Sand. Die Ackerkrume hat eine Tiefe von 12 — 17 cm.
Der Untergrund besteht aus Sand und — Thon, in grösserer Tiefe. Den Wiesen-
boden bildet eine 60 — 95 cm mächtige Schicht von humosem, anmoorigem
Sand, dann folgt hellgefärbter Sand, gelber Lehm und endlich Braun-
kohlenthon.
Die ausgedehnten 2- und 3 schürigen Wiesen liefern gutes und nahr-
haftes Futter und kompensieren die im allgemeinen schlechte Beschaffenheit
des Ackerlandes. Das letztere ist durch Aufforstung vermindert worden.
Die 55 ha grossen Holzungen schliessen 30 — 50 jähriges Stangenholz und
junge Schonungen ein — Laub- und Nadelholz; sie liefern nur für die eigene
Wirtschaft das nötige Schirr- und Brennholz. Waldstreunutzung vermeidet
der Besitzer selbst in stroharmen Jahren, soweit irgend möglich, und sam-
melt für solche knappe Zeiten Strohreserven an. anstatt das in einem Jahre
übrigbleibende Stroh zu verkaufen. Der Hofraum ist teilweise befestigt,
nicht aber ein Stück Feldweg. Die Gebäude sind bis auf eine Scheune
massiv; die Viehställe sind nicht gewölbt, sparsam in stand gehalten und
zum Liegenlassen des Düngers eingerichtet. Die Arbeiterwohnungen sind
neu, desgleichen die Einfriedigung der vorhanden gewesenen Düngerstätte.
Die Schmiede ist in der eigenen Stärkefabrik untergebracht, in der
wohl die selbst gewonnene Kartoffelernte verarbeitet wird, deren Betrieb
aber namentlich auf Zukauf berechnet ist. In der einen Campagne wurden
z. B. 430 Waggons, ein anderes Mal 250 Waggons ä 10000 kg Kartoffeln
290 Bhasb:
als Rohmaterial verbraucht. 250 kg Kartoffeln liefern durchschnittlich 100 kg
Reibsei, die fast sämtlich als nicht zu verachtendes Futtermittel der eigenen
Wirtschaft verbleiben. Die Dampfziegelei gehört einer Aktiengesellschaft:
der Kittergutsbesitzer ist als ihr Direktor mit der Hälfte aller Aktien
beteiligt.
Die Landarbeiter werden zugleich in der Stärkefabrik und Ziegelei
zur Aushilfe beschäftigt, die 5 Gespann Ackerpferde in arbeitsfreien Zeiten
durch Ziegel-, Kartoffel- oder Stärke- und Kohlenfuhren ausgenutzt. Die
grosse Nähe eines in mächtiger Entwickelung begriffenen Industrieortes,
wie y, hat eine fortschreitende Lockerung des früher besseren Arbeiterver-
hältnisses zur Folge, weshalb über zunehmenden Arbeitermangel, höhere
Lohnansprüche und schlechter gewordene Leistungen seitens des Besitzers
viel geklagt wird.
Das tote Inventar genügt bescheidenen Ansprüchen; ich habe z. B.
eine brauchbare Drillmaschine gesehen, Schälpflüge, 1 scharige Saatpflüge,
Pferderechen, eine in Ordnung gehaltene starke Wagenfahrt und anderes mehr.
Die Viehherde besteht aus 1 Oldenburger Bullen, 34 Holländer Kühen,
25 — 35 Stück Jungvieh unter 2 Jahren und 18 Ochsen eigener Aufzucht,
darunter 10 gebrauchsfähige Arbeitsochsen. Der Viehbestand entspricht
seiner Ausdehnung und Zusammensetzung nach den jeweiligen Futterver-
hältnissen und namentlich dem stärkeren oder schwächeren Betriebe der
Stärkefabrik. Im Winter werden täglich 600 hg frische Biertreber ä 0,90 Mk.
pro 50 kg und im Sommer täglich 300 kg ä 0.80 Mk. durch eigenes Ge-
spann herangeholt, dazu ungefähr 10000 kg Weizenschale und ebensoviel
Mais gekauft; er wird mit selbst geerntetem Hülsenfruchtgemenge und
Lupinen geschroten. Dieselbe Mühle des Hofes benutzen die kleineren
Besitzer des Ortes und der Nachbarschaft, um ihr Brotgetreide mahlen zu
lassen gegen das hierbei gewonnene Futtermehl.
Die Milch wird direkt in y für einen Preis von 13 Pf. pro Liter ver-
kauft, die Butter durchschnittlich für 2,40 Mk. pro Kilogramm.
Die Felder werden einheitlich bewirtschaftet, ohne Unterschied ihrer
Entfernung vom Hofe. Es lässt sich keine ein für allemal festgelegte Frucht-
folge innehalten, weshalb der Besitzer sich darauf beschränkt, für jedes
Wirtschaftsjahr einen Bestellungs- und Düngungsplan zu entwerfen. Die
Hauptfrüchte, weil die sichersten, sind Winterroggen und Kartoffeln mit
einem Anbaugebiet von etwa 1/B bezw. Vs der gesamten Ackerfläche. Un-
gefähr V5 wird mit Hülsenfruchtgemenge bestellt, es besteht aus: Gerste,
Hafer, Sommerroggen, Wicken und Erbsen. Der übrigbleibende Teil trägt
gelbe Lupinen zur Gründüngung und Reife, Serradella zur Samengewinnung,
etwas Raps, amerikanischen Pferdezahnmais, Kunkel- und Mohrrüben.
Die Stallmistdüngung kehrt in einer Stärke von 5 Fudern pro 1li ha
meistens alle 2 Jahre wieder; er wird verwendet zu sämtlichen Hackfrüchten,
zu Raps, Mais und auch zu Roggen — soweit er reicht, Kalk wendet
man niemals an und künstliche Düngemittel nur auf den zur Bewässerung
eingerichteten Wiesen, pflegt aber gelbe Lupinen als Jahres- oder Stoppel-
Einfluss der Verschuldung Ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 291
fruchte., wie Serradella zur Gründüngung für den nachfolgenden Winter-
roggen zu bestellen.
Der Kleebau ist beschränkt oder unterbleibt gänzlich, weil die Wiesen
allein in normalen Jahren mehr Futter liefern, als ein nennenswerter,
wenn nicht starker Viehbestand angemessen verwerten kann.
Die übliche Feldbestellung will ich noch mit zwei Worten berühren:
Zur Saat wird durchschnittlich 12—17 cm tief gepflügt, die Stoppel flach
umgebrochen ; Boggen und Gemenge werden gedrillt und geeignete Kartoffel-
sorten, nämlich Richters Imperator, Cimbals Massenkartoffel und „Erste von
Frömsdorf" ausgewählt und angebaut.
Die nahe der Stärkefabrik liegenden und 38 ha grossen Wiesen sind
zur Bewässerung eingerichtet und werden in folgendem 3jährigen Turnus
behandelt und gedüngt: 1. Berieselung durch die Abwässer der Stärke-
fabrik, 2. Düngung mit 600 leg Kainit und 400 kg Thomasphosphatmehl
pro Hektar (L.-D.) und 3. — ; die übrigen Wiesen werden alle 2 oder 3 Jahre
mit Kompost gedüngt. Der durchschnittliche Heu- und Grummetertrag der
Bewässerungswiesen erreicht das hohe Quantum von 8000 kg pro Hektar.
Alljährlich wird für 1500 — 2000 Mk. Gras zu lohnenden Preisen parzellen-
weise „auf dem Halme" meistbietend verkauft. Es wird m. E. sparsam
gewirtschaftet, und dies mit Recht, wenn man die vorliegenden Boden-,
örtlichen, Arbeiter- und Schuldverhältnisse in Erwägung zieht (vergl. die
Ernteerträge auf Seite 309 u. 310).
Auch die untersuchten Bauerngüter zeigen deutliche Unterschiede in
der Art ihrer Bewirtschaftung. Es würde aber zu weit führen, die Dar-
stellung keineswegs fördern, wollte ich von jeder der 34 besuchten Besitzungen
eine kleine Skizze entwerfen in derselben Weise, wie es bezüglich der 17
Rittergüter in vorstehendem geschehen durfte. Diese oder jene unver-
kennbare Abweichung im Betriebe der verschiedenen Bauernwirtschaften
erscheint mir indessen nicht so wichtig und entscheidend, als dass ich sie
einzeln aufzählen, auf ihre Ursache und Wirkung des näheren eingehen
sollte. Nach meiner Auflassung handelt es sich nicht um technische Einzel-
heiten, sondern vielmehr um das allgemein Bestehende und Zutreffende.
Daher werde ich sämtliche besuchten Bauerngüter zusammenfassen und nun
ihre Bewirtschaftung im allgemeinen mit ein paar Strichen zu zeichnen
mich bemühen.
Ich werde diese 34 Bauernwirtschaften nach ihren Bodenverhältnissen
und damit zugleich nach ihrer Lage unterscheiden und gruppieren: Die
1. Kategorie enthält alle (12) Besitzungen südlich der Kreisstadt, die 2. um-
fasst alle (22) Besitzungen nördlich derselben (vergl. das statistische Material
auf Seite 255, 258 u. 259 und die Ausführungen auf Seite 262). Gemeinsam
ist der Gruppe 1 und 2, dass die Feldlage und das Wegenetz aller Be-
sitzungen für ihre Bewirtschaftung gleiche Vorteile zu bieten vermögen.
Die Gehöfte liegen zu beiden Seiten der Dorfstrasse; von jedem Bauern-
hofe aus erstrecken sich die Felder ohne jede Unterbrechung in einem langen,
292 Khasp:
allerdings oft schmalen Streifen, mit dem Feldwege in der Glitte, bis zur
Gemarkungsgrenze.
Dass 2. die grossen und mittleren Bauern in der Regel besser, intensiver
wirt schaften, als die kleinen Bauern, Grossgärtner und Stellenbesitzer. Jene
sind vermöge ihres grösseren Besitzes in der Lage, mit Pferden oder Ochsen
ihren Acker ohne Unterschied tiefer zu pflügen und besser zu bestellen,
als es hier mit einem schwachen Pferde oder 2 Milch- und Zugkühen ge-
schehen kann. Der grössere und dabei genügend kapitalkräftige Besitzer
kann z. B. drillen, mehr Düngestoffe und Futtermittel beziehen, als der
„kleine Mann", Maschinen, z. B. eine Centrifuge oder ein Butterfass mit
Rührwerk kaufen und nutzbringende Einrichtungen treffen, die einen grösseren
Besitz voraussetzen. Um Handelsgewächsbau in Verbindung mit Spaten-
kultur erfolgreich in treiben , ist der Besitz eines kleinen Bauern z. B.
wieder zu gross und überdies für solche Produkte keine entsprechende
Verwertung.
Sämtliche Bauern stimmen 3. darin überein, dass die „Nichtver-
schuldeten" im allgemeinen mindestens ebenso tüchtig und intensiv wirt-
schaften, als ebenso fleissig und vorwärts strebend gelten, als ihre „ver-
schuldeten " Berufsgenossen.
4. Der Bauer ist in der Hauptsache Produzent und Konsument in
einer Person; seine übrigbleibenden Erzeugnisse sucht er auf dem lokalen
Markte so vorteilhaft wie nur möglich zu verwerten. Mögen die Welt-
marktpreise hoch oder niedrig stehen, immer besitzen seine Produkte für
ihn den gleichen Gebrauchswert. Getreide verkauft der Bauer im Ver-
hältnis zur Anbaufläche und deren Erträgen auffallend wenig, weil ihm die
Preise zu niedrig erscheinen, und er 2. alle marktfähigen Erzeugnisse, so-
weit sie zur Wirtschaftsführung nicht unbedingt gebraucht werden, mit
Vorliebe durch eine ausgedehnte Viehzucht und -haltung höher zu verwerten
sucht, und zwar um so mehr, als auf diesem Gebiete seine Frau meistens
viel voraus hat.
5. Wenn endlich die Ernteerträge der Bauernwirtschaften gegen die
der meisten Rittergüter zurückstehen, so beruht dies vor allen Dingen auf
der Eigenart des kleinen und mittleren Grundbesitzes. Der Bauer pflügt
5 oder 8 cm flacher, um seine jungen Pferde zu schonen, die er mit Ge-
winn verkaufen will. Er weiss sein Vieh ungleich mehr zu schonen, als
es fremde Knechte zu thun gewohnt sind. Er kann nicht für jeden einzelnen
Zweck Specialgeräte sich anschaffen, die Anbaumethoden ins Unendliche
verbessern, Düngungs- und Anbauversuche dauernd anstellen und anderes
mehr. Der Rittergutsbesitzer pflegt seine Erträge in Mass oder Gewicht
auszudrücken. Der Bauer weiss wohl, wie viel Samen er auf jedem Acker-
stücke braucht, ob er viel oder wenig geerntet hat, vermag aber sichere
und zuverlässige Angaben nicht zu machen (vergl. die Ernteerträge auf
Seite 309 u. 310). Für 10 Besitzungen der Gruppe 1 gilt folgendes (vergl.
das statistische. Material auf Seite 258—259, No. 1—8, 10 und 11): Der
Boden trägt Rotklee mit grosser Sicherheit, Hafer, Gerste und Weizen.
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 293
Roggen wird, um Lager zu verhüten, meist in 2. Tracht gebaut; für Kartoffeln
ist der Boden in einzelnen Lagen beinahe zu schwer und bindig. Hülsen-
fr uchtgemenge zur Grünfütterung, Runkelrüben, Möhren, Kohlrüben, AVasser-
rüben in der Roggenstoppel und Grünmais werden in einer Ausdehnung
gebaut, wie es die eigene Wirtschaft verlangt.
Eine vielfach übliche Fruchtfolge bildet folgender 6 jähriger Umlauf:
1. Rotklee. 2. Weizen, gedüngt, 3. Roggen mit Serradella-Untersaat oder
Wasserrüben als Zwischenfrüchte, 4. Hafer, 5. Kartoffeln und Runkelrüben,
stark gedüngt, 6. Gerste oder Hafer (Weizen oder Roggen) mit Klee-Ein-
saat. Einige haben nur 5 Schläge, dann fällt 4. Hafer weg. Von der
Winterung ist meistens 5/6 Roggen und 1/G Weizen, von der Sommerung
4/g Hafer und Vs Gerste, von Hackfrüchten 2/l3 Kartoffeln und 1/3 Rüben.
In 6 Jahren wird der Acker meistens 2 mal stark gedüngt; infolge-
dessen ist der Boden mild, locker und in „alter Kraft". Man verwendet
auch Kainit, Thomasphosphatmehl und Guano in dauernd steigendem Masse.
Wiederholt habe ich blaue oder weisse Lupinen im Gemisch mit Wasser-
rüben als Stoppelfrüchte zur Gründüngung angebaut gesehen. Das Kalken
des Ackers ist dagegen geradezu gefürchtet; mehr wie einmal habe ich
gehört: „der Kalk macht wohl reiche Väter, aber arme Kinder".
Das alte und allmählich unbrauchbar gewordene Ackergerät ver-
schwindet immer mehr; oft habe ich bei den Bauern 3- und mehrscharige
Schälpfiüge gesehen, eiserne Tiefkulturpflüge oder Wendepflüge für bergiges
Gelände, z. B. in Z und S, eiserne Eggen, Grubber und Walzen, Pferde-
rechen, in einem kleinen Orte z. B. 4 Drillmaschinen, 3 Centrifugen etc.
Der von Natur kräftige Lehmboden ist ertragreich, wrenn und wo er
systematisch drainiert ist, was auch meistens geschehen ist oder zur Aus-
führung gebracht wird. Der Bauer ist längst überzeugt von der Bedeutung
einer tiefen und rechtzeitigen Bearbeitung des Bodens, von richtiger Aus-
wahl anbauwerter Sorten, Konservierung des Stallmistes und dergl. mehr.
Wenn er nun der Verbesserung fähige Mängel nicht beseitigt, also entgegen
seiner Überzeugung handelt oder hierzu gezwungen wird, so ist er in der
Regel nicht kapitalkräftig genug.
Die Gebäude sind fast überall massiv und in gutem baulichen Zustande.
Der eine hat in letzter Zeit noch sein Wohnhaus untermauert, den Kuh-
stall gewölbt, glasierte Thonkrippen gekauft; der andere hat ein Ausgedinge-
haus, einen Schweinestall oder eine Scheune neu gebaut, und beide haben
ihren Besitz nach Kräften zu verbessern sich bemüht.
Mit Stolz und Selbstbewusstsein sieht jeder Bauer auf seinen grossen
und für seine Verhältnisse wertvollen Viehbestand. Bauer x hält z. B. bei
einem Besitz von 40 ha Acker 15 Kühe, 5 Stiere, 10 Stück Jungvieh, 12
Schweine und 4 Pferde; Bauer y auf 22 ha Gesamtfläche 6 Kühe, 2 Bullen,
3 Stiere, 2 Zugochsen, eine Kalbin, 6 Schweine und 2 Pferde; Bauer z auf
19 ha Fläche 4 Kühe, 7 Stück Jungvieh, 4 Schweine und 2 Pferde. Überall
habe ich sämtliches Vieh gut genährt gefunden und gesehen, dass jedem
einzelnen Tiere grosse Sorgfalt und Aufmerksamkeit gewidmet wird. Es
294 Brase:
hat seinen guten Grund, wenn gerade die .Tungviehzucht ihrem Uni-
fange nach gegen jede andere Art der Xutzviehhaltung in kleinen und
mittleren Wirtschaften hervortritt. Die Bäuerin pflegt Kälber und Ferkel,
als wären sie ihre Kinder.
Die Verwertung aller Erzeugnisse einer Bauernwirtschaft ist im all-
gemeinen folgende: Klee, andere Futterpflanzen und Wurzelwerk wie sämt-
liches Heu, Stroh und Kaff wird verfüttert, desgleichen die Kartoffeln, so-
weit sie nicht im Haushalt und zur Saat ihre Verwendung finden. Das
Brotgetreide wird gemahlen und die Kleie als Kraftfutter zurückgenommen; das
geringe Korn („2. Sorte") wird geschroten und der Hafer verfüttert. Die
Milch wird verbuttert und die übrigbleibende Butter auf den nächsten Markt
gebracht. Durch Menge und Art aller Abfälle der Milchwirtschaft, Küche
und Haushaltung wird die Schweinehaltung erst bedingt und ihr Umfang
bestimmt. Diese wieder liefert der Bäuerin Fleisch und Speck während
3/4 des Jahres. Demnach bleibt zum direkten Verkauf nicht mehr übrig,
als einige Wispel Koggen, Weizen und Gerste, 2 oder mehrere gemästete
Schweine, je nach der Grösse der Wirtschaft und ihren Futterverhältnissen,
junges und ausgemerztes Vieh.
Mit 2 Ausnahmen von der Regel fahre ich fort:
1. Der Bauer K hat im Jahre 1886 ein 93 ha grosses Gut mit einem
Grundsteuer-Reinerträge von 2 376 Mk. für 100 000 Mk. gekauft; er hat
15 000 Mk. bar angezahlt und 85 000 Mk. als Restkaufgeld eintragen lassen.
Die landschaftliche Taxe lautet auf 101438 Mk., der „gemeine Wert" be-
trägt 101000 Mk. Die Gebäude endlich sind mit 43 000 Mk. versichert
(vergl. das statistische Material auf Seite 258 und 259, No. 9). Der Boden
dieses zu 85 % verschuldeten Besitzes ist ein strenger Lehm in Ackerkrume
und Untergrund ; in grosser Tiefe liegt Kies, der hier und da an die Ober-
fläche kommt. Thon und Lette finden sich nesterweise überall und er-
schweren die ohnehin schwierige Feldbestellung. Der schwere Boden im
toupierten Terrain verlangt eine starke Anspannung, das Zugvieh wiederum
ausreichende und kräftige Ernährung; das Ackergerät soll diesen Bodenver-
hältnissen entsprechen und mit vielen Kosten unterhalten werden. Ich habe
Schäl- und Saatpflüge gesehen, eine Drillmaschine, Breit-Dreschmaschine
mit Göpel, Viehwage und dergl. mehr.
Es werden 4 Arbeiterfamilien gehalten, 5 ledige Knechte und 4 Mägde.
,.Die Arbeitskräfte sind knapp und nur mühsam zu beschaffen gegen hohe
Mäklergebühren, schweres Geld und allerlei Versprechungen. Die Leistungen
sind schlechter, die Löhne viel höher als je; sie werden beinahe ins Un-
endliche geschraubt. Früher war Zufriedenheit, heute ist keine Zufriedenheit".
Der in Rede stehende Besitzer hat seine Gebäude zum Teil erst nutz-
bar gemacht, den alten Schafstall zur Scheune umgebaut, Federvieh- und
Schweineställe, eine Mägdestube und ein Haus für 4 Arbeiterfamilien neu
gebaut, das alte Ausgedingehaus abgebrochen, auf dem frei gewordenen
Platze einen Gemüsegarten angelegt, eine alte Scheune vergrössert und dergl.
Änderungen getroffen.
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 295
Er hat Privatwege gebessert, seine Acker teilweise drainiert, Kalk
angewendet, allerdings mit Misserfolg-, und pflegt alljährlich Düngemittel zu
beziehen, soweit seine Mittel reichen.
Die Schafhaltung hat man abgeschafft, das Kindvieh aber verbessert
und der Zahl nach vermehrt. Die ganze Herde besteht aus nur 10 Kühen,
weil 1 l frische Milch nicht mehr als 8 Pf. einbringt, aus 16 kräftigen, rot-
bunten ochsen, zum Teil eigener Aufzucht, die abwechselnd arbeiten, aus
gekauften und selbst gezogenen Bullen, jungen Stieren und Kalben zur
Mast. Der Mastbetrieb wirft, genau gerechnet, auch keinen hohen Gewinn
ab; nur wird viel und kräftiger Dünger produziert, der im Tiefstalle liegen
bleibt und auf einer rationellen Düngerstätte mit Moorerde bis zu seiner
Verwendung durchschichtet wird.
Starke Stallmistdüngungen und tiefe, zweckentsprechende Bodenkultur
zur rechten Zeit gelten als kräftige Hebel und geeignete Mittel zur Er-
langung der höchst möglichen Erträge von solchem starren und widerspenstigen
Boden. Die Fruchtfolge bildet ein 6 jähriger Umlauf, nämlich: 1. Rotklee,
2. AVeizen, ged., und Roggen, 3. Roggen und Hafer, 4. Hafer und AVickge-
menge, 5. Kartoffeln und Grünzeug, ged., (3. Hafer oder Gerste mit Klee-
einsaat.
Der Besitzer steht in der Fülle seiner Jahre und ist vor allen Dingen
intelligent, sparsam und unternehmend.
2. Der Landwirt G hat vor 2 Jahren eine Sclioltisei gekauft (vergl.
das statistische Material auf Seite 258 und 259, No. 34).
Der Boden des in Rede stehenden Besitzes wechselt vielfach; in der
Hauptsache ist es ein sehr schwerer, strenger, starrer und widerspenstiger
Lehm ohne jegliche Kultur im coupierten Terrain. Der Boden ist durch
einen der vielen Vorbesitzer so misshandelt, gekalkt worden, dass er aus
wahrer Armut keine nennenswerten Ernten zu liefern vermag, wenn nicht
zuvor stark mit Stallmist gedüngt wird. Teilweise ist der Acker derart
verwildert, dass ich die Kulturart nicht erkennen konnte. Wenn auch die
Feldlage günstig ist, so sind in Rücksicht auf Boden, Kulturzustand und
Lage die Produktionskosten hoch und die Ernten in hohem Grade unsicher ;
mehr wie einmal hat man nur den Samen wieder gewonnen.
Der neue Besitzer hat zunächst Maschinen und Geräte angeschafft.
z. B. eiserne 1- und 2 scharige Pflüge mit Sech, mehrscharige Schälpflüge,
Häufelpflüge, Eggen. Grubber, Düngerstreuer, Drillmaschine, Heuwender,
Pferderechen, Göpel mit Schrotmühle, Getreide-Reinigungsmaschine, Kartoffel-
wäsche, Klee-Sortiercylinder, die vorhandenen Gebäude in stand gesetzt,
einen Geräteschuppen neu gebaut, verraste Äcker umgebrochen und von neuem
urbar gemacht, drainiert, Gräben angelegt und geräumt, Original-Saatgut
eingeführt, den Zwischenfruchtbau aufgenommen, den Nutzviehstapel um die
Hälfte vermehrt, bayerische Zugochsen gekauft, Jungvieh- und Schweinezucht
angelegt; er pflegt Lupinen und Gras einzusäuern, Baumwollsaatmehl. Fleisch-
futtermehl und Mais, wie künstliche Düngemittel zu beziehen. Eine solche
Unternehmungsluft verdient an sich nur grosse Anerkennung. Ob sich in-
296 Bbase:
dessen ein so hoher Wirtschaftsaufwand bezahlen wird, das möchte ich sehr
bezweifeln. Binnen 2 Jahren sind nicht weniger als 20 000 Mk. zur Hebung
des Gutes verwendet worden, also 344,82 Mk. pro Hektar. Um soviel ist
der zu ä/B verschuldete und zu hoch bezahlte Besitz teurer geworden, gleich
wenn G eine neue Hypothek aufgenommen hätte. Rechnet man dieses ver-
brauchte Kapital von 20 000 Mk. Zins auf Zins, die baren Ausfälle in den
Wirtschaftseinnahmen während 2 Jahren, addiert man die fortlaufend
grösseren Wirtschaftsausgaben und sieht demgegenüber keinen wesentlichen
Erfolg von allen jenen Verbesserungen und Reformen, so erscheint mir das
ganze Unternehmen aussichtslos.
Wie sehen nun die Besitzungen in der zweiten Gruppe aus? (vergl.
das statistische Material auf Seite 258 und 259, No. 12—17 und 19—33).
Der Boden ist zum Teil ein steriler, humusarmer, trockener und loser
Sand bis Flugsand, zum Teil ein nasser und kalter, anmooriger und quecken-
wüchsiger Sand. Der trockene Boden bedarf während der kurzen Vege-
tationsperiode oftmals schwacher Regenfälle; der nasse wieder sollte ent-
wässert werden, was fast unmöglich ist. Er leidet daher in vielen Orten
an stauender Nässe, weil der Grundwasserstand sehr hoch ist, Druck wasser
zuströmt und, weil es dem Boden an der nötigen wasserfassenden Kraft
fehlt -- nach 1 oder 2 Regentagen schwimmt der Böden völlig: alles ist ein
Teich. Dazu fehlt es an ausreichendem Gefälle, weil das flache Gelände
beinahe in der Wage liegt. Spätfröste im Frühjahr, Regenperioden und
schneereiche Winter schaden hier weit mehr als anderswo. So kommt es,
dass der Boden in schmalen, (5 Furchen breiten Beeten mit hohen Rücken
10—13 cm tief gepflügt wird. Den hölzernen und primitiven Pflug zieht
1 kleines abgetriebenes Pferd oder 1 schwaches, halb verhungertes Kuh-
gespann. Von den nassen Böden hat man den hier unbedingt erforderlichen
Beetbau auch auf den trockenen Sand nach hergebrachter Gewohnheit über-
tragen, wo es nicht nötig, sondern vielmehr schädlich ist.
Die Hauptfrucht bildet der Winterroggen, weil er unter solchen Ver-
hältnissen allein die lohnendste und sicherste Frucht ausmacht. Die Hälfte
der Ackerfläche wird überall mit Roggen bestellt, wenn nicht sogar 2/3 oder 3/4.
Kurzes Stroh, dünne Halme, taube Ähren und flache Körner sind dann die
unausbleiblichen Folgen eines solchen übertriebenen Getreidebaues. Der
arme Bauer würde indessen anders verfahren, einen passenden Fruchtwechsel
eintreten lassen, wenn nur die Auswahl der unter solchen Boden-, örtlichen
und klimatischen Verhältnissen gedeihenden Gewächse nicht in hohem Grade
beschränkt, und überdies ihr Ertrag zunächst und vor allen Dingen ab-
hängig wäre von des Himmels Gunst. Der Rest vom Ackerareal trägt
Sommerung: Roggen, Hafer oder Gerste; Hackfrüchte: Kartoffeln, Runkel-
rüben und Wracken, einige Dämme Mohrrüben und Kraut und endlich Futter-
pflanzen, das sind Rotklee, Wasserrüben, Serradella, Mais und Spörgel. Der
eine sät wohl ein Beet Lein oder Buchweizen, der andere einen Streifen
Erbsen, Wicken und Lupinen oder Wintergerste. Man hält in der Regel
mehr Vieh, als den armseligen Futterbeständen entspricht. Es fehlt oft an
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 207
Futter und an Einstreu. Der Boden ist vielfach nicht kleefähig, und sein
Geraten immer zweifelhaft. Wasserrüben, Serradella, Mais und Spörgel
liefern^ erst im Herbst ein bescheidenes Grünfutter, weshalb man in den
Zwischenzeiten das Vieh au Wegen, Rainen, in der Dorfaue, auf den Stoppeln,
kraftlosen Wiesen und Weiden hütet. Roggenkleie ist das einzige Kraft-
futtermittel, das nur den milchenden Kühen in kleinen Mengen zu gute
kommt. Im Winter wird das viele Vieh notdürftig ernährt mit Stroh, Spreu,
Überkehr, wenig Wurzelwerk und saurem Heu. Das Futter ist zu allen
Zeiten knapp und schlechter Beschaffenheit, das eisenreiche Trinkwasser in
mehreren Orten gesundheitsschädlich. Infolgedessen ist da's Vieh klein,
mager und rauh im Haar, wenn nicht verkommen und verhungert im engen,
dunklen Stall. Daher darf man keine rechte Nutzung verlangen, nicht viel
und kräftigen Dünger erwarten.
Gedüngt wird zu jeder Frucht, aber homöopathisch. Diese schwachen
und unzureichenden Düngungen durch Ankauf von Kainit, Thomasmehl,
Guano oder Chilisalpeter zu ergänzen, ist unmöglich. Von einem kranken
Manne darf man Kraftleistungen billigerweise nicht verlangen. Nächst den
nötigen Mitteln würde es an Anleitung und Erfahrung mangeln. Kalk
wendet der Bauer niemals, Gründüngung nur vereinzelt an. Reicht der
Stalldünger nicht aus, dann wird der Roggen auch in 2. Tracht gebaut.
Die Feldbestellung ist beispielslos einfach und dennoch mühsam ; man breitet
den aufgebrachten Dünger, sät mit der Hand 2/3 oder 3/4 des Samens, pflügt
darnach, sät nunmehr das letzte Drittel oder Viertel oben auf und eggt
mit einer selbst gezimmerten Egge ab. Der Roggen wird periodisch, nach
und nach bestellt, weil es am nötigen Dünger fehlt. Samenwechsel würde
sich wohl bezahlen; das und anderes unterbleibt mangels Kapitalkraft.
Was Geld kostet, vermeidet der Bauer grundsätzlich, wenn anders er weiter
bestehen will. Er drischt sein Getreide nach altem Brauch mit dem Flegel
aus, wurft mit der Hand oder siebt den ganzen Unrat ab. Einige besser
situierte Besitzer haben sich neuerdings eine kleine Göpel-Dreschmaschine
zugelegt. Das Stroh ist vor allen Dingen als Futtermittel gerechnet, während
es mehr (vornehmlich) unter den Leib der Tiere gehören möchte. Nun
soll Häcksel geschnitten, die Kartoffel- oder Rübenmiete mit Stroh einge-
deckt, das schlecht gewordene Strohdach ausgebessert, das wenige Heu, um
möglichst lange damit zu reichen, mit Stroh gemischt werden, so dass zur
Einstreu bei den schwachen Strohernten nichts oder verschwindend wenig-
übrig bleibt. So kommt es, dass die übliche Waldstreunutzung zur Regel
geworden ist. Hackstreu giebt es nicht mehr, sondern nur noch Nadelstreu,
die man alljährlich dem Waldboden zu entziehen pflegt. Das hat wieder
zur Folge, dass auf dem armen, geplünderten Sande die wenigen Kiefern
erst recht kümmern, und dass es trotz der ausgedehnten Forsten an Bau-
holz fehlt, wenn die altersschwachen und unzähligemal geflickten Gebäude
endlich einzufallen drohen. Bauen können selbst die kapitalkräftigeren Be-
sitzer nicht: es fehlt an Feldsteinen, an Kies, Lehm, Holz, endlich und
namentlich an Geld. Der eine ist genötigt, selbst das Brenn- und Schirr-
298 Bkase:
holz für den eigenen Bedarf zu kaufen, dem anderen fehlte an ausreichen-
den Wiesen, oder sie sind Überschwemmungsgefahren ausgesetzt. Alles ist
knapp. Der beklagenswerte Landmann in dieser traurigen Gegend quält
und müht sich mit seiner oft grossen Familie von früh bis spät, einen Tag
wie den anderen; seine schwielige Hand und das magere Gesicht zeugen
nur von schwerer und rastloser Arbeit. Er ringt um seine nicht beneidens-
werte Existenz, kämpft mit Kummer und »Sorgen und fristet sein Leben;
er strengt sich mit aller Gewalt an. um die fälligen Zinsen und Steuern,
so lange wie nur möglich, aufzubringen, und fürchtet, endlich doch absterben
zu sollen. Zu durchgreifenden Verbesserungen fehlen jegliche Mittel; sie
allein würden zu helfen vermögen und dahin führen, dass eine solche, von
Natur arme Scholle Land sicher ertragsfähig wird und ihren Wirt besser
ernähren möchte. Die aufgezählten wirtschaftlichen Mängel treten um so
schärfer hervor, je schlechter der Boden und je grösser die Verschuldung ist,
Von diesen 22 Besitzungen in Gruppe 2 bildet nur die Scholtisei in R
eine erfreuliche Ausnahme (vergl. das statistische Material auf Seite 258 und
259, No. 18). Der Boden ist zum Teil ein trockener bis dürrer, weisser Höhen-
sand, nährstoff- und humusarm und scheinbar nicht meliorationsfähig, zum
Teil ein frischer bis nasser, schwarzer Niederungssand, der mangels Gefälle
sich nicht drainieren lässt. Der trockene Sand ist allmählich in Kultur
gebracht worden, die früher gänzlich fehlte, durch die abwechselnde Be-
stellung von gelben Lupinen zur Gründüngung und Winterroggen. Für
Kartoffeln wäre der Boden schon zu leicht. Der betreffende Besitzer ver-
wendet Kainit und Thomasphosphatmehl „im grossen", verbindet auf den
ganz leichten Böden besagte Gründüngung mit einer schwachen Stallmist-
gabe, pflügt tiefer und besser, als man früher es zu thun pflegte, walzt den
Boden viel und eggt wenig und drillt im September eine passende Roggen-
sorte ein. Auf diese Weise ist jene arme Scholle Land feuchter, humoser,
kräftiger und daher ertragsfähig geworden. Als Beweis für die wirtschaft-
liche Einsicht des Herrn R führe ich nur seine Versuche mit Kalken und
Bodenimpfung an.
Der frische bis nasse Niederungssand wird 1. mit Kartoffeln bestellt
in starker Stallmistdüngung; den besten Acker schält man zum Anbau von
Mais. Möhren und Kunkelrüben heraus. Die Rübendüngung besteht aus
Kainit, Thomasmehl, 2 Stallmistgaben, Jauche und Chilisalpeter. Der „Pflanz-
acker" wird gehörig gelockert und für die folgende Bestellung mit allen
möglichen Geräten zweckentsprechend vorbereitet. Auch die Methode des
Kernelegens ist üblich. Das schädliche „Blatten" der Rüben vor ihrer Ernte,
um den ständigen Futtermangel vorübergehend zu beseitigen, unterbleibt
hier unter allen Umständen. Nach diesen gedüngten Hackfrüchten folgt 2.
Gerste oder Hafer in Kunstdünger mit Klee-Einsaat, 3. Kleegras, ged., 4.
Winterweizen, 5. Winterroggen und 6. Sommerung: Hülsenfruchtgemenge.
Pferdebohnen, Weizen — oder Kartoffeln. Lupinen, Serradella und Wasser-
riiben werden zu Futter- und Düngungszwecken als Zwischenfrüchte an-
gebaut.
Einflnss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 299
Dass kein Strohmangel herrscht, und die früher unvermeidliche Wald-
streunutzung nicht mehr nötig- ist. beweist allein die Thatsache, dass ich
eine hohe Miete von Boggenstroh «.»5er Ernte gesehen habe. Der Besitzer
hat sich veranlasst gesehen, eine offene Feldscheune (1800 cbm Inhalt), eine
massive Scheune im Hofe und einen Kuhstall für 45 Stück Vieh neu zu
bauen, eine alte Scheune mit Strohdach in die Höhe zu winden, seinen Pferde-
stall auszubessern und dergl. mehr.
Das tote Inventar hat er verbessert und insbesondere vermehrt; ich
habe einen 4 spännigen Göpel gesehen, 1 Flöther'sche Stiften-Dreschmaschine,
1 Mayfarth'sche Breit-Dreschmaschine, 1 Haferquetsche, 1 Häckselmaschine.
1 Mais- und Rübenschneidemaschine, Walzen. Schälpflüge, Wende- und Rajol-
pflüge, Grubber, Zickzackeggen aus Schmiedeeisen, schwere und leichte Holz-
eggen, 1 Drillmaschine und anderes mehr.
Herr R hält 6 starke Ackerpferde, die kräftig genährt und gewissen-
haft gepflegt sind. Das Nutzvieh (gelbes bayerisches, schwarz- weisses
Holländer, rotbuntes Wilstermarsch und Breitenburger Vieh) ist bester Be-
schaffenheit, zum Teil Ausstellungsvieh, das hohen Ansprüchen genügt. Die
43 Köpfe starke Herde umfasst 14 Milchkühe, 4 Bullen und 25 Stück Jung-
vieh aller Altersklassen. Der Stall ist vorteilhaft eingerichtet, gross und
hell, mit Cementkrippen, Raufen aus Gusseisen und Luftschächten versehen.
In Stall und Futterkammer herrscht bis in alle Einzelheiten grosse Ordnung.
Das Vieh hat ein reines und trockenes Lager, ist ohne Ausnahme kräftig,
aber nicht mastig gefüttert, rationell gehalten und gepflegt. Die Sommer-
stallfütterung ist ständige Regel; im Winter wird das Vieh ernährt mit
Wiesen- und Kleeheu, Sommerungsstroh, Spreu und „viel" Rüben, — mit Weizen-
schale. Baumwollsaatmehl und anderen preiswerten Futterstoffen in solchen
Mengen, wie sie ein günstiges Mährstoffverhältnis je nach dem Nutzungs-
zweck verlangt. Das Vieh ist durch eine hohe Nutzung ausgezeichnet,
liefert bei einer solchen Fütterung und Haltung viel und kräftigen Dünger.
Der in Rede stehende Besitzer klagt weder über Arbeitermangel, noch über
schlechte Leistungen und unberechtigte Forderungen seitens der Arbeiter.
Er behandelt sein Personal menschenwürdig, bezahlt es entsprechend seinen
Leistungen, verlangt viel, wenn es die Zeit erfordert, und sucht tüchtige
Arbeitskräfte sich dauernd zu erhalten.
Herr R erntet durchschnittlich von Getreide 2 — 3 mal, von Kartoffeln
o— 4 mal und von Rüben 6— 8 mal so viel, als alle anderen Besitzer in R,
die nach altem Stil wirtschaften und infolge ihrer Schuldverhältnisse nicht
anders verfahren können und dürfen. Herr R baut Früchte, die seine
Nachbarn mit Erfolg nicht in ihren Umlauf einreihen können, weil es ihrem
Boden am nötigen Kultur- und Düngungszustand fehlt. Der betreffende Be-
sitzer pflegt wie ein armer Tagelöhner mit seinem Gesinde jeden Tag zu
arbeiten; er ist fleissig, mühsam, vorwärts strebend, ist tüchtig und sparsam
und besitzt für seinen Stand ein grosses Mass von Überlegung und wirt-
schaftlicher Einsicht, Er hat sein Besitztum bar bezahlt und verfügt über
Kapitalvermögen. Kapital und Arbeit haben solch schöne Erfolge gezeitigt.
300 Bbare:
Derselbe Bauer wäre nie und nimmer inistunde gewesen, eine „Oase in der
Wüste" zu schaffen, wenn all seinen Bestrebungen der finanzielle Hinterhalt
als unbedingte Voraussetzung hätte fehlen sollen.
Es liegt nahe, dass der nicht verschuldete Besitzer besser zu wirt-
schaften in der Lage ist und thatsächlich auch tüchtiger wirtschaftet, als
der verschuldete.
Der Nichtverschuldete bemüht sich, seine Wirtschaft nachhaltig und
allseitig zu heben, den Betrieb, soweit möglich, zu verbilligen, die Guts-
erträge zu vermehren. Er kann die herrschenden Konjunkturen ausnutzen,
alle erforderlichen Rohstoffe und Bedarfsartikel erwerben, seine Produkte
verkaufen, wann und wo es ihm am zweckmässigsten scheint. Er kann
sich frei bewegen, Schäden abwenden, soweit dies in seiner Macht liegt,
participieren. wenn und wo ein Gewinn in Aussicht steht, Vorsorge für
spätere Zeit treffen, kurz, operieren, wie er es für richtig hält. Der Ver-
schuldete muss sich nach der Decke strecken, seine wirtschaftlichen Mass-
nahmen hängen zunächst ab von seinen finanziellen oder, besser gesagt, den
Schuldverhältnissen. Wäre er kapitalkräftiger, dann würde er als Land-
wirt mehr zu leisten vermögen, für Verbesserung seines Gutes mehr ver-
wenden, als dies bisher geschieht, drainieren und kalken, wenn es nötig ist,
Düngemittel und Futterstoffe in grösserem Masse beziehen, Samenwechsel
eintreten lassen, 1 oder 2 Gespann Pferde oder Ochsen mehr halten, um
alle Feldarbeiten zur rechten Zeit beginnen und erledigen zu können,
arbeitersparende Maschinen und Geräte kaufen, die Gebäude in stand setzen,
wenn es Zeit ist. Er wäre dann nicht mehr materiell gezwungen, jeden
Tag von früh bis spät auf die grösstmöglichen Leistungen und An-
strengungen seiner Arbeitskräfte mit Strenge zu halten. Er wäre dann in
der Lage, sein Personal besser zu bezahlen und mehr zu befriedigen, über-
haupt erst tüchtige Arbeiter sich zu suchen. An Wohlfahrtseinrichtungen
zu denken, darf man von einem verschuldeten Besitzer nicht verlangen. All
das ist dem Verschuldeten versagt und zwar umsomehr, je tiefer er in
Schulden steckt, je mehr er um seine Existenz zu kämpfen hat,
Der nicht verschuldete Besitzer kann jahraus jahrein seine Gutserträge
voll und ganz zur Hebung seines Guts verwenden, mit Geld wieder Geld
erwerben. Der Verschuldete soll erst den Zinsbetrag herauswirtschaften
und abführen; was dann in günstigen Jahren etwa noch übrig bleibt, bildet
einen bescheidenen und mühsam errungenen Meliorations- und zugleich
Eeservefond. Solche kleine Beträge reichen aber entfernt nicht aus, um
berechtigte Wünsche erfüllen, durchgreifende Reformen in Angriff nehmen,
geschweige denn durchführen zu können, und vor allen Dingen nicht, um
mittels zahlreicher Verbesserungen in der kürzesten Zeit eine auf schwachen
Füssen stehende Wirtschaft selbständig, unabhängig und ertragreich zu ge-
stalten. Alle diese Übelstände treten umsomehr zu Tage, je mehr die Ver-
schuldung ihren Höhepunkt erreicht.
fiinflnss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 301
Über Arbeitermangel und seine Folgen wird viel geklagt; zur grossen
Kalamität ist er bei den Landwirten geworden, die. je länger, desto mehr
in Schulden geraten sind. Denn 1 Mk. mehr Lohn bewilligen, heisst sein
Einkommen um ebensoviel schmälern, das in Form von Zinsen in der
Gläubiger Tasche zu fliessen bestimmt ist.
Der nicht verschuldete Besitzer kann die verschiedensten Meliorationen
zugleich ausführen; er scheut sich nicht vor einem kostspieligen Werke.
dessen Nutzen erst nach Jahren erwartet werden darf.
Der hoch Verschuldete lebt, wie der besitzlose Arbeiter, aus der Hand
in den Mund.
Der Nichtverschuldete ist widerstandsfähig, der grosse wie der kleine
Besitzer. Es heisst mit Recht, der Bauer ist in Zeiten landwirtschaftlichen
Niederganges widerstandsfähiger, als der Grossgrundbesitzer , weil dieser
mit fremden Kräften für den fernen Markt zu arbeiten gezwungen ist. Jene
Behauptung trifft aber nur zu. solange keine Zinsen aufzubringen sind.
Dem Bauern bleibt mindestens der selbst verdiente Arbeitslohn, soweit er
nicht durch die Grösse seines Besitzes, oder weil seine Kinder noch klein
sind, sich zur Gesindehaltung veranlasst sieht. Hierdurch allein befindet
er sich einem Grossgrundbesitzer gegenüber zweifellos im Vorteil. Soll der
Bauer erst mal dem Gläubiger seinen Arbeitslohn verpfänden, dann wird er
früher oder später bankerott.
Der verschuldete Besitzer ist mehr oder minder anfällig. Folgen
mehrere schlechte Ernten aufeinander, brechen dazu noch besondere Un-
glücksfälle herein (höhere Gewalt, Feuer- und Hagelschäden, Viehseuchen
oder -sterben), sollen Kinder „standesgemäss" erzogen und ausgestattet
werden, dann ist die Existenz eines verschuldeten Besitzers nur zu leicht
erschüttert, der wirtschaftliche Zusammenbruch eines überschuldeten aber
unausbleiblich.
Der nicht verschuldete Besitzer ist in Wahrheit ein freier Mann, der
verschuldete ein Zinsknecht. Alles Wissen und Können, alle wirtschaftliche
Einsicht und Erfahrung, alle Sorgfalt und Mühe reichen allein nicht aus,
wenn es an der nötigen Kapitalkraft fehlt. Wie das Blut in unserem Körper
unaufhaltsam rollt, so soll das Geld in jeder gesunden Wirtschaft cirkulieren
und nirgends stocken.
Die Herren A, D, S. R wären sicher nicht imstande gewesen, ihre
Güter zu den bestbewirtschafteten des Kreises zu erheben, wenn sie bei
allem Fleiss und Vorwärtsstreben , bei ihrer hohen Intelligenz nicht zu-
gleich vermögend gewesen wären (vergl. Seite 264 — 271).
Im Bauernstande sieht es nicht anders aus : M z. B. hat seine Scholti-
sei mit viel Fleiss und Verständnis, insbesondere aber auch durch aus-
reichende Mittel allseitig verbessert und weit über das Niveau einer ge-
wöhnlichen Bauernwirtschaft zu stellen gewusst (vergl. Seite 258 und 259,
No. 18 und Seite 298—300).
G in S pflegt seinen Gewinn aus der Ziegelei zur Hebung seiner Be-
sitzung zu verwenden, namentlich zum Ankauf von Maschinen und Geräten,
Landw. Jahrbücher. XXVIII. 20
302 Brask.
zur Drainage, zum grösseren Bezüge von Futterstoffen, zur Vermehrung
und Verbesserung seines Viehbestandes und anderes mehr. Auf diese Weise
ist es dem betreffenden Besitzer erst möglich geworden, seinem starren.
widerspenstigen Thonboden die nötige Kultur zu gelten und höhere Ertrage
abzuringen (vergl. Seite 258 und 259, No. 8).
Das bestbewirtschaftete Bauerngut in H gehört Herrn x, der 14 Jahre
lang als Pferdeknecht gedient und später durch Heirat 12000 Mk. erworben
hat; er kann schlecht lesen und schreiben, aber desto besser rechnen; er
versteht sich insbesondere auf Zinsrechnung, betreibt Ochsen- und Schwarz-
viehhandel en gros, ist professioneller Geldverleiher, Agent und Mäkler.
Was im Geschält bar verdient wird, kann der Wirtschaft zu gute kommen.
Kr würde von den Gutserträgen selbst bei der grössten Anstrengung keine
Drillmaschine, Tiefkultur- und Schälpflüge kaufen, teures Saatgut, Kraft-
futter- und Düngemittel in so grossem Massstabe beziehen, einen Stall für
56 Haupt Rindvieh von Grund auf massiv bauen und solches Zugvieh
halten können, wie ich es gesehen habe. Vermöge seiner Kapitalkraft ist
x in der glücklichen Lage, seinem Boden eine viel bessere Kultur ange-
deihen zu lassen, als die übrigen Bauern im Hauptberuf (vergl. Seite 258
und 250, No. 16).
In G bezieht ein Bauer, der früher in Berlin als Schutzmann fungiert hat.
eine jährliche Rente von 900 Mk., die er nicht etwa vergeudet, sondern zur Ver-
besserung seines Besitzes Jahr für Jahr verwendet (Mitteilung des Graf von Z.).
Diese Beispiele sollen genügen; sie zeigen, welche befruchtende Wirkung
zufliessende Kapitalien auszuüben vermögen.
Die Folgen des Kapitalmangels kann ich an folgendem krassen Bei-
spiel illustrieren: S würde drainieren, seinem Boden Kalk und andere Dünge-
mittel ausreichend zuführen, tiefer pflügen, alle Früchte zur rechten Zeit
bestellen, das Arbeitsvieh vermehren und besser ernähren, den Zwischen-
fruchtbau einführen, Kraftfuttermittel für seine Herde in grösserem Masse
kaufen, als dies jetzt geschehen darf; er würde sich einen tüchtigen Be-
amten halten, wohingegen nur 3 Volontäre ihn unterstützen sollen, er
möchte seinen alten und nicht mehr tauglichen Förster und Gärtner durch
eine junge Kraft ersetzen, seine Arbeiter besser bezahlen und ihre Wohnungen
in stand setzen, wenn seine Vermögensverhältnisse nur bessere wären (vergl.
Rittergut n, Seite 282 — 285). Genau so verhält es sich mit den übrigen
kapitalschwachen Gutsbesitzern und Bauern (vergl. Rittergut h, Seite 275
bis 277. Rittergut k, Seite 279—280, Rittergut r, Seite 289—291, Bauerngut
No. 5, 17, 19, 22 und 34, Seite 258 u. 259). Der Gläubiger fordert seine Zinsen
und fragt nicht darnach, ob der Bauer z. B. vor einem herannahenden
Termine seine Schweine zu verkaufen gezwungen wird, wo sie gerade im
Preise niedrig stehen, wo er noch über grössere Futterbestände verfügt,
die Schweine im Gewicht noch zunehmen.
Wenn nun ein vermögender Besitzer nicht so intensiv wirtschaftet,
wie es geschehen könnte, und nicht die höchst möglichen Erträge heraus-
zuziehen sich bemüht, so darf man nicht etwa denken, dass er nachlässig
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 303
oder sogar faul und träge geworden sei. weil ein materieller Zwang nicht
vorliegt.
H hat z. B. ti . fahre lang, entgegen der durch schlechte Boden- und
Absatzverhältnisse gegebenen ungünstigen Lage, eine intensive Feldwirt-
schaft mit scheinbar gutem Erfolge betrieben, sich aber nach und nach über-
zeugt, dass den zweifellosen Nutzen nur der Düngerhändler gehabt hat.
So ist er schliesslich zu einer extensiven Weidewirtschaft zurückgekehrt
(vergl. Rittergut 1, Seite 280—281).
B - - nach anderer und meinem Dafürhalten ein sehr tüchtiger , in-
telligenter und an Lebenserfahrungen reicher Landwirt - hat beinahe 3
Jahrzehnte hindurch mit allerlei Mitteln versucht, die ihm anvertrauten
Felder seines Prinzipals zu lohnenden Erträgen zu führen, die Bewirtschaftung-
rentabel zu gestalten. Es wollte aber nicht gelingen, so dass B schliesslich
seinen Chef zu bewegen suchte, den grössten Teil seiner Ackerflächen auf-
forsten und nur den Rest mit dem besten Boden vom Gute intensiv be-
wirtschaften zu dürfen. Heute sind nicht weniger als 250 ha Acker an-
geschont, der ganze Wirtschaftsapparat ist wesentlich vereinfacht, die grosse
Arbeiterkalamität mit ihren üblen Folgen ist beseitigt. War die früher
intensive Bewirtschaftung von keinem finanziell günstigen Resultat begleitet,
so verspricht die Holzkultur einen, wenn auch nicht sehr hohen Reinertrag
(vergl. Rittergut m, Seite 281—282).
Wenn die schuldenfreien Bauern in S (vergl. Seite 258 und 259, No.
12 — 14) z. B. nicht intensiver wirtschaften, als es in Wirklichkeit geschieht,
so hat dies darin seinen Grund, dass ihr Sandboden einen grösseren Wirt-
schaftsaufwand zu bezahlen nicht imstande wäre und mehr Arbeitskräfte
bei dem allgemeinen und schon chronisch gewordenen Arbeitermangel schwer
zu haben sind. Der Bauer leistet bereits mit seiner Familie, was nur in
seinen Kräften steht, er wirtschaftet sparsam und nährt sich redlich.
Warum soll auch der Landmann etwaige Überschüsse unter allen Umständen
aufs ungewisse wieder in seine Wirtschaft stecken und sie dadurch von
neuem belasten? Endlich ist jeder Intensität ein Ziel gesetzt; der letzte
Scheffel Roggen und der letzte Tropfen Milch wird der teuerste. Je ärmer
ein Boden von Natur ist, desto früher wird man im allgemeinen die Grenze
der noch zulässigen Ertragssteigerung erreichen; sie überschreiten, heisst
Gutserträge erkaufen wollen und auf Rente verzichten. Das Luxusgut X
legt hierfür ein beredtes Zeugnis ab (vergl. Rittergut q. Seite 287—289).
Es wäre schlimm um Deutschlands Landwirte bestellt, wenn es erst
einer Anregung bedürfte in Form ratenweise und pünktlich zu zahlender
Hypothekenzinsen, damit sie tüchtig wirtschaften, fleissig und vorwärtsstrebend
bleiben. Der nicht verschuldete Besitzer strengt sich im allgemeinen
mindestens ebenso an, wie sein verschuldeter Berufsgenosse. Das ist mir
überall gesagt worden ; mich davon zu überzeugen, habe ich hinreichend Ge-
legenheit gehabt. Der Xichtverschuldete muss tüchtig, fleissig und sparsam
sein, wenn anders er sein Besitztum schuldenfrei erhalten will; nur zu jäh
geht es in der Landwirtschaft bergab.
20*
804 Bkase:
Der Verschuldete macht alle Anstrengungen, damit er nicht in Ver-
fall gerät.
Für den Nichtverschuldeten liegt eine mindestens ebenso mächtige
Triebkraft darin, sein Vermögen zu erhalten und, soweit möglich, zu ver-
mehren. Der Nichtverschuldete strebt nach Erfolgen und Fortschritten, um
sich daran treuen zu können. Es liegt einmal in der Natur des Menschen.
zu ernten, was er gesät hat. Ehrgeiz. Eitelkeit und das Bewusstsein, für
seine eigene Familie zu arbeiten, sind ein starker Sporn für gute Wirtschaft,
Der Nichtverschuldete sucht das Leben sich angenehmer zu gestalten, seinen
Inhalt zu veredlen und zu vertiefen.
Der verschuldete Besitzer ist a priori gezwungen, die fälligen Zinsen
pünktlich aufzubringen. Der Gläubiger wälzt das mit Kapitalbesitz ver-
bundene Risiko auf seinen Schuldner, den Landwirt ab, dem es an Sorgen
selten fehlt, Er lässt ihn nur so lange auf seinem Hofe, als er jedesmal
den fälligen Zinsbetrag erschwingen kann. Ist dies trotz aller Mühe und
Qual beim besten Willen nicht mehr möglich, dann jagt er ihn am Ende
noch von Haus und Hof.
Das Bewusstsein, immer nur für Fremde arbeiten und auf jeden Lebens-
genuss von vornherein verzichten zu müssen, kann auch den besten Charakter
nur zu leicht verderben. Je drückender die Schuldenlast empfunden wird,
je schlechter der Boden ist, desto mehr spart der beklagenswerte Landmann
an seinem eigenen Körper, dann fehlt ihm die unbedingt erforderliche Frische.
Wer die Verschuldung des Grundbesitzes fördern wollte, würde gerade das
Gegenteil von dem erreichen, was allgemein und auch mit Recht begehrt
wird, bessere Ernährung, bessere Kleidung, bessere Wohnung, bessere Er-
ziehung und höhere Bildung, kurz, ein befriedigendes Dasein aller Bevölke-
rungsklassen.
Wenn ein Besitzer infolge der Verschuldung intensiver wirtschaftet,
als er dies sonst thun würde, und höhere Erträge nachweist, als sein kapital-
kräftigerer Nachbar, so kann diese künstliche Ertragssteigerung auf Kosten
der Dauer vorübergehend wohl erzwungen werden. Die landwirtschaftliche
Betriebslehre führt des näheren aus, welche Bedingungen eine erfolgreiche,
intensive Bewirtschaftung vorausgesetzt ; von Verschuldung ist da aber keine
Rede. Wenn nun der verschuldete Besitzer da intensiv wirtschaftet, wo
nach Massgabe aller in Betracht zu ziehenden Natur- und Verkehrsverhält-
nisse allein der extensive Betrieb angezeigt ist, so vermag ich dies Bestreben
keineswegs zu billigen, noch viel weniger für einen gesunden Fortschritt
zu erachten. Reichen die so erzielten Erträge trotz aller Verschuldungs-
intelligenz und -intensität nicht aus, um seine Gläubiger ein wie allemal
zu befriedigen, dann bleibt nichts anderes übrig, als seinen letzten Kredit
aufs äusserste anzuspannen, d. h. aufs neue Schulden zu kontrahieren, wo
schon der Berg zu gross geworden ist, oder Grund und Boden anzugreifen.
Das eine ist schlimm, das andere ist schlimmer. In solchem Falle intensiv
wirtschaften, bezeichne ich als ein grosses Wagestück : Glückts nicht, dann
geht der betreffende Besitzer sicher wirtschaftlich zu Grunde. Wohin solche
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 305
Experimentierkunst fuhrt, habe ich in L gesehen, nur, dass hier keine
zwingende Notwendigkeit vorgelegen hat (vergl. Seite 258 und 259, No. 5).
Die in Rede stehende Besitzung gehört seit 1583 ein und derselben Familie.
ist nunmehr devastiert, hoch verschuldet, der Kredit ist erschöpft und der
wirtschaftliche Zusammenbruch jeden Tag zu fürchten. Im Jahre 1864 hat
P die schleswigsche Viehhaltung und Milchwirtschaft kennen gelernt und
dieselbe ohne weiteres in seine ferne Heimat übertragen und — wie er
hätte voraussehen sollen — mit grossem Misserfolge. Zweimal hat er die Tuber-
kulose eingeschleppt, zweimal war die ganze Herde wie von einer Pest er-
griffen. Zu allem Überfluss sind wiederholt Schweine an Rotlauf und
Pferde an Kolik gefallen. Statt Runkelrüben hat man Turnips kultiviert,
sich mit Sommerrübsen, Kümmel, Mohn und Arzneipflanzen eingelassen, wo-
hingegen der ideale Boden in denkbar bester Lage Weizen, Gerste, Roggen,
Hafer, Klee und Luzerne trägt und mit relativer Sicherheit. Um das Un-
glück voll zu machen, hat der betreffende Besitzer früher über seine Ver-
hältnisse gelebt. Wer nicht Mass zu halten weiss, ist zweifellos seinem
Untergang geweiht, wes Standes und Berufes er auch sein mag. Einem
Landwirt aber, der die Schuld daran, dass es ihm schlecht geht, in allem
anderen, nur nicht in der eigenen Person sucht, kann und darf niemand
helfen.
Der Landwirt ist allerdings social und bei der Eigenart des Land-
lebens gezwungen, für seinen Haushalt mehr auszugeben, als seinen Ver-
mögensverhältnissen entsprechen würde. Pferd und Wagen halten, ist mit
vielen Kosten verknüpft; ein anderes und billigeres Verkehrsmittel kann
der Landwirt meistens nicht benutzen. Im Landhause ist ein grösseres,
ständiges Personal erforderlich, wo beispielsweise in der Stadt vorübergehend
beschäftigte Personen genügen würden. Die Wohnung ist in der Regel
nichts anders als einfach und bescheiden. Einem Neubauwerte von 40 000 Mk.
z. B. entspricht bei 6% Zinsen, Amortisation und Unterhaltungskosten eine
Wohnungsmiete von 2400 Mk. Lebensmittel und deren Herbeischaffung,
Arzt, Apotheke, Erziehung der Kinder, all das kostet auf dem Lande mehr
als in der Stadt und steht mit dem nicht selten bescheidenen Einkommen
eines Landwirts vielfach nicht in Einklang. Oder der Landwirt ist genötigt,
wie ein Bauer zu leben, auf jede Annehmlichkeit zu verzichten, von früh
bis spät zu schaffen und zu sorgen. Aus diesem Grunde allein befindet sich
der Landwirt gegen andere produktive Stände zweifellos im Nachteil. Dazu
kommt, dass der Landwirt fast sein ganzes Vermögen in Gebäuden, Grund
und Boden festzulegen pflegt und an seine Scholle gebunden ist. Das
stabile und konservative Moment seines edlen Gewerbes gestattet ihm nicht,
in gleicher Weise wie dem Industriellen, seinen Betrieb neuen Handels-
kombinationen und Umwälzungen im Weltverkehre anzupassen und seine
bewährt befundene Wirtschaft flugs ' in unerprobte Geleise überzuführen.
Solange der Landwirt bei unseren klimatischen Verhältnissen im Jahre nur
einmal erntet, wird er sein Kapital im günstigen Falle nur einmal um-
schlagen, Verluste daher schwer ersetzen können. Der Landwirt arbeitet
306 Brasb:
viel mehr mit festgelegten Kapitalien, als mit umlaufendem Betriebskapital,
das infolge seines öfteren Umsatzes den grössten Gewinn verheisst. Dem
verschuldeten Besitzer fehlt es in der Regel an ausreichendem Betriebskapital,
so dass solche Gewinne ihm verloren gehen.
Ob aber z. B. die an sich empfehlenswerte Anwendung künstlicher
Düngestoffe sich bezahlt, das hängt zunächst ab von des Himmels Gunst,
ob Regen und Sonnenschein so verteilt werden, wie es für jede Frucht und
jeden Boden wünschenswert erscheint.
Zum Teil ist der Landwirt machtlos, zum Teil hat er seine wirtschaft-
liche Lage selbst verschuldet. Die Besitzungen sind alle mehr oder weniger
weit über ihren reellen Wert bezahlt worden. Die Kaufpreise stehen viel-
fach in gar keinem Verhältnis zum wahren Ertragswerte des Gutes. Hierin
erblicke ich das wesentlichste und schwerwiegendste Moment. Der Land-
wirt rechnet mit fingierten Zahlen und soll Kapitalien verzinsen, die als
vergessen angesehen werden sollten. Die unglückliche Stunde des schlechten
Ankaufs ist für viele verhängnisvoll geworden. Ist zu teuer und mit un-
zureichenden Mitteln gekauft, die Wirtschaft zu allem Überfluss nicht selb-
ständig, d. h. langen die durchschnittlichen Gutserträge nicht zur Bestreitung-
aller Wirtschaftskosten aus. dann ist in kurzer Zeit das kleine Kapital
verbraucht, und der Landwirt nur zu schnell an den Bettelstab geführt.
Vor mehr als 25 Jahren hat man den Grund- und Eckstein zur allgemeinen
landwirtschaftlichen Kalamität von heute gelegt. Damals strebte jeder
Landwirt nach Grundbesitz, was an sich zu loben ist. Man bezahlte aber
die Güter bis ins Unglaubliche und suchte mit wenig Mitteln möglichst
viel zu kaufen. Wer hat damals daran gedacht oder voraussehen
können, dass die Arbeitslöhne bis 100% und mehr steigen, die Steuern
und Abgaben sich mehren würden, der ganze Wirtschaftsbetrieb ungleich
teurer sich gestalten möchte, die Produktenpreise erheblich schwanken und,
infolge des so herausgebildeten Missverhältnisses die Reinerträge bedenklich
sinken würden? Dass solche Ankäufe in der neuesten Zeit wiederkehren,
habe ich mehrfach ausgeführt (vergl. Rittergut 1, n, o, p und q).
Begnügt sich der Landwirt mit 3% Zinsen, setzt er eine Risiko-
prämie von nur Va°/o an imc* * % als Lohn für seine eigene Arbeit — das
wäre bei einem Kapitalbesitz von 300 000 Mk. ein jährliches Einkommen von
3000 Mk., so soll ein Gut, das 300000 Mk. kostet, einen durchschnittlichen
Reinertrag von 13500 Mk. in Aussicht stellen, wenn anders er als Erwerbs-
mann prosperieren will.
Ein devastiertes Gut ist vollends entwertet und meistens viel zu hoch
bezahlt. Niemand weiss im voraus, welche Kapitalien genügen werden, um
die Wirtschaft von neuem in stand zu setzen und sie vor allen Dingen
dahin zu führen, dass sie sich aus eigenen Kräften erhält, nicht nur kostet,
sondern auch Erträge bringt. Der Landwirt übernimmt in solchem Falle
ein besonders grosses Risiko und sollte infolge der gänzlich fehlenden Sicher-
heit eine höhere Verzinsung seines aufs Spiel gesetzten Kapitals in Ansatz
Einfluss <lrr Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. 307
bringen, als ein anderer, der nicht auf solche Wagestücke eingeht. Gerade
solche Besitzungen werden über ihren reellen Wert bezahlt.
Der psychische Einfluss der Verschuldung- oder NichtVerschuldung -
soweit ich ihn nicht schon berührte, ist lediglich eine Frage nach der In-
dividualität des einzelnen. Tu jedem Stande giebt es Reiche und Arme;
unter den Reichen solche, die mit Fleiss und Ausdauer ihr bedeutendes
Vermögen immer noch zu vermehren trachten, obwohl es nicht nötig wäre.
und solche, die da meinen, sie hätten in ihrem Leben gerade genug ge-
leistet. Unter den Armen lebt der eine sorglos dahin, anstatt sich gerade
energisch anzustrengen , der andere dagegen ist emsig und unermüdlich
thätig, um wirtschaftlich voranzukommen.
Der Landwirt verhält sich nicht anders, als ein beliebiger Kaufherr
in Hamburg oder Fabrikbesitzer in Elberfeld.
Die Herren A und D sind in gutem Auskommen, ungeachtet dessen
fleissig und vorwärtsstrebend, obwohl ein materieller Zwang nicht vorliegt
(vergl. Seite 265 — 269). S hält sich nicht einmal einen Beamten, wo er in
der Lage wäre, dies thun zu können, und namentlich in Rücksicht auf sein
vorgerücktes Alter; er leitet seine Wirtschaft allein, stellt seine Arbeits-
kräfte selbst an und ist über jede Einzelheit im Betriebe unterrichtet (vergl.
Seite 269—271).
M, ein sehr tüchtiger und nicht verschuldeter Bauer, war mit seiner
Rübenernte so beschäftigt, dass ich glaubte, er arbeite im Accord. Er
pflegt seine Kühe zu melken, einen Tag wie den anderen, gleich wie seine
fremden Mägde dies zu thun gezwungen sind (vergl. Seite 298 — 300).
2 Bauern in D sind Brüder. Beide waren vermögend, beide nahmen
sich ein tüchtiges Mädchen zur Frau und gelangten beide auf diese Weise
in den Besitz zweier Wirtschaften von annähernd derselben Grösse, demselben
Boden und demselben Werte. Der eine hat heute sein Gut schuldenfrei
und verfügt über einen Kapitalbesitz von 18000 Mk. Das Gut des anderen
ist gerichtlich verkauft. Jener gilt als fleissig, tüchtig und vorwärtsstrebend,
dieser als nachlässig und liederlich. (Mitteilung des Gemeindevorsteher.)
Wie man's treibt, so geht's.
Nirgends habe ich empfunden, dass beim gebildeten Gutsbesitzer so-
wohl der Einfluss der Verschuldung wie der der NichtVerschuldung durch
höhere Bildung und wirtschaftliche Einsicht, ethische Momente, Gefühl,
sociale Verpflichtung überwunden oder doch zurückgedrängt wird, dass der
Bauer naiver denkt und sich mehr den Einflüssen materieller Art überlässt,
die auf ihn einwirken. Der schlichte Bauer wirtschaftet nach seiner Weise
ebenso tüchtig, als der gebildete Gutsbesitzer. Der eine müht sich wie der
andere und beide im Bewusstsein, für die eigene Familie zu sorgen. Der
Bauer wie der gebildete Gutsbesitzer will die liebgewonnene Scholle seiner
Familie erhalten wissen; er sucht sie daher nach Kräften zu heben, in der
Absicht, dass der Erfolg seiner Arbeit, wenn auch nicht ihm, so doch seinen
Kindern zu gute kommt. Das ist der Sporn für gute Wirtschaft.
308 Bbase:
Ich habe 2 kinder- und erbenlose Bauern kennen gelernt, die ich beide
für thätig und sparsam halte. Beide würden aber besser, intensiver wirt-
schaften - - wie sie mir selbst versicherten — , wenn nicht ihre Arbeit auf
Grund und Boden einem Fremden zu gute kommen müsste (vergl. Seite 258
und 259, No. 4 und 15).
Ich habe beobachtet, dass nur der überschuldete Besitzer naiv zu
denken pflegt, wenn er einsehen gelernt hat, dass es für ihn keine Aus-
sicht giebt, jemals auf einen grünen Zweig zu kommen.
Die Frage: „Wirtschaftet der Bauer nur so viel wie nötig?" kann
ich im ganzen nur für 2 Fälle bejahen.
Mir sind 2 Bauern in F und B bekannt geworden, die in gutem Aus-
kommen sind, keine Zinsen zu zahlen haben und mir so viel wie nötig
wirtschaften, d. h. als sie ohne fremde Arbeitskräfte zu schaffen imstande
sind. Ihre landwirtschaftliche Produktion ist begrenzt durch das Mass der
eigenen Arbeit. Von beiden Bauern habe ich keinen anderen Eindruck
gewonnen, als den, dass sie mindestens sich ihrer Sache so annehmen, als
es ihre verschuldeten Nachbarn zu thun gewohnt sind (vergl. Seite 258 u. 259,
No. 21 und 30).
Es ist mir unmöglich, zu behaupten, noch viel weniger zu beweisen.
dass der Landwirt, wenn ohne Schulden und in gutem Auskommen, faul
und niederträchtig wird.
Nirgends habe ich zu bemerken Gelegenheit gehabt, dass die Schulden-
freiheit dumm und träge macht. Vielmehr befürchte ich, dass der Land-
wirt, wie jeder andere, nur zu leicht in Schulden gerät, weshalb niemand
hierfür sorgen wolle.
Man wolle sich dessen immer bewusst bleiben, was Verschuldung
des Grundbesitzes heisst. Wenn sich der Landwirt ein Gut kauft für
100000 Mk. und 50000 Mk. bar anzahlt, so gehört ihm nominell die Hälfte
dieses Gutes, thatsächlich aber nicht einmal die ganze Hälfte. Denn
Schwankungen des Ertrages in schlechten Jahren haben zur Folge, dass
der verschuldete Besitzer verpflichtet wird, die ihm von Rechts wegen zu-
stehenden Zinsen vom eigenen Kapital seinem Gläubiger zu verpfänden, nur
um diesen zu befriedigen.
Nun sind die wenigsten Landwirte mit solchen Glücksgütern aus-
gestattet, einen Besitz erwerben und sogleich bar bezahlen zu können, so
dass endlich Güter nur für Reiche übrig bleiben würden, umso mehr, als
ein Gut preiswert schwer zu kaufen ist.
Nach alledem und alledem bezeichne ich die Verschuldung des Grund-
besitzes, Berufslandwirtes, als eine wirtschaftliche Fessel, die um so drücken-
der wird, je grösser das Mass der Verschuldung ist, als einen schweren
Hemmschuh für die gesunde, kulturelle Entwicklung.
(Folgt Tabelle 8. 309 u. 310.)
Einfluss der Verschuldung ländlicher Besitztümer auf deren Bewirtschaftung. ;',i)',i
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