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DIE UMDEUTSCHUNG FREMDER WÖRTER.
VON
WILHELM WACKERNAGEL.
BASEL,
SCHWEIGHAUSERIBCHE UNIVERSIT-ETS-BüCHDRUCKEREI.
1861.
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Die Germanischen Völker sind in Zeit und Raum Nachfolger der Rcemer, Nachbarn
der Romanen. Ihre Neigung aber sich allem Fremden zu erschliessen und noch mehr die
Art, in welcher sie all das Fremde sich aneignen, hat sie aus Nachfolgern zu Erben
werden lassen und sie, die vordem in den äussersten Umkreisen gestanden, hoch auf den
Mittelpunkt der neueren Geschichte hingestellt: noch immer ist Deutschland das schlagende
Herz Europas, das von überall her Leben empfängt und überall hin Leben spendet, wo
nicht in anderen Dingen, doch in Dingen des Geistes.
Die Einflüsse, die von Rom, dann von der Romanischen Welt aus den Germanen
berührten, und die er nicht zurückweisen konnte ohne zugleich jegliche Bildung stumpf
zurückzuweisen (denn auf ihrer Stroemung kam ihm der christliche Glaube, kamen Wissen-
schaft und Kunst und Ritterthum und sonst noch wie viele und reiche Veredlung und
Ausschmückung des Lebens), sie hätten doch nicht so befruchtend und erhebend zu wir-
ken vermocht, wenn nicht bis tief in das Mittelalter herab der Deutsche Geist es verstan-
den hätte das von aussen ihm gebotene alsobald selbständig fortzubilden , zu entwickeln ,
zu vollenden, das Undeutsche allmählich in ein Deutsches umzugestalten. Beispiele giebt,
um nur in naheliegende Gebiete den Blick zu werfen , die Geschichte unsrer alten Bau-
kunst in den Fortschritten von den Basiliken Roms bis zum Dom von Köln, die der Vers-
kunst in dem Gange des Strophenbaus von der einfach kirchlichen Form, die Otfried nach-
ahmt, bis zu den Ueberkünstelungen der Meistersänger, und in der Umdeutschung antiker
Maasse durch Sylbenzaehlung und Reim, die noch dem sechzehnten Jahrhundert natürlich
schien; eines der augenfälligsten, freilich uns jetzt stoerend, ist die Naivitaet, womit Malerei
und Poesie sich über alles geschichtliche Costüm hinwegsetzten, Alexander und Caesar ganz
den Helden der eigenen Zeit und ihrer Romane gleich und die Göttinn der Liebe zu
einer Frau Minne machten.
Seitdem sich aber diesem unablässigen Fortleben und Fortwachsen die Renaissance
mit plötzlicher Hemmung in den Weg gestellt , von dieser in Wissenschaft und Kunst und
allem Leben entscheidenden Wendung an die ganze nachmittelalterliche Zeit hindurch
verhält sich der deutsche Geist nicht mehr so schöpferisch gegen das Vorzeitliche und
Fremde: an die Stelle selbstthsetiger Aneignung ist die Nachahmung getreten, die sich
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des Selbst und seiner Thaetigkeit moeglichst entäussert, die mit gewissenhafter Objectivitaet
in fremde Form, fremde Anschauung, ja sogar hier auf die Fortentwickelung verzichtend,
zurück in die eigene Vorzeit wie in ein Fremdes sich versetzt. Die Kunst, dichtende wie
bildende, ist gelehrt geworden: die Gelehrsamkeit aber in ihrer Entfremdung von der
Kirche steht ausserhalb des Volkes und wirkt auf dessen organische Lebensentwickelung
öfter stoerend und verfälschend als fördernd ein.
Dieser Gang und Stand der Dinge tritt uns namentlich auch da und besonders klar
entgegen, wo die Geschichte unserer Sprache, dieser Hauptausschnitt unsrer Volksgeschichte,
die Beziehungen zwischen Deutschland und Ausland, zwischen Gegenwart und Vorzeil dar-
zustellen hat.
Indem ich somit von dem sprachlichen Verhalten gegenüber der Fremde handeln will,
denke ich nicht sowohl an das, was die Stylistik Barbarismus nennt, nicht an jene ganz
mechanisch äusserliche Sprachenmischung, die zum Schaden der Latinitset unsre ältesten
Kechtsaufzeichnungen durch den Gebrauch deutscher Wörter mitten im Latein verschuldet
haben, dann noch anhaltender und mannigfacher zum Schaden der Deutschheit die Ge-
lehrsamkeit des zehnten, des elften, des sechzehnten, des siebzehnten Jahrhunderts durch
lateinische, die hcefische Schoenthuerei des dreizehnten und des siebzehnten durch welsche
Wörter in sonst doch deutscher Bede. Denn alles das sammt der halb bewussten, halb
unbewussten Ironisierung, welche die Lieder aus abwechselnd lateinischen und deutschen
Versen und die s. g. macaronischen Gedichte dagegen wandten , alles das war eben nur
Sache des Stiles, nicht der Sprache selbst. Zwar kann sogar innerhalb dieses Unge-
schmackes das Verfahren des Mittelalters als ein noch gesunderes deutscheres und das der
spaeteren Zeit als ein pedantisch gänzlich undeutsches unterschieden werden , wenn z. B.
um das Jahr 1000 Sanctgallische Schriftsteller die lateinischen Worte, die sie einmischen,
in dem Geschlecht der entsprechenden deutschen verstehn und demgemajss construieren,
dagegen Schriftsteller des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts um der lateinischen
Worte willen auch die damit verbundenen deutschen sich lateinisch denken, wenn also
jene dero numero und demo plebe sagen , weil zala weiblich, Hut männlich ist, diese dagegen
ohne Christo, bei Cannas, weil ohne auf Lateinisch sine, bei apud heisst. Aber den Kern
des Sprachlebens und damit das Leben des Volkes berühren solche Aussendinge nicht: sie
hängen sich an, sie fallen ab mit den wechselnden Zuständen der Litteratur und der Ge-
sellschaft. Was ihn berührt, ist die wirkliche und eigentliche Aufnahme fremder Wörter
in den Kreis der deutschen, die Verpflanzung solcher in deutschen Boden, die Einverleibung
in den deutschen Sprachorganismus. Allerdings jedoch stehn, wie wir gleich gewahren
werden, jene Barbarismen der Litteratur und diese Aneignungen der Sprache jedesmal in
einem sehr natürlichen Zusammenhange.
Die Wanderung durch Finnisches Gebiet, dann die Niederlassung mitteninne zwischen
Celten und Slaven hat schon in den frühesten und theilweis noch in spaeteren Zeiten die
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Sprachen dieser Völker auf die der Germanen einwirken lassen, doch überall nur mit
Abgabe weniger einzelner Wörter wie der finnischen kuha Gold und miekka Schwert, die nun
auf Gothisch gullh und meki lauten *■', der slavischen knut Knute und smokva Feige, auf Go-
thisch hnulhö und smakka2, der litthauischen pals Herr und stiklas, slavisch stklo Glas, auf
Gothisch fath und slikl Becher, des celtischen ambactus Diener, auf Gothisch andbaht, auf
Althochdeutsch ampaht. Denn es waren das zum Theil nicht einmal Culturvölker, und
jedesfalls kam diejenige Cultur, der das Gemüth der Germanen sich ahnungsvoll entgegen-
sehnle, von ihrer keinem. Ich meine die Bildung durch das Christenthum, dem man das
eine Verdienst doch lassen wird, dass es unsre Vaeter mit dem Lateinischen und Griechi-
schen naeher vertraut und mit einem besseren Anbau des Bodens und mancherlei Gewerben
bekannt gemacht hat.
Der ruhig dauernde Bezug, in welchen der neue Glaube die germanischen Völker
zu den Völkern des Südens und Westens brachte, öffnete sofort auch ihre Sprache einer
breiten, tiefen, nachhaltigen, bis auf den heutigen Tag noch andauernden Einwirkung
der Sprachen jener, der lateinischen, die zumal noch in den Büchern und den Schulen
lebte, der romanischen, die für das Leben ausserhalb an den Platz der lateinischen rückte,
der griechischen, soweit deren Einwirkung durch das Latein vermittelt ward: denn un-
mittelbar ist das alte Griechisch kaum an irgend ein nachrcemisches Volk Europas gelangt,
kaum selbst an die Gothen trotz ihrer Bibelübersetzung aus griechischen Texten, und
unsre Philologen thun ein Unrecht, wenn sie z. B. in der Aussprache und Schreibung
griechischer Namen bemüht sind die alten Spuren jenes geschichtlichen Ganges auszu-
wischen.
Ein breiter, tiefer, nachhalliger Einfluss: denn im Geleit und in weiterer Nachfolge
der Bekehrung, im Verlaufe des Mittelalters und noch der spaeleren Zeit trat eine je und
je noch wachsende Fülle neuer fremder Begriffe und damit auch neuer fremder Worte
in den Bereich des deutschen Lebens ein, Worte der Kirche, der Kunst, der Wissen-
schaft, des Bodenbaues, des Gewerbes, des Handels, des Kriegswesens; und war auch
ein Begriff nicht völlig neu, so empfieng und lernte man doch jetzt die Sache in einer
vordem nicht so gekannten Vollkommenheit und durfte deshalb wohl neben das gothische
ISki, althochdeutsch lächi und allgemach an dessen Stelle das griechisch-lateinische arzät
d.h. archiater stellen, neben goth. vreitan allhochd. rizan nun scribere scripan, neben trola
nun auch calcatorium calcatürä Kelter und pressa und torcular torkul. Oder war auch der
1 Ueber noch andre vgl. JGrimm in Hosfers Zeitschrift drangen, vertauschte man zuerst dort das deutsche
für d. Wissenschaft d. Sprache I, 19 fgg. und den Ul- marke gegen das slavische graniza Grenze, im 14ten
filas von Gabelentz u. Loebe II, 2, 4. Jahrh. grenitz. Hievon also kann unser alamannisches
2 Vgl. JGrimm in der Vorrede zu "VVuks Stephano- Nachbardorf Crenzach oder Grenzach nicht den Namen
witsch Serbischer Grammatik S. II; Schaffariks Slaw. tragen (die Erklärung Dumbecks, Geographia pago-
Alterthümer I, 429; Ulfilas II, 1, IX. Spalter im Mit- rum cisrhenanorum pg. 3), zumal es nicht immer so
telalter, als deutsche Anpflanzungen neu gegen Osten wie jetzt an einer Grenze gelegen hat.
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Begriff ein allgewohnter, so schmeichelte sich doch das Wort durch seine Neuheit, durch
den ungewohnten Klang und Wohlklang ein, und namentlich gerieth in das Deutsche
derer, denen der häufige Gebrauch einer fremden Sprache Beruf oder Liebhaberei war,
von daher manch ein unnützes Fremdwort und gerieth durch ihr Beispiel auch noch weiter.
Und all diese Einführungen hielten Schritt mit dem vorher schon bezeichneten Stufengang
des s. g. Barbarismus: denn im früheren Mittelalter war es die Kirche und ihre lateinische
Bildung, im spaeleren das französisch gestaltete Ritterwesen, in der neueren Zeit Pedanterei
und Hofdienst neben einander, was mit Lateinischem, mit Franzcesischem , mit Lateinischem
und Franzoesischem unser Deutsch zugleich verderben und bereichern sollte.
Auf eigenthümliche Weise haben das dreizehnte und das sechzehnte Jahrhundert die
Bereicherung getrieben, indem jenes zu der Ueberlragung franzoesischer, diess zu der
Uebertragung lateinischer Bildungsweisen auf deutsche Worte den ersten Ton anschlug,
Tcene die beide heut noch forlklingen, jenes mit Ausdrücken wie jegerle und wandelieren,
dieses z. B. mit den lateinischen Endungen deulscher Namen, so dass noch wir jetzt Froben
und Reuchlin und lutherisch sprechen, weil man vormals Frobenius und Reuchlinus und
Lutherus gesprochen hat. Ich weiss nicht, ob dergleichen Mischung deutschen Beginns
und fremden Schlusses slaets mit Bewusstsein und Absicht ist geübt worden: dafür sind die
Fälle beinah zu zahlreich und hat die ganze Unart sich auch zu weit und zu mannigfaltig
gerade in der niederen Rede ausgebreitet; wenn jener Prediger von einem treuen Bekenner
des Christeuthi sprach, so war wenigstens er sich keines Unterschiedes mehr zwischen
Deutschem und Lateinischem bewusst.
Auf dem deutschen Standpunkt der Betrachtung, auf Seiten des Volkes hat ein Be-
wusstsein, das in diesen Dingen unterschieden hätte, jedesfalls Jahrhunderte lang geman-
gelt. Vom Golhischen an das Mittelalter hindurch und noch jetzt in der halbmittelalter-
lichen Sprache des gemeinen Mannes gilt gegenüber den fremden Worten jenes Verhalten,
das ich mir erlaube I'mdeutschung zu nennen: das heisst, es werden die fremden Worte
in Vocalen und Consonanten eben den Gesetzen fortschreitender Entwickelung unterworfen,
die für deutsche bestehn; sie werden betont wie deutsche, werden mit deutscher Flexion,
deutscher Ableitung bekleidet, werden durch Zusammensetzung mit deutschen Synonymen
verständlicher gemacht, werden endlich durch bald leisere, bald stärkere Aenderung ihrer
Gestalt in den Anklang an wirklich deutsche Wurzeln und in deutsche Begriffsanschau-
lichkeit hereingezogen: zum Theil das die gleichen Wege, welche die Sprache einschlagt
um auch ältere deutsche Worte, deren Sinn unkenntlich geworden ist, wieder aufzufrischen.
Wie da z. B. Luthers Sindflut ganz treffend sich in Sündflut umgeformt und Mal sich
neu verdeutlicht hat durch die Zusammensetzung Malzeichen, so verdeutlicht sich im Munde
der Thüringer das franzoesische lavoir durch die Zusammensetzung Waschlavör und das grie-
chisch-lateinische margarita formt sich althochdeutsch in marikreoz, angelsächsisch in me-
regreot d. i. Meerkies um.
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Derartige Erneuerung alter und Aneignung fremder Worte, beides ist auch anderen
Sprachen wohl bekannt: jene z. B. der lateinischen, wenn sie die Schlaefe tempora nennt,
waehrend das Wort ursprünglich eine Zusammensetzung aus einem Adjectivum wie tenuis
und einem Subst. wie griech. naoncc muss gewesen sein (vgl. den althochdeutschen Namen
duniwangi) , und der altfranzeesischen und der spanischen, wenn ihnen aus luscimola roi-
signor und ruisennor hervorgeht; diese der italienischen , deren Umbildungen inchiostro
und schiavino dem griechischen tyxavGrov einen Bezug auf chiostro Kloster, dem deutsch-
laleinischen scabinus auf schiavo Sclave geben; der lateinischen, die gleichartig mit den
Worten pictura und sculptura auch ein architectura von ctQxirixrwv bildet, aus ÖQttxciÄxos
aurichalcum, und im Mittelalter aus pascha pascua macht; der griechischen, die ebenso das
hebraeische Jeruschalajim als 'hgoaÖAvjua, das Sanhedrin als GVPtdQiov sich zurechtlegt.
Aber der neueren Zeit und trotz so classischen Beispielen gerade den Gelehrten der-
selben ist solch ein fortarbeilender Lebenstrieb der Sprache nur ein Aergerniss: unser
Schriftdeutsch, wo es selber frisch aus der Fremde entlehnt, ändert an dem Entlehnten
bei Leibe nichts, und der Umdeutschungen, die von Alters her auf sie gekommen sind,
sucht sie wo moeglich wieder los zu werden , sucht wo meeglich im Laut, im Ton , zum
mindesten doch in der Schreibung die fremde Urform wieder herzustellen. Wie es indess
jenen Pedanten gehl, die mit halbangeflogener Kenntniss des Altdeutschen unser Neudeutsch
meistern, die uns wieder eine Sindflut aufdrängen wollen und dabei übersehen, dass auch
dieses noch nicht die echte rechte Form ist, sondern Sinflut (sin s. v. a. überall oder
immer), nicht anders den gelehrten Gegnern der Umdeutschung: es ist meistens doch nur
Stückwerk, was sie uns liefern und geliefert haben. Allerdings stehen Dom und Grieche
und Märtyrer und Papst in Laut oder Buchstaben wieder naeher bei domus und Grcecus
und pxägruQ und papa oder ndnar« als die älteren Formen 77t um und Kriech und Märterer
und die andre Schreibung Pabst denselben stehen: aber immer noch ist Dorn ein Mascu-
linum und hat Grieche ein unlateinisches ch, hat Papst einen ungriechischen Ausgang und
Märtyrer ausserdem noch einen Umlaut, der ungriechisch ist. Es dünkt dem Pedanten
ein Grosses, wenn er ausfindig macht, man dürfe nicht Araber betonen, weil es ja auf
Lateinisch Arabs Arabis heisse: von Hunderten ganz gleichartiger Fälle und neben den andern,
welche diesem zu allernächst liegen, sticht er sich den einen allein heraus und betont
'Araber und betont dennoch selbst arabisch und nennt sich auch nicht Philologe.
Es soll mich freuen, wenn der bisher vorgetragenen oder besserer Gründe wegen die
Umdeutschümj fremder Wörter auch Anderen als ein Gegenstand erscheint, der sowohl
für die Geschichte der Sprache selbst als durch seinen parallelen Bezug auf die Culturge-
schichte von Bedeutung sei. Die nachfolgenden Blätter werden eine Erörterung desselben
versuchen, oder vielmehr nur den Entwurf einer Erörterung: denn die Fülle des Stoffes
noethigt mich die Schranken enger, als ich eigentlich sollte, zu ziehen und die Belege
allein aus dem gothischen und unsrem hochdeutschen Gebiete zu entnehmen, noethigt mich
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auch zu einer oft mehr als lexicographischcn Kürze und Dürre der Darstellung. Der Po-
lemik aber, die wiederholendlich in aller Weitläuftigkeit Anlass fände, würde ich auch
unter anderen Umständen mich enthalten.
Mit dem heutigen Festtage des Paedagogiums scheidet ein vieljaehriger verehrter Lehrer
aus dem Kreis seiner Schüler und Amtsgenossen und ein neuer tritt an seine Stelle und
sieht die Verehrung Aller sich entgegenkommen: wolle der eine und der andre diese
Blätter, mit denen der Lehrer der Deutschen Sprache sein Gebiet an das ihrige, das grie-
chisch-lateinische, anzuknüpfen unternimmt, freundlich als einen Festgruss empfangen,
als einen Gruss hier des Willkommens, dort des Abschiedes.
I. DIE CONSONANTEN.
Als unsre Sprache von der Stufe des Germanisch-Gothischen, einem Standpunkt auf
welchem die sächsischen und die scandinavischen Sprachen sich heute noch befinden,
zuerst in das Hochdeutsch übergieng, wurden die stummen Consonanten einem allgemeinen
Gesetze nach in der Art umgeändert, dass für die Tenuis eines Organs dessen Aspirata,
für die Aspirata die Media, für die Media die Tenuis eintrat: das goth. slepan lautete nun
släfan, timan zeman, kuni chunni , af aba, thaurnus dorn, ahana agana, blöma pluomo, dail
teil, liugan liukan.
Diese durchgreifende Wendung hat sich im Verlauf des siebenten Jahrhunderts ent-
wickelt. Gregor von Tours (j 594) schreibt noch IX, 36 und X, 19 Strataburgum Strate-
burgum mit t, mit b, mit g, eben wie die Provinzenverzeichnisse bei Bouquet II, 2 u. 9
Strateburgo; die Wessobrunner Glossen des achten zeigen bereits Strazpuruc, also z und p
und c: mitten inne im siebenten bei dem Geographen von Ravenna 231, 7 u. 232, 2
hat Stratisburgo noch die vorhochdeutschen Laute, und das z in Brezecha Breisach und
Bazcla 231, 9. 10 ist noch das säuselnd weiche der Gothen, die Vermittelung zwischen s
und r: aber schon auch aspiriert derselbe 232, 5 Taberna in Ziaberna, 232, 11 Turicum
in Ziurichi, 231, 6 Porta in Porza. l
Es besitzt aber unsre Sprache durch Urverwandtschaft zahlreiche Worte gemein mit
der griechischen und lateinischen, und diese machen den Parallelismus der Lautverschie-
bung voll, indem sie derselben noch eine Stufe mehr hinzufügen. Der pelasgischen Tenuis
solcher steht im Gothischen u. s. f. die Aspirata, im Althochdeutschen mithin die Media
gegenüber, der Media die Tenuis und die Aspirata, der Aspirata die Media und die Te-
1 Die Schreibungen Ziaberna und Ziurichi weisen darauf sazjan setzen , sJcapjan scafjan schepfen , vakjan wach-
hin, dass auch im Anlaut der Uebergang von t in z jan wecken die schärfende und verhärtende Wirkung
von der Beimischung des Vocales sei begleitet gewe- übte. Das althochd. zatarra meretrix ist wohl aus thea-
sen, der inlautend im lat. leetio, im deutschen satjan trica, zu dessen Glossierung es einmal dient, entstanden.
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nuis: z. B. tacere, golh. thahan, althochd. dagen; cvgßi], turba, g. thaurp, ahd. dorf; rsyog,
tego, altnord. thak, ahd. dach; dens dentis, odovg oSövrog, g. tunthus, ahd. zand; tqs/sip
e>ga, trahere, g. dragan, ahd. trakan; betere, ßaröv, angelsächs. padh, ahd. pliad; (prjyög,
fagus, g. bdka, ahd. puocha; (ppdriop, frater, g. bröthar, ahd. pruodar; hrndus, g. gaitci,
ahd. fcet'z.
So hei Worten, die der deutschen Sprache aus dem gleichen Urquell mit den beiden
pelasgischen zugeflossen sind: nicht so bei denen, die sie erst spaeter aus letzteren entlehnt
hat. Hier hält das Gothische, hält das alte Hochdeutsch grundsätzlich wie das neuere
den fremden Laut, der ihm vorliegt, fest, und die Tenuis z. B. geht nicht in die Aspirata
noch die Media über, sie bleibt. Abgewichen davon wird nur, wo die Sprache zur Ab-
weichung ncethigt. Das Gothische besass wohl auch ein &, aber kein <p, kein /: es ver-
tauschte gleich der niederen und der alten Latiniteet jenes gegen f, diess gegen k oder
einfach h: praufäus, drakma, oqvxiJ aurahjö. Es besass kein z mit dem harten Laute
wie ts: wo in lateinischen Worten c und ti diesen Zischlaut hatten (und sie hatten unter
denselben Umständen wie spaeter ihn schon damals), da ward er entweder in ts aufgebest,
cautio in kavtsjö, oder noch lieber folgte man bloss dem Buchstaben und sprach und schrieb
wie die Griechen auch vor e und i ein k, auch vor j ein t: also acetumakeit, uncia unkja,
lectio laiktjö. Lnncethig, da g dem Gothischen nicht fehlte, scheint die Aenderung von
rgctixög Grwcus in Krek, von juaQyceQirijg in markreitus: hier mag sich g nur auf Anlass
des folgenden c und l verhärtet haben: der Gothe liebte und übte die Assimilation in
mannigfachster Art: machte er doch selbst aus ceAdßaargog alabalstraun, aus t4ora§ep^s
Artarksairksus. Sonst dagegen bleiben die griechisch -lateinischen Consonanten, bleiben
p und f und b, t und th und d, und c und g unangetastet, und es heisst wie pondus,
7TQO(piJTt]g, cubitus, aäßßarov, S-v/uiccua, SidßoAog, carcer, äyysXog so nun auch im
Gothischen pund, praufetus, kubitus, sabbatus, thymiama, diabulus, karkara, aggilus.
Gleiches Verfahren im Hochdeutschen, wo zuerst diess ein fremdes Wort in sich auf-
nahm: also gradus wiederum gräd, capitale capital, und da nun auch das Deutsche den Z-Laut
hatte, lectio leczä, cella zella, merx mercis merz. Nur ward im Althochdeutschen ca u.dgl.
noch lieber gegen cha, das Gegenbild auch des gothischen ka, vertauscht: k stand im Hoch-
deutschen selbst nicht fest genug: es wechselte, wie es auf ein gothisches g gefolgt war,
auch jetzt noch gern mit diesem Consonanten ab, kankan z. B. mit gangan: also capella
chappella, crux crucis chrüzi. Z aber war die Aspiration von t, ein eigenes th daneben
kannte die deutsche Zunge nicht mehr, im Griechisch-Lateinischen selber fasste man jetzt
th als ein blosses t auf, für strutio d. i. struthio schrieb man sogar strucio: auf Deutsch
also wiederum strüz.
Waren jedoch die fremden Worte schon in der vorhochdeutschen Zeit, schon auf
der Stufe des Gothischen in die Sprache herübergenommen, dann wurden sie auch im
Hochdeutschen ganz so behandelt, als ob sie überliefert deutsche wseren, und unterlagen
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derselben Lautverschiebung: weil bereits der Gothe aus ndnag sein papa, aus vidua viduvö
gemacht, machte man nun wieder hieraus phaffo und wituwä, wie aus den schon ursprüng-
lich deutschen hlaupan und dauhtar hloufan und tohtar. Hiemit denn endlich war die volle
Aneignung und Umdeutschung des Fremden eingetreten, und verschont davon blieben
hcechstens die Personennamen, deren Urform in beständiger Gegenwart vor Augen lag.
Es moege nunmehr ein Verzeichniss von Beispielen für diess zwiefache Verhalten zu-
sammengestellt werden, mit der Bevorzugung der althochdeutschen Worte und Formen
vor den mittel- und neuhochdeutschen, die sieh gebührt. Ich beginne bei den Lippen-
lauten und hier wie überall mit denjenigen Fällen, wo das griechische oder lateinische
Wort bereits im Gothischen vorkommt und deshalb, wenn es in das Hochdeulsch übertritt,
seine Gestalt verändert.
LIPPENLAUTE.
Griechisch lateinisch gothisch P wird auf Hochdeutsch im Anlaut ph d. h. pf, ebenso
hinter Consonanten, hinter Vocalen dagegen in der Regel einfach f: derselbe Wechsel des
verdickten und des reineren Lautes, dem wir wiederum bei z und bei ch begegnen werden.
Kapillön von capillare s.v.a. xtigtiv hat nur das Gothische; auch hochdeutsch geworden
sind zunächst ndnag papa phaffo, pondus pund phunt, caupo kaupön clioufön und atvctm
siuap senaf. Nur im Hochdeutschen nachweisbar, aber, wie die Form uns zeigt, schon
früher entlehnt (ich übergehe all die vielen Beispiele, die weiterhin noch sonst ihre An-
führung fordern) pactum phaht Gesetz nebst dem bloss mittel- uud ueuhochd. Zeitwort
pfehlen pfechteti visieren, palus phal, persicum phersich, pipare mittellat. pipa phlfä, pipita
aus pituita (Diez Wörterb. 267) phiphiz, pilum phil, nsjunri] mhd. phinztac Donnerstag,
pistor phister, planta phlanzä, porticus phorzich, postis phost , prnpago phrofa Pfropfreis,
capsa chafsa, campus champh, cuppa choph Becher, cuprum chuphar; in apiam epphi ist d;is
regelgemaesse f nur durch das i so verhärtet. Bekanntlich aber giebt und gab es Mund-
arten, die pf überall in f zu vereinfachen lieben, und so erscheinen denn die meisten
dieser Worte auch in solcher Umgestaltung und pressa fressa Druck, mittellat. punga fuiitj
Beutel allein so: gothisch hiess es pügg. Wenn aber aus piscina der Ortsname Fischine,
aus piscalio fischenze wird, so ist damit das fremde Wort piscis geradezu in das nahlie-
gende deutsche übertragen. Wieder andere Mundarten hallen überall und so auch hier
das gothische p fest ohne bis zum ph fortzuschreiten1 Otfried sagt z. B. porzih wie päd;
neben cuppa chuppha Mütze tritt chuppa, neben pluma pßümfedera auch plumatium ph'unaz
Federkissen auf, neben porrum phorro auch porro, neben plaga pläga erst im Mittelhochd.
und seltener pfläge; phaht ist im Neuhochdeutschen gegen Pacht, phiphiz gegen Pips auf-
gegeben. Zu unterscheiden von solchen mundartlich begründeten oder durch mundartliches
Beispiel veranlassten Nebenformen sind nun diejenigen Fälle, in denen sich niemals ph,
staets nur p zeigt: das sind dann Worte, deren Entlehnung nicht über die hochdeutsche Stufe
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«
zurückgeht, wie pes pedis peda, wie prösä, capital, chappella, oder die, wenn auch schon
früher entlehnt, doch wieder in Vergessenheit gerathen waren, wie purpura goth. paurpura
ahd. purpurä, scorpio goth. skaurpjö ahd. scorpjo scorpo, 7iQO(prjrri<i g. praufetus und erst
im Mittelhochdeutschen wieder (vorher halte man wlzago gesagt) prophete. Hauptmerkmal
dessen, dass solche Worte jetzt erst aufgenommen worden, ist das in ihnen wie in rein
deutschen ganz gewoehuliche Schwanken des Anlautes zwischen p und b, zwischen dem
streng althochdeutschen Consonanten und dem, der im Gothischen ihm vorangegangen war
und wieder auch im Mittelhochdeutschen folgen sollte. Also populus pappula und bapilla
Stockrose, paradis und mhd. auch baradis, pix pech und bech, portus port mhd. porte und
borte, pumex pumiz und mhd. bimz. Und endlich. Mehrere Wörter mit p sind schon auf
der gothischen Stufe in unsre Sprache eingetreten und haben dann auf der hochdeutschen
statt des p ein ph oder f erhalten und sind noch einmal eingetreten auf der hochdeutschen
und haben da den Consonanten etwa nur gegen b vertauscht: nccQoixia parochia pharra
und parrechare Pfarrangehceriger; nixakov petalum fedelgold und pcdalä bedelä; pcena pina
blna mit dem Zeitworte phinön und pinön binön; (phressa) fressa und das Zeitw. pressön
bressön; puteus phuzzi fuzze und puzza buzza; ftActrvs nkaxila platea, franz. plat, goth.
platja oder plati Strasse, ahd. flaz und mhd. plat blat flach, flazzi geebneter Boden und plattä
blattä Platte; capa gaphä caffä und chappa; capo cappho und chappo. Die Moeglichkeit solch
einer zweimaligen Einführung und des Nebeneinanderbestehens zwiefacher Formen wird
bestätigt, wenn wir zu flazzi noch unser Platz kommen sehen, vom franz. place d. h.
wiederum platea, oder zum ahd. phalanza falanza palinza von palatium das mhd. palas
von palais. Dass aber pepo (phebeno) Pfeben bloss das erste p verschiebt, wird Sache des
Wohllautes sein wie in phepis, einer Nebenform zu phiphiz; ausserdem auch hier die Fest-
haltung beider p in pepano bebeno.
Griechisch lateinisch gothisch F: faskja, praufetus. Statt der Media b, die im Althoch-
deutschen hierauf folgen sollte, zeigt dasselbe in eignen und ebenso in fremden Worten
als Inlaut meist nur ein erweichtes f, ein v, als An- und Auslaut dagegen unverändert fl:
fäska oder fäski, falco falcho, fceniculum fenachal, filiolus fillöl, ccerefolium chervola, graphio
krävjo Graf, Stephanus mhd. Steven. Verleitet aber durch jene mundartliche Vereinfachung
des ph in f, springt zuweilen von dieser Seite her f in ph hinüber: es heisst auch phenichal,
cophinus chovina chofina und chophenna, mhd. auch philbl und phl neben fl franz. fi, phln
neben ßn fr. fin (lat. finis, finitus), phasant neben vasant fasän lat. phasianas, phlüm neben
flüme lat. flumen. Ebenso kommt unser Farn, lat. Favonius, althochdeutsch als Phönno vor,
und opharön von ojferre ist gebräuchlicher als offarön.
Notker und seine Schule brauchen v neben / auch im ■ seine Schwächung /, wie p und b, t und d, k und g:
Beginn der Worte, aber nicht wie die mittelhochdeutschen der härtere Laut steht hinter Interpunctionen und vollen
Schreiher nur als andre Bezeichnung des F- Lautes: Consonanten, der weichere hinter Vocalen und Liquiden.
/ und v sind ihnen ebenso verschieden^ wie ph und
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Griechisch lateinisch gothisch B: cumbere kumbjan, cubitus kubitus, cüßavov saban.
Wenn aber aus ßcciri] der Golhe nicht baita, sondern paida macht und sofort der Hoch-
deutsche pheit d. i. Rock oder Hemd, so haben hier beide Consonanten die Accentuierung
ausgetauscht: mit derselben Umstellung ist im Mittelhochd. biever aus ßeber lal. febris, im
Neuhochd. (Ösen aus döszen (mhd. diezen döz), im Griech. mda aus jusrä geworden und
sehnlich phedemo aus phebeno, bidemen aus bibenen, KaQ%r)8u>v aus Carthago. Im strengeren
Althochdeutschen rückt an die Stelle jenes b ein p: doch gilt daneben auch hier und gilt
im Mittelhochdeutschen allein der weichere Urlaut, neben sapon saban, neben alpäri albäri
wie ital. albaro; ebenso chorb lat. corbis, churbiz Cucurbita, buliz Pilz boletus. Das b vor l
im ahd. subtil lat. subtel d. i. sub talo (nach Papias s.v.a. ima pars pedis) mag doch als p
gesprochen worden sein: die Ableitung sufteläre * lat. subtalaris zeigt dessen regelrechte
Verschiebung in f.
ZUNGENLAUTE.
Griechisch lateinisch T bleibt im Gothischen, verwandelt sich aber, wenn die Worte
von der gothischen Stufe weiter rücken, althochdeutsch in z; Anfangs der Sylben und
nach Consonanten wird diess wie noch im Neuhochdeutschen, nach Vocaleu dagegen wie
sz ausgesprochen, das wir denn auch schreiben. Bloss dem Gothischen eigen ist kubitus;
auch ins Hochdeutsche gekommen sind catinus oder catillus katil chezzil, acetum akeit ezzich,
umgestellt aus echiz 2, militare g. militön und miles militis ahd. miliz, adßßarov sabbatus
sambaz in sambaztac 3 ; dazu strata (naeml. via) Strälaburg, ahd. sträza Sträzpuruc. Nur
mit hochdeutschem z vorliegend noch andre dergleichen Namen: Tarodunum Zartuna,
Tulbiacum Zulpicha, Turicum Zürich oder wie der Geographus Ravennas schreibt Ziurichi ,
und Metm Metis Meza. Ferner catus chazzä, stultus stolz, tributum tribüz: das erste t
wird hier nicht verschoben, da zr unsprechbar waere: auch die gothischen trauan trauen,
triggv treu, trimpan trampen, trudan treten ändern im Hochdeutschen ihren Anlaut
nicht. Jüngeren Alters in unsrer Sprache, da sie kein z auch wo es moeglich waere
zeigen, sind tunica tunicha und tunichön tünchen, turris turri turra turn, lectorium lector,
mantellum mantal, chrotta Art Harfe rottä. Zweimal entlehnt, da sie sowohl mit z als mit l
vorkommen, tabula zapal und tavalä nebst tabellä, taberna Ziabema Zaberna als Ortsname
und tavernä, talea zelga zella und zunaechst auf franz. taille beruhend das landschaftlich
neuhochdeutsche Teile Abgabe, tegula ziegal und tegel Tiegel, cutis cotta (Diez Wörterb. 1 1 5)
1 Das Unwort fustilare in Graffs Sprachschatz HI, 727 3 Einschaltung der Lippenliquida vor eine Lippenmuta
ist suftilare zu hessern. wie in trabea tremhil und wie noch öfter der Liquida
2 Doch könnte in ezzich das z auch aus dem c, das ich der Zunge vor deren Mutas : charadrius ital. calandra
aber ebenso aus it (acetum acitum) entstanden sein, mhd. galander, chamwdrys germandrie gamandre, red-
wie aus tapetum tepU und tepich geworden ist. Das dere rendre ahd. renton ; andere Beispiele, auch von
altsächs. ecid, angelsächs. eced muss auf acidum beruhen. nz für z werden spceter in Cap. VI gegeben werden.
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ahd. chozzä cuzin und mhd. kutte, mutare mtizön und muta g. möta ahd. müta Mauth, und
spella und spelza. Aus porta schon bei dem Geogr. Ravennas der Ortsname Porza, mit
p, nicht ph, wie auch spseter das Appellativum mundartlich zwischen phorze und porze
wechselt; daneben gänzlich unverschoben porta borta und beide Behandlungsweisen mischend
der gewöhnliche Ausdruck phorta. Kurt aber ist nur mitteldeutsche Nebenform von churz,
lat. curtus1.
Griechisch gothisches TU sollte im Hochdeutschen zu d werden: doch liegen uns ausser
thymiama keine gemeinsamen Worte vor, und diess eine, frisch entlehnt und Pflanzenname
geworden, lautet ahd. limiäm. Denn das Hochdeutsche nimmt solche th als t, thracius pan-
ther cithara als Iracisk pantel zitarä; ja diese Auffassung muss schon früher begonnen haben:
sonst hätte nicht aus tQtßiv&oq arawiz, aus mentha minzä, aus catharus mhd. ketzer, aus
thyrsus auch zers werden können. Ebenso scheint chrezzo, unverschoben chratto, nicht
von crates, sondern von calathus zu kommen: darauf führen die alten Glossare, die es mit
letzterem zusammenstellen. Thesaurus altsächs. tresur tresu ahd. treso triso entgeht dem z
durch diese Versetzung seines r 2.
Griechisch lateinisch gothisch D, hochdeutsch t: didßoAot; diabulus tiuval, vidua viduvö
wituwä, pondus pund phunt. Hiezu noch die hochdeutschen Umbildungen lateinisch-celtischer
Ortsnamen auf dumm d. i. Burg und Berg, wie Tarodunum Zartuna, Lugdunum Liutana,
Verdunum Wirtina; ferner delphinus roman. dalfin mhd. talfln, dama ahd. tänto, dictare tihtön,
discus tisc, domus tuom, draco tracho, durare mhd. türen, Carduus charto, candela chentila, modius
mutti, radix rätich, Rliodanus Roten, sedile satul. Mit beibehaltenem d und sonach jünger
damnare ßrdamnön, gradus gräd, kalendw kalend, modulus modul, pardus pardo, pes pedis
peda. Zweimalige Entlehnung: decima decimare techamön und dezemo dezemön, SccxrvÄog da-
ctylus mhd. tattel und nhd. Dachtel Ohrfeige; ebenso werden sich decanus techän techant und
dechän. dechent verhalten. Der Padus heisst ahd. Pfät, ich weiss nicht wie im Genitiv u. s. f.:
das Mittelhd. bildet denselben Pfades, wohl auf Anlass von pfat pfades.
KEHLLAUTE.
Griechisch lateinisch K und C. Wie schon bemerkt und erklaert worden, giebt das
Golhische überall, auch wo auf das c ein /-Laut folgt, diesen Consonanten mit k wieder,
also nicht bloss katil, kaupön, kavtsjö, kubitus, arka, laiktjo, sakkus, Gracus Krik, sondern
auch acetum akeit, carcer karkara, lucerna lukarn, urceus aurki, fascia faskja, uncia unkja,
wie xccTgccq oder ccesar kaisar. Im Hochdeutschen sodann tritt erstlich an die Stelle des c
vor a u. s. f. und vor Consonanten ein ch; das Mittel- und Neuhochdeutsche pflegt, wie
mundartlich auch schon früher geschehn, im Anlaut und nach Consonanten dafür bloss k
1 Die ältesten Denkmseler gewähren übrigens scurz und 2 In crocodilus mhd. kokodrüle kokatrüle hocheldritle
scurt mit ebensolchem Vorschlag eines * wie in merula ist das r nach hinten versetzt; der vollständigeren Form
mittellat. mirlus ahd. smirl, in porticus sportich und tresur vergleicht sich ahd. chlonachla aus chonachla
öfters auch in urverwandten Wörtern. lat. colueula.
— 14 —
zu setzen. So heisst es nun chezzil, choufön, archa, sach, Chriach; lekzä kommt nie mit eh
gesehrieben vor. Von gleicher Art calx chalch, carnarium charnäre, concha ital. cocca ahd. rhorho
Art Schill", fornax furnache, grammatica gramatich (die Schwaben sprechen noch so), laicus
leich, manica menichä, psittacus psüich, securus sichur, soccus soch; vor s und vor t wird diess cli
in h vereinfacht: buxus buhs, pyxis puhsa, exul ihsil, fructus fruht, dictare tihtön, tractare
irahtön. Folgt dagegen dem lat. c ein i oder e, so bleibt der Kehllaut, bleibt das ch nur
dann in Geltung, wenn die Worte schon auf jener früheren Stufe deutsch geworden sind,
wo das Deutsche selber noch kein z besass, springt aber auf die Zunge über und wird
ein 2, wenn sie erst auf der hochdeutschen sind entlehnt worden. Also wie im Gothischen
carcer charchäri, fäski oder fäska und vielleicht noch echiz ezzich; ebenso mit ch ceratum
oder cerata charz und cherzä, ccerefolium chervola, cicer oder cicera chichura{, xvqmxxov chi-
richä, cerasum chirsa, cista chista, Cancer chanchar, bacca bacinus (Diez Wörlerb. 35) peclün
Becken. Aber die überwiegende Mehrzahl solcher Worte ist von jüngerer Einführung und
zeigt desshalb ein z: cedrus zedarpoum, centaurea zenter, centenarius zenlenäri, cymbalum zimbala,
census zins, incensorium zinseri, cyparissus ziperboum neben cupressus cuprespoum, ccepulla
zipolla, cilhara zitarä, cancelli chanzella, calceus kolze, merx mercis merz, macellarius metzeler,
nux nucis nuz, pelliceum pelliz, pumex pumicis pumiz, Saracenus Sarz und Serzo (altnordisch
hiess es Serk) und neben jenem goth. aurkt nun nrceolus urzeöl und urzöl. Dazu kommen
noch diejenigen, die eigentlich ausgehn auf ti und ihi und te, in denen aber diese Laut-
verbindungen auch wie ci ausgesprochen wurden : Constanlia Chostanza, piscatio fischenze,
focus focacia fochanza Art Gebäck, lectio lekzä, martius marceo, palatium phalanza, prophetia
profezie, potio puzzä, puteus phuzzi und puzza, Rwlia Riez, struthio strüz, tertnts terze Fal-
kenart, Borbetomagus Wormatia Wormaza. Wenn endlich mehrere Worte mit beiderlei
Lauten des c abwechseln, so werden damit auch hier verschiedene Zeilstufen der Aneig-
nung kenntlich gemacht: cheisar wie goth. kaisar ist das ältere, Burclsara mhd. Porzlser d. h.
Porta Casaris, Name eines Pyrenseenpasses, erst das jüngere Wort; so ferner cellarium cliellüri
und cella zella2, der Ortsn. Winkela und mit Auffrischung des Sinnes (vini cella) Winzella;
circulus chirch in der Redensart umpi in durch, entstellt umpichirc umbih'rg , womit circum-
quaque übersetzt wird, und zirc Kreis, umbizirg, zirkil, circare zirkön; crucea chrucha und
crux crucis chrüzi3; decimare techamön und dezemön. Das Mittelhochdeutsche sagt luzerne (goth.
lukarn war vergessen) und nennt die Insel Cypern Kipper und Ziper : jenes ist KvnQog, diess
das lat. Cyprus.
1 Nach dem Sprachschatze von Graff IV, 1280 wsere cicer kill (Zelle und Kirche) gebildet: statt des ersteren fln-
auch in ziser verändert worden : aber in dem ange- det sich auch vurichilli.
führten Belege ziser cicer ist mit dem letzteren Wort 3 Der fremde Name des Kreuzes ist spaeter an die Deut-
wohl eher cicera d. i. sicera gemeint und ziser eine sehen gekommen als das Christenthum : die Gothen
Umstellung hievon. sagten dafür galga, und noch im Althochdeutschen und
2 Furichelli und witchelle, Uebersetzungen von vestihulum Altsächsischen sind galgo und ruodä d. i. Galgen, boum
und porticua, scheinen unter Einwirkung des irischen und treo d. i. Baum nicht minder geläufig als chrüzi.
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Das griechische CIl musste der Gothe in k abstumpfen: z. B Kristus1, Akaja, drakma,
paska; oder vereinfachen zu h wie in OQVxrj aurahjö. Im Hochdeutschen folgte ordnungs-
gemäss wieder ein ch, also Christ, und während aus »lonaclms der Gothe etwa munakus
gemacht hätte wie der Angelsachse inunec, sagte man ahd. munich; so auch xa^ög chamus
chänio, aurichalcum örchalch und nur mundartlich Krist, Mino, örcalc. Das Mittelhochdeutsche,
das nicht mehr chranz und starch, sondern kränz und starc aussprach, kehrte in eben die-
sen und anderen Worten zu der gothischen Tenuis zurück: kerubin, kör, patriarke.
Griechisch lateinisch gothisch G in synagoye, äyysAog aggilus, punga pugg, sigillum
sigljö und Eigennamen wie Gabriel; die Abweichungen Krek und markreitus sind schon
früher erwaehnt. Jenem Krek entspricht im Hochdeutschen Chriaeh; im Uebrigen gilt k oder
wieder g: angil, fung, sigillä, castigare castikön, gemtna kimina, graphio krävjo, gurgulio gur-
gula, bulga pulga, sagulum segal, strigilis strikil, tegula ziegal und tegel. Der diphthongie-
rende Uebergang von sagma in soum ist wie der aus goth. bagm in hochd. poum; dem
sehnlich tauschen augusto Augustmonat und Augustburg Augusburk in den mittelhochd. For-
men ouwest und Ouwesburc das g in w um.
HALBCONSONANTEN.
Die Halbconsonanlen berührt keine Lautverschiebung: vimim lautet auch im Goth. Win,
im Ahd. win, vannus velum pavo pulvinar vivarium auch ahd. wanna wil phäwo phuluwi
iciwäri; wiara Goldschmuck könnte aus viria umgestellt sein. Nur S giebt zu einigen Be-
merkungen Anlass. Satanas geht im Althochdeutschen auch auf z und, mitteldeutsch weiter
geführt, selbst auf t aus; mit derselben schon so frühzeitigen Vermischung von s und ax
scheint hochd. faz aus lat. vas entstanden 2 und haben die Niederdeutschen aus der Münz-
benennung grossus gros ihr gröt, aus franz. escosse ecosse von excutiare (Diez Wörterb. 601)
das nun auch hochdeutsche Schote, die Niederländer aus der glossa oder glöse des Sachsen-
spiegels einen cloit oder cloel gemacht. In umgekehrter Bichtung tritt öfters s ein, wo s
stehn sollte: cinnamömum sinnamin (zwischen zinnamin und uusrem Zimmet liegen im 16
und 17 Jahrh. Zinnainenl Zinement), mortarium morsäri, penicillus pensil, pipita phiphiz
und pßpfis.
II. DIE VOCALE.
Die Vocale sind von Natur flüssiger und flüchtiger als die Consonanten: deshalb auch
unterliegt bei ihnen, wo die Worte nicht selbst aus einheimischer Wurzel gewachsen sind,
1 Unzweifelhaft so, nicht Christus: das griechische X, 2 Innerhalb des Deutschen selbst ist dieses Wort ohne
das allerdings die Handschriften diesem Namen geben, Wurzel, wie es auch dem Gothischen noch gänzlich
gehoert nur zu der überlieferten Abkürzung, in welcher abgeht. Die Casseler Glossen gewsehren mit w die wie-
derselbe zugleich stsets erscheint: XS d. i. Kristus, der verschwundene Umdeutschung in wahs.
XAUS Kristaus u. s. f.
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weder Bestand noch Aenderung so durchgreifenden Gesetzen, als bei den Consonanten das
der Fall ist. Vorzüglich gilt das von den im Accent zurückgesetzten Schlusssylben: wir
werden späterhin sehn, durch welchen bunten Wechsel der Farben das Deutsche da die
überlieferten Formen spielen laesst. Um vieles fester stehn die betonten Vocale, und auch
für sie darf man als Grundsatz unsrer Sprache doch bezeichnen, dass sie nur da und nur so
verändre, wo und wie das eigene Wesen dazu ncelhigt.
Hauptbeispiel hievon ist die Behandlung der kurzen E und O. Beide Laute sind dem
Gothischen selbst noch unbekannt: seine eigenen c und o sind sämmtlich gedehnt. Wo ihm
nun € und o vorliegen, da treten, sobald die Sylbe tonlos ist, die zunaechst stehenden
kurzen i und u an deren Stelle, z. B. äyyiÄog aggilus; bei Betonung des Vocales wird nur
ein Wort so verwandelt, das schon ganz der Sprache eigen geworden, naemlich pondus
pund. Sonst aber, wo * und o betont sind oder wo auch unbetont, doch durch die min-
dere Geläufigkeit des Wortes in einem gehaltneren Vortrag ihres Lautes sicher gestellt,
sucht und findet sich das Gothische einen andren Ausweg. Bekanntlich ist ihm Gesetz,
dass betonte i und u, wenn ein h oder r darauf folgt, durch den in diesen Halbconso-
nanten enthaltenen Vocal diphthongiert, in ai und au verwandelt werden, wamrend unbe-
tonte wie in uh (que) und nih (neque) bestehen bleiben: demgemaess nun auch urreus
aurki , purpura paurpura. Nun konnte dem Gothen nicht entgehn, dass diese Diphthon-
gen in mehr als einem Wort den griechisch-lateinischen e und ö entsprechen: bairan
(fSQSiv, taihun Sixa decem, haurn cornu u. s. w. ; noch ihm unbekannt sein, dass ebensolche
e und ö auch in Mundarten anderer Deutschen vorkamen, aber da so wenig als in Ssxcc
und decem gebunden an ein nachfolgendes h oder r, ja dass da z. B. vor g dasselbe Wort
bald ein kurzes e aufwies, bald sogar auch den Diphthongen ai: bei Strabo VII, I, 4 wird
für 2ty£arrjg auch ^aiyiffr^g , für JSi-yljutjgog auch 2atyi/u>jQog, von den Byzantinern
theils rinedtg, theils rincciSsg oder r^nmSag geschrieben. Und das Gothische selbst
schon sagte Joint jener, nicht jins, trotz dem n, nur um einem Misslaut auszuweichen.
Durch diesen mehrfachen Fingerzeig geleitet, dehnte es denn seine ai und au, gleichviel
welcher Consonant auch folgte, auf alle betonten oder schwebenden e und ö fremder Wörter
aus, der hebraeischen, die in der griechischen Bibel, und der griechischen und lateini-
schen, die auch sonst vorkamen: also BoccvsQyüg Bauanairgais , 'hpoGOÄv/ua Iairusaulyma ,
iniaxonog aipiskaupus, ixxtyaict aikklisjö, cä'Qtffig hairaisis, Äeytoov laigaiön, speculalor
spaikulatur, Pontius Paunlius. Zuweilen, wo ein Wort über die Schrift hinaus noch weiter
ins Leben eintrat, schwankte sofort die Sprache zwischen dem fremdartigen und dem hei-
mathlichen Laute, zwischen dem au und jenem in pund gebrauchten w: es heisst aipistaule
und aipistule, apaustaulus und apaustulus , diabaulus und diabulus, diakaunus und kürzer
diakun.
In diesen Diphthongen, die also aus i und u hervorgegangen sind (es heisst auch
2iy£firjQog und Rjmie$) und denen in andrer und spaeterer Sprache kurz e und o gegen-
— 17 —
überstehen- (taihun ahd. zehan, haurn hörn), muss gleichwohl das a sehr stark hervor und
stärker als der zweite Vocal getcent haben. Nur so erklaert sich, dass manche Worte,
die Ulphilas mit air geschrieben hätte, sogar mit blossem ar vorkommen, vor Ulphitas
schon und nach ihm: 'Eqxvvios öqvjuÖs und 'Aqxvviu 6qr\ (goth. fairguni Berg, ahd. Fer-
gunna Virgunna als Gebirgsnamen), von irmin Volk Ermin und Arminius, von erpf braun
Arpus, Basternm und Bastarnae, sper lat. sparum, Oviqovpoi und Varini Ovcegvoi, und aus
dem Griechischeu und Lateinischen entlehnt igißtrS-os ahd. arawiz araweiz Erbse, cerata
cherzä und charz, mercatus merchät und marchät; ja Ulphilas selber hat lukarn von hicerna.
Mittelhochdeutsche Beispiele pardrls franz. perdrix und serpant sarpant fr. serpent.
Dem Hochdeutschen sind im Gebrauch hier des / und U, dort des E und 0 keine
Schranken wie dem Gothischen gesetzt: massgebender als das in h und r eingeschlossene
a sind für seine Vocalisierung die t und a und u, die in den Scblusssylben der Worte
offen vorliegen: goth. vairpa vairpis vaurpum vaurpjau heissen ihm wirfu wirfis icurfumes
wurß wegen des i und u, niman ganuman aber neman kanoman wegen des a der Endung.
In purpura und urceolus urzeöl darf es demnach das lateinische u festhalten; anderswo
vertauscht es, auch wo das Gothische nicht ändert noch ändern kann, u gegen o, i gegen
e oder führt umgekehrt e und o auf i und u zurück. / gegen e: chrisma chrisamo und
chresamo, missa und messa, mittellat. bicarium (Diez Wörterb. 54) pechäri, piper pfeffar,
simila similä simulä und semalä, aivam goth. sinap ahd. senaf, spinula spinulä und spe-
nidä spenalä. E gegen i: Confluentia Chobilinza, gemma kimma, Uns lins, mentha minzä
und die im Anschlüsse hieran gebildeten atramentum atraminzä atarminzä und pigmentum
plminzä, gewöhnlicher pimenta; ferner auripigmentum örgimint (besser örpimint, franz. or-
piment, nhd. Opperment), mittellat. pergamentum ahd. perimend mhd. perment und permint,
zedoarium zitawar, ital. zendado ahd. zendäta mhd. zindät, gleichbedeutend ital. zendale
mhd. zendäl und zindäl, census zins, incensorium zinseri. U gegen o: recuperare choparön,
cuppa choph Becher, puleium puleiä und poleiä, catapulta und puls pultis polz, ital. seg-
nuzzo singoz kleine Glocke, stultus stolz. O gegen u: copulare chupelen, filiolus de fönte
funtdivillöl, fornax furnache, diaconus jachono und jacnno wie goth. diakun, mittellat. com-
brus (Diez Wörterb. 106. 598) kumber, monachus munich, monasterium monastri und mu-
nistri, moneta muniza, modius mutti, nonna nunnä, boletus puliz, pondus phunt wie goth.
pund, potio (der Vocal gekürzt durch die Verhärtung des Consonanten) puzzä, Septimus
mons Seflimont und Seftemunt Septimer', spongia spunga, tromba (Diez 356) trumpä, tornus
turnen. Bei letzteren Vertauschungen wie bei jenen des e gegen i hat die Neigung des
Deutschen vor doppeltem oder consonantisch verbundenem n sein i und u nicht umzulauten
(rinnan karunnan, pintan kapuntan) und zugleich, wie denn mehrere dieser Worte erst
durch romanische Vermittelung ins Deutsche gelangt sind, dieselbe Neigung der Bomanen
1 In der Form Setmunt (Settimunt) ist das p auf roma- tamme, electuarium ital. lattovaro mhd. lattewarje, lac-
nische Weise dem t angeglichen wie in dictamnum dit- tuca lattucha, dactylus tattel das c.
3
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für das vollere u (Diez Gramm. I, 152. 413 fg.) miteingewirkt. Auf beiderlei Anlässe
macht auch das Mittelhochdeutsche aus dem franzcesischen blond, rond, comte, fontaine,
montagne udgl. sein blunt, runt, cunt, funtäne, muntäne.
Griechisch lateinisch E, langes e, ändert sich der Regel nach nicht: goth. Jesus, prau-
fetus u. s. f. Das niedre Latein petzte aber diesen Laut auch an die Stelle der Diphthongen
w und ob (Schneiders Gramm. I, 52 fgg. 78 fg.): für a und tu nun ebenso das Golhische in
Grmcus Krik und i'Zcciov alev. Im Hochdeutschen sodann folgt auf ein früheres 6 ursprüng-
lich deutscher Wörter ein ä (goth. le'ki, letan ahd. lächi, läzan), auf das e und a der frem-
den wiederum e und mehrmals auch ia, ein Diphthong, der sonst dem langen e der säch-
sischen Sprachen gegenübersteht (ahd. miata, altsächs. und allfries. meda, angelsächs. med):
Grund zu der Annahme, dass hier das fremde Wort zunaechst durch sächsischen Mund
gegangen sei. Also Grmcus Chriach, xkvar^Q kristier, mensa goth. mis ahd. meas mias,
pesale1 ahd. phesal und phiesal, beta pieza, presbyter mit Syncopierung und Umdeutung
auf prm und stare roman. preslre ahd. pristar und priestar, remus rieme, Raetia Rezi und
Rieza. Cäsar hiess cheisar wie goth. kaisar, gr. xaTaccQ, auf Altsächsisch kesur und auch
kiesur. Noch öfter jedoch, auch diess wieder dem Deutschen mit dem Romanischen ge-
mein (Diez I, 139), schlaegt lat. e, das echte wie das aus ce oder ob verdachte, in einfach
langes i um. Die gothische Sprache (ihr hat ei den Sinn von i) liebt und übt diesen
Wechsel schon in zahlreichen eigenen Worten, z. R. leiki, leitan; dann wendet sie ihn
auch auf griechische wie 'A&^vai Atheineis an und auf das lat. acShim akeit. Hochdeutche
Reispiele (es kehren hier einige sonst auch diphthongierte wieder) bela bizcrüt, Porta Cce-
saris Burcisara, clericus chhrich, avena evlna, fwniculum finachal ßnachal, feria fira, per-
gamenum pergamin, pesale phisal , pmna plna, sceta sida, expensa spensa spesa spisa, tapc-
tum tepit, delere dilen tilön, thesaurus fr. tresor mhd. trisor, velum velare wUwllön, ceepulla
zipolla; auch für camelus ahd. kemel verlangt dieser Umlaut eine althochdeutsche Form
mit t. Das miltelhocbd. prisant aus franz. present scheint nur den Anklang an pris (franz.
prix, lat. pretium) zu suchen. Im Altsächsischen übersetzt prisma, im Althochd. prasma
und phrasamo das lat. usura: rühren beide Worte aus einem zu prmstare gebildeten prce-
stamen her, so sind die Vocale wiederum lang und es wird hier einmal auch ein un-
deutsches e in ö verwandelt.
Griechisch lateinisch langes / ist zwar dem Alt- und Mittelhochdeutchen gerecht: der
Golhe, der nur ein kurzes i besitzt, muss dafür ei gebrauchen: linum hochd. lin goth.
lein, vinum wln vein, /j.ctQyttQCxr}<£ markreilus, wie hochd. stein pizan goth. svein beitan.
Die gleiche Diphthongierung wieder im Neuhochdeutschen und ihr entsprechend die
von U in au: müh milia mila Meile, paradisus paradls altnhd. Paradeis, luna lüne Laune,
1 Anzunehmen als Grundlage für phesal phiesal phisal, Ziehung des Accentes (vgl. III u. V) entstanden aus
die mittellat. p isalis piselis pisele piselum und das alt- pensale von pensum: eigentlich Arbeitsraum der Wei-
franz. poisle poele; mit Tilgung des n und Zurück- ber und deshalb ein heizbarer Raum.
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mulus mül Maul, murus müra Mauer, wie ahd. ila ful nhd. Eile faul. Ueber die Endung
le nhd. ei wird füglicher späterhin gesprochen; zwei andere, It und ür, sind zwar eben-
falls zugleich lang und betont: ital. bandito Verbannter Bandit, Jesuit, Clausür, Creatur;
aber ein richtiges Gefühl, nicht wie in Paradies die Pedanterei, vermeidet doch hier den
noch volleren Laut; nur das Hochdeutsch mancher Provinzialen laesst etwa ein Natauer
hoeren. Kauderwälsch haben wir diphthongiert, dessen Grundworte Curia Chüra und Chüro-
walahon nicht.
Griechisch Y wird im Gothischen und weiter im Mittelalter genug geschrieben: sein
eigentlicher Laut jedoch, der bis zum 13 Jahrb. dem Hochdeutschen selbst noch fremd war,
ist vielleicht nur selten behauptet worden. In Tv%ixog Tukeikus macht der Gothe daraus
ein u, und auch auf u beruht der Diphthong in SvQog Säur, waehrend in 0/j.vqqov smyrn,
anvotg spyreida trotz dem r das y ungeändert bleibt; mittellateinisch und hochdeutsch das
gleiche m in crypta crupta chruft, cydonium chulina, pyxis buxis puhsa, thyrsus turso und wegen
des r gebrochen torso. Die vorherrschende Auffassung aber und die auf langes y einzig an-
gewendete nimmt y als i: xvqiccxov chlrichä, gryps gryphis grlf gr\fo, KvnQog Cyprus Kip-
per Ziper, papyrus papir (nhd. wie im Franzoes. Papier, im Provinzialenhochdeutsch jedoch Pa-
peier), oryza r'is Reis, syllaba sillaba, d-vjuta/ucc gotb. thymiama ahd. tlmiäm, tympanum timpana,
cyparissus ziperboum, mit Brechung des t in e gynaceum genez, synodus senöd, thyrsus zers.
Bekannt ist, wie oftmals die mittelalterliche Schreibweise auch umgekehrt y für i gebraucht:
nur mceglich, weil bloss die Schreibung eine verschiedene war, die Aussprache gleich. In-
dess darf nicht übersehen werden, dass mitunter an die Stelle von cy ein qui tritt, wodurch
y in die beiden Bestandteile seines echten Mischlautes aufgelcest erscheint: S. Cyriacus wird
auch Quiriacus genannt, xoXoxwS-ig und hyoscyamus ändern sich in coloquintida und jus-
quiamus, cydonium auch in quiten Quitte.
Griechisch lateinisch AU und EU werden im Gothischen, das wenigstens den ersteren
Diphthongen schon selbst besitzt, doch überall zu av und ev: das einzige ganz durchgehende
und unzweifelhafte Merkmal itacistischer Aussprache. Es geschieht das nicht bloss, wenn
noch ein Vocal darauf folgt, wie in ivayyiXiov aivaggäjö: das hätte sein Gleiches z. B. in
taujan thun imperf. tavida und ausserhalb des Gothischen im lat. evangelium, sein Aehn-
liches in Worten wie vidua yiduvö, leo ahd. lewo, deren w erst zur Aufhebung des Hiatus
eingeschaltet ist; es geschieht ebenso wohl vor Consonanten: Hav^og Pavlus, cautio kavtsjö,
svÄoyicc aivlaugia. Das Hochdeutsche schliesst sich dem in kirchlich altüberlieferten Worten
au: twangeljo, Pawel; eulogia wird wie mittellat. in oblagia oblegium u. dgl. so althochd. in
oblegi, obelagi, oblei und obelei, allsächs. in oflige entstellt und umgedeutet1. Nachgothisch,
begründet zugleich in der Eigenart des Hochdeutschen, in der verwandten Neigung des
Lateinischen selbst und in dem hieraus entsprungenen Gesetz der romanischen Sprachen
_
1 Die diphthongische Zusammenziehung oblei ist wie die von horologium orlei.
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(Schneider I, 58 fgg. Diez Gramm. I, 158 fgg.), ist der Uebergang lateinischer au in ö:
clausa claustrum Mose chlöster, caulis und colis chdl, causa causari chösa chösön, laurus lör-
poum (adj. laurin), Lauriacum Löracha Lorch, Maurus Mör , aurichalcum örchalch, auripig-
mmtum örpimint. Gerade auch vor r hat das Hochdeutsche den Diphthongen au, der
damit unvertraglich wsere, überall in 6 zusammengezogen: goth. ausö ahd. örä, hausjan hörjan,
raus rör.
Vielleicht aber das Erheblichste, das innerhalb des Vocalgebietes die altdeutsche Sprache
zur Umdeulschung der fremden Worte gethan hat, ist die Anwendung des Umlautes auf
dieselben. Das neuere Deutsch, wo es der Fremdheit sich bewusst ist, enthält sich grund-
sätzlich und der Regel nach jeder solchen Aenderung: das ältere macht darin keinerlei
Unterschied; das Gothische assimiliert zwar auch, dem Umlaut sehnlich, die fremden i und
u an ein nachfolgendes r: aber diese Angleichung ist von vorn herein auf wenige Worte
beschränkt, und es scheint, die Gothen hätten dieselben sonst gar nicht aussprechen kön-
nen, waehrend der Umlaut des Alt- und Mittelhochdeutschen nicht solche Naturnothwendig-
keit besitzt und gleichwohl hier in fremden Worten so gut als in deutschen jeder betonte Vo-
cal, jedes a oder o oder u, dem in der Schlusssylbe ein i nachfolgt, dem /-Laut angeglichen
wird. Beispiele mit a carminare ahd. garminön germindn, martius marzeo merzo, parcus
pharrich pherrich Pferch, christianus christäni mhd. krislame; mit o oleum ahd. oli mhd. öl,
Colonia Cholonna Kölne, claustrum klöster klwsterlm; mit m monachus munich münch, tunica
tunicha tünche, crux chrüzi kriuze. Manche Worte sind in der umlautlosen Form gar nicht
mehr nachzuweisen: avena evina, acetum goth. akeit hd. ezzich, calix ehelich, caminata che-
minälä, castanea chestinna, catena chetina, catinus chezzin, manica menichä, panicum phenich,
sabina sevina, tapetum tepit, talea zelga; bei andern kommt ausser dem Umlaut auch die
altertümliche und gleichsam rohere Diphthongierung vor, die nicht wie jener bloss die
Qualität, sondern zugleich die Quantität des Vocals berührt: äyyeÄog goth. aggilus hd.
angil engil eingil, asinus g. asilus hd. esil eisil, castigare hd. chestiga cheistiga, cavea hd. cheviä
cheiviä, catillus g. katil hd. chezzil cheizzil, nXttxtXa g. platja hd. flazzi flezzi fläzt, pallio-
lum hd. phellöl feillöl Seidenzeug.
m. ROMANISCHE LAUTGEBUNG.
Aber nicht immer zeigen die lateinischen und griechisch-lateinischen Worte diejenige
Form im Deutschen, die wir bisher als die jedesmal gesetzliche haben kennen lernen: es
stellt sich uns noch bald diese, bald jene Abweichung bald in den Gonsonanten, bald in
den Vocalen dar, ein p zum Beispiel, wo ein ph, ein ü, wo ein ö zu erwarten waere.
Nur selten jedoch liegt in solchen Fällen die Schuld an den Deutschen selbst: sie liegt
meist nur an denen, durch welche das Fremde ihnen übermittelt ward. Das Latein, das
die ersten Glaubensboten und noch manches Geschlecht hindurch die Priester und Mönche
zu sprechen pflegten, es war nicht das classische des Alterthums: es war, wie zumal der
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Süden und Weslen sie gesendet, jenes verworren zertrümmerte, aus dem sich durch eines
der groesten Wunder der Geschichte die romanischen Sprachen herausgebildet haben, oder
es war so versetzt mit Worten und Wortformen des sich entwickelnden oder auch des
schon entwickelten Romanischen, dass man noch heut von mancher Rechtsurkunde und
mehr als einem Vocabular, die sie aufgezeichnet, kaum sicher zu sagen wüsste, ob es
Denkmaeler nur noch des verdorbenen Lateins oder schon des Romanischen seien, ob in
ihnen ein romanisch aufgefasstes Lateinisch oder ein lateinisch aufgefasstes Romanisch vor-
liege. Und in solcher halben oder vollen Romanisierung trat denn ein grosser Theil des
lateinischen Wörterschatzes an unser Althochdeutsch heran und beschränkte die Wirksam-
keit des Gesetzes, das nur für die echten rechten Formen galt; ja bereits die vorhoch-
deulsche, bereits die golhische Sprache ward von den Anfängen und Grundlegungen des
Romanischen berührt. Zwar dass Ulphilas die Accusalive von Ao'i'g onvpig Tpcuag zu
Nominativen macht, Lauidja spyreida Trauada, gemahnt ebenso wohl an die neugriechische
Art: an romanische aber sein sigljd aus sigillum und dergleichen noch mehr, die Kürzung
von Avgustus in Agustus (provenz. agosl), das ö für ü in möta, das ü für ö in Rüma, die
Ausstossung des n in mensa mes, die Umbildung von elepkantus in ulbandus (altfranz. olifant),
von xoAcxpi&ip in kaupatjan (rom. colpo colp coup aus colaphus). Mit der Ritterdichtung
sodann, seit dem zwölften Jahrhundert, floss ein Romanisch, das sich gar nicht mehr für
Latein ausgab, voll strcemend in die Sprache Deutschlands ein.
Schon bisher ist wiederholendlich die Umbildung einzelner Worte auf romanischen
Vorgang zurückgeführt und ist bei mehreren allgemeiner durchgreifenden Aenderungen,
die dem Deutschen selbst schon eigen sind, doch auf das unterstützend gleiche Verfahren
der romanischen Sprachen hingewiesen worden: der vorliegende Abschnitt soll von den
zahlreichen Fällen, wo jener Vorgang nicht bloss für Einzelheilen massgebend gewesen
und die Einwirkung mehr als bloss ein Miteinwirken ist, die hauptsächlichsten hervorzu-
heben suchen.
CONSONANTEN.
Lippenlaute. Griechisch lateinisch P wird von den romanischen Sprachen gern in 6
erweicht (Diez Gramm. I, 256 fg.): dem folgend im Alt- und Mittelhochdeutschen z. B.
aprilis abritte aberelle, pupus buobe, Lupodunum Loboduna; papa päbes und bäbes, prapositus
proposüus probau und brobest schwanken wohl im Anlaut nach althochdeutscher Weise
zwischen Media und Tenuis, im Inlaut nicht. Besondre Auszeichnung verdienen solche
Worte, die zugleich einen andern regelrecht verschobenen Consonanten zeigen und damit
kund thun, dass sie schon auf die vorhochdeutsche Stufe mit diesem romanischen b, nicht
aber mit dem rein lateinischen p gelangt seien: sonst waere ja auch diess in ph verscho-
ben worden: episcopus biscof piscof piscoph, puls pullis und catapulta bolz polz, portulaca
burzala purzella, tympanum zimbala, duplus mhd. topel Würfelspiel: vgl. franz. doublet Wurf
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mit gleichen Augen. Sodann F verliert im Romanischen öfters die Aspiration und wird
ein p oder b (Diez I, 264) : ebenso jene gothischen kaupatjan und ulbandus, ahd. Confluentia
Chobilinza1, Joseph Jöseb Jösep. Inlautendes B aber und zuweilen auch p (dessen Milderung
in b vermittelt den Uebergang) wird v: Diez I, 259 fg. 256 fg. Indess vielleicht nur iQtßiv-
&os arawiz zeigt den W-Laat, den wir im Deutschen nun erwarten: überall sonst wird auch
hier ein v geschrieben und damit ein Laut bezeichnet, der zwar weicher als f, aber doch
auch härter als w ist, so viel härter, dass er wohl gegen f, niemals aber gegen w ver-
tauscht wird: lupinum luvinä, oblata oblätä und ovelät, populus povel bovel, proba prüeven,
sabina sevina, tabula tavalä, taberna lavernä und mit Verschiebung des Anlautes diabolus liuval
tiufal. Das gleiche deutsche v und f nun auch öfters da, wo das V des Grundwortes schon
ein alt und echt lateinisches ist: cavea cheviä, avena evina, evangelium neben ewangäjo e'van-
geljo, breve prief gen. prieves, mstivale ahd. stifid mhd. stival; aus eulogia konnte auf die-
sem Weg ahd. oblegi, altsächs. oflige werden, und nur das romanische falavisca, Ableitung
und Umstellung von favilla, erhält im deutschen falawiska ein w, wahrscheinlich weil man
dabei an das deutsche Adj. falawUr falb dachte. Wie nun? ist dem v erst in unsrer Sprache
dieser härtere Laut zugewachsen? Ich glaube nicht: es scheint vielmehr, dass auch hierin
das Romanische dem Deutschen vorangegangen. Schon ersteres laesst sogar anlautendes v
in ein entschieden hartes f übergehen (Diez I, 267): daher nun auch hochdeutsch versus
fers, vitula viola (Diez Wörterb. 372) fidula figele Fiedel, viola fiol Veilchen, vicedominus
fiztuom, viüa fizza, advocatus vocatus fogät und seihst phogät, vasculum flasco (Wörterb. 144)
flascä und aus dem einfachen vas unser faz. Des harten Lautes wegen, den man somit
gewohnt war gerade im Beginn der Worte auf das lateinische v zu übertragen, hat dieser
Buchstabe spaeter die übliche Bezeichnung für anlautende deutsche f werden können, und
selbst für das Lateinische nennen noch wir ihn fau, nicht wau. Der romanische Tausch
von v gegen 6 (Diez Gramm. I, 266 fg.) althochdeutsch in Verona Bema, lavare labön
lapön.
Zungenlaute. Griechisch lateinisch T: auch diese Tenuis liebt im Romanischen,
jedoch nie als Anlaut, die Milderung zur Media (Diez I, 211 fg.): Beispiele der Art im
Deutschen phlebotomum fliodema, lactuca ladducha, rota rad (das eigentlich deutsche Wort da-
für ist sclpä Scheibe), rotulus rodel, smta s'tda, asphaltus spaldur, vocatus vogdd. Daneben ein
p in ph oder f verschoben und gleichwohl nicht das t in z, letzteres also schon auf der
vorhochdeutschen Stufe zu d geworden: petalum pedalä bedelä und fedelgold, petraria phediräri
fedaräri und mit derselben Verhärtung des romanischen wie sonst des lateinischen d phe-
taräri Steinwurfzeug. Auch Venelia Vmedjun Vene"dje muss sein d bereits in jener früheren
Zeit angenommen haben, wo das Deutsche den zischenden Laut des ti noch mit keinem
zi wiedergeben konnte. Wie aber kommt tonus mhd. dön zu der Erweichung auch des
1 Beim Geographus Ravennas 234, 8 Combxdantia : Hintlberziehung des Namens in den Sinn einer coambulantia.
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Anlautes? Spürte man die alte Verwandtschaft des fremden Wortes (rsiveiv tovoq) mit
dem deutschen denen Äonen spannen? Eine weitre romanische Eigenheit ist die Tilgung
des D vor unbetontem i oder was dem gleichsteht e, und damit verbunden der Uebergang
von i in j: diurnum mitlellat. jornus prov. jqrn, deorsum mittellat. josum prov. jos, radt'us
span. rayo franz. rayon: im Deutschen gleichfalls radius ahd. räja (nicht raia, wie die
Nebenformen rage und räha zeigen), diaconus jaguno jacuno jachono, mediolus ital. miolo
mhd. m'xol nhd. mundartlich Meiel; auch Joder, die landschaftliche Kürzung von Theodorus,
geheert hieher. Eine andre Umgestaltung des di ist zumal dem Itaiisenischen geläufig (Diez
I, 217 fg.), die Zusammenziehung und Schärfung in z, z. B. wiederum radius razzo und
n'ridia verza: hieraus ahd. wirz{ , unser jetziges Wirsch oder Wirsing; eben diess Wort
war gemeint, wenn bereits das elfte Jahrb. den Namen Wirziburg, dessen Ursprung frei-
lich anderswo zu suchen ist, in Herbipolis übertrug.
Kehllaute. Griechisch lateinisch C: im Romanischen statt dessen abermals die be-
liebte Media (Diez I, 227 fg.). Genug der Art nun auch im Deutschen und wieder neben
Verschiebungen andrer Consonanten, wodurch die Einführung des g noch in das Vorhoch-
deutsche zurückgewiesen wird: prwdicare bredigön predigön mit dem Subst. brediga prediget,
crocus rhruogo, cucnllus cugulä, decanus degän tegän, ecce eceum roman. eeco ahd. eggo, ßcus
figä, advocatus fogät, pers. käfur neugr. xücpovoa mhd. gaffer Kampfer, capa ahd. gaphä,
carminare garminön, carnarium mhd. gerner Beinhaus, cilicium (noch ehe man zilicium aus-
sprach syncopiert in clicium) ahd. gliza, custos gustör, crypta grüß (noch empfohlen durch den
Bezug auf graban), hyacinthus jagant 2, diaconus jaguno, laicus leigo, nevTqxoövtj goth. painte-
kuste mhd. pfingeste, apotheca ahd. potegä potagä, sacrarium sagaräri, sacrisla sigiristo, speculum
spiegal: aus den theilweis daneben geltenden deutscheren Formen wie techän chruft jachant
jachono leich potachä hätten diese Erweichungen niemals hervorgehn können. Und so stammt
auch unser mundartliches Gatze, Getzi Schöpfgefäss zunächst von einem romanischen gazza
(Diez Wörlerb. 96) und erst durch dessen Vermitteluog von dem allhochd. chezzi, lat. cati-
num ab: wir haben da nur wie öfter ein den Romanen geliehenes Gut selber als Afterlehn
zurückempfangen1. Das aspirierte CH sodann vor einem /-Laut schärft sich romanisch in
c, chelidonia in ital. celidonia, brachium in braccio, archiepiscopus in areivescovo (Diez I, 238):
auch im Deutschen ward aus cherubim zfrublm, aus chelidonia scelliwurz, aus ital. bracciata
1 Im Sprachschatz fehlt dieses Wort, aber eine Glosse
der Diutiska II, 233 b übersetzt damit das lat. brasicia
d. i. brassica.
2 Altfranz, jagunce, mittellat. jacintus wie hyalinus jali-
nus, hyoseyamus jusquiamus, Hieronymus Jeronimus.
3 Andere Beispiele der Art Balcon von balco Balken ;
Banner und Panier fr. bannidre, ital. bandiera von
band; mhd. briu Weib fr. bru von brüt; Busch bosch
it. bosco aus büwisc Bauholz, Holz von büuian (JGrimm
über Diphthonge S. 12) ; Furrier fr. fourrier von feurre
ahd. fuotar Futter; Galop aus gählouf Schnelllauf; Helle-
barde fr. hallebarde aus helmbarte Helm zerhauendes
Beil ; Lotto und Loterie vom goth. Maut ahd. hlbz und
hluz Loos; Marschall fr. marichal aus ahd. marahscalch
Pferdeknecht; Bang aus hring Kreis; Tanz it. danza,
fr. danse vom ahd. dansbn ziehen ; Tartsche fr. targe aus
ahd. zarga Rand; Tasche fr. fache tasque aus ahd. 20-
sebn an sich neh*men.
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bracciatello brezitä prezitella Prezel und, waehrend der Gothe arkaggilus gesagt, aus archi-
episcopus erzibiscof, aus archiater arzat. Das Französische aber setzt auch cha in einen
Zischlaut um (charta charte) und verwandelt, indem es die Neigung schon der Rcemer zu
ungehoeriger Aspiration der Kehle (Schneider!, 183. 205 fgg.) fest hält, sogar ca in dieses
gezischte cha, z. B. Caritas charitas charite (Diez I, 229 fgg.)- Im Deutschen wiederum hier
z: charta chartarium mhd. zarte zerte zarter zerter, charitas ahd. zart Liebe: eine deutsche
Wurzel fehlt diesem Worte, es kommt allein im Hochdeutschen vor, die für die Syncope
beförderliche Kürzung Caritas hat Olfried V, 12, 82. Für z wird mhd. auch ts geschrie-
ben: xdga millellat. und roman. cara franz. chiere chere (Diez Wörterb. 88) mhd. tsieren
d. i. faire bonne chere; z aber wie ts und im älteren Franzoesischen ch selbst, im Mittel-
hochdeutschen auch seh, alles das erscheint nur wie ein schüchterner und ungenügender
Versuch in der Darstellung des eigentlichen Lautes, wenn man daneben die im Mittelhoch-
deutschen gewohntere Schreibung hält, die mit tsch: caslellanus franz. chastelain mhd. schah-
telän tschahtelän, capa fr. chapel chapeau mhd. schapel Ischapel, charus fr. eher mhd. scher
und tsehier , caballus fr. cheval chevalier mhd. zevalier schevalier tschevalier. Endlich auch
für G stellt sich romanisch gern ein härterer oder milderer Zischlaut ein, der Hegel nach
nur wenn ein n oder r vorhergeht (Diez I, 249 fg.): unter eben dieser Bedingung wird
spongia im Altsächsischen spunsia, punga im Althochd. phoso Beutel1, ohne dieselbe caliga
ahd. kaliziä ehelissa chelisä.
LIQUIDEN.
Die Neigung der Liquiden unter einander zu wechseln (Diez I, 189 fg. 199. 202 fg.
207 fg.) ist aus den romanischen Sprachen und mit Worten derselben auch in die deutsche
eingedrungen: m vertauscht gegen n in mespilum ital. nespola ahd. mespilä und nespelä;
l gegen r in ealathus chratto chrezzo, xAvcryp kristier, malum granatum margrant margram;
am häufigsten aber umgekehrt r gegen /: xvqiccxov chirichä und chilichä, coriandrum chul-
lantar, charadrius it. calandra mhd. galander Haubenlerche, mortariurn nhd. mundartlich
Malter Mörtel, morus ahd. mürpoum mürperi und mülpoum mülbere, prunus phrümboum und
phlümboum, peregrinus it. pellegrino ahd. pilikrim.
Tilgung des N vor s hat in ursprünglich unbetonten Anfangssylben das Deutsche schon
aus sich selbst geübt: goth. Kustanleinus, ahd. Costantinuses puruc Konstantinopel, Constantia
Chostanza, constare altfr. couster mhd. kosten; in der betonten Wurzel ist sie den Sprachen der
Sachsen und der Scandinavier ganz geläufig und regelrecht (goth. ahd. ans Gott, altsächs.
altnord. äs, angelsächs. ös), aber der gothischen und der hochdeutschen nicht: hier schie-
ben sogar einzelne Mundarten eher noch ein n ein: linse, meinster udgl. Daher, wenn im
— — __ —
1 Punga wohl von pungere, in die man hineinstoesst: pun- oben S. 10 angeführt worden; wegen der Ausstosaung des
gere selbst wird auch mit phosbn übersetzt. Die naeher n vgl. Diez Gramm. I, 204.
bei punga bleibenden Formen pugg und Jung sind schon
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Gothischen aus mensa mes, hieraus im Althochdeutschen meas oder mias geworden, so wird
diess wiederum von romanischem Einflüsse, wird daher rühren, dass jene Tilgung des n
auch zu den altvererbten Eigenheiten der lateinischen Volkssprache gehoert1, wie gerad
auch mesa romanisch ist. Das Gleiche gilt für insula ahd. tsila, mansionarius ahd. mesi-
näri mhd. mßsenmre misner und mensner (nhd. Messner mit falschem Bezug auf Messe), pen-
sale phesal phiesal plnsal, expensa spensa splsa.
VOCAEE.
Das lange 0 lateinischer Wörter sinkt im Romanischen (Diez I, 148. 413 fg. 429)
und darnach im Deutschen ehenso zu dem tieferen Laute des w, nhd. au, hinab wie kurzes
o zu kurzem u. Bereits der Gothe sagte für Roma Rüma; der gleiche Laut im Altsächsi-
schen und einzelnen Mundarten des Althochdeutschen: man mochte dabei an das Adj. rüm
geräumig denken. Andere Beispiele Vesontio Bisenzün, calcatorium calcatürä calctüre mhd.
kalter Kelter2, claustrum ahd. chldstar und altsächs. clüstar ahd. chlüstarrä Klausnerinn 3,
coopertorium chupartüri chubertüri * , lectoriutn lectüri, morus mörperi und mürperi mülperi
Maulbeere, duos altfr. dous mhd. tüs düs Daus, hora mhd. ör und üre nhd. Uhr und ge-
legentlich auch Auer. Umgekehrt wird aber auch U zu ö, hochd. wo, jedoch nicht un-
mittelbar, sondern nur indem zuerst das w sich verkürzt, dann sich das kurze w in o ver-
wandelt (Diez Gramm. I, 153. Wörterb. 110. 269): cupa cuppa copa ahd. chuofä, pupus
buobe; auf gleichem Wege ist der Uebergang von fxovasTov in das mhd. muosen mit Mo-
saik zieren und wohl auch von muta ahd. müta Mauth in das goth. möta zu vermitteln.
Das mit dem Umlaut gesprochne franzoesische ü erscheint in der mittelhochdeutschen
Schreibung diphthongisch aufgefasst: advenlura aventure äventiure, creature creatiure, hd. brüt
franz. bru mhd. briu; das Neuhochdeutsche, dem iu zu eu wird, hat noch Abenteuer und
ebenso aus exclusa escluse ecluse Schleuse. Wenn auch jenes iu wahrscheinlich selbst nur
wie ein langes ü gelautet hat, so kann man das doch mit aventure und äventiure nicht
beweisen: denn, ein Beispiel nothgedrungener Abweichung der deutschen Aussprache von
der romanischen, der romanische Diphthong IE, in welchem von je her der zweite Vocal
mit gutem Fug (denn er ist der einfache Grundlaut dieser diphthongischen Zersetzung)
stärker hervorgetoent hat, wird von den Deutschen ganz wie ein deutsches ie d. h. mit
stärkerem Anschlag des ersten Vocales aufgefasst: Sena ital. Siena mhd. Siene auf diene,
ferus franz. und mhd. fier auf Her, banniere baniere auf schiere reimend. Und wie noch wir
1 Schneider I, 458 fgg. Diez I, 206 fg. Eine deutsch glos- ' Denn so wird Graffs clouzara (Sprachschatz IV, 566)
sierte Virgilhandschrift des 10/11. Tahrh. in München hat zu bessern und der schon früh entstellte Ortsname
zu dem Verse Georg. I, 390 Ucee nocturna quidem car- Clustirrun (Förstemann II, 374) zu erklären sein.
pentes pensa puellae die Bemerkung vulgo peisa Graffs ' Neutralen Geschlechtes, weshalb das mhd. fem. cover-
Sprachsch. ni, 352): gleichfalls deutsch oder romanisch? Hure nicht sowohl hieraus hervorgegangen, als dem
2 Syncopierung und Tilgung des ca wie in euleitra ital. franz. couverture frisch nachgebildet ist.
eultra mhd. kulter hoher des ei.
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jetzt Panier aussprechen , so beruht überhaupt in all den vielen Substantiven und Verben,
die so endigen, unser te auf einem romanischen ie.
IV. VERLÄNGERUNG BETONTER, KÜRZUNG UNBETONTER VOCALE.
Bei den mannigfachen Aenderungen, denen im Romanischen die betonten Vocale der
lateinischen Sprache unterliegen, wird immer noch auf deren ursprüngliche Quantitaets-
unterschiede die bestimmteste Rücksicht genommen und eine andre Umgestaltung auf die
kurzen, eine andre auf die langen angewendet: vgl. meine Altfranz. Lieder und Leiche
S. 139 fgg. In diesem Stück nun weichen die Deutschen vollständig von den Romanen
ab: unter ihnen hat von frühester Zeit an, hat schon in der Gothenzeit der Grundsatz
gegolten alle betonten Vocale griechischer und lateinischer Wörter, wenn der Consonant
dahinter einfach ist, für lang zu achten und die eigentlich kurzen dann zu dehnen: auffal-
lend genug, da das Deutsche selbst bis zu Ende des Mittelalters reichlich ebenso viel, wo
nicht mehr betonte Kürzen besessen hat als Längen und erst das Neuhochdeutsche dem
Accent die gleiche Wirkung auf die Quantität einräumt. Aber schon der Gothe dehnt
nur in Folge des Tones, der dann meist ein lateinischer, wohl auch schlecht lateinischer
und nicht der griechische ist, nvayyiXiov in aivaggeli, EvoÖiu in Aiödia, 'Eg^oysvqs in
Airmögaineis, Aprioxtta Anliochia in Antiökja, MaxtSovla in Makidönja, OvrjctyoQog in
Auneiseifaurus (denn et hat für ihn Sinn und Werth eines langen i), onvQii anvgtda in
spyreida, Titus in Teitus und, falls der Gothe wirklich die Palme für einen Pechhaum
gehalten, pix picis in peik: peikabagm bei Ulphilas die Ueberselzung des griech. (potvt£. Im
Hochdeutschen noch mehr und eine noch grcessere Mannigfaltigkeit solcher Aneignungen
mit Quantitaetenwechsel. Verlängerung eines betonten a in gradus gräd, graphio krävjo
Graf, papa päbes (phaffb behauptet die Kürze), Padus Pfät, rudius räja (denn a vor j ist
immer lang) und selbst vor einer Position in f'ascia fäska fäski; in tagena lägela Lfegel ist
die Betonung der ersten Sylbe nicht ursprünglich. Eines e: wiederum ewangeljo und me-
trum mitar; in weiterer Folge Diphthongierung oder Uebergang in i: febris (kurzer Vocal
wie in ipsßf-a&cci und ahd. pipen zittern) fiebar, Petrus goth. Paitrus ahd. Petar und Pietar,
breve prief, speculum spiegal, cedrus zedarpoum und ziderboum, tegula ziegal: daneben aber
auch mit Kürze tegel. Eines t und y (die Verlängerung ergiebt dann im Neuhochdeutschen
den Diphthongen ei): viola ßol , rubiola reblgel, lyra lirä und all die vielen spaeteren Worte
auf ie, die den romanischen auf ra, ie (Diez Gramm. II, 280) und durch deren Vermiltelung
den griechischen auf ia folgen, wie astronomte, companie, kurtoisie, dem Ursprünge nach zu
unterscheiden von denen , deren t schon im Lateinischen lang und im Griechischen ein et
ist, wie PbJtQO/ucWTfiee nigromanzie, TigoiptjTfta profezie. Wir kommen im naechsten Ab-
schnitte noch einmal auf diese reiche Wortart zurück (reich besonders dadurch , dass die
fremde und fremd betonte Endung auch an deutsche Stämme gehängt wird) und erwaehnen
hier bloss noch, dass wo beides, Stamm und Endung, fremd ist, die neuhochdeutsche
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Sprache das ie bald unverändert laesst, bald diphthongiert: z. B. Chemie Monarchie, Bar-
barei Spezerei, Copie Melancholie Phantasie und altertümlicher (aber die Pedanterei, die
nicht gar zu deutsch und selbst lieber eine Pedanterie sein wollte, hat das abgeschafft)
Copei Melancholei Phantasei; und dass auffallender Weise auch schon das Alt- und Mittel-
hochdeutsche mehrmals den Uebergang in den Diphthongen zeigt: monachia municheie,
Papia Pav'ia Paveia, probsteie, sahia salbeiä, advocatia vogteie; waere abbateia das einzige Wort
der Art, so könnte man die Erklaerung etwa in äßßäzeicc suchen. Ferner die Verlänge-
rung betonter 6: chorus chor, tonus dön, Constantinopolis Philippopolis Kunslenöpel Vinepöpel,
probare proben, rosa rosa, thronus trön; mit romanischem Uebergange des ö in«, nhd. aü,
avarüzä und Aberraute, Umdeutschungen von abrotanum. In ostrea nhd. 'Auster (ahd. die
Zusammensetzung aostorscala) tritt ungeachtet der Consonantenhäufung sogar der Diphthong
ein, der die Grundlage des althochd. 6 bildet; anderswo ist das betonte o gegen uo ver-
tauscht, d. h. man hat es schon auf der vorhochdeutschen Stufe in ö gedehnt, da hochd.
uo und vorhochd. ö einander überall entsprechen : - eleemosyna alamuosan, proba mhd. mit
Umlaut brüeven, crocus chruogo, von coquere roman. coco ahd. chuocho, schola scuola, domus
tuom, vicedominus fiztuom. Endlich ist betontes m verlängert in crux crucis chrüzi, mhd.
umgelautet kriuze, nhd. diphthongisch Kreuz.
Solchen Dehnungen der Kürze, die bloss der Ton veranlasst, steht in notwendiger
Ausgleichung das Andre zur Seite, dass unbetonte Längen verkürzt werden. Wenn Ul-
philas Klaimaintus und aurali und Trauada sagt, so ist schon ihm die Lautdehnung der
unbetonten Anfangssylben von Clemens Clementis, von oralis Schweisstuch, von Tqwccs acc.
Towädei verloren gegangen. Ebenso im Althochdeutschen poleiä aus lat. puleium; in bre-
digön Judeo scrodön sichur solari treso hat überall zwar die erste Sylbe den Accent, aber
ihr Vocal ist kurz: der eigentlich lateinische Accent auf der zweiten oder dritten und damit
verbunden die Kürzung der gedehnten ersten ist vorangegangen: prcedicäre Judäeus scrutäri
secürus solärium thesäurus; in secretärium sigitäri hat die Kürzung sogar zwei Vocale ge-
troffen. Aehnlich die Lautschwächung in sacnsta sigiristo; Schwächung und Kürzung in
sacratorium sigitüri.
V. VERRÜCKUNG DES ACCENTEÖ.
Wie wir eben vorher gesehen , haben bereits die Gothen , dem wohlbegründeten Ueber-
gewicht der lateinischen Sprache über die griechische nachgebend, selbst griechische Worte
auf lateinische Art accentuierl; den schon angeführten Beispielen ist hier noch txxhpia
aikklesjö beizufügen, dessen lateinisch unbetontes i ebenso zu j verstummt wie dort in
Makidönja Antiökja, und Andrias, eine Nebenform von Andraias 'Avd$£{tQ, deren j in früher
(S. 16) besprochener Weise ein unbetontes kurzes e bedeutet.
Dieser Gebrauch griechische Worte im Deutschen wie im Lateinischen selbst lateinisch
zu betonen hat sich das weitere Mittelalter hindurch und bis auf uns erhalten und ucethigt
— 28 -
sogar die, die z. B. Aischylos sprechen, doch zu dem Accente Aischylos, nicht Aia^vylos;
er ordnet sich als einschränkende Bestimmung dem allgemeineren Grundsatz unter, dass
fremden Worten ihr fremder Ton bewahrt und jedesmal diejenige ihrer Sylben accentuiert
wird, die auch in der Ursprache den Accent getragen. Demgemaess sind (wir sehen ab
von gänzlich unveränderten, in keiner Beziehung umgedeutschten Eigennamen wie Her-
cules Ibycus Sätanas) es sind auf der drittletzten betont z. B. wieder Makedonien und Evan-
gelium Evangelien, Individuum Individuen; dort aber das stumme i naehert sich immernoch
sehr dem j, hier das u dem w: mittelhochdeutsch konnte sich lilium lilje, Hispänia Spanje
sogar vergreebern in lüge Spange. Auf der vorletzten betont theätrum Theater, Charäcter Cha-
ractere, Autor Autoren; mit Verringerung der ursprünglichen Sylbenzahl apöstolus Apostel,
Neäpolis Neapel. Auf der letzten, weil ebenfalls eine flectierende, vielleicht auch noch eine
Ableitungssylbe dahinter abgeworfen, Idol, Lucän, Natur mhd. natüre, glorios, Mandat, Or-
ganist aus Organiste, actlv, Horäz, Substanz mhd. substänzje. Diess die Begeh aber noch
häuhger beinah, als man ihr folgt, wird von ihr abgewichen und nach zwei gerade entgegen-
gesetzten Bichtungen hin. Nach der einen im Neuhochdeutscheu, doch so, dass die An-
fänge dazu bereits dem Mittelalter, die Anlässe wiederum dem Bomanischen zugehoeren.
Das Uebergewicht, das zu wiederholten Malen die französische Bildung in Deutsch-
land hatte, gab sich vornehmlich auch darin kund, dass sogar die Antike an diejenigen,
die nicht eigentlich gelehrt waren, nur in franzeesischer Einkleidung gelangte: auf dem
Sprachgebiete entsprang daraus die Gewohnheit griechische und griechisch-lateinische Worte
in ihrer franzoesischen Form, vielleicht auch nur mit franzeesischer Umgestaltung ihrer
Schlusssylbe, in beiden Fällen aber mit dem franzoesischen Accente zu gebrauchen. Der
Art schon im Mittelalter und seit demselben die zahlreichen Substantiva auf ie, jetzt ei,
denen antike Worte mit doch unbetontem ia zum Grunde liegen (oben S. 26), und die
noch zahlreicheren Zeitwörter, in denen an lateinische Stämme ein ier (vgl. Abschnitt VIII)
gehängt ist, z.B. regere regieren. Und eben der Art solche Substantiva und Adjectiva wie
Sermon, Nation, vaeänt, Docent, Facultwt* , die nicht vom lateinischen sermo u.s. w., son-
dern vom franzoesischen sermön d. h. sermönem kommen.
Die GeläuGgkeit mehrerer der eben angeführten franzoesisch-lateinischen Wortausgänge
hat schon frühzeitig dazu verleitet, sie auch auf deutsche Stämme zu übertragen, und in
der Sprache des Volkes dauert diese Verleitung jetzt noch: der ganz undeutsche Accent
am Schlüsse statt am Anfang stoert darin nicht. Schon das dreizehnte Jahrhundert zeigt
uns Bildungen wie galsterie und lächenie, beide s. v. a. zouberle Zauberei; jünger sind eselie
und bereits ohne e büebery füllery u. s. f.: in dergleichen Worten führt das Neuhochdeutsche
1 Um uns dem Lateinischen wieder mehr zu nsehern schrei- franzoesischen Ursprung an: facultet, maj.estet oder auch
ben wir jetzt in dergleichen Worten het und mühen uns diphthongisch moraliteit. Alterthümlicher romanisch ist
wohl auch ein <e zu sprechen: die mittelalterliche Schrei- Otfrieds haritat; das mhd. poteetät hält das « des ital.
bung schliesst sich unbefangener dem Laut und dem podesth podestade fest.
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ausnahmslos sein diphthongisches ei durch. Mit ier z. B. die ebenfalls schon älteren buo-
belieren halbieren hofieren prangnieren wandelieren, in der Canzleisprache inhaftieren läu-
terieren schadlosieren urbarisieren verlustieren. Mit tat Albertwt Bestimmtitmt Kühlitcet Schivu-
litcet. Mit ion Läuteration. Mit ant Schnurrant. Und auch mit al und ist und ur, deren
Betonung unmittelbar aus dem Lateinischen herrührt, solche Mischworte: Glasur, Blumist
Hornist Zinkenist, austragal Lappalien Pauschale Plaudralien Schmieralien. Diese Umwäl-
schungen des Deutschen waren als Kehrseite der Umdeutschungen, von denen wir handeln,
der Erwaehnung werth. Wenden wir uns noch einmal zu denjenigen Worten, die nicht
bloss in der Endung, die gänzlich fremden Ursprunges sind.
Bei denen auf ik schwankt die neuere Accentuierung zwischen dieser Sylbe und der,
die vorangeht, d. h. sie betont bald auf französische, bald auf lateinische Art: Katholik
Fabrik Republik, Chronik Metrik Mystik, Mathematiker Musiker Politiker, Mathematik aber und
Musik und Politik bald so, bald' so: die Sprache des Mittelalters setzte diess i dem stummen
i des Deutsehen gleich und betonte krönike, müsike. Sonst aber, wenn das lateinische
Wort den Ton auf der drittletzten Sylbe und in der vorletzten einen volleren , nicht so
leicht verklingenden Laut hat, betonen wir im Deutschen eben diese vorletzte oder für uns
nun letzte und thun das zugleich nach dem Vorgange der franzoesischen und auf Antrieb
der eigenen Sprache, die schon längst verlernt hat unbetonten Schlusssylben einen volleren
Laut zu geben, die schon seit mehr als einem halben Jahrtausend an dieser Stelle der
Worte bloss stumme e oder i kennt. Also z. B. Araber Epoche sEneidc Areopäg reciprök
Thermopylen Maxime Organ Pericöpe Apocryphe Ekstase Despot Neophyt concäv; selbst altger-
manische Namen, die jedoch auf uns bloss durch lateinische Vermittelung gelangt sind,
müssen sich dieser neudeutschen neufranzoesischen Betonung unterwerfen: Gepide Hermun-
düre Teutöne Vandäle; ja auch zahlreiche Worte mit e in der vorletzten entziehen sich ihr
nicht, weil dieser Vocal sonst verstummen oder gar, wie schon bei linea Linie geschehn,
in ein j-artiges i ausarten würde: Idee Katheder Anathem homogen Conifere Apluerese. Und
so würden 'Autor und Autoren, Charäcter und CharactSre, für deren Accentwechsel vorher
der entsprechende lateinische Wechsel von äuctor auctöres, charäcter characteres als Grund
ist angedeutet worden, es würden in gleicher Art Söcrates und socrätisch, Miher und äthe-
risch, Apostel und apostolisch, Hercules und hercüliscli auch ohne das lat. Söcrates socräti-
cus, rnther athereus u. s. f. den Accent hier auf diese, dort auf jene Sylbe rücken : denn mit
der Flexion, mit der Ableitung ist diejenige Umdeutschung eingetreten, der ein söcratisch
und herculisch widerstünde, und wir betonen ja eben deshalb auch Cäsaren Rhetören trotz
dem lateinischen Cossares rhetores.
So viel von der einen, der franzoesisch-neuhochdeutschen Abweichung, die zugleich
der lateinischen und der eigentlich deutschen Art entgegen den Ton auf den Ausgang der
Worte wirft. Wir gehn zu der anderen über, durch welche dem Deutschen wenigstens
sein vollstes Recht geschieht. Diese gehcert wesentlich der althochdeutschen Zeit an; auf
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den spaeteren Sprachstufen begegnet und durchkreuzt sie sich mit der französischen Be-
tonungsweise.
Wie das Gothische die griechisch-lateinischen Laute moeglichst festhält, das Althoch-
deutsche aber einen grossen Schritt von da aus weiter geht und eigentlich erst deren Um-
deutschung beginnt, so ist das Gothische auch in den Accenten der Worte noch gern
lateinisch, das Althochdeutsche wagt den deutschen Accent. Allerdings bei Ausdrücken,
die gleichsam geheiligt sind, wie owangtfjo, wie epistulä, ist der lateinische Accent ihm
mitgeheiligt: sonst dagegen strebt es mit seiner Betonung auch über die drillletzte noch
zurück nach vorne hin und giebt den hcechsten Ton der ersten Sylbe, die im Deutschen
der Regel nach einen solchen (raegt; ja Otfried (Hartm. 149) mag selbst die lateinische
Ablativform karitate so betonen. Hier nun ist Einwirkung des Komanischen nicht gedenk-
bar: es kennt wohl gleichfalls solche Verrückungen des Accentes in ficätum prov. ßgado,
fcenkulum mittellat. fenuglus portug. füncho, pensäle pesale, secäh ital. segale , trifölium franz.
trefle (vgl. Diez Wörterb. 140. 312. 355 und oben S. 18), aber eben nur in so wenigen
vereinzelten Fällen: man möchte eher den umgekehrten Einfluss glauben. Und auch das
Gothische hat schon Einzelnes der Art, Einzelnes, nur wie zur Vorbereitung: catinus oder
catillus kätil und sigillum sigljö. Desto zahlreichere Belege im Althochdeutschen und auf
dessen Grund noch in der spaeteren Sprache und bis auf die unsre; all diese Blätter sind
voll davon, so dass es Ueberfluss waere hier noch eigens dergleichen anzuführen. Ich
bemerke nur noch, dass im Mittelhochdeutschen selbst die frisch eingeführten romanischen
Worte gern so betont werden: z. B. banniere bänier Banner, altfranz. panchire ital. panciera
(pancia Bauch von pantex) bänzier Panzer, potio poisön pöisün, chapel chapeau schäpeh
Namentlich sind hiebei die auf äte oder ät, roman. ata und mit ihnen die auf isse oder
esse zu erwaehnen, die jetzt massenweis und zwar die auf äte besonders im mittleren, die
auf esse im niederen Deutschland aufkommen, die letzteren so gänzlich tonlos auf der
Ableitung, dass dieselbe sogar syncopiert wird, wenn die vorhergehende Sylbe ein tiefbe-
tontes er ist: villica meierse, monetaria munzerse, telonearia tolnerse. In beiderlei Bildungen
mochte man aber dem deutschen Accente deshalb schon den Vorzug geben, weil häufig
auch hier das Stammwort selbst ein deutsches ist: reinäte Reinigung, villäte von villen
Geisselung, beckerse Bäckerinn neben marteräte Marter, predigäte Predigt, ebbedisse abbatissa.
Zudem ist ät auch als wirklich deutsche Schlusssylbe, als Nebenform von 6t gebräuchlich:
kleinaete kleinöt und kleinät.
Aber nicht bloss Appellativa, auch Eigennamen, persoenliche wie geographische, wur-
den so behandelt: schon im Gothischen hatte es Märja geheissen, ebenso neben Maria im
Althochdeutschen, mittelhochd. mit dem Umlaute Merje, Merge: Mergenburc Marienburg,
Mergentheim Marienheim. Jetzt ausserdem noch Antichrislus Anlichristo , Basilea Bäsala,
Confluentia Chöbilinza, Colönia Chölonne Chölina, Constäntia Chöstanza Chöstinza, Elias, Ju-
daus Mdeo, Matthäus Mätheus, Moguntiacum Mogüntia Mäginza, Paradisus Päradis Pärdis,
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Philippus, Tarvisium mhd. Tärvis Tervis Treviso, Troiämts Tröiän, Tuscäna Tüscäne, Ta-
berna ahd. Zäberna, Tulbiacum Zülpicha; selbst französisch endende wie Franzois und
GrSzois betont die Ritterdichtung auf der ersten Sylbe.
Das Neuhochdeutsche behauptet bei Appellativen diese umdeutschende Betonung nur
dann, wenn sich dieselben bereits vom Alt- oder Mittelhochdeutschen her und in solcher
Umbildung vererbt haben, dass der fremde Ursprung verwischt ist: wo aber letzterer noch
erkennbar vor Augen tritt, wird lieber zu dem ursprünglichen Accent zurückgekehrt: wir
sprechen nicht mehr fündament und chäpella und chästel; und gar bei Worten, die erst das
Neuhochdeutsche selbst aufgenommen, sind Betonungen wie Cörnpass und Ocean eine Sel-
tenheit. Nicht so unter den persönlichen Eigennamen, besonders wie der Volksmund die-
selben kürzt: hier haben auch wir noch Alban, 'Andres1, 'Anton, Appel d. h. Apollonia,
Bärtel d. h. Bartholomäus, Bendix Bendicht d. h. Benedictus, Christian Christen, Christoph d. h.
Christophorus, Dosrte d. h. Dorothea, Elsbeth und Else d. h. Elisabeth, Fabian, Florian, Kalter
d. h. Katharina, Loren:, Margret, Martin und Merten, Mätthes und Matz d. h. Mälthwus,
Moritz, Nklas und Nickel, Suse und Susi, Theodor und Joder (s. oben S. 23), Theophil, TJr-
ban, Valentin und Veiten, auf süddeutschen Schulen auch Homer, Höraz, Virgil; geogra-
phische ausser den schon oben angeführten noch z. B. Bellinzöna Bellenz, Clavenna Chia-
venna Klefen. Der Zwiespalt aber zwischen Altem und Neuem, zwischen Einheimischem
und Fremden, in den unser Deutsch besonders hier gerathen oder gebracht ist, zeigt sich
am auffälligsten darin, dass nicht wenige Worte jetzt beiderlei Betonung empfangen: so
Altan, Altar, Antichrist, Continent, Florenz, Januar (aber Jenner) und Februar, Johann, Kame-
rad, Orient, Pällast oder Paläst; Diamant und Demant, beides Entstellungen von adamas
adamantis, sind auch in der Lautgebung, August und August im Sinne verschieden: das alt-
hochd. augusto trug als Mouatsname deu Accent ebenfalls auf der Anfangssylbe, so dass
spaeter öugeste und ouste daraus hervorgehn konnte. Barbär wurde noch vor hundert Jah-
ren Bärbar betont, indem man die Schlusssylbe einem stummen er gleich setzte und dem-
gemaess Barbarn declinierte, wie schwäbische Dichter furchtbarn; von derselben Art ist
unser Decenwirn marmorn Consnln.
VI. DEE UNBETONTEN SYLBEN.
Die Sprache hatte sich so gewoehnt den Hochton der Worte noch über die lateinische
Abgränzung hinaus auf den Anfang zu werfen, dass in den seltneren Fällen, wo das aus
irgend welchem Anlasse nicht geschehn war, der nun tonlose Anfang wie mit Missachtung
behandelt und durch eilendes Drüberhingehn in seiner Körperlichkeit geschmaelert, des
einen oder anderen Lautes beraubt, ja gänzlich abgeworfen wurde. Das Schwächste der
1 Also 'Andreas, wie zwar eigentlich richtig, aber schon harmonie gleich der angelsächsischen Legende dieses
seit langem unüblich ist. Im 9 Jh. accentuieren neben Apostels deutscher und lateinischer 'Andreas. Das goth.
einander Otfried Andrias, die altsächsisch« Evangelien- 'Andrias oben S. 27.
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Art haben wir schon aus dem Gothischen kennen lernen, die Kürzung gedehnter Vocale
und das Verschwinden eines n vor st (oben S. 24 und 27); dem schliessen sich Liquiden-
wechsel an wie armarium barbieren, mundartlich Almaring halbieren. Schon stärker sind die
Vocalsyncopierungen in uaQyaoirtjg, in cilicium, coröna, berxjllus, canönicus, Jerönimus d. i. IJie-
ronymus, auf denen goth. markreitus, ahd. gl'iza, mhd. kröne, nbd. Brille, Knünich und Grolmus
beruhn. Am häufigsten ist das Stärkste, die vollständige Aphaerese der ersten, ja zweier
Anfangssylben. Ein Theil der Worte, die als Beispiel hiefür zu nennen sind, ist sicherlich
schon im Romanischen und im Latein der Romanen so gekürzt und gleich so nach Deutsch-
land gebracht worden, wie apotheca ital. bottega ahd. pötacha, amygdala mandola mandalä,
Apulia Puglia mhd. Pülle, i^ä/uiros examitus altfr. mhd. sämlt, exclusa afr. escluse nhd. Schleuse,
excocla ital. scotta mhd. schotte Molke, extruncare ital. stronzarc ahd. strunzen, expendere spen-
dere spentön und expensa spesa spisa: man braucht jedoch nicht überall, wo beide Sprachen
in der Aphaerese zusammentreffen, romanische Mittheilung anzunehmen, da Neigung dazu
dem Deutschen selbst schon innewohnte. Das belegt in besonders schlagender Weise die
altsächsische Evangelienharmonie, die je nachdem auf einen Vocal oder auf r, auf f zu
allitterieren ist, bald Herodes d. h. Erodes betont (auch im althochd. Amnionitis IX, 3 wird
Herodes geschrieben), bald Herödes d. h. mit Aphaerese sogar dieses biblischen Namens
Rödes, bald infern Hölle, bald wieder mit Aphaerese fern; nicht minder schlagend derglei-
chen Worte wie ahd. pelzön pfropfen, mhd. rävit arabisches Streitross und sambelieren zu-
sammennehmen (mit Bezug auf samelen auch in samelieren umgeändert): das Provenzalische
und Altfranzcesische, woher sie doch stammen, sagen selber ungekürzt empeltar, arabit, as~
sembler, das Mittelhochdeutsche aber kennt auch neben Aräbi Arabien Räbi. Weitere Bei-
spiele apostolus ahd. postul, Arras nhd. Rass Rasch, asphaltus ahd. spaldur, asparagus nhd.
Sparge Spargel, cestivale ahd. stiful mhd. stival (Anklang an ahd. arstifulen mhd. understive-
len stützen und understibel Stütze), elecluarium mhd. lattewarje Latwerge, episcopus ahd. bi-
scof, epistola mhd. pistel, eruca ahd. rüpa, hippodromus mhd. poderäm, Hispanus ahd. Span,
historia storja, oryza mhd. rls, hospitale sp'üäl Spittel; mehr als bloss ein Vocal getilgt in
Cucurbita ahd. churpiz, emplastrum phlastar, incensorium zinseri; zwei ganze Sylben in cata-
pulta polz, intercilium eure, paternoster nhd. mundartlich Nüster. Für das Neuhochdeutsche
haben diese weitgreifenden Aphaeresen ihren Hauptplatz in den niederen und alltaeglichen
Umbildungen der Taufnaraen, eben der undeutschen Taufnamen: die deutschen, deren An-
fang gleich eine betonte Begriffssylbe ist, werden nur hinten abgekürzt; von den fremden
erscheint mancher mit der einen und der anderen Tilgung, da man ihn auch mit dem
Hochion auf beibehaltener erster Sylbe spricht: Annette Nette, Aegidius Gidi oder Gilg (franz.
Gilles), Auguste Guste, Elisabeth Lisbeth Lise Lisette Sette Reti, Erasmus Rasmus, Eustachius
Staches Stacks, Jacob Kmbi, Johannes Hannes Hans, Johanna Hanne, Joseph Sepp, Antonius
Tönnjes Toni, Carölus Role, Louise Wise, Nicolaus Claus, Philippus Lips Lippel, Sebastian
Rastian Wastel Raschi, Sophie Fike, Christine Stine, Christophorus Stoffel Toffel, Charlotte
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holte, Margareta Grete, Catharina Trine Rina, Caroline Line, Friderike Rike, Henriette Jette ,
Philippine Pine, Salomea Meli, Willielmine Mine und Hieronymus Mus Müssi Mussei. Auch
die Beispiele, wo ein vor den Namen gesetztes und damit verwachsenes Sant oder Sand
d. i. Samt bis auf das beschliessende t oder d getilgt wird, sind hier anzuführen: so haben
wir in Basel eine Dalben- und Delsbethen- d. i. Sauct-Alban- und Sanct-Elisabethenkirche,
und ebenso ist aus Sanct-Urs Durs, aus Sanct-Ilg (/Egidius) Dilg Dill Till, in Baiern aus
Sanct-Annenbrunn Tannenbrunn geworden. Damit vergleichen sich in den romanischen
Sprachen Narnaldo, Nugo, Nalazais aus Don Arnaldo, Don Ugo, Donna Alazais und im
neueren Griechischen die Ortsnamen, die mit einem aus slg verkürzten 2 beginnen wie
Samson d. i. sig 'Jljuiaöv, Schio Stancliio slg Xiov, slg xäv Xiov , Stambul tig räv nofov;
ein altdeutsches Städteverzeichniss hat Spergimunt d. i. eig nsgyctfiov, Stammerre slg räv
Mvq§ccv, Ismir, Smyrna.
In solchem Maasse werden von der betonten Sylbe undeutscher Wörter die vorange-
henden unbetonten hinabgedrückt. Nicht geringere Wirkung übt sie auf die ihr nachfol-
genden aus: auch hier veranlasst sie Kürzungen aller Art, durch Syncope und durch Apo-
cope, ebenfalls oft von überraschendster Ausdehnung. Und wir übergehen noch, indem
nun wieder Beispiele anzuführen sind, die neuhochdeutschen Formen, in denen durch
Verschwinden der stummen e die Kürzung mitunter das moeglich äusserste erreicht; auch
die innerlich zusammengezogenen, hinten abgebrochenen Eigennamen brauchen nicht wie-
derholt zu werden.
Syncope und gelegentlich damit verbunden Umstellung und Angleichung der verblie-
benen Laute: aristolöchia aristolöcia ahd. ästriza; calcatörium cälcalürä cälctüre mhd. kalter,
catillum ahd. chellä, ro'ücula conücula clwnacla chunclila Kunkel , phlebötomum ahd. ßiodema
mhd. flieme, gynwceum gynäecium genuz genez genz, malum granätum mhd. (mälgranai) mär-
grant, ital. marinäro märnmre, matutina ahd. mätt'ina mhd. metten, monasterium ahd. mönastri
münistri mhd. münster , patina ahd. phannä, prcsbenda roman. provenda ahd. phruonta, pul-
pitum nhd. Pult, refectörium mhd. revindre reventer riftre rempter, ajuvQ^oy goth. smyrn,
Trajectum mhd. Mastriht Uztriht Uztreht , trajectörium trähter trihtmre; die Anfangslänge von
ccerefolium verkürzt sich ahd. in chervola, da nun zwei Consonanten zusammentreffen: ebenso
in den mittel- und neuhochdeutschen Formen fenchel und kirche die Länge von fwniculum
fenachal und xvqiuxöv chirichä: denn letzteres hat ein langes i, Notker bezeichnet es
ausdrücklich. l
Apocope: crede mihi credemich, circulus chirch und zirc (oben S. 14), lyehnus lieh in
charzlich (wenn ich carchlih Sprachsch. IV, 490 richtig bessere), Saracenus Sarz , vicedomi-
nus ßztuom, telöneum zol, torcular torcula toreul, pater mhd. bäte Pathe, archiäter ahd.
ärzät2, Moguntiacum Mogüntia Mäginza, portuläca bürzala, naQoixia paroehia pharra, lam-
So geht- auch die Länge von lilium Hispania u. dgl. 2 Vollständiger im Mittelniederd. und Niederländischen
Worten durch die Position lilje Spanje verloren. trsäter irsetre. Die Sachwörter arzentuom und arzente
5
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pas lampadis mhd. lampe, propägo ahd. pkrofa Pfropfreis, syringium sirno, petroselinum
pedarsilli pedarsil peterlln, cyparissus ziperboum, tapetum teppi , charitas zart, pulvmar phulvci,
disäpulus diseo. In Baiern ist einmal Jemand den heiligen drei Koenigen zu Ehren Ca-
bame genannt worden (Schmellers Wörtern. II, 690): allerdings eine starke Abkürzung:
sonst pflegt man Caspar Balthasar Melchior nur in Casper oder Chäpper , Balzer oder Balzi,
Melchior oder Meck zu ändern; und doch keine stärkere als die von Max aus Maximilianus.
Aber auch die Laute, die hinter dem Hochton noch bestehen bleiben, Consonanten
wie Vocale, gerathen durch die Zurücksetzung, die sie gleichwohl trifft, in Schwanken
und Schwächung. Consonantänderungen, die unmittelbar mit der Syncope verbunden sind,
haben wir so eben erst kennen lernen; ausserdem kommt, viel häuöger hier als in be-
tonten Sylben, Umtausch der Liquiden vor und wieder namentlich der Uebergang in l
(vgl. oben S. 24): n in / asinus goth. asilus ahd. esil, catinus oder auch catillus goth.
katil ahd. chezzil, coqu'ma ahd. chüchina und chuchil, cuminum chumin und chumil, lagena
lägela , myrtinus fivQrivrj mirtilpoum, Organum organä und orgelä, turbo tnrbönis turbal;
r in / carcer goth. karkara ahd. charchäri mhd. karkwre kerker und kerkel, corpus corporis
mhd. korper und körpel, marmor ahd. marmul, martyr marlarön und marlolön, mortärium
mhd. morter und nhd. Mörtel, ahd. mörsäri und mörsäli, murmurare murmurön und mur-
mulön, panther mhd. pantel , peträria ahd. phetaräri mhd. pfedeler, prior pr'iol, Chrislophorus
nhd. Stoffel Toffel, incensörium ahd. zinseri und zinselön anfachen; / in n capitäle cäpitän,
tribulare trebenön; l in r canälis ahd. chänali mhd. kenel und kener, palliolum ahd. phellöl
mhd. pfellel und pfeller; m in n balsamum ahd. balsamo goth. balsan, thymiäma ahd. tlmiäm
nhd. Thymian, cherubim zerubln, cinnamömum sinnamin (oben S. 15); n in m peregrinus
pilicrln und pxlicrlm; n in r cophinus ahd. chovina nhd. Kofen und Kober: custos custödis
ahd. ciisfdr vertauscht gegen r die Zungen- und Zahn-Media. Die Liquida n aber zeigt
auch in diesen unbetonten Sylben ihre Neigung (vgl. oben S. 12 u. 24) sich ohne weiteren
Anlass, als den die Gemeinsamkeit des sprechenden Organes giebt, vor einen Zungenlaut
einzuschieben: dormitörium mhd. dörmindre dormenter, lavätor ahd. lävantäri Walker, des-
confiture deconfiture mhd. schumpfentiure ; besonders vor z: aristolöchia ästriza ästrenza,
focäcia föchanza, palätium phälanza, piscätio fischenze, secrelärium sigindri; vgl. Bililio Bel-
litiona (Geogr. Rav. 251, 15) ital. Bellinzona. Moeglich dass ebenso unser Ortsname Müt-
tenze Muttenz aus Mutätio entstanden ist; nur muss dann die Schreibung Mi ttenza, in wel-
cher die älteste Belegstelle denselben giebt (Wiponis Vita Ghuonradi Imp. Cp. 21), mit
leichter Besserung in Mutenza geändert werden.
und das Zeitwort arzenün setzen noch ein zweites Per- Archigenes (Juvenal VI, 235. XIII, 97. XIV, 252) be-
sonwort arzen voraus, das jedoch, da t und n nicht ruhen wird. In einem Wörterbuch des 13 Jahrh. heisst
wechseln, keine Entstellung von arzäl sein kann, son- es (Strassburger Handschrift B 114. Bl. 70 b) Archigenes
dem, wie ich schon zum Vocabularius optimus S. 8 be- principalis medicus qui optime seit modum in genesi
merkt habe, auf dem appellativ gewordenen Eigennamen i. nature.
— 35 -
Jetzt noch die Vocale der Schlusssylben. Das Gothische bleibt in diesem wie allen
Stücken getreuer bei der Urform: aurali balsan kaisar sinap ulbandus, asilus katil militön,
paurpura viduvö, sie halten sämmtlich die eigentlichen Laute fest; aggilns, spaikulatur,
diabulus oder diabaulus, aipistaule oder aipislida, apaustaulus oder apauslulus, diakaunus
oder diakun und aipiskaupus sind nothgedrungene Abweichungen: Abweichung mit Freiheit
zeigen uns nur ogvxq aurahjö, carcer karkara und, falls es von xoAccyiZsiv herkommt,
kaupatjan. Viel ungebundener schaltet das Hochdeutsche. Selbst jene bereits im Gothi-
schen angenommenen Formen behaupten sich hier nicht alle: viel häufiger als cheisar
heisst es im Allhochdeutschen ketsur oder keisor, wsehrend wieder in tiufal fast einzig a
gilt. Damit sind die zwei Hauptbemerkungen über diesen Gegenstand schon angedeutet.
Einmal: wie das Althochdeutsche, dem Gothischen folgend, in den Bildungssylben eigener
Worte mit Vorliebe den Vocal a verwendet, so überwiegt dieser auch am Schluss der
fremden. Er wird, wo schon das Lateinische ihn hat, am ehesten belassen und zugleich
am ehesten für andere Vocale eingetauscht: z. B. jussellum jüssal Fleischbrühe, decimare
techamön, prcepositm propösitus pröbast, speculum spiegal , eleemösyna älamuosan; und wird,
wo Muta und Liquida verbunden sind, trennend und vermittelnd dazwischen gesetzt: tem-
plum tempal, chrisma chresamo, Signum segan, coriändrum chüllantar, cuprum chuphar, febris
fiebar, fenestra fenstar, melrum metar, emplastrum phlastar, sacrärium sägaräri, cedrus zidar-
poum. Nächst a am geläufigsten ist i, ursprüngliches sowohl als nun erst eingetretenes: ca-
stänea chestina, flagellum flegil, cydönium chütina, scutula scuzzilä. Sodann: etymologisch
haltlos wie dergleichen Worte im Deutschen sind, bleiben sie oft nicht einmal bei dem-
selben Vocale, sondern wechseln mit mehreren, ja beinah allen spielend ab: Basilea heisst
Bäsila Busala und Basula, famiculum phenichal fenachal und fenuhal, labellum läpel labal labol
und lapul, piper pheffar fefor und pheffur, simila sirnilä simulä simalä semalä. Mit dem Aus-
gange des Althochdeutschen und gar im Mittel- und Neuhochdeutschen verschwindet freilich
diese ganze bunte Mannigfaltigkeit der Schlussvocale, und die a, die i, die o, die u ver-
flachen sich gleichmsessig in einen und denselben stummen Laut, dort noch ein j, hier
ein e, und Syncopierung tilgt oft auch dieses noch. Dem Althochdeutschen selbst war das
im Accent zurückgesetzte e noch so wenig gerecht gewesen, dass nur in seltenen Fällen,
wo dieser Vocal ihm überliefert war, er sich behaupten konnte, wie in cancelli chänzella,
eapella chäppellä, castellum chästel.
VH. GESCHLECHT DER SUBSTANTTVA.
In Betreff des Geschlechtes der aus dem Griechischen, dem Lateinischen, dem Boina-
nischen herübergenommenen Substantiva kann man freilich als Regel aufstellen, dass es
im Deutschen damit so gehalten werde, wie die Ursprache jedesmal verlangt, und sicher-
lich herrscht auch dieser Grundsatz wenigstens im Neuhochdeutschen, das seine Entleh-
nungen mit grosserem Bewusstsein vollzieht: im Ganzen aber treten hier wie bei dem
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lateinischen Accente dem, was die Regel scheint, so viele und mannigfache Ausnahmen
entgegen, dass zuletzt wieder nur eine theoretische Behauptung, eine Voraussetzung, ein
Wunsch übrig bleibt. Nicht einmal das Neuhochdeutsche selbst nimmt es mit dem
Geschlechte der Fremdwörter so genau, wie es sollte und wollte, geschweige denn das
ältere Hochdeutsch und das Gothische.
Nachweisbarer Anlässe das Geschlecht zu ändern giebt es mehr als einen: derjenige,
der schon am frühesten gewirkt hat und stsets noch wirkt, ist einfach der Missverstand,
die unrichtige Auffassung und Behandlung der fremden Wortform. Porticus änöaxQoepog
äro/uog didAsxrog Sid/xetQog dicp&oyyog nccgayocccpog sind sämmtlich auf Griechisch und
Lateinisch Feminina: aber irre geführt durch die Form, machen wir und sogar die streng-
sten Gelehrten Masculina daraus; männliches Geschlecht hat auch die alte Umdeutschung
von porticus phorzich, haben domus ahd. tuom Dom, synodus ahd. senöd, vdodog goth. nardus,
aber weibliches ahd. narda. Agiotage apanage bagage bandage courage emballage equipage ere-
mitage etage mariage menage passage personnage, ebenso beau monde, caprice, carrosse sind
sämmtlich auf Franzcesisch Masculina: aber uns verleitet das Schluss-e sie weiblich zu
gebrauchen, und nur in Grenzländern, wo das Franzoesische selbst lebendig naeher steht,
beert man wohl auch das Etage u. dgl. Verzeihen wir deshalb dem ältesten Deutschen ,
wenn es griechische und lateinische Feminina auf a als Masculina nahm, weil ihm selbst
zahlreiche Masculina auf diesen Vocal ausgiengen: drachma goth. drakma, epistola aipistula
(geweehnlich aber nach miaro/.rj weibl. aipistaule), nv%aQiatiu aiv/aristia, fascia faskja,
uncia unkja; mit hochdeutscher Vertauschung des früheren a gegen o cholera cholaro, concha
ital. cocca ahd. chocho, palma mhd. balme Palmzweig, mittellat. pasta Huhn ahd. pasto.
So ist auch aus dem Neutrum chrisma ahd. männlich chresamo, aus credo, dem Anfangs-
worte des Glaubensbekenntnisses, mhd. ein Mascul. crede s. v. a. Glaubensbekenntniss selbst
geworden.
Ein Doppelbeispiel, das sich hier anschliesst, evangelium goth. weibl. aivaggeljö, ahd.
männl. ewangeljo, führt uns auf einen zweiten Anlass des Geschlechterwechsels. Die La-
tinitsel der spaeteren Zeit und des Volkes , nach ihrem Vorgang in noch groesserer Aus-
dehnung die romanischen Sprachen lieben es, die neutrale Mehrzahl auf a in eine weib-
liche Einzahl, Neutra also in Feminina umzusetzen (vgl. Diez Gramm. II, 21 fg.); es trifft
das theils Benennungen solcher Gegenstände, von denen man besonders oft im Plural spricht,
theils verfolgt man nur die Analogie noch weiter. Diess lateinisch-romanische a wird nun
im Deutschen zwiefach aufgefasst und wiedergegeben, entweder wie bei jenen echten Fe-
mininis männlich: also evangelium evangelia ahd. ewangeljo, vielleicht auch pigmentum b\-
mento, canticum cantico, lilium liljo ; oder aber gleichfalls weiblich, und das herrscht vor:
also goth. aivaggeljö, im Hochdeutschen plmenta, liljä, ferner atramentum atraminza, bi-
blium mittellat. biblia mhd. biblie, butyrum ahd. butra, calcalorium ahd. calcatürä, catillum
chellä , xvqikxov chirichä, crystallum christalla, tmigödiov nhd. Episode, vasculum flasca
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ahd. flascä, phlebotomum fliodema, geslum gesta inhd. geste Erzählung, cilicium ahd. gliza, idyllium
nhd. Idylle, caputium Kapuze, chronicon cronica mhd. kronike, elecluarium lattewarje, mittel-
lat. matratium nhd. Matratze (mhd. malraz iniiiml. u. neutral), metallum ahd. medilla Scherf,
mille milia mllla, Organum organä, palatium plialanza, petalum pedalä , pactum phaht, prin-
cipium nhd. Principie Principi (Schindlers Bair. Wörterb. I, 344), sigillum ahd. sigillä ,
stibium stibä, tympanum timpana, talentum talenta, tropasum nhd. Trophäe, vocabulum Vo-
cabel, xenium Xenie; Kraut- und Fruchtnamen ccerefolium ahd. chervola, cerasum chirsa,
cydonium chutina, lupinum luvlnä, mespilum mespilä, petroselinum mhd. pitersilje, persicum
nhd. Pfirsiche, prunum ahd. phrüma, pirum pirä, puleium poleiä, sisymbrium sisimbra; Worte
wie Prcemium Prämien Prämie, Studium Studien Studie und ihnen sehnlich Hymnus Hymnen
Hymne, Mythus Mythen Mythe, Nerv Nerven Nerve haben innerhalb des Neuhochdeutschen
selbst den Entwickelungsgang dieser Feminina wiederholt.
Bei einigen gothischen Worten lassst sich aber der Form- und Geschlechlswechsel nur
erklaeren, sobald man sie, in derselben Art wie Aoi's Lauidja, 2iSoiv Seidöna, Tgwccg
Trauada genannt wird und wie das Masc. spyreida von dem Accusativ des Femin. ffnvQig
anvQidcc kommt, auf romanische Ausgänge in o für ms oder um, also beidemal gleichfalls
auf Accusative zurückführt: /uiff&ds misdo, psalmus psalmo konnten weiblich werden, hys-
sopus hyssopo weiblich bleiben und sigillum sigillo neutral, da das Gothische selbst schon
Substantiva des einen wie des andern Geschlechtes auf ö besass: also mizdö psalmo (mit
der starken Nebenform psalma) hyssopö sigljö; eben daher skaurpjd weiblich, waehrend
scorpio männlich ist. So moegen auch jene ahd. blmento cantico liljo noch eher auf roma-
nischen Singularen in o als auf lateinischen Pluralen in a beruhen: das gleichförmige turso
torso, lat. thyrsus, hat doch unzweifelhaft romanischen Ursprung.
Die Einwirkung des niedern Lateins und des Romanischen ist noch in anderer Art
wahrzunehmen. Schon die classische Latinitset schwankt bei einzelnen, die verdorbene
bei vielen und allgemach fast allen männlichen und neutralen Worten, namentlich der
zweiten Declination, hin und her zwischen dem einen und dem andern Geschlechte; das
Romanische hat sich aus dieser Ungewissheit herausgezogen, indem es überall nur noch
das männliche gelten laesst. Folge davon für das Deutsche ist, dass auf allen Stufen des-
selben, auf den früheren durch lateinische und altromanische, auf den späteren durch
französische Missleitung, neutrales Geschlecht gegen männliches, zuweilen auch umgekehrt
vertauscht wird. Neutra werden Masculina: acetum goth. akeit ahd. ezzich, sabbatum goth.
sabbatus (mit romanischer Endung die indeclinable Nebenform sabbatö), aivam goth. sinap
ahd. senaf; 'AQ/msAayog fr. Archipele nhd. Archipel, balsamum ahd. balsamo (goth. balsan
neutral), breve briaf, cuminum chumin, credilum nhd. Credit, elementum mhd. dement, fwni-
culum ahd. fenachal, panicum fenich, versus fers, flagellum flegil, ccerefolium nhd. Kerbel,
labellum ahd. lapel, linum ahd. lln (goth. lein neutral), lolium ahd. lolli? nhd. Lolch, man-
tellum ahd. mantal, momentum nhd. Moment, mustum ahd. most, pactum nhd. Pact, palatium
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mhd. palas (auch neulr.) nhd. Palast, pelliceum ahd. pelliz, piper pheffar f palliolum phellöl,
persicum phirsich, pilum phil, pretium fr. prix mhd. prts, punctum punte, sabanum ahd.
saban (goth. neutr.), sedile satul, scamellum scamal, scrinium ahd. neutr. scrlni mhd. neutr.
masc. schritt, sagulum ahd. segal, signum segan, syringium ahd. sirno, speculum spiegal,
hospitale mhd. spitäl, templum ahd. neutr. tempal mhd. neutr. masc. lempel, d-&Q/u6jutT(>oi>
nhd. Thermometer udgl., vinum ahd. w'in (goth. vein neutr.), sceptrum mhd. zepter, cymba-
lum zimbal, mittel lal. zucharum nhd. (mhd. neutr.) Zucker. Masculiua werden Neutra:
oralis goth. aurali ahd. oral, modulus ahd. modul, paradisus paradis, thesaurus treso
(auch männl.), im Neuhochdeutschen hie und da chorus Chor, ferner Cwlibat, Consulat,
Labyrinth, mundartl. Ornat, Principat, Proletarial und vom lat. gcnius fr. genie. Auch den
Geschlechtswechsel von Muschel ahd. musculä, von Salve, von Echo und Orchester, von Reis
mhd. ris und Cider Continent Piaster Purpur verdanken wir nur den Franzosen: lat. mus-
culus ist männlich, der substantivisch gebrauchte lmperativus salve neutral, echo orchestra
oryza sicera conlinens und span. piastra weiblich; purper hat schpn im Mittelhochdeutschen
zwischen dem weiblichen Geschlecht von purpura und dem männlichen von pourpre ange-
fangen zu schwanken, aber noch im siebzehnten Jahrhundert kommt das weibliche vor.
Neben diesen Anlässen von rein äusserlicher und nicht gerade schmeichelhafter Art
haben jedoch in nicht seltenen Fällen auch innere Gründe dazu bestimmt, Fremdwörtern,
die man sich angeeignet, ein anderes Geschlecht zu geben. Wie jene alten Sanctgaller
(oben S. 4) lateinische Worte nach Massgabe der gleichbedeutenden alamannischen con-
struierten, ebenso und mit noch besserem Fug übertragt die Sprache auf deren Um-
deutschungen das Geschlecht der einheimischen Synonymen oder geläufiger Worte der
gleichen Art oder der Gattungsworte und macht z. B. domus ahd. tuom Dom, moneta ahd.
muniz (neben muniza), iwra goth. jöta, zwei Feminina und ein Neutrum zu Masculinis,
weil ahd. sal Haus, weil phanlinc und skillinc u.dgl., weil stab und vrit Buchstabe Mas-
culina sind. Aus gleicher Begründung erhallen männliches Geschlecht die Feminina JEina
Ida Ossa (Berg), cathedra Catheder (Stuhl, Sessel), cuppa ahd. choph (stouf), Climax (Satz),
consonans Consonant und vocalis Vocal (Buchstabe), decima ahd. dezemo (teil), lineola
linnöl (riz), macula Makel (Fleck), fr. marche Marsch (Weg), merx ahd. merz (schaz), pompe
Pomp (Pracht männl.), poudre Puder (Staub), im älteren Neuhochd. reverentia Reverenz
(Bückling) und sententia Sentenz (Spruch), mhd. auch öfters rosa rose (bluome) , ruina Ruin
(Sturz), sagma ahd. soum (hlast), Styx (Fluss), danse mhd. tanz (leich, reie) , turris alt- und
mittelhd. turn (sal), cedrus mhd. zeder (boum), tegula ahd. ziegal (stein), und eben dasselbe
die Neutra Marmor (Stein), corpus mhd. kbrpel nhd. Körper und Cadaver (Leib, Leichnam),
mhd. paternoster das Vaterunser und nhd. Nüster Rosenkranz (wie crede oben S. 36), tri-
butum Tribut (Zins); weibliches die Masculina murus ahd. miira (want), numerus Nummer
(Zahl), pes ahd. peda (wie spanna, el'tna), portus mhd. parte (habe), papilio fr. pavillon mhd.
poulüne (hütte; meist männl. pavilün), radius ahd. räja (speichä), Rhodanus Rlione und Ti-
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beris Tiber (wie Donau Elbe Oder Weser), racemus fr. raisin Rosine (Beere), Tour (Reihe,
Reise); neutrales die Masculina camelus Camel und Chamäleon und crocodilus Crocodil (Thier;
mhd. kemel gamäleon kokodrille männl.), crucifixus Crucifix (Bild; mhd. männl. crücifixe) und
die Feminina Chiragra und Podagra (Uebel, Weh; früher weiblich), crux ahd. chrüzi (triu),
faseia fäski (lachen; auch weibl. fäska), feneslra fenstar (goth. augadaurö ahd. ougatorä),
grammatica ahd. gramatich (puoch), lucerna goth. lukarn (liuhath), modius ahd. mutti (mez),
pix ahd. pech (flied, harz), pulvis mhd. pulver (stüppe; auch männl.), fr. rapiere Rapier
(Schwert), Rhinoceros (Nashorn), lurris ahd. turri [hüs), tabula zapal (pret), im Neuhoch-
deutschen mit sämmtlichen Namen von Land und Ort auch solche wie Europa und Troja,
wamrend das Mittelalter alle dergleichen Worte weiblich nahm und sogar die wildün Snewes-
berg, die niuwen Höhenfels sagte, naemlich bürg.
Sodann: eine Anzahl Neutra auf arium und are, auf erium und orium, auch ein Femi-
ninum auf acta verlauschen im Althochdeutschen all diese Endungen gleichmaessig gegen
ari und treten damit in eine personificiereude Auffassung und in männliches Geschlecht
hinüber: altare altüri und altari mhd. altcere und aller, carnarium charnari, cellarium chelläri,
calcndarium mhd. kalendener, dormitorium dormindre, lectorium lectäri, mortarium morsäri
Mörser und morier Mörtel, bicarium pechäri, petraria phetaräri, psalterium saltäri, refectorium
revindre, sacrarium sagaräri, secretarium sigitäri, solarium solari, spicarium splchäri, trajec-
torium mhd. trähter trihtare, vivarium wiwäri, chartarium zarter, incensorium zinseri.
Allerdings bleiben nach all dem noch genug Beispiele des Geschlechterwechsels übrig,
für die von den bisher aufgestellten Erklärungen keine gilt, die man einstweilen als blosse
Launen unsrer Sprache und als Zufälligkeiten wird betrachten müssen. Ich will auch
deren eine Auswahl anführen. Masculina werden zu Femininis: ty£ßit>&o$ arawlz, cancelli
chanzella, cophinus chovina, cucullus cucalä, fructus fruht, hyacinthus Hyacinthe, carcer goth.
karkara, puteus ahd. puzza und phuzzl (daneben männl. puzzi), musculus Muskel, narcissus
Narcisse, titulus ahd. tilula und männl. titul. Feminina männlich: ancora ahd. ancher, cotta
ahd. chozzä und chozzo, Cucurbita churpiz, viola f'iol, pluma Flaum (mhd. pflüme weibl.),
yäcpovQa mhd. gaffer Kampher, lactuca ahd. ladducha u. ladduch, maiorana Majoran, pas-
sio Passion im älteren Neuhochd., pcena mhd. p'm neben weibl. pine, franz. place Platz,
eatapulta ahd. polz, punga goth. pugg ahd. phung, radix rätich, strigilis strigil, charitas
zart, schedula Zettel, mhd. zedele weiblich. Feminina neutral: eleemosyna ahd. alamuasana
und gewöhnlich alamuasan, fr. banniere mhd. baniere nhd. Ranner und Panier, altfr. pan-
chire mhd. banzier (nhd. Panzer männl.), fr. avenlure mittelniederd. eventür nhd. Ebenteuer
Abenteuer (mhd. Aventiure weibl.), mensa goth. mes ahd. mias, rota ahd. rad.
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Vm. UMDEUTSCHUNG DURCH FLEXION UND ABLEITUNG.
DECLINATION.
Das Gothische, wie es überall mceglichst nahe bei dem bleibt, was ihm auf Griechisch
und Lateinisch vorliegt, hält für die Flexion der Substantiva deren fremde Nominativform
in der Einzahl fest, sobald es selbst auch solche Nominative besitzt, und erst in den <]asi-
bus obliquis laesst es die deutsche Biegung eintreten, die jener Nominativus fordert. Am
häufigsten ist die Endung us, entsprechend der gleichlautenden lateinischen und der griechi-
schen og: aggilus apaustaulus asilus assarjus diabaulus kubitus sakkus ulbandus 4 nebst Volks-
und Personennamen wie Iüdaius I4sus Kri&tus Paitrus; und so beliebt, dass auch die En-
dung rjs gegen diese vertauscht wird: /uagyaQirtjg markreitus, npocpqTtjg praufetus, 'Aqtu-
&o$rtg Artaksairksus. Sodann a, griechisch tj: arka, muta möta, ßaixt] paida, nÄareTa
platja, lairusaulyma Krüa Rüma Marja2; Uebertritt in die schwache Declination und somit
ö statt a (vgl. oben S. 37 die Doppelform psalma und psalmö): aikklesjö, oqvx^ aurahjö,
orsTga staird, vidua viduvö. Bereits im Lateinischen o: cautio kavtsjö, lectio laiktjb. La-
teinisch e, gothisch i: orale (für oralis) aurali. Nominative auf as hat das Gothische aber
nicht: da wird entweder mit Abwerfung des s ein geläufiger Ausgang gothischer Masculina
hergestellt: papa, Satana (zu vergleichen, wie die Hinzufügung eines $ das lateinisch plu-
ralische t jener Volksnamen auf us in ein gothisch pluralisches eis verwandelt: Judai
Iudaieis); oder es bleibt zwar im Nominativ das fremde as, aber die casus obliqui werden
doch wie von Worten auf a gebildet: Lukas Lükins u. s. w. Endlich wie dort das s,
ebenso könnte in aliv (d. h. aliu) aus i'Xatov nur der ungothische Schlussconsonant des
Nominativs beseitigt, der Vocal aber geblieben sein.
Diese Begründung der gothischen Flexion fremder Wörter auf die griechische und
lateinische (eine Begel, der sich auch jene Substantiva unterordnen, welche so roh ihr
Geschlecht vertauschen) gilt allerdings nicht ausnahmslos: zuweilen wird auch, und wie es
scheint gerade bei solchen Ausdrücken, die noch alltäglicher im Mund des Volkes lebten,
die ganze fremde Endung, Consonant und Vocal, bereits im Nominativus abgestossen und
ohne ms oder um lautet nun ambactus andbaht, urceus aurki, pondus pund, evangelium
aivaggili, balsamum balsan, catinum katil, linum lein, ffdßavov saban, vinum vein.
Im Hochdeutschen nun ist letzteres die Regel: es heisst da nicht bloss wiederum
ampaht chezzil ewangeli u. s. w. , sondern auch angil poslul tiufal Petar und Krist, oral
und olei und aus oleum oli, ebenso census zins, labellum lapel, milium milli, caseus chäsi,
breve priaf; nicht der Nominativ, sondern der Stamm, wie ihn vielleicht erst die Casus
1 Gewiss durch romanische Vermittelung (oben S. 21) a Doch werden persönliche Namen wie Marja nach männ-
von elephantus kommend, aber gleich dem angelsächs. lieber Art decliniert: eine Mischung, die sich erst wie-
olfend und dem hochd. fem. olpentä s. v. a. Kamel; der der das Neuhochdeutsche zu Schulden kommen laesst,
Elephant heisst angels. ylpend (angels. y =z goth. u) die aber für das Gothische selbst den oben S. 36 be-
und elpend, ahd. elafant und mit umdeutschendem Be- sprochenen Geschlechtswechsel der auf a ausgehenden
zug auf helfan helfant. Appellativa noch begreiflicher macht.
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obliqui zeigen, wird herübergenommen: rudus ruderis rudor, abbas abbatis abbat, miles
militis miliz, pix picis pech, merx mercis merz. Und dabei ist wiederum Einwirkung des
Romanischen anzunehmen, nicht erst für die spsetere Zeit in Entlehnungen wie facultas
facultatem facultet (oben S. 28): schon so alte wie chrüzi und furnache weisen mit den
festgehaltenen Schlussvocalen deutlich auf romanische Formen, auf cruce aus crucem, for-
nace aus fornacem hin. Nun also Anschluss an den Accusativus: eine Eigenheit, die uns
sonst noch mannigfach entgegentritt: unser Galgant ist aus galgän, galegän, diess aus ga-
langän, diess endlich aus galangam von galanga entstanden , ebenso Indien Persien aus
fndiän d. i. fndiam , Persiän d. i. Persiam.
Das Hochdeutsche verfaehrt aber so, weil es keine Nominative auf s mehr kennt: es
muss selber in starker Declination den Accusativus mit für den Nominativ gebrauchen.
Darum also im Alt- und Mittelhochdeutschen z. B. Christ für Christus. Andre nicht so
geläufige Namen behalten zwar das us, jedoch im Sinn einer Ableitungssylbe, und der
Genitivus von Jesus Matheus Philippus wird ahd. Jesuses Matheuses Philippuses gebildet.
Dem entsprechend bei denen auf as: aus dem goth. papa wird phaffo, aber nicht ebenso
aus Satana Satano : man decliniert Satanas Satanases, Elias Eliases; in gleicher Art Johannes
Johanneses. Im Mittelhochdeutschen werden diese allerdings barbarischen Formen wenig
mehr gebraucht: dem Achilles Achillese» z. B. wird Achille nach franzoesischem Muster, gen.
Achillen vorgezogen; das Neuhochdeutsche schwankt zwischen Abwerfung und Beibehal-
tung der Schlusssylbe und im letzteren Fall zwischen Flexionslosigkeit und lateinischer
Flexion. Sonst jedoch ist solche Erstarrung fremder Declinationsausgäuge auch der neueren
Sprache keineswegs ungeläufig: es ist nichts anderes, wenn wir von Studium den Genitiv
Studiums bilden und von Cherubim und Seraphim eine neue Mehrzahl Cherubinen Seraphinen.
Auch das alte päbes gen. päbeses gehcert hieher: von dem griechischen ndnecs, woraus
schon die Gothen papa gemacht, kann dieses abendländische Wort nicht kommen: es ist
das lateinische papa mit dem altromanischen s des Nominativs, das sich ja auch an voca-
lisch auslautende Masculina wie baptista baptistes hängt (vgl. Diez Gramm. II, 38. 44. 46):
dem Deutschen aber ward das es zur Ableitungssylbe, und nach Analogie von probest fügte
es im zwölften Jahrhundert noch ein t hinzu. Dem allem sehnlich, insofern man den
Artikel auch zu den Flexionsmitteln rechnen darf, sind Ausdrücke wie Algebra Almanach
Eldorado Laplata, wo der fremde Artikel und das fremde Substanlivum so zu einem Wort
verwachsen, dass noch ein deutsches der die das muss davor gesetzt werden; so kann
man auch von Elsässern 's Latwteli hceren d. i. la tete.
Zwei Endungen jedoch finden auch im Hochdeutschen keinen Anstand, weiblich a
und männlich o. Beispiele des ersteren archa und müta wie im Gothischen, ferner feria
fira, porla phorla, paena pina, schola scuola, spongia spunga, strata sträza, Galilea, Rüma
u. s. f.; schwach declinierend, mit ä, goth. ö, icitmcti, anliphönä, caminata cheminätä,
chrustä, manica menichä, prösä, tinctä, Erü, Marjä. Auch goth. laikljö, dessen 6 schon
6
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lateinisch ist, lautet im Althochd. lekzä, potio puzzä; mit dem stummen e des Mittel- und Neu-
hochdeutschen lekzje letze, actio Actie, collatio colläzje, disputäzje, piscatio fischenze, passje,
porze, processje, punetio Punze. Männlich o, dergleichen sich unter den Umdeutschungen des
Gothischen noch nicht vorfindet: capo chappo, caupo choufo, graphio krävjo , falcho, leo lewo,
ordo, pavo phätoo, scorpio scorpo, draco tracho. Worte wie diese, deren Stamm im La-
teinischen mit ableitendem on oder in gebildet ist, mussten zu der Uebertragung in die
schwache Declination des Deutschen schon durch das Gefühl empfohlen werden, dass letztere
ihren Ursprung aus eben solchen Ableitungen genommen hatte. So konnte auch diaconus
zu jacho (neben jachono), cydonium mhd. zu küte Quitte (ahd. chutina) und es konnten auch
Bildungen mit an, en, in, yn und blossem n zu deutschen schwachen Masculinis und Femi-
ninis werden: abrotanum ahd. avarüzä, christianus ahd. christäni mhd. kristen und krisle, mus
montanus ahd. müremunto, sabanum saban und sabo, armenius harmo Hermelin, catena ahd.
chetina mhd. ketene und kell Kette, prmtamen ahd. phräsamo altsächs. prlsmä, sagena ahd.
segina mhd. segene sege, Saracenus ahd. Serzo, ital. bottino ahd. putina putin mhd. büten
büte, coquina ahd. chuchina mhd. küchen küche, cyclaminus mhd. cichlamme, cyprinus ahd.
charpho, matutina ahd. matt'ma mhd. metten mette, eleemosyna ahd. alamuosan und ala-
muosa, dietanmus mhd. diltamme; im ahd. pepano aus pepo verdoppelt sich das ableitende n;
mhd. orden, das auffälliger Weise die Liquida schon im Nomiuativus zeigt, wird zunächst
aus dem altfrauz. ordene ordre und nicht unmittelbar von ordo kommen.
CONJUGATION.
Beispiele, wo an Zeitwörtern fremden Ursprunges die fremde Flexion gänzlich getilgt
und eine davon ganz unabhängige deutsche an die Stelle gerückt ist, finden sich nur in
geringer Anzahl: zwei starke, ahd. scribere scripan und mhd. pipare pfifen; fünf oder sechs
schwache, goth. cumbere kumbjan, ahd. coquere chochön, offerre opharön nebst seinem Subst.
ophar, reddere roman. rendere rentön, expendere spendete spentön (Subst. spenta) und, falls
nicht das deutsche Adj. wis der Stamm ist, visere wisön. An den ersteren darf die starke,
an den letztgenannten fünf althochdeutschen die Flexion mit ö auffallen. Denn die starke
gebührt eigentlich nur deutschen Wurzelwörtern: dass man sie gleichwohl diesen zwei
fremden gab, mochte durch die Analogie der begriffsverwandlen deutschen Ausdrücke rizan
und gigen veranlasst werden. So conjugiert auch im Mittelniederländischen prinden aus
fr. prendre stark wie vinden, im neueren Neuhochdeutschen preisen von Preis fr. prix wie
preisen d. i. schnüren und ebenso mundartlich speisen, kaufen wie laufen, fechten d. i.
pfechten (oben S. 10) wie fechten kämpfen. In chochön aber u.s. f. waere dieselbe unschein-
bare Vocalisierung, die das goth. kumbjan erbalten hat, vielleicht eher am Platz gewesen:
das 6 entfernt sich merklich weiter von den bezeichnenden Lautausgängen der dritten la-
teinischen Conjugation. Schicklicher und in weit überwiegender Anzahl werden Zeitwörter
— 43 -
der ersten mit ö wiedergegeben: im Gothisrhen capillare kapillöni, militare militön, im
Althochd. castigare chast'ikön (Subst. ehestiga), recuperare choparön, causari chösön, damnare
damnön, fasciare fäscön, carminare garminön, lavare labön (Subst. laba), murmurarc mur-
murön, mutare müzön , ordinäre ordinön (Subst. ordena), provenz. empeltar pelzön, prwdicare
predigön (Subst. prediga), pressure pressön (Subst. pressa) , saltare salzön, scrutari scrodön
und scrutön, decimare techamön dezemön, temperare temparön, diclare tihtön, titulare titulön,
tractare trahtön (Subst. trahta), tribulare trebenön, tunicare tunichön, vannare wannön, velare
wllön, vindemiare windemön, circare zircön. Auch delere pflegt ein ö anzunehmen, d'dön
tllön: der älteste Beleg indess für die Aneignung dieses Wortes, Isid. 61, 5, gewsehrt mit
beibehaltenem e ardilet (ausgetilgt); in miscere miskjan tritt für das e ein j oder j ein.
Zuweilen sind die Verba erst innerhalb des Deutschen selbst von fremden Grundworten
gebildet, mit 6 fundamentum ahd. fundamentön , mittellat. impotus aus griech. e/ucpvrov
Impfreis impitön und imphön, martyr marlarön (Subst. martara) , pwna plna plnön; mit i
svayysAiov goth. aivaggeljan, exul ahd. ihsil (ihsill Verbannung) frihsiljan, spuma virspü-
men despumare, lornus turnen; mit ö und i Archigenes urzenön und erzinin 'oben S. 34),
caupo goth. kuupfm ahd. choufön und clioufjan, churitus zartön und zerten. Das mittlere
und selbst das neue Hochdeutsch hat die Zahl dieser einfachen Verbalbildungen noch des
weiteren vermehrt; das stumme e, in welches die alten ö und i nun zusammenfliessen ,
würde bei althochdeutscher Lautgebung meist wieder eiu ö sein: altfr. ameir bitter mhd.
ameiren, amour amüren, roman. banicare baneken, declinen, düren, experimenten , mittellat.
forestare föresten, foudre nhd. mundartlich futren fluchen, prov. urtar fr. heurter mhd. hurten,
constare altfr. rouster kosten (auch kostön; Subst. koste), copulare kupelen , ^iovamötiv muosen,
pulsare pfulsen (Subst. pulse), probare proben, prov. dansar tanzen, tastar tasten, venia ven-
jen, vastare wasten, nhd. orgeln, rotulus rodel rodeln, angeglichen rollen, rumoren und
spectakeln; ein i: mhd. kristieren, fr. prix pris pr'isen, proba prüeven, spensa spesa spise
(oben S. 25) splsen, fr. chere tschieren, faille vmlen.
Noch viel häufiger jedoch werden vom Mittelhochdeutschen an die fremden Zeitwörter
in einer Weise umgestaltet, die jener allhochdeutschen Behandlung der Namen auf ms u. s. w.
zur Seite steht: wie dort aus dem lateinischen ms eine Ableilungssylbe erwächst und dem-
gemaess von Philippus der Genitiv Philippuses lautet, so hier aus der franzcesischen Infi-
nitivendung. Und zwar ist es die Form ier, eine durch die vorhergehende Consonanz
bewirkte Angleichung von er, die man aufgreift, sofort aber auch auf Verba übertragt,
' Doch wird mit kapillön das griech. xiioiiv übersetzt, köpfen, Mist muten, mh&.pfant x>fenden, ahd. scala skelen
also ein Begriffsverhältniss bezeichnet, für das unsre schielen, nhd. Schaum schäumen, Schnauze schnauzen;
Sprache sonst Zeitwörter mit ableitendem i bildet: mhd. mundartlich hat auch Schuppe schuppen den Umlaut.
hast Band besten aufbinden, ahd. talamasca Larve mhd. Unser haaren ist intransitiv: die Haare verlieren; das
tolmetschen (entlarven) dolmetschen, ahd. fei fillen schin- mhd. Transitiv behären hat durch die Vorsylbe den Sinn
den, mhd. galle gellen die Galle ausnehmen, nhd. Baut der Beseitigung.
häuten, mhd. houbet houbeten enthaupten, nhd. Kopf
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die im Französischen lediglich auf er, vielleicht sogar auf ir ausgehn oder in deren ier
das i dem Stamme, nicht der Endung zugehoert. Anfangs, in der Sprache der Ritter,
beschränkte sich diese Ableitungs- und Flexionsart ihrem französischen Aulasse gemaess
auf franzoesische Worte: fieher ficlrier fischieren, laisser laissier leisieren, parier parrieren,
chanter schantieren, faillir failieren; von lournoyer mit Zusaminenziehung turnieren. Wie man
alsbald auch an deutsche Stämme damit gieng, haben wir bereits gesehen (S. 29); nament-
lich aber ist seit dem Ausgange des Mittelalters diess franzoesische ier der übliche Weg um
lateinische Zeitwörter deutsch zu machen, z. B. fixieren laxieren fallieren, die mit jenen fischie-
ren leisieren failieren etymologisch eins sind, studieren, das jedoch nicht von studere kommt,
sondern wie das fr. eludier von dem mitlellaleinischen studiari, u. s. w. Mehrere Worte
erscheinen in beiderlei Formen, jener altern kürzeren, die einen deutschen Bildungsvocal,
und dieser jüngeren, die weitläuftiger eine ganze fremde Sylbe als Ableitungsmittel braucht;
es kann sich damit noch eine Aenderung im Begriffe selbst verbinden: also neben kupelen u.s. f.
nhd. copulieren, declinieren, dictieren, exilieren, experimentieren, fundamentieren , mhd. muo-
sieren, nhd. ordinieren, mhd. organieren, nhd. pradicieren, pressieren, probieren, pulsieren,
rentieren, roulieren, rumorieren, spendieren, temperieren, titulieren, tractieren, tribulieren.
Die jüngere Form deutscht weniger um: sie tritt nseher zu der fremden Urgestalt zurück
und vergönnt dem Wort keine deutsche Betonung.
ABLEITUNG.
Deutsche Ableitung von fremden Worten geschieht gleich deren Flexion in zwiefacher
Art. Nach der einen wird das Ableitungsmittel gleich hinler den fremden Stamm, viel-
leicht auch an die Stelle einer fremden Endung gesetzt, und deren Laute veranlassen die
Wahl gerade dieser deutschen. Golhische Beispiele vidua viduvö Wiltwe viduvairna Waise,
Roma Romanus Rüma Rümonus*, äaijuojp daimonari Besessener. Hochdeutsche mit ari:
carcer ahd. charchäri, catus mhd. katere, lavator ahd. lavantäri Walker, mango mangäri ,
martyr martiräri, speculator spekaläri, extruncare strunzen strunzere, sulor sütäri, interci-
lium zilre, vidua mhd. witewe witeware und all die früher (S. 39) erwähnten, die ein
neutrales orium u. s. f. in männlich ari umsetzen; das Volk zieht eben hieher Worte wie
doclor und professor, wenn es Docter und Professer ausspricht. Mit ich, ig, isk, lieh:
canonicus ahd. canunich und canonlich, clericus chlirich, grammatica gramatich , rusticus
rustich rüstig, antiquus. antich antisk antrisk , Hebrmus ahd. hebre'isc, dramaticus nhd. dra-
matisch Mit ine und linc: armarium mhd. almar nhd. Almaring, amarellus ahd. amero
und amerinc nhd. Ammerling (mit ableitendem z ahd. amirzo, mhd. emritz), perca fr. perche
ahd. bersich nhd. Rerschling, byzanlius mhd. bisant und b'isantinc (Münzname wie cheisuring
1 Dasselbe bn, das in lauhmbni Blitz und sipbni Schüler ner sein Rümonus nur als eine Umbildung des lat. Bo-
zur Ableitung dient? Aber lauhmbni scheint nur eine manus zu betrachten, die gleich msessig in beiden Vo-
Nebenform von lauhmuni und sipbni ein slavisches Wort calen heruntergesunken ist.
(JGrimms Gramm. II, 180). Somit möchte es gerathe-
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pfenninc schillinc Silberling), boletus ahd. puliz nhd. Rülstling, agaricus Egerling Angerling,
piscina als Ortsname mhd. Fischine nhd. Fischingen, hatte ahd. härinc, cucumer nhd. Küm-
merling, rheda mhd. reding , salmo nhd. Sälmling Saibling, trabs mittellat. trabeum ahd.
tremil nhd. Tremeling, viridia ahd. mjjVz (oben S. 23) Wirsing, viduus Wittling. Mit inn:
Charis Charitinn, fata altfr. feie mhd. auch feine, lupa ahd. /upJn meretrix, Phoebus 17 Jahrh.
Phaebussin, Venus 15 Jahrh. Fe"/twsst"n , üi'dwa 16 Jahrh. Witlwin. Mit o//V episcopus mhd.
auch bischolf, guttarium nhd. mundartlich Gutlere mhd. gutterolf, cingulum mhd. ztn^eZ und
zingolf ztvingolf Zwinger. Mit o/<: cuniculus mhd. künoh. Mit öst: ahd. suparöst als Super-
lativ zu lat. superus. Mit fwft: balteus palderich, pater mhd. pfetterich Pathe, prov. oota pu(i-
n'cA. Mit imc: tradere ahd. trädunc Uebersetzung, amylum nhd. Amelung. Mit an, mit
i'nc und fc'nc und unc, mit olf und o/< und rieh, all diese Bildungen haben männliches
Geschlecht und nehmen auch Sachbegriffe in perscenlicher Auffassung; die mit olf olt rieh
wie jenes Adjectiv canonlich sind allerdings, wenn man es genauer bezeichnen will, zusam-
mengesetzt: doch ist dieser vollere Werth der Schlusssylben längst schon abgeschliffen. Und
so mag auch Amourschaft s. v. a. Liebschaft und moegen auch Volksnamen wie ahd. Rö-
mari , mhd. Römcere, nhd. Rcemer hier aufgeführt werden: ursprünglich hat es Römwari
d. i. Romwehrer, Romkrieger geheissen, augelsächs. Römvare, altnord. Rümveri.
Die zweite Art der Ableitung vergleicht sich jener deutschen Flexion hinter beibe-
haltenem ms und \er: vor dem isch und er bleiben al und an und ens u. s. f. bestehen,
und der gleiche Begriff wird zweimal, zuerst in fremden, dann in deutschen Lauten be-
zeichnet. Diess der Ursprung unsrer alisch in grammaticalisch idealisch moralisch und der
aner iner enser und anisch inisch ensisch u. s. f., die gleich anderen undeutschen Ausgängen
gelegentlich auch hinter deutsche Worte treten: Gothaner Hannoveraner Anhaltiner Radenser
Hallenser Jenenser; in Italimner und italiwnisch haben wir das a, das früher auch hier ge-
braucht ward, umgelautet. Die althochdeutsche Sprache hat von der Art bereits troianus
troiänisc , sapphirinus saffirlnisc, indicus indigisc, ajgyptius egypzisc, die mittelhochdeutsche
neben franzois aus franeois d. i. franciensis auch schon franzoisisch und Franzoismre. Mar-
kalenter Marketender ist mit ebensolcher Häufung, zugleich mit umdeutschendem Bezug auf
Markt, vorn ital. mercatante mercadante abgeleitet; Häufungen von ier und er sind die theil-
weis nicht mehr üblichen Rarbierer Cassierer Cavalierer Juvelierer Officierer Spezierer Tape-
zierer: auch die mittelhochdeutschen aslronomierre floitierre krigierre partierre patelierre sind
aus astronomierere u. s. f. zusammengezogen. Prinzessinn hat gleichen Sinn mit Prinzess,
mhd. eptischin nhd. Aebtissinn Canonissinn Diaconissinn Priorissinn den gleichen, den schon
die einfacheren Bildungen abbatissa mhd. eppetisse und Priorinn ausdrücken; dieselbe Ver-
doppelung hinter einem nicht fremden Stamme in dem mittel- oder niederdeutschen tümer-
schln Gauklerinn. Veilchen und Veigelein kommt von viola, das mhd. sinegozzel von singoz,
das nhd. Scharmützel vom ital. scaramuccio, Worten die alle selbst schon (vgl. oben S. 17)
verkleinernde Endungen an sich tragen.
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IX. UMDEUTSCHUNG DURCH ZUSAMMENSETZUNG.
Bekanntlich ist es den altechten Bernern eigen, der Deutlichkeit für Andre und für
sich selbst und ihrem doppelten Sprachgewissen dadurch Genüge zu tbun, dass sie dieselbe
Sache zweimal hinter einander, erst franzcesisch, dann deutsch, ja unter Umständen drei-
malsagen, franzcesiscb , bernerisch und hochdeutsch: «Ecoutez! Loset! HoerenSie!» Aus
eben diesem dem Barbarismus natürlichen Bedürfniss hat sich die Rede unserer Vaeter im
dreizehnten und im siebzehnten Jahrhundert mit solchen halbfranzoesischen oder halblatei-
nischen Wortpaaren angefüllt wie ppl und strüle, trüt und amls, yeschaß und creatiure,
Antiquitet und Alterthum, Farn und Leumund, Instrumentum und Werkzeug, Moment und
Augenblick, Postur und Stellung, Uhr und Stunde, Lob und Preis, Stuhl und Thron; genug
dergleichen überall noch im Munde des gemeinen Mannes. Das fremde Wort, dessen
Verdeutlichung es gilt, nimmt dabei der Regel nach den gebührenden ersten Platz ein.
Es ist ein Andres, wenn man heiliger Sanct Florian sagt, wenn die ehemalige Peterskirche
in Regensburg will Sunt Peter hiess, wenn man Jemanden anredet mein Herr Monsieur:
hier muss wohl das deutsche, da es ein Adjectivum und ein Titel ist, vorausgehn.
Viel zahlreicher noch als solche Zusammenstellungen und überall in der älteren und
zumal in der Sprache des Volkes noch beliebt sind die Zusammensetzungen, die das fremde
und das deutsche, das erklärte und das erklärende Wort in einen Körper sich vereinigen
lassen, meist auch wieder mit Nachfolge des erklärenden. Und zwar. deckt dieses bald
den ganzen Begriff des erklärten, bald und gewöhnlicher nur einen Theil desselben, oder
es reicht, indem es die Gattung zu der Art benennt, darüber hinaus: die Zusammensetzung
ist bald eine Tautologie, bald und meist ein Pleonasmus.
Zuerst Beispiele, wo das fremde Wort voransieht. Amorette: Amelbeere. Biblia: Bibelbuch.
Breve ahd. brief Buch : briefpuoch. Campus ahd. champh Zweikampf, wie Kampf: champhwie.
Chapeau-bas-hut. Cometslern. Dama ahd. tämo dämo: nhd. Dammhirsch. Eau-de-Cologne-
Wasser. Gynatceum ahd. genez Arbeitsraum für Weiber, tunc (unterirdischer) Arbeilsraum der
Art: geneztunc. Carnarium mhd. gerner Beinbaus: yernerhüs. Grenzmark. Grenzscheide. Jlostia:
Hostgott. Hydra: mhd. iderslange. Caulis mhd. köl: kölkrüt. Cordonriemen. Cerasus Kriese :
Kriesbeere. Cuirassierreiter. Copa mhd. kuofe, kar Gefäss: kuoflcar. Cache Kutsche: Kutsch-
wagen. Libum: Lebkuchen, Leblaib, Lebzelten. Mulus Maul: Maulesel, Maulpferd, Maullhier.
Misellus ahd. misal aussätzig: misalsuht, miselsiech. Monasterium : Münsterkirche. Paradisus:
Paradiesgarten. Pestis: Pestseuche. Pensale mhd. pßesel heizbarer Arbeitsraum, gadem Ge-
mach: pfieselgadem. Pistor P fister: Pßslerbeck. Pluma: ahd. phlümfedera, Flaumfeder. Plai-
sircergnügen. Planetstern. Pabelvolk. Puls ahd. polz, muos Speise: polzmuos. Psalmus,
ahd. scof Dichtung: salmsang psatmscof Psalm. Purlauter. Bosa ahd. rösebluomo. Bota
ahd. rad, sc'ipä Rad: radseipä. Salto-mortale-Sprung. Sagma Saum Pferdelasl: Sanmlast.
Synodus mhd. scnl geistliches Gericht: Sendgericht. Shawltuch. Tempelhaus. Thunnus: Thun-
fisch. Turtur: ahd. turtultüpä. Vier üder: üderbalg. Tabula mhd. zabel: zabelbret. Cym-
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balum Zimtnel: Zimmel schelle. Besonders häufig kommen als ausdeutender Bestandtheil vor
die allgemeineren Worte Baum: esculus eschelboum, larix lerchboum, pinus plnboum, sabina
seviboum, cedrus zederboum u. s. f.; Burg: Augusta Ougustburg, Gunlia Günzburg, Borna
angelsäehs. Bömaburh: Mann: Alarme Lärm, 16 Jahrh. Lerman (personifizierend wie Sack-
mann Plünderung), ambactus ahd. ampahtman (syncop. amman) und ampahtscalch, viduus
Wittmann nebst vidua Wittfrau Wittweib und Wittleute, Koseformen fremder Personenna-
men (es tritt jedoch ebenso hinler deutsche) wie Erasmus Bassmann Assmann und Musmann,
Chrislianus Christmann , Hieronymus Grolmann, Johannes Hansemann und, Hannemann, Simon
Simmann, Thomas Thommann; Stein: marmor mhd. marmelstein, onyx Onychstein, pumex
Bimsstein, tofus ahd. tufstein; Thier: elephantus mhd. helfent helfender, Camelus kemeltier,
panthera pantertier, tigris tigertier.
Voranstellung des deutschen Wortes. Blumenflor. Eisqletscher. Federpennal. Feuers-
flammen. Frauenharem. Frühmelte. Gespons. Halsgoller. Hellklar. Mhd. missefwlen. Mit-
camerad, Mitcollege, Mitcompagnon , Mitconsorte, Mitconvictor. Begenparapluie, Begenpara-
sol , Sonnenparasol , Sonnenparapluie. Mhd. rosmül, rospfert. Salzsaline. Scrinium Schrein,
Sarg: ahd. sarchscrlni. Schiffsflotte. Sutor : mhd. schuochsüter schuohstmre schuoster. Roman.
bota u. s. f. Stiefel: ahd. scuopoza als Landmass. Schulzpatron. Ahd. sahs angelsäehs.
seax Messer: ags. seaxculter, Lex Salica sexcaudrus. Siegestrophae. Franzoes. batte: ahd.
slegibalta. Ueberrest. Wüsteneremit.
X. UMDEUTSCHUNG DURCH VERÄNDERUNG DER WORTE SELBST.
Endlich ist noch von der Zahl, der Unzahl derjenigen Fälle zu sprechen, wo ein
fremdes Wort nicht durch die äussere Zuthat von Flexion oder Zusammensetzung den
deutschen an die Seite gestellt und dem Verständnisse nseher gebracht wird, sondern ein
unmittelbarer Angriff seiner eigenen Laute, eine oft kaum merkliche, oft wieder sehr
kühne Aenderung derselben ihm den Anklang an deutsche Wurzeln und den Anschein
heimathlichen Ursprungs und Begriffsausdruckes giebt. Damit sind nicht die bewussten
Wortspiele gemeint, wie die allere Komik und noch jetzt der Witz des Volkes sie erfindet,
die scherzhaften Verdrehungen von Alchymisterei in Allkühmisterei, Decret in Drecket, Lom-
bardei in Lumperlei, melancholisch in maulhenkolisch, Arragonia in Narragonia, Podagra in
Pfotengram u. dgl.; auch nicht die willkürlichen Umdeutungen jener Gelehrsamkeit von
vormals und von heute, wonach Abenteuer (franz. avenlure) aus Abendtheuer, hantieren (fr.
hanter) aus handlhieren oder handieren entstanden und so auch zu schreiben und zu spre-
chen sei. Die Aenderungen, um die es hier sich handelt, gehn absichtslos vor sich; ent-
sprungen aus Nichtverslehen und Missverstehen, nicht anders als ein grosser Theil der
früher besprochenen Geschlechtswechsel, ziehen sie naiv das Fremde, wie wenn es nie ein
Fremdes gewesen waere, in die Sprache und ebenso in deren Wachsthum mit herein, wie
dort auf dem Wege der Lautverschiebung das Fremde mit dem Deutschen forlwächst.
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Und nicht nur die Sprache wird so mit neuen Worten, es wird durch solche Missdeulung
der Kreis der Vorstellungen selbst mit neuen Wesen bereichert: es ist bekannt, wie den
Italienern aus dem Festnamen Epiphania der Name einer kindersebreckenden Fee Befand ge-
worden ist (beffare heisst verspotten): das Volk in den Niederlanden, uach einem Zeugniss
des zwölften Jahrhunderts (Reinardus I, 1131 fgg.)> machte sich aus den hervortoenendsten
Worten der Liturgie, aus Excelsis und Osanna und Allcluia, neue Heilige, und diese
S. Osanna durfte um so annehmlicher erscheinen, da man das Wort schon längst, schon im
achten Jahrb. als Weibernamen brauchte (Förstemann I, 112), als deutschen Namen, ab-
geleitet von ös d. h. ans Gott. Es ist aber nicht gerade das Laienvolk allein, dessen
Missverstande wir diese letzte und graste Classe der Umdeulsrhungen verdanken: jetzt
allerdings mag dergleichen nur noch den Ungelehrten glücken, und die Sprachgelehrsam-
keit reicht jetzt weit hinab: im Mittelalter that unbefangen auch die Geistlichkeit das Ihrige;
ja beinah die meisten und fast all die ältesten Worte der Art sind aus geistlichem Mund
hervorgegangen: denn es sind Worte des Lebens in Kirche und Kloster und Klostergarten.
Es wird die Reihe der Beispiele übersichtlicher machen, wenn ich Appellativa und
Eigennamen von einander trenne.
APPELLATIVA.
ABC, 17 Jahrh. Abersei, 14 Jh. oberz'de. Abrotanum, ahd. avarüzä, nhd. Aberraute,
mhd. ebereize. Adjoint, der Radschuh. jEslivale, ahd. stiful mhd. slival : oben S. 32.
Agrimonia, mhd. agramüni, odermenje. Ambaclus ahd. ampaht Diener, goth. andbaht: and
an, zu, gegen, bäht bedeutungslos. Anachoreta, ahd. einchoraner alleingekorener, altsächs.
enkoro, angels. äncra. Antichristus , mhd. Endekrist. Apotheker, Abdecker. 'Aipig apsis
mittellat. absida, ahd. apsit absida und abs'üä, Abseite. Archiepiscopus mhd. erzebischof,
mitteld. 13 Jahrh. der erdische bischof. Arcubalista fr. arbaleste, mhd. armbrest armbrust
u. s. f. Aristocrat, Stockrolh. Aristolochia, Osterluzei, mhd. östergloye {gloye Schwertlilie),
Eigenname Oesterlei. Arrha, Haar. Assembler, samelieren: oben S. 32. Aul: aut oder
naut entweder oder, ja oder nein.
Bagage, Package. Bastard, mhd. basthart. Beccabunga, Bachbunge. Bibliothek, Bibel-
aplheke. Bleu mourant, blümerant. Bracciatello ahd. prezitella Prezel, 16 Jahrh. Brettstelle.
Cwpulla ahd. zlpolla mhd. zivolle, in den Begriff der Zweizahl gezogen ahd. zwibollo,
mhd. zwivolle, nhd. Zwiebel Zwiefel. Capreolus Weinranke, ahd. kraphilln, sonst Haschen.
Carassius Karausche, Garäuslein. Carbunculus, nhd. Karfunkel: funkeln. Cataplasma, Kar-
tenplass. Char ä banc, Scheerbank. Chere: faire bonne chere, 16. 17 Jahrh. gut Geeckirr
machen. Chirurgus, Gregorius. Chrisma: Krisengeld, Kristengeld Palhongeschenk. Cislerna,
Sigslerne: ahd. sigan sinken, slroemen, tropfen, nhd. versiegen. Cilamus, ahd. z'itelösa:
vgl. griech. icp^/iiiQov. Crocodillus, mhd. kocheldriUe S. 13. Comes slabuli altfr. conne-
stable, ahd. cumistadul chumistuodalo (stadal Stand, Scheune; stuodal Stütze), mhd. kunstabel
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constofeler u. dgl., nhd. Kunststwbler. Cordouan, n)h<\. küderwän: ki'uler Werg. Cornus ahd.
churnipoum chuirniipoum, corna quirnpcri quirnalperi: quirn chnrni chiimila Mühle. Crypta,
gruft S. 23. Cucumago, Kugelmagen. Cuniculus, mhd. kilnigel; nhd. Zusammensetzungen
Künighase und Hasenkiinlein.
Dague, Degen, männlich und ausgesprochen wie degen Krieger. Desconfire desconß-
ture, mhd. entscliumpfieren nhd. schumpßeren schimpf eren, schumpfentiure schimpfenteur. Di-
ptychon, mitlellal. auf dictare bezogen diclica, mhd. dichtavel. Districtreiter, Strickreiter.
Dormitorium, mhd. dormital , niederd. Durlich: vgl. Refectorium. Dragomanno (ital. vom
arab. targomän) mitlellal. drogamundus Dolmetsch, mhd. tragemunt trongemnnt. AqÖjawv ,
mhd. dromunl tragemunt.
Echapper, cnlschappen. Egal, einjal. Eleemosyna mittellal. elimosina, ahd. alamuosan
alamuosa, mhd. armuosen: at, arm und muos Speise. Elephantus, ahd. helfant S. 40. Escluse
ecluse Schleuse, Schliesse. Estalage, Stellage. Estendard , mhd. stanthart. Eulogia, ahd.
obelagi u. s. f. S. 19.
Facitergium facitergulum , ahd. fezelraga fazitragala. Falavisca ahd. falawiska S. 22.
Faubourg, Pfahlbürger. Fourrage fourragieren, Fudrasche fullragiereh: vgl. S. 23. Fronli-
spice, Fronlenspilze. Fundamenlum ahd. fündament, mhd. fundamunt pf 'und emünte, fullemunt
milmunl pfulmunt, vollemunt volmunt. Furibundus, ahd. furifunt.
Garderobe, Kleiderobe: robe als Aufbewahrungsort verstanden, wie man dor in Louis
d'or als Goldmünze versteht und so damit Friedrichsdor bildet. Gigant, mhd. w'igant d. i.
Kämpfer. Gracius mittelniederd. grasse, ahd. chresso, nhd. Kressling: vgl. chresso crasse
Kresse. Graphio ahd. krävjo Graf, bezogen auf räuo Sparren und re'fa Räuber ahd. garävo
angelsächs. gerffa. Graphium, ahd. grifil. Grida ital., 16 Jahrh. Kreide Feldgeschrei,
Signal: Kreidenschuss , Kreuzschuss. Gutta fr. goulte Schlagfiuss, nhd. Gut, zusammengesetzt
Gutschlag.
Hasard, mhd. hasehart Würfelspiel. Henri, Hanrei. Herbitum, ahd. erbisib. Hume-
rale, mhd. umbeler. Hyacinthus, Zinke.
Interpres, ahd. antfrist. Introducere, nhd. einlroducieren. Involucrum, ahd. wulluch
wollouch. Jour : etre du jour, die Schur haben.
Lampelra lampreta, ahd. lamphrida lantfrida, mhd. lamprecht. Lapathum, ahd. pletacha.
Lemma, mundartl. Lehema d. i. Lehenmann. Leopardus, mhd. liebart. Leun altfr. Lyon:
pauvre de Leun, mhd. pöverlewe. Lieutenant, Leutnamt Leutnant. Ligusticum libuslicum levi-
sticum, ahd. lubestecco lubislichel lubistechal nhd. Liebstöckel. Lustrare, ahd. hlüslarjan (sonst
s. v. a. lauschen), liislrichön. Luth, Laute.
Maiorana, mittellat. Umbildung von amaracus, mhd. meigramme, nhd. Maigram und
Moseran. Maire, Meier: beides von maior. Mancipium, ahd. mit Umdeutschling des ersten
und missverständlicher Uebersetzung des zweiten Theils manahoupit. Mansionarius , Messner
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S. 25. Magyccpivris margarita goth. markreitus, ahd. marikreoz mhd. mergrieze d. i. Meer-
kies. Mentha, ahd. minzä und munzä nhd. Münze: ebenso alermunzä aus atarminzä lat.
atramentum. Mercadante, Marketender S. 45. Mergus, ahd. merrich: vgl. S. 45. Misellus
ahd. mtse/ aussätzig: mhd. mislich, maselsuhl, müselsuht, bezogen auf mischein mislim mischen,
masel Blulgeschwulsl, bemüselen beflecken. Misericors Dolch, mhd. mlsenkar mtsikar miskar:
kar Gefäss. Mespris mepris, mhd. missepris. Monier Bombenmörser, Mertier d. i. Meer-
thier. Muta, goth. möta: mötan können, mötjan begegnen; vgl. jedoch S. 25. Mus mon-
tanus, ahd. müremunto murmenti, mhd. murmendln murmellier mummeltier. Myrtus, mhd.
merdorn: vom Meere, von Süden her gekommen.
Narcissus, nhd. mundartl. Marzisli. Nocturnus, ahd. nohturn; nuohturn nuohtarmn
nüchtern: uohtä Morgen, uohternin nüchtern.
Obtongus, nhd. ablang. Onocrotalus mittellat. cretobolus, ahd. horatupil horotümil horo-
tumbel horolüchil: horo Sumpf; nhd. Rohrdommel. Oryza, ahd. arwlza arwlz: sonst aus
tQtßiv&os.
Panther, mhd. pantier. Paraveredus mittellat. parafredus, ahd. parafrid farefrit , mhd.
pferfrit pferft pferil pfert. Partisane, Parteisen. Pastinaca, Pastnagel. Paternoster, Betnuster
Paler Beter Nüster. Pedissequus, ahd. peinseico beinseggo; pedissequa, beinsegga: sekko Gunst.
Pentecoste, ahd. ßmfchusti. Perspectiv, Sperr fectiv. Pervinca, ahd. perewinka mhd. berewinke.
Petraria, ahd. phetaräri phedernri fedaräri, mhd. pfelermre pfederwre vedrer. Petroselinum ,
ahd. pedarsilli federscelli , mhd. auch peterlin. Pecet bcehm., nhd. Pelschet Petschatt Petschaft.
Phasianus, mhd. fashan, ahd. fasihuon phasehuon. Physicus, Fisigucker. Piece, mundartl.
Biiessli kleines Geldstück. Pietist, Betist. Piscatio, mhd. fischenze (S. 10) und vischenutz.
Planchette, Blankscheit. Porticus ahd. phorzich phorzeich, mhd. auch furzog und wie noch
mundartlich Vorzeichen. Prado, Prater Brater. Predigt, mundartlich Predig wie ahd. pre-
diga, verhochdeutsch t Beredung. Primissarius , Friihmesser. Psittacus ahd. psitich sitich
sitach, mhd. auch sickust. Pulcinello, Britscheneller. Pulpitum, mhd. pulbret. Pulsader,
16 Jahrh. bulzader: bulzen fahren wie ein Bolz. Pyrethrum, ahd. perhtram nhd. Bertram.
Quasimodo, 17 Jahrh. Kose-Mose. Quelque chose, Geckschosen Keckschoserei.
Becuperare, ahd. irkoborön. Refeclorium, mhd. revental: vgl. S. 34 u. 39. Benoyer
renier, mhd. vernoigieren. Beticule, Ritterkiel. Rondel, Rundtheil. Rubiola, mhd. rebigel.
Scaber, ahd. scaberi. Schächzabel mhd. schächzagel schäfzagel schäfzaigel; ebenso zabeln,
zagein: zagel Schwanz. Scandula, ahd. skintalä Schindel. Scarlatum mhd. scharlät, schar-
lachen Scharlach. Scharnützel Starnützel aus ital. scarnuzzo, Scharmützel aus scatamuecia
und scarnuzzo. Scatola ital., Schachtel, mundartlich Stattet Spattel. Schedula mhd. zedele
zedel, nhd. Zettel: zetten streuen. Scripturale Federmesser, Schrifteral; scriptum, mhd.
schriftiure. Secretarium sacralorium, ahd. sigitäri sigitüri, mhd. sigeltor. Sengle sangle,
mhd. senket. Servant ital. servente, Scherwenzel Scharwenzel. Spatiari, ahd. sparzibeinön.
Stilbon, ahd. stelbon, mhd. slalboum. Stipula, ahd. stupfilä: stupfen stechend stossen.
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Stola: Slolbruder, mhd. sluolbruoder Kirchendiener. Strepere, ahd. strepalen stripelen. Slro-
plia Lisi, ahd. slrüpitha. Stuperc, ahd. stobarön. Synodus ahd. senöd , mhd. sent und
samt: senden.
Tabard, mhd. tapharl. Tambour, Tambauer. Tiretaine, Dirdendei. Theriacum, mhd.
driakel. Triangulus, Dreiangel und Dreianker. Tubrucus tubracus, ahd. diohpruoch (Schen-
kelhose) dieelibräto: oder slamml das lateinische, zuerst von Isidor XIX, 22 verzeichnete
Wort aus dem Deutschen?
Valeriana, ahd. baldrittn. Yalise, Felleis Felleisen. Vas, ahd. wahs S. 15. Virgatum
gelin Huthen suchen gehn, ein Schülerfesl, auch Kindervirgatum und Vergattung.
Ypsilon, Ixeland. Zedoarium , ahd. zilawar, mhd. zitwar zittewar und zitvare. Zibibbo
ital., mundartl. Zwibibe: vgl. oben cmpulla Zwiebel. Zingiberi prov. gingebre, ahd. gingi-
bero, mhd. gingcbere ingeber ingewer.
Mehrere Worte werden zugleich durch eine Abkürzung, die sie deutschem Laut und
Sinne naehert, und durch Zusammensetzung umgedeutscht: asarum Haselwurz, ascalonium
ascloucli, colandrum chölgras, coloquinthida cölgerste, lierodius herfogel, leoperina Über stein,
chelidonia scelliwurz, scopulus scopslein.
Mitunter auch ändert sich zwar der Sinn, aber kein Laut des fremden Wortes, weil
es schon so eine deutsche Wurzel und deutschen Begriff zu enthalten scheint: irritieren
heisst dem Volk ohne weiteres irre machen, Pollron ein Polterer, tribulieren treiben, vexie-
ren mit Faelisen zum Narren haben, postulieren gleich dem gewohnteren Fremdwort postieren
s. v. a. in Geschäften laufen. Also ganz wie jene Wortspiele mit fremden Ausdrücken,
die deren Aeusseres nicht berühren , wenn z. B. ein Fall ein Falliment genannt wird , der
mahnende Gläubiger ein Manichceer, eiu mürrischer Mensch Mufti, die Füsse in Nord-
deutschland Potentaten [Polen Pfoteu) und ein beeses Weib Sadrach d. i. Satan und Drache.
Dergleichen ist wie ein vorbereitender Uebergang vom Fremden zur Umdeutschung.
EIGENNAMEN.
In der Ümdeulschuug derjenigen fremden Eigennamen, die der Bibel und der Kirche
augehoeren, giengen das Gothische und noch das Alt- und Mittelhochdeutsche nicht über
das Nothwendige und das Naechsle hinaus; Petrus z. B. erhielt in der hochdeutschen Form
Petar wohl auf Anlass des Accentes eine andre Quantität und um der Flexion willen einen
anderen Schluss: aber die Aspirierung Plietar, die Diphthongierung Pietar, beides kommt
nur als vereinzelte Ausnahme vor, und wenn auch die Keronischen Glossen einmal aus
Aegyplus Ekißi machen, so werden doch sonst die echten Consonanlen dieses Wortes
überall behauptet.
Personennamen audereu Ursprungs waren nicht so sicher gestellt: das Riesenkind
Rainouard ward von der mittelhochdeutschen Dichtung Rennewart, Attilas Bruder Rleda in
der Heldensage Riaedel oder Rloedelin genannt; Etzel jedoch, wie Attila selbst in der Sage
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heisst, dient hier nicht als Beispiel: ein so entschieden gotttisch gebildetes Worl wie
Attila, ein Kosewort, s. v. a. Vfeterchen, konnte und musste sich auf dem gesetzmäßigen
Weg der Lautverschiebung ahd. in Ezilo, mhd. in Etzel umgestalten; die' Umdeutschung,
welche bei diesem Namen stattgefunden, ist bereits auf der Stufe des Golhischen geschehn.
Unlerschiedlos aber alle Personennamen, auch biblisch und kirchlich überlieferte umzu-
deutschen wagt erst die Alltagssprache der neuhochdeutschen Zeil, und es steht das in
Verbindung mjt jenen häufigen und grossen Kürzungen derselben durch Aphserese und
Apocope und mit ihrer theils auf Wortspiele, theils sonst begründeten appellativen Anwen-
dung, die ich anderwärts erörtert habe. Es wird also mit unabweisbarem Anklang an
deutsche Worte aus Balthasar Bahlltauser oder Waldhauser oder bloss Hauser, aus Colo-
mannus Kelbel, aus Dominicus Tummernix und Kussel , aus Emanuel Mannt, aus Helena
Lene, aus Magdalena Maid, aus Medardus Mwderli (die Witterung des Medardustages ist
weissagend für die Heuerndte), aus Silvester Vestel , aus Veronica Vrone, aus Wilhehnine
Minnel u. dgl. Wie gern das Volk in den undeutschen Namen einen deutschen Sinn
sucht, zeigt recht als Beispiel der Gebrauch unsrer Landleute eine Tochter, bei deren
Geburt die Mutter sehr hat leiden müssen, Lydia zu nennen.
Geographische Namen, die ausserhalb des biblischen Bereiches liegen, haben sich
ebenfalls schon seit früher Zeit den mannigfachsten Umdeutschungen unterwerfen müssen,
Aenderungen, die in solchem Sinne bald nur den Ausgang, bald das ganze Wort ergrei-
fen; wie die eigentlich fremden werden auch Namen des sächsischen und scandinavischen
Nordens auf Hochdeutsch so bebandelt. Auch von dieser geographischen Umdeutschung
noch Beispiele: und dann schliessen wir endlich.
Alemona, ahd. Altmuna, mhd. Altmule, nhd. Altmühl. Atta Bipa, Haute-Bive bei
Freiburg, Altenrif. Anjou, mhd. Anschouwe. Antwerpen, Antorf. Armagnacs, die Arm-
jacken, Armjäcken, Armen Jacken, Armen .lecken, die Gecken. Batavium, ahd. Bazouwa
Pazouwa Passau. Byzantium, mhd. Wizsant. Angelsächs. Canlvaraburh (Burg der Verthei-
diger von Kent) Canterbury: ebenso an den angelsächsischen Dativ Cantvarabyrig sich an-
schliessend ahd. Kantilbirja, mhd. Kanlelberc Kandelberc: chandala kentila ist candela; Abra-
ham a S. Clara braucht Kandelberg als Wortspiel mit Mandel d. i. Kännel Kanne. Caucasus,
mhd. Goncasals, Göikelsas, Gloggensachsen. Celius mons, Kellmünz; und Kalmiinz mhd.
Chalemunza aus Calvus mons? Cumberland, mhd. Kukumerlant. Danubius, ahd. Tnonouwa
und Tuonaha. Eboracum, angelsächs. Eoformc (Eberstadt), ahd. Ebirwich, engl, zusammen-
gezogen York. Fauces, mhd. ze Füezen, Füssen. Finis terra? Vorgebirge in Galicien, mhd.
Finster sterre, Finster Stern: vgl. tunkel Sterne Abendstern. Garda, mhd. Garte; Gardasee
ahd. Kartse. Graisivaudan, mhd. Graswaldäne, Graswalde. Grandval , Granfelden. Hospi-
tal, Hospenthal. Languedoc: Langendogger. Lugdunum Lyon, ahd. Liutona Liutana. Mantova
Mantua, mhd. Mantouwe. Marabut Morabite, mhd. Merbot. Mediolanum, mhd. Meielän
Meilän, nhd. Mailand: Meilen, ein Dorf am Zürcher See, im 10 Jahrh. Meiolano Meginlano
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Meilana, wird demnach auf Latein ebenfalls Mediolanum geheissen haben. Mestre, mhd.
Meisters. Mons Bligardis, Mons Beligardis Montbeliard, mhd. Munbiligart Münpelgart Müm-
pelgarten. Moslem, Muselmann. Nantes, mhd. Nanlheiz. Altnord. Noreg d. i. Nordhveg
Nordweg, mhd. Norweg Norwege Norwegen Nortwegen , mit Bezug auf wäc Wasser Norwwge,
mit Bezug auf weide Norweide. Nowgorod, mhd. Ndgarten Nägart Norgart. Olranto, mhd.
Ortrant. Osmane, Ottomanne. Padova Padua, mhd. Padouwe Badouwe. IHgya/uos, «fe
IUQytt/xov, mhd. Spergimunt. Pliilippopel , mhd. Vinepöpel Winapöpel: »Kipper und Vine-
pöpel hänt guoter trinken gewalt« Wolfr. Wilhelm 448, 8; der gleiche (Konsonanten-
wechsel in Philadelphia mhd. Phlnodelfe. Piscina, mhd. Fischine, nhd. Fischingen: vgl. S. 10.
Poloice Flächenbewohner, slavischer Name der Rumänen, mittellat. Flavus, ahd. Falo nhd.
Valwe. Pons Bagintrudis Porrentruy, mhd. PunreindrCU Purrendrüt Burnendrüt Brunnentrüt
Brunndrüt. Ravenna, ahd. Rabana Rapana, mhd. Rabene. Rivoglio, mhd. Reifel Reinval.
Roma, goth. ahd. Rüma: s. S. 25. Russe Russland, mundartl. Ruess Ruessland: Ruess Buss,
Bahra. Schlesien, mundartl. Schlesingen. Mittellat. und romanisch Tehisvenna Theisvenna
Thesvenna Thasvenna Thasfenne Tasvanne Tavannes, Dachsfelden. @eG<raAovixq , mhd. Sal-
nicke Salnecke Salnegge. Tnronis Tours, ahd. Turnis Turns Turn. Venustee mons, roman.
Vestmonza, Finstermünz. Verdunum, ahd. Wirtina. Verona, ahd. Berna: beran bern Baer;
vgl. oben S. 22. Vitudurum, ahd. Winturdüra Wintardüra, mhd. Wintertüre : wintur d. i.
goth. veinatriu Weinstock: vgl. den ahd. Ortsnamen Wlnitre Wintere Kcenigswinter, win-
terlinc winlarhallä wintarperi wintertrola, alles Uebersetzungen des lat. labrusca, und
winterbutz Vogelscheuche in den Beben; die Ableitung wlnzuril wlnzurnil winzure winzurn,
nhd. Weinzierel und Winzer, und die Ortsnamen Winzirin und Winzurn (bei den Beben
oder bei den Bebleuten), jetzt Winzer, zeigen den regelrechten Uebergang des t in z; die
Kürzung des l vor der mehrfachen Consonanz (vgl. oben S. 33) findet sich auch in Winkela
Winkel oben S. 14. Vogesus, mittellat. Vosegus Vosagus Wasagus, ahd. Wasago, mhd. mit
Bezug auf Walther von Aquitanien Waske und Wasken walt: ahd. Wasco Baske.
Die althochdeutsche Zeit ist aber nicht selten von solcher Umdeutschung bis zur ei-
gentlichen Verdeutschung fremder Lands- und Städtenamen fortgeschritten, und Babylonia, die
civitas confusionis, heisst ihr Scantpurch, Constantinopolis Costanlinuses puruc, Decapolis Zehen
burgx, Heliopolis Sunnipurc und Sunm'm purch, Neapolis Niuicenburk, Penlapolis Finf purigi.
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3582 Die Umdeutschung fremder
A3W3 Wörter
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