. ■ * • '
Ä
■\-l
%.*/
Bibliothek
älterer schriftwerke
DER
DEUTSCHEN SCHWEIZ
UND IHRES GRENZGEBIETES.
Herausgegeben
von
^AKOB B^CHTOLD und FeRD. VeTTEI\.
Erster Band :
Die Stretunger Chronik.
FRAUENFELD.
Verlag von J. Huber.
1877.
{^ l)eir)t^oV) vFilttt^ingr-
K4ö3s
DIE
STRETLINGER CHRONIK
Ein Beitrag zur Sagen- und Legendengeschichte
der Schweiz aus dem XV. Jahrhundert.
MU einem Anhang:
Vom Herkommen der Schwyzer und Oberhasler.
Herausgegeben
von
Dr. Jakob B^echtold,
4^
FK^AUENFELD.
Verlag von J. Huber.
1877.
Gedruckt in J. Hubers Buchdruckerei in Frauenfeld.
Vorwort.
Indem ich unsre „Bilbliothek älterer Schriftwerke'''' mit
einer der ältesten deutschen Chroriiken aus der Schiveiz eröffne,
die freilich auf geschichtlichen JVerth 7c>enig Anspruch zu
machen hat, uns aber, sowie „das Herkommen der Schwyzer^
zeigt, 7vie man im XV. Jahrhundert anßeng, Schweizergeschichte
zu machen, habe ich ihr nur wenige Geleitsworte auf den
Jfeg zu geben, nachdem bereits der Prospekt Einrichtung
und Umfang unsrer Sammlung ausführlich dargelegt hat.
Die vielfaclien mit der Stretlinger CJironik verknüpften
litterarJiistorischen Momente ließen den vorliegenden Band
ohne allzu großen Zwang unsrer Bibliothek, die eigentlich
die sog. schöne Litteratur der Schweiz ins Auge faßt, ein-
verleiben. Vielleicht hätte sich Nie laus Manuel als Er-
öffnungsstück besser geeignet: einige Bedenken jedoch (die
Stretlinger Chronik hat vor jenem wenigstens den Reiz der
NeuJicit voraus) bestimmten uns, denselben erst in zweiter
Linie, aber noch vor Neujahr iS'jS, diesem ersten Bande
auf dem Euße nachfolgen zu lassen.
Was die Texte betrifft, wurde an dem der Chronik nur
die nöthigste Kritik geübt, die Interpunktion eingeführt,
Abkürzungen aufgelöst, die Orthographie nach den üblichen
Grundsätzen geregelt, d. h. Häufung der Konsonanten ver-
einfacht, y durch i, v vokalisch durch u, u konsonantisch
durch V, der Umlaut von i'i, der in der Handschrift ?nit
zwei schief gestellten Strichen über dem u bezeichnet ist,
durch üe gegeben. Inkonsequenzen der Handschrift in der
Schreibung des Umlautes von a und ä glaubte ich nicht
VI
ändern zu sollen. Eine Unterscheidung des Artikels das
und der Konjunktion d aß wurde beobachtet ; statt des hand-
schriftlichen kilchof, kilcherr gibt der Druck kilchhof, kilch-
herr. Die Kapitelüberschriften sind im Original der Strct-
linger Chronik nicht mit Majuskeln geschrieben. Radikaler
7nußte — wie der Variafiten- Apparat zeigt — ;//// dem oft
nachläßigen Münchner Text des Herkommens (die Abschrift
davon verdanke ich der Güte von Prof. Dr. Konrad Hof-
mami) verfahren werden. Noch sei betnerkt, daß ivir in Zu-
kunft, statt der Worterklärungen unter dem Text, einfach
Glossare liefern werden.
Dem Manessische?! Gemälde, das wir nur in ver-
kleinertem Maßstab hätten bringen können, zogen lair die
Reproducirung des altern, im Ganzen übereinstimmenden
Nagler' schefi Bildes aus der Berliner Bibliothek vor; das-
selbe wurde unter freundlicher Anleitung des Herrn Dr.
Philipp Strauch in Berlin an Ort und Stelle selbst an-
gefertigt.
Dafikbar hebe ich nanientlich die Unterstützung durch
Herrn Staatsschreiber Moritz von Stürler in Bern und Herrn
Dompropst Fiala in Solothurn, sowie diejenige meines Mit-
arbeiters Dr. Vetter hervor. Unserm verehrten Herrn Ver-
leger endlich, der mit der größten Opferfreudigkeit das
Unternehmen zu einem der Nation würdigen ausstattet, möge
die rege Thei Inahme der letzt ern nicht ausbleiben !
Solothurn am Sonntag Jubilate 1877.
j. B.
DIE HERREN VON STRETLINGEN
UND DER MINNESINGER HEINRICH.
Nicht weit von Thun entfernt ragt über dem west-
lichen Ufer des See's die weitausfchauende Burg
StretUngen in eine große HerrHchkeit hinein, welche die
Natur ihr zu Füßen ausgebreitet und rings um sie auf-
gethürmt hat. Um den weißen Thurm rankt statt des
Epheu's in üppiger Fülle die Sage, und die Poesie rauscht
über den einsamen Mauern, zu denen Fichten und Lärchen
emporsteigen. Drunten am See, nahe beim Ausfluß der
Kander, blickt das stille Kirchlein von Einigen, um das
die Legende fromm ihre Fäden gewoben, zwischen den
Bäumen heraus und weiter nach Süden taucht terrassen-
artig das Schloß Spiez aus der blauen Fluth.^)
In der Zeit, von der die folgenden Blätter melden,
saß auf StretUngen ein mächtiges Geschlecht, das, selbst
königlichen Ursprungs, Könige gezeugt hat; in Einigen
^) Ueber diesen Schauplatz der Strctlinger Chronik vergl.
J. R. Wyß, Reise in das Berner Oberland 1816, I, 274 u. ff.;
Hottinger & Schwab, die Schweiz in ihren Ritterburgen und Berg-
schlössern Bd. II, p. 316 u. ff., 419 u. ff.; Jahn, Chronik des Kan-
tons Bern 1H57, p. 315, 643, 649, und besonders Abraham Roth,
Thun und seine Umgebungen 1873, p. 154 u. ff.
VIII
erhob sich damals ein stolzes Gotteshaus mit einem
mächtigen Patron; um das Paradies — so wurde es ge-
heißen — schaarten sich zwölf Kirchen und über die Ufer
des alten Wendelsee's^) zog alltäglich ein vielstimmiges
Glockengrüßen hin zu St. Michaels Heiligthum, aus dessen
weitgeöffneten Pforten die Lobgesänge der Pilger hallten.
Spiez aber, der goldene Hof, wo einst Attila gehaust, war
in jenen grauen Tagen eine ansehnliche Stadt.
So die Tradition. Ganz anders aber die Geschichte.
Während die Sage bemüht ist, das Haus Stretlingen in einer
glänzenden Ahnenreihe aufzuführen, weiß die nüchterne
Forschung nur von einigen wenigen Generationen eines
mäßig begüterten Freiherrengeschlechtes, das da, wo es be-
glaubigt auftritt, bereits die Zeichen des Verfalls in sich trägt.
Die Annahme vollends, daß das transjuranisch-burgundische
Königshaus der Rudolfiden aus dem Stamme der Stret-
linger hervorgegangen, ist gelehrte Erfindung unsrer
Chronik und taucht zunächst in der ersten Hälfte des
sechszehnten Jahrhunderts bei dem Wiener Historiker
Wolfgang Lazius wieder auf.-) Mag das Ufgau mit der
Herrschaft Stretlingen einst königliches Kammergut ge-
wesen sein, mit welchem einer der transj uranischen Könige
^) Wendehee, IVandelsi'c (laciis Vanäalicus) ist der Name für d^in
Thunersee im Mittelalter, angeblich von den dort angesessenen
Vandalen ; nach Andern von der IVemlung oberhalb der sog. Nase,
(bei Jahn a. a. O. p. 562 ist auch ein IVandelbach genannt; bei
Wyß a. a. O. J, 160 ein IVendenthal und IVendeuherg), oder in
Folge einer Verwechslung mit lacus Vindelicus, einer Benennung
für den Bodensee. Ahd. wentilseo bezeichnet den Ocean überhaupt,
mhd. wendehi das atlantische Meer und bedeutet eigentlich Gren:;^-
see (loende, Grenze) ; Grenzsee konnte auch der Thunersee heißen,
da er von Alters her, wie die Aare, die Bisthümer Konstanz und
Lausanne schied.
^) De migratione gentium. Lazius (f 1565) mag durch Lasle
von Sundheim Kunde von der Stretlinger Chronik gehabt haben.
IX
einen Seltenzweig seines Hauses ausgestattet hat, oder
mag jene Dynastenfamilie am burgundischen Aufstand
gegen den letzten Zähringer Theil genommen haben, wie
Berchtold's Kriegszüge im Oberland und die Verwüstung
Amsoldingens zu beweisen scheinen, und damals ihre
Macht gebrochen worden sein: jedenflills sind die Freien
von Stretlingen in der spätem historischen Zeit nur noch
im Besitze eines Theils von ihrem einstigen ausgedehnten
Gebiete.
Die ehemalige Herrschaft Stretlingen erstreckte sich
von Wattenwyl und Blumenstein der Stockhornkette ent-
lang bis hinauf gegen Leißigen am Thunersee. Zu ihrer
Gerichtsbarkeit gehörten eine Anzahl kleinerer Herrschaften
und Dörfer.^) Der erste historisch bekannte Heinrich von
Stretlingen war ein Zeitgenosse Herzog Berchtolds IV. und
wird in einer Zähringer Urkunde von 1175 unter den
Baronen Burgunds als Zeuge genant.^) Ob Herr Johannes,
der urkundlich 1220 — 1224 an einem Hoftage König
Friedrichs II. in Hagenau^) und als Beisitzer am könig-
lichen Gericht in Bern*) vorkommt, ein Sohn des ersten
Heinrich war, und ob er in den Krieg der Barone gegen
Berchtold V. verwickelt gewesen, läßt sich nicht nach-
weisen. Dagegen muß er mit einer Schwester der Grafen
Heinrich und Rudolf von Rapperswil vermählt gewesen
sein, da seine muthmaßUchen Kinder Heinrich IL, Jo-
hannes IL, Margaretha und Rudolf am Begräbnißtage der
1) Vergl. Wurstemberger, Geschichte der aken Landschaft
Bern II, 136, 397; E. von Wattenwyl, Geschichte der Stadt und
Landschaft Bern I, 252,
'^) Zeerleder, Urkunden für die Geschichte der Stadt Bern 1,
107; Solotliurner Wochenblatt 1827, 455.
3) Zeerleder I, 198; Sol. Wochenbl. 1828, 315.
^) Zeerleder I, 208, 212; Sol. Wochenbl. 1828, 316. 1827, 156.
Gräfin Anna, Graf Hartmanns des Jüngern von Kyburg
Gemahlin, Tochter des Grafen Rudolf von Rapperswil,
als Anverwandte auftreten (1253 Mai 31) und auf das
Erbe des Stifters der Cistercienser-Abtei Wettingen, Hein-
richs von Rapperswil, Anspruch haben (1258 Mai 28).
Heinrich IL von Stretlingen, der älteste Sohn Herrn
Johannes L und der Gräfin von Rapperswil, wird ge-
w^öhnlich als der Minnesinger angenommen. Vom Jahre
1250 — 1263 tritt er uns meistens in Gemeinschaft mit
seinem Jüngern Bruder Rudolf urkundlich entgegen. Wenn
auch damals schon die Familie nicht mehr im Besitze der
gesammten Herrschaft ist und Ländereien im Thale von
Stretlingen (terra in valle de Stratehngen) dem Junker
Heinrich von Kien gehören (Urkunde von 1260 Sept. 17),
so stehen doch die beiden Brüder als Herren von Stret-
lingen, Spiez und Wimmis bei ihren Zeitgenossen in
großem Ansehen und nehmen, wie an den friedHchen
Verhandlungen, so an den kriegerischen Bewegungen im
Lande regen Antheil. Rudolf nennt sich in seinem Siegel
Vogt von Wimmis (advocatus de Windemis). Es ist sehr
zweifelhaft, ob sich auch Herr Heinrich in seinen frühern
Jahren so bezeichnet hat und der Ritter Heinrich von
Wimmis ist, dessen Span mit dem Kloster Literlaken,
einen Fischteich betreffend, von einem Schiedsgericht
entschieden w^urde (1239 Juni 22); da schon einige Jahre
vorher (1236 Sept. 9) ein Heinrich von Wimmis als
einer der letzten Zeugen unter ritterlichen Ministerialen
vorkommt. Dagegen nennt sich Heinrich IL Vogt (advo-
catus) von Stretlingen und scheint wie sein Bruder Rudolt
abwechselnd auf dem Schlolk Wimmis, auf der Burg
Stretlingen oder in Spiez gewohnt zu haben. Warum er,
sowohl in der Siegelunischrift (Urkunde von 1263 Dez. 4)
als bei urkundUcher Zeugenschaft (1255 Sept. 14) Vogt
XI
von Stretllngen heißt, ob die Burg und Herrschaft nicht
mehr freies Eigenthum der Famihe war, sondern in den
Kämpfen der Zeit, sei es früher in die Hände des Herzogs
von Zähringen als Rektors von Burgund, sei es zu Hein-
richs Zeiten selbst an die mächtigen Grafen von Savoien
aufgegeben und als Lehen wieder empflingen wurde, oder
ob endlich Stretlingen bereits von der Familie veräußert
worden und ihr nur das Vogteirecht geblieben war, läßt
sich aus historischen Zeugnissen nicht bestimmen. Jeden-
falls aber hat die Bezeichnung ihre Bedeutung.
Gehen wir im Einzelnen an der Hand der Urkunden
dem Auftreten Heinrichs nach, so finden wir ihn 1250
Dec. 22 in dem aufblühenden Bern unter Freien, Rittern
und Edelknechten als zweiten Zeugen beim königlichen
Gerichte, als Werner und Heinrich von Kien, die Herren
des Frutigerthales und anderer Ländereien in der alten
Herrschaft Stretlingen, auf das Vogteirecht der dem Kloster
Interlaken zuständigen Eigengüter Oplingen und Kiesen
verzichten;^) ebenso 1252 Juli 2^ bei Oberhofen, wo
unter Vorsitz des Landgrafen Peter von Buchegg neben
vielen Freien, Rittern und Landsaßen die Edeln Heinrich
und Rudolf von Stretlingen am Landgericht sitzen, als
die edle Frau Ita von Wediswil nach Verzichtleistung
ihrer Mutter Lukardis von Uspunnen auf das Leibgeding-
recht, Eigengüter in Grindelwald dem Kloster Literlaken
verkauft.^) Lii Jahre 1253 Mai 31 wohnt Herr Heinrich
von Stretlingen als Verwandter dem Begräbniß der oben
erwähnten Anna von Kyburg im Kloster Wettingen bei
und hilft die Vergabung des trauernden Gatten zum Heil
^) Zcerledcr I, 419; Fontes rerum Bernensium II, 331.
^) Zeerleder I, 433; Sol. Wochenbl. 1828, 139; Kopp, Gesch.
der eidgen. Bünde II 2, 42; Fontes rer. Bern. II, 353.
XII
der Verstorbenen mitbezeugen ;^) dann verweilt er noch
einige Tage bei Graf Hartmann von Kyburg auf dem
Schloße Lenzburg und ist Juni 4 der erste weltliche
Zeuge, als der Graf zum Seelenheil seiner Gattin und
seiner Vordem auf alle seine Ansprüche der dem Kloster
Wettingen zugehörigen Güter im Lande Uri verzichtet.^)
Vogt von StretUngen w^ird Heinrich 1255 Sept. 14 ge-
nannt, als er in Bern nach dem Freien Ulrich von Wip-
pingen, Vogt von Bern, bei einer Vergabung der Gebrüder
Frieso an das Johanniterhaus Buchsee Zeugniß gibt.^) In
den nächsten Jahren beschäftigen Familienangelegenheiten
Herrn Heinrich. Sein Bruder Rudolf begibt sich im Auf-
trag der Familie ins Kloster Wettingen und entsagt da-
selbst 1258 Mai 28 im Namen Heinrichs, dessen gleich-
namiger Sohn den Oheim begleitet, und der übrigen
Geschwdster allen Ansprüchen auf das Erbe des mütter-
lichen Verwandten, Graf Heinrichs von Rapperswil, zu
Gunsten des von diesem gestifteten Klosters, in dessen
Mauern der Graf als Bruder Heinrich (1246 Jan. 30) sein
bewegtes Leben vollendet hatte.*) Aus dieser Verzicht-
leistung geht hervor, daß 1258 außer Heinrich und Rudolf
von Strethngen noch ein Bruder Johannes lebt, sowie eine
Schwester Margaretha, vermählt an den Freien Lütold von
Bebingen. PersönUch anwesend ist Herr Heinrich 1259
in Bern bei einem Verkaufsakte seines Bruders. Herr Ru-
dolf hatte nämlich von den Freien Heinrich und Rudolf
von Wiler ein Gut in Nieder-Gurzelen nebst dem halben
^) Herrgott Geneal. dipl. Habsb. II, 302; Kopp II i, 460; Sol.
Wochenbl. 1830, 548.
'-) Sol. Wochenbl. 1828, 114; vergl. Kopp II i, 460.
^) Zeerleder I, 462; Fontes rer. Bern. II, 402; Sol. Wochenbl.
183 1, 406.
*) Herrgott Geneal. II, 339; Kopp II i, 461.
XIII
Kirchensatz daselbst erworben und verkauft nun mit Ein-
willigung des gegenwärtigen Bruders Heinrich all sein
Recht darauf um 34 Mark dem Kloster von Interlaken, ^)
mit dem die Familie in besonderer Verbindung steht.
Connexionen ganz anderer Art hatten in diesen Jahren
die Freien von Stretlingen mit Peter von Savoyen, dem
kleinen Karl dem Großen, wie ihn spätere Geschichts-
fchreiber genannt haben. Dieser eben so kluge als ener-
gische Graf trug sich mit der Idee, ein transjuranisch-
burgundisches Fürstenthum herzustellen, und hatte bereits
die Barone der Waadt durch Verträge und durch Gewalt
seiner LehcnsherrUchkeit unterworfen, Reichsgüter annexirt
und die Städte Bern und Murten nebst dem Reichslande
Hasle unter seine Schirmherrschaft gebracht. Nun galt
es, sich auch im oberländischen Gebiete ein entschiedenes
Uebergewicht und vor allem die Großen des Landes zu
gewinnen. Die Brüder Heinrich und Rudolf von Stret-
lingen, damals wohl schon ältere Männer, traten mit dem
jungen Johannes, Heinrichs zweitem Sohne, in die Dienste
des mächtigen Herrn der Waadt und nahmen Theil an
dessen Krieg wider den Bischof Heinrich von Wallis. Die
Fehde überdauerte den Sommer 1260. Im Friedensfchluße
1260 Sept. 5 an der Morgia werden die Brüder Heinrich
und Rudolf, Herren von Stretlingen, und Johannes, Hein-
richs Sohn, nebst den Bürgern von Bern und andern
Helfern unter den Bürgen Peters von Savoien für die
Friedensbedingungen aufgezählt.^) Als Lohn ihrer Bundes-
genossenschaft erhielten die Stretlinger eine ungenannte
Herrschaft im Thale Stretlingen mit einer Burg, vielleicht
MüHnen, welche der Bischof von Sitten als Pfand einer
') Zeerleder I, 527; Fontes rer. Bern. II, 497.
^) Zeerleder I, 536; Kopp II 2, 254; Fontes rer. Bern. II, 510.
XIV
Forderung an den Junker Heinrich von Kien innegehabt
hatte und in Folge des Friedens den Siegern überlassen
mußte. Hiebei wußte sich aber Peter von Savoien seine
Vortheile sehr gut zu sichern und die neuen Besitzer in ein
Netz von Verbindlichkeiten zu ziehen. In einem Vertrag,
geschlossen im Kloster St. Moritz 1260 Sept. 17, verpflichten
sich Heinrich und Rudolf und des erstem Sohn Johannes
von Stretlingen, mit der nicht genannten Herrschaft, den
in ihr befindlichen Burgen und den dazu gehörenden
Leuten Herrn Peter von Savoien, dessen Erben oder
Stellvertretern auf erfolgte Mahnung hin in allen Kriegen
wider alle geistlichen und weltlichen Personen, mit Aus-
nahme des deutschen Königs und Herrn Aimo's von
Montenach, beizustehen.^) Sollten die Forderungen des
Bischofs von Sitten und der StretHnger aus dem Ertrag
des Pfandschillings bezahlt werden, so dürfen diese die
Herrschaft nur an Herrn Peter oder dessen Landvogt in
der Waadt herausgeben, und dieser wird dieselbe als
Sicherheit für die Verpflichtungen des ursprüngHchcn Be-
sitzers, Heinrich von Kien, behalten. Aber auch dann
noch sind die Herren von Stretlingen dem edeln Mann,
Herrn Peter von Savoien zur Hilfeleistung verpflichtet,
und verfallen bei Zuwiderhandlung in eine Strafe von
400 Mark Silber. Ist der Vertrag schon an und für sich
ein diplomatisches Meisterstück, um die freien Herren des
Oberlandes ohne eigentliche Lehensabhängigkeit im Dienste
des Grafen der Waadt zu erhalten, so wird derselbe noch
verstärkt durch die damit verbundenen Bürgschaften. Auf
der einen Seite nämlich leisten unter demselben Datum
im Kloster St. Moritz die Junker Aimo von Montenach,
Werner von Kien und Wilhelm von Weißenburg Herrn
*) Zeerledcr I, 537; Kopp II 2, 255; Fontes rer. Bern. II, 512.
XV
Peter von Savoien Bürgschaft für die Stretlinger und
versprechen ihm auch Hilfe gegen dieselben, wenn diese
ihre Gelöbnisse nicht halten sollten;^) auf der andern
Seite verbürgen sich einige Tage nachher (Sept. 20) die
StretHnger, Aimo von Montenach und Heinrich von Kien
im Schloße Chillon für die Verpflichtungen Werners von
Kien an Herrn Peter von Savoien,^) und noch im März
1263 geben sich die Brüder Rudolf und Heinrich von
Stretlingen, mit ihnen Heinriclis Söhne Rudolf, Johannes
und Heinrich, sowie Herr Ulrich von Wippingen als erste
Schuldner und Bürgen für die Brüder Heinrich und Werner
von Kien und die Gemeinde der Thalleute von Frutigen
dar um 188 Mark Silber, welche diese bei Juden in Bern
zum Ersätze der 140 Mark aufgenommen, die Herr Ru-
dolf von Stretlingen in ihrem Namen dem Bischof von
Sitten bezahh hatte. ^) Ueberhaupt ist Rudolf von Stret-
lingen weiter in diese Beziehungen zu den Thalleuten
von Frutigen verwickelt, wie er denn auch mit den Brüdern
Werner und Heinrich von Kien (nicht aber Heinrich von
Stretlingen, wie Bartsch in der Germania IX, 147 angibt)
ihr Gelöbniß besiegelt, Herrn Peter von Savoien in all
seinen Kriegen Hilfe zu leisten. (1260 Sept. 27.)'^)
Endlich erscheint Herr Heinrich noch in einer Ur-
kunde von 1263 Dec. 4, laut welcher er und seine Söhne
Rudolf, Johannes und Heinrich in Bern die ersten welt-
Hchen Zeugen sind, als sein Bruder Rudolf, durch Schulden
^) Zeerlcder I, 539; Kopp II 2, 255; Fontes rer. Bern. II, 513.
^) ZeerJedcr I, 540; Kopp a. a. O. ; Fontes rer. Bern. II, 515.
^) Fontes rer. Bern. II, 573.
'*) Zeerleder I, 542; Fontes rer. Bern. II, 520. — ((Quin pro-
prium non haheniHS sigillum, rogavimus dominum Rodolfum de Slratc-
lingen, Werm^rum domicelhim de Chien et Henricimi fratrem siiniii, do-
inimim iwstnim, quod suis sigillis presentcm Hteram sigillarent.»
XVI
an die Juden gedrängt, Kirchensatz und Vogtei von Ober-
Gurzelen mit anderm Besitzthum dem Kloster Interlaken
verkauft. An der Urkunde hängt Heinrichs Siegel, ziemHch
groß, dreieckig mit zwei über einander liegenden, nach
links gekehrten Pfeilen und der Umschrift: S. Henrici
Aduocati de StreteUngen ; ^) während Rudolfs kleineres,
rundes Siegel hier in dreieckigem Schilde einen aufwärts
nach links gerichteten Pfeil mit der Umschrift: S. Rodolfi
Aduocati de Wendemis, in der Urkunde von 1259 dagegen
einen Hegenden Pfeil über drei als Dreieck gestellten Rosen
zeigt mit der Legende: S. Rodolfi Domini de Windemis.^)
Im Jahre 1266 Nov. 25 scheint Heinrich IL von Stret-
lingen nicht mehr unter den Lebenden geweilt zu haben,
da der Bruder Rudolf vor der Kirche von Bern vor allem
Volk für sich allein den Eid der Hilfeleistung gegen Herrn
Peter von Savoien erneuert, so lange Peter und dessen
Nachfolger Bern in ihrem Schutze halten.^)
Aus der Ehe mit einer uns unbekannten GemahHn
hinterließ Herr Heinrich nach den beiden Urkunden von
1263 ^^^i Söhne, Rudolf IL, Johannes III. und Hein-
rich III. Hier sei nur der letztere etwas näher berührt,
da er eben so gut — oder wol eher — als der Vater,
der Minnesinger Heinrich von Stretlingen sein könnte.
Offenbar der jüngste unter drei Brüdern sciieint er 1258
Mai 28 schon dem Knabenalter entwachsen zu sein, da
^) Zeerleder I, 568 und Siegelband Tafel 30; Kopp II 2, 251;
Fontes rer. Bern. II, 584.
^) Zeerleder, Urkunden. Siegelband Tafel 28.
^) Zeerleder I, 637; Fontes rer. Bern. II, 653. -- E. v. Watten-
wyl a. a. O. I, 253 schreibt die Urkunde 1276 Febr. 4 und März 12
und 1277 Juli 5 dem altern Rudolf zu und läßt ihn 1280 sterben,
ohne Kinder, Er beachtet nicht, daß Rudolfs Wittwe Bertha von
Bremgarten 1280 Jan. 21 bereits gestorben ist.
XVII
er mit dem Oheim Rudolf I. zur Verzichtleistung auf die
Familienansprüche betreffend das Erbe des Grafen Heinrich
von Rapperswil sich in Wettingen befindet. Am Kriege
^egen den Bischof von Sitten hat er nicht Theil genommen,
ni den Verhandlungen wird nur seines Bruders Johannes
erwähnt. Selbständig tritt Heinrich III. zum ersten Mal
1271 Mai 2 als Zeuge, wahrscheinlich in Thun auf. Der
letzte unter den Edeln Walter von Eschenbach und Ru-
dolf von Balm, leistet er vor Bürgern von Thun Zeugen-
schaft, als der Freie Walther von Wediswil mit Zustim-
mung seiner Söhne das von seinem Verwalter von Us-
punnen auf ihn vererbte Kastvogteirecht des Chorherren-
stiftes Amsoldingen in die Hände des Propstes (seines
Sohnes Heinrich) und des Kapitels aufgibt;^) unter dem-
selben Datum erscheint Heinrich von Stretlingen als testis,
als Walter von Wediswil und seine Söhne mit Rudolf,
dem Sohne des Propstes zu Interlaken, Güter tauschen.^)
Zwar ist Heinrich hier nicht näher bezeichnet und es
könnte auch der Vater gemeint sein; allein die Stellung
seines Namens nach dem Bruder (Rudolfus et Henricus
de Stretlingen) und als der letzte unter den Edeln des
Landes deutet eher auf den Jüngern Bruder und Jüngern
Mann, als auf seinen angesehenen, bejahrten (überdieß
wahrscheinlich, wie oben bemerkt, vor 1266 gestorbenen)
Vater, der als Zeuge stets vor dem Jüngern Bruder Rudolf
genannt wird. Neunzehn Jahre später begegnet uns Hein-
rich III. in mißlichen Vermögensumständen. Im Jahre
1290 nämlich Febr. 4 verpfändet Junker Heinrich, Vogt
von Stretlingen und Herr zu Spiez, seinem Oheim Rudolf
Kiener (von Kien?) um 300 Pfund Berner Währung die
^) Zeerleder II, 70; Fontes rer. Bern. II, 794.
'^) Zeerleder I, 393; Fontes rer. Bern. II, 795.
II
XVIII
Burg Spiez, behält sich aber den Thurm und ein Haus,
nebst dem Kirchensatz von Spiez und Leuxingen vor;
doch soll die Burg Spiez den Herrschaften Kyburg und
Eschenbach offenes Haus bleiben.^) Im Jahre 1294 ver-
tauscht er Güter in Wattenwyl gegen andere in Bächi bei
Thun gelegene.^)
Damit ist das urkundliche Material über Heinrich III.
von Stretlingen erschöpft. Vergleichen wir ihn nach diesen
dürftigen Nachrichten mit seinem Vater, so repräsentirt
dieser, ein Mann von Ansehen durch Verwandtschaft mit
dem Grafen von Rapperswil, durch politische Verbindungen
mit den Grafen von Savoien und Kyburg, durch sein um-
sichtiges und kräftiges Eingreifen in die Bewegungen der
Zeit und durch erfolgreiches Streben nach Hebung des
Hauses, den historischen Glanzpunkt der Stretlinger;
während der Sohn, nirg^ends in den Zeitereig^nissen her-
vortretend, thatenlos — wie es scheint — im engen
Kreise des Lebens, unter dem sinkenden Landadel sich
bewegend, den Anfang der Zerrüttung des freiherrUchen
Geschlechtes bezeichnet. Einem solchen Charakter scheint
auch die Rolle des minnesiechen Sängers ungleich besser
zu taugen. Von seinen Nachkommen, die nach urkund-
lichen Belegen in unserer Stammtafel aufgeführt sind,
ist wenig von Belang zu melden. Kaum ein Menschen-
alter nach Heinrich III. ist nicht nur Stretlingen selbst
als Lehen von Kyburg in den Händen der benachbarten
Edelknechte von Burgistein und wurde im Gümminen-
kriege von den handfesten Bernern 1332 zerstört;^) son-
^) V. Wattenwvl a. a. O. I, 254.
^) ib. _
^) Justinger ed. Studer p. 66. — Burg und Herrschaft Stretlingen
änderte bis zum 16. Jahrhundert ihren Besitzer noch öfter, bis sie
im Jahr 1590 von der FamiHe May an die Berner Regierung ver-
XIX
dern auch die übrigen Besitzungen, wie Schloß und Herr-
schaft Laubegg und Mannenberg im Obersimmenthal, nun
längst Trümmer, mußten 1335 an den Grafen von Greierz,
die Herrschaft Spiez 1338 an den Schultheißen von Bern,
Johannes von Bubenberg, verkauft werden:^)
Von Ritter Johannes IV., der als Zeuge nicht mehr
unter den Freien, sondern unter den ritterhchen Mini-
sterialen verzeichnet wird, stammt wiederum ein Junker
Heinrich IV. ab, der Gemahl Margaretha's von Bubenberg,
der Vater einer einzigen Tochter, die sich mit Ritter
Ulrich von Erlach vermählte und den Stamm der Herren
von StretUngen 1401 abschließt. Weder dieser Heinrich
aber, noch ein fünfter desselben Namens, der bis um die
Mitte des XIV. Jahrhunderts lebt, darf mit dem Minne-
singer identificirt werden; ebensowenig Heinrich VI. von
StretUngen, ein Priester, dessen Jahrzeit (ohne Jahres-
datum) auf den 14. November in der Leutkirche zu Bern
gefeiert wurde-) mit den Anniversarien anderer seines
kauft und 1803 mit dem Amt Thun vereinigt wurde. Von der
Burg steht innerhalb der Ringmauer nur noch der große gevierte,
etwa 90 Fuß hohe Thurm.
^) Wie es scheint, ist die Pfandherrschaft Spiez aus der Hand
Dietrichs von Kien an Thüring von Brandis gekommen, und da
Thüring als Oheim Rudolfs von Balm in die Blutrache um König
Albrechr verwickelt ist, greifen die Herzoge von Oestreich auf die
Güter desselben. Herzog Leopold verleiht 1313 Sept. 30 Burg und
Hof zu Spiez dem Edlen Johannes von StretUngen, Heinrichs III.
Neffen, demselben, der sie fünfundzwanzig Jahre später wieder ver-
kaufen muß. — Nach dem Tode des letzten Bubenbergers kam
Spiez 1506 kurze Zeit an die Bonstetten und befand sich seit 1516
in den Händen der Familie von Erlach. Das ruhmlose Ende von
Spiez und dessen werthvoller Bibliothek steht in frischer Erinnerung.
^) Lib. vitoe im Berner Archiv VI, 464.
XX
Geschlechtes;^) ein Beweis dafür, daß die letzten Spröß-
linge des Hauses in Bern geendet haben.
Theils in den Berner Junkergeschlechtern der Buben-
berg, Erlach und Münzer, theils hinter Klostermauern, wo
die Töchter der verarmten Familie Zuflucht gefunden,
starb das Geschlecht der Stretlinger aus.
Nicht leicht sind über ein zweites Dynastengeschlecht
der Schweiz irrigere Nachrichten verbreitet, als über das
vorHegende, Bei der Wiederholung der nämlichen Namen
in vier, fünf Generationen und der Dürftigkeit der Unter-
scheidungsmerkmale hält es schwier, mit absoluter Sicher-
heit eine Genealogie herzustellen. Die angehängte Stamm-
tafel ist urkundlich belegt.
In der Pariser Liederhandschrift erscheint zwischen
den Herren Wernher von Teufen und Christian von
Hamle der Minnesinger Heinrich von StretUngen. Man
identiiicirt diesen gewöhnlich mit Heinrich IL, der
— wie oben ausgeführt — von 1250 — 1263 urkundlich
vorkommt.'^) Aus den erwähnten Gründen ist aber eher
dessen Sohn Heinrich III. 1258 — 1294 auftretend, als der
Sänger anzunehmen. In der folgenden Chronik taucht
unter der, wie wir sehen w^erden, völlig unzuverläßigen
Ahnenreihe gegen Ende des XIIL Jahrhunderts ein Herr
Heinrich von Stretlingen auf (p. 159.) Er sei ganz und
gar ein Kind der Welt gewesen, habe fröhliche Kirch-
weihen mit Tänzen und Spiel, mit Singen, Springen und
') ib. 32Q, 343, 458.
^) Verg]. von der Hagon, Minnesinger IV, 116; Bartsch in
Pfeiffers Germania IX, 147.
XXI
andern Sünden gehalten; das Schloß Stretlingen und die
Kirche des Paradieses seien unter ihm verfallen. Gegen
diese Darstellung hat die Geschichte nichts einzuwenden,
mit Heinrich III. sinkt das Sternlein des Hauses rasch.
Hier leuchtet aus dem Sagendunkel der Chronik als ganz
vereinzelter Fall die historische Wahrheit durch. Der
nämlichen Auffassung entsprechen auch die Gemälde von
dem Sänger in der Manessischen Handschrift und in dem
Berliner (Nagler'schen) Bruchstück, ^) die einen blondlockigen
Jüngling in leichtem, wechselnd roth, blau und golden
gestreiftem Rocke und grünen Strümpfen darstellen, der
wie im Tanzschritte mit aufgehobenen Armen und deu-
tenden Fingern, als wenn er sein Minnelied vorsänge,
gegenüber einem Fräulein steht, welches, auf den langen
blonden Locken einen rothen goldblumigen Kranz, ein
grünes Kleid trägt mit drei schmalen goldenen Quer-*
streifen, goldenem Halsfaum und Gürtel; die Linke auf
die Hüfte stützt und die Rechte ausgebreitet vorstreckt,
wie sich weigernd und abw^eisend. Ueber dem Minne-
singer rechts ist sein Wappenschild, im rothen Feld eine
rechtshin schräg aufwärtsgekehrte goldene wdderhackige
Pfeilspitze; daneben über dem Fräulein der geschlossene
Goldhelm mit zwei Hirschhörnern, deren fünf Zacken in
Rosen auslaufen.-)
Man hat schon mit Recht bemerkt, daß die Minne-
singer der Schweiz einen ganz eigenen Körper bilden,
der am besten den allgemeinen Charakter der Minnepoesie
^) Vcrgl. unser Titelbild und von der Hagens Bildersnnl p. 66
u. ff.; die beiden im Ganzen übereinstimmenden Bilder stehen in
den Abhandlungen der Berliner Akademie 1852.
^) Ganz gleich das Wappen aus der Stretlinger Chronik auf
p. I dieser Schrift, mit der einzigen Ausnahme, daß dort die Pfeil-
spitze nach links gerichtet ist.
XXII
vertritt: fast sämmtliche gehören jener rein tendenzlosen,
rein minniglichen, mehr wehmüthigen als heitern Lyrik an.
Damit hängt auch das Monotone, das z. B. Schiller dem
Minnegesang vorwirft, zusammen. Ein Vögelein, eine
grüne Heide, ein rother Mund, unerhörte Liebe, sehnende
Klage ! Dieses im Ganzen einförmige Thema variiren nun
auch die drei nur in der Pariser Handschrift (C) uns er-
haltenen Lieder Heinrichs von Stretlingen, von denen die
zwei ersten trochäisch mit Kehrreimen, das letzte jambisch
mit dactylischem Abgesang ist:
L
Nachiegalj giiot vogellin,
miner vrouwen soltti singen in ir öre dar,
Sit si hat da:( her:(e mm
und ich äne vr'öiide und äne höchgemüete var.
J. St da^ niht ivunder,
so'n wei:(^ ich vremder dinge niht,
da:{ man darunder hie besunder dicke vrö mich siht.
Deilidurei faledirannurei,
lidundei faladaritturei !
10. Vrouwe, hluomen unde kle
unde heide, diu so wunnecliche grüene lit,
Die wein muoten unde me,
da:^ diu vogellin wol singen sico:(^e wider strit.
Des vröut sich sere
ij. min gemüet, da:^ si sint vröude rieh.
al dur ir ere singe ich mere sit si ist minneclich.
V. I u. ff. Bartsch, deutsche Liederdichter p. 347 macht darauf
aufmerksam, daß dieser Eingang an ein Lied des Troubadours Peire
von Auvergne, bei Mahn I, 89 erinnert.
XXIII
Deilidurei fahdirannurei,
lidundei faladarittnrei !
Siie:(e minne, hilf en:(it,
20. da^ diu s.eldenriche erkenne mine grö:(^e not!
SU da:^ mm tröst an dir lit,
so vi'tege, da:^ ir si'ie:(er miint durHuhtic rot
Der senden quäle
in hir::^en :(iten werde geiuar !
2). schiii:^^ din sträle :( einem male di'i weist luol seihe war!
Deilidurei fahdirannurei,
lidundei faladaritturei !
V. 7. statt vr6 gibt die Hs. C. man. — V. 12. statt wein hat die Hs. wen. —
V. 20. gröze von Bartsch ergänzt.
V. 7. imlten, verlangen. — V. 13. luider strit, um die Wette. —
V. 23. sende, sehnende. — V. 25. war, wohin. Hier liegt wohl eine
Anspielung auf die Stretlinger Wappensage vom Pfeil vor.
IL
Ach, der ich ob allen vrouwen,
i'if mins endes ::^il
dienen wil,
Diu hat äne schuld verhouwen
j. mich sere üf den tot.
ach der not!
Ach üf genäde, siuie si mir tuot,
habe ich muot,
guot Hb und leben
10. ir ergeben!
Ich luolt ir mit red bescheiden,
■lua^ ich her:(eclag
von ir trag;
Si tet, als ich lucere ein hei den.
XXIV
ij. ach mm vröudc scic,
ich geszveic!
Ach üf genäde, swie si mir tuot,
habe ich imwt,
guot lih und leben
20. ir ergeben!
Sit min vroiiive, die ich hrcene,
rede mir sendem man
niht engan:
Minen himber ich ir dame,
2j. szuar ich landes var
offenbar.
Ach üf genäde, siuie si mir ttiot,
habe ich mtiot,
guot Hb und leben
}0. ir ergeben !
Ir vil spiegeUiehten ougen
hant verseret mich
her:(ecJich,
Ich muo:<^ sterben sunder 1 ougen!
]J. ach ir miindel rot
tuot mich tot!
Ach nf genäde, siuie si mir tuot,
habe ich muot,
guot Hb und leben
40. ir ergeben!
Swie si mit gewalt mich tiuinge,
mich kan tuenden niht
kein geschiht ;
Ich muo:(^ ienier üf gedinge
4J. sin ir eigen kneht,
da^ ist sieht!
XXV
Ach üf geriäde, swie si mir tuot,
habe ich miiot,
guot Üb und leben
jo. ir ergeben!
V. 15. Si'ic, prast. von sigen, sinken. — V. 23. iiibt engan,
nicht p^önnt. — V. 43. geschiht, Umstand.
III.
Mich hilfet niht der vogelsanc,
noch diu vil griiene heide ;
Mich Huinget, da:(^ mich e da twanc,
und tuot mir aber leide.
j. Den äbent, den morgen,
den sten ich mit sorgen
vor der vil minneclichen :
und name si den dienest mm, ich wolde an vröuden riehen !
Ich solde zuol in vröuden sin,
10. zuol de e:;^ min liebe vrouiue;
Ir nmnt ist röt, ir ougen schin,
diu ich so selten schouwe.
Si liebe, si reine,
si trapstet mich kleine;
ij. si u'ont mir in dem muote.
siua:;^ ich ir gedienen hau, si tuot mir niht ::;e guote.
Nu helfet mir die lieben biten,
die minneclichen vrouzuen,
Da:^^ si durch ir reinen siten
20. mm arbeit zvell beschouwen,
Den schaden, den kumber,
den ich von ir, tuniber.
XXVI
lide hl minen jären:
owe, nü wei:( ich leider nlht, wie Ich mich sol gehären !
V. 17. Hs. C. liebiu statt lieben,
V. 4. aber, aufs Neue. — V. 8. riehen, reich sein. — V. 11.
schin, strahlend. — V. 14. kleine, wenig. — V. 17. die liehen, die
geliebte. — V. 20. arbeit, Mühsal.
Noch mag bemerkt werden, daß der Minnesinger
unserm berühmten Landsmann Franz Pfeiffer Anlaß zu
einem anmuthigen Scherze geboten hat, der uns in schönen
Nibelungenstrophen eine romantische Sage von Heinrich
von Stretlingen und Ita von Unspunnen erzählt.^) Tra-
ditionen über denselben Heinrich schließen sich auch an
die auf dem rechten Ufer des See's, nahe bei Thun ge-
legene Chartreuse an.^)
^) Heinrich von Stretelingen. Ein altdeutsches Gedicht. Den
Freunden älterer deutscher Dichtung dargebracht auf Neujahr 1854.
O. O. 16 SS. (Anonym.) Auf meinem Exemplare steht von
Pfeiffers Hand:
«Der einer edelen vroiiwen, diu im des gebot,
dil^ niinnecliche mare hat gelihtöt,
wilt du sin namen wi:(^en, er ist genant
Frani der Pfifare üxer Biirgunden lant.n
Vergl. auch Germania, Neue Reihe Bd. I, p. 253.
^) Wyß, Reise in das Berner Oberland I, 255 u. ff.; Hottinger
& Schwab, die Schweiz in ihren Ritterburgen II, 321; A. Roth,
Thun und seine Umgebungen p. 92 u. ff.
DIE STRETLINGER CHRONIK.
Alle jene im Eingang erwähnten Sagen, die um den
Stammbaum der Herren von Stretlingen wuchern,
rühren aus einem Sagen- und Legendenwerk des XV.
Jahrhunderts her, das man unter dem Namen der Stret-
linger Chronik seit Johannes von Müller^) bis jetzt ge-
rüchtweise oder nur sehr unvollkommen nach einigen Aus-
zügen^) kannte und welches hier zum ersten Mal zum Ab-
druck gelangt. Die früheste Nachricht über die StretHnger
Chronik findet sich in einem Briefe des 1526 gestorbenen
Wiener Chorherren Ladislaus von Sundheim, des Hof-
historiographen Kaiser Maximilians.^) Derselbe schreibt
1503 in octava corporis Christi an Kaiser Max u. a. :
«Als mir E. k. M. geschrihen von wegen des turns :(tc
Breysach und den herrn von Habspiirg, flieg ich E. k. M.
<^/f luiffen, das ich :(ti Breysach und andern cVöstern gefunden
hab, daß hert^og Berchtold von Zeringen, der lest des ge-
schlechts, landtgraf in Freysgey, Burgundiani minorem d. i.
;) I, 453.
^) Der ausführlichste in der «Schwalbe, ein Berner Volksbuch»
1853, p. 19 u. fF.
^) Lasle von Sundheims Schritten bei Pez, Scriptores rerum
Austriacarum I, 1004, und Leibnitz, Scriptores rerum Brunswicarum
I, 800.
XXVIII
Birgenden, das jet:(^ Uechtland haist, mit famht dem Ergey
und Emental, ouch einen ßrich oder gegendt in Savoy ge-
legen, mit dem fchwert he:(wungen hat ; und bette iinder im
fechs und dreiffig graven und freyherrn und vafl ein groffc
ritterschafft, als die graven von Kyhurg, Neydaw, Welsch-
Neweburg, von Arberg etc. und die herrn von Biel, von
Arburg, von Wolhawsen, von Rottenburg, von Weiffenburg,
von Gruenenberg, Efchybach, von Rottenflu, von Ringkenberg,
von Bubenberg, von Signaw, von Stretlingen oder von
der flral und Egerden;^) den iß er gar hert und flreng
gewefen, die habend im haimlich neid getragen. Sein ge-
mahel was ein gravin von Kyburg,^) mit der hat er :(;wen
fun. Nun :(och der hert:(^og über mer und bevalch fein ge-
mahel und ßin den graven von Kyhurg und den anderen
landtsherren. Die gaben der frawen :(ii effen, daß ßy un-
fruchtbar werd und vergaben (vergifteten) den knaben; die
liegen begraben in der ßat Soloter im chor.^) Und da der
hert:(og luider :^u land hham und erßragt ßch der ßachen
eigentlich, luard er gar ßer betrübt und nit unbillich; und
gedacht in im ßelbs, wie er ßch an den herren m'öcht
rechen, bawt Freyburg im Nuchtland und Bern im Nucht-
Jand. Die ::^wu ßet haben den adel gar ßer genydert, in-
sunder Bern, die haben ßubnund^wain^ig herßchaften undcr
ßch bracht, als man das :(ii Bern an dem Rathaus gemalt
ßeht und auch auf dicke plappharten. Do die ^zuu ßet ge-
bawt luurden, da :(och hert^og Berchtold widerumb gen
Freyburg in das Breysgey und hielt daßelbs Hof imd pazut
den turn :^h Breysach und dife ynfchrift darein gehaiven :
haue dux Berchtoldns portam struxisse notatur, per quam
^) Justinger ed. Studer p. 6.
^) Vergl. dagegen Wurstembergcr, Geschichte der alten Land-
schaft Bern II, 324.
^) Wursteniberger II, 327 u. ff.
XXIX
'vo f milde Biirgitndie gens depopiilafiir,^) und er ralfet,
rawbet und prennet fer auf die Birgender und tete in viel
^u leid. Er hawt die Jecret am thurn alle gen Birgenden,
inen :^u einer /mach ; und mit der :(eit wirf ich nier und
griindtlicher von difen dingen fchreiben. Er flarh, do man
:^elt von Crifli gebitrt tawfend ^weyhundert und ach^ehn
jar und regiret fuhund:(wan^ig jar, begraben ^u Freyburg
im Breysgey im chor. Er was von fein eitern geboren aus
den graven von Habspur g und fein vorvordern feind hert:(og
von Swaben gezuefen, und aus den h ertrügen von Zeringen
feind hert:(ogen von Tekh entfprojfen. Er luas vogt iiber
das fraivenclofler :(ii Zurch, genant fraiueiimiinßer, darein
man nur gravinen und freyen nymbt, den befletigl er ire
freybrief mit difen luorten: Berchtoldus diix Zeringie rec-
torqiie Biirgundie, advocatus Thuricensis ei districtus cir-
cumquamque uicinis imperatoris gracia ipsius lociim tenens etc.
actum in Biirgundia in castello Burgdorff, anno domini
tausent ^cuaybundert und :iehenten, anno domini Oitonis
quarti regis Romanoriun prinio, in dej nomine felicit er amen.'^)
Er hat geflijft Freiburg jn Nuchtland iiuelf jar vur Bern.
Er flifft Bern, da man ^elt tawfent hundert ains und ne-
wen:^ig jar. Er bawt auch das ßetlin genannt Milden, auch
das vefl thor :(ii Burgdorff, fo man in den alten margkt
get. Auch den thurn ^u Breysach und ander fchl'offer mer,
lind hielt hof ^/^ Burgdorf in der flat und fchlofJ dafelbs.
Item als die von Trier gewaltig waren über dezutfche
land und die Römer luuchfen und aufnamen und herrn über
alle land werden wolten, da griffen fy denen von Trier in
ir herfchafft, da erhueb sich ein krieg ^wifchen inen; do
fet:^ten die von Trier gar vil edlen notveßen lewt in dis
\) Wurstemberger II, 299.
-) Die Urkunde bei G. v. Wyß, Geschichte der Abtei Zürich.
Beilagen p. 47.
XXX
land Birginden, die dy weg von Lamparten herein tiber die
fchneeperg behneten folten, daß die Römer ir flraff und
durch:(tig nif haben möchten. Da wurden fo vil bürgen im
land gebawet, daß man es nannte das mynder Birgenden, ^)
und was der Edlen und lantsherren fo vil, daß in dem
land, fo die von Bern ainen tail befit:(^en, luaren fechs und
dreiffig gefchlecht graven und freyherren und ander adel
und ritterfchafft ::;jmml vil ; insonder under den herren drey
gar mänlich gefchlecht für dy andern herrn: als die von
Stretlingen, von Ringkenberg und von Egerden, die gar
manlich taten begangen haben, als man das in der cronik
her Adrians von Bubenberg ;(?/ Bern gefchriben
vindet. Item ain kunig von Frangkreich und ain her von
Burgundi hatten auf ein T^eit krieg mit einander und yder
gab ain kempfer ; der von Frankreich gab ainen vafl flarken
man, wie ain rife, genannt Dodo, und der von Burgundi
gab herrn Dietrich von Stretlingen; der ubenuand Dodonem
fchlafund.^) Dem gab der herr von Burgundi fein tochter,
genant Diemut, t^u ainem gemähel für fein mue und arbeit
und dar:(ii das land Burgundiam minorem et lacum Wan-
dalorum, das iß Tunerfee mit feiner :(iigehoring cum multis
castris principalioribus a paganis edificatis et locum dictum
Burgenberg ubi quondani rex Wandalorum residebat ; hec
est regio pulcerrima, locus jocunditatis amenissinms, ubi
terra celsior posita temperato et tenuissimo ac purissimo
aüre circumdata, serenata ' tranquillata et a coruptivis in-
sertioribus secura ideoque ad auream aerem vocata. Ego multa
plura et latius de histo tempore scribani deo annuente.»^)
\) Justinger ed. Studer p. 14 und 519.
^) Vergl. p. 7 u. ff. der Chronik.
^) Aus dem Archiv von Innsbruck. Gedruckt in Hormeyer's
Taschenbuch für die vaterländische Geschichte. VIII. Jahrgang.
Wien 1827. p. 125—129.
XXXI
Aus dieser Darstellung — die sich übrigens meist
an Justinger hält — geht hervor, daß die Bubenherger
Chronik, unter der man bisher die in Spiez aufbewahrten
Handschriften von Justinger verstand, vielmehr mit der Stret-
linger Chronik identisch ist. Wenn der Briefschreiber gegen
das hnde hin ins Latein fallt und einige Phrasen aus der
Stretlinger Chronik (p. lo) lateinisch wiedergibt, so ist
dieß lediglich Laune und darf keineswegs als Beweis für
die Behauptung Kiburgers, er übersetze aus einem la-
teinischen Buch, beigebracht werden.
Als Verfasser der Stretlinger Chronik nennt sich p. 38
Eiilogiiis Kihiirger, Kirchherr des Paradieses, d. h. der
Kirche zu Einigen. An jener Stelle wird erwähnt, wie
er im Jahr 1446 einen Theil des Kirchendaches neu her-
stellen und einen Taufstein machen ließ, da man vorher
in einer «hölzernen Stande oder Kübel» zu taufen ge-
nöthigt war. Auch ein Sakramentshäuslein von Stein ließ
Kiburger in der Mauer anbringen, w^eil vormals das Sakra-
ment in eine Kiste gelegt und oft von groben Leuten
darauf gesessen wurde. Als Patrone der Kirche nennt er
seine gnädigen Herren von Bubenberg. Ebendaselbst p. 39
berichtet er den Tod Heinrichs von Bubenberg 1464. Auf
p. 117 wird die Jahrzahl 1448 genannt. Aus dem der
Chronik beigebundenen regimen pestilenciaJe geht hervor,
daß Eulogius Kiburger schon 1439 im Dienste der Buben-
berger stand. Hierauf findet man ihn seit 1456 als Leut-
priester zu Worb;^) als solcher hatte er seit 1478 zugleich
^) Urkunde vom 26. Juni 1456 gedruckt im Berner Archiv
IX, 97. — Spruchbuch im Berner Staatsarchiv G 436: 1476 Mitt-
woch nach Simon und Judce bestätigt der Rath von Bern eine Ver-
gabung an die Kapelle u. 1, Frauen in der Leutkirche zu Bern aut
Begehren des Herrn Rudolf Richle, Meisters der freien Künste, Dekans
zu Münsingen und des H. Loy, Kilchherrn von Worb.
xxxu
die Stelle eines Kammerers und Kaplans von Münsingen^)
und seit 1488 diejenige eines Stiftscanonicus von Bern
inne. Mit geistlichen Pfründen wohl versehen, hatte er
das Recht, Stellvertreter für diejenigen zu bezeichnen,
die er nicht selbst verwalten konnte. Am einträglichsten
war wohl die Kaplanei von Münsingen, eine Stiftung der
Gertrud Segesser, Heinzmanns von Stein Wittwe, von
1463, mit einem Einkommen von 50 Gulden ewiger
Gült. Im Jahre 1485 wurde diese Pfründe von ihrem
Patron, Ritter Adrian von Bubenberg, jünger, dem eben
neu errichteten Collegiatstifte von Bern einverleibt, was
mehrjährige Streitigkeiten mit den Leuten von Münsingen
zur Folge hatte. Während derselben und vielleicht gerade
deßhalb erhielt Kiburger, Günstling der zwei mächtigsten
^) Spruchbuch H 243: Herr Login Kyburger, Kilchherr zu
Worb, Kammerer und Kaplan zu Münsingen, beklagt sich vor Rath
über Herrn Ulrich Haag, Leutpriester von Münsingen. Der letztere
habe die Vergabung von 10 Pfund zu einer Jahrzeit nicht aus-
gerichtet, sondern für sich behalten, und weigere sich, dem Kaplan
Hostien und Wein zur Messe auszuliefern; endlich habe er Bücher,
die der Kirche vergabt wurden, zu eigenen Händen genommen,
obwohl das Testament bestimme, dieselben im Chor «an kettenen
zu legen.» Freitag vor Georgi 1478.
Spruchbuch H 480: Auf Klage des Herrn Logy Kyburger,
Kilchherr zu Worb und Kammerer des Dekanats Münsingen,
gegen einige Männer von Vechingen wird vom Rath erkannt, daß
die Güter derselben in die Kirchhöre Worb gehören und jene
somit zur Entrichtung der Primizen nach Worb gehalten seien.
Jacobi 1480.
Spruchbuch H 781 : Herr Ulrich, Leutpriester zu Münsingen,
und der Kilchmeier daselbst klagen wider Herrn Loy Kyburger, Kilch-
herrn zu Worb und Kammerer des Dekanats, es sei in Münsingen
eine Kaplanei gestiftet worden, um wöchentlich 4 Messen zu lesen.
Herr Loy aber habe diese Pfrund an sich gezogen mit allem Nutzen,
versorge auch den Altar nicht mit Lichtern, Büchern und Meß-
gewand. Auf Verantwortung Kyburgers, daß die Messen nach Fug-
I
XXXIII
damaligen Berner Geschlechter, 1488 als Kirchherr von
Worb zugleich noch eine Chorherrenstelle von Bern.
1492 Ueß er das Jahrzeitenbuch von Worb, das neuUch
gedruckt wurde, ^) niederschreiben. Später siedelte er an
das Vincenzen-Stift nach Bern über, wo er 1506 starb,^)
und zwar in hohem Alter, da er über sechzig Jahre im
Kirchendienst gestanden ist.
Als Ahfassimgs:(eit der Stretlinger Chronik ist die
Mitte des XV. Jahrhunderts anzusetzen. 1456 verließ
Kiburger Einigen, nicht aber den Dienst des Hauses
Bubenberg, dem zu Ehren das Werk unternommen wurde,
denn die Bubenberger hatten auch das Patronat von Worb.
Immerhin mag er seine Arbeit noch zu Einigen vollendet
haben. Daß er den Tod Heinrichs von Bubenberg meldet.
besorgt würden, der Altar aber von dem Leutpriester zu Münsingen
auszustatten sei, wird beschlossen, die Messen sollten der Stiftung
gemäß versehen werden, Kyburger habe den Altar zu besorgen ohne
Belastung der Kirche, doch sollen Meßgewand und Siegrist ihm
zur Verfügung stehen. 2. Aug. 1482.
Spruchbuch K 510: Adrian von Bubenberg als Collator der
Pfrund zu Worb klagt im Namen des Herrn Loy Kyburger, daß
man versucht habe, diesen von der Kaplanei Münsingen zu ver-
drängen, und ihm die Einkünfte entziehe. Der Rath beschließt, Herr
Loy sei bei der Kaplanei zu belassen ungestört, aber er solle die-
selbe entweder selbst oder durch einen Stellvertreter in Ordnung
versehen. Ohne Datum.
Lat. Missivenbuch F 95 : Feierliche Erklärung des Stadtschreibers
von Bern, daß honorabilis vir dominus Eloyus Kiburger, ecclesie
collegiate Bernensis canonicus mit Zustimmung Adrians von Buben-
berg, des Patrons der Kirche, auf die Pfrund Worb mit allen ihren
Rechten förmlich resignirt und dieselbe in manus Adryani de Rüm-
lingen übergeben habe.
1) Berner Archiv IX, 58 u. ff.
^) Lat. Missivenbuch F 302: «post decessum domini Eloy Ki-
burger^) (nicht Alois Kiburger, wie Lohner a. a. O. p. 12 angibt).
III
XXXIV
deutet darauf hin, daß die uns erhaltene Originalhandschrift
erst nach 1464 ins Reine umgeschrieben wurde. Aus dem
Umstand, daß p. 106 der Feiertag Maria Opferung noch
fehlt, darf jedenfalls der Schluß gezogen werden, daß die
Chronik vor 1466 verfaßt wurde.
Es ist nur eine ein:(ige vollständige Handschrift der
Stretlinger Chronik bekannt, die sich auf dem Staatsarchiv
in Bern befindet, das Original selbst.^) Sie enthält 184
(später) paginirte Papierseiten in Folio. Vorgebunden ist
ein Pergamentblatt, das die colorirten Wappen derer von
Bubenberg, Stretlingen und Erlach trägt. Unter den be-
züglichen Wappen steht: «herr heinrich von Bubenberg
Fryherr vnd ritt er herr :(u Spit:^; herr Arnold von strät-
lingen Fryherr vnd ritter herr zu strättlingen vnnd Spit:^;
herr Ludwig von Er lach Ritter vnd herr :(u Spit:^.)) Dar-
unter zeichnet sich einer der ersten Besitzer der Chronik
ein: Menradus Steinbach Rector Ecclesie Paradysi Diui
Michaelis Archangeli alias nunciipate Einingen. ijip. Später:
F. L. von Erlach. ijp]. Die Chronik umfaßt p. i — 166.^)
Unten auf 166 folgt der Eintrag: Dis buch ist widerumb
erobert (!) vnd erfunden worden durch mich Meinradum
Steinbach kilchherrn ^ü Einigen im paradis, canonicum
^) Haller, Bibl. der Schw. Gesch. IV, 676 kannte dasselbe.
-) Auf den ersten Blättern sind von einer skeptischen Hand
aus der Reformationszeit oft recht boshafte Randglossen angebracht.
So steht auf p. i bei der Beschreibung des Ptolomäus: «Er (der
Autor) ist mit ihm in die schul gangen und etliche jar sin caplan gsin,
und mit ihm an sinem tisch gessen, dieweil er's so ivol weist.» Wenn
es p. 7 heißt, Einigen vergleiche sich mit einem irdischen Paradiese,
so setzt der Glossist bei: «so mit tüflen besetzt ist.» An andern
Orten : «So steit es geschrihen in capitulo nullo, folio nigro ; ehen das
exempel steit ouch in dem buch der schmalen warheit, welches si speculum
exemplorum nennen, darinnen viel hundert derglichen absurda et menda-
ciorum plena commenta gfunden luerden etc. etc.»
XXXV
Bernens. Anno ijoj. (?) — p. 167 ist von jüngerer Hand
mit folgenden Distichen ausgefüllt:
In historiam Strätlinganam et templi S. Faradisi.
Artes pontificum vel si mendacia nescis,
Me lege si nescis perdita secla dolis.
Nescia secla sacri Christi vitceque cruorisque
Unica spes miseris angelus unus erat.
Est Ulis quastus pietas corradere mundi
Pradia, pauperies maxima plutus erat.
nie sacer ctiltus fuerat manifesta tyrannis
Atque negare Deum, spemque piamque fidem.
Qiiis honus in sacris divinos poscit honores
Angelus, a Christo qiios petit ille Satan?
O tnibi Christe tumn liceat venerabile numen
Et quantum sat erit corde vocare Deum.
Non me mille poli, non pontus, terra nee orcus
Angelus haud quisquam te mihi Christe negant.
Tu paradisus eris, tu spes, tu gloria, vita.
In te Christe salus una reposta manet.
Autor Joan. Rudolphus Ampilander.
p. 169 — 184. Ein regimen pestelenciale. Anfang: In
namen des erharmhert^igen gottes des vatters, des suns und
des heiigen geistes amen. Ich han mut '^i schriben in ere
und nut:(^ dem alten lang harkomen und wolgehornen gesiecht
von BiWenherg, herrn ^i Spiet:^ und geseßen in der edlen
statt Bern in Ochtland oder in dem mindern Burgenden
ein regimen und Ordnung, wie man sich halten sol wider
den gehresten der hülen oder Mater etc. Alles ist von der
säubern und regelmäßigen Hand Kiburgers geschrieben
und zwar wird auf p. 172 die Abfassungszeit dieses
Stückes genannt: «Alle visch in disem jar als man ^alt
vier:(echenhundert drißig und nun jar sind im gesandt.)) Das
Stück wurde der Chronik erst später beigebunden. Auf
p. 184 zeichnet sich Joannes Vannius Chirurg 1579 ein.
Die Handschrift gieng also von Kiburger auf dessen
XXXVI
YldidÄolgQr Meinrad Sieinh ach über, der 1509 — 1519 Leut-
priester und zwar der vorletzte zu Einigen war, 1520 als
Chorherr an das Stift nach Bern kam, 1524 aber wegen
seiner Verehelichung des Amtes entsetzt wurde. ^) Die
Handschrift kam später in Besitz der Familie von Erlach
und gelangte erst in diesem Jahrhundert ins Berner Archiv.
Nach dem Original wurde gegen Ende des 16.
Jahrhunderts ein Auszug angefertigt, von dem mehr-
fach Copien genommen wurden. Dieses Excerpt heißt:
((Summarische VerT^eichnuß der Stiftung der kilchen deß
Paradises des Ert:(engels Sankt Michels, jet:(und Einigen
genant, auch von Ankunft der Herrschaft Strcetlingen beider
Bernergebiets in der Eidgnoschaft. 10 BIL in Fol. Am
Schluß : ((Summarischer wys us/^ogen durch mich Hctns
Rüdolff Rebman, diener der kilchen -^u Thun. 2. Sept. 1)^6.»
(Im Besitz des Herrn F. E. von Mülinen in Bern.)
J. Rudolf Rebmann, seit 1589 Pfarrer in KirchUn-
dach, 1592 Pfarrer in Thun, 1604 in Muri bei Bern,
gestorben 1605, ist der auch sonst bekannte Dichter des
poetischen Gastmahls und Gesprächs zweier Bergen, des
Niesen und Stockhorns (Bern 1606).^) Er ist der oben
genante J. R. Ampelander, der Autor der angeführten
Distichen über die Stretlinger Chronik. Rebmann spielt
in seinem Gedicht auf unsre Chronik an, wenn er sagt:
^) Lohner, die ref. Kirchen im Freistaate Bern p. 12.
^) Der Mann muß in Heidelberg studirt haben. Wie er von
der Neckarstadt und vom Königsftuhl spricht, bricht er in die
Worte aus:
«Wann ich gedenk an liehe tag.
Daß sie sind hin, ich l>itter klag.
Die ich in disem hirg verheert.
Wie hat sich Zfit ?'«^ tag verkeert.»
Niesen und Stockhorn p. 291.
XXXVII
«Nun hah ich hei mein alten tagen
Gan^ vil von Spiet^ auch hören sagen,
IVie's du mein Nachbar siehst am See
An meinem Haus dert unden stehn,
Vorzeit im Guldenhof genannt,
Von alten gschichten wol bekannt.
Dann wie ein alte Chronic meldt,
So man sie für glaubwirdig hält.
Als der grimm zvüetrich Attila
Ein festen Timm gebawen da,
Bau't König Rudolf da ein Statt,
Die vom Seespit^ ihm nanien hat.»
Niesen und Stockhorn (1606) p. 204.
Copien von Rebmanns Auszug der Stretlinger Chronik
wurden gemacht: i) Durch Jakob Bart, Diener der Kirche
zu Einigen, später zu Amsoldingen 1650. 2) Von Abra-
ham Mühlimatter von Einigen 1691, 44 SS. in Fol. (Auf
der StadtbibHothek Bern Mss. bist. helv. III, 20.) 3) Sa-
muel Müller, Diener des Wortes Gottes zu Einigen 1700.
4) Von Joseph Zuber, Pfarrer zu Spietz 1707. 23 Bll.
in 4^. (Auf der StadtbibHothek Bern Mss. bist. helv. I, 59.)
5) Christian Uesch, Schulmeister auf Schwarzenegg 1721,
und 6) durch G. E. Haller, 38 SS. in 4^ vom Jahr 1763.
(Im Besitze des Herrn von MüUnen.)
Es folge eine rasche Inhaltsübersicht der Stretlinger
Chronik :
I. Zu den Zeiten des Papstes Alexander I. und des
Kaisers Hadrianus Elius, als man zählte 121 Jahre nach
Christo, lebte ein römischer König Ptolemäus, hochgelehrt
in der Kunst der Mathematik und Astronomie. Auf der
Jagd wollte er einst den Pfeil gegen einen Hirsch ab-
senden, als zwischen den Hörnern desfelben ein Kreuz
erschien und ihm zurief, daß er den Herrn Christum selber
verfolgte. (Ursprung des Stretlinger Wappens.) Ptolemäus
ließ sich vom Papste taufen und erhielt den Namen
XXXVIII
Theodricus. Um den Christenverfolgungen zu entgehen,
schied er sich von der Heimat und all seinem Gut und
kam zu einem Herzog von Burgund. Dieser behielt ihn
bei sich. Durch bloßes Handausilrecken wehrte Theo-
dricus einem zornigen Löwen. — Es erhob sich ein Krieg
zwischen dem Herzog von Burgund und einem König
von Frankreich, statt der Schlacht wurde ein Zweikampf
angeordnet; Dietrich überwand schlafend seinen Gegner,
dafür erhielt er die Tochter des Herzogs mit dem Namen
Diemut und das Land Kleinburgund mit den Burgen um
den Wendelsee, namentlich den goldenen Hof Spiez und
die Gegend um Einigen, genannt das Paradies. An dem
Orte, das da heißet zum goldenen Luft, erbaute er die
Burg Stretlingen und wurde der Stammvater eines großen
Hauses. Sein Sohn war ^/^/W;/ von Stretlingen. (p. i — 12.)
n. 218 Jahre nach der Geburt Christi zu den Zeiten
des Papstes Calixt und des Kaisers Philippus Materno war
ein Herr von Stretlingen mit dem Namen Berchtold. Da-
mals war w^eit und breit im mindern Burgund noch kein
Gotteshaus; zu göttlicher und St. Michaels Ehre baute
derselbe auf seinem Schloß eine Kapelle. — Berchtolds
GemahUn Aureliana gebar einen Sohn Sifrid, der von
einem bösen Geist besessen wurde. Deßwegen verfiel der
Vater in solche Ungeduld, daß er Alle, die auf der Land-
straße vorüberwanderten, gefangen nahm, ob er darunter
einen fände, der seinen Sohn befreien möchte. Es gelang
ihm, einen frommen Priester zu greifen, der den Teufel
austrieb. — Der geheilte Sigfrid von StretUngen wollte
einst über die hoch angeschwollene Kander reiten, da bat
ihn ein Ausfätziger, er möchte ihn auf sein Pferd nehmen
und auch hinübersetzen. Als der Elende auf dem andern
Ufer abgestiegen war, verlangte er von dem Herrn flehent-
lich, daß er ihn küssen möchte. Jener that es mit Wider-
XXXIX
streben zur Ehre St. Michaels und erfuhr darauf, daß er
Christum geküßt. Sigfrid hinterließ einen Sohn Caspar
von Stretlingen, einen treuen Schirmer des Volkes, aber
einen scharfen Richter gegen die Uebelthäter. Er trug
allezeit einen Strick an seinem Gürtel, um die Bösewichter
auf frischer That zu hängen. — Einst als er des Morgens
sein Schloß verließ, hörte er die Stimme des Erzengels
St. Michel, der ihm befahl, den ersten Mann, der ihm
begegnete, aufzuknüpfen. Das Schicksal traf den Stret-
Hnger Schloß vogt selber, welcher gestand, daß er sein
Amt mißbraucht, seinem eigenen Herrn sogar nach dem
Leben getrachtet hätte. — Auf ihn folgte der gute Wern-
hart von Stretlingen. Zu diesem kam einst im harten
Winter der Teufel in Pilgergestalt; Werner lieh ihm
seinen Mantel, damit er sich deckte, worauf sich der Böse
mit dem Mantel davonmachte. Derselbe Herr Wernhart
trat eine Wallfahrt an nach dem Berge Garganus, w^o sich
St. Michel erzeigt hatte. Beim Scheiden gab er seiner
Hausfrau Susanna die Hälfte eines Ringes und fünf Jahre
Frist: w^enn er nach dieser Zeit nicht zurück sei, möge
sie einen andern Gemahl nehmen. In Lamparten wurde
er fünf Jahre lang gefangen gehalten. In derselben Nacht
aber, da zu Hause Frau Susanna die Hochzeit mit einem
Andern feiern wollte, erschien der Teufel im Gefängniß
und trug Wernharten im Auftrag St. Michels durch die
Lüfte, setzte ihn in Stretlingen ab und ließ ihm auch
den geraubten Mantel zurück. Als Spielmann erschien
der Todtgeglaubte unter den Hochzeitsgästen und gab sich
durch den Ring, den er in ein Trinkgeschirr fallen ließ,
seinem Gemahl zu erkennen, (p. 13 — 29.)
III. Hernach war ein Herr Arnold von Stretlingen,
der außerhalb der Burg eine Leutkirche erbauen wollte.
Der Platz, wo man zu graben aniieng, wurde jede Nacht
XL
verschüttet. St. Michel aber wies den Bauleuten selbst
die dazu geweihte Stelle sammt einem Wunderbrunnen.
Eine Stimme wurde gehört, hier sei ein Schatz, den Nie-
mand bezahlen möge, heilsam für alle Siechthümer des
Leibes und der Seele. An diesem Orte wurde nun die
Kirche zum Paradiese (später Einigen genannt) gebaut.
Der Bischof von Lausanne kam zur Einweihung, und Herr
Arnold von StretHngen stiftete einen reichen Kirchensatz
mit Zehnden und Freiheiten. — Die Besitzungen der
Kirche des Paradieses wurden weitläufig ausgemarcht und
die Privilegien des Kirchherrn daselbst bestimmt. Das
geschah im Jahre 223. — Die Kirchweihe vollbrachte St.
Michael selbst und befahl dem Volk, sein Heilthum (ein
Stück von dem Mantel des Erzengels) aus dem Schloß
Stretlingen nach dem Paradies in einer Prozession über-
zuführen. — Während der Einweihung störte ein vom
Teufel Besessener die feierliche Handlung; der Bischof
schloß denselben in den hohlen Frohnaltar und trieb den
Bösen aus. Löbliche Ermahnung an das Volk, das Heilig-
thum und namentlich die Kirchherren in Ehren zu halten.
Herr Arnold verlieh diesen reiche Gaben und Privilegien.
Bestätigung des Priesters Cuno als Kirchherr des Para-
dieses. Unter andern Freiheiten wurde ihm erlaubt, ein
Taubenhaus zu halten, Jagdhunde, Federspiel und Alles,
was zum Weidwerk gehört; ebenso solle ihm und sonst
Niemanden die Fischerei im Wendelsee gehören. Der
Bischof ertheilte allen Gutthätern der Kirche Segen und
Ablaß. — Hierauf verfaßte er Alles, das da geschehen
war, in eine Schrift, damit dieselbe durch den Papst be-
stätiget würde und schied von hinnen. Arnold gedachte
selbst nach Rom zu ziehen, starb aber vorher im Jahre
315. Sein Sohn, ebenfalls ^rwo/^ geheißen, vollendete
das Werk und fuhr zum Papst Silvester und erzählte drei
XLI
große Zeichen, die in der Kirche des Paradieses geschehen
waren. — Erstens, die wunderbare Heilung eines Lahmen
durch St. Michel. — Zweitens, die Auferw^eckung eines
Gehängten. — Drittens, heilsame Beschwörung einer
Jungfrau, die den Bösen durch einen Trunk in sich auf-
genommen. (Die Vergabungen an den Kirchherrn stets
genau bezeichnet.) — Bestätigung der Engelweihe durch
päpstHche Bullen, Verleihung von Ablaß auf ewige Zeiten.
Den Kirchherren des Paradieses wurde die Gewalt gegeben,
den bösen Geist zu bannen ; aus besonderer Gnade dürfen
sie auch einen Kautzhut tragen, wie die Chorherren von
Lausanne. Heimkehr Arnolds und feierliche Verkündigung
der erlangten Privilegien, (p. 30 — 6^.)
IV. Im Jahre 933 war ein Herr von Stretlingen mit
dem Namen Rudolf, seine Frau hieß Berchta. Beide
führten ein Gott wohlgefälHges Leben. Rudolf w^urde
zum König von Burgund gewählt. Seine Tochter Adel-
heid vermählte er mit Lothar, dem Sohne des Königs
Hugo von Lamparten ; nach Lothars Tode wurde sie dem
König Otto zum Weibe gegeben und der Sohn dieser
Ehe, ebenfalls Otto, stieg nachmals zur Würde eines
Kaisers. Rudolf sah einst im Traume eine hohe Stadt
mit zwölf Thoren. Ein Priester legte das Gesicht als
eine Mahnung aus, daß der König um den Wendelsee
zwölf Töchterkirchen des Gotteshauses zum Paradies
erbauen sollte. — Hierauf gründete Rudolf die zwölf
Kirchen Frutigen, Leißigen, Aeschi, Wimmis, Utigen,
Thierachern, Scherzhgen, Thun, Hilterfingen, Sigriswil,
Amsoldingen und Spiez. Die beiden letzten wurden zu
Stiftern erhoben. Bei dem alten Thurm von Spiez, den
Attila erbaut hatte, legte der König eine Stadt an. Weil
Rudolf aber die Mutterkirche zu vernachläßigen begann
und die Töchter über Gebühr erhöhte, verhängte Gott
XLII
ein großes Siechthum über ihn und im Traum sah er
sich vor den Richterstuhl des Allerhöchsten gestellt. Auf
der Himmelswage wurden seine guten und bösen Werke
gegen einander abgewogen; schon wollte der Teufel die
letztere Schale herunterziehen, da drohte St. Michel, zu
dem Rudolf seine Zuflucht genommen, dem Bösen mit
dem Schwert, daß er zurückfuhr und die gute Schale
stieg. Der König aber verwandelte seinen bösen Sinn,
und an der nächsten Kirchweihe strömte über die Maßen
viel Volkes nach dem Paradies zu dem Kirchherren Lü-
told, Ablaß der Sünden zu gewinnen. — Hier wurden
der versammelten Menge drei Wunder, die Heilung eines
Blinden, eines Kranken und eines Lahmen, verkündigt.
König Rudolf und Kaiserin Adelheid fuhren nach Rom,
um der Mutterkirche vom Papst Leo VIIL neue Privi-
legien zu erwerben. — Der Papst bestätigte die englische
Kirchweihe und den Ablaß, erhöhte das Ansehen der
Paradieskirche und des Priesters daselbst dadurch, daß er
die zwölf Töchterkirchen verpflichtete, jährlich eine Wachs-
kerze der Mutter zu opfern. Rudolf und Bertha aber
starben bald nach dieser Zeit und wurden in Peterlingen
begraben, (p. 64 — 82.)
V. Hernach als man zählte 1123 lebte ein wahr-
haftiger, andächtiger und keuscher Herr von Stretlingen,
Biirkart. — Ein Großer des Landes gab ihm seine Tochter
Sophia zur Ehe ; allein sie w^urde vor dem Beilager vom
Teufel beseßen und weigerte sich, dem Gottesdienste im
Paradiese beizuwohnen. Mit Gewalt Heß ihr Gemahl sie
während eines heiligen Amtes in der Kirche festhalten;
der Priester Diethelm band die Rasende mit der Stola,
schloß sie in den Hochaltar und vollbrachte die Beschw^ö-
rung. Aber am dritten Tag starb sie. In jener Zeit war
in deutschen Landen eine große Pestilenz ausgebrochen.
XLIII
so daß in der Herrschaft Stretlingen kaum einer den
andern begraben mochte. Da gelobten die zwölf Kirchen
und alles Volk einen Kreuzgang nach dem Paradiese und
schwuren, denselben jährHch zu wiederholen. Da hörte
der große Tod auf. — Und auf der Kirchwxihe wurden
zwei Zeichen verkündet, die Heilung einer lahmen Frau
und die eines siechen Mannes, dem St. Michel im Traume
erschienen. Herr Burkart aber hatte mit Kaiser Friedrich
V. in Cremona zu verhandeln und zog von dort nach
Rom zu Honorius III. und erlangte, daß durch eine
öffentliche Steuer seiner Kirche, die während der Pestilenz
schwer gelitten hatte, aufgeholfen und dadurch der Zulauf
wieder vergrößert wurde, (p. 83 — 97.)
VI. Unter Friedrich I. war ein Stretlinger mit Namen
Diehold 1156. Seine Frau hieß Anna. Durch Unterweisung
des Teufels fieng er an, ein wilder verkehrter Wütherich
zu sein und ein Zerstörer der kirchlichen Freiheiten. Er
zog auch die Hinterlassenschaft der verstorbenen Kirch-
herrn wider göttUches und menschliches Recht an sich.
An der Kirchweihe aber hielt ihm der neue Priester Diet-
rich in Gegenwart der ganzen Gemeinde sein Unrecht
vor, strafte ihn mit kühnen Worten und wies ihn aus
der Kirche. Diebold kehrte wüthend auf seine Burg zu-
rück, aber am dritten Tag fuhr der Teufel in ihn und
peinigte ihn auf den Tod. Als er durch den Kirchherrn
wieder entledigt worden war, wollte er dennoch das ge-
raubte Gut nicht herausgeben. Deßhalb wurde er aber-
mals besessen und starb ohne alle Vernunft, und seine
Seele wurde den bösen Geistern übergeben, die trugen
sie in das nahegelegene Moos, das deßwegen das Höll-
moos heißet. Dort ließ sich die arme Seele mit großem
Klageruf hören und kam nicht eher zur Ruhe, bis der
Kirche das Ihrige nebst andern Gaben wieder erstattet
XLIV
1
wurde. Die Söhne Diebolds, Richard, Otto und Marquart
von Stretlingen, schickten einen Boten zum Papste Ale-
xander III. und erhielten neue Freiheiten und Heilthümer
für das Paradies. Dafür sollten aber dreißig Messen ge-
lesen und beim Höllmoos ein Bruderhaus gestiftet werden,
(p. 98—108.)
VII. Als man zählte 1 1 94, zu Zeiten Heinrichs VI.,
herrschte Konrad von Stretlingen, ein großer, gerader,
grußfamer Mann. Seine Züchtigkeit zeigte sich namentlich
an einer Kirchweihe beim Tanz, wo er die unziemHche
Rede eines Gesellen ernst strafte. — Bei derselben Ge-
legenheit wurden in der Kirche zwei Zeichen vom Priester
gemeldet, die Heilung zweier Kinder, von denen das eine
bHnd gewesen, das andere in einen Brunnen gefallen war.
Konrad von Stretlingen ritt hernach nach Jerusalem und
seiner Frau zu Liebe auch zu St. Kathrinen Grab am Berg
Sinai ; auf der Rückfahrt erlangte er von Papst Innocentius
III. neue Freiheiten für seine Kirche in guten Bullen. Sein
Kirchherr aber erhielt weitere reiche Gaben, (p. 109 — 117.)
VIII. Ihm folgte 121 3 Bernhard von Stretlingen, ein
christlicher Herr. Seine GemahHn hieß Adelheid. Bern-
hard nahm das Kreuz auf sich und fuhr nach Jerusalem,
und dort wurde ihm als Heilthum ein Stück des Kreuzes
Christi zu Theil. Darauf begab er sich zu dem hl. Vater
Honorius IV., daß er ihm den Ablaß der Sünden und
die Steuer für seine Kirche aufs Neue bestätigte, und
offenbarte ihm drei Zeichen. — Das erste von einem
unschuldig Gehängten, der durch Hilfe St. Michels vom
Galgen fiel. — Zum andern und dritten von der Heilung
eines bHnden Mädchens und der Auferweckung eines Er-
trunkenen. Der Papst gewährte Bernhard dessen Bitte
und der Gottesdienst im Paradiese blühte mehr als zuvor.
Hernach w^ar ein anderer Herr zu Stretlingen, Anshelm, ein
XLV
unsauberer, unkeuscher Mann. Seine Gemahlin Hedwig
rief oft St. Michel an, daß er ihr in diesen Sachen be-
hülflich wäre. — In einer Nacht beim Mondschein kehrte
Herr Anshelm von einem Werk der Unkeuschheit heim,
und wie ihn Frau Hedwig vom Fenster aus erbUckte,
lieng sie an zu schreien, denn er war ganz schw^arz und
vom Teufel besessen. Als er am Morgen zur Kirche
wollte, brüllte selbst das Vieh ob dem AnbHck. Reuig
beichtete er, da kam ihm seine frühere Gestalt wieder. —
An der Kirchweihe wurde die Heilung eines Besessenen
verkündet. Herr Anshelm aber machte sich auf und er-
langte von Papst Alexander V. Privilegien und Reliquien
für das Paradies, (p. ii8 — 130.)
IX. Darauf w^ar 1223 Wilhelm Herr zu Stretlingen,
ein besonderer Gönner der Kirche und des Kirchherrn.
Allein durch große zeitHche Güter fällt der Mensch oft
von seiner Andacht ab; so gieng es auch den glückseligen
Umwohnern des Paradieses. — Die zwölf Kirchen wurden
widerspenstig und erhoben sich gegen ihre Mutter, ent-
richteten die Abgaben nicht mehr; auch das umhegende
Volk erhob sich, tödtete den Priester des Paradieses, ver-
brannte Kirche und Beinhaus und verwüstete das Schloß
Strethngen. Sieben Jahre lang dauerte der Landeskrieg,
da wurde Friede gemacht und die Unterthanen des Para-
dieses versprachen, eine neue Kirche zu bauen. Allein
weil sie übel Wort hielten, strafte sie Gott mit Kröpfen,
Höckern, der fallenden Sucht und andern Siechtagen.
Nach Erbauung der neuen Kirche kam der Bischof von
Lausanne, dieselbe zu weihen. — Darauf erschien St.
Michel allem Volk und verkündigte, daß er selbst die
Weihung des Heiligthums zum andern Mal vorgenommen
hätte. Der Kirchherr Rudolf hielt eine ernstUche Ansprache
an das widerspenstige Volk. — Zugleich offenbarte er drei
XLVI
Zeichen, die Heilung einer lahmen, einer ertrunkenen und
einer blinden Frau. Herr Wilhelm nahm mit dem römi-
schen Kaiser Friedrich an einem Kreuzzug Theil und ge-
langte nach schmerzHchem Abschied über Lamparten nach
Sicilien, wo sie sich einschifften und glückUch gegen die
Heiden stritten. Das war im Jahre 1233. In Rom ge-
wann er von Gregor IX. Bestätigung aller frühern Privi-
legien für die neue Kirche. Bei der nächsten Kirchweihe
aber strömten wohl viertausend Menschen dahin und auch
der Bischof von Lausanne erschien unter ihnen, (p.
131— 150.)
X. Im Jahre 1272 wurde Graf Rudolf von Habs-
burg zu einem römischen König gewählt, in allem seinem
Fürnehmen ein glückhaftiger Mann. Damals lebte der
milde Herr Sigmund von StretUngen und seine Frau
Küngold. Er war gar sauber und keusch. Eine Frau, die
den Willen ihres Herzens an ihn geworfen hatte, ließ er
durch seinen Knecht abweisen. Rudolf von Habsburg
verlieh 1280 der Stadt Spiez das Recht, einen Wochen-
markt abzuhalten. — Auf der Kirchweihe wurden vier
Wunder verkündigt. — Auf Unterweisung seines Kirch-
herrn Noker begab sich Herr Sigmund zu Papst Gregor
X. nach Lugdanum und erhielt die nämUchen Rechte, wie
seine Vordem, (p. 151 — 158.)
XL Hernach lebte Heinrich von Stretlingen, Herr zu
Laubeck, dessen Gemahlin EHsabeth hieß. Er war ganz
und gar ein Kind der Welt, das der christHchen Dinge
wenig achtete. Zu der Kirchweihe des Paradieses lud er
Edel und Unedel ein, veranstaltete dabei große Tänze
und allerlei Spiels mit Singen, Springen, Kugelwerfen,
Steinstoßen, Essen, Trinken und andern Sünden, daraus
großer Neid und Haß, Todschlag und Krieg entstand.
Auf der Kirchweihe war man kaum des Lebens mehr
XLVII
sicher, so daß die umwohnenden Herren ihren Unter-
thanen den Besuch derselben untersagten, und die zwölf
Töchterkirchen ihre Wallfahrten nach dem Paradiese ein-
stellten. In Thun aber errichtete man solchen Abbruchs
wegen dem Erzengel Michael eine Kapelle; Andere wandten
sich nach Faulensee zu der Kapelle St. Columbans. So
kam das Paradies zu Fall. Die Kirchherren zogen weg
und traten in das Stift zu Amsoldingen, die StretHnger
verheßen ihre Stammburg und legten ihren Sitz nach
Spiez. Die Bullen und Briefe der Kirche giengen ver-
loren ; Glockenhaus und Altäre stürzten ein. Der Einöde
(einige) wegen wurde der Ort fortan zu Einigen genannt.
Herr Heinrich schied darnach von dieser Zeit. Gott ver-
gebe ihm die Sünden ! Er ließ einen Sohn zurück, Rudolf
von Salveswyl, der 1348 starb, (p. 159 — 164.)
XII. Zum letzten war ein Herr von StretUngen mit
dem Namen Walther, ein friedsamer, guter Herr. Seine
Hausfrau hieß Mechtild. Der trug ein betrübtes Herz über
den Verfall des Paradieses und ritt deßhalb zu dem hL
Vater Innocencius VI. nach Avignon und bat um Be-
stätigung der verloren gegangenen Privilegien für seine
Kirche zu Einigen. Das alles bewiUigte der Papst und
spendete reichHchen Ablaß. Der Bischof von Lausanne
verkündigte auf der nächsten Kirchweihe diese Freiheiten.
Mit Walther aber starb das Geschlecht derer von Stret-
lingen aus; der letzte des Stammes, Herr Ulrich, war
Kirchherr zu Spiez. Der Kirchensatz von Einigen kam
darauf in die Hände meiner gnädigen Herren von Buhen-
berg, denen zu Ehren dieses deutsche Buch aus dem Latein
aufgesetzt ist, damit sie wissen mögen, wie ihre Vordem
sich gehalten. Der allmächtige Gott aber kann das Kirch-
lein zu Einigen wiederum groß machen und der hoch-
gelobte St. Michel seine Wunder noch heut bei Tage da
XLVIII
erzeigen ! — Aufzählung der siebenundsechzig Heiltliümer
des Paradieses, (p. 165 — 176.)
Nach dieser Inhaltsangabe wird es unnöthig sein,
viele Worte über den Unwerth der Stretlinger Chronik
als geschichtliche Quelle zu verlieren. Historische Wahr-
heit wird hier, wo die Dinge aufs UnglaubHchste mit
den crassesten Anachronismen durch einander geworfen
sind. Niemand suchen wollen. Als seine Quelle nennt
Kiburger häufig^) ein lateinisches Buch, aus dem er über-
setze für die Ungelehrten. Daß wir es mit einer Ueber-
tragung zu thun haben, ist nicht glaubwürdig; wohl aber
zeigen unverdächtige Personal- und Lokalnotizen bei Ver-
gabungen an die Kirche zu Einigen, daß öfters alte Jahr-
zeitbücher, auf die stets verwiesen wird, und Donationen-
rödel benutzt worden sind. An einer Stelle der Chronik
(p. 163) ist sogar deutlich gesagt, daß die lateinische
Vorlage ein Anniversarium war: der Kirchengüter im
Paradies seien so viel gewesen, (wie das lateinische Ab-
schriftbuch innehält), als Tage im Jahr. So viel über das
lateinische Buch, das der Stretlinger Chronik den Stempel
einer größern und ehrwürdigeren Tradition aufdrücken
soll. Wir kommen auf Quellen zweiter Art zu einzelnen
Stellen der Chronik zu reden. Hier dürfen wir zunächst
den Umstand nicht verschweigen, daß gerade einige der
schönsten Sagen nicht etwa der Localtradition nacherzählt
sind: der Stretlinger Chronist hat dieselben — ganz nach
Art der damaligen Freibeuter — einfach aus einer andern
Sammlung in die seinige herübergeholt und die Leute,
von denen die Sage erzählte, unbedenklich zu Stretlingern
gemacht. Eine dieser Quellen ist jenes berühmte Sagenbuch
der Rheinlande, der Dialogus miraculorum des Ccesarius
\
1) p. 40, 48, 50, 60, 78, 79, 95, 172, 175 etc.
XLIX
von Heisterhach, jene «geistliche Novellensammlung)) voll
Anmuth, reich belehrend für Kultur- und Sittengeschichte
des XII. und XIII. Jahrhunderts, eine unerschöpfliche Fund-
grube für deutsche Sage und Mythe, die man schon lange
einem größern Kreis hätte nahe bringen sollen. Ciesarius,
«der Mann voll rührender Einflilt, wunderbarer KindUchkeit
und himmlischer Reinheit)), wie J. W. Wolf ihn nennt,
wurde wahrscheinlich in Cöln geboren und lebte seit 1198
als Prior in dem rheinischen Cistercienserkloster Heister-
bach, wo er um 1 240 starb. ^) Sein Dialogus miraculorum
entstand zwischen 12 19 und 1222. Diese handschriftlich
wohl vielfach verbreiteten Wundergespräche kannte auch
Kiburger; es hat sich uns herausgestellt, daß z. B. die
Sage von dem scharfen Richter Caspar von Stretlingen,
der allezeit einen Strick am Gürtel trug (p. 21) und die
schöne Mantelsage von Herrn Wernhart (p. 24) geradezu
wörtlich aus dem Dialogus übersetzt sind ; die erstere er-
zählt Ciesarius von dem Königsmörder Otto von Wittels-
bach, die zweite vom Ritter Gerhard von Holenbach.
Andere Züge aus dem Mönch von Heisterbach haben
offenbar das Motiv zu ausgeführten Erzählungen in der
Stretlinger Chronik gegeben (p. 19, 55). Daß dieselbe
ferner vielfach aus den mittelalterlichen Heiligenlegen-
den, namentlich der Michaelslegende schöpft, liegt auf
der Hand. Die deutsche Michaelslegende befindet sich
unter anderm auch im zweiten Buche jenes großartigen
Reimwerks von dem Leben und Leiden der Heiligen (XIII.
Jahrhundert), welches unter dem Namen das Fassional
^) Alexander Kaufmann, Caesarius von Heisterbach. Ein Bei-
trag zur Culturgeschichte des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts.
Cöln 1862. — Neue Ausgabe des Dialogus von Strange: Caesarii
Heisterbacensis monachi Dialogus miraculorum. II voll. 185 1. (Ich
citire nach der Cölner Ausgabe von 1 599.)
IV
bekannt ist. Wie dort Michael die heilige Stätte auf dem
Berge Garganus statt des Bischofs selber weiht/) so wird
in unsrer Chronik die Kirche des Paradieses ebenfalls von
dem Erzengel an Stelle des Bischofs von Lausanne ein-
gesegnet (p. 42) ; der Zug, daß das Fundament des zu
gründenden Tempels über Nacht stets wieder einstürzt
(p. 31), ist ein in der Sage immer wiederkehrender, nach
welchem sich Gott die Stätte, wo er geehrt werden soll,
selbst ausfucht. Ebenso ist der wunderbare Brunnen in
Einigen (p. 32), der für die Gesundheit des Leibes und
der Seele heilsam ist, offenbar demjenigen der Legende
nachgebildet, von dem es im Passional heißt:
«ein brunne lieht iinde kalt
mit riches vliix^es geiualt
in deine selben hole entspranc,
des dö manich mensche tranc
mit grö^^en vreuden genüg.
Swer iht suchte an im trüg
der zuart gesimt unde vri.^)»
Ebendaselbst setzt der Bischof einen Priester ein und
schafft ihm alle Nothdurft des Lebens und der Papst ge-
bietet, daß man den Tag stets feiern soll. Daneben be-
nutzt Kiburger (p. 4, 1 1 1, 112) die Legenda aiirea (nach dem
177. cap. derselben auch Hisforia lomhardica genannt) des
Jacohus de Voragine, f 1298 als Erzbischof von Genua;
p. 144 beruft er sich auf das Fortalicium fidei des
Alfonsus de Spina. Als weitere Quelle können wir endlich
die Chronica summorum pontificum imperatorumque des
Martin von Troppau, genannt Martinns Polonus, nach-
^) Das alte Passional ed. Hahn p. 336.
^) ib. p, 357. — Uebrigens waren nach Jahns Berner Chronik
p. 315 in Einigen wirklich solche heilsame Quellen, in welchen
sich die Anwohner in den Kleidern badeten, so das Jukibrünnlein u. a.
LI
weisen (p. 3, 6), eines Dominikaners in Prag, der 1278 zum
hrzbischof von Gnesen ernannt wurde, aber schon 1279
starb. Diese oberflächliche Compilation der Papst- und
Kaisergeschichte, ein Gemisch von Fabehi und Unwahr-
heiten, war lange ein beliebtes Geschichtswerk. ^)
Der Zweck der Chronik erhellt aus jeder Seite der-
selben. Ein im Laufe der Zeiten herab gekommenes
Gotteshaus, dessen Ursprung zw^ar keineswegs, wie hier
glaublich gemacht werden soll, ins dritte Jahrhundert
hinaufreicht (urkundUch wird Einigen 1228 zum ersten
Mal genannt, Wcährend die Tochterkirchen Spiez und
Scherziingen schon im achten Jahrhundert auftauchen),
das aber, wie der Basilikenbau bew^eist, zu den ältesten
Kirchen des Oberlandes gehört — soll durch erhöhte
und schriftlich fixirte Tradition im Ansehen wieder zu-
nehmen; namentlich macht hier ein ärmUch dotirter,
aber, wie aus dem angeführten Urkundenmaterial hervor-
geht, habsüchtiger Priester durch ein litterarisches Product,
in welchem er seinen kargen Pfarrkindern eindringlich
vorstellt, was dem Kirchherrn eigentlich von Rechtswegen
zukäme, den Versuch, seine Einkünfte besser zu gestalten.
Endlich soll durch die Stretlinger Chronik einer großen
Lücke, die sich in der Geschichte dieser Alpenthäler be-
findet, nachgeholfen werden.
Desto höher ist der Werth dieses Werkes als Sagen-
sammhing anzuschlagen. Abgesehen von der gelehrten
Erfindung und der Compilation, abgesehen von den er-
müdenden Wundergeschichten, wird uns hier eine Reihe
von Sagen in zwar nicht ursprünglicher, doch anmuthigster
Fassung überliefert, die der Stretlinger Chronik stets eine
^) Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im M.A. (3. Aufl.)
II, 326 u. ff.
LH
hervorragende Stellung in der Sagengeschichte der Schweiz
verleihen wird.
Noch ein Wort über die legendenhafte Seite unsrer
Chronik. Schon frühe fand das Christenthum Eingang in
die Thäler des Berner Oberlandes, wie der uralte Cultus
beweist, der dem Schweizerapostel Beatus gewidmet wurde,
dessen Legende freiUch erst zu Anfang des XVI. Jahrhun-
derts ihre schriftUche Fassung erhalten hat. Es ist wohl
denkbar, daß die Verehrung des hl. Beatus am rechten
Ufer des Thunersee's den Anlaß gegeben hat, auch auf
der andern Seite des See's den Gläubigen ein wunderbares
Heiligthum aufzuthun. Dieser linksufrige Kultus in Einigen
zeigt sich durchaus unabhängig von jenem : nirgends in
der Stretlinger Chronik wird der Name Beatus genannt;
wohl aber findet das umgekehrte statt. Beatus fuhr nach
der Volksfage auf seinem Mantel hinüber nach Einigen,
um St. Justus predigen zu hören. ^) Es wundert uns
nicht, daß der Petrusfchüler daselbst eine Teufelserschei-
nung hatte, denn der Teufel ist, wie St. Michael, dem
Wesen der Legende gemäß für diesen Ort stereotyp
geworden. Beatus sah den Bösen unter der Kanzel des
Predigers die Namen der eingeschlafenen Zuhörer auf eine
Pergamentrolle einregistriren. Sie wollte nicht hinreichen,
alle die Schläfer zu fassen. Da machte sich Satan daran,
das Pergament, mit den Zähnen und Klauen zugleich an-
packend, zu strecken; allein es riß und der Böse schlug
einen Purzelbaum, wobei sein Kopf unsanft an die Kanzel
stieß, worüber Beatus laut auflachte und die guten Ober-
länder weckte.
Der Mittelpunkt der Stretlinger Legende ist St. Michael,
Der Michaelskultus ist bei den Deutschen ein uralter. Der
^) Lütolf, Glaubensboten p. 38.
LIII
hl. Bonifacius pflegte die von ihm gestifteten Kirchen
gewöhnlich dem hl. Michael und Petrus zu weihen, so
in Frankenberg, Salzburg, Amceneburg. In Köln bestan-
den vier Michaelskirchen, deren älteste um 310 geweiht
W'Urde an der Stelle eines alten Marstempels, ebenso in
Antwerpen, Löwen, Hamburg etc.^) Eben so häufig sind
die Michaelsberge ; St. Michaels Fest war bei allen ger-
manischen Stämmen ein hochgefeiertes. ^) In der christ-
lichen Kirche erscheint der 29. September als Chorfest
oder Gedächtnißtag St. Michaels schon seit dem V. Jahr-
hundert,^) erst in der Synode von Mainz*) (S.Juni 813)
^) Wolf, Beiträge zur deutschen Mythologie I, 35 u. ff.
'0 Wolf II, 97 u. ff.
^) Im Sacramentarium S. Leonis I. (f 474) heißt es: «Pridie
Kai. Octobr. Natale Basilicse Angeli in Salaria.^) (Binterim, Denk-
würdigkeiten der kath. Kirche V, 469, der das Fest in Verbindung
bringt mit einer jener Kirchen, welche nach dem Kirchengeschichts-
fchreiber Sozomenus Konstantin der Große zu Ehren Michaels er-
richtete.) — Im Kalendarium vom Evangeliarum Karls des Großen
im Louvre, geschrieben 781: «III. Kl. Oct. Set. Mihaelis.» (Piper,
Karls des Großen Kalendarium und Ostertafel p. 28.) — In angel-
sächsischen Kaiendarien des IX, und X. Jahrhunderts hat das Fest
«MichaeHs» eine Vigil, ist also eigentlicher Feiertag. (Piper, die
Kaiendarien und Martyrologien der Angelsachsen p. 52 und 73.) —
In dem Martyrologium S. Hieronymi aus der Kirche von Metz,
geschrieben zu Ende des VIII. oder Anfang des IX. Jahrhunderts
(Stadtbibliothek Bern): «III. Kl. Oct. Roma via Salaria miliario
VI. dedicatio basilicae Angeli Michaehs vel in mönte qui dicitur
Gargani, ubi multa mirabilia deus ostendit.» (Abschrift des Herrn
Dompropst Fiala.) — Ein Sacramentarium des Klosters Rheinau
aus dem VIII. Jahrhundert (jetzt in der Kantonsbibliothek Zürich):
«III. Kl. Oct. dedicatio basilicas Angeli Michahelis.» (Abschrift des
Herrn Dompropst Fiala.)
'*) «Das Concilium verlegte gewiß nicht ohne Grund das An-
denken des hl. Erzengels in die altheilige Zeit der Gemeinwoche, in
die Zeit, wo die Sachsen einst ihr großes Opferfest begingen, in eine
LIV
aber wurde da« Fest unter den eigentlichen Feiertagen
mit einer Vigil aufgezälilt, also als allgemeine Kirchenfeier
im fränkischen Reiche eingeführt. Die Verehrung des Erz-
engels war auch in unsern Gegenden eine alte und sehr
verbreitete. Sein Gedächtnißtag, der 29. September, kommt
schon in unsern ältesten Kaiendarien aus dem IX. Jahrhundert
vor als memoria S.Michahelis oder dedicatio templiS.Micha-
helis, und ist im XIV. und XV. Jahrhundert stets als Feier-
tag roth bezeichnet. Auch die apparitio oder revelatio S.
Michaelis (8. Mai) findet sich sehr häufig in schweizer-
ischen Kaiendarien seit dem XIII. Jahrhundert; sehr selten
dagegen und nur in Kaiendarien, die aus Frankreich
stammen, auf den 16. Oktober die dedicatio ecclesiasr
S. MichaeUs in monte Tumbo. Häufig sind in unsern
Bisthümern die dem hl. Michael geweihten Kirchen: so
verzeichnet Nüscheler in seinen Gotteshäusern der Schweiz
acht Michaelskirchen im frühern Bisthum Chur. In der
alten Stiftskirche Solothurn stand vor dem großen Erd-
beben ein altare S. Michaelis inter campaniHa. In der alten
Kirche von Bern war eine capella S. Michahelis super
ossa mortuorum mit dem ihm geweihten Altar, ^) und
noch steht das Bild des Erzengels am Münsterportale.
St. Michael waren ferner geweiht im Bernerland das
Frauenkloster zur Insel in Bern, die Kirchen von Muri,
Gsteig bei Interlaken, Burgdorf (daselbst zudem noch eine
Zeit also, welche durch heidnische Feste schon ausgezeichnet war,
denen christliche Beziehungen zu geben für wichtig, ja für noth-
wendig gehalten werden mußte. Hätte ein außerdeutsches Concilium
diese Anordnung getroffen, dann würde sie weniger bedeutsam für
uns sein; daß sie gerade in Mainz, dem Bischofsfitze des hl. Boni-
facius, der so viele Michaelskirchen gegründet, zu Tage kam, das
verleiht ihr die hohe Wichtigkeit.« Wolf, Beiträge I, 36.
^) ßerner Archiv VI, 85.
LV
Michaelskapelle auf dem Schloß) und die Todtenkapelle
in Büren. Reliquien des hl. Michael finden sich in einem
Martvrologium des Klosters Rheinau (Ende des XII. Jahr-
hunderts) verzeichnet: in sarcofago magno, qui constructus
est anno 1144 — de vexillo S. Michael; de altari, quod
ipse per preceptum domini dedicavit; de loco (Rasur)
Michahel, ubi draconem interfecit.
Dem Erzengel Michael werden von Petrus Lombardus
(t 1 1 64), dem Scholastiker und Magister sententiarum,
vier Aemter zugeschrieben: erstens gegen den Drachen
zu kämpfen, diesen Streit gegen den Teufel fortzusetzen
und ihm die gläubigen Seelen zu entreißen;^) drittens ist
er der Vorkämpfer und Helfer des Volkes Gottes^) und
endlich der Vorstand des Paradieses (proepositus paradisi),
wohin er die Seelen der Gerechten geleitet.^) Nach dieser
letzten Eigenschaft heißt darum sein Heilio;thum zu Einigen
ganz passend das Paradies. Eine deutsche Legende in der
St. Galler Handschrift 11 40 (XV. Jahrhundert), die theils
der Darstellung der apparitio S. Michaelis in monte Gar-
gano bei den ßollandisten,*) theils der Legenda aurea^)
folgt, hebt ähnlich vier Siege Michaels hervor: der erste
geschah zu den Zeiten, als das ungläubige Volk von
^) Hartmanii von Aue im Erec v. 3649 — 52, — Nach der
Kpistel St. Judae v. 9 zankt der Er;iengel mit Satan schon über
den Leichnam Mosis.
'^) Verg]. die alte Verdeutschung der Bücher Mose in Hoff-
manns Fundgruben 2, 11.
^) Grimm, deutsche Mythologie p. 797. — Michael als Psycho-
pomp auf einem alten Wandgemälde zu Verona. Vergl. von der
Hagens Briefe in die Heimath H, 63. — Gregor von Tours VI, 29.
^) Acta Sanctorum, Septembris tomus VIH, p. 61 u. ff.
•') Gap. CXL: De sancto Michaele. (Das Wunder von der
geretteten Frau in der Kirche.) Vergl. auch Uhlands Schriften IV,
319 u. L, und Uhlands Gedicht «Legende».
LVI
Napels auszog gegen die christlichen Städte Sipontus und
Beneventum. Da bat der Bischof von Sipontus den hl.
Michael, der sich dem Volk auf dem Berge Garganus in
Apulien erzeigt hatte, um Hilfe gegen die Heiden. Als
diese herankamen, fieng der Berg an zu kreißen und feurige
Pfeile schoßen aus ihm und tödteten mehr als sechshundert
Feinde, die übrigen ließen sich taufen. Der andere Sieg
ereignete sich, als Lucifer sich Gott gleichstellen wölke;
da kam St. Michael und kämpfte sieghaft gegen den
Drachen.^) Der dritte Sieg ist der, den die heiligen Engel
noch alle Tage wider die Teufel behalten, daß sie diesen
ihre Kraft nehmen, die bösen Begierden stillen, gute Ge-
danken eingeben und so Satan überwinden. Der letzte
Sieg geschah, als Michael den Antichrist auf dem Oelberg
tödtete. Noch andere große Thaten verrichtete der starke
Engel: er plagte das Volk in Egyptenland, zertheilte das
rothe Meer, führte das Volk Israel durch die Wüste, ist
außerdem der Bannerherr der himmlischen Heerschaaren,
«coelestis militicT signifer»^) und bläst das Himmelshorn.^)
St. Michael der Drachentödter mußte wie St. Georg
auch die deutsche Sage anregen. Aus der Mythologie ist
erwiesen, daß heidnische Gottheiten, weil es unmöglich
war, sie gänzlich auszurotten, später oft in christliches
Gewand gekleidet wurden. So galt es vor allem, den mäch-
tigen germanischen Nationalgott Wnotan zu verdrängen:
^) Diese beiden Siege sind ähnlich im alten Passional ed. Hahn
334 u. ff. dargestellt :
Mychael der gotes böte
ist vor dem großen goie
ein elleiithafter luigani,
gots Sterke ist er genant etc.
^) In deutschen Gedichten: «der venre S. M.»
^) Stretl. Chron. p. 76. — Wuotans Giallarhorn, vergl. Wolf I, i y
LVII
ebenfalls ein Drachentödter wurde derselbe durch den
obersten der Engel, St. Michael,^) und theilweise durch
St. Georg, Martinus und Petrus ersetzt. Wie Wuotan
der Siegverleiher ist, so auch Michael; wie Wuotan der
Herr des Hinnnelsftuhls war, so Michael «summa^ sedis
minister» ; wie Wuotan die Seelen der Helden empfieng,
so geleitet sie Michael zur ewigen Herrlichkeit. An der
Stelle der dem Wuotan vornehmlich auf Bergen geweihten
Heiligthümer erhoben sich später Michaelskapellen. ^) Nur
konnte der Erzengel dem Volksbewußtsein nie so nahbar
werden, als z. B. der menschlichere Ritter St. Georg.
Darum ist jener in der Volksdichtung auch lange nicht so
gefeiert. Spuren lassen sich allerdings finden. So wird
behauptet,^) der alte Hymnus: «o heros invincibiUs dux»
sei die Umwandlung eines alten germanischen Schlacht-
gesanges mit Vertauschung der Heldennamen. Statt «dux
Michael protector Germania^» habe es einst geheißen:
«Herzog Odin, Schirmherr des deutschen Volkes.» (!)
Dieses deutsche Schlachten- und WallfahrerUed, das von
den Normannen- und Ungarschlachten der Karolinger und
Salier her die Kreuzzüge hindurch bis zur Zeit der Re-
formation als Bardiet gesungen w^orden sei, habe zu dem
Spottnamen der deutsche Michel Veranlassung gegeben etc.
Dieses Lied laute in freier Uebersetzung :
I. O unbesiegbar starker Held —
Herzog Michael!
Führ' du das deutsche Heer in's Feld, ^
Herzos: Michael!
^) Vergl. namentlich Wolf, Beiträge I, 32 u. ff.
2) Wolf I, 34.
^) Montanus, die deutschen Volksfeste, Volksbräuche und deut-
scher Volksglaube in Sagen, Märlein und Volksliedern I, 53. —
Ich gebe die Sache lediglich als Curiosum.
LVIII
O steh' uns zur Seite,
O hilf uns im Streite,
Herzog Michael! Herzog Michael!
2. Du unser Herzog in dem Streit :,:
Beschirmest treu die Christenheit :,:
3. Des Himmels Geister allzumal :,:
Vermehren deiner Kämpfer Zahl :,:
4. Durch alle Welt zu Meer und Land :,:
Sind deine Schlachten wohlbekannt :,:
5. Durch dich du tapfrer Degen liegt :,:
Der arge, böse Feind besiegt :,:
6. O Held, deß' Name weltbekannt :,:
Beschirm das deutsche Vaterland :,:
7. Die Engel rufe auf zur Wehr :,:
Entbiete dein Vasallenheer :,:
8. Wirf nieder grimmer Feinde Wuth :,:
Belebe der Verzagten Muth :,:
9. Gib dann dem blutigen Gefild :,:
Des holden Friedens Segen mild :,:
IG. Von Pest und Hunger uns befrei' :,:
Der Knechtschaft Ketten brich' entzwei :,:
II. Mit Schwert und Schild, mit starker Hand :,:
Schütz' unser deutsches Vaterland :,:
Wir wissen aus Widukind, dem Geschichtsfchreiber
der Sachsen (X. Jahrb.), daß der sieggewohnte Erzengel
auf der Reichsfahne dem Heer voranschritt. ^)
Ein anderes angebUch aus den Kreuzzügen herrühren-
des Michelslied, aus Volksmund aufgezeichnet, beginnt :
^) Widukinds sächsische Geschichten bei Pcrtz, Monumenta
Tom. in. König Heinrichs Kampf gegen die Ungarn im Jahr 933.
Lib. I, cap. 38 : «His optimis verbis erecti milites, imperatoremque
in primis mediis et ultimis versautem videntes, coramque eo angelum
— hoc enim vocdhido effigieque Signum niaximum erat insignitum —
acceperunt fiduciam magnamque constantiam.» Ib. lib. III, 44.
LIX
Sankt Michel hat sich gebauet
Auf einem hohen Berg
Ein' Feste mit hohen Mauern,
Ein Schloß gar ehrenwerth.
Da kommt ein Schiiff gefahren
Wohl über das tiefe Meer;
Da drinnen die Pilgerschaaren
Sie kommen gar so fern.
Sie kommen aus deutschen Landen,
Deß sind sie wohlgemuth ;
Sankt Michael der schwenket
Zum Gruße seinen Hut.
Gott Vater sitzt am Steuer,
Daneben sitzet Gott Sohn,
Maria die führet das Ruder —
Das ist der Pilgrim' Lohn.
Uhland^) theilt aus einem Berner Liederbuch des
XVI. Jahrhunderts ein weiteres Pilgerlied von St. Michel
mit, wenn auch nicht mehr in ursprüngUcher Form : das
alte Lied dient hier bereits zum Rahmen reformatorischer
Polemik :
Wöllent ir geren hören
Von Jant Michaels luunn :
in Gargan ist er gfeßen
drei niil im nieresgriind etc.
In der christlichen Symbolik wird St. Michael geradezu
mit Christus selbst identificirt. So heißt es bei Hartmann>
einem rheinischen Dichter des XL Jahrhunderts:
^) Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder, 2. Abtheilung
p. 807. — In der Handschrift, die einst der v. Mülinen'schen Bib-
liothek angehörte, dann in Meusebachs Sammlungen in Berlin ge-
kommen, ist dem Liede folgende Bemerkung vorgesetzt: «Dises
Jied ist ahgeschrihen von einer Bürgerin von Chtir, die hats vor 40 Jarett
gelernet ^ü Zi^ers von der alten Stofflin, die hats oiich wer dann vor
40 Jaren glernet.»
LX
«Ein volcwic wart gevohten
Mit michelen iuhten:
Da:^ tete sente Michael,
Crist seihe vil her,
Wider eilten trachen,
Der begunde uhile machen.
Den seihen trachen er verwan.
Den sige er uhir ime navi etc.»^)
i
Zahlreich sind die lateinischen Hymnen des Mittel-
alters auf den Erzengel.^)
Im Hirt des Hermas (geschrieben um 90 n. Chr.)
enthält ein Glcichniß das Bild eines Weidenbaumes, von
welchem der hochberühmte und erhabene Engel Zweige
abschneidet, um sie dem Volk zu vertheilen. Die Zweige
werden dem Engel zurückgebracht, bald dürr oder halb-
dürr, bald grün und mit Sprossen und Früchten. Je nach
■der Beschaffenheit des Zweiges werden die Träger des-
selben abgesondert. Das Gleichniß wird so erklärt: «der
mächtige Baum ist das Gesetz Gottes. Der Engel aber
ist der große und hocherhabene Michael, der Gewalt
hat über dieses Volk und dasfelbe regiert. Denn er ist
es, der das Gesetz in die Herzen der Gläubigen legte.» ^)
St. Michael ist aber auch der Seelenwäger.*) Die
^) Hartmann vom Glauben ed. Massmann 515 u. ff.
^) Daniel im Thesaurus hymnologicus gibt solche in Bd. I,
104, 218, 220, (die letzten zwei auch bei Hagen, carmina medii
■aevi XLVI und XLV, vergl. auch Ph. Wackernagel, das deutsche
Kirchenlied p. 278) und Bd. II, 86. Ferner Mone, lateinische Hymnen
des M. A. Nro. 313 — 320; G. Morel, die lat. Hymnen des M. A. p. 71.
Die Hymnen im kirchlichen Officium werden dem Hrabanus Maurus
zugeschrieben.
^) Hefele, Patrum apostolicorum opera. Hermas Pastor Hb. III,
sim. VIII, cap. 3 (p. 204) und Mayer, die Schriften der apostol.
Väter p. 359 u. ff.
*) Grimm, deutsche Myth. 819.
LXI
Vorstellung von der Seelenwage hat man schon bei den
alten Aegyptern, bei den Griechen, im Koran wie in der
Bibel nachgewiesen. ^) Auch Karl des Großen Seele wird
gewogen, da werden ihr, als sie in Noth geräth, die
Steine der Kirchen, die jener erbaut hat, zugelegt ; in der
Legenda aurea Nro. 114 berührt Maria mit ihrer Hand
die leichtere Schale und der Teufel bemüht sich umsonst,
die steigende herunterzuziehen.^) AehnUches wird von
Kaiser Heinrich 11. erzählt. Nur fungirt hier an der Stelle
des Erzengels St. Laurenzius.^) Bildlich dargestellt mit
Bezug auf die Stretlinger Sage (p. 70) ist dieser Vorgang
auf einer alten Fensterscheibe der Kirche zu Lauterbrunnen,
ebenso in einer Statue, aus Einigen stammend, jetzt in
einer Mauerwand des Schul- und Waisenhauses zu Thun
angebracht. Ferner findet sich Michael der Seelenwäger
auf einer Glasfeheibe von 1553 aus Beromünster im
Kirchenschatze des St. Ursusftiftes in Solothurn; als Statue
im Kloster St. Joseph daselbst, über dem Portal des
Berner Münsters*); im Freskensaale des Klosters Stein
am Rhein; im Gemeindewappen von Oberdorf bei Solo-
^) Die Seelenwage wird schon bei dem hl. Basilius, Erzbischof
von Caesarea (f 379) und bei andern Kirchenvätern erwähnt.
^) G. Zappert, vita beati Petri Acotanti (1839) p. 89. — In
einer Legende bei v. d. Hagen, Gesammtabenteuer, Nro. LXXXII
und Pfeiffer, Marienlegenden XIX, legt ebenfalls die hl. Jungfrau
die Hand über die leichtere Schale, auf der eines armen Sünders
gute Werke gewogen werden, und hält den Teufeln Gegengewicht,
die sich an die andere Schale gehängt haben.
^) Grimm, deutsche Sagen (2. Aufl.) Nr. 485; dargestellt auf
einem kleinen Emailbilde am Fuße einer gothischen Reliquien-
monstranz des XIV. Jahrhunderts. Vergl. C. Burckhardt, der Kirchen-
schätz des Münsters in Basel (1868) p. 5 und Tafel II.
*) Stanz, Münsterbuch p. 196 u. ff.
LXII
thurn etc.^) Im Namenbuch des Konrad von Dankrots-
heim heißt es:
«Sant Michael rihtet ■uf sfn wöge
und henket sich der fölant dran,
doch schafft er nit, der schwar'^e man.»
^) Ueber ähnliche Darstellungen auf einem Basrelief des XII.
Jahrhunderts in Mailand, an den Domen Nötre-Dame in Paris, in
Freiburg und Ferrara vergl. Zappert a. a. O. 88; auf Portalreliefen
von Poitiers und Freiburg i. U. Starks Städtelebei? p. 236 und Alter-
thümer der Schweiz Tom. IX; Göring, Geschichte der Malerei I,
263 u. ff. (Hans Memlings Danziger Weltgericht). Ueber Michaels-
kirchen vergl. Kreuser, der christliche Kirchenbau II, 118 — 121.
VOM HERKOMMEN DER SCHWYZER
UND OBERHASLER.
Vor einigen Jahren veröffentliciite Dr. Hugo Hunger-
bühler eine wieder aufgefundene Schrift des XV.
Jahrhunderts «Vom Herkommen der Scliwyzer))/) einen
merkwürdigen ethnographischen Tractat, in welchem die
Abstammung der Schwyzer und Hasler auf die Nord-
germanen zurückgeführt wird, und den wir im Anhang
nach der ältesten Handschrift mittheilen. «Zu den Zeiten
des Königs Gisbertus aus Schweden — so wird hier er-
zählt — und des Grafen Christoffel von Ostfriesenland
entstund in den Städten und Ländern derselben eine solche
Hungersnoth, daß, wie das Loos es wollte, der zehnte
Theil des Volkes zur Auswanderung gezwungen wurde.
So zogen 6000 Schweden und 1200 Friesen den Rhein
^) In den St. Galler Mittheilungen zur vaterländischen Ge-
schichte. Neue Folge. 4. Heft. 1872. — Uebrigens ist lange vor
Hungerbühler von E. v. Rodt im VIII. Bd. des Schweiz. Geschicht-
forschers 1830 p. 316 und 329 die Berner Handschrift vom Ur-
sprung der Thalbewohner von Hasli (1534) als das angeblich
von Fründ verfaßte «Herkommen» erkannt worden. — Unter den
Schwyzern ist die Gesammtheit der Waldstätter, die vom Pilatus
bis an die Alpen reichen, verstanden.
LXIV
hinauf. Da versuchten die fränkischen Herzoge Priamus I
und Peter von Moos ihnen den Weg zu versperren, allein
das vertriebene Volk unter der Anführung seiner drei
Hauptleute Switzerus und Remus aus Schweden und j
Wadislaus aus der Stadt Hasnis erwehrte sich der Feinde, 1|
und gelangte endlich in ein schönes gebirgiges Land am
Frackmund, ^) das den Herzogen von Oesterreich gehörte.
Hier suchten sich die Heimatlosen Wohnstätten «und
meinten sich im lieben Vaterland zu finden.» Von einem
Grafen von Habsburg erhielten sie die Erlaubniß, das
Land anzubauen und zu bewohnen. Switzerus und sein
Geselle nahmen das Land vom Pilatus bis zu dem lam-
partischen Gebirg ein, während Wadislaus mit den Friesen
das Thal jenseits des Brünig, nahe beim Ursprung der
Aare besetzten und es nach der Friesenstadt Hasnis Hasli
nannten. Nun begab es sich, daß der Papst Zosimus,
verbunden mit den beiden Kaisern Honorius und Theo-
dosius dem Jüngern und unter Mithilfe des Gothenkönigs
Alarich gegen die aufständischen Römer und die Heiden
und deren Fürst Eugenius Krieg zu führen hatten. Da
hörtet der hl. Vater und die Kaiser von dem streitbaren
Volke jenseits der Alpen und schickten ihre Boten an die
Schwyzer und Hasler mit großen Versprechungen um
Zuzug zu werben. Die beiden Völklein gehorsamten dem
Papst und zogen mit ihren wehrhaften Leuten vor Rom
zur Belagerung der Stadt. Die Hasler kamen auf die
Lindbrücke (pons mollis) zu liegen, die Schwyzer in die
Löwenvorstadt (civitas leonina), also daß sie den Vorstreit
hatten. Sie kämpften gleich Riesen und wilden Löwen,
gewannen zwölf fürstHche Banner und eroberten die Stadt.
Eugenius mit seinen Heiden und eine Menge der Römer
^) Fractus mons d. i. Pilatus.
LXV
wurden erschlagen. Hierauf beschieden Papst und Kaiser
die ritterHchen Männer von Schwyz und Hasli vor sich,
dankten und fragten, was sie an Sold und Gnaden be-
gehrten. Die Schwyzer baten in Ermanglung eines eigenen
Feldzeichens um ein rothes Banner und um die Gunst, in
ihrem Lande als Freie ohne jegliche Beschwerde, aller
Zölle und Abgaben ledig und keiner weltlichen Gewalt,
als dem Kaiser und Papst allein unterthan, wohnen zu
dürfen. Diese Anforderungen wurden mit Briefen be-
stätigt; der Papst gab den Schwyzern seinen Segen, Ab-
laß aller Sünden und reiche Geschenke, und entließ sie
in Freundschaft. Als aber die stolzen Hasler in ihr Banner
den kaiserlichen Adler mit einem Haupte, gekrönt mit
des heiligen Reiches Krone und darüber ein w-eißes Kreuz
verlangten, da erschracken die Kaiser. Da aber das schlichte
Wort eines Fürsten mehr gilt, als der Schwur eines Kauf-
manns, w^ollten die Kaiser ihr Wort nicht brechen und
willigten — zw^ar ungern — in die Bitte ein, gaben Briefe
und der Papst verabschiedete auch die Hasler mit Kleinodien
und seinem väterlichen Segen.»
Der Urheber dieses Tractates behauptet, nach dem
Lateinischen übersetzt zu haben und nennt zugleich einige
seiner Quellen, die, wie Hungerbühler a. a. O. p. 32 u. ff.
darthut, in solche zerfallen, die jener nur dem Namen
nach aufführt, ohne sie wirklich benutzt zu haben, als
Martinus Polonus, Plinius, Alfonsus von Friesenland ; und
solche, aus denen der Autor wirklich geschöpft hat, wie
der liber AugustaUs, das Werk eines Schülers von Petrarca,
des Benvenuto Rambaldi. Was die Quellenbenutzung be-
trifft, reducirt sich dieselbe lediglich darauf, daß der Ver-
fasser des Herkommens sich über die Verhältnisse des
römischen Reiches zu unterrichten suchte.
Vom «Herkommen der Schwyzer» sind bis jetzt drei
LXVI
Handschriften bekannt geworden: i) Die Münchner Hand-
schrift (M) von 1497, in cod. Mon. 951, einem Sammel-
band, angelegt von Hartmann Schedel,^) eingetragen auf
Fol. 143 (alt 210) u. ff. II QuartbLitter. Am Schluß.
((Finis Anno Domini etc. MCCCCLXXXXVII in Nilrem-
berga.)) Unmittelbar voraus geht 7 ^'2 BIL umfassend eine
lateinische Uebersetzung des deutschen Tractates, die, weit
davon entfernt das angebliche lateinische Original zu sein,
vielmehr von Schedel selbst wahrscheinlich zu besserem
Verstcändniß für sich und Andere veranstaltet wurde. In
diesem Sinne ist also die Ueberschrift auf p. 180 auf-
zufassen. Die Münchner Handschrift, ein halbes Jahr-
hundert älter als die von Hungerbühler abgedruckte Genfer,
gewährt entschieden den alterthümlichsten Text und nähert
sich dem Original am meisten. Auch in Bezug auf die
Eigennamen gibt sie in einigen Fällen die einzig richtigen.
Hungerbühler entschied sich für die Genfer Handschrift,
weil der Münchner Vor- und Nachwort fehlen sollen.
Allerdings ist hier die Einleitung übergangen und zwar deß-
halb, weil dieselbe ein rein locales Gepräge hat und, wie
wir sehen werden, je nach der Heimat des Abschreibers
modificirt wurde, überhaupt zum Verständniß des Ganzen
nichts beiträgt; nicht aber fehh in Hs. M der Schluß.
Diese Schedel'sche Abschrift ist eine ziemlich flüchtige,
einige Lücken derselben mußten aus H. ergänzt werden.
2) Die Berner Handschrift (H) Yon 1^^^. Pergament-
handschrift eingetragen in das Landbuch von Oberhasli,
deponirt im Landschaftsarchiv in Meiringen. Am Schluß
des Abschnitts: «Folendeft am XV. tag Apr eilen anno
^) Hartmann Schedel, der bekannte Nürnberger Arzt und Hu-
manist 1440 — 15 14. Am berühmtesten ist sein Chronicon mundi,
übersetzt von G. Alt 1493.
LXVII
MCCCCCXXX vnnd IUI jar. Hans Holi^mami Notarius.n
H liegt mir in einer Copie aus dem Berner Staatsarchiv
vor. Sie ist mit Ausnahme der Einleitung und der Schluß-
capitel mit G gleichlautend. Das Nachwort fehlt. Diese
Handschrift, stark modernisirt, ist von einem eifrigen Re-
formirten geschrieben, da sie alles, was irgendwie katho-
lische Anschauungsweise ist, sorgfältig vermeidet, dem
Papst z. B. beharrUch das Attribut eines hl. Vaters versagt.
3) Die Genfer Handschrift (G) von 1546, aus Schwyz
stammend, jetzt im Besitze von Prof. Galiffe in Genf, ist
wohl die Copie einer Handschrift des XV. Jahrhunderts,
allein mit vielfachen Entstellungen, namentlich der Eigen-
namen.
Nach den letztern zu urtheilen, die bei Nauclerus
und Tschudi von den vorhandenen Ueberlieferungen ab-
weichen, müssen diesen beiden Chronisten andere Hand-
schriften vorgelegen sein. Es kann kein Zweifel darüber
herrschen, daß einer kritischen Ausgabe des Herkommens
die Hs. M zu Grunde zu legen ist mit Herbeiziehung
der beiden andern Recensionen, namentlich von G.
Wir gehen zu der wichtigen Frage nach dem Ver-
fasser des Tractates über. Aegidius Tschudi in seiner
um J570 geschriebenen Gallia comata p. 113 meldet:
<(Von irem (der Schwyzer) Ursprung und harkommen us
Schwedien hat einer, Johaitnes Friind genannt, anno dorn.
1440 ein hiichli voller irrthum und er dichter fabeln us sineni
eignen köpf on allen grund usgon laßen . . . also daß etlich,
Joannes Nauclerus und ander, wider des gemelten Joh.
Fründen fahelgedicht geschriben und sine offenbare irrthumb
nieniklichen vor ougen gestellt.» Aus den w^eiter folgenden
zum Theil oft wörtlich entlehnten Auszügen Tschudi's
geht aufs Klarste hervor, daß er keine andere Schrift als
das Herkommen im Auge haben kann. Gestützt auf die
LXVIII
Autorität Tschudi's wird Johannes Fründ^) als Verfasser
des Herkommens angenommen. Hungerbühler, «treu dem
skeptischen Maßftab, den wir in geschichtlichen Dingen
anlegen,)) sucht allerdings noch durch andere Gründe
Fründs Autorschaft festzustellen; so ist ihm die in der
Hs. G vorausgestellte Invocation des hl. Martinus, des
schwyzeri sehen Landespatrons, ein Zeugniß dafür, daß der
Urheber des Schriftstückes ein Schwyzer oder ein den
Schwyzern nahe Stehender gewesen sein muß; er will
ferner das Herkommen als politische Tendenzschrift in
Beziehung zu dem alten Zürichkrieg setzen, und endUch
meint er in «Sprache, Stil und Schreibart)) des Tractats
eine wesentliche Verwandtschaft mit Fründs Chronik con-
statiren zu können. Die Beweiskraft dieser drei Momente
ist genau besehen eine schwache: die Anrufung St. Mar-
tins st€ht nur in Hs. G und ist offenbar ein Zusatz des
schwyzerischen Abschreibers zu dem ursprünglichem Ein-
gang in Hs. H,^) die das Werk der edlen Stadt Bern,
in deren Gebiet Hasli gelegen ist, widmet. Uebrigens
beweist der Ingreß nicht allzuviel und jene Invocation
erklärt sich ganz natürlich, da der Verfasser namentUch
^) Johannes Fründ, geb. in Luzern zu Anfang des XV. Jahr-
hunderts, wurde 1429 Unterschreiber in Luzern, 1437 Landschreiber
des Standes Schwyz; in dieser Stellung blieb er bis 1453 und ver-
trat während dieser Zeit Schwyz vielfach auf Tagsatzungen. 1457
erhielt er die Gerichtsfchreiberstelle in Luzern und starb daselbst
vor 1469. Fründ ist der bekannte Autor der Chronik über den
alten Zürichkrieg, von 1436 — 1446 reichend, eines Werkes, das früher
fälschlich andern zugeschrieben wurde. Ausg. von Kind 1875, der
geneigt ist, das Herkommen als eine Art heroische Einleitung zu
der Chronik anzunehmen.
*) Zudem ließe sich Hungerbühler entgegenhalten, daß dem
hl. Martinus auch ein Altar der Kirche zu Münsingen, wo E. Ki-
burger Kaplan gewesen, geweiht war.
LXIX
auch die Anfänge des Landes Schwyz behandeln will;
dazu braucht er weder selbst Schwyzer noch deren Diener
zu sein. Die beiden übrigen Gründe, mit denen Hunger-
bühler seine Hypothese stützen will, sollen nachher zurück-
gewiesen werden. Fründ ist unmögUch der Autor des
Herkommens. Unmöglich kann ein und derselbe Schrift-
steller zwei so grundverschiedene Werke wie die Chronik
über den Zürichkrieg und das Herkommen geschrieben
haben, von denen das eine urkundliche Genauigkeit ver-
räth, das andere Erfindung auf Erfindung häuft. Die
ganze Anlage des Tractates weist auch darauf hin, daß
hier das Machwerk eines Clerikers vorUegt.
«Wer ist denn dieser seltsame Meister?» Bei der
Feststellung des Autors stützen wir uns zunächst auf
das gewichtige Zeugniß des schwäbischen Chronisten
Nauclerus, der fast ein Jahrhundert vor Tschudi sein
Chronicon universale ab O. C. — 1500 geschrieben
hat.^) Dieser unterw^irft die Sage von der schwedischen
Abstammung der Schwyzer einer herben Kritik (T. II,
363 u. ff".) und schließt seine Auszüge aus dem Her-
kommen mit den Worten: «Haec et midto phira refert
quidam Eulogius, se in eadem chronica inveinsse Plinium
atqne Francis cum Petrarcham al leg ans, quce hrevitatis causa
omitto ; relatu enini digna non sunt, cum colorem veritatis
non habeant.)) Hungerbühler (p. 53) gibt hiezu folgende
Auslegung: «daß Nauclerus die Verfasserschaft einem
Eulogius quidam zuschreibt, kann das Tschudi'sche Zeug-
niß im Allgemeinen nicht schwächen. Eulogius, dessen
Nauclerus als Verfasser erwähnt, wird von dem Chronisten
entschieden nicht als nomen proprium, sondern als Gat-
^) Jflh. Nauclerus (eigentlich Job. Vergen, mich Vergenlians
genannt), Kanzler der Universität Tübingen, f 15 10.
LXX
tungsname gebraucht. Er wollte damit, wie übrigens schon
das griechische Wort andeutet, offenbar jene Klasse von
Leuten bezeichnen, welche wir Schönschwätzer, Lobredner
und die Franzosen beaux parleurs heißen. Ein nach der
Gewohnheit der damaligen Gelehrten latinisirter Geschlechts-
name scheint Eulogius ebenfalls nicht zu sein.» Wohl aber
ein Vorname! antworten wir, denn der Verfasser des
«Herkommens der Schwyzer» ist kein anderer,
als Eulogius KiBURGER, der Autor der Stretlinger
Chronik.
Schon Rilliet in seinem epochemachenden Werke
«Les origines de la confederation suisse» (deutsche Ausgabe
von Carl Brunner p. 342) fragte vorsichtig an, ob Nau-
clerus in der angeführten Stelle vielleicht unsern Eulogius
Kiburger gemeint hätte; aus einem bloßen Auszug der
Stretlinger Chronik vermochte der genannte Gelehrte die
Frage nicht zu entscheiden. Es ist Moritz von Stürlers
Verdienst, unabhängig von seinem Vorgänger neulich
dieselbe Vermuthung zuerst in bestimmterer Gestalt aus-
gesprochen zu haben. ^) Diese sei hier zur unumstößlichen
Thatsache erhoben. Abgesehen davon, daß das Zeugniß-
des Nauclerus von entscheidender Wichtigkeit ist, sprechen
innere und äußere Gründe für die Autorschaft Kiburgers.
Jedem, der das Herkommen mit der Stretlinger Chronik
vergleicht, fällt sofort die Aehnlichkeit der fabelhaften
Anlage beider Werke auf, das Bestreben, gegen jede hi-
storische Berechtigung dort die Abstammung eines ganzen
Volkes in entlegener Ferne zu suchen, hier den Ursprung
eines einzelnen Geschlechtes auf einen römischen König
hinaufzuführen; dort den Anfang der schweizerischen
^) Anzeiger für schweizerische Geschichte. VII. Jahrg. (Neue
Folge) p. 239—241.
LXXI
Freiheit ins vierte Jahrhundert anzusetzen, hier mit noch
größerer Kühnheit den ersten Stretlinger schon im zweiten
Jahrhundert auftreten zu lassen. Beide Male wird an das
römische Reich angeknüpft: im Herkommen ziehen die
Schwyzer den römischen Kaisern zu Hilfe, in der Stret-
linger Chronik wandelt der erste dieses Geschlechtes gar
als römischer Könior selbst auf Erden. Wie es dort der
hl. Vater der Papst ist, der seinen Getreuen jene Privi-
legien gewährt, überhäuft hier unzählig oft der hl. Vater
der Papst die Stretlinger mit seiner Gnade. Ueberall
dieselbe Tendenz: zur größern Ehre eines Geschlechtes
und eines ganzen Volksftammes eine Wundergeschichte
zu schaffen ! Auf demselben unsichern Boden, auf einer
aus Namen und fremden Sagen erdichteten Geschichte
ohne historische Bedeutung fußen beide Werke; hier wie
dort sollen fremde Sagen der vaterländischen Geschichte
als neue blühende Reiser aufgepfropft werden. Ebenso
gibt der Autor jedesmal vor, aus dem Lateinischen zu
übersetzen und die Art dieser Uebertra2:uni^ ist in beiden
Fällen die nämliche, d. h. eine lateinische Quelle liegt
nur sehr sporadisch zu Grunde; in beiden Machwerken
beruft man sich auf Quellen, die man einer erhöhten
Glaubwürdigkeit halber benutzt zu haben vorgibt: im
Herkommen nennt man z. B. die Chronica Martiniana,
die zwar nicht hier, wohl aber in der Stretlinger Chronik
gebraucht worden ist. — Endlich vergleiche man Aus-
drucksweise, Stil und Wortformen der beiden Schriften
und halte sie denjenigen entgegen, mit welchen Hunger-
bühler die Fründ-Hypothese weiter zu begründen sucht. ^)
^) Hunge/bühier p. 70 meint durch Fo'gendes den Beweis ge-
führt zu haben: «Als dem Hans Fründ schon mehr eigenthümHch
führe ich an: die in beiden Weri<en angewandten doppelten Nega-
tionen, die zwei- und dreigliedrigen tautologischen Redensarten wie:
LXXII
Wann wnrde das «Herkommen der Schwyzer» ge-
schrieben? Nach Tschudi's Vorgang acceptirt Hunger-
bühler das Jahr 1440 und bemerkt, daß die Stellen der
Schrift, in welchen von dem Herzogthum Oesterreich und
dem Grafen von Habsburg die Rede ist, es außer Zweifel
setzen, daß dieselbe jedenfalls vor Abschluß des Aachener
Bündnißes 1442 verfaßt wurde. Es liegt nun absolut kein
zwingender Grund vor, den Tractat in diese Zeit zu setzen.
Tschudi's Jahrzahl entscheidet nicht. Unser großer Ge-
schichtsfchreiber ist schon mehrmals auf dem Schleichw^ege
willkürlicher Datenerfindung ertappt worden, so für den
ersten Bund der Waldstätte angebHch von 1206, für Struth
Winkelrieds Drachenkampf 1250, für die Erhebung der
Länder gegen die Vögte 1305 — 1308 u. s. w. Weil
Fründ vor 1468 gestorben und das Herkommen bisher
als eine Provocationsfchrift, die Felix Hemmerlin zwischen
1448 — 1450 abfertigte, aufgefaßt wurde, mußte das obige
Datum angesetzt werden. Tschudi gegenüber meldet
erholt, enpfangen und verdient, beruft und beschickt, gemant und
erfordert; endlich die Umschreibung des Imperfects, z. B. : wurdent
sie sich bestäten!» — Ich mache nur auf Einiges aufmerksam, das
Kiburger eigenthümlich ist und sich nicht allgemein nach zeitge-
nössischem Gebrauch wiederfindet, übergehe z. B. die Umschreibung
des Imperfects durch das Hilfsverb mit dem Infinitiv, die fast durch-
wegs herrschende Uebung, Collectiva wie volk mit dem Prädikat
im Plural zu verbinden. Gleich der Anfang des Herkommens fällt
aui\ H: In dem namen der hohen helgen und unzerteilten dri-
valtigkeit gott des vaters . . . so hab ich für mich genommen und
etwas müt hie nach ze schriben ... zu eren der edlen statt Bern etc.
Eingang von Kiburgers Regimen pestilenciale (siehe oben p. XXXV) :
In namen des erbarmherzigen gottes des vatters . . . ich han mut zu
schriben in ere und nutz dem alten . . . gesiecht von Bübenberg etc.
Kiburger eigen erscheinen folgende Wendungen : an die Cander des
waßers Chron. 37, 5; an den Rin des waßers Herk. 182, 29 — dar-
nach in vergangnen ziten Chr. 18,12, 130,10; Hk. 185,28 — und
LXXIII
Stumpfs Chronik Buch IV, cap. 9 : «Es habend etliche
geschieht Schreiber (ungf aarlich auf 74 jar hievor bei heiser
Fridrichs des III. :(^eiten lebende) in beschreibiing des Ur-
sprungs der Schwyter nit ivenig gefeit, indem daß si fur-
gebend, daß sich die Schwyter in des haus Oestereichs landen
nidergelaßen und geset::^t habind, so doch näher dann in ]00
jaren die fi'irsten von Oesterreich in disen Helvetischen landen
kein eigenschaft gehebt bis auf die ^eit kiinigs Rildolphs, als
er das fürstenthümb Oesterreich an das haus Habspurg er-
oberet, und seine nachhoninen ^l neüwen her7;vgen ;^7? Oester-
reich geniachet hat; do aber der Sclnuyter herkommen vil
älter und löblicher, ouch ir land darvor lang :(tim Römischen
reich dienstlich und dem verwandt gewesen ist, wie hernach
im VI. Inich mer gesagt wird. Etliche :(iehend in iren
chronicken an Plininm, einen poeten, der die obgeset:(ten ding
beschriben solle haben: von welchem Plinio oder seinen
büechern doch die gelerten nichts zuüßend. Etliche andere
allegierend Franciscum Petrarcham und sein chronicken.
darnach in vergangnen ziten schied er von diser zit Chr. 29, 19,
1 58, 29 : und waren in dem selben zit von diser zit scheiden Hk.
187,9 — zit kommt hier öfter als sonst ungebräuchliches Mascu-'
linuni vor, Chr. 94,9; Hk. 180,22, 184,9 — daß inen mocht ver-
folgen gnad und ablaß aller irm sünden Hk. 189,6, 195,18; Chr.
115,9 sölt vervolgen und werden der sibent teil aplaß aller iren
Sünden, ebenso 146, 25 — kein für dehein, ullus, findet sich in
dieser späten Zeit nicht mehr häufig, Chr. 132, 4, 138,23 ; Hk. 182, 3 —
bitt und anmütung an den heiligen vater den bapst Hk. 195,23;
Chr. 58,13, 129,4, 145,21, 166,14 — gesichtig und ungesichtig
hat sonst die Bedeutung sichtbar und unsichtbar, hier Chr. 113,17
und Hk. 197,15 ansehbar und unansehbar — harumb Chr. 11,10,
145, 29; Hk. 181,25; — fürwerthin Chr. 61, 20; Hk. 195, 3 —
cristenen menschen Hk. 186, 1 ; dazu das häufige cristenen mönschen
der Chr. 57, 20, 62, 32 etc. — zucht und ere erbieten Chr. 17, 1 —
auch Hk. (Hs. G) — tretfcnlichen boten Chr. 51,1; treflfenlich
botschaft Hk. r88, 9 etc.
LXXIV
Augustalis genennt, welche ich nie gesehen hab ; dar:(u ist
er gar nit alt, hat nit vor langer ^eit noch gelebt: darumb
auch Joh. Nauclerus in seiner chronicken generatione 44,
söliche stenipeneien verwirft etc.» Aus diesem und dem
27. cap. des VI. Buchs geht deutlich hervor, daß Stumpf
auf Kiburger's Herkommen hinzielt. Stumpf aber schrieb
sein Werk vor 1548: darnach bekämen wir für das Her-
kommen in runder Zahl das Jahr 1470. Neben Kiburgers
Tractat hat Stumpf noch andere Aufzeichnungen über
denselben Gegenstand im Auge. Das Herkommen erhielt
nämlich kurz nach seiner Entstehung weitere Ausfchmück-
ungen, einmal durch Johann Püntiner, der 1467 Urner
Landammann gewesen und gestützt auf Kiburser ein
Machw^erk verfaßte, das 1799 beim Brande von Altdorf
untergegangen sein soll, aber von Schriftstellern des XVL
(Mutius, Stumpf) und XVIII. Jahrhunderts (Schmid, Gesch.
des Freistaates üri) wirklich erwähnt wird.^) Püntiners
Chronik ließ die Schwyzer gegen die Rom bedrohenden
Sarazenen ziehen und an den Kämpfen treiben die Hunnen
und Vandalen Theil nehmen. Daneben muß Stumpf noch
Kenntniß einer dritten Schrift ähnlichen Inhalts gehabt
haben, die er als die «gemeine Schwyterchronik» bezeichnet.
Dieselbe basirt wiederum auf Kiburger, erzählt die nor-
dische Einwanderung, nennt aber bereits vier Hauptleute :
Schwyter und Scheyg für Schwyz, Rumo für ünterwalden
und Resti für Hasli. Von den Urnern ist nicht die Rede.
Schwyter erschlug seinen Bruder im Zweikampf, ein neu
herzu tretendes Motiv, wozu wohl der Remus des Her-
^) Vergl. Rilliet-ßrunner p. 206 u. ff., wo noch mit Burckhardt
im Archiv für Schweiz. Gesch. IV, 72 irriger Weise statt 1474 das
Jahr 14 14 als Entstehungszeit der Püntiner'schen Chronik ange-
nommen ist. Dagegen P. Vaucher im Anzeiger für Schweiz. Gesch.
1870 p. 24, 60; Bernoulh im Jahrbuch für Schw^eiz. Gesch. I, 86 u. f.
LXXV
kommens Anstoß gegeben hat und wodurch eine An-
lehnung an die römische Stadtsage gewonnen ist.
Daß das Herkommen 1440 noch nicht geschrieben
war, beweist auch die Thatsache, daß Landammann und
Rath von Schwyz in ihrem 1443 an Bürgermeister und
Rath von Uhu erlassenen Memorial, ^) das den Schmähungen
auf die Schwyzer während des alten Zürcherkriegs durch die
Darstellung des ruhmvollen Ursprungs und der Thaten der-
selben entgegen wirken sollte, nichts von einer schwedischen
Abstammung weiß, sondern lediglich die Züge der Schwyzer
nach Rom und Bisantz (Besancon) hervorhebt.
Bevor die Frage nach der Abfassuno;szeit des Her-
kommens annähernd entschieden werden kann, bedarf ein
weiterer Punkt einer kurzen Untersuchung. Es handelt
sich um die Frage, ob das berühmte Pamphlet des Felix
Hemmerlin: De nobilitate et rusticitate wirklich, wie unsre
Forscher übereinstimmend annehmen, 2) als eine Antwort
auf das Herkommen der Schwyzer anzusehen ist. Man
hat diese bedeutendste Schrift Hemmerlins, ^) des leiden-
schaftlichen österreichischen Parteigängers aus der Zeit des
alten Zürichkriegs, zu wenig in Verbindung mit den Lebens-
schicksalen des merkwürdigen Mannes betrachtet; während
sie, innig mit den Privatverhältnissen desfelben verflochten,
nichts anderes als ein poUtisches Glaubensbekenntniß, ein
^) Tschudi's Chron. Helv. II, 365.
^) Burckhardt «Untersuchungen über die erste Bevölkerung des
Alpengebirgs» im Archiv für Schweiz. Gesch. IV, 81; W. Vischer,
die Sage von der Befreiung der Waldstädte 1867, p. 29 u. ff.; Rilliet-
Brunner p. 210; Hungerbühler a. a. O. p. 72 und neuHch Jahrbuch
für Schweiz. Gesch. I, 88.
^) Balthasar Reber, Felix Hemmerlin 1846, und die durch ihre
gründliche Quellenforschung ausgezeichnete Biographie von F. Fiala
im Urkundio I, 281—760. Solothurn 1857.
LXXVI
Ausfluß der damaligen zürcherisch-österreichischen Politik
und ein Act der Dankbarkeit für die Bemühungen des
Adels um den Zürcher Cantor ist. Bekanntlich standen
sich während des alten Zürichkrieges zwei Parteien in
Zürich gegenüber, eine eidgenössische und eine öster-
reichische; diese brachte es dahin, daß im Jahr 1442 ein
ewiges Bündniß mit Oesterreich geschlossen wurde. Nach
der Schlacht an der Sihl erfolgte eine fast unbedingte
Hingabe Zürichs an Oesterreich. Der Propst Nithart in
Zürich, Hemmerlins erbitterter Feind, hielt es mit den
Eidgenossen, während Hemmerlin mit der aristokratischen
Partei seiner Heimat einig gieng. Durch die Ränke des
Gegners hatte dieser kurz vorher sein Vermögen und
damit einen Theil seines Ansehens eingebüßt. Als nun
aber das Glück den Zürchern günstiger wurde, stieg auch
Hemmerlin und zw^ar durch die Vermittlung des öster-
reichischen Adels. König Friedrich III. verwendete sich
für den ungerecht Verurtheilten, Markgraf Wilhelm von
Hochberg und Herzog Albrecht von Oesterreich, des Königs
Bruder, förderten auf nachdrückUche Weise dessen Autorität
im Stift. Wenn also Hemmerlin namentlich auf Unkosten
des von ihm so gründlich verachteten eidgenössischen
Bürger- und Bauernstandes den österreichischen Adel ver-
herrlicht, ist das zunächt Ausdruck seines Dankgefühls.
Hemmerlin ist ferner über die unmenschliche Kriegsführung
der Schwyzer aufs heftigste empört und brandmarkt hier
die grausamen Thaten der Feinde. Endlich ist sein Buch
vom Adel eine Staatsfchrift, die den sinkenden Kriegsmuth
der Zürcher neu beleben sollte. Damit war es freilich zu
spät, denn schon im Juli 1450 trat Zürich wieder in den
eidgenössischen Bund ein. Dennoch veröffentlichte der
rücksichtslose Mann nach erfolgtem Friedensfpruch seine
Schrift (die Briefe Karls d. Gr. an Friedrich III. im an-
LXXVII
gehängten processus judiciarius datiren vom i. Aug. 1450).
Aber sein Beschützer, Oesterreichs Ade), war machtlos
geworden und Hemmerlin fiel der Rache der Eidgenossen
anheim, die ihn mit Hilfe des beleidigten Clerus seine
Schuld in Kerkern und hinter Klostermauern gründlich
abbüßen ließen.
Die nur in einer einzigen Ausgabe vorhandene Schrift
Hemmerlins, de nobilitate et rasticitate (o. O. u. J.), in
den Jahren 1448 — 50 entstanden,^) ist in das Gewand
emes Dialoges von oft dramatischer Lebendigkeit gekleidet.
Der Prolog legt das Werk Herzog Albrecht von Oester-
reich und dem Adel zu Füßen. Ein Nobilis verirrt sich
im Walde und trifft auf den Rusticus, der ihn weisen soll.
Streitgespräch über den Standesunterschied. Der Bauer
rühmt sich seiner Abstammung von Adam, dem ersten
Landwirth, worauf der Edelmann seinen Standesursprung
auf die Römer zurückführt. Rusticus hält diese Abkunft
für schmählich und läßt einzig den Seelenadel gelten.
Nobilis setzt ihm die Behauptung entgegen, daß eben der
Tugendadel sich durch Fortpflanzung von Geschlecht zu Ge-
schlecht zum Geburtsadel ausgebildet habe, nachdem Adam
den erstem verloren; er beweist dem verblüfften Bauer
aus der Geschichte, daß aller Gottesfegen dem Adel zu-
geflossen und dieser durch die Weltordnung vom Volk
ausgeschieden sei. Von den verschiedenen Abstufungen
des Adels; von den Pflichten, Ländern, Wappen, Kriegs-
wesen desfelben. In dem berühmten vorletzten cap. 33:
De gentibus Ulis, qid Swit^er sive Switenses diciintur er-
folgen nun die wüthenden Auslassungen des Nobilis gegen
^) Nach Reber a. a. O., der ausführlich über diese Schrift
handelt und p. 197 — 276 Auszüge gibt, fiele die Abfassung in die
Jahre 1444—50. —
LXXVIII
die Schwyzer, die eben zu diesen Kriegszeiten viel von
sich reden maciien. Diese Leute, groß von Gestalt und
wild von Antlitz, verrichten die niedrigsten Dienste, nennen
sich Kuhmelker etc. Ihrer Abstammung nach sind sie ein
Theil jener widerspenstigen Sachsen, die einst Karl der
Große in die Verbannung geschickt hatte. Solche kamen
auch nach Uri (ad vallem Uraniae), ins Thal Arth (ad
vallem Artam), Andere an den St. Bernhard in's Wallis
und mußten, wenn Karl nach Italien zog, die Alpenpässe
bewachen. Das thaten sie willig und sprachen: «wir wellen
hie switten» und des Kaisers Huld erwerben; daher der
Name Schwyzer. Der Kaiser schenkte ihnen ein Banner
von rother Farbe. Ursprung der Eidgenossenschaft durch
Auflehnung gegen die Habsburgisch-Oesterreichische Herr-
schaft. Ermordung des Vogtes von Lowerz und desjenigen
von Landenberg. Gründung der acht alten Orte. Schlacht
bei Sempach. Aber nicht nur gegen den Adel haben die
Schwyzer gefrevelt, sondern auch gegen die Kirche. Ihr un-
unrühmlicher Ueberfall des Klosters Einsiedeln 1314.^) Er-
Zcählung des gegenwärtigen Krieges und der Grausamkeiten
der Schwyzer. Verwüstung der Gotteshäuser Rüti und Engel-
berg. Mord bei Greifensee. Schlacht an der Sihl. Betrug
mit den rothen Feldzeichen. Mord an Rudolf Stüssi und
schreckliche Behandlung der Leiche.^) Göttliches Straf-
gericht bei St. Jacob an der Birs, vollzogen durch die
^) Der Ueberfall von Einsiedeln wird von Hemmerlin nach
dem bekannten Gedicht des Rudolf von Radegg (herausgegeben im
Geschichtsfreund 1854 Bd. X, 170 u. ff.) mit wörtlicher Anführung
von Stellen aus dem latein. Gedichte dargestellt.
^) Vergl. hiezu die interessante Kundschaft, 1444 von Propst
Nithart in Zürich über die Gräuelthaten der Schwyzer aufgenommen.
Anzeiger für Schweiz. Gesch. (N. F.) III. Jahrg. 235 u. ff. Unter
den Zeugenausfagen figurirt auch eine solche von Hemmerlin.
LXXIX
Armagnaken. Alte Prophezeiungen von der eingetretenen
Züchtigung Gottes. Zürich war berechtigt, aus dem Bund
der Eidgenossen auszutreten. Der Rusticus ist durch die
Schilderung des entsetzlichen Volkes der Schwyzer ver-
nichtet, anerkennt die Verderbtheit seines ganzen Standes
und nimmt reuig Absciiied vom Nobilis. In dem darauf
folgenden processus judiciarius wird die Schlacht bei
St. Jacob an der Birs in phantastischer Weise als himm-
lischer Racheact weiter geschildert. ^)
Der Dialog Hemmerlin's und speziell der Excurs gegen
die Schwyzer ist eine durch den alten Zürichkrieg hervor-
gerufene Parteischrift und hat mit dem «Herkommen der
Schwyzer» nichts zu thun. «Mit den Rittern gegen die
Bauern» war Stüssi's Loosungswort, das hier dessen zeit-
genössischer Polemiker aufgenommen und durchgeführt
hat. Darum ist auch die schwedische Abstammungsfage
mit keinem Wort berührt, der Hasler mit keiner Silbe
gedacht.-) Wäre Hemmerlin gegen Kiburger aufgetreten,
hätte er gewiß nicht unterlassen, den historischen Unsinn
^) Nidas von Wyle aus Bremgartcn, der nachmalige Eßlinger
Stadtschreiber und Kanzler des Herzogs Ulrich von Würtemberg,
Hemmerlins Freund (Niclas v. W. war Schulmeister in Zürich ge-
wesen), dem wir im Eingang zur IX. Translation (Ausg. von
A. V. Keller p. 157 u. ff.) — es ist die Uebersetzung von Hemmerlins
contravalidosmendicantes — jene schöne Charakteristik des damals (1464)
bereits gestorbenen Malleolus verdanken, hat auch die XIV. Trans-
lation «eine köstliche Rede und Widerrede von dem Adel« (1470),
zum Theil dem Tractate de nohilitate entnommen; ohne jedoch seine
gefährliche Quelle, die dem abgeschiedenen Freund eine Quelle
großer Leiden gewesen, zu nennen. So und nicht anders ist auch
die Stelle im Vorwort zur IX. Transl. (p. 158) zu verstehen, wo
Niclas Hemmerlins Schriften aufzählt und zuletzt das Buch vom Adel
nennt mit der Bemerkung: «von dem selben mir sicherer ist ze
gedenken, danne darvon vil ze schriben».
^) Ich habe nicht übersehen, daß in cap. 33 Bl. CXXIXa
LXXX
der gegnerischen Schrift bloß zu legen. Hiezu kommt
noch ein Umstand. In seinem Verhör vor Gundolfinger
zu Constanz 1454 mußte Hemmerlin auch über den Dialog
Rede stehen ; er rechtfertigte sich damit, daß er die Schrift
diirante proelio verfaßt habe. ^) Hier hätte er, wenn das
Buch vom Adel eine Abfertigung des Kiburger'schen Trac-
tates wäre, gewiß Gelegenheit genommen, eine Erklärung
in diesem Sinne abzugeben. Wenn, fügt er hinzu, die
Darstellung allfällig in den Ton der Uebertreibung gefallen
wäre, möchte bedacht werden, daß von beiden Seiten
Lästerschriften und -Lieder gew^echselt wurden.^)
Umgekehrt «das Herkommen der Schwyzer» als eine
Parteischrift gegen Zürich aufzufassen, wäre eine Ab-
surdität. Wenn nun Hungerbühler (p. 71) allerdings in
der Schlußftelle unseres Tractates eine Animosität gegen
Zürich durchschimmern sieht, hat ihn sein Eifer auszulegen
so weit geführt, daß er hier vielmehr etwas unterlegt.
Kiburger stellt dort dem gegebenen Wort des Kaisers
den Schwur eines Kaufmanns gegenüber. Das sei nun
ein Stich der Viehzucht treibenden Ländler auf die reichen
Krämer in Zürich! Diese aber hätten die Absicht gefühlt
und HemmerUn auf jene politische Tendenzschrift das
Wort ergriffen! Als ob nicht gesagt wäre, das schlichte
Wort eines Kaisers stehe höher als der Schwur eines
Kaufmanns! Eine weitere Behauptung Hungerbühlers(p. 67),
die Hasler seien im Tractat deßwegen in Verbindung mit
den Schwyzern gebracht und nähmen an deren Ruhm
Frisia genannt ist, aber wie der Zusammenhang der Stelle deutlich
zeigt, ohne bewußte Anspielung.
^) Reber a. a. O. p. 431.
^) Hieher gehören namentlich die bei Liliencron I, 383 u. ff.
gedruckten Lieder. Ganz in Hemmerlins Sinn klingt das Österreich.
Schmachlied p. 393.
LXXXI
und Freiheiten Antheil, weil vor allem das mächtige Bern,
das nur ungern am Krieg gegen Zürich sich betheiligte,
gewonnen werden mußte, ist bereits anderwärts widerlegt
worden.^)
Wenn also das Herkommen, das eher in die fünf-
xiger oder sechsziger Jahre des XV. Jahrhunderts fiillt,
in keiner innern Verbindung mit dem alten Zürichkrieg
steht, könnte wohl möglich sein, daß eine äußere insofern
da wäre, als Heinrich von Bubenberg, Kiburgers Patron,
der als Schiedsrichter das Urtheil der eidgenössischen
Schiedsleute, die Aufhebung des Bündnisses zwischen
Zürich und Bern bestätigte, seinen anstelligen Caplan dazu
begeistert liätte, das Zusammenhalten der alten Eidgenossen
zu verherrlichen.
Die Abstammungslage der Waldstätter verbreitete sich
durch Schriftsteller des XV. und XVI. Jahrhunderts rasch
weiter. Die meisten derselben verwerfen die Hypothese
Kiburgers. Zunächst gedenkt das zwischen 1467 und 76
entstandene sog. Weiße Buch der Schweden -Tradition,
läßt diese aber nur für Schwyz gelten, ebenso Bonstelten
in seiner 1478 geschriebenen Descriptio Helvetiae; Nau-
rlerns und mit ihm Beatus Rhenamis nähern sich der An-
sicht Hemmerlins. Sigmund Meisterlin in seiner spätestens
1488 verfaßten Nürnberger Chronik läßt die Schweizer
gar von den Hunnen abstammen, und Pirkheimer im
bellum Helveticum (Schwabenkrieg) dieselben Nachkom-
men der Gothen und Hunnen sein. Etf erlin, der na-
mentlich das Weiße Buch und jene verlorene Schwyzer-
chronik benützte, leitet die Urner von den Gothen, die
sich nach Untergang des ostgothischen Reiches zum Theil
auch über den Gotthart flüchteten, die Unterwaldner von
^) BernouUi im Jahrbuch I, 99.
VI
LXXXII
den Römern und nur die Schwyzer von den Schweden
ab. Desto getreuer hält sich Schradin in seiner Reim-
chronik vom Schwabenkrieg (1500) an Kiburgers Tractat.
Stumpf lehnt die Annahme der Schweden- und Sachsensage
entschieden ab und pflichtet Tschudi's cimbrischer Ursprungs-
hypothese bei, ohne die Möglichkeit einer gothischen Ein-
w^anderung auszuschließen. Tschudi selber in der Gallia
comata ärgert sich nur über die historischen Gräuel des
Herkommens, nimmt einen Auszug aus Schweden und
Friesland an, datirt denselben aber auf das zweite Jahr-
hundert und die Cimbern zurück.^) Unsrer Sage gedenken
ferner Glarean, Myconius, Guillimannus, Plantinus etc.
Die Popularität der Schwedischen Abstammungsfage
beweist ein Beschluß der Schwyzer Landsgemeinde vom
Ostermontag des Jahres 1531, nach welchem zur Er-
innerung an die große Hungersnoth und Austreibung aus
Schweden alle Landsleute um die Mittagsftunde fünf Pater-
noster und Ave Maria sammt einem Credo zu verrichten
haben. ^) Die größte Verbreitung aber erhielt die Sage
um die Mitte des XVL Jahrhunderts durch das sogenannte
Ostfriesenlied der Oberhasler.^) Dasfelbe ist nichts anderes,
^) Vcrgl. dazu den Brief Tschudi's von 1568 an Simmler, abgedr.
in Balthasars Helvetia VI, 492.
'^) Kothing Landbuch von Schwyz p. 172.
•^) Zum Theil verändert abgedr. bei Rochholz, Eidgen. Lieder-
chronik 381 u. iT. aus Wirsen, de colonia Suecorum 1828. Dieser
schöpfte aus J. R. Wyß' «Zweiter Sammlung von alten Schweizer-
•liedern». Hs. der Berner Stadtbibliothek (Mss. bist. Helv. XII, 10)
p. 115 — 135, copirt 181 1 «aus der un orthographischen und an-
scheinend ziemlich alten Handschrift eines Landmanns, ohne Unter-
schrift, Name und Datum». — Trotz vielfacher Nachfragen auf
Schweiz, und deutschen Bibliotheken und im Britischen Museum
gelang es mir nicht, eine Ausg. des XVL oder XVII. Jahrb. zu einem
erneuten Abdrucke des Ostfriesenliedes aufzufinden. Haller Bibl. der
LXXXIII
als eine Versificirung des Kiburger'schen Herkommens.
Nach einer unverbürgten Sage wäre ein nicht auffindbarer
Hasler Pfarrer Ringwaldt (um 1550) der Dichter desfelben.
Nach einer mir mitgetheilten Stelle aus dem Berner Raths-
manual wird es aber wahrscheinli<:h, daß das Lied von Gwer
(Quirinus) i?///^r herrührt: «ijjS Jan. 2). Nach gel aßen die
gestellt Lieder durch Gwer Ritter von Hasli und Frutigen in
Truck usgan ^u lafsen.» Den benachbarten Frutigern, die
1505 die Fastnacht in HasH mitfeierten, wurde die Chronik
von der Einwanderung aus Schweden feierlich vorgelesen ;
in einem Lied von Gläwy Stoller über ein ähnliches Fest
von 1583 ist die Sage erneuert.^)
In Schweden selbst erhielt man erst durch schweize-
rische Berichte Kenntniß von dieser Abstammungsfage.
Nachdem — wie Stumpf meldet — auf Reisen, Messen
oder wo sonst Schweden und Schweizer zusammentrafen,
man sich als Landsleute begrüßte und eifrige Nachfrage
hielt, ob sich in alten Jahrbüchern etwas dergleichen fände,
nahmen im XV. und XVL Jahrhundert Erich Olaus und
Schweiz. Gesch. IV, 529 nennt zwei Ausg. o. O. u. J. von 8 u. 16 SS.
Nach Herrn von Stürlers Mittheilung kam ihm vor einigen Jahren
ein Druck zu Gesicht, von dem er sich nur den Titel copirte: «Ein
schon Lied vom Ursprung und Herkommen der alten Schweizeren,
insonderheit des Landes Haßle im Weißland, aus alten Chroniken
gezogen». Gedr. i. J. 1665. 77 Strophen von je 6 Versen. (Wie
bei Rochholz). Auf der Luzerner Stadtbibliothek (H 2074. i)
existirt — • wie mir Herr Dr. Lütolf meldet — folgende Ausgabe :
«Ein schön Lied Vom Ursprung und Harkommen der Alten
Schweitzcren etc. In seiner eigenen Melodey, oder in der Weiß:
Kompt her zu mir, spricht GOttes Sohn etc. Gedr. in diesem Jahr
(XVIII. Jahrh,). Im Ganzen mit dem Abdruck von Rochholz und
Wirsen übereinstimmend. — Ueber das Ostfriesenlied vergl. L. Tobler
im Berner Archiv VII, 331 u. ff.
^) Rochholz Eidg. Liederchron. 406 u. ff.
LXXXIV
Joh. Magnus diese Tradition in ihre Chroniken auf, was
unserm Stumpf den Muth gab, die dritte Auflage seiner
Chronik dem König von Schweden zu widmen. Noch
im vorigen Jahrliundert und zu Anfang des unsrigen liaben
nordische Gelehrte, wie Eck und Wirsen, über den Zu-
sammenhang der Schweiz mit ihrer Heimat nachgeforscht,
in die Sache selbst wenig Zweifel gesetzt, nur die Aus-
wanderung aus der Zeit der Völkerwanderung ins VIII. und
IX. Jahrhundert hinaufgerückt und mit den Raubzügen der
Normannen in Beziehung gesetzt.^)
Es erübrigt noch ein Wort über die Abstammungs-
llige selbst. Die volkreiche Scadinavia ist das Land, aus
dem die ethnographische Sage am liebsten die germanischen
Volksftämme herkommen läßt, so die Longobarden, Gothen,
Sachsen und Schwaben. Bei allen diesen Mythen ist die
Ursache des Auszuges entweder eine Hungersnoth oder
eine Meeresüberschwemmung. So verließen nach Paulus
Diaconus die Longobarden ihre scadinavische Heimat nach
der Bestimmung des Looses unter ihren Herführern Ibor
und Ayo (nach Saxo Grammaticus Ebbo und Aggo);
Aehnliches erzählt Jornandes von seinen Gothen, ein
Anonymus von den Schwaben.^) Alle diese Ausfahrten
deutscher Völker sind meist auf gelehrtem Wege zu-
gerichtet worden und nur wenige stammen aus volks-
mäßiger Ueberlieferung. Nichts erscheint nun natürlicher
als die Uebertragung dieser Ursprungsfage auf die Schwyzer
und ihre Miteidgenossen. Kiburger kannte unzweifelhaft
Scadinavia als die «vasjina nationum» ; die Namens-
^) Vergl. Schweiz. Geschichtforscher VIII, 505 u. ff. und
Burckhardt im mehrerwähnten Archiv IV.
^) Von der Herkunft der Schwaben, neu herausgegeben von
K. Müllenhoff in der Zeitschrift f. d. Alterthum XVII, 57 u. ff. —
Dazu vergl. namentHch Uhlands Schriften VIII, 202 u. ff.
LXXXV
Ähnlichkeit vollends zwischen Siiicia und Siiecia, HasVi
und Hasnis mußte ihn ganz besonders reizen, die Heimat
se
iner Landsleute, der Hasler, und der jedenflills mit diesen
in Beziehung stehenden Schwyzer im Norden zu suchen.
Spielt doch die Etymologie in allen diesen Sagen eine
Hauptrolle ! Aus den vermischten Elementen der Tradition
^.chöpft das Herkommen. Wie in der gothischen Sage
die Auswanderer sich in drei Haufen theilen und feindlich
mit den Franken zusammenstoßen, so hier dieselbe Tren-
nung, derselbe Kampf mit den fränkischen Herzogen. Die
Schwyzer und Hasler haben bei der Belagerung von Rom
den Vorstreit; den Schwaben kommt die nämliche Ehre
im Reichsheer von Alters her zu, und zwar nach einer
Wendung der Sage deßhalb, wxnl sie Karl dem Großen
bei der Einnahme der Stadt Rom geholfen hatten.^) Eigen-
thümlich im Herkommen erscheint der Auszug der Friesen,
während diese doch in Wirklichkeit, so weit die Ge-
schichte reicht, stets an derselben Stelle seßhaft waren. '^^3
Das Weiße Buch ist eine künstliche Weiterbildung
der Sage. Dort wairde, nachdem durch das Herkommen der
Schwyzer die ethnographische Beziehung zwischen Nord-
germanen und Waldstättern geschaffen war, auch die my-
thische Verwandtschaft vollzogen.^)
^) Grimm, deutsche Sagen (zweite Aufl.) Nro. 456.
^) Siehe hierüber die Vermuthung Miillenhofi"s a. a. O. p. 71.
Die Sage von der Einwanderung der Friesen ist im Saanentlial noch
lebendig. Romangs Gediclit «D'r Friesenwäg».
^) Sage von Toko und Teil. — In der Stretl. Chron. erscheinen
als Lokalbezeichnungen das Riitli p. 113, die Trenhe p. 37, 39/ die
hohle Gasse p. 116, alles bedeutungsvolle Namen des Weißen Buches.
Ob dieß wohl Zufall ist, oder ob am Ende auch im W. B. unser
erfindungsreicher Eulogius irgendwie die Hände im Spiel hat?
DER ERSTE TEIL UND UNDERSCHEID, WIE
DIE HERSCHAFT STRETLINGEN HAR KOMEN IST
UND WARUMB IR NAM ALSO HEISSET.
Man findet also geschriben und liset man das in den
alten coroniken der Römer, daß in dem jar, do man
zalt von der geburt Cristi hundert und eins und zweinzig
jar under dem bapst Alexander, der erste also genant
— der selbe bapst was von der geburt ein Römer — :
zu den selben ziten was ein keiser mit dem nanien
Adrianus Elyus. Er hatt nü sinen namen von der statt
Adria; bi der selben statt das mer heißet das mer
Adriacum. Der selbe keiser Adrianus was hocher spitzer
sinnen und vast wol redent. Er was ouch wol gelert
5 in den natürUchen künsten; ouch in musica, das ist in
gesang; desglichen in astronomia, das ist in den Sternen
sechen. Der selbe vor genante keiser regiert und richsnet
zwenzig und ein jar in dem gewalt eines keisers des
römschen riches.
o In den selben ziten was einer, von sinem gesiecht
ein küng, der geburt siner müter von Alexandria, aber
von sinem vater was er ein Römer von einem durch-
lüchtenden großen gesiecht des Senates oder des rates zu
Rom geborn, mit dem namen Ptholomeus. Der selb
5 Ptholomeus was ouch hoch gelert in der kunst mathe-
matica, das ist in der usrechnung. Er hatt ouch in der
astronomy vil gesetzt und geschriben und darzü geleit,
me dann vormals je was gesin. Er hatt ouch vil büecher
I. P. Aelius Hadrianus war römischer Kaiser von 1 18 — 138
n. Chr. Man vergleiche zu dieser Stelle die gleichlautende Schil-
derung Heinrich's von München (nach 1347) in deßen Weltchronik:
Nach dem keiser Träjana
wart ein keiser in Röme alda,
der selbe was ein wiser man.
ein stat hiez Adrian,
von der was er geborn;
da von was im der name erkorn,
daz er hiez Melius Adrian.
Der selbe keiser Adrian
künde wol die kunst physica,
astronomi und musica.
er was ein vil wiser man etc.
Massmann, Kaiserchronik III, 82^.
7. richsnen, herrschen. Vergl. hiezu die Kaiserchronik III, 822.
3
davon gesetzt und gemacht. Der selbe Ptholomeus lebt
sübenzig und acht jar; von sinem wesen sines libes was
er in rechter lenge, nit ze kurz und ouch nit ze lang;
in der person ein wiser man. Er was ouch starker
kreften; er bruchtr ouch alKvegen meßli che spise und trüg 5
sich mit erheben kleidern. Das warent gemeinhch sine
prüchwort: der mönsch ist oder wirt der höchste, der
da nit achtet, in wes band das ertrich ist! Er sprach
ouch: wer .sich selbs straft an siner mißetat, der [2]
wirt von andern lüten nit gestrafet. Er sprach ouch: die ^^
letsten Verheißungen des mönschen, die sind die liebsten.
Nu was er aber ein anbeter der abgötten und wann er
nü die werk der erbarmherzikeit empzenkHchen übte, do
wolt in der allmechtig gott erlüchten und im zeigen den
weg der warheit. Darumb so liset man hie ein groß ^>
wunder und zeichen, das im geschach.
Uf ein zit do gieng er jagen und als er uf dem
gejegt was, so fint er einen schönen großen hirzen. Do
er nü den selben hirzen also jagt, do nam der hirz sin
II. Daß hier der Astronom und Philosoph Ptolemasus zu
einem König gemacht wird, ist wohl Kiburgers eigene Erfindung.
Das übrige schreibt er wörtlich aus der Chronik des Martinus
PoLONus, Erzbischofs von Gnesen (f 1278), auf den er sich auch
im «Herkommen der Schwyzer» beruft, ab. (Ich citire nach der
Basler Ausgabe von Johannes Herold, Sp. 46:) «Huius Antonini
tempore floruit Ptolemieus, vir mirabilis in mathematicis, qui plus
addidit in astronomia, quam antea ante se scriptum invenit. Fuit
aujem educatus Alexandriae etc. Fuit in statura moderatus, colore
albus, fortis ir^e, pauci cibi, redolentcm anhelitum habens et indu-
menta nitida. Composuit etiam libros multos etc. Vixit autem
annis septuaginta octo. De proverbiis suis hoc insigne est: Inter
homines altior existit, qui non curat, in cujus manu sit mundus. Et
hoc: Qui per alios non corrigitur, alii per ipsum corrigentur. Item:
Ultimoe hominis promissiones cani(!)sunt.)>
flucht uf einen hochen velsen und berg. Er gedacht in
im selbs gar flißenkUch, wie er den hirzen möchte
vachen; also kond er keinen weg nit finden, daß er in
könd vachen. Also gedacht er, wie er in könd geschießen
5 mit einem stral. Und als er in schießen woit, do sach
er zwüschent den hörnen des hirzen ein bild eines crützes,
das da schein als klar, als die sunn und hat das crucifix
ein stral in der hand. Also vieng das bild an zu reden
und sprach: o Ptholomee, warumb gedenkest du mich
10 zu jagen und wider mich zu sinde? Ich han mich an
disem hirzen dir erzöis^t von dinen weo:en. Ich bin
Cristus, den du unwüßentlich erest; dine almüsen und
guttat der erbarmherzekeit sind ufgangen für min angesicht
und han mich dir erzöigt an disem tier des hirzen, den
1 5 du woltest vachen und schießen, daß ich dich wil vachen
und mit dem schoß und stral des cristenen glouben din
herz durchgan! Von disen worten erschrak Ptholomeus
und viel nider uf das ertrich uf sine knie und sprach:
o herr, wer bistu, daß ich an dich geloub? Do ant-
20 wurt im Cristus: ich bin der, der durch das mönslich
gesiecht uf diß ertrich ist komen und mich einen mönschen
erzeigt han und bin gecrützget worden und vergraben
und am dritten tag uferstanden. Do sprach Ptholomeus :
herr, das gloub ich! Do antwurt Cristus: sit daß du
25 das gloubst, so gang hin zu dem bapst Alexander und
5. stral f Pfeil.
9. Zum Theil wörtlich aus der Eustaclmis-Legende. Legenda
AUREA (1487) cap. CLVII: «O Placide (so hieß Eustachius vor der
Bekehrung), quid me insequeris? Ego tui gratia in hoc animaH tibi
apparui. Ego sum Christus, quem tu ignorans colis. Eleemosynae
tuse coram me ascenderunt et ob hoc veni et per hunc quem vena-
baris cervum etc.« — Der Jäger Huherius f 727 als Bischof von
Lüttich hatte dieselbe Erscheinung,
5
laß dich tonten! Also gieng er hin zu dem bapst bi
niitternacht und bat in, daß er in toufte. Do enpfieng [3]
in der bapst mit großen fröiden und toufte in und ver-
wandlet im sinen namen und nampte in Theodricum,
und underw'isete und lerte in fürbaß in dem cristenen 5
glouben und sprach darnach zu im: selig bistu, wann
du hast an dich genomen die gnad gottes in dem touf,
daß du den tüfel hast überwunden und in hast under
dich getrukt! Nu sol fürer din cristenlicher geloub erzöigen
in dem, daß du füerest zu dinem zeichen und w^appen 10
einen guldin stral in einem roten schilt dines herzen und
zwei hirzenhörner uf dinem heim dines houptes; mit
denen wappen und zeichen du solt striten und den tüfel
überwinden und in ew^enklich durchschießen, w^nn er
dich versucht; wann du hast in gelaßen und darumb so i5
wirt er wider dich und alles din gesiecht allweg sin,
und du müßt vil von im liden, e du enpfachest die krön
der Überwindung; und von der höche oder hoffart diser
weit müßt du dich demüetigen, darumb daß du in den
geistlichen richtungen werdest erhöcht ! Und darumb so 20
bis stät, wann die gnad gotts wirt din sele behüeten und
behalten! Und uf dise wort gab im der bapst sinen
heiligen segen. Darnach gieng er heim und betet unsern
herren an und bat unsern herren flißenklich, daß er im
verliehe liden und gedultikeit, w^ann zu den selben ziten -5
was groß durechtung der cristenden mönschen in dem
römschen land und besunder der vorgemeldet keiser
Adrianus durechtet die cristenen mönschen gar vast als
lang, unz er underwiset w^ard durch Schriften und ouch
der jungem der zwölf boten, die allenthalben lerten und 30
25. liden, Geduld, Ergebung.
26. durechtung, Verfolgung.
predieten, er solt Jherusalem wider uf bringen, ais er
ouch darnach tet. Und do er Jherusalem wider uf bracht,
do besatzt er's mit cristenen mönschen und darnach ward
der keiser genempt iilya. Und darumb von der vor
5 gemeldeten durechtung der cristenden mönschen Ueß der
vor genant Theodricus alles sin gut, bürge, hüser, aker
und matten und alles, das er hatt und schied von heimen
und kam zu einem herzogen von Burgunn [4] in sinen
hof, wann er was wol redent, sittig, güetig und mannlich
10 und in allen sinen üebungen und werken streng und
schnell. Darumb daß er in allen sinen sachen so redlich
was, do behüb in der herzog bi im und wolt in nit laßen.
Nu list man ein groß wunder von dem vor genanten
Theodricum, das im begegnet an des herzogen hof. Es
1 5 begab sich uf ein zit, daß der erst genant Theodricus eines
morgens uf stund von sinem bett und allein sin hemd
und nachtschüch anleit. Also hat der herzog einen löwen,
der begegnet im zornlich, als er in bißen wölt. Do hüb
uf der vil genant Theodricus von Stretlingen sine fust
20 und band und tröwt dem selben löwen mannlich und
schrei in an. Alsobald ließ der low allen sinen zorn,
der grimm gegen im was und leit sich für in nider zu
sinen füeßen und erzeiste sich früntUch zu im mit sinem
1—4. Zu dieser Stelle findet sich in der Handschrift folgende
Randgloße: «Diser weis die historias nit, dan Elia ist nach dem
keiser und nit der keiser nach Iren gnamset worden!» So meldet auch
übereinstimmend die Tradition, Kaiserchronik II, 551 v. 7245 — 47,
ib. III, 822. In der Universalchronik des Martixus Polonus heißt
die Stelle: «Iste Judseos rebelies secundo subjugavit, urbemque
Hierosolymam restauravit; non Judaeos, sed alias gentes ibi po-
nendo etc. Adrianus etiam restaurata Hierosolyma praecepit, ne cui
Judoeoruni daretur licentia intrandi, sed tantum Christianis. Et quia
vocabatur Aelius Adrianus, voluit ut Hierosolyma vocaretur nomine
suo, Aelia etc.» Sp. 42.
swanz ze bewegen, daß den hüeter des löwen und alle, so
in dem hof warent, darumb wunder nament und (er) ouch
den hüeter, der sin warten solt, dik beiß, wiewol er in
bekannt. Harumb alle die, so an dem hof warent, dem
vil genanten von Stretlingen züleitent für ein große
mannheit und ouch durch des cristenen glouben, so er
an sich hat senomen.
Ein ander groß ivunder und zeichen von dem ohgenanten
Theodrictis, wie er dem herzogen von Burgunn
einen strit gewan schlafent. lo
Man liset also, daß zu den selben ziten ein küng
von Frankenrich und ein herzog von Burgund groß un-
maßlich sorgsamlich kriege wider einandern hattent und
liden und kumber einandern [5] antatent. Es fügte sich,
daß si sich mit großen zügen und volk gegen einandern 15
leitent und mit einandern striten woltent, und ordneten
beid wider einandern ir spitze der lüten und was ietweder
teil uf einem berg und ein tal zwüschent inen. Do ward
der künig von Frankenrich zu rat und schikt sin botschaft
zu sinem Widersacher, zu dem herzogen von Burgunn, 20
daß er einen vechtberen man wol gewapnet in sinem
volk usfüchte; das weit er ouch tun, und daß die zwen
mit einandern kampftent und vechtent, und weler under
inen obleg, da sölt des andern teil an allen schaden dem
herren mit aller macht undertänig sin und den strit also 25
han gewunnen. Das geviel beiden fürsten und herren
wol und also trat einer von dem volk des kün^es von
4. Einen ähnlichen Zug erzählt die Sage von Kuribohi, Grimm,
deutsche Sagen (2. Aufl.) Nr. 471; Uhland's Schriften I, 173.
24. an, ohne.
8
Frankenrich harfür, ein großer, wolmügender, starker man
in kreften, mit dem namen Dodo, der mit heim und
panzer und anderm vechtberen züg wol zügerüst was und
kerte sich wider das volk des herzogen von Burgunn
5 und ruft uf also : warumb oder durch welcher sach willen
sind ir har komen zu disem strit ? Gebent mir einen
man herfür, der mit mir allein vechte! Ueberwindet er
mich dann, so werdent wir üwer knecht und diener und
wellent üch undertänig sin; ist es dann sach, daß ich in
10 überkom und in slach oder töd, so werdent ir unsre knecht
und söllent uns dienen und undertänig sin ! Und semliche
und ander mannliche wort redte er etzwie dik zu inen.
Als dise w^ort und anmütung hört der herzog von
Burgunn, do ließ er in allem sinem volk und beer uf-
15 rüefen und sagen, ob ieman da were, der disen man weite
understan mit im zu vechten ; weler das tat und sin
Widersacher überwund, den weit er rieh machen und be-
gaben mit großem gut und darzü wölt er im sin tochter
geben. Als das hört Theodricus von Stretlingen, do
20 erlüchte in die gnad gottes in sinem gemüet und sprach
zu dem herzogen: ir söllent nit erschrecken von sinen
mannlichen worten! Ich bin üwer knecht und wil [6]
mich understan, mit im ze vechten, ze kempfen und ze
striten ! Do sprach der herzog zu im : gang hin und der
25 herr si mit dir! Also gieng er hin und wapnete sich und
gurte sin swert umb sich und leite doch sin heim nit
uf sin houpt. Er gesegnete sich aber mit dem zeichen
des heiigen crützes und befalch sich dem allmechtigen
gott und gieng darnach an das end, da er vechten wolt
10. üherkomen, überwinden.
11. seinliche, solche.
12. etiiuiej etesiüie, ziemlich, sehr.
29. end, Ort, Stelle.
9
und wartet sines widersechers und viendes. Und als er
daselbs wartet, do begreif in ein harter slaf, daß er
entslief und in sinem slaf düchte in, wie er vechte und
kämpfte mit sinem viend und in dem selben troum kämpft
er mit im selbs, daß der sweiß von allem sinem Hb gieng 5^
und der schum und speichel von sinem mund in maßen,
als ob er wüetend zornig were. Uf das selb so kumpt
Dodo, der kempfer und vechter des künges von Franken-
rich und gesiebt in also bereit stan und aber slafent. Do
viel ein semlich vorcht in in, daß im was, ein plil oder ^^
ein stral oder schoß gienge im durch sin herze und vieng
■^n und sprach vor allen denen, die da gegenwürtig waren :
so der man w^ider mich vichtet slafent, w^as möcht er
dann tun und vechten mit mir wachent? So leider ich
bin überwunden von im. Daß ich well vechten mit i>
disem man, das zimpt mir nit. Ich han vor mir gesechen
und ouch vor üch allen — und gesich den noch zu siner
rechten band — einen starken ritter mit dem namen
sanct Michel, den erzengel mit einem bloßen sw^ert, us-
gezogen von der scheide ; der hat zu mir gesprochen : es -^
si dann sach, daß du abiaßest und nit vechtest, so müßt
du und alle die dinen nider geleit werden und umbkomen!
Do das der küng von Frankenrich hört, do bekant er,
daß er überwunden were und in ein herzog von Burgunn
überwunden hett. Der herzöge von Burgunn dankete -5-
und lopte großlich den allmechtigen gott und den heiligen
erzengel sanct Michel.
21. SO, sonst.
27. Dieser Zweikampf des schlafenden Ritters auch bei Justinger
erzählt. Ausgabe von Studer p. 16. Dieselbe Sage poetisch be-
arbeitet von Gustav Schwab «Der Sieger im Schlaf», in Hottinger
& Schwab, die Schweiz in ihren Ritterburgen, II, 330.
10
Darnach sprach er zu dem Theodrico von Stretlingen :
beger von mir, was du wilt, das sol dir verfolgen und ob
du von mir begerest halb min herzogtum, es sol dir
werden ! Daruf antwurt im herr Dietrich [7] von StretÜngen, '.
5 er wölte im nüt höischen, sunder weite er das ganz und'
gar zu im setzen in sinen willen und weit im des ouch
genzhch wol truwen. Der herzog . enplieng dise wort in
großer dankbarkeit, und also gab der herzöge von Burgunn
herrn Dietrichen von Stretlingen sine tochter zu einem
^o elichen wibe, die was Diemut genant, und ein hüpsch
land zu ir mit dem namen das minder Burgunn und den
Wendelsee mit vil bürgen da umb, die vormals von den
beiden gebuwen warent; und besunder den Burgunnberg,
da vormals geseßen was der küng Wandalorum, des
15 Volkes also genant und das land und ertrich umb Stret-
Hngen an dem hüpschten end, und ouch von gutem
gesundem luft was, als man das wit oder verr möcht
finden. Und darumb ward es geheißen zu dem giildinen
luft, daß land und ertrich so fruchtber daselbs was, es
^^ were von böimcn, zwien, von gutem waßer, die über-
flüßig da warent. Es ward ouch umb den Burgunnberg,
das man nü zu unsern ziten nempt /*;/ Bürgen von des-
selben geliehen als erst geschriben ist, von aller genucht-
same und fruchtberkeit wegen genempt zu dem giildinen
^5 hof ; das man aber nü in die gewonheit hat bracht und
man nempt zu Spietz, ouch von semlicher mengerlei
fruchtberkeit, es si körn, win, fleisch und alles des, so der
mönsch sol leben, man an dem selben end wol mag
haben. Es ist ouch genempt umb Stretlingen und zu
30 -Einingen in dem Paradis umb semlicher komlichkeit wegen
2. verfolgen, verabfolgt werden.
23. genuchtsawe, Fülle, Ueberfluß.
, 30. homlichheit, Bequemlichkeit. .
II
als obstat, der fruchtbcrkeit des lands, ouch der lustigen •
brünnen und waßer, so da umb ist, ouch von der heiligen
engelschen hüt wegen und daß der allmechtig gott da
vil Wunderwerk durch den heiigen erzengel sant Michel,
daselbs orewürkt hat. Und von meno;erlei fruchtberkeit 5
und heilikeit, so da geschehen ist vor alten ziten, als
man das harnach in disem buch wol findet, so gelichet
es sich dem irdeschen paradise und ist ouch darunib also
genempt.
Harumb ist ze wüßen, daß der vil gemeldet herzog lo
von Burgunn dem dik genanten herren Dietrichen von
Stretlingen gab das selbe land , das man [8] nempt das
minder Burgunn, als obstat, mit bürgen und wesen, als
es dann zu den selben ziten ist gesin zu ringumb fri und
ledig zu siner tochter Demut und darzü gab er inen zu 15
estür einen großen schätz von gold , silber und edlem
gestein und ander kleineder vil und schikte si also von
im an das selb end mit großen eren und befalch im, daß
er durch den cristen glouben solte striten, vechten und
den behalten, als verr er möcht, als er ouch tet. Er 20
befalch im ouch, daß er an dem selben end der mindern
Burgunn mechte im selbs und siner husfrowen, wa er
wölte, ein wonung userkiesen und erwelen, da er möcht
sin und den cristenglouben beschirmen und darin sterben.
Darumb erwalt er im selbs us ein end, das im geviel und 25
in beducht an dem lustigesten und frölichesten end von
gutem luft, als obstat und darumb nampte er es an dem
selben end zu dem guJdinen Infi und das sloß, das er
buwt daselbs, Stretlingen, von des strals wegen, ouch von
des kampfs und viichtens wegen, so vormals durch in 30
20. ah verr, so sehr.
22. wa, wo.
10
12
beschechen was. Und wann er dennocht keinen erben
hat, do empfal er sich gott dem aUmechtigen und dem
wirdigen erzengel sant Michel, den er inbesunders eret,
daß er im ein erben geb. Und der aUmechtig gott erhört
5 sin zimliche bitt und sin husfrow Demut w^ard swanger
und gebar einen sun, der ward genempt Albrecht. Den
selben sun si underwisten und lerten in sitten, in tugenden
und in allem dem, das dann sinem stat zugehört, daß er
ward ein frommer, redlicher, ufrechter herr. Darnach in
vil ziten dem vil genempten herren Dietrichen von Stret-
lingen und Albrecht, sinem sun, schickte gott zu, daß ir
gesiecht sich meret und inen vil sün und töchtern wurdent;
und darnach die alle von diser zit schiedent. Der aU-
mechtig gott si inen allen gnedig! Amen.
I, dennocht, damals noch.
5. ähnlich, geziemend.
8. stat, Stand.
[9] DAS ANDER CAPITEL, WIE DIE HERREN
VON STRETLINGEN ZUO DEM ERSTEN IN
DISEM MINDERN BURGUNN GOTTES-
DIENST GEFORDERT HAND.
H
ie liset man, daß zu denen ziten, do man zalt von 5
der geburt Cristi zweihundert und achtzechen jar
under dem bapst Calixto, der fünfzecheneste bapst nach
sant Peter (was ouch ein keiser mit dem nanien Philippus
Materno oder Aphilo), ist gesin ein herr von Stretlingen
mit dem namen Bertoldus, der aller siner vordem in allem 10
guten ist gesin ein nachvolger. Und wann er ouch sinen
vordem wolt etwas nachtun, dadurch gott und sin heiligen
gelopt und geeret wurdent, die ouch sin vordem geeret
hattent und durch insprechen des allmechtigen gotts, der
ouch im selbs in den muren des sloß und veste Stretlingen 1 5
ein hus userwalt, da er möcht angebeten werden und
ouch der erzengel sant Michel und ander engel und ouch
besunder heiigen da geeret w^urdent: nü ist zu wißen
allen denen, die darumb nit wüßent, daß in allem disem
land, das man nempt in Burgenden oder das minder 20
Burgunn, in keiner statt, veste oder sloß was kein kilch
7. Calixt I. 218 — 223.
14
noch cappel nach cristenlichem sitten und gewonheit noch
nit gebuwen. Und wann das nü nit billich was, daß
cristenmönschen also söltent wislos gan und der wirdig
erzengel sant Michel nit geeret werden, den ouch die
5 herren von Stretlingen vorhar geeret hattent und inen
ouch allwegen hilflich was gesin : darumb durch die götliche
fürsichtikeit [lo] ward ein habitacel und ein wonung von
dem vor genanten herren Bertold von Stretlingen in sinem
sloß gebuwen, da gott und der wirdig erzengel sant
^^ Michel von im und allen cristenmönschen ward geeret.
Darumb list man gar ein groß wunder und zeichen, das
in dem selben sloß und bürg von sant Michel geschach.
£in zeichen, das zu Stretlingen geschach.
Man findt also geschriben, daß der vorgenant herr
^> Berchtold von Stretlingen nam ein wib, mit dem namen
Aureliana, die gebar im einen sun, den namptent si Sifrid.
Do er also erwuchs und groß w^ard, do ward er beseßen
von dem bösen geist. Der selbe böse geist tet im groß müej
und arbeit, kumber und liden an, vier ganze jar, in dem
2<^ selben zit im niemant kond noch mocht ze hilf komen.
Durch die selben sach der vorgenant herr Berchtold von
Stretlingen kam in ein semHche ungedult, daß er alle die,
die für das selbe hus und bürg Stretlingen giengent, be-
roubete. Das tet er darumb — wann das hus und veste
^5 nach w^as bi der gemeinen lantstraß — ob er ieman
kond begrifen, der in könd leren und underwisen, daß
sin sun möcht gelediget werden von dem bösen geist.
Also ward er von einem heiigen man gelert und under-
wiset uf ein zit, daß er sölt den heiigen erzengel sant
3^ Michel und all ander engel anrüefen empzenkUch und all
tag mit einem semlichen gebet, als hie nach stat, so
wLird er erlöst; das ouch der vor genant Herr [ii] Berch-
told all tag mit großer andacht volbracht. Und was das
dis gebet: o du heiliger sant Michel, ein erzengel Cristi
des herren ! Durch die ^nad, die dir £;eo;eben ist von
gott, so bitten wir dich durch den eingebornen unsern >
herren Jesum Cristum, daß du uns erlösest von dem
band und strik des bösen geistes! Amen. Von disem
gebet ließ sich der vil genant herr Berchtold von StretHngen
keinerlei sachen nit abtriben noch irren, dann daß er das
all tag nach underwisung also volbracht. Und uf ein zit ^^■
von gottes geschieht gieng ein priester uf der vor genanten
Straß für und der vor genant herr Berchtold hieß in vachen
und berouben. Do nü die knecht kament und den priester
also woltent vachen, do bat er die knecht und die diener
des herren, si söltent in selbs zu dem herren füeren, i5
wann er kond und was geschikt der kunst, die beseßen
lüte zu besweren und hatt ouch bi im zu der selben zit
die büecher, die darzü gehortent und sprach ouch zu den
selben knechten, er hett mit dem herrn etzw^as heimHchs
zu reden, Do si nu den priester fürtent zu dem herren 20
und er zu dem herren kam, do bat er den herren, daß
er alles sin husgesinde züsamen berufte, daß er inen das
gotzwort verkunte. Do si nü alle besamnet waren und
für sin ougen kament, da w^as einer under dem husgesinde,
der ouch kamrer oder keller was. Do derselbe disen 25,
priester ansach, do verkert er sine ougen in sinem houpt
und traite sin houpt wunderlich umb als ein unsinniger
mönsch. Also beswür in diser heiliger priester us sinen
büechern und fragte in, wer er were und umb was sachen
er dar komen were, daß er das da offenlichen kund tet; 50
und umb ander ding fragte er in, die dann zu dem be-
II. {geschieht, Schickung.
i6
sweren dienent. Do antwurt der kamrer oder keller: so
leider ich muß bezwungenlich das sagen, wie ungern icli
das tun. Icii bin nit ein menscli, [12] sunder ich bin
der tüfel und han aber eins mönschen gestah an mich
5 genomen und bin also vierzechen jar bi disem herren
gesin und han sinen sun mit dem namen Sifrid gemüejet
und bekümbert, wann unser fürst hat mich also darumb
har geschickt. Und besunder wann diser herr dis huses
sines patrones sant Michels gedächtniß nit hett und im
10 ere tet, so möcht ich minen gewalt an in legen und in
töden und erwürgen und besunder, wenn ich in fund in
bösen werken, daß er dann unser solt sin. Darumb uf
welen tag er sin gedächtniße mit bet nit tat, daß ich dann
also min gewalt an im solt han. Ich han aber daruf
1 5 gewartet alle tag und kond nie finden, daß das nit beschäch
und das selb nit underwegen ließ. Von disen wort erschrak
der vil genant herr Berchtold von Stretlingen und viel
nider uf sine knie für den seUgen man und priester und
bat da von im gnad. Diser heiliger man sprach zu dem
20 tüfel, daß er enweg füer an das end und statt, da dem
heiligen sant Michel kein ere geschäch und da er nit
w^urd angerüeft und nachdem im der seUg priester enweg
gebot, do verswand der tüfel. Den vorgenanten herren
bracht darnach der selig priester zu einem guten, vol-
25 komenen, cristenlichen glouben und hieß in da bi in dem
selben sloß und bürg angends einen altar buwen in der
ere sant Michels, des heiligen erzengels und underwiste
in in andern guten Sachen und besunder, daß er den
altar und all ander kilchen, die zu im gehortent, in groß
.30 sorg und liebe hett und er die selben volkomenlich wol
versorgete. Ouch gebot und bat in der selig priester,
26. angends, sofort.
17
daß er allen priestern zucht und ere tat und die beschirmete
und darzü die heiligen empter der meßen andechtenklich
und gern horte; daß er ouch der armen lüten nit ver-
geße und ir indenk were. Ouch bevalch er im ernstlich,
er sölt das roubgüt ganz und gar wider geben, so er het 5
den lüten abgenomen.. Nach diser manung [13] und
bitt do begab sich der vil gedacht herr Berchtold von
Stretlingen und gab enweg und ersatzt alles das, so er
hätt geroubet und unredlich an sich hat gezogen und
verwandlete sin leben zu allen guten sachen und buwte 10
äugendes ein cappel und altar uf das sloß und bürg
Stretlingen. Den selben altar und cappel ließ er in der
ere des hochgelopten erzengels sant Michels wichen.
Und wann nü zu den selben ziten kein ander kilch
in dem selben land was des mindern Burgunn, do bat er i5
mit geflißnem ernst den vor genanten priester Adelberch-
tum, der nü täglich und allweg an sinem tisch an siner
siten sin spis und trank nam mit im und sinem gemachel,
daß er bi im wölt beliben und im und andern cristenden
lüten, da umb geseßen, wölte ie zu ziten meß sprechen 20
und si weite dabi in cristendem glouben underwisen und
leren und die Opfer, ouch andere rechtsame der heiligen
kilchen wölt von inen nemen, davon er sich möcht
bekleiden oder anders, so er bedörfte, davon möchte
bruchen. Die zechenden allenthalben da umb in dem 25
ganzen land derselbe vil genempte herr von Stretlingen
von einem stül von Rom erwarb ufrechtenklich und im
ouch daselbs geUchen und geben ward und besunder die
13. Diese Erzählung ist die Nachahmung einer Legende «der
Raubritter und sein Kämmerer» bei Pfeiifer, Marienlegenden Nro.
XIV und von der Hagen, Gesammtabenteuer LXXXVI (III, 561
und p. CXXVI, wo auch ahfranzösisciie und andere Bearbeitungen
genannt sind).
i8
zechenden uswendig und inwendig den zweien waßern,
ncmlich der Cander und der Ar und enent dem Wendel-
see, den man nü nempt den Thunsee bi vil milen, - die
er dem selben kilchensatz züleit und ouch das also ufnam.
5 Der vorgemeldet priester zu den götlichen emptren flißig
und ernstig was und besunder die mönschen zu cristen-
lichen sachen und guter gewonheit zu bringen durch die
guten werk, die er üebte, er vil lüten in cristenden glouben
züsamen bracht und samnete.
10 [14] Wie sich unser herr einem von Stretlingen erzöigt an
dem waßer der Kander.
Darnach in vergangnen ziten der vor genante herr
Sifridus, der sun des vil genanten herrn Berchtolds von
Stretlingen, der sach und hört, wie dann sin vater und
ander cristenlüt inen selbs userwaltent besunder heiige
15 patron und fürbitter der heiligen und begerte ouch also
zu haben ein patron und heiigen. Do er nü semlichs
begert von ganzem herzen, do leite im der vor genant
priester Adelberchtus für ein buch, da man gemeinlich
all heiligen inne nempt und man das ouch nempt nach
20 der latin das letany-büechUn. Do er nü das buch uf tet
und da begert von ganzem demüetigen herzen eines
patrones, do wolt gott nach sinem begeren, daß im sant
Michel einest, zwürent oder dristent fürkam, den er ouch
mit ganzem andechtigen herzen also ufnam und im ouch
25 mit ganzem fliß dienete. Und besunder, was man in
siner ere was bitten, das verseit er nieman, besunder was
er das mit einem fröUchen willen verhengen und geweren>
als verr er mocht.
25. einest, einmal; ^viirent, %wirent, zweimal; dristent, dristnnt,,
dreimal.
19
Nu liset man das für ein warhelt von im, daß bi
dem waßer der Kander, das da nach ist bi dem sloß oder
buro: Stretlin<2:en, zu einer zit im summer das waßer der
Kander also groß was, daß man das nit wol mocht
waten, dann mit einem roß das riten. Und also wolt 5
der ob gemeldet Sifridus von Stretlingen alleinig mit sinem
pferd riten durch die Kander. Also vand er einen us-
fetzigen bi dem waßer sitzen, der also unrein und un-
geschaffen was, als kein usfetziger oder maletziger [15]
iemer mag gesin und ouch ein semlich grüwcnlicher 10
großer ungeschmack und stinken von dem usfetzigen
gitng, daß das kum ieman mocht liden. Der selbe usfetzig
bat den vor genanten herrn Sifriden von Stretlingen in
der ere sant Michels, daß er in für sich uf sin pferd
satzte und in durch das waßer fürte. Das verseit er im 15
und wolt es umb kein sach nit tun. Der usfetzig leit
flißig und ernstlich bitt an in und besunder sprach er:
ach lieber herr, ir habent doch nie keinem mönschen hilf
noch rat verzigen, der üch hat gebeten in der ere sant
Michels des erzengels und wellent denn das mir nü ver- 20
ziechen? Nach sölicher flißUcher bitt und ermanung
I. Die folgende Legende ist dem C^sarius von Heister-
bach nacligebildet (vergl. Einleitung). De miraculis et visiotühus snl
temporis s. dialogus miraculoriim, Hb. VIII, cap. 32: «Erat in regno
Francorum episcopus quidam cetate juvenis, sed magna religionis etc. Hie
iantce fuit pietatis, niisericordia ac humilitatis, tit equitans in via, neminem
leprosum sihi occiirrentiiim sine eleemosyna prateriret ; Scepe etiam de eqiio
descendit et petentes pneveniens, nummis manilms illonim, tanqiiam Christi
ga^aphilacio imwissis atque deoscidalis, iteriim ascendit et processit.» Dann
wird eine ähnliche Geschichte erzählt, wie Christus unter der Ge-
stalt eines Aussätzigen (vergl. ib. cdp. 31 und 33) dem Bischof be-
gegnet und diesen zu etwas weit Eckelhafterem bewegt.
9. maletiig, malätiic, ausfätzig.
19. verzigen part. zu verißhen, versagen.
20
demüetigete sich der vor genante herr von Stretlingen und
trat harab von sinem pferd und nam in in sin arm und
satzte in für sich uf das pferd und fürte in also durch
das waßer der Kander; und alsbald er in hinüber gefürt,
5 do ilt er und were gern von im gesin und satzte in
nider. Do vieng der usfetzig aber an zu bitten und bat
als vast als vor und vil me, daß er also wol weite tun
und in wölte küßen aber durch sant Michels willen. Der
herr ward zornig und w^olt das nit tun umb kein ding;
10 do viefig der usfetzig an zu w^einen und mit w^einender
stimme in zu bitten, daß er in küßte in der ere des
lieben heiHgen sant Michels. Nu hörent, w^as da beschach.
Der herr w^ard bewegt zu erbarmherzikeit und gieng harab
von sinem pferd und küßte in. Alsbald der herr das
1 5 getan hat, do sprach der usfetzig zu im : du solt wüßen,
daß du küßet best Jesum Christum, der da gesprochen
hat in dem ewangeUo: wer sich demüetiget, der wdrt
erhöcht. Und uf das do sprach er fürer zu im: gesich
obsich! Und do er uf gesach an die himel, do gesiebt
20 er sant Michel den heiigen erzengel, [i6] der im bereit
hat ein statt in dem rieh der himeln und alsbald ver-
schw^and er. Darnach dienete der selbe herr fürer mit
großen fröiden und andacht dem allmechtigen gott und
ouch sant Michel unz uf sin lestes end. Darnach in
25 vergangnen ziteh und tagen schied er von diser zit. Der
allmechtig gott si im gnedig!
Darnach in vergangnen ziten Heß der ob gemeldet
herr Sifrit von Stretlingen einen sun mit dem namen herr
Caspar von Stretlingen. Der selbe herr Caspar hat ein
30 husfrow^en, genant Cristina, die allen priestern, die dar
18, fürer, weiter, ferner.
24. un:{^, bis.
21
kament, früntlichen was und warent ouch allem gemeinem
volk und armen lüten getrihve beschirmer, darzü vil dienst
und mengerlei gaben und miltekeit si inen bewistent.
Aber der erst genante Herr Caspar von Stretlingen was gar
ein strenger scharpfer man wider sin viend; und w^as 5
der tugend der gerechtekeit zugehört, da was er geneigt
uf das selbe ze volbringen ; aber gar ein herter w^üetender
richter was er wider die dieb, röiber und ander übeltätig
lüt: er dorst wol umb schaden eines pfennigs, der ieman
da geschach, einem sin leben abnemen. Er hankte ouch ^o
dik an sinen gürtel strik, so er us sinem sloß gieng, daß
er denen, so schuldig warent des todes, kein lengrung gab
irs lebens. Darumb list man ein groß zeichen, das da
von im geschach in dem sloß Stretlingen.
4. Diese Geschichte hat Kit:ur2:er ebenfalls fiist wörtlich aus
C.ESARiüS VON Heisterbach (vergl. Einleitung) übersetzt mit einer
einfachen Namensveränderung. Dialogus miraculorum, Hb. VI, cap. 26:
«Bertolphiis Palatinus de Witillimhach judex erat severissimiis, ita utfuribus,
etiam pro danino iiniiis oholi, vitam auferret. Et sicut a quodam abhate
aiidivi, quotiens exivit, laqueos cingulo siio appendit, ne reoruni pjena caperet
diJationem. Die qiiadam mane surgens et laqueum cingulo suo solito sulmectens,
hujusiuodi vocem in aere audivit: Bertolphe, quicunque tibi egresso de
Castro tuo prinius occurrerit, hoc hiqueo euni suspcndas. Oui vocem pro
omine accipiens, mox ut egressus est, occurrit ei quidam scultetus suus
primo, quo viso, cutn satis doleret, eo quod hominem dUigeret, dicebat
Uli : Doleo de occursu tuo. Cui ille respondit : Quare ? Cui ille : Quia
suspenderis. Et ille : Quare suspendar ? Respondente Uli Palatino : Nescio,
sed pr^epara te ad confessioneni et ordina de rebus tuis, quia voci divtna
resistere non debeo. Ille videns aliter esse non posse, ait: Justus est
dominus, ego plures in domiim nieam declinantes insequins occidi, multis
sua rapui, nee tibi domino meo unquam fidelis extiti, neque pauperibus
peperci. Et mirati sunt omnes audientes ejus confcssionem et cognoverunt,
in ejus niorte peccati pcenam esse a deo etc.»
9. dorste, proet. zu dürren, tiirren, wagen, hier können.
22
[ly] Ein zeichen, wie he fr Caspar von Stretlingen sinen
Schultheißen selber hankt.
Uf ein zit eins tages den morgen früe diser herr
Caspar von Stretlingen nach siner gewonheit strik an
5 sinen gürtel hankte; do er nü zu sinem sloß us gieng,
do hört er in dem luft ein stimm, die ruft also zu im:
Caspar, den ersten mönschen, der dir hüt bekumpt und
entgegen gat, den soltu mit dem strik, so du an dich
gehenkt hast, erhenken ! Er gesach hinder sich, do gesach
10 er sant Michel im erschinen uf der mur sines sloßes, der
also mit im redte. Alsobald er für sich gat, so begegnet
im des allerersten sin Schultheiß ; des er gar sere erschrak,
wann er was im lieb und getrüwet im wol. Also sprach
herr Caspar zu sinem Schultheißen: mir ist leid, daß du
15 mir hie begegnest. Warumb Heber herr? Darumb, sprach
er, daß ich dich muß henken. Er fragt sinen herren,
warumb er in wölt henken. Do antwurt im sin herr:
ich weiß nit warumb, darumb so bereit dich mit der
bicht und orden din ding, wann der engelschen stimm
20 oder daß der wille gottes dabi ist, darwider wil ich nit
tun noch sin! Do dise wort sin Schultheiß hört und
es ouch nit anders mocht sin, denn daß er sterben müßt,
do sprach er zu sinem herren: der allmechtig gott ist
gerecht an sinen dingen. Ich han disen tod wol ver-
2 5 dienet ! und sprach : ich han vil, die in din herschaft sind
komen, heimUch ertödt; ich han vil lüten beroubet; ich bin
dinen armen lüten unmilt und nit erbarmherzig gesin und
bin dir herr nie trüw gesin und uf hüt so wolt ich dich,
din bürg und alles din gut dinen vienden in ir hende
7. hehimen, begegnen.
19. ordeneu, in Ordnung bringen.
23
geben! [i8] Der herr fragte in, wie er sin verratene weit
han zübracht. Er antwurt dem Herrn und sprach: ich
wolt hüt, so man meß uf disem sloß het gesprochen,
angeleit und wol gewapnet lüt heimlich inlaßen, als ob
si wöltent zu der heiligen meße und die hören, und 5
wenn sie also hinin werent komen, daß si dich getödt
hettent und din bürg und das din also hettent ingenomen
und das beseßen. Und alle, die dobi warent und das
hortent, hattent groß wunder darvon und fundent ouch
äugendes, daß es also was geschikt von im und also 10
ward er angends gehenkt. Und alle, die das vernament
oder sachent, hieltent das für ein beschulte pin zitlich von
gott also geschikt und durch den hochwirdigen sant
Michel also volbracht, daß der herre also bi sinem leben
beleih und das hus, da sant Michel inne geeret ward, 15
behüet. Und also ward hie die prophecie des heUgen
Davides erfült und war gemacht, da er spricht : es si
dann sach, daß der herr selb das hus in siner hüt hab,
so ist es alles umbsust. Und darumb was der vil genante
herr Caspar von Stretlingen den hochgelopten sant Michel 20
in sinem herzen lieb haben und im fürer flißlich dienen.
Darnach schied er von dieser zit. Gott si im gnedig !
Darnach besaß sin . sloß und herschaft sin sun mit
dem namen herr Wernhart von Stretlingen. Der hat ein wib
mit dem namen Susanna. Die selben personen, der herr 2s
und sin frow, die warent gerecht in allen iren dingen und
Sachen, damit si umbgiengen, arm lüt ze trösten mit
Worten und werken, ouch die werk der erbarmherzikeit
den armen lüten erzeigen empzenkliclf und an underlaß.
Und was liebes und gutes si armen lüten [19] oder andern 3»
erzöigtent, das tetent si frölich und mit gutem willen.
12. beschulte pin, verdiente Strafe.
24
Und darumb so list man hie ein groß zeichen und wunder,
das inen zu henden gieng.
Ein zeichen, das da beschach zu Stretlingen uf der bürg.
Es beschach zu einer zit durch verhengniß und zü-
laßens wegen des allmechtigen gottes, daß der tüfel für
s die bürg Stretlingen zu dem tor und tür kam und klopfet
an als ein bilger und begert also in der ere sant Michels
herbrig. Do er nü ingelaßen ward, und w^ann es nü kalt
was, do schikte im der vor genante herr Wernhart sinen
mantel, der nü zwifaltig was und darzü nüw, daß er sich
10 damit takte. Do nü den morgen früe ward, do was der
bilger enweg und sin mantel ouch dabi. Die frow des
herren w^ard zornig und sprach zu irem mann und herren :
du bist vil und dik von semlichem bübenvolk betrogen
w^orden und kanst dich doch nit hüeten und hörst noch
1 5 nit uf, inen w^ol ze tünd ! Der herr antwurt siner frowen
sprechende: liebe husfrow, laß dich es so vast nit be-
kümbern, der lieb heilig sant Michel mag mich des wol
widerumb ergetzen, daß mir min schad ersetzt wirt ! Dise
3. Die Stretlinger Mantelsage ist zum größten Theil
wiederum wörtlich dem C^.sarius von Heisterbach nachgebildet.
Zur Vergleichung stehen hier die correspondirenden Stellen des
betreffenden Capitels, das die bekannte Geschichte vom Ritter
Gerhard von Holenbach erzählt. An der Stelle St. Michaels erscheint
St. Thomas. De miraculis et visionibus sui iemporis s. dialogus mira-
culorum, lib. VIII, cap. 59t «In villa, qine dicitur Holenbach, niiles
qiiidam habitavit nomine Gerardus etc. Hie sanctnm Thomavi Apostolmn
tarn ardenter diligebat, tarn specialiter pne cateris sanctis honorabat, iit
nulli paiiperi, in illiiis nomine petenti eleemosynam negaret etc. Die
qiiadam, deo pennittente, omnium bonorum inimicus diabolus ante ostium
militis pulsans, sab forma et habitu peregrini, in nomine sancti Thonhe
18. ergetzen, entschädigen.
25
sach tet nü der tüfel, daß durch die verlurst des mantels
der Herr kerne zu ungedult und unlidikeit und davon
ursach möcht haben, in ze besitzen und ze müejen. [20]
Und der allmechtig "got verhängte das dem tüfel ze tünd,
daß sin götUche macht und sin will hie erzeig-t wurd. >
Nü Hset man, daß der wirdig erzengel sant Michel
sinen tempel und wonung erzeigt uf dem berg Gargano
in dem jar, do man von der geburt Cristi zalt drühundert
und zwenzig jar. Darnach in kurzer zit wolt der vor genant
herr Wernher von StretUngen von verheißens wegen sin 10
selbs zu dem selben berg, da sich ouch sant Michel erzeigt
hat. Do er sich nü darzü bereit hatt und enweg wolt an
das selbe end in der ere sant Michels, do nam er den
segen von siner husfrowen und zoch ab sinem vinger
ein guldinen ring und zerteilte das in zwen teil (in) siner i>
husfrowen und andern gegenwürtikeit und gab den einen
teil des rings sinem gemachel und husfrowen, und den
andern teil des vingerlis behüb er im selbs und sprach
also zu ir : Hebe husfrow, disem zeichen des halben vingerlis
soltu glouben, und fünf jar gib ich dir zil, daß du min 20
solt warten als eine fromme frow. Ist es aber sach, daß
hospititiDi pelivit : quo siih omni fest iiiatio)ie introinisso, cum esset frigus,
et il/e se algere sitnuhiret, Gerardus cappam suani foderatam, honam
satis, qua se tegeret iens cuhituni, transmisit. Mane vero cum is, qui
peregrinus videhatur, non appareret, et cappa qiuesita non fuisset inventa,.
uxor marito irata ait : Sape ah hujusmodi truttanis illusus estis et adhuc
a superstitionibus vestris non cessatis. Cui ille tranquillo animo respondit r
Noli turhari, hene restituet nobis hoc damnum sanctus Thomas! Hcec
egit diaholus, ut nülitem per damnum cappce ad impatientiam provocaret
et apostoli dilectionem in ejus corde extingueret ; sed militi cessit ad
gloriam, quod diaholus pi\eparaverat ad ruiiiam etc. Nam parvo etnenso
tempore, Gerhardus limina beati Thonite adire voJens, cum esset in pro-
cinctu positus, circulum aureum in oculis uxoris in diias partes dividens,.
18. vingerlin, Ring,
26
ich nach den fünf jaren nit wider kom, so magstu dich
versorgen mit einem andern mann, wa du wilt ! Si verhieß
im das also stet ze halten. Also für er enweg mit großem
kosten zu sant Michels kilchen zu dem berg Garganum;
5 in dem weg und uf der straß er vil widerwertikeit und
ungefels leid. Do er nü dar kam, do bevalch er sich
selbs, sin husfrowen und alles, das er hatt, sant Michel
und an dem selben end vorderte er ein teil des mantels
sant Michels, das im ouch ward. Do er nü von dannen
^o schied und er durch Lamparten zog, do ward er gefangen
und was also vier jar oder nie in einem turn gefangen.
Nü pflag er [21] aber vil und dik ze bitten in der
ere sant Michels die, die in gefangen hattent, daß sie in
ließent gan und besunder was er fürwenden, er hette si
^5 nit erzürnt. Sie antwurtent im und sprachent, si weltent
das nit tun, es were denn sach, daß er inen einen großen
schätz von gut gebe; tat er das nit, so müeßte er da
gefangen ligen. Er sprach aber zu inen : sit dem mal,
daß das an großes gut nit mag sin, so si zwüschent mir
20 und üch der heilig erzengel sant Michel, dem ich mich
ouch hab bevolhen! Und mit dem selben, als er dise
easque corani illa conjimgens, unam Uli dedit et alteratii sibi reservavit,
dicens : Hute signo credere dehes, rogo etiaui ut guinque annis reditum
meum expectes, qiiibus expletis, niihas cid volueris. El promisit ei, qui
via vadens iongissima, tandein cum magnis exi?ensis, maximisque lahorihiis
pervenit ad civitaiem sancti Thoma apostoli etc. Oratorium (beati apostoli)
intravit et oravit, se, uxorem et omnia ad se pertitientia, Uli commendaus.
Post hcec, termini sui reminiscens, et in eodem die qninqueiinium com-
pletum considerans, ingemuit et ait : Heu modo uxor mea viro alten'
nuhet: impedier.it deus iter ejus propter hoc, quod seqiiitur. Qui cum
tristis circumspiceret, vidit pradictum diemonem in cappa sua deavibu-
lanlem ; et ait dcemon : Cognoscis me Gerbarde? Non, inquit, te cognosco,
sed cappam. Respondit ille: Ego sum qui in nomine apostoli hospitium
a te petivi, et cappam tibi tuli, pro qua et valde punitus sum et adjecit :
27
wort sprach, do gedacht er an die fünf jar des zils, so
er siner husfrowen hat geben wider heim ze komen, die
ouch do ein end hattent und verschinen warent. Das
betrachtet er in sinem herzen innenklich und sprach : o du
wirdiger heihger erzengel sant Michel, wie sol ich nü 5
tun, oder wie sol ich min sachen anfachen ? Min gemachel
und husfrow die nimpt nü einen andern man, wann die
zit ist hie, daß ich ir das erloubt han. Ich bitt dich, hilf
mir ietz in minen nöten ! Als er nü also betrüept und
trurig was, do gesach er umb sich in dem turn, da er in lo
gefangen lag und gesach den tüfel mit sinem mantel, der
im vormals us sinem hus Stretlingen getragen. Und der
tüfel sprach zu im : bekennestu mich Wernher, wer ich
bin? Er antwurt im und sprach: ich bekenn dich nit,
aber den mantel, den du da hast, den bekenn ich wol! n
Do sprach der tüfel: ich bin der, der herberg uf ein zit
von dir hiesch und begert bi dinem hus Stretlingen in
der ere sant Michels, und dir dinen mantel enweg trüg;
und das tet ich darumb, daß ich dich und din husfrowen
durch ungedult besaß; aber sant Michel hat dich beschirmet, ^^^
Ego suni diaholus et prccceptiün est iinhi, iit anteqiiaiii honiines cubitum
vadant, in doniiun tiiaiii te transferam, eo quod uxor tiia alten viro
nupserit, et /'am 4n niiptiis cum illo sedcat. ToIIens eum, in parte diei
ah India in Theiitoniam, ah ortu solis in ejus occasum transvexit, et circa
crepuscuhim in curia propria illum sine lasione deposuit : qui domum
suani sicut harhariis intrans, cum uxorem propriam cum sponso suo vidisset
coniedentem, propius accessit, eaque aspiciente, partem circuli in scyphmn
mittens ahscessit : quod uhi illa vidit, mox extraxit, et partem sihi dimissam
adjungens, cognovit eum suum esse maritum, statimque exiliens, in am-
plexus ejus ruit, virum suum Gerardum illum esse proclamans etc.»
Die Heimkebrsage, in der ToJtgeglaubte plötzlich aus der
Ferne in der Heimat eintreffen und von der Gattin an besondern
Merkzeichen in dem Augenblick, da jene eine neue Ehe eingehen
3. verschinen, (von der Zeit) ablaufen, vergehen.
17. hiesch pniet. zu heischen, eischen, abfordern.
28
daß ich das nit vermocht. Darumb so bin ich sere und
vast von minem obern gepiniget und gestraft. Ich bin der
tüfel und kein mönsch. Nu ist mir geboten von sant
Michel an gottes statt, e daß sich die lüte uf dise nacht
5 legent ze slafen, daß ich dich füere uf din sloß oder bürg
Strethngen; wann din husfrow [22] durch min inlegung,
undcrwisung und zutun* dines untrüwen Schultheißen hat
einen andern man genomen, und mit dem selben man
wirt si uf dise nacht hochzit haben ! Und nam in uf sich
i<^ umb die zit, so tag und nacht schiedent und trüg in zu
sinem sloß Stretlingen an alle verserung und schmerzen
und ließ dabi den mantel, den er vormals diepUch hat
enweg tragen, bi im zu einer gedechtniße der vergangnen
dingen. Der vil genant herr Wernher von Stretlingen
15 gieng durch den hof in ze glicher wis als ein frömder
spilman oder aventürer. Do er nü gesach, daß sin hus-
frow und gemachel ein andern man hat genomen und si
also in dem eßen warent und si ouch bi ein andern saßent,
do fügte er sich zu dem tisch hinzu und alsbald er sinen
20 gemachel ansach, do zoch er harfür sinen teil des vingerHs,
* in der Hs. : und dines.
0
will, erkannt werden, ist eine weit verbreitete. Man erinnere sich
des jüngeren Hildebrandsliedes, des edlen Möringer, Heinrichs des
Löwen (der ebenfalls vom Teufel durch die Luft getragen wird),
des Herrn von Bodmann, in der Schweiz der Sage vom Ring zu
Hallwil. Die Stellen sind gesammelt von Uhland in Pfeiffers Ger-
mania IV, 79 (Schriften VIII, 431), Uhlands Schriften IV, 295
und Rochholz, Schw. Sagen a. d. Aargau II, 115, Dazu kommen
ähnliche Züge im Wolfdietrich, Ritter Pontus (cap. 39. Im Buch
der Liebe von 1587, p. 337). Die Sage aus der Stretlinger Chronik
wurde poetisch bearbeitet von Wyß in den Neuen Idyllen p. 302.
Vergl. auch Kohlrusch, Schweiz. Sagenbuch p. 56.
Nicht weniger verbreitet ist die Mantelsa^re. Odin heißt Heklu-
madhr, der Mantelmann. Bei Saxo Grammaticus fährt Hading in
Odins Mantel durch die Lüfte. Grimm, deutsche Mvthologie 133;
29
das si geteilt hattent, do si von einandern schiedent und
ließ das vallen in ir trinkgeschir und trat von dannen.
Sin husfrow hüb alsobald das trinkgeschir uf und vand
da den teil des vingerlis, als si ouch hatt und tet die
stük an einandern, dabi si bekant, daß er ir gemachel 5
was. Alsobald sprang si von dem tisch und viel irem
gemachel und herren an sinen hals und pflag in lieplich
ze halsen mit einem getrüwen kuß und da- offenlich
verjechen, wie er ir rechter man und gemachel were.
Und also ward das hochgezit des brutloufs bekert zu ^o
einer fröid der zükunft des dik gentmpten herrn Wern-
hers von Stretlingen.
Der selbe herr Wernher von Stretlingen bracht ouch
mit im uf die selben zit heltüm, nemlich von einem
mantel sant Michels. Das und ander heltüm Ueß er mit ^5
großen eren uf sinen altar der bürg behalten. Und findet
man, daß er dem priester an dem selben end gab und
ließ den höwzechenden, als man das fint in dem jarzit-
büch (kl. decembris) und darnach in vergangnen ziten
schied er von diser zit. Gott si im gnedig! Amen. ^^
Wolfs Beitrage z. d. Myth. I, ^ u. ff. ; Simrock, Handbuch der Myth.
(3. Aufl.), p. 176. In der christlichen Zeit tritt der Teufel an die
Stelle des Gottes. Verwandte Sagen bei Grimm, M. 980. Fausts
Zaubermantel. Das Motiv von der Rückkehr und dem Wunschmantel
auch in der Sage von Kuno v. Falkenstein; Menzel, deutsche
Dichtung I, 395. — Der Nachbarheiiige von Einigen St. Beatus
bediente sich des Mantels zur Fahrt über den Thunersee. Lütolf,
Glaubensboten p. 38.
9. verjehen, erzählen, eingestehen.
IG. hriitlouf, Vermählungstest.
II. lukimft, Ankunft.
14. heltüm, Reliquie.
[23] DAS DRITT CAPITEL, WIE DIE KILCH
IM PARADIS, DIE MAN NUO Z'EININGEN
NEMPT, HAR IST KOMEN.
Hienach ist aber ein herr von Stretlingen gesin, der
was geheißen herr Arnold von Stretlingen ; der ist nü
5 ein andechtiger man gesin und doch in weltHchen Sachen
wol gezieret; der hat ein wip gehept mit dem namen
Margretha. Der erst genant herr Arnold von Stretlingen
der betrachtet nü mengerlei ungefels, ouch verratene und
mengerlei widerwertikeiten, so da geschechen warent sinen
10 vordem zu Stretlingen, und gedacht ein hus ze buwen,
uswendig siner bürg oder veste StretHngen, in der ere
des hochgelopten erzengels sant Michels, das ouch ein
lütkilch söh sin; und kond kein komlicher statt finden,
denn daß die kilch und gotzhus stüend bi dem Wendelsee,
1 5 und wolt ouch in die selben kilchen und gotzhus dri altar
laßen machen, und ouch daß die kilch, kilchhof und die
altar in der kilchen also von einem bischoff gewichet
wurdent und daß aber der altar und capell gar und ganz
von dem hus und sloß Stretlingen käme und nit me da
20 were. Und hatt darumb wiser lüten gelerter und ungelerter
kondich, bequem.
rat und vieng an in einer matten bi dem Wendelsee, die
da genant ist linder der :^il, das fundament ze graben.
Und do nü die werklüt einen ganzen tag an dem selben
end hattent graben, deren ouch vil was, und an dem
andern tag, do si widerumb kament und aber woltent ^
graben und werken : do fundent si, was si den vordrigen
tag hattent gewerket und usgeworfen, daß das alles
widerumb [24] geebnet was, glich als were vormals nie
kein mönsch da gesin. Do nü diß wunder disem herr
Arnolden also beschach und sinen werklüten, do beschikt 10
er priester, gelert und ander lüt, daß si das zeichen
gesechent. Do si nü das gesachent, do wurdent si zwiflen,
ob si da söltent ein kilchen buwen und si viengent an
den allmechtigen gott ze bitten und den hochwirdigen
erzengel sant Michel, ouch all ander heiligen und engel, 15;
daß er inen kunt tat, w^a si ein kilchen söltent buwen,
und daß also ir gute meinung für sich gieng. Als si nü
also an irem andächtigen gebet w^arent, do erschein inen
der hochwirdig erzengel sant Michel mit vil heiligen englen
under den böumen, die denn da warent und von semUcher 20-
erschinung, so dann uf dem selben zit da beschach von
sant Michel und andern wirdigen englen, do ward die
matt und das selbe end geheißen under der :(ilen :(u englen
böumen, und ist noch hüt bi tag also geheißen. Do
hört man ein stimm von dem wirdigen sant Michel, daß ^S
man da an dem selben end kein kilchen sölt buwen
in siner ere; dann das solt geschechen und gebuwen
werden an dem end des garten oder matten, die da ge-
heißen was die hofstatt des Faradises und die hofstatt
sölt ouch als groß sin, als ein juchart akers oder me, da 30
man ouch einen kilchhof dabi sölt machen. Inen ward
ouch die hofstat von der selben stimm gezeigt, also daß
si solt sin in dem dorf bi dem wes: oder oremeinen straß
32
ob dem Wendelsee und mit namen da ein weg oder straß
gienge von der gemeinen straß an den vor benempten
Wendelsee ; in dem selben garten des Paradises ein brunne
were, der ufwiele oder ein wallender brunne were, der
'5 ouch gemacht were als ein vischsamler und der usgang
des brunnen ouch gienge in den vor genanten see. Die
selbe vor gemeldete stimm mit vil scharen der englen vor
inen hin dann gieng und inen zeigt das end des garten,
des [25] brunnen und ouch die statt des Paradises, als
10 vor stat, da die kilch und kilchhof solt gebuwen werden.
Und do si an das end kament, da inen das alles erzeigt
ward, wa die kilch und kilchhof solt gebuwen werden,
do horten si von der vor genanten stimm, die da sprach :
hie an disem end des Paradises findet man einen schätz,
^) der so groß ist, daß in niemant geschetzen oder bezalen
mag, wann es ist aplaß hie aller sünden. Der arm findt
hie, davon er mag geleben; der rieh findt hie, davon er
liebe enpfacht oder lust und fröid hatt; der gerecht findt
hie gnad; der beseßen mönsch von dem tüfel findt hie,
^^ daß er entlediget wirt; der siech mönsch, der sin begert,
findt hie arznie sines siechtags! Hie findet man ouch
gesuntheit des Hbes und der sele von der bew^egung des
waßers dis brunnen, der durch mich bewegt wirt ze
ghcher wis, als in der bewerten vischtiech vor alten ziten
^ 5 die siechen von hilf und zutun der heiligen englen* gesunt
wurdent, und durch die würkung des heiHgen crützes, so
von dem heiligen land wird komen, das in disen brunnen
wirt gesenket und darin gesteh. Ich han ouch erworben
um gott, daß dise gnad, als ob stat, allen bilgern und
* in der Hs. : englen die siechen.
4. ufwiele conj. praet. zu ufwallen.
24. vischtiech, liier fem. mhd. vischUch. Anspielung auf das
Evang. Johannis 5.
33
mönschen, die von andacht har koment, das sol verfolgen,
beschechen und werden und ouch allen den, die ir gaben
geben ze uffen und ze meren den gottesdienst und das
gotzlius und kilchen hie!
Nach diser stimm und worten do verswand und 5
hört man nit me fürbas. Uf dise geschikt koufte von
stund an der vor genante durlüchtent herr Arnolt von
Stretlingen die hofstatt, den garten und den brunnen
mit allem dem, so zu dem Paradis gehört, von einer
erbern matron und frowen mit irem namen Margreth lo
Mscherin umb vierzig pfund pfennige löiflicher münz zu
den selben ziten. Nach dem selben kouf als dise frow
vernam, in was meinung der herr von Stretlingen das
kouft hatt, do ließ die vor genante frow^ [26] Margreth
Vischerin das alles, so da kouft was, für ein ewige gab i5
ze stür an die kilchen und kilchhof, als man das fint
geschriben in dem jarzitbüch der kilchen Einingen (XVI.
kl. augusti). Der vor genante herr Arnold von StretHngen
ließ an^endes für einen kilchherren an dem selben end
in dem garten und hofstat bi dem brunnen des Paradis 20
gar ein schon, lustlich hüslin für einen priester in sinem
eigenen costen da buwen. Darnach ließ er und beschikt
die kilchen ze buwen und gab darzü alles das, so man
notdürftig was zu dem selben buw flüßenklich und ließ
keinen gebresten, was dann zu dem selben buw^ gehört. 25
Do nü die kilch gebuw^en w^ard mit dem fronaltar, do
ließ er den selben altar inwendig hol machen und das
Lieschach darumb, ob ieman beseßen wurd von dem bösen
geist, daß man den darin besluße und die besw^ornen da
gelidiget wurdent. Den selben vor genanten altar ließ
3. njfen, erhöhen, äufnen.
I r. löi flieh, gangbar.
26. fronaUar, Hochaltar.
34
er ouch wichen in der ere des hochgelopten sant Michels
des erzengels, und der ouch da patron und husherr solt
sin in der kilchen des Paradis und ouch in siner ere also
solt gewicht werden. Er ließ ouch einen altar zu der
5 linggen hand daselbs machen, der da gewicht ward in
der ere der jungfrowen Marien. Er ließ ouch zu der
rechten hand einen altar machen, der da gewicht ward
in der ere aller heiligen jungfrowen und martrer. Er
schikt und ließ ouch machen und wichen den kilchhof,
10 das glogghus, die gloggen, den toufstein, altarbüecher,!
kelch und allerlei ander gezierd, die denn einer lütkilchen^|
zu gehörent, damit man ouch gott und den heiigen könd
und möcht dienen. Und darnach, do diß alles geschikt
und bereit was, do schikte er erlich boten mit demüetigem
1 5 gebet und bitt zu einem bisch off von Losan, der denn zu
den selben ziten da was oder zu sinem Statthalter, daß
er da wichte die kilchen des Paradises, den kilchhof und
[27] die altar und daß er das bald tat; und schreib ouch
ursach, warumb und w^as in darzü bewegte. Und als dise
20 botschaft kam für den bischof von Losen, do nam der
bischof das güetlich uf und was* im das verwilligen und
kam ouch o^ar bald in (nnem kurzen zit. Do nü der
bischof kam, do ward er von herren Arnolden von Stret-
lingen gar loblich und erlich enp fangen mit allem dem,
25 so er im kond zucht und ere erbieten. Do nü der bischoi
verstund sine guten meinung, so er dann vor im hatt,
do underwiste in der bischof gar wislich und leite im die
Schriften für und sprach: enkein kilch sölt nit gewicht
* fehlt in der Hs.
(
I. lidigcu, entledigen.
10. schiken, machen, daß etwas geschieht.
26. itichfj Ehrerbietung.
28. enkein, Umstellung von nelcein, mhd. nebein, kein.
35
werden, si were dann vor begäbet mit gülten und gaben,
die ouch ein iegliciier anvaclier sol begaben und frien
mit sunderlichen friheiten ; und darumb so müeßent ir, e
die wichung geschech, einem priester, der die kilchen und
die undertanen sol versorgen, ein hus laßen buwen bi 5
der kilchen des Paradises, daß er und all sin ewigen
nachkomen da mögent gott dienen, und ouch sin w^onung
da möge han; die selben kilchen begaben flüßenklich mit
renten und gülten, daß er und sin nachkomen keinen
mangel haben; die selben kilchen ouch usmarchen, daß ^^
man mög wüßen, wie wit und verr das kilchspel gang
und also sin narung von gülten möge haben, daß er spis,
kleider und herberg haben mög; bäpstUchen, kaiserUchen
und bischoflichen costen mög tragen und ouch anderlei
burdinen, so einer denn muß haben! Das müeßent ir ^S
tun und das setzen mit Hgendem land, als aker, matten,
garten, reben, zechenden, primitz, alpenweiden, holzern
oder weiden, ahmenden, zinsen, gülten und mit allerlei
ander nutzen, daß er jerlich zu ewigen ziten über allen
costen gemeinlich geschetzt mög haben uf sechzig duggaten 20
in gutem gold, rechter gewicht; [28] daß er ouch die
selben rüwenklich und volkomenlich müg haben ! Ir
müeßent ouch in und sin ewigen nachkomen frien mit
allen den rechten, friheiten, beschirmungen, so dann die
heilige kilch hat und im die gar und ganz geben; des- 25
glichen müeßent ir ouch in und all sin nachkomen, die
güeter der kilchen, wie die dar komen sind, beschirmen
vor aller ungewonlicher erfordrung und beswerniß der
fürsten oder anders gewaltes, und si haben fri und us-
1. vor, zuvor.
2. anvacher, Urheber, Stifter.
9. reute, mlat. renäita, Einkünfte; gülte, Einkommen.
17. priniiti, primitüf, die Erstlinge.
36
besloßen! Und sprach so vil me der bischof, daß die
leien die kilchen iiabent ze liehen; pfrüenden oder altar
habent keinen gewalt, der inen gegeben si von der kilchen
gutes wegen an sich zu ziechen und ze nemen, da die
5 pfrüenden noch nit genügsamklich begäbet sind. Und vil
ander lütrung der friheiten halb bracht er daselbs an den
tag und besunder der kilchen des Paradis halb, das ich
hie zu tütsch nit schriben umb argwans wegen, der hie
erdacht möcht werden; aber wer das begert, der laß im
10 das erlütern und ze tütsch sagen, da ich's an dem selben
cnd laßen: so fint er das luter in der latin in diser
historien. Darnach was der hochgeborn herr Arnold von
Stretlingen mit w^ol bedachtem müt mit rat wiser und
gelerter lüten, die sich des rechten wol verstünden und
I) markten, daß die ding alle, so im der bischof vorgesagt
hatt, billich und müglich und mit Vernunft wol soltent
geschechen und recht werent, ordnen^ und gebot das also ze
tun und verhieß es ouch also ze tun und tet das mit gutem
willen. Er verhieß diß ouch dem bischof angends für
20 sich selbs und all sin ewigen nachkomen, das also ze
halten. Darzü was ouch des bischofs meinung, daß ein
ieglicher kilchherr oder lüpriester, der ie zu ziten da were,
in künfti2:en ziten könd und möcht wüßen die zil und
marchen des kilchspels der kilchen des Paradises.
2^ [29] Hienach findet man, wie die kilch des Paradis
ist usgemarchet.
Der vil genant herr Arnold von Stretlingen wolt
nü die kilchen und kilchspel des Paradises usmarchen
und zeichnen und vieng an und gab der kilchen die
march und zil von unden an dem Wendelsee wider der
* fehlt in der Hs.
i
37
sonnen ufgang unz zu dem sivar^en bach gegen dem
diierren hvel und zu einem gut zu, das man nempt
Giimpenmür, und von dem selben gut hin unz an das
Lappingen und under den fVylerberg unz an die Kander
des waßers; und gab ouch zu der selben zit der kilchen 5
des Paradises zu einer gab und zu einem frien lechen
den dritten teil der Egg, das da zu den selben ziten ward
geschetzt für zweihundert und vier und zwenzig jucharten
Lands und holzes, als man das dann fint in dem jarzitbüch
uf kalendis julii. Er zeichnete und marchete ouch us die lo
kilchen des Paradises gegen der sunnen undergang von
dem gut, das da heißt die breita und stoßt zu beden
siten an die Egg und an Gimdels öig mit dem brunnen
an dem Glitten, der ouch allenthalben daran stoßt und
ouch ander allerlei güeter und also ouch an das waßer 15
der Kander, da ouch zwo Straßen und weg sind inbesloßen ;
der ein weg gat gan Ziuiselberg den ufgang über die Egg
und ab abgang für das büchhol:(^ gegen dem dorf Schorren
unz bi dri jucharten aker, und von den drien jucharten
unz an die siben jucharten aker und von den siben [30] 20
jucharten unz zu den zw^eien jucharten, die da ligent an
der krummen lachen, und von den zwein jucharten, die
da ligent an der krummen Jachen gerad hinus unz an den
Wendelsee, das zu disen ziten hat geheißen zu der alten
trenke; und ouch mit den selben güetern, die da vor 25
benempt sind, die aker, die da gaben und widem warent
der kilchen des Paradis marchet er us, das kilchspel wider
der sunnen undergang und die selben zwölf jucharten
lants, die vor benempt sind mit der hushofstat, die da
lit an dem lualt hinder der cap eilen, die nü zu disen ziten 3^
da ist und ist als vil, als ein juchart oder me, die ist nü
16. widern, Dotation.
38
zwüschent den zwein Straßen oder wegen zu glicher wis,
als ein ortstein, der zwo wend züsamen üegt.
Der dik genant herr Arnold von Stretlingen gab einem
kilchherrn des Paradis und sinen undertanen zu einer merer
5 und flüßiger gab, daß si mit im von der vor benempten
zwölf jucherten wegen mit hushofstatt am watt, daß si
die friheit davon band, daß si rechtsame habent an der
alment und zeigen als wol, als einer von Schorren oder
ander, die da sitzent an dem selben veld, und das gab
i<^ er inen zu einer vorgab an alle beswerniß und intrag.
Er gab ouch einem ieglichen kilchherren des Paradises
in dem selben vor benempten veld all zechenden, die ze
nutzen und nießen zu ewigen ziten; doch mit semlichen
gedingen und fürworten, daß ein ieglicher kilchherr die
I) kilchen im Paradis, so si des notdürftig ist, sol teken in
sinem kosten ; da ich aber, schriber dis büchs mit dem
namen Elogius Kiburger, kilchherr der kilchen zu den
selben ziten des Paradises sant Michels in dem jar, do
man von der geburt Cristi zalt vierzechenhundert vierzig
20 und sechs jar han getekt den vordem teil gegen dem
wTg das tach der kilchen. Und darzü ließ ich ouch
machen einen toufstein, wann ouch zu den selben ziten
der touf in einer holzinen [31] standen oder kübel was;
an den selben toufstein ließ ich ouch die zeichen und
25 wapen miner gnedigen herren von Bübenberg machen
und ouch ein sacramenthüslin von stein in die mur setzen,
wann vormals ward das wirdig sacrament geleit in ein
kisten, da man die meßgewender und meßachel inne
hatt, und dik und vil von «rroben lüten daruf ward ^eseßen.
2. ort stein, Eckstein, Grenzstein.
10. vorgab, Gabe, die man vor einem andern voraus liat.
14. fürivort, Vorbehalt.
28. weßachcl, Meßgewand.
39
Die erst benempten, min gnedigen edlen und wolgebornen
Herren von Bübenberü; ouch zu den selben ziten Herren
Lind patron der kilcHen des Paradises warent; und zu den
selben ziten was* patron und Herr der kilcHen und her-
scHaft Spietz und Stretlingen der edel und wolgeborn Herr 5
HeinricH von Bübenberg, ritter oucH Herr zu Mannenberg
und Wartenfels in dem Ergöw ; darnacH bald in vergangnen
ziten scHied er von diser zit. Gott der allmecHtig si im
gnedig und erbarmHerzig ! Der selbe Herr HeinricH seHg
ließ oucH einen sun mit dem namen Herr Adrian von lo
Bübenberg ritter, der oucH vil gutes Hat getan der kilcHen
des Paradis. DarnacH was er aber usmarcHen und zeicHnen
das kilcHspel des Paradises von dem end von mittag Har,
daß die Kander am end w^as und oucH von dem W34er-
berg Harab unz uf die straß, die da gat an den Zwiselberg 1 5
über die Egg luiz an das buchhol;^. Zu dem lesten was
er aber das kilcHspel usmarcHen und zeicHnen von dem
nortwind Har, das wir zu latin nemment von dem sep-
tentrion, unden an dem see von der alten trenki enmitten
durcH den vor benempten Wendelsee Hinuf unz an den ^o
siuar:;^en back. Und die uszeicHung oder usmarcHung, die
da vor beredt und gescHriben ist, gab er der kilcHen dÄ>
Paradis mit aller der friHeit, als vor geHört ist, oucH mit
allen den recHten, nützen und frücHten, primitzen, zecHenden,
nüwbrücHen, opferen, selgereten, jarziten und [32] alles, ^5
* fehlt in der H«.
9. Heinrich vom Bubenberg, Schultheiß von Bern, der be-
kannte Schiedsricliter im alten Zürichkrieg, gestorben 1464, (auf
p. 107 der Hs. wird er nochmals genannt); sein Sohn ist der berühmte
\"ertheidiger von Murten, Adrian von Bubenberg, 1424 — 1479.
18. nemmen, nennen.
25. selgerete, was man zum Heil der Seele vermacht, Xcvd-
willige Schenkung; nüwhrnch, neu umgebrochenes Land.
40
das einer ieglichen lütkilchen zugehört von recht oder
gewonheit, nützit usgenomen, als man das denn luter
findet in dem latinischen buch, da man das eigenlich wol
erfarn und finden mag. Und satzt also einen kilchherrn
S zu der kilchen des Paradises in liplich Besitzung zu ewigen
ziten, daß der selbe und all sin e\vi2:en nachkomen alle
die rechtsame aller der zechenden halb, nützit usgenomen,
wie dann die zechenden und gülte sind in dem latinischen
buch genempt, solt bruchen, nutzen und nießen als sin
10 eigen kilchengüt, das er von der kilchen also hett. Und
gab so vil friheit me darzü, daß fürwerthin ein ieglicher
kilchherr des Paradis zu ewigen ziten die kilchengüeter
sölt liehen, wie die geheißen werent und die selben von
einem ieglichen nüwen kilchherrn enpfachen soltent und
15 davon einen erschatz geben zu einem zeichen, daß die
güeter der kilchen werint und ward der eeschatz da
benempt, nemlich zwei gute hüener. Und welcher das
überseche und nit tat in zweien maneten darnach, so ein
nüwer kilchherr dar kam, so söltent die selben güeter
20 lidenklich vallen in die hend eines kilchherren; der möcht
dann damit tun als in gut bedücht.
Do nü dise usmarchung des kilchspels also geschach
und begäbet ward, als ob stat, mit allen friheiten, so
dann darzü gehört, do ward der bischof das alles mit
25 gelerten und geloubsamen lüten eigenlich flißlich und
ernstlich laßen merken und inschriben. Und zu den
selben ziten das alles, so hievor geschahen ist der kilchen
des Paradises halb, des vil ist nach der u siegung der latin
und schikte das dem heiligen vater dem bapst, mit dem
15. erschat\, auch eesdmlT^, laudemium, Abgabe vom Lehen-
gute bei eintretendem Wechsel des Belehnten oder Belehnenden.
20. lidenhlich, hier ohne Einsprache eines andern.
namen Dvonisius und das geschach in dem jar, do man
zalt von der geburt Cristi zwei [33] hundert zwenzig und
drii jar. Der selbe heilige bapst ouch dise geschikt alle
ließ bringen zu allen cardinalen, patriarchen, daß die ding
also bewert und bestetiget wurdent und unzertrennlich S
und nit ze mindern, daß alles bestetiget wurd und ouch
das alles zii ewigen ziten kreftig und sterklich sölt also
beliben und man ouch das alles vestenklich sölt halten.
Die andern zechenden uswendig dem kilchspel des Paradises
behielt er im selbs, daß er und sin nachkomen möchtent 10
an andern guten enden ouch gottesdienst meren und ver-
gaben ; aber was von opfer, von zechenden und von allen
rechten, so einer lütkilchen zugehört, wie vor gelütert
ist, solt beliben der kilchen des Paradises; und also ward
das kilchspel des Paradis begriffen mit den marchen ^5
zwüschent denen zweien waßern, nämlich der* Kander und
dem Wendelsee und zwüschent dem büchholz und Gumpen-
mur. Und darumb daß die underwisung des bischofs, so
er getan hat von der marchung und ander gesatzten halb,
so an dem selben end geschechen sölt, und das also 20
behbe, die ouch also unzerbrochenUch wurd gehalten : do
verhieß der vil genant herr Arnold von StretHngen für
sich und all sin nachkomen und erben vor dem bischof,
in künftigen ziten mit der hilfe gottes fürer die kilchen
zu begaben und sin bestes darzü tiiii und besunder, daß 25
ein ieglicher kilchherr des Paradis müeßt zimlich und
erlich sin narung an dem selben end haben. Und begäbet
angends die kilchen und einen priester der selben lütkilchen
des Paradises, daß ein kilchherr daselbs sölt von sinem
tisch geleben als er, als lang, unz daß ein priester oder 3o
kilchherr zu der kilchen zu dem Paradis gnügsamklich
* Hs. die.
geschikt, Angt'legenliciten.
sin narung möcht haben und gült davon möcht haben,
die sich ouch möchtent geliehen den sechzig tuggaten,
als denn vormals die meinung des bischofs was gewesen ;
und satzt da zu einem underpfand nemlich sin hus zu [34]
^ Stredingen mit allem dem, das darzü gehört von allen
gülten, renten, zinsen, friheiten, güetern, ligent oder farent,
wie die dann zu dem hus gehortent, zu ewigen ziten
also ze beliben. Und swür das uf dem heiigen ewangelio
vor dem bischof, der im ouch daselbs den eid gab, diß
i^'» alles gar und ganz, so hie vor stat, ze besteten und
genzlichen an alles zerbrechen halten und besunder die
friheiten, die usmarchungen des kilchspels an alle minderung
ze besteten und Sterken. Do nü dise ding alle, die hievor
geschriben sind, geschikt und geordnet wurdent von dem
1 5 bischof und ouch von herrn Arnolden von Stretlingen —
das beschach nü uf einem samstag und der was uf sant
Michels abent — do berüftent si priester darzü und ander
volk, das si han möchtent, daß si morndes uf dem tag
sant Michels w^oltent wichen die kilciien des Paradis, die
-^^ altar darin ne und ouch den kilchhof.
//i'e findet man, wie sant Michel erschein dem bischof und
'n der ersten w
des Paradises.
dem andern volk in der ersten wichung der kilchen
Als nü der bischof und ander priester und volk da
2) besamnet warent bi einander in der selben nacht in' der
kilchen des Paradises: do erschein inen sant Michel mit
einer großen schar der englen, als si denn uf die selben
nacht gott loptent und zu mettizit und sprach also [35]
zu dem bischoff und ouch zu allem volk: i^and hin in
o
6. ligent oder farent (gut), festes oder bewegliches Gut.
45
die bürg Stretlingen und das heltüni, das ir in dem alter der
bürg tindent*, der in miner ere gewicht ist worden und darin
behalten ist, das bringent in dise kilchen des Paradis hüt
früe und besließent das darin mit loblikeit gottes ! Ir sönd
ouch dabi wüßen, daß es nit notdürftig ist, daß ir die >
kilchen wichent noch die altar oder den kilchhof, w^ann
ich bin der, der üch dise stat gezeigt hat, die kilchen ze
buwen! Ich han ouch si durch mich selbs gewicht, und
den altar zu der linggen band han ich gew^icht in der
ere der künglichen müter und magt Marien. Aber den ^^
altar, der da ist zu der rechten band, den han ich gewicht
in der ere aller heiligen jungfrow^en und martrer; und
den kilchhof mit dem heiigen brunnen han ich zu ewigen
ziten gesegnet und gewicht. Und uf disem sunnentag
hüt so gand in die kilchen — sprach er zu dem bischof ^5
und zu den priestern und zu dem andern volk — und
begand loblich und andechtenklich das ampt der kilchwichi
der altaren, des kilchhofs und des heiigen brunnen und
volbringent das loblichen in lob und ere des allmechtigen
gotts! Und sind mich mit gebet, mit verheißen, gaben, -^
lebenden opfern an disem end eren, und den oder disen
selben tag mit einer engelschen wichi zu ewigen ziten
inschriben und söllent ouch mich zu einem sunderbaren
patron userwellen ! Und w^enn ir das tuend und ich da
also geeret wird, so sönd ir das von mir enpfinden, daß ->
ich üch vor pestilenz, vor einem gächen ungewarneten
tod und von mengerlei ander plagen, so den mönschen
züfalt, wil behüeten und beschirmen! Und nach disen
Worten verswand er alsbald. Do diß also beschechen was,
do ward der bischof mit siner priesterschaft mit vile des 3^
Volkes, die da warent, frölich und ouch dabi gott [36]
* fehlt in der Hs.
I. üHer, mhd. a/fa'rCj Altar.
44
lob und dank ze sagen und viengent all gemeinlich an zu
singen mit ein heller stimme: «o Michahel, ein fürst und
fürweser des Paradis, dich erent die burger der englen 1»
Dis lobgesang was vormals nie gehört worden und darnach
5 mit der gnad des allmechtigen gottes giengent si mit einer
loblichen proceßion zu der bürg StretUngen und das heltüm,
das si da fundent, brachten si mit großen fröiden und
andacht zu rechtem zit und stund zu der kilchen des
Paradises. Darnach uf dise geschikt viengent an die
10 geistlichen priesterschaft das ampt der kilchwichi mit großen
fröiden und lobgesang.
Hie findet man ein groß zeichen, das da geschach in der
ersten meß der kilchen des Paradises.
Do si nü das ampt volbrachten unz uf das opfern,
1 5 do ward gar ein groß getreng und trücken in dem volk,
3. Hierin scheinen sich Anklänge an die überarbeitete, ur-
sprünglich von Alkuin (vergl. Ph. Wackernagel, das deutsche
Kirchenlied I, 87) gedichtete Sequenz de sancto Michaele zu finden :
Summi rcgis archangele
Michahel,
Intende, qui^sumus, nostris
precibus !
Tu deum obsecra pro nobis,
ut mittat auxilium miseris!
Te namque profitemur esse
supernorum civium principeni.
Principalis est potestas
a domino tibi data,
peccantes salvificare animas.
Mem tenes perpetni
potentiam paradisi,
omnes cives te ador'int siiperi !
Mone lat. Hymnen des Mittelalters I, 453.
45
in maßen, daß si nit all mochtent komcn zu dem altar
und ir opfer also daruf legen. Nu merkent, was hie
geschach! Der tüfel, der ein viend ist aller guter dingen,
der ^volt ouch sinen samen in dis guttat sägen umb des
willen, daß die mönschen durch ir opfer und almüsen, 5
ouch guttat gehindert wurdent an ir aplaß der sünden und
(Hich dabi der loblich gottsdienst nit wurd genieret und vieng
an da offenlich vor aller weit, die da warent, durch einen
beseßnen mönchen zu reden: ir alle, die hie sind, alle
die arbeit, die ir hie tünd und habent, die ist umbsust lO
und vergeben ! Uwer opfer, almüsen, die lebenden opfer,
so ir uf [37] den altar legent und gebent, were beßer,
ir gebent die armen lüten oder an der kilchen buw, denn
di^n priestern ! Der bischof, der uf die selben zit ouch
da was, hört die selben wort und schrien, und hieß 15
iederman swigen und still han und ließ fragen umb den
mönschen, der dise w^ort also geredt hatt. Do er nü
funden ward, do hieß der bischof, daß er zu im gefüert
wurd. Do er nü also offenbarlich zu im kam, do sprach
der bischof zu dem volk, die da i^e<>en\vürtii2: w^arent und 20
ouch zu dem beseßnen mönschen : der tüfel, der da ist
ein betrieger und ein verfüerer des mönslichen geslechtes,
hat das getan und ist nit w^ar, das er geredt hatt; daß
aber das war si, daß er gelogen hatt, das wellen wir
wisen und kuntlich machen mit dem, in des ere wir hüt 25
hie sind und er sol überstunden werden durch die kraft
sant Michels des heiigen erzengels, der da patron und
schirmer diser kilchen des Paradises ist! Und also tet
der bischof disen beseßnen mönschen in den fronaltar,
der da hol w^as, besließen und beswair in da mit heiligen 30
und geistlichen w^orten. Und alsbald er in beswür, do
4. ScC(^cn, Nebenform 7X\ s^cjen.
46
ward der tüfel erschreken und vergach, daß er gelogen
hett und vieng an mit großem geschrei und sprach: ich
han gelogen und nit wor geseit! Und also in gegenwürtikeit
aller mönschen, die da warent, sprach er: ich han das
5 getan darumb, daß ich die mönschen hinderte an ir sei-
heil! Und angends schied er von disem mönschen, daß
er entlediget ward und zu einem gewaren Wortzeichen
gebot der bischof dem tüfel, daß er das wichwaßer us-
fchutte, daß man möcht gesechen, daß diser mönsch
10 entlidiget were, und diser mönsch was ein man.
Do nü die seHgen guten cristenmönschen das groß
zeichen also gesachent, do erschrakent si und warent
fürer mit großer andacht einer nach dem andern, nieman
usgenomen, zu dem altar und zu dem opfer gan und ir
J5 [38] Opfer also uf die altar legen. Do nü das Opfer us
was und vergieng, do wolt der bischof dise irrung von
den herzen der seligen guten cristenmönschen gar und
ganz usjeten und vertriben und den kilchherren zu ewigen
ziten in denen dingen ein hilf geben und darzü ein heilsam
20 arznie und fürderniß. Und viens: an gar ein lobliche red
und ermanung durch die heiigen Schriften, damit er ouch
alles, das er redte, bewiste und sprach .ein semlichen
Spruch: ein ding, das man anvachet, ist umbsust, wann
die armüt den, der das anfachen wil, hinderhept; und
25 darumb wenn da koment nüw siechtagen, so muß man
ouch darfür haben nüw arznien. Es ist ouch nit ein
kleiner schad der sei, der gerechte ding hinderhaltet,
daß man das nit tut und also anvachen und tun anders,
das da frömd ist. Wann alle die leien, die wider willen
I. vergach, verjach, nrcet. zu verjehen.
7. geivare, wahrhaft; icortieichen, Wahrzeichen.
.). sicchtüiT, Krankheit.
47
der heiligen priesterschaft irrent und hindernt und davor
sind, daß opfer und ander ahiiüsen inen nit werd : nach
der dritten manung sind si von geistlichem recht in dem
ban; wann alles das, das denn gotts dienst zugehört in
der heiigen kilchen, das sol man fürdern und nit hindern, 5
noch zu keinem übel verkeren, noch an den tag legen.
Wann alle die, die durch einen weltHchen gewalt semlich
gut cristenlichen Ordnungen irrent*, die von guter gewonheit
oder von recht sind harkomen, nach sag geistlicher Satzung
sind in dem ban; wann ein ieglicher arbeiter oder werk- 10
man ist wirdig sines lones und darzü nieman sol bezwungen
werden, daß er ritterschaft ane solt volbringe. Und so
vil nie alle die priester, die die heiligen empter der
heiligen kilchen volbringent und die tuend, sol von iren
undertanen und andern cristenlichen lüten die almüsen, 15
opfer, gaben und fürmungen ane hinderziechenvolkomenlich
vervolgen und werden. Wann durch ir heiigen wichung
[39] und der wirdigen ämptern so sind si geheißen gött
und darumb hat si gott der herr begäbet mit dem primitz-
zechenden, frumen almüsen, lebendig opfer und mit andern 20
gaben, daß si davon söllent iren ufenthalt und narung
haben; das ouch der allmechtig gott zu einem zeichen,
daß er der oberst herr ist, im selbs hat vorbehalten und
das also der wirdigen priesterschaft geben. Wann si sind
die, von denen er spricht in dem heHgen ewangeUo : was 25
ir** einem dem minsten von den minen tuend, das hand
ir mir getan. Da meint er hie die heiligen priesterschaft
und die andern armen lüt, die das heiig almüsen nement
in sinem namen. Hie stat noch vil nie friheiten und
erloubung, so einem kilchherrn oder lüpriester des Paradis 50
* fehlt in der Hs.
** Hs. er.
16. füniniii:^, li'^'i' Bestätigung der Privilegien.
48
zugeseit ist worden durch den bischof und ouch Herrn
Arnolden von Stretlingen, das man in dem latinischen
buch witer und baß findet, dann ich diß hie geschriben
hab. Wie aber die friheiten und ander gaben vor dem
5 vil benempten herren Arnold von Stretlingen sind vor-
gelesen, daß er und all sin ewigen nachkomen das soltent
halten: das gieng er ouch also willenklich in, als denn
vor nie gemeldet ist und gevicl im ouch wol und gelopte
er und alles sin volk, so under im was, das also ze halten
10 und ließ äugendes ein hus buwen für einen kilchherren
und sin nachkomen uf ein hofstat im garten des Paradis.
Er schikt und ordnete ouch fürer, daß die undertanen
der kilchen und ouch ir ewigen nachkomen das priesterhus
soltent in eren haben oder aber, ob es notdürftig w^ere
^5 und komlich wurd und das hus zergieng, daß si von
nüwem uf soltent ein ander hus buwen. Und darzü
ordnet er und schikt, daß ein ieglicher der undertanen
solt jerlich und zu ewigen ziten zwöi füder holz howen
und die umb das hochzit sant Michels dem kilchherren
^° zu sinem hus füeren in irem costen an alle sin beswerniß ;
und darzü ein (40) ieglicher siner lechenlüten, under im
geseßen, solt im jerHch zwen hoftagwen tun, welches
werk er dann selber wölt und mocht ouch das inen zü-
vordern und höischen in dem jar, zu welem zit er wölt
25 bi einer pen oder straf verlierung der selben güetern, so
si dann von im hettent. Er w^olt ouch und begert das
von den undertanen des Paradis, daß si die selben kilchen
zu ewigen ziten in eren hettent mit aller der gczierd, so
von recht oder von guter hüpscher gewonheit ein ieglich
30 lütkilch sol han, es were mit buwen oder ander gezierd.
19. hochzit, Fest (St. Michaels den 29. Sept.).
22. hoftagiven, Frohnarheit von einem Tag im Pfarrhof.
25. pen, lat. poena.
49
wie die dann geheißen sind ; doch usbesloßen das tach
der kilchen, davon er oiich die zechenden hat am Schorren-
feld, als davon vor geschriben ist. Er ordnete ouch, daß
ein ieglicher sigrist oder hüeter der kilchen sölt des
kilchherren knecht sin also, daß er die schuld und gült 5
eins kilchherren inzüg als ein weibel in allen sinen
schuldneren siner kilchen halb. Der selbe sigrist oder
kilchenhüeter solt der kilchen wol hüeten, es were mit
dem Hecht vor dem heiligen sacrament tag und nacht
nit laßen erlöschen; ouch mit lüten, wie das geheißen lo
ist, früe und spat, ouch im summer gegen dem gewitter,
ze nacht und den morfiien das grebet unser lieben frowen ;
vS. dem fritag zu mittag in ere und gediichtniß des bittern
lidens und Sterbens unsers herren; ouch vesper und metti
und alles das, das denn dem göttlichen dienst zugehört, 15
solt flißentlich und ernstlich volbringen und tun und sölt
das ouch also tun dn alle beswerniß eins kilchherren oder
lütpriesters.
Diß alles, so hie vor geschriben ist, verhießent die
undertanen herrn Arnolden von Stretlingen mit gutem 20
willen unverdroßen, unbezwungen, güetenklich, stark und
unzerbrochenklich ze halten e^venkUch, und darzü sw^ürent
si das selb für sich und all ir nachkomen vestenklich zu
halten. Und darnach uf semlich Verheißung, Satzung und
friheiten [41] und vil vorbehabniße, als vor stat, der 2 s
bisch of einen priester mit dem namen herr Cüno, der
herr Arnolds von Stretlingen caplan was, bestetiget zu
der kilchen des Paradises, wann er in ouch also presentiert
hatt im müntlich und gegenwürtig, und gab der bischof
dem kilchherren also in das hus die hofstat und den 50
garten, den kilchhof, kilchen und was* darzü im die sorg
der seligen seien befeien und die vorgeschribnen güeter
* fehlt in der Hh.
50
mit allen iren fruchten und zügehörden ; ouch daß er
solt rechtsame haben in allen zeigen, weiden, almenden,
hölzern und weiden. Er beschikt ouch, daß ein iegHcher
kilchherr und all sin ewigen nachkomen solt sin wonung
5 an dem selben hus und hofstat haben, alle erwerbung
und friheiten, das nit ze tun, usbesloßen ; denn daß ein
ieglicher priester daselbs bi der kilchen bi dem heiligen
brunnen sin persönlich wesen und wonung sölt haben.
Er gab im ouch die friheiten, daß er ein tubhus mit
10 tuben möcht haben, ob er wölt. Ouch möcht er haben
jaghund, vederspil und alles, das zu weidnie gehört und
möcht das bruchen und haben nach allem sinem willen,
es were jagen, vischen in dem Wendelsee; mit was
kunstart er das könd, sölt er friUch bruchen und nieman
15 anders in sinem kilchspel keinerlei weidnie sölt üeben
noch bruchen bi der pen und büß drier pfunden pfennigen
gemeiner lantUcher münz, wer dawider tat heimlich oder
offenlich. Und ein sem.liche verfallne büß, wer dawider
tat, solt gebrucht werden an der kilchen buw daselbs, es
20 were denn sach, daß im das ein kilchherr erloupt hett.
Diser vor gemeldeter friheiten und noch me, so das ge-
schriben ist in dem latinschen buch, hat der vil gemeldet
bischof und der dik genant herr Arnold von StretHngen
mit ganzem vollem gewalt den selben kilchherren des
25 Paradises zu den selben ziten und all sin ewigen nach-
komen bestetiget und gefriet, [42] da ich ouch mein, daß
alle kilchen in disem mindern Burgunn das habent. Und
darnach hat aber der bischof herrn Arnolden von Stret-
Hngen gebeten, gemant und geboten, daß er durch sich
2, iflge, Saatfeld.
II. vederspil, zur Vogelbeize abgerichtete Falken, Habichte,
Sperber, weidnie, Jagd.
14. fr Hieb, frei.
51
selbs oder sin trefFenlichen boten das ouch an dem stül
zu Rom erwLirb, daß das bestetiget und confirmiert wurd.
Und uf diß alles gab der bischof allen denen, die der
kilchen des Paradises mitteilent und gutes tünd, vierzig
tag aplaß tötlicher Sünden. Und hiemit volbracht der
bischof und ander priesterschaft das heilig ampt und
ämpter mit gar großem lob gotts, andacht und fröiden
und gieng darnach iedermann, die da warent gesin, an
das end, da er dann sin spis fand, und uf das kerte
iederman wider heim zu sinem huse.
JJ7c der bischof alles das, so hie vor geschribeu ist, herrn
Arnolden von Sfretlingen gab in schrift, daß die ding
bestetiget wurdent zii Rom dtirch den bapst Silvester.
Uf diß alles, als hie vor geschriben ist, nam der
bischof alle die zeichen und wunder und sust alle ding, i5
die* vor beredt und verheißen wurdent, in schrift und
gab das also in empfelchniß dem selben herr Arnolden
von Stretlingen, daß er verschlief durch sich selbs oder
ander erlich boten, daß dise ding an den stül gan Rom
käment und bestetiget wurdent. Und versiglete das der 20
bischof mit sinem eigenen ingesigel und gab damit dem
dik genanten herrn Arnolden von Stretlingen sinen segen
[43] und nam urlob von im und schied von dannen.
Darnach credacht der hoch 2:eborn herr Arnold von Stretlin-
gen in im selbs, wie er dise sachen durch sin selbs person 25
und Hb wölt** volbringen und handien und laßen besteti-
gen an einen stül von Rom und verzoch die sachen also,
daß es nit angends beschach und verzoch sich die sach
also in maßen, daß er in dem selben zit von diser zit
* Hs. hie.
** fohlt iu der Hs.
52
schied und die ding nit durch in selbs wurdent gehandlet.
Aber Gott si im gnedig!
Der vil genante herr Arnold von Stretlingen selig
ließ einen sun mit dem namen ouch herr Arnold von
5 Stretlingen, wann ouch sin vater herr Arnold starb in
dem jar, do man zalt drühundert und fünfzechen jar. Der
selbe junge herr Arnold von Stretlingen der wolt nü die
versumniß sines vaters seligen erfüllen und volbringen
und nam von sinem hofgesind mit im uf den weg so
10 vil, als dann das siner herrUkeit zimlich was und für
also gan Rom. Als er nü uf dem weg siner fart was,
do w^ard er allenthalben von fürsten und herren wol
enpfangen und gelaßen, durch deren land und gegne er
denn für hin und herumb, und ward ouch uf der selben
1) flirt begäbet von fürsten und herren mit zechen stük
heltüms. Und kam also gan Rom zu dem heiligen vater
und bapst sant Silvester, der ouch vormals den keiser
Constantinum getouft hat und zu cristenem glouben bracht.
Von dem heiligen vater sancto Silvestro er gar frölich
20 und nach künglichen eren enpfangen ward. Also vieng
er an sin Sachen ze handien, darumb er ouch zu im komen
was und erzalte im ouch dabi drü große zeichen und
wunder, so bi der kilchen des Paradis und bi dem heiigen
brunnen geschechen warent und ouch die warlich also
2) warent, als hie nach stat.
[44] Das erst zeichen.
Es was einer mit dem namen Peter Schik, geseßen
zu den selben ziten zu Erlenbach, der was also begriffen
mit einem semlichen siechtagen oder krankheit siner
17. Silvester I. 314—335.
53
knüwen und beinen, daß er groß liden und pin davon
hat, daß er nit mocht wandlen noch gan, dann uf zwein
kruken. Also verhieß sich der erst genant Peter Schik
alle jar an der kilchwiche sant Michels der kilchen des
Paradises dar zu komen mit einem lebenden opfer und >
das da opfren uf den altar. Und wann nü die selb kilch
ein mil wegs davon was, da er saß, do mocht er kum
in drien tagen kumberlich und mit liden und arbeit dar
komen. Do er nü also dar kam, do w-as er bi der kilchen
des Paradises vierzechen tag. Do er nü in dem selben lo
zit, als er da was, kein beßrung enpfand, do wolt er
wider heim scheiden. Nü hat er an dem selben end sin
herberg bi einem mönschen, der ouch siech was. Als er
nü in sinem slaf lag, do ducht in in sinem slaf, wie ein
mönsch kam und in beschütt mit dem waßer des heUgen 1 5
brunnen. Uf dis dünken do erwachet er von dem slaf
und gesach uf und sprach zu sinem gesellen, der bi im
lag zornlich, warnmb er in also hett beschütt mit dem
waßer so gnot und vast. Sin gesell antwurt im und
sprach : ich han dich nit beschütt, aber ich wän und gloub, 20
das schütten si beschechen durch sant Michel, den ich
gesechen han und wirt dir sin ein ursach diner gesuntheit.
Also stund er uf und enpfand, daß er gar und ganz gesunt
was worden und nam sin kruken und steken uf sinen
hals und gieng hin zu der kilchen des Paradises und 25
opfert da [45] ein schaf oder lamp und ließ sin kruken
und steken da bi der kilchen zu einem zeichen, daß der
allmechtig gott und sant Michel im geholfen hattent.
Darnach gab der selb Peter Schiken dem kilchherren zu
dem Paradis zu einem ewigen almüsen ein matten, genant 3^
die Stülmatta, gelegen zu Latterbach, da man jerlich von
19. giwf und vast, viel unJ sehr.
54
sol geben nach dem, als denn das jarzitbüch inne halt
im ougsten, und schied mit fröiden wider heim.
Das ander zeichen.
Ouch was einer s^eseßen zu Röitinsjen mit dem
5 namen Hartman im Hof, der kg gefangen umb sin leben ;
und in der gefengniß bevalch er sich sant Michel dem
patron und husherren in der kilchen zu dem Paradis und
rufte in andechtenklich an, daß er im ze hilf käme. Und
darnach in der nechsten nacht erschein im sant Michel
10 mit einem großen schin und tröste in da manigvaltenklich.
Darnach ward er bald verurteilt zu dem tod und mit
namen, daß man in sölt erhenken. Do er nü also erhenkt
ward und an dem galgen also ein stund gehieng, do ward
der richter gebeten von sinen fründen, daß si in möchtent
^5 harab nemen und begraben und bestatten als ein andern
cristenmönschen. Do si nü das grab machtent und in von
dem galgen harab hattent genomen und in woltent be-
graben, do was sin vater mit dem namen Walther im
Hof und sin müter und ouch sin swester für den toten
20 lichnam oder mönschen, iren sun, sant Michels hilf an-
dechtenklich anrüefen und ließent ouch ein wächsin bild
in der große, als der tod was, machen und [46] das
schiken dem wirdigen erzengel sant Michel zu eren in
die kilchen des Paradis. Alsbald si nü das getaten, eb er
25 begraben wurd, do ward er wider lebendig und stund
also gesunt uf. Darumb alle, die das gesachent, die
erschrakent und hattent ein groß verwundern davon.
Darnach dankete er sinem vater und müter und andern
3. Zum Folgenden vergl. «Der gehängte Dieb» in Pfeiffers
Maricnlegenden Nro. VI; F. Vetter, Neue Mittheiiungen aus Konrad's
von Ammenhausen Schachzabelbuch p. 17.
55
sinen fründen und seite groß lob und dank dem allmechtigen
gott und dem hochwirdigen erzengel sant Michel, und trüg
darnach das wechsln bild selbs in die kilchen des Paradises
und opferte das dem allmechtigen gott und sant Michel.
Darnach gab sin vater dem kilchherren zu einer frien 5
gotzgab und almüsen ein hofstat zu Röitingen, die uf
dem selben zit was Peter Halblings, und ander stük, als
man das ouch findet in dem jarzitbüch im ougsten.
Das dritt zeichen.
Es was zu der selben zit ein tochter ze Stoken, mit
irem namen was si geheißen Mechilt Röslerin. Do si in lo
ires vaters hus was, do hat ir vater ein jungfrowen ; von
der selben jungfrowen hiesch die erst genante tochter
Mechilt ze trinken. Do si ir nü also ze trinken hiesch,
do ward .die jungfrow zornig und w^olt ir nit gern geben
ze trinken; doch si gab ir ze trinken zornlich und sprach
zu der tochter: nim hin und trink in des tüfels namen!
Do si nü also trank, do beducht die tochter, wie ir ein
brunnender brand durch ir kelen abgienge in maßen, daß
si anvieng zu schrien, als ir die kel wölt verbrünnen.
Und dabi gieng [47] ir buch uf und geswal groß als ein
flesch und beducht si, wie etwas durch iren hb und durch
all ir gelider lüffe. Die tochter vieng an gar wunderlich
n
9. Diese Wundergeschichte scheint ebenfalls dem Ca^sarius
VON Heisterbach nachgebildet -m sein. Dialogiis iiiiraatlonitn,
lib. V, cap. 26: ((Miilicr qiuedam satis cntdeliter hoc anno vexahatiir.
Haue diahohis ci.in esset qn'uiquennis hoc ordine intravit. Die quadaui cum
lac niandncaret, pater ejus iralus dixit: Diabohmi coniedas in ventrem
tuuw ! Mox pucUula sensit ejus ingressuni et usque ad watunim uiatem
ab illo vexata est etc.»
18. hrunnend, brennend.
21, flesch 7X\ flasche, nach Grimm DW. III, 1726 von den
Milchbrüsten der Amme gebraucht.
56
geberd zu haben und unzimlich geschrei, als si beseßen
were und beleib also in einem semlichen wesen uf zwei
jar. Ir vater und müter und ander ir fründ verhießen:
si in die kilchen des Paradis und ward ouch also dar
5 gefüert. Do si nü also in die kilchen des Paradis gefüert
ward, do beslußent si die tochter in den fronaltar und
warent dabi ir lebenden *opfer uf den altar legen und
ward also an dem selben end dri tag nach einandern
besworn mit der stol und einem swert und ward da vil
ic> dings durch si volbracht und getan. Zem letzten touft
man si in dem heiligen brunnen in maßen, daß si als
müed ward, als wer si tod. Do si nü also da lag und
entslafen was, do gesach si in irem slaf einen schönen
minnenklichen jungling und hat ein swert in siner hand,
1 5 in sinem antUt was er gelich sant Michel. In dem selben
so nam der priester, der si beswür, einen bitz brotes und
gesegnete das und natzte den in dtm heiigen brunnen
und bot den der tochter. Alsobald erwachet si und ver-
gach da ofFenlich vor allen denen, die do warent, ir sechen
20 in irem slaf; davon iedermann, die da warent, erschrakent
und groß wunder davon hattent und stund damit uf als
• gesund, als si vormals ie was gesin. Darumb alle, die
das groß wunder und zeichen gesachent, die gabent lob
und dank dem allmechtigen gott und dem wirdigen erz-
2) engel sant Michel und wart das ouch allenthalben in dem
land geofFenbaret. Von der selben entlidigung und liilf,
so diser tochter Mechilt was geschechen in der kilchen
und in dem heiligen brunnen des Paradis, do gab ir vater
und müter und ouch si zu einer frien gab einem kilch-
herren daselbs einen aker ze Stoken, [48] geheißen der
9. slol, Stola.
16. /'/7^, Bissen.
19. Sechen, stn., Gesicht.
57
krumm aker ; und andere stück wurdent ouch an die kilchen
daselbs geben, als man das findt in dem jarzitbüch im
ougsten.
Als nü dise zeichen und wunder, als hie obstat,
gesagt und erzelt wurdent und ander gut sachen, die an 5
dem selben end der kilchen des Paradis warent geschechen
nach aller notdurft : do bekant der heiligest vater der bapst
Silvester, daß der durlüchtend edel und fürsichtig andechtig
herr Arnold von Stretlingen, der junger, all sin fürnemen
gar und ganz zu dem allmechtigen gott gericht hatt und ^^^
zu dem hochwirdigen erzengel sant Michel, sinem patronen
und schirmer; und ward do erlüchtet von dem heiigen
geist und gieng da entgegen den andechtigen gelüpten
und guten fürnemen, so er hatt zu dem allmechtigen gott
und gottsdienst. Und alles das, so er begert zu ere und ^5
nutz der kilchen sant Michels im Paradis und eins kilch-
herrn daselbs, was er alles mit gutem willen und friheit
geben und liehen und wolt im nüt verziechen, des er
dann dozemal ze geben hat umb des willen, das die
seligen cristenen mönschen lebendig und tod möcht ver- ^o
folgen und werden heilsamkeit iren seien. Und gab das
alls under dem namen sant Michels in die kilchen des
Paradises nach allem sinem beü:eren.
[49] JVie sant Silvester der bapst die kilchen des Paradis
gefriet hat.
Als der vor genante herr Arnold von Stretlingen, der
junger, verstund den guten willen des heiligen vaters des
bapstes, do gedacht er in im selbs, wie im möcht ver-
folgen und werden bestetegung der engelwiche mit sunder-
barem aplaß zu der kilchen des Paradises und ouch semlicher
aplaß bestetiget wurd zu ewigen ziten, daß da ein mönsch
58
möcht finden aplaß aller siner Sünden. Er begert ouch
von dem heiigen vater dem bapst fürer gewalt, daß man
möcht in der vor gemeldeten kilchen des Paradis besweren
die mönschen, die beseßen werint von dem bösen geist.
5 Er begert ouch, daß man an dem selben end der kilchen
des Paradises möcht bicht hören, die mönschen ze ent-
lidigen und ze absolvieren von iren sünden; daß man
ouch an dem selben end möcht bichtbrief geben und
ouch ein ieglicher kilchherr oder lütpriester, die ie zu
i«^ ziten daselbs werent, der vor benempten vordrung, ouch
bittung oder höischung wurd gefriet und begäbet, daß
im semlichs möcht vervols^en und ouch das bestetio:et
wurd zu ewigen ziten. Semlich anmütung, höischung und
bitt der heilig vater und oberste priester und bapst von im
n güetlich enpfieng und nam sich zu bedenken uf senalich
anmütung und bitt zu sinen mitbrüedern der cardinalen
der hehgen kilchen zu Rom und nach guter wolbedächtniße
und betrachtung des heiUgesten vaters mit sinen cardinalen
und mitbrüedern der heiigen kilchen zu [50] Rom, do
2^^ betrachteten si die hochwirdikeit der seien, daß ein ieliche
sele vom an fang ir geburt hat einen engel, der ir zu ist
geben ze hüeten; diewile die sele ist noch in mütedib,
hat si einen hüeter von einem engel, der si behüctet vor
dem bösen geist; ouch wann die sele gat von müterlibe,
-5 daß si behüet werd von dem engel, daß die sele nit
gehindert werd von der gnad des cristenlichen toufes.
Und wann nü die heiligen engel dem mönschen dienent
in sinem leben, in sinem tod und ouch nach sinem tod :
do beducht den heiigesten vater den bapst mit samnung
3<^ siner brüeder der cardinalen billich ze sinde, semlicher
20. ielich, ieivelich, jeglicher.
29. samnung, Versammlung.
I
59
biipstlicher gewalt, wie vor inen was angefordert und
gehöischen, die kilch des Paradises sölt von inen begäbet
werden mit vollem gewalt; wann ouch der hoclnvirdig
erzengel sant Michel die selben kilchen im Paradis im selbs
selber gewichet hatt; und harumb alles, das der hochwirdig 5
herr Arnold von Stretlingen, der junger, hatt an den bapst
und sin cardinäl gebracht und ouch vormals die ding alle
in Schrift versiglet durch einen bischof von Losan w^arent
geleit, das was der bapst mit den cardinalen das alles
bestätigen, beweren und kreftigen. Er und all sin brüeder ^'^
die cardinäl begabetent die kilchen des Paradis fürer, daß
die engelwiche zu ewigen ziten sölt gehalten und volbracht
werden loblich und andechtenklich; w^enn der tag sant
Michels wurd oder viele uf einen sunnentag, daß denn
die kilch und die altar in der kilchen und der kilchhof ^5
mit einandern geeret wurden lobHch, als ob stat. Umb
des willen, daß ouch sant Michel si selbs hatt gewichet
und daß ouch all seHg cristenmönschen die engelschen
wichi dester mit größer andacht begiengent und ouch das
heltüm, das an dem selben end were, dester andechtiger -^
[51] wurd geeret zu dem heiligen brunnen, der ouch
daselbs ist — und darumb v^'ard die gnad dar geben,
daß alle die mönschen, die warlich gerüwet und gebichtet
hettent ir sünd und mit einem guten türnemen käment
uf die engelwichi der kilchen des Paradis, die altar in -^
der kilchen, den kilchhof und den heiligen brunnen an-
dächtenklich besüchtent und ir opfer uf die altar da
gebent, ouch ir gaben in den stok leitent, dadurch der
gottesdienst geuifet und gemeret wurd oder die pfründ
der kilchen gebeßert, dadurch ein priester, der da gott 5^^
und den heiigen dienete, ufenthalt hette, oder ander gut,
ligents oder varendes, gebe oder ander gaben, wie die
«geheißen werent im leben oder im tod oder ordnete oder
6o
verschüefe ze geben; ouch alle die mönschen, die za
den heiigen meßen, predien, vesper, complet, metti oder
zu andern heiigen ämptren da wärint, oder ob priester
dar käment und da durch gott begertent meß zu haben,
5 oder ieman begerte, daß im da meßen gesprochen wurdent
und ouch alle die, die meßen andechtenklich hortent : sölt
vervolgen und werden und abgelaßen all ir sünd. Und
ouch mit einer semlichen friheit darzü, daß ein ieglicher
kilchherr oder lüpriester der kilchen des Paradis, der ie
i^ zu ziten da ist, sol und mag den gewalt haben, ob das
beschech, daß man beseßen mönschen von dem bösen
geist dar brächt in den altar des cors, der zu den selben
ziten hol was, inbesließen und in besweren, und sol da
bruchen die büecher, so von dem priester Adelberto da
^S sind gelaßen und sol die mönschen also besweren und
inen mit der hilf gottes also hilflich sin. Der kilchherr
oder lüpriester der kilchen des Paradis von bäpstliches
gewalts wegen an dem selben end mag zu ewigen ziten
tragen ein kutzhüt, zu glicher wis als ein corherr u( der
^*^ Stift zu Losan, [52] das man ouch nempt zu einer andern
tütsch einen vechen chorhüt, und das ist darumb, daß
er stat halt eines penitenciarien des bapstes; es si bicht
zu hören und die selben mönschen, so im bicht band
getan, ouch ze absolvieren und entledigen von iren sünden
-5 in semHch wis und form, als man denn tut an den selben
enden, da denn semlicher bäpstlicher gewalt wirt hin
geben. Wie aber das mit me worten denn hie begrifl:en
ist, sol beschechen, das hnt man in dem latinschen buch,
darab ich diß izeschriben hab, luter. Der vor gemeldet
19. kutzhüt, nach Grimm DW. v, 372 Hut von Fell, Filzhut,
genauer eine Kopfbedeckung von Pelz, die hinten über den Rücken
hinab hängt, eine kirchliche Auszeichnung.
21. vech, mehrfarbig, gefleckt.
6r
bapst hat harzü so vil nie geordnet und geben und ouch
gesetzt ze tünd umb des willen, daß die große arbeit,
so sich möcht machen von bicht zu hören an dem selben
end der kilchen des Paradis, daß ein ieglicher kilchherr
an dem selben end mag nemen mithelfer umb des willen, 5
daß sin arbeit dester liechter si und die bürde der bicht
dester baß möge tragen und die mönschen usgericht
mögent werden. Doch mit semlichen fürworten, ob es
geschäch, daß ein kilchherr zu etlichen ziten semUcher
hilf bedörft, als ob stat, daß denn die selben mithelfer lo
und priester söUent sin unargwenig, denen denn zu
semlichen Sachen gut ze truw^n si. Die selben mithelfer
söllent ouch gelert und bekant in den bichten sin und
dise zühilf der mithelfer sol nit geschechen, denn allein
in dem stück, ob es not tat und sust niemer; und die i>
selben mit helfer söllent ouch die form und die gestalt haben
in Schrift und die nit anders ze geben, denn als ob stat
und man" findet in dem latinischen buch. Und hie ist
ouch verwilliget von dem bapst, daß der kilchherr mag
geben bichtbrief in bapu" geschriben oucli in der form. 20
als man denn findt in der latin ; doch sol er nit vil davon
nemen. Semlicher gewalt und aplaß uf der engelwiche
der kilchen des Paradises [53] sol weren von der ersten
vesper am abent unz zu der andern vesper am tag und
nit fürer, zu ewigen ziten kreftenklich. Der dik gemeldet 25
bapst ordnet und satzt fürwerthin, daß wenn sant Michel
nit ist und vait uf einen sunnentag, denn sol die kilch-
wichi sin und vallen zu ewigen ziten uf dem nechsten
sunnentag nach sant Mauritzen tag. Und alle die mönschen,
die dann zu der selben kilchwuche koment und ir heiiges 5^
7. usrichten, abfertigen.
II. itnirgwenig, unbescholten.
62
almüsen daselbs laßent, den selben mönschen ist gegeben
von zwein patriarchen von ieglichem hundert tag tötlicher
sünd aplaß und ein jar täglicher sünd. Ouch ist den
selben, die ir almüsen da laßent, geben von vier cardinalen
5 von einem ieglichen achzig tag aplaß tötlicher sünd und
ouch ein jar tägUcher* sünd. Ouch ist geben von sechs
erwirdigen bischofen von einem ieglichen vierzig tag
tötUcher Sünden aplaß und ein jar tciglicher Sünden allen,
die ir almüsen an dem selben end laßent. Hiebi sind
10 gesin, do diß geschechen und geben ist worden, vil er-
wirdiger geistHcher und weltlicher prelaten, ouch vil ander
Volk ane zal.
Darnach so sind dem vil trenanten herrn Arnolden
von Stretlingen, dem jungern, alle die friheiten, aplaß aller
1 5 Sünden, die engelsche wiche mit aller der friheit, so hievor
allenthalben geschriben ist, das denn von dem heiigen
vater dem bapst, patriarchen, cardinalen und ouch bischofen
geben ist worden, in schrift und mit ir ingesigel und bull
geben nach Römscher gewonheit von sitten. Die selben
20 heiigen väter, der bapst, die patriarchen, die cardinal und
ouch die bischof gabent im iren segen und schied also
von inen. Do nü der vil genant herr Arnold von Stret-
lingen wider har heim kert, do ließ er das heltum und
ander sin friheiten mit einer großen proceßion [54] und
25 großer wirdikeit und eren in die kilchen des Paradises
infüeren. Und alles, das er 2:eschaffen und volbracht hatt
uf dem weg gan Rom, den bäpstlichen gewalt, die friheiten,
ouch die loblikeit der engelschen engelwiche und den
aplaß aller Sünden und alles das, das er erworben hatt
30 von den heiigen vätern: ließ er durch den bischof von
Losan bestätigen und darnach allenthalben verkünden allen
seligen guten cristenen mönschen ; und was darnach, die-
* Hs. täger.
63
wil er lebt, dester frölicher und die kilchwichi und ander
hochzit an dem selben end der kilchen des Paradis mit
großem lob volbringen. Darnach schied er von diser zit,
aber er ließ brüeder, die kind und erben hattent, die
darnach vil zit und und lange jar regiertent die her-
schaften. Darnach sind si alle tod. Gott si inen gnedig
und erbarmherzii^: ! Amen.
I
55] DAS VIERD CAPITEL UND UNDER
SCHEID.
In dem jar, do man zalt von der geburt Cristi nün-
hundert drißig und drü jar — zu den selben ziten was
5 ein heiliger vater, ein bapst mit dem namen Silvester —
was ouch ein Herr zu Stretlingen mit dem namen Rudolf;
der hat ein frow^en mit dem namen Berchtam. Die selbe
frow w^as von künglichem gesiecht und ouch geistlich
und warent ouch bede in üebung der erbarmherzikeit
10 zu armen lüten empzenkUch, und in volbringung der
geboten gottes und Satzung der heHgen kilchen hieltent
si sich flißentklich und ernstlich. Der würdigen heiigen
heltüm und ire hochzitliche tag eretent si mit großem
lob und andacht; all tag hortent si in der kilchen des
i) Paradises das heihg ampt der meße und ward also vor
inen volbracht, da si ouch mit großer andacht darhinder
stündent. Nu begab es sich, daß darnach der vor genante
Rudolf von Stretlingen ward userweit zu einem künig.
Die selben zwei gebarent ein tochter, die namptent si
20 Adelheit. Do nü die selbe tochter Adelheit erw^üchs und
sechzechen jar alt ward, do ward si geben einem küngen
in Lamparten mit dem namen Lotharius, der do w\is
eines kunges sun mit dem namen Hugo, der gar ein
65
richer küng in Lamparten was. Den selben iren elichen
man überlepte si und nach des selben tod ward ir gegeben
ein ander man, ein edler küng mit dem namen Otto;
von dem selben [56] küngen ward ir ein sun, den namptent
si ouch Otto. Do der selbe ir sun erwuchs uf zu einem 5
man, do ward er so redlich, daß er userweit wart zu
einem keiser und regierte das keisertüm ein lang zit.
Wie hie me sünen von der küngin Adelheiten sind geborn,
das enpfil ich den latinschen Schriften, die das luter sagent.
Darnach list man, wie der künig Rudolf gesach in sinem ^^
slaf oder trömen und also verzükt was in dem geist, wie
ein große statt vor im si mit einer großen hochen mur.
Die selbe statt hatt zwölf porten und uf ieglicher port was
ein engel, der des tores solt hüeten. Und in dem selben
do erwachet er darab und diß was er von vil und mengem ^ '>
erforschen und fragen, was es bedutte oder bezeichnete.
Also kond er nieman linden, der im das könd oder w^elt
sagen und uslegen, usgenomen ein priester, der das tet
7. Abgesehen von dem sagenhaften Zug, daß König Rudolf
von Burgund aus dem Hause StretHngen hervorgieng (s. Einleitung),
enthält die Chronik an dieser Stelle zum ersten Male wirklich
historische Facten. Und zwar ist hier Rudolf IL, König in Trans-
juranisch Burgund gemeint, der Sohn Rudolfs I., welch' letztern schon
Lazius, de migratione gentium XI, aus dem Stretlinger Geschlecht
stammen läßt. Rudolf II. bestieg den Thron wahrscheinlich schon
911; 920 oder 921 vermählte er sich zum zweiten Male mit der
Tochter des Herzogs Burkhard I. von Alemannien, Blrtha, der auch in
der burgundischen Sage berühmten Spinnerin. Ihre Tochter ist die
schöne Adelheid, zuerst und zwar eben in ihrem sechszehnten
Jahre (die Verlobungsurkunde datirt von 938) mit Lothar, König
von Italien, und liernach 951 mit Kaiser Otto dem Grossen ver-
mählt. Ihr Sohn ist Otto IL Sie starb 999. Ihre Mutter Bertha
gieng nach Rudolfs Tode eine zweite, unglückHche Ehe ein mit
König Hugo von Italien (957), dem Vater ihres Schwiegersohnes
Lothar.
5
66
mit gutem rat und in underwist, daß er solt gottes dienst
meren und underwist in, wie er sölt under der zal der
zwölfen zwölf kilchen laßen buwen und machen, die da
tochtern oder under der kilchen des Paradis söltent sin ;
5 und daß sich das möcht geliehen den zwölf Sternen an
der krönen des gespons; daß ouch die kilch des Paradis
davon gezierd waird und daß es sich ouch glichete den
zwölf brünnen, die da sind gesin in der wüeste und daß*
der erst brunn des Paradis, der da klein ist uferwallen
^<^ und in ein groß waßer ist worden, was** vil cristender
mönschen erkiken und ergrüenen; und daß er ouch die
zwölf kilchen des Paradis undertänig machte und die selbe
kilch des Paradis der selben zwölf kilchen ein müter were
und daß er ouch einem kilchherren des Paradis die zwölf
15 kilchen undergeb ze regieren mit genügsamlichen mit-
helfern und [57] er ouch dem selben kilchherrn das
enpfel ze tünd als einem rechten hirt, der sinen schafen
sol für sin. Der vor gemeldet küng Rudolf hatt darumb
rat wiser und gelerter lüten und geviel im selbs ouch
20 wol sölichs ze tünd.
Wie küng Rudolf die zivölf kilchen ließ buwen in der gegni
umb in, da er geseßen was ; die selben zwölf kilchen
er under gab der kilchen des Paradises.
Darnach vieng an küng Rudolf zwölf kilchen ze
25 buwen und ze machen allenthalben umb in in einem
kreis. Und warent diß die zwölf kilchen hienach geschriben,
* Hs. da.
** fehlt in der Hs.
6. gespons, hier die königliche Gemahhn.
II. erkiken, lebendig machen, erquicken.
6?
nämlich: Friitingen, Leuxingen, Eschi, Wimnis, Uttingen,
Thieracher, Schertzlingen, Thun, Hilteriingen, Sigriswil,
Anseltingen, und die sölt sin ein stift, da ouch ein
sunderbar zal der thümherrn solt sin ; und darnach zu
dem guldinen hof ouch ein semHche stift mit einer zal 5
sunderbaren thümherren, an dem selben end ouch ein bürg
und ein hocher turn vormals stark gebuwen was, das
aber nü zu unsern ziten ist genempt zu Spietz, das als
vil ist als ein spitz in den see. Und da entgegenüber
nit verr an dem Wendelsee warent zwo büre; genant in lo
Biirgimnherg, das man ouch ietz zu unsern ziten nempt
in Bürgen, das ouch alles von einem künig Wandalorum
Atilia in dem jar, do man zalt von gottes geburt vier-
hundert und fünfzig und zwei jar, stark was gebuwen
worden. Und das fand also der küng [58] Rudolf: i)
zwüschent den zwein bürsten und bürs^ oder der drien
bi dem hochen turn ließ er ein statt buwen under der
friheit, als ander Römsch stett sind gebuw^en und gefriet
mit aller friheit. Und wann es nü ist ein alt sprüchwort
in der weit : die ere, die einem wirt geben, die verwandlet 20
sich in ander sitten — also was der erst genante küng
Rudolf als ein unbestentlicher man in ander sinne und
gedenke komen von underwisung des bösen geistes, der
in hie fürt und in underwiste; w\inn das gut werk, das
er hat von dem heiigen geist, der in erlüchtet hat der ^5
kilchen halb des Paradis, die ouch des ersten sin rechti
lütkilch was, gestiftet von sinen vordem, gedacht er
und betrachtet, wie er die weite undertrüken und ver-
nütigen und die obgemelten zwölf kilchen erhöchen, wiewol
si tochtern, als ich ietz mag reden, warent gesetzt und 30
T. Leuxingen, heute Leißigen.
2(S. vernütigcn, zu nichte machen.
68
undertänig soltent sin der kilchen des Paradis und vergaß
ouch hierin der friheiten, der gaben und vil großer zeichen
und wunder, die da geschechen warent in siner kilchen
des Paradis und ouch in dem heHgen brunnen ; und
5 wolt darnach ein capel darus machen, wiewol die kilch
des Paradises die rechte müter was und ouch die allererst
kilch, die da gebuwen ist worden in dem mindern Burgunn
und von allen sinen vordem der herren von Stretlingen
vor langen ziten, me denn ieman mocht gedenken, geeret
10 und von grund uf erbuwen. Er schätzte ouch den aplaß
der engelwichi klein; das almüsen, das man gab in den
stok an das selb end, verbot er fürer, nit me ze tünd;
dem priester in der kilchen des Paradis slüg er ouch ab
sinen tisch, den er solt haben bi im an siner siten [59]
^ 5 fürer nit me ze geben, wiewol die kilch noch nit begäbet
was mit den sechzig tuggaten, als das denn vormals was
angesechen, als vor stat. Den selben sinen bösen willen
und fürnemen, als ob stat, in kurzen ziten er* nit mocht
volbringen nach sinem gefallen, denn der hochwirdig sant
^'^ Michel, patron und schirmer der kilchen des Paradises
der hindert in uf die selben zit, daß er das nit mocht
volbringen; und geschach im ze glicher wis, als dem
Balaam, so man liset in der bibli, der da wolt verflüechen
das volk gottes, das er doch nit vermocht, dann der engel
25 gottes verbot im das. Und darumb der allmechtig gott
durch sin übel und bös verkert fürnemen, so er hatt
wdder die kilchen des Paradis, ließ in uf den tod krank
und siech w^erden und in dem selben großen siechtag
w^ard er verzükt für die urteil und gerechtikeit gottes.
30 Der tüfel sprach also zu gott: du hast kein recht zu
disers mönschen sele! Ich han des ein urkund, wan du
hast selbs gesprochen, die sünd werd nit vergeben einem
* fehlt iu der Hs.
69
mönschen, er gebe dann wider, das er wider recht einem
andern hat abgezogen. Unser herr sprach zu dem tüfel:
laß in selbs reden, er kann villicht sich selbs wol ver-
antworten! Die sele sweig und kond sich nit versprechen.
Also gab im der herre zil, daß er oder die sele in acht 5
tagen sich sölt verantwurten. Do er nü zittrent und
erschrokent enweg schied, do was einer zu im komen
und tröste in und sprach: ich wil dir mannlich helfen!
Do er nü in fragt, wer er were oder hieße, do sprach
er: ich heiß Gabriel. Also kam ein andrer ouch zu im, 10
der verhieß im ouch hilfllich ze sin und er fragte in
ouch, wie er hieße ; do antwurt er im und sprach : ich
heißen Raphahel. Do nü [60] er an dem achtenden tag
kam für die urteil gottes, do wante der tüfel vil für des
Übels, so er begangen hett. Do verantwurte in Gabriel, 15
der erst en^el und überwand den tüfel in dem selben
stük. Do nü der tüfel in einem stük ward überwunden,
do vieno; er an und hüb im größer sachen und übels
für. Do versprach in Raphahel und sweigte ouch den
tüfel do. Der tüfel was zum dritten mal wider in und 20
sprach : wie wol er etwas gutes hat getan, so übertrifft
doch das übel und das bös das gut größlich und unzalich.
Und besunder, daß er die kilchen im Paradis mit allem
f!iß und ernst wolt undertrücken und die zwölf kilchen,
die da töchtern sind und der kilchen des Paradises under- 25
tänig söUent sin, w^olt erhöchen. Zu diser verlümdung
und schuld, so in hie der tüfel schuldiget, hatt er nieman,
der in versprech und es mit im hett. Do gab unser herr
urteil und sprach : man sol ein wag bringen und sol man
das gut gegen dem bösen wegen ! Do sprachent Gabriel 30
4. sid) versprechen, sich vertheidigen.
.\. fünvenden, vorgeben.
70
und Raphahel zu dem künig Rudolfen: du solt zu dem
heiigen erzengel sant Michel, der ein patron der kijchen
des Paradises ist, Zuflucht haben und in bitten, daß er
din helfer ietz in dinen nöten welle sin. Alsobald
tet er das selb und bat sant Michel, im hilflich ze sinde
5 und verhieß im, daß er alle die friheit, die da geben
werent der kilchen des Paradises, weit stet und kreftenkHch
halten; und verhieß so vil nie darzü, er weit si beschirmen
und fürer laßen ernüwren und weit ouch alles das wider-
keren, so er der kilchen ze kurz het getan und weite
i^ fürwerthin die uferheben und fürer begaben. SemUchs
verhieß er flißentlich und ernstlich ze tünd unz an sin
end. Alsbald er diß verheißen hatt, do beducht in, wie
sant Michel mit der wag da were und uf [6i] das end,
da er wenig gutes hat getan, sin band uf die wag leite
i) und im hülfe, daß die guten werk fürwagtint. Der tüfel
hankt sich an das ander ort und wolt das niderziechen.
Do tröwte sant Michel dem tüfel mit dem swert, daß
er das nit vermocht und also kam sant Michel dem küng
Rudolfen zu hilf und erlöste in also. Do nü küng Rudolf
20 wider zu im selbs kam, do bekam er menglichem, das
im begegnet was und verwandlete sin bös fürnemen zu
allen guten dingen. Do nü darnach die engelwiche der
kilchen des Paradises kam, do sach der kilchherr an dem
selben end, mit dem namen Lütoldus, eine große menge
2) der lüten, priestern und kilchherren da umb zu im komen
und daß da kum der zwenzigest mocht bichten und aplaß
siner Sünden holen und das von kurze des zites wegen,
19. Ueber Michael den Seelenwäger vergl. die Einleitung. —
Die Stretlinger Sage auch bei Grimm, deutsche Sagen (2. Aufl.)
Nr. 512 und bei Kohlrusch, Schweiz. Sagenbuch p. 54. Poetisch
bearbeitet wurde sie von J. R. Wyss, Idyllen I, 187 und von Jacob
Frey im Schweiz, Miniatur- Almanach 1874.
wann der aplaß nit anders was geben, denn von der
ersten vesper hin unz zu der andern. Darumb ward ein
große rumor und klegt in dem volk; aber die selbefi
engelwiche uf die zit ward mit großem lob und eren
volbracht, es were mit singen, lesen, beten, predien und 5
alles das, so dem gottesdienst zugehört, und wurdent uf
dem selben tag ouch daselbs geoffenbaret drü zeichen
und wunder, die da geschechen warent bi der kilchen
des Paradises und bi dem heiigen brunnen dabi.
Das erst zeichen. lo
Man findet an dem selben end, daß einer mit dem
namen Hans Müller was beroubet siner gesiebt der ougen,
daß er gnot nüt gesach. [62] Der selbe Hans Müller
verhieß sich zu der kilchen des Paradis sant Michels mit
einem lebenden opfer. Do tr nü dar kam und sin opfer ^ 5
also gab, do ließ er sich füeren zu dem heiigen brunnen,
der da ist bi der kilchen des Paradises und bestreich
daselbs sin ougen mit ertrich und spöichelen, und darnach
wusch er sine ougen mit dem selben waßer des heiigen
brunnen und ward alsobald von stund an gesechend und -c>
lobte do den allmechtigen gott und den hochwirdigen
erzengel sant Michel. Und darnach angendes gab er einem
kilchherrn an dem selben end zu einer ewigen gab ein
stük lants, lit under dem spitz ob dem Pfenwert und
ouch einen aker, genant der Talaker. -5
Das ander zeichen.
Es was einer genempt Peter Müller und was des
ob geschribnen Hans Müllers brüder. Der selbe Peter
3. Ue^d, Klage.
72
Müller was also begriffen mit dem siechtagen des roten
schaden so hertenklich, daß alle die mönschen, bi im
geseßen und frömd, in für tot hieltent und nit meintent,
daß er an den tod von sinem bett keme. Der verhieß
5 sich ouch mit einem lebenden Opfer zu sant Michel der
kilchen des Paradis und nam ein hün und opfert das uf
den altar und nam ertrich in der selben kilchen und des
waßers von dem heiigen brunnen und mischlete das under
einander und trank das; und alsbald er das getet, do
'o enpfand er gesuntheit sines bresten und ward gesunt und
frisch, als er vormals ie w^as gesin. Der selbe Peter
Müller Seite darnach dem allmechtigen gott lob und dank
und dem hochwirdigen erzengel sant Michel und dienete
darnach sant Michel an dem [63] selben ort unz an sin
5 end, und gab darzü einem kilchherrn an dem selben end
zu einer frien ewigen gottsgab ein matten, die man nempt
das sinwel mad under dem lueg. Er gab ouch darzü me
zu einer frien ewigen gottsgab ein halbe juchart lants,
gelegen am Täller, als man das iint in dem jarzitbüch
;o (XVIIL kalendis octobris).
Das dritt zeichen.
Es w^as einer genant Walther Amesching von Honrich;
dem selben w^as em band also lam w^orden, daß er die
selben band nit kond noch mocht bruchen zu keinen
-'''5 dingen. Also verhieß er sich zu der kilchen des Paradis
mit einem lebenden opfer. Do er nü das selb opfer
zwürent dar bracht und also opfert, dennocht ward er
keiner gesuntheit siner band gewar; doch wolt er nit
ablaßen ze bitten sant Michel umb gesuntheit und verhieß
17. simuel, rund.
73
sich also zu dem dritten mal und besunder mit sinem
elichen gemachel, die do genempt was Cristina und
giengent also mit großer andacht. Do si nü also beide
uf der fart warent zu der kilchen des Paradis, do bekam
inen ein erberer alter man, als si bedücht, bi dem salz- 5
brunnen under dem Honrichsberg und grüeßte si und
fragte si, war si wöltent. Si antwurten im sprechende, si
weiten zu der kilchen des Paradis und zeigte im ouch
sinen gebresten der band und erzalte im, wie so große
gnad were bi der kilchen des Paradis und wie große 10
zeichen und wunder da erzeigt wurdent durch den hoch-
gelopten wirdigen heiigen sant Michel. Als [64] er im
nü sin krankheit erzelt und gezeigt hatt, do hüb der alt
erber man uf sine band und gab im den segen und sprach
zu Walther von Honrich : gang hin sicher, du wirst 1 5
gesuntheit diner band enpfachen, wenn du das lebend
Opfer uf den altar wirst legen und du darnach din band
stoßest in den heiigen brunnen daselbs und ie tiefer du
din band hinin stoßest, ie e du gesuntheit enpflichest!
Und sprach der alt erber man aber me zu im: es sind 20
torecht lüt, die ir opfer also uf den altar werfent und
alsbald enweg gand und der heiigen ämptern der meßen
nit wartent und losent; so doch die wirdigen engel in dem
himel davon liebe und fröid enpfachent und ouch einieglicher,
der da bittet den allmechtigen gott und die heiigen, das 25;
er nit beliplich ist an sinem bitten. Und do der alt man
diß geredt, do verswand er, daß er in fürer nit me sach;
daran er und sin gemachel groß wunder hattent und
giengent also für sich und volbrachten also ir gelüpt zu
der kilchen des Paradis mit einer guten trüwen Zuversicht. 5^^
7. luar, wohin.
»3. losen, hören.
74
Do si nu zu der kilchen des Paradis kament, do tet der
berschaftig man nach der 1er des alten erbern mans, der
inen bekomen was und leit das opfer uf den altar und
stieß die Hand in das waßer des heiigen brunnen und
5 zoch die band gesund wider harus und seite lob und
dank dem allmechtigen gott und dem hochwirdigen sant
Michel. Und darzü alle die zit, so er lept, erete er sant
Michel in der kilchen des Paradis und gab ouch einem
kilchherrn daselbs und allen sinen nachkomenen zu einer
^o frien o;ab einen aker, geleo;en ze Honrich, als man das
ouch noch findt in dem jarzitbüch (XIIII. kalendis octobris).
[65] Do nü dise großen zeichen und wunder also
offenbarlich gezelt wurdent vor allem volk, so da gegen-
wärtig was, do was künig Rudolf und alle mön sehen,
15 so da bi im warent, gott dem allmechtigen und sant
Michel groß lob und dank sagen und schied darnach
iederman wider heim. Künig Rudolf betrachtet und be-
sinnete darnach alles, das im begegnet was und gedacht
an sinen zukünftigen tod, der im ouch begond nachen;
^0 und ermanete ouch in sin conscienz und gewißne und
gedacht, wie er fürer weite etlich friheiten und sunderlich
gnad erwerben der kilchen des Paradis, als ouch all sin
vordem hattent getan; und fügte sich mit sin selbs lib,
ouch mit siner tochter Adelheiten der keiserin zu dem
^5 heiligen stül und hof gan Rom und wurdent da von dem
heligosten vater dem bapst, mit dem namen Leo der
achtend, mit aller erwirdikeit, loblikeit und mit fröiden
enpfangen; an dem selben end er ouch all sin guten
Sachen, die er dann vor im hatt, handlete und besunders
2.
herschaßig, umstellt aus hreschhaftig, bresthaft.
20. gewißne, Gewissen.
26. Leo VIII. war 963—965 Papst, hingegen Leo VII. 936—939.
75
im ze geben und verliehen zu der kilchen des Paradis
aplaß aller Sünden, die engelschen kilchwiche, die almüsen
in den stok daselbs, die gaben, die friheiten, die us-
marchung des kilchspels, ouch die friheiten, so einem
kilchherren vormals gegeben warent, die ouch bestät 5
warent, die er ouch bestetigen und fürer in kraft und
bestätniß weit legen und darzü ouch siner sunderlichen
gnaden begaben. Der vil genant küng Rudolf öffnete
ouch in sinem begeren die zeichen und wunder, die denn
an dem selben end vormals geschechen warent. Er begert lo
ouch, daß die zit, so der aplaß aller sünden were, ge-
strekt und erlengert wurdent. Er begert ouch ze wüßen
von den zwölf kilchen, die da [66] tochtern werent der
kilchen des Paradis und gebuwen und aber noch nit
begäbet waren, noch usgemarchet, was er hie inne sölte is
tun oder ze tun were; oder ob die usmarchung des Paradis
und ander friheit und gnad, die vormals dargeben was,
sölt oder möcht endern, daß ouch der heiig vater sinen
guten heilsamen rat darzü geb; und besunder wann man
ouch die vor genanten zw^ölf kilchen von der rechten ^o
müter gezogen hett, was hiein ze tünd were, daß die
güetikeit sines rates da mitteilt und er im ouch in dem
selben ze hilf kam. Do nü der bapst disen küng Rudolfen
wol gemerkt und verstanden hatt, do nam er sich ze
bedenken und nam rat siner brüeder der cardinalen, wann 25
es doch nit billich w(ire, daß man kein kilchen sölt buwen
noch usmarchen, das der rechten müter möcht schaden
bringen; man möcht denn nit wol oder mit kumber zu
der rechten lütkilchen komen und die heiligen sacrament
da den mönschen von verre und von unkomhkeit nit 3o
geben, wann es sölt nieman des andern schaden begeren,
8. offnen, offenbaren.
76
dadurch er aber sin eignen nutz möcht fürdern. Und
darumb bedacht er sich und woh das nit verwilUgen, daß
die zwölf kilchen mit ir usmarchung oder andern gaben,
geschechen in verlierung oder abzug der kilchen des
5 Paradis und des kilchherren daselbs, keinerlei fund noch
geverde hiein gesucht. Und ließ also die usmarchung
des kilchspels, die triheiten, die gaben, die denn geschechen
und geben warent von sinen vordem der herren von
Stretlingen, gar und genzlich unzerbrochen und kreftiget
10 die selben zu ewigen ziten also laßen ze beliben.
[67] Hie nach findet man, unc die engeis che kilchiviche in der
kilchen des Paradis und der aplaß aller Sünden bestät
ist worden von dem bapst Leo dem achtenden
durch eriuerbung küng Rudolfs.
J 5 Uf das selb, so da vor geschriben ist, so gebot der
heilig vater der bapst Leo und wolt ouch das also haben
von dem küng Rudolf, daß er von des abzugs wegen
und daß er die zwölf kilchen hatt gescheiden von der
rechten müter, das da was die kilch des Paradises, zu
20 ewiger bekantniß dem kilchherrn daselbs und sinen under-
tanen sölt geschechen und werden ein semlich widergebung,
die nit klein were und ouch merklich gefriet, daß inen
das wider ersetzt wurd. Und in dem selben belüd er
küng Rudolfen und satzt im das uf sin conscienz und
25 gewüßne und betrachtet das der bapst und leit ouch dem
küng das also für, wie der wirdig heilig sant Michel an
dem jüngsten tag wirt mit sinem herhorn all toten uf
heißen stan und si heißen komen für die urteil des all-
5 — 6. fund und geverde, listiger Anschliig und Betrug.
•
77
mechtigen gottes. Und darumb beducht in gut und billich
ze sinde, daß die lütkilch des Paradis, die der wirdig
erzengel sant Michel durch sich selbs selb hat gewicht,
daß die gewirdiget, gefriet und ouch der aplaß der
engelschen kilchwiche, ouch ander riheiten, die vormals 5
warent geben worden durch die heUgen väter die bilpst,
die ouch ufrechtenklich gegeben warent: daß die also
bewert bestentlich und [68] zu ewigen ziten also bestät
beliben soltent. Und verlach und gab der bapst äugendes
sines frien willens darzü, daß all selig cristenmönschen, ^^
die da käment zu der engelschen kilchwiche des Paradis
und aber von kurze des zites, das da was von der ersten
vesper unz zu der andern vesper, uf dem tag d^r kilch-
wichi ze nacht nit möchtent oebichten all ir sünd von
gebrestens wegen des kilchherrn daselbs oder siner mit- ^5
helfer und entlediget werden und absolvirt von iren
Sünden, were es denn sach, daß die selben mönschen
dem kilchherrn oder sinen boten oder schaffneren uf dem
selben tag ir opfer oder almüsen oder den kilchmeieren,
die an der kilchen buw ufnement oder in den stok der ^^
kilchen gebeut gold oder silber, oder uf den altar daselbs
leitent, was das were nützit usgenomen, das doch almüsen
were, in wert fünf Schillingen gemeiner pfennigen umb
wirdikeit der fünf w^unden unsers herrn Jhesu Cristi und
durch die andern zeichen sines bittern lidens, als des ^5
crützes, der naglen, siner dornin krönen, durch das sper,
das im sin heiige siten durchstach und durch ander vil
pin, so er durch des mönschen heil erlitten hatt — die
selben zeichen alle der hochwirdig sant Michel, der
zeichentrager, an dem jüngsten tag vor aller weit wirt ^^
9- verlach, mhd. verlecb, verlieh.
78
erzeigen — : daß die seligen mönschen, die also ir almüsen
geben, als ob stat, möchtent inen selbs userwelen einen
bichter, doch der da geschikt und wirdig darzü were, daß
er si möcht entledigen von allen iren sünden ein mal in
5 sinem leben und zu dem andern mal in sinem todbett;
doch mit semlichen gedingen und fürworten, daß ein
ieglicher mönsch, der des begerte, solt in dem selben jar
fünf fritag vasten, [69J nämlich zwüschent sant Micbiels
tag und sant Martins tag. Der bapst verwilliget ouch,
10 daß der selbe kilchherr des Paradis oder sin mithelfer,
denen er sölichs bevolen hett, möchtent geben bichtbrief,
doch geschriben mit namen in papir, ob ieman das begerte
under einer semHchen form und gestalt, als das denn
clerlich und luter ist geschriben in dem latinschen buch,
1 5 darab diß ist geschriben ; das enpfil ich den latinschen ze
sagen und uszerichten, die denn das selb an dem selben
buch eigenlichen findent.
Den selben aplaß und friheit und Vergebung aller
Sünden, ouch die engelschen kilchwiche, die da bestetiget
20 wurden, gab der heiig vater der bapst dem küng Rudolfen
durch besiglet brief nach gewonheit des römschen stüles
oder hofes. Und gab im der bapst darzü fünf stük heltüms
und gab im sinen segen und ließ in damit von dannen
scheiden. Und uf das nam küng Rudolf urloub von im
25 und schied also von dannen. Do er nü har heim kam,
do Heß er verkünden sin aplaßbrief, sin friheiten, be-
stätungen und ouch das heltüm, das im gegeben was von
dem heiigen vater dem bapst und verschüf und beschikt
ouch fürer, daß das Opfer oder almüsen, so in den stok
30 der kilchen des Paradis kam ze stür an die buw, daß die
gaben getrüwlich und redlich wairdent angeleit. Und
ward darnach ein großer zülouf an das selbe end und
w^ard ouch dabi großer gottesdienst fürer volbracht und
19
ward ouch angendes von einem, genant Cuno Pfander
und Ita siner husfrowen geben ein matt zu einer ewigen
sab mit dem namen das simuel madt, als man das denn
lindet in dem jarzitbüch (XI. kl. octobris). Und uf das
selbe gab ouch der vil genant künig [70] Rudolf einem ^
kilchherren daselbs des Paradis zu einer ewigen gab fünfzig
jucharten matten und lants und nie in dem selben kilchspel,
als man das ouch wol mag linden mit gutem underscheid,
an welchem end die selben ligend, in dem ob geschribnen
latinschen buch, darab diß geschriben ist. Und wie er 10
die gefriet hat, inzehalten oder uszelaßen, iindt man alles
klerlich; der das begert ze wüßen, der frage die, so denn
latin kennent, die gebent im denn wol underwisung durch
das vor genant latinsche buch. Der vil genant küng
Rudolf wolt ouch und hat das gesetzt und geordnet, daß 1 5.
ein ieglicher kilchherr des Paradis und all sin undertanen
des selben kilchspels, wa die geseßen werent, daß si die
friheit söltent hau zu ewigen ziten, teil und gemein an
allen zeigen, hölzern, almenden, weiden als wol, als einer
von dem guldinen hof oder von Wyler an alle hinderniße 20
von menglichem und die ze bruchen durch das ganz jar
nach allem irem willen unz zu dem sium^en back und
von Gumpenmur unz an das waßer der Cander; und were
es aber sach, daß die undertanen der beiden kilchen,
nemlich zu dem guldinen hof und des Paradises, also 2>
uneins wurdent und wider einandern werent und si also
gehindert wurdent von keinerlei Sachen wegen, daß*
die ob gemeldeten fünfzig jucharten lants, die küng Rudolf
geben hatt einem kilchherrn des Paradis, ingeslagen und
* Hb. dass ei.
29. inslahen, hier einfriedigen, mit einem Zaun versehen.
i
8o
verzunet wurdent von beden kilchspelen zu nutz und
fromen eins kilchherrn des Paradis, so söltent die zwei
vor gemeldeten kilchspel beroubet sin und mangien des
bruchs und der weid, so si in dem selben gut und zeigen
5 hettent. Und sölt und möcht [71J der kilchherr des
Paradises nit dester minder die selben jucharten oder land
inslachen in sinem eigenen costen und die nutzen und
brücken durch das ganz jar, wenn er wölt von menglichem
ungehindert und nit dester minder in die andern zeigen
^o faren und alm enden und weiden zu ewigen ziten als wol,
als ir einer ane iedermans hinderniße. Und wer darwider
täte und daselbs den kilchherren des Paradis, sin knecht
oder dienst hinderte an dem selben inbesließen der selben
güetern, als ob stat, als dik und vil als das geschäch von
^5 iemant, so sölt der selbe gestraft werden umb drü pfund
Pfennigen gemeiner münz des lands und die strafung sölt
und möcht geschechen von einem kilchherren des Paradis,
der ouch die selben drü pfund mocht inziechen ze bruchen
ze stür sines inslachens des gutes hiein alle gnad us-
20 besloßen. Das ouch der vil genant küng Rudolf von
sunderlicher friheit gab einem kilchherren des Paradis und
geschäch ouch das mit willen und verhengniß aller der,
die da geseßen warent zu dem guldinen hof und zu
Wyler und verhießent ouch das ze halten zu ewigen
25 ziten; darumb si ouch swürent für sich und all ir ewigen
nachkomen, das also ze halten, das ouch küng Rudolf
darnach also bestätiget, als man das ouch wol findt in
dem jarzitbüch (kalendis septembris).
Nu ist hie ze wüßen, daß der vor gemeldet heilig
vater der bapst wolt das also haben umb des willen, daß
ein ieglicher kilchherr der kilchen des Paradis und all sin
nachkomen keinen schaden oder verlurst hett an dem,
daß sin undertanen sich also gemindert hattent und ab-
8i
gezogen wurdent [72] von der rechten müter der kilchen
des Paradis an opfer, an frummen und an andern vil
züvellen, so denn einer ieglichen lütkilchen zugehört, daß
die zwölf kilchen, die uf die selben zit ufgiengent und
gebuwen wurdent und geuffet, daß die selben kilchherrn 5
söhent ein bekantniß tun jerlich, als ir rechten müter
der kilchen; und friet und gab friheit also der kilchen
des Paradis, daß alle die undertanen jung und alt, die zu
iren tagen werent körnen, alle jar zu ewigen ziten uf der
kilchwichi der kilchen des Paradises sölt sich erzöigen 10
mit sinem opfer erlich zu dem fronaltar mit siner eigenen
person und sich da dem allmechtigen gott und dem hoch-
wirdigen heHgen sant Michel sinem patron und schirmer
sich da erzeigen. Und darzü so vil nie von einer ieglichen
lütkilchen der zwölf kilchen, die da tochtern warent, man 1 5
uf dem selben tag und kilchwiche sölt bringen und geben
ein Wcächsin kerzen, die eines pfundes swär were und die
da opfren zu einer bekantniß zu ewigen ziten, daß si
werent gesin tochtern und undertänig und ouch undertanen
der kilchen des Paradises. Und das geschach uf semlich 20
meinung, daß die selben zwölf kilchen also ein abscheid
mit iren kilchspelen also soltent haben und solt aber die
kilch des Paradis in allem dem, so si gefriet w\as worden
vormals, mit aller rechtsame in siner Sterke und friheit
zu ewigen ziten unzerbrochenlichen bUben; und gebot 25
das der vor genant heiig vater der bapst* under der pen
des ewigen flüchs also ze beliben. Darnach Heß der vil
genant küng Rudolf und die küngin sin gemachel, mit
dem namen Berchta, die zwölf kilchen, die dann vormals
warent tochtern [73] gesin der kilchen des Paradises, die 30
* Hs. bap?t daz.
frummen, Nutzen.
xilvelle, Einkünfte,
82
selben vor gemeldeten kilchen usmarchen und begaben
doch nit ze vollen und das darumb, wann si warent
darnach in kurzen ziten von diser weit scheiden und
wurdent begraben und bestattet zu der erd zu BetterUngen,
) da si ouch rüwent. Gott si inen gnedig und barm-
herzig! Amen.
4, Rudolf II. t 937 liegt begraben im' Kloster St. Moritz zu
Agaunum; hingegen soll Bertha f um 966 in ihrer Stiftung Peter-
lingen (Paterniacum) ruhen. Vergl. Anzeiger für schw. Gesch.
Neue Folge p. 306.
DAS FÜNFT CAPITEL
D
arnach in dem jar, do man zalt von der geburt
Cristi einlif hundert zwenzig und drü jar, zu dem
selben zit was ein Herr von Stretlingen mit dem namen
Herr Burkart von Stretlingen. Der selb herr Burkart was
ein semlicher warhafter man, daß nie kein mönsch von
im kein unwarheit gehört. Alles das er redte, das was
ja ja, nein nein! und alle sin w^ort redte er mit ganzen
trüwen; den selben sinen worten die wurdent von allen
denen, die in bekantent, gehept, als het er einen eid
darumb getan. Der selbe herr Burkart von Stretlingen
was eines großen demüetigen herzen und eines kuschen
libes. Er bevalch ouch taglich dem hochwirdigen erzengel
sant Michel, sinem patron und schirmer* der kilchen des
Paradis, sin Hb, sin sei und alles das, das er hatt, mit
andechtigem gebet und mit almüsen.
[74] Hie nim war eins großen zeichen, das im geschach
und zu handen gieng.
Und wann nü der vor genante herr Burkart von Stret-
lingen sich in allen sinen sachen und gescheften wislich, für- 20
sichtenklich und manlich hielt, do gab im ein großer herr
* Hs. schirmers.
84
. sine tochter zu der e, die was geheißen Sophia. Die selbe
frow was von Hb und gestalt über alle maß schön und hüpsch ;
aber in iren sitten und geberden was si scharpf hert und hat
kein gut geberd, als denn ein semliche erliche frow von
5 gesiecht und geburt solt haben. Die selben frowen, sinen
gemachel, nachdem als er si genomen hatt in etwas
vergangnen zites, er mit großer hoffart und kostlikeit und
großen eren hein gan StretUngen fürt, als si oder die
iren das begertent, wiewol er die hoffart nit gern hatt.
10 Nu macht es sich, daß der alt vient der küschheit und
luterkeit, der tüfel, sucht mengerlei Ursachen, wie er si
betriegen möcht, als das villicht geschach durch ir hoffart
von verhengniß des allmechtigen gottes, wann ir eHcher
man hatt si noch nit beslafen. Uf ein zit wolt der herr
i) zu der kilchen des Paradis gan und er sin frowen mant,
si sölt ouch zu der kilchen gan. Do sprach si zu irem
herrn : w^as gat mich din sant Michel an ? du solt wüßen,
daß ich nit in der kilchen wil stan under dem gemeinen
volk! In dem selben ward si beseßen von dem bösen
20 geist. Do er si nü aber bat und mant, si sölt zu der
kilchen gan, do antwurt si im als vor, si wölt nit under
dem gemeinen volk stan, und wölt ouch nit ze kilchen
gan als lang, unz er ir machte ein höcher end, [75] daß
si das besloßen hett, daß si darin und darus möcht gan,
2) wenn es ir eben und gefellig were, daß si da von nieman
möcht gehindert werden. Der herr verwiUigete ira das
und Heß unden bi dem kilchhof ir einen ingang machen,
da man noch hüt dis tages sieht in der mur, wie ein tür
darin ist gestanden und gangen; und Heß ir machen ob
30 der großen kilchtür, da man vor hin ingat, ein porkilchen*,
* Hs. portkilchen.
30. porMIche, Emporkirche, erhöhter Sitz in der Kirche.
r
85
daß si da allein mocht ir wonung haben an iedermans
hinderniß. Nu was aber das ir angenomene wis, nachdem
als si beseßen ward von dem bösen geist: wenn man
anfieng das heilig ewangelium lesen oder singen, oder
das gotzwort verkünden oder predien, so gieng si all- 5
weg hinder us uf den kilchhof und hat kein ander fürwort,
denn daß si sprach : die priester sind den ganzen tag an
dem kanzel swetzen und die mönschen in der kilchen
also besweren und müed ze machen mit iren worten!
Das mag ich nit liden, wann ich han sin nit gewonet 10
und ist ouch nit war, das si sagent. Der \or genant herr
Burkart von Stretlingen, ir man, ward des von ir under-
wiset und hat davon groß wunder und schämete sich
ouch des selben ser und vast; wann er bekant, daß ein
cristenmönsch semliche wort nit solt reden noch gedenken 1 5
und ouch nit zimlich vy'arent. Er zwiflet aber dennocht
nit, daß si beseßen were von dem bösen geist. Darnach
als da kam die kilchwichi des Paradis, do wolt er ir
versechen und türkomen, daß si zu den selben gotthchen
ziten, so die göttlichen empter wurden volbracht, nit -^
möcht US der kilchen komen umb des willen, daß das
gemein volk nit bös bispel von ir nement. Und von
semlicher schand, so da von ir geschieh und möcht
uferstan, do beschikt der [76J herr Burkart einen sinen
knecht, der also uf si solt warten und wenn der priester -5
uf den cancel wolt gan und das gotzwort verkünden und
predien, daß er die tür, da si hinus möcht oder wölt
gan, besluße, daß si nit us der kilchen möcht komen;
und wa si ouch an andern enden weit usgan, daß er
das versech. Do nü der priester an den canzel gieng 30
10, Ich hart sin etc., ich bin deßcn nicht gewohnt.
19. versechen und fürJiOtnen, verliindcrn und zuvorkommen.
86
und anfieng zu predien, do wolt si hinus gan. Do ir
nü also das versechen was, daß si nit hinus mocht komen,
do vieng si an mit einem großen geschrei und wüeten
sich selbs rupfen und ir gewand zerzeren und hinuf in
^ das tach stigen mit schrien und brach ein loch durch das
tach und wolt da hinus stigen. Der priester, zu den
selben ziten mit dem namen Diethelmus, der erschrak
und riam doch nüt dester minder sin stol ab sinem hals
und begreif die frowen also und band si mit der stol
10 und fürt si zu dem fronaltar und besloß si darin und
fieng an, si zu besweren. Und in dem als er si beswür,
do vieng si an zu reden und sprach: o leider ich muß
nü hie die warheit sagen ! Ich bin der tüfel und bin har
in dis hüpsch bild diser frowen geschikt von unsern
1 5 fürsten der tüflen und das darumb, uf weli zit oder stund
diser herr verlur sine küschheit und si liplich bekante,
daß ich in sölt getödt haben. Aber der heiig sant Michel
ist sin schirmer gesin und han im nüt mögen tun; und
die wort, so die priester predient, die sind lebendig, recht
20 und gut, und die zung, die nit anders weiß und kan,
denn von gott reden, die ist selig. Und wer das gotz-
wort gern hört und dem nachvolget, der stirbt zu ewigen
ziten niemer. Und noch vil ander sachen was si da
vergechen, davon alle, die do w^arent, wunder hattent
25 und ward also entbunden von dem tüfel und [77] starb
darnach an dem dritten tag und bestattet man si zu der
erd. Do nü diß also geschach, alle die das gesachent
oder hortent, erschrakent darab und bekantent hiebi, daß
der hochwärdig sant Michel ein beschirmer und behüeter
30 ist aller der, die im andechtenklich und mit trüwen
dienent; wann er ouch disen vor genanten herr Burkarten
16. bekennen, hier coo-noscere feminam.
87
von Stretlingen behüett hatt an sinem Hb und sei. Und
darnach lopte er den allmechtigen gott und den wirdigen
sant Michel.
Zu den selben ziten was durch alles tütsch land gar
ein große pestilenz und tod und wert vil nach zwei jar 5
und sturbent so vil lüten, daß es darzü kam, daß kum
einer den andern nmcht begraben und ward die ganze
herschaft von Stretlingen bi dri milen wegs ze ring umb
also öd und wild, daß die güeter ungebuwen belibent ; und
ouch die güeter der kilchen des Paradis also ungebuwen lo
lagent, als ob es almend were. Do was in aller gemein
des selben zites ein semUche gemeine rede, daß der all-
mechtig gott von himelrich die mönschen strafte von des
wegen, daß si nit hieltent die zechen gebot und ander
cristenlichen Ordnungen und Satzungen, so man denn i5
biUich solt halten. Und wurdent also in dem ganzen
land und gegni redent und ze rat werden, wölt man
semlicher großer plag änig werden, so solt man sich .
entheißen andechtenklich ze gand zu der kilchen des
Paradis mit gaben und mit allem dem, so man gott und 20
dem heiigen sant Michel möcht eren; wann an dem
selben end der kilchen des Paradis were aplaß aller
Sünden in der engelschen kilchwiche, nach dem und
vormals sant Michel das selbe selbs verkünt und geredt
hatt, do er die selben kilchen, den kilchhof, altar und 25
den heiligen brunnen gesegnet und gewicht hatt. Si
gedachten und redten von den großen zeichnen [78] und
wundern, so vormals ouch daselbs geschechen warent
und wie ouch vormals vil lüten da entlediget werent,
5. vil nach, beinahe.
18. änig werden, ledig werden.
19. sich entheißen, ahd. afitheiian, ein Gelübde thun. Grimm
DW. III, 557 konnte das Wort im Hochdeutschen nicht belegen.
88
die von den bösen geisten beseßen warent. Und darnach
bald zu der künftigen kilchwictii der selben kilchen des
Paradises von gesatzt und gebots wegen, ouch von der
friheiten wegen, so vormals erworben hatt küng Rudolf
S von dem bapst Leo dem achtenden, die priester und
kilchherren von Thun, Hilterfingen, Sigriswil, Costenzer
bistüms, und ouch die kilchherrn und lüpriester von
Leuxingen, Frutingen, Eschi, von dem guldinen hof, Wimnis,
Anseltingen, Tieracher, Uttingen und SchertzUngen, Losner
10 bistüms, mit iren crützen und anderm heltüm, kerzen
und schallen und ander gezierd, so man denn gewonlich
treit, so man mit crützen gat — und warent also mit allen"
iren undertanen die selben vor benempten kilchherrn und
lüpriesten komen zu der kilchwiche der kilchen des Paradis
15 und die selben crützgang also volbringen mit großer an-
dacht und gebet, ouch almüsen. Und die vor genanten
kilchherren und lüpriester mit allen iren undertanen und
ieghcher in besunders verhießen und gelopten zu ewigen
ziten, semlich crützgang ze tünd jerHch und swürent das
20 selbe ouch ze tun zu einer bekantniß, daß der hochwirdig
erzengel sant Michel ir patron und schirmer w^ere, und
wann si ouch vormals hattent gehört zu der kilchen des
Paradises, und w^ie und in w^eler Ordnung si soltent gan
jerUch und satztent das in schrift; wie man si ouch an
25 dem selben end solt enpfachen, mit was lobgesang, ouch
ander cristenUchen Ordnungen, so denn von hüpscher und
lopHcher cristenlicher Ordnung darzü gehört: das enpfil
ich nü zemal den latinschen, die das luter und dar und
wol geordnet findent in dem orienal und latinschen buch,
30 darab ich [79] diß geschoben hab. Do si nü dise Ver-
heißung und gelüpt getan hattent und ouch das selbe die
II. schalle, schelle, Glöckchen.
29, orienal. Original.
89
meinung was gesin des bapstes und ouch küng Rudolfs
und ouch die Ordnung also gesteh hattent ze komen an
das selb end, do hört die pestelenz und groß tod uf, daß
man nit me also heftenkHch starb, und volbrachtent also
die kilchwiche der kilchen des Paradis mit großer andacht 5
und lob gottes. Und wurdent uf dem selben tag der
kilchwichi daselbs verkünt und geoffenbaret zwei große
zeichen und wunder, die der hochwirdig erzengel sant
Michel da gewürkt hatt.
Das erst zeichen. lo
Es was ein frow von Frutingen mit irem namen
Gerdrut, die was nü vil jaren an iren beiden beinen lam
gesin und ir ganzer Hb was ouch krumm. Der selben
frowen kam in irem trom für, si sölt sich entheißen zu
sant Michel in die kilchen des Paradis mit einem lebenden is
opfer. Do ir semHchs in trömen etzwie dik fürkam, do
verhieß si sich also mit einem lebenden opfer und ließ
sich dar füeren und opferte ein hün daselbs uf den altar.
Als man si nü also dar gefüert hatt, und si für den altar
also getragen ward, do viel si vor dem altar nider und 20
kam si ein großer schmerz an, daß si von iren sinnen
kam und si nüt umb sich selbs wüßt. Aber gar in einer
kurzen zit kam si wider zu ir selbs und [80] stund frisch
und gesunt uf vor dem altar und sagt gott dem allmechtigen
und dem wirdigen heHgen sant Michel groß lob und dank 25
und gab darnach einem kilchherrn daselbs zu einer ewigen
gab und almüsen ein pfund pfennigen daselbs zu Frutingen
und ein hün oder aber darfür achzechen steblerpfennigen,
28. Stehlerpfennig oder Stehler, eine Schweizennünze, so benannt
nach dem darauf geprägten vStab der Bischöfe von Constanz oder
Basel. Vergl. Tschudy, Chron. helv. I, 459.
90
das uszerichten umb "sant Michels tag, als man das findt
in dem iarzitbüch.
Das ander zeichen.
Es was ouch einer genant Bernhart zem Brunnen,
5 was geseßen zu dem endern Stretlingen. Der selbe
Bernhart hat einen semUchen großen siechtagen und so
gar groß liden und smerzen an sinem Hb, daß alle die,
so in gesachent oder von im gehortent sagen, hattent
ein mitliden mit im, wann er was nüt denn schrien und
10 von großem we sagen. Nu beschach, daß in beducht
in einer nacht, wie er gesech einen erlichen wirdigen
hüpschen man mit einer zierlichen hüpschen angesicht
in wiESen kleidern. Der selbe man verkunte im, weit er
gesunt werden, daß er denn ein Zuflucht hett zu sant
15 Michel in der kilchen des Paradis und im da opferte ein
lebendig opfer und das uf den altar geb. Er verachtet
das und wolt es nit tun. Darnach in der nechsten nacht
begegnet im aber semlichs und verachtet das ouch und
wolt das nit tun. Do im nü zu der dritten nacht semlichs
20 begegnet und besunder im das also hüpsch fürkam und
im semlichs riet in dem slaf, [81] do gesegnete in der
mit dem heiigen crütz und riet im fürer, er sölt sich
ouch in dem heiigen brunnen weschen ; und wenn er sin
gelüpt also andechtenkhch volbrecht, so sölt er sicher sin,
2!) daß er gesund und frisch wurd. Alsbald er diß verhieß
und understünd ze tun, alsbald was er gesunt worden.
Sin gemachel und alle, die bi im warent, die namen
wunder davon, daß er alsbald was gesunt worden und
5. enäer, enner, jenseits. Das jenseitige Stretlingen wird die
Gegend um das Bächigut, die heutige Chartreuse sein.
91
schatztent aber dabi sin gelüpt und Verheißung klein, als
im das in dem slaf was fürkomen und sprachent also:
es sölt sich nieman zu semlichen gelüpten verheißen
durch tröimen oder gesiebten willen; semhch sachen
mochtent geschechcn durch betriegen der bösen geisten; 5
wann es kam wol uf, der tüfel erzeigte sich etwen gelich
einem guten engel. Und darumb sölt er sin gemüet und
gedenk bestentlich halten und semlich tröim oder gesiebt
w^enig halten; w^ann er were sust also gesunt worden,
und ob er joch semlich Verheißung nit getan hett. Uf ^^
der nechsten nacht nach semlicher red der sinen erschein
im aber die person und gestalt als vor, und sprach zu
im : du solt wißen, daß du als lang müßt siech beliben,
als lang du din gelüpt nit volbringest! Und angends uf
dise w^ort kam in sin siechtag und krankheit wider an ^5
als vast als vor, und ward davon gar hertenkUch gepiniget.
Als das sin gemachel gesach, do verhieß si äugendes das
allerbeste, veißest schaf, so si under allen iren schafen hattent,
sant Michel ze opfren uf sinen altar und underwisete iren
man, daß er sin gelüpt erfüllte, so er vormals getan hatt. -"^
Alsbald er das getet, do ward er aber gesunt und enpfant
für[82]werthin keiner krankheit me an sinem lib. Daruf
volbracht er sin gelüpt und Verheißung mit ganzem fliß
und ernst; und diewil er lept, dienete er sant Michel mit
ganzem fliß und gab ouch an die kilchen des Paradis zu ^5
einem ewigen almüsen und gotzgab ein hus und hofstatt
mit der schür daselbs, gelegen zu dem endern Stretlingen.
Die selben gotzgab darnach ein kilchherr zu den selben
ziten lech einem mit dem namen Seman umb vier Schilling
Pfennigen gemeiner lantmünz, daß man die solt usrichten 5o
umb sant Michels tag, als man das fint im jarzitbüch im ougsten.
10. joch, auch.
92
Und von sellichen großen zeichen, als vor stat, was
der vor genant herr Burkart von Stretlingen und alle die
mönschen, die in der selben gegne warent geseßen,
frölichen worden und dem allmechtigen gott und dem
5 hochwirdigen sant Michel lob und dank sagen; und gieng
daruf iedermann zu dem imbiß, sich ze spisen und zu
dem sinen wider heim.
Der vil genant herr Burkart von Stretlingen von
sinen anligenden nöten wegen hat etwas sachen ze handien
i^^ vor dem keiser, und was der keiser genant Fridrich der
fünft; und reit also hinin in Lamparten in die statt
Cremonensis, da er ouch den heiUgen vater, den bapst
vand, mit dem namen Honorius der dritt, und ouch den
keiser. Der bapst und ouch der keiser in gar früntlich
I j enpfiengent. Der vor genante herr Burkart von Stretlingen
erklagte und erzalte dem heiigen vater dem bapst all sin
anligenden not [83] und das im do an was gelegen,
ouch die zeichen und wunder, ouch ander sachen der
kilchen des Paradis halb mit großem süfzen und ernst;
-^ ouch die engelschen kilchwiche, aplaß aller Sünden und
ander vil friheiten, die dann vormals ouch gegeben warent ;
und zöigte im diß alles in gloubsamer geschrift. Darzü
begert er ouch, daß man möcht friheiten haben ze höischen
an die kilchen des Paradises allenthalben, wa man hin
25 schikte in dem namen sant Michels. Er begert ouch in
der selben bitt, daß ein kilchherr der kilchen des Paradis
möcht ein brüderschaft machen oder ufsetzen, dadurch
die kilch des Paradis geuffet und gebeßert wurd und
want also vor dem heiigesten vater für, wie daß sin
30 herschaft und das ganz land allenthalben da umb wüest
10. Eher Heinrich V. 1106— 1125: und Zeile 13 Honorius IL
1124— 1130.
I
93
leg, und ouch durch töd und pestilenz und gebrestens
halb der lüten die güeter der kilchen des Paradis also
ungebuwen legem und alles das, das sin vordem von
güetern hettent geben an die kilchen des Paradis, daß
die selben güeter zu allmenden giengent und verwüechsent 5
und villicht von söHchs gebresten wegen, als vor stat,
niemer me möchtent gebuwen werden, denn daß si sich
also verlägent; dadurch aber ein priester an dem selben
end volkomenlichen, als denn vormals was angesechen,
sin narung nach priesterlicher wirdikeit nit möcht haben. ^^
Der dik genant herr Burkart von Stretlingen wandt ouch
für mengerlei ungefells und sorgUcher Sachen, die er
gehept hiltt von kriegsnöten wegen ; ouch wie er das sin
w^ider die beiden durch cristens gloubens willen het ver-
kriegt [84] und vertan als vil, daß er der kilchen des i)
Paradis, die der heilig sant Michel selbs gewicht hett,
volkomenlich und genügsamUch nit möcht ze hilf komen,
als aber einer siner vordem, mit dem namen herr Arnold
von Strethngen hett verheißen einem bischof von Losann
mit sechzig tuggaten ze widmen die kilchen daselbs, daß ^^
ouch ein priester möcht wol sin ufenthalt da haben und
darzü ander beswerniß und bürde, so dik uf ein kilch
viele, möcht ustragen. Und bat also den heiigen vater,
daß er sin gnad also mit im teilen weit, wann er es
anders nit vermocht; und brucht hie vil me güetlicher ^>
und früntlicher bittworten, denn ich hie meld. Und nach
semUcher flißiger bitt nam sich der heilig vater der bapst
ze bedenken zu sinen brüedern der cardinalen des stüls
zu Rom; und in erzöigung sunderlicher liebe lud er in
5. verwachsen, mit Gestrüpp überwachsen werden.
8. sich verlisren, durch zu langes Liegen verderben.
20. luiduien, ausftatten.
94
ze tisch mit im ze eßen und saßte in an "sin siten, da
er im ouch mit worten und werken erzöigte große
früntschaft und liebe, so er zu im iiatt, in eßen und in
trinken; und under andern früntlichen worten, so er zu
5 im redte, sprach er: lieber sun, alles das du bcgerest und
ich ze geben hab, das sol dir ervolgen und werden ! Der
heilig vater der bapst betrachtet ouch, daß nieman schuldig
ist ze triben und ze volbringen ritterschaft ane gebung
sunderliches soldes; er betrachtet ouch, daß zu dem zit
^o der großen töden und pestilenz dem mönschen heil mag
bringen und großen nutz, wa der hochgelopt erzengel
sant Michel wirt angerüeft, wann er ouch großes gewaltes
ist und darumb in was nöten er wirt angerüeft, es si in
für, in waßer, in dem ertrich oder an welem end [85]
15 das ist, daß er im mag ze hilf komen. Wa ouch die
engel werdent geeret mit gaben, mit gelüpten, da erzeigent
sich die heHgen engel den mönschen zu einer sunderlichen
hilf. Und darumb ein ieglich kind ist schuldig ze wüßen
den namen sant Michels zu nemmen, wenn es sibenjärig
20 wirt, daß es nit beseßen werd von dem tüfel und daß
ouch ein ieglich kind oder mönsch in allen sinen nöten
und kumber und Hden könne anrüefen den namen sant
Michels; darzü an allen enden, wa das ist, in zu eren;
wann alsbald ein mönsch wüßentlichen tötlich sündet, so
25 möcht der tüfel den mönschen besitzen und in ertöden,
were die hilf der englen nit.
Und darumb gab der heilig vater der bapst von
stund an mit bäpstlichem gewalt und satzte die vor
genante kilchen im Paradis, die der hochwirdig sant
30 Michel durch sich selbs gewicht hatt, wann ouch an dem
selben end mengerlei zeichen und wunder geschechen
warent, ze frien und das heiig almüsen under dem namen
sant Michels, patron der selben kilchen und all ander
i
95
engel, daß ein ieglicher kilchherr daselbs durch sin gewißen-
boten oder Schaffner, die der kilchen trüw werent und
in möcht schiken allenthalben, das heHg almüsen uf ze
nemen und höischen zu ufenthalt der kilchen des Paradis
und ouch die kilchherren daselbs jerlich zu ewigen ziten 5
möchtent das tun, es were in kilchen, capellen; und das
möchtent* si tun dri sunnentag vor sant Michels tag
allenthalben, wa es inen denn eben were. Er möcht von
einem ieglichen kilchspel frowen und man userwelen, die
das tun wöltent, die von hus ze hus semlich almüsen 10
möchtent züsamen tragen und die selben [86] almüsen zu
banden einem kilchherrn der kilchen des Paradises ant-
wurten, schiken und geben. Hienach stat in dem latineschen
buch vil friheit und fürdrung, so da solt geschechen einem
kilchherren und kilchen des Paradis, die der vor genante 15
bapst hat verheben und geben ze tünd von des almüsens
wegen, wde man das almüsen an allen enden solt also
ufnemen ; und ob kein priester oder ieman anders das
nit wölt tun und das hindern : w^as im darnach geschäch
oder sol gan, der des beger ze wüßen, der laß in des die 20
latinschen underrichten, wann er findt das da alles, da
ich es hie laßen. Der selbe bapst hat ouch uf die zit alle
die laßen bannen und verflüechen, die einem kilchherrn
des Paradis oder sinen gewißen boten in dem ufheben
des almüsens hindernt oder inen kein widerstand in 25
dem selben weltent tun heimUch oder offenhch, oder hilf
und rat darzü gebent ; die selben personen, wer die sind,
geistlich oder weltHch, söllent davon nemen ir absulacion
und entledegung von einem stül von Rom, dem er ouch
das selb behalten hatt. Und uf das alles so hat der helig 30
* Hs. machtent.
8. eben, gelegen.
96
vater der bapst mit fliß siner güetikeit und nach väterlichem
sitten allen denen, so ir heiig almüsen an das selbe end
gcbent, geben aplaß aller sünden zu der engelschen
kilchwichi. Ouch all ander friheiten, die vormals warent
5 geben von einem stül von Rom und von den heiigen
Vätern bestät, die was er fürer besteten, Sterken und
kreftigen; und gab darzü von sinem guten frien willen
allen denen, so ir heiig almüsen mitteiltent oder güts
tätent der kilchen des Paradises, daß denen sol vervolgen
^° und werden aplaß der sibende teil ufgesatzter büß aller
iren sünden. Und gab darumb dem vil gemeldeten herrn
Burkarten von Stretlingen versiglet bullen und brief nach
Römschen sitten und gewonheit nach aller notdurft und
gab im darzü acht stück heltüms und gab im daruf sinen
^5 bäpstlichen segen. [87] Also nam der vil genante herr
Burkart von Stretlingen urlob von dem bapst und ouch
von dem keiser, der im ouch groß friheiten gab und
schied also von dannen und kerte wider heim. Und
w^ard semHcher großer aplaß und friheit der kilchen des
^^ Paradis allenthalben verkünt und ward ouch semHche
botschaft, w^a die hin kament, erUch enpfangen und ge-
laßen. Es w^ard ouch ein semhcher großer zülouf zu
der kilchen des Paradis, do man* vernam den großen
aplaß und gnad und ouch das wirdig heltüm dar komen
25 was, von den zwölf kilchen da umb, die da warent
tochtern der kilchen des Paradis, daß das unseglich ist ze
sagen. Es ward ouch großer zülouf von frömden lüten
von verren landen, nie dann vormals ie was gesin. Es
w^as ouch zu den selben ziten ein gemeine rede allent-
30 halben in dem Land, daß durch die ere und gottsdienst,
so gott und sant Michel an dem selben end geschäch,
die pestilenz und ander plogen und töden, gott were
* Hs. wan.
97
gcniiltcrt an siuem zorn, daß die uf die selben zit also
uthieltent und nit me warent. Der vil gemeldet herr
Burkart von Stretlingen gab ouch darnach siner kilchen
des Paradises zu einer ewigen gab und almüsen vier
juch arten lants, als man das denn fint geschriben in
dem jarzitbüch im ougsten. Es gab ouch einer mit dem
namen Uolrich Gugisperg der kilchen ein halb juchart
lants, genempt
~t7// See, und
anders ward ouch des selben
mals dar geben, das geschriben ist im jarzitbüch. Do nü
dise pestilenz ufhort, als ob stat, do schied der vil genant
herr Burkart von StretHngen ouch von diser zit. Gott
si im gnädig und erbarmherzig und helf uns ouch allen,
die noch lebent, zu einem seligen, guten end! Amen.
[88] DAS SECHST CAPITEL.
Des jiires, do man von der gebort Cristi zalt einlif
hundert fünfzig und sechs jar, under dem keiser
Fridrichen dem ersten, was ein herr von Stretlingen mit
5 dem namen herr Diebold von Stretlingen. Der hatt gehept
ein frowen, was genempt Anna. Zu den selben ziten ist
gesin ein kilchherr in der kilchen sant Michels Paradis,
der schied des selben mals von diser zit. Der erst genant
herr Diebold von Stretlingen vergaß und gedacht wenig
10 an vil guter sachen und geschichten, die von gott und
von dem hochwirdigen sant Michel, dem erzengel, patron
und schirmer der kilchen des Paradis, an sinen vordem
ouch an dem selben end getan und erzöigt worden* und
vieng an undankber sin gott und sant Michel. Er vieng
i) ouch an durch underwisung des tüfels ze sinde ein wilder
verkerter wüetrich und slüg die vorcht gottes ganz ze
rüaaen und was** ein Zerstörer und zerbrecher der speist-
liehen friheiten der heHgen kilchen. Er zoch ouch an
sich die erbschaft und das gut, so verlaßen hatt der
-o kilchherr, als ob stat, der under im gestorben was zu der
kilchen des Paradis, als es im sjehorte von oröttlichem
recht und erbschaft. Darnach kurzlich kam die kilchwiche
* Die Hs. gibt hatt statt worden.
** fehlt in der Hs.
99
der kilchcn des Pamdis; zu der selben kilchwiche ouch
kamen: die kilch Herrn und lütpriester der zwölt kilchen,
die da warent tochtern der [89] kildien des Paradis mit
allen iren undertanen. Zu den selben ziten was erst ein
nüwer kilchherr dar komen und bestät von einem bischof 5
von Losann und ouch vormals presentiert von dem vor
genanten Herrn Diebolden von StretHngen; der was nü
genant Herr DietricH. Der erst genant Herr Dietrich
vieng an zu reden und spracH zu sinem Herrn, Herr
Diebolden von StretHngen in gegen wurtigkeit der zwölf 10
kilcHHerrn und lüpriestern und oucH vor andern lüten,
und tet das mit einem früntlichen antlit und mit
senftmüetigen worten, als er denn uf die zit das kond
getün; wann er wolt in brüederHcH underwisen und strafen
und im zeii^en den we«: der warHeit, als er im oucH das 15
scHuldig was ze tund : gnädiger Herr, icH bin erst nüwlicH
zu üwern gnaden komen, und weiß aber üwer gewonHeit
und sitten üwer lierscHatt nit! Were es üwern gnaden
eben, so weit icH gern etwas mit der Hilf gottes reden
Hie offenbarlicH vor ücH in der kilcHen, an dem selben 20
end man oucH bilHcH sol die warHeit sagen. Herr Die-
bold von StretHngen antwurt im und spracH: lieber Herr,
ir mögent wol reden, was ücH eben ist und mir gefelHg
und komHcH ist! Do vieng der kilcHHerr an zu sprechen
ein semlichen sprucH : wa sorgsamkeit und schaden einem 25
mönschen nachet, da sol er an zwäfel dik und vil rat
Haben; wann es stat also geschriben, daß offenbar sünd,
so ein mönsch tut, sol man nit mit HeimHcher straf ver-
bergen. OucH wa ein übel oder ein sünd geschieht, an
dem selben end sol ouch das übel und die sünd gestraft 30
werden. Lieber Herr, ich han geHort von üch, dadurch
min gemüet und [90] gedank betrüept ist worden, und
min antlit ist mir verdeket mit der schand, das ich von
100
üwern irnaden muß hören ; daramb daß ein semliche im-
erberkeit und unmiltekeit von üch wirt gesagt von allen
denen, die üch bekennent oder von üch hörent sagen.
Ach lieber herr, was band ir getan, oder wie ist die liebe
5 gottes in üch erkaltet, dal^ ir üch understanden band und
das tünd, der heiigen kilchen ir friheiten brechent und
darwider ze sinde, ouch die kilchen sant Michels, die
üwer lütkilch ist und den kilchherrn, der erst vor mir
hie kilchherr ist gesin und das ich ouch witer sag und
10 war ist, daß ouch ir mich noch lebendig mit denen selben
beroupt band? Ir sönd wüßen, daß ir in den fluch gottes
sind geflillen. Der eid von üwern vordem, den si gesworn
hand gehan für sich und all ir ewigen nachkomen (da
sind ir nü inbesloßen und ouch verbunden gesin), das
15 hand ir nü zerbrochen. Ir sind ein abziecher und nemer
der heiigen kilchen, das ir zugehört hat. Harumb leider
so ist gott über üch erzürnt, üwer person der eren hand
ir enteret, ir hand gott gescheut, üwern guten lümden
hand ir gemindert, harumb, daß ir das gut und die erb-
20 Schaft mines vorfaren, das er verlaßen hatt, unbilHch hand
genomen, das m.m doch billicher in den nutz der kilchen
und eines kilchherren hie solt bekert haben. Und für ein
warheit sönd ir w^üßen, es si denn sach, daß ir das wider-
kerent und wider gebeut: daß gott und sant Michel an
25 üch das werdent rechen ! Darzü so sag ich üch, daß ir
das alles, so ir hand abgezogen diser kilchen, sönd wider-
keren, oder ich wil üch schüchen in den heiigen ämptern
und wil üch halten als ein gelid, so da ab[9i]geschnitten
ist von den andern oreHdern der helis^en kilchen. Es ist
30 wdder billikeit und zimlichheit, daß ir bi disen heiigen
ämptern und lobUchen hochzit sind; es gehört ouch uns
18. lümdc, Ruf, Leumund.
lOI
priesteni nit zu von billikeit, daß wir die heiigen meikni
und änipter vor üch sprechent und lesent. Und harumb
so gand us der kilchen und gedenkent, daß ir unib semlich
schuld üch erwerbent, daß ir absolviert und entlediget
werdent im dem end, da denn semlichs billich ist ze tun ! 5
Die zwölf kilchlierrn und lüpriester, die da gehortent under
die kilchen des Paradis und ouch das gemein volk, alle
die da gegenwurtig warent, nam groß wunder, d.\i)> der
herr Dietrich, kilchherr der kilchen des Paradis, so ge-
herzlich und so getürstig dorft reden zu sinem herrn, der ^<^
doch ein semlich zornig man was, daß alle diß* von im
redtent, die in kantent. Do nü der me genant herr
Diebold von Stretlingen dise wort hört von sinem kilch-
herrn, do was er mit einem verherten herzen und hoch-
müetigen gemüet anzufachen, sin hertikeit sines gemüetes ^ >
und herzen ze erzöigen und tröwte im an sinen Üb und
gut und sprach mit namen zu im, wölt er von semlichen
Sachen nit laßen, so er vor im hätt, er müeßte des en-
gelten an lib und an gut. Und sprach türer, er hette
darzü ijöttlich recht und er möcht semlich gut nemen -^
und weit ouch das haben nach gewonheit, als denn ein
kilchenlicher und ein patron der kilchen; mit me worten,
denn nü zemal hie gebrucht und geschriben wirt. Do
nü der kilchherr semlich tröwung von sinem herrn hört,
darab erschrak [91] er nit und antwurte im gar wislich -)
und sprach : gnediger herr, das ist nit not, daß ir mir
tröwent an lib und an leben, ir sönd üch baß und wol
besinnen und bedenken, daß ir in den zorn gottes nit
vallent umb des willen, daß ir an üch ziechent, das üch
* Hs. die.
10. getürstig, kühn.
17. mit /mwm, namentlich.
22. Vilchenl icher, Collator.
102
von göttlichem recht nit zugehört; denn von gewalts
wegen mögent ir das wol tun ! Doch so wil ich disc
min ansprach dem aUmechtigen gott befeien, daß er
darüber sin urteil geh und richte und dem hochwirdigen
5 sant Michel, üwerm und minem patron, des kilchwiche
hüt hie ist; denen ich das enpfil uszerichten und ich ouch
min Zuflucht zu inen haben wil! — Do nü der dik ge-
nant herr Diebold semliche antwurt hört, do gieng er
mit großem zorn us der kilchen hinuf zu sinem hus der
10 bürg Stretlingen, und darnach volbracht der kilchherr das
gotteswort und warent die andern priester ouch mit im
die heiigen ämpter mitsingen und lesen ouch loblich und
andilchtenklich nach der kilchwiche volbringen. Das ander
. gemein volk, die uf die selben zit da warent, loptent ouch
1 5 gott und leiten ir Opfer uf den altar, und schied darnacli
iederman wider heim zu dem sinen.
Ein zcicJien.
Darnach an dem dritten tag erzöigte sich die offen-
bare pin der sünd an dem vor genanten herrn Diebolden
20 von Stretlingen und begab sich also, daß er beseßen
ward [93] von dem bösen geist und ward also von im
gepiniget unz uf den tod. Also ward er verheißen zu
siner kilchen des Paradis und ward ouch dar gefüert und
besloßen in den fronaltar und ward da besworn und ouch
25 daselbs gelediget von dem bösen geist und ward gesunt
an allen sinen sinnen, als er vor was gesin. Do er nü
entlediget ward von dem bösen geist, do bichtet er sin
sünd. Do er aber wider solt geben, darumb er vormals
was gemant von sinem kilchherrn, do wolt er das aber
30 nit tun; doch satzte er das hin zu siner husfrowen und
30. hlnsclicn, anheimstellen.
103
drier siner sünen; und was die selben in diser sach tätent,
wölt er ouch tiin und behüb aber im selbs hiein kein
conscienz noch gewilMie. Und harumb do er kam in den
wald hinuf an der egg bi dem hanakcr in stöheii, do
ward er aber beseßen von dem bösen geist und starb 5
iilso an alle Vernunft, und stat hie geschriben, daß sin
sei offenlich ward gesechen von vil mönschen, die hiebi
warent, us sinem Übe gan und gehorten, wie die sele
den bösen geisten enpfolen ward von sant Michel und
ward gefüert nit verr von dannen in ein mos bi dem lo
see; in dem selben mos die genante sele dik und vil
gehört ward, da mengerlei und groß pin ze liden und
mit großem klagen, daß si nit hatt wider geben, darumb
si aber dik im leben was gemant ze tun. Und das selb
mos heißt noch hüt dis tags das Hellmos. Die sinen i)
und ouch ander lüt taten so vil darzü, daß die sele an
dem selben end besworn ward und gefragt mengerlei ir
pin halb. Und nach vil worten, so hiein gebrucht wurdent,
antwurte die sei, daß si nit möcht entlediget [94] werden
von denen pinen, bis daß widerkäm und gnug beschech 20
mit almüsen und mit andern guten dingen der kilchen
des Paradis für das, so ir abgezogen were; und sprach
so vil nie darzü, wenn semlichs geschäch und widerkert
wurd, so sölt man verschaffen, daß si von dem stül von
Rom entlediget wurd und absolvieret; wann zu einer 25
zwifliltigen sünd möcht ein siechte einflute büß nit gnüg
sin. Als nü dise wort vernament sin husfrow, mit dem
namen Anna, und dri siner sünen, die also genempt warent,
einer Richart, der ander Otto und der dritt Marquart : do
begabent si sich des, daß si alles das wöltent widerkeren, 5^
das si dem kilchherrn und ouch der kilcheil hettent
50. sicJ) begeben, c. gen., sich entäußern.
104
abgenomen, und von semlichs abzugs wegen warent si
angendes dem kilchherrn widerkeren und geben zwenzig
jucharten ertrichs, holz und veld, gelegen zu einem teil
an dem Tierfeld, an dem andern stoßt es zu dem Jengen
5 ried, aber zu beden siten stoßt es an die Egg bi dem
hanaker in den stöhen, an dem selben end ouch der vor
genante herr Diebold von Stretlingen was tod funden,
Si kertent und gabent ouch wider uf die selben zit ein
jucharten wingarten, gelegen zu dem guldin hof, den
10 man noch nempt sant Michels wingart; und der selb
wingart sölt kein zinswin geben, als man das fint in
dem jarzitbüch, nemlich kalendis oaobris.
Uf die selben zit was ouch ein frier herr, einer
von Wißenburg. Sin eigner nam ist hie nit geschriben.
15 Der was nü ein fründ der drier sünen und herren von
Stretlingen. Der gab ouch einem kilchherrn der kilchen
des Paradis zu einem ewigen almüsen und gotzgab ouch
ein stük reben, ouch fri, an allen [95] zinswin, als man
das ouch findt in dem jarzitbüch (quarto nonis octobris).
20 Die vor «gemeldeten sjaben s^abent si also» daß si einem
kilchherrn zu ewigen ziten soltent beliben. Die vor ge-
nante frow Anna von Stretlingen und die vor benempten
dri ir süne üebtent sich mit geflißnem ernste, wie si die
sei irs manns und die sün die sei irs vaters von der pin,
25 als ob stat, möchtent erlösen und hattent rat irs kilch-
herrn, herrn Dietrichs vor benempt, und volgeten ouch
sines rates; und er* riet inen nach dem, als denn die be-
sworne sele kunt hatt getan, daß si solten schiken gan
Rom, da zu erwerben von dem heiligen vater dem bapst,.
30 daß si möcht entlediget werden. Und also schiktent si
einen erlichen boten gan Rom zu dem bapst, der do was
genant Alexander der dritt. Der selbe bot in namen frow^
* fehlt in der Hs.
105:
Annen von Stretlingen und drier iren sünen den heiigen
vater den bapst, vor genant, demüetenklich und andech-
tenklich, ouch mit geflißenem ernst was bitten des ersten
umb ablaß aller Sünden, so da was geben zu der engelschen
kilchwiche der kilchen des Paradis; ouch umb ander 5^
friheiten, die daselbs vor warent gesin, daß die bestät,
bewärt und gesterket wurdent und er ouch etwas siner
gnaden inbesunders darzü gebe und ouch der drier sünen
vaters sei, als ob stat, die nü in großen pinen were und
das von semlicher verdienung wegen, (und erzalte im, ^^
wie es ergangen was,) wölte durch gotts willen entledigen
und absolvieren von pin und von schuld. Dise flißige
bitt und begerung nam der heilig vater der bapst von
disem boten gar gnedenklich uf und nam sich des zu
bedenken ; und do er sich nü bedacht nach aller notdurft ^ >
mit sinen brüedern der cardinalen des Römschen stüls, do
betrachtet [96] er, daß der hochwirdig erzengel sant Michel
was vor alten ziten gesin ein türst der svnagog und aber
nu zu unsern ziten ein fürst der heiigen kilchen, und w4e
er hätt oder hab die schlüßel des todes und der hell, -^
darumb in ouch die heiig kilch in allen ämptern für die
toten anrüeft umb hilf. Und umb des willen schätzte er
die kilchen des Paradis hochwirdig, wann ouch der wirdig
sant Michel die durch sich selbs liatt gewicht und gab
und verlach ouch an das selb end aplaß aller Sünden, als ->
das ob gemeldet ist worden, und daß man ouch möcht
allenthalben in der ganzen weit an die selben kilchen des
Paradis samlen und ufnemen under dem namen sant
Michels das heiig almüsen. Und darzü was er alle die
Iriheiten, die vor dar geben warent und ouch von dem 3o
vor gemeldeten boten gefordert warent, recht beweren,
Sterken und die ouch zu ewigen ziten also bestentlich
laßen beliben : und irab ouch von sinem eiiienen willen
io6
darzü, da(S alle die, die da einen kilchherrn daselbs be-
schirment zu dem rechten, so denn ein kilchherr daselbs
hätt, oder sin hilf, rat und guit^t darzü tet, es were
heimlich oder ofFenlich, oder sin heilig almüsen dar geh
5 an den buw oder uf den altar oder in den stok, zu welen
ziten des jares er das tat und zu der kilchen kam und
die andechtenklich besuchte: den sibenden teil aplaß uf-
gesatzter büß aller siner sünden. Der heilsamen begerung,
so er ouch gehört hat von dem boten von der sei der
^^ drier sünen vaters hatt er ein mitUden und ließ die ent-
ledigen von" pin und von schuld ; doch mit semlichen
fürworten, daß man solt ordnen und schiken, daß drißig
meßen wurdent gesprochen in der kilchen des Paradis in
semlicher Ordnung und meinung, als hie nach stat. Des
'5 ersten nun meßen von sant Michel und allen andern [97]
englen ; darnach fünf meßen von dem liden unsers herren,
als ich mein so sind es gesin die fünf guldin meßen ;
darnach fünf meßen von dem heiigen crütz; darnach
siben meßen von unser lieben frowen, ouch mit semlicher
^*^ Ordnung: die erste meß, wie si enpfangen ward; die
ander von ir geburt, die dritte von ir verkündung, die
vierde, als si über den berg gieng; die fünfte, als si mit
ir kind nach ir geburt ze kilchen gieng ; die sechste von
ir himeltart; die sibenden, die man gemeinlich spricht im
^5 jar und anfacht: salve sancta; darnach vier meßen für
die seligen seien. Der bapst beval ouch, daß man an
dem selben end oder nit verr davon sölt buwen ein
26. Die dreißig Meßen sind die sogenannten Gregorius-Meßen.
Die sieben von unserer lieben Frau sind die Meßen der Feste Maria
Empfängniß (seit dem 15. J.ilirh. eingeführt), Geburt, Verkündigung,
Heimsuchung (15. Jahrh.), Lichtmeße oder Darbringung im Tempel,
Himmelfahrt und die Votivmeße während des Jahres Salve sancta.
Es fehlt noch das Fest Maria Opferung, erst seit 1466 gefeiert.
I
10'
brüderhus bi dem selben HeUmos und das ouch zu
ewigen ziten sölt also beliben zii einer semlichen ge-
dächtniß, so da in Vergangnen ziten were geschechen;
und man an dem selben end ouch ein brüder sölt haben,
der sölt gespist werden von dem hus Stretlingen und all 5
Wochen sin spis da reichen ; und sölt man ouch zu dem
selben brüderhüslin geben etwas ligender güetern, die da
legent in der kilchheri des Paradis, doch mit semlichen
gedingen und fürworten : also wenn ein brüder daselbs
were, so sölt er täglich gan zu der kilchen des Paradis ^o
und sölt da bi den heiigen ämptern sin und trüwlichen
für die seien bitten. Es ward ouch geordnet und geschikt,
ob es sich begeh in künftigen ziten, daß kein brüder da
were und man ouch enkeinen da könd finden, so sölt
ein kilchherr des Paradis, der ie zu ziten da w^ere, alles ^5
das besitzen und haben, das man denn einem brüder
gebe, als ob er das ererbt hett. Und giengent ouch die
erben des dik genanten herrn Diebolts von Stretlingen
das also in und woltent das also haben und halten. Über
das alles, so der heiig vater der bapst vor geordnet, ge- ^o
setzt und geben hatt, do gab er und verlech [98] so vil
me darzü ein semlich erliche gab allen cristenden mönschen,
daß all cristend mönschen, wa die werent, die da gewarlich
gerüwet und gebichtet hettent nach cristenlicher Ordnung
und Satzung und si ir begreptniß da userweltent und si ^s
von irem zitlichen gut etwas dar gebent durch gotz willen
oder sich ließent inschriben, ir jarzit da uszerichten : daß
ir sele da von dem fegfür solt erlöst werden. Dis fri-
heiten und gaben, als vor geschriben ist, gab der bapst
<iisem vor genanten boten in gloubsamer schrift wol 3<-^
6. reichen, holen.
8. kilchheri, KirclispicI.
loS
versiglet nach Römschem sitten und gewonheit und be-
gäbet ouch den selben boten mit drien stüken heltüms
und gab im darzü sinen segen und wiste in also ^vider
heim. Do nü diser bot heim kam mit dem heltüm und
5 mit den friheiten, do ward er erlich und frölich enpfangen
und wurdent ouch die drißig meßen uf einen tag all ge-
sprochen in der kilchen des Paradis, und ward ouch uf
dem selben tag vil almüsen geben; und tet kunt die sei
des vil genanten herrn Diebolds von Stretlingen, daß si
lo von aller pin were komen und nü äugendes zu ewiger
rüw und fröiden gefüert wurd. Und das brüderhüslin
ward also zu büß geben, das man also halten solt, als
ob stat; und ist das selb end geheißen zu unsern ziten
das i^cbei und ist das Hellmos nit verr davon. Darnach
1 ) was die frow^ Anna von Stretlingen und die dri ir sün
gar geistlich und erberlich die zit irs lebens volfüeren
und die kilchen des Paradis und ouch den kilchherrn
daselbs und das brüderhus in großer sorg und eren halten.
Darnach in vergangnen ziten schied einer nach dem andern
20 von diser zit. Der allmechtig gott si inen allen gnedig
und erbarmherzig und helf aber uns gott nü zu diser zit
zu einem seligen ȟten end! Amen.
14. Zum Bruderhaus im G'hei vergl. «Alterthümer und vSagen
in der Umgegend des untern Thunersee's» im Berner Archiv Bd. IV,
Heft 4, p. 81. — Die Sage von der Seele im Höllenmoos auch
bei Kohlrusch, Schweiz. Sagenbuch p. 81.
[99] DAS SIBEND CAPITEL.
von der geburt Cristi zalt thusem
Des jares, do man
hundert nünzig und vier jar, undcr dem keiser
Heinrichen dem sechsten, ist gesin ein herr von Stret-
lingen mit dem namen herr Cünnit von StretHngen. Der 5
was ein großer, gerader mann von Hb und person. Er
was ouch ein gnadricher, grüßfamer mann; wer in an-
gesach, der gewan ein liebe zu im. Er hatt ouch gehept
ein frowen, die was geheißen Kathrina. Nu Hst man
also von den zwein personen, daß si semlicher geistlikeit it>
und redlikeit warent in denen bitttagen nach den ostern,
so man gemeinlich von gebots wiegen in der heiigen
cristenheit gat mit crützen: und so sich ander lüt uf-
ziertent mit kleidern und uf den selben tagen fleisch
aßent, so gieng der erst genant herr Cunrat von Stret- ^5
lingen und mit im sin gemachel in wuUinen kleidern und
barfuß in den crützgengen mit den crützen, und giengent
dem heltüm in der kilchen des Paradis mit großer andacht
und ernst nach und vasteten die selben tag der crütz-
w^ochen zu waßer und zu brot. Das gotzwort hortent si -^
dik und vil under den armesten lüten und mischleten
sich also under si in betrachtung eins semlichen sprüch-
grüßfivii, leutselig.
TIO
Wortes, als man denn gemeinlich mag sprechen, daß ein
samkorn, das man säget in ein tal, bringt vil frücht. Der
vor genant herr Cünrat [loo] von Stretlingen was ein
schamiger, küscher man. Man liset also von im, daß er
5 an einer kilchwi des Paradis gieng beschowen den tanz,
und so er also an dem tanz stund und zügesach, so kam
einer, der fürt ein hüpsche frow^en ze tanzen und sprach
zu herrn Cünraten von Stretlingen : herr, begerent ir diser
frow^en, so wil ich schaffen, daß si üch wirt nach allem
lo üwerm willen! Und alsbald diser gesell dise red zu im
also hat getan, do ward er zornig und gab im ein semlich
antwurt : swig und lüg, daß du zu keinen ziten mir sem-
lichs niemer me zumutest und zufliegest, wiltu echt min
früntschaft behalten! Der gesell erschrak und gieng
I) zittrent wider von im. Man liset ouch, daß darnach ut
einer kilchwiche der kilchen des Paradis kament die priester
von den zwölf kilchen, so da gehortent under die kilchen
des Paradises mit iren undertanen. Do man nü in der
kilchen was und iederman sin opfer hat gewert uf den
^o altar, do verkunt der priester zwei zeichen uf dem canzel,
die da geschechen warent.
Das erst zeichen.
Es was ein knäblin, nit me denn siben jar alt, mit
dem namen Dietrich und was von Hilterfingen; der was
blind. Sin vater und müter rüftent an den hochwirdigen
heiigen sant Michel in der kilchen des Paradis, wann im
was ein viil oder hütlin über sin ougen gewachsen und
kond in nieman erneren noch gesechend machen. Uf ein
zit fürtent si in zu der kilchen des Paradises und opfertent
25
4. schamig, züchtig, verschämt.
28. erneren, heilen.
III
ein lebend [loi] opfer mit im iif den altar. Do nament
si waßer des heiigen brunnen und ertricli von dem kilch-
hof daselbs und rürtent das also under einander und be-
strichent dem kind sin ougen damit und rüeitent darnach
mit großer innekeit und andacht an die hilf sant Michels. >
Alsbald si das getan hatten, do zerbrach das väl oder
hütlin uf den ougen des kindes und \vurdent die ougen
blütvarwig; aber es ward darnach gesechent. Der vater
und die müter sagtent dem allmechtigen gott und sant
Michel groß lob und dank, daß er inen so gnedenklich lo
gehol en hatt. Harumb gab der vater des kindes, mit
dem namen Hans Zworlouf, drü stük ertrichs einem kilch-
herrn der kilchen des Paradises, die ouch uf die selben
zit ein kilchherr lech em Hansen von Hilterhngen und
sinen erben umb vier Schilling pfennigen löiflicher münz, i>
als man das tint in dem jarzitbüch quinto idus novembris.
Und harumb ist wol ze glouben, daß das ertrich des
kilchhofes daselbs, das da gewicht und gesegnet ist worden
durch den wirdigen heiigen sant Michel selbs, ist heiliger
denn ander ertrich; als man denn list von dem selben 2a
ertrich, dai^ es vor alten langen ziten ist gewirdiget worden
für heltüm von vilen lüten. Und darumb warent ouch
vil lüten vor alten ziten an irem todbett ir begreptniß an
dem selben end inen userwelen, und wurdent ouch nach
ir tod dar gefüert und da begraben. Desglichen ist ouch 25
wol ze douben, daß das waßer des heiigen brunnen da-
selbs si gesünder, milter und süeßer und beßer, denn
ander waßer, und ouch kreftiger den mönschen gesunt
zc machen, was siechtagen joch der mönsch hab; als man
des wol war mag nemen in der lampartik historien und 30
L
30. Die lampartik Historie ist die Lombardica i. e. historia
lombardica, die Lcgenda aiirea des Jacobus de Voragine, archiepis-
copi Genuensis. Vergl. Potthast, bibliotheca medii aevi p. 384.
112
lesen, da man besunder list an dem selben end von sinem
loblichen hochzit und kilchwiche an dem dritten under-
scheid an dem [102] en4, da geschriben stat von der
heilsamkeit der waßern.
5 Das ander zeicJien.
Es was ein kind \o\\ vier jaren zu Schorren, mit
dem namen Bernhart in der matten. Das selbe kind was
daselbs in einen sod oder tiefen brunnen gefallen, und
von ungeschikt kumpt ein mönsch dar und wolt waßer
10 schöpfen und flind das kind in dem sod also ertrunken
ligen. Der mönsch mocht das kind kumberlich harus
ziechen oder bringen; und warent aber die rechten zeichen
des todes bi dem kind, nemlich daß es lang was gelegen
in dem sod oder brunnen und gestrakt und ragend was.
55 Sin mund was offen, sin ougen warent grusamlich an-
züsechen, sin lib was swarz, sin buch zerbläit und was
bi dem selben kind keinerlei bewegniß siner Vernunft
oder sinnen. Sin vater und müter gehübent sich übel
und verhießent es* doch nüt dester minder zu sant Michel
20 in die kilchen des Paradis mit einem lebendigen Opfer.
Alsbald si das getatent, do kam das kind wider zu sinem
leben. Und uf das äugendes volbracht die müter des
* fehlt in der Hs.
5. Das folgende Wunder ist der Schlußftelle des hier an-
gezogenen cap. III der Aurea Legexda vAc sando Nicoiao» nach-
gebildet. Vir qiiidam nohiiis etc.»
8. sod, Ziehbrunnen.
9. von iingesc]}iht, sonst durch einen unglücklichen Zufall, hier
zufällig.
1 1 . luniher/icJj, mit Mühe.
14. gestrakt und ragend, starr und steif.
18. sicJj o-cJjahen, sich benehmen.
113
kindes, mit dem namen Elisabet, die gelüpt und Verheißung
und gabent ouch darnach bald einem kilchherrn daselbs
zu einer ewigen gab und ahiiüsen ein gut, geheißen das
RütU nid dem weg, als man das fint in dem jarzitbüch
tertio idus novembris uf sant Martins tag. Es gabent 5
ouch ander ir gaben und almüsen von semhchen zeichen
und wundern wegen, die da geschriben stant in dem
jarzitbüch nach Inhalt dis orienals und ist nit not zu
schriben. Do nü der priester dise vor geschribne zwei
zeichen verkündet und ouch ander gut manungen den lo
mönschen [103] getan hatt, do lobte iederman den all-
mechtigen gott und den hochwirdigen erzengel sant Michel
durch sin hilf, die er an dem selben end erzeigt hatt, und
volbrachtent die kilchwiche erlich und loblich in gottes
dienst und darnach kerte sich iederman wider heim und ^)
namen do ir spise.
Der angesichtig wolgeborn herr, herr Cünrat von
Stretlingen, volgete nach sinen vordem in allem dem, das
erlich und redUch ist wolgebornen lüten ; und rufte sich
zu, ze riten zu dem heiigen grab und inbesunders zu dem ^^
berg Sinai zu sant Kathrinen grab, die er ouch in sunderheit
lieb hatt und w^ann ouch sin gemachel und husfrow^ also
genempt w^as Katherina, die in ouch zu semlicher andacht
und liebe sant Katherinen bewegt hatt zu suchen. Und
für also zu den heli2:en stetten mit OToßer andacht und ^5
bracht mit im har widerumb von dem berg Sinai ein
stük von dem grab sant Kathrinen, das er daselbs er-
worben hatt im zu geben und schied also von dannen.
Nü hett er gern den gotzdienst geuffet und gemeret zu
siner kilchen des Paradis, und in sinem harumbkeren do 50
für er zu dem heiigen vater dem bapst, mit dem namen
17. ancresichticr, ano'esehen, fehlt bei Grimm DW.
114
Innocentius der dritt, der in gar erwirdenklich enpfieng.
Dem selben heiigen vater dem bapst erzalte er all sin
Sachen, darumb er dann zu im komen was und besunder
tet er ein flißige bitt an in umb den aplaß aller sünden
5 der engelschen kilchwiche des Paradis und ouch, daß
man möcht das almüsen under dem namen sant Michels
allenthalben höischen und ouch umb ander friheiten, die
dann vormals dar warent geben, [104] die ze bestäten.
Und erzalte im ouch die zwei zeichen, die dann kurzlich
10 da vor geschechen warent zu siner kilchen des Paradis,
daß ouch die selben ding alle von im bestetiget wur-
dent und er^ etwas siner gnaden insunders darzü ouch
gebe und verHche. Der heiig vater der bapst nam semlich
bitt güetlich und miltenklich von dem edlen herrn Cün-
1 5 raten von StretHngen dankbarlich uf, und nam sich des zu
bedenken. Do er sich nü gnügsamklich wol bedacht hatt,
do sach er an mit rat siner brüeder der cardinalen, daß
der hochwirdig heiig sant Michel vor dem jüngsten tag,
so der wüetrich, der entkrist, wirt ufstan und die cristenen
20 mönschen pinigen, so ist er ein schirmer und behüeter
der userweiten cristenden mönschen. Und harumb be-
ducht si billich sin, daß die kilch des Paradis, die dann
der heiig sant Michel durch sich selbs hat gewicht, sölt
billich gewirdiget werden und all und ieglich, inbesunders
25 die friheiten der selben kilchen und ouch der aplaß aller
Sünden uf der engelschen kilchwiche und ouch das al-
müsen und bitt ufzenemen under dem namen sant Michels
und ander aplaß, so denn vormals dar geben was, daß
das alles sölt bewert werden und ouch bestät und in
30 kraft zu ewigen ziten beliben, das ouch der heiig vater
* Hs. er ouch.
19. entkrist j Antichrist.
115
der bapst also ließ zügan und verhengen. Und gab ouch
darzü sin sunderliche gnad, mit namen daß alle die, so
uf einer ieglichen kilchwiche oder zu andern tagen daselbs,
.\enn die werent in dem jar, dar käment mit rüwigem
, erzen und mit ganzer bicht und andacht, oder sich dar 5
cnthießent oder zu den heiigen meßen, bredigenen oder
zu andern heiigen ziten andechtenkUch da [105] wärent,
)der ir heiig almüsen :\n den buw der kilchen daselbs
oder sust in opfers wis dar gebent: sölt vervolgen und
werden der sibent teil aplaß aller iren Sünden ufgesatzter 10
liß. Der heiig vater der bapst gab inen ouch uf das
clbe zit ein form und ein underwisung, wie man sölt
^esegnen die waßer der jungen kinden, so man uf der
Mtt sant Michels were; ouch wie man sölt bruchen den
cgen des heiigen brunnen daselbs. Der des beger ze 15
wüßen, der gang uf den Ursprung des latinschen büches;
da hnt er das luter und ist ietz hie nit not zu schriben.
Und uf diß alles, so hie vor stat, do gab der heligest
ater der bapst dem vil genanten herrn Cünraten von
Stretlingen alle die friheiten nach sinem begeren in guten 20
versigleten bullen und briefen nach Römschem sitten und
gewonheit und schankte im darzü vier stük heltüms zu
Aner gewaren liebe und gab im damit sinen segen und
^chikte in also von im; uf das selb er ouch urloub nam
und von im schied. 25
Do er nü heim kam, do ließ er all sin friheiten und
sin heltüm, so er dann bracht hatt, allenthalben verkün-
den und ander ding, so im denn ouch uf der fart was
begegnet. Und als dise ding alle geschechen warent, als
vor stat, was die wolgeborne edelfrow Kathrin, des vil 3^^
genanten herrn Cünrats von Stretlingen efrowe, mit wüßen,
willen und verhengniß des erst genanten herrn Cünrats,
durch liebe und ere des hochwirdigen sant Michels des
ii6
heiigen erzengels zu einer merung und beßrung der
kilchen und kilchherrn des Paradis geben zu einer ewigen
gedächtniß diser dingen und ewiger gab und almüsen
einen wingarten, gelegen zu dem guldinen hof, der ouch
5 uf die selben [io6] zit ward genempt sant Kathrinen
wingart, wann die frow ouch Kathrina hieß ; und gab
den selben wingarten an alle besw^erniß zinswins oder
stür, und lit der selb wingart uf einem bomgarten, genant
Ancheren bomgart. Darnach gab ouch der vil genant herr
10 Cünrat von Stretlingen darzü ein bomgarten, gelegen an
dem Wendelsee, und uf dis zit ist es geheißen bi dem
Schachen, genant der Zwigart; und nach dabi ist ouch
ein klein wingart, geheißen der wingart bi der holen
gaßen; die selb gaß ouch gat zwüschent dem erst genanten
1 5 bomgarten und dem selben wingertlin. Der vor gemeldet
edel und wolgeborn herr Cünrat von Stretlingen ordnet
und gab ouch zu einer ewigen gab einem kilchherrn der
kilchen des Paradis ein hus, da er solt einen buman odcr
lenman der reben insetzen, der im ouch die reben sant
20 Kathrinen sölt buwen; und harumb das selbe hus noch
bi minen ziten was geheißen sant Kathrinen hus und
stoßt zu einem teil an den kilchhof. Und ward ouch
darumb angesechen, daß ein kilchherr der kilchen des
Paradis den win, so im an dem selben end wüechse,
25 möcht in dem selben hus orehalten. Dise vor o;enante
gab ward ouch darumb einem kilchherrn der kilchen des
Paradis geben mit semlichen fürworten und gedingen,
daß er all wochen durch sich selbs oder einen andern
komhchen priester solt ein meß sprechen oder laßen
30 sprechen in der kilchen des Paradis, uf was tag er denn
weit, und ouch das zu ewigen ziten also solt gehalten
werden an ablaß. Und sölt damit ouch von der gaben
wegen des wingarten also gefriet sin und fürer nit me
117
verbunden sin. [107] Des ward ein priester also bestät,
als man das denn fint in dem jarzitbüch kalendis novembris.
Hie tun ich schriber dis buchs ze wüßen allen denen,
die das sechent oder hörent lesen, daß in dem jar, do man
von der geburt Cristi zalt vierzechenhundert vierzig und
acht jar, ward das vor genant hus sant Kathrinen verkouft
und das von buwfellige wegen, so das hus hatt und ward
das selbe gelt bekert in einen kouf eins bergs, genant
Gumpelsmad, da denn ein kilchherr der kilchen des Para-
dises hatt nun nnder berg, als denn darumb lit ein guter
versigleter brief; und ward der berg zu den selben ziten
geliehen umb zwei pfund, fünf Schilling stebler, und
lit der selbe koufbrief des bergs hinder minem gnädigen
lieben wolgebornen und edeln herrn von Bübenberg; und
geschach ouch mit willen und wüßen und verhengniß ^>
des edlen und w^olgebornen herrn Heinrichs von Büben-
bergs, mins lieben herren, der ouch uf die selben zit patron
und schirmer was der kilchen des Paradises.
10
7. Imii'felllge, Baufölligkeit.
8. hekert, angewendet.
[io8] DAS ACHT CAPITEL.
In dem jar, do man zalt von der geburt Cristi zwölf-
hundert und drizechen jar, was ein Herr von Stretlingen,
mit dem namen herr Bernhart von Stretlingen. Der selb
5 wolgeborn her Bernhart was gar ein cristenlicher herr,
der alle cristenHch sachen fürdert. Er was ouch allen
mönschen, die in gesachent oder etwas mit im ze handien
hattent, lieplich und güetlich. Und daß ich vil mit wenig
Worten besließe, so schribt man das von im, daß er
^^ gotzförchtig were, gott lieb hett und ouch eret. Der
selb erst genant herr Bernhart von Stretlingen hatt ein
wib, die was geheißen Adelheit. Der vor genant herr
Bernhart von Stretlingen satzt im selbs für, daß er weit
besuchen das heiig grab und daß er daselbs dem all-
n mechtigen gott mit einem guten rüwigen herzen möcht
sin Opfer geben ; und ließ also alles, das er hatt, und nam
uf sich das crütze sines herren und Schöpfers und für also
zu dem heiigen land und zu der heiigen statt Jherusalem
mit großer müeig und arbeit; an dem selben end des
2<^ heiigen landes er da von den heimschen gar begirlich
und lieplich enpfangen ward und mit semlicher liebe, daß
es in selbs wunder nam. Er bevalch ouch daselbs sin
husfrowen und alles, das er hatt oder im zugehört, dem
119
allmechtigcn gott und dem heligeii crütz; und ward im
ouch an dem selben end zu Jherusalem ein stük heltüms
von dem hei igen crütz, das er gar für ein große gab
von inen enpfieng. Do er sich wider harheim kert, do
fügte [109] er sich zu dem heiUgen vater dem bapst gan 5
Rom, mit dem namen Honorium den vierden. Der selbe
heiig vater der bapst in ouch gar früntlich mit großen
eren enptieng, und handlete vor dem heiigen vater dem
bapst sin sachen und vergaß harinne nit siner kilchen
des Paradis und begert, daß im bestät möcht werden i«
aplaß aller sünden uf der engelschen kilchwiche daselbs
zu der kilchen des Paradis und ouch, daß man bitter us
möcht schiken allenthalben, in dem namen sant Michels
das heiig almüsen ufzünemen für einen kilchherrn, im zu
einem ufenthalt und ouch daselbs an den buw. Er begert 1 5
ouch, daß alle die friheiten, so vormals von den heiigen
Vätern den bäpsten geben was, daß die bestetiget wurdent;
und erzöigte ouch dem heiigen vater dem bapst in diser
bitt in gloubsamer geschrift drü zeichen und wunder, so
zu der kilchen des Paradis geschechen warent. -^
Das erst zeichen.
Es was einer von Hilterfingen mit dem namen Hanns
ze Rid, der ward mit einem diep gefangen und mit Un-
schulden verurteilet mit sinem gesellen für einen diep.
Und als man in hinus fürt zu erhenken, da bat er alle, 25
die da gegenwürtig warent, daß si den allmechtigen gott
und den hochwirdigen sant Michel mit im weltent bitten,
daß si im nach sinem verdienen weltent helfen siner
schuld halb. Do er nü hinuf an den galgen gefüert ward
6. Eher Honorius III. 1216-1227.
120
von dem henker und er im den strik an sinen hals leit,
do hört er em stimm ob im in der luft, die zu im redt
und sprach: du solt din hof[iio]fung setzen zu gott und
zu dem wirdigen sant Michel, so wirst du hie erlöset!
5 Und alsbald in der henker hinab ließ an dem strik, do
zerbrach der strik und viel also hoch harab von dem
galgen, daß im nie kein leid geschach und wiewol im
das hemd an sinem lib zerbrach von dem vall, das er
erst nüw hat angeleit. Alsbald er harab was gefallen, do
10 sprach er mit fröHchem müt: o du hehger sant Michel,
du hast mich erlöst und hast mich laßen vallen uf dis
ertrich als uf ein lind bett! Hie w\arent nü etlich, die
sprachent, man sölt in wider henken. Der richter antwurt
den selben : wen gott erlöset als disen mönschen, den lan
1) ich nit anderwert erhenken! Durch das groß wunder-
zeichen, das an dem selben mönschen geschach, was
einer mit dem namen Berchtold ze Rid von Hilterfingen
geben zu einer ewigen gab und almüsen einem kilch-
herrn der kilchen des Paradis sin hus und hofstatt an
20 dem selben end, das ouch der selb kilchherr dem selben
Berchtolden widerumb lech und satzt daruf jerUch gült,
nemlich vier Schilling pfennigen gemeiner münz des lan-
des, die ouch jerlich uszerichten uf sant Michels tag mit
einer semUchen pen, als denn das jarzitbüch Inhalt im
25 abereilen.
Das ander zeichen.
Es w^as ouch ein tochter bi zwölf jaren alt, geheißen
Anna, Walthers von Golderen tochter, von dem dorf der
kilchen des Paradis. Die selbe tochter was ein ganz jar
15. andenuert, hier zum zweiten Mal.
I
121
blind inmaßen, daß si durch ir selbs Hb nit kond gan,
denn daß si alKvegen einen [m] andern mönschen müßt
han, der si fürte. Durch underwisung ander lüten ent-
hieß sich die selbe tochter mit einem i erheben lebenden
opfer in die kilchen des Paradises mit andacht irs herzen 5
alle jar, diewil si lepte, und das selbe lebendig opfer uf
den altar daselbs ze* geben. Alsbald si dise Verheißung
tet, do half ir gott und sant Michel, daß si gesechend
ward. Durch des großen zeichen und hilf willen gab ir
vater dem kilchherrn an dem selben end zu einer ewigen lo
gab und almüsen ein gut, das ist geheißen der Hartrübel,
das ouch der kilchherr zu den selben ziten lech Annen
Frutegerin umb fünf Schilling pfennigen gemeiner münz
des lands, die uszerichten uf sant Michels tag under einer
pen der verlurst des selben güetlis, als man das hndt in 15-
dem jarzitbüch septimo idus apriKs.
Das dritt zeichen.
Ouch was ein man geseßen daselbs in dom dorf
der kilchen des Paradises, mit dem namen Peter Fröiwe.
Der kond us der maßen wol schwimmen uf dem waßer, 20
daß er des solt ein meister sin. Es begab sich in einem
Summer, daß er badet in dem see dabi. Als er nü also
badet in dem see, do w^as er der tochter mit dem namen
Annen, Walthers in der Golderen, die da vormals blind
was gesin und aber durch hilf und gnad des allmechtigen 25
gottes und sant Michels was wider gesechent worden,
verspotten, das er ouch vormals me hatt getan. Er be-
schütte [112] si ouch mit waßer us dem see. Dise erst
genante tochter ward zornig und sprach : ich bitt den
hehgen sant Michel, der mir hatt geholfen, daß er sich 30-
* fehlt in der Hs.
122
an dir reche von minen wegen und daß du us disem
waßer nit körnest, du ertrinkest. Diser gesell schätzte
den zorn und das wünschen diser tochter w^enig und ließ
sich frefenlich in das waßer und wok aber swimmen;
5 do kam er von allen sinen kreften und gieng under, ze
glicher wis als ein stein. Von stund an ward er gesucht,
gefunden und ouch also tod us dem waßer getragen und
ward gar ein groß geschrei und weinen über in von siner
husfrowen, von sinen kinden und von andern sinen fründen.
10 Sin wib und fründ verhießent in zu sant Michel in ir
kilchen daselbs mit einem lebenden opfer und ruftent an
die hilf und gnad des allmechtigen gotts und den hoch-
wirdigen sant Michel iren patron. Und von stund an kam
er wider zu im selbs und ward wider lebendig und stund
^ 5 also gesunt und frisch wider uf ; und volbrachtent ir gelüpt
und Verheißung mit großer andacht und selten lob und
dank dem allmechtigen gott umb die gnad und barm-
herzikeit und dem hochwirdigen sant Michel umb sin
verdienen und hilf, so er inen erzöigt hätt. Von semliches
^0 Zeichens willen gab der vor genant Peter Fröwi dem
kilchherrn daselbs zu einer ewigen gab und almüsen eine
sin hofstatt und hus, gelegen enmitten in dem dorf; die
selben hus und hofstatt lech der kilchherr zu den selben
ziten Cünrat Rüpen umb vier Schilling pfennigen jerliches
^5 zinses gemeiner münz des landes, alle jar uf sant Michels
tag ze geben under der pen verlierung des huses und
hofstatt, als man das ouch findt in dem jarzitbüch in
dem aberellen.
[113] Uf dise anbringung des hochgebornen herrn
30 Bernharts von StretUngen, als hie vor stat, gebot und
bat in der heiig vater der bapst, daß er ein nachvolger
sölte sin aller siner vordem, das ouch ein hochwirdig
gesiecht was gesin; daß er strenklich und ritterHch umb
123
den cristenglouben vächte und den hülfe beschirmen ; und
cnpfienir uf das selb 2:ar orüetlich und früntlich sin an-
mütung und bitt und nam sich des ze bedenken. Do
sich nü der heiig vater uf dise anmütung und bitt wol
nach aller notdurft bedacht hatt mit sinen brüedern der 5
cardinalen des heiigen stüls von Rom, do betrachtet er,
wie dann der hochwirdig sant Michel ist wegen uf der
wag das gut und das böse eines ieglichen mönschen nach
siner hinfart dis zites, und ouch einem ieglichen mönschen
nach dem selben sinem verdienen gelonet wird. Harumb ^^
beducht in billich ze sin und gebot und wolt das, daß
die kilch des Paradis, die der hochwirdig sant Michel
selbs gewicht hatt, sölt erhöcht und geeret werden und
dabi aller der aplaß, so da vormals von der engelschen
kilchwiche geben was und ouch das almusen in dem ^ 5
namen sant Michels allenthalben ufzenemen und ze reichen,
und ouch ander friheiten, so vormals von den heiigen
Vätern warent gegeben : daß die bewert, recht und ufredlich
wärent und soltent sin und die ouch gesterket und bestät
werden söltent und ouch die zu ewigen ziten also beliben. 20
Ouch allen denen, die ir heiig almusen dar gebent, es
were einem kilchherrn oder an den buw der kilchen, daß
denen sölt verfolgen und werden aplaß den sibenden teil
ufgesatzter büß. [114] Den selben aplaß und all friheiten,
als vor geschriben ist, gab der heiig vater der bapst dem -S
vi! genanten herrn Bernharden von Stretlingen nacli ge-
wonheit !md sitten des Römsclien stüls mit versigleten
briefen, und gab im dar^^ü 'sechs stük heltüms und sinen
bäpstlichen segen und schikte in damit von im. Und
also nam er ouch urloub von dem bapst und kerte sich )C)
wider heim mit großer ^lüksamkeit und ließ ouch das
18. ufrcdlicl], wahrhaft.
124
heltüm, das er mit im bracht, ouch die friheiten mit
einer loblichen proceßion und crützgang in die kilchen
des Paradis infüeren. Darnach uf der nechsten kilchwichi
der kilchen des Paradis kament die zwölf priester der
5 zwölf kilchen, die da w\arent tochtern, mit iren under-
tanen allenthalben da umb und richtent ir Opfer erheben
US. Und uf die selben zit gabent ouch der vil genant
herr Bernhart von Strethngen und sin elicher gemachel
frow Adelheit einem kilchherrn daselbs ein iren schüpoßen,
10 so si hattent und gelegen was zu Brentzkofen in dem
kilchspel von Diesbach, zu einer ewigen gab; die selbe
schüpoß zu den selben ziten galt vier mütt dinkels, die
man solt usrichten uf sant Andres tag und galt ouch
darzü zweihundert eier, die man ze ostern geben solt,
I > und drißig Schilling stebler gemeiner münz des lands und
ouch zwei summerhüener uf sant Michels tag und ein
alt vastnachthün, als man das fint in dem jarzitbüch im
aberellen. Nach diser vor gedachter gab, die da verkünt
ward uf der kilchwiche des Paradis von dem vil genanten
20 herr Bernharten von Stretlingen, was er ouch iederman
danken, die da warent gesin zu lob und eren dem wir-
[115] digen heltüm des heiigen crützes und anderm heltüm,
und ward also die kilchwiche mit großen fröiden, lob
und ere begangen; und ward ouch die bitt des gotzhuses
2) der kilchen durch einen kilchherrn daselbs und von sinem
boten, so er denn usfchikte, fruchtbarHch gehandlet und
ward darnach lange zit ein großer zülouf von vil lüten
zu der kilchen des Paradis und ouch der gotzdienst da
loblich begangen. Darnach in vergangnen ziten schied
9. schupoße, kleineres Grundstück, der dritte oder vierte Theil
einer Hube.
12. gehen, eintragen.
125
der hochgeborn herr Bernhart von Stretlingen und sin
gemiichel von diser zit. Der allmechtig gott si inen
güetig und barmherzig und helf uns gott nü, die noch
lebend, zu einem seligen guten end! Amen.
Nach disem vor geschribnen herrn Bernharten von 5
Stretlingen was ein ander herr von Stretlingen, mit dem
namen herr Anshelm von Stretlingen. Der hatt ein frowen,
die was genempt Hedwigis. Der selb herr Anshelm von
Stretlingen was gar ein unsuberer unküscher man. In
beducht nit, daß er möcht sin unküschheit gnüg volbringen ^'^
mit sinem elichen gemachel, dann daß er ein großer
ebrecher ward ; und wa er kond oder mocht ander frowen
finden, mit denen volbracht er sin gelust der unküschheit.
Durch die selben sach er allenthalben in dem land in ein
groß verlümdung viel und harumb ward er dik und vil ^5
von siner frommen kuschen und schämigen frow gestrafet;
er achtet aber ir straf und bitt gar klein. Als an im kein
bitt noch vermanung an in mocht helfen, do w^as si uf
ein zit [ii6] mit kleglicher bitt und weinen anrüefen sant
Michel, ir patron, daß er ir in diser sach weit hilflich ^°
sin und si nit so vil schänden, ouch kumber und liden
müeßtent mit einandern haben ; und das begert si nü von
ganzem herzen von gott und sant Michel. Und wann
nü der allmechtig gott nit verschmacht das weinen und
süfzen eines ieglichen rüwigen herzen, harumb so ist er ^5
zu sinen ziten, wenn sich das gebürt, einem ieglichen
mönschen erzöigen sin erbermd in sinem kumber und
nöten; und darumb geschach hie ein groß zeichen.
£i72 zeichen.
Herr Anshelm von Stretlingen, vor genant, stund ^^
einer nacht in dem ersten slaf von siner frowen uf und
126
gieng zu einer andern frowen, da er sin sünd und un-
küschheit volbracht. Do er nü in der nacht bi dem
nianschin wider heim kert, so gesicht sin husfrow zu dem
venster us in also komen und vieng an zu schrien so
5 grusamlich, daß alles hofgesind des huses ufstündent und
zülüffent ze gesechen, was das were, darumb die frow so
grusamlich schrei. Do nü das hofvolk iren herren ouch
also gesachent, do viengent si ouch an ze schrien, als ob
si einen ungeschaffnen grüwenlichen tüfel gesechent. Do
10 nü der herr des war nam, daß si also uf in schruwent
und sin antlit nit was geschaffen als vormals, do betrachtet
er, wie der allmechtig gott in strafte von siner schnöden
Sünden wiegen und im die schmach [117] zu einer schand
geschach und in beducht, wie er als sw^arz were, als ein
M tüfel und beseßen were. Do nü den morgen früe w^ard,
do bereite er sich zu siner kilchen des Paradis, daß er
an dem selben end siner kilchen sin bicht tat, und tet
dem kilchherrn daselbs sin bicht, der was geheißen herr
Arnold von Sumoßw^ald, und daß der selb in ouch ent-
20 ledigete von sinen Sünden und dem tüfel, und daß im
sin form und gestalt möcht wider werden. Und als er
nü uf dem w^eg w^as zu der kilchen, do begegnetent im
kind, die das vich und küe ze veld woltent triben. Do
viengen die küe an ze lüejen gegen im so erschrokenlich,
-> daß das ein wunder was und die kind, so mit dem vicli
giengent, die fluchent. Der kilchherr der kilchen des
3. mänschin, Mondschein,
9. ungeschaffen, ungestaJt.
14. Scheint auf altem Volksglauben zw beruhen. Bei A. v.
Kellers Fastnachtsfpielen 705, 25 :
«welcher man ein frauenschender ist,
den sol man schwerzen als ein morn.«
24. lüejen, brüllen.
127
Panidis bettet sine göttlichen zit in der kilchcn, und do
er gesach, daß der Herr also kam, do gesegnet er sich
mit dem zeichen des heiigen crützes und besloß die tür
der kilchen vor im. Nu merkent, was hie geschach ! Der
edel herr Anshelm von Stretlingen leite sich vor der S-
kilchtür nider uf das ertrich und sprach: vater, erbarm
dich über mich armen eilenden sünder ! Ich bin nit der,
den du hie vor dir gesichest in der gestalt; daß ich also
verwandlet bin in ein ander gestalt, das han ich von
minen großen sünden und ist mir ouch also von miner ^^'
sünd wegen zugefallen, daß ich dem tüfel also gelich bin
und sin gestalt also nü zemal hab. Der kilchherr sprach
hinus zu im mit besloßnen türen: sag mir, was wiltu?
was denn gott wil, das wil ich von dir erwarten. Also-
bald vieng herr Anshelm von Stretlingen an zu bichten ^5
mit ganzem rüwigen herzen und also ward er do äu-
gendes von dem kilchherrn besworn [ii8] und entlediget
von der müej des bösen geistes und ward im sin gestalt
und form sins antlitz w^ider, als es vor was gesin. Uf
das was er angends gott dem allmechtigen, ouch dem -o-
wirdigen erzengel sant Michel lob und dank sagen und
hüt sich fürw-erthin vor sünden und gab ouch einem
kilchherrn daselbs zu einer ewigen gab und almüsen vier
jucharten lants, gelegen vor dem Berenbüel, als man das
fint in dem jarzitbüch (XIII. kalendis in dem meien). ->
Darnach in kurzen jaren kam die engelwdche und die
kilcliherrn und lütpriester der zw^ölf kilchen, töchtern der
kilchen des Paradis, mit iren undertanen und ouch ander
Kit* gabent da ir opfer. Do verkunt man nü dis zeichen,
als hie vor stat, und ouch ein ander zeichen, als hie 3f>
]iach stat.
* Hs. lüt und.
I. lit, eine der sieben canonisclien Hören.
128
Ein ander zeichen.
Es was ein man, genant Görg an der Egg von All-
mendingen; der ward beseßen von dem bösen geist und
was also drü ganze jar und w^oltent aber sine fründ nit,
daß er beseßen w^ere; dann si meintend, er hett sust
gebresten in sinem hirn. Und am letsten enthießent si
in mit einem lebenden opfer zu sant Michel in die kilchen
des Paradises und verhieß ent das für in alle jar ze geben.
Darnach fürtent si in zu der kilchen des Paradis und be-
slußent in in den fronaltar und w^ard da also besworn.
Do nü das etw\is zites wert, am letsten ward er erlöst.
Do er nü an dem selben [119] end erlöst ward von dem
bösen geist, do warent er und die sinen gott lob und
ere sagen und dem hochgelopten sant Michel, daß er
inen also geholfen hatt; und also gab der vor genant
Görg und sin husfrow einem kilchherrn daselbs zu einer
ewigen gab und almüsen siben jucharten akers, genempt
der Eggelaker und stoßt an der kilchen hanaker in den
siolzen, als man das fint in dem jarzitbüch in dem meien.
2Q Do nü dise zeichen also verkünt wurdent, do seite
iederman, so da w^as, gott lob und dank und dem hoch-
wirdigen sant Michel und warent ouch die kilchwdche mit
großer andacht, lob und gesang erlich usrichten und kerte
sich darnach iederman w^der heim zu dem sinen. Der
vil genant herr Anshelm von Stretlingen bereite sich zu
riten und ze besuchen vil heiiger stett und der selben
heiigen hilf und gnad anrüefen ; und nam also für sich ze
riten zu dem heiigen vater dem bapst gan Rom und do
er kam zu der hochen sinn, do fand er den heiigen vater
29. In der Hs. steht deutlich hochen sinn. In dem Wort sinn
liegt ein Stadtname, unzweifelhaft Siena. Vergl. Schmeller BW.
III, 257 (i. Aufl.): -^e der hohen sin, hohin Siene, alta Siena.
129
den bapst mit dem namen Alexander den fünften. Von
dem selben heiigen vater dem bapst an dem selben end
er gar erlich und loblich enpfangen ward; und als er nü
bi im was, do was er sin bitt und anmütung, ouch die
zeichen, die da geschechen warent bi der kilchen des 5
Paradis, erzöigen; und was hiemit inbesunders bitten und
begeren umb den aplaß aller Sünden zu der engelschen
kilchwichi und ouch das almüsen ufzenemen und reichen
allenthalben in dem [120] namen sant Michels zuhanden
der kilchen des Paradis und darzü alle die friheiten, so 10
denn vormals an das selb end geben warent, daß die
bewert, gesterket und bestetiget wurdent und er ouch
etwas siner sunderlichen gnaden ouch da mit w^ölt teilen.
Uf söliche bitt nam sich der heiig vater ze bedenken und
nach wol bedachtem rat siner brüeder der cardinalen des 15
Römschen stüls, do betrachtet er, wie denn der hoch-
wirdig hehg sant Michel vor dem jüngsten tag von ge-
bietens wegen des allmechtigen gottes wirt uf dem ÖHberg
den endkrist mit sunderlicher macht und gewalt ertöden ;
und harumb bestätet und stärkte er* alle die friheiten der 20
kilchen des Paradis, so der heiig sant Michel selbs ge-
wicht hatt, darzü den aplaß aller sünden an der engelschen
kilchwiche und das almüsen ufzenemen und anders, so
denn vormals die kilch was begäbet, daß das alles solt
zu ewigen ziten also bestät beliben. Und von sunderlicher 25
gnad gab er darzü allen denen, so ir heiig almüsen teiltent
einem kilchherrn daselbs oder der kilchen an iren buw,
den sibenden teil ir ufgesatzten büß. Sölich vor gemeldet
friheiten gab der heiig vater der bapst dem vil genanten
herrn Anshelmen von Stretlingen mit versigleten bullen 5o
* fehlt in der Hs.
I. Alexander V. war Papst von 1409— 1410. Gemeint sein
könnten nur Innocenz III. 1198 — 12 16 oder Honorius III. 12 16 — 1227.
9
im
d briefen nach sitt und trewonheit des Römschen stül
und zu einer sunderbaren liebe schankt er im vier stük
heltüms, daß er die ouch sölt an das selb end zu sant
Michel der kilchen des Paradis mit im heim füeren, und
5 gab im damit sinen bäpstlichen segen und nam ouch also
urlob und schied wider heim. Do er nü heim kam, do
ward er mit großer fröid enpfangen und [121] das heltüm,
so er mit im bracht, ouch die friheiten wairdent mit einer
loblichen proceßion und crützgang ingefüert in die kilchen
i<^ des Paradis. Darnach in vergangnen ziten und jaren schied
der vil genant herr Anshelm von Stretlingen und sin
husfrow von diser zit. Der allmechtig gott si inen gnädig
und helfe uns armen sündern, nü zemal lebendig, zu einem
seligen guten end! Amen.
DAS NÜND CAPITEL.
Als man zalt von der geburt Cristi zwölf hundert
zwanzig und drü jar, was ein herr von Stretlingen
mit dem namen herr Wilhelm von Stretlingen; der hatt
ein frowen, die was geheißen frow Gerdrut. Zu den S
selben ziten von den ufnemeren des almüsens der kilchen
des Paradis under dem namen sant Michels brach us ein
großer lümd von vil cristenden mönschen, die an das
selb end zülouf hattent mit andacht und gelüpten; und
das geschach darumb, daß da große zeichen und wamder lo
der allmechtig gott durch den hochwirdigen [122] sant
P Michel gewürkt hatt; ouch an dem selben end vil be-
seßner lüten entlediget wairdent. Und harumb ward vil
i^^aben und opfers dar geschikt und w^ard der gotzdienst
)uch zu den selben ziten volkomenlich volbracht von i>
mengem seligen guten cristenmönschen von der hilf gottes
und der* heiigen und heltüm, so man daselbs eret. Es
stat ouch in disem ob gemeldeten latinschen buch, darab
diß geschriben ist, daß von der heilsamkeit und gnad-
richen stdtt der kilchen, kilchhof und des heiigen brunnen 20
zu dem Paradis vil lamer, stummen, ungehörenden, blinden
und ouch toten da widerumb gesunt sind worden. Der
* Hs. die.
132
vor genant Herr Wilhelm von Stretlingen was dem kilch-
he^rn daselbs gar güetig und gnädig in maßen, daß er
dik und vil ließ fragen heimlich und offenUch, ob ieman
sinem kilchherrn kein leid tat, den wölt er also laßen
5 strafen; oder ob ieman im sin rechtsame oder ander fri-
heit, so denn die kilch daselbs hätt, abzuge, daß er im
da weit helfen widerbringen; und wolt also, daß einem
kilchherrn daselbs und der kilchen alles sölt beliben, wie
es dann von alter har dar komen was, und im keinerlei
i<^ Sachen sölt in sin friheit gebrochen werden.
Nu ist es war und ist ouch ein gemein sprüchwort,
daß durch großen züfluß zitlichs güts und glükes der
mönsch dik und vil valt von siner andacht und guten
dingen, so er denn vormals hat volbracht in siner armüt
1 5 und ungefell. Man spricht ouch gemeinlich : gut bringt
nit demüt! Darumb findt man hienach, wie die kilch des
Paradis ist von ir friheit komen und rechtsame.
[123] JVie die zivölf kilchen widerspenig wurdcnt ir rechten
liitkilchen des Paradis.
20 Als die lüt ufwüchscnt und zünament an ere und
an gut, do'warent die obersten in dem Lind da umb, die
edlen und puren, nachgeburengesellschaft und gebüntniß
mit einandern machen von den zwölf kilchen, die da
töchtern warent der kilchen des Paradis. Und die under-
25 tanen der selben zwölf kilchen fügtent irem kilchherrn
des Paradis wider gott und alle gerechtekeit vil ungemachs
zu und slügent die vorcht gottes ganz zu ruggen und
das Üblich sweren* zu gott und den heiigen, so si getan
hattent in der kilchen des Paradis uf dem fronaltar, alle
30 jar zu der selben kilchwiche ze komen und ir Opfer und
kilchenrecht da ze o-eben und sich da ze erzeigten als
* die Hs. gibt : und swiioren das Üblich zuo gott.
133
gehorsam undertanen. Des hartem si alles vergeßen und
viengent an ungehorsam zu sin; si viengent ouch an
keinen erschatz von den kilchengüetern ze geben; si
woltent ouch fürer kein hoftagwan me tun, als si denn
das vormals von guter gewonheit und recht hattent getan. >
Semlichs und anders desglichen warent si sich gar und
ganz weren* und durch semlicher anmütung, so ein kilch-
herr sin rechtsame an dem selben end der kilchen des
Paradis an inen fordert, do ertoten si in. Die selben
umbsäßen** in der «:emie da umb warent ouch den edlen ^^
und wolgebornen herrn Wilhelm von Stretlingen siner
sunderlichen friheiten, die er denn von allen sinen vordem
ererbt und beseßen hatt, gar [124] und ganz berouben
und abziechen ; ouch die rechtsame, so er hatt an dem
Wendelsee und im zugehört und niemans anders warent, ^5
zugent si im ouch ab und fügtent im zu mit w^orten und
mit werken, das im übel kam heimlich und offenlich, wie
si das konnent zübrino-en. Von semliches freveis und
Übermuts wegen, so im von den sinen geschach, ertodt
er vil lüten, wa er die mocht ankomen, so denn w^ider 20
in und die sinen warent. Er ertränkte ouch vil vischer
in dem see umb des willen, daß er sinen priester und
ouch sich selbs da wolt rechen; und kam darzü, daß ein
landskrieg darus ward allenthalben da um in maßen, daß
der gotzdienst, ouch die bilgerfert und der groß zülouf, -5
so vormals daselbs was gesin, ward gar und ganz ab-
geslagen und vil gutes an dem selben end underwegen
beleih. Darumb verhangt gott ein semlich plag und straf,
daß die vigend des vor genanten herrn Wilhelms von
Stretlingen alle die reben, böm und zwien abslügent und 30
verwüstent und wasf ein semlicher wüetender zorn in
* Hfi. werten.
** Hs. umbsätzen.
t fehlt in der Hs.
134
sinen vienden von underwisung des bösen geistes, daß si
die kilchen, diis beinhus und alle die hüser, so daselbs in
siner herschaft warent, verbrantent; und die bürg Stret-
lingen mit allen iren friheiten, so si dann hattent, ver-
5 brönt ward und also in den grund verderbt ward, daß
nieman me da ze hus und wonhaft mocht sin, und weder
eren noch mäigen da volbracht ward und das selb end,
das nü zu dem guldinen hof geheißen was von der
fruchtbere und genuchtsame wegen, alles zu armüt kam.
^^ Und die selbe türe und unfruchtberkeit und plag wert uf
siben jar. Und darnach ward die hellikeit des kriegs
verriebt gegen dem edlen und wolgebornen [125] herrn
Wilhelm von Stretlingen und sinen umbsäßen der edeln
und andern gemeinden mit semlichen gedingen und für-
15 Worten, daß das gemein volk der zwölf kilchen, die da
warent undertanen der kilchen des Paradis, söltent buwen
an dem selben end ein ander kilchen . in der große, als
die vordre kilch was gesin und mit allem dem, so ouch
die kilch notdürftig were zu dem gotzdienst, zu volbringen
20 als vor. Ouch soltent die selben undertanen zu allen
kilchwichinen zu ewigen ziten sich daselbs erzeigen per-
sonlichen mit iren opfren und andern rechtsamen, als si
ouch das selb von recht vormals hatten getan ; und wenn
aber das nit möcht gesin, daß si all uf dem selben tag
25 da werint der kilchwichi, als ob stat, so sölt ein ieglicher
kilchherr der zwölf kilchen in siner kilchen uf dem nechsten
sunnentag vor der kilchwiche der kilchen des Paradis von
sinen undertanen ufnemen das opfer und sölt denn das
persönUch selbs bringen einem kilchherrn des Paradis im
3<^ namen aller siner undertanen, die denn nit möchtent da sin.
7. ereil, pflügen; mäigen, mähen.
ir. hellikeit, Beschwerde.
12. verricljten, beileo'en, schHchten.
I
135
Do nü diser krieg also verriebt ward mit semlichen
gedingen, als vor stat, do verspottetent si den Herrn von
Stretlingen hinderwert und schatztent ouch klein die
gnadenrichen hofstat der kilchen des Paradis, die da ver-
brönt was; und wiewol das in der richtung des kriegs 5
ward beredt und verbunden, daß si solt widerumb als
vor gebuwen werden und alle jar uf der kilchwichi das
Opfer dar gebracht werden; das si aber nit tatent noch die
kilch uf die große, als si vor was gesin, gebuwen noch
der kilchhof widerumb ingeslagen, und das alles mit dem lo
minsten costen betrogenlich ward usgericht. Und harumb
ließ der allmech[i26]tig gott sin räch nit verborgen, noch
sinem heiigen erzengel sin ere an dem selben end laßen
gnot enziechen; denn er erzöigte nach vil kumbers und
lidens, so denn die kilch hatt gelitten, sin erbarmherzikeit 1 5
dem vil genanten herrn Wilhelmen von Stretlingen und
siner kilchen des Paradis und strafte die undertanen der
zwölf kilchen mit mengerlei plag: also daß etlich von
den gesiechten, die da nit trüw^ warent der kilchen und
dem kilchherrn des Paradises, wurdent kropfecht mit 20
großen halsen. Etlich von den selben gesiechten wurdent
beseßen von den bösen geisten, etlich hogrecht, etlich
ouch begriffen mit dem großen siechtagen des vallenden;
etlich wurdent arm von rifen und hagel inen ir frücht zu
nemen, ouch etlich und der merteil sturbent der pestilenz, 25
3. hinderwert, hinterrücks.
5. richtung des kriegs, Friedensfchluß.
20. kropfecht, mit einem Kropf behaftet. — Das Volk von
Trimmis in Graubünden wurde, weil es den St. Lucius wilden
Thieren vorgeworfen hatte, ebenfalls mit Kröpfen bestraft. Campell,
zwei Bücher rhätischer Gesch. I. Buch, p. 43.
22. hogrecht, höckericht.
23. das valleude (näml. übel, leid), die Fallsucht.
136
darumb daß si nit gnüg tatent und noch hüt bi tag nit
gnug tünd, ze besuchen jerlich die kilchwichi der kilchen
des Paradises von der Verheißung wegen, so ir vordem
getan hattent, da doch der großwirdig heiig sant Michel
5 ir patron vil wunder und zeichen getan hatt. Und also
schikte der vil genant herr Wilhelm von Stretlingen zu
einem bischof von Losann, daß der die kilchen- kilchhof,
altar und ander ding, so da ze wichen were, sölt wider-
umb wichen, als es dann vormals w\as verbrant gesin und
10 wider gebuwen, als ob stat. Der erwirdig herr und bischof
kam nach sinem schriben daselbs hin und also wolt der
bischof die kilchen des Paradises wichen uf dem nechsten
sunnentag nach sant Mauritzen tag. Do nü das vernament
die lüt allenthalben da umb von verkundens wegen, das
1 5 denn dozemal geschechen was, do ward ein großer zülouf
von vil Volkes und besunder von [127] den zwölf kilchen,
die da tochtern warent der kilchen des Paradis, von under-
tanen der selben kilchen, ouch die kilchherrn mit inen;
und waren* si darzü bewegen die großen plagen und straf-
20 ungen von gott und ouch mengerlei erbeitselikeit, so si
denn vormals hattent gehept, als vor stat.
Merk, lüie sant Michel die kilchen des Paradis zit dem
andern nial selbs gewicht hatt.
Als nü der bischof und vil priester mit im da warent
25 und ouch ander volk, die da wartetent der wichung, do
begab es sich uf der selben nechsten nacht, als man
morndes wolt die kilchen wichen, daß der wirdig heiig
sant Michel erschein allem volk und tet inen ze w^üßen,
daß er die kilchen anderw^ert het gewicht durch sich selbs
30 mit semlichen zügeleiten worten: ir andechtigen fründ
diser kilchen und ouch des kilchherrn, wiewol ir sind
* Hs. ward.
137
eines verkerten bösen lebens, ist es sach, daß ir noch hüt
bi tag den gottsdienst hie fürdernt und merent, so sönd
ir wüßen, daß ir an ihverm letsten end üwers lebens
findent noch gnad und barmherzikeit gottes! wann alle
die, so da sind wider dise kilchen und den kilchherrn S
und alle die, die da zergengent die kilchen und ander
pfrüenden, die lebent nit lange jar; wann dise kilch blipt
unz an den jüngsten tag. Si wirt wol vil betrüeptniß
liden und abkomen an gut, aber si wirt niemer gnot
zerstöret noch zergan ! Und nach [12S] disen worten ^^
und erschinung do verswand sant Michel und von diser
gesiebt und verkündung ward iedermann frölich. Do nü
den morgen uf dem tag ward, do volbracht der bischof
mit aller priesterschaft, so da warent, die lieligen empter
der meßen und lobgesang loblich und andechtenklich. ^>
Der kilchherr, zu den selben ziten mit dem namen herr
Rudolf, was ouch erst komen und bestcit zu der kilchen
des Paradis, der verkunt und prediet das gotzwort und
nach dem vieng er an mit einem demüetigem herzen und
Worten und redt offenlich vor dem bischof und vor herr -^
Wilhelm von Stretlingen und vor allen sinen vienden
und dero gesellschaft, die es all mit einandern hattent
gehan wider den herrn von Stretlingen und wider die
kilchen des Paradis, als si ouch des selben mals verriebt
warent: es ist w^ar, die andacht, so wir vormals band ->
gehan zu unserm patron und schirmer sant Michels, der
da ist ein fürst und hüeter der kilchen des Paradis, ist
erkaltet; die selbe andacht ist ouch von dannen komen
und abgescheiden von fürsten, herrn und ander edlen
und ist ouch erlöschen von allem gemeinen volk. Die 3^^
opfer und almüsen gelöibiger cristender mönschen und
6. icrgencren, 7X\ Fall bringen.
138
t
die göttlichen empter band ietz ein ufhörung gehan uf
siben jar und ist leider dise gnadriebe kilcb, da vormals
vil zeicben und wunder sind gescbecben, verbrant; daß
hie großer mangel an büechern, kelchen und an andern
5 Zierden, so dann einer ieglichen kilchen zugehört, ist. Die
güeter der kilchen sind beroubet und wüest geleit, die
hüser und ander kilchenrechtsame sind gemindert und
verloren und ist hie in diser notdurft großer [129] mangel;
und harumb so band wir billicb gehan den zorn gottes
10 und mengerlei widerwertikeit von plagen und strafungen
durch verhengniß des allmechtigen gottes und wir mögent
w^ol sprechen: herr, alles das du uns hast getan, das
hastu mit einer rechten urteil getan, wann wir band dir
gesundet oder wider dich; die Verheißungen, die wir
TS gesworn und verheißen hatten uf disem altar, oder der
vormals ist gesin, band wir nit' gehalten; darumb band
wir diß alles wol verdienet ! Do dise red und vermanung
geschach vor allem volk, do gebot der kilcbherr äugendes
von gebots wegen des bischofs, der ouch da gegenwürtig
20 was, den priestern der zwölf kilchen und iren undertanen
und ouch anderm volk, die dann allenthalben dar komen
warent, der vil in der zal was: ob ieman w^ere, dem an
dem selben end der kilchen des Paradis were kein gnad
gescbecben, als denn vil zeichen und wunder da gescbecben
25 was gesin vormals oder in dem heiigen brunnen, es were
vergangen oder gegenwürtig, oder ob ieman kein historien
oder losen oder Schriften darumb wüßte oder copien von
dem aplaß und friheiten, die abgeschriben werint, hinder
im bette, — daß er darnach an dem andern tag den
30 morgen dem bischof da erzeigte, was denn vormals da
durch gott und sant Michel gewürkt were worden; oder
23. kein, hier wie öfter: iro-end ein.
139
ob ieman kein anderlei warhafte zügsame darumb hette.
Und also warent die kilchherrn und lüpriester der zwölf
kilchen und ir undertanen darumb warhaft zügsame tragen
und sagen, wie si gesechen und gehört hettent die engel-
schen red, so da vor were be[i3o]schechen und wie die 5
kilch des Paradises an dem selben end zu dem andern
mal durch sant Michel selbs wer gewicht worden; und
xmder zeichen und wunder, so vormals da warent ge-
schechen, erzeigten si ouch. Und uf das so verkunt der
vor genant kilchherr drü zeichen, die an dem selben end 'o
geschechen warent.
Das erst zeichen.
Es was ein frow, geheißen Cecilia, zu dem nüiueii
]ms von Merlingen. Der selben frow^en vielent semlicii
trroß siechtai2:en zu in maßen, daß si krumm mensr und ^5
hogrecht ward, und wuchs ir darzü ein großer kröpf an
irem hals, und mocht sich umb keinerlei Sachen nit uf-
streken ; denn si müßt ir hend uf iren knüwen stäts
tragen und legen. Also bat si einen iren sun mit dem
namen Rudolf, daß er si trüeg in einem korb oder hutten ^o
zu der kilchen sant Michels des Paradis und si also dar
enthieß mit opfer und almüsen, ob gott und sant Michel
ir wöltent helfen von ir großen siechtagen. Do er si nü
also dar bracht und andechtenklich ir opfer für si gab,
dennocht ward si keiner gesuntheit gewar und beleih -5
doch also uf zechen tag daselbs; do ward ir sun zornig
und murmlet wider sant Michel und sprach: du hast
I. \iigsame, Zeugniß.
20. hiitte, Tragkorb, der an den Rücken gehängt wird.
27. munitlen, murren.
140
aller weit geholfen und wilt aber miner armen müter nit
helfen und wilt weder si noch mich nit erhören! Ich
wil alle die, so sich zu dir keren wellent, warnen, daß
si sich nit zu dir entheißent har zu diser kilchen des
5 Paradis! Do er [131] nü also zornlich von dannen schied
und vil nach was uf mitten see und sin müter aber in
großem schmerzen also in dem schiff lag und weinete,
do entslief si an irem weinen und in irem slaf gesach si
einen schönen Jüngling mit einem claren antlit. Da be-
10 ducht si in dem selben slaf, wie er si wüesche mit dem
waßer des heHgen brunnen im Paradis und zu ir Sprech:
stand uf und wandel! Von disen dingen erwachete die
frow und enpfand, daß si genesen was von aller krankheit
und ungestalt irs libes, als si vor hatt gehept und erzalte
I ) dise geschieht irem sun und bracht irem sun ein groß
fröid, und kertent äugendes uf dem see wider umb zu der
kilchen des Paradis und w^arent da mit gott dem all-
mechtigen und sant Michel groß lob und dank sagen
und ließent den korb oder hutten, darin er si dar hat
20 getragen, daselbs zu einem zeichen. Und harumb gabent
si einem kilchherrn ein gut, das ist geheißen in der
nidern Swendi, als man das findt im iarzitbüch im meien.
Das ander zeichen.
Es was ein ander frow^ mit irem namen frow^ Hed-
25 wigis von Wyler, die wolt einsmals durch die Cander.
Do si nü in das waßer der Kander kam, do was das
waßer uf die selben zit gar groß, und viel darin und er-
trank. Ir fründ und ander lüt, die si harus zugent, ent-
hießent si zu sant Michel in die kilchen des Paradis mit
3^^ einem lebenden opfer. Alsbald si die gelüpt getan hatten,
do ward si wider [132] lebendig und trüg darnach ir
Idl
opfer selbs zu der kilchen des Paradises und was dem
allmechtigen gott und dem wirdigen sant Michel lob und
dank sagen und eret sant Michel insunders die zit irs
lebens. Und gab ouch einem kilchherrn daselbs zu einer
ewigen gab und almüsen einen iren aker, genempt der
Roggaker, gelegen in der Dürr, als man das fint in dem
jarzitbüch im meien.
Das dritt zeichen.
Es was noch ein frow, genant Margret, Heinrich
Haris husfrow. Die selbe frow was wol uf drü jar ganz lo
blind gesin, daß si nüt gesach. Also ward si underwist,
daß si sant Michel in der kilchen des Paradis sölt an-
rüefen, der hett ouch vormals vil mönschen geholfen.
Alsobald nam si ein gut veist kalb und ließ das mit ir
füeren und opferte das zu der kilchen des Paradis uf den 1 5
altar. Alsbald si das getet, ward si sechent an einem oug.
Do si nü wäder heim kam, do enpfand si gar eines großen
schmerzen an dem andern oug und also bevalch si sich
aber sant Michel und enthieß sich als vor mit einem
lebenden opfer. Darnach in der nechsten nacht, do be- 20
ducht si, wie sant Michel zu ir sprech: wenn du din
opfer gibst zu dem ahar, als du verheißen hast, so bitt
den priester, daß er dich bestrich oder bewäg mit der
paten oder corporal, so wirstu gesunt und gesechent!
Alsbald si dise ding also volbracht, do wart si gesechent. 25
Darnach gab si und ir elicher man [133J einem kilch-
herrn daselbs zu einer ewigen gab und almüsen ein gut,
genant der Hertrübel, gelegen in der kilchheri zu Gertzen-
see, als man das fint in dem jarzitbüch.
24. palen, mlat. patcua, Oblatenteller.
142
Nach semlicher verkündung der drien zeichnen, als
hie vor stat, was der erwirdig herr und bischof von Losan
die selben zeichen und wunder und ander diniz, so er
denn gesechen und gehört hatt und warhaft flind, ouch
5 den aplaß aller Sünden zu der engelschen kilchwiche und
historien, ouch das heltum, so denn vormals da was gesin
unz uf das selb gegenwürtig zit, laßen in schrift legen
und die selben Schriften mit sinem eigenen ingesigel ver-
siglen in der meinung, daß man das alles sölt bringen an
10 einen stül gan Rom und das selb ding alles von nüwem
uf bestetiget wurd, als ouch das darnach beschach. Und
aller diser vor geschribcnen dingen was ein handler und
volbringer in siner eignen person der durlüchtend hoch-
geborn herr Wilhelm von Stretlingen, der dise gütefi sach
M gar getrüwHch in sin hende nam und die ouch handlet
von befelhens wegen des vor gedachten bischofs von Losan.
Uf die selben zit was ouch ein gemein merfart zu
dem heiigen land und was in der selben merfart der
Römsch keiser mit dem namen Fridrich, der ouch von
2o gebots wegen des heiigen vaters des bapsts sich des
understünd von der heiigen cristenheit wegen, und vil
ander fürsten und herren, die also in dem namen gottes
woltent striten und vechten wider die beiden. Von sem-
Ucher sach wegen underredte sich der vor genant [134]
-) hochgeborn herr Wilhelm von StretHngen mit dem vor
gemelten bischof von Losan und understünd ouch ein
semliche merfart ze tun mit andern cristenen fürsten
durch gottes willen. Der bischof gab im sinen segen und
schied damit enweg. Do sich nü der wolgeborn herr
30 Wilhelm von Stretlingen mit allen dingen zu hat gerüft,
die selben merfart ze tun, do schikte er sich zu siner
21. sich imäerstan, unternehmen.
145
lütkilchen sant Michels in dem Paradis, zu dem selben
sant Michel er ein sunderbare große andacht hatt, als
Glich all sin vordem hattent gehan, und ließ im da meß
sprechen ; bi der selben meß er ouch mit großer andacht
was und bevalch sich da gott dem allmechtigen und dem >
hochgelopten sant Michel. Do nü die meß us was, do
trank er sant Johanns segen und enpfieng darnach das
wichwaßer von dem priester. Darnach stund der edel
güetig und demüetig, wolgeborn herr Wilhelm von Stret-
lingen zu sinem kilchherrn, der do genant was herr lo
Rudolf, und sprach zu im und sinen undertanen und
underseßen, jung und alt, nieman usgenomen : Heber herr
der kilchherr und ir allsament, die hie stand ! Ich bitt
üch güetlich und früntlich, daß ir gott für mich bittent,
daß ich gesunt und frisch harwider kom, si es nit wider is
in ; wann ich undergib mich dem allmechtigen gott und
bevilch üch und mich in sin göttliche erbarmherzikeit!
Und andre früntliche wort sprach er zu inen, Do nü
der kilchherr und das volk, die da umb stündent*,
semliche güetige milte früntliche und wise wort hortent, 20
do viengent si alle an ze weinen. Do er nü sach, daß si
alle weinetent umb in, do vieng er aber an zu sagen
und sprach: ir min allerHepsten, laßent üwer weinen! Ich
weiß das wäißentlich wol, daß der allmechtig gott und
der hochgelopt sant Michel [135] mir werdent bistendig 25
sin in miner fart; wann mir ist vor, daß der hochgelopt
sant Michel ietz min mitgesell si und mir har heim helf
zu denen ziten, so das müglich und zimlich ist; w^ann
ich beger das von im nü und zu allen ziten von
ganzem herzen. Nach diser und noch vil andrer red, 30
* Hh. stuondent und.
7. sant Johanns scgen (oder niinne) trinken, den Abschieds-
trunk nehmen. Grimm, Myth. p. 54.
144
so er volbracht, saß er uf sin pfert und gesegnet das
land und das volk darin, die da belibend, und reit also
über die pirg in Lamparten und kam in Sicilien, da ouch
zu den selben ziten der keiser was, der in ouch gar
5 frölich und güetlich enpfieng. Daselbs si ouch saßent in
die galeien, der keiser mit sinem her oder merfart, und
warent also glüksamklich wider die beiden striten und
vechten und ouch die beiden überwinden; als man das
eigenlich findet in dem buch, das da genempt ist Forta-
10 licium, ze tütsch aber das boUwerk oder zwingolf wider
die kätzer und unglöibigen, da man an dem selben end
findt, daß die cristenen oberhand hattent und erslügent
zw^eihundert malen tusent beiden; und ist an dem capitel,
da man list von dem hundertesten und ein und zwenzi-
15 gosten strit, so da geschechen ist wider die beiden von
den cristen, und geschach in dem jar, do man zalt von
der geburt Cristi zwölf hundert drißig und drü jor. Do
nü der edel und hochgeborn herr Wilhelm von Stretlingen
uf siner widerfart was, bar heim ze komen, do kert er
20 sich zu dem heiigen vater dem bapst, mit dem namen
Gres^orius der nünde, und fÜ2;te sich zu dem selben mit
6. galeie, mhd. gilie, Ruderschiff, Galeere.
10. iwingolf. In einem Münchner Vücabular (cg. 6't^'j, f. 39b)
wird antemiirale mit izuingolf wiedergegeben. Das Wort findet sich
auch bei dem Berner Diebold SchilHng, Beschreibung der burgun-
dischen Kriegen p. 173: «do oben an dem turn ein werHcher :(;iviii-
golf was.»
FoRTALiciUM FiDEi contra judeos, saracenos ahosque cristiana^
fidei inimicos (von Alfonsus de Spina). Der hier erwähnte 121.
Kampf gegen die Saracenen vom Jahre 1233 ist in der Ausgabe
von Koberger, Nürnberg 1485 auf Bl. 137 b geschildert. Außer
Alphons VIII. und Peter von Aragonien wird kein Theilnehmer
mit Namen aufgeführt, von den Uebrigen heißt es nur: «veHeriiut
etiani gentes ex ytalia, rPina, lomhardia, almania et porhigalia.» Eines
Stretlina:ers 2:eschieht natürlich keine Erwähnun«:.
145
nller demüetikeit, so er denn kond oder moclit; der selb
heiig vater der bapst in ouch gar frölicli und güetlich
enpfieng. Die anmütung und bcgerung, so er denn hart
in Schrift genomen von dem erwirdigen bischof von Losan,
von den zeichnen, so da beschechen [136] warent bi der 5
kilchen des Paradis von dem widigen heHgen sant Michel,
ouch wie die kilch von kriegslöifen verbrönt were wider
gott und recht und wie vil mütwil im und den sinen
und siner kilchen daselbs geschechen were, und wie ouch
der kilchherr daselbs erslagen were worden und alles, das ^^
zu der kilchen oder einem kilchherrn gehorte, were ge-
mindert; die kilch und kilchhof w^erint wol wider gebuwen,
aber nit in semliche ere gesetzt, als si vor warent gesin,
denn mit betrogenheit und vorteil; und erzöigte ouch
dem heiigen vater dem bapst die friheiten des aplaß und ^5
von dem heltüm daselbs in copien und in historien ab-
geschriben, die ouch bewert warent von einem bischof
von Losan, als ob stat; und begert also von dem bapst,
daß er* die selben friheiten, als ob stat, weite beweren,
Sterken und besteten und ouch siner sunderlichen Rnad ^^
da mit etwas teilen : — die selben anmütung und bitt er
gar güetlich enpfieng. Der selbe heiige vater der bapst
betrachtet die sachen gar flißlich und ernstlich und nam
sich des zu bedenken zu sinen brüedern der cardinalen
und bekant ouch hiebi, daß der hochgelopt wirdig heiig ^5
sant Michel des allmechtigen gottes verantwurter ist, die
seien ze richten an dem** end nach iren verdienungen und
daß dem wirdigen sant Michel vil großer tugenden wirt
zügeleit. Und harumb nach siner bedenkniß gab und
gebot der heiig vater der bapst das ze halten, daß die 5o
kilch des Paradis, die der hochgelopt wirdig heiig sant
* fehlt iu der Hs.
=** H«. die.
10
■ 46
Michel nü zu dem andern mal selbs hat gewicht, gefriet,
geeret und ouch hochgehalten [137] wurd; und was alle
und ieglich ding, so vormals da warent gesin, es were
die usmarchung des kilchspels, die gaben, die friheiten,
5 der aplaß aller sünden uf der engelschen kilchwiche und
das almüsen allenthalben ufzenemen zu banden einem
kilchherrn daselbs under dem namen sant Michels, als
denn die ding, als vor stat, vormalen warent von den
heiigen vätern der bäpsten, patriarchen, cardinalen und
10 von bischofen von der ersten ufbuwung geben worden
unz uf das gegenwurtig zit : — das alles w^as er beweren,.
Sterken und nach der sterkung was er das alles bestäten
und gebieten, zu ewigen ziten alles das ze halten mit
fürvvorten keinerlei fund noch geferd hiein erdacht. Und
1 5 gab darzü sines eigenen gemüets und sunderbaren gnaden,,
daß alle und iegliche cristende mönschen, so dar käment^
es were an der kilchwichi oder zu andern ziten, wenn
das wTre in dem jar, zu der kilchen des Paradis durch
güttes willen und um ere des wirdigen sant Michels, des
20 heiigen erzengels, patron daselbs mit sinem andechtigem
gebet oder sust von andacht wegen sant Michel da be-
suchte, sin heiig almüsen dar geh, bi den heiigen ämptern
da were, das gotzwort horte, das heltüm da besächent,
ir Opfer zu dem altar dar trüegent; als dik und als vil das
2) geschäch und si das tcätent, sölt inen verfolgen und werden
aplaß der sibend teil aller iren ufgesetzten büß; und gab
das mit versigleten bullen und briefen nach dem Römschen
sitten dem hochgebornen und edeln herrn Wilhelmen von
Stretlingen. Der selb heiig vater der bapst was ouch den
3^^ erst genanten herrn Wilhelmen von StretHngen bitten und
manen und ouch underwisen zu gedultikeit gegen [138]
sinen vienden, die er dann vormals gehept hatt, als vor
stat, mit vil klüeen und gelerten worten und verhieß im
147
das ewig leben, wenn er in gedultikeit also belibe. Er
verhieß im ouch, daß er in und sin kilchen und kilch-
herm des Paradis wölt haben in siner hüt und beschirmen,
wa si des bedörftent. Der heiig vater gab im ouch für-
drungbrief an einen bischof von Losan, der im ouch vor- >
mals geschoben hatt von der selben kilchen, als ob stat,
das er ouch ser und vast lopte, und bevalch ouch dem
selben erwirdigen bischof in sinen Schriften, daß er ein
schirmer were des lierrn und siner kilchen und gebot,
die bitt under dem namen sant Michels ze ernüwren. Er lo
gebot ouch, daß die kilchherrn der zwölf kilchen mit
sampt iren undertanen jerlich uf der kilchwiche sich er-
zeigen soltent mit iren opfren daselbs zu der kilchen des
Paradises zu ewigen ziten ; ouch alle die rechtsame, so
die selb kilch vormals hatt gehept, es were in erschatzen, i>
hoftagwan oder ander kilchenrecht sölt man im usrichten
bi der pen verlierung der selben kilchengüetern ; und wer
dawider tat oder keinerlei untrüw dem kilchherrn oder
der kilchen erzöigte, der sölt verflüecht sin von bäpstlichem
gew^alt. Er wolt ouch, daß fürbashin die engelsche kilch- 20
wiche zu der kilchen des Paradises und die bitten und
negocia sant Michels, das almüsen allenthalb zu reichen
und ufzenemen, fürgang hättent ane iedermans hinderniß ;
und harumb wolt er, daß ein kilchherr daselbs liplich
besitzung hätt und sin narung daselbs nemen und solt in 25
nüzit schirmen, denn allein krankheit sines libes. Do nü
der heiig vater der bapst diß alles verwilliget und ver-
liehen hatt zu der kilchen des Paradis, do gab er [139]
im sinen bäpstlichen segen und begäbet in darzü mit
zechen stüken heltüms, mit im heim ze füeren zu siner 30
kilchen des Paradis. Die selben gaben der wolgeborn und
edel herr Wilhelm von Stretlingen von dem heiigen vater
deVn bapst dankbarlich enpfieng und nam damit urlob
148
von im und schied von dannen. Nu sol man hie wüßen,
daß dise handlung alle der kilchen halb von dem bapst
und ouch herrn Wilhelmen von Stretlingen ist geschechen
zu Parus in der predier closter in dem jar, do man zalt
5 von der geburt Cristi zwölf hundert drißig und fünf jar
uf sexto kalendis junii.
Do nü der edel herr Wilhelm von Stretlingen heim
kam und das heltüm und die friheiten mit großen eren
und lob gottes in die kilchen des Paradis was ingefüert,
^0 do ward an dem selben end der kilchen des Paradis aber
ein großer zülouf und die zeichen und wamder wurdent
daselbs fürer ernüwret. Und der vil genante herr Wilhelm
von Stretlingen schikte umb lien erwirdigen vater und
bischof von Losan und dem erzöigte und erzalte er, was
15 er geschaifet hett. Do nü der bischof von Losan kam,
do besamnet er prelaten, priester und ander geistlich
kilchherrn und lüpriester der zwölf kilchen und der selben
undertanen, die ouch mit gebotner zwungenschalt dar
kament, und sust vil ander volk allenthalben har, die
20 ouch dar komen warent durch semliche andacht, daß si
möchtent gesechen das heltüm und dem ere tun, wann
ouch das selbe heltüm von verren landen erst komen
was. Es was ouch vil edler lüten dar komen allenthalben
har, die nü gesachent, wie die kilch und kilchhof un-
25 trüwlich und vast vil minder, denn vor, was wider ge-
buwen; und ouch der heiig brunn, davon vil großer
zeichen vormals warent geschechen, was usbe[i4o]sloßen
und nit in semliche ere komen w^as, als es vormals was
gesin; und wiewol, daß es alles nit was, als vor, dennocht
30 begertent si durch des aplaß und ander zeichen und
wunder, die da vergangen warent, ze gesechen und
gabent also ir opfer und ander gaben und eretent die
kilchen wirdenklich, als si denn das kondent oder mcch-
I
k
149
teilt volbringcn. Und wurdent ut die selben zit oiich
allerlei gaben und sturen geben an die kilchen des Paradis,
als man das denn fint in dem alten jarzitbüch im brächet.
Darnach gab der edel hochgeborn herr Wilhelm von Stret-
lingen und sin gemachel Gerdrut der kilchen dri jucharten 5
lants und holzes, gelegen bi dem gut, das man nempt
der Spiß, und ist genant das Holen, und gabent ouch dri
jucharten lants in der Swende und ouch dri jucharten
lands hinder der Kgg nach Inhalt des jarzitbüchs iiti
meien. Dise vor genanten gaben wurdent verzogen uf 10
ein zit der en gelschen kilchwiche und also verkünt und
beschechen, als ob stat. Und nach diser verkündung was
der erwirdig bischof von Losan und vil ander erwirdiger
Vätern, die denn fürdrer warent der engelschen kilchwiche,
gar ein erwirdig loblich ampt und ouch ander gottsdienst 1 5
volbringen uf der engelschen kilchwiche, so da was uf
sant Michels tag ; und was von den zw^ölf kilchen da um
und ouch von andern enden allenthalben har, daß man
das uf die selben zit schätzt uf vier tusent mönschen, die
da besamnet werent. Do nü diß loblich hochzit der 20
engelschen kilchwichi wirdenklich und erlich ward us-
gericht, do was der erwirdig vater und bischof von Losan
alle die bullen des bapstes und ander sciiriften von ampts
wegen, so da warent und dar geben warent, bestäten und
laßen zu ewigen ziten in bestentniß beHben [141] und 25
laßen und verliehen und geben, daß man zö ewigen ziten
möcht uf einem bätstein meß haben und das darumb
von kleine wegen der kilchen. Und semlichs sölt ouch
zu ewigen ziten unwiderrüeflich beliben und gab darzü
allen den mönschen, die dar käment und ir heiig almüsen P
3. brächet, Brachmoiiat.
10. ver:^iehen, aufschieben.
150
da ließent, vierzig tag aplaß tötlicher sünden und ein jar
täglicher Sünden; und uf dise Sachen gesegnete er den
hochgebornen und edeln herrn Wilhehiien von Stretlingen
und schied also von dannen. Der hochgeborn herr Wil-
helm von Stretlingen und sin gemachel Gerdrut schiedent
darnach in vergangnen jaren von diser zit. Gott si inen
gnedig und barmherzig! Und helf uns lebenden zu disen
ziten der erbarmherzig gott zu einem guten seligen endl
Amen.
DAS ZECHEND CAPITEL.
I
Des jares, do man von der geburt Cristi zalt zwölf
hundert sübenzig und zwei jar, ward userweit graf
Rudolf von Habspurg zu einem Römschen künigen. Von
gesiecht was er ein tütscher und was in allem sinem 5
fürnemen ein glükhaftiger man, aber er kam nit zu dem
gewalt des keisertüms. Zu den selben ziten was ein herr
[142] von Stretlingen mit dem namen Sigmund von Stret-
lingen. Der erst genante Sigmund von Stretlingen hatt
ein frowen, mit dem namen Küngundis oder Küngold. 10
Der selbe edel und wolgeborn herr Sigmund von Stret-
lingen erbot allen priestern und frowen groß zucht und
ere. Er was allen armen lüten milt und güetig; er was
ouch allen sinen knechten und jungfrowen und andern
diensten heimlich, gesellig und frölich; allen frien herrn 15
und andern edeln lüten tet er wirdikeit und ere; aber
allen andern fürsten und herren was er angesichtig; ouch
vil ander guter tugenden, so er an im hatt, was er wol
gezieret. Er was kusch und ein suberer man. Man liset
von im, daß er einsmals von großer sachen und gescheften 20
weisen müßt riten zu einem fürsten, der sin anerborner
I). hciiiilicb, vertraut.
152
fründ was, in verre land. Als er nü zu im kam, do ward
er gar mit großen eren und lob enpfangen an dem selben
end. Einsmals, do si zu hof wol und kostlich hattent
gelept mit eßen und trinken, do wolt er an ein heimlich
5 end gan und rüwen. Do kam ein frow^ zu im und w^arf
den willen irs herzen an in und begert von im, ir sünt-
lichen Sachen mit im ze volbringen. Do das diser küscher
und reiner herr verstund, do sprach er heimlich zu einem
edlen knecht, sinem diener, der im Heb was : gedenk, daß
10 du mir dise frowen heimlich enweg schaffest und gib ir
einen guldin! Ich wil dir sagen, und ob ich nit ein er-
schreken hett davon, daß ich min e breche, so wölt ich
doch minen gemachel Küngolden in semHchen sachen nit
betrüeben, daß si das von mir sölt innen werden.
15 Hie sag ich schriber dis büchs ein inred, uswendig
des büchs, das in dem latinschen nit geschriben ist, daß
ich mein und man find das also, daß der vor genant
kling Rudolf, so hie vor stat an disem capitel, hab gefi'iet
die statt [143] zu dem guldinen hof, die man aber nü
20 nempt zu Spietz, irens w^uchenmerits, ze haben uf der
mitwochen, und ist also gefriet, als alle merkt der keiser-
lichen stetten, daß man da w^ol möcht wuchHch ein merit
haben und ist das beschechen zu Wien in Osterich in dem
jar, do man zalt von der geburt Cristi zw^ölf hundert und
25 achzig jar. Der selbe künige w^as do in dem sibenden
jar sines gewaltes. Aber in miner gnedigen herrn von
Bübenberg brief, den si darumb band, stat, daß diser küng
Rudolf keiser si gesin in dem sibenden jar sines keisertüms.
20. ivuchenmerit, Wochenmarkt.
28. König Rudolf" gestattete nach einer apocryphen Urkunde
im Spiezer Archiv 1280 dem Edeln Richard von Corbieres, könig-
lichem Statthalter, in der Stadt Spiez einen Wochenmarkt zu halten.
1)3
Es begab sich darnach kurzlich, daß an einer kilch-
wichi daselbs zu der kilchen des Paradis die zwölf kilchherrn
oder lüpriester der zwölf kilchen mit iren undertanen dar
kament mit irem opfer und rechtsame und sich daselbs
erzöigtent als gehorsam undertanen. Do wurdent daselbs 5
in der kilchen des Paradis verkünt vier zeichen, die da
geschechen warend durch verhengniß des allmechtigen
gottes und durch die fürbittung des hochgelopten sant
Michels.
Das erst zeichen.
lO
Es was zu den selben ziten ein schüler mit dem
namen Nicolaus, eins manns sun mit dem namen Cünrats
Abrisoten. Der selbe schüler w^olt vischen in dem see
und viel in den see und kond man in in einer langen
wil nit finden. Am letsten als man in fand und us dem 15
see gezogen w^ard, do lag er also gestrakt an alle be-
wegung der sinnen und kond man kein zeichen des lebens
an im finden, und w^ard geurteilet und geschetzt von allen
[144] denen, die in gesachent, für einen toten mönschen.
Sin vater und sin müter rüfient an die hilf sant Michels 20
und enthießent in mit einem lebenden opfer zu der kilchen
des Paradis. Alsbald das beschach, do w^ard er an ir aller
angesicht wider lebendig und alle, die hiebi w^arent, loptent
und danketent gott und sant Michel und nament den
knaben und opfertent in mit einem lebenden opfer uf 25
sant Michels altar. Und harumb gabent der vor genant
Cünrat ab Risoten, sin vater und sin müter Margreta
einem kilchherrn des Paradis zu einer ewigen gab ein
matten, genant die Roggen matt oben dür, als man das
fint in dem jarzitbüch uf sant Dorothen tag im hindersten 3^
wintermanot.
154
Das ander zeichen.
Es was ein knablin, vierthalb jar alt, mit dem namen
Peter, und was eins manns sun mit dem namen Heinrichs
in der hofstatt. Das selb kind lag uf vier stund, daß
5 nieman anders wüßt, dann daß es tod were. Sin müter
verhieß das kind in großer betrüepniß zu sant Michel
mit einem jerlichen opfer, diewil si lepte, und verbaut
ouch das kind, das selb ze tun, diewil es lepte. Alsbald
si diß also verheißen hatt, do ward es wider lebendig
10 und e:esunt. Der vater und müter danketen dem all-
mechtigen gott und sant Michel und gabent darnach
einem kilchherrn daselbs zu einem ewigen almüsen ein
gut, ist geheißen der Spiß, ist gelegen bi der kilchen gut
am Holen und bi dem Pfenwert, als man das fint in dem
M iarzitbüch im hindersten wintermanot.
[145] Das dritt zeichen.
Es was ein tochter mit dem namen Greda und was
ir vater geheißen Cünrat Suters von Wyler. Die selbe
tochter ward beroubet ir gesicht und gehörd und mocht
^o ouch nit reden noch gan. Ir vater und müter enthießent
si zu sant Michel in die kilchen des Paradis mit einem
j erheben opfer, diewil si lepte, und besunder opfertent si
alle jar ein lamm uf den altar. Alsbald si das getaten,
do ward die tochter als gesunt an allen iren gelidern, als
25 si vormals ie was gesin; dadurch si bekantent, daß der
allmechtig gott und der wnrdig heiig sant Michel ir tochter
hattent geholfen, darumb si ouch gott und sant Michel
o;roß lob und dank sao:ten. Und harumb der vor genant
Cünrat Suter von Wyler und sin husfrow gaben einem
30 kilchherrn daselbs ein trüt, s:eheißen das Holenbüel zu
I
155
tiiier ewigen gedächtnif^ diser dingen und ouch almüsen,
als man das ouch fint in dem jarzitbuch uf Valentini
(XVI. kalendis marcii).
Das vierdc zeichen.
Es was zu den selben ziten ein buman, mit dem 5
namen Cünrat von Fulensee und was ouch ein müller
an dem Watt. Da fiigt es sich uf ein zit, daß in der
mühstein begreif von ungeschikt, und zerstieß im sin
band, daß das fleisch zu beden siten harab viel und das
bein und geiider zermült und zerstoßen ward, als ob es ^^^
in einem mörsel [146] zerstoßen. Der selbe man leid
so groß pin und schmerzen, daß er begert, daß man
im die band abschnitte. Er rufte ouch in diser not dik
und vil die hilf sant Michels an. Er hat ouch sant Michel
von juget uf mit gebet und almüsen jerlich geeret und ' 5
ouch ander lüt darzü bewegt, semhchs ze tun. Uf ein
zit in einer nacht kam im sant Michel für in sinem slaf
und danket im des guten, so er im allweg getan hatt
und sprach ouch fürer zu im in sinem slaf: begerstu
oder wiltu gesunt werden? In beducht, wie er im ein ^^
antwurt geb und sprach : ja, ich weit gern gesunt werden !
also beducht in, wie er sin band dar bette und in wüesche
mit dem waßer des heiigen brunnen. In dem selben er-
wachet er und befand, daß im sin geäder und die bein
siner band wider ganz, ouch das fleisch zu beden siten -)
siner band widerumb komen und was also gesunt worden
an der band, als er vor ie was gesin. Do nü den morgen
früe ward und er also gesunt was worden, do zeigte er
das iederman; und alle, die das sachent, erschrakent darab,
daß der wirdig sant Michel das groß zeichen an disem ^^^
man also erzeigt hatt. Und harumb er und alle, die das
sachent, sagten lob und dank dem allmechtigen gott und
156
sant Michel umb des großen Zeichens willen, so sant
Michel an im erzeigt halt. Der selbe Cünrat von Fulen-
see gab einem kilchherrn daselbs zu der kilchen des Paradis
eine halbe jucharten akers, gelegen im kilchaker, als man das
5 fint in dem jarzitbüch im mercen. Der erst genante Cünrat
von Fulensee pflag darnach, diewil er lept, jerlich uf der
kilchwichi der kilchen des Paradis mit großer andacht ze
^an und sant Michel an dem selben end ze eren mit
gebet, opfer und almüsen und bewegte die mönschen,
10 sant Michel an dem selben end ze eren. [147] Do nü
dise vorgemeldeten vier zeichen und ouch die gaben, so
an das selb end gegeben w^arent sant Michel, verkünt
wurdent vor aller menglichem, so daselbs was, do wur-
dent si alle dem allmechtigen gott und dem hochwirdigen
1 ) sant Michel lob und dank sagen ; und die priester und
leien und ander gemein volk, so da was, volbrachtent
die kilchwichi erlich und loplich mit allem dem, so man
denn gott loben und eren sol.
Herr Sigmund von Stretlingen durch underwisung
20 sines kilchherrn der kilchen des Paradis, mit dem namen
Nokerus, understünd, als ouch sin vorfaren hattent getan,
die kilchen des Paradis ze fürdern und den gottsdienst
daselbs ze meren und die gnaden und aplaß, so da vor
w^arent gesin, ernüwren und wider laßen besteten, daß
2) ouch der hochwirdig sant Michel daselbs ouch fürer, als
ouch von alter har was gesin, wurd geeret; und saß uf
und reit uf den weg gan Rom. Als er nü uf den weg
gan Rom kam, do vernam er, wäe der heiig vater der
bapst were in der statt Lugdanum, da er sich ouch hin
3" kert; und kam da zu dem heiigen vater dem bapst Gre-
gorium den zechenden, von dem selben heiigen vater
dem bapst er gar früntHch enpfangen ward. Dem selben
heiligen vater dem bapst er all sin sachen, so er vor im
1)7
hatt, erzalte; und besonder die vier wunder und zeichen,
so da geschechen warent zu siner kilchen des Paradis, als
vor stat, erzöigte er im in gloubsamen Schriften. Er be-
gerte ouch von dem heUgen vater dem bapst ze bestaten
den aplaß aller sünden uf der engelschen kilchwiche und 5
ouch das almüsen allenthalben ufzenemen under [148]
dem namen sant Michels zu einem ufenthalt eins kilch-
herrn daselbs und ouch zu andern nöten, ouch ander
friheiten, so denn die kilch daselbs hett; und ouch die
selben ding, als vor stat, von im bewert, gesterket und ic)
bestetiget wurdent und er ouch etwas siner sunderlichen
gnaden da mit* teihe. Dise begerungen nam der heiig
vater der bapst gar gnedenklich von im uf und nam
sich daruf ze bedenken zu sinen brüedern der cardinalen,
und nach wol bedachtem rat betrachtet der heilig vater, ^
wie dann der hochgelopt sant Michel das folk von Israhel
gefüert hatt in ir verheißen land; und harumb beducht
in bilHch und recht ze sin, daß die kilch des Paradis, die
der heiig erzengel sant Michel durch sich selbs gewicht
hatt, sölt gewirdiget werden. Und alles das, so der vil -^^
genant herr Sigmund von Stretlingen an in hatt begert,
es were aplaß aller sünden uf der engelschen kilchwiche,
oder das heiig almüsen allenthalben ze samnen für einen
priester daselbs und für die kilchen ze behalten in eren
in dem namen sant Michels, oder ander sunderlich aplaß, ~'^
so denn vormals dar geben was: das alles ward von im
bew^ert, gesterket und bestetiget. Und gab , ouch darzü
von siner sunderHchen gnad, daß alle die mönschen, die
da kament zu der kilchen des Paradis, zu der kilchwichi
oder zu andern ziten in dem jar mit andacht und rüwigem >^
herzen und gebet oder sust in verheißungwis, und sin
heiig almüsen nach siner vermögung, wenig oder vil, dar
* Hs. mit oncli.
geben: oder schiktent, den selben allen und ouch ieglichen
insunders den sibenden teil aller Iren ufgesatzten büß
aplaß. Die selben friheiten [149] was der vor genante
heiige vater der bapst dem hochgebornen Herrn Sigmunden
S von Stretlingen geben in briefen und bullen nacli sitt und
gewonheit des Römschen stüls wol versiglet, und schankt
im darzü von sunderlicher liebe wegen sechs stük heltüms
und gab im darzü sinen bäpstlichen segen und nam er*
ouch also urloub von dem heHgen vater und schied von
10 dannen. Do er nü heim kam mit sinen friheiten und
heltüm, do ließ er das erwdrdenklich mit einer loblichen
proceßion in die kilchen des Paradis füeren und ließ ouch
semlichen aplaß und friheiten allenthalben verkünden, so
denn an dem selben end was. Der vil genant herr Sig-
1) mund von Stretlingen, diewil er in leben was, tet er
groß Zucht und ere dem selben heltüm und ouch anderm
heltüm, so vormals da was gesin; und gab ouch einem
kilchherrn daselbs zu der kilchen des Paradis zu einer
ewigen gab zu siner kilchen banden fünf jucharten akers,
20 gelegen in der nidern Swendi, und sind genant der Rütel-
aker und Götschis ried in der Rüschen halden. Aber frow
Küngold von Stretlingen, des vil genanten herr Sigmunds
husfrow^ gab darnach der selben kilchen des Paradis einen
aker, genempt das Schuffli, und einen aker, genant der
2) hanfgart, als man das iint im jar:^tbüch (VIII. kalendis
tebruarii). Darnach fürtent die zwei personen, herr Sig-
mund von Stretlingen und frow Küngold, gar ein frid-
samlich leben nach gottes willen und schiedent darnach
in vergangner zit von diser zit. Der allmechtig gott si
jo inen gnädig und helf aber nü uns lebenden armen sündern
zu einem guten seligen end und geb uns darnach ouch
das ewig leben! Amen.
* fehlt in clor H;«.
[i5o] DAS ENLIFT CAPITEL.
Harnach aber ist ein Herr von Stretlingen gcsin, mit
dem namen herr Heinrich von Loubeo^cr und sin
gemachel was geheißen Elisabeth. Der selb erst genant
herr Heinrich von Loubegg was gar und ganz ein kind >
oder ein siin diser weit, daß er geistlicher cristenlicher
Sachen wenig achtet; aber was zu der weit dienet, da
brucht er sich täglich ampzenklichen inne und wolt frünt-
schaft allenthalben der lüten, umb in da gelegen*, damit
gewinnen. Er lud ouch uf den kilchwichinen des Paradis ^^
edel und unedel allenthalben da umb und schikt, daß da
gemacht wurdent groß tenz und allerlei spils: es were
singen, springen, schießen, kuglen walen, keiglen, stein
stoßen, eßen und trinken und mengerlei sünden, so uf
dem selben zit da volbracht wurdent. Davon aber groß ^>
krieg, nid und haß und widerwertikeiten uferstündent und
vil todsiegen lang zit uf der selben kilchwi da be§chachent ;
und kam darzü, wenn die selbe kilchwiche was, daß kum
ieman da sicher was, die dar kament ; und von semlicher
* Hs. umb in da gelegen der lüten.
8. da brucht er sich etc., damit beschäi'tigte er sicli täglich
emsig.
13. ivalen, wälzen; keiglen, Kegel schieben.
i6o
sorgsamkeit und unhelikeit wegen do wurdent si partigig
wider einandern und verband sich ein parti zu der andern
und kam darzü, daß brüder wider brüder was und der
sun wider sinen vater, und kam vil zites darzü, daß si
5 einandern totent. Es kam ouch darzü, daß die herren
allenthalben da um [151J verbutent in iren herschatten,
daß nieman me bedorft an die selben kilchwiche der kilchen
des Paradis komen bi lib und bi gut; denn allein usge-
nomen wer da w^ölt zu der kilchwiche, der möcht zu
10 den heiigen ämptern der meßen und predienen dar gan ;
aber alsbald das geschechen were, so sölt ein ieglicher
mönsch wider heim keren ane eßen und trinken und
besunder zu keinem tanz oder ander fröid, so da geschäch,
da behben und sölt in kein ursach hiein schirmen. Und
n also kam es darzü, daß die kilchherrn und lütpriester der
zwölf kilchen, die da tochtern warent der kilchen des
Paradises, mit iren undertanen, ouch crützen, vänen,
kerzen, schallen und mit irem heltüm noch mit iren
opfern uf die kilchwiche daselbs nit me kament. Und
20 harumb die von Thun von semlichs abbruchs wegen die
rechten ir lütkilchen zu dem Paradis verachtetend, und
machtent in irem kilchhof in der statt Thun ein cap-
pellen und Ueßent die wichen in der ere sant Michels,
inen selbs hie ursach suchende*, daß si nit me bedörftent
25 dahin komen, da aber der recht Ursprung was iren lüt-
kilchen, als vor wol gelütert ist worden, der des war
nimpt. DesgUchen tetent ouch die von Diesbach, Erlen-
bach, Gesteig, die von Hasli, die ouch ir kilchen Ueßent
wichen under dem namen sant Michels, daß si fürwerthin
30 nit me kament zu der kilchen des Paradis; und also ward
verachtet und zerstört der groß zülouf zu der kilchwichi
des Paradis durch das gemein volk der zwölf kilchen
* Hs. suoclien.
i6i
durch semlicher Ursachen willen in vergangnen jaren;
und ist aber darnach under einer guten gestalt, als man
mag [152] sprechen, die selben gewonheit komen an das
end gan Fulensee zu der capellen sant Columben, da man
ouch jerlichen kilchwiche hatt und gottsdienst ouch daselbs 5
volbracht wirt. Aber ich schriber dis tütschen büchs sprich,
daß an dem selben end zu sant Columben bi Fulensee bi
minen ziten ouch vil großer stoßen und unhellikeit sind
ufgestanden und gesin; denn daß der unfür und ander
bös Sachen, so denn dik und vil geschechen sind, durch 10
die wolgebornen und edeln miner gnädigen herren von
Bübenberg, die da ir herschaft hand, ist nidergetrükt und
in guter cristenlicher Ordnung wol gehalten. Und harumb
daß semlich Zerstörung, abbruch und Verachtung ist ge-
schechen gesin der kilchen des Paradis, so sind die kilch- 1 5
herrn daselbs und ir nachkomen als übel hüetent hirt ab-
gezogen und hand sich entpfrömdet daselbs und vilUcht
nit mögen haben ir libs narung, und hand an sich ge-
nomen canonien und sind worden chorherren zu Ansel-
tingen, und ander usw^endig pfründen hand si an sich 20
genomen ; und semUcher gotzdienst, so vormals w^as da
gesin, ist gemindert und die beseßnen lüt, so man allweg
dar bracht und erlöst wairdent, ist dahin und das darumb,
daß die priester und kilchherrn nit selbs da sind gewesen.
i
4. Ueber die Colunjbans-Kapelle in Faulensec vergl. Jahn's
Chronik des Kantons Bern, p. 343.
6—8. Solches war wirklich zu Kiburgers Zeiten der Fall. So
verbietet 1462 Bern den^n von Thun bei 10 Pfund Buße, an die
irchweihe nach Faulensee zu ziehen; nur diejenigen, so daselbst
Ablaß holen wollen, dürfen mit ihrem Paternoster, aber ohne Wehr,
hne Pfeifer und andere Leute dahin gehen, da es bei dieser Kirch-
weihe oft blutige Händel gab. Lohncr, die reformirten Kirchen im
Freistaate Bern, p. 323.
9. unfür, rohe Art, womit etwas geführt wird, Unfug.
II
l62
Und darumb sind vil Herren von Stretlingen und kilchherrn
und ander ir undertanen daselbs darnach, sit si den gotts-
dienst also band laßen zergan, eines schnellen todes ge-
storben und zergangen, es si von pestilenz oder sust, und
5 ouch etliche ertrunken von verhengniß wegen sant Michels,
der sich villicht het wellen [153] rechen an inen. Und
ist darnach darzü komen, daß vil nach nieman da ze hus
was und die herren von Stretlingen, die darnach sind
gesin, die leitent ir sitz zu dem guldinen hof oder gan
10 Spietz; und ist Stretlingen also zergangen und ouch die
engelsche kilchwiche der kilchen des Paradis und die
bitten und almüsen ufzenemen allenthalben under dem
namen sant Michels an die kilchen daselbs, ouch die be-
süchung des aplaß und alles das, w^as vormals gutes da
15 w^as beschechen, ist alles zergangen und vergeßen und
allein darumb, daß die weltlichen herren daselbs von
Stretlingen und ouch die lüpriester oder kilchherrn daselbs
nit me ir sitz und wonung an dem selben end band ge-
hept; und ist also von jar zu jar da bar alles vergeßen
20 und sind ouch die bullen und brief und die historien, die
umb dise ding alles, als hie vor stat, die da geschechen,
sind gesin, verlorn und die kilch und chor, das glogghus
und alle die buw, die dann da geschechen warent, zer-
gangen ; und die zwen altar, die von alter har warent
25 gesin, warent zergangen. Und ist darnach uf ein zit die
kilch des Paradis gar und ganz zergangen gesin und der
groß gotzdienst, so vormals da was gesin durch meß
haben und ander gotzdienst von abwesen der undertanen
und manglung der gioggen ; ouch die meß, so da solt
30 sin in der wuchen, ist verschinen und underwegen ge-
laßen von manglung der priestern und ouch die kilchen-
recht und die kilchengüeter alle zergangen und verloren,
deren so vil ist gesin, als dis latinsch abschrift[i54]büch
i63
Inhalt, als tagen in dem jar; die nü zu unsern ziten vast
zu almenden sind worden. Und ist also das selb end,
das man vormals hat genempt zu dem Paradis von der
fruchtbarkeit wegen aller fruchten und guten waßern und
besunder von des heiigen brunnen wegen, so daselbs ist, 5
als vor an dem anfang dis büchs gemeldet ist worden,
und ouch von der engelschen biwonung wegen, die da
vil zeichen und wunder an dem selben end band getan
durch verhengung des allmechtigen gottes, nit me* ge-
heißen zu dem Paradis. ^o
Hie fifidet man, warumb das Paradis ist geheißen zu
disen ziten zii Einigen.
Und ist also darnach, als hie ob stat, von der selben
dingen wegen das end zu dem Paradis von allen umb-
säßen genempt zu Einigen und darumb, daß das selb 15
end ist einig und wüest worden gesin zu schetzen gegen
dem großen zülouf, als denn vormals daselbs was gesin.
Und wann nü die zwölf hilchherren und lüpriester der
zwölf kilchen und undertanen schuldig werent von gött-
lichem recht, daß si iren rechten müter der lütkilchen 20
söltent besuchen zu der kilchen zu Einigen, das aber nit
beschicht und alle gotzvorcht hie ze rugg geslagen ist,
und aber hie ander kilchen allenthalben da umb süchent,
die sie aber nit schuldig sind ze suchen: da vörcht ich,
es sig dem allmechtigen gott nit genem noch dankbar 25
und allen sinen englen, [155] wann si das von gelüpt
wegen und swerens** nit schuldig sind, noch gelopt noch
verheißen band gehan. Wie nü dem allem nach vil us-
* Hs. me ist.
** Hs. swerrens.
16. eini^, vorlaßen, einsam.
164
wegung aller sachen si*, söllent wir das bevelhen, dem
iiützit verborgen ist; der weiß das alles wol und dabi
sollen wir dis sachen all laßen bestan.
Der vor genant herr Heinrich von Loubegg darnach
5 in vergangnen jaren nach disen vor bestimpten sachen
schied von diser zit. Gott vergeh im sin sünd und ouch
uns lebenden nü zu disen ziten und helf uns ouch zu
einem seligen guten end! Amen. Aber der selbe vor
genante herr Heinrich von Loubegg Heß einen sun nach
^0 im, der w^as geheißen Rudolf von Salveswil. Wie sich
der hab gehalten, wol oder übel, das find ich nit in
Schrift, denn so vil: er hatt geben einem kilchherrn zu
Einigen zwen aker, gelegen am graiven egg, genempt zu
Gumpelstuden, als man das fint in dem jarzitbüch (kalendis
15 januarii). Der selb Rudolf von Salveswil ist von diser
zit gescheiden in dem jar, do man zalt von der gehurt
Cristi drizechenhundert vierzig und acht jar. Gott si im
ouch gnedig und barmherzig und helf uns ouch zu einem
seli2:en orüten end! Amen.
* fehlt in der Hs.
DAS ZWÖLFT UND DAS HINDERST
CAPITEL DIS BUOCHS.
Darnach und zu dem allerletsten ist gesin ein Herr
von Stretlingen mit dem namen Herr Walther von
StretHngen, der gar ein fridsamer guter herr ist gesin. 5
[156] Sin husfrow was genant Mechilt. Die selben zwei
elüte#iren elichen stat gar erlich hieltent an alle masen
und fleken. Der selb herr Walther von Stretlingen trüg
ein verwundet betrüept herz in sinem Hb von der sach
wegen, daß er gesach, daß die kilch sant Michels, die 10
man zu sinen ziten anvieng nemmen zu Einigen und
aber vormals was geheißen zu dem Paradis von mengerlei
guter tugenden und großer zeichen, die denn da geschechen
warent vormals bi der selben kilchen des Paradises und
ouch bi dem heiigen brunnen dabi von dem hochwirdigen i >
erzengel sant Michel, die selb kilch ouch so mit großen
friheiten begäbet was gesin und die selbe gnad, die denn
vormals w^as von mengem mönschen geschechen, — daß
die also verschmächt und verlaßen was, daß nieman me
kein gnad noch liebe dar hatt ze komen als vor. Und 20
also understünd der vor genant herr Walther von Stret-
7. mihe, ursprünglich Narbe, dann Flecken.
i66
lingen mit der hilf gottes und ouch durch underwisung
willen des kilchherrn daselbs zu Einigen mit dem namen
herr Burkart, daß er wolt nachvolgen allen sinen vordem,
denen herrn von Stretlingen in gutem, daß er gern wolt
S die kilchen daselbs zu dem Paradis oder zu Einigen ge-
uffet haben und ir wider ze hilf komen, ob si möcht
wider in iren vordem stat komen, als si denn vormals
was gesin. Und reit zu dem heiigen vater dem bapst,
der ouch uf die selben zit was zu Avinion, und der selbe
10 heiige vater der bapst was genempt Innocencius der sechste.
Do er nü an dem selben end zu Avinion zu dem bapst
kam, do ward er von dem selben heiigen vater dem bapst
gar güetlich und früntlich und erlich enpfangen und bracht
sin bitt und anmutung an dem selben end an in. Und
i) warent [157] die bitten des ersten umb aplaß aller sünden
der engelschen kilchwiche, ouch daß si* almüsen und
bitten möcht haben allenthalben under dem namen- sant
" Michels umb ufenthalt eins kilchherrn daselbs und ouch
ander ding, so denn da notdürftig werent zu der kilchen ;
20 ouch die friheiten eins kilchherrn, die er denn vormals
gehept hatt und an das selb end geben warent, wurdent
bestetiget, wiewol das geschechen was, daß die bullen
und brief der bäpsten, vorhar dar gegeben, verlorn warent
und daß die selben friheiten also von nüwem uf ernüwret
25 wurdent und von im bewert, gesterket und bestätiget und
er ouch etwas siner sunderlichen gnaden da mitteilte und
gebe. Die selben anmütungen und bitten der heilig vater
der bapst im zu eren mit wirdikeit von im enpfieng und
nam sich des ze bedenken. Und nachdem er sich nach
30 aller notdurft wol bedacht hatt mit sinen brüedern der
cardinalen, do bekant er und sine brüeder die cardinäl,
die denn an dem selben end bi im warent, billich ze
* fehlt in der Hs.
i
i67
sinde, daß sant Michel die ere sölt an dem selben end
beschechen ; wann er doch der were gesin, der dem volk
von Egypten geholfen* von bevelhens wegen des all-
mechtigen gottes, der inen ir plag zugefügt hett und
euch das rot mer vor inen hatt geteilt, als man das luter 5
fint in der bibli. Und harumb bedacht si, biUich ze sin,
daß die lütkilch zu Einigen, die der hochwirdig sant
Michel der erzengel hatt selbs gewicht, wiew^ol das was,
daß si uf die selben zit verlaßen w^ere als ein beroubeter,
sölt wider getröft und gew^irdiget werden; und satzt und lo
gab also widerumb an die kilchen zu Einigen all und
ieglich friheiten, aplaß aller sünden zu der engelschen
kilchwiche; ouch [158] das almüsen zu reichen allent-
halben für einen kilchherrn und die kilchen daselbs in
aller weit, als das denn vormals vom anefang der selben ^5
kilchen gewonheit was gesin und dar geben was von bäpsten,
cardinalen und bischofen von der ersten stift uf daselbs.
Das selbe alles ernüwret der heilig vater der bapst und
bewerte das also ze sin und stärkte und bestetiget das
alles, und w\is darzü von siner sunderlichen gnad geben 20
und verliehen allen denen mönschen, die da gewarlich
gerüwet und gebichtet hettent ir sünd, die denn zu
den hochzitUchen tagen dar käment, als hie nach ge-
schriben sind: nemUch uf dem heiigen wichnacht tag, uf
dem ingenden jar, das ist uf dem tag, do unser herr uf ^5
beschnitten w^ard, uf dem zwölften tag, uf dem hochen
fritag, uf dem heiligen ostertag, uf der uffart und plingst-
tag, uf der heiigen drivaltikeit tag, uf unsers herrn fron-
lichnamstag, uf dem tag, do sant Michel erschein uf dem
berg Gargani, und ouch der kilchwiche sines tages und 3«
ouch der kilchwiche der kilchen des Paradis oder Einigen,
uf sant Johanns tag siner gehurt und als er enthouptet
* fehlt in der Hs.
i68
ward, uf sant Peters und sant Paulus tag, der heiigen
zwölf boten, und ander zwölf boten und ewangelisten tag
in dem jar gefallen ; ouch uf unser lieben frowen tag, als
si geborn ward, ouch als si enpfangen ward, ouch als si
5 in den tempel geopfret ward, ouch als ir der himelsch
grüß verkünt ward, ouch als si über den berg gieng zu
ir mümen Elizabeth, ouch uf dem tag, do si ir kind in
dem tempel opfret und uf ir himelfart, zu allen iren
hochzitlichen tagen, wie si denn gevallen oder begangen
10 werdent in dem ganzen jar; uf aller heiigen tag, uf aller
seien tag, ouch uf aller der heiigen tag, dera heltüm [159J
und gedächtniß daselbs geschieht an dem selben end der
kilchen zu Einigen; ouch uf den zweien tagen des heiigen
crützes, als es funden ward und ouch erhocht ward, und
15 ouch zu allen octaven der heiigen, so in dem jar da be-
gangen wirt; ouch uf allen sunnentagen, fritagen und
Samstagen des ganzen jars; ouch alle die mönschen, die
von andacht, von gebetes oder in besüchenswis des aplaß
dar gand zu der selben kilchen, ouch alle die j^iönschen,
20 die da bi ganzen meßen, bi den bredienen oder zu mettizit,
oder zu vesperzit, oder zu andern heiigen ämptern, oder
zu der mönschen begrebniß, sibenden, drisgoften oder zu
jarziten dar käment oder dabi sind; ouch alle die mön-
schen, die den morgen und den abent, so man das beten
2) lütet, drü paternoster und drü ave Maria sprechent, ouch
22. der sibende (tag), der siebente Tag nach dem Begräbniß,
wo der zweite Seelengottesdienst stattfindet; der drisgoße (tag), der
dreißigste Tag nach der Beerdigung, an welchem die dritte Seelen-
meße für den Verstorbenen gehalten wird.
23. jar^it, anniversarium, der jährliche Gedächtnißtag für die
Todten.
24. das beten, Betzeit.
\
169
alle die mönschen, die da mitteilent ir heiig almüseii an
den buw der selben kilchen, an das liecht, an büecher,
an kelch, an meßgewender, oder an ander gezierd, so
denn die selb kilch notdürftig ist, oder ander hilf und stür
darzii tünd ; ouch alle die mönschen, die da stür und hilf 5
darzü tünd, daß die bitt daselbs under dem namen sant
Michels, das heiig almüsen, zu allen enden zu besamnen
zu stür und hilf und ufenthalt eins kilchherrn oder lüt-
priesters daselbs, dadurch aber der gottsdienst gefürdert
mag werden und sich ouch ein kilchherr daselbs nit ^^^
entpfrömd an kein ander end; welcher mönsch darzü hilf
und stür und almüsen* gibt, wie das denn gut geheißen
ist, ligendes oder varendes, oder welcher mönsch das
ordnet, oder schaffet ze ordnen oder ze geben semlich
almüsen, oder in den stok, ob einer an dem selben end ^ )
were, oder uf den altar semlich almüsen geb, wie dik
das geschäch [160] und an welen enden das geschäch
oder enkeiner der hievor geschribnen dingen täte: — da
hett der vor genante heiige vater der bapst Innocencius
der sechste verliehen und geben und het abgelaßen den 20
sibenden teil einem iegHchen mönschen siner ufgesatzten
büß und semlich Vergebung ist beschechen vor vil er-
wirdigen vätern und besunder vor vier bischofen, da ouch
ein ieglicher verlach und gab allen denen vor gemeldeten
güttätern** vierzig tag aplaß tötlicher Sünden und ein jar ->
täglicher Sünden ouch ufgesatzter büß. Den selben aplaß,
als vor stat, gab der heiig vater der bapst und ouch die
vier bischof dem ob genanten herrn Walthern von Stret-
lingen in bullen und briefen wol versiglet nach sitt und
* Hs. almuosen dai'zxio.
'*'* Hs. guottäteu.
1 5. stok, Opferstock.
gewonheit der Römschen kilchen und schankt im darzü
zwei stük heltüms, mit im heim ze füeren und gab im
'damit sinen bäpstlichen segen. Do er nü heim kam, do
ordnet er, daß das heltüm und die friheiten, so er er-
5 nüwret hatt, mit großer erwirdikeit mit einer lobKchen
proceßion und crützgang in die kilchen Einigen ingefüert
ward. Und die selben ding alle, so da vorhar gehandlet
warent, Heß er allenthalben da umb verkünden ; und dar-
nach uf einer engelschen kilchwiche beschikt er einen
i<-^ bischof von Losan, der ouch also dar kam und ward also
von herrn Walther von StretHngen erlich enpfangen und
leit im die sachen für und begert er an in, daß er selbs
uf der selben engelschen kilchwiche die sachen sölt ver-
künden oder durch ein andern laßen verkünden. Do
n man nü in dem ampt der heiigen meße uf der selben
engelschen kilchwiche w^as und man kam unz uf das
Opfer und aber die kilchherrn und lüpriester der zwölf
kilchen [i6i] mit iren undertanen sich nit erzöigtent, als
si aber söltent tun von gelüpt wegen, so si denn vor
20 langen ziten da vor hattent getan, das ze tun für sich
und all ir ewigen nachkomen, und si ouch vormals allweg
w^arent uf den kilchwichinen da gesin: und also durch
underwdsung ward der bischof der sachen wol underricht
und vieng an und wolt ir hertikeit ires gemüetes und ir
-5 widerspenikeit, daruf si bestentlich woltent beliben, und
ir gehorsamkeit si wider underwisen und leren; und tet
gar ein lobliche vermanung hie mit vil wiser gelerten
Worten, als denn das dis abschriftbüch, das in latin ge-
schriben ist, gar luter innehält; da er si underwist mit
30 bewerung der heiigen Schriften, ouch mit hocher Vernunft
und mit exempel, daß si gar unrecht hättent, daß si ir
rechten houptkilchen nit undertänig warent, und die also
verachtent. Do nü dise vermanung also volbracht ward
lyi
denen*, die darzü gehortent, durch den bischof oder sinen
stathalter, do ließ er verkünden offenlich, daß alle die
mönschen, die der kilchen daselbs zu Einigen gutes tätent
und ir almüsen mit ir teiltent, daß denen sölt vervolgen
vierzig tag aplaß tötlicher Sünden ufgesatzter büß und >
ein jar täglicher sünden. Er was ouch verkünden den
großen aplaß und die friheiten, so denn an dem selben
end werent. Do nü diß alles volbracht und verkünt
ward, do warent alle gegenwürtigen mönschen den all-
mechtigen gott loben, und die geistlichen die empter der lo
heiigen kilchwiche mit großem lob und fröiden volbringen,
und kerte sich darnach iederman in der vorcht gottes
wider heim. Und darnach bald gab frow Mechilt von
Stretlingen, herrn Walthers von Stretlingen efrow, einem
kilchherrn daselbs zu [162] einer ewigen gotzgab und ^5
almüsen zwo jucharten lands, geheißen die Kunn, als man
das fint in dem jarzitbüch im merzen. Darnach schied
der bischof mit den sinen von dannen. Darnach lang in
vergangnen ziten was der vil genant herr Walther von
Stretlingen und sin gemachel frow Mechild von diser zit 20
scheiden und sterben. Der allmechtig gott von himelrich
si inen gnädig und barmherzig und helf uns armen Sün-
dern zu einem guten seligen end! Amen.
Also ist das gesiecht von Stretlingen, der edel hoch-
geborn stamm verschinen, abgangen und abgestorben; ^s
denn allein uf die selben zit zu dem letsten ist ein kilch-
herr von Spietz und zu Spietz oder zu dem guldinen hof
gesin, hat geheißen herr Uolrich von Stretlingen. Der
selb herr Uolrich hatt darnach geben einem kilchherrn
* fehlt. Hs. : die denn darzixo.
25. verschinen, eigentl. aufhören zu scheinen, vergehen,
28. Ulricus rector de Spiez 13 12— 1335. Siehe die Stamm-
tafel.
172
der kilchen sant Michels in dem Paradis oder zu Einigen
einen bomgarten zu einer ewigen gab, ist gelieißen
Liechtisrösch. Den selben bomgarten der kilchherr des
Paradis uf die zit hat enweg geliehen Görgen Daler und
'S sinen erben umb fünfzechen Schilling pfennigen, als man
das eigenlich findet in dem jarzitbüch im merzen. Und
darnach ist die patronie und kilchensatz der kilchen des
Paradis oder Einigen komen in die hend miner gnädigen
herren von Bübenberg; die selben ouch ir bestes getan
*o band an das selb end der kilchen des Paradis und noch
vil gutes da tun mögend, wann ouch die herschaften von
Stretlingen an si gevallen sind. Und harumb ich dis la-
tinsch buch ze tütsch gesetzt hab, [163] das doch kng
dahar und ouch vor langem zit nit ist gesin an dem
^S liecht der mönschen, und han das darum getan, daß der
edel wolgeborn und lang harkomend stamm von Büben-
berg hie in diser schrift, so vorhar geschriben ist, mügent
merken und gesechen, wie ir vordem sich gehalten habent
in denen herschaften, so si aber nü zu unsern ziten inne
-^ habent und besitzent; wie si die kilchen des Paradis so
in großen eren gehalten habent, als man das eigenlich
hievor in den capitlen luter fint, der die übersieht und
überliset. Ich han es ouch darumb getan, daß die großen
zeichen und wunder, so an dem selben end geschechen
^5 sind, an den tag komend, und die kilch des Paradis und
ouch der heiig brunn daselbs von den vor genanten minen
gnedigen herren von Bübenberg noch hüt bi tag geuffet
und gemeret werd; da mir nüt an zwiflet, ir glük werd
sich davon meren, und ouch der allmechtig gott und der
30 hochwirdig heiig erzengel sant Michel, die an dem selben
end band vor langen ziten har groß wamder und zeichen
erzöigt, inen ouch bistendig und hilflich sient, daß ir gesiecht
in großen eren noch lange zit müg beliben und daselbs
I
175
regieren. Es ist noch me hie ze wüßen, daß etlich erber
lüt US der herschaft von Spietz vor alten ziten hattent
angesechen die großen gnad, so da was gesin zu der
kilchen des Paradis und woltent also den gottesdienst
an dem selben end ouch fürdren und gatent ir güeter 5
zu Spietz, nemlich hüser, hofstetten, bomgarten, matten,
aker, reben, als man das eigenlich fint in disem vor ge-
nanten latinschen buch. Der des beger ze wüßen, der
such es da oder laß im's sagen. Item wie die selbe
pfründ vor alten ziten gehalten si gesin, [164] die man ^^
nü zu unsern ziten nempt die früege meß, das findt man
ouch daselbs am end des latinschen buches hie vor und
ouch, was die selbe pfründ schuldig ist ze tun.
Ze wüßen ist, sit daß die kilch zu dem Paradise, die
man nü zu unsern ziten nempt zu Einigen, mit mengerlei 15
großen zeichenen und wundern begäbet ist worden, vor
alten langen ziten har, wiewol das ist, daß man des wenig
hatt gehört nü bi unsern ziten, so mag doch der all-
mechtig gott noch hüt bi tag die kilchen zu dem Paradis
oder zu Einigen in künftigen ziten groß machen und sin 20
wunder und zeichen daselbs erzeigen, und das von des
verdienens wegen des hochgelopten erzengels sant Michels
und ouch von verdienens wegen der andern heiigen, der
heltüm und gebein an dem selben end der kilchen des
Paradis ist, die ouch an dem selben end geeret mögent 25
werden. Was heltüms an dem selben end si, das findet
man hie nach geschriben.
//ie nach findt man geschriben, ivas hcltihns ist zu der
kilchen des Faradises.
Des ersten ist das heltüm von dem heiigen crütz, 3^
darnach von dem haar unsers lieben herrn Jhesu Cristi.
174
Item von dem stein, daruf unser Herr geleit ward, do er
von dem crütz genomen ward. Von dem haar [165] unser
lieben frowen. Von dem stein, daruf unsere liebe frow
bettet. Von dem ysch unser lieben frowen. Von dem
5 mantel sant Michels, der da was komen von dem berg
Gargano durch einen herrn von StretUngen, als da vor
die historien wisent. Von sant Peter, von sant Andres,
von sant Mathis, von dem vinger sant Marx des ewan-
gelisten. Von sant Stephan, des ersten martrers. Von
10 sant Laurenzen, von sant Oswald, von sant Sebastian,
von sant Vit, von sant Cristoffel, von sant Valentin, von
sant Adrian, von sant Mauritzen, von sant Görjen, dem
heiigen ritter. Von den zechen thusent martreren. Von
den unverschulten kindlinen. Von sant Ignacien, von sant
^5 Alban, von sant VitaH, von sant Pancratzien, von sant
Gervasien, von sant Panthaleon, von sant Wilhelm, von
sant Ambrosien, von sant Uolrich, von sant Benedict, von
sant Bernhart, von sant Martin, von sant Niclausen, von
3. Der Stein, darauf unsre liebe Frau betet, sowie das Eis
(ysch) unsrer Frau sind Wallfahrtsandenken aus Palästina, Verwandt
mit der ersten Reliquie sind folgende : de lapide domini, cum dixit
vade Sathanas; de lapide, ubi Johannes Christum baptizavit; de
lapide, in quo flecterunt pedes domini; de lapide, ubi Martha dixit,
domine si fuisses hie, frater meus etc. — Das Marieneis oder Unser-
liehenfraiieueis, glacies Marii-e (Grimm DW, IV, 78) scheint eine
deutsche Bezeichnung für das üblichere lac Maria, einen Stein-
splitter aus der sog. Milchgrotte bei Bethlehem, zu sein. So fand
sich 1854 zu Tours in einem alten Reliquiar ein weißer, alabaster-
<ähnlicher Stein, eingewickelt in einen Pergamentstreifen mit der
Ueberschrift de lade B. M. V., und im 17. Jahrhundert brachte ein
Pilger nach hl. Kreuz bei Entlebuch von U. L. F. Milch (Lütolf
in der Tübinger theol. duartalschrift 186S, p. 439 u. ff.)
6. Vergl. oben p. 26. *
175
sant Joder, von sant Anthonien, von sant Gilian, von
sant Gallen, von sant Lienhart. Von den cleidern sancti
Dominici. Von dem grab sant Kathrinen. Von sant Bar-
baren. Von einem zan sant Agnesen. Von sant Felix,
von sant Gerdrut, von sant Brigida, von sant Ciaren, von 5
sant Anastasien, von sant Sophien, der witwen von Con-
stantinopoli. Von sant Elisabet der witwen. Von den
einUf thusent megten. Von sant Scolastica, von sant
Juliana, von sant Potencia, von sant Petronellen, von
sant Cristinen, von sant Sabinen und von sant Eufemia. lo
[i66] Diser vor geschribnen stüken heltüms ist in
der zal uf sechzig und siben stük. Das selb heltüm an
dem selben end, da es doch ist, sol billich wirdenklich
geeret und gehalten werden ; und harumb han ich keinen
zwifel, daß die wirdigen heiigen, der heltüm und gebein 15
ist an der wirdigen statt der kilchen und des kilchhofs
bi dem heiigen brunnen daselbs zu dem Paradis, mögent
noch hüt bi tag einem ieglichen mönschen, der si da
anrüefet und eret, in allen sinen anligenden nöten, krank-
heiten und kumberlichen sachen* zu hilf komen; wann 20
ouch die selben statt daselbs der hochwirdig erzengel sant
Michel im selbs da hatt userweit gehept und erzöigt und
ouch selbs zu dem andern mal gewicht, als das die his-
torien da vor mit guter lütrung sagent.
Darumb ist es gut und ouch billich, daß dis buch 25
und historien aller diser dingen zu ewigen ziten allweg
zu zimlichen ziten w^erd ernüwret, und die zu latin den
latinschen und gelerten, den ungelerten aber zu tütsch;
* Hs. Sachen im.
I. St. Joder, St. Theodul, der Landesheilige des Wallis.
Vergl, meinen Hans Salat (Basel 1876) p. 92.
3. sant Kathrinen grab. Vergl. oben p. 115.
176
und die form des Litinschcn ouch niemer werd entfrömdet
der kilchen des Paradis und das darumb, daß der hoch-
wirdig erzengel sant Michel und die andern heiigen, die
da gnädig sind und ir heltüm da ist, daselbs angerüeft,
5 gelopt und geeret werdent.
Der selb hochwirdig erzengel sant Michel und ander
heiigen, so daselbs gnädig sind, mir armen schriber dis
büchs und allen denen, die das lesent oder hörent lesen,
helf zu einem seligen guten cristenlichen ende! Amen.
LAUS DEO.
ANHANG.
12
VOM HERKOMMEN DER SCHWYZER
UND OBERHASLER.
(Nach der ältesten Handschrift von 1497. Cod. Monacensis 951.)
In dcDi luviicn der hohen hcl^ci und nii:^cytcihcn dri-
vaJtigkcit gott des vatcrs, goit des suns und gott des helgen >
geists, amen! so hüb ich für mich genommen und etwas
müt hie nach ^e schrihen und das seih von latin ~/^ li'ttsch
transferieren ^// eren der edhii und hochiuiirdigen statt Bern,
gelegen in dem mindren Bnrgnnd, oiich etlichen iren hinder-
säJJen, von den eren und mannlichheiten, so ir altvordren ^^
vollbracht, oiich groß f'iheiten mit ritterlichem striten erholt,
iinpfangen und verdienet, und ander ir miteidgenoßen und
oetrinven hri'teder; als ich das hie nach in eigentlicher littriing
nach lut und sag alter croniken set::^en und schriben und
lihi, daß si in aller trihv und einhellikeit sich halten, als ^ >
I. D;i der Hingani^ in der Miiii:]}ncr Hs. (M) fehh, geben
wir denselben nach dem Bcnicr Manuscript (H), Anfang der Genfer
Hs. (Gj: «hl ilcm namm des giietigeii uii/ten und haruitjei-igen Jesu
Crisii und s'nicr liehen miV.er Maria und itnsers patronen Sant Marlis
so I.hin ich für inicJj i,u'no)neii und etn'as niut, Jjie nactj -f sctjrilh'n und
da!; seil) von Latin ;^Jt Tütsch transferiert in eren der edlen und loblichen
hnderen Sclnvyti und Haßte, <yelegen in den gebin^rcn o}\'riütsc1)en landen,
vnn den eren und manlikciten et:.»
i8o
oucb ir vordren band getan gegen denen, so si irihu
schuldig sind und verbeißen band. Wann es spricht ein
meister mit dem namen Stolitrates in sinem sechsten buch an
dem sibenden capitel, daß die Römer vor alten :(iten warend
5 in mechtiger Sterke luider alle Wälscben, ivie vil ir doch
waren; si -waren oucb luider die Tut sehen, wie groß und
stark si waren, oucb wider die kreft der Hyspanier und
wider die länder Ajfricken. Das zuas und beschach alles
durch ir tri'iw und wisheit, so si under inen selbs hatten
10 und bruchten. Und bar um ob ich in diseni mineni schriben
an keinem artikel, puncten oder wort nit vollkummen iver,
so bitten ich alle, die das lesent, mir das :^i gutem uf-
:(enemen; hab ich aber das wol geset:{t, das dem allmächtigen
T^ÜT^elegen, der oucb durch (semlicb) tat und redliche mann-
i) heit, so hie nach geschriben sind und geschechen, sol gelopt
und geeret iverden!
Hie nach findet man ze tütsch von ob geschriben
latin, wie die Switzer in ir land sind kumen, und
ouch die von Hasli etc. Und volget sich zum
20 ersten nach von der gesatz, so zu dem selben zit
was in dem land Sueden und Friesen etc.
Man findt also geschriben, daß in dem zit, do kunig
Cisbertus us Sueden regniert und graf Cristoffel von Ost-
friesen, do stund uf ein sömliche türe und mangel an
25 natürlicher spise, damit sich die menschen soltent spisen
und erneren, in denen landen Sueden und Friesen, daß vil
lüt von großem hunger sinlos wurden und zületzten
nideriielend und stürben. Durch sömlich sachen willen, die
ouch als lang werten, was der ob gemelt kunig Cisbertus
3. G. Polycratus. Nach Tschudi Stolitratns.
8. Gr. Africa.
23. G. und H. Gisbertiis. Nach Naiiclerus Sigibertiis.
berufen und beschicken die gewaltigisten und mechtigisten
sins kunigriches, und mit namen es werint ritter, edel,
bumer oder ander o;emeinden, und was irn rat in disen
dingen haben. Also wurden si zu rat einhellenklich
durch das ganz kunigrich in dem ganzen land, es wer in 5
stetten, dörfern, bürgen, höfen, im berg und in tal : man
solt ein gepot machen, und das selbig gebot ouch ge-
macht und das also verkunt solt werden, daß all monat
eines, wen das los von geschieht, so si gemacht hattend,
ankam, ein ieclich man, wer der wer, solt mit allem sim ^^
husgesind, so er des hetti, es wer frow, kind, alle farend
hab, es wer vich oder anders, nüt usgenumen, von dem
kungrich enweg ziehen, als man in hetti usgeslagen, an
alle gnad, und kein miltikeit hie gesin ze suchen; oder
wo das nit geschech, so solt er umb sin houpt kumen n
und die sinen nit dester minder usgetriben w^erden. Und
dis gebot und gesatz w^art von dem minsten unz uf den
höchsten und größten also gemeinlich gesetzt, daß dawider
niemant solt tun, denn das halten bi dem kuniglichen
gebot und penen, als ob geschriben stat. Ditz gesatz 20
und gebot was menigem man und menschen gar un-
komlich und scharpf, darzü hert, und wart doch vil zit
gehalten ; und wolt und mocht dennoch der groß hunger
und mangel nit usgerüt noch vertriben werden. Und
harumb was der dick gemelt kunig mit allen denen, so 25
vormales an dem rat waren gesin, die selben Statut und-
gesatz sterchen und meren zu iechlicher wis als vor, daß
man al wuchen solt den zechenden menschen, also das
los vor wart gesetzt, ustriben und uslchiken ; und warent
die dinor also weizen und schetzen, daß es weiter were, 5«
24. nit fehlt in M.
9. eines, einmal.
l82
daß die übrigen, so da blibend, gesund blibcnd, denn
daß sif also armklichtn sollen verderben gemeinldich und
sinlos werden und darnach sterben. Und wan kein übel
sol userwek werden und fürgenomen, so ist doch weger,
5 daß das minder übel und böses lidlich si zu tragen und
ufzünemen. Und do ouch sömlich zechend von den lüten
uszetriben lang zit gewert hatt, also warent sich die iis-
vertriben von land Sweden, allerlei volks, über sechs tusent
und nie dabi besamnan ; und zii dem volk der usgeschlagen
i<^^ und vertriben schliigent ouch uf tusent und zwei hundert,
an frowen und kinden us Friesenland, als das dan wist die
cronick Alfonsi us Friesenland, die davon gesetzt und ^^e-
macht ist. Diß ob geschoben volk kamen also zesamen
in ir großen unfal, als si denn dozemal hattend, und
•) warent all in irem gemüet verzwiflot; und wurdent ze rat
aber einhellenklich, si woltent in iren elend also wandeln.
Und machten ein bundschaft und verhießen sich also bi
einandern ze beliben an allen enden, es wer in dem mer,
uf dem land, im berg, in tal, in alpen, waßer, birgen,
-^ flüen, in holz, in feld, in gewitter und ungewitter, in
gelück oder in ungevel, und wie inen das got wurde
züfüegen. Als si nun sich zu einander also verbündete
hattent und ouch eilend, versch mächt von aller weit, und^
in großer armut, do fiengent si an und warent die aller-
-) nächsten stett, bürg, dörfer an alle erbermd berouben und
. begonden also in dem selben eilend vil lüts an sich ziehen,
die stritbar warend, und ouch sich also an großer Sterke
meren und an macht, d-A^)* si zugen wit und breit. Dar-
nach und zu dem letzten do kerten si sich an ^<^n Rin
:i — li. H. (und auch G.): Diewil aber ixnder zweien büseu dingen allwegeu
das besser sol userweit und fürgenonimen werden, vermeinten sie, dass sölich
ir fürnemen \\m\ ustribuug mit dem los besser iind nützlicher sin. denn die ver-
dorbnn.',' der ganzen genieind.
23. H. (undG.): und all elend verschinächt und aller weit unwert waren!;.
i83
des waßcrs imJ zuhcnt den hcruf, als das P/iniiis, ein
großer poet und dichter, schribt in siner cronick. Do was
Priamus und herr Pcfcr von Mos, all beid Fürsten und
herzogen us Frankrich; dieselben woltent inen die weg
fürgan mit einem großen volk und in si also vallen. Also 5
warent das vertriben volk die Sweden und Friesen mit
irem macht under inen userwelen dri gemeinen houptman,
doch also, daß der ein under den drien der oberst houpt-
man solt sin über die andern. Und warent dis dri houpt-
man also genampt: der erst hieß Siuicerns, mit sinem ^^^
gesellen, der was genant Rcmiis, all bed us Sweden, und
diser Swicerus mit sinem gesellen warent die obresten
houptman ; der dritt houptman was geheißen IVadislaiis,
von einer stat, mit dem namen Hasnis ; die selbig stat
ligt zwüschem dem land Sueden und dem land Ostfriesen. ^^
Und do nun dise ob gemelten houptlüt userweit \vurden
von ireni \olk, do wurdent si eins und warent sich damit
got enpfelhen und dem glück diser weit, und kerten sich
gegen dem volk, die wider sie warent, den Franzosen, der
ouch ze vier malen me was, denn ir; und wurden also -^^
ze rat, daß si die selben angriffen frölich, schnell, unver-
schrocken, eins gemüets und güts willens dii alle vorcht.
In dem selben was si das glück von got ansehen, da('>
inen gelang und oberhand gewunnen, und also ein teil
des Volkes erslügen; und ein teil die fluchen. Darnach ^>
warent si das gut und den roub und die büt des er-
schlagnen und fliechenden volches under inen gemeinlich
zerteilen, und zuchen darnach den Kin uf und kamen
nach dem selben in ein land, genampt das hrocbeu hin^
oder Frcckiui'iiid in dem herzogtum Osterrich, und warent )^»
1. M. Pliuis. G. und H. Pliuius.
10. (t. Schw'ythernu>. H. Schwitzerust.
14. H. Ha.sius.
30. Ci. Frackniuad.
i84
da in berg und in tal, in alpen, flüenen, waßern und an
allen enden des lants, suchten wonungen und stet, do si
mochten bliben ; und beduht si, die gegni und die wonung
des selben lants were irem land glich, da si vormals
5 warent usgeslagen; wand si ouch vormals ir wonung
hattend gehept in den bergen. Darnach do si nun inen
selbs userwaltent an dem selben end, wa iederman wolte
sin und sin wonung han, da warent si werben und be-
geren an einen grafen von Haptspiirg zu dem selben zit,
10 in des land si ouch do warent, daß er inen gönnen wolte
die waltstett, birg und tal, und ouch erlouben und über-
geben zu rüten und ze husen und daß si ir wonschaft
do mochten haben ; wann es vormalen und zu den selben
ziten wild was und nieman vormals da wonhaft was
15 gesin. Also was er inen das erlouben und ir bit, so si
an in brachten, geweren. Nachdem do inen erloubt ward
von dem vor gemelten grafen von Hapspurg, do fiengent
si an ze rumen und rüten stein und dorn und das un-
geüebt ertrich ze buwen. Ouch warent si darnach zwigen,
20 sägen, schniden; und mit irem arbeiten und mit dem
großen fliß, den si hattent zu dem land, das si wol ge-
nußen; und ouch das land allenthalben daselbs fruchbar
wart, daß si sich wol mochten erneren. Darnach do
warent si sich besteten in iren verheißen und gelüpten,
so si denn vormales hattend einandren getan, und wart
alle vorcht ires herzen von inen geslagen; ouch warent
25 si die lantschaft, da si in warent, under inen selbs zer-
teilen, als hie hernach luter stat.
Hie gat nach die zerteilung und wie si von ein-
andern schieden in ir wonung.
Nun ist ze wüßen, daß ir oberster houptman mit dem
30 namen Swicerus von der künglichen statt Sueden also
9. G. Habsspurg. H. Hapspurg.
i85
genant gcborn und sin mitgesell Remus die warent das
land des gebrochnen birigs oder Freckmünd, da Pilatus
sew uf ist, als man gemeinklich spricht, innemen, unz an
die lampartischen gebirg und alpen mit irem volk, so si
denn uf die selben zit hattent. Und stoßt uf das selb 5
land und die rechten siten gegen dem lampartischen ge-
berg das minder Burgund, zu der linggen siten stoßt :-n
das selb land das herzogtum Swaben. Aber der dritt
houptman mit dem namen Wadislaus, geboren von der
statt Hasnis, als ob stat, der was aber innemen mit sinem lo
volk das tal enent den swarzen bergen, das man aber
uf diß zit nempt den Brfinig, an dem Ursprung des waßers,
genant die Ar, das man ouch uf diß zit nempt Haßli von
etlicher verw^andlung wegen der vor beschribnen stat Haßnis,
von der selben stat der houptman Wadislaus was geporen. ^5
Und wan nun das selb end si beducht und ouch was ein
fruchtbar fleck und land und alle frucht da gern wüechsend,
do liengent das volk da an* ze buw^en und ir wonung da-
selbs ze han und halten; und si sich ouch da lange zit
wol ernertent und begiengent etc. -^
Hie nach findt man, wie darnach in vergangen
ziten die von Switz und das land Hasli hant be-
hept in hülfswis den cristenglouben zu Rom, der
vil nach vertilget was von den ungelöubigen;
darumb si ouch ir zeichen, so si füerent, band er- -5
worben und erholt und ander friheiten,
so sie dann habent.
Darnach in etzwas vergangen ziten und besunders in
dem zit, do man zalt von der geburt Cristi CCCLXXXVII
jar, do Theodosiiis der cristenlich keiser, der elter, ein 5^
4. M. lampergischen, ebenso f. G. und H. lampartischen.
* M. anfachen ze.
i86
grc)lk-r liebhaber der cristencn menschen, von dem der neilig
sanctus Ambrosiiis wunder groß lob und er schribt: al>
nü der III jar hat geregirt und beseßen das keisertüm,
und aber L jar sin alter ward, do schied er von diser
5 zit. Der selbig erst genampt keiser Theodosius verließ
zwen sün, die nach im das keisertüm regirtent, der ein
Honoriiis, der andi^v Arrha diu s. Der erst genampt Honorius
regiert ein teil der weit von der sunnen undergang; aber
der ander Archadius hat under im den teil der weit von
Jo der sunnen ufgang. Das was darnach in dem jar, do
man zalt anno CCCLXXXXVIII jar. Also under den
zwen keisern wurdent sich die Römer uf die selben zit
widenvertig machen und wider die zwen keiser sich
stellen und von dem cristenglouben stan und wider den
t > ze sin, und warent das tun mit hilf eins großen fürsten
und herren, der aber ein heid was mit dem namen
Engi'uiiis. Der selb erst genempt Eugenius, der heidesch
fürst, wolt rechen den tod sines vaters, ouch mit sinem
namen Eugenius, den der vor geschriben und benempt
-o Theodosius, der elter cristenlich keiser, hat erschlagen in
den bergen und alpen Apulie, als das selb schribt Clati-
diauiis Floreiiliuiis, der poet oder dichter, eigentlich. Und
warent also die Römer die zwen brüeder, die das keiser-
tüm regierten, als ob stat, mit dem bapst Auastasio ver-
2) triben, und den heiligen cristenglouben sich understan ze
tilgen und zerstören. Die selben, der heiig vater und
bapst, ouch die zwen keiser, die von Rom us vertriben
warent, süchtent schirm und hilf allenthalben in der welt^
wa si kondent erforschen und erfragen. Also zu dem
30 letzten fundent si einen cristenlichen kunig mit dem
namen Radai^usiiini, ein kunig der Gothen, der ouch inen
G-8. der- teil fehlt in M. Krgäu/.t r.aoh H.
31. H. Eaaugusuni. fohlt in (t.
i87
-/LI hilf kam mit einer iirolk'n vili und mengi eins volkes,
die oiicli stark warent ; und zoch der selb küng Gothoruni
gen Rom. Da wart der selb cristenlich gloubens kling
ellenklich und armklicli überwunden und erslagen, als das
P/iiiiiis und Johaiiiii's Fraiicisciis Fetrarcha von Ancxsa 5
^viter schribent und davon sagent in iren croniken, wie
der künig Radagasius in hunger, durst und frost ertödt
ward; aber sin volk, die nit erslagen wurdent, die wur-
dent verkouft, ze gelicher wis, als das vidi. Archadius,
•der ein keiser, mit dem heiligen bapst Anastasio warent ^^
zu Constantinopel, und waren in dem selben zit dazwüschen
von diser zit scheiden. Demnach was Theodosius der
jünger, des vor benempten Archadii sun, das keisertüm
wider orient, sines vaters teil, besitzen und der bapst
Innocencius; und nach Innocencio was Zosimus der bapst ^5
uswendig der stat Rom die heiligen kilchen kranklichen
und armlich ufenthalten. In dem selben zit was aber ein
cristenlich küng ufstan mit dem namen Alarictis, aber ein
kunig der Gothen ; der was nü des vor beschribenen künges
Radagusien sun. Der selb understünd sich, der heiigen -^'
römschen kilchen und dem cristenlichen keiser ze hilf
komen ; und den versmächten, eilenden tod sines vaters
begert er \c)n ganzem herzen ze rechen, und was also
in allem sinem küngerich all cristenmenschen mit hilf des
heiigen vaters des bapst Zosimi zu sich berufen, und ->'
<.larnach all cristenlüt mit den beiden keisern Honorio
und Theodosio, dem jüngeren, soldner besamnen. Kü
schickt es sich aber in dem selben zit also, daß si ver-
nament von sicherlicher lu)rung inid warhafter mär von
5. M. Piitriarelia von Laiit/.ysa. (t. Petrarrha von Ancysu. H. Johannes
Franclscus und Petraroha von Lantzlsa.
10. G. der avnx koiser.
15. H. Zosinims.
1«. H. XUaritns (stots).
einem volk, die ouch cristen werint und ouch ein streng
stritbarlich fechtbar und stark volk weren und wol
uf kriegen und fechten geneigt werint, und aber geseßen
und wonhaft in den gebirgen und alpen in dem land des
5 gebrochen gebirges, als ob stat, und ein teil des volks
in einem tal des gebirges bi dem waßer genant die Ar.
Also was der kunig Alaricus von Gotnen und der heilig
bapstZosimus mit den beiden keiseren, nämlich Honorio und
Theodosio dem jüngeren brief und treffenUch groß bot-
10 Schaft dem selben volk schicken, sold und groß gaben
inen züverheißen, daß si inen zu hil und ze trost woltent
kumen; und wart also die bäpstlich botschaft und die
keiserhche zu beden enden geschickt zu den Switzeren
und zu den von Haßli, und solt ouch hiebi einwederer
IS teil von dem andren gescheiden sin, wan es ouch inen
zu beden siten ein botschaft w^as von dem bapst und von
den zw^eien keisern.
Hie stat nun, wie das land Schwitz und ouch das
land Haßli verhört hattend die botschaft
20 des bapst und des keisers.
Do nü das land von Schwitz und ouch das land
von Hasli vernament und verhörten den großen ernst
und not, so der heiligen cristenheit anlag, do warent si
dem selben boten groß er tun und sich inen angends
25 erbieten mit gutem willen als ufrecht gehorsam gew^er
cristenlüt und helfer ze sin, den cristenlichen glouben ze
behalten und trüw diener des heiligen vaters des bapst
und dem Römischen rieh; und gedachten an mengerlei
vergangnen sachen, an den großen mangel, so si gehept
30 hattend in irem vertribnen land ; ouch gedachten si an ir
29. mangel fehlt in M.
i89
groß eilend, so si in mengerlei sachen gehept hattend;
ouch betrachtent si, daß si vil frevenkeit und schaden an
mengen enden hattend getan; si bedachtent ouch, daß
si billich soltend undertänig sin irem obersten herren,
geistlich und weltlich, um des willen, daß inen mocht 5
verfolgen gnad und aplaß aller iren Sünden. Harumb si
woltent gehorsam sin got und den menschen, denen
ouch semlicher gewalt von got und der weit was geben;
und warent sich also besamlen mit iren werinen und fügten
sich zu dem kunig Alarico, und zugent also in dem namen lo
gotz mit dem selben kunig gen Rom; da si ouch dem
heiligen vater dem bapst und den zwen keisern zu willen
stritent.
Hie nach vint man, wie der kunig Alaricus mit
sinem volk und darnach mit denen von Swätz und 15
von Haßli die stat Rom umbiegen hattent.
Darnach was der küng Alaricus mit sinem volk, so
er hat, und mit disem volk, so zu im geschlagen w^arent,
Rom umbiegen und belegen; und ordnet den houptmann
mit dem namen Wadislaus mit sinem volk, so wenig wart 20
in zal, von sinem volk inen zu geben und ließ die zeichen
legen an ein end, ist genempt die lind brück, und ist
von der stat Rom als wit, als ein halb lampartschi mil
mag sin. Die andren zwen houptman aber mit dem
namen Swäcerus und Remus sin gesell mit irem volk 25
was er nemen zu sinem volk und was die legen an die
Tiber zu dem waßer für die vorstatt, die da geheißen
die Löwinstal. Und also warent da die zw^en houptman
Swdcerus und sin gesell Remus mit irem volk den vorstrit
19. lind— houptmaim fehlt in M.
22. Cr. huot prugg. H. hutt Brügg.
28. Ct. Lonnstatt. H. Leminstatt.
190
haben, und luffcn die suit so ungestümlich an, daß si
crstiiJ;en die niuren und /innen und die hochen turne.
Ouch griffen si die stat und volk so erschrockenlich an
und warent sie bestriten und befechten als die wilden
5 löwen und inechtigen risen. Und gewunnent und über-
kament da die Löwenvorstatt, an dem selben end si ouch
dn zal vil beiden und unglöibiger erschlügen ; und ge-
wunnen und überkament da XII fürstenpaner, die ouch
der fürnemsten herren der vigenden, so der bapst und
i^^ die keiser hattend, warent gesin ; als das die cronik Mar-
fuüana eigentlich seit. Und kam darzü, daß von den
Schwitzern vil von den vigenden erslagen wart und der
merteil irs volks (der Schwitzern) wunt ut den tod wur-
dent. Aber der allmechtig got, in des er si das tatent,
15 was in oberhand geben und behübent daselbs den platz
und die stat. Do nun der kung mit den sinen und denen
von Schwitz in semlicher großer not und angst was wider
die beiden, do warent ir mitritter und gesellschaft, die
türstenten mechtigen und redlichen von dem land Hasli,
20 der houptmann Wadislaus mit sinem volk, laßen den
züschub des frömden hers, das inen der kung Alaricus
hat zügeben, und warent sich richten und schicken gegen
der Engelburg unerschrocken, den selben ir hüte abzeloufen,
wiewol die selben hüten in all weg wol versechen warent
25 mit werinen und mit lüten, da(]) in als ernst was, den iren
mitgesellen von Schwitz zu hilf komen, daß ein ieglicher
der iren für den andern trang, daß inen der sig möcht
werden. Aber die zwen keiser mit irem volk die lagent
11—14. H. und ward ouch vil volks der Sclnvytzereu von den lioiden er-
selilagf-u und der merteil libel wund uf den tod. El)enso (4.
18. ritter fehlt in M.
23. M. hütten. H. hutten.
19. türstcnt, kühn, \-cr\vcgcn.
191
uegcn dem teil mittag;; die selben zugent oucli zu der
Hiigelburg und üherlielend also die Römer und die vient,
und waren: si also notigen mit sömlicher not, daß si
begondent abziechen. In dem selben stürm und noten was
der lieidisch fürst Eugenius mit einer unzalichen großer >
sciiar des volkes der Römern und Heiden ziechen wider
die ritterlichen vechter von Hasli in der Tiberbrui2:sj, die
ouch lang und hoch was und noch ist, als all, die da
sint gesin, noch hüt bi tag wol mugent sechen; da ouch
die selben ritterlichen knecht und vechter von Hasli den ^^
selben platz behübent ; do ouch der heidisch fürst Eugenius
mit einer großen schar sines volks erschlagen ward, daß
da lüt lagen tod in der höhi der muren der selben Tiber-
brugg. Do wurdent ouch so vil über in die Tiber geworfen
der erslagen lüten, daß das waßer der Tiber von blüt rot ^y
wart von den erschlagenen beiden, und darnach durch die
ganze stat Rom allenthalben i\n der straß lüt nider geleit
und erslagen. Als nun dem cristenlichen kung Alaricus
nach siner begird was gelungen mit sinem volk, so er bi
im hat von Schwitz und Hasli, und darzü ouch gerochen -^^
hatte den tod sines vaters : do wart er darzü in grimikeit
bewegt und in zorn und was die fürnemesten und mech-
tigisten herren von Rom all laßen ertoten, die denn vor-
males in den striten nit warent umkomen; und was si
für ir eigen hüser laßen erhenken und an die zinnen. ->
Weli aber warent geflohen in die kilchen als cristenlüt
und da gnad begerten, die wurdent nit getödet und ward
inen ^^nad getan. Von der selben hertikeit, so der cris-
tenlich kung Alaricus den Römern erzeigt, schribt Fran-
ciscus der Pelrarch in dem püch oder in siner croneck, 3<^
das ist geheißen Au^^ustalis. Nu umb der sach willen, daß
2. G. Eiigelbrugg.
27. getödet fehlt in M.
.30. G. Franciscus Petrait-h. H. Franci.scun der Patriaivh.
192
der heilig cristengloub, der vil nach was under getruckt
und untergangen, do was der aUmechtig barmherzig got
sin gnad und tugend und sin würkung do erzeigen, daß er
einem semlich kleinen volk wider den tüfel und sin mithelfer
5 des verkerten hundschen volk, den Switzern und iren mit-
helfern von Hasli, semlich frölich überwintniß geben hatt;
darumb si zu ewigen ziten sollend got loben und er und
dank sagen.
Hie nach findt man, wie si gelaßen, belonet und
10 gefriet sind worden umb ir manlicheit, das
land von Schwitz und das land Hasli.
Do nun diser edel maniich strit so mit großen eren
verbracht ward und mit fröiden der cristen, und aber der
heilig vater der bapst mit den zwen keisern all frölich
1 5 und mit großen eren in ir besizung, da si vormales warent
usgetriben und aber ruwig widerumb warent komen, ge-
setzt wurden zu Rom: umb der großen manlicheit und
überwintnuß wairdent die zwen houptman von dem land
Switz und von dem land Haßli, vor dick genempt, beruft
20 und beschickt mit iren soldnern und knechten, so si der
bi inen hattend, von dem herrn dem bapst, von den zwen
keisern und dem kunig Alarico nach einandern ; und wan,
wer ritterUchen streit, der selbig sol ouch mit der cronen
der eren belonet und bekrönet werden. Und w^arent also
25 den houptlüten mit iren knechten anmuten und si er-
fragen, wan si sich so maniich und so ritterUch gehalten
liattend, was si an in müttetend und begerten, inen ze
geben ze sold und Ion. Also was der edel hochgeboren
Swicerus, der houptman, sin knecht und diener, ouch
3. M. dass ein semlich klein volk. Aehnlich H. und G.
14. mit fehlt in M.
193
niitt^esellen erforschen und erfragen und besundern die
heimlicheit irs gemüets und herzen, was si woltent höi-
schen und erfordern. Do wurden si ze rat gemeinlich,
einhellenklich semlich antwurt inen zu geben : sid dem
mal daß die Vernunft uf ir hat und die gerechtikeit, daß 5
wir getouft sind von dem waßer des cristenlichen toufs
und gecrismet, als cristenlich Satzung wist, und durcii
den, der den cristenlichen touf hat ufgesetzt und uns
erlost von dem ewigen tod, und wir durch sinen glouben
behalten mugent werden, durch den selben cristenlichen ^o
glouben wir beruft sind, den helfen ze schirmen : bedunkt
uns, daß vvir in semlichen zimlichen anmütungen billich
bereit und gehorsam sint gesin; wir sind ouch durch
den cristenlichen glouben von unserm heiHgen vater dem
bapst Zosimus beruft, gemant und erfordert worden; und ^5
darum von siner gebot wegen und durch sin legatum
und botschaft, so wir bi uns in unsern landen band
gehept, mit ganzem ernst underwist und beruft worden
ze sin undertänig unsren obren, wir ouch und die unseren
band unser blüt verrert und vergoßen gern und mit ^o
iTÜtem willen für den, der sin rosfiu'b blüt für uns ver-
goßen hat an dem stamen des crützes und bloß daran
ist gehangen.
Hie stat nü ir bitt umb ir friheit und zeichen
der von Switz. ^5
Aller heihgister vater und aller gnedigisten herren, so
bitten wir üwer heilikeit und gnaden und ermanen ouch
20. G. verert. H. gibt den ganzen Abschnitt verkürzt, weicht überhaupt
von hier an bedeutend von G. ab.
26. vater fehlt in M.
7. crismen, firmeln.
20. verreren, fallen laßen, ausgießen.
194
üch güetlich mit allem ernst, daß ir uns wellet begaben
und belonen, uns und ouch die unseren, wann wir doch
frömd und darkomen sind in unser land, das denn vormales
ungeliebt und ungebuwen ist gesin; aber durch uns und
5 die unsern daheim ist geliebt und gebuwen worden ; und
wir ouch von dem land Sueden und Ostfriesen durch
mangel und gebresten der spis und armüt aber mit los
usgeschlagen und vertriben sind , und in eilend und fremden
landen ietz unser wonung band und ouch daselbs zu disen
10 ziten unser herz und lib müthatzü beHben. Nu ist war, wir band
unz da her mangel gehept, unser eigen zeichen und paner
ze han : also bittend wir und begeren, daß uns ein zeichen
und ein paner werd, das ganz rot si und ouch vierschröt,
und darin das zeichen unsers herren Jhesu Cristi mit sinem
15 minnezeichen gegeben werd; wan er ouch durch unser
willen hat vergoßen sin rosfarw blüt; und darum, wan
wir ouch sind gesin undertänig dem bäpstlichen und
keiserlichen gepot, darzü begeren wir ouch vor dishin
niemanden dann dem keiserUchen gebot ützit schuldig
20 ze sin; demnach ouch, daß unser land, da wir unser
wonung band in dem gehrochnen gebirg, mit uns und allen
unseren nachkomenden, die das selbig land besitzend, von
allen erdiensten und beschirms in all weg, nützit usge-
nomen, entbrosten und änig sient. Und sit dem mal, daß
25 die eigenschaft des dieners ist armlich und einem ieglichen
menschen swerUch ze halten und ze tragen, so sind wir
doch von der natur frei geboren ; da ist nü nmser bitt,
9—11. unser— unz fehlt in M.
19. dann fehlt in M.
20. M. gibt soUent statt ze.
13. vierschröt, viereckig, in vier Felder getbeilt.
1 5. minneyeichen, Liebeszeiclien, die Wundmale Christi.
24. entbrosten und änig, befreit und ledig.
195
daß das glück von unser harkomen friheit uns niemer
knecht noch eigen mach. Wir begcren ouch von üwern
gnaden, daß wir fürwerthin fri sint vor allen höischungen
oucli fordrungen, es si zol oder ander uflegung, so von
uns gehöischen oder erfodert möcht werden. Harzü be-
geren wir witer so vil und me, daß wir zu ewigen ziten
und all unser nachkomenden keinem weltlichen gewalt,
usgenomen dem cristenlichen keiserlichen gewalt, under-
tänig und gehorsam sient ; ouch keinem geistlichen gebot,
usgenomen dem heiligisten vater dem bapst zu sinen ziten, ^^
ouch dem erwirdigen bischofe, under dem wir geseßen
sind. Als nü dise bit, vordrung und ouch höischung ver-
bracht was und volgangen nach aller ir anmütung, und
begabt volkomenlich und inen gegeben ward vom bäpst-
lichen, keiserlichen und kuniglichen gew^alt das mit briefen ^ 5
insigelen versicheret und verzöigen wart nach allem irem
willen : do was der heiig vater der bapst inen sinen bäpst-
lichen segen geben und Vergebung aller iren sünden ; gold,
silber, edelgestein und ander edel kleinöt warent si ouch
von inen enpfahen, von dem selben vor gemelten bapst, 20
keiser und kunig; und warent also in großer früntschaft
und güetikeit von inen scheiden.
Hie nach stat nü die anmütung und bitt, so der
houptman von Hasli was dem bapst und
keiser anmuten und höuschen. 25
Darnach was der ritterlich manlich houptman mit
sinem volk und gesellen von HasU, Wadislaus, ouch
semlich antwurt geben und bitt tun, wie denn ir mit-
gesellen und trüwen bundgnoßcn Swicerus, der houptman
von Schwitz, vormals hattend getan, mit allen worten nit 30
1. M. üwor friheit barkomenheit. H. üwer harkomeu friheit.
1^6
minder in keinen weg, denn allein spmchent si, der houpt-
man von Hasli und die sinen : sid dem mal und wir band
dem keiserlichen gebot gnüg getan und dem undertenig
sind gesin, so begeren wir,- daß unser zeicben und paner
5 si glicb in all weg als des keisers, nützit usgenomen, nocb
nüt darzü geleit, nocb kein färb des zeicbens und paneres
verendret ; denn allein, daß der adler für ander vögel mit
siner tugent der böcbst ist und edelst, mit zwöin böuptern
wirt gemacht, und das von gewalts wegen, so ein keiser
lo hat von einem end der weit zu dem anderen der weit,
das ist als vil, als von der sunnen ufgang unz zu der
sunnen abgang, und mit des heiigen richs cronen die bede
houpt werden gekrönet. Und wan nun wir die sind ge-
sin, die ietz vor kleiner zit und tagen das selb heiig rieh
^5 und den cristendlichen glouben, der halb vertilget und
zerstöret und vil nach underbracht was, hend geholfen
beschirmen als trüw^ diener der undertänigkeit mit unsern
mithelfern und getrüwen gesellen von Schwitz, und uns
got mit inen geholfen hat, daß wir in allen unsern nöten
2o band überwintniß gehept und unser viend under uns ge-
bracht und üch in üwer besitzung volkumenlich gesetzt
und gestellt haben: da ist unser ernstlich beger und bitt,
daß wir den adler mit einem houpt füeren und gekrönet
mit der krön des richs und uf der krön ein krütz offen-
25 bar stand, und wir» des von üwern gnaden gefriget wxr-
dent. Do nü die gnedigisten herren, die keiser, dis an-
mütung hörtent, do warent si ser erschrocken, daß si
soltent. keiserlich zeichen also von der band geben, als ir
anmütung was. Und wan aber nun ein schlecht Verheißung
30 und ein. wort eins fürsten sol me übertreffen und bestenklich
sin, denn eins koufmans schweren, do woltent die keiser
ir verheißen und wort statt halten, wiewol das kumerlich
14, rieh lind don felilt in M.
197
zugieng. Und warent da der heiig vater der bapst und
der kciser die edlen ritterlichen knecht mit irem houptman
von Hasli frigen mit briefen und insigeln, wie si ouch
das selbe glichen getan hattend iren mitgesellen von
Schwitz; und warent si ouch darzü inbesunders belonen 5
mit gold und mit silber und edelgestein, ouch ander
kleinet; und was der heiig vater der bapst inen geben
sin heiigen bäpstlichen segen und vergeben aller ir sünd.
Und darnach warent si sich enphelhen dem heiligen vater
dem bapst in sin gebet und den keisern in iren schirm, ^°
und warent darnach in dem namen gotz von dannen
scheiden heimwert in guter früntschaft und frid.
Und also well gott uns geben ein gut selig end, und
well darzü den unsern zu ewigen ziten geben kraft, sterk
und macht, daß si fürwerthin aber allen iren finden, ge- ^5
sichtig und ungesichtig, überwintniß geben! Amen.
L AUS D E O.
I. Orts- und Personenregister.
Adria 2.
Alexanäria 2.
Alfonsus ans Frieslanil 182.
Allmendingen J28.
Amhrosins, St. 186.
Anisoldingen 6j, 88, 161.
Ar 18, i8j, 188.
Avlgnon 166.
Bern ly^.
Brentzhofen 124.
Brünig i8j.
Buhenherg ^8, }<), js2, i6j, tj2.
— Adrian v. ^9.
— Heinrich v. ^(}, iiy.
Biirgiinnherg 6y.
C^sarins von Heisterhach i^, 21,
24> SS-
Cishertus aus Schweden iSo.
Claudianus Florentinus 186.
Colnmhau, St. 161.
Constan:{^, Bisthuni 88.
Cremona 92.
Cristoffel ans Ostfriesland 180.
Dieshach 124, 160.
Dodo 8, 5?.
Einigen 16], idy, 16S u. ff'.
Erlenhach ^2, 160.
Eschi 6-], 88.
Eagenius 186, ic^i.
Eulogius Kihurger ^8.
Frechnünd 18^, j8;.
Frutigen 6y, 88, 8^.
Fulensee jjj, }6i.
Garganns 25", 1^7.
Gerliensee 141.
Ge steig 160.
Hahshurg 184.
Hasli 160, j8s, 188 etc.
Hasnis 18) etc.
Heiligenverieichniß iy4, lys-
Hilt er fingen 6y, 88, no, 119.
Höllnwos 10^.
Jacohus de Voragine 4, jit, 112.
Jerusalem 6.
Joder, St. lyj.
Kander 18, 19 etc.
Kaiser: Archadius i86.
— Constantinus J2.
— Friedrich I. ^8.
— Friedrich IL 142.
— Friedrich V. ^2.
— Heinrich VI. 10^.
— Honorius 186.
— Otto I. und II. 6j.
— Philippus Materno i^.
— Theodosius älter iSj.
— Theodosius jünger i8y.
Könige: Adrianus Elius 2.
— Alarich i8y u. ff'.
— Attila 6y.
— Hugo 64.
— Lothar 64.
—■ Otto 6s.
— Phlemäus 2 u. ff.
199
Könige: Riuiagais i86.
— Rudolf IL v.Burgiiiui 6j ii.ff.
— Rudolf V. Habsburg iji.
Lamparten 26, 6j, 144.
Lausanne, Bischof v. ^4, iß6, 142,
148, 170.
Leuxingen 6y, SS.
Lintbruck iSq.
Likuenstait iStj.
Lugdanuin ij6.
Luft, goldene 10, 11.
Martinus Polonus ), 6.
Merlingen i^tj.
Michael, St. ij, 22, 2^, 31, 42, j6,
70, 114, 12s, 14s.
Ostfriesen 180 u. ff.
Päpste: Alexander L i.
— Alexander IIL 104.
— Alexander V. i2ij.
— Anastasius 186 u. ff.
— Dionysius 41.
— Gregorius IX. 144.
— Gregorius X. ij6. •
— Honorius IIL ij2.
— Honorius IV. inj.
— Innocentius III. 114.
— Innocentius VI. 166.
— Leo VIIL 74, 76.
— Silvester $2, $7.
— Zosbnus 187 u. ff.
Paradies, Gründung ßi. u. ff.;
Weihung 42 u. ff. ; Zerstörung
iß4; Ziueite Weihung 1^6.
Parus 148.
Peter von Moos iSß.
Petrarca 187, ipi.
Plinius i8ß, 187.
Priamus i8ß.
Priester im Paradies: Adelbercht
17, iS.
— Arnold von Sumisiuald 126.
— Burkart 166.
— Diethelmus 86.
— Dietrich c^g—iü4.
— Nokerus ijS.
— Rudolf iß7, 14$.
Remus 18) u. ff.
Reutingen J4.
Rin 18s.
Rudolf von Salves'wil 164.
Rütli II ß.
Scher^lingen 67, 88.
Schorren 112.
Sigriswil 67, 88.
Sinai iiß.
Sinn (Sicna) 128.
Spieti 67, 88, IJ2, 162, 171, i7ß.
Stocken jj.
Slolitrates 180.
Stretlingen v. Adelheil (Bernharts
Frau) 118.
— Adelheit (Rudolfs Tochter)
64, 74.
— Albrecht 12.
— Anna ()8, loß — 108.
— Anshelm 12$ — ißo.
— Arnold I. ßo ~)2.
— Arnold IL p — 6ß.
— Aureliana 14.
— Berchta 64, 81.
— Bernhart 118 — 12^.
— Berchtold 13—17.
— Burkart 83 — 97.
— Caspar 20 —23.
— Cristina 20.
— Cünrat io<j — 117.
— Diebold <^8 — 104.
200
Stretl Ingen v., Diemüt lo, ii.
— Dietrich (Theodricus) j—ii.
— Elisabeth ijp.
— Gertrud i]i.
— Hedwig 12 j;.
— Heinrich, Herr von Laubegg
1^9^164.
— Katharina 10^, u^.
-- Kilngold jjio.
— Margaretha ßo.
— Marquart lO).
— Mechtild 16$.
— Otto loß.
— Richard loj.
— Rudolf 64 — 82.
— Sifrid 14, iS — 20.
— Sigmund ij;o — ij8.
— Sophia 84—86.
— Susanna 25.
— Walther 16^—iyi.
— Wernhart 2} — 25?.
— Wilhelm i^i — ij;o
— Ulrich lyi.
Sueden 180 u. ff.
Swicerus i8ß u. ff.
Sivitx_ 18 j; IL ff.
Thierachern 6y, 88.
Thun 6j, 88, 160.
Thunsee 18.
Utigen 67, 88.
("P^adislaus i8ß u. ff.
Weißenburg, Freiherr
Wendelsee 10, 18 etc,
Wimmis 6y, 88.
Wyler 1^4, 140.
V. 104.
IL Wortregister.
änderiuert 120.
brunnend //.
enent iSj.
angends 16.
brutlouf 2().
enkein 34.
angesichtig iiß.
brachen s. 1/5;.
entbrosten 1^4.
anmuten 1^2.
buwfellige iiy.
entchrist 114.
ammltung j8. i^].
Crismen ipß.
entheißen s. 8y.
alter 4^.
dennocht 12.
eren 1^4.
änig zuerdeu 8y, 1(^4.
dristent 18.
ergetien 24.
anvacher ßj.
durechtung /,
erkiken 66.
hätstein I4(j.
dürren 21.
erneren iio.
begeben s. loß.
eben PS-
erschall 40.
bekennen 86.
eines 181.
etizvie 8.
behimen 22.
einest 18.
flesch jji.
berschaftig 74.
einig 16).
fronaltar ?^.
beten (subst.) 168.
einweder 188.
frummen 81.
biti s6.
end 8, 184.
fand und geverd yö
brächet 14c;.
ender cjo.
fürdrungsbriej 147.
201
fiirkoinni Sy
fiiru'('ii(]('ii 6c).
fünvcrthiii 6i, n)S.
fiiriL'orl jS.
gale/'i' 144.
i^t\i:^U(' $2, 1S4.
gel) ah Ol s. 112.
igelten 124.
gen lieh tsame 10.
geschichl von ij, iSi.
geschikt (siihsl.) 41.
gesiebfig ir?, i^y.
gespons 66.
gestraJct und rageiiä 112.
getnrstig loi.
gezuare 46.
ge-ivißne 7^.
gnot und vast /;.
grußfani locj.
gut, ligent oder fü-
ren t 42.
harnnil) u, iSi.
bei Uli ich ip.
beiscben 2j.
beUiheit 1^4.
belliun 2(j.
binderwert t]).
bin seilen 102.
hochiit 4S.
boßiigu'en 4S.
bogreeht ISS-
biitte i^)().
ielieh jcS'.
inshihen -je).
iseb iinwr I. froiven
q4.
jariit 168.
/och po.
ketglen j^().
kein ip, i)S, 182.
kilchenl icher loi.
bil ebber i loy.
kJegd yi.
komlich ^o.
komlichbeit 10.
hropfecht i^j.
hiniherUcb 112, jc)6.
hitibüt 60.
liden j.
/i den blieb 40.
lidigen ^4.
Idißich ^;.
losen 7^.
lüejen 126.
Ii'nnde 100.
lUaletx_ig KJ.
indnsch/n 126.
niase j6j.
nießacbel ^8.
niiiuu\eicJ)en ig/,
nnirinien i^ij.
lieninien 59.
nihuhnicb J5?,
Offnen 7/.
orienal 88.
ortstein ^8.
pateu 14}.
pen 48.
porküche 84.
priniit-^ ;/.
Teichen Toy.
rente ^f.
richsnen 2.
richtnng rjj.
Sägen 4), 184.
samnung ^8.
schalle ^88.
schämig iio.
schiken ^4.
sclmpoße 124.
Sechen (snhst.) j6.
Segen, sant Johanns 14^.
seiger et e ß^.
sihcnde, der 168.
siechtag 46.
sinwel J2.
sod 112.
Stande ^8.
stat 12.
Stehler 8i).
stolc j6i).
stol s6.
straf 4.
li'trstent icjo.
Überkonten 8.
iiß-edlicb 12J.
nnargwenig 6i.
nnderstan s. 142.
uiifur 161.
nngeschaffen 126.
nngeschiht von T12.
un gesiebt ig J97.
ungeüeht 184, 79,/.
usricbten 61.
Vallende, das rj;.
vech 6)1).
vederspii jo.
veißolgen in, ^7. iiS'9,
verjehen 2c).
verligen s. 9^.
verniitigen 67.
verreren ipß.
202
verrichten 1^4.
verschinen ly, lyi.
versechen 8j.
versprechen s. 6cf.
verwachsen ^j.
verTJehen 14^.
ver^ihen i^.
vierschröt 1^4.
tnli iSy.
vin^ erlin 2/.
vorsah ^8.
Walen ijc^.
war 7J.
lueidnie j;o.
luerinen 18^.
widern _?/,
widmen ^j. ^
wislos 14.
wonschaft 184.
uiort:{eichen 46.
lunchemueril tj2.
:<ielge so.
lergengcn i^y.
Xit i2y.
glicht ^4.
fügsame i^^.
lühinft 29.
luveJie 81.
i^wigen 184.
^luingflJf 144.
^wiirent j8.
Verbesserungen und Zusätze.
XXVII Anm. 2 : Gclpke, die christl. Sagengeschichte der Schweiz
1862, p. 32 u. ff.
34 sind die Ziffern der Noten je um eine Zahl zurückzusetzen. ;
62, 19 statt des handschriftl. von sitten I. und sitten.
128 Anm. Z. I V. u. st. hohiu 1, höhiii.
145, 6 st. widigen 1. wirdigen.
163, 18 St. hilchherren 1. Icilchherren.
169, 12 St. des handschriftl. wie das denn gut geheißen 1. wie
denn das gut geheißen,
p. 174 Anm. Z. II V. u. st. flecterunt 1. steteriint.
Ebendaselbst Z. 10 v. u. füge hinzu: ActafimdationisMurensismona-
sterii und GesrhicJjfsfreiind ¥,,274.
umm
'^•p
^^.
:--l ^4
«. r